Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die allgemeine Debatte zum Einzelplan 12 mit einer erfreulichen Feststellung beginnen, nämlich mit der Feststellung, daß der Einzelplan nunmehr einen Gesamtbetrag von 1,9 Milliarden DM ausweist. Wenn Sie die gestundete Beförderungsteuer der Bundesbahn hinzunehmen, kommen Sie auf ungefähr 2,3 Milliarden DM. Und wenn wir uns daran erinnern, daß wir im Jahre 1949 in der Verkehrsetatisierung von insgesamt etwa 500 Millionen DM ausgingen, so ist das natürlich eine erhebliche Steigerung und Verbesserung.
Im Zuge meiner Ausführungen werde ich aber nachweisen, daß auch dieser Betrag, weil eben auf dem ganzen Gebiet des Verkehrs ein erheblicher Nachholbedarf besteht, bedauerlicherweise nicht ausreicht. Ich habe schon in früheren Etatsreden immer gesagt, ich bewundere den Herrn Bundesverkehrsminister, daß er mit einem Gesamtetat von 500 Millionen DM, 750 Millionen DM oder 1 Milliarde DM überhaupt Verkehrspolitik betreiben wolle oder könne.
— Aber Sie werden mir hoffentlich zugeben — ich weiß nicht, ob Sie in Verkehrssachen so genau Bescheid wissen —, daß der Ansatz von 500 Millionen DM im Jahre 1949 keinen Ausgangspunkt bilden konnte, wenn man alle Aufgaben der Verkehrspolitik anfassen wollte. Die ganze Entwicklung des Verkehrs hat gezeigt, daß in dieser Hinsicht große, schwere Fehler gemacht worden sind, weil man nicht genügend Mittel zur Verfügung gehabt hat.
Die zweite Feststellung, die ich für meine Fraktion zu treffen habe, ist höchst unerfreulicher Natur. Wir stellen fest, daß nach acht Jahren Verkehrspolitik unter dem gleichen Verkehrsminister die Frage der Gesundung der Bundesbahn offen ist, daß die Frage des Straßenbaus unbefriedigend geblieben ist und daß es vor allen Dingen nicht gelungen ist, zwischen den beiden großen Landverkehrsträgern Schiene und Straße einen Ausgleich herzustellen. Das ist eine Feststellung, die kaum bestritten werden kann. Hier ist heute morgen schon einiges über die finanzielle Situation der Deutschen Bundesbahn gesagt worden. Wenn auch Herr Müller-Hermann, mit dem ich im Verkehrsausschuß sehr freundschaftlich zusammenarbeite, in diesem Jahr — worauf das zurückzuführen ist, will ich hier nicht anschneiden — wesentlich zahmere Töne in bezug auf seine Auffassung von der Verkehrspolitik anschlägt als im vergangenen Jahr, so ist doch auch bei ihm nach wie vor eine bestimmte Kritik durchgedrungen, die, wie ich annehme, von der Mehrheit der CDU gebilligt wird.
— Das tun wir alle, Herr Höck, Sie wissen es doch!
— Aber wenn jede Kritik, die man sich an der Bundesregierung vorzunehmen erlaubt, von vornherein als unsachlich bezeichnet wird, dann, meine Damen und Herren, sollten wir lieber nicht diskutieren; dann packen wir unsere Sachen ein und gehen nach Hause!
Meine Damen und Herren, die Situation bei der Bundesbahn — um das zu begründen, was ich am Anfang gesagt habe — ist die, daß bei der Bundesbahn im Wirtschaftsplan 1957 wiederum ein Defizit von 800 Millionen DM vorhanden ist; nicht eingerechnet in dieses Defizit des Wirtschaftsplans die auf uns zukommende Erhöhung der Beamtengehälter, nicht eingerechnet die auf uns zukommende 45-Stunden-Woche bei der Bundesbahn und nicht eingerechnet die zwangsläufig folgende Anpassung bei den Angestellten- und Arbeitergehältern, wenn die Erhöhung der Beamtengehälter erst einmal durchgeführt ist. Das ist eine tatsächliche Feststellung, die niemand bestreiten kann.
Im Hinblick auf das Bemühen, über die Schwierigkeiten eines Tages wirklich hinwegzukommen, muß ich zunächst dem Herrn Bundesfinanzminister eine große Anerkennung aussprechen. Er ist es, der seit Jahr und Tag den Mut besitzt, zu sagen: Wenn wir nicht auch gleichzeitig das Problem der Tarifentgelte anpacken, wird es uns niemals gelingen, die Bundesbahn in Ordnung zu bringen. Was für die Bundesbahn gilt, gilt übrigens zur Zeit für alle anderen Verkehrsträger, darauf darf ich im Laufe meiner Ausführungen noch einmal eingehen. Das hat also der Herr Bundesfinanzminister vollkommen erkannt und gesagt. In den Organen der Deutschen Bundesbahn ist es erst jetzt — kürzlich, vor wenigen Monaten — möglich gewesen, diesen Grundsatz zur Anerkennung zu bringen und dementsprechend zu konkreten Vorschlägen zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich könnte ausweichen; ich könnte es mir im Wahljahr sehr bequem machen und ebenfalls sagen: man kann doch im Wahljahr nicht mit irgendwelchen Tariferhöhungen kommen, bei der Bundesbahn schon gar nicht. Gut, die Dinge dauern ja immer sehr lange, bis sie realisiert werden können. Aber ich finde, alle Parteien sollten den Mut haben, der Öffentlichkeit heute schon zu sagen: Wir werden das Instrument der Deutschen Bundesbahn niemals in Ordnung bekommen, wenn wir im Jahre 1957 — im Schnitt gesehen — noch zu Tarifen fahren, die auf Entscheidungen der Jahre 1950 und 1951 basieren. Das ist eine Tatsache.
Während der Einkaufssektor, wie ich ihn nennen möchte, d. h. die Kosten für Holz, Kohle, Eisen und vor allen Dingen auch für Treibstoffe, einen Index erreicht hat, der etwa um 300 herum liegt, liegt der Tarifindex, d. h. der Verkaufsindex, bei 180 bis 200. Wenn wir die Bundesbahn nicht — und das will doch niemand von uns — zum ewigen Kostgänger des Steuerzahlers machen wollen, wird uns gar nichts anderes übrigbleiben, als bei aller Verantwortung gegenüber den fahrenden Menschen und der verladenden Wirtschaft hier die notwendigen Korrekturen vorzunehmen.
Ich glaube, es sollte heute auch ein Wort über die Organisation der Bundesbahn gesagt werden. Es wird so viel von Verkehrsprogrammen gesprochen. Im Wahljahr haben wir natürlich auch ein solches Verkehrsprogramm. Die SPD hat ein Verkehrsprogramm; Herr Bleiß hat das soeben ausgeführt. Bei der CDU ist es, soweit ich unterrichtet bin, noch nicht so ganz klar, ob sie ein solches hat. Wir
von der FDP her haben in unserem Verkehrsprogramm die Forderung aufgestellt, aus Gründen der inneren und auch der äußeren Betriebswahrheit der Bundesbahn eine Rechtsform zu geben, die ihr nach innen und außen bestimmte Verpflichtungen auferlegt, nämlich die einer Aktiengesellschaft. Daraufhin ist sofort von böswilliger Seite das Gerücht in die Öffentlichkeit gestreut worden, wir Freien Demokraten hätten die Absicht, die Deutsche Bundesbahn zu privatisieren. Das ist natürlich für jeden Kenner und für jeden, der die Dinge einigermaßen versteht, ein wahrer Unfug. Wie kann man ein Tagesvermögen von 13 Milliarden DM privatisieren? Nachdem wir diese unsinnige Behauptung widerlegt haben, heißt es, die Freie Demokratische Partei will alle sozialen, gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen usw. der Bundesbahn aufheben; sie will außerdem die wohlerworbenen Rechte der Beamten, Angestellten und Arbeiter beschneiden. Auch das ist natürlich ein wahrer Unfug. Ich möchte heute morgen hier ausdrücklich erklären, daß alle diese Dinge erhalten bleiben müssen — wenngleich man über die Gemeinwirtschaftlichkeit, über eine freiere Entwicklung reden kann — und daß es uns bei diesen Vorschlägen ausschließlich darauf ankommt, bei der Deutschen Bundesbahn nach innen und außen eine klarere kaufmännische Betriebsführung durchzusetzen, wie es übrigens in dem Gesetz betreffend die Deutsche Bundesbahn ausdrücklich vorgesehen ist.
Ich darf mich dann dem sehr traurigen Kapitel des Straßenbaus zuwenden. Zunächst können wir hier rein optisch die erfreuliche Tatsache feststellen, daß wir mit den Mitteln der „Öffa" im ordentlichen Haushalt etwa 900 Millionen DM und im außerordentlichen Haushalt 285 Millionen DM zur Verfügung haben. Ich kann mich hier der Erklärung von, ich glaube, Herrn Müller-Hermann in jeder Weise anschließen, daß es unbedingt notwendig ist, diese 285 Millionen DM mit zu realisieren, damit in diesem Jahr tatsächlich etwa 1,2 Milliarden DM verbaut werden. Es wird dagegen eingewandt, die Bauindustrie sei gar nicht in der Lage, dieses Volumen zu verkraften. In vielen Unterhaltungen, die ich mit den Bauunternehmern gehabt habe, insbesondere auch über die Straßenliga, die ja alle Kreise der deutschen Wirtschaft umfaßt und die sich in Fortsetzung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Autobahnen zur Aufgabe gestellt hat, den Gedanken der Notwendigkeit des Straßenbaus voranzutreiben, ist mir erklärt worden: Wir sind durchaus in der Lage, 1,5 Milliarden DM im Jahr zu verbauen, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Planungen zwischen Bund und Ländern rechtzeitig klargestellt sind und daß außerdem die Mittel — das ist wohl selbstverständlich — freigegeben werden.
Wir haben uns überlegt, wie man angesichts dieser Notlage im deutschen Straßennetz diese 1,5 Milliarden DM wirklich realisieren kann. Ich darf Ihnen hier in diesem Augenblick einen Antrag ankündigen, der nachher zum Einzelplan 14 gestellt werden wird. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß rein aus Gründen der Landesverteidigung auch unsere militärischen Organisationen ein großes Interesse daran haben müssen, einen erheblichen Beitrag zum Straßenbau zu leisten. Wir werden daher unter Aufzeigung von zwei Kapiteln, von denen wir glauben, daß eine Ermäßigung durchaus möglich ist — jedenfalls unsere militärischen Experten belehren uns so —, den Antrag stellen, aus dem Verteidigungsetat 200 Millionen DM für den deutschen Straßenbau abzuzweigen. Wir kommen dann mit ordentlichem und außerordentlichem Etat und diesem zusätzlichen Betrag aus dem Verteidigungsetat insgesamt auf rund 11/2 Milliarden DM.
Damit kommen wir auch etwas näher an den Zehnjahresplan des Herrn Bundesverkehrsministers heran. Dieser Plan scheint mir infolge des wirklich ausgebliebenen zügigen Straßenbaues eine Art Notlösung zu sein. Entschuldigen Sie, wenn auch ich das noch einmal zum Ausdruck bringe: Jeder in der deutschen Bundesrepublik wundert sich natürlich darüber, daß, nachdem acht Jahre lang nicht besser gebaut werden konnte, ausgerechnet im Wahljahr der staunenden Öffentlichkeit ein Zehnjahresplan vorgelegt wird. — Ich sehe Ihr Kopfschütteln; aber selbst der Herr Bundesfinanzminister hat in Veröffentlichungen wiederholt ausdrücklich gesagt, daß eine Realisierung dieses Plans gar nicht möglich ist. Sie sehen also, dieser Zehnjahresplan bleibt doch sehr stark ein Phantasiegebilde, bzw. er ist geeignet, die Phantasie des Wählers im Wahljahr sehr stark anzuregen.
Bei der Bundesbahn sieht es ähnlich aus. Auch dort hat man einen Zehnjahresplan gemacht, der eigentlich nichts weiter ist als eine reine Inventur. Das ist unter Umständen gut, damit man einmal sieht, was ein derartiges Verkehrsinstitut für seine Modernisierung und Entwicklung überhaupt braucht. Aber wenn man Zehnjahrespläne macht, muß man sich doch zugleich überlegen, wie man sie realisieren kann.
Ich muß Ihnen, meine Damen und Herren, auch hier wieder mit einigen Zahlen aufwarten. Sie kennen den ewigen Streit um die Zweckbindung oder Nicht-Zweckbindung von Abgaben, die der Straßenverkehrsbenutzer aller Art leistet. Ich finde nun, wenn man von 1949 an und insbesondere von 1951/52 an die Dinge ein wenig mehr einander angeglichen hätte — ohne das Wort „Zweckbindung" auszusprechen —, wären wir bestimmt nicht in der heutigen Situation und brauchten wahrscheinlich nicht einmal einen Zehnjahresplan. Jedenfalls werden heute an den Bund an Mineralölsteuer, Importzöllen und Beförderungsteuer etwa 2,3 Milliarden pro anno abgegeben. Das Kraftfahrzeugsteuergesetz, das ein Bundesgesetz ist, dessen Ergebnisse aber den Ländern zufallen, beläuft sich in seinem Aufkommen auf etwa 950 Millionen DM. Sie haben also insgesamt etwa 3 Milliar den DM wirklich zur Verfügung, und wir wären sehr froh, wenn diese Beträge ohne besondere Zweckbindung mit Schwergewicht in den Straßenbau gegeben würden. Bei einer solchen Auffassung wäre sogar noch genügend Geld vorhanden — auch das ist hier heute morgen zum Ausdruck gebracht worden —, den Gemeinden, die wegen des Straßenbaues in einer besonders schwierigen Lage sind, eine Unterstützung zu geben.
Nun der ewige Streit: Worauf sind die bedauernswert hohen Unfallziffern in der deutschen Bundesrepublik zurückzuführen? Trotz anderer Meinung des Herrn Kollegen Müller-Hermann wage ich nach wie vor zu behaupten: Entscheidend ist das Vorhandensein eines erstklassigen Straßenverkehrsnetzes.
Meine Damen und Herren, Sie, die Sie doch häufig über die deutschen Grenzen nicht nur hinausfliegen, sondern auch -fahren, kennen doch die Situation. Wenn Sie von Dänemark, wenn Sie
von Holland, wenn Sie aus der Schweiz hereinkommen, fällt Ihnen, sofern Sie nicht direkt einen Anschluß an eine Autobahn haben, sofort auf, in welch schlechtem Zustand sich unser Straßennetz befindet. Das ist, neben einer, wie ich durchaus zugebe, nicht gerade hervorragenden Disziplin im deutschen Straßenverkehr, der Grund dafür, daß bei uns in der Bundesrepublik die Unfallzahlen so ungeheuer hoch sind. Wenn Sie heute eine Strecke von Frankfurt nach Köln oder umgekehrt fahren, sehen Sie drei, vier oder sechs Unfälle. Ich bin jetzt anläßlich des Kongresses der Internationalen Handelskammer 3000 km von Basel nach Neapel und zurück gefahren. Der Straßenverkehr, auch der Schwere-Lastwagen-Verkehr, ist in Italien, wie ich mich erneut habe überzeugen können, nicht geringer als in der deutschen Bundesrepublik, er ist eher noch stärker. Ich habe aber während dieser Fahrt über 3000 km nicht einen einzigen Unfall gesehen, obgleich die Leute dort eine unvorstellbare Rasanz des Fahrens haben. Erstens ist dort die Mentalität eine andere, und zweitens ist eben das Straßennetz in weit besserer Ordnung als bei uns in der Bundesrepublik.
— Vielleicht haben Sie Pech gehabt und ich Glück gehabt. Aber 3000 km sind eben doch eine erhebliche Strecke, und, Herr Dr. Vogel, ich nehme doch an, daß Sie das, was ich gesehen habe und berichte, für bare Münze nehmen.
Ich möchte immer wieder darauf hinweisen, meine Damen und Herren: Sie bekommen diese bedauerlichen Zahlen an Toten und Verletzten — ganz abgesehen von den schweren Materialschäden, die in der Bundesrepublik laufend entstehen —einfach nicht herunter, wenn sich nicht allgemein der Gedanke durchsetzt, daß wir unser Straßennetz nun wirklich unter Zurverfügungstellung der entsprechenden Mittel den anderen europäischen Netzen anpassen müssen.
Wenn ich vom Straßenbau spreche, so ist es nur ein Sprung zur Frage der Straßenverkehrspolitik überhaupt. Dabei steht auch die Frage der sogenannten Tarifreform im Vordergrund. Ich gehöre nun zu den unglücklichen Leuten, die auf Grund des Vertrauens des Herrn Bundesverkehrsministers seit einigen Jahren in dem Beyer-Ausschuß mitarbeiten, habe also zusammen mit 20 oder 21 Kollegen als unabhängiger, selbständiger Sachverständiger die Aufgabe, das Ei des Kolumbus auf die Spitze zu stellen. Wer das in diesen Jahren mitgemacht hat, dieses Hin- und Herziehen — entschuldigen Sie, jeder ist ja letzten Endes doch wieder ein bißchen interessengebunden —, kommt zu der Meinung: es wird in absehbarer Zeit auch weiterhin nur relativ wenig herauskommen, man wird mit knappen Mehrheiten irgendwelche Beschlüsse fassen, man wird die Minderheitsbeschlüsse anführen müssen, und der Bundesverkehrsminister steht wieder vor der großen Frage: Was soll ich nun eigentlich tun? Denn er muß zweifelsohne erneut die verschiedenen Verkehrsträger und Verkehrsinteressenten anhören, um mit ihnen zu einer Lösung zu kommen, auf die wir nun schon viele, viele Jahre warten. Ich frage mich, ob es nicht doch möglich gewesen wäre, durch freiwillige Vereinbarungen — das ist immer wieder das A und O meiner Ansicht von Verkehrspolitik — ein wenig mehr zum Ausgleich der Verkehrsträger untereinander, insbesondere einem Ausgleich zwischen Schiene und Straße, zu kommen.
Und dann, meine Damen und Herren, besteht ja noch die unangenehme Tatsache, daß bei uns so manche Gesetze in den Ausschüssen sehr schnell das Licht der Welt erblicken, wogegen andere auf Eis gelegt werden. Da haben wir z. B. eine internationale Konvention über die Längen und Gewichte. Sie kennen ja diesen Streitfall. Das liegt nun auch seit Jahr und Tag im Verkehrsausschuß und wird nicht behandelt. Ich weiß nicht, ob das auf höheren Befehl nicht geschieht oder was dort eigentlich los ist. Tatsache ist, daß die europäische Verkehrswirtschaft darauf wartet. Es ist übrigens nicht nur .ein europäisches Gesetz, es ist sogar ein internationales Gesetz. Wir sind, soweit ich unterrichtet bin, von der UNO schon einmal aufgefordert worden, nun endlich zu ratifizieren. Ich hoffe — ich möchte das darum heute ausdrücklich vorbringen —, daß diese Konvention von 1947, die im großen gesehen — ich will im einzelnen nicht mehr darauf eingehen — eine einheitliche Ausrichtung von Maßen und Gewichten, Achsdrücken usw. vorsieht, noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluß kommt.
Daß es mit der Bundesratsverordnung, die eine Einschränkung auf 14 m und 24 t Gesamtgewicht vorsieht, noch nicht ausgestanden ist, das weiß jeder. Wer sich aber zunächst in einer schwierigen Situation befindet, ist die deutsche Automobilindustrie. Ich habe mich kürzlich mit einem hervorragenden Techniker der deutschen Lastwagenbauindustrie unterhalten, der sagte: „Ja, wissen Sie, Herr Rademacher, jetzt auf der Automobilausstellung im Frühjahr 1958 werden wir ein Schild anhängen:" — seien Sie mir nicht böse, Herr Minister — „Wegen Seebohm geschlossen! Wir wissen jedenfalls nicht mehr, was wir machen pollen." Kein Mensch glaubt, daß die Angelegenheit mit dieser Bundesratsverordnung ihre endgültige Erledigung gefunden hat.
Auch zu dem beliebten Thema des Werkverkehrs möchte ich ein Wort sagen. Wir versuchen ja, durch eine sehr starke fiskalische Belastung — 3 Pf, 4 Pf, und schließlich sollen es 5 Pf pro t/km werden — den Werkverkehr außerordentlich zurückzudrängen. Gut, wir haben das mit Mehrheit in diesem Hause gemacht. Aber ich glaube, den Werkverkehr drängen wir nur in dem Maß zurück, in dem es uns gelingt, durch eine richtige Verkehrskonzeption und durch Zusammenarbeit der bestehenden Verkehrsträger der verladenden Wirtschaft und dem Handel zu beweisen, daß es für die Unternehmen günstiger ist, sich der vorhandenen Verkehrsträger, sei es der staatlichen, sei es der privaten, zu bedienen. Aber diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Sie wird auf Grund der Unterlassungssünden der vergangenen 8 Jahre auch in den nächsten Jahren nicht gegeben sein; leider, kann ich nur sagen.
Ich könnte noch einiges über die Binnenschiffahrt und über die Luftfahrt sagen; das möchte ich nicht. Ich möchte noch einmal auf den Aufbau der deutschen Seeschiffahrt eingehen, weil mir in diesem Zusammenhang an einer Sache ganz besonders gelegen ist. Wir haben im Laufe dieses Jahres in der deutschen Handelsschiffahrt eine Bruttoregistertonnage erreicht, die etwa dem Stand
von 1939 entspricht. Hier kann man der Bundesregierung, dem Bundesverkehrsministerium und auch diesem Hause, das immer zügig mitgegangen ist, sowie dem Bundesrat die Anerkennung und den Dank dafür aussprechen, daß es gelungen ist, die deutsche Seeschiffahrt in dieser Form wieder-aufzubauen. Man wird sagen: Nun könnte man eigentlich Schluß machen. Dazu muß man wissen, daß sich der Weltumschlag ungefähr verdoppelt hat und daß infolgedessen die Zahl von 41/2 bis 5 Millionen BRT durchaus berechtigt ist.
Was wir in all den Jahren leider nicht vorangetrieben haben, obgleich hierüber eine ganze Reihe von internen Besprechungen stattgefunden haben, ist ein Wiederaufbau der deutschen Passagierschiffahrt. Um Ihnen nicht zuviel Zeit wegzunehmen, möchte ich Ihnen empfehlen, eine Schrift zu studieren, die Ende 1956 vom Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel herausgebracht worden ist, in der man sich sehr eingehend mit dieser Frage, der Notwendigkeit der Rentabilität usw. befaßt hat.
Es gibt nationale Anliegen im guten Sinne des
Wortes, die, wenn man nun einmal eine seefahrende Nation ist, nicht außer acht gelassen werden dürfen. Dazu gehört zweifelsohne der Wiederaufbau der deutschen Passagierschiffahrt. Wenn Sie ins Ausland kommen, wenn Sie mit unseren Botschaften, mit unseren Generalkonsulaten sprechen, wenn Sie vor allen Dingen mit den Angehörigen unserer deutschen Kolonien im Ausland sprechen, dann wird Ihnen überall gesagt, wie ungeheuer wichtig es wäre, daß auch die deutsche Bundesrepublik und, wie wir hoffen, bald einmal das ganze Deutschland wieder die Passagierflagge auf den
sieben Meeren dieser Welt zeigt. Dabei bietet sich natürlich an — die Dinge können nur sehr langsam geschehen —, zunächst einmal an die Nordatlantikfahrt zu denken. Die Pläne sind fertig; sowohl Hapag als auch Lloyd haben Pläne für je ein Passagierschiff von etwa 30 000 t fertig. Die entsprechenden Verhandlungen mit den Werften haben stattgefunden.
Es handelt sich, wie ich schon im Jahre 1951 und im Jahre 1952 gesagt habe, bei diesem Wiedereinsteigen in die Passagierschiffahrt nicht um „ocean runner" und um den Wettbewerb um das Blaue Band. Es geht einfach darum, mit vernünftigen, rentablen Schiffen wieder dabeizusein. Es kann durchaus bewiesen werden, daß eine solche Passagierschiffahrt trotz der aufkommenden Luftfahrt, wenn die Sache richtig angefaßt wird, rentabel gestaltet werden kann. Die Unternehmer, also die Reedereien, sollen gar nicht aus der Verantwortung einer kaufmännischen Betriebsführung entlassen werden.
Aber wie in allen Ländern bedarf der Aufbau einer Unterstützung durch den Bund und auch einer entsprechenden Unterstützung durch die Länder und dann natürlich auch durch den Kapitalmarkt. Das ist ja wohl der schwierigste Punkt, und es ist — wieder rückbezogen auf unsere Situation im Straßenbau und auch bei der Schiene — ja auch ein allgemeiner Vorwurf, den man in einer solchen grundsätzlichen Debatte nicht unterlassen kann: daß es eben nicht gelungen ist, durch eine entsprechende Kooperation der Wirtschaft, der Finanzen, des Verkehrs usw. einen entsprechenden Kapitalmarkt zu schaffen.
Aber es liegen ganz konkrete Pläne vor — wenn ich damit wieder auf die Passagierschiffahrt zurückkommen darf. Was wir tun müssen — in Übereinstimmung mit dem, was andere seefahrende Nationen gemacht haben —, das ist nichts weiter, als wieder auf unser sehr gutes Wiederaufbau- und Darlehensgesetz zurückzugreifen und dieses Gesetz für die Passagierschiffahrt oder, wie es technisch heißt, für die Fahrgastschiffahrt einzusetzen, nachdem wir es ja im großen und ganzen für die Handelsschiffahrt nicht mehr brauchen.
Nun wollen wir Freien Demokraten nicht den Einzelplan 12 in diesem Punkt über den Haufen werfen. Wir haben uns daher in unserem Antrag Umdruck 1101 — ich nehme an, daß Ihnen die Umdrucke inzwischen zugegangen sind — darauf beschränkt, im außerordentlichen Etat unter Kap. 12 02 um die Einfügung eines neuen Tit. 530 zu ersuchen, der folgendermaßen lautet: „Gewährung von Darlehen für den Bau von Fahrgastschiffen auf deutschen Werften nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen und unter sonstigen Bedingungen". Wir haben dafür in diesem Jahr keinen Betrag eingesetzt. Wir möchten aber im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Einzelplans 12 endlich auch einmal die moralische Anerkennung dieses Anliegens durch die Bundesregierung und vor allen Dingen auch dieses Haus, damit die Welt und vor allen Dingen unsere Küstenländer, unsere Häfen und unsere Reedereien wissen: die deutsche Passagierschiffahrt ist nicht vergessen, und sie kann 1958 durchaus mit einem ersten Betrag ausgestattet werden. Wenn ein derartiger grundsätzlicher Beschluß ohne Nennung eines Betrages erfolgt, dann können Werften, Reeder, Länderregierungen, Bundesregierung usw. wirklich konkret weiterarbeiten, so daß sich die Dinge hoffentlich im Jahre 1958 mit einem erheblichen Betrag realisieren lassen, so daß man die Helgen heute reservieren und im Jahr 1958 mit dem Bau der beiden ersten Schiffe für den Nordatlantik beginnen kann.
Damit bin ich am Ende. Ich muß aber, weil ich doch mit einer etwas positiven Note abgeschlossen labe, noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückkommen und muß Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen: Die unzulängliche Verkehrspolitik in bezug auf Schiene, Straße und Straßenbau und der ausgebliebene Ausgleich zwischen Schiene und Straße sind für uns von so schwerwiegender Natur, daß die Freie Demokratische Partei nicht in der Lage ist, dem Einzelplan 12 ihre Zustimmung zu geben.