Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, ich eröffne die 210. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich dem Kollegen Dr. Brönner die Glückwünsche des Hauses zu übermitteln.
Er hat am 12. Mai seinen 73. Geburtstag gefeiert.
Wir alle wünschen, er möge in der uns bekannten
Frische noch recht lange in unserer Mitte wirken.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 17. Mai 1957 die Kleine Anfrage 332 der Fraktion der SPD betr. Strafverfolgung von Verwaltungsangehörigen der Bundesministerien beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3424 verteilt.
Die Fraktion der FDP hat unter dem 21. Mai 1957 ihre Kleine Anfrage 355 betr. Altsparerregelung für Reichsanleihen und gleichgestellte Anleihen zurückgezogen.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 15. Mai 1957 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 193. Sitzung über den Werkverkehr berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3526 verteilt.
Der Ältestenrat hat, einem Wunsch des Berichterstatters des Bundesrats, Herrn Senators Dr. Klein, folgend, vereinbart, daß Punkt 1 erst nach der Mittagspause aufgerufen wird. Herr Dr. Klein muß aus Berlin anreisen. Es handelt sich um den Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz über allgemeine Höchstgeschwindigkeiten für Kraftfahrzeuge.
Wir beginnen also mit Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes .
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksache 3488).
Berichterstatter ist der Kollege Petersen. — Der Herr Berichterstatter verzichtet auf die mündliche Ergänzung seines Schriftlichen Berichts.*) — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe auf Art. I Nr. 1, — Nr. 2, — Nr. 3, — Nr. 4, — Nr. 5, — Nr. 6, — Nr. 7, — Nr. 8, — Nr. 9, — Nr. 10, — Nr. 11, — Nr. 12, — Nr. 13. — Änderungsanträge liegen nicht vor. Art. II, — Art. III, — Art. IV, — Art. V, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Bestimmungen zustimmen will, der möge die Hand erheben. -- Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sechste Novelle zum Bundesversorgungsgesetz ist der erste Schritt auf dem Wege zu einer Neuordnung der Kriegsopferversorgung, die sich sowohl im Zusammenhang mit der Reform der Sozialversicherung wie im Zuge der Gesamtentwicklung des wirtschaftlichen und sozialen Gefüges der Bundesrepublik und in Berücksichtigung des Kriegsopferrechtes des Saarlandes und der neuen Aufgabe des Bundesversorgungsgesetzes als dem Versorgungsrecht der Bundeswehr als notwendig erweist. Dabei sind wir von der Überzeugung geleitet, daß den Opfern des Krieges nach wie vor die erste Sorge des Deutschen Bundestages zu gelten hat und daß es zu den vordringlichsten Aufgaben des Hohen Hauses in seiner 3. Wahlperiode gehören wird, das Recht der Kriegsopfer dem wachsenden Lebensstandard sowie der veränderten sozialpolitischen Situation anzupassen. Diese Aufgabe muß ihre Erfüllung finden, sobald die Reform der Sozialversicherung durch die Verabschiedung der Unfallversicherung abgeschlossen vor uns liegt.
Es wird eine wesentliche Aufgabe des neuen Deutschen Bundestags sein, eine rechtsvergleichende Ubersicht über das gesamte Sozialrecht zu erarbeiten und dabei die Nahtstellen der verschiedenen Rechtsgebiete eingehend und sorgfältig auf Unebenheiten und Härten hin zu überprüfen. Das Ziel muß sein eine gerechte Koordinierung und Harmo-
*) Siehe Anlage 2
nisierung des Sozialrechts aus der Gesamtschau heraus, unbeschadet der Eigenständigkeit der einzelnen Rechtsgebiete. In diesem sozialpolitischen Gesamtgefüge gebührt den Kriegsopfern ein bevorzugter Platz in Anbetracht der Priorität ihres Rechtsanspruches, die der Deutsche Bundestag bis heute immer einmütig in Wort und Tat anerkannt hat.
Der vorliegende Gesetzentwurf einer 6. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz hebt bewußt die Grundrente in ihrer verstärkten Bedeutung hervor. Durch die Erhöhung der Grundrenten der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen soll ein erster Ausgleich für die Anrechnung der Mehrleistungen der Rentenreform auf die Ausgleichsrenten des Bundesversorgungsgesetzes geschaffen werden. Die Zweiteilung der Witwenrente ist beseitigt. Wir haben ferner besonderen Wert darauf gelegt, daß ein eventueller Wegfall der Ausgleichsrente auf keinen Fall zum Entzug oder zu einer Kürzung oder zu einem Versagen der Erziehungshilfe führen darf.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Antrag meiner Fraktion auf Anerkennung eines Mehrbedarfs in Höhe der Grundrente der Kriegerwitwen und Waisenkinder durch eine entsprechende Änderung des § 23 Abs. 3 der Reichsgrundsätze. Wir begrüßen den entsprechenden Erlaß des Bundesministers des Innern, der in Übereinstimmung mit dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen ergangen ist und in dem klargestellt wird, daß die Gewährung der Erziehungsbeihilfe nicht an die Ausgleichsrente gebunden ist.
Wir legen besonderen Wert auch auf die Schaffung eines sozialen Ausgleichs für Kriegsbeschädigte und -hinterbliebene, die im wesentlichen auf die Versorgungsbezüge aus dem Bundesversorgungsgesetz angewiesen sind. Wir sehen in diesem sozialen Ausgleich den Keim einer künftigen Zusatzrente.
Die Erhöhung der Zuschläge zu der Ausgleichsrente für die Ehefrau und das erste und zweite Kind des Schwerbeschädigten, ferner die Festlegung der Altersgrenze für die Kinder der Beschädigten und die Waisenkinder auf das 25. Lebensjahr sowie die Anhebung des Kindergeldes sind erste Schritte auf dem bezeichneten Wege. Besonders am Herzen liegt uns die Erhöhung der Elternrenten einschließlich der Einkommensgrenzen mit dem Ziele des Ausgleichs der Auswirkungen der Sozialreform auf die Elternrente. Die Elternbeihilfe soll die Möglichkeit geben, die Elternrente auch dann zu gewähren, wenn die Ernährereigenschaft nicht voll erfüllt ist. Die Abänderung des § 32 will die individuelle Feststellung der Einkommensverhältnisse im Einzelfall unter Berücksichtigung des überdurchschnittlichen Kräfteaufwandes sicherstellen.
Im Namen der Fraktionen der CDU/CSU erkläre ich unsere Zustimmung zu dem vorliegenden Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Hütter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Freien Demokraten stimmt diesem Gesetzentwurf zu. Wir haben es innerhalb von sieben Jahren auf sechs Novellen zum Bundesversorgungsgesetz gebracht. Wie ist das zu erklären? Als wir seinerzeit das Bundesversorgungsgesetz verabschiedeten, wurde es von den Kriegsopfern begrüßt, weil es ein erster Schritt aus der materiellen wie der politischen Misere heraus war. Vielen unter 'ihnen fiel es damals weit schwerer, die politische Diskriminierung des ehemaligen Soldaten zu ertragen, die die Nachkriegsjahre erfüllte, als die materielle Not. Beides mußte überwunden werden, und ich glaube sagen zu können, daß der Kriegsopferausschuß des Bundestags durch zähe Arbeit dieses Ziel fast erreicht hat.
Die sechste Novelle, deren Kern eine Verbesserung der Grundrenten sowie die Einführung einer einheitlichen Witwenrente ist, ist jedenfalls vorläufig der letzte Baustein in der derzeitigen Struktur des Bundesversorgungsgesetzes gewesen. Sie war nicht von uns geplant gewesen, sondern stellt das mit der Verabschiedung der Rentenreform notwendig gewordene Ergänzungsgesetz dar, eine Art Lastenausgleichsnovelle, die dazu dient, den Kriegsopfern die Mehrleistungen der Rentenreform zu belassen und nicht, wie geschehen, abzuziehen.
Ein Wort in diesem Zusammenhang an die Regierung. Es ist unverständlich, daß nicht gleichzeitig mit der Vorlage zur Rentenreform eine Vorlage für die sechste Novelle eingebracht worden ist. Daher mußten die Parteien initiativ werden. Sie taten dies gestützt auf die Vorschläge des Deutschen Kriegsopferausschusses. Es hätte nicht sein dürfen, daß die Regierung überhaupt nicht initiativ geworden ist. Was sagt heute wohl der Schreiber jener Glosse, die bei der Verabschiedung der fünften Novelle in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mein Dankeswort an die Verbände für die Mitarbeit als „interessentenfreundlich" kritisierte, wenn er erfährt, daß wir von der Regierung völlig im Stich gelassen worden sind, dagegen wertvolles Erfahrungsmaterial von den Verbänden haben beziehen können und die vorgelegten Berechnungen gestimmt haben, so daß sich ihnen selbst der Herr Finanzminister nicht zu widersetzen vermochte?
Eine Reform des Gesetzes ist dennoch nötig geworden. Sie ist Aufgabe des neuen Bundestages. Wir hoffen, daß sie die Wünsche der FDP berücksichtigt, die wir diesmal nicht haben durchsetzen können. Uns hat von jeher daran gelegen, den Gedanken der individuellen Betreuung der Schwerbeschädigten, der Witwen und der Waisen stärker als bisher in den Vordergund zu rücken. Soviel in der Vergangenheit auch für die Umschulung getan worden ist, es hat nicht ausgereicht, allen Kriegsopfern einen angemessenen Platz in unserer Gesellschaft zu schaffen und ihnen das Gefühl der Vollwertigkeit zu vermitteln. Alle Fürsorgemaßnahmen haben nicht ausgereicht, ein Absinken des sozialen Standes der Witwen und Waisen in allen Fällen zu verhindern.
Der § 27 des Bundesversorgungsgesetzes, der durch die Gewährung einer Erziehungsbeihilfe den unterhaltsberechtigten Kindern eines Beschädigten und den versorgungsberechtigten Waisen eine ihren Fähigkeiten entsprechende Schul- und Berufsausbildung ermöglichen soll, ist vielen Betroffenen unbekannt geblieben, obwohl die Aufklärungsarbeit der Verbände hier segensreich gewirkt hat. Wo auch durch soziale Förderungsmaßnahmen die Schwerbeschädigten oder die Witwen nicht in die Lage versetzt werden können, sich aus eigener Kraft den Stand zu erhalten oder wieder zu erreichen, den sie ohne die Kriegsverluste haben würden, muß die finanzielle Hilfe des Staates ver-
stärkt werden. Die gestellte Aufgabe ist nicht einfach zu lösen, weder im Gedanklichen noch im Finanziellen; aber sie muß vom 3. Bundestag in Angriff genommen werden, weil die Sorge für die Opfer des Krieges zu den vornehmsten Pflichten des Staates und Volkes gehört.
Das Wort hat der Abgeordnete Petersen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe für die Fraktion des GB/BHE folgende Erklärung abzugeben.
Die Notwendigkeit einer Verbesserung der Kriegsopferversorgung durch ,die nun vorliegende 6. Novelle ergab sich zwingend aus der vom Bundestag im Januar dieses Jahres verabschiedeten Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung. Fast eine Million Kriegsopfer, die zugleich Bezieher von Sozialversicherungsrenten und Kriegsopferrenten sind, können nicht in den Genuß ,der verbesserten Renten aus dem Rentenversicherungsgesetz kommen, weil ihnen diese Beträge ab 1. Mai 1957 bei der Ausgleichs- und Elternrente in Anrechnung gebracht werden. So stellen die Verbesserungen dieser Novelle für diesen Personenkreis nur einen sozialen Ausgleich gegenüber dieser Anrechnungshärte dar, die nicht bestehenbleiben konnte. Die Nachteile der Anrechnung werden jedoch nicht in allen Fällen voll ausgeglichen, sondern vielfach nur gemildert werden.
Die 6. Novelle bringt jedoch darüber hinaus für rund 4 Millionen Kriegsopfer fühlbare Verbesserungen ihrer Versorgungsleistungen. Einen besonderen Fortschritt stellt die einheitliche Gestaltung der Witwenrente dar. Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE bedauert jedoch, daß ihr Antrag auf Gleichstellung der Kriegerwitwe mit den Kriegsbeschädigten bei der Anrechnungsfreiheit der sonstigen Einkünfte keine Mehrheit finden konnte. Dieses Anliegen ist eine logische und erst recht menschliche Konsequenz der von diesem Hause beschlossenen Gleichberechtigung der Frau.
Nach wie vor bleibt auch die Waisenversorgung unzureichend. Wenn wir nicht wollen, daß die Jungen und Mädel, die durch den Krieg ihren Vater, in vielen Fällen auch beide Eltern verloren haben, schlechtere Ausbildungsmöglichkeiten und damit schlechtere Berufs- und Lebenschancen gegenüber ihren Altersgefährten haben sollen, muß für ihre Versorgung noch Wesentliches getan werden. Dazu bleibt uns aber nicht mehr viel Zeit; denn die Jüngsten dieser Waisen sind jetzt schon über zwölf Jahre alt, stehen ,also nur noch sechs Jahre in unserer Obhut.
Auch die Elternversorgung bedarf einer gründlichen Neuordnung. Das sie belastende Bedürftigkeitsprinzip und die zwingende Bindung der Elternrente an die Prüfung der Ernährereigenschaft müssen beseitigt werden.
Der 3. Deutsche Bundestag wird als eine seiner vordringlichsten sozialen Aufgaben eine gründliche Reform des Kriegsopferrechts anzustreben haben, und zwar nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch im Aufbau und in der Systematik der Versorgung überhaupt. Es wird in letzter Zeit oft davor gewarnt, einen Versorgungsstaat anzustreben. Sollte diese Meinung sich auch auf die noch notwendigen Verbesserungen in der Kriegsopferversorgung beziehen, müßte dem entschieden widersprochen werden. Die Kriegsopferversorgung ist ein staatspolitisches Anliegen, das einer sozial gerechten Lösung zugeführt werden muß.
Auf dem Wege zu diesem Ziel stellt die 6. Novelle einen weiteren und guten Schritt dar. Sie wird es uns auch leichter machen, die notwendige Angleichung an die noch besseren Sozialleistungen an der Saar, speziell in der Kriegsopferversorgung, zu erreichen.
Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur dritten Lesung und damit zur Verabschiedung der Sechsten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz habe ich im Auftrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion folgende Erklärung abzugeben.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat mit tiefer Besorgnis die in weitesten Kreisen der Kriegsopfer und Hinterbliebenen durch die Kürzungs- und Entziehungsbescheide der Versorgungsämter entstandene Unruhe zur Kenntnis genommen. Sie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß sie schon bei der Beratung der Gesetze zur Neuordnung der Rentenversicherung auf das kommende Anrechnungsdilemma bei der Kriegsopferversorgung aufmerksam gemacht und das Hohe Haus gebeten hat, einem Antrag zuzustimmen, dessen Wortlaut ich Ihnen nicht vorenthalten kann. Er lautete:
Soweit bei Versorgungsrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und bei Unterhaltshilfen nach dem Lastenausgleichsgesetz die Gewährung oder die Höhe der Leistungen davon abhängig ist, daß bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden, bleibt bei Versicherten ein Betrag von 21 DM, bei Hinterbliebenen ein Betrag von 14 DM monatlich bei der Ermittlung des Einkommens unberücksichtigt.
Ein Sprecher der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion führte im Plenum hierzu aus:
Nachher bei den laufenden Renten gewähren Sie auf der einen Seite die Zulagen von 21 DM und 14 DM, während bei den Ausgleichsrenten der Kriegsopferversorgung diese wieder abgezogen werden.
Das Protokoll verzeichnet an dieser Stelle den Zuruf eines CDU-Abgeordneten: „Ganz folgerichtig!".
Diese Folgerichtigkeit hat dazu geführt, daß die CSU-Landesleitung angesichts der begreiflichen Empörung der Kriegsopfer an den Herrn Bundeskanzler einen Appell um Hilfe gerichtet hat, während es doch die Regierungsmehrheit des Hauses in der Hand hatte, durch die Annahme des Antrages der SPD diese Empörung nicht erst aufziehen zu lassen.
Trotz Einsparungen in der Größenordnung von etwa 500 Millionen DM, die durch die Neuordnung der Rentenversicherung bei der Kriegsopferversorgung voraussichtlich erzielt werden, bringt die sechste Novelle mit einem Betrag von rund 542 Millionen DM nicht die volle Beseitigung des Anrechnungsunrechts. Nachdem die Mehrheitsverhältnisse jedoch bei der Beratung im Ausschuß durch die Ablehnung weitergehender SPD-Anträge geklärt worden sind, hält es die SPD-Fraktion nicht für angebracht, auf ihre im Ausschuß gestellten und abgelehnten Anträge im Plenum zurückzukommen. Sie wird bei der Eilbedürftigkeit der Verabschiedung der Novelle von der Stellung neuer Anträge absehen.
Sie bedauert bei dieser Gelegenheit die hundertprozentige Inaktivität der Bundesregierung in der Fortentwicklung des Kriegsopferrechts. Alle leistungsverbessernden Novellen sind der Initiative von Fraktionen dieses Hohen Hauses zu danken, wobei die Führung bei der SPD-Bundestagsfraktion lag.
Erneut wiederholt meine Fraktion den schon bei der Verabschiedung der fünften Novelle gemachten Vorschlag, daß die Bundesregierung nun endlich an die Vorbereitung einer grundlegenden Reform des Bundesversorgungsgesetzes herangehen soll. Der künftige Bundestag wird diese Aufgabe lösen müssen.
Die SPD-Fraktion bedauert, daß sich die Regierungsparteien auch in dieser Novelle nicht zu einer Beseitigung des Merkmals der Ernährereigenschaft bei den Elternrenten entschließen konnten. Die Elternbeihilfe, die erstmalig im Bundesversorgungsgesetz auftaucht, verstärkt die Besorgnisse der Fraktion, daß den Versorgungsämtern hier eine menschliche Entscheidungslast aufgebürdet wird, die mit ihren Halbheiten und Unzuträglichkeiten unsere Kriegereltern nicht besser befriedigen, sondern noch unruhiger machen dürfte.
Mit einer einheitlichen Witwengrundrente ist nach langer Zeit einer alten sozialdemokratischen Forderung entsprochen worden.
Die Waisenrente wird man auch nach ihrer geringfügigen Anhebung immer noch als unzureichend ansehen müssen.
Mit der Anhebung der Grundrente auf 30 DM für einen 30 °/o Erwerbsgeminderten erhält der Versehrte heute erst wieder den Rentenbetrag, den er in einem großen Teil des Bundesgebiets schon vor Erlaß des Bundesversorgungsgesetzes erhalten hat.
Daß man dem sozialdemokratischen Antrag auf Erhöhung des Höchstsatzes der Pflegezulage entsprochen hat, wird dankbar begrüßt.
Eine ausreichende Versorgung der Kriegsopfer und der Hinterbliebenen ist eine unabdingbare nationalpolitische Aufgabe. Ihre Erfüllung wird die Bundestagsfraktion der SPD wie bisher als eine Herzensangelegenheit betrachten. Wenn sie die sechste Novelle auch nicht für ausreichend hält, wird sie ihr dennoch die Zustimmung nicht versagen, und zwar in der Hoffnung, daß der nächste Bundestag die Periode unvollkommener Novellen abschließt und den Kriegsopfern die überfällige Reform des Bundesversorgungsgesetzes bringt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Dr. Berg : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der Deutschen Partei (Freie Volkspartei) gebe ich folgende Erklärung ab:
Die dem Hohen Hause zur endgültigen Verabschiedung vorliegende Novelle zum Bundesversorgungsgesetz konnte ihrer Grundanlage nach nur ein begrenztes Ziel haben, nämlich die Versorgungsbezüge an die inzwischen eingetretene wirtschaftliche Entwicklung anzupassen und diese oder jene Fehler der bisherigen Gesetzgebung zu beseitigen.
Die Deutsche Partei kann mit besonderer Genugtuung begrüßen, daß ihr altes Anliegen, das Los der bislang besonders schlecht gestellten Kriegerwitwen zu erleichtern, in dieser Vorlage in höherem Maße zur Geltung gekommen ist.
Die übrigen sehr vielfältigen Mehrleistungen sind von dieser Stelle laus schon so eingehend gewürdigt worden, daß ich auf sie nicht mehr einzugehen brauche.
Die letzte Phase der Ausschußberatungen stand durchaus unter dem Eindruck der Auswirkungen der Rentenversicherungsreform auf die Leistungen der Kriegsopferversorgung. Die Einsparungen in der Größenordnung von rund 400 Millionen DM halben die Beschlüsse des Ausschusses in ihrem materiellen Hauptteil nachhaltigst beeinflußt.
Die Deutsche Partei verkennt durchaus nicht, daß gerade in diesem Punkte bei vielen Versorgungsberechtigten Enttäuschung und Verbitterung ausgelöst worden ist. Es war eben eine Hauptaufgabe dieser Novelle, unter Berücksichtigung des Wesens der Ausgleichsrente hier die notwendigen Ausgleiche zu schaffen. Wenn auch viele Wünsche, die sich an die Segnungen der Rentenreform knüpften, unerfüllt blieben, so bleibt doch der erfreuliche Gesamteindruck, daß hier wenigstens ein Anfang gemacht worden ist: Die gröbsten Härten der Aufrechnung von Sozialleistungen in der Kriegsopferversorgung sind beseitigt.
Für meine politischen Freunde und für mich bleibt aber der besondere Wunsch offen, daß die Gewährung von Erziehungsbeihilfen auf Grund des § 27 sowie der neu zu erstellenden Rechtsverordnung so großzügig wie nur irgend möglich gehandhabt werde. Die Praxis, Erziehungsbeihilfen allein auf der Grundlage eines um ein paar D-Mark verbesserten Rentenbescheids zu entziehen, scheint uns dem Geiste dieses Gesetzes nicht angemessen zu sein.
Meine Freunde und ich sind insbesondere auch nicht der Meinung, daß die Auffassung der Regierung, Lehrlingsvergütungen abweichend von den steuerrechtlichen Bestimmungen als Einkommen zu bewerten, rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht. Bei gutem Willen läßt sich auch hier eine Lösung, die wenigstens angemessene Teilbeträge außer Ansatz läßt, durchaus denken, und wir erwarten, daß in der zu erarbeitenden Rechtsverordnung nach § 92
Absatz 1 Buchstabe d eine Revision der bisherigen Auffassung erkennbar wird.
In seiner Grundkonzeption entspricht das Bundesversorgungsgesetz nicht mehr unserer heutigen Auffassung insgesamt und auch nicht der sozialpolitischen Auffassung der Deutschen Partei. Das Gesetz muß im ganzen neu erarbeitet werden; es muß so gestaltet werden, daß seine Leistungen allen irgendwie vergleichbaren sozialen Leistungen sinngemäß entsprechen. Das wird aber Aufgabe des 3. Deutschen Bundestags sein.
Die Fraktion der Deutschen Partei gibt der Ausschußvorlage ihre Zustimmung.
Weitere Wortmeldungen in der ,allgemeinen Aussprache liegen nicht vor.
Ehe ich abstimmen lasse, habe ich noch den Bericht des Haushaltsausschusses, Drucksache 3506, bekanntzugeben. In diesem Bericht wird festgestellt, daß die Mittel für die Mehrausgaben, die sich aus den Anträgen ergeben, in den jetzigen Ansätzen des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1957
Einzelplan 11 — enthalten sind. Damit ist die Frage der Deckung beantwortet. Wir können darüber nicht abstimmen; wir können lediglich zur Kenntnis nehm en, daß der Haushaltsausschuß diese Feststellung getroffen hat.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Ich rufe auf Art. I bis V, Einleitung und Überschrift. Wer dem Gesetz zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Gegenprobe! -
Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir haben noch über Ziffer 2 des Ausschußantrags abzustimmen, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FVP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge (Drucksache 3390 [neu]).
Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Schanzenbach als Berichterstatterin.
Frau Schanzenbach , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache 3202 wurde in der 197. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. März 1957 dem Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen und dem Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschüssen überwiesen.
Der Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge hat sich in zwei Sitzungen, am 10. April 1957
und am 10. Mai 1957, mit der Drucksache 3202, dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge befaßt. Der Inhalt des Antrags bedeutet, daß künftig auch bei den Kriegshinterbliebenen ein Mehrbedarf als Ausgleich für die Folgen des Verlustes des Ernährers in Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz anzuerkennen ist.
Nach der bisherigen Fassung des § 23 Abs. 3 der Reichsgrundsätze war gesetzlich nur für die Kriegsbeschädigten nach dem Bundesversorgungsgesetz die Anerkennung eines Mehrbedarfs gegeben. Die in dem gemeinsamen Rundschreiben der Bundesminister des Innern, der Finanzen und für Arbeit vom 21. Dezember 1953 sowie in den Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 29. März 1955 und 30. Juni 1956 enthaltenen Empfehlungen wurden von den Ländern unterschiedlich angewandt, weil diese der Meinung sind, daß eine generelle Anwendung der Empfehlungen dem fürsorgerechtlichen Individualprinzip widerspreche. Eine solche Auffassung birgt die Gefahr in sich, daß die mit der sechsten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz verbundene Erhöhung der Grundrente z. B. bei der Gewährung von Erziehungsbeihilfen voll angerechnet wird. Eine gesetzliche Neuregelung dagegen würde in allen Ländern die gleiche Behandlung sichern.
Der Ausschuß war übereinstimmend der Meinung, daß nicht nur für den Beschädigten selbst ein Ausgleich für die Folgen der Schädigung angebracht sei, sondern daß auch der Witwe ein Ausgleich für den Verlust des Ernährers zustehe. Dazu kommt, daß zur Verwirklichung des im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatzes eine Gleichbehandlung der Beschädigten und Hinterbliebenen anzustreben ist. Der Ausschuß war sich darüber klar, daß, wenn dem Antrag nicht entsprochen würde, künftig viele Kriegerwaisen nicht mehr in den Genuß von Ausbildungs- und Erziehungsbeihilfen kämen.
Da der Staat den Kriegerwaisen gegenüber eine besondere Verpflichtung zu erfüllen und auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen dazu zu schaffen hat, daß die hinterbliebenen Mütter ihre schwere Erziehungsaufgabe erfüllen können, hat sich der Ausschuß einmütig entschlossen, den Gesetzentwurf Drucksache 3202 anzunehmen.
Der Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen hat in seiner Sitzung am 20. März 1957 ebenfalls beschlossen, den Gesetzentwurf anzunehmen. Er begrüßt die Regelung, die in diesem Ausschuß schon bei den Beratungen über das Fürsorgerechtsänderungsgesetz und im Zusammenhang mit der dritten und der fünften Novelle zum Bundesversorgungsgesetz angestrebt wurde. Um dieses Gesetz mit der sechsten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz gleichzuziehen, schlägt der Ausschuß vor, den Art. IV dahin zu ändern, daß es am 1. Mai 1957 in Kraft tritt.
Ich darf Sie, meine Damen und Herren, im Namen des Ausschusses bitten, den Gesetzentwurf Drucksache 3202 nach der Vorlage mit der Maßgabe anzunehmen, daß Art. IV die eben erwähnte Änderung erhält.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ehe ich den Gesetzentwurf in der zweiten Beratung zur Aussprache stelle, möchte ich dem Hause mitteilen, daß der Haushaltsausschuß — Sie finden seinen Beschluß auf Drucksache 3432 — die Frage der Deckung in positivem Sinne beantwortet hat.
Ich rufe in der zweiten Beratung Art. I, — Art. II, — Art. III, — Art. IV nach Maßgabe der von der Berichterstatterin beantragten Änderung, — Einleitung und Überschrift auf. — Sonstige Anträge liegen nicht vor. Wer zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. — Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, möge sich erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1957 (Drucksachen 2900, zu 2900); Berichte des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß).
Ich werde die Einzelpläne in folgender Reihenfolge aufrufen: 13, 12 zusammen mit Einzelplan 32, dann 14 in Verbindung mit der zweiten Beratung des Entwurfs eines Fünften Nachtragshaushaltsgesetzes 1956, sodann Einzelplan 09, 02, 08 und so fort in der Reihenfolge der gedruckten Tagesordnung.
Ich rufe auf:
Einzelplan 13: Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Seidel. Verzichtet der Abgeordnete Seidel auf Erstattung eines mündlichen Berichtes? — Er scheint verzichten zu wollen. Das Haus ist damit einverstanden? — Dann erteile icht das Wort der Frau Abgeordneten Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Etat des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen ist insofern erfreulich, als wir ein Anwachsen der Einnahmen darin erkennen können. Ich hoffe, Herr Bundespostminister, wir können daran die Erwartung knüpfen, daß in absehbarer Zeit keine Gebührenerhöhung erfolgt und daß Ihre Erklärung, mit einer solchen sei „vorläufig" nicht zu rechnen, nicht etwa bedeutet, daß mach den Wahlen, vielleicht im Oktober, eine Gebührenerhöhung kommt, falls Sie wieder Postminister sind. Wir erwarten vielmehr, daß der bisherige Einnahmenüberschuß dazu benutzt wird, die Investitionen, die notwendig sind, vorzunehmen.
Aber trotz dieser erfreulichen Tatsache möchte ich doch einige Wünsche daran knüpfen. Investitionen sind bei der Post in der letzten Zeit erfreulicherweise recht zahlreich vorgenommen worden. Wir möchten aber Ihr Augenmerk darauf richten, daß das Selbstwählsystem bei den Fernsprechämtern weiter ausgebaut werden muß, und zwar dergestalt, daß auch die ländlichen Gebiete mehr als bi ;her davon betroffen werden. Wir alle sind an einer Auflockerung der Großstädte interessiert, daran, daß mehr Menschen als bisher auf das Land hinausziehen. Es ist höchst unerfreulich, wenn die Fernsprechteilnehmer gerade an Sonntagen telefonisch nicht erreichbar sind und auch selber nicht telefonieren können, weil die zuständigen Postämter geschlossen sind und infolgedessen eine Vermittlung nicht erfolgen kann. Sie täten ein gutes Werk, wenn Sie gerade nach der Richtung hin besondere Investitionen vornähmen, um diesen Bevölkerungskreisen zu helfen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einen anderen Wunsch äußern, und zwar den, man möge doch besseren Dienst am Kunden für die Menschen draußen auf dem Lande dadurch leisten, daß nicht so hohe Telegrammzustellgebühren erhoben werden, wie das jetzt der Fall ist. Man sollte vielmehr in solchen Fällen, die ja nicht allzu häufig sind — schließlich bekommt nicht jeder Bewohner jeden Tag ein Telegramm —, auch auf dem Land auf die Zustellgebühren verzichten.
Sehr gut wäre es auch, wenn das Gutachten von Mitte März dieses Jahres, das der Präsident des Bundesrechnungshofs in seiner Eigenschaft als Beauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung erstattet hat — ein gemeinsamer Auftrag von Ihnen, Herr Bundespostminister, und dem Herrn Bundesfinanzminister —, ausgewertet würde, damit gewisse Direktionsbezirke, die nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen — durch Befehl der Besatzungsmächte und auf Grund anderer Einflüsse — entstanden und in ihrer augenblicklichen Struktur überdimensional geworden sind, bald wieder verkleinert werden und durch Wiederherstellung aufgehobener Mittelbehörden eine bessere Rationalisierung erreicht wind. Daß ich dabei, Herr Bundespostminister, auch an die frühere Augsburger Oberpostdirektion denke, um deren Wiedererrichtung sich die schwäbischen Abgeordneten aller Fraktionen, insbesondere die Augsburger Kollegen Dr. Kleindinst, CSU, Valentin Baur, SPD, und ich, sehr oft bemüht haben, werden Sie mir hoffentlich nicht verargen.
Die Bundespost hat in den letzten Jahren eine Aktion gestartet, durch Gewährung von Zuschüssen die Anlage von Hausbriefkästen zu fördern und damit die schwere Arbeit des Briefträgers etwas zu erleichtern. Diese Anregung ist an sich sehr zu begrüßen, und doch tauchen einige ernsthafte Mängel dabei auf. Der bedeutendste Mangel ist wohl der, daß diese Maßnahme keineswegs das Postgeheimnis gewährleistet. Die Hausbesitzer schaffen, oft ohne die Mieter zu befragen, Hausbriefkästen an, die in ihrer Herstellung meist so billig und unzweckmäßig sind, daß Kinder, ja auch Erwachsene, mit Leichtigkeit, ohne den Briefkasten zu öffnen, die Briefe durch den Briefschlitz entfernen können. Es sind Fälle bekanntgeworden, in denen spielende Kinder noch einmal Briefträger spielten, und zwar mit den Briefen, die sie aus fremden Briefkästen entnommen hatten. Ich glaube, die Mitglieder dieses Hohen Hauses werden ein ganz besonderes Verständnis dafür haben — weil sie ja am meisten Briefe bekommen, die vertraulichen Inhalts sind —, welche unangenehmen Situationen daraus entstehen können. Ich glaube, die Post ist verpflichtet, die Briefe zuzustellen, daß eine ausreichende Garantie für die Wahrung, des
Briefgeheimnisses gegeben ist. Wenn die Post schon einen Zuschuß gibt — dieser soll, wie ich hörte, 10 DM pro Hausbriefkasten betragen —, muß sie auch Einfluß darauf nehmen, wie diese Briefkästen beschaffen sind, zumal da die Post den Betrag nicht an den Hauswirt, sondern direkt an die Firma zahlt, die die Briefkästen anbringt. Da Hausklingeln selten vorhanden sind und die Briefträger naturgemäß nicht jeden Tag zur selben Minute erscheinen, ist es für den Empfänger der Post nahezu ,unmöglich, zu einer bestimmten Zeit an den Briefkästen zu stehen, um dort die Briefpost sicher in Empfang zu nehmen. Ich glaube also, die Bundespost noch einmal daran erinnern zu müssen, nach dieser Richtung hin besonders sorgfältig vorzugehen. Sie hat die Pflicht, das Postgeheimnis bis zu dem Augenblick zu ,gewährleisten, wo der Brief dem Empfänger ordnungsgemäß zugestellt ist.
Die Bundespost hat erklären lassen, daß sie in der Zeit vom 1. bis 15. September 1957, d. h. zwei Wochen vor der Bundestagswahl, keine Postwurfsendungen annehmen wird, weil die Postwurfsendungen dann erfahrungsgemäß in einem solchen Umfang eingeliefert werden, daß eine sachgemäße Erledigung nicht erfolgen kann und der Eindruck erweckt werden könnte. daß die Post nicht überparteilich handelt. Ich finde das sehr schön. Ich hätte nur gewünscht, daß die Bundespost sich schon etwas früher auf ihre Überparteilichkeit besonnen hätte. Ich weiß nicht, ob es mit einer überparteilichen Haltung vereinbar ist, wenn bei der ersten Auszahlung der neuen Renten Traktätchen verteilt wurden, in denen nicht gerade allzu sachlich, dafür aber um so entschiedener und einseitiger für die Regierung und die sie tragenden Parteien Propaganda gemacht wunde.
Daß mancher Rentner, der in diesem Augenblick weniger bekam als früher, dieses Traktätchen als eine gewisse Ironie aufgefaßt hat, spielt dabei keine Rolle.
— Herr Kollege Bausch, wir Freien Demokraten haben beim Rentengesetz eine ganze Menge sehr guter und für die Rentner ausgezeichnete Anträge gestellt, die wiederum Sie nicht .angenommen haben. Um so mehr freue ich mich, daß der Herr Postminister den Antrag .der Freien Demokraten aufgegriffen hat, die Renten zuzustellen, und wenigstens einen Anfang damit gemacht hat, jetzt einen Teil der Renten zuzustellen. Wir begrüßen das sehr, Herr Postminister. Ich hoffe, daß allmählich mehr Regierungsstellen einsehen, daß der Inhalt der Anträge, die die FDP gestellt hat ,und die von der Regierungsmehrheit abgelehnt worden sind, doch recht gut ist.
Ich bitte, Herr Postminister, daß Sie auch die Anregungen, .die wir heute gegeben haben, aufgreifen und zur Ausführung bringen. Die Freien Demokraten werden dem Etat des Postministers zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Diekmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 13 ist unter den vielen
Einzelplänen, die anläßlich der Haushaltsdebatte beraten werden, wohl derjenige mit dem geringsten Finanzvolumen und mit der unbedeutendsten politischen Masse. Praktisch erfaßt dieser Einzelplan nur den Voranschlag 'der Bundesdruckerei und die Bezüge des Ministers für das Post- und Fernmeldewesen.
Die Bundespost als zweitgrößtes Bundesunternehmen mit einem Anlagevermögen von mehr als 5,5 Milliarden DM und einer Beschäftigtenziffer von 360 000 ist als Sondervermögen aus dem Bundeshaushalt ausgeklammert. Auf Grund des Postverwaltungsgesetzes vom 24. Juli 1953 ist der Voranschlag des Haushaltsplans für das Post- und Fernmeldewesen in die Zuständigkeit des Postverwaltungsrates verwiesen.
Wenn ich dennoch zu einzelnen Dingen der Bundespost hier im Parlament Stellung nehme, dann aus dem einfachen Grunde, weil das Postvermögen in letzter Zeit eine sehr unerfreuliche Entwicklung zeigt, und zwar ist ein sehr bedenkliches Anwachsen des Fremdkapitals festzustellen.
Die Bundespost ist .ein wichtiger Bestandteil unserer Wirtschaft. Je feinnerviger das System der Nachrichtenübermittlung aufgebaut wird, desto besser läuft der Verkehr in .der Wirtschaft ab. Eben wegen dieser großen Bedeutung der Bundespost kann es uns nicht einerlei sein, wie die Kapitalstruktur bei der Bundespost ist, wie hoch die Investierungen sind und wie sich ihre Finanzierung gestaltet.
Der Aufbau der Bundespost ist seit 1950 gewissermaßen in Kraft. Ich darf hier vor aller Öffentlichkeit feststellen, daß die Verwaltung und ihre Bediensteten einschließlich des Postverwaltungsrates bei diesem Aufbau hervorragende Leistungen vollbracht haben. Die Kriegsschäden sind zum größten Teil beseitigt; sie waren bei der Bundespost nicht gering, denn es hat kaum eine Großstadt gegeben, in der die Postanlagen nicht fast völlig zerstört waren. Die technischen und betrieblichen Anlagen sind dem Bedarf der aufsteigenden Wirtschaft angepaßt, außerdem sind Rationalisierungsmaßnahmen getroffen worden. Jedoch darf nicht übersehen werden, daß die Bundespost 'in erster Linie arbeitsintensiv ist; deshalb wird die Rationalisierung keinen sehr großen Umfang haben.
Alle diese Maßnahmen haben selbstverständlich erhebliche Investierungen erfordert. In den letzten Jahren sind Investierungen in Höhe von jährlich etwa 1,2 Milliarden DM vorgenommen worden.
Diese Mittel konnten nicht alle von der Bundespost verdient werden. Deshalb ist das Fremdkapital, wie ich vorhin schon andeutete, leider in sehr starkem Maße angestiegen. Die Bundespost hat alljährlich etwa 700 Millionen DM vom Kapitalmarkt als Fremdkapital in Anspruch nehmen müssen. Dieses Anwachsen des Fremdkapitals ist beängstigend.
Früher hat es bei der Reichspost das Prinzip gegeben, daß das Eigenkapital nicht unter 80 % des Anlagevermögens sinken durfte. Natürlich kann man diesen klassischen Maßstab nicht mehr auf die heutige Zeit anwenden. Nach dem zweiten Weltkrieg haben wir nicht nur bei der Bundespost, sondern auch bei der übrigen Wirtschaft einen derartigen Substanzverlust zu verzeichnen gehabt, so daß diese klassischen Regeln nicht mehr anwendbar waren.
Das Eigenkapital der Bundespost ist auf 42 % des Anlagevermögens gesunken, und das scheint uns einer Kritik durchaus wert zu sein. Das Fremdkapital ist auf 2,7 Milliarden DM und damit auf 58 % des gesamten Anlagevermögens gestiegen.
Diese Entwicklung ist — um es noch einmal zu sagen — sehr bedrohlich. Sie können mir entgegenhalten, daß es in manchen Wirtschaftszweigen ähnlich aussieht. Aber hier handelt es sich ja nicht um einen privatwirtschaftlichen, sondern um einen öffentlichen Betrieb, und da sollte nach unserer Auffassung die Relation des Eigenkapitals zum Anlagevermögen wesentlich günstiger sein.
Besonders bedenklich aber ist das Anwachsen des kurzfristigen Kapitals. Es beträgt mit etwa 1,4 Milliarden DM ungefähr 26,4 % des Anlagevermögens. Das Bedeutsamste dabei ist, daß mit kurzfristigem Kapital Investierungen vorgenommen werden und hohe Verzinsungen den Etat der Bundespost noch zusätzlich belasten. Überlegen Sie bitte einmal, daß der Kapitaldienst im Jahre 1957 etwa 660 Millionen DM betragen wird! Das wirkt sich wie Sand im Getriebe aus, und ich kann mir sehr gut vorstellen, daß die Bundespost mindestens theoretisch, zuweilen auch praktisch große Liquiditätsschwierigkeiten zu überwinden hat. Ich möchte nicht in der Haut des verantwortlichen Staatssekretärs stecken, der den Kapitaldienst zu überwachen hat, und ich möchte fragen: Welcher ordentliche Kaufmann übernähme wohl dieses Risiko?
Die Bundespostverwaltung, die bei der Bundesregierung schon im letzten Jahr den Antrag gestellt hatte, etwa 500 Millionen DM dem Kapitalmarkt entnehmen zu dürfen, ist auch in diesem Jahre wieder auf Schwierigkeiten gestoßen. Die Bundesregierung hat sich auch diesmal wieder von fiskalischen Überlegungen leiten lassen. Der Bundespost-Verwaltungsrat hat im Oktober 1956 gefordert, von dieser Finanzgebarung unbedingt abzugehen; er hat damals geschlossen mit dem Rücktritt gedroht. Nun, zu diesem Rücktritt ist es nicht gekommen; denn der Bundesminister für Post und Fernmeldewesen konnte vor der Presse sowohl als auch in der Sitzung des Postverwaltungsrates vom 4. April dieses Jahres erklären, daß diese Lücke von 500 Millionen DM nunmehr geschlossen sei und die Bundespost aufatmen könne. Nun, ich bin der Meinung, daß die Bundespost nach wie vor asthmatisch ist; denn wenn auch die Finanzierungslücke für das letzte Haushaltsjahr geschlossen worden ist, so ist die Bundespost doch zur Zeit wiederum außerstande, ihre Vorplanungen für das Jahr 1958 zu machen. Jedes Jahr steht die Bundespost vor derselben Frage und muß sich an den Knöpfen abzählen, in welchem Umfang sie im kommenden Jahre ihre Investitionen vornehmen soll.
Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, wie bedeutungsvoll die Bundespost für den Verkehrsablauf in unserer gesamten Volkswirtschaft ist. Die Bundespost hat aber auch als Auftraggeber für die Industrie eine sehr große Bedeutung. Wenn sie nicht in entsprechendem Ausmaße investieren kann, werden verschiedene Fachindustrien ihre Vollbeschäftigung — wenn sie überhaupt eine haben — nicht aufrechterhalten können. Besonders einige Berliner Industrien werden darunter zu leiden haben, wenn die Bundespost ihre notwendigen Investierungen nicht machen kann. Es ist ja nicht unbekannt, daß die Kabelwerke der Firmen Siemens-Halske und Siemens-Schuckert nicht voll ausgelastet sind, daß diese Werke auf Grund der früheren großen Bestellungen der Bundespost eine Kapazität geschaffen haben, die leider wegen Einschränkung von Kabelaufträgen schon nicht mehr ganz ausgelastet ist. Wenn weitere Reduzierungen bei den Investierungen in Kraft treten, müssen noch größere Entlassungen vorgenommen werden Nicht nur die Kabelindustrie ist davon betroffen. Es gibt auch andere Industrien, die ihre Aufträge von der Bundespost erhalten und die dann eben nicht in vollem Ausmaße beschäftigt werden können.
Ich weiß, daß bei verantwortlichen Stellen einiger Ministerien die Auffassung besteht, es sei nicht unbedingt erforderlich, daß von bäuerlichen Almwirtschaften ein Ferngespräch mit Großstädten oder sogar mit Paris geführt werden kann. Ja, meine Damen und Herren, das liegt letzten Endes im Ermessen des betreffenden Teilnehmers, ob er mit Paris, mit Berlin oder mit anderen Großstädten sprechen will. Es ist eine Begleiterscheinung unserer fortschrittlichen Technik, daß auch von der am weitesten entfernt liegenden Anschlußstelle mit der ganzen übrigen Welt telefoniert werden kann. Es ist ja schließlich auch der Zweck der technischen Fortentwicklung bei der Bundespost, daß jeder mit jedem telefonieren kann.
Ich darf noch darauf aufmerksam machen — ich stimme der Vorrednerin, der Kollegin Frau Dr. Ilk, durchaus zu —, daß es viele Stellen gibt, die heute noch nicht mit einem Anschluß versehen sind. Mir ist nicht unbekannt, daß bei der Bundespost heute noch mehr als 100 000 Anträge von Personen vorliegen, die gern mit Anschlüssen versehen werden wollen. Die Bundespost aber kann diesen Aufträgen nicht nachkommen, weil das Kabelnetz bisher noch nicht entsprechend ausgebaut ist. Daneben gibt es noch primitive Einrichtungen. Jedes manuelle Amt bezeichne ich als primitiv. Wenn der betreffende Vermittlungsbeamte um 20 Uhr seinen Vermittlungsraum verschließt und die Post verläßt, können sehr viele Ortschaften von diesem Zeitpunkt ab überhaupt nicht mehr mit der übrigen Welt telefonisch in Verbindung treten. Ja, dann werden diese Ortschaften wahrscheinlich nicht einmal 'im Ernstfall einen Arzt anrufen ober bei Feuersgefahr die Feuerwehr alarmieren können. Trotz allem technischen Fortschritt gibt es bei der Bundespost doch noch sehr viele Übelstände, die unbedingt beseitigt werden müssen.
Ich darf nochmals betonen, daß die Finanzierungspolitik bei der Bundespost falsch ist. Sie entspricht nicht dem Gebaren eines ordentlichen Kaufmanns. Das ist aber nicht Schuld der Verwaltung, nicht Schuld des Postverwaltungsrates, sondern das ist die Schuld der Bundesregierung. Die Bundespost isst ein Unternehmen der öffentlichen Hand, ein Unternehmen des Bundes. Wäre die Bundespost ein Privatunternehmen, dann wäre es an der Zeit, daß bei der Bundespost eine Kapitalerhöhung vorgenommen wird. Ein guter Unternehmer weiß, daß von Zeit zu Zeit eine Kapitalerhöhung notwendig ist, insbesondere dann, wenn sich seine Umsätze wesentlich erhöht haben und die Betriebsanlagen dementsprechend vergrößert werden müssen. Wenn er weiterhin eine Rente beziehen will, muß er also eine Kapitalerhöhung vornehmen. Die Bundespost ist ein unentbehrlicher Produktionsfaktor unserer Wirtschaft. Sie besitzt eine Monopolstellung und ist daher zu bestmög-
licher Dienstleistung verpflichtet. Es wird also hohe Zeit, daß die Bundesregierung im Interesse der Allgemeinheit die Finanzstruktur der Bundespost durch Umschuldung und Erhöhung des Eigenkapitals verbessert.
Ich darf noch einmal einen Rückblick bis auf das Jahr 1952 tun. Im Jahre 1952 zeigten sich bei der Bundespost erstmalig rote Ziffern. Die Bundespost hatte in ihrem Geschäftsbericht einen Verlust von 51 Millionen Mark ,ausgewiesen. Im Jahre 1953 betrugen die Verluste bereits 220 Millionen DM. Wie hoch sie 1954 gewesen wären, wenn nicht eine Gebührenerhöhung vorgenommen worden wäre, das vermag ich nicht zu sagen. 1954 sahen sich also die Bundespost und die Bundesregierung veranlaßt, eine Gebührenerhöhung vorzunehmen. Auf die Reaktion, die es damals in der Wirtschaft gegeben hat, brauche ich nicht besonders ,aufmerksam zu machen; denn auch heute hat sich die Wirtschaft noch nicht allgemein mit dieser Gebührenerhöhung abgefunden. Wenn aber nicht alles trügt, dann stehen wir am ,Anfang der nächsten Legislaturperiode, also gegen Ende des Jahres 1957, bestimmt aber im Jahre 1958 an derselben Stelle wie 1953.
Bedenken Sie einmal, daß nach dem Voranschlag für den Geschäftsbericht des Jahres 1957 bei der Bundespost in diesem Jahre ein Gewinn von nur 6,5 Millionen DM anfallen wird. Und wenn nicht besondere Ereignisse eintreten, dann wird es bei diesem Gewinnansatz bleiben. Es ist aber bestimmt damit zu rechnen, daß noch im Verlauf dieses Jahres die Gehaltserhöhung für die Beamten durchgezogen wird. Dann werden wir erstmalig wieder mit roten Ziffern zu rechnen haben. Das wird zur Folge haben, daß mindestens im Jahre 1958 wieder eine Gebührenerhöhung vorgenommen werden muß. Also dieselbe Situation wie bei der Beendigung der vorletzten Legislaturperiode! Darauf möge man sich ganz allmählich vorbereiten.
Wenn wieder eine Gebührenerhöhung im Vordergrund der Erwägungen stehen sollte, dann wird die Wirtschaft das meiner Meinung nach ,diesmal erst recht nicht verstehen können. Denn bei der vorigen Gebührenerhöhung ist vergessen worden, die Kapitalverhältnisse bei der Bundespost zu konsolidieren, was unbedingt hätte geschehen müssen. Wenn man also diesmal zu derselben Sanierungsmaßnahme greifen, also Gebührenerhöhungen vornehmen will, dann scheint es mir wirklich an der Zeit zu sein, schnellstens an eine Konsolidierung der Kapitalverhältnisse bei der Bundespost heranzugehen. Ich möchte an den Herrn Minister für das Post- und Fernmeldewesen die Frage richten, ob er die jetzige Entwicklung der Bundespost vor der Öffentlichkeit weiterhin verantworten will, und wenn: welche Maßnahmen er zur Sanierung der Bundespost und zur Konsolidierung der Kapitalstruktur zu treffen gedenkt? Diese Fragen möchte ich noch beantwortet haben.
Abschließend möchte ich sagen, daß die sozialdemokratische Fraktion dem Einzelplan 13 wegen der Verhältnisse bei der Bundespost nicht zustimmen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Neubauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verabschiedung des Etats des
Bundespostministeriums gibt uns Veranlassung, nochmals auf eine unerfreuliche Entwicklung auf dem Gebiete der Post zu sprechen zu kommen, die hier schon einmal angesprochen worden ist. Unmittelbar nach Verabschiedung der Rentengesetze im Bundestag hat es die Post für richtig befunden, den vom Bundeskanzler und vom Bundesarbeitsminister verfaßten sogenannten Rentnerbrief über die Einrichtungen der Deutschen Bundespost an die Rentner heranzutragen.
Die Sozialdemokratische Partei ist durchaus der Auffassung, daß eine Regierung imstande sein muß, den Betroffenen Erläuterungen zu erlassenen Gesetzen zukommen zu lassen. Aber als wir den Rentnerbrief im Text vor uns liegen hatten, war es für uns und für jeden anderen Gutwilligen deutlich, daß es sich dabei nicht um die Erläuterung eines Gesetzes handelte, sondern um massive und völlig einseitige Regierungspropaganda. Die sozialdemokratische Fraktion hat unmittelbar danach mit einer Kleinen Anfrage an das Bundespostministerium Erkundigungen darüber einziehen wollen, welche gesetzlichen Vorschriften dem Bundespostminister das Recht geben, solche Druckschriften kostenlos durch die Bundespost verteilen zu lassen.
Die Antwort auf diese Kleine Anfrage ist die eigentliche Veranlassung dafür, daß wir heute noch einmal auf diese Angelegenheit zu sprechen kommen;
denn die Antwort ist mehr als merkwürdig.
Das Bundespostministerium erklärte schlicht und einfach, die Aufregung sei völlig unbegründet; denn besondere Unkosten seien durch die Verteilung dieses Rentnerbriefes nicht entstanden.
Meine Damen und Herren, damit taucht die Frage auf, inwieweit der Bundespost bei der Verteilung von Briefen überhaupt Unkosten entstehen.
Denn es ist ja nicht so, daß dieser Brief allen Rentnern bei der Abholung ihrer Rente in den einzelnen Rentenstellen übergeben wurde. In weiten Teilen des Landes ist er ihnen als Postsache zugeschickt werden,
also über den Verteilerapparat der Bundespost, der anderen Postbenutzern normalerweise nur bei Bezahlung der Gebühren zur Verfügung steht.
Nun haben wir nichts dagegen, daß der Bundeskanzler hin und wieder das Bedürfnis verspürt, seinen Wählern Erläuterungen seiner Politik mit herzlichen Grüßen zukommen zu lassen.
— Ja, das tut Herr Ollenhauer auch, nur muß er oder muß die Partei es in diesem Fall bezahlen, wenn er die Post in Anspruch nimmt, um seine Wähler anzusprechen.
Wir meinen, daß auch der Herr Bundeskanzler,
wenn er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender sei-
ner Partei Rentner oder andere anspricht, die Bundespost für einen solchen Dienst wenigstens bezahlen sollte;
denn die Bundespost ist keine Institution allein der Bundesregierung, sondern wird von der Gesamtbevölkerung und von allen Postbenutzern in gleichem Maße getragen.
In der Antwort der Bundesregierung heißt es auch, dieser Rentnerbrief gebe nur über unmittelbar mit den Renten zusammenhängende Vorgänge Auskunft. Dem Verfasser der Antwort an die sozialdemokratische Fraktion muß eine andere Ausgabe dieses Rentnerbriefes vorgelegen haben; denn der Rentnerbrief, der tatsächlich an die Rentner verteilt worden ist, sagt darüber gar nichts aus, sondern ist, wie ich schon einmal betont habe, eine ausschließliche Regierungspropagandaschrift, die außerdem die sachliche Entwicklung des Rentengesetzes falsch darstellt.
In der Zwischenzeit hat die Bundespost verlauten lassen, daß sie unmittelbar vor den Bundestagswahlen keine Postwurfsendungen mehr annehmen wird, um ihre Überparteilichkeit unter Beweis zu stellen.
Die Kollegin Ilk hat schon darauf hingewiesen, daß es gut gewesen wäre, sich etwas früher daran zu erinnern. Aber meine Frage an den Bundespostminister ist: Weiß er, ob etwa der Bundeskanzler bis zur Bundestagswahl noch in einigen anderen Fällen den Wunsch verspüren wird, sich auf dem Wege über die Bundespost bei bestimmten Bevölkerungsgruppen mit herzlichen Grüßen als Bundeskanzler zu äußern, um so zwar anderen Postwurfsendungen unmöglich zu machen, aber auf diese Art und Weise die Politik der Regierung, d. h. die Politik der CDU an die Wähler heranzubringen?
— Darüber können Sie gleich reden.
Eine zweite Frage. Es war bisher üblich, daß Firmen und politische Parteien durch sogenannte Verschlußmarken propagandistisch an die Öffentlichkeit traten. indem sie die von ihnen versandte Post mit solchen Verschlußmarken versahen. Wenn wir richtig orientiert sind, hat das Bundespostministerium, um seine „Überparteilichkeit" unter Beweis zu stellen, die Absicht, die Benutzung solcher Verschlußmarken jedenfalls für politische Parteien zu verbieten.
— Ist schon erfolgt. An die politischen Parteien ist die Mitteilung ergangen, daß Briefe, die mit solchen Verschlußmarken versehen sind. nicht befördert werden.
Nun, auch das paßt nicht in das Schema, auch das paßt nicht zu dem, was ansonsten in den letzten Monaten auf dem Gebiet der Bundespost, insbesondere mit dem Rentnerbrief, geschah. Es kommt übrigens bei diesen Verschlußmarken hinzu, daß diejenigen, die sie aufkleben, sie auch bezahlen müssen, so daß der Bundespost dadurch wirklich
keine zusätzlichen Ausgaben entstehen. Aber uns würde wirklich interessieren, wie die Bemerkung „Durch die Verteilung des Rentnerbriefes sind keine besonderen Unkosten entstanden" vor diesem Hause begründet werden soll und wer, wenn die Bundespost solche Unkosten nicht hatte, sie tatsächlich zu tragen hat. Es tut uns leid, das noch einmal in aller Form anschneiden zu müssen. Leider haben wir aber im Verlauf der Auseinandersetzung um die Haushaltspläne so oft darauf hinweisen müssen, daß die Bundesregierung Institutionen der Gesamtheit für ihre Politik, ich muß schon sagen, mißbraucht, daß wir auch in ,diesem Fall nicht stillschweigend an den Ereignissen vorübergehen können in der Hoffnung, man werde noch rechtzeitig Überlegungen darüber anstellen, daß diese Institutionen allen oder niemandem zur Verfügung stehen und daß auch die CDU, wenn sie als Partei in die Öffentlichkeit tritt, ihre Wahlpropaganda selbst bezahlen soll.
Vizeprösident Dr. Schmid: Das Wort hat der Herr Bundespostminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin für jedes Wort der Kritik, das hier ausgesprochen worden ist, genauso dankbar wie für eine ganze Reihe von materiellen Anregungen. Es wird jedoch notwendig sein, dabei in der richtigen Perspektive zu bleiben. Der Bundespostminister hat den erwähnten Rentenbrief weder veranlaßt noch abgefaßt, sondern hat lediglich als zuständige Institution
eine Erklärung der Bundesregierung zu dem vielleicht bedeutendsten sozialreformerischen Akt der Nachkriegszeit weitergeleitet.
— Ja. das ist tatsächlich die Funktion.
Ich habe den Brief nicht geschrieben, sondern nur verteilt, und ich bitte, vor dieser Leistung etwas mehr Respekt zu haben.
Ich habe an sich gar keine Veranlassung, auf den Inhalt einzugehen, weil ich den Brief nicht verfaßt habe. Ich habe ihn also nicht zu verteidigen; aber ich darf nach sehr aufmerksamer Lektüre feststellen. daß in diesem Rentenflugblatt mit keinem Wort von der CDU und ihrem Bundesparteivorsitzenden die Rede ist.
Es gibt nicht einmal irgendeinen Hinweis darauf, daß sich etwa die Opposition an diesem erfreulichen Reformwerk nicht beteiligt hätte.
— Ich meine, man sollte nicht übertreiben.
Ich gebe zu, man kann überlegen, ob sich hieraus
Präjudizierungen ergeben könnten, falls beispiels-
weise die Sozialdemokratie einmal auf der Regierungsbank säße. Ich kann Ihnen, wenn Sie in diesem Fall bei einem wesentlichen Vorgang in eine Regierungsinformation nicht mehr hineinschrieben, versprechen, daß ich dann mit keinem Wort daran Kritik üben würde.
— Ich weiß gar nicht, warum Sie mich fortgesetzt unterbrechen. Gebe ich Ihnen Veranlassung?
— Ich glaube kaum. Ich wäre dankbar, wenn Sie mir Gelegenheit gäben, hier in Ruhe meine Ausführungen zu machen.
- Warten Sie bitte ab. Ich kann gar nicht so schnell denken, wie Sie sprechen.
Soweit war ich noch gar nicht. Ich war erst dabei, darauf ,,hinzuweisen, daß es sich bei diesem einmaligen Vorgang um eine solche Geringfügigkeit handelt, daß man diesen Fall von der Gebührenseite her gar nicht aufgreifen könnte; man könnte es höchstens von der politischen Seite her tun. Ich bin der Meinung, daß eine Bundesregierung die Möglichkeit haben muß, ohne besondere Unkosten
— die Beträge würden doch nur von der einen Tasche in die andere gegeben — einen solchen Akt vorzunehmen. Übrigens sind auch die Landesversicherungsanstalten bei einem ähnlichen Anlaß von der Post unterstützt worden.
Dann ist eine Reihe von Anregungen gegeben worden. Ich habe mich gefreut, daß Herr Kollege Diekmann hier ein Wort der Anerkennung für den wirklich erfreulichen Wiederaufbau unseres Post-und Fernmeldewesens in den vergangenen Jahren gefunden hat. Dieser Dank gebührt in erster Linie den Damen und Herren in der Post- und Fernmeldeverwaltung. Er gebührt meinen Vorgängern und er gebührt all denen, ,die dazu beigetragen haben, daß im Zuge der Wiederaufrichtung des deutschen Lebens auch die Institution des Post- und Fernmeldewesens trotz der bekannten Kapitalschwierigkeiten heute weithin ein Niveau erreicht hat, das mit dem anderer Länder als vergleichbar angesehen werden darf.
Herr Kollege Diekmann hat dann im einzelnen zum Ausdruck gebracht, daß die Automatisierung unserer Telephonverbindungen und insbesondere die Erweiterung der Telephonanschlüsse wegen der Kapitalschwierigkeiten sich nicht ganz befriedigend entwickelt hätten. Ich kann dieses Empfinden nur teilen. Ich glaube, daß wir bei einer besseren Kapitalversorgung weiter wären, als wir heute sind. Immerhin gehen schon 62 % der Telephongespräche durch den Selbstwählverkehr. Man kann, eine normale Entwicklung vorausgesetzt, die Zeit absehen, in der wir in unserem Telephondienst auf einen hundertprozentigen Selbstwählverkehr kommen werden.
Frau Kollegin Dr. Ilk hat auf die unbefriedigenden Verhältnisse im ländlichen Telephonverkehr hingewiesen. Diese sind mir bekannt. Wir stehen sicherlich auch hier vor Aufgaben, die alsbald gelöst werden müssen; darin stimme ich mit Frau Dr. Ilk überein. Ich bitte aber zur Kenntnis zu nehmen, daß durch ein System der Notrufe Vorsorge getroffen ist, daß in wirklich dringenden Fällen zu jeder Tages- und Nachtzeit auch im entferntesten ländlichen Gebiet eine Telephonverbindung hergestellt werden kann.
Die Mangelhaftigkeit in der Erweiterung der Telephonanschlüsse ist allerdings, Herr Kollege Diekmann, nicht nur auf die Kapitalschwierigkeiten zurückzuführen. Es wird einigen Damen und Herren des Hauses bekannt sein, daß beispielsweise selbst in der Schweiz, die überhaupt keine Kapitalschwierigkeiten kennt, auch nicht alle Antragsteller sofort einen Telephonanschluß erhalten können. Man braucht auch dort eine gewisse Zeit, weil neben ,den finanziellen Voraussetzungen noch technische Voraussetzungen gegeben sein müssen.
Ein Wort noch über die Hausbriefkästen! Natürlich, Frau Kollegin Dr. Ilk, muß es wünschenswert erscheinen, daß die Hausbriefkästen so zweckmäßig und so sicher wie nur möglich konstruiert werden. Meine Verwaltung ist jedoch darauf angewiesen, die Hausbriefkästen in einer solchen Größe herstellen zu lassen — soweit unser Zuschuß von 10 Mark dabei in Betracht kommt —, daß auch umfangreichere Sendungen in diesen Briefkästen untergebracht werden können.
Ich möchte auch von dieser Stelle aus meinem ernstlichen Wunsch besonderen Ausdruck geben, daß die Anlage von Hausbriefkästen, wie sie sich in einigen Städten entwickelt hat — beispielsweise sind in Freiburg und Lübeck schon in 90 % der Häuser solche Briefkästen vorhanden —, weiter gefördert wird, weil es beinahe menschenunwürdig ist, wie Briefträgerinnen und Briefträger in einer Zeit, wo Drucksachen und Werbesendungen immer mehr um sich greifen, ihr Gepäck in drei- und vierstöckigen Häusern treppauf, treppab zu schleppen haben. Es ist geradezu die Erfüllung einer menschlichen Pflicht, ,die Anlage von Hausbriefkästen zu fördern, um den Briefträgern diese Mühe des Treppensteigens zu ersparen.
Lassen Sie mich nun zu dem Kernpunkt der Ausführungen kommen, die hier sowohl von der Kollegin Frau Dr. Ilk als auch von Herrn Kollegen Diekmann vorgetragen worden sind. Ich gestehe, daß ich diese Kritik trotz der bedauerlichen Schlußfolgerung der sozialdemokratischen Fraktion hinsichtlich der Abstimmung über den Einzelplan 13 nur begrüßen kann. Ich kann meinerseits die zum Ausdruck gebrachte Sorge um das Kapitalproblem der Bundespost und des Fernmeldewesens nur teilen. Ich weiß, daß wir vor schwierigen Aufgaben stehen. Es ist nicht nur erforderlich, die Investierungen für das Jahr 1958 zu finanzieren — dafür besteht bis zur Stunde keine Grundlage —, sondern darüber hinaus ist anzustreben, von der kurzfristigen Finanzierung, die mit Recht als unerwünscht bezeichnet worden ist, alsbald wenigstens zu mittelfristigen und möglichst zu langfristigen Finanzierungen zu kommen.
Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß wir in der letzten Sitzung des Postverwaltungsrates am 9. April 1957 — das „wir" ist natürlich im Pluralis der Bescheidenheit gemeint — mit ganzem Ernst auf die Kapitalversorgungsproble-
matik der Post und des Fernmeldewesens hingewiesen haben. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlese ich einige Sätze aus meiner Erklärung, die ich dort abgegeben habe:
Wenn auch die große Sorge um die Finanzierung des Jahres 1957 beseitigt ist, so bin ich doch der Meinung, daß die Schwierigkeiten in der Finanzlage ,der Deutschen Bundespost im Grundsätzlichen unverändert fortbestehen. Im Augenblick können wir uns nicht vorstellen, wie die notwendige Finanzierung des Jahres 1958 erreicht werden kann. Meiner Ansicht nach muß daher nunmehr mit aller Energie darangegangen werden, die Kapital- und Finanzlage der Deutschen Bundespost nachhaltig zu bessern. In dieser Richtung erscheint es mir unerläßlich, daß mit allem Ernst die Frage geprüft wird, ob es nicht möglich ist, die Ablieferung an den Bund, die uns dieses Jahr mit rund 275 Millionen DM belastet und die, wie Sie wissen, unabhängig von dem Ertrag, also von dem Finanzergebnis, gezahlt werden muß, dahin abzuändern, daß eine Zahlung an den Bund gekoppelt wird an den Gewinn, damit in Zukunft der finanziell untragbare Zustand vermieden wird, daß ein notleidendes Unternehmen Ablieferungen an den Bund als den Eigentümer auch dann zahlen muß, wenn es selbst in Finanzschwierigkeiten ist.
Ich darf dazu bemerken, daß eine derartige Änderung der Ablieferungspflicht nichts Neues bedeuten würde; denn bereits unter ,der Geltung des Reichspostfinanzgesetzes aus dem Jahre 1924 war die Frage zunächst so geregelt, daß eine Ablieferung an das Reich nur aus reinen Überschüssen geleistet zu werden brauchte. Ich möchte mich hier nicht darauf festlegen, ob eine derartige Maßnahme für die unerläßlich notwendige Sanierung der Deutschen Bundespost ausreichen würde. Diese Frage wird noch eingehend zu prüfen sein. Ich möchte eher sagen, daß ich jetzt schon den Eindruck habe. daß noch weitere finanzielle Entlastungen der Deutschen Bundespost ins Auge gefaßt werden müssen, wenn eine nachhaltige Gesundung der Finanzstruktur erzielt werden soll. Mir will scheinen, daß daher neben der Neuregelung der sogenannten Ablieferung an den Bund auch eine Abnahme der sogenannten politischen Lasten der Deutschen Bundespost in Erwägung gezogen werden sollte, in ähnlicher Form, wie es das Kabinett bei der Deutschen Bundesbahn vorgesehen hat.
Meine Damen und Herren, ich habe mit diesem Auszug aus meiner Erklärung vor dem Postverwaltungsrat erkennen lassen wollen, wie ernstlich wir uns mit dem hier angeschnittenen Kapitalversorgungsproblem unseres Hauses bereits beschäftigen und daß auch wir davon überzeugt sind, daß wir zu längerfristigen Lösungen kommen müssen. schon um der Auftragserteilung an die Industrie willen. die auf weite Sicht hin ihre Dispositionen zu treffen hat. Es sollte nicht so wie in den letzten Jahren weitergehen. daß am Jahresende praktisch nur von einem Monat zum anderen disponiert werden kann.
Nun ist mir die Frage gestellt worden — die ich in der Beantwortung keineswegs leicht nehme —, oh ich die Verantwortung für die von mir zugegebenen Schwierigkeiten zu tragen in der Lage sei. Diese Frage kann ich nur mit einem Ja beantworten, und dieses Ja wird so lange aufrechterhalten werden
— lieber Herr Kollege Wehner, ich freue mich ja immer, wenn ich Ihnen Freude bereiten kann, denn Sie lachen so wenig; ich habe Ihnen das schon einmal gesagt;
aber ich finde in diesem Falle wirklich nichts Lächerliches daran; Sie mußten mich einmal ausreden lassen und dann erst Ihren Gemütsausdruck erkennbar machen —, solange ich die begründete Erwartung haben darf, daß sich Wege finden werden, die zu beschreiten sind, um die kapitalmäßige Konsolidierung unseres Post- und Fernmeldewesens in ,absehbarer Zeit und wenigstens in einem Minimum zu erreichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Neubauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sind, Herr Bundespostminister, trotz Ankündigung in dieser Ihrer Beantwortung immerhin eine Antwort schuldig geblieben. Sie haben nämlich die Frage unberührt gelassen, in welcher Höhe oder ob überhaupt der Bundespost hei der Verteilung des Rentnerbriefes Unkosten entstanden sind. Sie müssen ihr entstanden sein. Das können ,Sie nicht mit der Bemerkung abtun: Das ist so unbedeutend, daß darüber zu reden sich gar nicht lohnt. Selbst wenn der Betrag nicht sehr hoch sein sollte. lohnt es sich schon deswegen, darüber zu reden. weil es aus prinzipiellen Gründen nicht angeht, daß solche Dinge über Bundesinstitutionen durchgeführt werden.
Zweitens möchte ich Ihnen dazu noch eine Tatsache mitteilen. Es hat Orte gegeben, wo es nicht dabei blieb, daß den Rentnern dieser Rentnerbrief, von dem Sie nach wie vor überzeugt sind, daß er ein Produkt der Überparteilichkeit ist, in die Hand gedrückt wurde, sondern wo zu diesen Rentnerbriefen Flugblätter mit der Unterschrift „Christlich-Demokratische Union Deutschlands" verteilt wu r d en.
- Lassen Sie mich einmal ausreden! Wir haben das an den Rentenstellen mit unseren Leuten gemacht, so wie es jeder politischen Partei zusteht. Aber z. B. beim Postamt Marl, Zweigstelle Rewer, sind von den Beamten den Rentnern zwei Flugblätter der Christlich-Demokratischen Union zu dem Rentnerbrief in die Hand gegeben worden.
Hier manifestiert sich die bed Mitgliedern der CDU offenbar allgemein herrschende Auffassung, daß die Institutionen des Bundes identisch seien mit der Christlich-Demokratischen Union und nur dieser einen Partei zur Verfügung zu stehen hätten. Wir bitten, den Vorgang einmal zu untersuchen.
Nun zu Ihrer Bemerkung, es handle sich lediglich um eine Erklärung eines bedeutsamen Gesetzes. Wir geben zu und haben das vorhin schon gesagt: die Regierung hat das Recht, zu einem bedeutsamen Gesetz Erklärungen gegenüber den davon Betroffenen abzugeben. Aber wenn Sie schon Erklärungen zu einem bedeutsamen Gesetz abgeben, dürfen Sie nicht vergessen, daß in der Diskussion über dieses bedeutsame Gesetz nicht nur von der CDU, sondern auch von anderen Parteien dieses Hauses Bedeutsames gesagt wurde:
und das hätte dann den Rentnern ebenfalls mitgeteilt werden müssen.
Auch nach der Antwort des Bundespostministers glauben wir, daß hier unrichtig gehandelt wurde. Ich hatte bei einigen Passagen Ihrer Rede, Herr Bundespostminister, den Feindruck, daß Ihnen selbst nicht ganz wohl war. Sie identifizierten Ihre Auffassung schon nicht mehr ganz mit dem Inhalt dieses Briefes. Wir haben Ihnen nicht vorgeworfen, ihn verfaßt zu haben. Wir sind sogar ganz sicher, daß Sie ihn nicht verfaßt haben. Dinge von Ihnen sind meist geschickter abgefaßt als dieser Rentnerbrief. Was wir an dieser Stelle kritisieren — ich wiederhole es —, ist, daß diese einseitige Propaganda über die Bundespost oder über andere Einrichtungen des Bundes betrieben wird. Es geht nicht an, daß das fortgesetzt wird.
Das Wort hat Frau Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte .auf meine Bitte wegen der Hausbriefkästen zurückkommen. Es soll nicht die Ansicht entstehen, daß wir die Aktion als solche mißbilligen. im Gegenteil, Herr Minister, wir sind gleich Ihnen der Meinung, daß zur Erleichterung der sehr schweren Arbeit der Briefträger eine solche Maßnahme wünschenswert ist. Aber es muß ein Weg gefunden werden, die Postsachen vor fremdem Zugriff zu schützen. Wir haben ja auch bei den allgemeinen Briefkästen Vorrichtungen, daß man wohl große Postsachen hineinstecken. sie aber nicht ohne einen Briefkastenschlüssel herausnehmen kann. Wir meinen: wenn die Post die Anschaffung von Einrichtungen mit ihren Etatsmitteln unterstützt, dann muß sie auch dafür sorgen, daß die Postsachen unberührt von Fremden in den Besitz des Empfängers gelangen. Nur das ist unser Anliegen. Wir beabsichtigen keineswegs eine Störung der Aktion als solcher.
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es muß nicht nur in diesem Hause. sondern auch in der Öffentlichkeit mehr als eigenartig anmuten, daß die sozialdemokratische Fraktion die Tatsache, daß die Bundesregierung aus Anlaß .des Inkrafttretens der beiden Rentengesetze ein Wort der Aufklärung an die Rentner gerichtet hat, in einer solchen Form kritisiert und breitgetreten hat.
— Herr Neumann, diese Dinge ziehen allmählich auch nicht mehr!
Meine verehrten Damen und Herren, was ist hier geschehen? Die Bundesregierung hat in diesem Schreiben an die Rentner, in der Aufklärung, .die sie in diesem Zusammenhang über die Gesetze gegeben hat. in rein objektiver Weise
zu diesem sozialen Gesetzgebungswerk Stellung genommen.
Es hat sich nicht darum gehandelt, etwa die Debatten und Diskussionen, die in diesem Hause um die Gesetze geführt werden sind, draußen fortzusetzen. Davon hat sich die Bundesregierung absolut frei gehalten. Ich erkläre hier ganz im Gegensatz zu Ihrer Behauptung, daß es sich dabei nicht um eine einseitige Propaganda, sondern um eine Erläuterung, um ergänzende Worte zu diesem Thema gehandelt hat,
und zwar zu einem Gesetz, zu dem auch Sie schließlich in der Schlußabsimmung Ihr Ja gesagt haben
und für das damit .auch Sie insoweit die Verantwortung mit übernommen haben.
Meine Damen und Herren, Sie können auf diese Wegsee unter gar keinen Umständen übersehen machen, daß Ihre Rentnerbriefe, die Sie an den Postschaltern oder vor den Rentenzahlstellen zur Verteilung gebracht haben, ganz im Gegensatz zu dieser objektiven Darstellung der Bundesregierung eine einseitig parteipolitische Propaganda gegen diese Gesetze beinhaltet haben.
Wenn Sie die Dinge freundlichst einmal ganz objektiv überprüfen, werden Sie sich auch ein Urteil darüber bilden müssen, inwieweit Sie selber dabei immer bei der Wahrheit und hei der Wiedergabe von Tatsachen geblieben sind.
Wir sind mit der Bundesregierung der Meinung, daß sie in dieser Frage ein absolut gutes Gewissen hat. Ich möchte sogar hinzufügen, daß es angesichts Ihrer Darstellung geradezu die Pflicht der Bundesregierung gewesen ist, sich ihrerseits mit einem aufklärenden Wort an die Adresse der Rentner zu wenden.
Gestatten Sie Frau Dr. Ilk eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Horn, in dem Vergleich der Schrift, die die Bundesregierung mitgegeben hat, und der Werbeschrift der SPD brauchten Sie vorhin die Formel, daß auch in der SPD-Werbeschrift Unrichtigkeiten seien. Wollen
Sie damit zugeben, daß auch in der Schrift der Bundesregierung manches nicht ganz nichtig ist?
Das ist das erste.
Das zweite, Herr Kollege Horn! Ist Ihnen nicht klar, daß ein erheblicher Unterschied darin besteht, ob sich die Bundesregierung der Bundespost zur Verteilung bedient oder ob eine Partei, vielleicht in öffentlichen Räumen der Bundespost, ihre Werbeschriften verteilt?
Zu Ihrer ersten Frage, Frau Kollegin Ilk! Sie haben das Wörtchen „auch"
in meine Ausführungen hineingebracht, weil Sie es gern darin gehört hätten.
Aber ich bin mir nicht bewußt — und das wird mir
durch die Zurufe bestätigt —, daß ich das Wort
„auch" in diesem Zusammenhang gebraucht habe.
Was die zweite Frage angeht,
so hätte Frau Dr. Ilk recht, wenn es sich bei dieser Aufklärungsschrift um ein Flugblatt der ChristlichDemokratischen Union gehandelt hätte.
Aber es hat sich um eine Aufklärungsschrift, um ein Wort der Bundesregierung an die Rentner gehandelt, zu dem sie, wie ich wiederholen möchte, ohne Zweifel berechtigt gewesen ist.
Mit Rücksicht darauf, daß wir mit diesen Dingen wertvolle Zeit vertun, ist es angebracht, dieses Thema jetzt zu beenden. Die Bundespost ist gefragt worden, woher sie die Mittel für die Verteilung dieser Aufklärungsschrift genommen hat. Nach dem, was ich in dieser Beziehung an den Postschaltern erlebt habe, handelt es sich nicht um eine Verteilung durch die Postbeamten. Dieses Flugblatt des Bundeskanzlers und des Arbeitsministers an die Rentner lag vielmehr bei der Post auf den Schalterbrettern, und es blieb den Rentnern vorbehalten, ob sie sich eine solche Schrift mitnehmen wollten oder nicht.
So war jedenfalls die Verteilungsmethode bei den Postämtern, die ich überprüft habe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht regen Sie sich darüber deshalb so auf, weil Sie selber genau wissen, wie dankbar die Rentner es empfunden haben, daß die Bundesregierung ihnen auf diese Weise Aufklärung zuteil werden ließ. Wir haben jedenfalls den Eindruck, daß die Rentner dafür dankbar gewesen sind.
Ein Letztes! Wenn es zutrifft, was soeben hier behauptet worden ist, daß am Postschalter — ich weiß nicht, wo; irgendwo — gleichzeitig mit dieser Schrift auch ein mit „Christlich-Demokratische Union" unterzeichnetes Flugblatt von Postbeamten verteilt worden sei, so stehe ich nicht an, einen solchen Vorgang in voller Übereinstimmung mit Ihnen zu kritisieren und als nicht statthaft zu bezeichnen. Dasselbe Recht könnten dann alle anderen Parteien für sich in Anspruch nehmen.
Zu dem, was hier im Grunde zur Diskussion steht, habe ich mit genügender Deutlichkeit Stellung genommen. Wir stehen in dieser Frage absolut hinter dem, was die Bundesregierung getan hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte der verehrten Frau Kollegin Dr. Ilk — es ist schade, daß sie soeben den Raum verlassen hat — freundlichst folgendes in Erinnerung rufen. Meines Wissens ist die erste deutsche Regierung, die in der Nachkriegszeit von dem Recht Gebrauch gemacht hat, die Bevölkerung über ihre Taten durch eine Postwurfsendung aufzuklären, die Regierung Reinhold Maier in Baden-Württemberg in der Koalition mit der SPD gewesen. Mir ist niemals bekanntgeworden, daß die FDP und die SPD jemals im Landtag von Baden-Württemberg Protest gegen diese Verwendung von Regierungsgeldern erhoben hätten.
Das Wort hat der Abgeordnete Neubauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte lediglich eine soeben von dem Herrn Kollegen Horn gegebene — ich muß schon sagen — unrichtige Darstellung über die Verteilung der Flugblätter richtigstellen. Es ist nicht so, daß es den Rentnern überlassen war, eine am Postschalter liegende Broschüre zu nehmen oder nicht zu nehmen.
Erstens sind die Flugblätter durch Postsachen an einen erheblichen Teil der Rentner mit Kuverts, von denen ich eins hier in der Hand habe, verschickt worden. Daher unsere Frage, wer das bezahlt hat.
Zweitens darf ich Sie, Herr Horn, auf das Amtsblatt der Deutschen Bundespost vom 28. März 1957 aufmerksam machen, in dem eine Verfügung veröffentlicht ist, nach der die Postdienststellen angewiesen sind, die Verteilung dieses Rentnerbriefs vorzunehmen.
Ich möchte also ausdrücklich feststellen: Ihre Darstellung bezüglich der Durchführung der Verteilung dieses Rentnerbriefs entspricht nicht den Tatsachen.
Bezüglich dessen, was ich zur gleichzeitigen Mitverteilung des CDU-Flugblatts durch das eine Postamt gesagt habe, nehmen wir mit Befriedigung zur Kenntnis, daß Sie mit uns darin einig sind, daß
das zu mißbilligen ist. Wir haben die Hoffnung, daß es sich nicht wiederholt.
Ich frage nochmals das Bundespostministerium, ob es gewillt ist, ein paar Sätze über die tatsächlich entstandenen Unkosten zu sagen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Der Herr Bundespostminister!
Herr Präsident! Meine Damen und und Herren! Es spricht für die gute Konstitution des Post- und Fernmeldewesens, daß die Debatte im Parlament über seinen Haushalt sich weniger mit postalischen Fragen, als vielmehr mit anderen Dingen beschäftigt hat.
Herr Kollege Neubauer, ich halte Sie erstens für einen intelligenten Berliner, und das spricht ja schon für sich!
Zweitens halte ich Sie auch für einen ehrenwerten Kollegen, so daß ich einfach nicht verstehen kann, daß Sie an mich die Frage richten, welche Unkosten — jetzt auf Heller und Pfennig ausgerechnet — der Post durch die Auslieferung der Flugblätter entstanden sind.
Das wird doch wohl schwer vorstellbar sein.
Aber lassen Sie mich noch einmal unterstreichen, daß man einer Bundesregierung, gleich welche politische Struktur sie haben mag, im demokratischen Staat nicht das Recht verweigern kann — wenn sie es ohne Polemik gegen andere Parteien und ohne Empfehlung der eigenen Partei für richtig hält —, bei besonders wichtigen Gesetzgebungswerken die davon Betroffenen anzusprechen.
Und eine letzte Bemerkung. Ich kann nur versichern, daß ich sofort ein Disziplinarverfahren veranlassen würde, wenn mir — was bisher nicht der Fall gewesen ist — konkret mit Namensnennung gemeldet würde, daß von einem Angestellten oder Beamten der Bundespost während der Dienstzeit oder im Dienstgebäude ein parteipolitisches Flugblatt, gleich welcher Couleur, verteilt worden ist.
— Ja, Herr Kollege, ich bezweifle gar nicht, daß Sie dazu in der Lage sind. Aber Sie werden doch zugeben, daß ich erst etwas veranlassen kann, wenn mir ein solcher Fall berichtet wird. Bis jetzt habe ich nur während dieser Debatte hier in diesem Hause davon flüchtig Kenntnis erhalten.
— Bitte sehr!
Herr Bundespostminister, ist Ihnen entgangen, daß der Name der Postanstalt hier genau bezeichnet worden ist? Wäre es dann nicht
Ihre Aufgabe, dienstlich festzustellen, ob ein Dienstvergehen vorliegt?
Herr Kollege, daß eine Mitteilung im Parlament für mich den gleichen Wert wie eine schriftliche Anzeige hat, ist selbstverständlich. Darüber brauche ich nicht belehrt zu werden. Aber bis jetzt, bis zu dieser Mitteilung im Parlament ist mir von einem solchen Vorgang keine Mitteilung gemacht worden. Also kann ich erst jetzt auf Grund der hier gemachten Äußerungen feststellen — und das werde ich tun —, was da gewesen ist — soviel ich verstanden habe, soll es sich um das Postamt Marl handeln —, und ich werde mir erlauben, die Fraktionen der Opposition davon in Kenntnis zu setzen, zu welchen Ermittlungsergebnissen ich dabei gekommen bin.
— Bei meinen Freunden ist es selbstverständlich.
Meine Damen und Herren, noch eine letzte Bemerkung. Die Erwähnung des CDU-Flugblattes -
— Ich bin leider mathematisch nicht so gut geschult wie Sie, um das hier sofort ausrechnen zu können. Das ist unmöglich. Aber ich wiederhole: wie hoch auch die Unkosten sein mögen, es ist das Recht einer Bundesregierung, eine solche Maßnahme durchzuführen. Außerdem würden ja die Mittel, die der Post gegeben würden, von der einen Kasse in die andere transferiert werden. Infolgedessen ist es für den Steuerzahler, ist es für den Postbenutzer, ist es für den Bürger unerheblich, ob die Kosten auf der einen oder auf der anderen Seite stehen.
— Herr Kollege Schröter, lassen Sie mich weiter ausführen — ich wurde durch den Zwischenruf daran gehindert —, daß eine Kritik an der Verteilung von CDU-Flugblättern zur Rentenreform außerhalb der Dienstgebäude doch wohl als unbegründet angesehen werden muß. Meine Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion in Berlin, Sie sind uns, was die Aktivität vor den Postämtern und was die Verteilung von Flugblättern an die Rentner betrifft, mit einem guten Beispiel sehr erheblich vorangegangen.
Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß nunmehr der Wunsch nach einer Debatte befriedigt ist. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Aussprache. Änderungsanträge sind nicht gestellt. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 13, und zwar nach Drucksache 3462. Wer dem dort verzeichneten Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 13 ist angenommen.
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan 12: Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr
und
Einzelplan 32: Bundesschuld .
In der Sitzung vom 9. Mai ist festgestellt worden, daß Einzelplan 32 — zu dem ein Änderungsantrag vorliegt — nur zugleich mit Einzelplan 12 verabschiedet werden kann. Berichterstatter für den Einzelplan 12 ist der Abgeordnete Ritzel. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dem gedruckt vorliegenden Bericht nur eine Bemerkung hinzuzufügen, die mit Rücksicht auf die wohl zu erwartende Debatte wünschenswert und notwendig erscheint. Es sind wenige Zahlen; sie beziehen sich auf die Unfälle in der Bundesrepublik und müssen bei der Erörterung des Problems der Aufwendungen für die Bundesstraßen berücksichtigt werden. Es sind amtliche Zahlen.
Die Polizei im Bundesgebiet wurde 1954 mit 494 000 Straßenverkehrsunfällen befaßt, im Jahre 1955 mit 568 000 und im Jahre 1956 mit 632 000 Straßenverkehrsunfällen.
Eine zweite Feststellung. Man ist landauf, landab der Meinung, die meisten Verkehrsunfälle kämen ,auf den großen Fernstraßen vor. In dem Bericht, den ich als Berichterstatter dem Haushaltsausschuß vorgelegt habe, der aber nicht in dem Mündlichen Bericht und nicht in dem Schriftlichen Bericht*) abgedruckt ist, habe ich darauf hingewiesen, daß — und auch das Ist für die Meinungsbildung des Hohen Hauses von besonderer Bedeutung — 78 % ,aller Verkehrsunfälle in geschlossenen Ortschaften vorkommen. Das Statistische Bundesamt hat in Heft 8/1956 der Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik" darauf hingewiesen, daß 57 % aller Verkehrstoten und 76 % aller Verkehrsverletzten auf geschlossene Ortschaften entfallen. Mir scheinen als Berichterstatter diese Bemerkungen um deswillen notwendig zu sein, weil der Straßenhaushalt, der in diesem Jahre eine ganz besondere Bedeutung beanspruchen darf, am ehestens und zweckmäßigsten auch in bezug auf die Verteilung ,der Mittel beurteilt werden kann, wenn man an ,die ungeheure Zahl der Verkehrsunglücksfälle, der Toten und Schwerverletzten und daran denkt, in welchem Bereich sich diese Verkehrsunfälle ereignet haben.
Ich wollte das Hohe Haus als Berichterstatter bitten, diese Dinge im Verlauf der Beratung nicht außer acht zu lassen.
Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir gleich den Bericht zu Einzelplan 32 entgegennehmen. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wacker .
*) Siehe Anlage 3 **) Siehe Anlage 4
— Sie wollen sich damit begnügen. Das Haus auch? — Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache, zunächst über den Einzelplan 12. Später wird die Aussprache über den Einzelplan 32 folgen, dann ,die Abstimmung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Begründung des Antrags Umdruck 1089*) darf ich folgendes ausführen. Wir haben den Bundestag gebeten, zu beschließen, daß im außerordentlichen Haushalt Einzelplan 12 Kap. 10 Satz 1 der Vorbemerkung folgende Fassung erhält:
Die folgenden Ausgaben dürfen, soweit sie den Betrag von 185 000 000 DM überschreiten, nur in Höhe der tatsächlichen Einnahmen bei Kap. A 32 01 Tit. 92 — Einnahmen aus Sonderanleihen für Straßenbaumaßnahmen — geleistet werden.
In engstem Zusammenhang damit — deswegen auch die gemeinsame Beratung der beiden Haushalte — steht der folgende Antrag:
In Kap. A 32 01 Tit. 91 — Einnahmen aus Anleihen — wird der Ansatz um 185 000 000 DM auf 1 734 314 300 DM erhöht und dementsprechend ,der Ansatz in Tit. 92 — Sonderanleihen für Straßenbaumaßnahmen — um 185 000 000 DM auf 99 985 000 DM ermäßigt.
In der Vorbemerkung zum außerordentlichen Straßenhaushalt ist die Leistung der Ausgaben von 285 Millionen DM für den Straßenbau davon abhängig gemacht worden, daß entsprechende Einnahmen aus einer Sonderanleihe für den Straßenbau laufgebracht werden. Nun steht Ihnen allen die Lage des Kapitalmarkts vor Augen. Es ist höchst zweifelhaft, ob die Öffa in der Lage sein wird, eine derartige Sonderanleihe unterzubringen. Damit nun die im außerordentlichen Haushalt vorgesehenen Straßenbauten nicht mangels der erforderlichen Einnahmen aus einer solchen Sonderanleihe — ich betone: Sonderanleihe — unmöglich gemacht werden, soll durch unseren Antrag sichergestellt werden, daß der außerordentliche Haushalt ,auch ohne leine solche Sonderanleihe für den Straßenbau wenigstens bis zu 185 Millionen DM bedient werden kann. Diese Möglichkeit im außerordentlichen Haushalt zu schaffen scheint uns richtiger zu sein, als — hier darf ich gleich ein Wort zu dem Antrag der sozialdemokratischen Opposition anfügen — eine Übertragung von 101 Millionen DM aus dem außerordentlichen Haushalt in den ordentlichen Haushalt vorzunehmen.
Ich wollte dies zur Klarstellung und zur Begründung unseres Antrags hier vorgebracht haben und bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, ich habe zunächst die allgemeine Aussprache über ,den Einzelplan eröffnet. Es liegen aber Wortmeldungen vor, die sich offenbar lediglich auf die Begründung von Anträgen beziehen. Herr Dr. Bleiß, Sie wollen nur zu dem Antrag sprechen, nicht zur allgemeinen Aussprache? — Dann erteile ich zunächst dem Abgeordneten Müller-Hermann das Wort.
*) Siehe Anlage 5
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von meiner Fraktion werden mit Ausnahme des eben von Herrn Kollegen Vogel begründeten rein formellen Antrags keine Anträge zum Einzelplan 12 gestellt werden. Wir werden auch dem von der Fraktion der SPD gestellten Antrag nicht zustimmen. Wir werden uns ,darauf beschränken, in der dritten Lesung einige Entschließungsanträge vorzulegen, aus denen mehr oder weniger hervorgeht, wie wir uns die künftige Gestaltung des Verkehrshaushalts und damit auch den künftigen Kurs der Verkehrspolitik denken.
Wir haben von seiten unserer Fraktion keinen Zweifel darüber gelassen, daß uns bestimmte Überlegungen in der Verkehrspolitik des Verkehrsministerium nicht immer ganz glücklich erschienen sind und daß auf dem Gebiete der Verkehrspolitik gewisse Versäumnisse zu verzeichnen und hier und dort auch Fehler gemacht worden sind. Aber es ist doch offensichtlich, daß mehr und mehr eine Neuorientierung der Verkehrspolitik erfolgt ist und wir ein Einschwenken auf ,die Linie feststellen können, die von der überwiegenden Mehrzahl gerade meiner Fraktionsfreunde seit langem auch hier im Hause vertreten worden ist. Diese neue Verkehrspolitik läßt sich von vier Grundprinzipien leiten: erstens von dem Gedanken der freien Konsumwahl auch im Bereiche des Verkehrs, zweitens von dem Gedanken eines echten Leistungswettbewerbs unter den Verkehrsträgern, drittens von dem Gedanken der Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrsträger, die durchaus nicht im Widerspruch zu gewissen gemeinwirtschaftlichen Aufgaben der Verkehrsträger zu stehen braucht, und viertens von dem Gedanken einer Anhebung der Investitionen im Bereiche des Verkehrs, die lange Zeit nach dem total verlorenen Krieg zugunsten vordringlicherer allgemeiner Aufgaben zurückstehen mußten.
Lassen Sie mich nun ein paar Worte zum Thema Bundesbahn und zum Thema Straßenbau und Unfallsituation sagen. Die Bundesbahn hat im Jahre 1952 aus dem Haushalt einen Betrag von 152 Millionen DM erhalten. Im Jahre 1957 wird es ein Betrag von etwa 1,6 Milliarden DM sein. Davon sind etwa 1,2 Milliarden DM praktisch Kredite, die der Bundesbahn eingeräumt werden. Die politischen Lasten werden der Bundesbahn nach den Beschlüssen des Verkehrs- und des Haushaltsausschusses in diesem Haushalt abgenommen werden. Mir scheint, daß für die Bundesbahn nach der Erfüllung sehr weitreichender Wünsche durch den Haushaltsausschuß und vermutlich auch durch das Plenum dieses Hauses kein Anlaß besteht, weitere Klagen über die Nichtberücksichtigung von Wünschen vorzubringen oder gar noch zusätzliche Anträge auf Bereitstellung von Mitteln zu stellen. Man hat, gerade nachdem ,der Haushaltsausschuß es für richtig befunden hat, im Haushalt 1957 weitere 500 Millionen DM zusätzlich für die Zwecke der Bundesbahn bereitzustellen, etwas den Eindruck, daß es, wenn man im Haushaltsausschuß etwas erreichen will, klüger ist, gleich große Positionen anzufordern. Über Beträge von über 100 Millionen DM wird offensichtlich weniger diskutiert als über Beträge, die sich nur in den Tausendern bewegen.
— Ich stelle das ja ,auch nur rein sachlich fest. Wir sträuben uns von seiten der CDU-Fraktion nicht, diesem Beschluß des Haushaltsausschusses unsere Zustimmung zu geben, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Bundesregierung und vor allem die Bundesbahn energische Anstrengungen unternehmen, zu einer Eigenwirtschaftlichkeit auch im Bereich des Schienenverkehrs zu kommen; denn irgend etwas kann ja nicht in Ordnung sein, wenn die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt im Laufe von fünf Jahren von 150 Millionen auf 1,6 Milliarden DM anwachsen. Ich darf mich hier auf die Außerung des neuen Ersten Präsidenten der Bundesbahn, Herrn Professor Oeftering, beziehen, der kürzlich festgestellt hat, daß bei der Bundesbahn das Phänomen festzustellen ist, daß sie zwar ständig steigende Verluste ausweist, aber von Jahr zu Jahr reicher wird.
Bei der Opposition auf der linken Seite dieses Hauses fehlen bei der Kritik, die sie gern an der Verkehrspolitik der Bundesregierung übt, bisher jedenfalls konkrete, konstruktive Vorschläge, wie sie sich eine Wiederherstellung der Eigenwirtschaftlichkeit der Bundesbahn denkt, abgesehen davon, daß sie ständig neue Forderungen an den Haushalt stellt. Wir sind der Auffassung, daß im Laufe der nächsten Jahre bestimmte Maßnahmen ergriffen werden müssen, um sowohl im Bereich des Straßenverkehrs als auch insbesondere im Bereich des Schienenverkehrs eine Gesundung und Wiederherstellung der Eigenwirtschaftlichkeit zu erreichen.
Das erste und wichtigste Thema ist zweifellos eine Umgestaltung des gesamten Tarifwesens sowohl im Schienenverkehr als auch im Straßenverkehr, ein Abgehen von der Parität zwischen dem Eisenbahngütertarif und dem ehemaligen Reichskraftwagentarif. Wir verhehlen nicht unsere Meinung, daß es sicherlich richtiger gewesen wäre, wenn man dieses sehr schwierige, aber längst fällige Problem bereits vor einigen Jahren in Angriff genommen hätte. Aber auch damals hat sich gerade die Opposition gegen eine Reform des Tarifwesens sehr heftig gesträubt. Ich begrüße die Äußerung des Präsidenten Oeftering, daß er gerade die Tarifabteilung der Bundesbahn mit neuen Kräften füllen und vor allem auch Kräfte aus der Wirtschaft heranziehen wird, um mit kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Überlegungen über eine Neugestaltung der Tarife zu einer Wiederherstellung der Eigenwirtschaftlichkeit zu kommen.
Wir werden zweitens in den nächsten Jahren Überlegungen anstellen müssen, wie wir die sogenannten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen der Bundesbahn den Zeitumständen entsprechend auflockern. Die gemeinwirtschaftlichen Auflagen in Gestalt der Betriebs- und Beförderungspflicht auf seiten der Bahn stammen aus einer Zeit, in der die Bahn eine unbestrittene Monopolstellung besaß, und waren als ein Schutz der Verbraucher gegenüber dieser Monopolstellung des Schienenunternehmens gedacht. In Anbetracht der veränderten Situation, insbesondere der Tatsache, daß die Bundesbahn verschiedene Konkurrenten erhalten hat, scheint es uns angemessen, gewisse Auflockerungen in der Gemeinwirtschaftlichkeit vorzunehmen.
Der dritte Fragenkomplex betrifft die Modernisierung und Rationalisierung. Wir hoffen, daß die im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellten Mittel von der Bahn insbesondere dazu verwendet
werden, diese Modernisierung und Rationalisierung ihres Betriebes konsequent fortzusetzen.
Dias vierte, das uns besonders wichtig zu sein scheint, ist, daß bei den Überlegungen der Bahn selbst das kaufmännische Denken stärker als bisher in den Vordergrund gestellt wird und daß vor allem in den Führungsgremien der Bundesbahn eine gewisse Verjüngung derart eintritt, daß man sich von den überholten Vorstellungen aus einer Zeit vor 40 oder 50 Jahren frei macht und sich konsequent auf die Konkurrenzsituation einstellt, in der sich die Bundesbahn heute nun einmal befindet. Wir sind der festen Überzeugung, daß die Deutsche Bundesbahn, wenn in dieser Richtung seitens des Bundesverkehrsministeriums und seitens der Bundesbahn gearbeitet wird, in einem Zeitraum von vier oder fünf Jahren wieder ein saniertes Unternehmen mit einer ausgeglichenen Bilanz sein wird.
Noch ein paar Worte zum Thema Straßenbau und Unfallsituation. Herr Kollege Ritzel hat darauf hingewiesen, daß wir in :der Bundesrepublik immer noch eine steigende Unfallquote zu verzeichnen haben. Sicherlich ist der Ausbau des Straßennetzes ein Mittel, um die unerfreuliche Entwicklung in der Unfallsituation aufzuhalten. Aber lassen wir uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß im Grunde ein Mangel an Fairneß und guter Gesinnung unter einem großen Teil der Straßenverkehrsteilnehmer der Anlaß für die erschreckende Unfallsituation in der Bundesrepublik ist.
Wir werden, wie mir scheint, nicht nur von seiten des Staates, sondern seitens aller sich dafür verantwortlich fühlenden Institutionen in den nächsten Jahren sehr viel mehr als bisher tun müssen, um hier erzieherisch zu wirken
und die Verkehrsteilnehmer, ob sie motorisiert oder ob sie Fußgänger sind, zu Disziplin, Fairneß und Zuvorkommenheit anzuhalten.
Aber wir sollten auch nicht so tun, als ob auf dem Gebiet dies Straßenbaus im Laufe der letzten Jahre nichts geschehen wäre. Im Jahre 1954 standen im Bundeshaushalt für den Straßenbau 310 Millionen DM zur Verfügung. Im nächsten Jahr werden es 1,1 Milliarden DM sein — ein Fortschritt, den wir immerhin mit Respekt zur Kenntnis nehmen sollten. Wir werden uns auch von seiten unserer Fraktion sehr darum bemühen, daß diese Mittel im Laufe der nächsten Jahre weiter aufgestockt werden und die Erneuerung und der Ausbau des deutschen Straßennetzes in einer Weise vor sich geht, wie es der wachsenden Motorisierung entspricht. Wir hoffen, daß sich der Herr Bundesfinanzminister in der Lage sehen wird, die von uns in unserem Gesetzentwurf beantragten 1,1 Milliarden DM für das Haushaltsjahr 1957 auch in dem Teil zur Verfügung zu stellen, der im außerordentlichen Haushalt untergebracht ist. — Ich darf wohl das freundliche Kopfnicken des Herrn Bundesfinanzministers als Zustimmung dafür ansehen, daß er sich die größte Mühe geben wird, diesen Ansatz im außerordentlichen Haushalt in der gewünschten Höhe aufzufüllen.
Wir werden uns auch für das von der Bundesregierung vorgeschlagene Straßenbauprogramm einsetzen, soweit es sich um das technische Programm handelt. Wie mir scheint, werden wir aber, wenn nicht in dieser, dann in der nächsten Legislaturperiode, sehr um das Problem ringen müssen, wie wir auch eine langfristige, den Zeitumständen entsprechende Finanzierung für ein solches Straßenbauprogramm sicherstellen können.
Ich darf in diesem Zusammenhang nur ein Problem andeuten, dem wir gegenüberstehen und dem wir nicht ausweichen können: die Verkehrs- und Straßensorgen der Gemeinden und insbesondere der Großstädte. Ich bin der festen Überzeugung, daß vor allem die Großstädte auf die Dauer nicht in der Lage sein werden, aus eigener Finanzkraft mit ihren Verkehrssorgen fertig zu werden. Wir werden also Überlegungen anstellen müssen, wie hier den Gemeinden vom Bund, vor allem aber auch von den Ländern in einer angemessenen Weise eine Hilfestellung gegeben werden kann; denn wir können diese Probleme nicht deshalb ungelöst lassen, weil die Zuständigkeiten aus einer Zeit stammen, in der diese Probleme noch nicht bestanden.
Zum Abschluß muß ich noch auf einen Engpaß im Straßenbau hinweisen, der sehr ernster Natur ist. Die Oppositionen hier im Hause haben bei den Beratungen im Verkehrs- und im Haushaltsausschuß darauf gedrungen, daß Beträge für den Straßenbau zur Verfügung gestellt werden, die noch erheblich über die 1,1 Milliarden für das Jahr 1957 hinausgehen. Wir müssen tuns aber mit von der Tatsache beeinflussen lassen, daß die Straßenbauplanung und die Straßenbauverwaltung überhaupt nicht in der Lage sind, zur Zeit ein größeres Volumen zu verkraften.
Hier scheinen mir Schwierigkeiten zu bestehen, die nicht beim Bund, sondern bei den Planungsbehörden der Länder liegen.
— Sie sind noch nicht überwunden, sehr verehrter Herr Kollege Niederalt. Es wäre erfreulich, wenn dem so wäre. Mir ist gerade gestern mitgeteilt warden, man müsse davon ausgehen, daß bei den Planungsbehörden ,der Länder insgesamt etwa 2000 Sachbearbeiter fehlten. Wenn wir ein großzügiges, auf weite Sicht angelegtes Straßenbauprogramm verabschieden und auch seine Finanzierung sicherstellen, dann müssen zunächst von dem Herrn Bundesverkehrsminister — das ist eine Bitte, die ich in erster Linie an ihn richte — und den Länderverkehrsministern unid den Länderfinanzministern die Planungsbehörden bei den Ländern so ausgestattet werden, daß ein solches Programm auch realisiert werden kann.
- Sonst gibt es Reste! Wenn ich recht unterrichtet bin, konnten auch dm Haushaltsjahr 1956 90 Millionen DM nicht verbaut werden, weil die Vorarbeiten in der Planung nicht rechtzeitig genug abgeschlossen gewesen sind.
Ich darf mich auf diese wenigen Bemerkungen beschränken. Meine Freunde werden dem Einzelplan 12 ihre Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden zu dem anstehender
Haushalt im Rahmen der bescheidenen Möglichkeiten, die durch die Gesamtanlage des Haushalts gezogen sind, eine Reihe von Anträgen stellen. Wir haben durch die Herren Sprecher der CDU bereits vernommen, daß Sie alle unsere Anträge ablehnen werden. Sie verfahren damit nach der gleichen Methode, die wir von den vergangenen Jahren her kennen.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wir würden eine solche Haltung aufrichtig bedauern. Wir würden das insbesondere in Anbetracht — und hier stehe ich in einem deutlichen Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Müller-Hermann
— der nach unserer Auffassung unzureichenden Förderung des Straßenbaus bedauern. Es werden Ihnen wahrscheinlich auch die Äußerungen des Herrn Bundesverkehrsministers bekannt sein. Sie sind im Organ der Bundesregierung, im Bulletin, veröffentlicht. Herr Dr. Seebohm hat in diesem Organ eine ganze Reihe von sehr interessanten Angaben gemacht. Er hat damals unter anderem gesagt, daß etwa — aus dem Gedächtnis gesprochen
— 75 % unserer Straßen ausbaubedürftig seien, weil die Fahrbahn viel zu schmal sei, daß sich daraus die ganze Verkehrsunsicherheit ergebe und die Fahrbahndecken unbedingt verbreitert werden müßten. Wenn man die Größenordnung der notwendigen Investitionen kennt, Herr Kollege Müller-Hermann, trotzdem völlig unzureichend investiert, dann hat man auch die Verantwortung für die wachsende Verkehrsunsicherheit und für die wachsende Zahl von Verkehrstoten und Verkehrsverletzten zu tragen.
Es hat gar keinen Sinn, hier immer um diese Dinge herumzureden.
Der Herr 'Bundesverkehrsminister hat vor etwa zwei Jahren seinen Zehnjahresplan für den Straßenbau vorgelegt. Er hat ihn damals wahrscheinlich vorgelegt, um sich ein Alibi für eine erfolgreiche Tätigkeit als Verkehrsminister zu verschaffen. Ich möchte hier noch einmal ausdrücklich feststellen, daß wir den Plan für eine technisch gute Arbeit der Fachabteilung des Verkehrsministeriums halten.
Es ist Ehnen allen bekannt, daß der Plan :auf vielen Veranstaltungen im In- und Ausland von dem Bundesverkehrsminister offiziell als der Plan der Bundesregierung herausgestellt und als solcher auch in den Bundestag eingebracht worden ist. Aber weder der Herr Bundesverkehrsminister noch der Herr Bundesfinanzminister haben sich je der Mühe unterzogen, die finanziellen Grundlagen für die Durchführung eines solchen Plans zu erarbeiten.
Wir haben uns bemüht, dem Hohen Hause in einem Gesetzentwurf Finanzierungsvorschläge zu unterbreiten. Der Gesetzentwurf liegt im Ausschuß. Ich habe nicht den Eindruck, daß die Regierungskoalition die ernste Absicht hat, diesen Plan noch zu diskutieren. Ichhabe :den Eindruck, daß bei ihr die Absicht besteht, ihn einfach auf Eis zu legen. Nur bin ich der Meinung, daß man so das Problem nicht lösen können wird. Wenn wir uns die jeweiligen Haushaltsansätze im Verhältnis zu dem Zehnjahresplan ansehen, dann sind diese Ansätze der beste Beweis dafür, daß die Bundesregierung gar nicht daran denkt, den Plan auch nur annäherungsweise zu honorieren.
Der Herr Bundesverkehrsminister ist dabei in einer etwas peinlichen Situation. Bei jeder Etatberatung und bei jeder Mittelvergabe muß er sich die Schwäche seiner Position im Kabinett von den Referenten des Bundesfinanzministeriums bescheinigen lassen. Wir halten einen solchen Zustand für wenig glücklich, und allein dieser Tatbestand würde ausreichen, um den Etat des Bundesverkehrsministeriums wegen Unzulänglichkeit abzulehnen.
Wir werden aber heute vermutlich die letzten Einzelberatungen des Einzelplans 12 in dieser Legislaturperiode haben. Das ist für uns Anlaß, eine kurze Rückschau auf die Verkehrspolitik der Bundesregierung in der ersten und zweiten Legislaturperiode zu halten. Dabei müssen wir feststellen, daß es dem Herrn Bundesverkehrsminister in den vergangenen acht Jahren nicht gelungen ist, eine vernünftige Verkehrskonzeption zu entwikkeln. Was in der ersten Legislaturperiode falsch gestartet wurde, hat sich in den verflossenen vier Jahren weiterhin unheilvoll ausgewirkt. Es steht für uns außer Zweifel, daß der von dem Bundesverkehrsministerium mit verschuldete ruinöse Wettbewerb zwischen der Schiene und der Straße mit unverminderter Heftigkeit anhält, daß es dem Herrn Bundesverkehrsminister nicht gelungen ist, eine Ordnung der Wettbewerbsverhältnisse zwischen den Verkehrsträgern zu erreichen.
Es steht für uns außer Zweifel, daß es dem Herrn Bundesverkehrsminister nicht gelungen ist und bis zum Abschluß der Legislaturperiode auch nicht gelingen wird, die Bundesbahn zu sanieren und ihr ausreichende Mittel für die Modernisierung ihrer Anlagen und ihres Fahrzeugparks zur Verfügung zu stellen.
— Ich komme gleich darauf. — Die Zahlungsfähigkeit des größten deutschen Bundesvermögens kann nur durch erhebliche Liquiditätsbeihilfen — nicht 1,6, sondern 1,3 Milliarden — des Bundes aufrechterhalten werden.
Nun haben Sie gesagt, Herr Kollege Müller-Hermann, daß die Bundesbahn sich weiter beim Bund verschulde und daß es auf diese Weise nicht weitergehen könne. Darf ich Sie zunächst darauf aufmerksam machen, daß der letzte Antrag wegen der 500 Millionen zusätzlicher Hilfe von der CDU-Fraktion gestellt worden ist. Sie kommen, als Sprecher Ihrer Fraktion, in eine schlechte Situation, wenn Sie nun den Vorwurf erheben, daß man zuviel für die Bundesbahn tut, Ihre eigene Fraktion aber diesen Antrag einer zusätzlichen Mittelbewilligung im Haushaltsausschuß gestellt hat.
Sie haben weiterhin die Äußerung von Herrn Professor Oeftering erwähnt, daß die Bundesbahn die „Geschicklichkeit" besitze, sich ärmer zu rechnen, dabei aber reicher zu werden. — Ich bin der Meinung, daß es besser wäre, auch in dieser Frage etwas realistischer zu denken. Natürlich hat die Bundesbahn eine Reihe von Bahnhöfen wiederaufgebaut, natürlich hat sie investiert, aber sie hat es im wesentlichen nur mit der Hilfe Dritter tun können. Es wird Ihnen ja bekannt sein, daß die Länder — insbesondere das Land Nordrhein-Westfalen — erhebliche Kredite zur Verfügung gestellt haben, um z. B. die Elektrifizierung durchzuführen. Herr Kollege Müller-Hermann, es wird Ihnen doch auch sicherlich nicht entgangen sein, daß es trotzdem noch eine Vielzahl von Bahnhöfen gibt,
die sich in einem schlechten Zustand befinden, auf denen man es den Fahrgästen zumutet, in Ruinen Unterkunft zu suchen. Es wird Ihnen doch sicherlich bekannt sein, daß sich die Bundesbahn über eine steigende Zahl von Langsamfahrstellen zu beklagen hat, daß also die Unsicherheit des Schienenwegs auf diesen Teilstrecken wächst. Es wird Ihnen sicherlich nicht unbekannt sein, daß auch für den Wagenpark, besonders was die Beschaffung vernünftiger Personenwagen anbetrifft, noch vieles getan werden muß. Alle diese Dinge wären wahrscheinlich schon wesentlich weiter entwickelt, wenn man der Bundesbahn rechtzeitig die betriebsfremden Lasten abgenommen und ihr damit rechtzeitig die Möglichkeit gegeben hätte, aus eigenen Mitteln etwas mehr für die Modernisierung ihrer Anlagen zu investieren.
Sie haben uns im Verlauf Ihrer Rede weiter gefragt, welche Vorstellungen denn die SPD von einer Reform des Verkehrs, von der Neuordnung des Verkehrs habe. Ich glaube, es ist Ihnen entgangen, daß wir im Juni des vergangenen Jahres in Hamburg eine verkehrspolitische Konferenz abgehalten und auf dieser Konferenz ein geschlossenes Programm vorgelegt haben. Ich würde Ihnen gerne anheimstellen, sich dieses Programm einmal durchzusehen.
Sie werden dann wahrscheinlich eine Reihe von sehr nützlichen Punkten darin finden. Wir haben uns insbesondere darum bemüht, zu einer Ordnung zwischen Schienen- und Straßenverkehr zu kommen. Wir haben ausdrücklich herausgestellt, daß die Bundesbahn durch Bundesmittel weiter modernisiert werden muß. Wir haben herausgestellt, daß die Bundesbahn heute, zwölf Jahre nach Ende des Krieges, noch 2 Milliarden DM Kriegsschäden hat und daß es doch eine Aufgabe des Bundes wäre, diese Kriegsschäden endlich einmal zu beseitigen. Das gibt es sonst nirgends in der Wirtschaft, daß man sich noch zwölf Jahre nach Kriegsende mit derart erheblichen, wettbewerbshemmenden Schäden herumschleppen muß.
Wir haben in Hamburg unsere Vorstellung entwickelt, wie wir zu einer Ordnung des Güternahverkehrs, zu einer Ordnung der Wettbewerbsverhältnisse zwischen Schiene, Straße und Binnenschiffahrt kommen wollen. Wir haben insbesondere einen sehr ausführlichen Straßenbauplan aufgestellt.
Alle diese Gedanken sollten im wesentlichen auch Ihnen, Herr Kollege Müller-Hermann, bekannt sein. Ich bin deswegen der Meinung, daß der Vorwurf eines fehlenden Verkehrsprogrammes der SPD absolut unberechtigt ist. Wir haben erklärt, daß, sobald wir auf eine kommende Bundesregierung einen maßgebenden Einfluß ausüben, dieses Programm von uns in die Tat umgesetzt werden wird — im Gegensatz zur Regierungskoalition —. Sie hatten bisher acht Jahre Zeit. Ich habe Ihnen ja schon einige Fakten darstellen dürfen, die zeigen, wie sich in diesen acht Jahren die Verkehrswirtschaft unter Ihrer Regie entwickelt hat.
— Das heißt zunächst einmal: Forderungen zur
Modernisierung der Verkehrswirtschaft. Ich darf
außerdem darauf hinweisen, daß wir auch Vorschläge zu einer Verkehrsreform und zu einer Tarifreform gemacht haben. Alle diese Dinge, die Sie bisher verschleppt haben, müssen eines Tages angepackt werden. Herr Kollege Müller-Hermann., daran geht kein Weg vorbei.
Herr Kollege Ritzel hat vorhin eine recht erschreckende Zahl von Verkehrsunfällen genannt. Ich darf darauf hinweisen, daß sich die Zahl der jährlichen Verkehrsunfälle mit Toten und Verletzten in den letzten vier Jahren nahezu verdoppelt hat. Ich darf daran die Bemerkung knüpfen, daß sie in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Vernachlässigung des Straßenbaus steht.
Meine Damen und Herren, das sind nur wenige Tatbestände; sie ließen sich beliebig vermehren. Aber schon die vorgetragenen Tatsachen berechtigen uns zu unserer Kritik, die ich dahin zusammenfasse, daß weder in den Haushaltsansätzen noch in der Person des amtierenden Ministers die Gewähr für eine Gesundung der Verkehrswirtschaft, für eine Erhöhung der Verkehrssicherheit und für eine Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrsträger, die wir ausdrücklich betonen, gegeben ist.
Das Defizit der Bundesbahn wird im laufenden Jahr wahrscheinlich eine Rekordhöhe erreichen. Es steht weiter außer Zweifel, daß die Verordnung des Bundesverkehrsministers über Maße und Gewichte für Lkws — die haben Sie leider nicht erwähnt; ich hätte gerne Ihre Meinung dazu gehört
— von der Wirtschaft einfach ignoriert wird, weil Konstruktionen nach den in der Verordnung vorgeschriebenen Maßen und Gewichten zu völlig unwirtschaftlichen Fahrzeugtypen führen würden. Sehen Sie, das ist Ihre Politik.
— Aber Sie vertreten sie doch.
Ich darf weiter daran erinnern, daß der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Personenbeförderungsgesetzes schon in der ersten Instanz der parlamentarischen Beratung, nämlich im Bundesrat, eine scharfe Ablehnung gefunden hat. Es ist dem Herrn Bundesverkehrsminister nicht gelungen, die dringend notwendige Verkehrs- und Tarifreform vorzubereiten, geschweige denn sie durchzuführen. Das einzige, was wir in dieser Frage von ihm gehört haben, ist die wenig tröstliche Verlautbarung, daß die Vorbereitung einer Tarifreform nach etwa 12 bis 15 Monate dauern werde. Man kann sich an den fünf Fingern abzählen, wie sich die Verhältnisse in der gesamten Verkehrswirtschaft in der Zwischenzeit entwickeln werden.
Wenn wir am Schluß der Legislaturperiode die Bilanz ziehen, dürfte nur die Feststellung übrigbleiben, daß Herr Dr. Seebohm in der Verkehrspolitik einen Scherbenhaufen hinterläßt, dessen Beseitigung erhebliche Anstrengungen und Opfer erfordern wird.
— Herr Kollege Conring, wir werden Gelegenheit haben, uns mit der Beseitigung dieses Scherbenhaufens gemeinsam zu beschäftigen.
Aus den angeführten Gründen lehnen wir den Einzelplan 12 ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die allgemeine Debatte zum Einzelplan 12 mit einer erfreulichen Feststellung beginnen, nämlich mit der Feststellung, daß der Einzelplan nunmehr einen Gesamtbetrag von 1,9 Milliarden DM ausweist. Wenn Sie die gestundete Beförderungsteuer der Bundesbahn hinzunehmen, kommen Sie auf ungefähr 2,3 Milliarden DM. Und wenn wir uns daran erinnern, daß wir im Jahre 1949 in der Verkehrsetatisierung von insgesamt etwa 500 Millionen DM ausgingen, so ist das natürlich eine erhebliche Steigerung und Verbesserung.
Im Zuge meiner Ausführungen werde ich aber nachweisen, daß auch dieser Betrag, weil eben auf dem ganzen Gebiet des Verkehrs ein erheblicher Nachholbedarf besteht, bedauerlicherweise nicht ausreicht. Ich habe schon in früheren Etatsreden immer gesagt, ich bewundere den Herrn Bundesverkehrsminister, daß er mit einem Gesamtetat von 500 Millionen DM, 750 Millionen DM oder 1 Milliarde DM überhaupt Verkehrspolitik betreiben wolle oder könne.
— Aber Sie werden mir hoffentlich zugeben — ich weiß nicht, ob Sie in Verkehrssachen so genau Bescheid wissen —, daß der Ansatz von 500 Millionen DM im Jahre 1949 keinen Ausgangspunkt bilden konnte, wenn man alle Aufgaben der Verkehrspolitik anfassen wollte. Die ganze Entwicklung des Verkehrs hat gezeigt, daß in dieser Hinsicht große, schwere Fehler gemacht worden sind, weil man nicht genügend Mittel zur Verfügung gehabt hat.
Die zweite Feststellung, die ich für meine Fraktion zu treffen habe, ist höchst unerfreulicher Natur. Wir stellen fest, daß nach acht Jahren Verkehrspolitik unter dem gleichen Verkehrsminister die Frage der Gesundung der Bundesbahn offen ist, daß die Frage des Straßenbaus unbefriedigend geblieben ist und daß es vor allen Dingen nicht gelungen ist, zwischen den beiden großen Landverkehrsträgern Schiene und Straße einen Ausgleich herzustellen. Das ist eine Feststellung, die kaum bestritten werden kann. Hier ist heute morgen schon einiges über die finanzielle Situation der Deutschen Bundesbahn gesagt worden. Wenn auch Herr Müller-Hermann, mit dem ich im Verkehrsausschuß sehr freundschaftlich zusammenarbeite, in diesem Jahr — worauf das zurückzuführen ist, will ich hier nicht anschneiden — wesentlich zahmere Töne in bezug auf seine Auffassung von der Verkehrspolitik anschlägt als im vergangenen Jahr, so ist doch auch bei ihm nach wie vor eine bestimmte Kritik durchgedrungen, die, wie ich annehme, von der Mehrheit der CDU gebilligt wird.
— Das tun wir alle, Herr Höck, Sie wissen es doch!
— Aber wenn jede Kritik, die man sich an der Bundesregierung vorzunehmen erlaubt, von vornherein als unsachlich bezeichnet wird, dann, meine Damen und Herren, sollten wir lieber nicht diskutieren; dann packen wir unsere Sachen ein und gehen nach Hause!
Meine Damen und Herren, die Situation bei der Bundesbahn — um das zu begründen, was ich am Anfang gesagt habe — ist die, daß bei der Bundesbahn im Wirtschaftsplan 1957 wiederum ein Defizit von 800 Millionen DM vorhanden ist; nicht eingerechnet in dieses Defizit des Wirtschaftsplans die auf uns zukommende Erhöhung der Beamtengehälter, nicht eingerechnet die auf uns zukommende 45-Stunden-Woche bei der Bundesbahn und nicht eingerechnet die zwangsläufig folgende Anpassung bei den Angestellten- und Arbeitergehältern, wenn die Erhöhung der Beamtengehälter erst einmal durchgeführt ist. Das ist eine tatsächliche Feststellung, die niemand bestreiten kann.
Im Hinblick auf das Bemühen, über die Schwierigkeiten eines Tages wirklich hinwegzukommen, muß ich zunächst dem Herrn Bundesfinanzminister eine große Anerkennung aussprechen. Er ist es, der seit Jahr und Tag den Mut besitzt, zu sagen: Wenn wir nicht auch gleichzeitig das Problem der Tarifentgelte anpacken, wird es uns niemals gelingen, die Bundesbahn in Ordnung zu bringen. Was für die Bundesbahn gilt, gilt übrigens zur Zeit für alle anderen Verkehrsträger, darauf darf ich im Laufe meiner Ausführungen noch einmal eingehen. Das hat also der Herr Bundesfinanzminister vollkommen erkannt und gesagt. In den Organen der Deutschen Bundesbahn ist es erst jetzt — kürzlich, vor wenigen Monaten — möglich gewesen, diesen Grundsatz zur Anerkennung zu bringen und dementsprechend zu konkreten Vorschlägen zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich könnte ausweichen; ich könnte es mir im Wahljahr sehr bequem machen und ebenfalls sagen: man kann doch im Wahljahr nicht mit irgendwelchen Tariferhöhungen kommen, bei der Bundesbahn schon gar nicht. Gut, die Dinge dauern ja immer sehr lange, bis sie realisiert werden können. Aber ich finde, alle Parteien sollten den Mut haben, der Öffentlichkeit heute schon zu sagen: Wir werden das Instrument der Deutschen Bundesbahn niemals in Ordnung bekommen, wenn wir im Jahre 1957 — im Schnitt gesehen — noch zu Tarifen fahren, die auf Entscheidungen der Jahre 1950 und 1951 basieren. Das ist eine Tatsache.
Während der Einkaufssektor, wie ich ihn nennen möchte, d. h. die Kosten für Holz, Kohle, Eisen und vor allen Dingen auch für Treibstoffe, einen Index erreicht hat, der etwa um 300 herum liegt, liegt der Tarifindex, d. h. der Verkaufsindex, bei 180 bis 200. Wenn wir die Bundesbahn nicht — und das will doch niemand von uns — zum ewigen Kostgänger des Steuerzahlers machen wollen, wird uns gar nichts anderes übrigbleiben, als bei aller Verantwortung gegenüber den fahrenden Menschen und der verladenden Wirtschaft hier die notwendigen Korrekturen vorzunehmen.
Ich glaube, es sollte heute auch ein Wort über die Organisation der Bundesbahn gesagt werden. Es wird so viel von Verkehrsprogrammen gesprochen. Im Wahljahr haben wir natürlich auch ein solches Verkehrsprogramm. Die SPD hat ein Verkehrsprogramm; Herr Bleiß hat das soeben ausgeführt. Bei der CDU ist es, soweit ich unterrichtet bin, noch nicht so ganz klar, ob sie ein solches hat. Wir
von der FDP her haben in unserem Verkehrsprogramm die Forderung aufgestellt, aus Gründen der inneren und auch der äußeren Betriebswahrheit der Bundesbahn eine Rechtsform zu geben, die ihr nach innen und außen bestimmte Verpflichtungen auferlegt, nämlich die einer Aktiengesellschaft. Daraufhin ist sofort von böswilliger Seite das Gerücht in die Öffentlichkeit gestreut worden, wir Freien Demokraten hätten die Absicht, die Deutsche Bundesbahn zu privatisieren. Das ist natürlich für jeden Kenner und für jeden, der die Dinge einigermaßen versteht, ein wahrer Unfug. Wie kann man ein Tagesvermögen von 13 Milliarden DM privatisieren? Nachdem wir diese unsinnige Behauptung widerlegt haben, heißt es, die Freie Demokratische Partei will alle sozialen, gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen usw. der Bundesbahn aufheben; sie will außerdem die wohlerworbenen Rechte der Beamten, Angestellten und Arbeiter beschneiden. Auch das ist natürlich ein wahrer Unfug. Ich möchte heute morgen hier ausdrücklich erklären, daß alle diese Dinge erhalten bleiben müssen — wenngleich man über die Gemeinwirtschaftlichkeit, über eine freiere Entwicklung reden kann — und daß es uns bei diesen Vorschlägen ausschließlich darauf ankommt, bei der Deutschen Bundesbahn nach innen und außen eine klarere kaufmännische Betriebsführung durchzusetzen, wie es übrigens in dem Gesetz betreffend die Deutsche Bundesbahn ausdrücklich vorgesehen ist.
Ich darf mich dann dem sehr traurigen Kapitel des Straßenbaus zuwenden. Zunächst können wir hier rein optisch die erfreuliche Tatsache feststellen, daß wir mit den Mitteln der „Öffa" im ordentlichen Haushalt etwa 900 Millionen DM und im außerordentlichen Haushalt 285 Millionen DM zur Verfügung haben. Ich kann mich hier der Erklärung von, ich glaube, Herrn Müller-Hermann in jeder Weise anschließen, daß es unbedingt notwendig ist, diese 285 Millionen DM mit zu realisieren, damit in diesem Jahr tatsächlich etwa 1,2 Milliarden DM verbaut werden. Es wird dagegen eingewandt, die Bauindustrie sei gar nicht in der Lage, dieses Volumen zu verkraften. In vielen Unterhaltungen, die ich mit den Bauunternehmern gehabt habe, insbesondere auch über die Straßenliga, die ja alle Kreise der deutschen Wirtschaft umfaßt und die sich in Fortsetzung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Autobahnen zur Aufgabe gestellt hat, den Gedanken der Notwendigkeit des Straßenbaus voranzutreiben, ist mir erklärt worden: Wir sind durchaus in der Lage, 1,5 Milliarden DM im Jahr zu verbauen, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Planungen zwischen Bund und Ländern rechtzeitig klargestellt sind und daß außerdem die Mittel — das ist wohl selbstverständlich — freigegeben werden.
Wir haben uns überlegt, wie man angesichts dieser Notlage im deutschen Straßennetz diese 1,5 Milliarden DM wirklich realisieren kann. Ich darf Ihnen hier in diesem Augenblick einen Antrag ankündigen, der nachher zum Einzelplan 14 gestellt werden wird. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß rein aus Gründen der Landesverteidigung auch unsere militärischen Organisationen ein großes Interesse daran haben müssen, einen erheblichen Beitrag zum Straßenbau zu leisten. Wir werden daher unter Aufzeigung von zwei Kapiteln, von denen wir glauben, daß eine Ermäßigung durchaus möglich ist — jedenfalls unsere militärischen Experten belehren uns so —, den Antrag stellen, aus dem Verteidigungsetat 200 Millionen DM für den deutschen Straßenbau abzuzweigen. Wir kommen dann mit ordentlichem und außerordentlichem Etat und diesem zusätzlichen Betrag aus dem Verteidigungsetat insgesamt auf rund 11/2 Milliarden DM.
Damit kommen wir auch etwas näher an den Zehnjahresplan des Herrn Bundesverkehrsministers heran. Dieser Plan scheint mir infolge des wirklich ausgebliebenen zügigen Straßenbaues eine Art Notlösung zu sein. Entschuldigen Sie, wenn auch ich das noch einmal zum Ausdruck bringe: Jeder in der deutschen Bundesrepublik wundert sich natürlich darüber, daß, nachdem acht Jahre lang nicht besser gebaut werden konnte, ausgerechnet im Wahljahr der staunenden Öffentlichkeit ein Zehnjahresplan vorgelegt wird. — Ich sehe Ihr Kopfschütteln; aber selbst der Herr Bundesfinanzminister hat in Veröffentlichungen wiederholt ausdrücklich gesagt, daß eine Realisierung dieses Plans gar nicht möglich ist. Sie sehen also, dieser Zehnjahresplan bleibt doch sehr stark ein Phantasiegebilde, bzw. er ist geeignet, die Phantasie des Wählers im Wahljahr sehr stark anzuregen.
Bei der Bundesbahn sieht es ähnlich aus. Auch dort hat man einen Zehnjahresplan gemacht, der eigentlich nichts weiter ist als eine reine Inventur. Das ist unter Umständen gut, damit man einmal sieht, was ein derartiges Verkehrsinstitut für seine Modernisierung und Entwicklung überhaupt braucht. Aber wenn man Zehnjahrespläne macht, muß man sich doch zugleich überlegen, wie man sie realisieren kann.
Ich muß Ihnen, meine Damen und Herren, auch hier wieder mit einigen Zahlen aufwarten. Sie kennen den ewigen Streit um die Zweckbindung oder Nicht-Zweckbindung von Abgaben, die der Straßenverkehrsbenutzer aller Art leistet. Ich finde nun, wenn man von 1949 an und insbesondere von 1951/52 an die Dinge ein wenig mehr einander angeglichen hätte — ohne das Wort „Zweckbindung" auszusprechen —, wären wir bestimmt nicht in der heutigen Situation und brauchten wahrscheinlich nicht einmal einen Zehnjahresplan. Jedenfalls werden heute an den Bund an Mineralölsteuer, Importzöllen und Beförderungsteuer etwa 2,3 Milliarden pro anno abgegeben. Das Kraftfahrzeugsteuergesetz, das ein Bundesgesetz ist, dessen Ergebnisse aber den Ländern zufallen, beläuft sich in seinem Aufkommen auf etwa 950 Millionen DM. Sie haben also insgesamt etwa 3 Milliar den DM wirklich zur Verfügung, und wir wären sehr froh, wenn diese Beträge ohne besondere Zweckbindung mit Schwergewicht in den Straßenbau gegeben würden. Bei einer solchen Auffassung wäre sogar noch genügend Geld vorhanden — auch das ist hier heute morgen zum Ausdruck gebracht worden —, den Gemeinden, die wegen des Straßenbaues in einer besonders schwierigen Lage sind, eine Unterstützung zu geben.
Nun der ewige Streit: Worauf sind die bedauernswert hohen Unfallziffern in der deutschen Bundesrepublik zurückzuführen? Trotz anderer Meinung des Herrn Kollegen Müller-Hermann wage ich nach wie vor zu behaupten: Entscheidend ist das Vorhandensein eines erstklassigen Straßenverkehrsnetzes.
Meine Damen und Herren, Sie, die Sie doch häufig über die deutschen Grenzen nicht nur hinausfliegen, sondern auch -fahren, kennen doch die Situation. Wenn Sie von Dänemark, wenn Sie
von Holland, wenn Sie aus der Schweiz hereinkommen, fällt Ihnen, sofern Sie nicht direkt einen Anschluß an eine Autobahn haben, sofort auf, in welch schlechtem Zustand sich unser Straßennetz befindet. Das ist, neben einer, wie ich durchaus zugebe, nicht gerade hervorragenden Disziplin im deutschen Straßenverkehr, der Grund dafür, daß bei uns in der Bundesrepublik die Unfallzahlen so ungeheuer hoch sind. Wenn Sie heute eine Strecke von Frankfurt nach Köln oder umgekehrt fahren, sehen Sie drei, vier oder sechs Unfälle. Ich bin jetzt anläßlich des Kongresses der Internationalen Handelskammer 3000 km von Basel nach Neapel und zurück gefahren. Der Straßenverkehr, auch der Schwere-Lastwagen-Verkehr, ist in Italien, wie ich mich erneut habe überzeugen können, nicht geringer als in der deutschen Bundesrepublik, er ist eher noch stärker. Ich habe aber während dieser Fahrt über 3000 km nicht einen einzigen Unfall gesehen, obgleich die Leute dort eine unvorstellbare Rasanz des Fahrens haben. Erstens ist dort die Mentalität eine andere, und zweitens ist eben das Straßennetz in weit besserer Ordnung als bei uns in der Bundesrepublik.
— Vielleicht haben Sie Pech gehabt und ich Glück gehabt. Aber 3000 km sind eben doch eine erhebliche Strecke, und, Herr Dr. Vogel, ich nehme doch an, daß Sie das, was ich gesehen habe und berichte, für bare Münze nehmen.
Ich möchte immer wieder darauf hinweisen, meine Damen und Herren: Sie bekommen diese bedauerlichen Zahlen an Toten und Verletzten — ganz abgesehen von den schweren Materialschäden, die in der Bundesrepublik laufend entstehen —einfach nicht herunter, wenn sich nicht allgemein der Gedanke durchsetzt, daß wir unser Straßennetz nun wirklich unter Zurverfügungstellung der entsprechenden Mittel den anderen europäischen Netzen anpassen müssen.
Wenn ich vom Straßenbau spreche, so ist es nur ein Sprung zur Frage der Straßenverkehrspolitik überhaupt. Dabei steht auch die Frage der sogenannten Tarifreform im Vordergrund. Ich gehöre nun zu den unglücklichen Leuten, die auf Grund des Vertrauens des Herrn Bundesverkehrsministers seit einigen Jahren in dem Beyer-Ausschuß mitarbeiten, habe also zusammen mit 20 oder 21 Kollegen als unabhängiger, selbständiger Sachverständiger die Aufgabe, das Ei des Kolumbus auf die Spitze zu stellen. Wer das in diesen Jahren mitgemacht hat, dieses Hin- und Herziehen — entschuldigen Sie, jeder ist ja letzten Endes doch wieder ein bißchen interessengebunden —, kommt zu der Meinung: es wird in absehbarer Zeit auch weiterhin nur relativ wenig herauskommen, man wird mit knappen Mehrheiten irgendwelche Beschlüsse fassen, man wird die Minderheitsbeschlüsse anführen müssen, und der Bundesverkehrsminister steht wieder vor der großen Frage: Was soll ich nun eigentlich tun? Denn er muß zweifelsohne erneut die verschiedenen Verkehrsträger und Verkehrsinteressenten anhören, um mit ihnen zu einer Lösung zu kommen, auf die wir nun schon viele, viele Jahre warten. Ich frage mich, ob es nicht doch möglich gewesen wäre, durch freiwillige Vereinbarungen — das ist immer wieder das A und O meiner Ansicht von Verkehrspolitik — ein wenig mehr zum Ausgleich der Verkehrsträger untereinander, insbesondere einem Ausgleich zwischen Schiene und Straße, zu kommen.
Und dann, meine Damen und Herren, besteht ja noch die unangenehme Tatsache, daß bei uns so manche Gesetze in den Ausschüssen sehr schnell das Licht der Welt erblicken, wogegen andere auf Eis gelegt werden. Da haben wir z. B. eine internationale Konvention über die Längen und Gewichte. Sie kennen ja diesen Streitfall. Das liegt nun auch seit Jahr und Tag im Verkehrsausschuß und wird nicht behandelt. Ich weiß nicht, ob das auf höheren Befehl nicht geschieht oder was dort eigentlich los ist. Tatsache ist, daß die europäische Verkehrswirtschaft darauf wartet. Es ist übrigens nicht nur .ein europäisches Gesetz, es ist sogar ein internationales Gesetz. Wir sind, soweit ich unterrichtet bin, von der UNO schon einmal aufgefordert worden, nun endlich zu ratifizieren. Ich hoffe — ich möchte das darum heute ausdrücklich vorbringen —, daß diese Konvention von 1947, die im großen gesehen — ich will im einzelnen nicht mehr darauf eingehen — eine einheitliche Ausrichtung von Maßen und Gewichten, Achsdrücken usw. vorsieht, noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluß kommt.
Daß es mit der Bundesratsverordnung, die eine Einschränkung auf 14 m und 24 t Gesamtgewicht vorsieht, noch nicht ausgestanden ist, das weiß jeder. Wer sich aber zunächst in einer schwierigen Situation befindet, ist die deutsche Automobilindustrie. Ich habe mich kürzlich mit einem hervorragenden Techniker der deutschen Lastwagenbauindustrie unterhalten, der sagte: „Ja, wissen Sie, Herr Rademacher, jetzt auf der Automobilausstellung im Frühjahr 1958 werden wir ein Schild anhängen:" — seien Sie mir nicht böse, Herr Minister — „Wegen Seebohm geschlossen! Wir wissen jedenfalls nicht mehr, was wir machen pollen." Kein Mensch glaubt, daß die Angelegenheit mit dieser Bundesratsverordnung ihre endgültige Erledigung gefunden hat.
Auch zu dem beliebten Thema des Werkverkehrs möchte ich ein Wort sagen. Wir versuchen ja, durch eine sehr starke fiskalische Belastung — 3 Pf, 4 Pf, und schließlich sollen es 5 Pf pro t/km werden — den Werkverkehr außerordentlich zurückzudrängen. Gut, wir haben das mit Mehrheit in diesem Hause gemacht. Aber ich glaube, den Werkverkehr drängen wir nur in dem Maß zurück, in dem es uns gelingt, durch eine richtige Verkehrskonzeption und durch Zusammenarbeit der bestehenden Verkehrsträger der verladenden Wirtschaft und dem Handel zu beweisen, daß es für die Unternehmen günstiger ist, sich der vorhandenen Verkehrsträger, sei es der staatlichen, sei es der privaten, zu bedienen. Aber diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Sie wird auf Grund der Unterlassungssünden der vergangenen 8 Jahre auch in den nächsten Jahren nicht gegeben sein; leider, kann ich nur sagen.
Ich könnte noch einiges über die Binnenschiffahrt und über die Luftfahrt sagen; das möchte ich nicht. Ich möchte noch einmal auf den Aufbau der deutschen Seeschiffahrt eingehen, weil mir in diesem Zusammenhang an einer Sache ganz besonders gelegen ist. Wir haben im Laufe dieses Jahres in der deutschen Handelsschiffahrt eine Bruttoregistertonnage erreicht, die etwa dem Stand
von 1939 entspricht. Hier kann man der Bundesregierung, dem Bundesverkehrsministerium und auch diesem Hause, das immer zügig mitgegangen ist, sowie dem Bundesrat die Anerkennung und den Dank dafür aussprechen, daß es gelungen ist, die deutsche Seeschiffahrt in dieser Form wieder-aufzubauen. Man wird sagen: Nun könnte man eigentlich Schluß machen. Dazu muß man wissen, daß sich der Weltumschlag ungefähr verdoppelt hat und daß infolgedessen die Zahl von 41/2 bis 5 Millionen BRT durchaus berechtigt ist.
Was wir in all den Jahren leider nicht vorangetrieben haben, obgleich hierüber eine ganze Reihe von internen Besprechungen stattgefunden haben, ist ein Wiederaufbau der deutschen Passagierschiffahrt. Um Ihnen nicht zuviel Zeit wegzunehmen, möchte ich Ihnen empfehlen, eine Schrift zu studieren, die Ende 1956 vom Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel herausgebracht worden ist, in der man sich sehr eingehend mit dieser Frage, der Notwendigkeit der Rentabilität usw. befaßt hat.
Es gibt nationale Anliegen im guten Sinne des
Wortes, die, wenn man nun einmal eine seefahrende Nation ist, nicht außer acht gelassen werden dürfen. Dazu gehört zweifelsohne der Wiederaufbau der deutschen Passagierschiffahrt. Wenn Sie ins Ausland kommen, wenn Sie mit unseren Botschaften, mit unseren Generalkonsulaten sprechen, wenn Sie vor allen Dingen mit den Angehörigen unserer deutschen Kolonien im Ausland sprechen, dann wird Ihnen überall gesagt, wie ungeheuer wichtig es wäre, daß auch die deutsche Bundesrepublik und, wie wir hoffen, bald einmal das ganze Deutschland wieder die Passagierflagge auf den
sieben Meeren dieser Welt zeigt. Dabei bietet sich natürlich an — die Dinge können nur sehr langsam geschehen —, zunächst einmal an die Nordatlantikfahrt zu denken. Die Pläne sind fertig; sowohl Hapag als auch Lloyd haben Pläne für je ein Passagierschiff von etwa 30 000 t fertig. Die entsprechenden Verhandlungen mit den Werften haben stattgefunden.
Es handelt sich, wie ich schon im Jahre 1951 und im Jahre 1952 gesagt habe, bei diesem Wiedereinsteigen in die Passagierschiffahrt nicht um „ocean runner" und um den Wettbewerb um das Blaue Band. Es geht einfach darum, mit vernünftigen, rentablen Schiffen wieder dabeizusein. Es kann durchaus bewiesen werden, daß eine solche Passagierschiffahrt trotz der aufkommenden Luftfahrt, wenn die Sache richtig angefaßt wird, rentabel gestaltet werden kann. Die Unternehmer, also die Reedereien, sollen gar nicht aus der Verantwortung einer kaufmännischen Betriebsführung entlassen werden.
Aber wie in allen Ländern bedarf der Aufbau einer Unterstützung durch den Bund und auch einer entsprechenden Unterstützung durch die Länder und dann natürlich auch durch den Kapitalmarkt. Das ist ja wohl der schwierigste Punkt, und es ist — wieder rückbezogen auf unsere Situation im Straßenbau und auch bei der Schiene — ja auch ein allgemeiner Vorwurf, den man in einer solchen grundsätzlichen Debatte nicht unterlassen kann: daß es eben nicht gelungen ist, durch eine entsprechende Kooperation der Wirtschaft, der Finanzen, des Verkehrs usw. einen entsprechenden Kapitalmarkt zu schaffen.
Aber es liegen ganz konkrete Pläne vor — wenn ich damit wieder auf die Passagierschiffahrt zurückkommen darf. Was wir tun müssen — in Übereinstimmung mit dem, was andere seefahrende Nationen gemacht haben —, das ist nichts weiter, als wieder auf unser sehr gutes Wiederaufbau- und Darlehensgesetz zurückzugreifen und dieses Gesetz für die Passagierschiffahrt oder, wie es technisch heißt, für die Fahrgastschiffahrt einzusetzen, nachdem wir es ja im großen und ganzen für die Handelsschiffahrt nicht mehr brauchen.
Nun wollen wir Freien Demokraten nicht den Einzelplan 12 in diesem Punkt über den Haufen werfen. Wir haben uns daher in unserem Antrag Umdruck 1101 — ich nehme an, daß Ihnen die Umdrucke inzwischen zugegangen sind — darauf beschränkt, im außerordentlichen Etat unter Kap. 12 02 um die Einfügung eines neuen Tit. 530 zu ersuchen, der folgendermaßen lautet: „Gewährung von Darlehen für den Bau von Fahrgastschiffen auf deutschen Werften nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen und unter sonstigen Bedingungen". Wir haben dafür in diesem Jahr keinen Betrag eingesetzt. Wir möchten aber im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Einzelplans 12 endlich auch einmal die moralische Anerkennung dieses Anliegens durch die Bundesregierung und vor allen Dingen auch dieses Haus, damit die Welt und vor allen Dingen unsere Küstenländer, unsere Häfen und unsere Reedereien wissen: die deutsche Passagierschiffahrt ist nicht vergessen, und sie kann 1958 durchaus mit einem ersten Betrag ausgestattet werden. Wenn ein derartiger grundsätzlicher Beschluß ohne Nennung eines Betrages erfolgt, dann können Werften, Reeder, Länderregierungen, Bundesregierung usw. wirklich konkret weiterarbeiten, so daß sich die Dinge hoffentlich im Jahre 1958 mit einem erheblichen Betrag realisieren lassen, so daß man die Helgen heute reservieren und im Jahr 1958 mit dem Bau der beiden ersten Schiffe für den Nordatlantik beginnen kann.
Damit bin ich am Ende. Ich muß aber, weil ich doch mit einer etwas positiven Note abgeschlossen labe, noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückkommen und muß Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen: Die unzulängliche Verkehrspolitik in bezug auf Schiene, Straße und Straßenbau und der ausgebliebene Ausgleich zwischen Schiene und Straße sind für uns von so schwerwiegender Natur, daß die Freie Demokratische Partei nicht in der Lage ist, dem Einzelplan 12 ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Schneider (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen unid Herren! Nach den Ausführungen meiner Herren Vorredner kann ich mich verhältnismäßig kurz fassen. Ich muß .allerdings zu Beginn bemerken, daß der Kollege Bleiß es sich mit seiner Kritik sehr leicht gemacht hat. Es ist nicht meine Aufgabe, hier festzustellen, welche Position der Bundesverkehrsminister im Kabinett hat oder nicht hat. Ich nehme an, daß er dazu selbst noch etwas sagen wird. Immerhin zwingt mich diese Bemerkung, festzustellen, daß der Bundesverkehrsminister in erster Linie, ja maßgeblich dafür verantwortlich ist, daß eine Verkehrskonzeption vorliegt, und daß das Geld seit eh und je vom Finanzminister kommen muß. Hier hätten wir allerdings auch einige Aus-
stellungen zu machen; denn es ist ja wohl allseits bekannt, und die Koalition ist — das darf ich vielleicht offen aussprechen — oftmals selbst nicht sehr glücklich darüber, in welch harter Weise wir um die Mittel für die einzelnen Vorhaben kämpfen müssen.
Meine Damen und Herren! Gerechterweise darf auch nicht übersehen werden, daß gerade das Verkehrsressort nach dem Kriege eine recht undankbare Aufgabe war. Wir alle erinnern uns heute oft viel zu schwach daran, daß praktisch alle Verkehrsverbindungen und Verkehrsträger total zerschlagen waren, und wenn die Opposition ehrlich ist, muß ,auch sie zugeben, daß im Rahmen des großen Wiederaufbaues seit 1948, d. h. seit der Währungsreform auf dem Verkehrsgebiet Erhebliches geleistet worden ist.
Die Gerechtigkeit gebietet es also, ausdrücklich festzustellen, daß das Verkehrsressort in seiner Gesamtheit nicht, wie es hier behauptet worden ist, vernachlässigt worden ist und daß diese Behauptung jeder Begründung entbehrt. Ich darf darauf hinweisen, daß beispielsweise der Transportraumbedarf für die deutsche Wirtschaft in jedem Falle voll gedeckt werden konnte, und es steht fest, daß der Transportbedarf der Wirtschaft auch in den nächsten Jahren in jedem Fall, sei es auf der Schiene. auf der Straße oder auf dem Wasserwege, gedeckt werden wird.
Meine Damen und Herren! Ich darf vielleicht noch einmal kurz in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß die Seeschiffahrt damals nach dem Zusammenbruch nur noch über rund 100 000 BRT Frachtraum verfügte, während wir Ende 1956 bereits 31/2 Millionen BRT wiederaufgebaut hatten. Es ist, glaube ich, notwendig, bei dem allgemeinen großen Aufbau, den man heute schon meistens als selbstverständlich hinzunehmen geneigt ist, ab und zu ein paar ganz schlichte Zahlen zu nennen.
Es darf auch nicht übersehen werden, daß in diesem Hause sehr harte Auseinandersetzungen um den Wiederaufbau der deutschen Luftfahrt stattgefunden haben. Wir haben damals den Sprung ins kalte Wasser gewagt, und ich kann auch hier mit Befriedigung feststellen, daß die Voraussagen und Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums sich bewährt haben. Die Deutsche Lufthansa ist auf dem besten Wege, ihre Einnahmen so zu gestalten, daß sie die Ausgaben decken, so daß wir hier im Bundestag, die wir ja im allgemeinen um Bewilligungen angegangen werden, damit rechnen können, daß wir in absehbarer Zeit von ,allzu großen Anforderungen freigestellt sein werden. Damit hat sich gleichzeitig auch die Richtigkeit der damals hier geäußerten Auffassung erwiesen, daß neben einer Atlantikschiffahrt auch der Luftverkehr vollauf seine Berechtigung hat, daß man sich gegenseitig also keine Konkurrenz macht, sondern daß bei dem steigenden Reisevolumen beide Verkehrsträger nach wie vor ihre Berechtigung haben.
Ich darf dann, um auf die angebliche Konzeptionslosigkeit und die mangelnden Leistungen des
Verkehrsministeriums einzugehen, auch einmal
daran erinnern, daß die Binnenschiffahrt im Jahre
1949 über rund 2,7 Millionen Tragfähigkeitstonnen,
1956 dagegen über 4,2 Millionen Tragfähigkeitstonnen verfügte. Der Bestand an Güterwagen der Deutschen Bundesbahn ist zwar 1949 mit 330 000 Stück höher gewesen als 1956, wo wir nur über 281 500 solcher Wagen verfügten. Es darf dabei aber nicht übersehen werden, daß dieses Material zum großen Teil erneuert und außerdem die Ladefähigkeit dieser Transportgefäße erheblich erhöht worden ist.
Ich darf dann weiter kurz ,darauf 'hinweisen, daß der Güterkraftverkehr 1949 über 506 000 Lastkraftwagen und Anhänger verfügte, wohingegen er 1956 über 908 000 solcher Fahrzeuge verfügte. Allein diese Zahlen beweisen schon, daß die Behauptungen, das Verkehrswesen stelle einen Scherbenhaufen dar, völlig abwegig sind.
Was nun die sogenannte mangelnde Koordination der Verkehrsträger betrifft, so ist es zwar richtig, daß zwischen dem Güterfernverkehr und der Bundesbahn einige Jahre lang 'ein Kampf um das sogenannte Kilo stattgefunden hat; dieser ungeregelte Zustand hat sich inzwischen jedoch erheblich verbessert. Gerade im Hinblick auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Bleiß muß ich außerdem sagen, daß sich diese Wirkungen in noch viel größerem Umfang zeigen würden, wenn nicht auf Vorschlag der SPD entgegen der Auffassung der Bundesregierung die Ausgleichsbelastung des Werkfernverkehrs mit 5 Pf Beförderungsteuer um volle drei Jahre hinausgeschoben worden wäre. Daß inzwischen noch keine Verbesserung der Verhältnisse zwischen dem Güternahverkehr und der Schiene stattfinden konnte, ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß, auch wieder unter wesentlicher Mitwirkung der Sozialdemokratischen Partei, die Vorschläge der Bundesregierung und damit des Bundesministers für Verkehr, den Werknahverkehr in die Besteuerung einzubeziehen, leider nicht berücksichtigt worden sind.
Verehrter Herr Schmidt, Sie können ja hier auch gleich eine Rede halten.
Der Bundesminister für Verkehr kann es ferner als einen Erfolg seiner Verkehrspolitik betrachten, daß nach Inkrafttreten des Verkehrsfinanzgesetzes auf seine Initiative und unter seinem Vorsitz die leitenden Herren der drei Verkehrsträger Schiene, Straße und Binnenschiffahrt zusammengetreten sind, wie überhaupt — das muß hier einmal gesagt werden — die Verkehrspolitik im Ministerium ja nicht im stillen Kämmerlein gemacht wird, sondern unter Beteiligung der entsprechenden Wirtschaftszweige, was gleichzeitig garantiert, daß die verladende Wirtschaft selbst stets über den neuesten Stand der Dinge unterrichtet ist und darüber hinaus ihre Wünsche und Sorgen der zuständigen Stelle unverzüglich vortragen kann.
Herr Kollege Bleiß hat dann hier Ausführungen über die Bundesbahn gemacht, denen ich teilweise nachdrücklich widersprechen muß. Ich empfehle dem Kollegen Bleiß, sich einmal mit seinem Fraktionskollegen Jahn zu unterhalten und sich über gewisse Dinge bei der Deutschen Bundesbahn orientieren zu lassen. Er wird dann wahrscheinlich auch zu der Auffassung kommen, daß es so,
wie er es hier geschildert hat, nicht ist; hat doch der sogenannte Bleiß-Ausschuß selbst festgestellt, daß die Finanzlage der Deutschen Bundesbahn durch nicht genügende Entlastung von den Kriegs- und Nachkriegsschäden und durch zusätzliche Belastungen mit betriebsfremden Ausgaben verzerrt worden sei. Für den Haushalt 1957 schlug der Bleiß-Ausschuß eine Erhöhung der Haushaltsansätze um rund 450 Millionen DM vor. Dieser Betrag entspricht in seiner Höhe etwa der hier gerügten Liquiditätshilfe, wenn diese auch zugegebenermaßen aus anderem Anlaß erforderlich ist.
Es steht fest, daß die Bundesbahn in den letzten Jahren doch erhebliche Rationalisierungsanstrengungen unternommen hat und daß das Bahnpersonal heute bereits in einem Maße ausgelastet ist, das gerade noch verantwortet werden kann. Ich glaube, Herr Kollege Dr. Bleiß, wenn Sie mit Ihrem Kollegen Jahn sprechen, dann wird er sagen: Alle Räder stehen still, wenn mein starker Arm es will! Man darf den Bogen auch nicht überspannen. Daß in diesem Zusammenhang die Tarifpolitik eine erhebliche Rolle spielt, wird auch von uns und, ich glaube, von allen anderen Fraktionen in diesem Hause nicht bestritten. Ich stelle aber ausdrücklich fest, daß es für uns keine Frage der Wahl am 15. September ist, ob eine Tarifanhebung bei der Bundesbahn erfolgen soll oder nicht. Man möge uns die entsprechenden Unterlagen geben — die Bundesbahn verfügt inzwischen über eine neue Führung —, und wir werden sicherlich bereit sein, die erforderlichen Maßnahmen gemeinsam zu treffen.
Was den Straßenbau betrifft, so möchte ich folgendes sagen.
Herr Abgeordneter Schneider, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Schmidt ?
Schneider (DP [FVP]): Nein, der Kollege Schmidt hat mich wiederholt in so unfreundlicher Weise unterbrochen, daß ich darauf verzichte, mir von ihm Fragen stellen zu lassen.
Sie brauchen für Ihre Ablehnung keine Begründung zu geben.
Schneider (DP [FVP]): Ich lege aber Wert darauf, sie zu geben, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, wenn jemand, dann hat der Herr Bundesverkehrsminister ein Alibi dafür, daß er sich der mangelnden Aktivität unid des mangelnden Umfangs des Straßenbaus bewußt ist; denn die Vorlage eines sogenannten Zehnjahresplanes stammt aus seinem Hause. Ich kann es natürlich in diesem Zusammenhang nicht unterlassen — das werden Sie mir auch nicht verübeln —, festzustellen, daß meine Fraktion als erste diesen Antrag in. diesem Hause gestellt hat. Niemand bedauert es deswegen mehr als wir — aber wir sind bereit, es zusammen mit Ihnen allen zu bedauern —, daß wir effektiv noch nicht zu einem so umfassenden Plan gekommen sind. Ich muß mit aller Offenheit und Freimütigkeit feststellen, daß das unter anderem nicht nur daran liegt, daß der Herr Finanzminister ein sehr dickes Fell hat, sondern auch daran, daß die Ansichten über die Finanzierung eines solchen Planes in diesem Hause und im Verkehrsausschuß und unter den sogenannten Experten so weit auseinandergehen, daß wir bis heute nicht in der Lage gewesen sind, zu einer einheitlichen und tatkräftigen Handlung zu kommen.
Das ist ein sehr bedauerlicher Umstand, Herr Kollege Dr. Bleiß, das ist eine Tatsache. Sie brauchen nur Ihren Antrag, den Gesetzentwurf der CDU und unseren Antrag anzusehen.
Ich glaube, daß dieser Bundestag, ohne damit ein Wahlversprechen zu machen, schon heute dem kommenden Hause die Empfehlung, die dringende Forderung mit auf den Weg geben muß, daß der nächste Bundestag sich nicht mit dem Flickwerk, wie es bisher gewesen ist, begnügt, sondern daß, wie es in einem Artikel eines Parlamentariers dieses Hauses neulich einmal richtig ausgedrückt wurde, der Straßenbau als eine nationale Aufgabe angesehen wird. Nachdem wir so viele andere Dinge wie Wohnungsbau, Wiederaufbau der Schiffahrt usw. und auch die sozialen Dinge mehr oder minder ins Reine gebracht haben, sollten wir uns vornehmen, als das nächste große Vorhaben den Straßenbau zu forcieren. Ich verzichte darauf, mich darüber auszulassen, was die Finanzierung von Umgehungsstraßen für die Gemeinden und überhaupt die Instandhaltung der Durchgangsstraßen für die Gemeinden bedeutet. Diese Dinge sind zu bekannt. Es wird niemand hier im Hause sein, der nicht der Auffassung wäre, daß den Gemeinden geholfen werden muß. Wir müßten auch einmal überlegen. ob wir .in Zukunft tatenlos zusehen können, daß die Länder zwar die Kraftfahrzeugsteuer einstreichen, sie aber nicht 'ausschließlich für den Straßenbau ausgeben.
Der Kampf mit dem künftigen Finanzminister um die Finanzierung des Straßenbaus darf nicht wieder in dieser hektischen Weise vor sich gehen, wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Der Finanzminister, gleichviel wie er in Zukunft heißt, muß sich darüber im klaren sein, daß das kommende Parlament ihn hier nicht aus seinen Fängen lassen wind, weil der Straßenbau vorangetrieben werden muß.
Was die Wasserwege betrifft, so muß man der Binnenschiffahrt das Kompliment machen, daß sie sich in all dem Interessenten- und Interessengeschrei der vergangenen Jahre verhältnismäßig zurückgehalten hat. Es war ein sehr angenehmes Arbeiten speziell mit den Vertretern dieser Wasserwege. Dabei möchte ich keineswegs die Anliegen der anderen Verkehrsträger, die teilweise berechtigt sind und auf ihre Regelung warten, verkleinern.
Dankbar möchte ich als Vertreter einer Hansestadt anerkennen, daß der Bund seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Freihaltung 'der Wasserstraßen zu den Hansestädten nachgekommen ist. Ich möchte die Erwartung aussprechen, daß das in Zukunft so bleibt, ganz abgesehen davon, daß auch die Unterstützung, die bisher für den Aufbau der Seeschiffahrt gewährt wurde, ein so beachtliches Ausmaß hat, das es auch diem Böswilligsten in die-
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sem Hause schwermachen dürfte, hier die Elle der Kritik anzulegen.
Ich möchte jedoch ausdrücklich die Ausführungen des Kollegen Rademacher von der FDP, meines Vorredners, unterstreichen, daß es nämlich nun auch an der Zeit ist, an einen deutschen Passagierschiffbau zu denken. Gewiß, dieses Haus wird sich damit nicht mehr beschäftigen können. Ich bin mir auch im klaren darüber, daß es vielleicht sehr schwierig ist, bei einer solchen Überzahl von binnenländischen Abgeordneten nun unbedingt von vornherein Verständnis für die Belange der Küsten- und Seeschiffahrt zu finden. Aber gerade deswegen müssen wir unsere Stimme erheben.
Allerdings bin ich zwar mit dem Kollegen Rademacher in der Sache — daß wir die Passagierschifffahrt wieder haben müssen —absolut einig, und ich bin auch mit ihm einig, daß dies nicht allein eine Prestigeangelegenheit ist. Ich möchte aber von dieser Stelle aus Äußerungen des bremischen Wirtschaftssenators, die er kürzlich nach seiner Rückkehr von Amerika in der Öffentlichkeit abgegeben hat, wonach das einzige zur Zeit verfügbare deutsche Passagierschiff, die „Berlin" des Norddeutschen Lloyd, praktisch ein so alter Kasten sei, daß wir damit im Ausland keine Ehre einlegen könnten, ausdrücklich und nachdrücklichst zurückweisen. Ebenso weise ich die Ausführungen zurück, daß der Herr Bundesverkehrsminister nun endlich einmal das Geld hergeben solle, das er für diese Dinge bereitstellen müsse.
Ich stelle dazu fest: der Herr Bundesverkehrsminister hat kein Geld für die Passagierschiffahrt in diesem Sinn bereitzustellen. Wir haben das Wiederaufbaugesetz für die deutsche Seeschiffahrt, und im Verkehrsministerium, wo ich mich orientiert habe, ist mir gesagt worden, daß dieses Gesetz auch ohne weiteres Anwendung für den Aufbau einer deutschen Passagierschiffahrt finden kann. Es ist aber — das muß ich hier ausdrücklich sagen — nicht Schuld der Bundesregierung oder des Bundestages, daß bis heute kein förderungswürdiges Projekt vorliegt, sondern es ist ausschließlich Angelegenheit der beteiligten Reedereien — in diesem Falle kommen also nur Hapag und Lloyd in Frage —, uns ein Projekt vorzulegen, das förderungswürdig ist und für das die notwendigen Rentabilitätsberechnungen aufgestellt worden sind. Wenn dieses Projekt vorgelegt würde, würde, davon bin ich überzeugt, selbst dieses Haus, bevor es nach Hause geht, bereit sein, einen solchen Schritt zu tun. Ich stelle aber fest, daß diese Projekte zwar seit Jahren in den Gremien der beiden Gesellschaften besprochen werden, daß aber bisher kein offizieller Vorschlag erfolgt ist.
Herr Abgeordneter Schneider, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Rademacher?
Schneider (DP [FVP] : Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege Schneider, ist Ihnen bekannt, daß der Herr Bundesfinanzminister vor etwa drei, vier oder fünf Monaten ausdrücklich erklärt hat, für den Aufbau der deutschen Pasagierschiffahrt stehe kein Geld zur Verfügung?
Schneider (DP [FVP]): Herr Kollege Rademacher, das ist mir nicht bekannt, ist mir aber sehr interessant. Auch ich bin überzeugt, daß der Herr Bundesfinanzminister eher Geld für die Dampfschiffahrt auf dem Tegernsee zur Verfügung stellen würde,
aber ich glaube, daß man den Herrn Finanzminister doch dazu bekommen könnte, zumindest mit sich reden zu lassen, wenn ein entsprechendes Projekt vorgelegt würde.
— Verzeihung, ich kann leider auf verschiedene Fragen nicht antworten, vor allen Dingen nicht auf die von Herrn Schmidt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte zum Schluß kommen. Ich werde Sie auch nicht länger belästigen. Ich möchte nur feststellen, daß auch nicht in dem Punkte, den ich zuletzt besprochen habe, die Dinge so liegen, daß etwa die Regierung oder das Parlament schuld ist. Ich will auch nicht sagen, daß die Reedereien schuld seien. Aber man komme bitte unter Beachtung unserer wirtschaftspolitischen Konzeption mit einem Projekt, das wir mit gutem Gewissen unterstützen können. Dazu gehört, daß die Rentabilitätsberechnungen vorgelegt werden. Ich glaube, verehrter Herr Kollege Müller-Hermann, Sie sind mit mir dieser Auffassung. Wir werden es dann alle zusammen schon schaffen, daß ein solches Projekt auch finanziert wird.
— Schuld sind die Redereien über die Reedereien, ja. Vielleicht sind auch diese Redereien, die wir hier machen, schuld. Vielleicht sollten wir das Geld einfach zur Verfügung stellen.
Dem Vorschlag des Herrn Kollegen Rademacher können wir allerdings nicht folgen. Wir können natürlich nicht von vornherein einen Staatszuschuß geben und darauf vertrauen, daß die Reedereien schon das Richtige und das Gute tun werden, sondern wir müssen erst einmal sehen, wie die Sache sich anläßt. Der unternehmerischen Initiative sind hier keine Grenzen gesetzt. Wir werden dann helfen, soweit es notwendig ist.
Obwohl wir, insgesamt gesehen, in der Vergangenheit sehr viel auf dem Verkehrssektor geleistet haben, sind hier und dort Wünsche offengeblieben, ein Zustand, den jeder Bundestag auch in den nächsten zehn und zwanzig Jahren bei jeder Haushaltsberatung wieder feststellen wird. Wir sollten uns in den großen Fragen wie beispielsweise der Frage des Straßenbaues nicht aus parteipolitischen Gründen auseinanderreden. Wir sollten daran denken, daß in der Vergangenheit über alle diese Dinge oftmals zuviel geredet worden ist bzw. daß sie zerredet worden sind, wobei in vielen Fällen auch persönliches Ressentiment zwischen einzelnen Persönlichkeiten mitgesprochen hat. Das will ich auch hier ganz offen, wenn auch ohne Namensnennung, aussprechen.
Herr Abgeordneter Schneider, gestatten Sie eine neue Zwischenfrage des Abgeordneten Rademacher?
Schneider (DP [FVP]): Bitte!
Nochmals zur Passagierschiffahrt, Herr Kollege Schneider! Darf ich fragen, ob es Ihnen vielleicht entgangen ist, daß ich ausdrücklich davon gesprochen habe, daß das bekannte Wiederaufbaudarlehensgesetz — Darlehensgesetz! — für den ersten Start in Anspruch genommen werden soll? Das bedeutet — und ich darf Sie fragen, ob Sie sich daran noch aus der Arbeit an diesem Gesetz erinnern —, daß 40 % den Passagierreedereien über das WAD zur Verfügung gestellt werden. Ich darf nochmals fragen, ob Ihnen diese beiden Punkte entgangen sind, weil Sie anders argumentiert haben.
Schneider (DP [FVP]): Ich habe überhaupt kein Manuskript, Herr Kollege Schmidt. Ich heiße nämlich Schneider und nicht Schmidt, ich spreche frei.
Herr Kollege Rademacher, dann habe ich Sie offenbar falsch verstanden. Aber ich nehme an, daß Sie dann mit mir konform gehen, wenn ich sage, daß wir erst einmal die unternehmerische Initiative haben wollen und dann entsprechend bereit sind, eine Unterstützung zu gewähren.
Meine Damen und Herren, ich schließe mit der Feststellung. daß die Fraktion der Deutschen Par' tel dem vorliegenden Haushaltsplan ihre Zustimmung geben wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zu der Generaldebatte machen, damit keine Unklarheiten darüber auftauchen, wie meine Freunde zu einigen Punkten denken. Lassen Sie mich zunächst generell einmal den ersten Punkt aufgreifen, der die Passagierschiffahrt zum Gegenstand hat, den Punkt, mit dem mein verehrter Herr Vorredner geendet hat. Herr Kollege Rademacher, wenn ich Ihnen zu Ihren Darlegungen eines vorweg sagen kann, so ist es dieses: es ist in unseren Augen keine ausgesprochen gute Begründung für Ihr Vorbringen auf Umdruck 1101*), daß Sie zwar den Antrag stellen, einen Leertitel dafür einzustellen, aber am Schluß dramatisch erklären, Sie würden den ganzen Haushalt als solchen ablehnen.
Wir haben wenig Sympathie für eine solche Handlungsweise, und wir glauben, daß es einem Antrag nicht gerade zuträglich ist, wenn man von uns verlangt, wir sollten ihm zustimmen, und am Schluß selbst erklärt, man werde den Haushalt insgesamt ablehnen.
Meine Damen und Herren, wir können zwei Dinge nicht ganz voneinander trennen, das sind die
*) Siehe Anlage 6 Luftfahrt und die Fahrgastschiffahrt. Als das Hohe Haus seinerzeit den Beschluß faßte, die Mittel für den Aufbau einer Deutschen Lufthansa zu bewilligen, nahm es einstimmig auch einen Antrag von mir an, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, dafür zu sargen — und alle Anstrengungen zu unternehmen —, ,daß eine gemeinsame europäische Luftfahrtgesellschaft auf die Beine gebracht werde. Das Hohe Haus war damals einmütig meiner Auffassung, daß die kleinen nationalen Gesellschaften sich im Zeichen der europäischen Luftfahrt zusammenschließen sollten, weil Europa zu klein geworden ist, um noch viele Kleinstaatluftfahrtgesellschaften nebeneinander aufrechterhalten zu können.
Als die Lufthansa gegründet wurde, waren wir uns alle darüber dm klaren, daß sie auf lange Jahre hinaus fortlaufend sehr viel Geld kosten werde. Herr Kollege Schneider, Sie haben die Erwartung ausgesprochen, daß uns in Kürze ein ausgeglichener Haushalt der Lufthansa vorliegen werde. Sie wissen, wir haben, als die Parlamentarier mit der Lufthansa zusammen waren, eine Wette abgeschlossen. Es ist mir nicht bestritten worden, daß ich diese Wette, daß die roten Ziffern der Lufthansa nicht schon in den nächsten Jahren verschwinden würden, gewinnen werde; denn es ist angesichts des Zwangs zu gewaltigen Investitionen ausgeschlossen, daß die Lufthansa in den nächsten zwei, drei oder vier Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann, und zwar trotz der auch von mir anerkannten großen Fortschritte, die die Lufthansa in der Zwischenzeit erzielt hat. Die Entwicklung, vor der wir stehen, ist so gewaltig und erfordert so enorme Summen Geldes, daß wir nicht darauf hoffen können, die Lufthansa werde zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen und Zuschüsse seitens dieses Hohen Hauses nicht mehr benötigen.
Ich darf aber nun auf den Ausgangspunkt zurückkommen. Wenn wir schon einmal ja zu dem Aufbau einer nationalen Luftfahrtgesellschaft gesagt haben, müssen wir auch in Zukunft die Kosten des Aufbaus dieser Gesellschaft tragen. Das bedeutet, daß wir für die Durchführung des großen Investitionsprogramms in den nächsten Jahren fortlaufend erhebliche Summen im Haushalt bereitstellen müssen. Das beinhaltet weiter, daß wir neben den Maschinen, die wir jetzt für den mittleren Streckendienst brauchen, die vier großen Maschinen ankaufen werden, von denen jede, soviel ich weiß, 24 Millionen DM kostet und die im Zeichen des neuen Düsenflugverkehrs den Transatlantikverkehr und den Südamerikaverkehr bewältigen sollen. Also hier stehen gewaltige, unvermeidliche Investitionen vor uns, wenn wir die Lufthansa betriebs- und konkurrenzfähig erhalten wollen.
In diesem Augenblick, in dem diese unvermeidlichen Ausgaben vor uns stehen, kommt dieser zweite Schiffahrtsantrag. Wenn auch noch keine Summe drinsteht, so wird doch verlangt, der Bund solle gleichzeitig Zuschüsse oder Garantien oder Darlehen — je nachdem — für den Bau von zunächst zwei Fahrgastschiffen größeren Ausmaßes geben. Ich möchte bemerken, daß, soweit ich das zu übersehen in der Lage bin, das keineswegs ein Anliegen der gesamten Schiffahrt ist. Ich habe mit einer ganzen Reihe von Reedern großer Linien gesprochen, die mir ihre Gleichgültigkeit gegenüber
diesem Vorhaben bekundet haben. Es ist also Angelegenheit von nur einigen Linien. Ich möchte das ausdrücklich klarstellen.
Mit ,dem Antrag soll sozusagen die Tür aufgestoßen werden. Seine Annahme würde bedeuten, daß wir, wenn jetzt auch noch kein Ansatz in einer Geldsumme dafür erfolgt, doch im Prinzip der Gewährung derartiger Mittel im nächsten Haushalt zustimmen würden. Ich muß ,ausdrücklich feststellen, daß wir das nicht tun können. Wir sollten vielmehr zunächst darauf hinsteuern, daß ,das eine Verkehrsinstrument, de Lufthansa, entsprechend ausgebaut und konkurrenzfähig erhalten wird. Wenn übrigens die Kalkulationsunterlagen für den Bau derartiger Fahrgastschiffe so sicher aussehen, wie hier vorgetragen worden ist, vermag ich nicht zu begreifen, warum dann die notwendigen Mittel nicht auch von Banken, Versicherungsanstalten etc. beschafft werden können. Das Land Hamburg ist, glaube ich, finanzkräftig genug, um eine entsprechende Ausfallgarantie dahinterzustellen, und meines Wissens hat es eine solche mit 30 Mononen DM schon übernommen. Man sollte also den Bundeshaushalt mit neuen Belastungendieser Art verschonen.
Ich möchte ausdrücklich sagen: Wir können nicht ,alle Dinge zu gleicher Zeit tun. Wenn wir die Lufthansa saniert und den Schiffsfrachtverkehr noch weiter ausgedehnt haben — auch das halte ich für notwendig —, könnten wir ja darüber sprechen. Aber in diesem Zeitpunkt ist der Antrag verfrüht; wir können nicht bindende Verpflichtungen für das nächste Haushaltsjahr auf uns nehmen, auch nicht durch die Einrichtung eines Leertitels.
Lassen Sie mich noch ein Weiteres zum Straßenbau sagen! Ich möchte mit allem Nachdruck einer Legendenbildung entgegentreten, nämlich der Legendenbildung, wenn wir im nächsten Haushaltsjahr statt 1,2 Milliarden etwa 1,5 Milliarden für den Straßenbau ausgäben und das noch zwei, drei Jahre weiter fortsetzten, sei mit Sicherheit zu erwarten, daß die Unfallkurve in Deutschland erheblich sinke. Eine solche Annahme kann nicht vertreten werden. Nach den bisherigen Erfahrungen deutet vieles sogar auf eine gegenteilige Entwicklung hin. Wir haben die Erfahrung gemacht — ich glaube, der Herr Bundesverkehrsminister selbst hat einmal ein solches 'Beispiel zitiert —, daß auf Strecken, die durch Verbreiterungen und Begradigungen zum Schnellfahren geeigneter gemacht worden sind, ,die Unfallziffer nicht kleiner, sondern größer geworden ist. Eines konnte nämlich nicht ausgeschaltet werden: der scheinbar unbezwingbare Drang sehr vieler, besonders junger Motorradfahrer, jede nur einigermaßen gerade Strecke in Deutschland als Rennstrecke zu betrachten. Wir haben die unbestrittene Tatsache vor uns, daß über 70 % der Unfälle in den Ortschaften geschehen. Gut, wir können Umgehungsstraßen bauen, man kann einen Teil des Durchgangsverkehrs ableiten; damit kann man eine Erleichterung schaffen. Aber wir können doch nicht den Riesenverkehr, der sich innerhalb der deutschen Großstädte abwickelt, durch Autobahnen oder durch neue Umgehungsstraßen in einem wirklich maßgebenden Ausmaß erleichtern.
Lassen Sie mich dazu ein Beispiel sagen! Das County von London hat, glaube ich, wenn ich mich nicht täusche, eine Gesamtbevölkerungszahl von rund 12 Millionen, d. h. wenn man alle Vororte mit hineinrechnet. England hat .aber, obwohl es keine Autobahnen besitzt und obwohl sich der Verkehr in den Großstädten noch unendlich viel stärker zusammenballt als bei uns in Deutschland, eine wesentlich geringere Totenziffer, als wir sie in Deutschland beklagen. Daraus kann man also doch folgern, daß die mangelnde Verkehrsdisziplin und die schlechte Verkehrsmoral heute die Hauptursachen für die beklagenswert hohen Unfallziffern darstellen, und man sollte nicht einseitig folgern — unddaraus Vorwürfe herleiten —: weil man nicht sofort soundso viele hundert Millionen mehr für Straßenbauten in den Haushalt einstellt, ist man sozusagen schuld ,an den Verkehrstoten. Das ist eine Hypothese, die nicht zu beweisen ist.
Wir sind der Überzeugung, daß durch die sinnvolle Steigerung der Straßenbauausgaben in den letzten Jahren — Herr Kollege Müller-Hermann hat das im einzelnen ausgeführt — ,das Vernünftige auf diesem Gebiete getan worden ist. Wenn Wir in diesem Jahr damit rechnen können, daß sich wiederum die Ausgaben erhöhen, und zwar von rund 800 Millionen auf 1,1 oder 1,2 Milliarden, dann ist die Gewähr für einen Aufbau geleistet, der auch mit ,der Leistungsfähigkeit der Straßenämter in den Ländern in innerem Zusammenhang steht.
Herr Abgeordneter Dr. Vogel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ?
Sie sagten soeben, Herr Dr. Vogel, daß mit den Haushaltsansätzen für den Straßenbau in den letzten Jahren das „Vernünftige" getan worden s ei. Wollen Sie damit sagen. daß der über diese Haushaltsansätze hinausgehende Gesetzentwurf der CDU/CSU in bezug auf eine weitere Erhöhung dieser Ansätze über das Maß des Vernüftigen hinausgegangen sei und deshalb von Ihnen nicht mehr verübschiedet werden soll? Oder haben Sie die Absicht, mit diesem Fraktionsantrag tatsächlich über das Maß des Vernünftigen hinauszugehen, vor Schluß dieser Legislaturperiode?
Über die Vernunft läßt sich bekanntlich sehr lange streiten.
— Ganz richtig! — Aber mir zu unterstellen, daß ich ein solches Maß an Unvernunft habe, geht doch über das hinaus, was ich normalerweise hinzunehmen bereit bin.
Lassen Sie mich aber dazu sagen: wenn ich von vernünftigen Ziffern sprach, so meine ich damit verkraftbare Ziffern, verkraftbar nicht nur bei uns, sondern auch bei den Ländern. Und, Herr Kollege Schmidt, Sie können doch nicht bestreiten — und wir sollten diese Angelegenheit aus dem Parteienstreit herauslassen, weil es eine Aufgabe ist, die wir ruhig und sachlich lösen sollten —, daß schon in diesem Haushaltsjahr ein Rest von 90 Millionen DM da war.
Dazu möchte ich gleich etwas sagen! Wir haben im Haushaltsausschuß das in unseren Kräften Stehende getan. Ich erkenne dankbar an, daß wir das gemeinschaftlich, ohne jeden Streit getan haben. Wir versicherten von seiten beider großer Parteien daß wir zumindest nicht unter die jetzt dastehenden
Summen heruntergehen werden. Wir geben also der Regierung und den Ländern die Sicherheit: Ihr könnt zumindest in den nächsten Jahren auf diesen Summen aufbauen, wir werden sogar darüber hinaus mehr tun. Natürlich können die bedden Parteien keine haushaltsrechtlich bindenden Zusicherungen geben. Diese Zusicherung war das Äußerste, was zwei große Parteien erklären können.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmidt .
In Bewunderung für Ihre Sachkenntnis und Eloquenz, Herr Kollege, möchte ich die Frage dahin zuspitzen, ob Sie die Absicht haben, den von der CDU/CSU als Fraktion eingebrachten Antrag für die Straßenbaufinanzierung, der sich auf drei Jahre erstreckt, so wie er eingebracht wurde, hier noch zu verabschieden.
Ja, soweit es in unseren Kräften steht, bin ich für meine Person und für meine Fraktion bereit, das mitzumachen.
Herr Abgeordneter Dr. Vogel, gestatten Sie nun eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rademacher?
Bitte, wenn wir schon dabei sind.
Wenn Ihr Argument richtig ist, daß ein erhöhter Straßenbau nicht unbedingt zur Erhöhung der Sicherheit beiträgt, wie stehen Sie dann zu der Zweckmäßigkeit eines Zehnjahresplans überhaupt?
Herr Kollege Rademacher, ich bitte, hier nicht zwei Dinge durcheinanderzuwerfen. Ich habe mich nur gegen eine Legendenbildung gewandt. Ich verkenne keinesfalls, daß ein erhöhter Straßenbau in Deutschland eine absolute Notwendigkeit ist, vor allem aber deshalb, weil in Deutschland eine um 10 % jährlich wachsende Zahl von Fahrzeugen auf diesen Straßen läuft. Als Folge hiervon und als Folge überhaupt der allgemeinen Steigerung der Verkehrsdichte ist ein gesteigerter Straßenbau unerläßlich. Ich wende mich nur dagegen, aus der Tatsache, daß gewissen Anträgen nicht gefolgt wird, eine Schuldfrage zu konstruieren. Das ist falsch.
Eine Zusatzfrage?
Ich habe eine Zusatzfrage. Natürlich gibt es auch eine Schuldfrage, die sich auf die Vergangenheit bezieht, Herr Dr. Vogel. Sind Sie nicht der gleichen Meinung?
Ich glaube, daß die Bundesregierung auch in den vergangenen Jahren durch die Steigerung der Verkehrsausgaben von 400 Millionen auf 800 Millionen DM und jetzt auf 1,2 Milliarden DM das Menschenmögliche getan hat. Sie können natürlich sagen, Herr Kollege Rademacher, die Bundesregierung sei schuld daran, daß in Deutschland nicht alles zu gleicher Zeit passiert.
Nach meiner Überzeugung stellt es einfach eine Überforderung dar, wenn verlangt wird, daß jährlich 560 000 Wohnungen gebaut werden, daß gleichzeitig 1,5 Milliarden DM Jahre hindurch für den Straßenbau ausgegeben werden, daß die Schiffahrt auf 4 Millionen t gebracht wird, daß die Kanäle repariert werden, daß die Lufthansa aufgebaut wird und wer weiß was sonst noch getan wird.
Herr Abgeordneter Dr. Vogel, nachdem Sie eine Zwischenfrage von links und eine von halbrechts beantwortet haben, werden Sie sicherlich auch noch eine Zwischenfrage von ganz rechts beantworten.
Schneider (DP [FVP]): Das nennt man gemeinhin rechtsaußen, Herr Präsident.
Herr Kollege Dr. Vogel, Sie haben erklärt, die beiden großen Parteien seien sich wiederholt, zwei- oder dreimal, darüber schlüssig 'geworden, daß das jetzige Straßenbauvolumen in dem Haushalt auch die Mindestforderung für die Zukunft sein müsse. Ist Ihnen vielleicht in der Hitze des Gefechts, in der Hitze der Haushaltsberatungen und der sonstigen Beratungen entgangen, daß auch die Fraktion des Bundesverkehrsministers selbst, die Fraktion der DP(FVP), diese Mindestforderung unterstützt und daß sie darüber hinaus sogar einen Plan vorgesehen hat, der längerfristig ist als der von Ihnen und Ihren Freunden vorgesehene Plan?
Herr Kollege Schneider, ich gestehe aufrichtig, daß ich in der Hitze des Gefechts diesen Umstand übersehen habe. Ich bitte um freundliche Nachsicht. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit folgendes sagen. Es scheint mir in der Geschichte des Parlaments ein einzig dastehender Vorgang zu sein, wenn wir uns im Haushaltsausschuß in einer solchen Frage, wie auch ich anerkenne, von nationaler Bedeutung verständigt und uns über ein Haushaltsjahr hinaus gegenseitig zugesichert haben, auch in den nächsten Haushaltsjahren das Menschenmögliche zu tun. Mehr können Fraktionen im Augenblick, glaube ich, nicht tun. Ich halte diesen Vorgang für beispielhaft. Vielleicht können wir uns in einer gleichen Form auch auf anderen Gebieten verständigen, die man ebenfalls ruhig aus jeder parteipolitischen Auseinandersetzung herauslassen sollte.
Nu:n noch einige Bemerkungen zu dem Plan selbst. Ich finde es sehr dankenswert, daß der Berichterstatter Kollege Ritzel Ihnen diesmal in seinem Schriftlichen Bericht zu Drucksache 3461*) die Gegenüberstellung der einzelnen Sparten des Verkehrs gegeben hat. Hieraus können Sie am deutlichsten entnehmen, wie hoch die Steigerungen vom Haushalt 1956 zum Haushalt 1957 tatsächlich ausgefallen sind.
Sie sehen z. B. - um auf die Lufthansa zurückzukommen — daß wir von 32,7 Millionen DM auf 55,3 Millionen DM in diesem Haushaltsjahr heraufgehen und daß, auch einmal ganz abgesehen von der Bundesbahn, erhebliche Ausweitungen da sind. Es kann also nicht davon gesprochen werden, diese Regierungskoalition oder diese Regierung habe nicht
*) Siehe Anlage 3
im Rahmen des ihr Möglichen das Sinnvollste und Vernünftigste für den Verkehr in Deutschland getan.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir treten zweckmäßigerweise jetzt in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Wir sind in der allgemeinen Aussprache zu Einzelplan 12 verbunden mit Einzelplan 32. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Bemerkungen der Herren Kollegen Rademacher und Schneider veranlassen mich, hier etwas Grundsätzliches zu sagen. Beide Herren sprachen davon, daß das Aufkommen aus der Kraftfahrzeugsteuer, der Mineralölsteuer und den Zöllen auf Mineralöle grundsätzlich, da es im wesentlichen von der Kraftverkehrswirtschaft aufgebracht werde, für Zwecke des Straßenbaus zu verwenden sei. Ich kann diese Ansicht nicht teilen, und zwar aus folgenden Gründen nicht.
Zunächst einmal handelt es sich sowohl bei den Zöllen auf Mineralöle als auch bei der Mineralölsteuer um sogenannte Verbrauchsabgaben, die dem Endverbraucher, demjenigen nämlich, der die Verkehrsleistung der Kraftverkehrswirtschaft in Anspruch nimmt, angelastet werden. Der Unternehmer, der die Fahrzeuge betreibt, ist lediglich Steuerzahler. Steuerträger ist aber derjenige, der die Verkehrsleistung in Anspruch nimmt, und das sind wir alle weithin in unserem Volke. Wenn man sich das Aufkommen aus der Mineralölsteuer einmal genauer ansieht, dann wird man feststellen, daß etwa 20 % derjenigen, die Kraftfahrzeuge benutzen, die Mineralölsteuer im Benzinpreis aus versteuerten Einnahmen bezahlen. Alle übrigen setzen diese Steuern über Betriebsausgaben steuerlich ab.
Wenn wir der Meinung sein sollten, daß die in unserem Land von irgendeinem Industriezweig aufgebrachte Steuer, z. B. die von den Bierbrauern bezahlte Biersteuer, für die Zwecke dieses Industriezweiges verwendet werden sollte, dann kämen wir zu einer Atomisierung im Bundeshaushalt und wären überhaupt nicht mehr in der Lage, große finanzpolitische Entscheidungen zu treffen, weil wir jedem Grüppchen die von ihm aufgebrachte Steuer zur Verfügung stellen müßten.
Das muß man einmal ganz deutlich aussprechen. Ich lasse durchaus mit mir darüber reden, ob man aus dem Kraftfahrzeugsteuer-,Mineralölsteuer- und Zollaufkommen bestimmte Beträge zweckbinden sollte, obwohl auch das finanzpolitisch und haushaltswirtschaftlich zu untragbaren Konsequenzen führen kann. Aber ich kann mich keinesfalls auf den Standpunkt stellen, daß der Teil der Wirtschaft, der diese Steuern zahlt, den Anspruch erheben kann, er sei Steuerträger und daher dürfe das Aufkommen aus diesen Steuern nur für ihn oder
von ihm gewünschte Zwecke verwendet werden. Wenn wir dahin kämen, könnten wir jede Etatpolitik in diesem Hause aufgeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Walter.
Walter : Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen vornehmlich mit dem beschäftigen, was Herr Rademacher hier von diesem Pult aus zum besten gab. Herr Kollege Rademacher behauptete, daß unsere Seeschiffahrtstonnage bereits 4,5 Millionen t betrage, also ebenso groß sei wie 1939. Lieber Herr Kollege Rademacher, wir sollten mit diesen Behauptungen ein wenig vorsichtig sein. Unsere Hochseetonnage beträgt nach dem Stand vom 1. April dieses Jahres genau 3,206 Millionen t. Wenn wir von dieser Tribüne aus behaupten oder erklären, wir hätten schon wieder eine Tonnage von 4,5 Millionen t, dann befürchte ich, daß unser Herr Finanzminister imstande ist zu sagen: Da habe ich ja schon viel zuviel Geld für den Aufbau der Schiffahrt hergegeben; gebt mir mal wieder etwas zurück! Diese Gefahr wollen wir doch nicht laufen.
Das, was Sie zum Aufbau der Passagierschiffstonnage sagten, Kollege Rademacher, unterstütze ich voll und ganz. Wir sollten endlich wieder dahin kommen, daß wir die Passagierschiffahrt auf den Ozeanen — unsere Passagierschiffe waren bekannt und geachtet — ausüben. Der Bau von Passagierschiffen ist nicht nur für die Werften und die Hafenstädte von Bedeutung. Vielmehr fließen für die Innenausrüstung unserer Passagierschiffe einige zehn Millionen DM in das Binnenland und besonders den Süden unseres Vaterlandes, so daß die Industrien im Süden, in Württemberg und auch in Bayern, beachtlich davon profitieren würden, wenn wir die Passagierschiffahrt bald wieder bekämen.
Ich darf zu der Gesamttonnage noch etwas sagen. Gemessen an unserem Verkehr und an dem Umschlag in unseren Häfen haben wir noch längst nicht genug Seeschiffahrtstonnage. Ich möchte Ihnen nur ein paar Zahlen nennen. Wir haben jetzt, wie ich schon sagte, eine Tonnage von 3,206 Millionen t. Die Welttonnage beträgt zur Zeit 105,2 Millionen t. Im Jahre 1914 hatten wir eine Tonnage von 5,4 Millionen t, während die Welttonnage damals nur etwas über 60 Millionen t betrug. An diesem Verhältnis können Sie schon sehen, wie weit wir noch davon entfernt sind, unsern Export und Import zu einem beachtlichen Teil mit unserer eigenen Seeschiffahrtstonnage zu bewältigen.
Im Zusammenhang mit den Passagierschiffen, lieber Herr Kollege Rademacher, möchte ich noch eines erwähnen. Wir werden vielleicht imstande sein, die Passagierschiffe zu bauen. Aber wir dürfen nicht vergessen — und das möchte ich hier in allem Ernst betonen —, daß wir für unsere Passagierschiffe auch die nötige Besatzung haben müssen. Denn mit dem Klabautermann allein auf der Brücke können unsere Passagierdampfer nicht fahren. Wir brauchen den Kapitän, und wir brauchen Mittschiffspersonal, aber wir haben heute schon fast 3000 Mann zuwenig. Es ist die Aufgabe unserer Küstenländer, endlich dafür zu sorgen, daß unsere nautischen Schulen ausgebaut werden, da-
mit wir dieses Manko an Mittschiffspersonal beseitigen können.
Nun ein paar Worte zu dem, was Sie zum Schluß sagten, Kollege Rademacher. Sie lehnen den Etat des Verkehrsministeriums ab. Warum lehnen Sie ihn denn ab? Wollen Sie damit den Verkehrsminister treffen, damit er kein Gehalt mehr bekommt? Ich bin der Meinung — und ich glaube mich nicht zu irren —, daß der Herr Verkehrsminister in den vergangenen Jahren immerhin Beachtliches geleistet hat. Ich weiß nicht, ob Sie das gleiche geleistet hätten, Herr Rademacher, wenn Sie Verkehrsminister gewesen wären.
Aber darüber hinaus bedenken Sie doch einmal, welche Konsequenzen die Ablehnung des Etats hätte! Soll denn der Straßenbau und soll alles andere liegenbleiben? Das wäre doch die Folge, wenn Sie und Ihre Freunde imstande wären, die Nichtbewilligung des Etats zu bewirken. Wollen Sie die Verantwortung dafür übernehmen, daß durch eine Ablehnung des Etats das gesamte Verkehrsministerium lahmgelegt wird? Das wollen Sie doch wohl nicht, Herr Rademacher. Ich möchte Ihnen empfehlen, in Zukunft mit Ihren Vorschlägen und Ihren Behauptungen etwas vorsichtiger zu sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Einverständnis aller Fraktionen und gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat unterbreche ich jetzt die Diskussion für die Beratung des Punktes 1 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über allgemeine Höchstgeschwindigkeiten für Kraftfahrzeuge (Drucksache 3434).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Herrn Senator Dr. Klein.
Dr. Klein, Senator für Bundesangelegenheiten des Landes Berlin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über allgemeine Höchstgeschwindigkeiten für Kraftfahrzeuge hat dem Vermittlungsausschuß vorgelegen. Bevor ich auf den Vorschlag des Vermittlungsausschusses zu diesem Gesetz zu sprechen komme, gestatten Sie mir bitte, in wenigen Worten an die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu erinnern.
Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Gesetzes zur Sicherung des ,Straßenverkehrs ist vom Deutschen Bundestag am 15. März dieses Jahres abgelehnt worden. Wesentlichster Teil des Gesetzentwurfs war die Erweiterung der dem Bundesverkehrsminister nach § 6 des Straßenverkehrsgesetzes zustehenden Ermächtigung, wonach der Verkehrsminister in Zukunft in der Lage sein sollte, durch Rechtsverordnung auch die Höchstgeschwindigkeit für Personenkraftfahrzeuge festzusetzen. An Stelle dieses Regierungsentwurfs ist im Bundestag auf Drucksache 3187 interfraktionell ein Initiativgesetzentwurf über allgemeine Höchstgeschwindigkeitsgrenzen für Kraftfahrzeuge eingebracht worden, durch den die Höchstgeschwindigkeiten im einzelnen geregelt werden sollten. Die Gründe für die Ablehnung des Regierungsentwurfs und die Wahl eines Initiativgesetzes zur Regelung dieser Materie darf ich als bekannt voraussetzen.
Wegen dieses vom Bundestag beschlossenen Gesetzes hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen mit dem Ziel, dem Gesetz den Inhalt der Regierungsvorlage zu geben. Der Bundesrat hat sich bei diesem Entschluß in der Hauptsache von zwei Gesichtspunkten leiten lassen, und zwar davon, daß erstens gewisse Lücken im Initiativgesetzentwurf seiner Durchführbarkeit entgegenstehen und zweitens erhebliche grundsätzliche Bedenken gegen die Wahl der Gesetzesform bestehen.
Über die Bedenken hinsichtlich des Gesetzesinhalts ist sowohl im Bundesrat als auch im Vermittlungsausschuß ausführlich gesprochen worden. Ich kann es mir deshalb ersparen, ,ausführlich darauf einzugehen. Ich möchte mich daher auf die Nennung der Stichworte „Strafbestimmungen" und „Höchstgeschwindigkeiten für Feuerwehr, Polizei, Grenzschutz und Bundeswehr sowie Sprengstofftransporte" beschränken. Auf die Bedenken wegen der Form werde ich bei der Erläuterung der Stellungnahme des Vermittlungsausschusses zurückkommen.
Der Vermittlungsausschuß hat in seiner Sitzung am 2. Mai 1957 beschlossen, dem Anrufungsbegehren des Bundesrates stattzugeben. Zusätzlich hat er die Einfügung der Worte „mit Zustimmung des Bundesrates" in der Präambel beschlossen.
Zur Begründung dieses Beschlusses des Vermittlungsausschusses darf ich auf folgendes hinweisen. Sie alle kennen die gegenwärtige Verkehrssituation, die durch 12 645 Tote und 361 134 Verletzte für 1956 gekennzeichnet ist. Gegenüber dem Vorjahr war die Zahl der Toten um 2,5 und die oder Verletzten um 3 % angewachsen. Die Zahl der Straßenverkehrsunfälle hat sich um 9,8 % erhöht. Angesichts dieser Zahlen stimmt wohl jeder der Meinung dieses Hohen Hauses zu, daß kein Versuch unterbleiben darf, diese Verluste an Menschenleben und menschlicher Gesundheit einzudämmen. Der Ton liegt hierbei auf dem Wort „Versuch"; denn ein Patentrezept haben wir alle nicht. Auch die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeitsgrenzen ist nur ein Versuch, den der Vermittlungsausschuß in Übereinstimmung mit beiden Häusern gemacht hat. Neben hervorragenden Fachleuten, die die Begrenzung für wirkungsvoll halten, gibt es andere, die an der Wirksamkeit dieser Maßnahme zweifeln. Ja, es sind Stimmen lautgeworden, die meinen, es werde das genaue Gegenteil: eine Erhöhung der Unfallzahlen, eintreten, weil die Flüssigkeit des Verkehrs darunter leide. Dennoch darf kein Versuch unterlassen werden, sofern man ihm Erfolgschancen zubilligen kann.
Niemand weiß vorher, was eintreten wird. Aber niemand wird doch verantworten wollen, daß der Versuch, wenn er nicht zu dem erwarteten, sondern vielleicht zum entgegengesetzten Ergebnis führt, nur deshalb fortgesetzt werden muß, weil der langsame Gang der Gesetzgebungsmechanik eine schnelle Reaktion nicht gestattet. Diese ist aber gegeben, wenn die Höchstgeschwindigkeiten im Verordnungswege festgesetzt werden, und dieser Weg verdient nach Meinung des Vermittlungs-
ausschusses den Vorzug. Alle Bedenken sollten angesichts der Tatsache, daß es sich um einen Versuch handelt, bei dem Menschenleben auf dem Spiele stehen, zurücktreten. Dem Gedanken, daß dadurch die Regierung ein zu starkes Entscheidungsrecht bekommt, kann man damit begegnen, daß jede Verordnung über Höchstgeschwindigkeitsfestsetzungen der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
Neben diesen praktischen sprechen aber auch rechtssystematische Gründe für die Verordnungsform. Allgemeine Vorschriften über Geschwindigkeiten im Straßenverkehr sollten in der Straßenverkehrsordnung zu finden sein. In ihr waren und sind sie, soweit sie bestanden haben oder noch bestehen, enthalten, und hierher gehört auch jede Veränderung.
Damit würden sich alle Hinweise auf Sondervorschriften für bestimmte Einsatzfahrzeuge und besondere Strafvorschriften erübrigen.
Dennoch braucht der Bundestag nicht zu befürchten, in der Frage der Geschwindigkeitsregelung von jeder Einwirkungsmöglichkeit ausgeschlossen zu sein; steht ihm doch auch hier die Möglichkeit des Gesetzesbeschlusses offen, falls die von der Bundesregierung vorgenommene Regelung von ihm nicht gebilligt werden sollte.
Ich bitte deshalb, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen. Die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes ergibt sich aus der Tatsache, daß es ein zustimmungsbedürftiges Gesetz, nämlich das Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, ändert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich erteile das Wort zur Abgabe einer Erklärung dem Abgeordneten Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei habe ich zur Drucksache 3434 folgende Erklärung abzugeben.
Seit Jahren ist die Öffentlichkeit beunruhigt durch die schnell ansteigende Zahl der Verkehrsopfer. Sie erwartet vom Parlament, daß unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu 'erhöhen. Solange der schlechte Zustand unseres Straßennetzes anhält,
ist es im Interesse der Verkehrssicherheit dringend erforderlich, in geschlossenen Ortschaften die bisher zulässige Höchstgeschwindigkeit für ,alle Fahrzeuge, außerhalb geschlossener Ortschaften die Geschwindigkeit besonders für Schwerlastfahrzeuge erheblich herabzusetzen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist der Überzeugung, daß unter den obwaltenden Verhältnissen die Regelung der Geschwindigkeiten in die Verantwortung des Parlaments und nicht in die eines Ressortministers gehört. Deswegen hat die SPD-Fraktion dem in der Materie vorgelegten Initiativgesetz zusammen mit den anderen Fraktionen des Bundestages zugestimmt. Zwischenzeitlich sind keine Änderungen in dem sachlichen Tatbestand eingetreten. Die SPD-Fraktion sieht daher keine Veranlassung, ihre Haltung zu ändern.
Der Vorschlag des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes nimmt einen Gesetzentwurf der Bundesregierung wieder auf, der im Bundestag in der zweiten Lesung mit großer Mehrheit abgelehnt worden ist. Die SPD-Fraktion befürchtet, daß der Vorschlag des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes die Maßnahmen zur Eindämmung von Verkehrsunfällen weiter erheblich verzögern wird. Deshalb kann sie diesem Vorschlag nicht zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort weiter zur Abgabe von Erklärungen gewünscht? — Abgeordneter Rademacher!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider verbietet die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, eingehender auf die seltsame Vorgeschichte dieses Gesetzgebungswerkes einzugehen. Ich muß mich daher darauf beschränken, nach § 10 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung namens meiner Fraktion folgende Erklärung abzugeben.
Die Festsetzung von Höchstgeschwindigkeiten für Kraftfahrzeuge ist eine verkehrspolitische Maßnahme erster Ordnung, die der Entscheidung des Bundestages nicht entzogen werden sollte.
Die FDP vermag daher dem Antrag des Vermittlungsausschusses, wonach das Parlament ausgeschaltet werden soll, nicht zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Schneider (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei (Freien Volkspartei) habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Seit Jahren sind alle verantwortlichen Stellen bemüht, das deutsche Straßennetz dem starken Verkehrszuwachs anzupassen. Wir stellen mit Bedauern fest, daß durch Umstände, die in dieser Minute nicht näher zu untersuchen sind, dieses Vorhaben bisher nicht vollendet werden konnte. Die Fraktion der Deutschen Partei betrachtet die Frage der Geschwindigkeitsbeschränkung als eine Ausweichmaßnahme, die sich angesichts der Zustände auf den Straßen und der zahlreichen Unfälle als dringend erforderlich erwiesen hat. Die Fraktion der Deutschen Partei hat allerdings nie ein Hehl daraus gemacht, daß sie der Regierungsvorlage vollinhaltlich zustimmt und daß ihr die Frage der Geschwindigkeitsbeschränkung angesichts des gemeinsamen Anliegens aller Verkehrsteilnehmer zu wichtig ist, als daß sie hier zu Kompetenzstreitigkeiten mißbraucht werden dürfte. Die Fraktion der Deutschen Partei (Freien Volkspartei) bedauert daher, daß durch den inzwischen entbrannten Kompetenzstreit zwischen Regierung einerseits und Parlament andererseits bereits eine unverantwortliche Verzögerung in der Frage der Geschwindigkeitsbeschränkung entstanden ist.
Die Fraktion stellt außerdem fest: die Schuld dafür, daß es bislang nicht zu der auch von der Öffentlichkeit mit Recht gewünschten Geschwindigkeitsbeschränkung gekommen ist, liegt ausschließlich bei diesem Hause selbst
Sie stellt darüber hinaus fest, daß diejenigen, die bisher diese Verzögerung hervorgerufen haben, nicht berechtigt sind, sich hier als Richter über andere aufzuwerfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 3434 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, habe ich mich einer angenehmen Pflicht zu entledigen. Wir haben heute die Freude, 11 Mitglieder des belgischen Abgeordnetenhauses und des Senats unter Führung des Präsidenten des belgischen Abgeordnetenhauses, Herrn Huysmans und des früheren Präsidenten des belgischen Senats, des Herrn Senators Rolin, bei uns zu sehen,
die liebenswürdigerweise einer Einladung des Präsidenten des Deutschen Bundestages gefolgt sind. Ich habe die Ehre, die Herren im Namen des ganzen Hauses auf das herzlichste in unserer Mitte zu begrüßen.
Wir fahren in der allgemeinen Aussprache zu Einzelplan 12 fort. Sie wird mit der Aussprache zu Einzelplan 32 verbunden.
Ich erteile dem Abgeordneten Schneider das Wort.
Schneider (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Äußerungen des Kollegen Krammig bezüglich der Etatgestaltung veranlassen mich, hier folgendes festzustellen:
Die Frage der Finanzierung des Straßenbaus ist zweifellos der Punkt, an dem sich die Geister bisher geschieden haben, ist aber auch der Punkt, an dem ein Straßenbau in dem Umfang, wie wir ihn an sich alle wünschen, bisher gescheitert ist. Ich will hier nicht untersuchen, ob jene Etatpolitiker recht haben, die nach althergebrachten Grundsätzen dafür plädieren, daß die sogenannte Manövrierfähigkeit mit den Einnahmen erhalten bleiben muß und daß man sich demzufolge keiner Zweckbindung verschreiben darf. Ich gebe ehrlich zu, daß ich kein Etatexperte bin; aber mein gesunder Menschenverstand sagt mir, daß wir, wenn es sich um eine so große Aufgabe wie die vor uns liegende handelt — wenn wir nämlich endlich zu einem umfassenden Straßenbauprogramm kommen wollen —, jetzt mit dem Flickwerk, das wir bisher gehabt haben, Schluß machen müssen.
Deswegen wird sich die Fraktion der DP in diesem Hause und auch in einem künftigen
Bundestag nachdrücklich und unbeirrbar dafür einsetzen, daß Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer zweckgebunden für den Straßenbau zu verausgaben sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnet Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Kollegen Schneider muß ich doch noch etwas bemerken. Das Thema „Zweckbindung" ist sicherlich ein sehr schwieriges und heikles Thema. Herr Kollege Krammig hat bereits darauf hingewiesen, daß vor allem die Haushaltsexperten jeder Form von Zweckbindung sehr ablehnend gegenüberstehen. Ich darf aber noch auf folgendes hinweisen, Herr Kollege Schneider.
Ich bin der Auffassung, daß eine Zweckbindung der vom Kraftverkehr aufgebrachten Steuern für Zwecke des Straßenbaus gerade für diejenigen, die sich für eine Intensivierung des Straßenbaus einsetzen, eine sehr zweischneidige Angelegenheit sein kann. Wenn nämlich der Herr Bundesfinanzminister den Länderfinanzausgleich in seiner Rechnung mit einbezieht und argumentiert, daß die Ausgaben der Gemeinden oder zumindest ein Teil dieser Ausgaben für den Straßenbau aus den Beträgen mit finanziert werden, die der Bund über den Länderfinanzausgleich auch den Gemeinden zukommen läßt, dann kann sich eine Rechnung ergeben, die gerade für die Förderer des Straßenbaues sehr unangenehm ist. Dann könnte sich nämlich die Schlußfolgerung ergeben: die Zweckbindung bedeutet, daß eine Anhebung der Steuern notwendig ist, wenn wir nur die schon jetzt vorliegenden Pläne für den Straßenbau realisieren wollen.
Ich bin aus diesem Grunde der Überzeugung, wir sollten uns hier nicht in einem Theorienstreit über die Zweckbindung einlassen, sondern sollten gemeinsam über alle Parteiunterschiede hinweg den Versuch machen, für den Straßenbau die Mittel frei zu machen, die irgendwie frei gemacht werden können, und den Straßenbau so intensivieren, daß wir mit dem Problem in einer angemessenen Zeit fertig werden. Aber bitte keinen Theorienstreit, meine Damen und Herren; damit lösen wir die Probleme nicht!
Eine zweite kurze Bemerkung zum Thema Fahrgastschiffahrt und zu dem Antrag des Kollegen Rademacher! Mein Kollege Vogel hat sich hier bereits zu der Materie geäußert. Er kann ebensowenig wie ich im Namen meiner Fraktion sprechen, da der Antrag in unser Fraktion bisher nicht besprochen worden ist. Aber auch das Problem der Fahrgastschiffahrt, das sicherlich für uns alle von großer Bedeutung ist, hat erst dann Aussicht, auch bei uns im Bundestag die nötige Förderung und finanzielle Unterstützung zu erfahren, wenn konkrete Projekte von den dafür zuständigen Stellen vorgelegt werden. Ich würde daher empfehlen, daß wir diese ganze Frage im Bundestag vorerst zurückstellen. Ich kann nur die Zusicherung abgeben, daß wir in unserer Fraktion, wenn solche Projekte vorgelegt werden, sie mit dem nötigen Respekt und der nötigen Würdigung prüfen und im Rahmen des Möglichen unterstützen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in der allgemeinen Aussprache noch zu drei Dingen erneut Stellung zu nehmen. Zunächst zur Frage der Zweckbindung! Wir Freien Demokraten sind keine orthodoxen Vertreter irgendeines Prinzips; darauf kommt es uns gar nicht an. Wir wissen sehr wohl, was es haushaltsmäßig bedeutet, überall Zweckbindungen auszusprechen, obgleich wir meinen — das ist ja heute morgen in der Debatte zum Ausdruck gekommen, man soll mit diesen Worten etwas vorsichtig sein —, daß man von einem nationalen Notstand auf den Straßen sprechen kann; das Wort ist nicht von mir geprägt worden, es ist hier aber heute morgen gefallen. Daraus ergibt sich nach meiner Ansicht die moralische Verpflichtung — zumal da wir für die zurückliegende Zeit ziffernmäßig nachweisen können, wie wenig von den Abgaben für den Straßenbau tatsächlich verwandt wurde —, die Mittel, die aus den verschiedenen Quellen fließen, auch für den Straßenbau herzugeben. Darin ist nach unserer Ansicht gleichzeitig noch eine ganz gute Marge für die Durchgangs- und Umführungsstraßen der notleidenden Gemeinden. Das muß hier einmal ausgesprochen werden; ich habe es heute morgen auch schon getan.
Das zweite betrifft eine Korrektur von Herrn Walter. Ich bin gern bereit, hier einen Irrtum zuzugestehen. Ich sprach von 41/2 Millionen BRT. Ich weiß, daß wir etwa 3 Millionen BRT haben,
daß aber der Gesamtplan in absehbarer Zukunft — soweit die Pläne der Reedereien laufen — zweifelsohne die von mir genannte Zahl von 41/2 Millionen BRT, was in etwa dem Zustand von 1939 entspricht, erreichen wird. Aber, Herr Walter, aus einem kleinem Irrtum die Konsequenz zu ziehen, der Herr Finanzminister — von dem wir ja wissen, daß er sehr genau ist — würde nun versuchen, die Gelder wieder einzuziehen, das war, glaube ich, ein bißchen — entschuldigen Sie — parteipolitisch hier in die Debatte hineingebracht.
Zur Passagierschiffahrt möchte ich meinem Kollegen Müller-Hermann noch einmal antworten. Herr Müller-Hermann, Sie haben so schöne Beziehungen zum Norddeutschen Lloyd in Bremen, wie ich sie Gott sei Dank zur Hamburg-Amerika-Linie habe, und Sie wissen ganz genau, daß sehr exakte Pläne in der Schublade dieser beiden Reedereien liegen. Sie können sie sogar schon im Direktionsbüro fix und fertig auf dem Tisch liegen sehen; Sie haben sie sicher beim Lloyd genauso gesehen wie ich bei der Hamburg-Amerika-Linie. Also von dieser Seite aus sind die Voraussetzungen geschaffen worden. Ich habe doch in meinem LeertitelAntrag — so möchte ich ihn bezeichnen — sehr deutlich zum Ausdruck gebracht — und da möchte ich Herrn Schneider noch einmal antworten —: es geht wirklich nicht darum, vom Bund aus Millionen à fonds perdu in den notwendigen Wiederaufbau der Passagierschiffahrt hineinzustecken, sondern es geht um die Fortsetzung eines vom ganzen Hause geschaffenen Gesetzes zum Wiederaufbau der deutschen Seeschiffahrt, das ja ein Darlehensgesetz ist und nicht nur eine Rückzahlung, sondern gleichzeitig auch noch eine Verzinsung in gewissen Bestimmungen vorsieht, die wir alle kennen. Mit der Ausführung dieses Gesetzes und mit seiner Anwendung für die Passagierschiffahrt ist doch die Voraussetzung gegeben. Von irgendwo muß ja einmal der Anfang gemacht werden. Man kann nicht nach der Taktik vorgehen: Hannemann, geh du voran! Meines Erachtens haben die Werften und die Reedereien die Grundlagen geschaffen. Nunmehr ist es Aufgabe dieses Hauses und des Bundes, eine Voraussetzung zu schaffen, unter der die konkreten Verhandlungen beginnen können.
Man hat meiner Fraktion den Vorwurf gemacht, es sei eine Inkonsequenz, hier nun zu erklären, daß sie den Verkehrsetat ablehne. Dazu möchte ich Stellung nehmen. Wir hätten es uns natürlich — trotz aller doch immerhin recht freundschaftlichen Beziehungen zu dem Herrn Bundesverkehrsminister,
die ich persönlich unterhalte — leicht machen und hätten hier die Streichung des Etats des Herrn Ministers beantragen können. Meine Damen und Herren, das hat uns nicht gelangt. Wir kritisieren die Fehler seiner Politik, aber wir sind der Meinung: er ist auch nur ein Teil des Ganzen, nämlich der Bundesregierung, die unseres Erachtens der Verkehrspolitik nicht die nötige Beachtung geschenkt hat. Hier muß man doch einmal folgendes aussprechen.
Es wird immer vom Wirtschaftswunder gesprochen. — Ja, Herr Kollege, ich habe Ihren Zwischenruf verstanden, aber wenn Sie in den Protokollen das nachlesen, was ich seit 1949 über die Verkehrspolitik gesagt habe, werden Sie immer einen Grundsatz wiederfinden: Die gute Entwicklung unserer Wirtschaft, auf die wir alle stolz sind, wird und muß sich auch eines Tages festlaufen, wenn wir nicht in der Lage sind, für die in- und ausländische Wirtschaft einen adäquaten leistungsfähigen Verkehrsapparat zur Verfügung zu stellen.
Nun ist die Behandlung eines Einzeletats auch ein Politikum. Sagen Sie mir doch: Wie soll man als politische Fraktion zum Ausdruck bringen, daß man die Verkehrspolitik in großen Teilen für fehlerhaft gehalten hat? Das kann man eben doch nur dadurch, daß man sich aus rein politischen Gründen ablehnend ausspricht in der Hoffnung, daß in der Zukunft eine Verkehrspolitik eingeleitet wird, auf die die deutsche Wirtschaft einen Anspruch hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst ,dem verehrten Mitglied unseres Hauses und Berichterstatter des Haushaltsausschusses für den Verkehrshaushalt, Herrn Kollegen Ritzel, im Namen meiner Mitarbeiter und im eigenen Namen herzlich für die große Mühe danken, die er ich auch in diesem Jahr wieder mit unserem Haushalt gemacht hat, und für das Verständnis, das er stets für unsere Sorgen und Nöte gezeigt hat.
Ich darf sodann über diese Debatte klar herausstellen: Von den verschiedenen großen Arbeitsgebieten des Bundesministers für Verkehr ist nen-
nenswerte Kritik nicht geübt worden an der Seeschiffahrt, an der Luftfahrt, an dem Wasserbau, an der Binnenschiffahrt und an dem Wetterdienst. Es gibt also eine ganze Reihe von bedeutenden Arbeitsgebieten, die — wie ich mit Befriedigung feststelle — nicht Anlaß zur Kritik gegeben haben. Die beiden weiteren großen Gebiete, die immer wieder und erneut zur Kritik, ja zu berechtigter Kritik, Anlaß geben, sind die Angelegenheiten des Straßenbaues und des Straßenverkehrs und die der Eisenbahn.
Ich darf zunächst einleitend darauf hinweisen, daß die Punkte, die der Herr Abgeordnete MüllerHermann in seiner ersten heutigen Darlegung herausgestellt hat, nämlich die Fragen des echten Leistungswettbewerbs, der Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrsträger und der Notwendigkeit des Nachholens der Investitionen, bekanntlich Ziele der Bundesregierung sind, die immer auch die Unterstützung dieses Hohen Hauses gefunden haben. Wir stehen genau wie der Herr Abgeordnete MüllerHermann auf dem Standpunkt, daß es, urn die Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrsträger zu sichern und um einen echten Leistungswettbewerb herbeizuführen, zweckmäßig und notwendig ist, nach der durch die Arbeit in diesem Bundestag erreichten Annäherung der Startbedingungen, um deren weitere Annäherung wir uns auch in Zukunft bemühen müssen, nicht nur die tarifeigene Lage der Binnenschiffahrt gegenüber der Eisenbahn zu erhalten, sondern auch dafür zu sorgen, daß nach und nach der Reichskraftwagentarif von dem Eisenbahntarif getrennt wird.
Ich habe dagegen allerdings gewisse Bedenken gegen die vorgeschlagene Auflockerung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen der Eisenbahn, von der Herr Abgeordneter Müller-Hermann in diesem Zusammenhang gesprochen hat; denn dieses Auflockern ist insofern eine gefährliche Angelegenheit, wenn wir an die revierfernen Gebiete, an die Zonengrenzgebiete und insbesondere an die mittelständischen Betriebe denken, denen im allgemeinen durch eine solche Auflockerung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen der Bundesbahn und der mit ihr tarifarisch verbundenen Verkehrsträger nicht gedient ist, sondern deren Wettbewerbslage gegenüber den Großunternehmen und gegenüber den im Kerngebiet des Landes liegenden Unternehmungen dadurch erheblich verschlechtert werden könnte. Ich glaube also, daß auf diesem Weg manche Bedenken überwunden werden müssen, die nur durch eingehende Beratung beseitigt werden können.
In diesem Zusammenhang hat Herr Abgeordneter Rademacher davon gesprochen, daß es schon immer sein Lieblingsgedanke gewesen sei, durch eine echte direkte Zusammenarbeit der Verkehrsträger zu Ergebnissen zu kommen, die die Spannungen zwischen den Verkehrsträgern Straße und Schiene milderten. Spannungen zwischen den Verkehrsträgern Binnenschiffahrt und Eisenbahn sind ja in dem Maße in den letzten Jahren glücklicherweise nicht aufgetreten; hier ist vielmehr ein gutes Zusammenwirken festzustellen. Er meint, daß diese Spannungen zwischen Schiene und Straße durch einen solchen direkten Austausch der Meinungen zwischen den Vertretern dieser Verkehrsträger selbst wesentlich gemildert werden könnten. Nun, es ist dem Hohen Hause bekannt, daß der Bundesminister für Verkehr schon im Jahre 1955 die maßgebenden Vertreter der Verkehrsträger Bundesbahn, Straßenverkehr und Binnenschiffahrt an einen Tisch gebracht hat und daß seitdem in dem „Ausschuß der Verkehrsträger" die Fragen, die hier heute von Herrn Kollegen Rademacher angesprochen worden sind, sehr intensiv unter Mitarbeit der Vertreter meines Hauses behandelt werden. In dem ersten Bericht des Ausschusses, der im Herbst vorigen Jahres vorgelegt undauch dem Hohen Hause zugänglich gemacht worden ist, heißt es am Schluß ausdrücklich:
Die Zusammenarbeit in diesem Ausschuß der Verkehrsträger
— also in dem Gremium, in dem die Vertreter dieser verschiedenen Verkehrsträger, und zwar aller drei, nicht nur der Straße und der Schiene, sonden auch der Binnenschiffahrt, zusammenwirken —
hat in gewissen Punkten zu einer übereinstimmenden Auffassung geführt und schließlich in weiteren Punkten zu einer klaren Abgrenzung der verschiedenen Meinungen beigetragen. Die Ergebnisse lassen es als erwünscht erscheinen, die so begonnene Zusammenarbeit fortzusetzen und dadurch die Möglichkeit zu einem ständigen Gedankenaustausch zu schaffen.
Diese gegenseitige laufende Konsultierung der Verkehrsträger würde nicht nur für die Fragen des Binnenverkehrs, sondern auch für die aus der europäischen Zusammenarbeit sich ergebenden, die Verkehrsträger berührenden Fragen nützlich sein.
Wenn ich mir erlaubte, auf diese Arbeit hinzuweisen, so deswegen, um darzutun, daß auf diesem von Herrn Rademacher angesprochenen Gebiet gerade in den letzten Jahren ein sehr wesentlicher Fortschritt erzielt und Grundlagen geschaffen wurden, die uns für die Zukunft weitere günstige Entwicklungen erwarten lassen.
Unter den vier Punkten, die Herr Abgeordneter Müller-Hermann herausgestellt hat, ist die Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrsträger als ein besonders wichtiger und entscheidender Punkt anzusehen. Wir sind, glaube ich, alle darüber einig, daß die Entgelte der Verkehrsträger noch nicht als die echte kostendeckende Einnahme gelten können und daß deshalb noch sehr erhebliche Arbeit zur Lösung dieser wichtigen Frage geleistet werden muß.
Betrachten wir aber einmal die tatsächliche wirtschaftliche Lage der einzelnen Verkehrsträger, jeweils in ihrer Gesamtheit, so dürfen wir feststellen, daß die Eigenwirtschaftlichkeit in der Seeschifffahrt, in der Binnenschiffahrt und auch im Straßenverkehr in sehr weitgehendem Maße besteht. Durch die Zahlen der letzten Jahre wird das bestätigt.
Das ist eine sehr bemerkenswerte Feststellung, weil es sich dabei um jene Sektoren des Verkehrs handelt, in denen der Verkehr privatwirtschaftlich betrieben wird, und die immer darüber klagen, daß sie im Schatten 'der großen gemeinwirtschaftlich betriebenen Verkehrsträger liegen.
Warum die Luftfahrt heute noch nicht ihre volle Eigenwirtschaftlichkeit erreicht hat, isst wiederholt dargestellt worden. Das hängt damit zusammen, daß wir nach dem halben Jahr ,des Anlaufs erst auf ein einziges ganzes Jahr voller Tätigkeit unserer Lufthansa zurückblicken. Die Entwicklung der Deutschen Lufthansa 1956 und besonders 1957 läßt hoffen, daß die Gesellschaft in absehbarer Zeit das Ziel erreichen wind, ihre Ausgaben durch ihre Ein-
nahmen decken zu können. Jedenfalls ist die Entwicklung sehr viel günstiger verlaufen, als vielfach angenommen wurde.
Beim Straßenverkehr müssen wir einen Unterschied zwischen dem Nahverkehr und dem Fernverkehr machen. Die Lage im Nahverkehr ist wirtschaftlich weniger günstig. Aber im wesentlichen ist es ja der Fernverkehr, der sich von der Bundesbahn bedrängt fühlt. Für die Entwicklung des Güterfernverkehrs darf ich Ihnen einige Zahlen nennen: Die erzielten Frachteinnahmen sind von 1,1 Milliarden DM 1954 auf fast 1,5 Milliarden DM 1956 gestiegen. Die Zahl der vom gewerblichen Güterfernverkehr beförderten Tonnen ist von 38,4 Millionen t 1954 auf 47,3 Millionen t 1955 —das sind 23,1 % mehr — gestiegen; im Jahre 1956 sind rd. 37 % mehr Tonnen befördert worden als 1954.
Das sind sehr bemerkenswerte Zahlen; denn sie beweisen, daß der Güterfernverkehr in seinen Leistungen einen erheblich höheren Auftrieb erfahren hat als in dem gleichen Zeitraum z. B. die Bundesbahn. Das ist zweifellos eine Konsequenz des Verkehrsfinanzgesetzes, das — wie vorgesehen — zu einer gewissen Beschränkung des Werkverkehrs zugunsten des gewerblichen Verkehrs auf der Straße geführt hat. Es darf daher festgestellt werden, daß durch die gemeinsame Arbeit von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung in vieler Hinsicht Erhebliches für die Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrsträger erreicht worden ist. Wir dürfen infolgedessen annehmen, daß wir auf dem richtigen Wege vorangeschritten sind.
Der Herr Abgeordnete Müller-Hermann hat zur Lage der Bundesbahn einige Darlegungen gemacht, zu denen ich Richtigstellungen bringen muß. Er hat davon gesprochen, daß in diesem Haushalt der Bundesbahn ein Betrag von 1,6 Milliarden DM zugewendet werde.
Wenn Sie sich die Zahlen des Haushaltsplanes im einzelnen ansehen, werden Sie feststellen, daß diese Summe nicht ganz zutreffend ist. Die Bundesbahn erhält nach dem Haushaltsvoranschlag aus dem Verkehrsfinanzgesetz die bekannten 145 Millionen DM, sodann eine Finanzierungshilfe von 200 Millionen DM und Darlehen für Investitionen und in Form gestundeter Beförderungssteuer in Höhe von 430 Millionen DM. Das sind zusammen 775 Millionen DM. Dazu kommt der Antrag, zusätzlich einen Betrag von 500 Millionen DM in den Haushalt einzusetzen, der dadurch begründet ist, daß die Bundesbahn in diesem Jahr infolge von Lohn- und Gehaltssteigerungen und von Kostenerhöhungen, insbesondere durch Kohlenbezug aus dem Ausland, über 350 Millionen DM mehr aufzuwenden haben wird als 1956. Einschließlich dieses Betrages sind das also 1275 Millionen DM und nicht 1600 Millionen DM.
Ich mache den Herrn Abgeordneten Müller-Hermann darauf aufmerksam, daß die von der Bundesbahn selber besorgte Vorfinanzierung auf die Einnahmen aus dem Verkehrsfinanzgesetz in Höhe von 255 Millionen DM keine Leistung des Bundes ist und daß die vorgesehene Möglichkeit, in Höhe von 200 Millionen DM Schatzanweisungen durch den Bund anzukaufen, auf Grund der inzwischen eingetretenen Entwicklung der Haushaltslage sich wahrscheinlich nicht verwirklichen lassen wird. Diese in der Öffentlichkeit falscher Weise zugelasteten 455 Millionen DM müssen also abgezogen werden.
In diesem Zusammenhang haben verschiedene Redner auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage der Bundesbahn hingewiesen. Zweifellos ist die Bundesbahn — ganz abgesehen von den großen Investitionsbedürfnissen, die sie hat — nicht in der Lage gewesen, ihre Ausgaben voll durch eigene Einnahmen zu decken.
Dabei sind aber zwei Momente zu berücksichtigen: Der Bundesbahn sind erst jetzt nachträglich die betriebsfremden Lasten für die vergangenen Jahre abgenommen worden. Das wird erst durch diesen Haushalt zum Ausgleich der Bilanz 1956 führen. Wenn Sie die Beträge, die in diesem Haushalt durch den bekannten Leertitel gutgebracht werden, auf die einzelnen Jahre verteilen, kommen Sie zu dem überraschenden Ergebnis, daß in den letzten sechs Jahren bei der Bundesbahn drei Jahre erhebliche Überschüsse erbracht haben und nur in drei Jahren Verluste zu verzeichnen sind. Das Jahr 1951 hat mit fast 300 Millionen DM Überschuß, das Jahr 1952 mit 88 Millionen DM Überschuß und das Jahr 1955 mit 112 Millionen DM Überschuß abgeschlossen, wenn die Abnahme der betriebsfremden Lasten auf die einzelnen Jahre zurückgerechnet wird. Die Höhe der Fehlbeträge ist natürlich dadurch auch in den Jahren, in denen Verluste eingetreten sind, erheblich niedriger gewesen, als bisher ausgewiesen.
Es zeigt sich also, daß die durch die Arbeit des Ausschusses unter dem Vorsitz unseres Kollegen Dr. Bleiß erzielten Ergebnisse für die rückwärtige Zeit zu ganz anderen Ergebnissen der Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn führen. Damit sind auch die hier zitierten Überlegungen richtig, die der Erste Präsident der Bundesbahn, Herr Professor Dr. Oeftering, kürzlich in diesem Zusammenhang ausgesprochen hat.
Naturgemäß bleibt die Lage der Bundesbahn infolge der seit den letzten Monaten auf sie zukommenden Erhöhungen ihrer Kosten erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Daher stellt sich die Frage der kostengerechten Entgelte bei der Bundesbahn natürlich noch schärfer als an irgendeiner anderen Stelle des Verkehrs.
In diesen Fragen können die entscheidenden Stellen — das ist nicht etwa der Bundesminister für Verkehr allein; es sind noch eine ganze Reihe von Ausschüssen und von Ministerien, schließlich Bundesregierung und Bundesrat, die über die Entgelte im Verkehr zu bestimmen haben — in ihren Überlegungen zu brauchbaren Ergebnissen natürlich nur kommen, wenn sie einen Überblick über die Entwicklung der Ausgaben haben. Diesen Überblick werden wir erst gewinnen können, wenn sich in den nächsten Wochen die Lage bezüglich der Beamtengehälter und der Arbeitszeit durch die Entscheidung dieses Hohen Hauses geklärt haben wird. Darüber hinaus wissen wir, daß mit der Aufgabe, die Arbeitszeit zu verkürzen, die heute ganz allgemein erörtert wird, auf die Bundesbahn bestimmte Probleme zukommen, die sie allein durch Rationalisierungsmaßnahmen nicht verkraften kann. Jede Stunde Arbeitszeitverkürzung wird für die Bundesbahn eine Mehrausgabe von jährlich 90 Millionen DM und voraussichtlich einen zusätzlichen Bedarf an 5000 bis 7000 Menschen mit sich bringen, denn ein Arbeitszeitausfall bei einem Verkehrsunternehmen läßt sich natürlich nicht in der Weise ausgleichen, wie das bei einem Produktionsunternehmen durch Betriebsverbesserungen möglich ist.
Als zweites Moment dürfen wir andererseits doch feststellen — ich beziehe mich dabei auf den Bericht, den der soeben abgelöste Vorstand der Bundesbahn über seine Dienstzeit erstattet hat —, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn — das ist auch durch die Gutachten des Herrn Ottmann und seiner Mitarbeiter bestätigt worden — nichts unterlassen hat, was zur Rationalisierung der Bundesbahn hat beitragen können. Es sind z. B. — um nur einige Zahlen zu nennen — vom Jahre 1952 bis zum Jahre 1956 Steigerungen der Zahl der Wagenachskilometer um 10,1 %, der Nettotonnenkilometer der Güterwagen um 11,6 % und der Personenkilometer um 31,4 % eingetreten, während in der gleichen Zeit der Personalaufwand um 3,7 % verringert worden ist. Die genannten Leistungsverbesserungen konnten also trotz einer erheblichen Personalverringerung erzielt werden. Es sind somit erhebliche Rationalisierungserfolge erzielt worden, und die dadurch bewirkten Ausgabenersparnisse dürften die Größenordnung von rund 400 Millionen DM jährlich erreichen. Andererseits beläuft sich die Steigerung der Gesamtpersonalkosten, die trotz der Rationalisierung und der Verminderung des Personalbestandes auf die Bundesbahn zugekommen ist, in der gleichen Zeit auf 900 Millionen DM; die Rationalisierung und die Verminderung des Personalapparates ist also immer wieder durch die Steigerung der Löhne, Gehälter und Pensionen überholt worden.
Ich darf darauf hinweisen, daß Rationalisierungsmaßnahmen mit Erfolg auf allen Gebieten des Eisenbahnbetriebes — im Betriebsdienst, in den Reparaturwerkstätten, auf den Nebenbahnen und auf anderen Gebieten — durchgeführt worden sind.
Wenn man dazu einen Blick über die Grenzen auf die Lage der Eisenbahnen der benachbarten Länder wirft, so stellt man fest, daß die Eisenbahnen dort — mit Ausnahme der Schweiz und der Niederlande — wirtschaftlich gesehen wesentlich ungünstiger dastehen, und dies, obwohl in diesen Ländern die Entgelte in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind. Ich darf nur darauf hinweisen, daß von Ende 1952 bis heute die Entgelte z. B. für Wagenladungen in Dänemark um 11 %, in Frankreich um 13 %, in Großbritannien, Italien und den Niederlanden um 25 %, in Schweden um 17 % und in den Vereinigten Staaten ebenfalls um 17 % gestiegen sind, während sie bei uns gegenüber Ende 1952 sogar geringfügig niedriger sind. Man hat also auch in den anderen Ländern sich Tariferhöhungen nicht verschließen können, die bei den Personen- und Stückguttarifen etwa die gleichen Größenordnungen erreichen.
Man muß immer wieder darauf hinweisen, daß Tariferhöhungen der Eisenbahn sich nicht laufend in einer ständigen Anpassung der Entgelte an die steigenden Kosten — seien sie Lohn- und Gehaltskosten, seien sie Materialkosten — vollziehen können, sondern daß es bei den Eisenbahnen — mehr noch als bei den anderen Verkehrsträgern — nur möglich ist, die Entgelte in bestimmten Zeitabschnitten, dann aber auf Grund sehr eingehender Überprüfungen, zu erhöhen. Denn die Auswirkungen von Tariferhöhungen der Eisenbahn nicht nur auf die übrigen Verkehrsträger, sondern auf die gesamte Wirtschaft und hier wiederum insbesondere auf die mittelständischen und auf die revierfern gelegenen Betriebe sind von sehr einschneidender Bedeutung und müssen deswegen nach Art und Ausmaß besonders sorgsam überprüft und in ihren Auswirkungen ständig beobachtet werden.
Es muß allseits anerkannt werden, daß es der Verkehrspolitik der Bundesregierung trotz dieser nicht zu leugnenden Schwierigkeiten gelungen ist, der Wirtschaft einen ständig leistungsfähiger werdenden Verkehrsapparat zur Verfügung zu stellen. Ich verweise nicht nur auf die Zahlen über den Ausbau der Handelsflotte, der Binnenschiffahrtsflotte und des Luftverkehrs, sondern auch auf die Zahlen über die Leistungen, die im Straßenverkehr und bei der Eisenbahn erbracht worden sind. Wenn es tatsächlich erreicht worden ist, daß bei der stark ansteigenden Produktionskraft unserer Wirtschaft keine Klemmungen im Verkehr eingetreten sind, wenn die Befürchtungen, die der Herr Kollege Rademacher regelmäßig vorgetragen hat, daß diese Klemmungen eintreten könnten, nicht eingetreten sind, sondern es regelmäßig möglich gewesen ist, die steigenden Anforderungen der Wirtschaft und der Menschen in verkehrsmäßiger Beziehung voll zu befriedigen, dann ist das sicherlich nicht zuletzt auf die Möglichkeiten zurückzuführen, die sich aus der Verkehrspolitik für unsere Verkehrsträger ergeben haben. Es darf also festgestellt werden, daß der wesentlichste Erfolg der viel kritisierten Verkehrspolitik der Bundesrepublik darin zu sehen ist, daß ein ständig leistungsfähigerer Verkehrsapparat vorhanden ist und daß der Verkehrsapparat jeweils jenen Anforderungen voll hat genügen können, die an ihn gestellt worden sind.
Das schwierigste und uns alle am meisten bedrückende Kapitel innerhalb des gesamten Verkehrsraums ist das von Herrn Kollegen Ritzel mit Recht angesprochene Kapitel der Unfälle auf unserer. Straßen. Aber auch hier sollte man vielleicht nicht nur das Negative sehen. Sicherlich stehen wir mit den Zahlen der Toten und insbesondere der Verletzten im Straßenverkehr innerhalb Europas und in der Welt absolut und relativ auf einer sehr hohen Stufe.
Sicherlich muß hier Außerordentliches und noch mehr geleistet werden, als wir in den letzten Jahren getan haben.
Aber auf der anderen Seite können wir darauf hinweisen, daß sich die Steigerung, die der Kraftverkehr erfahren hat, erfreulicherweise tatsächlich nicht in gleichem Maße in der Zunahme der Unfallzahlen widerspiegelt. In dem letzten Jahresbericht der Bundesverkehrswacht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die befürchtete Entwicklung, die Zahl der Unfälle würde in gleichem Maße zunehmen wie die Zahl der Kraftfahrzeuge, nicht eingetreten ist. Insbesondere wird die Tatsache vermerkt, daß für die Gruppe der schulpflichtigen Jugendlichen die Unfallziffer, absolut gesehen, seit einigen Jahren ständig zurückgeht.
Es muß darauf hingewiesen werden — und ich stimme in der Beziehung dem Herrn Abgeordneten Vogel voll zu —, daß, so bedeutungsvoll der Ausbau der Straßen für die Bekämpfung der Unfälle auch ist, tatsächlich damit allein diese ungeheure Gefahr und die Not, die sich daraus ergibt, nicht gebannt werden kann. Die Untersuchungen, die die Bundesverkehrswacht durchgeführt hat, zeigen, daß 12,8 % der Unfälle durch Nichtbeachten der Vorfahrt, 12,6 % durch falsches Überholen und Vorbeifahren, 11,2 % durch überhöhte Geschwindigkeit, 6,2 % durch falsches Einbiegen und Wenden, 5,7 % durch zu dichtes Auffahren, 4,2 % durch Trunkenheit am Steuer, 7,1 % durch Fuß-
gänger und 5,2 % durch Nichtbenutzung der vorgeschriebenen Fahrbahn verursacht worden sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind 65 % aller Unfälle! Natürlich entfällt ein erheblicher Teil davon auf die Ortschaften, in denen sich bekanntlich 3/4 aller Unfälle ereignen. Aber diese Zahlen zeigen doch, daß die Bemerkung der Herrn Kollegen Vogel durchaus berechtigt ist. Wir dürfen uns nicht vorstellen, daß allein durch den Straßenbau diese schwere Gefahr beseitigt werden kann. Eine Fülle anderer Maßnahmen muß dazutreten.
Wenn wir morgen hier in Bonn die 4. Verkehrssicherheits-Konferenz des Bundes und der Länder abhalten, dann beschäftigen wir uns in erster Linie mit diesen durch die genannten Zahlen belegten Tatbeständen und nicht mit dem Straßenbau. Wir beschäftigen uns vor allen Dingen mit den Verbesserungen in der Jugenderziehung und mit dem Ausbau des Schülerlotsendienstes. Beides sind für die Zukunft ungewöhnlich wichtige Maßnahmen. Nur über die Jugend werden wir ein Nachlassen der Unfallzahlen sichern.
Ich darf, wieder im Zusammenhang mit dem Jahresbericht 1956 der Bundesverkehrswacht, darauf hinweisen, daß gerade im letzten Jahr erhebliche neue Möglichkeiten der Bekämpfung der Unfälle gefunden worden sind. Wir haben eine sehr starke Intensivierung der Schulverkehrserziehung erreicht. Wir begrüßen dankbar, daß eine sehr intensive Zusammenarbeit mit den Kirchen in der Unfallbekämpfung ermöglicht wurde. Wir haben mit der Einführung freiwilliger Selbstteste on Erwachsenen, mit der Indienststellung von Verkehrssicherheits-Omnibussen, mit der Einrichtung von Mopedkursen, mit der Zusammenarbeit mit den Jugendorganisationen, mit der Vorbereitung der Einführung der Verkehrserziehung bereits in den Kindergärten, mit der Veranstaltung von Verkehrssicherheitstagen, mit der Durchführung der Aktion Ford-Leihwagen für Lehrer usw. eine ganze Menge an zusätzlicher Einwirkung erreicht. Wir hoffen daß das in diesen Tagen herausgebrachte kleine Heft, in dem die Verkehrsregeln in der Art einer Fibel der Öffentlichkeit dargeboten werden und das zunächst an alle Schulen geht, weiter helfen wird, die Ursachen der Unfallgefahr auf der Straße noch intensiver zu bekämpfen. Das soll uns aber nicht hindern, auf dem Gebiete des Straßenbaus unser Bemühen nachdrücklich zu verstärken.
Dabei muß ich in diesem Zusammenhang doch einmal sagen, daß es nicht zutreffend ist, wie oft zu hören ist, daß man bei der Einreise vom Ausland nach der Bundesrepublik den Eindruck eines wesentlich schlechteren Straßennetzes habe.
Auch ich komme sehr viel vom Ausland zurück, und ich muß feststellen, daß eigentlich eines der entscheidende Eindruck ist: je mehr man sich der deutschen Grenze nähert — und erst recht, nachdem man sie überschritten hat —, spürt man eine sich immer mehr verstärkende, ja geradezu erstaunliche Verdichtung des Verkehrs gegenüber der Straßenverkehrsdichte in allen angrenzenden Ländern. Das gilt selbst für Norditalien und Belgien, wo der Verkehr, verglichen mit all den anderen Ländern, noch der dichteste ist. Jedenfalls würde diese Dichte des Verkehrs, wenn wir sie auf andere, benachbarte Länder übertragen könnten. dort für den Straßenverkehr mindestens die gleichen Bedingungen schaffen, wie sie bei uns bestehen. Ja,
ich glaube, sie würde dort sogar eine noch erheblich ungünstigere Verkehrslage auf den Straßen hervorrufen.
Wir müssen doch auch berücksichtigen, daß in Zukunft die Probleme des Fernverkehrs auf der Straße ohne Autobahnen — darüber sind wir uns doch wohl alle einig — nicht zu lösen sind. Der Fernverkehr bedarf der Autobahnen, und die Autobahnen sind, weil sie Ortschaften nicht berühren, jedenfalls vom Verkehrssicherheitsstandpunkt aus, besonders zu begrüßen. Denn damit fällt für diese Strecken die Massierung der Unfallgefahren in den Ortschaften weg.
Es gibt in Westeuropa etwa 3500 km Autobahnen. Von diesen 3500 km entfallen auf die Bundesrepublik 2405 km; davon sind 230 km in den letzten zwei Jahren neu entstanden, und weitere 260 km befinden sich im Bau.
Dem müssen wir gegenüberstellen, daß die Niederlande, die am stärksten gebaut haben, bisher 600 km Autobahnen haben, daß Italien, das Autostradas hat, 500 km hat, Belgien 120 km, Frankreich 70 km, Schweden 16 km, daß aber Dänemark, die Schweiz und England überhaupt noch keine Autobahnen haben. Das sollten wir auch einmal mit bewerten, wenn wir von unserem Straßensystem sprechen .
Ich darf dazu noch feststellen: in keinem Land Europas sind ir. den letzten Jahren so viel Autobahnen begonnen und fertiggestellt worden wie bei uns. Das ist doch wohl am besten ein Beweis dafür, daß für den Ausbau unseres Bundesstraßennetzes einiges getan wird.
Auch hierzu möchte ich noch einige Zahlen angeben. wenn wir von den umfangreichen Reparaturen einschließlich der Beseitigung der Kriegsschäden an den Straßen selbst absehen, sind in den letzten Jahren Bundesstraßen durch Um- und Ausbau, Neubau oder Ortsumgehungen in einer Länge von 3717 km praktisch neu geschaffen worden. Dazu kommen ,die von mir bereits genannten neuerstellten Autobahnen mit 230 km. Das heißt, wir haben in den letzten Jahren praktisch 3947 km Straßen neu gebaut, das entspricht einer Erneuerung von 17 % des Netzes unserer Bundesfernstraßen und Bundesautobahnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verzeihen Sie, Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Zahl der Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik, auf den Quadratkilometer berechnet, so groß ist wie nahezu in keinem anderen Lande der Welt, so daß wir gerade aus diesem Grunde etwas Besonderes für den Straßenbau tun müssen? Hat es nicht wenig Sinn, andere Länder zum Vergleich heranzuziehen, bei denen die Dichte des Verkehrs bei weitem nicht so groß ist wie in der Bundesrepublik?
Ich glaube, Herr Kollege Dr. Bleiß, daß mir das
nicht nur bekannt ist, sondern daß ich derjenige gewesen bin, der diese Relationen und Zahlen erstmalig hat ermitteln und veröffentlichen lassen. Gerade ich habe — und das wissen Sie von früheren Auseinandersetzungen — immer besonders auf die Dichte des Verkehrs und ihre Bedeutung für die Unfallgefahren auf der Straße, aber auch mit Bezug auf den Straßenbau hingewiesen. Da man Länder wie Belgien und die Niederlande bezüglich der Dichte .des Verkehrs mit weiten Gebieten Deutschlands gleichstellen kann, kommen Sie, wenn Sie das Gesamtgebiet der Bundesrepublik zugrunde legen, zu Zahlen, die z. B. denen des Gesamtgebiets von Belgien in etwa entsprechen. Alle diese Vergleiche haben ihre besondere Bedeutung.
Ich wollte gerade noch einmal darauf hinweisen, daß sich in den rund 4000 km neu gebauter Straßen 100 Ortsumgehungen befinden, daß 1340 Brücken und Bauwerke erstellt, 58 niveaugleiche Schienenübergänge beseitigt und .außerdem 1360 km Radwege neu angelegt worden sind. Das sind Zahlen, die Sie in den anderen europäischen Ländern nicht ohne weiteres finden, auch nicht vergleichsweise.
Trotzdem ist der Straßenbau — ich greife da eine Bemerkung von Ihnen, Herr Kollege Dr. Bleiß, auf — nicht nur etwa unter dem 'Gesichtspunkt der weiteren Unfallverhütung notwendig, sondern vor allem deshalb, weil die weitere Motorisierung in Deutschland nur dann fortschreiten kann, wenn auch der entsprechende Raum auf den Straßen dafür geschaffen wird. Infolgedessen ist der Straßenbau auf der einen Seite eine eminent soziale und auf der anderen Seite eine eminent wirtschaftliche Notwendigkeit; ,durch ihn können wir alle möglichen, ungeahnten und vorteilhaften Entwicklungen in der Gesamtwirtschaft anregen und fördern. Deswegen bekennen wir uns ja auch mit großem Nachdruck zu der Durchführung unseres Straßenbauplanes und der ergänzenden Pläne der Länder und Gemeinden.
Wir hoffen, daß es möglich ist, in den kommenden Jahren weiter erhöhte Mittel für den Straßenbau zur Verfügung zu stellen. Ob es wirklich möglich ist. kann natürlich erst die Zukunft erweisen. Es scheint mir etwas abwegig, daß in dieser Hinsicht gern so gerechnet wird, wie es ein Privatmann tut, der ,die von ihm in den nächsten Jahren zu tätigenden Ausgaben mit der sicheren Voraussicht plant, daß er eine Gehaltserhöhung bekommt, die keineswegs sicher ist. Man sollte so Finanzierungspläne nicht aufstellen, sondern sie auf sichere Einnahmen abstellen und dabei von dem zunächst sicher Erreichbaren ausgehen.
Nun ist von dem Herrn Abgeordneten MüllerHermann darauf hingewiesen worden, daß wir Schwierigkeiten haben, die uns zur Verfügung gestellten Mittel zweckmäßig und richtig auszugeben. Er hat gemeint, der Bundesminister für Verkehr müsse gemahnt werden, stärker darauf hinzuwirken, daß bei ihm und bei den Ländern die Planungs- und Überwachungsarbeiten durch entsprechende Personaleinstellungen gefördert werden. Herr Abgeordneter Müller-Hermann, ich darf erwidern, daß wir gerade in den letzten Jahren in dieser Hinsicht unsere Bemühungen erheblich verstärkt haben und .auf Grund der Ergebnisse und in Verbindung mit den Ländern zu der von mir wiederholt vorgetragenen Auffassung gelangt sind, daß wir im Straßenbau des Bundes ein Volumen von 1,5 Milliarden DM im Jahre zu verbauen in der Lage sind. Sie haben darauf hingewiesen, daß sich
im vorigen Jahre ein Rest von 90 Millionen DM ergeben habe. Dazu darf ich bemerken, daß man bei all diesen großen fortlaufenden Investitionen praktisch zu jedem beliebigen Zeitpunkt einen Rest feststellen wird, weil sich natürlich nicht alle diese Baumaßnahmen nach der Uhr abwickeln lassen. Sie werden das auch bestätigt finden, wenn in einer großen Fabrik oder auf einer Werft oder im Schiffbau große Investitionen getätigt werden.
Aber ich bitte doch folgendes zu beachten: Einmal ist dieser kritisierte Rest im Vergleich zum Gesamtvolumen wirklich nicht so bedeutend. Zweitens ist er nicht so sehr — das muß ich unterstreichen — aus einem etwa vorhandenen oder nachzuweisenden Personalmangel beim Bund und bei den Ländern entstanden, sondern solche Reste entstehen vor allen Dingen aus den oftmals außerordentlich großen Schwierigkeiten, die sich bei den Planfeststellungsverfahren auf der örtlichen, d. h. auf der kommunalen Ebene ergeben. Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen: Wir bauen gegenwärtig die Bundesstraße 42 am jenseitigen Ufer des Rheins aus. Wenn ich nicht diese Schwierigkeiten von der kommunalen Seite gehabt hätte, dann würde hier nicht ein Ausgaberest von 5 Millionen DM entstanden sein. Er ist tatsächlich dadurch entstanden, daß die Einigung zwischen den Landesbehörden und den kommunalen Behörden auf so viele Schwierigkeiten gestoßen ist. Genau das gleiche kann man für eine ganze Reihe von anderen Bauvorhaben sagen, z. B. für die Ortsdurchfahrt Bonn. Es ist also für den Straßenbau außerordentlich wichtig, daß die Frage gelöst wird, wie man die Planfeststellungsverfahren erleichtern und beschleunigen könnte. Aber in einem Rechtsstaat — und wir sind ja Gott sei Dank in einem Rechtsstaat — müssen wir diese Schwierigkeiten zur Sicherung der Interessen des einzelnen in Kauf nehmen, auch wenn wir diesen einzelnen letzten Endes dazu veranlassen müssen, daß er seine Wünsche dem Gesamtinteresse unterordnet. Ich habe in diesen Jahren soviel Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt, daß ich wirklich sagen kann: die Klemmungen entstehen weit mehr in diesem Bereich als durch mangelnde Planungs- und Überwachungstätigkeiten der Behörden. Wir würden diese Klemmungen auch nicht überwinden können, wenn wir noch so viele zusätzliche Beamtenstellen in den entsprechenden Etats einsetzen könnten; denn das sind Probleme, deren Schwierigkeiten sich aus der Natur der Sache ergeben.
Deswegen bitte ich. nicht so sehr auf diese Reste zu sehen, sondern einmal diese andere Seite der Medaille auch zu betrachten. Im Laufe eines längeren Zeitraums als es ein Jahr ist werden sich diese Schwierigkeiten von selbst ausgleichen. Wenn es möglich ist — es ist jetzt erstmalig im Haushalt vorgesehen —, einen besseren Ausgleich zwischen den einzelnen Objekten und eine Übertragung der Mittel durchzuführen. dann werden wir auch erreichen können. daß diese Reste bei jährlicher Betrachtung allmählich geringer werden.
Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß ich damit zu einigen Punkten. die hier angeschnitten worden sind, Hinreichendes gesagt habe. Man kann wohl feststellen, daß unsere Arbeit in der Verkehrspolitik dazu geführt hat, daß sich die Verkehrsträger und der Verkehr in seiner Beziehung zur Wirtschaft gesund und gut entwikkelt haben. Damit sagt man nicht zuviel.
2. Deutscher Bundestag— 2.10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Mai 1957 12189
Es ist heute noch ein Spezialproblem von Herrn Abgeordneten Rademacher angesprochen und zwar das der Wiederaufbaudarlehen für die Passagierschiffahrt. Ich darf dazu folgendes sagen: Es ist nicht zutreffend, wie er glaubt, daß in den Schuhladen bestimmter Reedereien Projekte für Passagierschiffe fix und fertig vorliegen; denn uns sind diese Projekte 'niemals in der notwendigen Vollständigkeit vorgelegt worden. Es ist den Reedern genau wie dem Hohen Hause bekannt, daß für die Erlangung von Wiederaufbaudarlehen seit 1950 bestimmte Voraussetzungen festgelegt sind. Es muß nämlich ein förderungswürdiges, vollständig durchkonstruiertes — auch in der Finanzierung geklärtes — Objekt vorgelegt werden. Es muß auch die Rentabilität nachgewiesen werden; denn diese Wiederaufbaudarlehen sollen doch verzinst und einmal zurückgezahlt werden. Schließlich muß man im Zusammenhang hiermit auch ,die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, das diesen Verkehr betreiben will, darlegen. Das sind die Voraussetzungen, um Wiederaufbaudarlehen nach dem Gesetz erhalten zu können. Diese Voraussetzungen hat man uns bisher nicht nachweisen können. Solange sie nicht nachgewiesen werden können, sind wir zu unserem Bedauern, wie ich sagen muß, nicht in der Lage, diese Projekte so zu fördern, wie wir es möchten. Ich habe immer den Standpunkt vertreten: förderungswürdige Projekte zum Aufbau einer Passagierschiffahrt werden von uns unterstützt, und zwar auch in Zukunft. Aber die Pläne vorzulegen und die Förderungswürdigkeit nachzuweisen ist nicht eine Aufgabe der Bundesregierung oder des Bundesministers für Verkehr, sondern eine Aufgabe derjenigen, die diese Schiffe erstellen und in Fährt halten wollen.
Ich darf in diesem Zusamenhang noch ganz kurz auf einen Punkt eingehen, der den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 1056 *) Ziffer 4 betrifft. Ich darf den Herren Antragstellern sagen, daß mir der Herr Bundesminister der Finanzen in der Zwischenzeit die 100 Millionen DM aus dem außerordentlichen Haushalt fest zugesagt hat, so daß ich darüber bereits verfügen kann. Der Antrag unter Ziffer 4 dürfte damit also überholt sein. Es dürfte infolgedessen nicht mehr nötig sein, sich in dieser Frage zu bemühen.
Die anderen Anträge dieser Drucksache betreffen leider keine Angelegenheiten, für die ich mich besonders einzusetzen in der Lage bin. Soweit nach Ziffer 3 die alte Regierungsvorlage wiederhergestellt werden soll, habe ich nichts dagegen einzuwenden. Hinsichtlich der anderen Ziffern, also der Ziffern 1, 2 und 5, die über die Regierungsvorlage hinausgehen, muß ich aber bitten, es bei der Regierungsvorlage zu belassen, weil sonst das ganze Gebäude ins Schwanken kommt. Bedenken Sie bitte, welche Schwierigkeiten dies gerade für den Haushalt des Bundesministers für Verkehr bedeutet. Sie wissen, daß zum Ausgleich des Bundeshaushalts eine generelle Kürzung notwendig ist und daß diese natürlich nicht die laufenden Ausgaben treffen kann, sondern in erster Linie die Investitionsausgaben trifft. Diese Kürzungen treffen also in erster Linie empfindlich meinen Haushalt. Soweit sie jetzt vorgesehen sind, entziehen sie mir insgesamt 87 Millionen DM, und diese Kürzungen verteilen sich natürlich in erster Linie auf die Mittel, die für die Bundesbahn , für den Stra-
*) Siehe Anlage 7
ßenbau und für den Waserstraßenbau (15 %) vorgesehen sind. Das ist höchst bedauerlich. Aber letzten Endes kann ein Ressort nicht nur an sich selbst denken, sondern hat die Verpflichtung, auch an das Ganze zu denken. Die Leistungen, die erwartet werden und deren Ausbleiben getadelt wird, können natürlich nicht erbracht werden, wenn die Mittel dafür nicht gegeben werden; das mag für mich sehr bedrückend sein. Ich muß daher bitten, dafür Verständnis zu haben, daß sich der Verkehrshaushalt in den ganzen Haushaltsplan einzuordnen hat und kein Eigenleben führen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesverkehrsminister hat uns soeben die erfreuliche Mitteilung gemacht, der Herr Bundesfinanzminister habe für das auch in unserem Antrag Umdruck 1056 *) Ziffer 4 angesprochene Anliegen 100 Millionen DM zugesichert. Ich würde mich freuen, wenn der Herr Bundesfinanzminister das noch bestätigen würde. Ich glaube, um so leichter würde dann dem Hohen Hause die Entscheidung fallen. durch die Annahme des Antrages auch den Willen des Parlaments zu bekunden.
Ich möchte mich zunächst mit einigen in der Debatte aufgeworfenen Fragen auseinandersetzen. Eine erhebliche Rolle hat ,das Problem der Ursachen der Unfälle gespielt. Ich glaube, die Wahrheit liegt hier in der Mitte zwischen den Auffassungen der beiden ,gegenüberstehenden Seiten. Wir wissen. daß es rüde und unvorsichtige und unverantwortlich handelnde Fahrer gibt. Wir wissen aber auch, daß ein 'erheblicher Teil der Unfälle durch Idas Verhalten der Fahrer auf unbrauchbaren Straßen zustande gekommen ist. Ein Überholen kann schon dann ohne weiteres zu einer Unfallgefahr werden, wenn die Straße den normalsten Bedingungen nicht entspricht. Ich glaube, man wird, wenn man die Dinge bei Licht besieht, anerkennen müssen, daß die Ursachen nicht nur auf einer Seite — weder nur auf der Seite ,der Straßen noch nur auf der Seite der Fahrer — liegen.
Herr Kollege Dr. Vogel hat in bezug auf die Gemeinden eine mich sehr sympathisch berührende Bemerkung gemacht. Wir müssen uns einig werden, daß die Fortführung des bisherigen Systems, allein im Rahmen des Haushalts und der Gesetzgebung für die Ortsdurchfahrten etwas zu tun, auf die Dauer keinen Ausweg darstellt. Wir haben große Verkehrsstraßen in vielen Gemeinden, wir haben Parallelstraßen zu den Ortsdurchfahrten. Wir sehen, daß dort, wo das Gesetz die Kreise als Träger des Straßenwesens zu Leistungen verpflichtet, oftmals eine Leistungsunfähigkeit vorhanden ist, die erschütternd ist. Ich will Sie nicht mit Zahlenbeispielen langweilen, sondern lediglich feststellen, daß viele Gemeinden und viele Kreise einfach unfähig sind, ihr Straßensystem zu verbessern.
Herr Kollege Krammig sprach die Frage der zweckgebundenen Bereitstellung von Mitteln an. Lieber Herr Kollege Krammig, ich bin mit dem Herrn Kollegen Müller-Hermann der Auffassung, daß wir bei dieser Gelegenheit keinen Streit über
*) Siehe Anlage 7
eine Theorie durchführensollten. Ich darf Sie aber in aller Freundschaft darauf hinweisen, daß Sie und Ihre Fraktion jedes Jahr bei der Haushaltsberatung der Zweckbindung von Mitteln in einem weit größeren Ausmaß zustimmen, als es bei den Straßen der Fall ist.
- Darf ich Ihnen sagen und in Erinnerung rufen, daß Sie heute noch beim Einzelplan 14 einer Zweckbindung von 9 Milliarden zustimmen werden, die unverändert von Ihnen verlangt werden. wobei sogar Ersparnisse nicht dem allgemeinen Haushalt zugute kommen.
Sie binden 9 Milliarden in einem einzigen Haushalt, und dann regen Sie sich darüber auf, wenn eine Zweckbindung verlangt wird, die, Herr Kollege Krammig, doch überhaupt nur deshalb verlangt wurde, weil eben auf dem Gebiete des Straßenwesens die Mittel, die unbedingt notwendig gewesen wären, durch den Herrn Bundesfinanzminister und durch die Koalitionsparteien nicht bereitgestellt worden sind. Daraus allein erklärt sich die ganze Situation.
Das sehr schöne Straßenbauprogramm des verehrten Herrn Bundesverkehrsministers — allen Respekt! Nur, im Leben des 2. Deutschen Bundestages ist es jetzt fünf Minuten vor Zwölf, und der Herr Bundesverkehrsminister sitzt seit acht Jahren auf diesem Platz, und seit acht Jahren ist es die ,gleiche Bundesregierung, von Kleinigkeiten und Änderungen in der Besetzung einzelner Ressorts abgesehen. Seit acht Jahren warten wir nun eigentlich auf wirkliche Leistungen lauf Grund einer großzügigen Planung.
Ich anerkenne durchaus. was geschehen ist. und ich weiß, daß in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiete des Straßenwesens etwas geschehen ist. Ich weiß auch um die Steigerung des Anteils des Straßenwesens im Rahmen des ganzen Verkehrshaushalts. Es ist vielleicht nützlich. Ihnen da ein paar Zahlen zu nennen. Im Jahre 1954 wurden heim Einzelplan 12 24 % der Mittel von den Straßen in Anspruch genommen. 1955 33 %, 1956 rund 44 % und 1957 rund 54 %. Aber das allein ist kein Beweis dafür. daß genügend geschehen ist.
Mein Kollege Dr. Bleiß hat ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, heute morgen einen Vorwurf gemacht. Ich schätze Ihre Arbeit durchaus; aber ich muß diesen Vorwurf auch von mir aus unterstreichen. Sie geben dem Herrn Bundesfinanzminister in seiner anerkannten Härte und auch seinen Räten, seinen sehr harten Räten. zuviel nach, Herr Bundesverkehrsminister. Der Herr Bundesfinanzminister ist auf anderen Gebieten als auf dem Gebiete des Straßenwesens und des Verkehrswesens im ganzen sehr viel entgegenkommender. Ich glaube nicht, Herr Bundesfinanzminister, daß Ihnen ,die deutsche Öffentlichkeit auf die Dauer dafür Dank wissen wird. Ich komme nachher noch kurz darauf zurück.
Im letzten Teil seiner Ausführungen hat der Herr Bundesverkehrsminister von dem Planfeststellungsverfahren gesprochen. Ich habe mir diese
Frage bereits notiert. Es kommt wohl darauf an, Herr Verkehrsminister, von welchem Standpunkt aus man das Planfeststellungsverfahren und seine Durchführung sieht: von oben, von unten oder vom Parterre aus. Ich kann Ihnen versichern, daß das Planfeststellungsverfahren bei entsprechendem Druck der Bundesregierung und der Länderregierungen durch die damit betrauten Behörden erheblich beschleunigt werden kann.
Ich glaube, die Aufgabe wäre des Schweißes des Bundesverkehrsministers wert, sich um die Beschleunigung des Planfeststellungsverfahrens zu kümmern.
Nun liegt ihnen, meine Damen und Herren, der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1056 *) vor, in dessen Ziffer 1 gefordert wird, in Tit. 101 den Ansatz von 5 720 900 DM um 87 500 DM für einige dort angeführte Planstellen auf 5 808 400 DM zu erhöhen. Dankenswerterweise hat Herr Kollege Müller-Hermann darauf hingewiesen, ,daß heute bei den Länderstraßenverwaltungen rund 2000 Beamte und Angestellte fehlen. Das wirkt sich naturgemäß — und jeder, der sich mit den Dingen befaßt, erkennt das ohne weiteres — auf die Beanspruchung der Straßenbauabteilung im Bundesverkehrsministerium aus. Diese Straßenbauabteilung im Verkehrsministerium wird durch die Gebietsreferate draußen in der Bundesrepublik in einem immer steigenden Ausmaß beansprucht. Die Aufgaben wachsen an sich, die Vermehrung der Autobahnen bewirkt eine weitere Belastung, die Vermehrung der Mittel, die notwendig sind — und die erfreulicherweise in diesem Jahre etwas besser fließen, wenn der Herr Bundesfinanzminister Wort hält -. bringt ,auch &ne Vergrößerung der Arbeitslast. Aber nicht in gleicher Weise stehen die Kräfte, vor allem die beamteten Kräfte, zur Verfügung; im Gegensatz zu gewissen anderen Abteilungen auch im Bereich des Bundesverkehrsministeriums Wer als wirklich qualifizierte Kraft bereit ist, in den Bundesdienst zu treten, kann bei der großen Zahl der Stellenofferten heute nur dann gewonnen werden. wenn für ihm — da ihm ja auch sonst nur eine normale Bezahlung nach der TO.A. winkt — eine Beamtenstelle bereitsteht
Daher haben wir vorgeschlagen, noch fünf weitere Stellen zu bewilligen. Es liegt im Interesse des deutschen Straßenwesens. das zu tun. Zu Recht unterhalten wir uns hier über die Sorgenbezüglich ,der Unfallgefahren. Wenn wir an den Zahlen sehen, wie die Unfälle zunehmen. und wenn wir anerkennen müssen. daß ein Teil der Unfallschuld auf schlechte Straßen entfällt. dann haben wir die Verpflichtung, auch die nötigen Kräfte bereitzustellen. Alle Deklamationen über das. was auch Sie von den Regierungsparteien mit Recht gesagt haben, wären leer und hohl, wenn Sie nicht bereit wären, die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Ich freue mich, daß ich den Herrn Bundesfinanzminister wieder auf seinem Platze sehe. Ich wollte einiges sagen in der Hoffnung, daß er darauf eingeht. Ich habe schon bei der Beratung im Haushaltsausschuß darauf hingewiesen, daß durch die sogenannte Ergänzungsliste erhebliche Kürzungen im Bereich des Einzelplans 12, Bundesverkehrsministerium, eingetreten sind, weil eine Verlagerung der Mittel vorgenommen wurde. Jahresan-
*) Siehe Anlage 7
teile für die Durchführung von bereits laufenden Bauvorhaben wurden gekürzt, und andere Titel wurden dem Haushalt angelastet, für die vorher anderswo Mittel bereitstanden. Ich darf daran erinnern, daß für die Aufwendungen, die die Bundesregierung doch hat kommen sehen und nach allen Grundsätzen eines Voranschlages hätte berücksichtigen müssen, nämlich für die Aufwendungen anläßlich der Rückgliederung der Saar von der Bundesregierung im ursprünglichen Haushaltsentwurf nicht ein Pfennig vorgesehen worden ist. Dann hat man Verlagerungen vorgenommen. Man hat einen Teil der Aufwendungen für die Saar aus ERP-Mitteln dirigiert und einen Teil in den Haushalt genommen. Diese Aufwendungen für die Saar, die also nachträglich kamen mußten irgendwo eingespart werden. Das Ergebnis ist zunächst einmal. daß der Haushaltseinzelplan 12, der hier zur Beratung steht, durch die Maßnahmen des Herrn Bundesfinanzministers belastet worden ist durch die Unterbringung von großen Ausgaben zugunsten der Lufthansa, die vorher 'aus ERP-Mitteln bestritten werden sollten. Auch sind noch nachträglich für Straßen an der Saar Ausgaben in den Haushalt eingestellt worden. die auch zu einer Kürzung bereits vorhandener Etatansätze geführt haben. Daß man über eine solche Entwicklung nicht glücklich sein kann, versteht sich am Rande.
Nun etwas anderes. Ich las dieser Tage im Bulletin einen Artikel unter der Überschrift ,,Europastraßen — Die Bundesregierung tritt der Erklärung der Vereinten Nationen bei". Da hieß es: „Die Bundesregierung hat beschlossen. der Erklärung der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen über den Bau internationaler Hauptverkehrsstraßen beizutreten." Sie sollen also „Europastraßen" genannt werden. Man erinnert an die Bemühungen seit 1950 und man stellt zu Recht fest, daß das, was an Autobahnen in der Bundesrepublik bereits besteht, als Teilstrecken dieser ,,Europastraßen" zu betrachten sei. Wirklich ist es scn. Das Straßensystem der großen Fernstraßen ist
unzweifelhaft eine europäische Aufgabe geworden und kann nur vorn gesamteuropäischen Standpunkt aus wirklich gelöst werden. Es ist hier im großen wie im kleinen. Wenn ich daran denke. wie schön es ist, mit einem guten Fahrzeug auf einer guten Autobahn zu rollen und dann noch den 'guten Ausgang zu benutzen. um schließlich auf eine Kreisstraße zu geraten, auf der sich Loch an Loch reiht, dann weiß ich: da stimmt etwas nicht; da ist etwas krank.
— Herr Kollege, darf ich Sie einladen, einmal in den Odenwald zu kommen. Sie haben ja die Möglichkeit, einmal dahinzukommen. Ich will Ihnen gerne einmal ein paar Straßen nennen. Ich könnte auch einen Fachausdruck zur Charakterisierung dieser Straßen nennen; das will ich aber unter vier Augen tun.
Der Ausbauplan und seine drohende ungenügende Finanzierung zwingen erst recht dazu, die Lösung in einem größeren Rahmen zu suchen. Da bezweifle ich nach all den Vorgängen, die dem Herrn Bundesverkehrsminister besser als mir bekannt sind, daß er wirklich, nachdem hier in der Bundesrepublik schon realisierbare Planungen vorliegen und anderswo schöne Striche auf dem Papier als Straßenplanung gezogen sind, ohne daß eine
*) Siehe Anlage 5
Ausarbeitung des Plans im einzelnen erfolgt ist, daran glaubt, mit dem System des Beitritts zu den Vorschlägen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen zu Europastraßen innerhalb der Bundesrepublik zu kommen. Meine Damen und Herren, ich hatte eine Hoffnung; aber diese Hoffnung trügt bis heute. Wir haben in der nächsten Zeit — augenblicklich laufen die Beratungen des dazu bestellten Sonderausschusses — die Frage des Gemeinsamen Marktes, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hier zu behandeln. Ich will diesen Verhandlungen in keiner Weise vorgreifen, aber zur Illustration dessen, auf was es im Zusammenhang mit einer Entwicklung eines europäischen Verkehrs- und Straßensystems ankommt, doch darauf hinweisen, daß bei der Vorbereitung und bei der Notifizierung des Vertrages betreffend den Gemeinsamen Markt in bezug auf Straßen nichts, aber auch gar nichts geschehen ist und nichts vorgesehen wurde.
— Alles offen? Verzeihen Sie! Ich darf Ihnen sagen, daß es im Zweiten Teil Titel IV Art. 74 des Vertrags heißt, daß auf dem in diesem Titel geregelten Sachgebiet die Mitgliedstaaten die Ziele dieses Vertrags im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik verfolgen. Das kommt mir ungefähr vor wie eine Police einer Lebensversicherung oder eine sonstige Police mit einer wunderbaren ersten Seite, über die sich jemand freut. Aber wenn er dann die zweite, dritte und vierte Seite mit dem Kleingedruckten nachliest, dann kann er graue Haare oder eine Glatze bekommen ob der Erkenntnis, die sich ihm beim Studium des Kleingedruckten aufdrängt.
Wir müssen mit dem Straßenproblem in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mehr ernst machen, als es bis jetzt geschehen ist. Wir brauchen nicht das Gespräch im Rahmen der UN, wir brauchen das Gespräch im Rahmen Europas. Ich weiß, die sechs Staaten, die jetzt zunächst einmal diese europäische Gemeinschaft bilden, genügen nicht. Aber sie können der Kern einer Entwicklung sein. In dem Vertrag ist ein Instrument vorgesehen, dessen Nutzung für diesen Zweck sehr wertvoll sein würde. Ich meine die in Art. 129 ff. des Vertrags vorgesehene Europäische Investitionsbank. Es ist die Aufgabe dieser Bank, Vorhaben von gemeinsamem Interesse für mehrere Mitgliedstaaten durch Darlehen und Bürgschaften zu finanzieren sowie Vorhaben, die wegen ihres Umfangs oder ihrer Art mit den in den einzelnen Mitgliedstaaten vorhandenen Mitteln nicht vollständig finanziert werden können.
Meine Damen und Herren, wie ernst die Frage ist. um die es sich handelt. und wie sehr die Bevölkerung von der Not der Straßen beeindruckt ist. beweist eine Schrift, die mir auf den Tisch geflogen ist:
Bremerhaven. den 29. April 1957. Postamt 1.
Postfach. Sonderaktion SOS für Bundesstraßen.
Da wird gesagt:
Unser Vorhaben geht dahin, nach entsprechender Werbung im gesamten Bundesgebiet Straßenbausteine an sämtliche Verkehrsteilnehmer zu verkaufen, um mit dem Erlös aus dieser Aktion unseren Straßenzustand zu verbessern.
Das ist also eine rein private Initiative. Meine Damen und Herren, wir sind schon weit gekommen, wenn die Verkehrsteilnehmer — nicht nur die Fahrer, sondern auch die Fußgänger — SOS-Rufe ausstoßen und eine Organisation schaffen wollen, um Bausteine an die Verkehrsteilnehmer abzusetzen und mit dem Geld den Straßenzustand zu verbessern, was doch allein Aufgabe des Bundes, der Länder und der Gemeinden, soweit deren Kompetenz gegeben ist, zu sein hat.
Es ist unverkennbar — damit möchte ich zum Schluß kommen —, daß in der Entwicklung des Anteils des Straßenhaushalts am Gesamthaushalt des Bundes eine Aufwärtsentwicklung vorliegt, so wie im Rahmen des Einzelplans 12 selbst eine Steigerung der Aufwendungen für die Straßen vorhanden ist. Im Jahre 1954 waren für Straßen 1,16 % des Gesamthaushaltes vorgesehen, 1955 1,45 %, 1956 1,98 N. Im Jahre 1957 werden es, wenn alle Brünnlein fließen, 2,73 % sein.
Zunächst habe ich aber noch Zweifel, ob die Quellen so fließen. Ich wäre daher sehr glücklich, wenn Sie trotz der Erklärung des Herrn Bundesverkehrsministers unserem gutgemeinten Antrag zustimmen wollten. Aber ob nun der Anteil der Aufwendungen für die Straßen 1,16 oder 2,73 % des gesamten Bundeshaushalts ausmacht, in jedem Fall sind angesichts der Bedeutung unseres Straßenwesens diese Aufwendungen wie auch die übrigen Aufwendungen des Verkehrshaushalts — vergleichen Sie einmal damit den Anteil des Einzelplans 14 am Gesamtvolumen des Bundeshaushalts! — zu gering. — Trotz allem, was bis jetzt durch das gemeinsame Bemühen des Hauses oder einzelner Fraktionen und einzelner Sachbearbeiter des Ministeriums geschehen ist, sind diese Aufwendungen ungenügend. Und Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, möchte ich im Hinblick auf Ihr Verhalten dem Bundesfinanzminister gegenüber in Abwandlung eines Satzes, der auf einen hessischen Landgrafen gemünzt war, zurufen: Bundesverkehrsminister, werde hart!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde keine Minute sprechen. Ich will bloß eine Berichtigung zu der .,Berichtigung" des Herrn Bundesverkehrsministers vornehmen. Die Bundesbahn erhält aus dem Haushalt 1957 an gestundeter Beförderungsteuer 330 Millionen DM, für betriebsfremde Lasten 200 Millionen DM, als Liquiditätshilfe 500 Millionen DM, aus dem Verkehrsfinanzgesetz 145 Millionen DM, als Erstattung der Ausgleichzinsen 40 Millionen DM, an Investitionsdarlehen 100 Millionen DM, summa summarum 1,315 Milliarden DM. Dazu — Herr Minister, das hatten Sie vergessen — kommen 276 Millionen DM, die aus Schönheitsgründen rückwirkend für das Haushaltsjahr 1956 gebucht sind. Insgesamt beläuft sich also der Betrag auf 1,591 Milliarden DM.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf ein Wort zu dem Antrag der SPD*) auf Stellenvermehrung sagen und
*) Siehe Anlage 7
zunächst darauf hinweisen, daß die Dienstbezüge der Beamten und Angestellten im Verkehrsministerium jetzt eine Gesamtsumme von nahezu 10 Millionen DM im Jahre ausmachen. Gegenüber dem Vorjahre ist das eine Steigerung von insgesamt 1,3 Millionen DM. In dieser Erhöhung der Personalbezüge im Ministerium um etwa 1,3 Millionen DM liegt auch eingeschlossen die Neuschaf-lung von drei Beamtenstellen und etwa 40 Angestelltenstellen, die im Jahr ein Mehr von etwa 600 000 DM an Personalkosten bringen wird.
Unter den neugeschaffenen Beamtenstellen befinden sich drei Beamtenstellen für die Straßenverwaltung, nämlich ein Oberbaurat und zwei Regierungsbauräte, sowie 7 Angestelltenstellen in der Gruppe bis zum Regierungsrat. Insgesamt stehen also im Ministerium für den Straßenbau 10 neue Kräfte ,aus dem höheren Dienst zur Verfügung. Dazu kommen weitere acht Angestellte, die in die nachfolgenden Tarifgruppen eingruppiert sind. insgesamt sind für die Zwecke des Straßenbauwesens im Ministerium also 18 Personen mehr tätig als im Jahre 1956.
Diese Zahlen sprechen für sich und bedürfen keiner weiteren Erläuterung. Der Herr Verkehrsminister hat bereits darauf aufmerksam gemacht, daß die Bundesstraßenverwaltung, die ja nur in der Zentralinstanz besteht — im übrigen ist die Straßenverwaltung bekanntlich Ländersache —, in der Lage sei, ein Bauvolumen von 1,5 Milliarden DM zu verkraften. Ein solches Bauvolumen haben wir aber in dem jetzt vorliegenden Etat gar nicht einmal, sondern ein Bauvolumen von etwa 1,2 Milliarden DM.
Unter all diesen Umständen verstehe ich nicht recht, aus welchen Gründen die SPD den Antrag stellen kann, für das Straßenbauwesen im Ministerium fünf weitere neue Stellen din Etat 1957 zu schaffen. Ich halte es sachlich nicht für gerechtfertigt, einen solchen Antrag neben den bereits vorgesehenen 18 neuen Stellen vorzutragen.
Darüber hinaus bin ich der Auffassung, daß wir derartige Einzelfragen wie diese, ob über die Regierungsvorlage hinaus in einem Ministerium neue Stellen geschaffen werden sollen oder nicht, nicht ohne vorherige Beratung im Haushaltsausschuß im Plenum behandeln sollten. Wenn wir in die Übung eintreten wollten, Stellenvermehrungen in den Stellenplänen der Ministerien hier zunächst vor dem Plenum des Parlaments zu erörtern, würden wir der Sache einen schlechten Dienst erweisen. Diese Gegenstände eignen sich nicht zur ersten Erörterung in einem so breiten Kreis; sie sind sehr diffizil. Ich sage sicher nicht zuviel, wenn ich hervorhebe, daß es schon im Haushaltsausschuß seine Schwierigkeiten hat, sich ein eigenes Urteil darüber zu bilden, ob die beantragten Stellenvermehrungen — Stellenverminderungen kommen kaum vor — begründet und berechtigt sind oder nicht. Das ist schon im Haushaltsausschuß eine schwierige Frage, deren Beantwortung einige Praxis und Erfahrung und auch Vergleichsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Einzelplänen voraussetzt. Eine solche Angelegenheit eignet sich deshalb nicht zu einer ersten Debatte hier im Plenum.
Wir sollten weder hier noch bei anderen Einzelplänen den Weg beschreiten, derartige Einzelstellenvermehrungen hier im Plenum —unvorbereitet durch den Haushaltsausschuß — zur Debatte zu stellen.
Meine Freunde und ich werden daher den Antrag der SPD auf Umdruck 1056 *) Ziffer 1 ablehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag Umdruck 1056 bezüglich Kap. 12 01 brauche ich nicht mehr zu sprechen. Ich kann den Ausführungen des Herrn Vorredners völlig beitreten.
Zu den Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Ritzel möchte ich sagen: Er wünscht von mir die Erklärung, ob auch der Bundesfinanzminister bereit ist, entsprechend ,der Erklärung des Herrn Bundesverkehrsministers in dem Außerordentlichen Haushalt eine Summe von wenigstens 100 Millionen DM für die Zwecke 'des Straßenbaus, insbesondere Autobahnen, in diesem Jahr zur Verfügung zu stellen. Der Bundesminister der Finanzen ist dazu 'bereit 'und ist der Hoffnung und Überzeugung, daß er dieses Versprechen auch einhalten kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist verständlich, daß der Herr Bundesverkehrsminister versucht, die Kritiken, die auf ihn zugekommen sind, zu widerlegen. Aber wenn es so weit geht, daß er uns darstellen möchte, auf dem Gebiet Schiene und Straße befänden wir uns geradezu in einem paradiesischen Zustand, dann ist es, glaube ich, doch nötig, daß dazu noch einige Worte sagt.
— Doch; er hat gesagt, es sei alles in bester Ordnung, die Wirtschaft könne großartig bedient werden. — Unsere Kritik ging ja in eine ganz andere Richtung; unsere Frage ging dahin: Wie ist es beispielsweise mit der von uns allen gewünschten Gesundung der Deutschen Bundesbahn? Offenbar bin ich dann in meiner Mitarbeit im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn taub. Ich sehe die Blicke des Herrn Präsidenten des Verwaltungsrats auf mich gerichtet; er wird mir sicher zustimmen, wenn ich sage: wir haben sehr große Sorgen in bezug auf die weitere Entwicklung der Deutschen Bundesbahn, und der Herr Minister hat sie Gott sei Dank auch. Aber es darf hier nicht der Eindruck erweckt werden, daß wir auf dem Wege zur Behebung aller Schwierigkeiten seien. Ganz im Gegenteil! Alles, was die Bundesbahn und ihre Entwicklung betrifft, macht uns nach wie vor die allergrößten Sorgen. Ich darf nur an die Zahlen erinnern, die hier heute morgen — nicht nur von mir — vorgetragen worden sind. Auf dem Gebiet also scheine ich nach den Ausführungen des Herrn Bundesministers etwas taub gewesen zu sein.
Um bei solchen Beispielen zu bleiben: bei meinen Fahrten über das deutsche Straßennetz und über die Grenzen hinaus bin ich demnach wahr-
*) Siehe Anlage 7
scheinlich etwas blind. Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen allen und nicht zuletzt auch dem Herrn Bundesverkehrsminister, sich, wenn Sie bei Basel oder von Tondern her oder von Holland her über die Grenze kommen, einmal selber von dem gewaltigen Unterschied zwischen den Straßennetzen zu überzeugen. Wenn man allerdings nur auf das Vorhandensein eines ausgezeichneten Autobahnnetzes abstellt, kommt das Ausland natürlich sehr schlecht weg. Aber im Ausland ist man eben einen anderen Weg gegangen; dort hat man sich von vornherein ein gutes allgemeines Straßennetz aufgebaut, bei dem sogar die Nebenstraßen in vielen Fällen unseren Bundesstraßen und Landstraßen erster Ordnung entsprechen. Darauf wollten wir doch hinweisen.
Ich finde es auch zu billig, wenn man sagt, wir haben soundso viel Prozent im Verhältnis zum Ausland noch investiert. Es ist schon von einem meiner Vorredner mit Recht gesagt worden: es kommt auf die Intensität des Verkehrs, auf die Stärke des Verkehrs an. Und vergessen Sie bitte nicht, daß wir außerdem in Europa das stärkste Transitland sind. — Alles das spielt eine Rolle.
Nicht zuletzt, meine Damen und Herren, spielt es eine Rolle, was Vater Staat vom Verkehrsnutzer einzieht. Darüber streiten wir uns ja schon jahrelang herum. Wir wissen doch, daß man, wenn man Einnahmen und Ausgaben vergleicht, zu dem Ergebnis gelangt, daß — über den Daumen gepeilt — der Bund seit 1949 6000 Millionen DM aus den vom Straßenverkehr aufgebrachten Mitteln für andere Zwecke als für den Straßenbau verwandt hat. Wenn das Straßennetz in Ordnung wäre, hätten ich und auch meine politischen Freunde gar nichts dagegen. Aber es ist nun einmal nicht in Ordnung. Deshalb bleibt gar nichts anderes übrig, als entsprechend mehr Mittel hineinzugeben.
Zum Thema Passagierschiffahrt hat mich der Herr Verkehrsminister persönlich angesprochen. Er sagt: Entschuldigen Sie, mein Name ist Hase, ich weiß von nichts. Herr Dr. Seebohm, das glaube ich Ihnen nicht. Sie haben einen ausgezeichneten Kontakt mit der deutschen Seeschiffahrt: Gott sei Dank. möchte ich sagen. Die Abteilung .,See" unter Herrn Schubert sitzt in Hamburg und weiß ganz genau, was dort vor sich geht. — Und selbst wenn es so wäre, wenn die Pläne Ihnen noch nicht konkret vorgetragen sind! Ich weiß nicht, ob es immer so sein muß, daß man zunächst einmal einen konkreten Plan haben muß gibt es doch viele Möglichkeiten. Ist bei uns eine solche Kluft zwischen unserer Regierung, unseren Regierungsvertretern, einerseits und der Wirtschaft und den Menschen andererseits, daß man nicht in persönlichen Aussprachen den Dingen auf den Grund kommt, um damit zu einer gemeinsamen Initiative zu kommen?
Wir sind vorsichtig gewesen; wir haben nicht eine Mark eingesetzt. Wir haben nur die moralische Verpflichtung — ich wiederhole das Wort noch einmal — des Bundes durch Beschluß einer Mehrheit des Bundestags festlegen wollen. Dann ist der Weg offen, mit den Beteiligten, insbesondere mit den Reedern, zu verhandeln. Es kann sich doch hei einer so wichtigen Angelegenheit nicht um die Prestigefrage handeln wer der erste ist, der die Initiative ergreift. Wenn wir hier einen sogenannten Leertitel einsetzen, dann ist die Grundlage für ernstliche Verhandlungen mit den Reedereien gegeben, die heute bereit sind. Ich will
dem Herrn Bundesverkehrsminister insofern gern recht geben. Die Reedereien sind ein bißchen zögernd in ihrer Betrachtung des Wiederaufbaus der Passagierschiffahrt gewesen. Aber das muß man auch verstehen. Sie haben natürlich große Sorgen beim Aufbau der Frachtschiffahrt gehabt, vor allen Dingen in der Konsolidierung der aufgenommenen Mittel.
Ein Letztes, was heute morgen in der allgemeinen Debatte von mir übersehen worden ist. nämlich das Problem der Vertiefung unserer Seewasserstraßen und des Anschlusses unseres Binnenschiffahrtsnetzes. Wir haben im letzten Haushaltsplan, von der Elbe, von Hamburg her betrachtet, geradezu eine Donquichotterie erlebt. Ich weiß nicht, verehrter Herr Vorsitzender des Haushaltsausschusses, wie so etwas überhaupt zustande gekommen ist; sicherlich nicht im Haushaltsausschuß, sondern schon vorher in der Ressortbesprechung. Da hat man gesagt: Bestimmte Mittel für die Vertiefung des Seeschiffahrtswegs auf der Elbe können nur freigegeben werden, wenn die entsprechenden Mittel bei der Moselkanalisierung eingespart werden. Das ist doch eine Betrachtungsweise, die zur Kritik herausfordert. Man hat offenbar überhaupt keine Konzeption. Weiß man denn nicht, was in der Weltgeschichte, in der Seeschiffahrt vor sich geht? Weiß man denn nicht, daß 1960/61 das 100 000-Tonnen-Schiff in Form des Tankers für Erze, Kohle usw. auf uns zukommt. daß wir inzwischen schon mit 50- und 80 000-Tonnen-Schiffen arbeiten müssen und daß die ausländische und natürlich auch die deutsche Flagge nur dorthin geht und gehen kann, wo der notwendige Tiefgang ist — das ist eine Binsenwahrheit — und wo sie außerdem einen geeigneten Anschluß an ein leistungsfähiges Binnenschiffahrtsnetz findet? — Bitte, Herr Dr. Vogel.
Herr Kollege Rademacher, glauben Sie, daß die immensen Kosten der neuen Vertiefung von Hafen und Hafenanlagen, die Sie schildern, noch in einem vertretbaren Zusammenhang mit den Gewinnen stehen, die die Ölgesellschaften durch das rapide Hinaufjagen ihrer Tankergrößen erzielen?
Sie werden aber den Bau dieser Schiffe auch durch Ihre Zwischenfrage, Herr Dr. Vogel, nicht verhindern. Es ist eine Tatsache, daß die Schiffsgrößen eine derartige Ausweitung annehmen. Wir brauchen gar nicht einmal ins Extreme zu gehen und vom 100 000-Tonnen-Schiff zu reden. Bleiben wir doch bei der Realität, beim 30-, 40 000-Tonnen-Schiff. Diese Schiffe gehen an den deutschen Häfen vorbei und suchen die Häfen auf, die entsprechend ausgebaut sind und an die sich geeignete Wasserstraßen anschließen. Ich will ja auch nur mahnen und darauf hinweisen, was in den nächsten Jahren auf den Verkehrsetat zukommt, nämlich die Notwendigkeit, unsere Wasserwege, sei es den Rhein, sei es den Dortmund-EmsKanal, sei es die Weser, sei es die Elbe, entsprechend zu vertiefen.
Etwas sehr Wichtiges dabei ist der Anschluß der Binnenschiffahrt. Wir müssen heute damit rechnen, daß in absehbarer Zeit an Stelle des 1000-
Tonnen-Schiffes das 1200-Tonnen-Schiff das Regelschiff in der Binnenschiffahrt sein wird. Wenn wir nicht alle deutschen Wasserstraßen entspre-
chend ausbauen, wird der Verkehr an diesen Häfen vorbeigehen. Da gibt es nun den großen Streit zwischen Hamburg und dem Herrn Bundesverkehrsminister, der ein Gegner des Nord-Süd-Kanals ist, indem er sagt: es genügt vollkommen, wenn wir die Elbe regulieren, auf der wir bekanntlich nur das 750-Tonnen-Schiff verwerten können. Ja, meine Damen und Herren, wenn man bereit ist, Dortmund-Ems-Kanal, Rhein und auch Weser entsprechend leistungsfähig zu gestalten, dann werden Sie mir in einer allgemeinen Bundesdebatte auch einmal gestatten — und es ist das erste Mal in der heutigen Debatte —, sehr deutlich etwas für den größten deutschen Seehafen zu sagen, der ja eine gesamtnationale Aufgabe zu erfüllen hat. Ich möchte auch von hier aus den Herrn Bundesverkehrsminister bitten, diese Sache mit einem größeren Ernst anzusehen als in der Vergangenheit. Es ist kein Politikum, wenn der NordSüd-Kanal gebaut wird. Denn man weiß auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs ganz genau, daß es einfach eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist. Und da die Elbe uns diese Kapazität nicht bietet bleibt gar nichts anderes übrig, als dem größten nationalen Hafen auch sein Lebensrecht nicht nur zu gewähren, sondern auch auf die Dauer zu erhalten.
— Das habe ich gesagt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, in der allgemeinen Aussprache zu den Einzelplänen 12 und 32 liegen weitere Wortmeldungen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich komme zur Einzelberatung der beiden Einzelpläne und rufe im Einzelplan 12 auf Kap. 1201 Tit. 101, dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 1056 A) Ziffer 1. Ich hatte den Eindruck, daß dieser Antrag schon von Herrn Abgeordneten Ritzel begründet worden ist. Ist das so, Herr Abgeordneter?
— Danke schön. Es wurde auch schon von der anderen Seite des Hauses zu diesem Antrag gesprochen. Wird zu diesem Antrag sonst noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache darüber und komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 1056 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag auf Umdruck 1056 (neu) Ziffer 1 ist abgelehnt.
Ich rufe auf Kap. 1202 Tit. 530, dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 1056 Ziffer 2. Wer begründet? — Abgeordneter Dr. Bleiß!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur wenige Sätze zur Begründung sagen, weil die Problematik der betriebsfremden Lasten im Verlaufe der Debatte schon wiederholt behandelt worden ist. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß es sich hier nur um die Umbuchung zwischen zwei vorhandenen Titeln handelt und damit keine zusätzliche Beanspruchung von Haushaltsmitteln verbunden ist. Es handelt sich nur darum, eine „Flurbereinigung"
*) Siehe Anlage 7
vorzunehmen. Auf der einen Seite hat die Bundesbahn einen Anspruch auf Vergütung von 95 Millionen DM, wie sie vom Bundeskabinett in der Januarsitzung beschlossen worden ist. Auf der anderen Seite hat die Bundesbahn erhebliche Kredite in Anspruch genommen. Wir sollten, wie unter vernünftigen Kaufleuten üblich, den Saldo auf der einen Seite gegen den Saldo auf der anderen Seite aufrechnen. Ich hoffe, daß Sie mit einer solchen vernünftigen Flurbereinigung einverstanden sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben die Begründung gehört. Wird das Wort gewünscht? -
Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache und komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 1056 *) Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf Kap. 12 07 Tit. 104, dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 1056 Ziffer 3. Soll er begründet werden?
— Sie verzichten auf die Begründung. Wird das
Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 1056 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Kap. 12 10 Tit. 828, dazu den Antrag Umdruck 1056 Ziffer 4.
— Danke sehr! — Wird das Wort hierzu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1056 Ziffer 4 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 1101**) zu Kap. A 12 02 Tit. 530 auf. Soll er noch begründet werden?
— Danke sehr! — Wird das Wort dazu noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1101 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr auf den Änderungsantrag Umdruck 1089***) Ziffer 1 zur Vorbemerkung des Kap. A 12 10 sowie — weil er sachlich damit zusammenhängt — den Änderungsantrag Umdruck 1039 Ziffer 2 zu Einzelplan 32 Kap. 9 32 01 Tit. 91. Ich hörte aus einer Bemerkung in der Debatte, daß die Anträge schon begründet sind. Wird noch das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich unterstelle, daß über die Ziffern 1 und 2 des Antrags Um-
*) Siehe Anlage 7 **) Siehe Anlage 6 ***) Siehe Anlage 5
druck 1089 gemeinsam abgestimmt werden kann.
— Das Haus ist damit einverstanden. Wer dem Antrag Umdruck 1089 Ziffern 1 und 2 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe in Einzelplan 12 schließlich noch auf Kap. A 12 10 neu einzufügender Tit. 715, Antrag Umdruck 1056 Ziffer 5. — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bleiß!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns im Laufe der Debatte wiederholt mit den schrecklichen Unfallziffern beschäftigt. Ich darf darauf hinweisen, daß die Zahl der Unfälle dort, wo sich Schiene und Straße kreuzen, besonders hoch ist und daß diese Unfälle besonders schwer sind. Die Zahl ,der Toten bei Unfällen an den schienengleichen Bahnübergängen Ist neunmal höher als die entsprechende Zahl bei den sonstigen Verkehrsunfällen.
Im vergangenen Jahr haben wir Anträge gestellt, um die Quelle der besonders schweren Unfälle schnell zu beseitigen. Wir haben im vergangenen Jahr von Herrn Dr. Conning gehört, daß dafür 45 Millionen DM bereitgestellt würden. Die Zahl hat sich als völlig illusionär erwiesen. Im vergangenen Jahr ist nicht eine Mark für die Beseitigung dieser furchtbaren Gefahrenquellen aufgewandt worden.
— Die Verwendung ist an Formalitäten ,gescheitert; die Verantwortung dafür haben Sie zu tragen und nicht wir, Herr Kollege Conring.
Der Gesamtaufwand für die Beseitigung der gefährlichen Kreuzungen beträgt nach den Feststellungen des Bundesverkehrsmisteriums etwa 400 Millionen DM. Wenn Sie im gegenwärtigen Haushalt 16,6 Millionen DM dafür vorgesehen haben, so sind das praktisch nur 4 % des Gesamtaufwandes. Wir machen Ihnen einen anderen Vorschlag. Wir wollen diese gefährlichen Kreuzungen im Rahmen eines Sechsjahresplans beseitigen, den Aufwand über sechs Jahre verteilen. Das würde bedeuten, daß man in den gegenwärtigen Haushalt noch einen zusätzlichen Betrag von 50 Millionen DM einsetzen müßte. Ich möchte Sie herzlich darum bitten, diesen Betrag in den außerordentlichen Haushalt einzusetzen, weil es sich hier, wie ich noch einmal betonen möchte, um Verkehrsunfälle von einer besonderen Schwere und mit einer besonders großen Zahl von Todesopfern handelt. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dem Antrag.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Noch eine kurze Bemerkung zu dem Thema „schienengleiche Bahnübergänge". Ich bin kein Freund von offiziellen Reisen, wenn sie nicht unbedingt sein müssen. Aber, Herr Bundesverkehrsminister, ich möchte Sie bitten, dafür zu sorgen, daß maßgebliche Herren der Deutschen Bundesbahn wirklich eine kleine Reise nach der Schweiz unternehmen, um sich einmal zu orientieren, wie man den .schienengleichen Bahnübergang, solange er nicht ganz beseitigt werden kann, einigermaßen passierbar herrichtet. Als Gegenbeispiel nenne ich die schienengleichen Bahnübergänge in
Hennef und Buisdorf — ich glaube, so heißt die Gemeinde, durch die man kommt, wenn man von hier über Beuel nach der Autobahn fährt —; was da neu hergerichtet ist, ist ein einziger Skandal und ein Beweis für die Unfähigkeit der Beteiligten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1056 *) Ziffer 5 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, haben wir die vorliegenden Änderungsanträge zu den beiden aufgerufenen Haushalten 12 und 32 beschieden.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Einzelplan 12 in der durch die teilweise Annahme der Änderungsanträge veränderten Form, im übrigen nach dem Vorschlag des Ausschusses in der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
Wer ebenso dem Einzelplan 32 mit der durch die Annahme des Antrages Umdruck 1089 **) Ziffer 2 beschlossenen Änderung, im übrigen nach dem Vorschlag des Ausschusses in zweiter Lesung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan 14:
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung .
In Verbindung damit:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Fünften Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 (Drucksache 3058);
Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 3422).
Beide Materien sollen einer Übereinkunft im Ältestenrat gemäß zusammen behandelt werden. Ich rufe zuerst zur Berichterstattung zu Einzelplan 14 auf.
Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter.
— Verzichtet das Haus auf zusätzliche mündliche Berichterstattung? — Das ist der Fall.
— Ich habe gefragt. Das Haus hat, zumindest mit Mehrheit, Herr Kollege Ritzel, auf zusätzliche mündliche Berichterstattung verzichtet, da ein eingehender Schriftlicher Bericht***) vorliegt.
Ich unterstelle, daß das Haus die gleiche Meinung bezüglich des Berichts zu dem Fünften Nachtragshaushaltsgesetz 1956 vertritt. Ich möchte bekanntgeben, daß der Mitberichterstatter, Herr Abgeord-
*) Siehe Anlage 7 **) Siehe Anlage 5 ***) Siehe Anlage 8
neter Lenz , auf mündliche Berichterstattung verzichtet und mich bittet, das dem Hause mitzuteilen.
Wir treten dann in die allgemeine Aussprache sowohl über den Einzelplan 14 des jetzt anstehenden Haushalts wie über den Fünften Nachtragshaushalt ein. Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Wienand.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns heute mit dem Einzelplan 14, dem Verteidigungshaushalt, auseinanderzusetzen, der auf einer Politik beruht, die wir, die Sozialdemokratische Partei, bisher abgelehnt haben.
Wir haben diese Politik abgelehnt, weil wir glauben, daß die Verteidigungs- und Außenpolitik des Bundes, wie sie bisher betrieben worden ist, uns dem wesentlichen Anliegen, der deutschen Wiedervereinigung, nicht nähergebracht hat und auch nicht näherbringen kann.
Wir haben jetzt eine Bundeswehr und die allgemeine Wehrpflicht. Wir sind der Meinung — und wir haben das hier wiederholt zum Ausdruck gebracht —, daß die allgemeine Wehrpflicht die Spaltung Deutschlands noch mehr vertieft und damit die Wiedervereinigung erschwert.
Aus dieser unserer Sorge heraus haben wir einen ständigen Kampf mit allen parlamentarischen Mitteln gegen diese Verteidigungspolitik und die Wehrpflicht geführt. Leider ist dieser aus unserer tiefen Sorge herrührende Kampf in einen Kampf gegen die Soldaten umgemünzt worden. Es ist hier bei einer der letzten Beratungen das böse Wort vom Aushungern der Bundeswehr in materieller und personeller Hinsicht ausgesprochen worden. Die Tatsache, daß dieses Wort im Zusammenhang mit der Beratung eines Nachtragshaushalts, den wir als Opposition abgelehnt haben, hier ausgesprochen worden ist, müßten wir bedauern. Ich möchte dem Hohen Hause nicht einen Vortrag darüber halten, daß es durchaus parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht, daß man, wenn man mit einer Politik nicht einverstanden ist, aus grundsätzlichen Erwägungen den Haushalt des entsprechenden Ministeriums ablehnt. Ich glaube, der Kollege Jaeger war es, der in einer der jüngsten Sitzungen dieses Wort vom „Aushungern" sprach und damit deutlich machen wollte, daß wir bei unseren Bedenken in letzter Konsequenz die Soldaten und damit die Wehrpflichtigen dieser Bundeswehr treffen wollten. Meine Damen und Herren von der CDU, die Sie damals dieses Wort noch mit Beifall entsprechend unterstrichen und belohnt haben, ich möchte Sie in diesem Zusammenhang nur einmal daran erinnern, daß niemand von der Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen auf den Gedanken gekommen ist, als Ihre Partei dort den Landeshaushalt ablehnte, zu behaupten, die CDU wolle die Lehrer, die Polizei oder die anderen Landesbeamten in Nordrhein-Westfalen aushungern. Ich glaube, wenn wir diesen Gedanken um der Fairneß willen in der Diskussion nicht gebraucht haben,
sollten doch auch Sie sich befleißigen, nicht mit solchen Argumentationen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Aber Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben dies gerade in den letzten Monaten mit sehr viel Fleiß hier von dieser Stelle aus verbreitet.
Ich darf deshalb die heutige zweite Lesung des Verteidigungshaushalts zum Anlaß nehmen, Ihnen einige Dinge in die Erinnerung zu rufen, die wir als Sozialdemokraten trotz unserer Vorbehalte gegenüber Ihrer Verteidigungspolitik, gegenüber Ihrer Gesamtpolitik immer wieder gerade um der Soldaten in dieser Bundeswehr willen getan haben. Wir haben immer wieder betont, daß sich unsere Politik nicht gegen den einzelnen Soldaten richtet und richten kann. Wenn wir gegen diese Politik Stellung genommen haben, dann gegen die falsche politische Führung und gegen die falsche Politik, die von der politischen Verführung, — von der politischen Führung aus
zu vertreten ist. — Nun, ich würde nicht über diesen Lapsus linguae lachen; es kann auch etwas Wahres darin sein.
In diesem Zusammenhang nur einige Dinge, die mir wert erscheinen, noch einmal in Ihre Erinnerung gerufen zu werden, damit Sie nicht wieder im Anschluß an diese Debatte vor die Öffentlichkeit treten und sagen: Die SPD will die Soldaten der Bundeswehr materiell und will die Bundeswehr personell aushungern.
Wir haben trotz unserer Bedenken und gerade wegen unserer Bedenken um der Menschen in der Bundeswehr willen, um des gesamten politischen Gefüges unserer jungen Demokratie willen Wert darauf gelegt, daß eine gute politische Kontrolle aufgebaut wurde, und wir sind froh, daß dies teilweise verwirklicht und erreicht werden konnte.
— Auf Vorschlag der CDU? Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, Herr Kollege Conring, wie z. B. der Kollege Dr. Jaeger im Bulletin vom 21. Oktober 1955 die Meinung vertrat, daß die Bundesregierung der Auffassung sei, Änderungen der Verfassung seien rechtlich zwingend nicht notwendig.
In diesem Zusammenhang könnte ich auch den mittlerweile nicht mehr vorhandenen oder Verteidigungsminister a. D., Herrn Kollegen Blank, zitieren, der sich ähnlich äußerte.
Sie haben auch in einer der jüngsten Diskussionen in diesem Hause nachzuweisen versucht, daß diese zweite Grundgesetzänderung doch ein Umfall der Opposition gewesen sei. Auch damit können Sie nicht die Tatsache aus der Welt schaffen, daß sie gegen den Willen der Bundesregierung und zunächst gegen den Willen der Mehrheit dieses Hauses nachträglich zustande gekommen ist, weil eben die politischen Argumente stärker waren und von der Opposition besser vertreten worden sind.
In diesem Zusammenhang haben wir ebenfalls — weil wir eine gewisse Sorge wegen des hektischen Aufbaus hatten — Wert darauf gelegt, daß
der Verteidigungsausschuß als Untersuchungsausschuß fungieren könne. Das ist mittlerweile erreicht worden. Wir haben — wenn es auch nicht zu unserer vollsten Zufriedenheit ausgefallen ist —das Gesetz über den von uns geforderten Wehrbeauftragten. Wir haben mittlerweile durch die Grundgesetzänderung erreicht, daß die Grundzüge der Organisation der Streitkräfte im Haushaltsplan entsprechend festgelegt werden. Ich darf in diesem Zusammenhang an die Einschränkung der Organisationsgewalt der Bundesregierung auf militärischem Gebiet erinnern. Leider ist das Organisationsgesetz noch nicht da; wir hoffen aber zuversichtlich, daß es auch bald Wirklichkeit werden wird.
Wir haben die Einrichtung von Unterausschüssen des Verteidigungsausschusses erstrebt, leider aber nur zeitweilig erreicht. Es wäre nachher gewiß noch sehr viel über ,die Arbeit dieser mittlerweile wieder von Ihnen beseitigten Unterausschüsse zu sagen, die doch gewiß gerade auf dem Gebiet der Beschaffung, auf dem Gebiet der Infrastruktur eine so hervorragende Arbeit geleistet haben, durch die die Öffentlichkeit und wir in diesem Hause auf Mißstände aufmerksam gemacht worden sind, durch deren Abstellung der Bundeswehr doch mehr gedient worden ist als durch die Reden, die hier pro Soldaten oder pro Bundeswehr gehalten worden sind und die doch dann mehr oder weniger rhetorische Bekenntnisse blieben, weil sie an den Tatsachen vorbeigingen, die sich infolge einer übereilten und nach unserer Meinung falschen Politik eben auf Kosten und zu Lasten der ,einzelnen, die dann so schnell und überhastet eingezogen wurden, ausgewirkt haben. Ich darf an Bekleidungs-, an Unterkunftsfragen erinnern; ich will das hier gar nicht vertiefen, weil wir uns in diesem Hause schon wiederholt damit befaßt haben und wiederholt darauf hingewiesen worden ist.
Noch ein Wort — das scheint mir erwähnenswert zu sein — über den Unterausschuß „Beschaffung"! Ich denke an die Diskussion im Ausschuß und in diesem Hause über die Frage der Beschaffung der berühmten oder berüchtigten M 47, der amerikanischen Panzer; es ist ein bleibendes Verdienst gerade dieses Ausschusses, daß er den Ankauf verhindert hat. Die Tatsache, meine Damen und Herren von der CDU, bleibt bestehen, daß diese Unterausschüsse durch Ihre Initiative und mit Ihrer Zustimmung aufgelöst worden sind.
Wir haben weiter erstrebt und leider nicht erreicht bzw. noch nicht erreicht, daß der Verteidigungsminister eine Sonderstellung hat und vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit abhängig ist. Ich will keine weitergehende Begründung dafür geben; es ist darüber im Ausschuß und auch in diesem Hause schon genügend gesagt worden. Aber eines scheint mir unterstreichenswert zu sein: wir haben als Opposition, um dieses Aufbaus willen und um dem Parlament die Rechte zu wahren, die ihm zustehen, immer gefordert, daß das Parlament keine Selbstentmachtung durch Übertragung des Rechtes auf Haushaltsbewilligung an Parlamentsausschüsse vornehmen soll. Wir werden uns nachher mit den Vorwegbewilligungen, mit den Bindungsermächtigungen zu befassen haben. Wir können dann feststellen, daß, für die Zukunft gesehen, dieses Parlament doch schon weitestgehend Mittel durch Bindungsermächtigungen, durch Vorwegbewilligungen festgelegt hat, die — so sehen wir es, und davon bin ich persönlich überzeugt — auf die Dauer gesehen nicht für das verwandt werden können. wofür wir sie in den beiden Ausschüssen, nämlich im Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß, damals eingestellt haben. Äußerungen des Herrn Ministers aus der letzten Zeit lassen doch sehr klar erkennen, daß er selber schon nicht mehr glaubt, diese Summe in der in Aussicht genommenen Zeit entsprechend unterzubringen, und daß er Variationsmöglichkeiten haben muß und von sich aus auch wünscht, wenn nicht große Fehlinvestitionen eintreten sollen.
Ich habe vorhin schon vom Organisationsgesetz gesprochen. Ich darf in diesem Zusammenhang noch von uns aus bedauern, daß wir die Organisation der Landesverteidigung noch nicht in einem Gesetz so haben, wie es nach unserem Dafürhalten wünschenswert wäre. Wir denken in diesem Zusammenhang an die Planung der Gesamtverteidigung. Wir möchten, daß das Sanitätswesen durch Gesetz einen größeren Einfluß bekommt. Wir möchten auch, daß ein größerer Einfluß der Technik und der Rüstung im Ministerium Platz greift. Ich möchte schon hier ein warnendes Wort gegenüber Bestrebungen sagen, die jetzt im Gange sind und die man zur Kenntnis nehmen kann. Es wird z. B. von bestimmter Seite gefordert, im Verteidigungsministerium die Abteilung „Beschaffung" und die Abteilung „Technik" zusammenzulegen, weil man sich dadurch vielleicht Einsparungen verspricht. So viel über das, was der unmittelbaren politischen Kontrolle diente.
Es ist erforderlich, daß auch das noch einmal in Ihre Erinnerung gerufen wird, was im Hinblick auf die Begrenzung des militärischen Machtbereichs gegenüber dem Soldaten von uns erstrebt und erreicht worden ist. Ich darf daran erinnern, daß mittlerweile erreicht worden ist: keine allgemeine Beschränkung der Grundrechte durch die Wehrgesetze ohne bestimmte, für den Soldaten erkennbare Grenzen: keine Wehrstrafgerichte im Frieden, mit Ausnahme von Truppen im Ausland und an Bord von Kriegsschiffen. Wir haben ferner erreicht, daß wir — Gott sei Dank, möchte ich sagen — die zunächst gewünschten jährlichen Wehrversammlungen nicht bekommen haben. Es ist erreicht worden, daß das Vereinigungsrecht der Soldaten keinerlei Beschränkungen unterliegt. Es ist weiter erreicht worden, daß die Soldaten nicht beschränkt werden, wenn sie sich außerhalb des Dienstes politisch nach freiem Ermessen betätigen. In diesem Zusammenhang ist es begrüßenswert, daß nunmehr keine Kostschmälerung bei Strafarrest und keine Aufstellung von Erziehungseinheiten durch Gesetz manifestiert worden ist, obwohl auch solche Tendenzen zunächst bemerkbar waren. Wir haben gefordert und leider nicht erreicht: keine Arreststrafen als einfache Disziplinarstrafen einzusetzen. Dabei muß noch erwähnt werden, daß wir leider auch nicht erreicht haben, die Soldverwaltung als Disziplinarstrafe abzuschaffen.
Warum sage ich Ihnen das, meine Damen und Herren? Ich führe es nur an, um dieses nach meinem Dafürhalten böse Wort vom „Aushungern" zu widerlegen, da es ein ungutes Wort ist und nicht geeignet ist, einer entsprechenden Zusammenarbeit zu dienen. Zumindest wird damit auf Ressentiments spekuliert, die nach unserer Meinung überwunden sein müßten.
In diesem Zusammenhang haben wir uns nachträglich sehr nachdrücklich für eine Begrenzung des militärischen Machtbereichs gegenüber der Zivilbevölkerung eingesetzt. Ich darf daran erinnern, daß zunächst auch gewisse Bestrebungen
vorhanden waren — heute ist das nicht mehr der Fall —, die Frauen zu Dienstleistungen im Verband der Streitkräfte zu verpflichten. Wir haben jetzt erreicht, ,daß keine Frau zu einem Dienst mit der Waffe herangezogen werden darf.
— Alle diese Fragen haben einmal eine Rolle gespielt. Es ist weiter erreicht worden, daß die Bundeswehr im Innern so lange nicht eingesetzt werden darf, wie kein entsprechendes verfassungsänderndes Gesetz vorliegt.
Auf diesen Zwischenruf habe ich schon die ganze Zeit gewartet. Sehen Sie, bisher war es so, daß Sie von seiten der CDU immer dann, wenn etwas erreicht worden war und Tatsachen geschaffen worden waren, nachträglich feststellten: „Das war ja unser ursprünglicher Wille!", obwohl Sie vorher mit aller Ihnen zur Verfügung stehenden Zähigkeit und unter Ausnutzung Ihrer Mehrheit sich dagegen gewehrt haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Kollege Wienand, Sie haben betont, daß Sie es erreicht hätten, daß i keine Frau zum Wehrdienst eingezogen wird. Ich darf Sie fragen: Ist Ihnen die Äußerung eines einzigen Vertreters der CDU/CSU bekannt, der Frauen zum Wehrdienst einziehen wollte?
Herr Kollege Jaeger — —
— Ich darf doch wohl noch so auf diese Frage antworten, wie ich es für richtig halte.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. — Diese Fragen „ja oder nein?", meine Damen und Herren, sind mir geläufig bei Vernehmungen, wir wollen sie in diesem Parlament nicht haben.
Ich darf zunächst einmal feststellen, daß ich gesagt habe, es wären sehr wohl Tendenzen vorhanden gewesen, auch die Frauen mit hinzuzunehmen.
— Ich habe „sehr wohl Tendenzen" gesagt. Ich habe
in diesem Zusammenhang nicht die CDU genannt.
Um auf die Frage „ja oder nein" einzugehen, möchte ich sagen: in dieser rabulistischen Form könnte ich jetzt eine Gegenfrage stellen etwa der Art: Haben Sie aufgehört, Ihre Frau zu prügeln? Antworten Sie mit Ja oder Nein! Das können Sie genauso wenig.
— Ich habe in diesem Zusammenhang die CDU nicht genannt. Ich habe darauf hingewiesen, daß sehr wohl Bestrebungen vorhanden gewesen sind, und, Herr Kollege Jaeger, Sie werden mir doch zugeben, daß wir uns im Verteidigungsausschuß mit diesen Bestrebungen auseinandergesetzt haben. Ich bin, wenn es Ihnen nicht mehr in Erinnerung sein sollte, sehr gern bereit, Ihnen gelegentlich die Protokolle zu zeigen, damit Sie es noch einmal nachlesen können.
In diesem Zusammenhang muß weiter darauf hingewiesen werden, daß wir gerade in der Frage des Schutzes der Menschenwürde und der Grundrechte der Soldaten eine weitgehende Initiative entwickelt haben. Es war keineswegs so, meine Damen und Herren von der CDU, daß wir da Ihren Willen verwirklicht haben, sondern Sie sind uns dann in der Argumentation gefolgt. Ich will keine weiteren Einzelheiten anführen, obwohl das in diesem Zusammenhang gewiß verdienstvoll wäre; denn ich kann sehr gut verstehen, daß Sie das, was von uns gerade um der Soldaten willen getan worden ist, heute nicht mehr so gerne zur Kenntnis nehmen und sich nicht mehr in die Erinnerung rufen lassen wollen, weil das zumindest die Absicht stören würde und Sie es mit Zielrichtung auf die Auseinandersetzung, die jetzt im Rahmen des Wahlkampfes auf uns zukommt und die heute schon angedeutet worden ist, nicht mehr als opportun empfinden.
Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten, um das Hohe Haus nicht allzu lange in Anspruch zu nehmen, gleich unsere Anträge zum Einzelplan 14 hier kurz mit begründen. Auf Umdruck 1069*) liegt Ihnen der Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1957 vor. Wir stellen hier den Antrag, in Kap. 1402 Tit. 222 die 8 Millionen DM, die als Erstattung an das Bundespresse- und Informationsamt gehen, zu streichen. Wir weisen dabei noch einmal auf die Begründung unserer Anträge hin, als der Haushalt des Bundeskanzlers zur Debatte stand. Leider gibt uns gerade die letzte Nummer der „Soldatenzeitung" Veranlassung, noch einmal unserer quälenden Sorge Ausdruck zu verleihen. Es muß in Zukunft sorgfältig darauf geachtet werden, daß solche Zeitungen nicht etwa aus Steuergeldern auch noch Subventionen bekommen oder gar für bestimmte Artikel honoriert werden. Ich darf das Hohe Haus auf die Mai-Nummer der „Soldatenzeitung" verweisen, wo sie sich im einzelnen mit der Frage des Ordensgesetzes und mit den Farben der Bundesrepublik auseinandersetzt und wo sie unter anderem den markanten Satz bringt, daß sich die Bundestagsabgeordneten die schwarz-rot-goldenen Bändchen, die sie ausgedacht hätten, an den Strohhut oder an den Homburg stecken möchten.
Ich glaube, das ist etwas, was wir nicht so durchgehen lassen sollten.
Wir wären gewiß dankbar, wenn der Herr Bundesverteidigungsminister nachher dazu Stellung nehmen und eine zufriedenstellende Erklärung abge-
*) Siehe Anlage 9
ben kann, ob die „Soldatenzeitung" oder der Verlag oder Leute, die mit ihr zu tun haben, eventuell Mittel aus diesen Geldern bekommen haben oder nicht.
Wir fordern dann zu Kap. 14 03 Tit. 102 b die Streichung der 10 Millionen DM für den Wehrsold, nicht um die Wehrpflichtigen auszuhungern, sondern weil wir der Meinung sind, daß man die Wehrpflichtigen nach Hause schicken sollte. In Konsequenz dessen, was hier von uns wiederholt vorgetragen worden ist, bitten wir, diesem Antrag zuzustimmen.
— Hier handelt es sich im Augenblick, Herr Kollege Niederalt, nur um die 10 Millionen DM für den Wehrsold. Über das andere können wir uns ja, wenn Sie zustimmen und unsere Konzeption annehmen, sehr wohl unterhalten. Das ist eine andere Frage. Jetzt geht es um den Wehrsold für die Wehrpflichtigen, und wir halten nun einmal das Wehrpflichtgesetz und damit auch die Wehrpflichtigen — nicht hinsichtlich ihrer Person, sondern von der politischen Gesamtlösung her gesehen — aus den schon vorhin dargelegten Gründen für keine gute Sache.
Weiter wird von uns beantragt, das gesamte Kap. 14 22 zu streichen. Ich brauche dazu keine lange Begründung zu geben; es ist eben die Konsequenz aus unserer Stellungnahme gegen das Wehrpflichtgesetz. Wenn man keine Wehrpflicht hat, ist auch das Wehrersatzwesen überflüssig.
Ich darf in dem Zusammenhang noch auf eines hinweisen. Heute ist das zahlenmäßige Verhältnis des Personals im Wehrersatzwesen zu den Wehrpflichtigen praktisch ungefähr 1 zu 1, d. h. für einen Wehrpflichtigen gibt es einen Mann im Ersatzwesen.
Sie mögen dagegen einwenden, daß im Wehrersatzwesen vorbereitende Arbeit geleistet werde und daß es — so hat sich, glaube ich, in den jüngsten Tagen der Herr Verteidigungsminister geäußert — im nächsten Jahr anders aussehen werde; da würden die „weißen" Jahrgänge eingezogen und dann falle entsprechende Arbeit an. Aber das beweist ja doch nur, meine Damen und Herren, daß Sie auch hier wieder von dem abweichen, was Sie uns in dieser Frage in der Vergangenheit vorgetragen haben.
In unserem Änderungsantrag wird weiter gefordert, in Kap. 1415 den Tit. 852 zu streichen. Es geht hier um die 835 Millionen DM — es soll der 4. Teilbetrag sein —, die für die Anschaffung von Kampffahrzeugen gedacht sind.
Ich habe vorhin, als ich die Auflösung der Unterausschüsse erwähnte, schon darauf hingewiesen, daß durch die Initiative des Unterausschusses wie auch des Verteidigungsausschusses die M 47 Gott sei Dank nicht gekauft worden sind. Sie sind uns in einem kleineren Umfange als ursprünglich geplant zur Verfügung gestellt worden. In jüngster Zeit ist — darauf hätten wir gern eine Antwort — in dem Mitteilungs- oder Informationsblatt der Industrie- und Handelskammer Stuttgart, wenn ich nicht irre, geschrieben worden, daß zufolge einer Nachricht aus Amerika die 40 000 Ersatzteile für
den M 48, der ja noch von uns gekauft werden soll, nicht mehr geliefert werden könnten. In dem zitierten Blatt der Industrie- und Handelskammer wird empfohlen, daß sich die deutsche Wirtschaft allmählich auf die Produktion dieser 40 000 Ersatzteile umstellen solle. Damit ist in bezug auf diesen Panzer eine andere Situation eingetreten, als sie sich in der Zeit darstellte, in der wir uns im Verteidigungsausschuß und in den anderen Ausschüssen über den Ankauf dieses Panzers unterhalten haben.
In diesem Zusammenhang sei mir noch eine Bemerkung erlaubt. Wer die Berichte vom Kriegsschauplatz am Suezkanal anläßlich des Suezkonflikts verfolgt hat, wird festgestellt haben, daß gerade die schwereren und damit auch schwerer beweglichen Panzer durch eine von Frankreich in Raketenform herausgebrachte Abwehrwaffe große Verluste erlitten haben. Deshalb wäre die Zeit gekommen, die Frage zu prüfen, ob sich nach den vorliegenden Informationen über bessere Abwehrwaffen unsere Ausrüstung mehr auf leichtere, aber dafür bessere Panzer konzentrieren müßte, weil die schweren Panzer bei Anwendung der neuen Abwehrmittel nicht mehr den erforderlichen Schutz bieten. Die Kollegen, die mit in Frankreich waren, waren mit mir zumindest beeindruckt von einem leichteren Panzer, der die Vorteile aufwies, die ich erwähnt habe.
Aus diesen Überlegungen haben wir unseren Antrag gestellt und bitten um Ihre Zustimmung.
Wir beantragen ferner, in Kap. 14 15 Tit. 959 den Ansatz von 200 Millionen DM für den 2. Teilbetrag zur Anschaffung von Munition zu streichen. Hier sind noch Ausgabereste aus den Vorwegbewilligungen und Nachtragshaushalten von rund 300 Millionen DM vorhanden.
Ich darf an das erinnern, was der Herr Verteidigungsminister im Verteidigungsausschuß zu der Frage des Türkengeschäfts gesagt hat, nämlich daß zumindest die zunächst vorgesehene Frist von drei Jahren — wenn ich nicht irre — um ein oder zwei Jahre, also auf vier bis fünf Jahre verlängert würde. Daher wird, glaube ich, von uns mit Recht zunächst einmal auf diese Ausgabereste Bezug genommen und der Antrag gestellt, den hier vorgesehenen 2. Teilbetrag zu streichen. Wenn ich nicht irre, hat der Herr Verteidigungsminister kürzlich in einer Rede in München — ich zitiere frei, Herr Minister, und bitte deshalb um Nachsicht — schon angedeutet, die moderne Entwicklung zeichne sich dahingehend ab, daß die schwere Artillerie und alles das, was über Kaliber 40 liegt, mit der Zeit als überholt anzusprechen sei und die Entwicklung zur Rakete hin gehe. Daher ist nach unserem Dafürhalten gerade bei der Beschaffung von Munition angesichts dieser hohen Beträge eine sorgfältige Überprüfung am Platze.
Wir wünschen ferner, daß in Kap. 1419 Tit. 965 dier 3. Teilbetrag zur Anschaffung von Flugzeugen in Höhe von 480 Millionen DM gestrichen wird. Ich will in diesem Zusammenhang nicht eine Debatte um das englische Weißbuch hier heraufbeschwören. Aber es sei mir erlaubt, in diesem Zusammenhang noch einmal ganz kurz die Ausrüstung unserer Luftwaffe zu streifen. Als uns die ersten Pläne vorgelegt wurden, haben wir von der Opposition darauf hingewiesen, daß der Gedanke der Verteidigung bei der Beschaffung der Jagdflugzeuge nicht die entsprechende Berücksichtigung erfahren habe.
Später, nachdem ein neuer General in die Abteilung gekommen war, ist erreicht worden, daß die Staffeln der Allwetterjäger vermehrt und die „Schönwetter"-Staffeln entsprechend vermindert wurden. Wir haben uns in diesen Debatten über die gesamten Fragen der Steigfähigkeit, der Geschwindigkeit und der Ausrüstung der Flugzeuge eines potentiellen Gegners unterhalten. Ich darf daran erinnern, daß uns in diesem Zusammenhang gesagt wurde, wenn wir diese und jene Flugzeugtypen bekämen, hätten wir das zur Zeit Modernste.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wo die Manövrierfähigkeit dieses Parlaments und
*) Siehe Anlage 8
die Manövrierfähigkeit in der Planung des Bundesverteidigungsministerums gegeben ist. Ein Teil der Ausrüstung kann, wie ich vorhin nachgewiesen zu haben glaube, schon heute ,als überaltert angesehen werden. In den jüngsten Tagen hat ,der Herr Verteidigungsminister gesagt, daß z. B. bei der Artillerie die Umstellung auf Raketen erfolgen werde und daß das höchstwahrscheinlich auch bei der Luftwaffe und in einigen anderen Bereichen der Fall sein werde, ganz zu schweigen von dem, was dann noch an reinen Kosten für den weiteren Ausbau der Bundeswehr entsteht, ida Sie die heute vorhandene Stärke der Bundeswehr verdoppeln wollen. Wir wären für eine Beantwortung dieser Fragen sehr dankbar.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mende.
Die nunmehrige Oppositionspartei der Freien Demokraten hat zu einer Zeit, da sie noch mitverantwortlich in der Regierung Koalitionspartei war, im Gegensatz zu der auch schon damaligen sozialdemokratischen Opposition den westlichen Bündnisverträgen ihre Zustimmung gegeben. In Konsequenz dieser Haltung hat sie auch sämtlichen Wehrgesetzen bis auf eines ihre Zustimmung gegeben und in Verfolg des Aufbaues einer Notwehr auch die dafür notwendigen Mittel gebilligt. Das war in den bisherigen Haushaltsdebatten so, wir werden auch diesem Haushalt des Verteidigungsministeriums, Einzelplan 14, unsere Zustimmung geben.
Das verpflichtet uns gleichzeitig, einige Anmerkungen in dieser Haushaltsdebatte zu machen und gewisse Mahnungen auszusprechen. Ich glaube nicht, daß man schon ein abschließendes Urteil über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der deutschen Politik in den letzten Jahren so apodiktisch fällen kann, wie es der verehrte Kollege Wienand von der sozialdemokratischen Opposition soeben getan hat. Meine Freunde und ich sind immer noch überzeugt davon, daß es richtig war, sich in der Zeit des Wiederbeginnen einer westdeutschen Politik dem Schutz des großen atlantischen Bruders zu unterstellen. Wir haben nach 1945 die bittere Erfahrung machen müssen, daß entgegen den Versprechungen von Jalta, Teheran und Potsdam die Sowjetpolitik außerordentlich aggressiv und expansiv war. Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die Tschechoslowakei, ja Mitteldeutschland waren die sichtbaren Opfer dieser Politik. Berlin hätte vor dem Fall gestanden, wenn es nicht durch die Luftbrücke der Alliierten gerettet worden wäre. Es war ganz im Verfolg der leninistischen Theorien, daß man sich in den Besitz von Berlin setzen wollte. Denn Lenin schrieb 1920: Wer Berlin hat, hat Deutschland, und wer Deutschland hat, hat Europa! Es blieb uns gar keine andere Wahl, als uns unter den Schutz derer zu stellen, die bereit waren, das sowjetische Vordringen zu stoppen. Ich halte nach wie vor die damals abgeschlossenen Verträge — Beitritt zum Europarat und zur Montanunion, Übernahme gewisser Verpflichtungen, auch im Rahmen des Aufbaus einer Notwehr — für richtig, auch den Beitritt zur Westeuropäischen Union und zur NATO. Wir sind der Meinung, solange es nichts Besseres gibt, was an die Stelle dieser Bündnisverträge treten könnte, etwa ein europäisches kollektives Sicherheitssystem, sollten wir tunlichst
auf eine gute Zusammenarbeit im Schutz- und Trutzbündnis der freien Welt bedacht sein.
Aber für uns sind NATO und Westeuropäische Union nicht der Weisheit letzter Schluß. Wir glauben, daß durch die atomare Entwicklung, insbesondere dadurch, daß die amerikanische Überlegenheit in der nuklearen Rüstung verlorenging und das atomare Gleichgewicht eintrat—spätestens im Jahre 1954, als es den Sowjets gelungen war, ebenfalls in den Besitz von Wasserstoffbomben zu kommen —, für uns die Notwendigkeit entstanden ist, aus den neuen Situationen auch zu neuen Konstruktionen zu kommen.
Wir Freien Demokraten reden daher von einer Weiterentwicklung der Paktsysteme. Wir dürfen uns nicht darauf beschränken, lediglich die Sicherung von 51 Millionen Bundesrepublikanern im Auge zu haben; wir müssen auch die Aufgabe der Freiheit für rund 70 Millionen Reichsdeutsche sehen; denn immer stehen noch 18 Millionen Deutsche in Mitteldeutschland draußen vor der Tür. Wir sind - Gott sei's geklagt — in diesen acht Jahren, da wir hier politisch tätig sind, der deutschen Wiedervereinigung um keinen Schritt nähergekommen.
Wenn alles so bleibt — die Bundesrepublik bleibt bei der NATO, die Sowjetzone bleibt beim Warschauer Pakt —, wenn sich also an Elbe und Werra die vorderen Linien der beiden Militärblöcke weiter auf Nahkampfentfernung gegenüberliegen, dann Deutschland ade! Dann gibt es keine Wiedervereinigung. So fordern wir die Weiterentwicklung dieser Verträge im Einvernehmen mit unseren Partnern etwa im Sinne neuer größerer Sicherheitssysteme. Wir fordern die Schaffung entspannter Zonen, wir fordern das Auf-Distanz-Gehen der beiden Militärblöcke, die sich an Elbe und Werra gegenüberliegen, natürlich Zug um Zug und unter der Kontrolle der Vereinten Nationen. Wir sehen nicht ein, warum es, nachdem der Generalsekretär der Vereinten Nationen Hammarskjöld eine so außerordentliche Dynamik bei der Schaffung solcher entspannten Zonen am Sueskanal bewiesen hat, nicht möglich sein soll, im Rahmen der kommenden Abrüstungsgespräche auch für das zweigeteilte Deutschland neue Konstruktionen zu finden, die in der Lage sind, uns der deutschen Wiedervereinigung näherzubringen.
Wir hoffen, daß die nächste Note an die Sowjetunion sich etwas konkreter mit den seinerzeit von dem Kollegen Pfleiderer gemachten, später im Eden-Plan wiederkehrenden Vorschlägen befaßt, nachdem die Note der Bundesregierung im Herbst vorigen Jahres ja bereits etwas an den Eden-Plan heranging und ihn erwähnte, worauf die Antwortnote der Sowjetregierung kam, daß gerade dieser Vorschlag außerordentlich interessant und diskussionsreif sei.
Lassen Sie mich nun zu den konkreten Fragen Stellung nehmen, die auch mein Vorredner hier schon dargelegt hat. Zunächst zu der Frage: Ist manches, was wir in der vergangenen Planung in Angriff genommen haben, noch auf dem neuesten Stand? Ich erinnere mich noch der Debatten um das Wehrpflichtgesetz im Sommer vorigen Jahres. Wieviel Erregung, wieviel leidenschaftliche Auseinandersetzungen um ein Gesetz, das bisher in keiner Weise zur vollen Anwendung gekommen ist! Denn was ist das schon für ein Wehrpflicht-
Besetz, wenn man von einem Jahrgang von 90 000 nur 10 000 einzieht und auch noch meistens diejenigen, die ohnehin freiwillig gekommen wären? Was ist das für ein Wehrpflichtgesetz, wenn man im kommenden Jahr von einem Jahrgang von 100 000 voraussichtlich auch nur 20 000 einzieht? Es ist also bestätigt, was wir damals schon gesagt haben: daß es nicht mehr zeitgemäß ist, mit den alten Vorstellungen der Wehrpflicht zu operieren, daß man sie ausweiten muß zu einer allgemeinen Verteidigungspflicht, die den Staatsbürger, sei es in Zivil oder in Uniform, dazu anhält, gewisse Aufgaben im Rahmen der Landesverteidigung zu übernehmen.
Ich habe zu meiner Freude heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gelesen, daß diese neuen Planungen nunmehr offensichtlich die damaligen falschen Planungen des Wehrpflichtgesetzes ablösen sollen. Ich bin der Meinung, Sie sollten überhaupt einmal einen Augenblick bei der Frage verweilen: Warum müssen wir Parlamentarier die neueste Entwicklung aus der Presse erfahren? Ich beglückwünsche den verantwortlichen Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der in der Lage ist, in der heutigen Nummer Einzelheiten über die Planungen des Verteidigungsministeriums zu schreiben, während kein Mitglied des Verteidigungsausschusses bisher darüber auch nur eine Andeutung erfahren hat.
Sie sehen also, der Geheimausschuß ist offenbar weniger gut informiert als mancher gewandte und begabte Journalist. — Aber wir sind schon zufrieden, wenn wir wenigstens aus der Presse erfahren, daß man überholte Vorstellungen bereinigt und sich zu neuen, modernen Planungen entschließt.
Wir haben seinerzeit bei der Beratung des Wehrpflichtgesetzes auch zum Ausdruck gebracht, daß gewisse Voraussetzungen für die Statuierung der Wehrpflicht oder einer allgemeinen Verteidigungspflicht erst geschaffen werden müssen. Ich beklage es ebenso wie mein Vorredner, daß wir bis heute noch nicht das Organisationsgesetz verabschiedet haben, daß wir also bis heute noch nicht wissen, wie die Fundamentierung des gesamten Verteidigungswesens aussieht. Wir bauen immer noch am Dach herum, haben aber noch keinen endgültigen Grundriß und noch keine endgültige Übersicht über die gedachten Fundamente, insbesondere auch nicht über die Aufgabenverteilung der beweglichen und der Heimatverteidigung, über die Verantwortlichkeiten und Aufteilungen im Ministerium und außerhalb des Ministeriums, über die Organisation und Funktion des Bundesverteidigungsrats und andere wichtige Fragen.
Auch das Besoldungsgesetz fehlt immer noch, auch die Zweite Novelle zum Gesetz gemäß Art. 131 des Grundgesetzes fehlt immer noch. Wir beklagen es, daß man diese psychologischen Fehler immer noch nicht bereinigt hat. Es gehört als psychologische Voraussetzung für den Aufbau einer neuen Bundeswehr nicht nur die ideelle, sondern auch die materielle Wiedergutmachung am alten Soldatentum. Ich hoffe, daß ,wir diese Zweite Novelle noch in diesem Sommer verabschieden. Aber viel böses Blut wäre vermieden worden, wenn man diese Angelegenheit damals in Angriff genommen hätte. Alle Kollegen, die in den zuständigen Ausschüssen zu tun haben, wissen sich kaum zu retten vor Anfragen gerade aus dem Kreis der alten Soldaten: Wo bleibt die Zweite Novelle, die uns im Wahlkampf 1953 alle Parteien versprochen haben und um die wir uns im Jahre 195'7 bei euch förmlich mühen müssen? Ich sage in meinen Antwortschreiben immer, man möge sich an jene Fraktion wenden, die dank ihrer absoluten Mehrheit allein in der Lage gewesen wäre, sie zu verabschieden, aber offensichtlich nicht die Zeit genutzt hat oder sie nicht nutzen wollte.
Lassen Sie mich auch zu der heiklen Frage des Personenkreises der ehemaligen Waffen-SS etwas sagen! Wir sind als Parlament verpflichtet, die Grenze zu ziehen zwischen einem bewaffneten Truppenteil, der den Namen „Waffen-SS" hatte, und Angehörigen einer politischen Organisation, die mit der kämpfenden Truppe der Waffen-SS nichts zu tun hatten, besonders gegenüber den Bewachungsmannschaften jener Konzentrationslager, deren Sadismus dem deutschen Namen so viel Schaden zugefügt hat. Der Kreis der noch lebenden Angehörigen der Truppe der Waffen-SS hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie er behandelt wird. Man kann ihnen, wenn sie jünger waren und nur niedere Dienstgrade hatten, nicht auf der einen Seite verwehren, Berufssoldaten zu werden, während man sie auf der anderen Seite in die allgemeine Wehrpflicht einspannt. Wir haben auf dem Würzburger Parteitag im Frühjahr vorigen Jahres diese Frage gestellt. Wir sehen aus der Anfrage einer anderen Fraktion dieses Hauses, daß der Status der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS beim Neuaufbau der Bundeswehr bis zum heutigen Tag noch nicht geklärt ist.
Lassen Sie mich hier zu der Frage der Heimatverteidigung noch einige kritische Bemerkungen anfügen. Wir haben vor wenigen Tagen Gelegenheit gehabt, das Lehrpersonal der Militärakademie von Bad Ems im Bundeshaus zu begrüßen. Herr Kollege Dr. Jaeger, Herr Kollege Erler und ich hatten Gelegenheit, auch einige Fragen der Offiziere entgegenzunehmen. Ein Offizier stellte uns die Frage: „Wie steht es mit der Organisation und Planung der Heimatverteidigung? Wir sollen als Lehrer unseren Offizieren Unterricht darüber geben, wie das Zusammenarbeiten der mobilen Verbände mit der Heimatverteidigung gedacht ist, aber wir Lehrer sind selbst noch völlig im unklaren über die Ziele der Heimatverteidigung. Was sollen wir lehren?" — Herr Kollege Jaeger beschränkte sich auf die Antwort, daß wir alles Augenmerk bisher auf den Aufbau der zwölf Divisionen, der taktischen Luftwaffe und der Marine hätten verwenden müssen und daß die Organisation der Heimatverteidigung dabei ohne Zweifel etwas zu kurz gekommen sei. was wir nachholen sollten. Aber, das ist doch keine befriedigende Antwort. Ich hoffe. daß das Verteidigungsministerium diese Lücke schließt. Denn wir wissen, daß die Heimatverteidigung im Zusammenhang mit dem Schutz der Zivilbevölkerung heute eine wesentlich wichtigere Rolle spielt als früher.
Im ersten Weltkrieg war der Soldat der Hauptträger des Kampfes. Die Zivilbevölkerung hungerte vielleicht in den letzten Jahren. sie wurde aber nicht unmittelbar von den Kampfwirkungen getroffen, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Im zweiten Weltkrieg war es schon umgekehrt: im totalen Krieg war die Zivilbevölkerung oft mehr als
der Soldat der Leidtragende des Krieges und seiner Katastrophen. Wir wissen aus den Verlustziffern von Budapest, wir wissen auch aus den Verlustziffern am Sueskanal, daß in einem möglichen dritten Konflikt der Schwerpunkt aller Opfer bei der Zivilbevölkerung liegen würde. Das heißt, die ersten Betroffenen sind die Frauen und Kinder, sind die Menschen in den Großstädten, ist nicht der Soldat. Um wieviel mehr haben wir die Pflicht, die Erhaltung dieser Substanz zum letzten Sinn unserer Verteidigung zu machen! Verteidigung verliert ihren Sinn, wenn sie mit dem Untergang dessen endet, was verteidigungswert ist.
Sie kennen das Beispiel von den beiden Kumpeln vor Ort, wo sich der eine über eine Fliege ärgert, die auf seiner Nase sitzt. Der andere Kumpel will sie ihm entfernen. Er schlägt mit dem Schlegel zu. Die Fliege war weg, der Kumpel war — tot.
Das Wesen unserer ganzen Verteidigung, auch unserer großen materiellen Opfer, die wir in diesem Haushalt wieder vor uns liegen haben, ist doch die Erhaltung der Substanz. Verteidigung ist sinnlos, wenn sie mit dem Untergang dessen endet, was verteidigt und geschützt werden soll. Darum muß der Schwerpunkt unserer Betrachtung bei der Erhaltung der Substanz, d. h. beim Schutz des Heimatgebietes und der Zivilbevölkerung, liegen. Hier sind noch große Lücken auszufüllen, nicht nur im Ressort „Heimatverteidigung" des Verteidigungsministeriums, sondern auch im Ressort „Ziviler Luftschutz" des Bundesinnenministeriums. Aber das steht hier nicht zur Debatte.
Ein Weiteres zu der Frage der Fürsorge für die Truppe. Unsere Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß haben mehrfach Gelegenheit gehabt, bei ) der Truppe festzustellen, wie sich unsere Gesetzgebungsarbeit in der Praxis auswirkt. Wir haben hier erschütternde Klagen über das Wohnungsproblem für Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere hören müssen. Meine verehrte Frau Kollegin, die Alterspräsidentin Dr. Lüders, wird Ihnen die Frage des Wohnungswesens und des Kasernenwesens noch näher darlegen und dabei untersuchen, ob unsere Praxis nicht in Widerspruch zu dem Artikel des Grundgesetzes steht, der Ehe und Familie dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung unterstellt. Was fanden wir vor? Wir haben uns sagen lassen müssen, daß leider mit dem Fertigstellen eines Kasernements nicht auch ein Teil der Wohnungen fertig wurde, sondern daß die Berufssoldaten zum Teil noch bis zu fünf Jahren auf die Zuteilung einer Dienstwohnung warten müssen. Das heißt, diejenigen, die durch Krieg und Gefangenschaft schon viele Jahre getrennt waren, müssen jetzt noch weitere Jahre, bis zu fünf Jahre, in Kauf nehmen, bis sie mit ihrer Familie verbunden sein können. Es erübrigt sich, auf die vielen Probleme einzugehen, die sich durch diese Trennung der Familien auch im menschlichen Bereich ergeben.
Ich weiß, daß die Verantwortung für gewisse Fehlentwicklungen nicht so sehr beim Verteidigungsministerium als beim Wohnungsbauministerium liegt. Aber wenn es einen Verteidigungsrat gibt, der funktionsfähig ist und funktioniert, dann sollten diese Dinge besser koordiniert werden, als das bisher im Nebeneinander von Verteidigungsministerium und Wohnungsbauministerium der Fall war.
Die Objektivität zwingt mich, festzustellen, daß das
nicht auf das Konto des jetzigen Verteidigungsministers, sondern auf das Konto seines Vorgängers geht, der ja dadurch, daß er sein Amt preisgeben mußte, eine gewisse Dokumentierung seines Versagens vor der Öffentlichkeit bereits erhielt.
Lassen Sie mich noch, ohne in die Gefahr zu kommen, die atomare Debatte wieder aufleben zu lassen, auch auf die Frage der atomaren Ausrüstung der Bundeswehr eingehen und gleichzeitig eine Bemerkung zu unserem Änderungsantrag machen. Der Herr Präsident wird mir gestatten, daß ich diese Ausführungen dazu benutze, gleich den Änderungsantrag auf Umdruck 1102 mit wenigen Worten zu begründen.
Wir haben trotz aller frommen Wünsche bezüglich der Beschaffung von gutem und modernem Material und bezüglich einer Standardisierung und Typisierung bisher schlechte Erfahrungen gemacht. Mein Herr Vorredner hat das zum Teil dargelegt. Die gröbsten Pannen, der Panzerskandal und der Flugzeugskandal, konnten durch das Eingreifen des Verteidigungsausschusses beseitigt werden. Aber immer noch haben wir die Sorge, daß wir einen Kraftfahrpark und einen Waffenpark entwickeln, die sich in nichts von der Zerrissenheit unseres Beschaffungs- und Ausrüstungswesens in der Mitte oder am Ausgang des zweiten Weltkrieges unterscheiden.
Während die Gegner durch meisterhafte Standardisierung und Typisierung und Normierung nur über ganz wenige Typen verfügten und damit der Austausch und der Ersatz sehr gut vonstatten ging, waren wir geradezu ein Sammelsurium aller möglichen Typen dieser Erde geworden. Man sollte diesen Fehler nicht wiederholen. Auch föderalistische Rücksichten, Rücksichten auf Notstandsgebiete, Rücksichten auf gewisse Firmen sollten nicht dazu führen, daß wir von dem ersten Grundsatz der Ausstattung unserer Armee abgehen, so viel wie möglich zu normieren und zu standardisieren, um den Wirrwarr vergangener Zeiten, der mit Blut bezahlt werden mußte,
nicht wiederkommen zu lassen.
Wir wünschen mit unserem Antrag gewisse Abstriche, nicht etwa um das Verteidigungsprogramm der Regierung zu erschweren. Wir glauben, daß diese Abstriche möglich sind, ohne das Verteidigungsprogramm zu erschweren. Wir schlagen vor, in Kap. 1412 einen neuen Tit. 572 mit 200 Millionen DM als Zuschüsse zum Ausbau des deutschen Straßennetzes einzusetzen, soweit es im Interesse der Verteidigung liegt. Das Straßennetz pflegt im allgemeinen durchaus im Interesse des Verteidigungswesens zu liegen, insbesondere in einer Zeit der schnellbeweglichen Truppen und schneller Entscheidungen in einem Gebiet mit modernem Straßensystem. Wir haben auf den deutschen Straßen, wie in der Debatte vor einer Stunde zu hören war, jedes Jahr 13 000 Tote. Das heißt, wir verlieren eine volle kriegsstarke Division auf den deutschen Straßen, nicht zuletzt als Folge des dem heutigen Verkehr nicht mehr gewachsenen deutschen Straßenwesens, als Folge mangelhaften Straßenausbaus. Wir glauben, daß wir uns allen einen Dienst tun, wenn wir 100 Millionen DM bei Kap. 14 15 Tit. 852 und bei der Anschaffung von Flugzeugen ebenfalls
100 Millionen DM streichen. Auf diese Weise könnten wir jene 200 Millionen DM als Zuschuß des Verteidigungsministers zum Ausbau des deutschen Straßenwesens — natürlich mit dem Blickpunkt auf die strategische Bedeutung — aufbringen. Wir schlagen also nicht nur eine neue Ausgabe vor, sondern wir geben Ihnen auch Gelegenheit, die Deckung aus dem Verteidigungshaushalt selbst zu erbringen.
Wie Herr Kollege Wienand schon sagte, ist die Frage der Entwicklung der Kampffahrzeuge mitten in der Diskussion. Er sprach von dem französischen Panzer AMX, den wir im Februar südlich Paris vorgeführt erhielten. Ähnliche Gedanken sind ja bei der Entwicklung eines deutschen Panzers in der Diskussion. Wir können uns durchaus leisten. hier kurzzutreten, die Entwicklung abzuwarten und diese 100 Millionen DM bei der Beschaffung der Kampffahrzeuge einzusparen.
Es bleiben dann immer noch 734 954 000 DM übrig.
Das gleiche gilt von den Flugzeugen. Sie alle wissen, meine Damen und Herren — Sie haben sich das letzte Mal noch mokiert, als wir darüber sprachen —, daß die Zeit des Horizontalstarts zu Ende geht. In wenigen Jahren wird der Senkrechtstart die Norm sein. zumindest bei den Jagdflugzeugen. Der uns südlich Paris vorgeführte Atar volant, ein senkrecht startender und landender Düsenjäger mit Überschallgeschwindigkeit, hat vor wenigen Tagen seinen ersten gelungenen Start mit einem Piloten durchgeführt, während er damals noch ferngelenkt war. Auch in der Flugzeugbeschaffung sollte man kurztreten, um sich nicht durch Fehlinvestitionen eine mögliche Entwicklung zu verbauen; denn man soll ja seinen Soldaten die modernsten Waffen geben. Das bedeutet nicht, daß man ihnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Atomwaffen gibt.
Lassen Sie mich zum Schluß eine Antwort auf eine Frage erbitten, die uns Sorge macht. Wir haben in der Atomdebatte dieses Hauses gehört, daß die Regierungspartei der CDU und die Koalitionspartei der DP erklärt haben, daß die Frage der atomaren Bewaffnung gegenwärtig gar nicht aktuell sei, frühestens in zwei oder drei Jahren. Andererseits haben aber die Mitglieder der CDU in der Beratenden Versammlung der Westeuropäischen Union der sofortigen Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Raketen zugestimmt.
Das ist ein Widerspruch in sich, und wir möchten gerne hören, was nun gilt. Gilt dieser Beschluß der Westeuropäischen Union, oder gilt das, was Bundeskanzler und Verteidigungsminister gesagt haben und was der Inhalt der Entschließung der Regierungsparteien ist?
Lassen Sie mich, um die Tatsachen sprechen zu lassen und den nachfolgenden Sprechern der CDU Gelegenheit zu geben, zu diesen Behauptungen Stellung zu nehmen, die Tatsachen selbst wiederholen.
In der Straßburger Delegiertenversammlung ist für eine unverzügliche — ich wiederhole: für eine unverzügliche — atomare Bewaffnung der Bundesrepublik gestimmt worden,
während im Bundestag ein Mehrheitsbeschluß herbeigeführt wurde, wonach — ich zitiere wörtlich aus der Entschließung — „die Bewaffnung der Bundesrepublik mit atomaren Waffen jetzt nicht zur Entscheidung steht".
Obwohl es offensichtlich ist, daß die politische Entscheidung für oder gegen die Atomrüstung der Bundeswehr — einerlei. ob die technische Durchführung Monate oder Jahre dauert — jetzt ansteht, sucht die CDU vor der deutschen Öffentlichkeit den wirklichkeitswidrigen Eindruck zu erwecken, die Frage stelle sich erst in zwei oder drei Jahren.
Folgende Tatsachen beweisen meine Behauptung.
1. Im Dezember 1956 ist bei den Beratungen der NATO-Konferenz das Problem aufgeworfen worden, ob die europäischen Streitkräfte der NATO — darunter die Bundeswehr — mit leichten Atomwaffen ausgestattet werden sollen, wie der Verteidigungsminister laut Bulletin der Bundesregierung am 8. April 1957 mitteilte. Der Verteidigungsminister Strauß fügte hinzu, für die Bundeswehr stelle sich das Problem zwar nicht innerhalb der nächsten Monate, die Bundesregierung verlange jedoch Gleichberechtigung mit den übrigen europäischen Streitkräften der NATO.
2. Am 19. März 1957 befaßte sich der Rat der Westeuropäischen Union laut Kommuniqué auf Grund der vom deutschen Bundeskanzler gemachten Vorschläge bezüglich einer neuen Gesamtüberprüfung der Hilfsquellen der Allianz mit dem Verhältnis zwischen herkömmlichen und atomaren Streitkräften und Waffen.
3. Am 20. März 1957 erklärte der Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa. General Norstad — laut „Times" —, daß er anläßlich eines Besuches in Bonn nachdrücklich empfohlen habe, die atomische Leistungskapazität der NATO-Streitkräfte einschließlich der Bundeswehr zu entwickeln. Nachzulesen in Keesings Archiv, Nr. 6329.
4. Am 12. April 1957 unterrichtete die USA-Regierung — laut „Times" — den Nordatlantikrat von ihrer Absicht, ihren Bündnispartnern taktische Raketen zu liefern, deren atomische Sprengköpfe außerhalb des Ernstfalles in amerikanischer Verwahrung bleiben sollten. Keesings Archiv, Nr. 6385.
5. Am 8. Mai beschloß die Beratende Versammlung der Westeuropäischen Union in Straßburg — Sie fragten vorher, mit welchen Stimmen: mit 39 gegen 7 Stimmen bei 19 Enthaltungen; bei diesen Ja-Stimmen waren die Stimmen sämtlicher CDU-Vertreter dieses Bundestages! —,
daß als Minimum 30 Divisionen mit taktischen Atomwaffen ausgestattet werden und daß außerdem eine strategische nukleare Vernichtungswaffe im Sinne der fortschrittlichen Strategie für die Verteidigung Europas bereitgestellt wird. Dokument Nr. 38 der Versammlung der Westeuropäischen Union und entsprechende Presseberichte.
Entgegen diesem von der CDU mit verfaßten Straßburger Beschluß vom 8. Mai verkündete die CDU-Fraktion am 10. Mai im Bundestag, daß die
Bewaffnung der Bundeswehr mit atomaren Waffen keineswegs aktuell sei; sie beschloß mit den Stimmen ihrer Koalitionsabgeordneten von der DP: Die Bewaffnung der Bundesrepublik mit atomaren Waffen steht jetzt nicht zur Entscheidung. Und der Bundeskanzler erklärte ausweislich des Protokolls des Bundestages: Die Frage, ob wir Atomwaffen bekommen werden oder ob wir sie nicht bekommen werden, ist noch gar nicht gestellt. Wie der Herr Bundeskanzler, so haben auch der Herr Kollege Dr. Jaeger und der Herr Bundesaußenminister von Brentano erklärt, die Frage werde erst in zwei oder drei Jahren spruchreif sein.
Was gilt nun? Gilt im Rahmen unserer Vertragstreue das, was bei der Westeuropäischen Union mit den Stimmen der CDU-Abgeordneten beschlossen worden ist, oder gilt das, was — anders geartet — der Kanzler und die Sprecher der CDU erklärt haben und was die Entschließung der CDU zum Inhalt gehabt hat? Diese Antwort sollte dem Hause doch gegeben werden. Ich hoffe, daß sie lautet: Es gilt das, was das Haus mit Mehrheit beschlossen hat; das heißt, die Sache wird erst in zwei oder drei Jahren spruchreif und dann zur Entscheidung dieses Hauses stehen und nicht zur Entscheidung etwa eines Mannes.
Es würde vielleicht sehr interessant sein, auch das hier zu zitieren, was die hochangesehene schweizerische unabhängige Tageszeitung „Die Tat" in ihrer Ausgabe Zürich, Montag, den 20. Mai 1957, unter der Überschrift „Die wahren Gründe der deutschen Atombewaffnung" in einem Artikel von Herrn von Üxküll schreibt. Ich möchte im Hinblick auf die gedrängte Tagesordnung darauf verzichten.
Wir stimmen trotz aller Bedenken diesem Haushalt zu, erwarten aber die Klärung der Fragen, die ich hier gestellt habe.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Blank .
Dr. Blank (DP[FVP]), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie aus den dem Hohen Hause vorliegenden Drucksachen hervorgeht, bin ich Berichterstatter für den Einzelplan 14, über den wir zur Zeit im Hinblick darauf, daß wir in der zweiten Beratung sind, eine ganz bemerkenswerte Verhandlung führen. Im Verlaufe der Behandlung des Haushaltsplans 1957 haben wir überhaupt eine sehr interessante Beobachtung machen können. Sie besteht darin, daß die Berichterstatter für die Einzelpläne zwar zur Abkürzung der Verhandlungen über die Einzelpläne durchweg Schriftliche Berichte erstattet haben und daß sie nach dem Aufruf des betreffenden Einzelplans sogar darauf verzichtet haben, das Wort zu ergreifen, daß sie sich aber vorbehalten haben, das, was ihnen besonders am Herzen liegt und was sie aus der besonderen Beschäftigung mit dem betreffenden Einzelplan auch besonders gut kennen, erst vorzutragen, nachdem der zuständige Bundesminister oder soundsoviele Fraktionsvertreter gesprochen haben. Die Einzelpläne, bei denen dieses neuartige Verfahren in Anwendung gebracht worden ist, will ich hier weder nach Ziffern noch nach Sachbereichen nennen. Immerhin könnte man vielleicht daran denken, dieses neuartige Verfahren sogar in der Geschäftsordnung zu verankern, die ja nach dem Wunsch des Herrn Vorsitzenden des Geschäftsordnungsausschusses noch vor Abschluß der Legislaturperiode von Grund auf überholt werden soll. Man wird sich dann überlegen müssen, ob das Verfahren zweckmäßig ist.
Ich selbst habe nicht die Absicht, dieser neuartigen Praxis zu folgen, und möchte nur ganz wenige Bemerkungen zu dem machen, was hier bisher zum Einzelplan 14 geäußert worden ist. Herr Kollege Wienand hat davon gesprochen, daß die Sozialdemokratische Partei bisher — ich habe mir das Wort ausdrücklich notiert — die Verteidigungs- bzw. Wehrpflicht abgelehnt hat mit der Begründung, daß Bundeswehr und allgemeine Wehrpflicht die Wiedervereinigung erschweren, und mit der weiteren Begründung, daß die SPD eine tiefe Sorge um das Schicksal unserer Soldaten empfindet, wobei sie wohl offensichtlich in erster Linie Sorge empfindet um das Schicksal der armen eingezogenen Wehrpflichtigen. Zwar hat Herr Kollege Wienand das „Aushungern der Bundeswehr" — ein Ausdruck, den ich 'meinerseits niemals gebraucht haben würde — weit von sich gewiesen, aber wenn man sich die Streichungsanträge auf Umdruck 1069 ansieht, muß man sich allerdings fragen: Was sollen nun diese unglücklichen Wehrpflichtigen, die zwar nach den Anträgen desselben Umdrucks zweimal jährlich nach Hause fahren dürfen
und die gegen wer weiß welche Unbill irgendwelcher Vorgesetzten geschützt werden sollen, eigentlich machen, wenn sie nun — denn das möchte offenbar auch die SPD nicht herbeiführen — überhaupt nicht mehr Soldaten sein sollen? Natürlich soll sich alles das, was wir in Durchführung unserer Verteidigungspflicht an Vorschriften erlassen müssen, nicht gegen den einzelnen Soldaten richten. Ich weiß nicht, ob da nicht in den Ausführungen des Herrn Fraktionssprechers ein vielleicht freiwilliger oder gewollter lapsus linguae lag. Ich glaube, wir müssen in diesem Hohen Hause dazu kommen, daß dieses gewollte, überlegte, zum Teil sehr listige Aneinandervorbeireden endlich einmal aufhört.
Hier wird gesagt: Das und das darf nicht sein, aber das und das muß sein. Was da gefordert wird, schließt sich dann gegenseitig geradezu aus. Dagegen möchten wir uns wenden.
Jetzt bitte ich den Herrn Präsidenten, mich von meiner Eigenschaft als Berichterstatter vorübergehend zu dispensieren, damit ich im Namen meiner Freunde noch einiges Weitere sagen kann.
— Darüber können Sie sich nachher äußern. Der Berichterstatter hat sich bisher mit den Anträgen des Umdrucks 1069*) beschäftigt und damit, daß die Annahme der Anträge des Umdrucks 1069 aus der sogenannten Bundeswehr einen ärmlichen
*) Siehe Anlage 9
Haufen machte, dem man wünschen könnte, daß er vielleicht Dreschflegel hat.
— Der Berichterstatter hat sich aber mit den Beschlüssen des Ausschusses zu beschäftigen, und das glaube ich getan zu haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Dr. Blank (DP [FVP]: Aber gern, natürlich!
Herr Kollege Dr. Blank, sollte Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein, daß wir die aus sozialen Gründen gestellten Anträge für die Wehrpflichtigen in unserem Antrag Umdruck 1069 als Eventualanträge ausgewiesen haben, daß wir sie für den Fall gestellt haben, daß unsere grundsätzlichen Anträge abgelehnt werden?
Dr. Blank (DP [FVP]): Nein, das ist meiner Aufmerksamkeit gar nicht entgangen. Die Frage, wie über die Grundanträge entschieden wird, ist natürlich offen. Aber wenn Sie die Eventualanträge in demselben Umdruck bringen, dann glaube ich, daß sogar der Berichterstatter darüber sprechen darf.
Meine Damen und Heren, wohin kommen wir, wenn wir dieser zwiespältigen Beweisführung — wenn man es so nennen will — folgen? Die Bewaffnung, die Verteidigungsfähigkeit und möglichkeit wind weitgehend abgelehnt, aber für die „armen" Soldaten setzt man sich ein. Wenn sie keine Waffe haben, dann muß man sich natürlich 'erst recht für sie einsetzen, damit sie nach Hause fahren können.
Überlegen wir uns einmal, was die Ablehnung zu
den Kapiteln 1415 und 1419 bedeutet! Ich gehe jetzt mit Absicht nicht auf die Einzelheiten ein, sondern bitte, sich folgendes zu überlegen. Mit besonderem Nachdruck sind moderne Waffen gefordert worden. Wo sollen wir sie aber herbekommen, wenn wir sie nicht bestellen?
— Lachen Sie ruhig! Es ist so: Wo wollen Sie sie herbekommen? Angesichts der Lieferlage in der Welt müssen wir eines Tages einmal damit anfangen, ,unsere Soldaten ,auch mit modernen Waffen auszurüsten. Infolgedessen müssen wir sie bestellen, müssen Anzahlungen leisten und müssen erste und zweite Teilzahlungen auf diese Bestellungen auch in den Haushaltsplan einsetzen. Unser Haushaltsgesetz zwingt uns j a dazu ,auf Grund der Reichshaushaltsordnung, Zahlungen für Beschaffungen, die sich über mehrere Jahre erstrecken, jeweils mit einem Teilbetrag in den Haushaltsplan für das betreffende Jahr einzusetzen. Das ist hier geschehen. Ich muß sagen, das bedarf schon einer besonderen Begabung für haushaltsrechtliche Überlegungen: es wird ,der Antrag gestellt, daß in einem Bereich, wo im vorigen Jahr der 1. Teilbetrag bewilligt worden ist, nun der 2. Teilbetrag gestrichen wird.
Es wird dann in der 'bekannten besonderen Beweisführung, von der ich schon 'gesprochen habe, erklärt, daß Granaten nicht mehr zweckmäßig seien und daß man Raketen brauche. Ich möchte mal sehen, was passierte, wenn im Haushaltsplan 1957 bereits Ansätze für die Beschaffung von Raketen
— das wäre natürlich in den Erläuterungen gesagt
— vorgesehen wären! Wir können sie im Augenblick leider noch nicht kriegen; infolgedessen können sie auch noch nicht im Haushaltsplan stehen.
— Das muß sich herausstellen. Vielleicht kriegen wir nicht einmal alle Bücher, die Sie haben möchten, Herr Professor.
Den Titel Beschaffung von Flugzeugen will man einfach streichen. Meine Damen und Herren, wollen wir nicht so objektiv sein, daß wir uns überlegen, daß es, wenn wir uns überhaupt verteidigen wollen, im hohen Grade sinnlos ist, jetzt einfach den Ansatz für Flugzeuge zu streichen? So geht es doch nicht. Überlegen wir lieber außerhalb des Plenums gemeinsam, wie wir es nun wirklich machen wollen, um zu vermeiden, daß wir ausgerechnet im Jahre 1957 hier Agitationsanträge stellen.
— Nein, das ist gar nicht nötig; wir können uns sogar klug stellen, natürlich vorausgesetzt, daß wir es sind.
Die Opposition beruft sich in ihren Darlegungen plötzlich darauf, der Bundesverteidigungsminister habe zu irgendeinem Zeitpunkt davon gesprochen, daß eine moderne Ausrüstung nicht fünf, sondern sieben Jahre dauern werde. Das kann aber doch kein Grund dafür sein, einfach nichts zu unternehmen. Wir haben uns entschlossen, anzufangen. Wir haben auch angefangen. Deshalb müssen wir nach dem jeweiligen Stand mit dem Bestmöglichen weitermachen.
- Nein, im Gegenteil, fortfahren.
Ich darf die Kollegen auf allen Seiten des Hauses bitten: wollen wir uns doch Mühe geben, nicht bewußt mit sehr klugen Überlegungen aneinander vorbeizureden! Wir täuschen uns, wenn wir glauben, daß das in der großen Öffentlichkeit ankomme; das ist ja ,gar nicht der Fall.
— Sind wir darüber einig? Ausgezeichnet!
Nun stehen wir als Angehörige der Regierungskoalition einer, wie soll ich sagen, gespaltenen Opposition gegenüber. Das ist uns soeben besonders bestätigt worden; denn die Freie Demokratische Partei, die in erster Linie Mahnungen an die Bundesregierung und an die Mehrheit gerichtet hat, hat vorweg erklärt, daß sie dem Verteidigungshaushalt zustimmen wolle. Wir begrüßen das und schließen uns dem Sprecher dieser „Sonderopposition" an,
wenn er sich gegen die apodiktischen Urteile der SPD ausspricht. Wir haben es sogar ganz besonders begrüßt, daß der Vertreter der Freien Demokraten gesagt hat, man sei ,ausgesprochen antisowjetisch. Wir persönlich denken uns 'dabei: dann ist in-
zwischen die FDP wahrscheinlich auch anti-kontaktisch geworden, und das würden wir herzlich begrüßen.
— Natürlich, aber das war zu einer Zeit, bevor Sie Kontakte machten.
Die Schwierigkeit scheint mir in erster Linie darin zu bestehen, daß zwar mit Emphase erklärt wird, was alles falsch ist bzw. von der Regierung und von der Regierungskoalition falsch gemacht wird. Aber auf die Vorschläge, wie es mit Aussicht auf Erfolg besser oder richtig gemacht werden kann, wartet die Koalition seit Jahr und Tag.
Damit bitte ich meine Ausführungen als Vertreter der Koalition abschließen zu dürfen.
Herr Abgeordneter Seffrin!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an die Ausführungen erinnern, die Herr Kollege Wienand gemacht hat, und an den Spruch aus der Bibel: Im Himmel ist mehr Freude über einen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte. Den Kollegen Mende möchte ich dabei zu den Gerechten zählen.
*) Die Ausführungen unseres Kollegen Wienand waren wirklich so, daß man den Eindruck bekommen konnte: Hier ist ein Sünder, der Buße tut. Was Sie über die Teilnahme der SPD an der Errichtung der Bundeswehr gesagt haben, geht sogar so weit, daß ich Ihrem Freunde Eschmann sagte: Wenn der Herr Wienand so weiterspricht, wird er zum Schluß noch den Antrag stellen, zu erklären, daß die Sozialdemokratische Partei die deutsche Bundeswehr allein aufgebaut hat.
Wir sind durchaus empfänglich und haben durchaus Verständnis dafür, daß man etwas einsieht. Herr Kollege Wienand sagt: Wir haben zwar immer die Haushalte abgelehnt und die Gelder für die Bundeswehr nicht bewilligt, aber das soll nicht besagen, daß wir die Bundeswehr nicht wollen. Ich glaube aber, wenn man einer Institution die Gelder, die sie braucht, nicht gibt, will man auch die Institution nicht. Sie haben das ja sehr deutlich gesagt. Sie haben erklärt: Wir wollen diese Bundeswehr nicht, denn wir glauben, daß die damit verbundene Politik eine ungünstige Politik ist und daß dadurch insbesondere die Erreichung des Ziels der Wiedervereinigung verhindert wird.
Das ist eine große, schwere politische Frage, über die hier schon des öfteren gesprochen worden ist und bei der wir wahrscheinlich erst dann zu einer gemeinsamen Auffassung kommen werden, wenn diese Sache einmal endgültig geklärt ist. Inzwischen aber, so glauben wir wenigstens, ist es notwendig, daß wir keine Politik machen, die uns in die Isolation führt und als deren Ergebnis wir schließlich zwischen sämtlichen Stühlen sitzen. Das aber wäre das Ergebnis der sozialdemokratischen Politik, wie sie uns bisher bekannt geworden ist.
Ich darf noch sehr nachdrücklich betonen, daß jene Gesetze, die die politische Kontrolle der Bundeswehr und die Sicherung der demokratischen Rechte der Bundeswehrsoldaten zum Inhalt haben, nicht etwa nur oder in besonderem Maße im sozialdemokratischen politischen Garten gewachsen sind. Der Gedanke, die Bundeswehr in das Staatsganze, in das Volk hereinzunehmen und die demokratischen Rechte der Soldaten zu sichern, ist Gemeingut von uns allen gewesen. Ich glaube, wenn man die einzelnen Gesetzentwürfe, die für die Sicherung dieser politischen Kontrolle und der demokratischen Rechte zuständig sind, untersuchte, würde man finden, daß die Elemente und die wichtigsten Aussagen bereits darin enthalten waren, daß es sich manchmal bei dem, was im Ausschuß noch geschehen ist, um mehr oder weniger redaktionelle Änderungen, um bestimmte klarere Formulierungen oder auch da und dort um die eine oder andere Ergänzung handelte. Es ist aber doch nicht zu übersehen, daß diese Gesetze nicht hätten zustande kommen können, wenn die größte Fraktion dieses Hauses sich ihnen widersetzt hätte. Daß sie heute da sind, spricht eben auch dafür, daß wir für die politische Kontrolle und für die Sicherung der demokratischen Rechte unserer Soldaten eingetreten sind.
Wie sehr man die Dinge abseitig betrachten und beleuchten kann, dafür ist ja die allerdings etwas danebengegangene Behandlung des Themas „Frauen in den Wehrdienst" kennzeichnend. Davon war nie die Rede. Es sollte hier zwar der Eindruck erweckt werden, als ob eine gewisse Richtung im Ausschuß oder gar in diesem Hohen Hause dafür gewesen wäre, daß Frauen in die Verteidigung eingereiht werden sollten. Das ist eine Sache gewesen, der wir alle uns von vornherein versagt haben.
Nach diesen allgemeinen Ausführungen darf ich mich nun den einzelnen Punkten des Änderungsantrags der Fraktion der SPD, Umdruck 1069*), und mithin dem Haushalt des Verteidigungsministeriums zuwenden. Ich möchte dazu zwei Vorbemerkungen machen.
Erstens. Dieser Haushalt, der uns jetzt zur zweiten Lesung vorliegt, ist der erste ordentliche Haushalt, den das Verteidigungsministerium bekommt. Das ist sehr erfreulich und auch sehr wichtig; denn damit ist die Zeit der auch für uns nicht angenehmen Vorwegbewilligungen, Nachbewilligungen usw. vorbei, und es kann endlich auch in dieser Hinsicht ein klarer Weg gegangen werden.
Zweitens. Nach Artikel 87 a des Grundgesetzes müssen die zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge der Organisation der Bundeswehr aus dem Haushaltsplan ersichtlich sein. Diese Forderung ist mit dem nun vorliegenden Haushaltsplan erfüllt und eine Schwierigkeit, die immer wieder zu gewissen Mißverständnissen geführt hat, beseitigt.
Diese beiden Umstände — ordentlicher Haushalt und die Möglichkeit, die Grundzüge der Organisation und die zahlenmäßige Stärke der Bundeswehr aus dem Haushaltsplan zu erkennen — sind durchaus positive Dinge, die wir nicht übersehen wollen.
Nun zu den einzelnen Änderungsanträgen der sozialdemokratischen Fraktion in Umdruck 1069.
*) Siehe Anlage 9
In Kap. 1402 Titel 222 wünscht die SPD-Fraktion die Streichung der 8 Millionen DM für die Erstattung an das Bundespresse- und Informationsamt. Diese Dinge sind ja schon beim Haushalt des Bundeskanzleramtes besprochen und auch hinreichend geklärt worden. Ich glaube nicht, daß die hier emphatisch vorgezeigte Zeitung — ich glaube, es war eine Soldatenzeitung, Herr Kollege Wienand — irgend etwas mit diesen Stellen zu tun hat. Wir sind aber andererseits der Meinung, daß negative Einflußnahmen gerade von solchen Kreisen, die sowohl unserer Politik wie unserem Staate feindlich gesinnt sind, immer stärker um sich greifen und daß diesen Einflußnahmen von unserer Seite die entsprechenden Gegenaktionen entgegengesetzt werden müssen. Wir werden deshalb die Forderung auf Streichung der 8 Millionen in Tit. 222 Kap. 1402 ablehnen.
Zu Kap. 1403 Tit. 102 ist die Streichung des Wehrsoldes für unsere 10 000 Wehrpflichtigen beantragt. Wir haben ,uns in langen und gründlichen Ausführungen hier darüber auseinandergesetzt, warum wir Wehrpflichtige in unserer Bundeswehr haben wollen, warum wir auf 'die Wehrpflicht nicht verzichten können. Wir werden deshalb auch den sozialdemokratischen Antrag auf Streichung der Gelder für die Wehrpflichtigen ablehnen. Immerhin ist in diesem Zusammenhang interessant— die Antwort auf diese Frage sind Sie uns vorhin schuldig geblieben, Herr Kollege Wienand —: Wenn Sie nur die Streichung der Gelder für die Wehrpflichtigen beantragen, werden Sie dann die Gelder für die Berufssoldaten billigen? An sich müßte man das annehmen. Sie haben es zwar nicht gesagt, aber es ergibt sich aus der Sache selbst. An diesem Punkt könnte eine erfreuliche Besserung zu verzeichnen sein. Wir wollen hoffen, daß sich derartige Einsichten bei Ihnen auch in Zukunft in entsprechendem Maße durchsetzen werden.
Wenn wir die Streichung der Gelder für die Besoldung der Wehrpflichtigen ablehnen, dann ist es nichts anderes als eine Konsequenz, wenn wir auch die geforderte Streichung der ,Gelder in Kap. 1422 für das Wehrersatzwesen ,ablehnen. Denn das eine bedingt das andere und setzt das andere voraus.
Etwas ernster werden die Dinge, wenn wir zu den Kapiteln 1415, 1419 usw. kommen. Herr Kollege Blank hart in seiner freundlichen Art schon sehr Wesentliches und Wichtiges dazu gesagt. Wenn man Ihren Anträgen auf Streichung der Gelder für Munition, für Kampffahrzeuge, für Schiffe, für Flugzeuge usw. folgte, bedeutete das doch nichts anderes, als daß zwar die Gelder für die Bundeswehr — mit Ausnahme der Freiwilligen — vorhanden wären, daß die Soldaten aber letztlich gar keine oder halbe Waffen oder Waffen auf dem Papier hätten. Das ist eine geradezu groteske Vorstellung und eine Forderung, die den Dingen einfach nicht entspricht. Sie sagen: Ja, es treten ständig Veränderungen ein; zahlenmäßig sind wir nicht hingekommen, die Waffen selbst modernisieren sich, schreiten in ihrer Wirkung fort. Diese Dinge haben wir schon einmal hier überlegt. Das ist ungefähr so — jeder Vergleich hinkt, auch dieser Vergleich, aber wir kommen der Sache dadurch immerhin etwas näher —, als wenn sich jemand entschließt, ein Auto zu kaufen, und sich sagt: Wenn ich das Auto heute kaufe, kriege ich das Fabrikat des Jahres 1957. Im Jahre 1958 ist aber schon wieder eine andere Hupe an dem Auto; die gefällt mir besser. Deshalb kaufe ich das Auto heute nicht
und kaufe es nächstes Jahr. Im Jahre 1958 ist er in genau derselben Situation: Im Jahre 1959 wird das Ding noch besser sein; also kauft er es sich nicht jetzt, sondern erst 1959. So ähnlich soll es nun auch bei der Bundeswehr gemacht werden. Wir können ja nicht wissen, was für Waffen im Jahre 2000 da sein werden. Wenn wir Ihren Intentionen folgten, liefe das ganz einfach darauf hinaus, daß wir zwar Soldaten in den Kasernen, aber keine Möglichkeiten hätten, die Soldaten darin zu üben, wofür sie schließlich da sind, nämlich in der Verteidigung unseres Volkes. Ich könnte mir allerdings denken, daß Ihnen — Ihnen , nicht den Soldaten — ein solcher Zustand durchaus angenehm wäre, weil Sie damit wieder neuen Stoff hätten, um hier entsprechende Reden halten zu können.
Im Kap. 1423 sind besonders die Fürsorgefragen angeschnitten. Die Anträge der SPD-Fraktion in den Ziffern 9 und 10 sind nach unserer Auffassung überflüssig, weil die hier verlangten Mittel bereits in anderen Positionen zur Verfügung stehen. Hierzu werden wir vom Herrn Minister noch eine genauere Darstellung bekommen.
Etwas anderes ist es mit dem Antrag unter Ziffer 12, in dem eine Beihilfe zur Einrichtung von bundeswehreigenen Erholungsheimen verlangt wird. An sich ist uns dieser Antrag gar nicht unsympathisch. Aber man muß eine Sache, auch wenn sie nur 300 000 DM kostet, doch genau überlegen. Es ist die Frage, ob wir jetzt, nachdem die Bundeswehr ein Jahr alt ist, schon von Staats wegen bundeswehreigene Erholungsheime schaffen sollen. Nach unserer Erkundigung sind an sich aus dem Bestand der früheren Reichswehr und der früheren Wehrmacht solche Heime noch vorhanden. Ich führe hier als Beispiel drei Heime an: das in Hohenaschau am Chiemsee, dann das Heim im Ilgenbachtal im Schwarzwald, und dann ist noch eines in Norderney. Aber diese Heime sind in einem solchen Zustand, daß wir sie mit 300 000 DM allein gar nicht in Ordnung bringen können. Ichhabe mir sagen lassen, daß allein ,bei dem einen Heim — ich glaube, es ist das in Hohenaschau am Chiemsee — für die Einrichtung und Wiederherstellung der Heizung 250 000 DM notwendig wären. Wie gesagt, dieser Antrag ist uns an sich gar nicht unsympathisch; aber wir sind der Meinung, daß hier zunächst eine ,genauere Prüfung und Planung erfolgen muß und daß dann auf Grund dieser Prüfung und Planung auch ein vernünftiger Titel in den Haushalt hineingebracht werden müßte. Wir glauben nicht, daß es nach einem Jahr Bundeswehr schon ganze Kompanien gibt, die in Erholungsheime gehen müssen. Diese Sache ist also nicht so dringlich, daß wir diesen Antrag sofort ohne genaue Prüfung annehmen können. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag unter Ziffer 12 ab, betonen aber ausdrücklich, daß das keine Ablehnung in der Sache, sondern nur eine Ablehnung im gegenwärtigen Zeitpunkt ist.
Wenn wir heute den Haushalt des Bundesverteidigungsministers in zweiter Lesung beraten, dann dürfen wir ruhig einmal sagen, daß trotz aller Kritik und trotz aller Hindernisse, denen der Aufbau unserer Bundeswehr begegnet ist, in einem Jahr Bundeswehr — praktisch können wir diese Dinge ja erst vom 1. April 1956 'an datieren — sowohl hinsichtlich der Aufstellung und Ausrüstung der Leute als auch hinsichtlich ihrer Unterbringung die Schwierigkeiten, die da waren und die
wir selbst auch gesehen haben, überwunden sind. Das, was in diesem Jahr geleistet worden ist, ist tatsächlich der Anerkennung des deutschen Volkes würdig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, es sind bis jetzt noch sechs Redner gemeldet, es sind ferner sechzehn Abstimmungen zu vollziehen, und um 9 Uhr wird Schluß gemacht.
Ich gebe das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Moses, eine der größten Persönlichkeiten der Weltgeschichte, vor dem brennenden Dornbusch stand, da überkam ihn — aus welchen Gründen immer — ein Zagen, und er sagte: Laßt meinen Bruder Aron für mich sprechen, denn ich habe eine schwere Zunge!
Herr Kollege Blank hat heute — aus welchen Gründen immer — eine schwere Zunge; leider hat er keine Bitte an einen Mitbruder gerichtet, für ihn einzutreten.
Gewiß, Herr Kollege Blank: wir wollen nicht aneinander vorbeireden; ich will kurz auf ein paar finanzielle Dinge aufmerksam machen.
Wir haben nach dem Abschluß des Haushaltsplans jetzt Bindungsermächtigungen für die Bundeswehr von rund 15 300 Millionen DM. Wir haben eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Zunächst wurde sehr wenig ausgegeben: die Kassenausgaben betrugen 1955 95 Millionen DM, 1956 3391 Millionen DM. Jetzt hat es den Anschein, daß der gesamte Betrag der 9000 Millionen minus 1200 Millionen DM für Stationierungskosten, also der 7800 Millionen DM im wesentlichen in diesem Jahr ausgegeben wird; die bisherigen Planungen und Entwicklungen der Kassenlage deuten darauf hin. Nun haben wir — das ist das, worauf ich aufmerksam machen möchte — haushaltsmäßig am 31. März 1957 im Verteidigungsministerium noch Ausgabenreste von 3515 Millionen DM. Nachdem wir aber das Rückstellungskonto bei der Bank deutscher Länder in Höhe von 4020 Millionen DM mit der Verabschiedung dieses Haushalts auflösen und nachdem 580 Millionen DM, die bereits zurückgestellt waren, für Stationierungskosten auch wieder in den Haushalt eingestellt werden müssen und etwa 1500 Millionen DM in den außerordentlichen Haushalt fließen, wird der Haushalt 1957 mit laufenden Ausgaben von 6100 Millionen DM finanziert, denen keine laufenden Einnahmen gegenüberstehen, sondern die aus dem Juliusturm, den man neuerdings auch gern Franz-Josef-Turm — fälschlicherweise ! — nennt, bezahlt werden.
Ich möchte den Bundesverteidigungsminister fragen, ob er gedenkt, diese Haushaltsreste in Anspruch zu nehmen, und möchte den Bundesfinanzminister fragen, was er dazu sagt, wie die Entwicklung der Kassenlage und der Haushaltslage dann in diesem Jahre sein wird, wenn der Bundesverteidigungsminister, forsch wie er ist, diese 3515 Millionen Ausgabenreste, die also nur noch auf dem Papier stehen, für die keine Kassenguthaben mehr da sind, in Anspruch nehmen möchte. Tut er das, entsteht bereits im laufenden Jahre eine ernste Situation. Ich empfehle, das Bulletin vom 8. Mai zu studieren, in dem der Bundesfinanzminister auf diese Zahlen noch einmal hingewiesen hat. In diesem Falle wird er mit der Entwicklung der Kassenlage im wesentlichen recht haben, wie jeder von uns, der sich laufend mit diesen Dingen befaßt hat, weiß.
Noch eine kurze Bemerkung, die das Beschaffungswesen im Verteidigungsministerium betrifft! Ich weiß nicht, wieviel hundert oder wieviel tausend Beamte damit beschäftigt sind, die „Vorläufigen technischen Lieferungsbedingungen" etwa für Büroleimpinsel — Marderhaarpinsel oder Pferdehaarpinsel — oder Trillerpfeifen mit Zeichnungen versehen, auszuschreiben, und zwar in immer neuer Folge. Ich habe hier ein Verzeichnis „Vorläufige technische Lieferungsbedingungen" von etwa hundert Gegenständen. Wie man einen solchen Unfug mit großen Ausschreibungen, Zeichnungen und Einzelbeschreibungen bei kleinen Gegenständen machen kann, anstatt dieses Zeug so wirtschaftlich wie möglich einzukaufen, ist mir nicht erfindlich. Ich habe den Eindruck, daß das nur für die Futterschütte der Behördenwallache geeignet ist, aber für sonst nichts weiter.
— Ja eben, ich habe dasselbe gesagt, bloß mit ein bißchen anderen Worten.
Das sieht beispielsweise so aus: „VTL 7210-009/1 d"
— das heißt vierte Ausschreibung für Servietten.
— Ja, vierte Ausschreibung! — Gerüchteweise verlautet, daß die fünfte Ausschreibung für Servietten auf Wunsch des Herrn Bundesverteidigungsministers besonders große Servietten vorsehen soll, weil diese Gebrauchsgegenstände, die man auch als Mundtücher bezeichnet, nicht nur zur Beseitigung von Speiseresten dienen sollten, sondern daß er die Absicht habe, sie so groß zu gestalten, daß man den Kritikern der Bundeswehr den Mund damit verbinden könne.
Ich halte das, Herr Minister Strauß, für eine grobe Übertreibung. Ich glaube, Sie machen das mit dem Holzhammer besser.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reichstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte der Mahnung des Präsidenten folgen und mich heute bei der zweiten Lesung auf nur zwei Dinge beschränken.
Zu Kap. 1412 Tit. 830 will ich den Herrn Bundesverteidigungsminister auf folgendes mit allem Nachdruck hinweisen. Dieses Kapitel enthält die Summen, die für den Neubau von Wohnungen und zur Darlehensgewährung für Wohnungsbau ausgeworfen werden sollen. Es besteht nun die merkwürdige Tatsache. daß die eingesetzten Geldmittel für den Zweck offenbar ausreichen und daß trotzdem in weiten Kreisen der Berufssoldaten unzumutbare Zustände eingetreten sind. da der Formalismus, der zwischen der Geldgewährung und dem Bau eines Hauses liegt, so entsetzlich ist, daß es
praktisch eben nicht zum Bau von Wohnungen kommt.
Ich darf Sie ,darauf hinweisen, daß das Problem bei den großen Truppenübungsplätzen besonders schwierig ist. Im Falle Munster-Lager etwa warten wenigsten$ rund 600 Familien heute noch auf Wohnraum. Hier, meine Damen und Herren und Herr Minister, beginnt die Sache für uns sehr, ich will direkt sagen, gefährlich zu werden; denn bei den weiten Entfernungen, welche die Soldaten zwischen Wohnort und Garnisonsort zurückzulegen haben, ist schon heute ,der Fall eingetreten, daß deswegen, weil die Soldaten sehr selten nach Hause fahren können, eine ganze Reihe von Familien und Ehen zerstört worden sind, — aus Formalismus! Bei uns können sich nämlich die Ressorts nicht einigen, wann und wie Häuser gebaut werden können, obwohl das Geld dafür da ist. Das ist ein Zustand, Herr Minister, der nicht so weiterbestehen kann, und wir bitten Sie sehr, Ihre Energie sich auf diesem Gebiet einmal gründlich auswirken zu lassen. Hinzu kommt auch noch, daß diese Zustände, wie wir sie haben, im Widerspruch zu Versprechungen stehen, die man den Soldaten vor ihrer Einstellung gemacht hat. Ich bin der Meinung, daß das mit dem Ansehen der Bundeswehr, mit Ihrem Ansehen als verantwortlichem Chef und mit unserem Ansehen überhaupt unvereinbar ist.
Ich will noch darauf hinweisen, daß in Kreisen der Bonner Ministerialbürokratie manchmal so leicht gesagt worden ist, man möge sich darüber nicht so beklagen; auch hier hätten die Beamten jahrelang warten müssen, ehe sie eine Wohnung bekamen. Das ist sicherlich richtig und auch zu bedauern. Aber es ist nicht vergleichbar. Es ist immer noch ein Unterschied, ob man als Beamter ein wesentlich freieres Leben führen kann, als es die Besonderheiten des soldatischen Dienstes nun einmal gestatten, ob man in Bonn tätig ist oder in irgendeinem sehr kleinen Ort mit einer verhältnismäßig großen Garnison. Es ist auch ein Unterschied, ob man an jedem Wochenende nach Hause fahren kann, wenn man will, oder ob das aus 'dienstlichen Gründen nicht möglich ist. Ich will Sie, Herr Bundesverteidigungsminister, anläßlich der zweiten Beratung des Haushalts auf diesen Übelstand besonders hinweisen und ich möchte betonen, daß sich bereits weiter Teile der davon betroffenen Familien, insbesondere der Frauen und Kinder, wegen dieser formalistischen Dinge tiefste Resignation bemächtigt hat. Ich meine, das kann man mit gutem Willen und Energie wohl beseitigen.
Zum zweiten eine kurze Begründung Ides Änderungsantrags Umdruck 1107 *). Es wird beantragt, in Kap. 14 03 auf Seite 28 der Ihnen vorliegenden Drucksache unter den Erläuterungen zu Tit. 102 hinzuzufügen: „Gefahrenzulage für Entgiftungsarbeiten". Das bezieht sich konkret auf die Entgiftung des Übungsgeländes Munster-Lager. Hier wird eine Fläche von über 12 Millionen qm entgiftet. Um Ihnen einigermaßen ein Bild davon zu geben, was das bisher bedeutet hat, darf sich Ihnen sagen, daß bisher rund 613 Brisanzkörper gesprengt worden und rund 6140 Stück Giftgasmunition vernichtet worden sind. Für jeden, der davon einigermaßen eine Ahnung hat, wird es klar sein, daß das eine außerordentlich gefährliche Arbeit ist. Die Sprengung von Geschossen, die noch heute absolut giftiges Gas enthalten, geht weit über die normalen
*) Siehe Anlage 10
Gefahren des soldatischen Lebens im Frieden hinaus.
Nun haben wir folgende merkwürdigen Verhältnisse gehabt. Dieses Entgiftungskommando bekommt selbstverständlich die ihm zustehende Gefahrenzulage. Der Leiter dieses Entgiftungskommandos bekam diese Zulage so lange, wie er als angestellter Zivilist tätig war. Seit er als Soldat übernommen ist, bekommt er sie nicht mehr, mit der Begründung, die Soldaten lebten nun mal gefährlicher. Das ist eine völlige Verkennung der speziellen Verhältnisse, unter denen der Leiter dieses Entgiftungskommandos seine Arbeit tun muß, die sehr gefährlich ist. Er hat immer wieder wochenlang schwere Verätzungen und Verletzungen. Nur aus haushaltsrechtlichen Gründen oder wegen der Nichteinigung zwischen Finanzministerium und Verteidigungsministerium wird einem solchen Mann eine Gefahrenzulage nicht gezahlt.
Wir beantragen deshalb, 'in den Erläuterungen, in denen aufgeführt wird, was aus den Summen gezahlt werden kann, hinzuzufügen: „Gefahrenzulage für Entgiftungsarbeiten". Es handelt sich absolut um keine nennenswerten Summen. Die Arbeit läuft auch aus. Aber ich glaube, daß dadurch endlich eine Einigung zwischen Finanz- und Verteidigungsministerium möglich sein wird, die zu einer gerechten Regelung dieser Frage führt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich nicht zum Wort gemeldet, wenn nicht Herr Mende in diesem Zusammenhang wiederholt als Mahner für die Soldatenbesoldung und als Dränger bezüglich der Novelle zum Gesetz zu Art. 131 aufgetreten wäre. Es ist in 'allen Fraktionen bekannt, daß sich die Experten des Verteidigungsausschusses und des Ausschusses für Beamtenrecht längst über die Soldatenbesoldung geeinigt haben. Aber das Besoldungsgesetz ist nicht nur ein Soldatenbesoldungsgesetz, sondern es bringt eine Erneuerung des gesamten Besoldungsrechts. Es wird in einer wesentlich kürzeren Zeit verabschiedet werden als das entsprechende Gesetzgebungswerk, das im Jahre 1927 im früheren Reichstag verabschiedet wurde. Damals hat man an diesem Problem jahrelang beraten und gearbeitet.
Bezüglich des Gesetzes zu Artikel 131 will ich offen sagen, daß wir es zusammen mit dem Besoldungsgesetz, dem nun bereits verabschiedeten Versorgungsgesetz und auch mit dem Rahmengesetz beraten mußten. Selbst die Sozialversicherungsgesetze wirken durch die Nachversicherung auch auf dieses Problem ein.
Wir können nicht einer Gesetzgebungstendenz folgen, die nur auf Stimmungen ausgeht, sondern wir müssen eine saubere Gesetzgebungsarbeit leisten, damit nicht bei der Verabschiedung des Gesetzes gleich wieder ein Änderungsgesetz für den nächsten Bundestag angemeldet werden muß.
Nachdem der Herr Mende das hier öffentlich gefragt und auf eine Beantwortung gedrängt hat,
mußte ich auch öffentlich ,antworten, obwohl ich den Herrn Mende vor 14 Tagen über dieselben Fragen genauestens unterrichtet habe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Worte zu einem Tatbestand, der höchst unangenehme Konsequenzen hat und in menschlicher und psychologischer Hinsicht äußerst unerfreulich ist. Es handelt sich um den schon vorhin von meinem Kollegen Mende kurz erwähnten Mangel an Dienstwohnungen für Offiziere und Unteroffiziere. Wir sind der Meinung, daß ein solcher Mangel, der von den betroffenen Familien überaus schwer und peinlich empfunden wird, in keiner Weise geeignet ist, die Wehrfreudigkeit der Soldaten zu erhöhen. Er schädigt außerdem den menschlich wichtigen Zusammenhalt der verheirateten Soldaten, er schädigt Ehe und Familie. Wir wissen nicht, ob vielleicht dem Herrn Verteidigungsminister der Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes unbekannt ist oder ob er meint, daß er als Verpflichtung der Regierung für die Wehrmacht keine Geltung zu haben braucht.
Die FDP hatte, wie Sie sich vielleicht noch erinnern, ehedem vorgeschlagen, ein Kasernenbauprogramm mit dem allgemeinen Wohnungsbauprogramm zu koordinieren, also diese beiden Programme zeitlich zu koppeln. Nach unserem früheren Vorschlag sollte so vorgegangen werden, daß mit der Fertigstellung einer Kaserne auch immer ein 1 Drittel der Dienstwohnungen beziehbar sein sollte. Das sollte sich dann in den folgenden Jahren so fortsetzen, so daß pro Jahr immer ein weiteres Drittel an Wohnungen fertiggestellt sein würde, also alle Berufssoldaten mit Familie zwei Jahre nach dem Beziehen einer Kaserne Dienstwohnungen haben sollten.
Man ließ diesen Vorschlag der FDP links liegen, ja, man löste sogar den Unterausschuß, der diese Frage bearbeitete, den sogenannten Infrastrukturausschuß, auf. — Man scheint immer schwierige Fremdworte zu gebrauchen, wenn man etwas kaschieren will.
Die Folge ist nun, daß die Kasernements zwar fertig sind, daß aber die Wohnungen für die Leute, die in den Kasernen tätig sein sollen, nicht vorhanden sind. Es ist doch einfach eine geradezu groteske Situation, daß der letzte Berufssoldat, der in einem Kasernement einziehen soll, überhaupt erst nach fünf Jahren die Chance hat, eine Dienstwohnung zu bekommen. So lange also muß er zwangsläufig von Familie und Kindern getrennt bleiben. Wir glauben, daß ein solcher Zustand äußerst peinlich und in keiner Weise zu verantworten ist. Die Soldaten empfinden es als sehr unangenehm, daß die ihnen gegebenen Versprechungen auch auf dem Gebiete der Wohnungserstellung nicht gehalten worden sind. Die Folge ist eine ständig zunehmende Unzufriedenheit unter den davon Betroffenen, Enttäuschung und Unangenehmeres. Die Enttäuschung und die Unzufriedenheit sind um so größer, als freiwerdende Wohnungen der Alliierten, Herr Minister, nicht genügend für die deutsche Bundeswehr freigegeben werden, z. B. nicht die kleinen Häuschen bei Munster-Lager, die
nur noch zum Schein von den Engländern mit dem einen oder anderen Nachkommando vorübergehend besetzt werden.
Nun, Herr Minister, Sie werden wahrscheinlich bei meinen Ausführungen denken und nachher sagen: Das betrifft mich überhaupt nicht, sondern das betrifft den Herrn Wohnungsbauminister! Sie haben zweifellos recht, daß es auch den Herrn Wohnungsbauminister betrifft; aber soviel mir bekann ist, sind Sie doch beide in dem gleichen Kabinett. Sie sind also für diese Dinge gemeinsam verantwortlich. Darum kann niemand herumreden. Die Sache wird noch bemerkenswerter, weil neben Ihnen im Kabinett noch ein dritter Minister sitzt, den ich hier ansprechen muß, das ist der Herr Familienminister. Dieser Herr Familienminister ist noch mehr vielleicht als Sie beide, Herr Minister Strauß und Herr Minister Preusker, von Amts wegen verpflichtet, nach dem Art. 6 Abs. 1 zu handeln.
Aber das scheint ihn für die Praxis gar nicht weiter zu interessieren, sondern der Herr Minister scheint, wie mir eben ein Kollege zuruft, nur in der Theorie davon Notiz zu nehmen.
Also, meine Herren Minister, Sie sind alle drei verpflichtet, auch Sie, Herr Minister Strauß, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn ich das Gefühl hätte, daß ich mich mit Ihnen unterhalte, worauf ich sehr großen Wert lege, zumal ich es nicht gewohnt bin, den Männern nachzulaufen.
Aber ich kann ja ruhig noch ein bißchen warten, bis der Herr Verteidigungsminister so gütig ist, mit seiner Unterhaltung fertig zu sein. — Also warten wir ein bißchen! — Sind Sie jetzt fertig? — Vielen Dank!
Ich meine, das Jammern des Herrn Familienministers insbesondere wegen des ständigen Rückgangs des Familiensinnes bleibt doch so lange leeres Gerede, wie man nicht den Mut hat, seine beiden anderen Kollegen, den Herrn Minister Strauß und den Herrn Minister Preusker, ganz energisch auch auf ihre Verpflichtung aus dem Art. 6 Abs. 1 hinzuweisen. Aber vermutlich geht es hier wie so oft bei Behörden: Der Hans der schickt den Jochen aus, — und einer schiebt es auf den anderen. Das geht auf die Dauer nicht.
Die Sache ist noch deshalb besonders unangenehm, Herr Minister, weil das Wohnungsgeld, das die Soldaten bekommen, die von dieser Situation betroffen werden, meines Wissens in keinem Verhältnis zu den Mieten steht, die die Leute in größeren Wohnungen zahlen müssen, also gerade diejenigen Wehrmachtangehörigen, die dem Herrn Minister Wuermeling so am Herzen liegen mit ihren vielen Kindern und die dann erst recht hohe Mieten zahlen müssen, da sie sich ja nicht alle in ein Zimmer quetschen können. Es bleibt also leeres Gerede, wenn man nicht entsprechend den Bestimmungen handelt.
Es gab ein Zeit unter den Nazi, da galt ein sehr unangenehmes Gesetz; dieses Gesetz hieß „Gesetz gegen Wehrkraftzersetzung". Es war ein furchtbares Gesetz, das konnte man wegen seiner
Kautschuknatur wie ein Gummiband um halb Deutschland ziehen. Ich war seinerzeit das Opfer dieses Wehrkraftzersetzungsgesetzes, obgleich ich mich nie mit Wehrkraftzersetzung beschäftigt hatte; aber ich war den Nazi-Herren nicht sympathisch. Ich habe damals dafür gesessen. Ich wünsche Ihnen nicht dasselbe, aber ich kann Sie versichern, meine Herren Minister, Sie alle drei, Herr Verteidigungsminister, Herr Wohnungsbauminister und Herr Familienminister insbesondere, Sie können sich glücklich schätzen, daß es heute ein solches Gesetz über Wehrkraftzersetzung nicht mehr gibt.
Denn ich bin ganz überzeugt, ,daß der kluge, mir nicht gerade sympathische Herr Göring sehr leicht aus dem, was ich hier soeben geschildert habe, den Tatbestand hätte herauskristallisieren können, daß Sie die Wehrkraft zersetzen, weil Sie für die Soldaten nicht genügend Wohnraum beschaffen.
— Von Herrn Göring habe ich gesprochen; ich habe ihn aber nicht mit dem Herrn Minister verglichen; das scheinen Sie verstanden zu haben.
— Nun ja, er war wohl klug auf seine Weise und auf seinem Gebiet, aber ich vergleiche ihn mit keinem der hiesigen Abgeordneten. Wie käme ich dazu! Sie sind ja alle viel klüger. Aber es soll auch welche geben, die, na ja — —
- Verehrtester Freund, ich warne Neugierige; ich könnte sonst einige Beispiele bringen. Aber das tue ich ungern. Sie haben mich noch nie dabei betroffen, daß ich in Ausführungen — im 'Bundestag genau so wenig wie 'im Reichstag — persönlich geworden bin und persönliche Dinge anderer Leute hervorgekehrt habe. Also ich warne doch Neugierige. Meine Herren, es ist immer etwas Vorsicht nötig.
Ich glaube, daß wir alle zusammen, Sie auch, großen Wert darauf legen müßten, daß die Gleichgültigkeit gegenüber dem Menschen „Soldat" ein Ende hat, ,und daß für sein Unterkommen gesorgt werden muß. Theorie und Praxis stehen hier in einem bemerkenswerten Gegensatz zueinander. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir bald davon Kenntnis nehmen könnten, daß ,unsere früheren Anregungen vom Herrn Verteidigungsminister aufgenommen werden. Wir haben ja erfahren, daß schon wiederholt alte Vorstellungen und früher zurückgewiesene Vorschläge der Opposition hinterher gern aufgenommen und durchgeführt worden sind. Das sollte man auf dem Gebiete der menschlichen Vorsorge für die Soldaten und ihre Familien Tauch tun. Man kann einen vertretbaren Weg finden, sie so unterzubringen, wie es notwendig ist. Man wird doch nicht einen so kleinlichen Gesichtspunkt verfolgen, daß man etwas nur deshalb nicht machen will, weil es einmal von der Opposition vorgebracht worden ist.
Ich möchte noch eine Frage an den Kollegen Blank richten. Kollege Blank, was meinten Sie
eigentlich mit den „Kontakten", die wir aufgenommen hätten? Haben Sie jemanden von uns mit Herrn Schmidt-Wittmack verwechselt? Diese Verwechslung kann ich doch nicht vermuten!
Verehrter ehemaliger und noch jetziger Freund, wir haben, was Sie alle wissen — auch Sie wissen es. wenn Sie sich dessen vielleicht auch manchmal nicht erinnern wollen —, „Gespräche" mit Leuten zu führen versucht, und wir sind von diesen Gesprächen zurückgekommen, wie manche andere Leute auch, genau so wie z. B. die Vertreter der Kirche. Aber der Herr Schmidt-Wittmack mit seinen „Kontakten", der zu Gruppen gehört, denen Sie heute ziemlich nahestehen, mit dem Sie aber genau so wenig zu tun haben wie wir, dieser Herr Schmidt-Wittmack ist seinerzeit nicht zurückgekommen.
Herr Kollege Blank, Sie wissen doch genau so gut wie ich, daß ein erheblicher Unterschied besteht zwischen solchen Dingen, die Sie da „Kontakte" nennen, und den Gesprächen, die auch von uns geführt worden sind.
Das werden Sie mir vielleicht nachher einmal unter vier Augen erklären können.
— Ich kann Sie leider nicht verstehen, weil Sie sehr leise sprechen; der Grund dafür ist mir unbekannt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Mende ist heute noch einmal sozusagen ein Wetterleuchten der großen Atomdebatte durch den Saal gegangen. Aber da dies nun geschehen ist, sehe ich mich gezwungen, zu den Äußerungen Stellung zu nehmen. Es ist nicht immer leicht, wenn so etwas plötzlich gesagt wird und man dann darauf hingewiesen wird, daß die Korrespondenz der Freien Demokraten offenbar am heutigen Tage die Dinge gebracht hat, sich genau die Unterlagen darüber zu besorgen. Aber ich glaube, es ist gerade noch gelungen, um Ihnen das zu sagen, worum es sich in Straßburg gehandelt hat.
Meine Damen und Herren, in der „FDK" finden Sie die Bemerkung, daß die Christlich-Demokratische Union ihre Straßburger Delegierten angewiesen habe, der Versammlung der Westeuropäischen Union für eine unverzügliche atomare Bewaffnung der Bundesrepublik zu stimmen. Meine Damen und Herren, zwei kleine Worte zeigen hier allein, wie völlig entstellt der Sachverhalt ist. Herr Kollege Dr. Mende, die Fraktion der Freien Demokratischen Partei ist nicht die einzige Fraktion freier Demokraten. Die Christlichen Demokraten zählen sich ebenso zu den Demokraten, die so frei sind, daß sie als Abgeordnete in diesem Saale und
als Abgeordnete in Straßburg keine Instruktionen und keine Anweisungen von ihrer Partei oder ihrer Fraktion entgegennehmen.
— Ich habe gar nicht behauptet, daß es auf anderen Seiten anders sei. Ich nehme gern an, daß andere sich auch zu den freien Demokraten in diesem Sinne bekennen.
— Lassen Sie mich doch erst einmal reden, Herr Kollege Schmidt. Ich werde Stück für Stück behandeln. Seien Sie doch nicht so ungeduldig! Ganz abgesehen davon, daß ich gar nicht zu diesem Gremium in Straßburg gehöre, also gar nicht für meine Person zu sprechen habe, werden Sie mir doch noch erlauben — —(Erneuter Zuruf des Abg. Schmidt
[Hamburg] .)
— Seien Sie doch nicht so ungeduldig, Herr Kollege Schmidt! Warum denn? Können Sie keine Argumente mehr hören?
Ich habe mich zuerst einmal gegen das Wort „Anweisung" gewandt und stelle fest, ganz gleich wie in der Sache abgestimmt worden sein soll, daß es jedenfalls nicht eine Anweisung dieser Fraktion war, die ja, da die Resolution dort in Straßburg erst auf den Tisch kam, überhaupt keine Zeit gehabt hat, sich hier im Bundeshaus mit dieser Resolution, von der auch ich erst durch die Presse erfahren habe, vorher zu befassen. Das ist schließlich in allen Parlamenten so. Auch Sie haben die Resolution vorher nicht gekannt.
Meine Damen und Herren, es ist absolut falsch, wenn behauptet wird in diesem Artikel, wohl des Herrn Ungeheuer — er ist „u" gezeichnet —, und auch in den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Mende, der selbst das Wort „Anweisungen" in seinen Ausführungen nicht gebraucht hat, was ich gern feststelle — aber das andere Wort hat er gebraucht —, daß eine unverzügliche Bewaffnung der Bundeswehr gefordert worden ist. Das Wort „unverzüglich" finden Sie überhaupt nicht. Lassen Sie mich bitte die deutsche Übersetzung dieses Antrags in seinem wesentlichen Teil mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vorlesen. Die Resolution heißt einleitend:
Das wesentliche Ziel der westlichen Politik ist der Abschluß eines internationalen Abkommens über eine kontrollierte Abrüstung.
Völlig in Übereinstimmung mit der Politik der
Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen
Union und, ich glaube, des ganzen Hohen Hauses!
Solange ein solches Abkommen nicht geschlossen ist, empfiehlt die Versammlung den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten die Beachtung folgender Grundsätze.
Und darunter befindet sich als erster der Satz:
Zur wirksamen Verteidigung Westeuropas sind unter den gegenwärtigen Umständen 30 mit taktischen Atomwaffen ausgerüstete Divisionen und eine strategische Angriffsmacht erforderlich.
Meine Damen und Herren, das ist erstens eine Empfehlung und kein Beschluß, der die Westeuropäische Union oder uns — schon gar nicht uns — oder irgendein Mitglied des Parlaments bindet. Sie vertreten ja sonst auch die Meinung von Lord Ismay, daß rechtlich die Mitgliedstaaten der NATO in ihren Entscheidungen frei sind. Ob sie es politisch sein werden, werden wir dann einmal zu entscheiden haben, wenn diese Frage so weit gestellt ist.
Wir stehen also hier völlig auf dem Boden dessen, was wir in der Atomdebatte vertreten haben, nämlich daß die Abrüstung das Ziel ist und daß wir alle hoffen, daß es zu einer atomaren Bewaffnung der Verbände hier überhaupt nicht kommt, weil die Abrüstung gelingen wird.
Außerdem war sich die Versammlung, wie meine Kollegen, die dort waren, berichtet haben, völlig darüber klar, daß technisch ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren, über den ich schon einmal hier gesprochen habe, das Minimum ist, um eine solche atomare Bewaffnung durchzuführen, und daß dann dieses Haus rechtlich die Entscheidung darüber haben wird, ob es einer solchen Empfehlung entsprechen wird oder nicht oder ob für Deutschland besondere Verhältnisse gelten, weshalb wir die anderen Mitgliedstaaten bitten müssen, Verständnis für diese Situation zu haben und dieses unser Recht zu respektieren.
Meine Damen und Herren, es ist also keineswegs so, daß dort das Gegenteil von dem gefordert worden ist, was hier in der Atomdebatte von der Fraktion, unter anderem auch von Herrn Präsident Gerstenmaier und mir, vertreten worden ist.
Meine Damen und Herren, ich darf dann noch kurz zu dem kommen, was Herr Kollege Wienand gesagt hat, nicht zu dem haushaltsmäßigen, sondern zu dem anderen. Der Kollege Wienand hat sich damit beschäftigt, sehr ausführlich den ganzen Katalog der beiden Verfassungsergänzungen vorzutragen. Vielleicht hat er auch die eine oder andere Bestimmung ausgelassen; aber den Katalog aller wesentlichen und wichtigen Bestimmungen zum Schutze der Soldaten und der parlamentarischen Kontrolle hat er dargelegt. Er hat eigentlich so getan, als wenn das alles von der SPD ausgegangen wäre.
Ich bin nicht ganz unbescheiden und meine: Ein wenig haben in diesen Dingen auch die Herren der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union, darunter der hier vor Ihnen stehende Vorsitzende des Ausschusses für Verteidigung, mitgewirkt. Ich bin überzeugt: wenn ich mir einmal die Mühe machen und nachprüfen würde, wie viele Formulierungen auf Anträge von mir und wie viele auf Anträge von Abgeordneten der SPD zurückzuführen sind, würde die Zahl der Formulierungen, die ich vorgeschlagen habe, zumindest nicht zurückbleiben hinter der Zahl der von Ihnen eingereichten und angenommenen Anträge — und das habe ich schließlich namens meiner politischen Freunde getan.
Man kann außerdem hier nicht sagen, die Verfassungsergänzung sei gegen die Mehrheit des Hauses durchgedrückt worden. Das geht ja in der Demokratie sowieso nicht, daß man gegen die Mehrheit Beschlüsse durchsetzt.
Meine Damen und Herren, wenn ich mich recht erinnere, haben gegen die Verfassungsergänzung 20 Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei —
es können auch 19 oder 21 gewesen sein —, aber kein einziges Mitglied ,der Fraktion, der ich angehöre, gestimmt.
Ich glaube, daß ich diese Frage damit grundsätzlich richtiggestellt habe.
— Bitte, Herr Kollege Wienand.
Herr Kollege Jaeger, sollte Ihnen entgangen sein, daß ich gesagt habe „von der sozialdemokratischen Fraktion erstrebt und erreicht" und daß ich das Wort „erstrebt" für diese Punkte immer vorangesetzt habe?
Ich bestreite weder Ihre Mitwirkung — das habe ich nie getan — noch Ihr ehrliches Bemühen um diese zwei Verfassungsergänzungen; aber Sie scheinen zu bezweifeln, daß auch ich mit meinen politischen Freunden diese Verfassungsergänzungen erstrebt habe. Sie wissen doch alle aus dem Ausschuß, daß ich, ich will nicht sagen, mehr als andere, aber doch auch nicht weniger als die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion getan habe, um diese Verfassungsergänzungen durchzubringen und jenes gute Klima zu schaffen, das damals im Ausschuß entstand und glücklicherweise bis heute noch nicht beseitigt ist.
— Bitte!
Herr Kollege Dr. Jaeger, da Sie gerade den Gang der Beratungen im Ausschuß heraufbeschworen haben, ist Ihnen sicher noch in Erinnerung, in welchem Umfang diese Grundgesetzergänzungen in Ihrer Fraktion gegen den heftigen Widerstand des Herrn Bundeskanzlers durchgesetzt werden mußten.
Hochverehrter Herr Kollege Erler, daß es in unserer Fraktion über einzelne Bestimmungen eine geschlossene andere Meinungsbildung gegeben hat als in Ihrer Fraktion — siehe Ihr Mißtrauensvotum gegen den Verteidigungsminister —, daß in der Fraktion auch in anderen Fragen, z. B. über den Wehrbeauftragten, zeitweise verschiedene Meinungen bestanden haben, wird gar nicht bestritten; aber Sie haben gesehen, daß meine Freunde und ich von der ChristlichSozialen Union — wir haben diese Dinge schon von Anfang an vertreten — und am Ende die ganze Fraktion diesen Standpunkt vertreten haben, und zwar voll und ganz; dagegen ist es in Ihrer Fraktion nicht gelungen, die Gegensätze, die dort offenbar auch vorhanden waren, so völlig auszugleichen, daß die letzten 20 Mann auch mitgestimmt haben, wie es bei uns geschehen ist.
Das „Erstreben" war also bei uns beiden gleich, das „Erreichen" war aber in meiner Fraktion größer als in Ihrer.
Ich will auch gar nicht bestreiten, daß die SPD, wie sie sagt, etwas für die Bundeswehr getan hat, wenn sie dabei vor allem an die rechtliche Sicherung des einzelnen Soldaten und an die Eingliederung der Bundeswehr in den demokratischen Staat denkt. Aber etwas anders ist die Frage, was die SPD getan hat und tut, um unsere Sicherheit zu schützen.
Sie haben, Herr Kollege Wienand, das Wort aufgegriffen — es soll von unserer Seite gefallen sein; ich weiß nicht, wer der Schöpfer dieses Ausdrucks war —, die SPD wolle die Bundeswehr „aushungern".
— Ich habe das selber gesagt? Ich wollte nämlich gerade bemerken, daß das eine ausgezeichnete Formulierung sei; aber nach Ihrem Zwischenruf kann ich das jetzt leider nicht mehr sagen, um mich nicht selbst zu loben.
Herr Kollege Wienand, Ihre Partei hat bisher gegen jede Rüstung gestimmt, hat bisher gegen jede Stelle gestimmt und hat den Haushalt abgelehnt. Man kann doch wirklich sagen, daß die Bundeswehr, die Sie rechtlich mit geschaffen haben, von Ihnen faktisch durch Ihre Abstimmungen ausgehungert wird.
— Herr Kollege Mellies, den Ausdruck „Goebbelssche Argumentation" betrachte ich als beleidigend.
Ich bin der Meinung, daß das im Parlament nicht gesagt werden kann.
Herr Kollege Jaeger, sind Sie der Meinung — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick, ich komme gleich zu Wort.
Herr Kollege Jaeger, sind Sie der Meinung, daß die Ablehnung eines Haushaltsplans aus politischen Gründen — aus politischen Gründen —, wie z. B. die Ablehnung des Haushaltsplans des Bundesministers für Verkehr, bedeutet, daß diejenigen, die ihn ablehnen, gegen Straßenbauten sind? Sind Sie der Meinung, daß die Ablehnung des Landeshaushalts von Nordrhein-Westfalen bedeutet, daß die Christlich-Demokratische Union dort gegen Schulbauten ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Mellies, stimmt es, daß Sie den Zwischenruf gemacht haben „mit Goebbelsscher Deduktion"?
Mellies (SPD): „Argumentation", jawohl!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bezeichnung geht meiner Auffassung nach an die Grenze dessen, was zulässig ist. Ich möchte es zurückweisen und bitten — angesichts der Tatsache, daß wir uns jetzt in der 9. Stunde der Plenarsitzung befinden und daß
Kreislaufstörungen hier unter den Kollegen recht reichlich an der Tagesordnung sind —, daß wir uns gegenseitig nicht zu sehr aufregen sollten; das ist ungesund.
Bitte, Herr Kollege Jaeger.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Erler hat mit seiner Frage, auf die ich wohl zurückkommen muß, nur etwas angeschnitten, was in dem, was ich jetzt sagen wollte, sowieso gekommen wäre: die Frage der grundsätzlichen Stellung zum Etat. Es ist in parlamentarisch regierten Ländern üblich, daß die Opposition den Gesamthaushalt ablehnt unbeschadet dessen, was dort im einzelnen drinsteht, um zu beweisen, daß sie mit der Gesamtpolitik der Regierung nicht einverstanden ist. Es ist mitunter auch üblich, daß sie, um das in besonderer Weise zu betonen, etwa den Etat des Regierungschefs noch dazu ablehnt. Es ist aber üblich — ich könnte Ihnen das aus einer Reihe deutscher Länder, z. B. auch aus meiner Heimat Bayern sagen —, daß die Opposition — in Bayern z. B. einst die alte Opposition, das waren Sie, und jetzt unsere Partei — bestimmte Haushalte annimmt oder sich wenigstens der Stimme enthält, wenn sie mit dem grundsätzlichen Anliegen einverstanden ist, z. B. mit dem Anliegen, die Landwirtschaft zu fördern, z. B. mit dem Anliegen, dem Lande eine Bundeswehr und damit eine Verteidigungsmacht zu geben.
— Kulturpolitik ist, glaube ich, wohl eine Angelegenheit, die in den Ländern das Zentrum der ganzen Politik darstellt und in der, soviel ich weiß, in diesem Lande die schärfsten Gegensätze bestehen. Es geht hier nicht um die Schulbauten, sondern vermutlich geht es um den Charakter der Schulen, und da bestehen, glaube ich, doch wohl erhebliche Meinungsverschiedenheiten, die uns aber hier nichts angehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie noch eine Frage?
Ich gestatte schon; aber es wird dadurch länger werden.
Können Sie sich vorstellen, daß es in einer Analogie dessen, was Sie soeben gesagt haben, auch hier um den Charakter der Verteidigung geht?
Jawohl, ich kann mir das gut vorstellen, Herr Kollege Erler, und darf deshalb folgendes bemerken.
Wir haben gemäß einer Ankündigung, die ich in der ersten Lesung hier gemacht habe, im Verteidigungsausschuß beschlossen, die Positionen für die Wehrpflichtigen und für die Freiwilligen zu trennen. Wir haben Verständnis dafür, daß die SPD, weil sie den Charakter der Wehrpflichtarmee nicht will, gegen die Wehrpflichtigen stimmt. Da sie aber immer für ein Berufsheer eintritt, waren wir der Meinung, daß die SPD dann für die Freiwilligen stimmen könne. Wir haben im Ausschuß getrennt abgestimmt. Zuerst über die Freiwilligen: die SPD hat nein gesagt. Dann über die Wehrpflichtigen: die SPD hat nein gesagt. Es geht also nicht um den Charakter, sondern offenbar um die Sache, wenn Sie den Etat ablehnen.
Das gleiche haben wir in der gemeinsamen Sitzung des Haushalts- und des Verteidigungsausschusses erlebt, wenn es um die Frage der Ausstattung ging. Unser Antrag war es, daß in erster Linie der M 48 angeschafft werden soll. Der Herr Minister — er war damals noch nicht Minister — hat diesem Antrag dankenswerter Weise entsprochen.
Ich darf noch folgendes bemerken. Nachdem wir die Forderungen des damaligen Ministers in unserer Fraktion einmütig auf ein tragbares Maß heruntergesetzt hatten — da haben die übrigen zugestimmt —, hat Herr Kollege Schmidt mir die Frage gestellt, ob wir nicht noch weitere Streichungen vornehmen könnten. Ich habe dann zu ihm gesagt: „Ich bin kulant; streichen wir noch einmal die Hälfte, wenn Sie dann der anderen Hälfte zustimmen!" — Er hat darauf gesagt: „Wir stimmen für gar nichts!"
Meine Damen und Herren, Sie sehen es auch hier: Es geht nicht um ,das Ausmaß der Bewaffnung; man bestreitet die Bewaffnung selbst.
Bitte, Herr Kollege Schmidt , ich gebe Ihnen gern Antwort.
Würden Sie mir zustimmen, Herr Kollege Jaeger, daß Sie bei der Darstellung der Dinge der Wahrheit wohl nicht ganz gerecht geworden sind insofern, als Sie tatsächlich hinterher in der Zwischenzeit seit dem damaligen Zwischenfall — das ist jetzt dreiviertel Jahr her — noch viel mehr von diesen Panzern gestrichen haben, als wir damals Ihnen vorgeschlagen hatten zu streichen, weil Sie inzwischen haben einsehen müssen, daß es sich um Schrottfahrzeuge handelte und um nichts anderes?
Herr Kollege Schmidt, das muß ich mit Entschiedenheit zurückweisen. Es waren die abschließenden Beratungen zu jener Vorwegbewilligung.
— Verzeihung, lassen Sie mich mal erst reden. Ich weiß nicht mehr die Nummer der Vorwegbewilligung. Damals wurde der Beschluß gefaßt. Ob der Herr Minister von der Ermächtigung des Parlaments, zu kaufen, in vollem Umfange Gebrauch gemacht hat oder nicht, ist seine Angelegenheit, die er hier vertreten kann. Der Herr Minister ist nicht verpflichtet. Wir haben aber den ausdrücklichen Beschluß — auf Antrag des Kollegen Berendsen von der CDU — gefaßt, daß in erster Linie der M 48 ,gekauft werden soll, und der neue Minister — ,es kam inzwischen der Ministerwechsel — hat diesen Wunsch inzwischen verwirklicht.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber jetzt noch zu diesem Haushalt kommen, den Sie offenbar wieder ablehnen wollen, wie ich Ihren Ausführungen entnehmen muß. Lassen Sie mich zu der Frage der Bewaffnung, die ja in diesem Haushalt und in 'den Debatten eine besondere Rolle spielt, noch einige Worte sagen.
Die sozialdemokratische Fraktion hat, wie sie uns in einer Resolution, die sie uns vorgelegt hat, ein-
deutig kundgetan hat, die atomare Bewaffnung der Bundeswehr abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich wiederhole, was ich damals gesagt habe: Wir sind bereit, über diesen Punkt zu sprechen, wenn die Frage zur Entscheidung steht, und alle Mitglieder unserer Fraktion hoffen aus vollem Herzen, daß eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr nicht notwendig sein wird, schon deswegen, weil wir alle hoffen, daß die kontrollierte totale Abrüstung auf atomarem und konventionellem Gebiet bis zu dem Zeitpunkt, wo das technisch überhaupt erörterungswert ist, nämlich in zwei bis drei Jahren, gelungen 'ist.
Aus dem Gesichtspunkt, daß Sie die atomare Bewaffnung der Bundeswehr ablehnen, können Sie keine Ablehnung des Verteidigungshaushalts ableiten; denn dieser Haushalt sieht keine Möglichkeiten für eine atomare Bewaffnung vor.
Die SPD hat aber inzwischen noch etwas anderes erklärt. Sie hat erklärt, daß sie nicht nur dieatomare Bewaffnung der Bundeswehr, sondern auch die Stationierung atomarer Waffen auf deutschem Boden ablehnt. Meine Damen und Herren, diese Erklärung der Sozialdemokratischen Partei finde ich im Unterschied zu anderen Äußerungen erstaunlich.
Denn diese atomaren Waffen befinden sich bereits seit Jahr und Tag ,auf dem Gebiet der Bundesrepublik.
Das wissen Sie so gut wie ich. Ich brauche hierzu nur daran zu erinnern, daß im Jahre 1955 eine schwere Atomkanone auf der Autobahn zwischen München und Augsburg verunglückt ist; in allen Illustrierten waren die Bilder zu sehen, in allen Zeitungen war es erwähnt. Ich glaube, man muß auf keiner Kriegsakademie gewesen sein, um zu folgern, daß dort, wo eine Atomkanone ist, wahrscheinlich auch Atomgeschosse nicht allzu weit entfernt sein werden.
Ich kann es ,aber noch etwas mehr verdeutlichen und darf das vielleicht damit tun, daß ich ein Wort zitiere, das der Herr Kollege Erler in der Wehrpflichtdebatte — erste Lesung — am 4. Mai 1956 ausgesprochen hat. Er hat gesagt:
Die Erklärungen Gruenthers sagen eindeutig, daß auf jeden Fall — und so ist es auch beschlossen — die Planung der AtlantikpaktOrganisation zum Ausgleich der sowjetischen Zahlenüberlegenheit den sofortigen Einsatz von taktischen Atomwaffen vorsieht.
Das war Ihnen 'also bekannt. Es war auch dem Herrn Kollegen Mellies bekannt.
— Herr Kollege Kiesinger — wenn er es wirklich bestritten haben sollte, was ich nicht weiß — ist nicht Mitglied des Verteidigungsausschusses. Ich habe es nicht bestritten.
— Während Sie die Wahrheit inzwischen offensichtlich vergessen haben.
— Ich 'habe es nicht bestritten. Das können Sie mir nicht nachsagen. Ich bin bei den Besprechungen zugegen gewesen, wo Gruenther das erklärt hat. Es war ja in unserer beider Gegenwart. — Es hat auch Kollege Mellies dies gewußt, der am 23. August 1956 im „Hamburger Echo" geschrieben hat:
Was heißt heute eigentlich überhaupt noch „konventionelle Waffen?" In der Bundesrepublik sind, wie jeder weiß, Atomkanonen stationiert. Man macht heute alle Anstrengungen, um für Waffen möglichst kleinen Kalibers auch Atomgeschosse zu verwenden. Was heute noch unmöglich erscheint, wird bei der rasenden Entwicklung morgen oder übermorgen bereits Tatsache sein."
Meine Damen und Herren, Sie haben das gewußt.
— Ja, meine Damen und Herren, im Jahre 1956 und 1955, wo sich die Ereignisse ,abgespielt haben, war die Bundesrepublik bereits souverän. Sie vertreten den Rechtsstandpunkt, daß ,die Bundesrepublik die Stationierung taktischer Atomwaffen der Amerikaner und anderer Bundesgenossen verhindern kann. Warum haben Sie damals nicht den Antrag gestellt, den Sie neulich in der Atomdebatte gestellt haben?
Die Gefahr, die aus der Lagerung taktischer Atomwaffen der Alliierten in der Bundesrepublik erwachsen soll, muß, wenn sie erwächst, doch auch schon 1955 und 1956 dagewesen sein.
Sollten Sie den Antrag jetzt wirklich nur aus dem Grunde eingebracht haben, wie einige Zwischenrufer meinen, weil der 15. September jetzt nahe ist?
Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Ollenhauer, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, der Mann, den Sie dem deutschen Volke als den künftigen Kanzler präsentieren, zweifellos also nach dem Gewicht, das in der Demokratie vorhanden ist, der zweitbedeutsamste Mann dieses Staates, nämlich nach dem Regierungschef — so sehen wir es und Sie hoffentlich auch —, Herr Kollege Ollenhauer hat sich in der Atomdebatte ausdrücklich dagegen ausgesprochen, daß die Alliierten auf 'unserem Boden taktische Atomwaffen lagern. Er hat aber — und das geht noch einen Schritt weiter — .auf einer Pressekonferenz, befragt, wie das nun wäre, wenn sich Konsequenzen aus dieser Frage ergäben, am 17. Mai nach dem mir vorliegenden dpa-Bericht, der bis zum heutigen Tag nicht, wie eine andere Außerung des Herrn Ollenhauer, verdeutlicht worden ist, — denn er ist deutlich genug —, erklärt,
„die SPD stehe zu ihrer Forderung, Atomwaffen aus dem Bundesgebiet zurückzuziehen, mit allen möglichen Konsequenzen, die sich etwa ,aus der amerikanischen Reaktion ergeben könnten."
Meine Damen und Herren, diese Äußerung hat mich als einen von 500, der gemeinsam mit Ihnen allen die Verantwortung für die Sicherheit unserer Bundesrepublik trägt, zutiefst erschüttert.
Sie verweigern den Amerikanern die wichtigste Möglichkeit, mit der sie im Falle eines Angriffs den Boden dieser Bundesrepublik schützen können.
Sie verweigern es in einem Augenblick, wo Briten und Franzosen zu einem großen Teil ihre Truppen vermindert haben, so daß die taktischen Atomwaffen im Falle eines Angriffs noch wichtiger sind für die Verteidigung als vor einem Jahr.
Der Herr Kollege Erler — ich darf ihn als Zeugen anrufen — hat am 12. September 1956, also nun bald vor einem Jahr, im Hessischen Rundfunk erklärt:
Es hilft gar nichts, nun etwa mit 500 000 deutschen Soldaten eine Lücke schließen zu wollen und zu glauben, daß man dann der Sowjetunion gewachsen wäre. Mit 500 000 deutschen Soldaten sind wir das ohne die Zuhilfenahme der taktischen Atomwaffen der anderen auch nicht.
Sogar der Herr Kollege Erler hat das vor einem
Jahr gewußt. Heute, wo die atomare Bewaffnung des Ostens fortgeschritten ist, aber die konventionellen Kräfte des Westens vermindert sind, gilt das mehr noch als vorher.
In dem gleichen Augenblick, in dem die Sozialdemokratische Partei der einzigen Macht, die uns im Augenblick schützen kann, die wichtigste Waffe verweigert, lehnt sie auch einen Haushalt für unsere Bundeswehr ab, der nichts anderes als konventionelle Waffen vorsieht.
Will die SPD Deutschland eigentlich ohne jeden Schutz lassen, daß sie atomare Waffen, sogar für die anderen, die uns damit verteidigen wollen, und konventionelle Waffen für uns alle miteinander ablehnt?
Das können wir nicht glauben.
Wir appellieren an das Gewissen jedes einzelnen Mitgliedes dieses Hauses.
— Auch ich habe das Recht, einmal vom Gewissen zu reden!
Glauben Sie, Sie haben das Gewissen gepachtet? Glauben Sie, Sie können in jeder Rede von Gewissen sprechen? Meinen Sie, wir Christlichen Demokraten haben nicht genauso viel Gewissen wie Sie?
Namens der Fraktion der Christlichen - — Vizepräsident Dr. Becker: Einen Augenblick —
Das Wort weise ich zurück! Ich werde ihnen gleich vorlesen, was Provokation ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Jaeger, jetzt spreche ich!
Herr Präsident, ich bitte, mich gegen den Vorwurf „Kriegshetzer" in Schutz zu nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, gewöhnen Sie sich bitte daran, daß, wenn der Präsident das Wort hat, geschwiegen wird! Denn ich bin hier verantwortlich dafür, daß Ruhe und Ordnung herrschen. Ich bitte, sich danach zu richten. Herr Kollege Schmidt, ist es richtig, daß Sie gerufen haben: „Kriegshetzer"?
— Bitte, wenn ein Tatbestand geklärt werden soll, dann ist das nur in Ruhe möglich. Ich bitte Sie, Zwischenrufe zu unterlassen. Wie ist nach Ihrer Meinung — —
— Meine Damen und Herren, ich habe Sie schon einmal gebeten, doch nicht zwischenzurufen. Ich werde es in wenigen Minuten aus dem Protokoll feststellen, was gerufen worden ist. und dann die Konsequenzen ziehen. Ich bitte, sich bis dahin zu gedulden. Im übrigen darf ich nochmals darauf aufmerksam machen, daß solche Debatten zweckmäßigerweise in Ruhe geführt werden,
nicht nur aus der medizinischen — —
— Meine Damen und Herren, wenn Sie es dem Präsidenten unmöglich machen wollen, hier Ruhe und Ordnung zu halten, dann fahren Sie so fort! Aber wenn ich spreche, dann darf ich bitten, daß Ruhe herrscht.
— Bitte aber auch keinen Beifall. Ich habe hier nur meine Pflicht zu tun und nichts anderes. Ich bitte, sich nicht zu sehr aufzuregen. Es ist medizinisch nicht gut,
das habe ich schon einmal gesagt, und es führt die Verhandlungen nicht weiter. Die Debatte soll doch zu einem gewissen Ergebnis führen und einen Zweck haben. Gegenseitige Rufe haben dabei keinen Sinn.
Ich bitte den Herrn Redner, fortzufahren. Ich bitte, mir das stenographische Protokoll sofort zu beschaffen.
Namens der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union stelle ich deshalb zum Einzelplan 14 zur Gesamtabstimmung den Antrag auf namentliche Abstimmung, weil wir sehen wollen, ob die Sozialdemokratie, die den Amerikanern die Mittel unseres Schutzes verweigert, nun auch unseren Soldaten den konventionellen Schutz für sich selbst und für unser Land verweigern will.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, mir ist mitgeteilt worden, daß eben der Ruf „Kriegshetzer" wieder ertönt sei. Darf ich fragen, wer sich freiwillig dazu bekennt?
— Dann rufe ich Sie hiermit zur Ordnung.
Meine Damen und Herren, Sie meinen, daß die Tonart, in der ich hier spreche, sehr scharf sei. Ich möchte gar nicht davon sprechen, wie ernst uns die Sache ist und daß unser Gewissen durch diese Dinge nicht minder berührt wird als das Ihre.
-- Jawohl, ich sage das Wort noch einmal, da es ja von Ihnen auch so oft gesagt wird. Ich bestreite es Ihnen nicht! Bestreiten Sie es mir nicht!
Aber wenn Sie von Tonart und Provokation sprechen, dann erlauben Sie mir, aus der sozialdemokratischen Zeitung „Die Freiheit" vorzulesen, was der Herr Kollege Müller gesagt hat. Er hat nach der „Freiheit", einem sozialdemokratischen Organ, in einer Diskussion gefordert, „daß gerade die Atomfrage von der SPD in der kommenden Wahlschlacht angeschnitten werde; denn die Ereignisse des letzten Freitag hätten gezeigt, daß dies ,der Koalition unbequem sei. Er schloß mit den Worten, daß es seine feste Überzeugung sei, daß, käme die bisherige Regierung nochmals an die Macht, dies gleichbedeutend sei mit einem Krieg."
Das ist die tollste Beleidigung, die gegenüber einer
demokratischen Regierung und einer demokratischen Partei in diesen acht Jahren jemals ausgesprochen worden ist!
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Die Sozialdemokratische Partei hat durch den Mund ihres Vorsitzenden, des von ihr nominierten Kanzlers, erklärt, daß sie nicht die Genehmigung zur Stationierung von Atomwaffen in der Bundesrepublik gibt, auf alle Konsequenzen hin, also auch auf die Konsequenz hin, daß die Amerikaner ihre Sicherheitsgarantie nicht durchführen können, ihre eigenen Soldaten nicht mehr sichern können und deshalb unsere Bundesrepublik räumen müssen. Damit wäre diese Bundesrepublik der Zwangsintegration gegenüber einem Block von 900 Millionen Menschen allein gegenübergestellt.
Meine Damen und Herren, was hat das zu bedeuten? Auf die Frage: „Was tut die Sozialdemokratie für die Bundesrepublik und ihre Sicherheit?" kann man nur antworten: Nichts! Ihre Wahlparole heißt „Sicherheit für alle"; ihre Politik ist nur um zwei Buchstaben davon verschieden, sie heißt ,,Unsicherheit für alle".
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich an dieser Debatte nur beteiligen, weil mich der Herr Kollege Dr. Jaeger hier wegen einer Äußerung, die ich auf der letzten Pressekonferenz gemacht habe, zitiert hat.
Aber bevor ich auf diesen Punkt komme: Ich glaube, Herr Kollege Dr. Jaeger, die Erregung, mit der Sie hier jetzt gesprochen haben nach einer sehr langen ruhigen und sachlichen Debatte, war wohl weniger durch die Unruhe Ihres Gewissens als durch die Notwendigkeit, einen Wahlschlager zu lancieren, bedingt.
Herr Dr. Jaeger, Sie haben es als eine Beleidigung empfunden, wenn gesagt worden ist, daß die Atomrüstung zum Kriege führen muß. Haben Sie kein Gefühl dafür, daß Sie, wenn man schon auf dieser Ebene diskutiert, die sozialdemokratische Fraktion und damit einen erheblichen Teil des deutschen Volkes auch auf das tiefste beleidigen, wenn Sie die These aufstellen, wir wollten für die Sicherheit des deutschen Volkes nichts tun?
Sie, meine Damen und Herren in diesem Hause, wissen aus jahrelangen Debatten, daß die Frage der höchstmöglichen Sicherheit für unser Volk überhaupt nicht Gegenstand der Diskussion zwischen Ihnen und uns ist.
Die Frage, die hier seit Jahren zur Debatte steht, ist: welches ist der beste Weg?,
und da sind wir verschiedener Meinung. Die Geschichte wird noch einmal lehren, ob der Weg, dein Sie in den vergangenen Jahren mit der Einbeziehung der Bundesrepublik in die militärische Allianz des Westens gegangen sind, wirklich der Sicherheit Deutschlands gedient hat.
Die Antwort darauf ist noch offen, und die können Sie auch nicht mit solchen Reden, wie Sie sie heute übend für notwendig hielten, vorwegnehmen.
Außerdem ist es doch töricht — und jedermann weiß, was Sie damit meinen —, wenn Sie sagen, Sie müßten jetzt zur Klarstellung der Haltung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion über den Etat eine namentliche Abstimmung verlangen. Haben Sie denn Zweifel gehabt, daß wir den Etat des Bundesverteidigungsministers aus den politischen Gründen ablehnen, die Sie kennen
und von denen Herr Dr. Gerstenmaier, Ihr Kollege, vor etwa zehn Tagen hier gesagt hat, er billige zwar die Haltung der Sozialdemokratie nicht, aber er respektiere einen Standpunkt, den man auch haben könne? Vielleicht einigen Sie sich in Ihrer Fraktion, welche These im Kampf gegen die Sozialdemokratie in Zukunft gelten soll.
Sie haben hier getan, Herr Dr. Jaeger — auch das ist etwas erstaunlich —, als wenn Sie zum erstenmal erfahren hätten daß die Sozialdemokratie gegen die Lagerung von Atombomben und die Stationierung von Atombombenverbänden durch dritte Mächte ist. Das ist ein Punkt in dem Antrag, der Ihnen in der vorvorigen Woche vorgelegen hat und der sehr klar und deutlich begründet worden Ist;
Punkt 2:
die Zustimmung zur Lagerung von Atombomben und zur Stationierung von AtomwaffenVerbänden durch dritte Mächte auf dem Gebiet der Bundesrepublik ...
— Entschuldigen Sie, wir haben damals auch darüber gesprochen. Aber, ich glaube, Ihre Erfahrungen im Verteidigungsausschuß haben auch Ihnen zur Kenntnis gebracht, daß die atomare Kriegführung heute ein ganz anderes Problem der Gefährdung der Sicherheit der Menschen in der Welt ist, als es vor zwei Jahren der Fall war.
Außerdem müssen Sie, meine Damen und Herren, der sozialdemokratischen Fraktion das Recht lassen, Anträge zu dem Zeitpunkt zu stellen, zu dem sie es für richtig hält, und nicht, wenn es Ihnen paßt.
Herr Kollege Dr. Jaeger hat nun gemeint, hier eine besondere Sensation anzubringen, wenn er auf die Pressekonferenz Bezug nimmt, die ich in der letzten Woche gehabt habe. Herr Dr. Jaeger, ich habe gar nichts dagegen, daß wir uns hier in kontroversen Fragen gegenseitig Klarheit verschaffen. Aber wenn es Ihnen wirklich darauf angekommen wäre, festzustellen, um was es geht, hätten Sie ganz einfach fragen können: Sagen Sie, Herr Kollege Ollenhauer, was haben Sie da wirklich gesagt?, ich habe das und das gesehen. — Das haben Sie nicht getan.
— Entschuldigen Sie, Sie haben erst einmal diesen dpa-Bericht genommen, um daran eine ganze Theorie der Verantwortungslosigkeit der Sozialdemokratie gegenüber der Sicherheit des deutschen Volkes zu entwickeln. Und Sie haben Pech gehabt; ich hätte Ihnen nämlich gesagt: Herr Dr. Jaeger, ehe Sie die Sache anfassen, lassen Sie sich doch einmal den Wortlaut der Verhandlungen geben. Die Konferenz ist wie immer auf Band aufgenommen worden. Ich habe mir den Text jetzt beschafft. Sie können ihn kontrollieren. Ich bin am Freitag in bezug auf die Nichtstationierung der atomaren Waffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik tatsächlich gefragt worden, ob eine solche Forderung nicht Konsequenzen für die Sicherheitsgarantie Westdeutschlands haben könnte, z. B. dadurch, daß die Amerikaner sagen: Wir können uns den militärischen Status unserer Truppen in Westeuropa und Westdeutschland nicht vorschreiben lassen. Das ist eine völlig berechtigte Frage, die jeder untersuchen muß, der eine solche Forderung, wie wir sie aufstellen, vorbringt.
Was habe ich darauf geantwortet? Ich habe gesagt:
Sehen Sie, eine solche Forderung der Sozialdemokratie muß Gegenstand von Verhandlungen sein. Dias ist selbstverständlich. Aber auf der anderen Seite ist doch der Tatbestand der, daß wir zur Zeit überhaupt in Verhandlungen über den Status der Rüstung in Europa sind. Warum soll man dann eine solche Forderung wie die der Sozialdemokratie nicht ernsthaft in den Bereich der Betrachtung ziehen? Wir jedenfalls sind der Meinung, daß wir als Bundesrepublik dieses Recht aus den Gründen, die wir vertreten haben, in Anspruch nehmen soil-ten, und erklären, daß wir eine solche Ausrüstung ausländischer Streitkräfte nicht haben möchten.
Der Tatbestand ist völlig klar, aber völlig anders, als Sie ihn dargestellt haben.
Ich habe selbstverständlich die Forderung aufrechterhalten und habe erklärt: eine solche Forderung muß Gegenstand von Verhandlungen sein. Meine Damen und Herren, ich bin noch weiter gegangen. Vielleicht würden Sie auch einmal in Ihrem Interesse von dem Tatbestand Kenntnis nehmen, daß zur Zeit in der Welt sehr interessante Verhandlungen über die Veränderung des militärischen Status in Europa stattfinden.
Das kann auch Rückwirkungen 'auf die Situation der Bundesrepublik und die Stationierung ausländischer Kräfte haben. Meine Damen und Herren, wäre es in dieser Lage z. B. nicht ein höheres Ziel, das wir gemeinsam haben sollten, solche Verhandlungen zu benutzen, damit zwischen den beiden entscheidenden Mächten eine Regelung getroffen wird, daß in keinem Teil Deutschlands, weder hier noch in der sowjetisch besetzten Zone, solche atomaren Waffen aufgestellt werden?
Dann wären wir auf dem Wege der Entspanunng in der Welt einen ersten Schritt weiter, und ich bin der Meinung, wir hättenauch auf dem Wege einer größeren Sicherheit für unser ganzes Volk etwas sehr Verdienstvolles getan.
Sie können eine andere Meinung haben. Aber wenn Sie diese Bemerkungen, die ich hier wörtlich vorgelesen habe und zu denen ich stehe, so auslegen, als wenn wir hier die These vertreten hätten: hier gibt es überhaupt nichts, hier steht die Forderung, und was die anderen sagen, geht uns gar nichts an, dann ist das objektiv falsch. Der Grund meiner Bemerkung ist, meine Damen und Herren, daß ich Sie warnen möchte, mit einer derartigen Vergröberung und Verfälschung der Argumente den Wahlkampf zu führen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, die Generaldiskussion über die angeschnittenen Themen fortzusetzen, sondern ich möchte im Rahmen der zweiten Lesung des Einzelplans 14 des Bundeshaushalts zu einigen wenigen von den Vorrednern angeschnittenen technischen Problemen Stellung nehmen.
Herr Kollege Wienand, der Sprecher der SPD, hat von den Bindungsermächtigungen und den Vorwegbewilligungen gesprochen. Es ist ihm sicher bekannt, daß das System der Vorwegbewilligungen mit der Verabschiedung des Bundeshaushalts 1956 und seiner Nachtragshaushalte zu Ende ist. Ich habe bei der Begründung eines Nachtragshaushalts —ich kann nicht mehr genau sagen, welches — davon gesprochen, daß beide Teile, Regierung und Parlament, froh sind, das System der Vorwegbewilligungen nunmehr ablegen zu können, um zu einigermaßen geordneten haushaltsrechtlichen Verfahren gelangen zu können.
Das System der Bindungsermächtigungen in Höhe von 15,3 Milliarden DM, wie erwähnt, muß, solange die Bundeswehr sich im Stadium des Aufbaus und nicht in dem Zustand der normalen Ergänzung befindet, fortgesetzt werden; denn ein großer Teil der Beschaffungen und ein großer Teil der Bauten wickeln sich finanziell nicht innerhalb eines Haushaltsjahres ab, sondern sie erstrecken sich über zwei, drei oder mehr Haushaltsjahre. Nun ist es für das Bundesverteidigungsministerium unmöglich, daß zwar die erste Rate einer Beschaffung oder eines Großbaues jeweils bewilligt wird, daß aber die Fortsetzung der Beschaffung und der Abschluß von Verträgen — aus Gründen der Sparsamkeit müssen diese rationell abgeschlossen werden — oder die Fortsetzung eines Baues von der Ungewißheit weiterer Bewilligungen abhängen. Darum legen wir gerade im Interesse der Überschaubarkeit des Haushalts Wert darauf, daß die Mitglieder des Parlaments bei Bewilligung der ersten Rate wissen, welche weiteren Verpflichtungen und finanziellen Konsequenzen sich jeweils aus der Bewilligung des ersten Betrags ergeben. Ich finde, daß das gerade ein Beitrag zur Sauberkeit und Überschaubarkeit des Haushalts ist und einen Bruch mit Methoden darstellt, im Verteidigungshaushalt gewisse Verschleierungen bezüglich der zukünftigen Konsequenzen vorzunehmen, wie sie vielleicht früher einmal — ich meine damit nicht die Bundesrepublik — gang und gäbe gewesen sind.
— Bitte sehr.
Herr Minister, sollte es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein, daß ich im Zusammenhang mit den Bindungsermächtigungen die Frage aufgeworfen habe, ob, wenn diese auf vier Jahre verteilt sind und 4 Milliarden von dem 9-Milliarden-Haushalt pro Jahr in Anspruch nehmen, dann mit den verbleibenden 5 Milliarden, von denen eventuell auch noch Kosten auf die Stationierung entfallen, eine genügend große Manövrierfähigkeit für Sie und für das Parlament sichergestellt sein wird und ob Sie in dem Zusammenhang sagen können, daß wir, wie damals vom Finanzminister gesagt worden ist, auch bis zum Jahre 1962 mit 9 Milliarden Verteidigungsausgabe auskommen werden?
Wenn man davon ausgehen darf, Kollege Wienand, daß die 9 Milliarden auch aus der Zeit heraus, in der sie nicht ausgegeben werden konnten, über den ganzen Zeitraum hinweg — im Querschnitt gesehen -- zur Verfügung stehen, dann möchte ich mal unter gewissen Kautelen — gleichbleibende Preise und Löhne und keine außerordentlichen Kosten für die Anschaffung moderner Waffen; ich meine damit nicht Atomwaffen, aber moderne Flugzeuge, Raketenträger und ähnliche — im großen und ganzen die Frage mit Ja beantworten. Aber Sie wissen ja selbst, wie die Entwicklung auf diesem Gebiet ist. Über längere Zeiträume hinweg lassen sich verbindliche Zusagen nicht geben, aber nicht etwa deshalb, weil man sie nicht geben will, sondern deshalb, weil das System des Re-appraisal sämtliche Länder, die der Last einer modernen Rüstung unterliegen, vor neue Probleme stellt. Sie wissen auch, daß wir den Aufbau der Bundeswehr so in Phasen zerlegt haben, daß man jeweils die Entwicklung noch einigermaßen in der Hand behalten kann. Ich möchte die Ausführungen, die ich im Verteidigungsausschuß gemacht habe. hier nicht wiederholen, weil sie einen größeren Zeitraum in Anspruch nehmen würden.
Zweitens ist vom Fehlen des Organisationsgesetzes gesprochen worden. Ich habe nicht das Recht, hier einen Vorwurf zu erheben; ich hoffe aber auch, daß diese Anmerkung nicht als Vorwurf ausgesprochen worden ist. Die Überlastung des Verteidigungsausschusses mit dringenden Aufgaben — Aufgaben, bei denen kurze Termine gesetzt werden mußten — hat es mit sich gebracht, daß das Organisationsgesetz. dessen Erlaß jetzt, wo der Gesetzesvorbehalt ausgesprochen worden ist, auch dem Verteidigungsminister und der Bundesregierung sehr erwünscht gewesen wäre bisher nicht verabschiedet werden konnte.
Gewisse organisatorische Änderungen sind ohne Zweifel notwendig. Wenn aber die Organisation des Verteidigungsministeriums unter dem Gesetzesvorbehalt steht, dann muß der Verteidigungsminister ja Wert darauf legen, daß er entweder bis zum Erlaß des Organisationsgesetzes freie Hand erhält, gewisse Änderungen vorzunehmen, oder er
muß einen Hinweis bekommen, wie er diese Änderungen so vornehmen kann, daß sie in Übereinstimmung mit dem parlamentarischen Willen sind. Er möchte aber vermeiden, daß ihm bloß deshalb die Hände gebunden sind und er keine notwendigen Änderungen vornehmen kann, weil das Organisationsgesetz noch nicht erlassen ist.
Zu den beiden Punkten Sanitätswesen und Technik darf ich sagen, daß mit der Umgliederung der militärischen Abteilungen in einem Bundeswehrführungsstab unter einem Generalinspekteur und unterstellte Inspektionen Heer, Luftwaffe und Marine auch gleichberechtigt mit Heer, Luftwaffe und Marine eine Sanitätsinspektion vorgesehen ist. Dieser Organisationserlaß ist von mir unterschrieben. Er steht allerdings unter dem selbstverständlichen Vorbehalt einer späteren Änderung durch das Organisationsgesetz; aber die Änderung wird, da das Organisationsgesetz in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr zu erwarten ist, der Erlaß sich also demgemäß voraussichtlich bis in das Jahr 1958 hinziehen wird, im Bundesverteidigungsministerium bis zur endgültigen Gestaltung der Organisation durch Gesetz in dieser Weise vorgenommen werden.
Der Bedeutung der Technik ist dadurch Rechnung getragen, daß der leitende Techniker zu dem Rat der Inspekteure — bisher militärischer Führungsrat — als ständiges Mitglied mit Sitz und Stimme hinzutritt. Soldat und Technik sind heute in ihrer Aufgabenstellung nicht mehr voneinander zu trennen.
Sie haben in Ihrem Antrag von der Streichung des Wehrsolds gesprochen. Die Wehrpflichtigen sollten nach Hause geschickt werden. Ich möchte die Wehrpflichtdiskussion, die ja in diesem Hause schon sehr oft geführt worden ist, nicht von neuem aufgreifen, nicht von dem Grundsatz sprechen, ob die Verteidigung des Staates die Angelegenheit aller Bürger ist, ob die Erfüllung der Bündnisverpflichtungen die allgemeine Wehrpflicht erforderlich macht, und auch nicht davon, ob die militärgeographische Lage der Bundesrepublik, die ja anders als die Großbritanniens ist, eine andere Form der Wehrorganisation erforderlich macht. Aber eines kann ich hier sagen. Die Erfahrungen, die wir mit den Wehrpflichtigen gemacht haben, sind so positiv, daß ich nicht übertreibe, wenn ich behaupte, daß das Leistungsniveau und das Bildungsniveau der Bundeswehr im Mannschaftsstand durch die Wehrpflichtigen eher gehoben als etwa beibehalten oder nach unten gedrückt worden ist. Wir haben mit den 10 000 Wehrpflichtigen glänzende Erfahrungen gemacht. Das sind nicht Leute, die sich von vornherein freiwillig gemeldet haben, aber sicherlich sind diejenigen vorweggenommen worden, die im Rahmen der nun einmal beschlossenen Wehrpflicht Wert darauf legten, ihr Jahr oder ihre 18 Monate abzudienen. Nach den mir bis jetzt vorliegenden — noch nicht abschließenden —Informationen haben sich etwa 25 % der Wehrpflichtigen, die laut Gesetz nur zu einem Jahr verpflichtet sind, freiwillig verpflichtet, sechs Monate weiterzudienen. Das ist immerhin auch ein Beweis dafür,
daß der Dienst in der Bundeswehr als erträglich empfunden wird. — Sie wissen ja, wir haben in diesem Hause festgelegt, daß man unter bestimmten Bedingungen oder um eine bestimmte Funktion oder einen bestimmten Standort zu bekommen, 18 Monate dienen muß. Aber wenn der Widerwille gegen den militärischen Dienst so groß wäre, dann wären 'die 80 Mark Unterschied es auch nicht wert, sich seiner bürgerlichen Freiheiten noch sechs Monate länger beraubt zu sehen.
Es ist nicht das eingetroffen, was seinerzeit Kollege Schmidt hier, ich glaube, am 18. November letzten Jahres, gesagt hat, als er vor der Durchführung der Musterungen und vor der Durchführung der Wehrpflicht warnte. Er sagte, vor Beginn des Bundestagswahlkampfes werde das wirklich das Staatsgefüge gefährden und die Unteroffiziere und Offiziere der Bundeswehr in eine außerordentliche schwierige Lage gegenüber dem Volke bringen, eine schwierigere Lage als je seit 30 oder noch mehr Jahren. Nun, wir haben in den letzten 30 Jahren ja schon einiges erlebt, was mir schwieriger gewesen zu sein scheint als die Probleme, die die Durchführung der Wehrpflicht in den letzten Monaten mit sich gebracht hat.
— Ich möchte die Diskussion nicht fortsetzen; ich kannte es tun. Aber es liegt, glaube 'ich, im allgemeinen Interesse, es hier nicht zu tun. Natürlich legen wir Wert darauf, diejenigen unter den Wehrpflichtigen, die ihr Jahr vorzugsweise abdienen wollen. auch vorzugsweise einzuberufen; aber das ist kein Argument, Herr Kollege Schmidt, gegen das. was ich immer als Bundesverteidigungspflicht bezeichnet habe. Wohl aber bin ich, ohne daß ich hier in die Details eintreten will, der Meinung: Hätten wir die Wehrpflicht nicht, wäre das Niveau der Bundeswehr nicht das, was es ist, und wäre die Zusammensetzung der Bundeswehr — auch gemäß den von Ihnen vertretenen Grundsätzen — vielleicht nicht so. wie Wir sie beide gern sehen würden.
Die Herstellung der Ersatzteile für den M 48, Herr Kollege Wienand, ist nirgendwo eingestellt worden. Es werden ja noch die Ersatzteile für den M 47 hergestellt, in den USA, zum Teil in Deutschland. Wir bauen ja den M 47 zum Teil sogar gemäß einigen wesentlichen Forderungen um. Die Panzerwaffe der US-Armee ist noch 'auf Jahre hinaus mit dem M 48 ausgerüstet. Es Ist, glaube ich, die Fehlmeldung eines bestimmten Presseorgans gewesen, der Sie hier zum Opfer gefallen sind. Denn wir erhalten sämtliche Ersatzteile aus den USA, und gewisse Ersatzteile werden auch in der Bundesrepublik hergestellt werden. Es ist ja mehr als unwahrscheinlich, daß die Amerikaner auf die Produktion der Ersatzteile für ihre eigene Panzerwaffe und für die Typen verzichten, die sie mindestens noch bis zum Jahre 1960/61 haben werden. Ich darf das nur zur Richtigstellung sagen.
Natürlich befinden wir uns in der Frage der Artillerie und der schweren Artillerie in einem Zustand der Umwandlung. Es wird aber noch einige Jahre dauern, bis die Feldartillerie und die schwere Artillerie — mit einer normalen Rakete, auch mit einem normalen Sprengkopf ausgestattet, ersetzt werden kann. Darum sind wir allerdings davon ausgegangen, daß die Produktion in Deutschland weder bei Waffen noch bei Munition über 40 mm hinaus aufgebaut werden soll. Wir sind
vielmehr davon ausgegangen, daß wir von der Nash-Liste nehmen, was wir bekommen, und drittens, daß wir, was noch unbedingt zur Überbrükkung, bis wir klar sehen, was notwendig ist, kaufen, um nicht in der Zwischenzeit überhaupt nichts zu haben.
Sie haben dann von dem Ansatz für Flugzeuge gesprochen. Ich darf hier einen Irrtum zerstreuen. Die 480 Millionen für die Anschaffung von Flugzeugen, der dritte Teilbetrag, betrifft in erster Linie die Flugzeuge, die entweder nach allem Ermessen als Dauertypen in Betracht kommen oder für Ausbildungszwecke notwendig sind, z. B. die kanadische Sabre VI, dann der Transporter Noratlas, der in seiner Art zeitlos ist, die Heeres-und Marineflugzeuge und die Hubschrauber. Auch die F 84 und die F 86. die wir zum Teil haben oder übernehmen oder in Zukunft noch bekommen werden, entsprechen durchaus noch dem gegenwärtigen Ausbildungsstand der meisten europäischen Nationen. Dann kommt 'allerdings der große Sprung. Aber die 480 Millionen sind nur für diese Beschaffungen auszugeben, die tatsächlich auch vertretbar sind und die zur Durchführung des Ausbildungsprogramms noch notwendig sind.
Noch einige wenige Bemerkungen zu den beiden Stichworten, die Kollege Mende geliefert hat und die hernach noch einmal aufgegriffen wurden: „Panzerskandal" und „Flugzeugskandal". Nun, man soll hier mit dem Worte etwas vorsichtig sein. Richtig ist, daß der Verteidigungsminister von 'der Ermächtigung des Parlaments, noch 1426 Stück M 47 bestellen zu können, überhaupt keinen Gebrauch gemacht hat, sondern daß er abgewartet hat und den Typenvergleich zwischen M 47, M 48 und Centurion, zum Teil sogar mit Besichtigung eines Unterausschusses des Verteidigungsausschusses, hat durchführen lassen. Das Ergebnis dieses Typenvergleichs, der sich auch über den Winter hindurch erstreckt hat, liegt vor. Wir haben uns für den M 48 entschieden. Wir wissen jetzt auch, daß die Lieferungen nunmehr von USA fristgerecht erfolgen können. Mir ist nicht ersichtlich, Herr Kollege Mende, was mit dem Begriff des sogenannten Flugzeugskandals gemeint sein soll. Seinerzeit wurde das Wort ,Flugzeugskandal" geprägt, weil die F 86 an Stelle der englischen Javeline gewählt worden ist. Nun, die F 86 ist auch heute ein noch brauchbares Flugzeug, ist in der Ausbildungeskette ein unentbehrliches Flugzeug. Wir haben allerdings nicht die Absicht, etwa auf der Ebene Javeline einzusteigen; denn bis unser Pilotenausbildungsprogramm beendet ist, wird die Javeline nicht das Flugzeug sein, das wir dann unseren Piloten geben müssen, soweit nicht überhaupt die Entwicklung das Flugzeugprogramm zugunsten von Fernlenkwaffen beeinflußt hat. Ich wäre sogar der Meinung, daß die Wahl eines Zwischentyps uns eines Tages als technische und finanzielle Fehldisposition angerechnet werden würde und dann wieder das Wort „Flugzeugskandal" auslösen würde, vor dem man ja nicht sicher ist.
Es herrschen auch falsche Vorstellungen hinsichtlich der Verschiedenheit der Typen. In der Bundeswehr gibt es insgesamt sieben Klassen von Fahrzeugen. Man muß aber zwischen den Klassen der Fahrzeuge und der wesentlich größeren Zahl von Aufbauten auf diesen Fahrzeugen unterscheiden. Die Aufbauten auf diesen Fahrzeugen spielen hinsichtlich der Ersatzteilbeschaffung keine Rolle. Aber die Klassen der Fahrzeuge sind beschränkt, und hier sind wir unter den europäischen Streitkräften in der glücklichen Lage, am wenigsten Klassen zu haben. Es haben hier auch keine föderativen Rücksichten eine Rolle gespielt; aber ich begehe keine Indiskretion, wenn ich sage, daß es keine Fraktion gibt, aus der nicht Abgeordnete für die Berücksichtigung der in ihrer engeren oder weiteren Heimat liegenden Kraftwagenfabrik eingetreten sind,
und daß es keine Landesregierung gibt, die nicht gern auch ein bestimmtes Junktim politischer und wirtschaftlicher Art gemacht hätte. Wir haben es keinem von beiden übelgenommen; denn peccatur intra muros et extra, und ich habe genau dasselbe schon getan.
Ich möchte hier nicht die Frage der Atombewaffnung aufgreifen, weil sie im Zusammenhang mit diesem Haushalt überhaupt keine Rolle spielt. Allerdings, Herr Kollege Ollenhauer, dürfte kein Zweifel darüber bestehen, daß, solange die politischen Verhältnisse so liegen, wie sie sind, solange man in London noch nicht klare Ergebnisse sieht, eine Verweigerung der Ausstattung amerikanischer Streitkräfte mit Atomwaffen auf europäischem Boden identisch wäre mit ihrem Abzug. Daß Sie selbst die Bundesrepublik nicht gern ungeschützt in der Weise sehen würden, daß wir weder eine amerikanische Sicherheitsgarantie noch eigene Verteidigungsstreitkräfte haben, glaube ich Ihnen; denn es wäre Ihnen dann genauso ungemütlich in Ihrer Haut, wie es uns in diesem Falk sein müßte. Aber die Frage, die sich hier erhebt, ist die: Würden Sie, um Ihren Wunsch durchzusetzen, Ihre politische Forderung durchzusetzen, auch in Kauf nehmen, daß die US-Truppen abziehen? Darauf ist bisher, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, keine Antwort erteilt worden.
Nun haben sich der Herr Kollege Gülich und einige andere Redner mit dem Problem der Beschaffung befaßt. Das Beschaffungsamt in Koblenz ist natürlich ein Sorgenkind, wie immer die militärische Beschaffung ein besonderes Problem darstellt. Allerdings darf ich hier einmal daran erinnern, daß wir an die gesetzlichen Bestimmungen gebunden sind, und zum zweiten daran, .daß dieser Bundestag im Dezember 1955 die unbeschränkt öffentliche Ausschreibung als den Normalfall dem Verteidigungsminister aufgetragen hat. Ich selbst bin als Verteidigungsminister über diesen Beschluß und über ,die Notwendigkeit, ihn, ich möchte sagen,
uneingeschränkt durchzuführen, in keiner Weise glücklich. Aber Sie selbst haben ihm ja zugestimmt, meine Herren, und Sie haben selbst auch einmal eine Interpellation eingebracht, als Sie glaubten, daß gegen die unbeschränkt öffentliche Ausschreibung verstoßen und die freihändige Vergabe beschlossen worden sei. Wirhaben die unbeschränkt öffentliche Ausschreibung schon wesentlich eingeschränkt bei der Truppenverpflegung und bei der Beschaffung von Unterkunftsgerät, weil wir auch mit der unbeschränkt öffentlichen Ausschreibung keine allzu gute Erfahrung gemacht haben. Aber nach § 10 der Verdingungsordnung für Leistungen sind die geforderten Leistungen so genau zu bezeichnen, daß die Preise von den Bewerbern nach denselben Gesichtspunkten errechnet und die Angebote miteinander verglichen werden können, d. h. wir haben hier eine bindende Vorschrift. Sie ist auch bei Taschentüchern und bei Servietten angewandt warden.
Dann gibt es allerdings noch einen Grund, den man bei einem deutlichen Ansprechen der Probleme nicht verschweigen sollte. Der Leiter der Beschaffungssteile in Koblenz ist einer der ärmsten Bürger unserer Bundesrepublik, gleichgültig welches seine Bezüge sind; denn was von nah und fern an Wünschen, Zuschriften, Anträgen, Interventionen und Petitionen an ihn herangetragen wird, das kann er überhaupt nur bewältigen, ohne Ressentiments oderungerechtfertigte Begehrlichkeiten zu wecken, indem er sich auf den strengen Bestimmungsstandpunkt zurückzieht und ihn chemisch rein einzuhalten versucht.
— Natürlich ist es komisch. Es ist auch komisch, daß, als einmal Stadtpläne :ausgeschrieben worden sind und der Zuschlag für einen Stadtplan von München an das billigste Angebot nach Hamburg erteilt worden ist, sich herausgestellt hat, daß die Stadtpläne vom Jahre 1905 stammten und naturgemäß billiger waren. Das hat keine großen Wirbel hervorgerufen, aber so etwas ist in der unbeschränkt öffentlichen Ausschreibung letzten Endes immer drin.
Zum Schluß darf ich nur noch ,die Frage der Wohnungen erwähnen. Das Wohnungsproblem ist tatsächlich für die Bundeswehr eines der ernstesten Probleme des Truppengefüges, des Familienzusammenhalts usw. Ich habe heute eine Reihe wertvoller Hinweise erhalten. Ich darf aber auch auf einen Irrtum hinweisen, den die Frau Kollegin Lüders mir begangen zu haben scheint. Es handelt sich um die Einweisung nicht in Dienstwohnungen, sondern in Mietwohnungen. Der größte Teil unserer Kasernen stammt ja aus der Vergangenheit und ist von den Alliierten für ,die Benutzung durch die Bundeswehr freigegeben worden. In diesen Kasernen sind die notwendigen Dienstwohnungen nicht vorhanden. Soweit es sich um neugebaute Kasernen handelt, gehen Kasernenbau und Wohnungsbau parallel nebeneinander. Es ist in der Verfassung von diesem Hause festgelegt worden, daß der Bundesverteidigungsminister keine Bundeswehrbauverwaltung erhält; es sei denn auf dem Weg eines der Zustimmung des Bundesrates bedürftigen Gesetzes. Dieses Problem ist insofern erledigt, als es bei dem Mangel an Fachkräften auf diesem Gebiet jetzt gar nicht mehr möglich wäre, dine Bundeswehr-Bauverwaltung aufzuziehen. Aber es Ist nicht nur die Schwierigkeit etwa zwischen Finanzminister, Wohnungsbauminister und Verteidigungsminister, es ist natürlich nicht nur der horizontale Kompetenzkonflikt, der längst ausgestanden ist, sondern es sind ja auch die vertikalen Zuständigkeitsschwierigkeiten zwischen Bund und Ländern, die hier eine ganz erhebliche Rolle spielen. Das Bundesverteidigungsministerium hat für erste und zweite Hypotheken für den Wohnungsbau insgesamt 350 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Von diesen 350 Millionen DM sind bisher 30 Millionen DM in Anspruch genommen worden. Das läßt darauf schließen, daß es nicht von oben her fehlt, sondern daß manchmal auch von unten her die Bearbeitung der Bauanträge etwas schneller erfolgen ,dürfte, als sie tatsächlich geschieht. Ich bin gerne bereit, jedem Stimmkreisabgeordneten die in seinem Bereiche laufenden oder geplanten Wohnungsprojekte mitzuteilen, damit er bei den örtlichen Baubewilligungsbehörden auf eine beschleunigte Behandlung der Baugesuche hinwirken
kann. Ich glaube, daß das ein echter Beitrag wäre.
— Natürlich, die Schwierigkeiten liegen einmal in der Beschaffung des Baulandes. Die Beratung des Landbeschaffungsgesetzes selbst hat lange gedauert, und Sie wissen, daß in einem Rechtsstaat die Durchführung — Gott sei Dank — auch sehr lange dauert. Zum anderen liegen die Schwierigkeiten in der Finanzierung durch den Kapitalmarkt, in der Bereitstellung der ersten und zweiten Hypotheken. Aber 350 Millionen DM stehen zur Verfügung. In einem demokratischen Staat gehen die Dinge schwieriger vor sich als früher; aber deshalb sollte man die Nachteile nicht in eine falsche Relation zu den „Vorteilen" einer vergangenen Zeit bringen.
Wir hatten am 1. Mai 1955 einen Bedarf von 20 000 Wohnungseinheiten. Der Bestand war 3400 Wohnungseinheiten. Im Bau sind 3500 Wohnungseinheiten. Vor der Bewilligung stehen 1100 Wohnungseinheiten. Das sind 8000 Wohnungseinheiten. Dazu kommen durch Freigaben der Franzosen 2000, der britischen Luftwaffe 1400, der britischen Armee 3000 Wohnungseinheiten.
Es muß aber bei diesen Wohnungseinheiten von den bisherigen Bestimmungen insofern abgegangen werden, als die Kostenmiete, wie sie für die Alliierten angesichts ihrer Besoldungslage möglich war, von den Angehörigen der deutschen Bundeswehr nicht erhoben werden kann. Es ist unmöglich, von unseren Soldaten eine Wohnungsmiete von 400, 500 oder 600 DM zu verlangen, wie sie sich bei schematischer Übertragung ergäbe. Die Wohnungen stehen dann leer. Ich glaube, daß wir eine bestimmte Zahl von Quadratmetern berechnen; was darüber hinausgeht, kommt nicht zum Ansatz; sonst stehen die von den Alliierten freigegebenen Wohnungen leer, und das wäre der größte Schildbürgerstreich, den man sich bei der Undurchdringlichkeit dieses Dickichts der Zuständigkeits-
und anderen Bestimmungen leisten könnte.
Gestern hat im Bundeskanzleramt eine Besprechung stattgefunden, in der zwischen Finanz-, Verteidigungs- und Wohnungsbauministerium Grundsätze festgelegt wurden, um den Wohnungsbau für die Truppe zu vereinfachen. Das Ziel ist, im Rechnungsjahr 1957/58 1200 Wohnungen fertigzustellen, wobei je nach Witterung und Bauabwicklung immer noch ein Überhang bis zum Frühsommer 1958 möglich ist.
Ferner ist jetzt die Eigenheimfinanzierung für die Angehörigen der Bundeswehr erleichtert worden. Dann ist zur Beschleunigung der Wohnungsversorgung noch die Einrichtung einer Wohnungstauschzentrale vorgesehen.
Die letzte Frage, die in diesem Zusammenhang an mich gerichtet worden ist, war die, ob der Bundesverteidigungsminister die Reste, die ihm aus den Vorjahren zustehen, in Anspruch nehme, obwohl die Kassenmittel jetzt anders verbraucht werden. Es ist richtig, daß die Kassenmittel jetzt zum Haushaltsausgleich verwendet werden. Die Bundesregierung muß sich bei Fälligkeit dieser Mittel bemühen, die flüssigen Mittel für die Erfüllung der auf das Verteidigungsministerium zukommenden Anforderungen wieder zu beschaffen. Allerdings tritt dieses Problem nicht in den Jahren 1957
und 1958 auf, sondern es wird sich erst für die Anschlußzeit stellen. Das ist aber ein Unsicherheitsfaktor, wie er genauso bei einigen anderen Dingen, die ich heute genannt habe, besteht.
Ich darf insgesamt sagen, daß sich der Aufbau der Bundeswehr nunmehr genau nach Plan, nach angegebenen Daten, Terminen und Größenordnungen vollzieht und daß die Grenzlinie von 100 000 Mann im Gesamtbestand der Bundeswehr in den nächsten Tagen überschritten wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt auf den Zwischenfall zurück. Das Protokoll liegt inzwischen vor. Die Worte, die der Abgeordnete Schmidt in dem Augenblick, als ich sprechen wollte, in Richtung auf den Herrn Kollegen Jaeger gesagt hat, lauten nach dem Stenographischen Bericht: „Das ist der Kriegshetzer! Dieser Ton!" Der Kollege Schmidt (Hamburg) hat dann einige Momente später das dahin erläutert, daß er gesagt habe: Das ist der Ton eines Kriegshetzers. So habe ich es wohl recht verstanden? Nach dem Wortlaut des Stenographischen Berichts, der zunächst vorgeht, ist gesagt worden: „Das ist der Kriegshetzer! Dieser Ton!" Ich unterstelle zugunsten des Abgeordneten Schmidt (Hamburg), daß ein Lapsus linguae vorliegt, daß er sagen wolltet Das ist der Ton eines Kriegshetzers. Aber auch dann - —(Zurufe von der Mitte.)
— Lassen Sie mich doch ausreden; diese dauernden Unterbrechungen sind ja furchtbar. Aber auch dann liegt meiner Ansicht nach ein Verstoß gegen die Ordnung dieses Hauses vor. Ich rufe den Abgeordneten Schmidt hiermit zur Ordnung, so wie ich vorhin auch den Abgeordneten Eschmann habe zur Ordnung rufen müssen.
Nun gestatten Sie mir anschließend noch einige Bemerkungen. Wir sollten davon ausgehen, daß, auch wenn wir verschiedener Meinung sind und wenn diese verschiedene Meinungen in diesem Hause mit sehr starken und gewichtigen Argumenten herüber und hinüber ausgefochten werden, wir uns beiderseits, hinüber und herüber niemals die anständige Gesinnung absprechen sollten so wie wir uns auch sonst immer als anständige Menschen behandeln.
— Meine Damen und Herren, der Präsident tut nur seine Pflicht; wenn Sie ihm Beifall geben, gehen Sie über das hinaus, was in dem Fall guter Stil wäre.
Es wird niemand hier etwas dagegen haben, wenn in scharfen Worten hinüber und herüber gefochten wird. Seien wir uns aber über eins klar: Die Souveränität in der Republik liegt beim Volk. Die Repräsentanten der Souveränität sind wir. Wollen wir uns jetzt dahin einig und schlüssig werden, daß wir uns alle bei noch so scharfen und spritzigen Debatten der Öffentlichkeit gegenüber so verhalten, daß man sagt: Die verhalten sich, wie sich Souveräne verhalten.
In der allgemeinen Debatte — die ja erst in der dritten Lesung stattfindet — wäre alles das zu sagen gewesen, was heute schon allgemein gesagt worden ist. Ich habe die Debatte in dieser Form vorgefunden, als ich das Präsidium übernahm.
Deshalb bin ich nicht dagegen eingeschritten, daß wir hier nicht nach dem Modus der zweiten Lesung nur Punkt für Punkt durchgesprochen, sondern auch über allgemeine Themen geredet haben. Ich will auch für die Zukunft — es liegt noch eine Wortmeldung vor — nichts dagegen sagen. Aber ich knüpfe daran die Hoffnung, daß damit die allgemeine Debatte in der zweiten Lesung stattgefunden hat und wir in der dritten Lesung diese Debatte nicht noch einmal nötig haben werden.
Schließlich noch eine letzte Bitte, die nicht nur mich, sondern alle Präsidenten betrifft. Wenn der Präsident läutet, tut er das, um seinerseits einzugreifen, und ich muß bitten — nicht für mich, sondern für alle meine Kollegen, die hier das Präsidium führen —, daß dann dem Präsidenten die Möglichkeit gegeben wird, seinerseits einzugreifen. Wenn Sie später einmal, in ein paar Tagen in dem Bericht dieser Sitzung lesen, welche Mühe ich gehabt habe, hier überhaupt zu Wort zu kommen, werden Sie die Berechtigung meiner Bitte verstehen.
Damit ist der Zwischenfall erledigt.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Erklärung zu einer Spezialfrage. Es handelt sich um Reisen von Soldaten, die nach dem Wehrsoldgesetz abgefunden werden. Hier ist auf Umdruck 1069*) unter Ziffern 10 und 11 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Einzelplan 14 gestellt worden. Ich darf dazu folgendes feststellen.
Zur Zeit sind Erörterungen darüber im Gange, auf welcher Rechtsgrundlage den Soldaten, die nach dem Wehrsoldgesetz abgefunden werden, Beihilfen für Familienheimfahrten in ähnlicher Form gewährt werden können, wie sie gemäß Nr. 13 der Abordnungsbestimmungen für Beamte, Richter, Zeit- und Berufssoldaten vorgesehen sind.
Als Rechtsgrundlage kommt hierfür in erster Linie § 1 Abs. 1 letzter Satz des Wehrsoldgesetzes in Betracht. Beihilfen für Familienheimfahrten, wie sie den Zeit- und Berufssoldaten gemäß Nr. 13 dieser Abordnungsbestimmungen zustehen, können den Wehrpflichtigen nicht versagt werden. Auf einen Antrag des Bundesministers für Verteidigung ist eine entsprechende Regelung bereits in Vorbereitung.
Ich erkläre, daß Mittel für eine derartige Maßnahme aus dem Verteidigungshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Es bedarf daher dieses Antrags der SPD nicht.
In gleicher Weise stehen den Unteroffizieren in Härtefällen die üblichen Unterstützungsmittel zur Verfügung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier ist irgendwie der Vorwurf gegen mich erhoben worden, der mich als Juristen besonders trifft, bei den Grundlagen meines Urteils nicht sorgfältig vorgegangen zu sein. Ich möchte dazu Stellung nehmen und dann eine Frage stellen, die sich daraus ergibt.
*) Siehe Anlage 9
.) Ich habe — das darf ich zunächst sagen —, als ich von der Pressekonferenz des Herrn Ollenhauer sprach, eine dpa-Meldung im Wortlaut zitiert, die immerhin schon vom 17. Mai stammt. Ich möchte aber, um es klarzustellen, diese ganze dpa-Meldung - auch die Sätze, die vorhergegangen sind, die ich vorhin nicht erwähnte und die vielleicht bestätigen, was Herr Kollege Ollenhauer gesagt hat — aus Gründen der Suche nach der Wahrheit in dieser Frage hier vorlesen.
Ollenhauer betonte erneut, daß seine Partei keine Stationierung ausländischer Atomstreitkräfte oder Atomwaffen im Bundesgebiet wünsche. Diese sozialdemokratische Forderung müsse zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht werden, zumal ohnehin schon Verhandlungen über den Status der Rüstung in Europa im Gange seien. Es wäre falsch, beim Volke den Eindruck erwecken zu wollen, als ob die Verantwortung für das Scheitern der NATO der Bundesrepublik zufallen werde, wenn sie in der Frage der Atomrüstung eine andere Auffassung vertrete als andere NATO-Staaten.
Bis hierher stützt das Zitat völlig das, was Herr Kollege Ollenhauer soeben in seiner Erklärung gesagt hat. Aber Herr Kollege Ollenhauer hat sich nicht zum nächstfolgenden Satz geäußert, den ich auch noch vorlesen muß:
Die SPD stehe zu ihrer Forderung, Atomwaffen aus dem Bundesgebiet zurückzuziehen, mit allen möglichen Konsequenzen, die sich etwa aus der amerikanischen Reaktion ergeben könnten.
Dadurch, daß in den ersten Sätzen genau das enthalten ist, was Herr Ollenhauer hier bestätigt hat, wird natürlich die Glaubwürdigkeit des weiteren Teils der Meldung nicht gemindert, sondern eher erhöht, und wird dies außerdem auch noch dadurch, daß derselbe Text — —
— Nein, Herr Kollege Erler, es ist eine Frage, die ich dem Herrn Kollegen Ollenhauer stelle. — Meine Damen und Herren, nachher; jetzt möchte ich das erst zu Ende führen: Dieselbe Meldung ist enthalten in der eigenen Meldung der „Stuttgarter Zeitung" vom 18. Mai, die nicht eine Meldung der dpa, sondern eine Meldung der Bonner Redaktion ist, und ebenso in der eigenen Meldung der „Frankfurter Neuen Presse" vom 18. Mai. Die Meldungen sind also in der Welt und immerhin in Zeitungen gekommen, die sehr beachtlich sind, mit und ohne dpa. Meine Damen und Herren, jeder von uns muß manchmal erleben, daß Worte, die er ausspricht, von der Presse oder von Nachrichtenagenturen vielleicht einmal falsch verstanden werden. Jeder von uns hat die Möglichkeit, Berichtigungen zu verlangen. Wir haben damit bei Nachrichtenagenturen vom Range der dpa immer Erfolg, wenn die Berichtigung richtig ist.
Meine Frage an Herrn Kollegen Ollenhauer, der, glaube ich, im Augenblick den Saal verlassen hat, aber die Frage, die ich doch an ihn stelle — vielleicht kann einer seiner Kollegen sie beantworten —, heißt: Haben Sie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine solche Berichtigung zu verlangen?
Ihre Partei hat das getan bei der viel unwichtigeren Frage, ob Volkswagenaktien an Private ausgegeben werden sollen oder nicht. Warum haben Sie es denn nicht in diesem Falle getan? Haben Sie es also getan? Wenn Sie es getan haben: welches Ergebnis hat das gehabt? Wenn Sie es nicht getan haben: warum haben Sie es nicht getan?
Diese meine Frage ist um so berechtigter, als der Herr Kollege Dr. Bucerius so liebenswürdig war, inzwischen die dpa anzurufen, und von dort erfahren hat, daß die dpa die Meldung vom 17. Mai auch nach der Erklärung des Herrn Kollegen Ollenhauer in vollem Umfange aufrechterhält.
Außerdem habe ich aber noch eine politische Frage, die noch wichtiger ist,
— ich kann nichts dafür, was die dpa gesagt hat!
— eine politische Frage, meine Damen und Herren, die noch wichtiger ist als die Frage, was Herr Ollenhauer damals gesagt hat. Es ist eine Frage, die auch in den Worten des Herrn Bundesministers für Verteidigung aufgeklungen ist. Herr Kollege Ollenhauer, werden Sie Ihre Forderung auf Verweigerung der Zustimmung zur Lagerung von taktischen Atomwaffen für die amerikanische Armee in der Bundesrepublik auch dann aufrechterhalten, wenn sich erweisen sollte, daß dies das Ende der amerikanischen Sicherheitsgarantie für die Bundesrepublik ist? Das ist die entscheidende Frage. Auf die Antwort wartet das deutsche Volk.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ollenhauer hält heute abend einen Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft fürauswärtige Politik. Das ist der Grund, weshalb er diesen Saal etwas vorzeitig hat verlassen müssen.
Ich möchte dem Herrn Kollegen Jaeger zunächst auf den Versuch der Vernehmung hier ganz klar antworten, soweit es sich um den Hergang ,der Pressekonferenz handelt. Herr Kollege Dr. Jaeger! Herr Kollege Ollenhauer hat sich hier auf das Band bezogen. Ich bin der Meinung, daß das vorliegende Tonband von einer Pressekonferenz auf alle Fälle eine beweiskräftigere Unterlage ist als sämtliche Zeitungsmeldungen zusammen, wenn sie anders lauten würden.
Ich habe den Text hier.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Z w is ch en f rage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte.
Ich habe die Frage, Herr Kollege Erler, ob Sie oder Herr Kollege Ollenhauer bereit sind, dieses Band mir oder dem Fraktionsvorstand der CDU/CSU zur Verfügung zu stellen.
Herr Kollege Dr. Jaeger, ich weiß nicht, wer über das Tonband der Bundespressekonferenz verfügt. Aber die Unterstellung; daß der Oppositionsführer in voller Kenntnis der Aufzeichnungen und nach Anhörung seines Bandes hier nicht die Wahrheit spricht, die weise ich mit aller Entschiedenheit zurück.
Ich verwahre mich dagegen, daß wir im Bundestage einen Abgeordneten in die Rolle des Staatsanwalts gegenüber dem Oppositionsführer zu bringen versuchen.
— Nein, jetzt spreche ich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, im Augenblick gestatte ich keine Zwischenfrage.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen nur noch einmal sagen, daß die Meldung, die hier vom Kollegen Dr. Jaeger vorgelesen worden ist, nicht einmal die richtige Reihenfolge der Ausführungen des Kollegien Ollenhauer nach dem Tonband richtig wiedergibt,
daß sie den Inhalt der Ausführungen umgestellt hat.
— Das hat eine ganze Masse zu sagen. Der Wortlaut ist vollkommen eindeutig. Hier ist erst die Frage gestellt worden:
Herr Ollenhauer, glauben ,Sie, daß ein solches Ansinnen an die Amerikaner Konsequenzen z. B. auf die Sicherheitsgarantie Westdeutschlands haben könnte, daß die Amerikaner z. B. sagen, wenn Sie uns vorschreiben, wie wir unsere Waffen hier im Bundesgebiet . . . usw. einrichten, daß wir dann nicht ohne weiteres garantieren, daß wir im Ernstfall auch nicht mehr schlagkräftig genug sind?
Darauf hat Herr Ollenhauer geantwortet — und nicht umgekehrt ist der Hergang —:
Sehen Sie, eine solche Forderung der Sozialdemokratie muß Gegenstand von Verhandlungen sein. Das ist selbstverständlich.
Dann kamen die Hinweise auf die Londoner Abrüstungskonferenz, und nicht vorher.
Und nun, meine Damen und Herren, zu der letzten sachlichen Frage, die Sie hier angeschnitten haben. Herr Kollege Dr. Jaeger: Es handelt sich darum, ob unser Volk in der Lage, in der es sich befindet, einen Versuch machen muß, in beiden
Teilen Deutschlands und möglichst auch bei den Nachbarn Deutschlands Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß wir das Risiko des Ausbruchs eines Atomkonflikts auf deutschem Boden vermindern. Darum geht es.
Es geht nicht darum, daß irgend jemand von uns den Vereinigten Staaten sagt:
Nehmt ihr Eure Waffen allein weg ohne Rücksicht darauf, was auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs geschieht. Aber es geht darum, ob man mit ,den Vereinigten Staaten von Amerika darüber spricht, daß überhaupt der Versuch unternommen wird, die Atomwaffen hier aus dem Herzen des Kontinents auf beiden Seiten herauszubringen, oder ob man sich durch die Art, wie Sie die Diskussion hier geführt haben, den amerikanischen Druck auf Atomausrüstung auch der Bundeswehr geradezu bestellt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Damit ist der Punkt der Tagesordnung, der aus Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung, in Verbindung mit dem Fünften Nachtragshaushaltsgesetz, Drucksache 3058, nebst den zugehörigen Schriftlichen Berichten, besteht, in der Debatte erledigt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Habe ich richtig gehört, Herr Kollege Dr. Jaeger, daß Sie namentliche Abstimmung beantragt haben?
— Das wird von Ihnen allen unterstützt?
— Gut, dann kommen wir zur Abstimmung. Ich unterstelle ferner, daß die Änderungsanträge, die vorliegen, sämtlich in der Debatte begründet sind.
Das Wort zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Lenz . — ,Sie können vom Platz aus sprechen; ich stelle das Mikrophon ein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein Wort zur Abstimmung. Der Sprecher unserer Fraktion, Dr. Mende, hat erklärt, daß wir dem Einzelplan 14 in seiner Gesamtheit zustimmen werden. Wir tun dies auch jetzt noch, allerdings nicht wegen, sondern trotz der Begründung, die der Kollege Jaeger für das Abstimmungsverlangen gegeben hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe auf den Änderungsantrag auf Umdruck 1069*) Ziffer 1. Ich bitte, dazu in dem Bericht die Seite 16 aufzuschlagen. Der genannte Antrag hat den Inhalt, daß im Kap. 14 02 Tit. 222 ein dort eingesetzter Betrag
*) Siehe Anlage 9
von 50 901 400 DM um 8 Millionen DM herabgesetzt und daß in den Erläuterungen zu Tit. 222 die entsprechende Nr. 2 gestrichen wird. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum Antrag auf Umdruck 1069 Ziffer 2. Ich bitte Sie, dazu Seite 24 des Berichts aufzuschlagen. Dieser Antrag hat den Inhalt, in Tit. 102 den Ansatz unter b, Sold der Wehrpflichtigen, zu streichen. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 1102 **) Ziffer 1, nach dem im Kap. 14 12 ein neuer Tit. 572 „Zuschüsse zum Ausbau des deutschen Straßennetzes, soweit es im Interesse der Verteidigung liegt" in Höhe von 200 Millionen DM eingefügt werden soll. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich bitte, während der Abstimmung Platz zu nehmen, damit die Mehrheitsverhältnisse zu übersehen sind.
Ich rufe auf den Antrag auf Umdruck 1107 ***), den Herr Abgeordneter Dr. Reichstein begründet hat. Er bezieht sich auf Kap. 14 03 Tit. 102. Er hat zum Inhalt, die Erläuterungen zu Tit. 102 zu ergänzen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich komme zu dem Antrag auf Umdruck 1069 Ziffer 3 zu Kap. 14 15 Tit. 852. Ich bitte, dazu die Seite 135 des Berichts aufzuschlagen. Der Antrag auf Umdruck 1069 Ziffer 3 ist gegenüber dem Antrag auf Umdruck 1102 der weitergehende Antrag, weil nach ihm der gesamte Ansatz gestrichen werden soll. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? Ist abgelehnt.
Zu demselben Titel liegt auf Umdruck 1102 Ziffer 2 ein Änderungsantrag vor, nach dem in diesem Tit. 852 der Ansatz um 100 Millionen DM auf 734 954 000 DM ermäßigt werden soll. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 1069 Ziffer 4, in Tit. 959 — Anschaffung von Munition, einschließlich Nahkampf-, Spreng- und Zündmittel, 2. Teilbetrag — den Ansatz zu streichen. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum Antrag Umdruck 1069 Ziffer 5 zu Tit. 975, Ausschußbericht Seite 147. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 1069 Ziffer 6, in Tit. 965 — Anschaffung von Flugzeugen, 3. Teilbetrag — den Ansatz zu streichen. Wer für diesen
**) Siehe Anlage 11
***) Siehe Anlage 10
Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das 1 Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich mache darauf aufmerksam, daß die Anträge Umdruck 1102 Ziffern 2 und 3 — Ziffer 2 betrifft den eben behandelten Titel — sachlich dadurch erledigt sind, daß der Antrag unter Ziffer 1 abgelehnt ist.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 1069 Ziffer 7. Der Antrag verlangt die Streichung des gesamten Kap. 14 22; vergleiche Seiten 169 bis 175 des Ausschußberichts. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag stattzugeben wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Unter Ziffer 8 auf Umdruck 1069 ist ein Eventualantrag für den Fall der Ablehnung des Antrags unter Ziffer 7 gestellt. Er betrifft die Umwandlung von Beamtenplanstellen in der Zweckbestimmung zu Tit. 101. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 1069 Ziffer 9. Er betrifft die Schaffung eines neuen Titels: für die Urlauberfürsorge für alleinstehende Soldaten 200 000 DM einzusetzen. Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Antrag Umdruck 1069 Ziffer 10 auf: Einfügung eines neuen Titels „Heimfahrten für Wehrpflichtige 300 000 DM". Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Antrag Umdruck 1069 Ziffer 11 auf. Es soll ein neuer Titel eingefügt werden: „Dispositionsfonds für Härtefälle bei Unteroffizieren und Mannschaften 200 000 DM". Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Antrag Umdruck 1069 Ziffer 12 auf: Einstellung eines neuen Titels „Einmalige Beihilfe zur Einrichtung von bundeswehreigenen Erholungsheimen 300 000 DM". Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind alle Änderungsanträge beschieden. Wir kommen nunmehr zum Hauptantrag des Ausschusses, der im Schriftlichen Bericht *) vorliegt. Er ist abgedruckt auf Seite III des Berichts:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Entwurf des Einzelplans 14 in der anliegenden Fassung, jedoch mit der Maßgabe folgender Änderungen anzunehmen: . . .
Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich rufe auf zur namentlichen Abstimmung. — Sind alle Stimmkarten abgegeben? — Dann schließe ich hiermit die Abstimmung.
Wir fahren inzwischen in der Abstimmung fort. Ich rufe den Fünften Nachtragshaushalt 1956 —
*) Siehe Anlage 8
Anlage 1 zum Schriftlichen Bericht Drucksache 3422*) zur Abstimmung auf, und zwar zunächst den § 1. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem § 1 in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe § 2 auf. Wer dem § 2 zuzustimmen wünscht, den 'bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe § 3 auf. Wer dem § 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe bitte! — Enthaltungen? — Angenommen.
Einleitung und Überschrift. Ich bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe nunmehr aus dem Schriftlichen Bericht Drucksache 3422 den Antrag des Ausschusses Ziffer 1 auf. Es handelt sich darum, den Entwurf eines Fünften Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für ,das Rechnungsjahr 1956 betreffend den Einzelplan 14 anzunehmen. Wer dieser Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ziffer 1 ist angenommen.
Ich rufe die Ziffer 2 des Ausschußantrags auf. Es handelt sich darum, den Entwurf eines Gesamtplanes zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Fünften Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 anzunehmen. Wer der Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um ) die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Über die Ziffer 3 haben wir eben 'abgestimmt. Bis das Ergebnis der namentlichen Abstimmung vorliegt, können wir uns vielleicht darüber unterhalten, was wir morgen vornehmen.
— Wir würden morgen um 9 Uhr mit dem Haushaltsplan des Wirtschaftsministeriums beginnen und dann in der Tagesordnung, wie sie heute vorgelegen hat, fortfahren, soweit die Punkte noch nicht erledigt sind. Ich darf bitten, daß die Herren der Ministerien davon Kenntnis nehmen, damit die Herren Minister dann zum geeigneten Zeitpunkt zur Stelle sind.
*) Siehe Anlage 12
Es wird eben vorgeschlagen, die in zweiter Lesung verabschiedeten Nachtragshaushaltspläne, die also praktisch der Vergangenheit liegen, auch in dritter Lesung zu erledigen. Wird dagegen Widerspruch erhoben? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann darf ich diese dritte Lesung auf die Tagesordnung setzen. Einverständnis? — Ich stelle es hiermit fest.
Ich rufe in dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes über ,die Feststellung ,eines Fünften Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 — Anlage 1 zur Drucksache 3422 — auf. Wer dem Entwurf in dritter Lesung und damit der Ziffer 3 des Antrags des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich darf dann den unter Ziffer 1 des Antrags des Ausschusses genannten Entwurf eines Fünften Nachtragshaushalts zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 betreffend den Einzelplan 14 in dritter Lesung raufrufen. Ich bitte diejenigen, ,die dafür stimmen wollen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Der unter Ziffer 1 des Antrags des Ausschusses genannte Entwurf 'ist angenommen.
Ich rufe in dritter Lesung den unter Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses genannten Entwurf auf. Wer dafür zu stimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der unter Ziffer 2 genannte Entwurf ist angenommen.
Die Ziffer 3 ,und der Entwurf in Anlage 1 haben wir eben schon an dritter Lesung angenommen. Ich stelle also fest, daß diese drei Nachtragshaushalte in dritter Lesung angenommen sind.
Das Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung liegt vor. Abgegebene Stimmen der stimmberechtigten Abgeordneten: 374. Mit Ja haben gestimmt 239, mit Nein 132 Abgeordnete bei 3 Enthaltungen. Von Berliner Abgeordneten wurden insgesamt 17 Stimmen abgegeben, mit Ja 9, mit Nein 8. Der Einzelplan 14 ist damit in zweiter Lesung angenommen.
Ich darf das Haus zur nächsten ¡Sitzung für morgen vormittag 9 Uhr mit der Tagesordnung einberufen, die wir vereinbart haben, und schließe die Sitzung.