Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Wenn man davon ausgehen darf, Kollege Wienand, daß die 9 Milliarden auch aus der Zeit heraus, in der sie nicht ausgegeben werden konnten, über den ganzen Zeitraum hinweg — im Querschnitt gesehen -- zur Verfügung stehen, dann möchte ich mal unter gewissen Kautelen — gleichbleibende Preise und Löhne und keine außerordentlichen Kosten für die Anschaffung moderner Waffen; ich meine damit nicht Atomwaffen, aber moderne Flugzeuge, Raketenträger und ähnliche — im großen und ganzen die Frage mit Ja beantworten. Aber Sie wissen ja selbst, wie die Entwicklung auf diesem Gebiet ist. Über längere Zeiträume hinweg lassen sich verbindliche Zusagen nicht geben, aber nicht etwa deshalb, weil man sie nicht geben will, sondern deshalb, weil das System des Re-appraisal sämtliche Länder, die der Last einer modernen Rüstung unterliegen, vor neue Probleme stellt. Sie wissen auch, daß wir den Aufbau der Bundeswehr so in Phasen zerlegt haben, daß man jeweils die Entwicklung noch einigermaßen in der Hand behalten kann. Ich möchte die Ausführungen, die ich im Verteidigungsausschuß gemacht habe. hier nicht wiederholen, weil sie einen größeren Zeitraum in Anspruch nehmen würden.
Zweitens ist vom Fehlen des Organisationsgesetzes gesprochen worden. Ich habe nicht das Recht, hier einen Vorwurf zu erheben; ich hoffe aber auch, daß diese Anmerkung nicht als Vorwurf ausgesprochen worden ist. Die Überlastung des Verteidigungsausschusses mit dringenden Aufgaben — Aufgaben, bei denen kurze Termine gesetzt werden mußten — hat es mit sich gebracht, daß das Organisationsgesetz. dessen Erlaß jetzt, wo der Gesetzesvorbehalt ausgesprochen worden ist, auch dem Verteidigungsminister und der Bundesregierung sehr erwünscht gewesen wäre bisher nicht verabschiedet werden konnte.
Gewisse organisatorische Änderungen sind ohne Zweifel notwendig. Wenn aber die Organisation des Verteidigungsministeriums unter dem Gesetzesvorbehalt steht, dann muß der Verteidigungsminister ja Wert darauf legen, daß er entweder bis zum Erlaß des Organisationsgesetzes freie Hand erhält, gewisse Änderungen vorzunehmen, oder er
muß einen Hinweis bekommen, wie er diese Änderungen so vornehmen kann, daß sie in Übereinstimmung mit dem parlamentarischen Willen sind. Er möchte aber vermeiden, daß ihm bloß deshalb die Hände gebunden sind und er keine notwendigen Änderungen vornehmen kann, weil das Organisationsgesetz noch nicht erlassen ist.
Zu den beiden Punkten Sanitätswesen und Technik darf ich sagen, daß mit der Umgliederung der militärischen Abteilungen in einem Bundeswehrführungsstab unter einem Generalinspekteur und unterstellte Inspektionen Heer, Luftwaffe und Marine auch gleichberechtigt mit Heer, Luftwaffe und Marine eine Sanitätsinspektion vorgesehen ist. Dieser Organisationserlaß ist von mir unterschrieben. Er steht allerdings unter dem selbstverständlichen Vorbehalt einer späteren Änderung durch das Organisationsgesetz; aber die Änderung wird, da das Organisationsgesetz in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr zu erwarten ist, der Erlaß sich also demgemäß voraussichtlich bis in das Jahr 1958 hinziehen wird, im Bundesverteidigungsministerium bis zur endgültigen Gestaltung der Organisation durch Gesetz in dieser Weise vorgenommen werden.
Der Bedeutung der Technik ist dadurch Rechnung getragen, daß der leitende Techniker zu dem Rat der Inspekteure — bisher militärischer Führungsrat — als ständiges Mitglied mit Sitz und Stimme hinzutritt. Soldat und Technik sind heute in ihrer Aufgabenstellung nicht mehr voneinander zu trennen.
Sie haben in Ihrem Antrag von der Streichung des Wehrsolds gesprochen. Die Wehrpflichtigen sollten nach Hause geschickt werden. Ich möchte die Wehrpflichtdiskussion, die ja in diesem Hause schon sehr oft geführt worden ist, nicht von neuem aufgreifen, nicht von dem Grundsatz sprechen, ob die Verteidigung des Staates die Angelegenheit aller Bürger ist, ob die Erfüllung der Bündnisverpflichtungen die allgemeine Wehrpflicht erforderlich macht, und auch nicht davon, ob die militärgeographische Lage der Bundesrepublik, die ja anders als die Großbritanniens ist, eine andere Form der Wehrorganisation erforderlich macht. Aber eines kann ich hier sagen. Die Erfahrungen, die wir mit den Wehrpflichtigen gemacht haben, sind so positiv, daß ich nicht übertreibe, wenn ich behaupte, daß das Leistungsniveau und das Bildungsniveau der Bundeswehr im Mannschaftsstand durch die Wehrpflichtigen eher gehoben als etwa beibehalten oder nach unten gedrückt worden ist. Wir haben mit den 10 000 Wehrpflichtigen glänzende Erfahrungen gemacht. Das sind nicht Leute, die sich von vornherein freiwillig gemeldet haben, aber sicherlich sind diejenigen vorweggenommen worden, die im Rahmen der nun einmal beschlossenen Wehrpflicht Wert darauf legten, ihr Jahr oder ihre 18 Monate abzudienen. Nach den mir bis jetzt vorliegenden — noch nicht abschließenden —Informationen haben sich etwa 25 % der Wehrpflichtigen, die laut Gesetz nur zu einem Jahr verpflichtet sind, freiwillig verpflichtet, sechs Monate weiterzudienen. Das ist immerhin auch ein Beweis dafür,
daß der Dienst in der Bundeswehr als erträglich empfunden wird. — Sie wissen ja, wir haben in diesem Hause festgelegt, daß man unter bestimmten Bedingungen oder um eine bestimmte Funktion oder einen bestimmten Standort zu bekommen, 18 Monate dienen muß. Aber wenn der Widerwille gegen den militärischen Dienst so groß wäre, dann wären 'die 80 Mark Unterschied es auch nicht wert, sich seiner bürgerlichen Freiheiten noch sechs Monate länger beraubt zu sehen.
Es ist nicht das eingetroffen, was seinerzeit Kollege Schmidt hier, ich glaube, am 18. November letzten Jahres, gesagt hat, als er vor der Durchführung der Musterungen und vor der Durchführung der Wehrpflicht warnte. Er sagte, vor Beginn des Bundestagswahlkampfes werde das wirklich das Staatsgefüge gefährden und die Unteroffiziere und Offiziere der Bundeswehr in eine außerordentliche schwierige Lage gegenüber dem Volke bringen, eine schwierigere Lage als je seit 30 oder noch mehr Jahren. Nun, wir haben in den letzten 30 Jahren ja schon einiges erlebt, was mir schwieriger gewesen zu sein scheint als die Probleme, die die Durchführung der Wehrpflicht in den letzten Monaten mit sich gebracht hat.
— Ich möchte die Diskussion nicht fortsetzen; ich kannte es tun. Aber es liegt, glaube 'ich, im allgemeinen Interesse, es hier nicht zu tun. Natürlich legen wir Wert darauf, diejenigen unter den Wehrpflichtigen, die ihr Jahr vorzugsweise abdienen wollen. auch vorzugsweise einzuberufen; aber das ist kein Argument, Herr Kollege Schmidt, gegen das. was ich immer als Bundesverteidigungspflicht bezeichnet habe. Wohl aber bin ich, ohne daß ich hier in die Details eintreten will, der Meinung: Hätten wir die Wehrpflicht nicht, wäre das Niveau der Bundeswehr nicht das, was es ist, und wäre die Zusammensetzung der Bundeswehr — auch gemäß den von Ihnen vertretenen Grundsätzen — vielleicht nicht so. wie Wir sie beide gern sehen würden.
Die Herstellung der Ersatzteile für den M 48, Herr Kollege Wienand, ist nirgendwo eingestellt worden. Es werden ja noch die Ersatzteile für den M 47 hergestellt, in den USA, zum Teil in Deutschland. Wir bauen ja den M 47 zum Teil sogar gemäß einigen wesentlichen Forderungen um. Die Panzerwaffe der US-Armee ist noch 'auf Jahre hinaus mit dem M 48 ausgerüstet. Es Ist, glaube ich, die Fehlmeldung eines bestimmten Presseorgans gewesen, der Sie hier zum Opfer gefallen sind. Denn wir erhalten sämtliche Ersatzteile aus den USA, und gewisse Ersatzteile werden auch in der Bundesrepublik hergestellt werden. Es ist ja mehr als unwahrscheinlich, daß die Amerikaner auf die Produktion der Ersatzteile für ihre eigene Panzerwaffe und für die Typen verzichten, die sie mindestens noch bis zum Jahre 1960/61 haben werden. Ich darf das nur zur Richtigstellung sagen.
Natürlich befinden wir uns in der Frage der Artillerie und der schweren Artillerie in einem Zustand der Umwandlung. Es wird aber noch einige Jahre dauern, bis die Feldartillerie und die schwere Artillerie — mit einer normalen Rakete, auch mit einem normalen Sprengkopf ausgestattet, ersetzt werden kann. Darum sind wir allerdings davon ausgegangen, daß die Produktion in Deutschland weder bei Waffen noch bei Munition über 40 mm hinaus aufgebaut werden soll. Wir sind
vielmehr davon ausgegangen, daß wir von der Nash-Liste nehmen, was wir bekommen, und drittens, daß wir, was noch unbedingt zur Überbrükkung, bis wir klar sehen, was notwendig ist, kaufen, um nicht in der Zwischenzeit überhaupt nichts zu haben.
Sie haben dann von dem Ansatz für Flugzeuge gesprochen. Ich darf hier einen Irrtum zerstreuen. Die 480 Millionen für die Anschaffung von Flugzeugen, der dritte Teilbetrag, betrifft in erster Linie die Flugzeuge, die entweder nach allem Ermessen als Dauertypen in Betracht kommen oder für Ausbildungszwecke notwendig sind, z. B. die kanadische Sabre VI, dann der Transporter Noratlas, der in seiner Art zeitlos ist, die Heeres-und Marineflugzeuge und die Hubschrauber. Auch die F 84 und die F 86. die wir zum Teil haben oder übernehmen oder in Zukunft noch bekommen werden, entsprechen durchaus noch dem gegenwärtigen Ausbildungsstand der meisten europäischen Nationen. Dann kommt 'allerdings der große Sprung. Aber die 480 Millionen sind nur für diese Beschaffungen auszugeben, die tatsächlich auch vertretbar sind und die zur Durchführung des Ausbildungsprogramms noch notwendig sind.
Noch einige wenige Bemerkungen zu den beiden Stichworten, die Kollege Mende geliefert hat und die hernach noch einmal aufgegriffen wurden: „Panzerskandal" und „Flugzeugskandal". Nun, man soll hier mit dem Worte etwas vorsichtig sein. Richtig ist, daß der Verteidigungsminister von 'der Ermächtigung des Parlaments, noch 1426 Stück M 47 bestellen zu können, überhaupt keinen Gebrauch gemacht hat, sondern daß er abgewartet hat und den Typenvergleich zwischen M 47, M 48 und Centurion, zum Teil sogar mit Besichtigung eines Unterausschusses des Verteidigungsausschusses, hat durchführen lassen. Das Ergebnis dieses Typenvergleichs, der sich auch über den Winter hindurch erstreckt hat, liegt vor. Wir haben uns für den M 48 entschieden. Wir wissen jetzt auch, daß die Lieferungen nunmehr von USA fristgerecht erfolgen können. Mir ist nicht ersichtlich, Herr Kollege Mende, was mit dem Begriff des sogenannten Flugzeugskandals gemeint sein soll. Seinerzeit wurde das Wort ,Flugzeugskandal" geprägt, weil die F 86 an Stelle der englischen Javeline gewählt worden ist. Nun, die F 86 ist auch heute ein noch brauchbares Flugzeug, ist in der Ausbildungeskette ein unentbehrliches Flugzeug. Wir haben allerdings nicht die Absicht, etwa auf der Ebene Javeline einzusteigen; denn bis unser Pilotenausbildungsprogramm beendet ist, wird die Javeline nicht das Flugzeug sein, das wir dann unseren Piloten geben müssen, soweit nicht überhaupt die Entwicklung das Flugzeugprogramm zugunsten von Fernlenkwaffen beeinflußt hat. Ich wäre sogar der Meinung, daß die Wahl eines Zwischentyps uns eines Tages als technische und finanzielle Fehldisposition angerechnet werden würde und dann wieder das Wort „Flugzeugskandal" auslösen würde, vor dem man ja nicht sicher ist.
Es herrschen auch falsche Vorstellungen hinsichtlich der Verschiedenheit der Typen. In der Bundeswehr gibt es insgesamt sieben Klassen von Fahrzeugen. Man muß aber zwischen den Klassen der Fahrzeuge und der wesentlich größeren Zahl von Aufbauten auf diesen Fahrzeugen unterscheiden. Die Aufbauten auf diesen Fahrzeugen spielen hinsichtlich der Ersatzteilbeschaffung keine Rolle. Aber die Klassen der Fahrzeuge sind beschränkt, und hier sind wir unter den europäischen Streitkräften in der glücklichen Lage, am wenigsten Klassen zu haben. Es haben hier auch keine föderativen Rücksichten eine Rolle gespielt; aber ich begehe keine Indiskretion, wenn ich sage, daß es keine Fraktion gibt, aus der nicht Abgeordnete für die Berücksichtigung der in ihrer engeren oder weiteren Heimat liegenden Kraftwagenfabrik eingetreten sind,
und daß es keine Landesregierung gibt, die nicht gern auch ein bestimmtes Junktim politischer und wirtschaftlicher Art gemacht hätte. Wir haben es keinem von beiden übelgenommen; denn peccatur intra muros et extra, und ich habe genau dasselbe schon getan.
Ich möchte hier nicht die Frage der Atombewaffnung aufgreifen, weil sie im Zusammenhang mit diesem Haushalt überhaupt keine Rolle spielt. Allerdings, Herr Kollege Ollenhauer, dürfte kein Zweifel darüber bestehen, daß, solange die politischen Verhältnisse so liegen, wie sie sind, solange man in London noch nicht klare Ergebnisse sieht, eine Verweigerung der Ausstattung amerikanischer Streitkräfte mit Atomwaffen auf europäischem Boden identisch wäre mit ihrem Abzug. Daß Sie selbst die Bundesrepublik nicht gern ungeschützt in der Weise sehen würden, daß wir weder eine amerikanische Sicherheitsgarantie noch eigene Verteidigungsstreitkräfte haben, glaube ich Ihnen; denn es wäre Ihnen dann genauso ungemütlich in Ihrer Haut, wie es uns in diesem Falk sein müßte. Aber die Frage, die sich hier erhebt, ist die: Würden Sie, um Ihren Wunsch durchzusetzen, Ihre politische Forderung durchzusetzen, auch in Kauf nehmen, daß die US-Truppen abziehen? Darauf ist bisher, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, keine Antwort erteilt worden.
Nun haben sich der Herr Kollege Gülich und einige andere Redner mit dem Problem der Beschaffung befaßt. Das Beschaffungsamt in Koblenz ist natürlich ein Sorgenkind, wie immer die militärische Beschaffung ein besonderes Problem darstellt. Allerdings darf ich hier einmal daran erinnern, daß wir an die gesetzlichen Bestimmungen gebunden sind, und zum zweiten daran, .daß dieser Bundestag im Dezember 1955 die unbeschränkt öffentliche Ausschreibung als den Normalfall dem Verteidigungsminister aufgetragen hat. Ich selbst bin als Verteidigungsminister über diesen Beschluß und über ,die Notwendigkeit, ihn, ich möchte sagen,
uneingeschränkt durchzuführen, in keiner Weise glücklich. Aber Sie selbst haben ihm ja zugestimmt, meine Herren, und Sie haben selbst auch einmal eine Interpellation eingebracht, als Sie glaubten, daß gegen die unbeschränkt öffentliche Ausschreibung verstoßen und die freihändige Vergabe beschlossen worden sei. Wirhaben die unbeschränkt öffentliche Ausschreibung schon wesentlich eingeschränkt bei der Truppenverpflegung und bei der Beschaffung von Unterkunftsgerät, weil wir auch mit der unbeschränkt öffentlichen Ausschreibung keine allzu gute Erfahrung gemacht haben. Aber nach § 10 der Verdingungsordnung für Leistungen sind die geforderten Leistungen so genau zu bezeichnen, daß die Preise von den Bewerbern nach denselben Gesichtspunkten errechnet und die Angebote miteinander verglichen werden können, d. h. wir haben hier eine bindende Vorschrift. Sie ist auch bei Taschentüchern und bei Servietten angewandt warden.
Dann gibt es allerdings noch einen Grund, den man bei einem deutlichen Ansprechen der Probleme nicht verschweigen sollte. Der Leiter der Beschaffungssteile in Koblenz ist einer der ärmsten Bürger unserer Bundesrepublik, gleichgültig welches seine Bezüge sind; denn was von nah und fern an Wünschen, Zuschriften, Anträgen, Interventionen und Petitionen an ihn herangetragen wird, das kann er überhaupt nur bewältigen, ohne Ressentiments oderungerechtfertigte Begehrlichkeiten zu wecken, indem er sich auf den strengen Bestimmungsstandpunkt zurückzieht und ihn chemisch rein einzuhalten versucht.
— Natürlich ist es komisch. Es ist auch komisch, daß, als einmal Stadtpläne :ausgeschrieben worden sind und der Zuschlag für einen Stadtplan von München an das billigste Angebot nach Hamburg erteilt worden ist, sich herausgestellt hat, daß die Stadtpläne vom Jahre 1905 stammten und naturgemäß billiger waren. Das hat keine großen Wirbel hervorgerufen, aber so etwas ist in der unbeschränkt öffentlichen Ausschreibung letzten Endes immer drin.
Zum Schluß darf ich nur noch ,die Frage der Wohnungen erwähnen. Das Wohnungsproblem ist tatsächlich für die Bundeswehr eines der ernstesten Probleme des Truppengefüges, des Familienzusammenhalts usw. Ich habe heute eine Reihe wertvoller Hinweise erhalten. Ich darf aber auch auf einen Irrtum hinweisen, den die Frau Kollegin Lüders mir begangen zu haben scheint. Es handelt sich um die Einweisung nicht in Dienstwohnungen, sondern in Mietwohnungen. Der größte Teil unserer Kasernen stammt ja aus der Vergangenheit und ist von den Alliierten für ,die Benutzung durch die Bundeswehr freigegeben worden. In diesen Kasernen sind die notwendigen Dienstwohnungen nicht vorhanden. Soweit es sich um neugebaute Kasernen handelt, gehen Kasernenbau und Wohnungsbau parallel nebeneinander. Es ist in der Verfassung von diesem Hause festgelegt worden, daß der Bundesverteidigungsminister keine Bundeswehrbauverwaltung erhält; es sei denn auf dem Weg eines der Zustimmung des Bundesrates bedürftigen Gesetzes. Dieses Problem ist insofern erledigt, als es bei dem Mangel an Fachkräften auf diesem Gebiet jetzt gar nicht mehr möglich wäre, dine Bundeswehr-Bauverwaltung aufzuziehen. Aber es Ist nicht nur die Schwierigkeit etwa zwischen Finanzminister, Wohnungsbauminister und Verteidigungsminister, es ist natürlich nicht nur der horizontale Kompetenzkonflikt, der längst ausgestanden ist, sondern es sind ja auch die vertikalen Zuständigkeitsschwierigkeiten zwischen Bund und Ländern, die hier eine ganz erhebliche Rolle spielen. Das Bundesverteidigungsministerium hat für erste und zweite Hypotheken für den Wohnungsbau insgesamt 350 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Von diesen 350 Millionen DM sind bisher 30 Millionen DM in Anspruch genommen worden. Das läßt darauf schließen, daß es nicht von oben her fehlt, sondern daß manchmal auch von unten her die Bearbeitung der Bauanträge etwas schneller erfolgen ,dürfte, als sie tatsächlich geschieht. Ich bin gerne bereit, jedem Stimmkreisabgeordneten die in seinem Bereiche laufenden oder geplanten Wohnungsprojekte mitzuteilen, damit er bei den örtlichen Baubewilligungsbehörden auf eine beschleunigte Behandlung der Baugesuche hinwirken
kann. Ich glaube, daß das ein echter Beitrag wäre.
— Natürlich, die Schwierigkeiten liegen einmal in der Beschaffung des Baulandes. Die Beratung des Landbeschaffungsgesetzes selbst hat lange gedauert, und Sie wissen, daß in einem Rechtsstaat die Durchführung — Gott sei Dank — auch sehr lange dauert. Zum anderen liegen die Schwierigkeiten in der Finanzierung durch den Kapitalmarkt, in der Bereitstellung der ersten und zweiten Hypotheken. Aber 350 Millionen DM stehen zur Verfügung. In einem demokratischen Staat gehen die Dinge schwieriger vor sich als früher; aber deshalb sollte man die Nachteile nicht in eine falsche Relation zu den „Vorteilen" einer vergangenen Zeit bringen.
Wir hatten am 1. Mai 1955 einen Bedarf von 20 000 Wohnungseinheiten. Der Bestand war 3400 Wohnungseinheiten. Im Bau sind 3500 Wohnungseinheiten. Vor der Bewilligung stehen 1100 Wohnungseinheiten. Das sind 8000 Wohnungseinheiten. Dazu kommen durch Freigaben der Franzosen 2000, der britischen Luftwaffe 1400, der britischen Armee 3000 Wohnungseinheiten.
Es muß aber bei diesen Wohnungseinheiten von den bisherigen Bestimmungen insofern abgegangen werden, als die Kostenmiete, wie sie für die Alliierten angesichts ihrer Besoldungslage möglich war, von den Angehörigen der deutschen Bundeswehr nicht erhoben werden kann. Es ist unmöglich, von unseren Soldaten eine Wohnungsmiete von 400, 500 oder 600 DM zu verlangen, wie sie sich bei schematischer Übertragung ergäbe. Die Wohnungen stehen dann leer. Ich glaube, daß wir eine bestimmte Zahl von Quadratmetern berechnen; was darüber hinausgeht, kommt nicht zum Ansatz; sonst stehen die von den Alliierten freigegebenen Wohnungen leer, und das wäre der größte Schildbürgerstreich, den man sich bei der Undurchdringlichkeit dieses Dickichts der Zuständigkeits-
und anderen Bestimmungen leisten könnte.
Gestern hat im Bundeskanzleramt eine Besprechung stattgefunden, in der zwischen Finanz-, Verteidigungs- und Wohnungsbauministerium Grundsätze festgelegt wurden, um den Wohnungsbau für die Truppe zu vereinfachen. Das Ziel ist, im Rechnungsjahr 1957/58 1200 Wohnungen fertigzustellen, wobei je nach Witterung und Bauabwicklung immer noch ein Überhang bis zum Frühsommer 1958 möglich ist.
Ferner ist jetzt die Eigenheimfinanzierung für die Angehörigen der Bundeswehr erleichtert worden. Dann ist zur Beschleunigung der Wohnungsversorgung noch die Einrichtung einer Wohnungstauschzentrale vorgesehen.
Die letzte Frage, die in diesem Zusammenhang an mich gerichtet worden ist, war die, ob der Bundesverteidigungsminister die Reste, die ihm aus den Vorjahren zustehen, in Anspruch nehme, obwohl die Kassenmittel jetzt anders verbraucht werden. Es ist richtig, daß die Kassenmittel jetzt zum Haushaltsausgleich verwendet werden. Die Bundesregierung muß sich bei Fälligkeit dieser Mittel bemühen, die flüssigen Mittel für die Erfüllung der auf das Verteidigungsministerium zukommenden Anforderungen wieder zu beschaffen. Allerdings tritt dieses Problem nicht in den Jahren 1957
und 1958 auf, sondern es wird sich erst für die Anschlußzeit stellen. Das ist aber ein Unsicherheitsfaktor, wie er genauso bei einigen anderen Dingen, die ich heute genannt habe, besteht.
Ich darf insgesamt sagen, daß sich der Aufbau der Bundeswehr nunmehr genau nach Plan, nach angegebenen Daten, Terminen und Größenordnungen vollzieht und daß die Grenzlinie von 100 000 Mann im Gesamtbestand der Bundeswehr in den nächsten Tagen überschritten wird.