Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich folgendes bekanntzugeben. Punkt 9 der heutigen Tagesordnung, die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft, wird abgesetzt und für die Plenarsitzung am 12. Oktober vorgesehen.
Vor Punkt 1 der gedruckt vorliegenden heutigen Tagesordnung wird Punkt 18 der gestrigen Tagesordnung behandelt.
Ich rufe als neuen Punkt 1 den gestrigen Punkt 18 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1952 (Drucksachen 1576, zu 1576, 1103).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Ohlig. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter zur Drucksache 1576 habe ich mir erlaubt, noch einen Schriftlichen Bericht *) abzuliefern, weil ich das Hohe Haus nicht mit einer langen Zahlenreihe behelligen wollte.
Der Art. 112 des Grundgesetzes bestimmt, daß der Herr Bundesminister der Finanzen seine Zustimmung zu den über- und außerplanmäßigen Ausgaben erteilen muß. Alle Vierteljahre sollte dem Bundestag ein solcher Vierteljahresbericht zugeleitet werden. Im Jahre 1952 ist das nicht geschehen; ab 1953 werden aber diese Vierteljahresberichte dem Bundestag zugestellt.
*) Siehe Anlage 2.
Im Rechnungsjahr 1952 wurde zum erstenmal der sogenannte Wiederholungshaushalt aufgestellt. Das bedeutete, daß der Bundeshaushalt für das Rechnungsjahr 1951 auch für das Rechnungsjahr 1952 zugrunde gelegt wurde. Das war bei den fortdauernden Ausgaben in der Regel möglich, bei den einmaligen Ausgaben aber nicht. Deshalb wurde im Haushaltsgesetz der Herr Bundesminister der Finanzen ermächtigt, gewisse Ansätze teilweise oder ganz zu sperren. Mit der Aufstellung eines Nachtragshaushalts für das Jahr 1952 wurde sofort begonnen und dieses Nachtragshaushaltsgesetz am 9. April 1953 verabschiedet.
Bei der Prüfung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben wurde in manchen Einzelplänen festgestellt, daß bei der Bewirtschaftung der Mittel des Haushaltsplans nicht immer eine sorgfältige Anwendung des Grundsatzes der Sparsamkeit zu verzeichnen war. Deshalb hat der Haushaltsausschuß es für zweckmäßig befunden, den Herrn Bundesminister der Finanzen zu ersuchen, bei der Bewilligung von über- und außerplanmäßigen Ausgaben in Zukunft einen strengeren Maßstab anzulegen. Dieses Ersuchen ist in der Ziffer 2 des Antrags Drucksache 1576 ausgesprochen worden. Der Haushaltsausschuß bittet das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht jemand das Wort? — Herr Abgeordneter Ohlig erhält das Wort als Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat mich beauftragt. zum Bericht des Haushaltsausschusses über die über- und außerplanmäßigen Ausgaben des Jahres 1952 einige Bemerkungen zu machen. Auch wir Sozialdemokraten wissen, wie ich vorausschicken möchte, daß im Laufe eines Rechnungsjahres über- und außerplanmäßige Ausgaben manchmal unvermeidlich sind. Aber die Zustimmung des Herrn Bundesministers der Finanzen für diese Ausgaben ist an zwei Bedingungen geknüpft: es muß sich um ein unvorhergesehenes und ein unabweisbares Bedürfnis handeln.
Bei der Prüfung für das Rechnungsjahr 1952 wurde festgestellt, daß die Anwendung dieser Begründung oft sehr großzügig erfolgte. Wir möchten nur zwei Fälle herausgreifen, weil dabei am deutlichsten wird, daß die Sorgfalt der Prüfung und der Grundsatz der Sparsamkeit von den verantwortlichen Beamten in den Ressortministerien nicht immer beachtet wurde. Dadurch wurde oft erst ein unabweisbares Bedürfnis geschaffen, das den Herrn Bundesminister der Finanzen dann zwang, seine Zustimmung zu geben. Auch die Begründungen für die Haushaltsüberschreitungen erscheinen uns nicht immer stichhaltig.
Das erste Beispiel bezieht sich auf den Einzelplan IV a Kap. 1 Tit. 14, Auswärtiges Amt. Bei den Post-, Telegraphen- und Fernsprechgebühren entstand eine überplanmäßige Ausgabe von 49 700 DM. Unsere Kritik richtet sich nicht so sehr gegen die Höhe und gegen die Tatsache der überplanmäßigen Ausgabe an sich, sondern vor allen Dingen gegen die Begründung. Es ist wichtig, daß dem Hohen Hause diese Begründung zur Kenntnis gebracht wird. Sie lautet:
Infolge des wegen der EVG-Verträge entstandenen Verfassungsstreits sind für die Unterrichtung der Auslandsvertretungen außerordentlich hohe Telegrammkosten entstanden. Durch diese nicht vorauszusehenden, aus politischen Gründen unvermeidbaren Mehrkosten reichte der Haushaltsansatz nicht aus.
Abgesehen von der Absicht der politischen Diffamierung der Opposition ist diese Begründung auch sachlich falsch. Nach den Angaben des Vertreters des Auswärtigen Amts hat man die Kosten für die Post- und Fernsprechgebühren auf monatlich 50 000 DM geschätzt, also auf 600 000 DM im Jahre. Im Dezember 1952 hätten demnach dem Auswärtigen Amt für neun Monate 450 000 DM zur Verfügung gestanden. Von dieser Summe wurden bis zu diesem Zeitpunkt einschließlich der Telegrammkosten erst 426 000 DM verbraucht. Demnach müssen die 49 700 DM Mehrkosten in den nächsten, in den letzten drei Monaten des Rechnungsjahres entstanden sein. Für diese Mehrkosten ist keine Begründung gegeben.
Es muß der Eindruck entstehen, daß in den letzten drei Monaten die Übersicht verlorenging. Man zog deshalb diese Telegrammkosten zur Begründung heran. Ich kann dem Hohen Hause nicht verschweigen, daß sich diese Telegrammkosten allein auf 72 700 DM belaufen
— 72 700 DM! — und daß dieses Telegramm 7 1/2 Schreibmaschinenseiten lang war.
Wir bestreiten nicht das Recht der Bundesregierung, ihre Auslandssteilen zu unterrichten. Aber mußte das Telegramm diese Länge haben, mußte es diese Kosten verursachen und mußte es an alle, auch die kleinsten Auslandsvertretungen gesandt werden? Auf unsere Frage im Rechnungsprüfungsausschuß nach dem Verantwortlichen wurde uns nur ganz kurz geantwortet, der Herr sei inzwischen ausgeschieden.
Das zweite Beispiel betrifft den Einzelplan IV Kap. 2, Tit. 33, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Der Haushaltsansatz betrug für 1952 235 000 DM, die Haushaltsüberschreitung 158 000 DM.
Das sind 67 %.
Keiner von uns bestreitet auch hier das Recht der Bundesregierung auf Publizistik. Aber bei dieser Haushaltsüberschreitung bezweifeln wir, daß es sich um ein unvorhergesehenes und unabweisbares Bedürfnis gehandelt habe. Für die Aufstellung des Nachtragshaushalts hatte das Presse- und Informationsamt beim Herrn Bundesminister der Finanzen die Erhöhung auf 410 000 DM beantragt. Der Herr Bundesminister der Finanzen lehnte aber diese Erhöhung ab. Man hatte also die Erhöhung vorgesehen. Nur weil man nicht zum Zuge kam, wählte man dann hinterher den bequemeren Weg der überplanmäßigen Ausgabe.
Auch bei den Beratungen zum Nachtragshaushalt 1952, die sich ja bis in die Wintermonate erstreckten, wurde von keiner Seite diese vorgesehene Ausgabe als unabweisbar dringend beantragt. Der Nachtragshaushalt wurde ja erst am 9. April 1953 verabschiedet, und man hätte immer noch die Möglichkeit gehabt, diese Erhöhung ordnungsmäßig im Nachtragshaushalt zu verankern.
Am 11. Februar 1953, also kurz vor Ende des Rechnungsjahres, beantragte das Presse- und Informationsamt die Bewilligung einer überplanmäßigen Ausgabe von 175 000 DM, genau den gleichen Betrag, den zunächst der Herr Bundesfinanzminister für den Nachtragshaushalt abgelehnt hatte. Der Antrag wurde am 21. Februar 1953 bewilligt. Hier erblicken wir den klaren Beweis dafür, daß eine Behörde auf dem Umweg über eine überplanmäßige Ausgabe das erreicht hat, was ihr im Haushaltsansatz ursprünglich verweigert wurde. Auf unsere Frage im Ausschuß, wer die Entscheidung über die Beantragung einer überplanmäßigen Ausgabe getroffen habe, wurde uns geantwortet: der stellvertretende Pressechef, aber der Herr sei inzwischen ausgeschieden.
Gegen diese Methode wenden wir uns. Es ist deshalb bedauerlich, daß ein von mir im Rechnungsprüfungsausschuß gestellter Antrag abgelehnt wurde, der nicht einmal die Ablehnung dieser überplanmäßigen Ausgabe vorsah, sondern nur die in Erscheinung getretene Methode mißbilligen wollte. Es fand sich also keine Mehrheit im Ausschuß, die gegen diese Methode Stellung nehmen wollte.
Meine Damen und Herren, wenn das Schule macht, entwerten wir selber die Haushaltsberatungen und das von Ihnen beschlossene Haushaltsgesetz.
Aber wir befürchten, daß diese Methode schon Schule gemacht h a t , und deshalb gestatten Sie mir einige Hinweise, die zwar nicht unmittelbar zu dem heutigen Gegenstand der Tagesordnung gehören, aber in einem gewissen Zusammenhang mit ihm stehen.
In diesen Tagen haben wir die Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 4. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1954 erhalten. Es ist die Drucksache 1653. Der Herr Bundesminister der Finanzen teilt dort mit, daß beim Einzelplan 04 Kap. 03 Tit. 300 eine überplanmäßige Ausgabe von 1 485 000 DM als unabweisbar entstanden sei. Daß sie auch unvorhergesehen war, wird nicht mitgeteilt. Es handelt sich bei diesem Titel um den Dispositionsfonds des Herrn Bundeskanzlers.
Die Berliner Viermächtekonferenz fand im Januar 1954 statt, also im letzten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1953. Diese Konferenz verursachte einen Kostenaufwand von 1 485 000 DM.
Diese Summe wurde im Vorgriff auf das Rechnungsjahr 1954 überplanmäßig bewilligt. Mit im
Hinblick auf diesen Vorgriff wurde der Dispositionsfonds des Herrn Bundeskanzlers 1954 von 4 500 000 DM auf 9 600 000 DM erhöht.
Jetzt werden zu diesen 9 600 000 DM wiederum diese 1 485 000 DM als überplanmäßig zusätzlich bewilligt.
Bei Tit. 302, Veröffentlichungen der Bundesregierung, werden weitere 180 000 DM als überplanmäßig bewilligt, obwohl der Ansatz von 602 000 DM im Jahre 1953 auf 768 000 DM im Rechnungsjahr 1954 erhöht wurde. Zu diesen 768 000 DM kommen jetzt diese 180 000 überplanmäßige Ausgaben noch hinzu.
Geradezu unverständlich ist uns aber die außerplanmäßige Bewilligung von 2 Millionen DM für die Unterrichtung der Bevölkerung über die Ziele und Auswirkungen der Pariser Verträge.
Für diese außerplanmäßige Bewilligung ist im
Haushalt überhaupt kein Titel vorhanden gewesen.
Man hat jetzt erst diesen neuen Titel geschaffen.
Alle diese über- und außerplanmäßigen Ausgaben werden damit begründet, daß ein unabweisbares Bedürfnis vorlag.
Es ist uns unverständlich, wie der Herr Bundesfinanzminister diese „unabweisbaren" und „unvorhergesehenen" Bedürfnisse hier anerkennen und der Erhöhung der dafür bestimmten Summen zustimmen konnte. Deshalb fragen wir uns manchmal: Wann wird der Herr Bundesfinanzminister auch einmal z. B. die Erweiterung des Kreises der rentenberechtigten Witwen im Sozialversicherungsanpassungsgesetz als ein „unabweisbares Bedürfnis" billigen?
Wir sind der Meinung, daß sich das Parlament gegen diese Methoden eines Mißbrauchs der über-
und außerplanmäßigen Ausgaben wehren müßte. Wir bitten deshalb den Herrn Präsidenten, bei dem Antrag auf Drucksache 1576 über die Ziffern 1 und 2 getrennt abstimmen zu lassen. Die Ziffer 1 lehnt die sozialdemokratische Fraktion ab. Der Ziffer 2 werden wir zustimmen, damit der Herr Bundesfinanzminister sich auf eine Willenskundgebung des ganzen Hauses stützen kann, wenn er sich gegen diese bedenklichen Methoden ernsthaft wehren will;
aber auf diesen Willen kommt es eben an.
Wer wünscht von der Regierung das Wort? — Herr Staatssekretär Dr. Globke!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Im Rechnungsjahr 1952 ist der Ansatz bei Tit. 33 — Veröffentlichun-
gen der Bundesregierung — tatsächlich um 158 000 DM überschritten worden. Es war bei den Verhandlungen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen in den Haushalt ein Betrag von 235 000 DM eingesetzt worden. Diese Ausgaben sind im wesentlichen für die Herausgabe des Bulletins entstanden. Das Bulletin ist erstmalig Ende Oktober 1951 herausgegeben worden. Es war damals mit Sicherheit nicht zu übersehen, wie sich die Kosten gestalten würden. Es war weiter nicht zu übersehen, in welchem Umfang das Bulletin sich als eine Informationsquelle, die allseitig begehrt wird, herausstellen würde. Von allen Seiten sind dann immer wieder Bitten an uns gerichtet worden, wir möchten das Bulletin erweitern. Das Bulletin hat dann tatsächlich sein Erscheinen von dreimal auf fünfmal erhöht. Dadurch sind diese Mehrkosten entstanden. Wir haben den Antrag dem Herrn Bundesminister der Finanzen vorgelegt, der ihn mit der Auflage genehmigt hat, daß wir den Betrag von 158 000 DM an einer anderen Stelle, bei Tit. 31, einsparten. Das ist geschehen. Es ist also insgesamt bei dem Haushalt des Presseamtes durch diese Erhöhung eine Mehrausgabe nicht eingetreten.
— Das kann man mit Sicherheit nicht übersehen.
Von vornherein läßt sich das mit Sicherheit nie übersehen. Bei dem einen Ansatz ist es zuwenig, bei dem anderen zuviel. Wir bemühen uns, das möglichst korrekt zu machen. Ich darf sagen, es ist im folgenden Jahr bei demselben Titel so gewesen, daß wir auch noch nicht genau übersehen konnten, wie sich die Ausgaben für das Bulletin entwickeln werden, weil die ausländischen Nachrichten hinzugekommen sind. Es hat sich dann ergeben, daß wir 198 000 DM eingespart haben. Der Ansatz war zu hoch; wir haben ihn aber nicht verbraucht.
Da im Gesamtergebnis eine Mehrausgabe nicht entstanden ist und da wir nur in dem Rahmen der Bedürfnisse gehandelt haben, deren Befriedigung notwendig war, glaube ich, daß unter diesen Umständen kein Anlaß besteht, an dieser Ausgabe Kritik zu üben.
Ich darf zu den Ausgaben aus dem Rechnungsjahr 1954 sagen, daß diese Dinge in der allernächsten Zeit im Rechnungsprüfungsausschuß behandelt werden und daß dann dazu Stellung genommen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein paar Worte zur den Ausführungen sowohl des Kollegen Ohlig wie des Staatssekretärs Dr. Globke.
Erstens. Die Sache mit dem Bulletin wird hier überbewertet. Wenn man das Bulletin auch in fremdsprachigen Ausgaben herausbringen wollte, wäre es aber nicht nötig gewesen, deshalb überplanmäßige Ausgaben zu machen, und man kann mit der Berufung auf den Satz aus der Reichshaushaltsordnung nicht rechtfertigen, daß diese Ausgaben unabweisbar und unvorhersehbar gewesen seien. Man soll solche Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung nicht mißbrauchen.
Ich habe wiederholt gesagt, daß das Bulletin z. B. in seinen finanzpolitischen Mitteilungen brauchbare und gute Informationen liefert. Wieviel besser wäre es, das Bulletin würde sich wirklich auf Information beschränken und nicht zu Propagandazwecken mißbraucht werden!
Dann wäre das Bulletin das, was es sein soll; es würde von Koalition und Opposition anerkannt werden und wäre für die Presse und für jeden Staatsbürger die Quelle guter Unterrichtung, die es sein müßte.
— Das ist es sowieso? Das ist es zu einem erheblichen Teil, was ich ja nicht bestreite und eben ausdrücklich anerkannt habe. Ich wende mich gegen den Teil in dem Bulletin, der das nicht ist und dadurch um so gefährlicher ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Ja.
Herr Abgeordneter, gehen Sie doch bitte ans Mikrophon; Sie werden sonst nicht verstanden.
Lieber Herr Dresbach, ich habe Sie nicht verstanden, deswegen kann ich Ihre Frage nicht beantworten.
Herr Kollege Gülich, Sie wollen aus einem Bulletin doch nicht etwas machen wie den „Roten Tag" von ehedem?
Aber nein! Ich möchte nichts anderes, lieber Dresbach — wie ich bereits ausgeführt habe —, als daß sich das Bulletin auf Information beschränkt; denn es ist ein Organ des Presse- und Informationsamtes. Im Bulletin soll nicht Propaganda gemacht werden, vor allem nicht eine Propaganda, durch die, wie es gelegentlich geschieht, Äußerungen der Opposition im Parlament „richtiggestellt" werden. „Richtigstellungen", wenn sie nötig sind, haben durch die Regierung im Parlament zu erfolgen und nicht im Bulletin; das wollte ich bei der Gelegenheit sagen.
Ein zweites Wort zu dem Tit. 300 in Kap. 04, 03 ist es, glaube ich, also des Presse- und Informationsamtes, über den wir ja schon wiederholt gesprochen haben. Wenn es notwendig sein sollte, daß ein Fonds besteht, so ist dann nicht einzusehen, warum er nicht der Kontrolle des Parlaments unterliegen soll. Und wenn die Regierung der Meinung ist, daß über gewisse Dinge, die notwendig sind oder die sie für notwendig hält, nicht die gesamte Öffentlichkeit informiert werden sollte, warum hat sie dann unseren wiederholten
Anträgen nicht stattgegeben, daß ein kleinerer Kreis von Abgeordneten, etwa die Fraktionsvorsitzenden — ach, wir haben uns sogar mit drei Abgeordneten begnügt —, Einblick in die Verwendung dieses Fonds erhält?!
Dagegen können Sie nichts Schlüssiges sagen.
Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen noch etwas, ein Drittes, sagen. Alle schwarzen Fonds werden einmal geöffnet! Alles wird einmal offenbar, und es wird meist viel früher offenbar, als diejenigen, die die schwarzen Fonds verwalten, glauben. Deshalb sollten wir uns in unserer jungen Demokratie vor Methoden, wie sie im Dritten Reich geübt wurden, hüten und sollten das, was wir zu tun haben, frei und offen tun und keinen Mißbrauch mit Geldern treiben, die der Steuerzahler aufgebracht hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Äußerung des Herrn Staatssekretärs Dr. Globke veranlaßt mich, zur Sache ein weiteres Wort zu sagen. Der Herr Staatssekretär hat mit einer gewissen Befriedigung darauf hingewiesen, daß diese überplanmäßige Mehrausgabe ja durch Einsparungen im Bereich des gleichen Einzelplans in einer Größenordnung von — wenn ich es recht im Ohre habe — 198 000 DM gedeckt worden sei.
Meine Damen und Herren, wir beobachten im Haushaltsausschuß, im Rechnungsprüfungsausschuß und auch hier im Plenum — wir sollten das mit steigender Sorge beobachten - eine Methode, die zu den Grundsätzen der Reichshaushaltsordnung in absolutem Gegensatz steht.
Ich möchte den Herrn Staatssekretär ausdrücklich einmal auf die Beachtung der Grundsätze der Etatklarheit und der Etatwahrheit aufmerksam machen und sie seinem Studium empfehlen.
Wie ist es möglich, meine Damen und Herren, daß in einem Einzelplan mit relativ geringem Umfang eine Ausgabe, die dem Parlament in den Beratungen des Haushaltsausschusses und in den Beratungen des Plenums als zwingend notwendig nachgewiesen wurde, nun plötzlich eingespart werden kann? Mit den Grundsätzen der Etatklarheit und der Etatwahrheit haben diese Dinge nichts mehr zu tun.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, die Augen einmal offenhalten und die Dinge nüchtern sehen, werden auch Sie beobachten, daß in der letzten Zeit in mehrfacher Hinsicht plötzlich auftauchende und als notwendig bezeichnete Ausgaben nach dem Verlangen des Finanzministers aus Etatansätzen gedeckt werden, die vorher uns, dem Haus gegenüber als zwingend bezeichnet worden sind. Plötzlich kann man die Beträge einsparen, die man vorher unter allen Umständen anfordern mußte.
Ich muß sagen, so geht es auf die Dauer nicht. Wenn Sie einen Respekt vor dem Gesetz haben, das Sie selbst hier im Hause anerkennen, vor dem Haushaltsgesetz und der Haushaltsordnung, dann müssen Sie darauf bestehen, daß bei der Etataufstellung Mittel nur für Zwecke angefordert und von der Regierung vertreten werden, die wirklich berechtigt sind, und daß nicht in den einzelnen Haushaltsplänen geheime Reserven gebildet werden, aus denen man dann Ausgaben zu decken vermag, für die die Mittel überplanmäßig bereitgestellt werden, weil sie vorher bei der Etatberatung — das ist wohl der springende Punkt — sogar bei der sehr frommen Regierungsmehrheit keine Mehrheit fanden. Das wird dann hintenherum manipuliert, und auf diesem Wege wird dann der sogenannte Ausgleich geschaffen. Mit Etatwahrheit und Etatklarheit haben diese Methoden nichts zu tun. Das ist eine üble Manipulation.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Ritzel darf ich folgendes ausführen: Es handelt sich hier nicht um Ausgaben, die präzise auf 5000 DM veranschlagt werden könnten, etwa um Ausgaben für die Beamten- oder Angestelltenbesoldung oder Bleistifte oder ähnliche Dinge,
sondern um die allgemeinen Mittel zur Förderung des Informationswesens. Wenn bei diesen allgemeinen Mitteln eine Einsparung in der Art möglich gewesen ist, ich glaube, dann sollte man das loben und nicht tadeln.
Diese Tatsache zeigt, daß das Presse- und Informationsamt im allgemeinen sehr sparsam gearbeitet hat.
Das ergibt sich auch aus der Handhabung im folgenden Jahr, in dem eine Einsparung von 198 000 DM stattgefunden hat.
Was die Vergrößerung des Bulletin betraf, so ist sie nachträglich vom Bundesfinanzministerium gebilligt worden, insbesondere deshalb, weil es sich nicht nur um die laufende Erhöhung, das fünfmalige Erscheinen in der Woche, handelte, sondern um den jährlichen Tätigkeitsbericht, der im letzten Monat des Rechnungsjahrs zu bezahlen war.
Ich glaube also, daß man die Anforderungen an die Vorausschätzung von Ausgaben, die wir so genau wie möglich machen, bei derartigen allgemeinen Titeln nicht übertreiben darf und daß die Grundsätze der Etatwahrheit und -klarheit hier nicht verletzt worden sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Gülich hat hier einen Vorschlag gemacht, über den wir schon des öfteren im Haushaltsausschuß verhandelt haben. Er hat vorgeschlagen, man solle
einen kleinen Parlamentsausschuß einsetzen und diesem die Kontrolle der Dispositionsfonds übertragen.
Verehrter Herr Kollege Gülich, ich möchte Ihnen auf diesen Vorschlag dasselbe erwidern, was ich Ihnen schon bei zahlreichen Debatten im Haushaltsausschuß erklärt habe. Ich habe Ihnen wiederholt vorgeschlagen, die sozialdemokratisch regierten Länder sollten in dieser Frage mit gutem Beispiel vorangehen. Wir würden dann durchaus bereit sein, zu überlegen, ob wir nicht auch im Bund dem guten Beispiel sozialdemokratisch regierter Länder folgen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das verschiebt doch das Problem, Herr Bausch.
Was haben wir denn hier mit Länderregierungen zu tun?
— Aber entschuldigen Sie, wir haben es hier mit dem Bund zu tun.
Als ich einer Länderregierung angehört habe, hat man dieser Regierung den Vorwurf nicht machen können. Warum machen Sie solche nicht substantiierten Vorwürfe und verschieben dadurch völlig das Problem? Sie könnten die Frage stellen: Würden Sie Sozialdemokraten, wenn Sie die Regierung bildeten, auch schwarze Fonds haben wollen?
Diese Frage könnten Sie uns stellen. Dann würden wir Ihnen antworten, daß die Frage mit dem, was ich vorhin gesagt habe, bereits beantwortet ist. Schwarze Fonds dieser Art würden wir nicht haben wollen.
— Das war, wie die Heiterkeit gezeigt hat, zweifellos ein gelungener Zwischenruf. Aber wenn Sie schon von Rot und Schwarz sprechen, dann ist uns das Rote allerdings lieber als das Schwarze.
Ich habe es klar genug gesagt: Wenn Fonds für bestimmte Zwecke in einer bestimmten politischen Situation nötig sind, die nicht alle Öffentlichkeit angehen, so müssen sie aber das Parlament angehen, auch die Angehörigen der Opposition.
Wenn also wir Sozialdemokraten in der gleichen Lage wären wie Sie, dann würden wir — seien Sie überzeugt davon — zumindest denselben Parlamentsausschuß, bestehend aus den Vorsitzenden der Fraktionen, genau so wünschen, wie wir ihn heute wünschen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß ein Teil des Hauses den Sinn dieser Debatte mißversteht.
Es wäre töricht — ich sage das mit Betonung —, wenn Sie sich etwa dem Glauben hingeben wollten, das Problem, das hier in den frühen Morgenstunden von dem Herrn Kollegen Ohlig berührt worden ist, durch Lachen oder durch billige Witzchen über den Eifer der Opposition und den Zwiespalt zwischen der Partei in der Opposition und derselben Partei an der Regierung abtun zu können. Das steht hier überhaupt nicht zur Debatte. Zur Debatte steht, ob dieses Haus sein eigenes Haushaltsrecht ernst nimmt.
Ob man nun im einzelnen eine überplanmäßige oder außerplanmäßige Ausgabe, die der Herr Bundesfinanzminister bewilligt hat, für richtig oder für falsch hält, ist gar nicht so wichtig wie vielmehr der Grundsatz, daß das Parlament in diesen Dingen mit äußerstem Mißtrauen gegen die Praxis der Verwaltung erfüllt sein muß,
in seinem eigenen Interesse und im Interesse der Sauberkeit der Verwaltung. Sonst kann es Ihnen eines Tages passieren, meine Damen und Herren — ganz gleich, wer in der Regierung sitzt und wer auf den Bänken der Opposition protestiert —, daß Ihnen Dinge serviert werden, bei denen Ihnen die Augen übergehen werden. Das fängt im kleinen an. Hören Sie das Geraune über den Ausgang des Schmeißer-Prozesses
und die Frage, wie denn plötzlich die finanzielle
Regulierung in diesem Prozeß möglich gewesen
sein soll, und den Verdacht, der dabei auftaucht,
dann werden Sie am besten auch die politischen Gefahren begreifen, die in einem Vertuschen, in dem Zudeckenwollen, in dem sicher nicht von Erfolg begleiteten Versuch enthalten sind, den Spieß umzudrehen, wenn die Opposition einmal an einen wunden Punkt den Finger legt.
Sie sollten es sich nicht so leicht machen, wie es hier der Herr Kollege Bausch leider getan hat.
Damit kommen Sie auf die Dauer nicht durch, und wir werden es Ihnen auch nicht gestatten.
Sie können mir, der immerhin eine gewisse Erfahrung auf diesem Gebiet hat, nicht nachsagen, daß ich unbillig, unfair und unsachlich nur die Schwächen der Regierungsposition heraussuche. Aber wenn man als Parlamentarier Jahr um Jahr mit Haushaltsberatungen zu tun hat, dann sieht man auch, wie leicht es manchmal bei unserer Praxis möglich gewesen ist, daß eine Verwaltung, die bei den Haushaltsberatungen auf der Ebene der Ressorts, beim Finanzminister und im Kabinett unterlegen ist, hinterher einfach auf dem kalten
Wege doch noch ihre Wünsche durchsetzt, weil man, wenn die Haushaltsberatungen vorbei sind und das Licht der Öffentlichkeit und des Parlaments nicht mehr auf die Einzelheiten fällt, auch innerhalb der Verwaltung gewisse Widerstände vielleicht noch überwinden kann. Wenn Sie diese Hoffnung durch die Duldung dieser Praxis nähren, dann werden unsere Haushaltsberatungen hier in Zukunft jeden Sinn verlieren. Das, meine ich, steckt in dieser Debatte von heute morgen, und Sie sollten sie ernst nehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Blank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist höchste Zeit, daß einmal ein Angehöriger der Regierungskoalition das Wort ergreift.
Ich habe mit den Dingen, die heute morgen hier erörtert worden sind, insofern sehr viel zu tun, als ich den Vorsitz im Rechnungsprüfungsausschuß, einem Unterausschuß des Haushaltsausschusses, innehabe.
Eines möchte ich bei meinen ganz kurzen Ausführungen voranstellen: Wir, meine Fraktion und die ganze Koalition, haben — und dessen sind wir uns auch bewußt — genau das gleiche Interesse an Sauberkeit in der Verwaltung in finanziellen Dingen, wie es die Herren von der Opposition für sich dem Anschein nach allein in Anspruch genommen haben; das ist verkehrt.
Wir brauchen uns auch nicht sagen zu lassen, daß wir etwa mit dem Mantel der Liebe Unsauberkeiten zudeckten. Ich nehme für mich in Anspruch — und ich glaube, meine Kollegen, sämtliche Kollegen aus dem Rechnungsprüfungsausschuß werden mit mir dieser Meinung sein —, daß da geschieht, was zur nachträglichen Aufklärung irgendwelcher Unklarheiten möglich ist. Wir bedauern alle in gleicher Weise den leider immer noch viel zu großen zeitlichen Abstand zwischen dem Ablauf eines Haushaltsjahres auf der einen Seite und der Vorlage der Rechnung auf der anderen Seite. Wir sind uns aber mit allen beteiligten Stellen der Regierung, insbesondere dem Bundesfinanzministerium, und dem Bundesrechnungshof darüber einig, daß alles nur Denkbare geschehen muß,
um diesen Abstand zwischen dem Ende eines Haushaltsjahres und der Vorlage der Rechnung abzukürzen. Es ist uns in dieser Beziehung einiges in Aussicht gestellt worden. Zufriedenstellend ist das allerdings noch nicht.
Es ist sicher richtig, daß auf Dinge geachtet wird, bei denen sich nachträglich herausstellt, daß die Durchführung des Haushalts anders verlaufen ist, als es sich der Haushaltsausschuß und das Parlament bei der Bewilligung des Haushalts gedacht haben, und Aufklärung muß auf alle Fälle geschaffen werden. Die Auswahl der heute in den Mittelpunkt der Betrachtungen des Abgeordneten — nicht des Berichterstatters — Ohlig gestellten Gegenstände beweist allerdings, daß es den Herren, die sich dafür interessiert haben, nicht ausschließ1ich auf die so stimmgewaltig betonte Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit ankommt, sondern daß es ihnen doch ganz wünschenswert erscheint, auch einen politischen Nagel einzuschlagen. Ich glaube, es gibt in reinen Sachressorts Dinge, die man, wenn es sich nur um die Haushaltsklarheit und -wahrheit handelte, genau so gut hätte ins Feld führen können.
Eines möchte ich aber ausdrücklich sagen, meine Damen und Herren: Wir haben alle das gleiche Interesse und wir werden es auch betätigen. Dabei werden wir uns durch gewisse Notwendigkeiten, die vielleicht gerade auf einem besonders kitzligen Gebiet liegen, nicht davon abhalten lassen, Klarheit in die Dinge zu bringen. Aber wir werden auch sachliche Notwendigkeiten, die im Laufe des Haushaltsjahres aufgetreten sind, anerkennen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schoettle, Sie haben mir gesagt, ich hätte es mir leicht gemacht.
Ich muß dem mit aller Entschiedenheit widersprechen.
Wir haben in den zahlreichen Debatten im Haushaltsausschuß über diese Frage immer anerkannt, daß es sich hier um ein sehr ernstes Problem handelt, dessen Prüfung nötig ist. Wir haben nie und zu keiner Zeit erklärt, daß es sich hier um eine Angelegenheit handle, die gar nicht der Überlegung bedürfe. Das war nie unsere Meinung. Wir haben den ernsten Sachgehalt und die Legitimität der Forderung, die Sie erhoben haben, stets anerkannt und sehr sorgfältig geprüft.
— Nein, dann war es nicht aus.
— Dann war es eben nicht aus, sondern dann haben wir ein weiteres gemacht, Herr Kollege Gülich, und das war auch unser gutes Recht. Wir haben dann gesagt: Meine Herren von der Opposition, wenn Sie solche Forderungen erheben, dann, bitte, machen Sie den Ernst dieser Forderung durch ein beispielhaftes Verhalten dort deutlich, wo Sie selbst die Staatsgewalt und die Führung des Staates in Händen haben!
Dieses beispielhafte Verhalten, meine Damen und Herren, haben wir Ihnen nahegelegt, und wir haben Ihnen gesagt: Wenn Sie dieses beispielhafte Verhalten dort, wo Sie die Staatsführung in den Händen haben, in Erscheinung treten lassen,
dann wollen wir ernsthaft prüfen, ob und auf welche Weise dieser Vorschlag in der Bundesrepublik realisiert werden kann.
Dies ist eine faire und saubere Stellungnahme, gegen die Sie nichts einwenden können. Ich sage Ihnen deshalb nochmals: Verfahren Sie so, und dann werden wir Ihren Vorschlag sehr ernsthaft prüfen. Diesen Standpunkt habe ich immer vertreten, und ich tue dies auch hier. Es ist mir voller Ernst damit!
Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch darum bitten, durch etwas größere Ruhe auf allen Seiten einen besseren Ablauf der Diskussion zu ermöglichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ohlig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zu den Ausführungen des von mir persönlich sehr geschätzten Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses, des Kollegen Dr. Blank, machen. Uns allen ist ja das Sprichwort bekannt, daß zwei Seelen in einer Brust wohnen. Aber, Herr Kollege Blank, ich hätte doch heute nicht so offensichtlich gezeigt, daß diese beiden Seelen bei Ihnen vorhanden sind.
Sie haben die Dinge so dargestellt, als ob wir Sozialdemokraten uns nur diese beiden Punkte herausgegriffen hätten. Wir haben sie auch im Rechnungsprüfungsausschuß in den Mittelpunkt unserer Diskussion gestellt, und Sie gestatten, daß ich nach dem Protokoll einige Äußerungen vorlese, die Sie selbst damals getan haben. Es heißt hier:
Der Vorsitzende
— also Herr Kollege Dr. Blank —
hält die Ausführungen des Abgeordneten Ohlig für grundsätzlich wesentlich. Sie sollten eine Richtschnur des Rechnungsprüfungsausschusses bleiben; denn es wäre doch höchst beklagenswert, wenn irgendwo eine Streichung vorgenommen werde und dann auf dem Umwege der überplanmäßigen Ausgaben die Mittel dort ausgegeben würden.
Sie sollten die Rechte dieses Hauses hier in diesem Saal wirklich einmal wissen lassen, was die Linke will.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schoettle, Sie haben hier einen Appell an unser haushaltsrechtliches Gewissen gerichtet. Sie können sicher sein und Sie wissen, daß wir einen solchen Appell stets mit dem gleichen Ernst beantwortet haben, mit dem Sie ihn hier vorgetragen haben.
— Herr Kollege Ritzel, für den Fall, daß Sie einmal Regierungspartei spielen, möchte ich mich nicht in Ihre Lage versetzt fühlen.
Wir wollen es einmal darauf ankommen lassen
und wollen keine Prophezeiungen machen; aber
wir haben unsere Vermutungen in dieser Hinsicht.
Nun will ich Ihnen das eine ganz freimütig sagen — Sie wissen, daß es im Haushaltsausschuß ein offenes Geheimnis ist —: wir haben uns in der letzten Sitzung mit einer Sache befaßt, die gewisse Probleme aufwirft. Das ist die außerordentlich starke Stellung, die der Haushaltsgeneralreferent
— wenn Sie ihn so nennen wollen — im Finanzministerium gegenüber allen anderen Ressorts hat. Daß diese ungewöhnliche Machtstellung, die wir aus haushaltsrechtlichen Gründen durchaus begrüßen müssen, in manchen Fällen auch zu einer Fehlentscheidung führen kann, wissen Sie genau so gut wie wir; und wenn dann eine solche Entscheidung vielleicht aus dem sehr begreiflichen und von uns, wie ich ausdrücklich sage, begrüßten Willen zur Sparsamkeit dazu geführt hat, daß diese oder jene Ausgabe gekürzt worden ist, dann kann man es einem Ressort, vor allen Dingen einem politischen Ressort, nicht verwehren, wenn es nachher versucht, hier einen Ausgleich herbeizuführen. Das ist nach meinem Dafürhalten ein Vorgang, den wir auch in der Zukunft erleben werden. Ich bitte Sie, die Dinge einmal von dieser Seite her zu sehen. Wir werden — ich verweise auf den sozialpolitischen Sektor, wo Ihnen diese Dinge keineswegs unangenehm sind — in der Zukunft noch sehr häufig mit diesen Korrekturen zu tun haben.
Wir haben uns bei unserer Studienreise in den Vereinigten Staaten — das wissen Sie sehr genau
— einer Situation gegenüber gesehen, die von der unsrigen völlig verschieden ist. Man hat dort einen Bewilligungshaushalt und einen eigentlichen Kassenhaushalt. Die Entwicklung in Deutschland könnte dazu führen, daß wir, wenn die Stellung des Finanzministers gegenüber den anderen Ressorts noch stärker wird, zu einem ähnlichen Verhältnis kämen. Dann würden wir vielleicht auch einmal den nicht sehr begrüßenswerten Zustand haben, daß sich die Differenz zwischen den Bewilligungen des Plenums und den tatsächlichen Ausgaben wie in den USA auf die riesige Summe von 54 Milliarden Dollar beläuft. Das sind Entwicklungen, die wir einmütig nicht begrüßen können.
Wenn wir also zuweilen auf solche Korrekturen stoßen — und sie sind meinem Dafürhalten nach hier von der Regierung mit Fug und Recht und mit Anstand begründet worden —, wenn ein Ressort aus politischen Gründen zu einer solchen Korrektur schreitet, sollten wir daraus nicht eine Kapitalangelegenheit machen. Daß wir im Rechnungsprüfungsausschuß genau so ernsthaft wie Sie bemüht sind, den Dingen auf den Grund zu gehen, glaube ich, kann uns niemand von Ihrer Seite bestreiten, der es ernst damit meint.
Wir haben in dieser Angelegenheit der 72 000 Mark im Auswärtigen Amt, die Sie vorher mit Recht hier beanstandet haben, von unserer Seite aus — ich kann das für meine Fraktion in Anspruch nehmen — auch noch extra an den Bundeskanzler ge-
schrieben, um ihn darauf hinzuweisen, daß so etwas eine Unmöglichkeit darstellt.
Vielleicht noch bemerkenswerter ist, daß dieser Brief dazu geführt hat, einen entsprechenden Erlaß in seinem Hause herauszugeben. Das nur nebenbei bemerkt.
In einer neuen Verwaltung sind sehr viele Dinge nicht so, wie sie vielleicht sein sollten. Herr Professor Gülich, Sie selbst waren dabei, als auf die präzise Frage des Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses der objektive Beobachter dieser Verhältnisse, Herr Direktor Greuner vom Bundesrechnungshof, ausdrücklich bestätigt hat, nach anfänglichen Schwierigkeiten in den Ressorts hätten sich die Dinge doch so entwickelt, daß man im großen und ganzen mit der Rechnungsgebarung und mit der Sorgfalt, mit der die Ressorts an die Dinge herangingen, zufrieden sein könne.
Wir wollen diese Dinge weiter mit Ernst und Gewissenhaftigkeit verfolgen. Ich bestreite Ihnen nicht das Recht, Herr Kollege Ohlig, diese Probleme aufzugreifen. Es ist Ihr gutes Recht; ich würde es an Ihrer Stelle genau so getan haben.
Aber bitte, lassen Sie die Kirche im Dorf und machen Sie daraus nicht eine Angelegenheit in einer Größenordnung, die sie nun einmal nicht hat. Wir werden in Zukunft genau so wie Sie darauf achten, daß die ordnungsgemäße Haushaltsgebarung nach unseren Bewilligungen so vor sich geht, daß wir in Ehren davor bestehen können. Diese Versicherung bitte ich Sie entgegenzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Kollegen Dr. Vogel dankbar dafür, daß er hier die Legitimität des Anliegens.. des Herrn Kollegen Ohlig anerkannt hat. Es geht ja doch nicht darum, jemandem etwas am Zeug zu flicken, sondern es geht darum, gewisse Dinge öffentlich abzuhandeln, damit sie abgestellt werden.
Wie anders soll man denn einen Einfluß auf die Verwaltung vom Parlament her nehmen als dadurch, daß man die Probleme öffentlich zur Diskussion stellt? Das hat mit den Größenordnungen gar nichts zu tun. Vielleicht, Herr Kollege Vogel, sind wir miteinander einig, wenn ich sage, daß jede Mark öffentlicher Gelder, die unnötig ausgegeben wird, ein Diebstahl an denen ist, die die Steuern bezahlen.
Wenn wir diesen Grundsatz auf die Praxis anwenden, werden wir einen Maßstab für unsere Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung haben, mit dem wir vor aller Öffentlichkeit und vor jeder demokratischen Kraft in unserem Lande bestehen können. Ich glaube, das sollte doch unser Bemühen sein. Nehmen Sie doch das, was die Opposition an kritischen Bemerkungen zu solchen Dingen macht, nicht immer gleich so krumm, wie
es manchmal scheint. Wir könnten sonst den Eindruck gewinnen, daß Sie Ihre Funktion in erster Linie darin sehen, die Regierung gegen jeden Angriff, wie berechtigt er auch sein möge, zu decken. Das wäre für die Mehrheit dieses Hauses das Abdanken des Parlaments als einer echten, selbständigen Verfassungsfigur.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wenden uns nicht dagegen, daß ein legitimer Anspruch, den das Parlament hat, verwirklicht wird. Wir wenden uns aber wohl dagegen, daß Übertreibungen in einem solchen Maße stattfinden, daß in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck entstehen muß.
Das ist das einzige, was mich veranlaßt, hier auch meinerseits auf die Rednertribüne zu kommen.
Außerplanmäßige und überplanmäßige Ausgaben gibt es in jedem Haushaltsplan. Das fängt bei der Gemeinde an und geht über den Kreis und das Land bis zum Bund hin. Das Leben selbst in seiner Entwicklung sorgt dafür, daß Ausgaben im Laufe des Haushaltsjahres entstehen, die nicht voraussehbar sind und doch irgendwie geleistet werden müssen.
— Ich verstehe das Problem sehr gut, Herr Kollege Gülich. Ich wehre mich dagegen, daß in der Öffentlichkeit durch eine solche Überbetonung — und um die handelt es sich hier — der Eindruck erweckt wird, daß außerplanmäßige und überplanmäßige Ausgaben etwas von vornherein Abzulehnendes seien.
Ich habe noch einen anderen Gesichtspunkt vorzutragen: Was soll die jeweilige Regierung machen, wenn solche Ausgaben, nicht voraussehbare, überplanmäßige und außerplanmäßige, entstehen? Soll sie diese Mittel ohne weiteres zusätzlich bewilligen oder soll sie nicht besser erst einmal Ausschau halten, ob die Beträge für die neu hinzukommenden Ausgaben irgendwie im Etat eingespart werden können? Da hat einer Ihrer Herren Vorredner soeben den Eindruck hervorgerufen, daß das Zurücksetzen minder wichtiger im Haushaltsplan bewilligter Ausgaben mit dem Grundgedanken der Etatwahrheit und der Etatklarheit nicht vereinbar sei. Meine verehrten Damen und Herren, das ist falsch! Die Ausgaben, für die die Regierung im Haushaltsplan eine Ermächtigung bekommt, werden nach den Gesichtspunkten ausgewählt, die wir im Haushaltsausschuß wirklich zur Genüge kennengelernt haben. Wenn nun im Laufe des Etatsjahres über- und außerplanmäßige Ausgaben von noch größerer Dringlichkeit entstehen, dann liegt doch wohl nichts näher, als daß man die Ausgabenermächtigungen im Haushaltsplan einmal daraufhin durchsieht, ob nicht vielleicht minder wichtige Ausgaben zurückgestellt werden können und die dafür vorgesehenen Mit-
tel für die noch dringlicheren Aufgaben, die im Laufe des Etatsjahres entstehen, Verwendung finden können. Das findet durchaus die Billigung meiner Fraktion und meiner Freunde, weil wir der Auffassung sind, daß die Regierung gut daran tut, nicht sogleich neue zusätzliche Mittel zu bewilligen, sondern zunächst einmal den Weg zu gehen, den wir ihr immer empfehlen: zu sparen, wo gespart werden kann. Deshalb glauben wir, daß die Zurückstellung von minder wichtigen Ausgaben, die im Etat vorgesehen sind, durchaus mit dem Grundsatz der Etatwahrheit und der Etatklarheit zu vereinbaren ist, ja daß es eine Notwendigkeit ist, bei unvorhergesehenen Ausgaben zunächst einmal diesen Weg zu gehen, um zu sehen, ob man nicht aus ersparten Mitteln die überraschend herantretenden Ausgaben decken kann. Man sollte aber nicht sagen, das sei mit dem Grundsatz der Etatwahrheit und -klarheit nicht vereinbar, weil dann der von uns allen — auch von Ihnen im Grunde genommen — nicht gewünschte Eindruck entsteht, daß über- und außerplanmäßige Ausgaben und deren Deckung durch Einsparung anderer Ausgaben etwas ist, was zu mißbilligen ist.
Meine Damen und Herren! Die Rednerliste ist erschöpft. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 1576. Es ist gewünscht worden, über die beiden Ziffern getrennt abzustimmen. Wir stimmen demnach zuerst über Ziffer 1 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 1 der heutigen Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Verstöße gegen das Versammlungsgesetz .
Wird die Anfrage begründet? — Ich erteile Ihnen das Wort.
Mattick , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Reihe von Veranstaltungen mit der Krönung des Stahlhelmtreffens von Goslar veranlassen uns zu dieser Anfrage. In Goslar marschierte im buchstäblichen Sinne des Wortes der Stahlhelm auf. Ganze Gruppen waren voll uniformiert und andere zum Teil, wie die Bilder zeigen, die sicher allen noch in Erinnerung sind — ich zeige hier die „Münchner Illustrierte" —, uniformiert mit Stahlhelmen, Koppeln, Schaftstiefeln und Knüppeln. Die Knüppel waren allerdings getarnt in Form von Fackeln. Aber diese Fackeln wurden, wie der Bericht aussagt, auch schon bei Tageslicht in den Händen der stahlheimtragenden Uniformierten getragen.
Es heißt im Versammlungsgesetz:
Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen.
In Goslar hat der Stahlhelm gegen das Versammlungsgesetz verstoßen. Die Polizei wandte sich nicht gegen die Stahlhelmträger, sie schritt nicht gegen die Veranstalter ein. Sie war anscheinend, wie man das ja oft hat, wenn Uniformträger auftreten, fasziniert. Die Polizei wandte sich gegen die friedlichen Demonstranten, die diese Uniformierung bekämpften. Im Art. 8 des Grundgesetzes heißt es:
Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Das hat die Bevölkerung in Goslar getan, als sie sah, unter welchen Bedingungen der Stahlhelm dort aufmarschierte. Die Polizei wandte sich nicht gegen den Stahlhelm, sondern sie schritt, wie Einzelberichte ausweisen, in unglaublicher Weise gegen die friedlichen Demonstranten, ja gegen die Bevölkerung, die auf der Straße stand und sich dieses Schauspiel ansah, ein.
Es treten zwei Fragen auf: Was gedenkt die Regierung zu tun, um alle Möglichkeiten der privaten Uniformierung in Zukunft zu verhindern? Was gedenkt die Regierung in Verbindung mit den Länderministern zu tun, um die Polizei auf den richtigen Weg zu leiten, nämlich das Grundgesetz und die Gesetze zu schützen?
Ich möchte hier noch einmal sagen, worum es uns dabei geht. Ich bitte darum — und bitte auch den Innenminister schon vorab —, das, was sich in Goslar als Letztes zugetragen hat, nicht zu bagatellisieren, nicht zu sagen: „Gott, die paar Leute, die da noch verrückt spielen!" Ich darf allen in Erinnerung rufen, wie es schon einmal angefangen hat: als damals 1918/19 der Stahlhelm als Wegbereiter der Privatarmeen in Deutschland aufmarschierte, wurde das genau so lächerlich gemacht und bagatellisiert. Meine Damen und Herren, es fing schon einmal so an!
Der Stahlhelm war schon einmal Wegbereiter des Aufmarsches von Privatarmeen, deren Entwicklung dann bei 1933 endete.
Die Entstehung von Privatarmeen in der Demokratie ist schon an sich ein Widerspruch und darf nicht geduldet werden. Ich glaube, die Gesetzgeber, die im 1. Bundestag das Versammlungsgesetz verabschiedet haben, wußten ganz genau, warum sie in diesem Versammlungsgesetz jede private Uniformierung verboten: weil sie nämlich wissen, daß die Privatarmeen den Boden von Weimar erschüttert haben, weil sie wissen, daß die Privatarmee immer am Anfang eines Endes der Freiheit in der Demokratie steht.
Die Privatarmee ersetzt im Grunde genommen den Terror eines totalitären Staates gegen jede demokratische Einrichtung. Sie tötet bei ihrem Auftreten die Meinungsfreiheit und entmachtet die Polizei in bezug auf die wichtigste Aufgabe, die die Polizei hat, nämlich die demokratischen Einrichtungen, Versammlungen, Veranstaltungen und friedliche Demonstrationen zu schützen.
In Goslar ist der Stahlhelm als uniformtragende Organisation, als Privatarmee, und man kann wohl jetzt sagen, als Privatarmee des Herrn Kesselring, den einige deutsche Zeitungen noch als „Feldmarschall" bezeichnen, aufgetreten und hat Terror
ausgeübt. Er ist als schlagende Organisation aufgetreten und hat eigentlich das erste Mal für alle sehr sichtbar auf dem Boden der Bundesrepublik wieder entwickelt, was in Weimar zu den katastrophalen Entwicklungen geführt hat, nämlich Straßenkrawalle durch Privatarmeen und Schlägereien ausgelöst.
Ich bitte den Herrn Innenminister noch einmal, wenn er nachher dazu Stellung nimmt, auf keinen Fall die Dinge so darzustellen, als wenn es sich um eine Kleinigkeit handelte, um einen Einzelfall, über den man hinweggehen sollte. Aus diesem Einzelfall wird eine Entwicklung, wenn die Bundesregierung nicht bereit ist, mit den Länderregierungen gemeinsam alles zu tun, um sie zu verhindern.
In diesem Zusammenhang erlaube ich mir noch folgende Frage an die Bundesregierung: Ist der Stahlhelm überhaupt eine zulässige Organisation im Sinne des Grundgesetzes und des Versammlungsgesetzes? Es heißt im Art. 9 des Grundgesetzes:
Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
Ich glaube, wenn man Goslar sieht und wenn man das Auftreten des Präsidenten des Stahlhelm, nämlich des Herrn Kesselring, sieht, muß man die Frage aufwerfen, ob der Stahlhelm nach dem Grundgesetz und nach dem Versammlungsgesetz noch eine zulässige Organisation ist. Schon der Titel ist der Ausdruck eines Frontgeistes, den wir in diesem Hause heute doch wohl fast alle nicht mehr wollen.
Der Präsident des Stahlhelm, Herr Kesselring, hat in der letzten Zeit eine Reihe von Büchern veröffentlicht. In der letzten Veröffentlichung, die im Weltmaßstabe eine Diskussion ausgelöst hat, die eine Diskussion um Deutschland wieder aufgefrischt hat, die an die Diskussionen der Vergangenheit erinnert, erfindet der ehemalige Generalfeldmarschall im Grunde genommen eine neue Dolchstoßlegende. Er macht den Versuch, den verlorenen Krieg zu bedauern, weil er verloren wurde, und stellt nicht fest, daß schon der Beginn des Krieges ein Verbrechen ist. Er stellt die Dinge so dar, als wenn bei Vermeidung einiger Fehler dieser zweite Weltkrieg hätte gewonnen werden können. Meine Damen und Herren, diese Versuche des Präsidenten des Stahlhelm sind Bekenntnisse zum Hitlerkrieg. Er bedauert nicht, daß Hitler den Krieg begann, sondern er kritisiert einige Fehler, die zum Verlust des Krieges geführt haben. Kesselring bezieht eine hohe Generalspension von der deutschen Bundesrepublik und ist Präsident eben des gleichen Stahlhelm, gegen dessen Verhalten sich unsere Anfrage richtet.
Ich frage weiter: Ist die Bundesregierung bereit, zu untersuchen, ob Satzung und Verhalten des Stahlhelm sich noch im Rahmen der Verfassung halten, und zu untersuchen, ob der ehemalige Generalfeldmarschall Kesselring auf Grund seines Verhaltens noch berechtigt ist, republikanische Pensionen als ehemaliger Feldmarschall zu beziehen?
Meine Damen und Herren, unser Appell geht in diesem Augenblick an alle, denen es mit der Verteidigung und dem Aufbau der demokratischen
Freiheiten Ernst ist. Goslar sah noch harmlos aus Das erste Auftreten der militärischen Organisationen nach 1918 sah ebenso aus. Was daraus geworden ist, weiß heute jeder.
Aus einem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" — ich betone: aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" — vom 13. Juni ist zu entnehmen, daß Kesselring beim Treffen des Bundes der Frontsoldaten unter den Klängen des Präsentiermarsches die Front der Ehrenkompanie abgeschritten hat.
Meine Damen und Herren, wer stellte diese Ehrenkompanie? Gibt es schon wieder eine Privatarmee, die eine Ehrenkompanie stellen kann, und läßt die Bundesregierung und lassen die Länderregierungen eine solche Entwicklung zu?
Eine andere Frage, die ich in diesem Zusammenhang noch stellen möchte: Zur Zeit gibt es in der deutschen Literatur eine Überhäufung mit Büchern — ich möchte es so nennen — politischverräterischer Art mit neofaschistischem und ähnlichem Inhalt. Sicher, das Grundgesetz gibt die Freiheit für diese Schriften; aber mich wundert, daß die Bundesregierung in diesem Falle so wenig ihren Einfluß ausnutzt, den sie doch z. B. im Falle des Züricher Korrespondenten und auch im Falle Paul Sethe so glänzend ausüben konnte.
Warum ist es nicht möglich, daß man auch hier einmal den Einfluß der Bundesregierung verwendet, um zu verhindern, daß sich Verlage in solchem Ausmaß finden, die eine solche politisch schmutzige Literatur immer wieder auf den Markt bringen?
Ich glaube, wir müssen darauf achten, daß eine solche Entwicklung verhindert wird. Ich betone, unser Appell geht an alle in diesem Hause, die es mit dem Aufbau der Demokratie ernst meinen. Wir klagen hier im Hause noch niemand an, sondern wir hoffen, daß wir Partner in dieser Auseinandersetzung finden.
Es gibt noch eine andere Frage. Da gab es ein Gadeland-Treffen ehemaliger Entnazifizierungsgeschädigter von Schleswig-Holstein. Dort sprach Professor Schulz-Schnackenburg, der ehemalige Landesbischof von Mecklenburg vor 1945. — Vielleicht bezieht er auch eine Pension. — Seine Losung war: „Was zum Heil soll kommen, muß erblutet sein." Und dieser Mann sagte weiter: „Man sollte derer gedenken, die das Fundament aufgebaut haben, das die Katastrophe von 1945 überdauert hat und das deutsche Wirtschaftswunder erst geschaffen hat. Dann sprach ein Professor Koellreutter und bezeichnete die aktiven Gegner des Nationalsozialismus als Saboteure des zweiten Weltkrieges.
Da gab es ein Fallschirmspringertreffen, dort erschienen ganz zufällig wieder die Herren Kesselring und Ramcke. Ich glaube, hier nicht mit Zitaten aufwarten zu brauchen, da sie alle erst vor einigen Tagen durch die Presse gegangen sind. Ich frage wieder: Ist die Bundesregierung bereit oder sieht sie keine Möglichkeit, die Entwicklung der deutschen Demokratie gegen solche grauenhafte Einflüsse zu schützen? Und sie sind grauenhaft, obgleich sie am Anfang stehen. Jeder sollte sich
darüber im klaren sein: wenn man ihnen nicht entgegentritt, ist es ein ähnlicher oder gleicher Anfang, wie er 1918 und 1919 bagatellisiert worden ist.
Meine Damen und Herren, Sie müssen in diesem Zusammenhang noch etwas anderes sehen. Wie sieht denn eine solche Art der Demokratie und des Auftretens solcher Organisationen und Persönlichkeiten in der Bundesrepublik in den Augen der Zonenbevölkerung aus? Sie sieht aus wie eine Karikatur auf die Demokratie! Und seien Sie sich klar darüber: alle vernünftigen Menschen, insbesondere die Arbeitnehmerschaft, auch in der Sowjetzone wünschen eine solche Entwicklung in Deutschland genau so wenig, wie sie ja sagen zu dem System, unter dem sie leben müssen. Aber wenn solche Erscheinungen in der Bundesrepublik Breitenwirkung erhalten und auch für die Zonenbevölkerung sichtbarer werden, lähmen sie den Widerstand gegen das dortige System, weil das Gefühl entsteht, daß man vom Regen in die Traufe kommt. Das muß gesehen werden bei Goslar und allen anderen Dingen, die ich hier angeführt habe.
Unsere Bitte geht an die Bundesregierung, uns zu sagen, welche Mittel und Wege sie anwenden und unter welchen Beziehungen sie mit den Länderregierungen eine Zusammenarbeit entwickeln will, um gegen diese Anfänge — ich weiß, es sind Anfänge — alle Maßnahmen zu ergreifen, um sie abzustoppen. Hier gibt es wirklich für alle Demokraten nur eine Parole: Wehret den Anfängen, ehe es zu spät ist!
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion der SPD beschäftigt sich mit Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Ich werde zunächst diese Große Anfrage beantworten und behalte mir vor, im Laufe der Diskussion auf über die Große Anfrage hinausgehende Ausführungen des Herrn Vorredners einzugehen.
Der Vollzug des Versammlungsgesetzes ist Länderangelegenheit. Ich habe daher die Herren Innenminister der Länder um Mitteilung gebeten, welche Verstöße gegen das Uniformverbot nach § 3 des Versammlungsgesetzes beobachtet worden sind und welche allgemeinen Maßnahmen die Länder für angebracht halten, um derartige Verstöße künftig zu unterbinden. Die Antworten liegen von allen Ländern vor.
In Baden-Württemberg sind in letzter Zeit keine Verstöße gegen § 3 des Versammlungsgesetzes beobachtet worden. Das Innenministerium glaubt, daß, falls es zu solchen Verstößen kommen sollte, entsprechende Weisungen an die Polizeibehörden und geeignete Hinweise in der Presse genügen würden.
In Bayern ist ein Verstoß vorgekommen. Bei einer geschlossenen Zusammenkunft im März 1954 in einem Lokal sind vier Mitglieder des Stahlhelm in einer als „Bundestracht" bezeichneten einheitlichen Kleidung aufgetreten. Sie sind angezeigt und zu Geldstrafen nach dem Versammlungsgesetz verurteilt worden. Eine über die bisherigen Bestimmungen hinausgehende gesetzliche Regelung hält das bayerische Staatsministerium des Innern bei straffer Handhabung der geltenden Bestimmungen nicht für veranlaßt.
In Bremen ist nur in einem Fall eine Einzelperson in Stahlhelmuniform beobachtet und angezeigt worden. Das Verfahren wurde nach richterlicher Belehrung des Beschuldigten gemäß § 153 der Strafprozeßordnung eingestellt. Irgendwelche Maßnahmen schlägt Bremen nicht vor.
In Hamburg wurden bei drei Veranstaltungen der KPD bzw. des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands am 24. Februar und 7. März 1954 und am 16. April 1955 einige Jugendliche in einheitlicher Tracht festgestellt. Am 12. Juli 1955 wurden bei einer Veranstaltung des Deutschen Blocks zwei Personen in uniformähnlicher Kleidung bei einer Anzahl von 75 Teilnehmern beobachtet. In den drei erstgenannten Fällen sind Strafanzeigen gegen die Veranstalter erstattet worden. Hamburg schlägt vor, daß die Länder die politischen Parteien und Verbände durch eine Pressemitteilung auf die einschlägigen Bestimmungen des Versammlungsgesetzes hinweisen sollten, um zukünftigen Verletzungen des Gesetzes vorzubeugen. Ferner wird vorgeschlagen, in die allgemeinen Auflagen bei Versammlungen unter freiem Himmel Hinweise auf das Uniformverbot aufzunehmen.
Hessen hat bisher keine Verstöße gegen das Uniformverbot festgestellt. Maßnahmen, um künftige Verstöße zu verhindern, schlägt das Land nicht vor. Es glaubt mit der Strafvorschrift des Versammlungsgesetzes auszukommen.
Aus Niedersachsen ist außer über einen Fall aus dem Jahre 1954, bei dem drei Mitglieder des Stahlhelm in Uniform auftraten, über das Stahlhelmtreffen in Goslar am 11. und 12. Juni 1955 berichtet worden. Auf der Kundgebung in Goslar haben etwa 20 Teilnehmer am 11. Juni 1955 Uniform oder Uniformteile getragen und damit gegen das Uniformverbot verstoßen. Die Versammlungsteilnehmer haben offenbar erst auf dem Kundgebungsplatz für die Dauer der Kundgebung einheitliche Stahlhelmkleidung angezogen. Dem Einsatzleiter der Polizei ist diese Tatsache erst am Morgen des nächsten Tages zur Kenntnis gekommen.
Die Bundesführung des Stahlhelm ist vor der Kundgebung in Goslar vom Bundesministerium des Innern auf das Uniformverbot nachdrücklich hingewiesen worden. Sie hat erklärt, daß sie bereits von sich aus in einem Rundschreiben die Beachtung des Uniformverbots bei dem Treffen in Goslar gefordert habe. Bei der Stahlhelmdelegiertentagung am 12. Juni 1955 in Goslar hat die Bundesführung des Stahlhelm die Verstöße vom Vortage gegen das Verbot scharf beanstandet. Es besteht danach kein Grund zu der Annahme, daß die verantwortliche Leitung des Stahlhelm das Uniformverbot in Goslar mißachtet habe.
Nordrhein-Westfalen berichtet über eine Stahlhelmdelegierten-Tagung am 28. und 29. August 1954 in Recklinghausen, an der etwa 30 Jugendliche in uniformähnlichen Kleidungsstücken sowie einige Delegierte in Stiefelhose teilgenommen haben. Die Polizeibehörden sind in Ausführungs-
fr bestimmungen zum Versammlungsgesetz angewiesen worden, das Uniformverbot streng zu handhaben. Die bisher getroffenen Maßnahmen haben sich nach Auffassung der Landesregierung als ausreichend erwiesen.
In Rheinland-Pfalz sind keine Verstöße gegen § 3 des Versammlungsgesetzes beobachtet worden. Das Ministerium des Innern regt an, daß sich die Behörden innerhalb des Bundesgebietes gegenseitig darüber unterrichten, welche Vereinigungen in Uniform auftreten, damit die Polizei gegebenenfalls bei Veranstaltungen dieser Vereinigungen vorbeugende Maßnahmen ergreifen könne.
Schleswig-Holstein hat keine Verstöße gegen § 3 des Versammlungsgesetzes festgestellt. Es hält die Strafvorschrift des Versammlungsgesetzes für ausreichend.
Es ergibt sich damit zusammengefaßt folgendes. In vier Ländern sind keine Verstöße gegen das Versammlungsgesetz festgestellt worden, in fünf Ländern haben sich nur wenige, verhältnismäßig unbedeutende Einzelfälle ereignet. Ich kann daher die Große Anfrage der Fraktion der SPD vom 13. Juli 1955 dahin beantworten, daß eine Zunahme von Verstößen gegen das Uniformverbot des § 3 des Versammlungsgesetzes nicht festgestellt werden kann und daß die Länder der Auffassung sind, mit den Handhaben, die ihnen das Versammlungsgesetz bietet, völlig auskommen zu können. Die von einzelnen Ländern gegebenen Anregungen für die Durchführung des Uniformverbots werde ich den übrigen Ländern mitteilen.
Ich schließe damit, daß ich sage: auf einige der Ausführungen des Herrn Vorredners werde ich im Laufe der Debatte zurückkommen.
Wird von 30 Mitgliedern des Hauses eine Aussprache gewünscht? — Jawohl. Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gewiß sind wir uns alle darin einig, daß es für kein Volk gut ist, wenn es sich ständig mit den Schatten der Vergangenheit auseinandersetzt und in einer unglücklichen Vergangenheit herumwühlt. Aber dieser Grundsatz gilt natürlich dann nicht, wenn die Schatten der Vergangenheit von denen, die für sie verantwortlich gewesen sind, in einer neuen, unverantworlichen Weise in unsere lebendige Gegenwart hineingezerrt werden und unsere Aufbauarbeit beunruhigen und beeinträchtigen.
Insofern würdige und begrüße ich das Anliegen unserer sozialdemokratischen Kollegen, das ihrer Großen Anfrage zugrunde liegt. Wir alle halten dieses Anliegen für wichtig und ernst genug, daß es eine Stellungnahme auch von unserer Seite erfordert.
Allerdings, Herr Kollege Mattick, glaube ich nicht, daß wir unserer gemeinsamen Sache dienen, wenn wir die Angelegenheit überbewerten und übertreiben. Schon die Formulierung der Anfrage halte ich nicht für allzu glücklich. Wenn die sozialdemokratischen Kollegen fragen: „Ist der Bundesregierung entgangen ...", so liegt darin die Andeutung, die Bundesregierung habe doch wohl die notwendige Aufmerksamkeit vermissen lassen. Ich kann nicht zugeben, daß diese Andeutung gerechtfertigt ist. Jeder, der im Ausschuß zum Schutze der Verfassung mitarbeitet, weiß, mit welcher Aufmerksamkeit, mit welcher Wachsamheit und mit welcher Entschlossenheit die Bundesregierung diese Entwicklung verfolgt. Ich glaube, ein Vorwurf, wenn er beabsichtigt gewesen ist, wäre völlig unberechtigt. Wir müßten ihn auch deshalb zurückweisen, weil vor dem Auslande der völlig falsche Eindruck entstände, daß die Bundesregierung mit gefalteten Händen einer verhängnisvollen Entwicklung gegenübersteht. Davon kann keine Rede sein.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, daß der Herr Bundesinnenminister zu dem Stahlhelm-Treffen in Goslar kein Wort darüber gesagt hat, ob die Landesregierung ihrerseits nun mit den nötigen Maßnahmen gegen das Uniformtragen vorgegangen ist?
Herr Kollege, ich bin gerne bereit, diese Frage im Laufe meiner Ausführungen noch zu beantworten. Selbstverständlich bildet das einen wesentlichen Teil dessen, was ich heute hier zu sagen habe.
Ich möchte dem Kollegen Mattick ferner entgegenhalten, daß er wohl die paar Hundert alten Herren, die, begleitet von einigen Jugendlichen, in Goslar zusammengekommen sind, ein wenig überbewertet, wenn er in ihnen bereits eine Privatarmee sieht.
Ich glaube, das ist wohl ein wenig des Guten zuviel.
— Herr Kollege, ich habe das hier bei mir und bin gerne bereit, es Ihnen zu geben.
Aber, wie gesagt, das Anliegen selbst ist ernst genug, und wir haben deshalb von seiten aller Fraktionen, nicht nur von der antragstellenden Fraktion aus, die Pflicht, zu prüfen, ob der Sachverhalt, wie er uns allen bekanntgeworden ist, durch die Beantwortung der Bundesregierung ausreichend aufgeklärt erscheint.
Ich glaube, wir können dem Herrn Bundesminister darin zustimmen, daß die bisherigen Vorkommnisse noch keinen Anlaß zur Beunruhigung geben. Ich möchte das vor dem Inland und vor allen Dingen vor dem Ausland feststellen. Wer die Entwicklung in Deutschland ruhig und nüchtern prüft — ich glaube, auch unsere Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion werden das nicht bestreiten —, der muß sich immer wieder wundern, wie wenig von dem „Tausendjährigen Reich" in Wirklichkeit bei uns noch zu spüren ist.
Man mag das als ein merkwürdiges Phänomen ansehen. Aber wer wie ich mit wachen Augen und kämpfend und leidend die Entwicklung der letzten Jahrzehnte mitgemacht hat, der steht eigentlich immer wieder voll des Staunens gegenüber der Tatsache, wie wenig von dem damaligen Riesenapparat noch wirklich übriggeblieben ist. Wir wollen uns Glück wünschen und unsere Menschen und uns selber nicht damit beunruhigen, daß wir so tun, Als wäre eine unmittelbare Gefahr doch noch gegeben.
Natürlich bin ich auch mit dem Kollegen Mattick darin einig, daß die Vorkommnisse in Goslar unerfreulich gewesen sind. Es hat sich wieder einmal das uns schon aus der Weimarer Zeit so vertraute Schauspiel entwickelt, daß ein verhältnismäßig kleiner Haufen von Versammlungsteilnehmern durch Hunderte von Polizisten gegen Andersdenkende geschützt werden muß, daß die Demonstration, die ja im Grunde — und darüber kann kein Zweifel sein — gegen die demokratische Staatsform gerichtet ist, von den Organen der Staatsgewalt geschützt werden muß, damit die Veranstaltung überhaupt durchgeführt werden kann.
Es läßt sich doch nun nicht bestreiten, Herr Bundesminister — selbst in Ihrer Beantwortung wird es ja von der Landesregierung zugegeben —, daß 20 Teilnehmer in Uniformen aufgetreten sind. Sie alle kennen die Zeitschriften-Abbildungen hierzu. Was ist denn nun eigentlich hierzu geschehen? Darüber hätte auch ich gerne Auskunft. Ist da auch mit einem Strafverfahren vorgegangen worden? Daß es dem Herrn Einsatzleiter erst am nächsten Morgen bekanntgeworden ist, läßt entweder auf ein etwas schwer erklärliches Versäumnis in der polizeilichen Organisation dieses Einsatzes schließen, oder es sind sonst Fehler vorgekommen, die meiner Ansicht nach irgendwie der Aufklärung bedürfen. Es kann uns natürlich nicht befriedigen, zu hören, daß dem Herrn Einsatzleiter erst am nächsten Morgen Dinge bekanntgeworden sind, die der ganzen Weltpresse zu dieser Zeit schon bekannt waren. Das sollte nicht sein, und hier scheint mir in der Tat eine Lücke zu bestehen. Die Polizeibeamten haben meiner Ansicht nach vollkommen pflichtgemäß diese Demonstration geschützt gegen irgendwelche ungesetzliche Störungen von außen. Das ist bei solch einer Gelegenheit nun einmal die ärgerliche Pflicht der demokratischen Staatsorgane. Aber sie hätten meines Erachtens genau so die Aufgabe gehabt, gegen die Gesetzesverletzungen bei den Versammlungsteilnehmern selbst vorzugehen,
sofort für Abstellung zu sorgen und, soweit das nicht möglich war, dafür zu sorgen, daß der Wille des Gesetzgebers im Wege einer Bestrafung nachträglich vollzogen wurde. Das hätte meiner Meinung nach geschehen müssen. Es wäre viel von dem ungünstigen Eindruck im In- und Auslande vermieden worden, wenn wir gleich am nächsten Tage gehört hätten: Die Leute sind festgestellt worden, und man hat das Erforderliche im Wege des Strafverfahrens gegen sie veranlaßt.
Hierbei hat sich eine Lücke herausgestellt, die uns als Gesetzgeber beschäftigen sollte. Der zweite Absatz des in Frage kommenden Paragraphen läßt die Jugendlichen ausdrücklich aus. Für sie gilt das Uniformverbot nicht, soweit die betreffenden
Jugendverbände sich überwiegend der Jugendpflege widmen. Ich erinnere mich, daß mir bei der Verabschiedung des Gesetzes von vornherein Bedenken gekommen sind, wie die Polizei diesen Unterschied machen soll. Der Stahlhelm hat sich vorsorglich eine Jugendorganisation angegliedert, die er „Scharnhorst-Bund" nennt, eine Jugendorganisation, die angeblich oder tatsächlich überwiegend der Jugendpflege dient und die nun frisch-fröhlich in Uniform auftrat mit der Begründung, die sie der Polizei und den auswärtigen Korrespondenten gegeben hat: Wir dürfen! Das ist offenbar eine Unklarheit und eine Unsicherheit, die in zukünftigen Fällen zu weitgehenden Schwierigkeiten gerade auch für die Polizei führen kann.
In dem Gesetz steht, daß der Bundesinnenminister für die über die einzelnen Ländergrenzen hinausgehenden Jugendorganisationen die Entscheidung zu treffen hat, ob eine Jugendorganisation unter diese Ausnahme fällt. Es würde mich interessieren, zu hören, ob irgendwelche Entscheidungen dieser Art bereits getroffen sind. Sonst würde es, glaube ich, höchste Zeit, daß die Bundesregierung für ihre Zuständigkeit und die Länderregierungen in ihrem Rahmen bald und rechtzeitig Entscheidungen dieser Art treffen. Ich kann mir nicht denken, daß der „Scharnhorst-Bund" als Jugendorganisation des „Stahlhelm" zu diesen privilegierten Jugendorganisationen gehört, deren Aufgabe vorwiegend in der Jugendpflege besteht. Ich glaube, das sollte man rechtzeitig feststellen und dafür sorgen, daß sich Vorfälle wie in Goslar nicht wiederholen.
Gestatten Sie mir nun zum Schluß noch eine grundsätzliche Bemerkung. Wir stehen im Begriff, in Deutschland eine neue Wehrmacht aufzubauen. Unter diesem Aspekt gewinnen alle Anlehnungen an frühere Organisationen und Erscheinungen militärischer Natur eine ganz besondere Bedeutung. Gerade wir, die wir aus der außenpolitischen Zwangslage heraus, in der wir uns befinden, die Wiederaufstellung einer Wehrmacht in Deutschland bejahen, legen den größten Wert darauf, daß dieser neue, werdende Geist nicht wieder wie früher für Zwecke mißbraucht werden kann, die gänzlich außerhalb des Militärischen liegen.
Es ist in der Weimarer Zeit das große Verhängnis gewesen, daß sich an die Wehrmacht, die damals ja völlig legal war, unzählige Erscheinungen und Organisationen angehängt haben unter der vorgeschobenen Behauptung, sie wollten ebenfalls der Wehrhaftigkeit dienen, die sich aber lediglich dem innerpolitischen Kampfe hingegeben haben.
Deshalb sehen wir — das glaube ich in Ihrer aller Namen sagen zu müssen — dem Wiederaufleben solcher Erscheinungen wie des Stahlhelm doch mit großer Sorge entgegen.
Ich frage wirklich: muß das sein? Sehen diese Leute — es sind doch sicherlich auch vernünftige, vaterlandsliebende Menschen darin — nicht ein, daß sie uns allen und sich selber, unserem Lande und unserem Volke einen schlechten Dienst erwiesen haben, indem sie diese Organisation wieder aufgebaut haben?
Ist es wirklich gut, daß ein Mann wie der Herr
Generalfeldmarschall Kesselring nun hierbei die
Führung übernimmt? Wenn er es selbst vergessen hat, wir haben es noch nicht vergessen, daß er seinen Feldmarschalltitel, seinen Stab und all die Geltung, die er jetzt unglücklicherweise im In- und Ausland genießt, der Politik des Mannes verdankt, der uns alle in tiefstes Elend und in tiefste Schmach gestürzt hat.
Sieht er nicht ein, daß allein diese Tatsache ihm eine wesentlich größere Zurückhaltung auferlegen sollte, als er sie in der letzten Zeit zu unser aller Kummer gezeigt hat?
Ich will über seine Bücher nicht mit ihm rechten. Aber er hat vor gar nicht langer Zeit ein Interview ausgerechnet in den Vereinigten Staaten gegeben, worin er feststellen zu können geglaubt hat, daß für den Kriegsausbruch nicht etwa Herr Hitler verantwortlich sei, sondern England und Polen.
Genügt eine solche Bemerkung nicht allein, einem Manne moralisch und geistig die Qualifikation abzusprechen, überhaupt noch irgendeine Rolle im deutschen öffentlichen Leben zu spielen?
Wenn der Stahlhelm selbst vergessen hat oder vergessen möchte, welche verhängnisvolle Rolle er einmal in Deutschland gespielt hat, — meine Damen und Herren, das deutsche Volk, wir haben das doch nicht vergessen. Wir wissen doch, daß Hitler nicht eines Tages im luftleeren Raum entstanden ist, sondern daß er nur möglich gewesen ist auf Grund der Zermürbung der demokratischen Autorität durch Elemente wie Herrn Hugenberg und die Leute vom Stahlhelm
und daß in allen bösen und unglücklichen Krisen der Zeit zwischen 1918 und 1933 immer der Stahlhelm an vorderster Stelle gestanden hat. Ich erinnere an den Versuch, im Rahmen des sogenannten Claß-Putsches, die Diktatur schon im Jahre 1926 einzuführen. Ich denke an das Volksbegehren gegen den Young-Plan. Ich denke an das vom Stahlhelm sogar unmittelbar getragene Volksbegehren gegen die preußische Staatsregierung. Ich denke an die Harzburger Front, an die Verbrüderung zwischen Stahlhelm und Nationalsozialismus.
Meine Damen und Herren, das können wir nicht vergessen, und das dürfen wir nicht vergessen.
Leute, die damals in so verhängnisvoller Weise, milde gesagt, sich geirrt haben, haben das Recht verwirkt, in Deutschland im öffentlichen Leben überhaupt noch irgendeine Rolle zu spielen.
Ich möchte mit der Feststellung schließen, daß diese Leute, denen ich eine Vaterlandsliebe gewiß nicht absprechen wollte, sich doch prüfen sollten, ob sie ihrem Vaterlande nicht einen wesentlich größeren Dienst erwiesen, wenn sie künftig auf jede Tätigkeit im deutschen öffentlichen Leben verzichteten. Sowohl der innenpolitischen Beruhigung wie auch der Wiedererringung eines gewissen Ansehens für unser Land im Ausland würde es im höchsten Maße dienlich sein, wenn Erscheinungen wie der Stahlhelm künftig nicht mehr im deutschen öffentlichen Leben aufträten. Wenn sie ihr Vaterland lieben — hier hätten sie eine gute Gelegenheit, das zum Ausdruck zu bringen, und sie würden es unendlich viel leichter machen, auch das, was in der Vergangenheit gut und notwendig und gesund und richtig gewesen ist, in guter Weise zu würdigen, als wenn wir uns jetzt noch mit den Auswüchsen dieser Art herumzuschlagen hätten.
Das Wort hat der Abgeordnete Brühler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, als ob die SPD heute so ein bißchen Gerichtstag abhalten wollte.
— Ich fühle mich nicht als Angeklagter.
— Meine Herren, lassen Sie mich doch erst einmal reden und machen Sie nachher Ihre Zurufe. Es hat doch gar keinen Wert, daß Sie mich unterbrechen; die Sache wird nur verlängert. Das, was ich zu sagen habe, wird ohne alle Radikalität zur Steuer der Wahrheit gesagt. Ich bin nämlich in Goslar gewesen — die anderen Herren Redner sind ja wohl nicht dort gewesen —; ich habe in Goslar sogar die Rede gehalten, und ich will Ihnen sagen, was ich dort als das Wesentliche gesagt habe, und dann werden Sie zu einem anderen Ergebnis kommen müssen.
Das, was Sie zum ersten Punkt der Tagesordnung gesagt haben, ist in vieler Beziehung anzuerkennen. Aber was den Stahlhelm anlangt, haben sowohl Sie, Herr Kollege Mattick, wie der Herr Kollege Friedensburg mit Kanonen nach Spatzen geschossen.
— Ja, das waren auch andere Zeiten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Nein. Meine Damen und Herren, ich wußte, daß das einmal kommen würde. Ich selber stelle grundsätzlich keine Fragen an den jeweiligen Redner. Ich bin aber bereit, am Ende meiner Ausführungen jede Frage zu beantworten.
Meine Damen und Herren, ich bin also in Goslar gewesen. Ich habe auch ein paar Leute gesehen, die sozusagen in Uniform aufgetreten sind.
— Soweit man das Uniform nennen kann; für mein militärisches Auge waren es keine Uniformen.
Die illustrierten Zeitungen haben sich auf diese sogenannten uniformierten Leute gestürzt, man hat sie fotografiert,
und dann ist das Ganze, als große Sensation aufgemacht, in der deutschen illustrierten Presse erschienen.
Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich doch einmal sagen, was das Wesentliche an dieser Tagung war. Ich bin gebeten worden, vor dem Stahlhelm zu reden, und habe dem Stahlhelm zugesagt. Ich bin nicht Mitglied des Stahlhelms; aber ich habe als Deutscher ein Interesse daran
— das kann jeder haben, ob er rechts steht oder links, das spielt ja gar keine Rolle —, daß dieser Stahlhelm, in dem sehr viele gute Leute sind — sehr viele gute Leute! —, bis zu einem gewissen Grade für die heutige Zeit erzogen wird.
— Bitte, meine Herren, das ist mein absoluter Ernst Ich bitte Sie, nicht darüber zu lachen; das hat ja keinen Sinn. Hören Sie mir doch einmal zu und sagen Sie mir hinterher: „Das ist ein Radikalinski!" oder sonst etwas.
Deshalb also bin ich da hingefahren. Ich habe vorher eine Unterredung von etwa anderthalb Stunden mit dem ehemaligen Generalfeldmarschall Kesselring gehabt.
Herr Kesselring hat mir gesagt, als ich ihm die Grundzüge meiner Rede dargelegt habe — das Wesentliche hatte ich aufgeschrieben; denn es ist sehr gut, wenn man das nachher schriftlich besitzt —, daß er damit in jeder Beziehung einverstanden sei. Er hat mir nach meiner Rede gesagt, das sei die Sprache, die der Stahlhelm brauche.
Was habe ich nun als das Wesentliche gesagt, meine Damen und Herren? Ich habe gesagt, zu Beginn unserer Geschichte, noch weitgehend in der Sage verhaftet, gebe es zwei Sagen. Die eine sei das Nibelungenlied, das Heldenlied von Tragik und von Kraft.
— Ach, Herr Dr. Menzel,
ich habe in meinem ganzen Leben das Horst-Wessel-Lied nicht gesungen!
— Es hat nicht mit dem Horst-Wessel-Lied geendet. Das ist nicht wahr, jedenfalls solange ich dagewesen bin, hat es das nicht gegeben.
— Ich würde es für sehr unfruchtbar halten, wenn wir uns hier auf eine Nazidebatte einließen.
Ich würde das für sehr unklug halten. Ich selbst bin Naziopfer und würde in diesem Punkt sehr gut abschneiden; aber aus anderen Gründen halte ich es nicht für sehr klug.
Ich habe weiter gesagt, das zweite Lied sei das Gudrun-Lied, das Lied der heldischen Geduld. Dann habe ich wörtlich gesagt: „Geduld ist die Tugend eines besiegten Volkes, und Geduld ist die Sprache der Götter". Ich habe die Leute gewarnt und ihnen erklärt: Ich weiß, wie man die Volksseele zum Kochen bringen kann; ich könnte Ihnen jetzt nach dem Munde reden; ich gebe Ihnen aber ein paar Gedanken mit, die Sie zu Hause überlegen müssen, wenn Sie überhaupt als Stahlhelm bestehenbleiben wollen. — Dann habe ich ihnen gesagt, daß sie sich von jedem Radikalismus abwenden müßten, daß wir zwölf Jahre unter dem schaurigsten Radikalismus gelebt und gelitten hätten und daß sie um Gottes willen nicht in die alten Fehler, die auch vom Stahlhelm gemacht worden seien, zurückfallen dürften.
Das etwa war das, was ich gesagt habe. Ich habe es ausgemalt und habe es immer weiter verbreitet. Ich habe gesagt: Eine Gemeinschaft wie der Stahlhelm — ich wiederhole: ich bin nicht Mitglied des Stahlhelms — kann, was sie doch will, eine wirkliche Elite nur bilden, d. h. Menschen, die später in Deutschland auch mit führen könne, wenn sie jeden Radikalismus ablehnt; wenn er das nicht tut, dann hat der Stahlhelm jede Existenzberechtigung verloren.
Der Herr Innenminister hat es auch mit aller Klarheit gesagt, wie es mit der Uniformtragerei bisher gewesen ist. Sehen Sie, das ist ja alles Schwindel, Herr Kollege Friedensburg, daß der Generalfeldmarschall Kesselring ein Interview in Amerika gegeben habe. Das ist ja alles Schwindel, daß er in amerikanischen Zeitungen geschrieben habe. Es ist effektiv so — ich habe mir das in der Unterredung selber zeigen lassen —, daß es den Leuten verboten war, in Uniform aufzutreten. Als trotzdem einige in Uniform aufgekreuzt sind, ist das sofort verhindert worden. Dann, Herr Kollege Friedensburg, waren auch nicht Hunderte von Polizisten da, sondern es war nur eine Hundertschaft da. Und wann hat diese Hundertschaft bei diesem sehr disziplinierten Anmarsch, bei dem übrigens auch etwa 2- bis 3000 Goslarer dabeigewesen sind, eingegriffen? Als nämlich diese Leute
— ich will gar nicht untersuchen, von wem sie geschickt worden sind: ich will Ihnen nur nachher noch einiges über diese Leute sagen,
die einen sehr traurigen Eindruck machten — die Internationale gesungen haben, da hat die Polizei eingegriffen. Vorher war es gar nicht nötig. Daß sie den anfahrenden früheren Generalfeld-
marschall Kesselring mit grausigen Chören und „Nieder"-Schreien begrüßt haben, nehme ich den Leuten gar nicht übel. Aber hinterher ist nicht nur einer, sondern es sind Dutzende von diesen Leuten zu Stahlhelmern gekommen und haben gesagt: „Wir haben nur soundso viel Geld bekommen", und viele von den Stahlhelmern haben vielleicht an die großen sozialen Taten gedacht — das muß nämlich auch gesagt werden —, die der alte Stahlhelm seinerzeit, am Anfang und weiterhin vollbracht hat, und haben sie beherbergt! So ist es gewesen!
— Da können Sie sagen, was Sie wollen. Was hat er an Aufbauarbeit damals im alten Deutschland geleistet!
— Schlagen Sie ruhig auf den Tisch; was ich zu sagen habe, das sage ich. Daß er nachher, 1933, damals leider nicht von Duesterberg, sondern völlig falsch von Seldte geführt, in diesen Nazisog hineingekommen ist, ist bedauerlich genug; da ging es ihm, wie es etwa 80% der deutschen Bevölkerung auch gegangen ist. Die sind ja alle in diesen Hitlersog hineingekommen. Wir wollen doch einmal die Wahrheit sagen, so ist es doch. Wir wollen uns doch heute im Jahre 1955 kein X für ein U vormachen lassen.
Der Herr Innenminister hat gesagt: Anfragen bei den Innenministerien der Länder haben keinesfalls ergeben, daß wir hier einer Sache nach dem Grundsatz principiis obsta entgegentreten müssen. Wir haben in Deutschland — das hat der Kollege Friedensburg meiner Ansicht nach ganz richtig gesagt — dem Radikalismus weitestgehend abgeschworen. Warum bringt man nun eine solche Sache ins Parlament? Warum muß das Ausland noch auf diese Sache hingestoßen werden, wo es so viele Zeitungen gibt, die so etwas mit Jubel aufgreifen? Das zeugt doch wahrhaftig nicht von großer Diplomatie. Glauben Sie mir nur, wir müssen uns alle, gerade wir, die wir draußen oft vor der Öffentlichkeit sprechen, in diesem Falle als Erzieher fühlen. Es gibt manchen Radikalen, der sich, wenn man richtig mit ihm redet — und es ist mir schon bei vielen so gegangen —, die Sache ruhig ansieht und sich belehren läßt. Warum sollen wir denn alle wieder aufeinander einschlagen, wie es nach 1918 gegangen ist, als auf die Monarchisten von den anderen und von den Monarchisten auf die anderen geschossen worden ist und als in Deutschland statt einer anständigen Republik ein Chaos entstanden ist? Warum ist es denn so gewesen? In dieser ganzen Anfrage der Sozialdemokratie liegt unendlich viel von ihrem Antimilitarismus. Das schadet uns im Augenblick auch. Kurz und gut, ich halte diese ganze Anfrage für einen wirklich sehr großen Schaden, und ich bin sehr glücklich darüber, daß die Antwort des Herrn Innenministers so, man kann wohl sagen, beruhigend ausgefallen ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gewisse Mittelpassagen der Ausführungen, die ich mir vorgenommen habe hier zu machen, könnten vielleicht Anlaß zu dem Glauben geben, daß ich die Dinge bagatellisieren oder verharmlosen möchte. Nichts liegt mir ferner. Hitler ist durch den Stimmzettel des gleichen Wahlrechts an die Macht gekommen, und dort, wo sich Gefahrenherde zeigten, wo wieder mit dem Stimmzettel des gleichen Wahlrechts Gefahren aufkommen konnten, habe ich in der Vergangenheit an den Posten, wo ich gestanden habe, durchgegriffen. Aus dieser Tatsache leite ich auch die moralische Berechtigung her, hier einige Worte zum Menschlichen, Allzumenschlichen zu sagen. Die Sozialistische Reichspartei hat seinerzeit nicht etwa in Niedersachsen mit ihren Angriffen begonnen, sondern, Herr Eschmann, bei uns im Oberbergischen, und damals haben wir uns, vornehmlich Christliche Demokraten und Sozialdemokraten, auch mit den Mitteln der Gesellschaft, gegen sie gestellt. Andere politische Parteien blieben damals in einer gewissen allzu vornehmen rechtsstaatlichen Reserve, wie sie es nannten.
Aber wir haben eine raschlebige Zeit. Es bilden sich alle möglichen Assoziationen, und wenn diese Assoziationen rechtlicher oder gesellschaftlicher Art tatsächlich vorbei sind, dann werden sie in der Form des eingetragenen Vereins weitergeführt, und dann gilt es, viele Traditionen zu wahren; denn wir haben ja nun in Germanien so alle Dutzend Jahre einmal eine Revolution und Umstürze gehabt. Ich persönlich habe eine Abneigung gegen allzu viele solche Assoziationen; denn ich fürchte immer die Mitgliedsbeiträge — meistens sind sie bei mir per Nachnahme eingeholt worden.
Nun nehme ich als der doch sicherlich unbefleckte Republikaner immer noch teil an den Zusammenkünften ehemaliger Angehöriger des ehemaligen — nun erschrecken Sie nicht! — Königlich Preußischen Königin-Augusta-Garde-Grenadierregiments Nr. 4.
Und da ist es durchaus möglich, daß dann einmal das Lied erklingt: „Das ist die Garde, die unser Kaiser liebt"!
Aber, meine Damen und Herren, davon geht keine staatspolitische Gefahr aus, denn wir sind doch ein aussterbend Geschlecht, und im Mittelpunkt steht immer die traditionelle Bowle.
Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sind doch auch nicht alle beim Blauen Kreuz aktiv!
Ich könnte mir vorstellen, wenn Sie zusammen sind, daß dann aus alter Kämpfer Munde — so was gibt es doch auch bei Ihnen! — einmal die Internationale ertönt oder die Arbeiter-Marseillaise, so wie sie Lassalle bei Georg Herwegh in Auftrag gegeben hatte oder nach einer anderen Variante.
Meine Damen und Herren, das ist doch bei Ihnen auch alles anders geworden! Bei Ihnen sitzen so nette Leute, die man von unsereinem äußerlich gar nicht mehr unterscheiden kann!
Aber ich habe Verständnis für solche Atavismen.
Erschrecken Sie wiederum nicht! Ich bin auch hin und wieder mal bei der Deutschen Burschenschaft zugegen — Mütze und Band! —, und dann wird gesungen. Von meinem Gesang gilt ungefähr das, was Börries von Münchhausen von seinem Edlen von Torney sagt: „Er sang nicht schön, aber er sang laut,
daß das Zelttuch bebte am Pfahle." Wenn ich bei einer solchen Assoziation bin, dann kommt regelmäßig das Hecker-Lied dran — 33 Jahre — mit dem grausamen, blutrünstigen Vers, der manchen christlichen und weltlichen Damen Erschrecken machen könnte, auch vielleicht manchen in der Nähe befindlichen Angehörigen ehemaliger regierender Häuser. Das ist nämlich der furchtbare Vers — ich darf ihn mit Verlaub des Herrn Präsidenten zitieren, es ist Historie —:
Reißt die Konkubinen aus der Fürsten Bett, schmiert die Guillotinen ein mit Fürstenfett; Fürstenblut muß fließen knüppelhageldick, soll daraus ersprießen uns die deutsche Republik.
Meine Damen und Herren, das wollen wir doch nicht alles so tragisch nehmen, das sind doch schließlich veralkoholisierte Historizismen!
Aber es gibt auch eine gewisse echte Kameradschaft, und dieser Kameradschaft wollen Sie auch nicht widersprechen. Ich bin allerdings manchmal der Meinung, daß diese Kameradschaft von berufsmäßigen Vereinsmanagern überstrapaziert wird.
Aber, meine Damen und Herren, noch etwas; und damit komme ich zu einem sehr ernsthaften Abschluß. Gefährlicher als Soldatentreffen scheinen mir manche andere Dinge zu sein. Für mich ist es sehr bedenklich, daß der Staatsrat von Hermann Görings Gnaden, Herr Meinberg, wieder Vorsitzender einer Partei werden konnte, die sich doch auch hier vor uns als demokratisch gerieren möchte, nämlich der Deutschen Reichspartei,
und daß dort ein Goebbelsscher Staatssekretär, nämlich Herr Naumann, wieder tönen konnte, — mit lautem Beifall, wie die Gazetten meldeten. Ich will diese Dinge nicht überbewerten, aber ich möchte folgendes — fast prophetisch — voraussagen. Diese neuen Nazis werden dort ansetzen, wo auch die alten vornehmlich angesetzt haben, nämlich bei den Bauersleuten und beim gewerblichen Mittelstand.
Nun die Mahnung an die Standesvertreter in unseren Reihen, sie möchten nicht versuchen, diese Brüder durch Scharfmacherei zu übertreffen, und ihnen durch Überscharfmacherei das Wasser abgraben wollen. So kriegt man die Brüder nicht. In den Fällen gilt das „Serrez les rangs" aller Demokraten. Meine Damen und Herren, da spreche ich nicht etwa für eine große Koalition mit Ihnen; dazu bin ich als Außenseiter nicht beauftragt, denn ich gehöre nicht zur inneren Kartellführung.
Aber in dieser Abwehr gilt es auch gesellschaftliche Mittel, nicht nur polizeiliche Mittel anzuwenden. Als ich im vorigen Jahr einmal auf einer Schiffsreise war und der Kapitän, der Hausherr des schwimmenden Hauses, sich abends betrank und dann von „Schwarz-Rot-Mostrich" zu reden anfing, bin ich aufgestanden und habe gesagt: „Sie sind zwar hier der Hausherr, aber mit einem Nazischwein setze ich mich nicht an einen Tisch!"
In den Kreisen, wo ich vor 1933 meinen Standort hatte — das war die Stresemannsche Deutsche Volkspartei —, ging das Wort um: „Es sind ja rüde Gesellen, aber sie sind doch national!" Meine Damen und Herren, ich glaube, mit dem Speck fängt man heutzutage keine politischen Mäuse mehr. Also nicht überbewerten, aber toujours en vedette sein gegenüber den Kräften, die mit den Mitteln des Stimmzettels, nicht soldatischer Demonstrationen, die Demokratie aus dem Sattel heben wollen. Ich glaube, wir werden diese Kreise am besten ohnmächtig halten durch eine gute Politik. Ich spreche hier ein Wort mit Vorbedacht aus: Wir sollten ihnen nicht Anlaß geben, Skandale zu wittern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Mattick.
Meine Damen und Herren! So gemütlich es für das Haus ist, diese ganze Frage etwas auf die humoristische Seite abzuschieben und so zu tun, als wenn wir der Sache zuviel Ernst gäben, möchte ich Herrn Dr. Dresbach doch eine Frage stellen. Er ist wesentlich älter als ich und ist sicher viel erfahrener in der Entwicklung der Weimarer Republik als ich. Aber meinen Sie nicht auch, Herr Dr. Dresbach, daß dem Sieg des Stimmzettels durch Hitler der Aufruhr der Privatarmeen auf der Straße vorausging und daß letzten Endes die Tatsache, daß diese Privatarmeen die Straße beherrschten, nicht mehr die demokratische Meinungsbildung, bei der Bevölkerung dazu geführt hat, daß sie dem Hitler in die Stimmzettelarme gelaufen ist? Ich glaube, Herr Dr. Dresbach, das wissen Sie aus Ihrer Erfahrung noch besser als ich. Darum meine ich: sosehr Sie recht haben, daß es sich hierbei im Augenblick um Schießbudenfiguren handelt, über die man, wenn man das so sieht, unter Umständen lachen kann: wissen Sie, Herr Dr. Dresbach — und das möchte ich auch Herrn Dr. Brühler sagen —, ich war damals, als diese ersten Schießbudenfiguren als Stahlhelmorganisation 1918 in Berlin durch die Schönhauser Allee marschierten, noch sehr jung; aber ich habe noch sehr genau in Erinnerung, daß sie im Grunde genommen genau so aussahen. Wir haben nach dem 1. Weltkrieg im Grunde genommen genau so über diese Schießbudenfiguren gelacht und gescherzt, die da 1918/19 uniformiert auf der Straße erschienen. Und dann, Herr Dr. Dresbach, kam doch die Entwicklung, daß der einen Privatarmee die andere und die nächste entgegengestellt wurde und daß die Meinungsbildung der Demokratie, die die Grundlage des Stimmzettels sein soll, durch die Privatarmeen verlagert wurde zu Auseinandersetzungen des Knüppels auf der Straße. Ich glaube, wenn man sich das ansieht, was hier in Goslar passiert ist, dann muß man sagen: das ist eben ein
ähnlicher Anfang. Ob er sich entwickeln kann oder nicht, hängt von der Reaktion der demokratischen Kräfte ab.
Ich stimme mit Herrn Dr. Dresbach überein, daß es dabei auch gesellschaftliche Auseinandersetzungen gibt. Aber sehen Sie sich die Rede des Herrn Dr. Brühler von heute an, der dem Stahlhelm eine Berechtigung zuspricht und von dieser Organisation sagt, sie habe vor 1933 eine große Aufbauarbeit geleistet. Ich will jetzt keinen Streit darum entfachen, wieweit militante Privatorganisationen überhaupt demokratische Aufbauarbeit leisten können. Ich spreche ihnen diese Aufgabe und diese Möglichkeit ab, insofern auch dem Stahlhelm. Aber der Stahlhelm ist die einzige Organisation, die nach 1945 im alten Wichs — noch nicht im alten Glanz — wieder in der Bundesrepublik erscheint. Die Satzungen, die sie eingereicht hat und die jetzt dem Grundgesetz angepaßt sind, ähneln den alten Satzungen wie ein Ei dem andern, nur daß man einige schwarze Striche darüber gemacht hat, um sie den demokratischen Notwendigkeiten des Grundgesetzes anzugleichen.
Darum wiederhole ich meine Frage, bevor Herr Innenminister Schröder — hoffentlich — noch einmal antwortet, ob die Regierung bereit ist, auch die anderen Punkte, die ich angeschnitten habe, in diesem Zusammenhang zu untersuchen.
Meine Damen und Herren, eines muß uns doch klarwerden — und das soll eine Antwort an Dr. Friedensburg sein —: die Sozialdemokratische Partei hat hier — insofern hat Herr Dr. Brühler mit seiner Äußerung falsch gelegen - keine Anklage gegen die Regierung erhoben. Ich habe bei meinen ersten Ausführungen ausdrücklich gesagt: wir suchen Partner im Kampf um die demokratischen Freiheiten und die Erhaltung der Demokratie. Unsere Anfrage an die Regierung war eine Mahnung, zu untersuchen: Was geht vor sich, und was ist zu tun? Wenn Herr Dr. Brühler jetzt kommt und sagt, wir seien hier wie Kamele aufgetreten, indem wir das Gras noch einmal abgefressen hätten, — o nein meine Damen und Herren, das steht noch in der Öffentlichkeit, und bis zum heutigen Tage gibt es keine Äußerung der Bundesregierung oder der Landesregierung gegen die Dinge, die sich in Goslar abgespielt haben. Es gibt auch, soweit ich die Ausführungen des Herrn Innenministers gehört habe, keine Äußerung der niedersächsischen Regierung darüber, wieweit man nun gegen die Dinge gesetzlich eingeschritten ist, die dort in Goslar vor sich gegangen sind, und wieweit man sich mit den Polizeiorganen auseinandergesetzt hat, die dafür verantwortlich sind, daß sie dieses Auftreten des Stahlhelm erst am nächsten Tage gemerkt haben.
Das sind die Fragen, die noch im Raume stehen. Diese Fragen stehen ja in der Weltöffentlichkeit im Raume, wie es doch deutlich sichtbar wurde, als jetzt dieses Stahlhelm-Interview stattfand. Dieses Interview wird vom Stahlhelm abgestritten, und darum habe ich von den Büchern gesprochen. Die Presse hat sich auf dieses Interview oder auf die Ausschnitte aus den Büchern des Herrn Kesselring gestürzt. Die Dinge stehen doch im Raum, und wir müssen sie doch für die Öffentlichkeit beantworten. Das war die Bitte, die wir hier an die Bundesregierung gerichtet haben.
Eine Bemerkung noch zu den Ausführungen des Herrn Dr. Friedensburg. Herr Dr. Friedensburg, auch Ihre Erfahrungen sind älter als meine. Glauben Sie wirklich, daß ein menschlicher Appell oder ein politischer Appell an Männer wie Kesselring, Ramcke und ähnliche Figuren aus der unglücklichen deutschen Zeit einen Sinn haben?
Glauben Sie wirklich, daß diese Menschen mit Appellen anzusprechen sind, wie sie von Ihnen sehr offen und ehrlich und herzlich gemeint sind? Ich glaube das nicht. Meine Erfahrungen — Ihre müssen die gleichen sein — gehen dahin: solche kriegerischen Naturen sind durch warmherzige, demokratische Appelle nicht anzusprechen, die sind nur anzusprechen durch echte Maßnahmen, die auf dem Sektor der Politik, der Gesetzgebung und des gesellschaftlichen Lebens liegen.
Ich frage noch einmal den Herrn Bundesinnenminister, ob die Bundesregierung die Frage nicht untersuchen will, ob Pensionszahlungen an solche Menschen von der Bundesrepublik nicht in Zukunft eingestellt werden können.
Meine Damen und Herren, unsere Anfrage — das hat die Diskussion bewiesen — war notwendig, damit die Bundesregierung und die Länderregierungen öffentlich auf die Dinge antworten, die in Goslar vor sich gegangen sind, auf die Dinge, die später in Gardelegen vor sich gegangen sind, auf das Interview oder die Äußerungen des Herrn Kesselring. "Wir müssen dazu sagen, was zu sagen ist. Dazu ist das Parlament da, und die Regierung muß sich hier darüber äußern, welche Maßnahmen sie zu treffen gedenkt. Wir meinen, daß man in diesen Fragen den Anfängen wehren muß, Herr Dr. Dresbach. So lächerlich diese Dinge heute als Anfänge erscheinen, genau so lächerlich erschienen sie als Anfänge 1918/19. Ich erinnere Sie daran, Herr Dr. Dresbach, mit welcher Lächerlichkeit man Hitler und seinen Straßengarden 1923 und 1924 begegnet ist.
Das ist nachzulesen in den Protokollen des Deutschen Reichstags. Dort sind dieselben Äußerungen gemacht worden, wie sie heute Herr Dr. Brühler gemacht hat und wie auch Sie sie gutgemeint gemacht haben, daß man doch mit Lächerlichkeit am besten über solche Schießbudenfiguren hinweggehe. Dann kam die Zeit, wo die Schießbudenfiguren mit ihren Knüppeln, später mit Schlagringen und noch später mit echten Schußwaffen die Straße beherrscht und die Meinungsbildung der Demokratie zugrunde gerichtet haben. Und dann kam erst der Sieg mit dem Stimmzettel, nachdem diese Entwicklung vorausgegangen war, Herr Dr. Dresbach.
Bei allem Verständnis dafür, daß man hier auch den Humor zu Worte kommen lassen soll, — es gibt hier eine ernste Seite, die man nicht übersehen darf, meine Damen und Herren!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe nicht vor, die Diskussion von mir aus noch lange auszudehnen. Ich fühle mich nur verpflichtet, als Goslarerin zu den Dingen ein paar Worte zu sagen. Herr Kollege Mattick hat vorhin gesagt, der Goslarer Stahlhelm-Tag stünde in der Weltöffent-
lichkeit. Ich habe mir während der ganzen Diskussion die Frage vorgelegt: Was würde ein Goslarer Durchschnittsbürger sagen, wenn er heute morgen hier im Bundeshaus diese Diskussion mit angehört hätte? Meine Herren und Damen, das Goslarer Stahlhelm-Treffen hat uns Goslarer überhaupt nicht berührt. Das möchte ich zunächst einmal sagen.
Ich möchte weiter sagen, daß sich das Goslarer Stahlhelm-Treffen weithin unter Ausschluß der Öffentlichkeit vollzogen hätte, wenn nicht ein Beschluß des Gewerkschaftsbundes in Harzburg erfolgt wäre, der in aller Schärfe dagegen Stellung nahm. Dadurch sind die Fronten doch überhaupt erst aufgerissen worden!
Und nun ein weiteres, meine Herren und Damen: Goslar liegt bekanntlich an der Zonengrenze, und wir machen bei sehr vielem unsere eigenen Beobachtungen. Wir wissen nämlich, daß alle Dinge wie ein solches Stahlhelm-Treffen von der kommunistischen Seite mit Begeisterung aufgegriffen werden, um Unruhe und Verwirrung zu stiften, und daß immer wieder der Versuch gemacht wird, daraus kommunistisches Kapital zu schlagen.
— Bitte schön, meine Herren und Damen, ich würde mich freuen, wenn einer von Ihnen in Goslar in jenen Tagen dabei gewesen wäre und aus eigener Anschauung sprechen könnte, so wie ich es hier kann. Was ich sage, sind einfach Tatsachen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Frage?
Einen Augenblick, Herr Arnholz. Ich bin gerne bereit, auf eine Frage Ihrerseits am Schluß zu antworten.
Es ist doch einfach Tatsache, daß sich prompt, als das Stahlhelm-Treffen Wirklichkeit wurde, eine Gruppe kommunistischer Jugendlicher bei uns in Goslar breitgemacht und versucht hat, Klamauk zu machen. Diese Jugendlichen sind das eigentliche Unruheelement gewesen. Herr Mattick, ich habe in keiner einzigen Straße irgend etwas gesehen, daß in der Goslarer Bevölkerung sich Feindschaft gegen das Treffen gezeigt hätte. Die Goslarer Bevölkerung hat zu der ganzen Angelegenheit weder positiv noch negativ Stellung genommen; sie hat überhaupt keine Stellung genommen.
Meine Herren und Damen, Goslar ist eine Stadt von 42 000 Einwohnern. In einer solchen Stadt merkt man schnell, ob echte Unruhe da ist. Ich sagte schon, wir liegen an der Zonengrenze, und ich kann Ihnen nur versichern: Wenn bei dem Treffen irgend etwas geschehen wäre, was in größerem Umfang politische Bedeutung gehabt hätte, dann wären wir als Goslarer Bürger und wäre unser Rat und unsere Stadtverwaltung mit aller Energie dagegen vorgegangen. Die Tatsache, daß das nicht erfolgt ist, daß keine Beunruhigung dagewesen ist, zeigt, daß die Befürchtungen von Herrn Mattick, jedenfalls soweit sie sich auf Goslar beziehen, nicht den Tatsachen entsprechen.
Ich schließe deswegen mit dem, was auch Herr Mattick gesagt hat: In Goslar ist es noch harmlos gewesen. Ich streiche aber das „noch" und sage: In Goslar ist es harmlos gewesen. Und wir wollen doch alle miteinander sorgen, daß das, was sich 1930 und in den folgenden Jahren ereignet hat, sich einfach nicht wiederholen kann, weil wir hier im Bundestag und darüber hinaus als deutsches Volk geschlossen eine Wiederholung dieser Dinge einfach nicht wollen! Ich stimme Herrn Dresbach zu, der sagt: Es ist in die Hand unserer Demokratie gegeben, es ist Sache unserer demokratischen Verantwortung, hier das Nötige zu tun.
Gestatten Sie jetzt eine Frage, Frau Kollegin?
Frau Kollegin, Sie sagen, bei solchen Treffen an der Zonengrenze bestehe die Gefahr, daß kommunistische Einflüsse von jenseits sich geltend machen. Sind Sie dann nicht auch der Meinung, daß es Pflicht des Niedersächsischen Innenministers gewesen wäre, dieser Gefahr zu begegnen und dafür zu sorgen, daß das Treffen nicht in Goslar stattfand, noch dazu, da die Gegend mit dem Andenken an die „Harzburger Front" belastet ist?
Herr Kollege Arnholz, ich will Ihnen darauf ganz freimütig antworten. Ich bin der Meinung, es wäre vielleicht besser vermieden worden. Aber auf der anderen Seite sollten wir uns doch alle in der Freude darüber finden, daß nun aus der ganzen Goslarer Veranstaltung eben nicht das gemacht worden ist, was gewisse Kreise daraus machen wollten; und ich meine, das Positive sollte stärker sein als das Negative.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete Wolff!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich weiß von der Kollegin Dr. Brökelschen, daß sie Demokratin ist. Aber ich weiß auch, daß in Goslar nicht immer alle Menschen die Winke des Schicksals richtig verstanden haben und daß aus dem Nichtverstehen dieser Dinge manchmal etwas geworden ist, was besser vermieden worden wäre. Wir brauchten uns heute nicht den Kopf zu zerbrechen über das Heer der Elenden, das wir haben, wir brauchten uns nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, woher wir die Mittel aufbringen, um wiederaufzubauen, was zertrümmert worden ist, und wir hätten auch nicht nötig, uns Sorgen um eine Wiedervereinigung in Deutschland zu machen, denn Deutschland wäre nicht gespalten worden, wenn diese Dinge in den kleinen Anfängen in der Weimarer Zeit bereits erkannt worden wären.
Was ich zu sagen habe, gehört sicherlich nicht unmittelbar zu der Debatte über das Versammlungsgesetz. Aber ich fühle mich verpflichtet gegenüber der Bevölkerung, gegenüber den Menschen hinter dem Eisernen Vorhang und gegenüber dem Ausland, als Frau auch einmal etwas anderes zu sagen als zu bagatellisieren, wie das hier besonders von dem Herrn Kollegen von der
Deutschen Partei geschehen ist. Ich bin ein alter Mensch, der zwei Weltkriege und all das wissend als Mensch miterlebt hat, was in so kleinem Maße begonnen hat. Als zum erstenmal der „Stürmer", die Zeitung des Herrn Streicher, erschien, da haben wir Demokraten gelächelt und haben gesagt: ein verrückter Schulmeister mehr, der eine Zeitung herausgibt. Aber es hat nicht lange gedauert, dann ist uns das Lächeln vergangen, und als das Ende kam, da wußten wir, was wir versäumt haben.
Herr Kollege Dresbach, ich weiß, welch ein guter Demokrat Sie sind. Ich weiß, wie viele gute Demokraten in allen Parteien des Bundestages an maßgebender Stelle sitzen. Aber ich weiß auch, daß bei manchem Menschen an maßgebender Stelle das Gefühl für die Demokratie noch nicht so stark verinnerlicht ist, daß er weiß, was er zu tun hat, wenn gegebenenfalls von ihm das Einschreiten verlangt wird.
Der Herr Kollege von der Deutschen Partei sagte, wir sollen nicht mit Kanonen nach Spatzen schießen. So habe ich das auch im Jahre 1924 gehört. Damals hat man auch gesagt: Da schießen die Sozialdemokraten mit Kanonen nach Spatzen. Vielleicht wäre es besser, ein Mittel zu erfinden, nach den Spatzenhirnen zu schießen, um ihnen den nötigen Geist und das nötige Auffassungsvermögen zu bringen. Dann wäre es im ganzen gesehen besser.
Der Herr Kollege sagte dann weiter, daß Geduld die Sprache der Götter sei. Ich weiß nicht, ob die Sprache von Zeus und Wotan, die von gewissen Kreisen übernommen worden ist, sosehr geduldig gewesen ist. Ich habe eine andere Lesart gehört.
— Ja, sehen Sie, mit Zitaten kann man aber keine Politik machen, verehrter Herr Kollege. Wenn man Demokrat ist, dann muß man mißtrauisch sein; denn Mißtrauen ist nach dem Erleben, das wir in Deutschland gehabt haben, die erste Tugend des Demokraten.
Ich meine, wenn man auch die Dinge außerhalb dieser Versammlungen und dieser Reden sieht, dann muß man doch Sorge haben, wenn man feststellen kann, daß heute in Deutschland eine Zeitung wie die „Anklage" — ich weiß nicht, ob sie Ihnen nahesteht —
in jedem Artikel Rassenhaß, Klassenhaß und auch Haß gegen die Demokratie zum Ausdruck bringt. Wohin das geführt hat, das möchte ich Ihnen sagen: zu den Gefangenenlagern, in denen heute noch unsere Menschen schmachten, zu den Fronten, an denen Millionen von Menschen verblutet sind, zu den Konzentrationslagern, wo Millionen umgekommen sind. Und gerade wir Frauen und Mütter sind die Leidtragenden bei all diesem Geschehen. Darum sollten wir nicht sagen, daß wir diesen Dingen mit Geduld entgegensehen sollen, sondern wir wollen sagen: Wir sind verantwortlich. Wenn ich mich in den Verwaltungen umblicke und manche Herren in maßgebender Stellung sehe, wundere ich mich nicht, wie lau man innerlich zur Demokratie steht, wenn man sich auch äußerlich als Demokrat gibt. Man kann schwarze Haare blond färben; aber nach
kurzer Zeit kommt der schwarze Schein wieder durch. So ist es auch mit manchem Demokraten, der heute in maßgebender Stellung sitzt und noch lange nicht vergessen hat, in welcher Wiege er gelegen hat und in welcher Form von Erziehung er groß geworden ist.
Ich habe nur eine Mahnung, meine Herren und Damen hier im Bundestag und meine Herren von der Bundesregierung: In unsere Hand ist es gelegt; an der Schwäche der Demokratie erstarken diese Kreise.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Mattick.
Meine Damen und Herren! Ich bitte für eine halbe Minute um Geduld. Ich wollte dem Herrn Dr. Brühler mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten noch ein Zitat bringen, eine Erklärung des Brandenburgischen Landesverbands des Stahlhelms e. V. aus dem Jahre 1928:
Wir hassen mit ganzer Seele den augenblicklichen Staatsaufbau, weil er uns die Aussicht versperrt, unser geknechtetes Vaterland zu befreien, das deutsche Volk von der erlogenen Kriegsschuld zu reinigen, den notwendigen Lebensraum im Osten zu gewinnen. Kampf dem System, das den Staat von heute regiert! Kampf denen, die dieses System durch Kompromisse stützen!
Das ist die „Aufbauarbeit" des Stahlhelms aus der Zeit vor 1933, Herr Dr. Brühler!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern. Ich hoffe, es ist das Schlußwort in dieser Debatte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beschäftige mich vorweg mit zwei Einzelfragen, die in der Debatte aufgetreten sind. Die eine ist, ob sich die Regierung des Landes Niedersachsen bei der Abwicklung des Goslarer Treffens richtig verhalten habe oder nicht. Es steht mir anhand des Berichts, den ich bekommen habe, nicht zu, eine Kritik an dem Verhalten der Organe in Niedersachsen zu äußern. Ich darf aber dem Hohen Hause vielleicht doch einmal folgendes klarzumachen versuchen. Dieser Bericht läuft darauf hinaus, daß die zuständigen Stellen von einer begrenzten Überschreitung des Uniformverbots am ersten Tage einer zweitägigen Veranstaltung keinen unmittelbaren Eindruck gehabt, sondern erst später Kenntnis bekommen hätten. Soviel steht fest, daß am nächsten Tag sowohl die Leitung des Stahlhelm als auch alle anderen Stellen alles Notwendige getan haben. Wenn irgendeine Kritik zu üben ist, kann sie sich nur auf den ersten Tag der Veranstaltung beziehen. Wie gesagt, möchte ich mich hier dieser Kritik enthalten.
Es ist dann gefragt worden — ich glaube, es war von Herrn Kollegen Dr. Friedensburg —, wie es mit der Zulassung von Jugendorganisationen für das ganze Bundesgebiet im Sinne des § 3 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes stehe. Es gibt bisher noch keine Zulassung nach dieser Bestimmung. Es schwebt aber ein Verfahren, das sich auf die Scharnhorst-Jugend bezieht. Dieserhalb laufen Be-
sprechungen mit den Ländern. Die Sache ist noch nicht abgeschlossen. Ich beantworte die Frage also negativ.
Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Mattick hat mir mit seinen letzten Ausführungen, worin er den Stahlhelm aus dem Jahre 1928 zitiert hat, wirklich das eindruckvollste Stichwort gegeben.
In dieser Debatte, meine Damen und Herren, sind gelegentlich Erinnerungen an die Weimarer Zeit aufgekommen, eine Zeit, deren Abschluß nun nicht weniger als 22 Jahre hinter uns liegt und die, wie die Debatte zeigt, doch einen tiefen Eindruck und auch eine Lehre hinterlassen hat. Aber unsere heutigen Verhältnisse mit der Weimarer Zeit und Entwicklung zu vergleichen, geht aus zwei Gründen sicherlich fehl. Zum ersten befinden wir uns in einer ganz anderen geschichtlichen Situation, zum anderen haben wir eine ganz andere Struktur des Grundgesetzes. Ich will dafür nicht gerade den Ausdruck „militante Demokratie" verwenden, einen Ausdruck, der oft gebraucht wird. Aber soviel ist doch ganz sicher, daß heute Ausführungen des Stahlhelm oder irgendeiner anderen Organisation, wie sie der Herr Kollege Mattick uns aus dem Jahre 1928 gerade vorgelesen hat, ein bares Unding wären, daß es überhaupt keine Organisation gibt, die wagen könnte, heute etwas Derartiges zu schreiben. Meine Damen und Herren, Sie werden die Richtigkeit der Behauptung, die ich gerade aufgestellt habe, zugeben müssen, und das allein zeigt deutlicher als alles andere, daß wir uns in einer ganz anderen Lage befinden.
Ich darf das Hohe Haus vielleicht an einige Tatsachen erinnern. Ich darf daran erinnern, daß wir es gewesen sind, oder ich kann sagen: daß meine Vorgänger es gewesen sind, die zum erstenmal in der deutschen Parteiengeschichte das Verbot einer Partei erreicht haben, nämlich der Sozialistischen Reichspartei. Ich darf daran erinnern, daß ein zweites Verfahren dieser Art vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der KPD läuft. Ich hoffe, daß dieses Verfahren recht bald abgeschlossen sein wird. Ich kann nur sagen, wir werden jeder Organisation, die einen Verstoß gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung darstellt, dasselbe Schicksal bereiten. Ich sage das ohne jedes Pathos, ohne jede Übertreibung. Das ist unsere Absicht, das sind unsere Möglichkeiten, und so werden wir verfahren. Es wird also keine „Privatarmeen" in Deutschland geben, die sich gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung betätigen könnten, sondern diese freiheitlich-demokratische Grundordnung wird im Rahmen des Grundgesetzes nachdrücklich geschützt und verteidigt.
Meine Damen und Herren, ich glaube, man darf nicht übersehen, wenn man alle Vorfälle, die hier zur Sprache gekommen sind, wirklich richtig würdigen will, daß der entscheidende Erfolg der Politik der Bundesregierung seit 1949 darin liegt, daß sie einen wirtschaftlichen und sozialen Zustand herbeigeführt hat, der die Spannungsmöglichkeiten, die sich in erster Linie aus der Not ergeben haben und ergeben würden, weitgehend verringert hat. Ich möchte mich aber nun nicht zu einer Auffassung bekennen, die sich lediglich auf die wirtschaftliche und soziale Situation verläßt, sondern ich glaube, daß ebenso wichtig war und in Zukunft in zunehmendem Maße sein wird die Erziehung zu den Wertvorstellungen, die unser Grundgesetz verkörpert, d. h. zu den Wertvorstellungen der persönlichen Freiheit, des Verantwortungsbewußtseins, der Rechtsstaatlichkeit, der sozialen Gesinnung und der internationalen Verständigungsbereitschaft.
Aber wenn wir innenpolitische Vorgänge in Deutschland würdigen wollen, dürfen wir dabei nicht die Tatsache übersehen, daß in einem Teil unseres Vaterlandes eine konsequente Sowjetisierungspolitik betrieben wird und daß unsere ungelöste nationale Frage eine schwere Hypothek für die Entwicklung eines stabilen Staatsgefühls ist. Ich glaube, in diesem Licht betrachtet, würde die Übertreibung innerdeutscher Vorgänge geringeren Umfangs eine doppelte Gefahr darstellen. Sie würde auf der einen Seite eine ganz ungewollte Propaganda für die betreffende Sache darstellen, und sie würde zum anderen zu einer Vergröberung durch das Ausland führen, in dem verständlicherweise noch viele Vorurteile gegen uns bestehen.
Ich bin daher der Meinung, meine Damen und Herren, daß all den erörterten, wie ich glaube, begrenzten, in ihrem Umfang geringfügigen Erscheinungen nur entgegengetreten werden kann durch eine angemessene Dosierung der Mittel, durch eine Wahl des richtigen Zeitpunkts und durch die Vermeidung unnötigen Aufsehens. Ich glaube, daß die Begünstigung des Schrumpfungs- und Austrocknungsprozesses gewisser unerwünschter Gruppen oder Einrichtungen meist wesentlich wirkungsvoller ist als die öffentliche Plakatierung oder geräuschvolle, organisierte Gegendemonstrationen.
Ich bin gefragt worden, ob die Absicht bestehe, ein — wenn ich mich einmal so einfach ausdrücken soll — Pensionsentziehungsverfahren gegen den ehemaligen Generalfeldmarschall Kesselring einzuleiten. Dazu möchte ich sagen: Die Bundesregierung beschäftigt sich anläßlich eines niedersächsischen Falles, der vor etwa einem Jahre Gegenstand einer Diskussion in diesem Hause gewesen ist, ernsthaft mit der Frage, ob die Voraussetzungen, die nach dem Gesetz zur Ausführung des Art. 131 des Grundgesetzes für die Entziehung der Pension aufgestellt sind, einer Änderung bedürfen. Ich kann dem Hohen Hause sagen, ohne daß ich hier nun einen abschließenden Bericht darüber geben möchte — die Notiz haben Sie in der Zeitung gefunden —, daß das Disziplinarverfahren gegen Herrn Diels in Niedersachsen damals nicht zur Durchführung gekommen ist aus der Erwägung heraus, daß zwar Verfehlungen vorliegen, daß aber diese Verfehlungen bei einem Beamten im aktiven Dienst nicht ausreichen würden, ihn aus dem Dienst zu entfernen. Die Frage ist also, ob gewissen Gruppen von Pensionären — wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf — tatsächlich eine etwas differenzierte Betrachtung zuteil werden müßte; ein sehr schwieriges Problem, wie Sie von vornherein zugeben werden, ein Problem, mit dem wir uns befassen und das in den zuständigen Ausschüssen des Hohen Hauses vielleicht in der nächsten Zeit einmal erörtert werden kann.
Nun der Tenor dessen, was ich hier zum Ausdruck bringen möchte: Ich glaube, daß wir bewiesen haben — und wir sind bereit, es jederzeit wieder zu beweisen —, daß uns die Wahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ganz besonders am Herzen liegt, daß deswegen ein Vergleich mit der Zeit von Weimar und ihrem Fehlschlag eine historisch gänzlich falsche Parallele darstellen würde. Wir sind nicht geneigt, irgend etwas zu leicht oder auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber ich glaube, daß demonstrative große Akte wie das Parteiverbot, das ich vorhin behandelt habe, sicherlich eindrucksvoller sind
als kleine Einzelmaßnahmen, deren Erörterung, möglicherweise ihre Vergröberung. Die Länder haben berichtet, daß die rechtlichen Maßnahmen, die in dem Versammlungsgesetz vorgesehen sind, ausreichen, um dieser Tatbestände Herr zu werden. Ich habe mich für die Bundesregierung der Auffassung angeschlossen, daß derzeit eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes oder dergleichen nicht notwendig erscheint.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Frage Herr Abgeordneter Arnholz!
Herr Bundesinnenminister, würden Sie als oberster Vorgesetzer eines polizeilichen Vollzugsorgans, wenn es zur Aufrechterhaltung der Ordnung eingesetzt wäre, nicht verlangen, daß es in Fällen, in denen offensichtlich Uniformen und Stahlhelme getragen werden, dagegen einschreitet?
Die zweite Frage: Würden Sie, wenn Sie Landesinnenminister wären, in dem Falle, daß, wie in Goslar, ein erheblicher Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorliegt, nicht dafür sorgen, daß dieser Verstoß strafrechtlich verfolgt würde?
Herr Kollege, ich glaube, ich kann die Frage ganz klar beantworten. Es ist selbstverständlich Pflicht aller polizeilichen Organe, auf die Einhaltung der Bestimmungen des Versammlungsgesetzes zu sehen. Ich glaube, das ist eine ganz eindeutige Erklärung.
Zu dem zweiten Teil kann ich nur sagen: Die Prüfung der Vorgänge an Ort und Stelle, etwa ihre disziplinarische Untersuchung, kann nach unserem Grundgesetz allein Sache der Niedersächsischen Landesregierung sein. Die Niedersächsische Landesregierung hat mir die Unterrichtung zuteil werden lassen, die ich die Ehre hatte dem Hause vorzutragen. Es steht mir nicht zu, etwa zu untersuchen, ob dort alles geschehen sein mag, was hätte geschehen können. Ein Urteil darüber kann man aber nur dann haben, wenn man in eine eigene Untersuchung der Vorgänge an Ort und Stelle eintreten könnte. Dies zu tun ist heute unmöglich und uns nach dem Grundgesetz versagt. Ich habe aber keinen Anlaß, den Bericht der Niedersächsischen Regierung auf der Basis der Tatsachen, wie sie sie mitteilt und darstellt, als nicht befriedigend zu bezeichnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist der Punkt 1 der heutigen Tagesordnung erledigt.
Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs einer Dritten Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksache 1683).
Hierzu war unmittelbare Überweisung an den Haushaltsausschuß vereinbart. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Durchführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes .
Vereinbarungsgemäß soll auf Begründung und auf Debatte in erster Lesung verzichtet werden. Es wird vorgeschlagen zu a) Überweisung an den Haushaltsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen — mitberatend —; zu b) Nr. 1 Überweisung an den Haushaltsausschuß, Nrn. 2 und 3 Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; dann ist so beschlossen.
Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit über den Antrag der Abgeordneten Wacher (Hof), Höcherl, Unertl und Genossen betreffend Zweimarkstücke (Drucksachen 1689, 1084).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Thieme.
— Ist das Haus damit einverstanden, daß auf Mündlichen Bericht verzichtet wird? — Das ist der Fail. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Bericht des Ausschusses auf Drucksache 1689 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Mensing und Genossen betreffend Durchführung von Betriebsprüfungen und Steuerfahndungen durch die Finanzämter .
Ich unterstelle, daß Herr Abgeordneter Mensing selbst begründen will. — Ich erteile ihm das Wort.
Mensing , Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich bedaure, daß dieser Antrag nicht schon anläßlich der Steuerdebatte zur Beratung gestellt wurde.
Er ist entstanden auf Grund der vielen Beschwerden von Staatsbürgern, die sich durch die Methoden der Steuerfahndung und -prüfung mit Recht verletzt fühlen. Es ist irreführend, wenn anläßlich der Auseinandersetzungen über die Betriebsprüfungen und Steuerfahndungen vor etwa Jahresfrist von höchsten Stellen der Finanzbehörden des Landes Niedersachsen in der Öffentlichkeit der Eindruck hervorgerufen wurde, daß die Aktion den Zweck habe, sich schützend vor Steuerdrückeberger zu stellen. Zur Abwehr dieser Aktion wurden damals eine ganze Anzahl Fälle der Öffentlichkeit übergeben, Fälle, die sich ausschließlich auf die Großwirtschaft bezogen und mit der Aktion, die wir in Niedersachsen entfacht hatten, uns schützend vor die
Klein- und Mittelbetriebe der gewerblichen und bäuerlichen Wirtschaft zu stellen, überhaupt nichts zu tun hatten.
Aus einem Vortrag, den der Ministerialdirigent des niedersächsischen Finanzministeriums gehalten hat, kann entnommen werden, daß sich bei der Finanzverwaltung die Erkenntnis Bahn bricht, daß diese des Vertrauens der Steuerpflichtigen dringend bedarf.
Kerngrundsatz in einem demokratischen Staat ist: Es muß Gerechtigkeit herrschen. Die bisherige Steuergesetzgebung ist ungerecht. Der Bund hat in der Steuergesetzgebung sehr vieles nachzuholen. Die Klein- und Mittelbetriebe haben nicht die Möglichkeit gehabt wie die Großbetriebe, entsprechende Abschreibungen vorzunehmen. Das hat natürlich in den Kreisen des gewerblichen und bäuerlichen Mittelstandes viel Verärgerung hervorgerufen. Hinzu kommt, daß alle möglichen Gerüchte herumschwirren. So wäre es für uns überaus interessant, einmal zu erfahren, ob es zutrifft, daß die Beförderung von Beamten von der Erfolgsstatistik abhängig ist, die sie aufzuweisen haben. Ich will nicht auf die jetzige Steuergesetzgebung eingehen, die es ja den mittelständischen Kreisen unmöglich macht, sich eine Lebensrente zu verdienen. Um so härter wird es für diese Kreise, wenn sie sehen und feststellen, daß sie von der Prüfung und Fahndung besonders heimgesucht werden.
Außerdem frage ich: Sind an Denunzianten von seiten der Finanzämter Gelder gezahlt worden?
Mir ist bekannt, daß vom Finanzministerium eines Landes zugegeben wurde, daß die Mitteilung eines Dritten, sogenannten Denunzianten, über Steuervergehen an das Finanzamt honoriert wurde.
Das Klima zwischen Finanzbehörde und Steuerzahler muß auf jeden Fall verbessert werden. Die Angstpsychose der Steuerzahler vor den Finanzämtern muß aufhören. Wie groß die Angst der Steuerzahler ist, mögen Sie daraus erkennen, daß mir eine ganze Anzahl Unterlagen mit der Bitte, davon Gebrauch zu machen, zur Verfügung gestellt wurden, daß aber die Betreffenden schon nach einigen Tagen völlig demoralisiert zurückkamen und baten, ihnen die Unterlagen wieder auszuhändigen, wobei sie bemerkten, sie handelten unter dem Druck ihrer Familienangehörigen, die Angst hätten, daß ihnen aus dem Verhalten ihres Familienoberhauptes irgendwelcher Schaden entstehen könnte.
Meine Aktion, die ich in Niedersachsen auslöste und die eine außerordentliche Unterstützung durch hervorragende Zeitungen, vor allem durch „Die Zeit" erfuhr, hat in den Amtsstuben der Finanzverwaltung eine starke Wirkung ausgelöst. Trotz des Protestes einer Anzahl von Finanzbehörden und einer Gruppe von Finanzbeamten darf man wohl sagen, daß die in Gang gebrachte Diskussion bereits eine reinigende Wirkung im Verhältnis zwischen Finanzverwaltung und Steuerzahler zur Folge gehabt hat, womit ein Hauptzweck dieser Aktion erreicht wurde.
Wenn in einem Vortrag eines höheren Beamter der Steuerverwaltung wörtlich ausgeführt wird, daß der private Aufwand der Steuerpflichtigen beobachtet wird, um daraus Schlüsse auf ihr Einkommen zu ziehen, oder wenn weiter gesagt wird, daß der Bau eines Hauses durch einen nicht buchführenden Landwirt Anlaß war, seinen Betrieb einmal unter die Lupe zu nehmen, dann sind das Dinge, die von uns abgelehnt werden müssen. Aus all diesen Erklärungen geht hervor, daß die Steuerbehörde Aufgaben übernommen hat, die mich und bestimmt viele Staatsbürger mit allergrößten Bedenken erfüllen.
Gern nehme ich zur Kenntnis, daß die Finanzbehörden in der Auswahl ihrer Prüfungs- und Fahndungsbeamten in Zukunft besonders vorsichtig sein wollen. Wenn der Steuerzahler empfindet, daß die Fahndungsbeamten charakterlich einwandfreie Männer sind, die sich nicht von Mißgunst und anderen Gefühlen leiten lassen, dann dürfte die Atmosphäre zwischen Finanzbehörde und Steuerzahler wesentlich besser werden. Ich bin wie bestimmt auch Sie alle jederzeit bereit, den Finanzbehörden hier in Wort und Schrift behilflich zu sein,
unter der Voraussetzung, daß man endlich aufhört, in den Steuerzahlern Schwindler und Drückeberger zu sehen.
Noch vor einiger Zeit habe ich erlebt, daß im Wirtschaftspolitischen Ausschuß ein Mitglied dieses Hohen Hauses einen höheren Ministerialbeamten der Finanzbehörde wegen seiner nicht mißzuverstehenden Äußerung, daß in den Steuerzahlern nur Schwindler und Drückeberger zu sehen seien, zurechtgewiesen hat.
Was für Auswüchse die Methoden der Finanzämter nach sich gezogen haben, beweist die groteske Mitteilung des Bundes der Steuerzahler, daß die Gemeinde von Kirchen-Wehbach eine Liste von Bürgern aufgestellt hat, die nach Ansicht der Gemeindeverwaltung zuwenig Steuern zahlen und wegen zu geringer Steuerzahlung überprüft werden müßten. Zur Ehre der Gemeinden möchte ich Ihnen aber auch ein Gegenstück zur Kenntnis bringen. In der Gemeinde Weede wurde auch ein Handwerksmeister von der Fahndung überprüft. Bei der Geschichte kam nichts heraus. Der Gemeindevorstand hat in einem Protestschreiben, das der Bürgermeister und sämtliche Gemeindevertreter unterschrieben haben, gegen eine derartige Methode Front gemacht.
Auch sollten sich die Finanzbehörden mit den üblichen Androhungen von Verzugszinsen und Zwangsmaßnahmen Beschränkungen auferlegen. Viel lieber wäre es den Steuerzahlern — fassen Sie dies bitte nicht etwa als agitatorische Redewendung auf —, wenn zuviel gezahlte Beträge an Steuern den Steuerpflichtigen auf schnellstem Wege zurückgezahlt würden. Man darf nicht über mangelnde Steuermoral klagen, wenn die Finanzbehörden nicht das gleiche Maß an Verpflichtungen übernehmen, das zu erfüllen von den Steuerzahlern verlangt wird.
Der Bundestag hat weiter die Pflicht, dafür zu sorgen, daß er sein Gesicht nicht verliert. Er kann unmöglich hinnehmen, daß Vertreter von Landesbehörden das Ansehen des Bundes bei den schwer gequälten Steuerzahlern mit der Behauptung in Mißkredit bringen, daß nicht die Länder verantwortlich seien, sondern der böse Herr Finanz-
minister des Bundes und die bösen Bundestagsabgeordneten, die diese Gesetzgebung verschuldet hätten. Das ist mit ein Grund, weshalb ich diesen Antrag gestellt habe, um auch der höchsten Finanzbehörde einmal die Möglichkeit zu geben, zu diesen Dingen klar Stellung zu nehmen. Wenn der Herr Finanzminister tatsächlich keinen Einfluß auf die Länder ausüben kann, so müßte es nach meiner Auffassung doch möglich sein, so viel Solidaritätsgefühl und Gemeinschaftsgeist aufzubringen, daß sich Bund und Länder zusammensetzen und versuchen, eine gemeinsame Linie herauszuarbeiten.
Den Betriebsprüfern und Steuerfahndern muß gesagt werden, daß bei den Klein- und Mittelbetrieben, sei es in formeller, sei es in materieller Hinsicht, nicht die gleichen Anforderungen an die Buchführung gestellt werden können wie bei einem Industriebetrieb. Denken Sie daran, daß ein Handwerker mit dem Hammer oder mit dem Meißel besser umzugehen versteht als mit der Feder. Hinzu kommt, daß diese Menschen und die Bauern im allgemeinen 12 bis 14 Stunden arbeiten müssen, und wenn sie sich dann in ihr Zimmer setzen, um ihre Aufzeichnungen zu machen, dann schlafen sie gewöhnlich dabei ein. Die Folge ist, daß nachher, wenn die Prüfung kommt, ihre Buchführung von vornherein zu den Akten gelegt und verworfen wird. Diese Mehrarbeit ist eine Tatsache, die Sie nicht abstreiten können. Nur durch diesen ungeheuren Einsatz der Familienmitglieder und durch diese Mehrarbeit ist es den meisten Betrieben überhaupt möglich, ihren Verpflichtungen nachzukommen.
Für diese Menschen wirkt sich gewöhnlich auch noch besonders ungünstig aus, daß die Finanzbehörden — wenn ich einmal meinen Beruf zugrunde lege — bei uns ein Reineinkommen ausrechnen, dessen Belastung zwischen 5 und 15 % liegt. Wir stellen immer fest, daß die Belastung der Einkommen bei den Großbetrieben mit ihren großen Abschreibungsmöglichkeiten nur 5 % beträgt, aber die Klein- und Mittelbetriebe durch ihre Mehrarbeit und weil sie die Abschreibungsmöglichkeiten nicht haben, 10, 12 und 15 % zu zahlen haben. Mit Recht sagen diese kleinen Leute, daß sie für ihre Mehrarbeit bestraft werden.
Weiter muß man in Betracht ziehen, daß die Kompliziertheit der Gesetzgebung es den Steuerexperten heute schon häufig schwermacht, sich durch das Labyrinth der Gesetzgebung hindurchzufinden. So wird man sich der Erkenntnis nicht verschließen können, daß die Stellung eines gewerblichen Mittelständlers gegenüber der Finanzgesetzgebung eine ungleich schwierigere ist als die des Steuerpflichtigen, der sich eine eigene Kassen- und Buchhaltungsabteilung leisten kann. Die Vielzahl der Steuergesetze ist so unübersichtlich, daß selbst die Fachleute der Finanzämter sehr oft keine genaue Auskunft geben können. Ein Betriebsprüfer, der mit beiden Beinen in der Welt steht und nicht wirtschaftsfremd ist, wird immer sagen müssen, daß er bei einem gewerblichen Mittelständler in steuerlicher und buchführungstechnischer Hinsicht nicht die gleichen Kenntnisse voraussetzen kann und darf, wie sie ein Steuerbeamter hat.
Als ein Beispiel dafür, daß sich die Finanzämter oft irren, will ich mich hier einmal mit Prüfungsergebnissen beschäftigen. Ich unterlasse es absichtlich - ich wurde darum gebeten —, Ihnen Einzelfälle der Steuerfahndung zur Kenntnis zu bringen; vielleicht bietet sich dazu bei den Ausschußberatungen Gelegenheit. Aber ich möchte Ihnen hier einmal folgende Zahlen zur Kenntnis bringen. Erster Fall: Nachforderungen 23 000 DM, endgültige Festsetzung 9600 DM. Zweiter Fall: Nachforderungen 42 000 DM, endgültige Festsetzung 2600 DM. Dritter Fall: Nachforderungen 28 000 DM, endgültige Festsetzung 2000 DM.
Erfreulich ist, daß die Finanzbehörden vor allem ihre Steuerfahndungsbeamten hinsichtlich ihres Auftretens einer Prüfung unterziehen wollen. Es kann den Fahndungsbeamten nicht angenehm sein, wenn die Steuerzahler Fahndungsbeamte und Betriebsprüfer mit Namen wie „Deisterschreck" und ähnlichen Kosenamen kennzeichnen. Ich begrüße es daher, daß von seiten der Finanzverwaltung versucht wird, um Verständnis zu werben, und Erklärungen abgegeben wurden, daß Härten beseitigt werden sollen. Diese Töne der Finanzbehörden stimmen versöhnlich und werden dazu beitragen, daß die Vertrauenskrise zwischen Steuerbehörde und Steuerzahlern behoben wird. Humanität und individuelle Behandlung sind notwendig. Ab sofort sollten deshalb unterbleiben: jegliche Drohung der Finanzverwaltung mit dem Staatsanwalt, jegliche Befragung von Minderjährigen über Steuerangelegenheiten ihrer Eltern, Lehrherren usw.
Ferner — das ist sehr wichtig — muß es untersagt sein, einen Steuerpflichtigen zur Unterschrift unter ein Unterwerfungsprotokoll zu veranlassen, bevor ihm nicht der Buch- und Betriebsprüfungsbericht schriftlich vorliegt. Es ist ihm eine entsprechende Frist einzuräumen, damit der Steuerpflichtige ohne seelische Not und ohne Drohung entscheiden kann, ob er das Unterwerfungsverfahren anerkennen will oder nicht. Es muß gefordert werden, daß jede, aber auch jede Beeinflussung, d. h. jeder Zwang, jede Drohung unterbleibt.
Ich hoffe, daß dieser Antrag den Herrn Bundesfinanzminister veranlassen wird, mit den Finanzbehörden der Länder Verhandlungen aufzunehmen, damit das Prüfungswesen, die Methoden der Steuerfahndung einer Revision unterzogen werden. Ich betone nochmals: es liegt mir fern, mich schützend vor Steuersünder zu stellen; ich verlange aber in einem demokratischen Staat Gerechtigkeit jedem einzelnen Staatsbürger gegenüber. Auch muß ich Unterstellungen zurückweisen, die den Anschein erwecken könnten, daß meine Ausführungen sich gegen den Berufsstand der Finanzbeamten wenden.
Ich bitte daher das Hohe Haus, den von meinen Freunden gestellten Antrag anzunehmen. Er lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht,
auf die Länder in geeigneter Weise einzuwirken, daß bei den Betriebsprüfungen und Steuerfahndungen in den kleineren und mittleren Betrieben der Struktur dieser Betriebe Rechnung getragen wird. Die Betriebsprüfungen und die Methode der Steuerfahndung haben zu Härten geführt, die im Interesse des Staates einer dringenden Abhilfe bedürfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann vom Bundesfinanzministerium.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Mensing hat in seinem Antrag ein Thema berührt, das mindestens bis vor einiger Zeit zu mancherlei schwierigen Auseinandersetzungen, auch in der Öffentlichkeit, geführt hat. Ich bitte, mir zu erlauben, hier einleitend zu bemerken: Der Herr Antragsteller hat seine Ausführungen nach meinem Gefühl von so hoher Warte, so überlegen und maßvoll gemacht, daß er mir damit die sonst vielleicht etwas schwierige Antwort sehr erleichtert hat. Ich glaube, gerade auch deshalb werden seine Ausführungen einen besonderen Widerhall in den Kreisen der Finanzbeamten finden, und darauf kommt es hierbei ja in allererster Linie an.
Der Herr Antragsteller hat in seinem Antrag einleitend gesagt, daß die Bundesregierung auf die Länder in geeigneter Weise einwirken solle. Damit ist die verfassungsmäßige Zuständigkeit schon klargestellt. Das Bundesfinanzministerium kann hier, was es bedauert, keine Anweisungen geben. Es kann nur mit den Finanzministerien der Länder verhandeln und die Tätigkeit der Finanzministerien der Länder, wie man zu sagen pflegt, koordinieren. Es kann seine Bemühungen darauf richten, daß in den Verwaltungen der Länder seinen Gesichtspunkten Rechnung getragen wird. Da es sich um Angelegenheiten der Länderverwaltung handelt, kann ich über die Beförderungsgrundsätze in den Finanzverwaltungen der Länder, die angesprochen wurden, keine Auskunft geben. Ich kann aber bemerken, daß die eben erwähnten Erfolgsvergütungen an sogenannte Vertrauenspersonen seit mehr als drei Jahren eingestellt worden sind. Dieser Punkt ist also seit längerer Zeit erledigt.
Zu der Gesamttendenz des Antrags möchte ich folgendes sagen: Das Bundesfinanzministerium ist gemeinsam mit den Finanzministerien der Länder laufend bemüht, die Methoden des Besteuerungsverfahrens einschließlich der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung auf die Einhaltung der rechtsstaatlichen Grundsätze zu überprüfen. Die Steuerbeamten werden immer wieder zu größtmöglicher Rücksichtnahme auf die Steuerzahler, insbesondere auf kleine und mittlere Betriebe und deren besondere Verhältnisse, sowie zur Höflichkeit angehalten. Darüber hinaus haben sowohl Finanzministerien der Länder wie wir mit den an den Steuerfragen besonders interessierten Kreisen unmittelbar Fühlung genommen und die Fragen der Durchführung des Besteuerungsverfahrens durchgesprochen. Ende des vergangenen Jahres hat das Bundesfinanzministerium an der Finanzakademie in Siegburg eine besondere Tagung über diese Fragen veranstaltet, wobei gerade die Methoden der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung im Vordergrund standen. Wir waren uns damals darüber einig, daß das bestehende Verfahren im allgemeinen funktioniert, daß aber immer wieder auf die Notwendigkeit eines taktvollen, objektiven, nicht kleinlichen Verhaltens der Steuerbeamten hingewiesen werden muß. Eine solche Tagung wie die in Siegburg wollen wir in einiger Zeit wiederholen.
Was die einzelnen Vorkommnisse betrifft, die der Herr Abgeordnete Mensing hier nicht im einzelnen dargelegt hat, die aber in der Öffentlichkeit häufig erörtert wurden, so sind die Länderministerien und wir den Vorfällen nachgegangen, die im übrigen seit den beiden Steuersenkungen der Jahre 1953 und 1954 nicht mehr in dem Maße wie früher von sich reden gemacht haben. Bei diesen Überprüfungen hat sich im allgemeinen ergeben, daß der tatsächliche Sachverhalt in der Öffentlichkeit nicht immer objektiv dargestellt worden ist, daß die Vorwürfe gegen Finanzbeamte zum Teil aufgebauscht oder zum Teil auch überhaupt nicht begründet waren. Es hatte sich dabei auch um Steuerpflichtige gehandelt, die sich zum Teil schwerer Steuervergehen schuldig gemacht haben. Der Herr Abgeordnete Mensing hat ja mehrfach betont, daß er solche Dinge überhaupt nicht decken will und daß sie nicht Gegenstand seines Antrags sind.
Ganz allgemein möchte ich sagen, daß das Bundesfinanzministerium in seinem Bestreben nicht nachlassen wird, eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen den Steuerpflichtigen und den Finanzämtern zu schaffen. Die Finanzämter sind nach unserer Ansicht keine Kriminalbehörden, sondern ganz normale Verwaltungsinstitutionen, die gemeinsam mit dem Steuerpflichtigen, dem Staatsbürger, die bestehenden, vom Parlament erlassenen Gesetze durchzuführen haben. Sie haben sie durchzuführen gerecht, unparteiisch und mit wirtschaftlichem Verständnis. Schließlich ist es ja das Verdienst des früheren Reichsfinanzhofs, daß er entgegen einer manchmal formalistischen und engen juristischen Betrachtungsweise schon vor etwa 30 Jahren die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Steuerrecht entwickelt hat.
Was die Vereinfachung der Steuergesetzgebung betrifft, die den kleinen und mittleren Steuerpflichtigen besonders am Herzen liegt, so darf ich vielleicht in die Erinnerung zurückrufen, daß es gerade bei den Steuersenkungen in den Jahren 1953 und 1954 das Bestreben gerade des Bundesfinanzministeriums war, all die vielerlei Steuervergünstigungen restlos zu beseitigen, die das Steuerrecht erst so kompliziert und unübersichtlich gemacht haben. Wir sind bei diesem unserem Bestreben im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht zu einem vollen Erfolg gekommen. Ich darf hoffen, daß uns, wenn wieder einmal Steuergesetze hier Gegenstand der Beratung sind, in Verfolg dieses Antrags Mensing dann auch das Hohe Haus bei unserem Bestreben, komplizierte einzelne Steuervergünstigungen zu beseitigen, recht kräftig unterstützt.
Zum Schluß darf ich noch sagen, daß sich vielleicht, wenn der Antrag, wie das vorgesehen ist, dem Finanz- und Steuerausschuß überwiesen wird, Gelegenheit bietet, das dort etwa vorgebrachte Einzelmaterial zu erörtern. Ich hoffe, daß auch die Länderfinanzministerien ohne Rücksicht auf etwaige verfassungsrechtliche Bedenken in der Lage sein werden, das Material für eine solche Einzelerörterung im Finanz- und Steuerausschuß beizubringen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Corterier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den sympathischen Ausführungen des Herrn Staatssekretärs und nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Mensing, die er sicherlich bewußt sehr maßvoll gehalten hat, darf ich etwas Grundsätzliches zu der Sache sagen. An sich enthält der Antrag, der hier vom Herrn Kollegen Mensing eingebracht worden ist, nichts anderes als die Forderung, die steuerliche Betriebsprüfung und die Steuerfahndung mit gesundem Menschenver-
stand durchzuführen. Insofern kann dieser Antrag von jedem Mitglied des Hauses nur bejaht werden. Andererseits ist es natürlich schwer, eine solche Forderung in eine bestimmte Form zu kleiden. Sie sollte an sich ein ungeschriebenes, selbstverständliches Gesetz für die Arbeit aller Betriebsprüfer und aller Steuerfahnder sein. Es besteht wohl kein Zweifel darüber, daß angesichts der besonderen Lage der deutschen Steuergesetzgebung Betriebsprüfungen notwendig und daher leider hie und da auch Steuerfahndungen unvermeidlich sind.
Hinzu kommt die Unübersichtlichkeit der Steuergesetzgebung, die die Ausführung der Gesetze sowie ihre Befolgung durch die Pflichtigen oft sehr erschwert. Daraus können sich ebenfalls Schwierigkeiten ergeben, die irgendwie nachgeprüft werden müssen. Sowohl die Steuerpflichtigen wie auch die Finanzämter könnten ungeheuer viel besser, schneller und einfacher arbeiten, wenn wir in unserem Steuersystem nicht so unendlich viel schwierige Bestimmungen hätten, die es z. B. — und da hat der Herr Kollege Mensing vollkommen recht — einem normalen Handwerksmeister allein unmöglich machen, seine steuerlichen Verpflichtungen allein zu erfüllen und allen Auflagen des Staates zu entsprechen, ohne dazu fremde sachverständige Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aber schon der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verlangt eine periodische Nachprüfung; denn es wäre eine absolute Ungerechtigkeit, wollte man auf der einen Seite das Steuersoll von vornherein abziehen und einbehalten — nämlich bei den Lohn- und Gehaltsempfängern — und sich auf der anderen Seite mit einer Selbsteinschätzung begnügen, die nicht von Zeit zu Zeit auf ihre Richtigkeit hin nachgeprüft wird.
Der vorliegende Antrag beschränkt sich bewußt auf einen bestimmten Kreis, nämlich die kleinen und mittleren Betriebe. Es erscheint mir daher notwendig, einmal zu untersuchen, ob hier wirklich Mängel, und zwar grundsätzlicher Art, aufgetreten sind. Ich habe festgestellt, daß der Kreis der Betroffenen keineswegs gering ist. Nach dem Statistischen Jahrbuch des Jahres 1953 bestanden am 13. September 1950 in der Bundesrepublik rund 2 200 000 nichtlandwirtschaftliche Arbeitsstätten mit rund 15 Millionen Beschäftigten. Davon waren rund 851 000 Betriebsstätten mit einem Beschäftigten, rund 960 00 Betriebsstätten mit 2 bis 4 Beschäftigten und rund 250 000 Betriebsstätten mit 5 bis 9 Beschäftigten. Daraus ist ersichtlich, daß der Anteil der kleinen und mittleren Betriebe an allen Betriebsstätten überhaupt sehr hoch ist.
Grundsätzlich sind die gesetzlichen Bestimmungen für alle gleich, und es wird auch kein Unterschied zwischen einem Großbetrieb und einem Kleinbetrieb gemacht. In der Praxis ist es aber doch so — auch da bin ich mit Herrn Kollegen Mensing durchaus einer Meinung —, daß sich dieses gleiche Recht tatsächlich nicht gleichmäßig auswirkt. Insofern entbehrt der vorliegende Antrag nicht einer gewissen Berechtigung.
Die Voraussetzung für die Heranziehung zur Besteuerung der selbständig und gewerblich Tätigen ist nun einmal die Buchführung des Betriebes. Herr Kollege Mensing hat nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, daß es häufig vorkommt, daß der Betriebsinhaber gerade dieser kleinen und mittleren Betriebe diese Arbeit selbst verrichten muß, weil die Arbeit eben keinen Gehilfen verträgt. Oftmals ist er allein aus Zeitgründen gar nicht dazu in der Lage. Er braucht nicht unbedingt jedesmal dabei einzuschlafen; aber häufig ist es natürlich so. Selbstverständlich ergeben sich eine ganze Reihe von Schwierigkeiten aus der Buchführungspflicht. Die Buchführung ist nun einmal die Grundlage für die Veranlagung zu den Ertragsteuern, und naturgemäß spielt sie auch bei anderen Steuern eine Rolle. Da sind die kleinen und mittleren Betriebe im Nachteil gegenüber den Großbetrieben, weil sie die bekannte Ordnungsmäßigkeit der Buchführung eben nicht immer nachweisen können, woraus sich eine ganze Reihe von Nachteilen für sie ergibt. Während es bei einem Großbetrieb z. B. fast unmöglich ist, dessen Buchhaltung auf Grund formeller Verstöße, auf Grund formeller Unrichtigkeiten zu verwerfen, ist es bei dem kleineren und mittleren Betrieb nahezu die Regel, wenn die Prüfer da auf irgendwelche Dinge stoßen, die nicht ganz in Ordnung sind. Wenn die Buchführung aus formalen Gründen verworfen wird, weil die sogenannte Ordnungsmäßigkeit nicht besteht, erfolgt eine Schätzung des steuerlichen Gewinnes. Diese Gewinnschätzung hat natürlich alle Nachteile, die eine Schätzung mit sich bringt.
Die ordentliche Buchführung, wie die Gesetze sie vorschreiben, ist zwar nicht allein, aber doch weitgehend die Grundlage für die Besteuerung. Hinzu kommt, daß an diese Ordnungsmäßigkeit eine ganze Reihe von Steuervergünstigungen gebunden sind. In den Fällen, wo diese Ordnungsmäßigkeit nicht besteht, geht der Steuerpflichtige auch dieser Vergünstigungen verlustig, und er kommt oft in erhebliche Schwierigkeiten. Man hat die Bestimmungen über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, wenn die Steuervergünstigungen gewährt werden sollen, in den Einkommensteuerrichtlinien festgelegt und sich dabei im wesentlichen auf das grundlegende Urteil des Bundesfinanzhofes vom März 1952 bezogen. Nun ist es allerdings so, daß diese Dinge fließend sind, daß die Rechtsprechung nicht immer gleich ist, daß sie sich fortentwickelt und daß sich daraus weitere Schwierigkeiten ergeben.
Man hat z. B. gerade bei der Anerkennung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung in bezug auf die Gewährung von Steuervergünstigungen zunächst einen sehr großzügigen Rahmen angelegt. Dieser wurde aber später eingeengt. Je enger dieser Rahmen gezogen wird, desto schwerer wird es natürlich für die kleinen und mittleren Betriebe, diese Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen, weil sie, wie schon ausgeführt, auf Grund ihrer besonderen Situation nicht in der Lage sind, alle diese formalen Voraussetzungen in dem Maße zu erfüllen, wie es den Großbetrieben ohne weiteres möglich ist. Leider ist die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nachgerade eine Ermessensfrage geworden. Dadurch sind diese Dinge für die Rechtsprechung sehr schwierig geworden. Diese Fragen sind vor allen Dingen deswegen so schwierig, weil der kleine und mittlere Betrieb nicht über die nötigen Hilfsmittel und Hilfsquellen verfügt, um immer auf dem laufenden zu sein und immer die letzten Rechtsentscheidungen zu kennen.
Ich sagte eingangs schon, daß die Betriebsprüfung und in besonderen Fällen auch die Steuerfahndung nicht zu entbehren sind, und zwar deswegen, weil sie eine selbstverständliche Voraussetzung für das Funktionieren unseres Steuer-
systems sind. Man muß dabei aber versuchen, erkannte Fehler auszumerzen; man muß versuchen, Schwierigkeiten auszuräumen, die bei der Durchführung dieser staatlichen Aufgaben hier und da aufgetreten sind. Eine besondere Fehlerquelle ist vielleicht darin zu suchen, daß man dem Prüfer oft eine Aufgabe überträgt, der er nach seiner Ausbildung und seinen Erfahrungen nicht gewachsen ist. Man sollte deswegen fordern, daß als Betriebsprüfer und besonders als Steuerfahnder nur solche Beamten hinausgeschickt werden, die wirklich über eine gediegene Ausbildung und vor allen Dingen über die notwendigen Erfahrungen verfügen; denn gerade zu dieser Arbeit gehört neben dem fachlichen Können noch ein großes Maß an Einfühlungsvermögen, an Verständnis und an Kenntnis der persönlichen Anliegen der zu Prüfenden.
Ich glaube, wir dürfen nicht in den Fehler verfallen — auch der Herr Kollege Mensing hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das nicht geschehen dürfe —, die Beamten der staatlichen Finanzverwaltung in Bausch und Bogen dafür verantwortlich zu machen, daß hier und da tatsächlich Schwierigkeiten aufgetreten sind und sich einmal Fälle ereignet haben, die im Menschlichen, allzu Menschlichen liegen, die vielleicht auch entschuldbar sind, wenn man die besonderen Verhältnisse im Einzelfall kennt. Grundsätzlich möchte ich hier aussprechen, daß gerade die Angestellten und Beamten der Finanzämter und der Finanzbehörden seit dem Kriege und insbesondere seit der Währungsreform eine große Arbeit geleistet haben. Diese Arbeit war sicherlich nicht immer einfach. Sie war dadurch bestimmt, daß immer mehr Aufgaben gerade dieser Verwaltung zugewiesen wurden. Ich denke nur an die Währungsreform, an den Lastenausgleich, an die Soforthilfe und ähnliche Dinge mehr; es sind laufend neue Aufgaben auf diese Verwaltung zugekommen. Ich glaube, man darf feststellen, daß die Verwaltung diese Aufgabe bisher in hervorragender Weise gelöst hat.
Ich sagte vorhin, daß an die Prüfer besondere Anforderungen gestellt werden müssen. Ich glaube hinzufügen zu sollen, daß man hierzu überhaupt nur die besten und erfahrensten Beamten auswählen sollte, damit von vornherein eine gewisse Gewähr dafür gegeben ist, daß sich der Verkehr mit dem Steuerpflichtigen so abwickelt, wie wir das erwarten. Dabei ist es vielleicht auch nötig, daß die Prüfer und überhaupt die Finanzbeamten einsehen lernen — man stellt hier und da fest, daß es daran fehlt; es hängt zum Teil mit dem Mangel an Erfahrung, zum Teil aber auch mit der Denkart zusammen —, daß sie nicht nur fiskalisch, sondern darüber hinaus auch wirtschaftlich denken müssen. Nur dadurch wird der Prüfer in die Lage versetzt, die Prüfung so vorzunehmen, daß sie den besonderen Gegebenheiten eines Betriebes gerecht wird.
Ich habe den Eindruck, daß gerade hier den Angehörigen der steuerberatenden Berufe eine besondere Aufgabe zufällt. Sie dürfen sich nämlich nicht auf die reine Beratung beschränken, sondern müssen eine Mittlerrolle zwischen den beiden divergierenden Interessen, nämlich auf der einen Seite denen des Finanzamts und auf der andern Seite denen des Steuerpflichtigen, übernehmen.
Die Herren Antragsteller bemühen sich um eine Ordnung im Lebensbereich der Mittelschichten. Ich darf im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir dieses Anliegen durchaus anerkennen. Wir werden einer Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, falls sie beantragt wird, zustimmen und werden weiter an dieser Sache mitarbeiten, soweit es in unseren Kräften steht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung zu Punkt 5. Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen.
Federführend: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, mitberatend: Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes. Wer für diese Anträge ist, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Punkt 6:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes ;
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksache 1717).
Der Herr Berichterstatter verzichtet auf mündliche Berichterstattung. — Das Haus ist damit einverstanden. Wir treten in die zweite Lesung des Gesetzes ein. Ich rufe auf: Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig verabschiedet.
Ich eröffne die
dritte Beratung
des Gesetzes. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 7:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag vom 4. November 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Mexikanischen Staaten über den Schutz der Urheberrechte ihrer Staatsangehörigen an Werken der Tonkunst ;
Schriftlicher Bericht**) des Ausschusses für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Drucksache 1721).
Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Wagner . — Verzichtet das Haus? Soll nicht mündlich berichtet werden? Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall.
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 4.
Dann treten wir in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf: Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? - Nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung
des Gesetzes. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, möge sich bitte von den Plätzen erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 8:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Libanon vom 8. März 1955 auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ;
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Drucksache 1722).
*) Siehe Anlage 5.
Der Herr Berichterstatter ist der gleiche. - Er verzichtet auf mündlichen Bericht. - Das Haus genehmigt das.
Wir treten in die Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen! -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
des Gesetzes ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Da Änderungsanträge nicht vorliegen, komme ich zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich, bitte, von seinem Platz! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Da der Punkt 9 für heute abgesetzt ist, sind wir damit am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 105. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 12. Oktober 1955, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.