Protokoll:
18245

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 245

  • date_rangeDatum: 5. September 2017

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:21 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/245 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 245. Sitzung Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 Inhalt: Präsident Dr. Norbert Lammert . . . . . . . . . . . 25255 A Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Karin Binder, Klaus Brähmig, des Par- lamentarischen Staatssekretärs Peter Bleser, der Abgeordneten Axel Schäfer (Bochum), Helga Kühn-Mengel, Günter Baumann, Martin Patzelt und Dr. Hans-Peter Uhl . . . . 25257 D Begrüßung der neuen Abgeordneten Thomas Jepsen und Markus Uhl . . . . . . . . . . . . . . . . 25257 D Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25261 C Zur Geschäftsordnung Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25258 A Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . 25259 A Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 25260 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25261 B Tagesordnungspunkt 1: Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutsch- land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25261 D Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 25261 D Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 25267 A Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 25269 B Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 25271 B Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25272 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25275 D Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 25278 A Andrea Nahles, Bundesministerin BMAS . . . 25281 A Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25283 B Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . 25285 C Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25286 C Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25289 C Dr. Katarina Barley, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25290 C Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 25292 A Sigmar Gabriel, Bundesminister AA . . . . . . . 25295 A Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25298 C Sigmar Gabriel, Bundesminister AA . . . . . . . 25299 A Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25299 B Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 25300 C Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 25302 A Zusatztagesordnungspunkt a)–h) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 462, 463, 464, 465, 466, 467, 468 und 469 zu Petitionen Drucksachen 18/13490, 18/13491, 18/13492, 18/13493, 18/13494, 18/13495, 18/13496, 18/13497 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25302 C Tagesordnungspunkt 2: Wahlvorschlag des Wahlausschusses für die Richter des Bundesverfassungsgerichts: Wahl Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017II einer Richterin oder eines Richters des Bun- desverfassungsgerichts Drucksache 18/12822 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25303 C Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25303 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25304 A Vizepräsident Johannes Singhammer . . . . . . 25304 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 25305 A Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl eines Richters des Bundesverfassungsgerichts teil- genommen haben (Tagesordnungspunkt 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25305 B Anlage 3 Neudruck der zu Protokoll gegebenen Rede des Abgeordneten Harald Petzold (Havel- land) (DIE LINKE) zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE: Weltfriedenstag als europäischer Feiertag (237. Sitzung, Tagesordnungspunkt 21, Anla- ge 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25308 A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25309 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 25255 245. Sitzung Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 Beginn: 9.01 Uhr
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    Vizepräsident Johannes Singhammer (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 25305 Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Richters des Bundesverfassungsgerichts teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 2) CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Michael Donth Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsru- he-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Monika Grütters Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Fabritius, Dr. Dr. h. c. Bernd CDU/CSU 05.09.2017 Flisek, Christian SPD 05.09.2017 Franke, Dr. Edgar SPD 05.09.2017 Gerdes, Michael SPD 05.09.2017 Heveling, Ansgar CDU/CSU 05.09.2017 Lamers, Dr. Dr. h. c. Karl A. CDU/CSU 05.09.2017 Lauterbach, Dr. Karl SPD 05.09.2017 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 05.09.2017 Müller, Bettina SPD 05.09.2017 Poschmann, Sabine SPD 05.09.2017 Rachel, Thomas CDU/CSU 05.09.2017 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Scheuer, Andreas CDU/CSU 05.09.2017 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 05.09.2017 Schwabe, Frank SPD 05.09.2017 Stein, Peter CDU/CSU 05.09.2017 Steinbach, Erika fraktionslos 05.09.2017 Strebl, Matthäus CDU/CSU 05.09.2017 Thönnes, Franz SPD 05.09.2017 Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.09.2017 Weinberg (Hamburg), Marcus CDU/CSU 05.09.2017 Zdebel, Hubertus DIE LINKE 05.09.2017 Zöllmer, Manfred SPD 05.09.2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 201725306 (A) (C) (B) (D) Manfred Grund Oliver Grundmann Fritz Güntzler Dr. Herlind Gundelach Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Marion Marga Herdan Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Dr. Mathias Edwin Höschel Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dort- mund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Thomas Jepsen Sylvia Jörrißen Dr. Egon Jüttner Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Carsten Körber Markus Koob Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Andreas G. Lämmel Uwe Lagosky Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Claudia Lücking-Michel Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Karsten Möring Dietrich Monstadt Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braun- schweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Dr. Martin Pätzold Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wies- baden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Markus Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner HonD Albert Weiler Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 25307 (A) (C) (B) (D) Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Bettina Bähr-Losse Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Marco Bülow Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Uli Grötsch Gabriele Groneberg Michael Groß Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wa- ckernheim) Dirk Heidenblut Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Birgit Kömpel Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Thomas Oppermann Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse René Röspel Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Carsten Träger Rüdiger Veit Dirk Vöpel Ute Vogt Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Waltraud Wolff (Wol- mirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Brigitte Zypries DIE LINKE. Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. André Hahn Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 201725308 (A) (C) (B) (D) Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Bärbel Höhn Dr. Anton Hofreiter Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Cem Özdemir Friedrich Ostendorff Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Anlage 3 Neudruck der zu Protokoll gegebenen Rede des Abgeordneten Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Sahra Wagenknecht und der Frakti- on DIE LINKE: Weltfriedenstag als europäischer Feiertag (237. Sitzung, Tagesordnungspunkt 21, Anlage 16) Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Es gibt in Europa keinen gemeinsamen Feiertag – einen Tag, an dem sich Menschen aus ganz Europa treffen können, um sich kennenzulernen, sich auszutauschen und Ideen für ein gutes Leben in Europa zu entwickeln. Das können wir gemeinsam mit unserem Antrag ändern. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist ein Pau- kenschlag. Er macht den Niedergang der EU deutlich. Der Kontinent ist in Ost und West, Nord und Süd ge- spalten. Krieg, Sanktionen, Rentenkürzungen und Entso- lidarisierung prägen Europa. Das politische Personal der Europäischen Union ist mit der Krise völlig überfordert und reagiert kopflos. Kommissionspräsident Juncker ist nicht in der Lage, gemeinsame europäische Lösungen zu finden. Die Regierungen der EU-Mitgliedsländer haben einen entscheidenden Anteil an der Krise. Insbesondere die Bundesregierung hat mit ihrer Kürzungspolitik großen Schaden angerichtet. Griechenland ist in einer dramati- schen Dauerkrise. Spanien, Portugal, Italien und Frank- reich haben mit hohen Staatsschulden und Jugendarbeits- losigkeit zu kämpfen. Das Europa der Regierungen und EU-Institutionen funktioniert nicht mehr. Gespräche finden heute in der Regel zwischen Re- gierungsvertretern und EU-Beamten statt, weniger zwi- schen Bürgerinnen und Bürgern. Das muss sich ändern! Europa braucht Impulse von Europäerinnen und Euro- päern, die ein Europa mit menschlichem Antlitz wollen. Ein Europa von unten kann entstehen, wenn die Men- schen miteinander ins Gespräch kommen und Ideen für ein friedliches und solidarisches Europa austauschen. Deshalb schlagen wir vor, den Weltfriedenstag als eu- ropäischen Feiertag zu begehen. Ein gemeinsamer euro- päischer Feiertag bietet den Menschen die Möglichkeit, grenzüberschreitend vielfältige spontane und organisier- te Begegnungen zu erleben. Der Weltfriedenstag, der 1. September, ist ein geeig- netes Datum für einen europäischen Feiertag. Trotz aller Differenzen in Europa will die Mehrheit der Menschen ein friedliches Miteinander. Der 1. September, der Welt- friedenstag, erinnert uns an den Beginn des schreck- lichsten Krieges in der Geschichte der Menschheit – des Zweiten Weltkrieges, der von deutschem Boden ausging. Es wäre eine zivilisatorische Leistung, wenn es ge- lingen würde, viele Menschen aus anderen Ländern zu überzeugen, einen europäischen Feiertag zu beschließen. Dabei soll sich dieser Feiertag nicht nur auf die EU-Mit- glieder beschränken. Einen wirklichen europäischen Fei- ertag gibt es nur, wenn sich möglichst alle Staaten Euro- pas dieser Initiative anschließen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 25309 (A) (C) (B) (D) Anlage 4 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesrat hat in seiner 959. Sitzung am 7. Juli 2017 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Arti- kel 21) – Gesetz zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Par- teien von der Parteienfinanzierung Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und daher von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden muss. Das Gesetz zum Ausschluss verfassungs- feindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung bietet nach Inkrafttreten dem Bundesrat, der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag die Möglichkeit, eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsge- richts herbeizuführen. Der Bundesrat wird einen Antrag auf Verfahrensein- leitung beim Bundesverfassungsgericht vorbereiten, damit das entsprechende Verfahren zügig eingeleitet werden kann, nachdem die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Er strebt dabei einen gemeinsamen Antrag der drei antragsberechtigten Organe an. Begründung: Der Bundesrat hat in seiner 953. Sitzung am 10. Fe- bruar 2017 seiner Auffassung Ausdruck verliehen, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und deswegen von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden muss (vgl. BR-Drucksache 95/17 (Beschluss)). Mit Inkrafttreten der Gesetze (vgl. BR-Drucksachen 508/17 und 509/17) wird es möglich, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Aus- schluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staat- lichen Parteienfinanzierung zu stellen. Antragsberech- tigt sind der Deutsche Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung. Materielle Voraussetzung für den Ausschluss ist, dass die Partei nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerich- tet ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Be- stand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 17. Januar 2017 (2 BvB 1/13) die Verfassungsfeind- lichkeit der NPD bereits festgestellt. Um im Rahmen eines Antrags auf Ausschluss der NPD von der staat- lichen Parteienfinanzierung an diese Feststellung des Bundesverfassungsgerichts anknüpfen zu können, ist rasches Handeln geboten. Bei einer zeitlichen Nähe der Antragstellung zum Urteil vom 17. Januar 2017 müsste nur für einen relativ kurzen Anschlusszeitraum nachgewiesen werden, dass sich an der festgestellten Verfassungsfeindlichkeit der NPD nichts geändert hat. Es gilt für die Zukunft zu verhindern, dass Bür- gerinnen und Bürger mit ihren Steuern und Abgaben die verfassungsfeindlichen Aktivitäten der NPD finan- zieren müssen. Die berechtigten Verfassungsorgane sollten daher rasch von ihrem neuen Antragsrecht Ge- brauch machen. – Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersver- sorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Be- triebsrentenstärkungsgesetz) – Gesetz über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz) Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1. Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem vorliegenden Gesetz die Rentenüberleitung zu einem Abschluss gebracht wird. Ein einheitlicher Rentenwert ist nur durch das Eingreifen der Politik erreichbar. Der Bundesrat fordert seit Längerem, dass spä- testens 30 Jahre nach der Deutschen Einheit ein einheitliches Rentenrecht verwirklicht sein sollte (BR-Drucksache 563/14 (Beschluss), 206/15 (Be- schluss), 585/15 (Beschluss)). 2. Der Bundesrat erkennt an, dass durch das Gesetz nun sichergestellt wird, dass die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern auch bei künftigen Rentenanpassungen nicht hinter der realen Lohn- und Gehaltsentwicklung in Ostdeutschland zurück- bleiben. Auf diese Weise ist es möglich, dass die Angleichung der Rentenwerte gegebenenfalls auch schneller vorankommt als im Gesetz vorgesehen. 3. Der Bundesrat geht davon aus, dass die sukzessiven Wirkungen des Wegfalls der Hochwertung der Ent- gelte ab dem 1. Januar 2025 in den neuen Ländern vermieden werden können, wenn Politik, Wirtschaft und Tarifpartner diesen Zeitraum nutzen, um bei der Tarifbindung, der Eindämmung des Niedriglohn- sektors, der Durchsetzung des „Equal-Pay-Grund- satzes“ und bei der Zurückdrängung von prekären Beschäftigungsverhältnissen deutliche Fortschritte zu erzielen. Dementsprechende Erfolge kämen allen Beschäftigten zu Gute. Begründung: Sowohl die Angleichung des Rentenwerts Ost als auch die Abschmelzung der Höherwertung der Ent- gelte Ost werden bis zum Jahr 2025 gestreckt. Die Rentnerinnen und Rentner beziehungsweise die ren- tennahen Generationen in den neuen Ländern haben damit Klarheit und Transparenz über den Zeitpunkt der vollständigen Rentenangleichung. Mit dem neu eingefügten § 255a Absatz 2 SGB VI ist sicherge- stellt, dass die Rentenanpassungen der Jahre 2018 bis 2023 mindestens der aktuellen Lohnentwicklung in den neuen Ländern folgen wenn diese günstiger verläuft als mit den Anpassungsschritten in Absatz 1 festgelegt. Wie die Rentenanpassung zum 1. Juli 2017 zeigt, ist es damit möglich, dass die Renten- angleichung insgesamt schneller abgeschlossen sein kann als zum 1. Juli 2024. Mit der gestreckten Ab- schmelzung der Entgelthochwertung bei der Ren- tenberechnung entsteht ein größeres Zeitfenster, um Differenzen im Verdienstniveau weiter abzubauen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 201725310 (A) (C) (B) (D) Unter diesen Voraussetzungen stellt das Gesetz ei- nen Kompromiss zwischen den Interessen der Rent- nerinnen und Rentner sowie denen der Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer dar. – Gesetz zur Verbesserung der Leistungen bei Ren- ten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze (EM-Leistungsverbes- serungsgesetz) – Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgeset- zes und anderer Vorschriften Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: Zum Gesetz allgemein 1. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass der Deut- sche Bundestag das bereits laufende Gesetzge- bungsverfahren zum Bundesversorgungsgesetz kurzfristig durch umfangreiche bereichsspezifische datenschutzrechtliche Regelungen außerhalb des Versorgungsrechts ergänzt hat, um diese an die Ver- ordnung (EU) 2016/679 anzupassen. 2. Der Bundesrat hält angesichts der Relevanz der getroffenen Regelungen für die Landes- und Kom- munalbehörden und der grundlegenden Eingriffe in die Verwaltungs- und Aufsichtsstrukturen der Län- der im Bereich der Steuerverwaltung das gewähl- te Verfahren für ungeeignet, um den Ländern eine umfassende Beteiligung zu ermöglichen und ihre Mitwirkungsrechte umfassend wahrzunehmen. Der Bundesrat verweist insoweit auch auf Ziffer 1 sei- ner Stellungnahme vom 10. März 2017 (vergleiche BR-Drucksache 110/17 (Beschluss)). Zu Artikel 17 (Änderung der Abgabenordnung) 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Verlagerung der Zuständigkeit für die Aufsicht über die Länderfi- nanzbehörden sowie über die Kommunen hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten im An- wendungsbereich der Abgabenordnung von den nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörden auf die oder den Bundesbeauftragte(n) für den Datenschutz und die Informationsfreiheit die bisherige Kompe- tenzverteilung zwischen Bund und Ländern bei der Datenschutzaufsicht über Bundes- beziehungsweise Länderbehörden in Frage stellt, ohne dass hierfür bis- lang die Notwendigkeit oder die Gesetzgebungskom- petenz des Bundes dargelegt wurden. 4. Der Bundesrat stellt fest, dass die Zuständigkeits- konzentration der Datenschutzaufsicht auch in die Rechte der Länderparlamente eingreift, indem für einen Teil der administrativen Tätigkeiten der Lan- desbehörden die Wahrnehmung der parlamentari- schen Kontrollrechte insoweit erschwert wird, als die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit gegenüber den Länderparla- menten keine Berichte abgibt und von den Länder- parlamenten nicht um Stellungnahmen zu konkreten Angelegenheiten gebeten werden kann. 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Benennung von Datenschutzbeauftragten in den Finanzbehör- den auch der Länder und Kommunen nach Bundes- recht zu erfolgen hat, ohne dass eine diesbezügliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes begründet wird. Nach Auffassung des Bunderates bleibt zu klären, ob es sich bei diesen Regelungen um Fra- gen des Steuerverwaltungsrechts im Sinne von Arti- kel 108 GG handelt, die der Gesetzgebungskompe- tenz des Bundes unterliegen würden. 6. Der Bundesrat bittet darum, dafür Sorge zu tragen, dass die verfassungsrechtlichen Mitwirkungsrechte der Länder in zukünftigen Gesetzgebungsverfahren zur Anpassung des bereichsspezifischen Daten- schutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 um- fassend gewahrt werden. 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zur Ge- währleistung einer einheitlichen Rechtsanwendung zu klären, in welchem Verhältnis die in Artikel 17 Nummer 3 (§ 32e AO) in Bezug genommen Betrof- fenenrechte nach Artikel 12 bis 15 der Verordnung (EU) 2016/679 sowie die diesbezüglich getroffenen beschränkenden Regelungen der Abgabenordnung zu den Ansprüchen auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes oder der Länder stehen. Begründung: Zu den Nummern 1 und 2: Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 10. März 2017 unter anderem unter Bezugnahme auf die Anpassungserfordernisse im Sozialdaten- schutz deutlich gemacht, dass bei der Anpassung des bereichsspezifischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 eine umfassende und frühzeitige Beteiligung der Länder geboten ist, da die Regelungen unmittelbare Auswirkungen auf die Tätigkeit der Landes- und kommunalen Behörden haben. Diese Beteiligung ist unterblieben. Mit der Entschließung bekräftigt der Bundesrat seine Hal- tung zur Frage der Länderbeteiligung im Anpas- sungsprozess des bereichsspezifischen Datenschutz- rechts an die EU-Datenschutzgrundverordnung. Zu den Nummer 3 bis 6: Die Regelung der Aufsicht über die Finanzbehör- den (Artikel 17 Nummer 11 (§ 32h Absatz 1 AO) in Verbindung mit Artikel 17 Nummer 2 (§ 1 Ab- satz 2 Nummer 1 AO)) sieht eine Verlagerung der Zuständigkeit für die Aufsicht über die Landesfi- nanzbehörden sowie über kommunale Finanzbehör- den von den Landesdatenschutzbeauftragten auf die Bundesdatenschutzbeauftragte vor. Durch die Kon- zentration der Aufsicht bei der Bundesdatenschutz- beauftragten sollte sichergestellt werden, dass die Aufsicht im Anwendungsbereich der Abgabenord- nung immer nach den gleichen Vorgaben erfolge. In den Gesetzesmaterialien wird weder dargelegt, dass die bisherige Regelung zu Problemen geführt hat, noch ist den Gesetzesmaterialien eine Begründung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes in dieser Frage zu entnehmen. Durch diese Zuständigkeitsverlagerung werden Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 25311 (A) (C) (B) (D) erstmalig Länderkompetenzen zur Regelung des Datenschutzes im Bereich der Landesverwaltung beschnitten, die mit einer Beschränkung der parla- mentarischen Kontrollrechte einhergehen. Mit der Entschließung soll deutlich gemacht werden, dass die Länder dieser Beschränkung ihrer Kompetenzen kritisch gegenüber stehen. Es wird insbesondere die Gefahr gesehen, dass mit der Zuständigkeitskonzen- tration der Datenschutzaufsicht im Bereich der Ab- gabenordnung ein Präzedenzfall geschaffen wird, der den Weg für weitere zukünftige Zuständigkeits- verlagerungen von den Ländern zum Bund bereiten könnte. Dem soll mit der Entschließung entgegen getreten werden. Wegen des Erfordernisses des Inkrafttretens der Re- gelungen insgesamt bis zum 25. Mai 2018 erscheint nach Abwägung aller Umstände ein Verlangen auf Anrufung des Vermittlungsausschusses gemäß Ar- tikel 77 Absatz 2 Satz 1 GG in diesem Falle jedoch nicht opportun. Zu Nummer 7: Nach Artikel 17 Nummer 11 (§ 32e AO) sollen Informationsansprüche nach dem Gesetz zur Re- gelung des Zugangs zu Informationen des Bundes beziehungsweise den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder unter entsprechender Anwendung der für die Wahrnehmung der Betroffenenrechte bezie- hungsweise Informationspflichten der verantwort- lichen Stelle nach der Verordnung (EU) 2016/679 und den diesbezüglich getroffenen beschränkenden Regelungen der AO beurteilt werden. Diese Gleich- setzung der Betroffenenrechte nach der Verordnung (EU) 2016/679 mit allgemeinen Informationszu- gangsrechten wirft Auslegungsfragen auf, die zu nicht unerheblichen Anwendungsproblemen führen dürften. Ungeklärt ist beispielsweise, welchen In- formationsansprüchen nach den Informationsfrei- heitsgesetzen die in Bezug genommenen Informati- onspflichten nach Artikel 13 und 14 der Verordnung (EU) 2016/679 entsprechen sollen. Ebenso bedarf es einer Klärung, an wen die Information in entspre- chender Anwendung von § 32c Absatz 5 AO erfol- gen soll. Eine Zuständigkeit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit im Geltungsbereich landesrechtlicher Informationszu- gangsgesetze dürfte jedenfalls nicht bestehen. – Gesetz zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozial- kassenverfahren und zur Änderung des Arbeitsge- richtsgesetzes – Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiens- terichtlinie – Zweites Gesetz zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes – Gesetz zur Aufhebung der Gesetze über Bergmann- siedlungen – Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Sa- men – Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: Mit § 38 Absatz 2 Satz 1 IfSG wird das Bundesminis- terium für Gesundheit ermächtigt, durch Rechtsverord- nung zu bestimmen, welchen Anforderungen das Wasser in Schwimm- oder Badebecken oder in Schwimm- oder Badeteichen entsprechen muss. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zeitnah eine Rechtsverordnung vorzulegen, die den aktuell vor- liegenden wissenschaftlichen Kenntnisstand in Verbin- dung mit dem aktuellen Regelwerk berücksichtigt. Begründung: In Ermanglung einer gegenwärtigen Regelung gestützt auf das IfSG werden zur Überwachung der Schwimm- oder Badebeckenwasseranlagen ordnungsrechtliche Vorgaben im Rahmen der allgemeinen Verkehrssiche- rungspflichten herangezogen. Zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes sind aber insbesondere Regelun- gen des Fachrechts erforderlich, deren Einhaltung auf- grund der fachlichen Qualifikation durch die Gesund- heitsbehörden überwacht wird. Das in der Verordnung über die Qualität von Schwimm- und Badebeckenwasser (Schwimm- und Badebecken- wasserverordnung – SchwBadebwV, vgl. BR-Druck- sache 748/02) geregelte Verfahren ist gegenwärtig noch offen. In der 783. Sitzung des Bundesrates am 29. November 2002 wurde der Punkt (TOP 34) von der Tagesordnung abgesetzt. Allein Bedenken hin- sichtlich der Kostenauswirkungen für Betreiber von Anlagen, die eventuell den Vorgaben der Verordnung nicht gerecht werden, ließen das Verfahren damals nicht zum Abschluss bringen. 15 Jahre später sollten allein fiskalische Aspekte keine Rolle spielen. Ansons- ten würde daraus gesundheitspolitisch das Signal aus- gesendet werden, dass der Gesundheitsschutz der Be- völkerung im Zusammenhang mit der Nutzung solcher Schwimm- oder Badebeckenanlagen in die Beliebig- keit der finanziellen Aufwände der Betreiber solcher Anlagen gestellt wird. Unter Umständen könnte auch die notwendige Über- wachung den haushalterischen Einsparungen soweit unterliegen, dass der Schutz der Bevölkerung vor wasserbürtigen Erkrankungen nicht mehr gewährleis- tet ist. Um dem entgegenzuwirken ist das oben ge- nannte Bundesratsverfahren mit einer aktualisierten Rechtsverordnung unter Beachtung des mittlerweile fortgeschriebenen Regelwerkes (hier: DIN 19643 vom November 2012) „Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser“ und unter Beachtung der Empfeh- lung des Umweltbundesamtes (UBA) „Hygieneanfor- derungen an Bäder und deren Überwachung“ neu zu beleben und zügig zum Abschluss zu bringen. Obwohl eine Ermächtigung des Bundes zum Erlass von Regelungen für Schwimm- oder Badeteiche (Kleinba- deteiche) durchaus bestand, wurde damals (2002) von der Ermächtigung kein Gebrauch gemacht, da der da- malige vorliegende wissenschaftliche Kenntnisstand Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 201725312 (A) (C) (B) (D) es nicht erlauben würde, konkrete Anforderungen an die Qualität des Wassers in solchen künstlich angeleg- ten Badeteichen festzulegen, die das gesundheitliche Risiko bis auf ein vertretbares Maß reduzieren wür- den. Insoweit bestand entsprechender Forschungsbe- darf. Es wurde hingegen „nur“ auf eine Empfehlung des UBA „Hygienische Anforderungen an Kleinba- deteiche“ (vgl. Bundesgesundheitsbl-Gesundheits- forsch-Gesundheitsschutz 6-2003) verwiesen. Mit der oben genannten Bitte zur Anpassung der Rechtsver- ordnung an den wissenschaftlich-technischen Fort- schritt, können Regelungen auch zu Schwimm- oder Badeteichen im erforderlichen Umfang aufgenommen werden. – Gesetz zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Ände- rung anderer Vorschriften – Gesetz zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufe- reformgesetz – PflBRefG) – Zweites Gesetz zur Änderung personenstandsrecht- licher Vorschriften (2. Personenstandsrechts-Än- derungsgesetz – 2. PStRÄndG) – Gesetz zur Änderung gebührenrechtlicher Rege- lungen im Aufenthaltsrecht – Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hin- terbliebenengeld – Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen – Gesetz zur Reform der Straftaten gegen ausländi- sche Staaten – … Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität – Drittes Gesetz zur Änderung reiserechtlicher Vor- schriften – Siebtes Gesetz zur Änderung des Bundeszentralre- gistergesetzes (7. BZRGÄndG) – Gesetz zur Änderung der materiellen Zulässig- keitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaß- nahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungs- rechts von Betreuten – Zweites Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Än- derung des Schöffenrechts – Gesetz zur Einführung einer wasserrechtlichen Ge- nehmigung für Behandlungsanlagen für Deponie- sickerwasser, zur Änderung der Vorschriften zur Eignungsfeststellung für Anlagen zum Lagern, Ab- füllen oder Umschlagen wassergefährdender Stoffe und zur Änderung des Bundes-Immissionsschutz- gesetzes – Gesetz zur Änderung des Chemikaliengesetzes und zur Änderung weiterer chemikalienrechtlicher Vorschriften – Gesetz zur Einbeziehung von Polymerisationsanla- gen in den Anwendungsbereich des Emissionshan- dels – Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgeset- zes – Erstes Gesetz zur Änderung des Intelligente Ver- kehrssysteme Gesetzes – Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst – Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters und zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbe- werbsbeschränkungen – Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Akkreditierungsstelle – Erstes Gesetz zur Änderung des Schornsteinfe- ger-Handwerksgesetzes – Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identi- fizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhe- bung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS-Durchfüh- rungsgesetz) – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Oktober 2016 zur Errichtung der internationalen EU-LAK- Stiftung – Gesetz zu dem Abkommen vom 12. Januar 2017 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Moldau über Soziale Sicherheit – Gesetz zu der am 19. Juni 1997 beschlossenen Ur- kunde zur Abänderung der Verfassung der Inter- nationalen Arbeitsorganisation – Gesetz zum Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes zur Festlegung eines Mehrjahresrahmens für die Agentur der Europäischen Union für Grund- rechte für den Zeitraum 2018-2022 – Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarates vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – Gesetz zu dem Protokoll vom 14. November 2016 zur Änderung des Abkommens vom 13. Juli 2006 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der mazedonischen Regierung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Ver- mögen – Gesetz zu dem Abkommen vom 21. November 2016 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Panama zur Vermeidung der Doppelbe- steuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- kommen betreffend den Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr – Gesetz zu dem Abkommen vom 29. Juni 2016 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Armenien zur Vermeidung der Doppel- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 25313 (A) (C) (B) (D) besteuerung und zur Verhinderung der Steuerver- kürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkom- men und vom Vermögen – Gesetz zu dem Protokoll vom 12. November 2012 zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Ta- bakerzeugnissen – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 14. März 2014 über die Ausstellung mehrsprachiger, codier- ter Auszüge und Bescheinigungen aus Personen- standsregistern – Gesetz zur Änderung des Protokolls vom 24. Juni 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weit- räumige grenzüberschreitende Luftverunreini- gung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) – Gesetz zur Änderung des Protokolls vom 30. No- vember 1999 (Multikomponenten-Protokoll) zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betref- fend die Verringerung von Versauerung, Eutro- phierung und bodennahem Ozon – Gesetz zur Änderung des Protokolls vom 24. Juni 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weit- räumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle – Gesetz zu der am 15. Oktober 2016 in Kigali be- schlossenen Änderung des Montrealer Protokolls vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen – Gesetz zur Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 – Gesetz zu dem Beitrittsprotokoll vom 11. November 2016 zum Handelsübereinkommen vom 26. Juni 2012 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors – Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens – Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen und zur Änderung des Einkommensteuergesetzes – Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften – ... Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Wohnungseinbruchdiebstahl – Gesetz zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern – Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die ak- tuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urhe- berrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG) – Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungs- gesetz – NetzDG) – Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschlie- ßung für Personen gleichen Geschlechts – Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Ma- nagement der Einbringung und Ausbreitung inva- siver gebietsfremder Arten Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: Der Bundesrat begrüßt, dass eine Rechtsgrundlage ge- schaffen wurde, die EU-weiten Vorgaben zum Umgang mit invasiven Arten zu regeln und zügig Maßnahmen gegen die Einbringung und Ausbreitung von invasiven Arten getroffen werden können. Der Bundesrat be- fürchtet jedoch, dass ein effektives Management durch die im Gesetz enthaltende Einvernehmensregelung bei jagdlichen und fischereilichen Maßnahmen mit den Jag- dausübungs- und Fischereiausübungsberechtigen (§ 40a BNatSchG und § 28a BJagdG) erschwert wird. Zudem werden in der Folge deutlich erhöhte Mehrausgaben auf Verwaltungsebe ne erwartet, ohne dass der Bund ange- messene Kompensationsmaßnahmen mitbedacht hat. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, diese Einvernehmensregelung zeitnah auch mit Blick auf die Verwaltungskosten zu evaluieren und entsprechend zu ändern. – Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Um- weltverträglichkeitsprüfung – Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung weiterer Gesetze Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1. Der Bundesrat begrüßt das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Par- laments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Au- ßenwirtschaftsgesetzes. Mit dem Gesetz wird eine verpflichtende Weiterbil- dung von 15 Stunden pro Jahr für alle Personen ein- geführt, die unmittelbar Versicherungen vermitteln. Die bereits geltende Weiterbildungsverpflichtung wird in sinnvoller Weise ergänzt. Eine ausreichende Sachkunde muss nun vor der Tätigkeit als Versiche- rungsvermittler in der Kundenberatung und Versi- cherungsvermittlung nachgewiesen werden. Eine Weiterbildungspflicht von 15 Stunden pro Jahr für alle Versicherungen beratenden und vermittelnden Personen ist darüber hinaus sinnvoll. 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der noch zu erlassenden Rechtsverordnung zur Konkre- tisierung der Weiterbildungspflicht auf unverhält- nismäßige Anforderungen zu verzichten. Die Kon- kretisierung der Weiterbildungsanforderung in der Rechtsverordnung sollte mit Augenmaß erfolgen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 201725314 (A) (C) (B) (D) und unnötige bürokratische Belastungen vermei- den, wie unverhältnismäßige formale Anforderun- gen an Formate, Dokumentation und Nachweis der Weiterbildung. Ansonsten besteht die Gefahr, dass aus Wirtschaftlichkeitsgründen viele bisher in der Kundenberatung tätige Personen künftig von der Vermittlungstätigkeit ausgeschlossen würden. Eine flächendeckende Beratung der Kunden wäre gefährdet. Berücksichtigung muss auch die bestehende hetero- gene Vertriebsstruktur in Deutschland finden. Dazu gehören neben Inhabern von Versicherungsagenturen, Versicherungsspezialisten in Banken und Sparkassen auch Büroassistenzen im Innendienst von Agenturen oder Allfinanzberater der Banken, die Bank-, Wert- papier- und Versicherungsprodukte abdecken. Des- halb müssen die Vermittler berufsgruppenspezifisch individuell nach ihren tatsächlichen Anforderungen in der Beratungspraxis aus- und fortgebildet werden, auch um den unterschiedlichen Kunden der Versiche- rungsvermittler gerecht zu werden. Eine pauschale Festsetzung der Ausbildungsanfor- derungen, die nur auf eine bestimmte Vermittler- tätigkeit zugeschnitten ist, sollte hier vermieden werden. Vielmehr müssen anhand der oben be- schriebenen verschiedenen Vermittlertypen Kriteri- en in die Rechtsverordnung aufgenommen werden, die eine individuelle und bestmögliche Weiterbil- dung garantieren. 3. Vor diesem Hintergrund weist der Bundesrat auf die hohe Bedeutung einer individualisierten Fort- bildungspflicht, zugeschnitten auf den individuellen Beratungsbedarf und die vermittelten Produkte, hin. Ziel muss ein zielgruppenspezifisches Anforde- rungsprofil für die Weiterbildung bei Berücksich- tigung der Beratungsanforderungen sein. Diesem Umstand soll mit einer konkretisierenden Rechts- verordnung Rechnung getragen werden, die zu un- komplizierten, in der Praxis handhabbaren Lösun- gen führen muss. – Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruk- tur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz) – Gesetz zur Förderung von Mieterstrom und zur Änderung weiterer Vorschriften des Erneuerba- re-Energien-Gesetzes Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mitge- teilt, dass sie den Entschließungsantrag auf Drucksache 18/13020 zur dritten Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder- nisierung der Netzentgeltsstruktur (Netzentgeltmoderni- sierungsgesetz) zurückzieht. Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat mitgeteilt, dass er gemäß § 80 Ab- satz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichter- stattung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregie- rung auf Drucksache 18/12300 absieht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 5. September 2017 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 245. Sitzung Inhaltsverzeichnis Anträge auf Erweiterung der Tagesordnung TOP 1 Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland ZP Beschlussempfehlungen Petitionsausschuss TOP 2 Wahl eines Richters des Bundesverfassungsgerichts Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824500000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Ich
begrüße Sie alle herzlich zur letzten Plenarsitzung des
Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode. Für vie-
le Kolleginnen und Kollegen – auch für mich – ist dies
zugleich die letzte Sitzung als gewählte Abgeordnete hier
im Hohen Haus. Nicht wenige von uns haben in der Zeit
ihrer Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag mit der
Überwindung der Teilung unseres Landes die größte,
spektakulärste und zugleich friedliche Veränderung in
der jüngeren Geschichte unseres Landes nicht nur miter-
lebt, sondern auch aktiv mitgestaltet.

Um zu würdigen, was wir heute längst für selbstver-
ständlich halten, muss man gelegentlich daran erinnern,
wie es vorher war. Als ich 1980 zum ersten Mal in den
Deutschen Bundestag gewählt wurde, war Deutschland
geteilt und Europa auch, in zwei rivalisierenden Mili-
tärbündnissen organisiert, die sich bis an die Zähne be-
waffnet an einer durch Mauer und Stacheldrahtzäune
befestigten deutsch-deutschen Grenze gegenüberstan-
den. Damals, Anfang der 1980er-Jahre – Bundeskanzler
war Helmut Schmidt –, wurde innerhalb und außerhalb
des Parlamentes leidenschaftlich über den sogenannten
NATO-Doppelbeschluss gestritten, den die einen für den
Anfang vom Ende der westlichen Zivilisation hielten
und bekämpften und die anderen für die Voraussetzung
der territorialen Integrität der westlichen Staatengemein-
schaft.

Unter den Bedingungen des Kalten Krieges und – wie
fast alle glaubten – den damit verbundenen unverrück-
baren Verhältnissen im eigenen Land wie in Europa ha-
ben wir in den 1980er-Jahren im Deutschen Bundestag
vorsichtig damit begonnen, dem zunächst in einer ehe-
maligen Pädagogischen Akademie provisorisch unter-
gebrachten Deutschen Bundestag angemessene Arbeits-
bedingungen zu verschaffen, und haben schließlich den
Bau eines neuen Plenarsaales beschlossen, der, als er fer-
tig war, nicht mehr gebraucht wurde. Denn inzwischen
war die Mauer in Berlin gefallen und mit der Mauer zu-
gleich die Verhältnisse, die scheinbar ein für alle Mal in

Beton gegossen waren. Wenn wir, liebe Kolleginnen und
Kollegen, in diesem Jahr, wie in jedem Jahr, am 9. No-
vember an den Fall der Mauer 1989 erinnern, dann ist
seitdem so viel Zeit vergangen, wie die Mauer überhaupt
gestanden hat: 28 Jahre.

Der Bau wie der Fall der Mauer waren das Symbol
der politischen Kräfteverhältnisse in Europa und ihrer
Veränderungen. Auch der Deutsche Bundestag hat sich
in dieser Zeit, vor und nach der Wiederherstellung der
deutschen Einheit und nach dem Umzug von Parlament
und Regierung von Bonn nach Berlin, natürlich immer
wieder verändert, sich immer wieder neu zusammenge-
setzt; aber im Wesentlichen arbeitet er in Berlin ganz ge-
nau so, wie es in Bonn eingeübt worden war. Vieles hat
sich verändert, vieles hat sich bewährt und ist geblieben.

Der Deutsche Bundestag ist im Vergleich zu anderen
Parlamenten innerhalb und außerhalb der Europäischen
Union in seinen verfassungsmäßigen Aufgaben, in seiner
Zusammensetzung und in seiner Ausstattung stärker und
einflussreicher als die meisten Parlamente auf diesem
Globus. Für Minderwertigkeitskomplexe besteht kein
Anlass. Aber der Deutsche Bundestag ist nicht immer so
gut, wie er sein könnte und vielleicht auch sein sollte.
Dass Parlamente Regierungen nicht nur bestellen, son-
dern auch kontrollieren, ist im Allgemeinen unbestritten;
im konkreten parlamentarischen Alltag ist der Eifer bei
der zweiten Aufgabe nicht immer so ausgeprägt wie bei
der ersten.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages …
sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und
Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen
unterworfen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


So steht es im Grundgesetz. Und ganz genau so ist es
auch gemeint.






(A) (C)



(B) (D)


Dass die Regierungsbefragung in jeder Sitzungswo-
che des Deutschen Bundestages noch immer zu den The-
men stattfindet, die die Regierung vorgibt und nicht das
Parlament, ist unter den Mindestansprüchen,


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


die ein selbstbewusstes Parlament für sich gelten lassen
muss.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Guter Mann!)


Das wird auch dadurch nicht völlig ausgeglichen, dass
es inzwischen immerhin gelungen ist, sicherzustellen,
dass leibhaftige Mitglieder der Bundesregierung an der
Regierungsbefragung teilnehmen.


(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem
Haus zweifellos immer wieder herausragende Debatten
erlebt; aber bei selbstkritischer Betrachtung sollten wir
einräumen, dass in der Regel hier im Hause immer noch
zu häufig geredet und zu wenig debattiert wird.


(Beifall im ganzen Hause)


Wir beraten in jeder Legislaturperiode einige Hundert
Gesetzentwürfe; ich glaube, eher zu viele als zu wenige.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dass wir gelegentlich offensichtlich Dringliches verta-
gen und dafür weniger Wichtiges für dringlich erklären,
dazu fällt mir mindestens ein prominentes Beispiel ein,
das ich jetzt nicht mehr ausdrücklich vortrage.

Wir haben uns, meine Damen und Herren, liebe Kol-
leginnen und Kollegen, von der Asylgesetzgebung in
den 1990er-Jahren über die Föderalismusreformen bis
hin zum kürzlich verabschiedeten neuen Länderfinanz-
ausgleich einen allzu großzügigen Umgang mit unserer
Verfassung angewöhnt


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


und sie häufiger und immer umfangreicher, regelmäßig
auch komplizierter verändert, als es ihrem überragenden
Rang und dem Respekt entspricht, den wir dem Gestal-
tungsanspruch künftiger Parlamente und ihrer Mehrhei-
ten schulden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hier im Deutschen Bundestag schlägt das Herz der
Demokratie,


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


und hier im Bundestag heißt auch hier im Bundestag,
nicht in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundes-
tages.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Verlässlich kann und muss es in dem gemeinsamen, aber
nicht immer präsenten Bewusstsein schlagen, dass eine
vitale Demokratie nicht daran zu erkennen ist, dass am
Ende Mehrheiten entscheiden, sondern daran, dass auf
dem Weg bis zur Entscheidung Minderheiten ihre Rechte
wahrnehmen können.


(Beifall im ganzen Hause)


Dafür zu sorgen, ist die nicht immer einfache, aber nach
meinem Verständnis vornehmste Aufgabe des Parla-
mentspräsidenten.

Umso dankbarer bin ich Ihnen, liebe Kolleginnen und
Kollegen dieser wie der beiden vorhergehenden Legisla-
turperioden, dass Sie mich gleich dreimal, für insgesamt
zwölf Jahre, in dieses Amt gewählt haben. Ich habe es
gerne, nach besten Kräften und gelegentlich auch mit ei-
nem gewissen Vergnügen ausgeübt,


(Heiterkeit)


und ich empfinde es als Privileg meiner Biografie – neben
dem Glück, in einem freien Lande zu leben –, meinem
Land an dieser prominenten Stelle dienen zu können.


(Beifall im ganzen Hause)


Eine schönere, anspruchsvollere Aufgabe hätte es für
mich nicht geben können. Deswegen möchte ich mich
bei allen bedanken, die mich dabei in diesen Jahren be-
gleitet und unterstützt haben: bei Ihnen, liebe Kollegin-
nen und Kollegen, bei den Fraktionen, bei den Parteien,
bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundes-
tagsverwaltung, den vielen Unsichtbaren, ohne die die-
ses Parlament nicht so leistungsfähig sein könnte, wie es
glücklicherweise ist,


(Beifall im ganzen Hause)


bei den Medien für mal diese und mal andere Berichter-
stattungen


(Heiterkeit)


und insbesondere bei den Wählerinnen und Wählern.

Vieles aus diesen Jahren wird mir und vermutlich all
denen, die dabei gewesen sind, ganz gewiss in Erinne-
rung bleiben: die erste Rede eines deutschen Papstes vor
einem gewählten deutschen Parlament,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Der wollte sogar auf Ihren Platz!)


– auch das –, die denkwürdige gemeinsame Sitzung des
Deutschen Bundestages mit der französischen Natio-
nalversammlung hier im Reichstagsgebäude aus Anlass
des 50. Jahrestages des Élysée-Vertrages – damals konn-
te man gewissermaßen besichtigen, wie nahe wir uns
inzwischen sind und wie gründlich sich dieses Europa
verändert hat –, die großen Ansprachen zum Beispiel
des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres oder

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


des damaligen polnischen Staatspräsidenten Bronislaw
Komorowski zur Erinnerung an traumatische Ereignisse
unserer gemeinsamen Geschichte, aber auch die Auftritte
von Navid Kermani und Wolf Biermann zum Geburtstag
des Grundgesetzes und zum Jahrestag des Mauerfalls,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Na ja!)


die sich jeweils auf ihre Weise von dem bei solchen Ge-
legenheiten im Hohen Haus Erwarteten und Üblichen
deutlich unterschieden.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Und dass mal den einen dies und mal den anderen jenes
nicht nur gefallen hat, das war zugegebenermaßen ein-
gepreist.

Ich weiß nicht, ob es kühn ist, nach dem Dank zum
Schluss noch eine Bitte vorzutragen – oder am liebsten
gleich zwei.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Zunächst an die Mitglieder des nächsten und künftiger
Bundestage: Bewahren Sie sich bitte, wenn eben mög-
lich, die nach den Abstürzen unserer Geschichte mühsam
errungene Fähigkeit und Bereitschaft, über den Wettbe-
werb der Parteien und Gruppen hinweg den Konsens der
Demokraten gegen Fanatiker und Fundamentalisten für
noch wichtiger zu halten.


(Lebhafter Beifall im ganzen Hause)


Ich habe in den vergangenen Jahren viele, viele Par-
lamente kennengelernt und erlebt, und wenn ich auf ir-
gendetwas tatsächlich stolz bin, dann darauf, dass dieses
Parlament, mehr als irgendein anderes, das ich je erlebt
habe, bereit und in der Lage ist, wenn es wirklich wichtig
ist, das gemeinsame Suchen und Vertreten gemeinsamer
Lösungen für noch wichtiger zu halten als den üblichen
Konkurrenzreflex.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es muss auch in Zukunft möglich sein, bei den ganz gro-
ßen Problemen und Streitfragen, die polarisieren und das
Land zu spalten drohen, Mehrheiten in diesem Parlament
zu suchen und zu finden, die größer oder anders sind als
die Mehrheiten, über die eine jeweilige Koalition ohne-
hin verfügt.

Dann habe ich eine Bitte an die Wählerinnen und
Wähler: Nehmen Sie bitte das Königsrecht aller Demo-
kraten, in regelmäßigen Abständen selbst darüber befin-
den zu können, von wem sie regiert werden wollen, so
ernst, wie es ist.


(Beifall im ganzen Hause)


Das ist für uns heute scheinbar eine Selbstverständlich-
keit; aber dieser Zustand ist, wie wir alle wissen, weder
der Normalzustand der deutschen Geschichte, noch ist es

die Regel für die ganz große Mehrheit der heute auf die-
sem Globus lebenden Menschen. Viele Millionen Men-
schen in aller Welt beneiden uns um die Einflussmög-
lichkeiten, die wir haben und die ihnen vorenthalten sind.


(Beifall im ganzen Hause)


Autoritäre Regime brauchen kein bürgerschaftliches
Engagement. Sie mögen es nicht, sie behindern es, und
wenn es nicht anders geht, verbieten sie es. Die Demo-
kratie braucht es.


(Beifall im ganzen Hause)


Und wir wissen aus noch nicht ganz so lange zurücklie-
genden Phasen der deutschen Geschichte, dass auch De-
mokratien ausbluten können, dass sie ihre innere Kraft
verlieren, wenn sie die Unterstützung der Menschen ver-
lieren, für die es sie gibt. Die Demokratie steht und fällt
mit dem Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger. Das
ist die wichtigste Lektion, die ich in meinem politischen
Leben gelernt habe,


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


und dieser Einsicht und dieser Verantwortung werde ich
verpflichtet bleiben. In diesem Sinne bleiben wir ganz si-
cher miteinander verbunden.

Herzlichen Dank.


(Langanhaltender Beifall im ganzen Hause – Die Anwesenden erheben sich)


– Herzlichen Dank.

Wir haben aber tatsächlich auch noch ein paar dienst-
liche Angelegenheiten zu erledigen. Bevor ich zum Ernst
der Dinge komme, habe ich noch einige Geburtstage zu
erwähnen und dafür Gratulationen zu übermitteln. In der
parlamentarischen Sommerpause gab es einige beson-
ders zu erwähnende Geburtstage: Die Kollegin Karin
Binder und der Kollege Klaus Brähmig haben ihren
60. Geburtstag gefeiert.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


– Es sind noch ein paar mehr. – Der Parlamentarische
Staatssekretär Peter Bleser und der Kollege Axel
Schäfer haben ihren 65. Geburtstag gefeiert. Ihren
70. Geburtstag feierten die Kollegin Helga Kühn-
Mengel, der Kollege Günter Baumann und der Kollege
Martin Patzelt. Schließlich hat der Kollege Hans-Peter
Uhl seinen 73. Geburtstag gefeiert. Ihnen allen im Na-
men des ganzen Hauses geballte gute Wünsche und alles
Gute für das neue Lebensjahr!


(Beifall)


Für die ausgeschiedene Kollegin Sabine Sütterlin-
Waack und den ausgeschiedenen Kollegen Alexander
Funk sind der Kollege Thomas Jepsen und der Kollege
Markus Uhl als Mitglieder des Deutschen Bundesta-
ges nachgerückt. Wenn sie den Plenarsaal gefunden ha-
ben,


(Heiterkeit)


Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


möchte ich sie im Namen aller Kolleginnen und Kolle-
gen herzlich begrüßen und für die übersichtliche verblei-
bende Zeit eine gute Zusammenarbeit wünschen.


(Heiterkeit und Beifall)


Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, nach dem
Tagesordnungspunkt 1 mehrere Beschlussempfehlungen
des Petitionsausschusses ohne Debatte zu beraten. Von
der Frist für den Beginn der Beratungen soll abgewichen
werden. Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstan-
den? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Bevor wir nun in die verabredete Tagesordnung ein-
treten, müssen wir zwei Geschäftsordnungsanträge
behandeln. Die Fraktion Die Linke hat fristgerecht bean-
tragt, die Tagesordnung um die Beratung ihres Antrages
auf der Drucksache 18/13481 mit dem Titel „Aufrüstung
ablehnen und Atomwaffen aus Deutschland abziehen“
zu erweitern und dies in Verbindung mit dem Tagesord-
nungspunkt 1 zu beraten. – Das Wort zur Geschäftsord-
nung erhält Herr Korte. Bitte schön.


Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824500100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nachdem alle wieder aus dem TV-Duell erwacht sind,
wollen wir heute vielleicht etwas wirklich Wichtiges ent-
scheiden. Wir wollen die Chance dazu an diesem letzten
Sitzungstag nutzen. Deswegen möchte ich begründen,
warum wir es für sinnvoll halten, unseren Antrag „Auf-
rüstung ablehnen und Atomwaffen aus Deutschland ab-
ziehen“ heute aufzusetzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie wissen, die Bundesregierung plant massive Auf-
rüstungen im Verbund mit der NATO mit einem Volumen
von rund 37 Milliarden Euro. Sie, die Sie jetzt alle in den
Wahlkreisen unterwegs sind, kennen die Situation in den
Kommunen, Sie wissen, wie marode die Schulen und die
Kitas sind, wie unterfinanziert die Kommunen sind. Wir
sagen: Wir haben die Chance, diesen Aufrüstungswahn-
sinn heute hier zu stoppen und das Geld in die Zukunft
unseres Landes zu stecken.


(Beifall bei der LINKEN)


Das wäre ein gutes Zeichen für die Wählerinnen und
Wähler so kurz vor der Wahl.

Ich will begründen, warum es sinnvoll ist, das heute
hier zu entscheiden. Wenn die Aussagen stimmen, die
gerade insbesondere von den Freunden von der SPD und
den Grünen und natürlich von uns, den Linken, gemacht
werden, dann gibt es in diesem Hause heute offenbar eine
Mehrheit, um gegen diesen Aufrüstungswahn ein Stopp-
zeichen zu setzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Kollege Oppermann schließt eine Regierungsbetei-
ligung aus, wenn es diese Aufrüstung gibt. Eine solche
Abstimmung jetzt, vor der Wahl, ist etwas, was die Poli-
tik wirklich spannend machen würde.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Klares Bekenntnis zu Rot-Rot-Grün!)


Ich knüpfe an die Aussage von Professor Lammert an,
der gesagt hat, wem Sie hier eigentlich verpflichtet sind:
Ihrem Gewissen. Wenn Aufrüstung keine Gewissensfra-
ge ist, dann weiß ich es auch nicht. Deswegen sollten wir
darüber entscheiden.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Zum Zweiten. Wie Sie alle wissen – auch das spielt ge-
rade eine große Rolle in der Öffentlichkeit und im Wahl-
kampf –, gibt es in Deutschland zahlreiche US-amerika-
nische Atomwaffen. Wir alle wissen natürlich – Politik
ist so schnelllebig in dieser Zeit; Sie kennen die Krisen
in der Welt –: Wenn diese jemals zum Einsatz kommen
sollten, dann bliebe von Europa und Deutschland nichts
mehr übrig. Der Kalte Krieg ist zu Ende. Wir haben heu-
te die Chance, mit einer Mehrheit hier im Parlament die
US-amerikanische Regierung aufzufordern, ihre Atom-
waffen endlich abzuziehen. Das wäre ein richtiges Zei-
chen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will deutlich sagen: Heute gibt es die Chance,
eine historische Entscheidung in dieser Hinsicht zu tref-
fen. Wie oft wurde darüber diskutiert? Was denken die
Wählerinnen und Wähler, wenn dies nicht geschieht,
obwohl von den drei Parteien, die zusammen in der
Mehrheit sind, immer wieder gesagt wird: „Wir wollen
diese Atomwaffen hier nicht“? Wenn wir heute darüber
entscheiden, würde das die Menschen mobilisieren und
motivieren. Das würde auch zeigen: Hier wird kontro-
vers gestritten.

Es gibt in diesem Parlament nun einmal folgende
Konstellation: SPD, Linke und Grüne sind gegen die
US-Atomwaffen hier, CDU und CSU sind für die Atom-
waffen. Das ist doch eine übersichtliche politische Kon-
stellation. Deswegen wäre es, auch für die anstehenden
Wahlen, ein gutes Zeichen, wenn hier heute nach Über-
zeugung abgestimmt und so Demokratie erlebbar und
spannend gemacht würde.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir wissen nicht, wie die Wahl ausgeht; keiner weiß
das. Wir wissen nicht, wie die Mehrheiten sein werden;
das ist völlig unklar. Es kann übrigens auch sein, Frau
Bundeskanzlerin, dass Sie nicht mehr Bundeskanzlerin
sein werden.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Theoretisch!)


All das kann in einer Demokratie passieren. Um das zu
befördern und die Auseinandersetzungen, die es in die-
sem Hause gibt, spannend zu machen, wäre es sinnvoll,
heute unseren Antrag aufzusetzen. Wenn SPD, Linke und
Grüne zu ihren Worten stehen, dann können wir heute
Taten folgen lassen. Das wäre eine verdammt gute Sache.
Es würde die Demokratie stärken. Es würde übrigens
auch zeigen, dass wir unabhängig – auch von den Verei-

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


nigten Staaten von Amerika – und souverän sind und hier
unsere eigene Politik machen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sollten Sie es allerdings heute ablehnen, über diesen
Antrag kontrovers zu diskutieren, weil es dazu unter-
schiedliche Auffassungen gibt, dann haben Sie natürlich
ein Problem mit Ihrer Glaubwürdigkeit, und zwar nicht
nur Sie. Vielmehr glaube ich, dass Sie damit die Glaub-
würdigkeit der Politik insgesamt beschädigen würden.


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Lasst uns deswegen heute darüber streiten. Lasst
uns diesen Antrag aufsetzen und ein wichtiges Zeichen
für Abrüstung und den längst überfälligen Abzug der
US-Atomwaffen aus der Bundesrepublik setzen. Das
wäre doch eine wirkliche Motivation für die Wahl; denn
dabei geht es endlich einmal um eine Sachfrage. Darüber
können wir heute entscheiden. In diesem Sinne: Die Lin-
ke stimmt zu. Setzen wir es auf. Streiten und entscheiden!

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824500200

Für die CDU/CSU-Fraktion erhält der Kollege Johann

Wadephul das Wort.


Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1824500300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Spätestens nachdem der Bundestagspräsident noch
einmal auf den Minderheitenschutz im Deutschen Bun-
destag hingewiesen hat, ist es notwendig, darzulegen,
warum wir empfehlen, den Antrag heute nicht zu behan-
deln.


(Zuruf von der LINKEN: Sie sind ja keine Minderheit!)


– Der Antrag wird ja von der Minderheit gestellt.

In dieser Wahlperiode hatte die Große Koalition eine
sehr große Mehrheit von 80 Prozent der Abgeordneten.
Wir haben das im Sinne dessen, was der Bundestagsprä-
sident gerade noch einmal betont hat, als Auftrag emp-
funden, die Minderheitenrechte zu wahren. In dieser
Wahlperiode sind die Oppositionsrechte in großem Maße
gestärkt worden. Darauf können wir stolz sein. Sie hat-
ten in dieser Wahlperiode jede Möglichkeit, Ihre Anträge
einzubringen und Ihre Untersuchungsausschüsse einzu-
setzen.


(Widerspruch bei der LINKEN)


Es gibt überhaupt keinen Anlass, sich zu beklagen. Sie
hatten alle Möglichkeiten. Wenn Sie sie nach eigenem
Empfinden nicht vollständig genutzt haben, dann müssen
Sie das mit sich selbst ausmachen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben alles getan, was wir tun konnten.

Zweitens. Der Bundestagspräsident hat darauf hin-
gewiesen: Es ist eine gute Sitte, dass wir, auch wenn
Wahlen bevorstehen, noch einmal für eine Sitzung zu-

sammenkommen. Aber jeder weiß, dass das, was wir
normalerweise mit solchen Anträgen machen, nicht mehr
geschehen kann: eine Ausschussüberweisung und eine
erneute Debatte im Bundestag.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sprechen Sie
in diesem Zusammenhang nicht von Glaubwürdigkeit.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


Machen Sie unseren Bundestag, der ein Arbeitsparlament
ist, nicht schlechter, als er ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir tun unsere Arbeit in den Ausschüssen, machen aber
keine Klamauk-Hüftschüsse in der letzten Sekunde vor
der Bundestagswahl.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ganz schwach!)


Drittens. Es gibt keine Eilbedürftigkeit. Diese Be-
schlüsse sind nicht neu. Sie sind 2002 unter der Bun-
deskanzlerschaft von Gerhard Schröder erstmalig in der
NATO vereinbart worden, danach 2006 mit Außenminis-
ter Steinmeier und 2014 in Wales auf einem NATO-Gip-
fel erneut mit Außenminister Steinmeier. Sie sind also
unter höchstrangiger Beteiligung der Sozialdemokra-
ten – darauf darf ich hinweisen, liebe Freunde von der
Koalitionspartei SPD – auf NATO-Ebene beschlossen
worden; auch das soll hier einmal festgehalten werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Beschlüsse sind in das Weißbuch eingeflossen.
Es handelt sich dabei übrigens – das hat der Wissen-
schaftliche Dienst bestätigt, und das ist eine Selbstver-
ständlichkeit – um politische Aussagen und politische
Abmachungen im Rahmen der NATO, nicht um bilatera-
le mit den USA. Es wird ja in den letzten Wahlkampfwo-
chen der Eindruck erweckt, wir würden hier etwas tun,
was die USA von uns verlangen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Oh nein, Sie doch nicht!)


Nein, das sind Vereinbarungen im Rahmen der NATO.
Gerade die von Ihnen oft nicht beachteten Staaten bei-
spielsweise des Baltikums legen größten Wert darauf,
dass diese Vereinbarungen eingehalten werden. Deswe-
gen ist Bündnistreue an dieser Stelle eine wichtige Sache,
jedenfalls für die Union.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vierter Punkt. Die Bundesregierung verfolgt eine um-
fassende und auf Nachhaltigkeit angelegte Außen- und
Sicherheitspolitik, die zunächst auf Diplomatie setzt.
Was haben wir in dieser Legislaturperiode erlebt? Es
kam durch die Bundeskanzlerin zur Eingrenzung des
Ukraine-Konflikts im Normandie-Format, was zu den
Minsker Beschlüssen geführt hat. Außenminister Gabriel
hat – trotz kurzer Amtszeit – auf der Arabischen Halb-
insel schon gezeigt, dass deutsche Diplomatie gefragt
ist. Dazu gehört auch die wirtschaftliche Zusammenar-
beit. Bundesminister Dr. Müller hat das Thema Afrika

Jan Korte






(A) (C)



(B) (D)


in Deutschland präsent gemacht, es in der Bundespolitik
verankert und mit dafür gesorgt, dass wir es mit Zahlen
hinterlegt haben; darauf können wir stolz sein.

Wir haben also eine Sicherheits- und eine Außenpo-
litik, die auf Diplomatie fußen, die die wirtschaftliche
Zusammenarbeit im Blick haben und in deren Rahmen
unsere Soldatinnen und Soldaten gut gerüstet in die ge-
fährlichen Einsätze geschickt werden, meine sehr verehr-
ten Damen und Herren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nicht schicken, sondern zurückbringen ist wichtig!)


Wenn wir über Atomwaffen reden, dann muss man
letztlich sagen: Das Schlimmste, was geschehen ist, war
leider die Annexion der Krim.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Ach ja?)


Wir alle kämpfen dafür, dass es weniger Atomwaffen
gibt.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nein, nicht alle!)


Aber es war wirklich bedrückend, dass die Ukraine, der
im Budapester Memorandum ihre territoriale Integri-
tät zugesagt wurde, miterleben musste, dass Russland
die Krim rechtswidrig annektiert hat. Dass Sie von der
Linksfraktion auf diesem Auge absolut blind sind, haben
wir festgestellt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie könnten aber etwas gegen Atomwaffen tun, nämlich
indem Sie an dieser Stelle zu einer klaren Position, auch
gegenüber Russland, kämen. Ihren Antrag brauchen wir
hier und heute nicht zu behandeln.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824500400

Ich will daran erinnern, dass der Sinn von Geschäfts-

ordnungsdebatten darin besteht, darzulegen, ob und wa-
rum man eine Debatte führen oder nicht führen will,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


nicht aber darin, die Debatte stellvertretend selber zu be-
ginnen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Kollege Mützenich ist der nächste Redner für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1824500500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ihr Antrag ist unseriös und schludrig erarbei-
tet. Ich muss Ihnen sagen: Das, was Sie eben erzählt ha-

ben, stimmt überhaupt nicht mit dem eingebrachten An-
trag überein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie fordern die
Bundesregierung auf, die politische Erklärung eines
2-Prozent-Ziels zurückzunehmen. Ich sage sehr selbstbe-
wusst: Das kann die Bundesregierung vielleicht erklären,
aber wir, das Parlament, beschließen über den Bundes-
haushalt. Ich finde, diesem Parlament steht das Selbst-
bewusstsein, diese Frage im Zusammenhang mit dem
Haushalt zu besprechen, gut zu Gesicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich kann Ihnen sagen: Nur eine starke SPD-Bundestags-
fraktion kann mit dafür sorgen, dass eine solch ungeheu-
erliche Steigerung nicht Realität wird, meine Damen und
Herren.


(Beifall bei der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Na, dann macht es doch!)


Deswegen sage ich für meine Fraktion: Die Wahl ist
klar. Auf der einen Seite steht eine Bundeskanzlerin und
CDU-Vorsitzende, die sich dem 2-Prozent-Diktat des
amerikanischen Präsidenten unterordnet


(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/ CSU: Oh! – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Das haben doch Ihre Genossen vereinbart!)


– Sie hätten sich besser damals aufgeregt, als Ihre Vorsit-
zende dies erklärt hat; diese politische Debatte wäre auf
Ihrem Parteitag notwendig gewesen –,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Rufen Sie einmal Herrn Steinmeier an!)


und auf der anderen Seite steht Martin Schulz. Mit ihm
an der Spitze – das sage ich Ihnen als Vertreter einer
selbstbewussten Fraktion – werden wir den Aufrüstungs-
wahn dieser Bundesregierung nicht unterstützen.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, die Bundeskanzlerin weiß
vieles, aber sie sagt nicht alles. Am 28. Juni haben die
sozialdemokratischen Minister in einer Protokollnotiz er-
klärt, dass sie den Entwurf des Finanzministers in dieser
Frage nicht unterstützen. Ich finde, das muss in diesem
Parlament auch einmal gesagt werden, und Sie sollten
das wissen.


(Beifall bei der SPD)


Die Linken sagen, wir müssten Verhandlungen mit
den USA aufnehmen. Wir sagen Ihnen sehr eindeutig:
Auch diese Forderung wird längst erfüllt. Denn es war
der Außenminister Frank-Walter Steinmeier,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Der das 2-Prozent-Ziel vereinbart hat!)


der innerhalb der Organisation für Sicherheit und Zusam-
menarbeit in Europa eine Verhandlungsrunde auch mit
den USA über die konventionelle Abrüstung in Europa

Dr. Johann Wadephul






(A) (C)



(B) (D)


eingeleitet hat, weil die Disparität in dieser Waffenkate-
gorie – das wissen Sie, und Sie sollten es irgendwann
auch einmal sagen – es bisher verhindert hat, dass man
zu einer Verabredung kommen konnte, wonach alle tak-
tischen Atomwaffen aus Europa abgezogen werden kön-
nen. Deswegen ist auch dieser Teil Ihres Antrages nicht
realitätsgerecht und, wie ich finde, unseriös.

Wir sind der Meinung, dass dieser Antrag in die Fach-
ausschüsse überwiesen und dort debattiert werden muss.
Am Ende muss in den Haushaltsberatungen hier im
Deutschen Bundestag über ihn abgestimmt werden; denn
das ist Ausdruck der Souveränität dieses Parlaments. Wir
glauben, das ist der richtige Weg, und deswegen sind wir
für die Überweisung.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht heute gar nicht zur Debatte!)


In der Tat – alle Abgeordneten haben das angespro-
chen –: Es legt sich wieder ein nuklearer Schatten über
diese Welt – durch Nordkorea, aber insbesondere auch
durch einen fahrlässig daherredenden US-Präsidenten,
der diesen nuklearen Schatten verstärkt. Frau Bundes-
kanzlerin, ich finde, es wäre aller Ehren wert, einem sol-
chen amerikanischen Präsidenten in der verbleibenden
Amtszeit deutlich zu widersprechen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824500600

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol-

legin Britta Haßelmann das Wort. Danach stimmen wir
über den Geschäftsordnungsantrag ab.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824500700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir stimmen heute der Aufsetzung des An-
trages der Linken zu. – Herr Mützenich, es geht nicht
darum, ob wir den Antrag heute überweisen oder direkt
über ihn abstimmen, sondern bei der folgenden Abstim-
mung geht es ausschließlich darum, ob wir der Aufset-
zung einer Debatte zum Thema Atomwaffenfreiheit hier
im Deutschen Bundestag zustimmen oder nicht.


(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das ist sehr formell!)


Danach können wir ja inhaltlich debattieren.

Wir führen jetzt hier zwar eine Geschäftsordnungsde-
batte, aber sowohl die Rede des Vertreters der SPD als
auch die Rede des Vertreters der CDU/CSU haben ge-
zeigt, dass es genug inhaltlichen Stoff gibt, über den wir
diskutieren sollten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Da wir heute sowieso zusammengekommen sind – wir
haben gerade Ihre letzte Rede als Bundestagspräsident
hören dürfen, Herr Dr. Lammert, und bedanken uns als

Fraktion sehr herzlich für die Zeit, in der Sie uns beglei-
tet haben –,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


können wir jetzt doch auch inhaltlich über diese so wich-
tige Frage diskutieren. Deshalb werden wir als Fraktion
der Aufsetzung heute zustimmen.

Wir sind inhaltlich für ein atomwaffenfreies Deutsch-
land und ein atomwaffenfreies Europa.


(Ulli Nissen [SPD]: Wir auch!)


Dafür setzen wir uns ein. Darüber könnten wir unserer
Auffassung nach heute und hier gerne diskutieren.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824500800

Wir stimmen über den Geschäftsordnungsantrag ab.

Wer für die Aufsetzung dieses Tagesordnungspunktes ist,
den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Aufsetzungsan-
trag mit den Stimmen der Koalition abgelehnt.

Es gibt einen zweiten Antrag zur Erweiterung der Ta-
gesordnung, den die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
ebenso fristgerecht gestellt hat. Die Fraktion wünscht,
die erste Beratung ihres Gesetzentwurfes auf der Druck-
sache 18/13426 zur Einführung von Gruppenverfahren
im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 2 mit einer
Debattenzeit von 38 Minuten aufzusetzen.

Dazu wird nicht das Wort gewünscht, sodass wir über
diesen Geschäftsordnungsantrag sofort abstimmen kön-
nen. Wer stimmt diesem Aufsetzungsantrag zu? – Wer
stimmt dagegen? – Bei gleichen Mehrheiten ist auch die-
ser Aufsetzungsantrag abgelehnt.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 1:

Vereinbarte Debatte

zur Situation in Deutschland

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 180 Minuten, also drei Stunden, vorge-
sehen. – Das ist offenkundig einvernehmlich. Also kön-
nen wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1824500900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Gestatten Sie, lieber Herr Präsident, dass ich Ihnen zu
Beginn im Namen der Bundesregierung meinen herzli-
chen Dank übermittle; das ist mit dem Vizekanzler ab-
gestimmt.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dr. Rolf Mützenich






(A) (C)



(B) (D)


Wir haben Ihre Arbeit immer geschätzt. Wenn nötig, ha-
ben Sie uns den im Grundgesetz festgelegten Platz zuge-
wiesen, und wir haben nach bestem Wissen und Gewis-
sen versucht, uns daran zu halten.

Ich erinnere mich in den letzten drei Legislaturperio-
den an dramatische Situationen, etwa in der weltweiten
Finanzkrise, in der Euro-Krise und in der Flüchtlingskri-
se, als viele Flüchtlinge zu uns kamen. In diesen Krisen
ist es Regierung und Parlament trotz großer Zeitnot und
trotz drängendster Entscheidungen immer gelungen, in
einem guten Einvernehmen und bei einer schrittweisen
Stärkung der Rolle des Parlaments Lösungen zu finden,
die, glaube ich, für uns als Bundesrepublik Deutschland
richtig und gut waren, aber auch Lösungen zu finden, die
uns als verlässlichen Partner in Europa und in der Welt
dargestellt haben. Dafür möchte ich von Herzen danken.

Für mich war eine der emotionalsten Situationen, als
wir vor kurzem über den Bund-Länder-Finanzausgleich
abgestimmt haben; im Gegensatz zum heutigen Tag war
auch die Bundesratsbank gut besetzt. Das waren wirklich
schwierigste Verhandlungen, in denen es um die Fragen
ging: Welche Rolle spielt der Bund? Welche Rolle spie-
len die Länder? Dass dies trotz aller Kontroversen in ei-
ner so guten Atmosphäre verhandelt werden konnte,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das war ein emotionaler Moment?)


spricht für unser Land. Daran haben Sie, lieber Herr
Lammert, lieber Norbert, einen ganz entscheidenden An-
teil. Danke dafür!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und
Herren, wir haben in den letzten vier Jahren vieles er-
reicht. Unbestritten geht es Deutschland in vielen Berei-
chen gut. Aber wir dürfen uns auf diesen Erfolgen kei-
nesfalls ausruhen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aha!)


Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir an der Schwelle
zu einer neuen Entwicklungsetappe stehen. Wir müssen
jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Deutsch-
land auch in 10 oder 15 Jahren wirtschaftlich erfolgreich
und sozial gerecht ist und noch mehr Menschen eine gute
und sichere Arbeit haben.

Wir haben eben den Blick auf die Zeit der deutschen
Einheit zurückschweifen lassen. Seitdem sind 27 Jahre
vergangen. Deutschland hatte Anfang der 90er-Jahre die
Kraft, die deutsche Einheit gut zu bewältigen. Ein Jahr-
zehnt später waren wir der kranke Mann Europas. Es
ist uns dann gelungen – ganz wesentlich mit der Agen-
da 2010, die wir von CDU/CSU immer unterstützt ha-
ben –, wieder die Kraft zu finden, aufzuholen. Wir sind
heute Wachstumsmotor. Wir sind heute ein Land mit der
höchsten Beschäftigungsquote, die wir jemals hatten,
und in Europa erfahren wir dafür sehr viel Anerkennung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber ich habe das Gefühl, dass wir wieder an einer
Schwelle zu einer neuen Etappe stehen. Diese hat ganz
wesentlich mit dem Treiber unserer heutigen Entwick-
lung zu tun: mit dem digitalen Fortschritt.

Das, was wir zurzeit in der Automobilindustrie erle-
ben, zeigt – wie in einem Brennglas – die Summe der
neuen Herausforderungen. Die Automobilindustrie ist
eine der Säulen des deutschen wirtschaftlichen Erfolgs.
Die deutsche Automobilindustrie ist weltweit anerkannt.
Die Produkte der deutschen Automobilindustrie verkör-
pern das, was weltweit unter „Made in Germany“ ver-
standen wird. In der Automobilindustrie haben im Üb-
rigen 800 000 Menschen und mehr ihren Arbeitsplatz.
Diese Menschen haben sich nichts zuschulden kommen
lassen; sie haben gut, sehr gut oder gar hervorragend ge-
arbeitet. Aber sie sind jetzt in der Gefahr, dass das, was
an Vertrauensverlust durch die Führung von Automobil-
konzernen entstanden ist, auf sie zurückschlägt.

Wir haben hier eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe,
Fehler beim Namen zu nennen, aber auch gleichzeitig
die Zukunft der deutschen Automobilindustrie sichern zu
helfen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Gesetzesverstöße!)


Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen – durch vernünf-
tige Rahmenbedingungen, wie wir das auch mit der In-
dustrie 4.0 in unserer Digitalen Agenda getan haben –,
dass die Voraussetzungen für den Übergang der Pro-
duktion in ein digitales Zeitalter geschaffen werden, in
dem nicht nur die Menschen durch Smartphones vernetzt
sind, sondern in dem alle Gegenstände miteinander ver-
netzt werden – das ist das Internet der Dinge –, damit die
Produktion auch weiter erfolgreich erfolgen kann.

Wir werden noch auf Jahre und Jahrzehnte Verbren-
nungsmotoren brauchen, und trotzdem werden wir
gleichzeitig den Weg in eine neue Mobilität mit neuen
Antrieben gehen müssen. Wir von der Christlich-Demo-
kratischen Union und von der CSU sagen:


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es spricht die CDU-Vorsitzende, nicht die Bundeskanzlerin!)


Wir arbeiten nicht mit Verboten, sondern wir wollen sol-
che Übergänge vernünftig ermöglichen, mit Blick auf die
Beschäftigten und auf den technologischen Wandel.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich bin überzeugt, dass dies auch der Ansatz der gesam-
ten Bundesregierung ist.

Meine Damen und Herren, wir haben gestern seitens
der Bundesregierung ein Gespräch mit den Kommunen
gehabt, die unter Grenzwertüberschreitungen leiden und
die von Fahrverboten bedroht sind. Ich sage ausdrücklich
für die ganze Regierung: Wir werden alle Kraft darauf
lenken, dass es zu solchen Verboten nicht kommt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen den Menschen, die sich im Übrigen im
guten Glauben und von uns auch ermuntert Dieselautos
gekauft haben, die Möglichkeit geben, dass sie diese Au-

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


tos auch nutzen können. Im Übrigen ist es so, dass wir
den Kauf von Dieselautos – davon gibt es etwa 15 Mil-
lionen in Deutschland – deshalb empfohlen haben, weil
dadurch CO2-Emissionen eingespart wurden. Gegen den
Diesel vorzugehen, bedeutet gleichermaßen auch, gegen
die CO2-Ziele, die wir uns gesetzt haben, vorzugehen.
Und das darf nicht passieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb brauchen wir saubere Dieselautos,


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ein Quatsch!)


und wir brauchen den Übergang zu einer modernen Mo-
bilität.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, das macht nicht
wieder gut, dass in der Automobilindustrie unverzeihli-
che Fehler vorgefallen sind. Deshalb können wir auch
nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Aber das be-
rechtigt uns nicht, sozusagen die gesamte Branche ihrer
Zukunft zu berauben.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gegenteil ist der Fall! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dobrindt hat sich vier Jahre nicht gekümmert!)


Jetzt geht es darum, mit Maß und Mitte die richtigen
Wege zu finden. Und dafür steht diese Bundesregierung,
meine Damen und Herren, mit Blick auf die Beschäftig-
ten und die Wirtschaftskraft Deutschlands.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Beim Thema Auto zeigen sich die großen Herausfor-
derungen, denen wir entgegensehen. Ich nenne stich-
wortartig nur die Bereiche „autonomes Fahren“ und
„neue Antriebe“, die wir technologieoffen fördern soll-
ten. Gleichzeitig gibt es große Herausforderungen hin-
sichtlich des Klimaschutzes.

Wir werden dies alles natürlich auch mit Blick auf das
Pariser Klimaschutzabkommen vom Dezember 2015 um-
zusetzen haben. Deshalb hat die Bundesregierung einen
Klimaschutzplan vorgelegt. Es ist schon absehbar, dass
in der nächsten Legislaturperiode, gleich im Jahre 2018,
dieser Klimaschutzplan spezifiziert werden muss. Wie-
der wollen wir das nicht gegen die Betroffenen machen,
sondern im Gespräch mit den Betroffenen. Wenn wir
zum Beispiel über Braunkohlegebiete sprechen und den
Ausstieg fordern, ohne den Menschen in irgendeiner
Weise eine Perspektive zu geben, dann fördert das nicht
die Bereitschaft, sich für den Klimaschutz einzusetzen,
sondern verhindert sie. Deshalb sind wir dafür, mit den
Betroffenen Alternativen zu erarbeiten und erst dann Ent-
scheidungen zu treffen. Ich finde, das sind wir den Men-
schen schuldig. So haben wir es im Übrigen auch bei der
Steinkohle gemacht, um es einmal ganz klar zu sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben mit der Digitalen Agenda vieles vorange-
bracht. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode da
ansetzen müssen und manches noch beschleunigen und

straffen müssen. Wir sind nicht in allen Bereichen Spitze
weltweit, was den digitalen Fortschritt und die Einfüh-
rung entsprechender Maßnahmen anbelangt. Wir haben
im Bereich der Wirtschaft vieles erreicht, insbesondere
bei den großen Unternehmen. Die Bundesregierung hat
mittelständischen Unternehmen viel Hilfestellung ge-
geben. Sie hat in dieser Legislaturperiode die Start-ups
gefördert, sodass wir sagen können: Wir stehen deutlich
besser da als vor vier Jahren. Aber die Welt schläft nicht.
Die Welt entwickelt sich in rasantem Tempo. Deshalb
wird es notwendig sein, hier weiterzuarbeiten. Wir haben
früher das MP3-Format erfunden. Wir haben den ersten
Computer gebaut. Aber wir wollen als Deutschland nicht
im Technikmuseum enden, sondern wir wollen vorne da-
bei sein, wenn es um die Entwicklung neuer Güter und
neuer Produktionsmöglichkeiten geht. Da haben wir viel
zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das bedeutet auch, dass wir seitens des Staates und
seitens der Verwaltung vorangehen müssen. Ich bin sehr
dankbar, dass es im Rahmen der Verhandlungen zu den
Bund-Länder-Finanzbeziehungen möglich war, sich zu
einigen und das Grundgesetz so zu ändern, dass Bund,
Länder und Kommunen ein gemeinsames Bürgerportal
erarbeiten werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen,
um das umzusetzen, sind von der Bundesregierung ge-
schaffen worden. Wir haben uns einen Zeitraum von fünf
Jahren vorgenommen, in dem wir das erreichen wollen.
Wenn es zum Ende der nächsten Legislaturperiode ge-
schafft ist, wäre es noch besser. Die Bürgerinnen und
Bürger müssen spüren, dass auch ihre Beziehung zum
Staat endlich dem digitalen Fortschritt entspricht. Da ha-
ben wir gemeinsam noch sehr viel vor uns.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da hätte Herr de Maizière ja etwas tun können!)


– Die geschaffenen rechtlichen Voraussetzungen sind
gut; Herr Heil, das wissen Sie auch.

Wenn wir Hochtechnologieland bleiben wollen, haben
wir die Aufgabe, Forschung und Entwicklung weiter zu
fördern. Die europäischen Staaten haben sich noch in
der Zeit von Bundeskanzler Schröder im Jahr 2000 vor-
genommen, dass jedes europäische Land 3 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung
ausgibt.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und für Bildung?)


– Das heißt nicht, dass man für Bildung nichts ausgibt.
Das heißt einfach, dass man für Forschung und Entwick-
lung 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgibt, und
das ist auch richtig so. Wir freuen uns, dass wir 17 Jahre
später dies erreicht haben


(Beifall bei der CDU/CSU)


und eines der wenigen Länder in der Europäischen Union
sind, die das geschafft haben. Allerdings müssen wir auch
zur Kenntnis nehmen, dass es skandinavische Länder
gibt, die bereits 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
für Forschung und Entwicklung ausgeben, genauso wie

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


Südkorea und Israel. Deshalb dürfen wir uns auch hier
nicht ausruhen, sondern müssen das weiterentwickeln.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der
Bund – die Bundesregierung und das Parlament haben
dem zugestimmt – die BAföG-Zahlungen voll über-
nimmt.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das war nicht die CDU-Position! Das hat die SPD durchgesetzt, Frau Bundeskanzlerin, gegen Ihren Willen! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Heil, der Wahlkampf findet nicht hier statt! – Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Herr Heil, ich achte sehr wohl die Zahl der Abgeord-
neten Ihrer Fraktion. Aber gegen meinen Willen und den
Willen der Unionsfraktion konnten Sie in diesem Parla-
ment echt nichts durchsetzen. Das muss man jetzt einfach
akzeptieren.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das hätten sie gekonnt, wenn sie gewollt hätten!)


Vielleicht, Herr Heil, waren Ihre Argumente so gut, dass
sie mich überzeugt haben. Oder besser gesagt: Es waren
die Argumente des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz,
die mich schlussendlich überzeugt haben. Daran sehen
Sie, wie gut ich zuhören kann, wie ich auf gute Argumen-
te eingehen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Insofern ist es ein guter, gemeinsamer Erfolg von uns al-
len.

Hier haben wir viel Wert darauf gelegt, dass möglichst
alle Länder die freiwerdenden Mittel anschließend wie-
der für Bildung in den Hochschulen eingesetzt haben. Da
waren wir nicht vollständig erfolgreich. Aber für die uni-
onsregierten Länder kann ich sagen: Da hat es so stattge-
funden, und darauf sind wir stolz.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir haben durch gute Wirt-
schaftspolitik, auch durch die Tatsache, dass wir vier Jah-
re lang keine Schulden gemacht haben, zeigen können,
dass solide Haushaltspolitik und Wirtschaftswachstum
Hand in Hand gehen können, dass dadurch nachhaltiges
Wirtschaftswachstum entstehen kann. Die letzten vier
Jahre sind dadurch gekennzeichnet, dass der Wachstums-
motor in Deutschland nicht mehr der Export ist, sondern
der Binnenkonsum. Das sieht man auch an den Lohnstei-
gerungen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Weil Andrea Nahles den Mindestlohn durchgesetzt hat!)


– Erstens sind Sie nachher noch an der Reihe. Und zwei-
tens: Freuen Sie sich doch mit uns oder mit mir.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


Ich kann überhaupt nicht verstehen, was Sie hier machen.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten gar nichts gemacht
in dieser Regierung. Das wäre auch nicht schön gewesen.

Wir haben gemeinsam eine Regierung gestellt. Wir
haben uns im letzten Wahlkampf eine Lohnuntergrenze
vorgenommen. Sie haben den einheitlichen Mindestlohn
angestrebt. Wir haben uns zum Schluss darauf geeinigt,
dass wir den einheitlichen Mindestlohn einführen. Mil-
lionen von Menschen haben heute mehr in der Tasche,
und darüber können wir uns alle freuen. Auch die Fachar-
beiterinnen und Facharbeiter haben mehr. Die Reallöhne
sind gestiegen; das drückt sich auch in der Steigerung der
Renten aus.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich glaube, darüber freuen sich viele Menschen in unse-
rem Land.

Meine Damen und Herren, die vernetzte Welt, die sich
im digitalen Fortschritt zeigt, spiegelt sich natürlich auch
in der Außenpolitik wider. Die Grenzen von Wirtschafts-,
Finanz-, Handels- und Sicherheitspolitik verschwimmen
immer mehr; das sehen wir an vielen Krisenherden die-
ser Welt. Deshalb beschäftigt uns im Augenblick leider
natürlich in ganz besonderer Weise die Situation im asi-
atischen Raum, wo die Nukleartests Nordkoreas eine
flagrante Verletzung aller internationalen Gegebenheiten
sind. Es ist richtig, dass der UN-Sicherheitsrat klare Po-
sitionen bezieht. Ich sage ausdrücklich, auch im Namen
der ganzen Bundesregierung: Hier kann es nur eine fried-
liche diplomatische Lösung geben, für die wir allerdings
mit allen Kräften eintreten müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb, meine Damen und Herren, habe ich am
Sonntag mit dem französischen Präsidenten telefoniert.
Der Bundesaußenminister ist im Kontakt mit seinem
Kollegen. Es wird am Wochenende ein Außenminister-
treffen in Gymnich geben, wo wir über weitere Sankti-
onen von europäischer Seite gegenüber Nordkorea bera-
ten werden; das ist auch dringend erforderlich. Ich habe
darüber gestern mit dem südkoreanischen Präsidenten
und auch mit dem amerikanischen Präsidenten Donald
Trump gesprochen. Beide unterstützen diese europäi-
schen Bemühungen außerordentlich. Die Tatsache, dass
Nordkorea eine gewisse Entfernung zu uns hat, sollte uns
nicht davon abhalten, mit aller Entschiedenheit hier für
eine diplomatische Lösung einzutreten. Europa hat eine
wichtige Stimme in der Welt und muss diese Stimme in
dieser Situation nutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, uns beschäftigt aus trauri-
gem Anlass – zwölf deutsche Staatsbürger befinden sich
aus politischen Gründen in der Türkei in Haft – die Ent-
wicklung in der Türkei in ganz besonderer Weise. Diese
Entwicklung ist mehr als besorgniserregend. Die Türkei
verlässt immer mehr den Weg der Rechtsstaatlichkeit,
und das zum Teil in einem sehr schnellen Tempo. Wir
haben die Aufgabe – das Auswärtige Amt und wir alle

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


tun alles dafür –, die deutschen Staatsbürger freizube-
kommen.

Ich will exemplarisch Frau Tolu nennen, die mit einem
zweijährigen Kind im Gefängnis sitzt; auch ihr Mann be-
findet sich in Untersuchungshaft. Ich kann genauso Deniz
Yücel und Herrn Steudtner und andere nennen. Erstens
sollten wir niemanden von ihnen vergessen. Zweitens
sollten wir allen die bestmögliche Betreuung zukommen
lassen. Drittens sollten wir auf allen Ebenen alles in unse-
rer Macht Stehende versuchen – und zwar Tag für Tag –,
um diese Menschen, die nach unserer Überzeugung un-
schuldig in Untersuchungshaft sitzen, freizubekommen.
Ich glaube, das ist unser aller Anliegen.


(Beifall im ganzen Hause)


Dieser Umgang mit deutschen Staatsbürgern, aber
auch die Gesamtsituation in der Türkei veranlassen uns
natürlich, darüber nachzudenken, wie wir die Beziehun-
gen zur Türkei neu ordnen. Die Bundesregierung hat
erste Schritte unternommen; das hat der Bundesaußen-
minister anlässlich der Verhaftung von Herrn Steudtner
ausführlich dargelegt. Wir haben die estnische Präsident-
schaft gebeten, in den nächsten Monaten, solange die Si-
tuation so ist, keinerlei Verhandlungen über eine Erwei-
terung der Zollunion auf die Tagesordnung zu setzen; das
schließt sich aus. Wir werden auch über die zukünftigen
Beziehungen zur Türkei beraten – ich werde dazu vor-
schlagen, dass das im Oktober auf dem Europäischen Rat
stattfindet –, eingeschlossen auch die Frage, die Verhand-
lungen zu suspendieren oder zu beenden. Hierzu braucht
man Mehrheiten in Europa. Dies ist ein Vorgang, der na-
türlich entschieden, aber auch wohlbedacht durchgeführt
werden sollte.

Die Beziehungen zur Türkei sind strategischer Na-
tur. Wenige Tage bevor ich Bundeskanzlerin wurde,
am 3./4. Oktober 2005, sind durch meinen Vorgänger
Gerhard Schröder die Beitrittsverhandlungen mit der
Türkei aufgenommen worden. Dem ging ein langer
Diskussionsprozess voraus; die Grundentscheidung war
schon Ende 2004 gefallen. Wir von der Unionsfraktion
waren immer skeptisch oder dagegen, diese Beitrittsver-
handlungen aufzunehmen.


(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Kohl aber dafür!)


Ich habe dennoch im Sinne einer großen außenpoliti-
schen Kontinuität – pacta sunt servanda – immer diese
Verhandlungen geführt. Wir haben Kapitel eröffnet. Wir
haben seit langem keine Kapitel mehr geschlossen. Die
Beziehungen zur Türkei sind von großer Bedeutung.

Deshalb werde ich mich dafür einsetzen, dass wir
entschieden vorgehen, dass wir aber mit unseren euro-
päischen Partnern vorgehen und darüber sprechen; denn
nichts wäre erstaunlicher, als wenn wir uns in Europa
über die Frage des zukünftigen Umgangs mit der Türkei
vor den Augen des Präsidenten Erdogan öffentlich zer-
streiten. Das würde Europas Position dramatisch schwä-
chen. Davon kann ich uns nur abraten.


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die gleiche Entschiedenheit, die wir im Umgang mit
der türkischen Regierung, mit dem Präsidenten haben,
müssen wir auch haben, wenn es darum geht, den Blick
auf die vielen zu haben, die in der Türkei mit der au-
genblicklichen politischen Entwicklung nicht zufrieden
sind. Wir müssen den Blick auch auf die vielen tür-
kischstämmigen Bürgerinnen und Bürger der Bundesre-
publik Deutschland haben, weil es unsere Bürgerinnen
und Bürger sind, auch auf diejenigen, die mit türkischer
Staatsbürgerschaft seit langem hier leben. Sie tragen zum
Wohlstand unseres Landes bei. Wir dürfen sie nicht vor
den Kopf stoßen. Wir müssen auch mit ihnen das Ge-
spräch über die weiteren Entwicklungen führen; denn
sie sind Teil unseres Landes, und das sollten wir ihnen
auch deutlich machen. Insofern ist es eine sehr verant-
wortungsvolle Aufgabe, die vor uns liegt und der wir uns
natürlich stellen werden.

Meine Damen und Herren, ein Weiteres, in dem sich
auch wieder symbolhaft die Situation, die globalen He-
rausforderungen spiegeln, das ist die Lage der Flücht-
linge weltweit. Hier haben wir vieles unternommen.
Ich will darauf heute im Einzelfall nicht eingehen, will
allerdings sagen, dass mir die Partnerschaft mit Afrika
besonders wichtig ist. Wir haben jüngst mit dem italie-
nischen und dem spanischen Premierminister sowie dem
französischen Präsidenten über die Partnerschaft mit der
Einheitsregierung in Libyen, über die Partnerschaft mit
Niger, über die Zusammenarbeit mit Tschad und anderen
afrikanischen Ländern gesprochen.


(Zuruf von der LINKEN)


– Ich habe nicht behauptet, dass es sich um eine Demo-
kratie nach unserem Vorbild handelt. Trotzdem müssen
wir mit diesen Ländern reden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])


Es hat keinen Sinn, zu glauben, dass durch simple Ver-
urteilung im Deutschen Bundestag die Welt sich zum
Besseren ändert, sondern wir müssen Menschen im Blick
haben:


(Zuruf von der LINKEN)


Menschen, die durch die Sahara fliehen, Menschen, die
durch Niger gehen, Menschen, die nach Libyen kommen.
All diese Länder sind sicherlich nicht Demokratien, wie
wir sie uns vorstellen, und trotzdem müssen wir mit die-
sen Ländern reden und Partnerschaft mit ihnen aufbauen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber keine Milizen trainieren!)


Meine Damen und Herren, wir werden am Jahresende
einen EU-Afrika-Gipfel haben, und auf diesem EU-Af-
rika-Gipfel werden die Weichen für mehr fairen Handel
mit Afrika und für mehr wirtschaftliche Entwicklung in
Afrika gestellt werden müssen –


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie haben gar nichts gemacht bisher!)


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


so wie Wolfgang Schäuble das mit seinem Compact
with Africa im Rahmen der G-20-Präsidentschaft vor-
geschlagen hat; darauf zielen auch viele Initiativen der
Wirtschaftsministerin und anderer Minister, die von uns
eingeleitet wurden. Insofern gibt es in der gesamten Bun-
desregierung eine sehr vernetzte Zusammenarbeit, um
diesen afrikanischen Ländern zu helfen.

Meine Damen und Herren, wenn es um Sicherheit in
der Welt geht, dann spielt natürlich auch das Thema Ver-
teidigung eine Rolle. Wir hatten hierzu heute Morgen ja
schon eine bemerkenswerte Diskussion. Deshalb möchte
ich dazu auch etwas sagen.

Im Jahre 2002 hat die NATO beschlossen, dass neue
Mitgliedstaaten nur dann in die NATO aufgenommen
werden, wenn sie sich vorher verpflichten, bereits im
Zuge des Membership Action Plans, also vor dem eigent-
lichen Beitritt, 2 Prozent ihres Budgets für die Verteidi-
gung auszugeben. Dies blieb natürlich nicht ohne Folgen
für die Diskussion über die Höhe der Verteidigungsaus-
gaben der bereits langjährig der NATO angehörenden
Mitgliedstaaten. Deshalb haben die Verteidigungsminis-
ter 2006 diesen Beschluss wiederholt, deshalb spielt es
seitdem eine zentrale Rolle. Und in der gesamten Amts-
zeit des amerikanischen Präsidenten Barack Obama gab
es ein immer wiederkehrendes Thema, und das hieß: Ihr
Deutsche könnt nicht davon ausgehen, dass auf Dauer
andere für euch ein Stück Sicherheit schaffen, ohne dass
ihr den Anstrengungen, zu denen wir uns gemeinsam
verpflichtet haben, folgt.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sicherheit?)


Daraufhin hat man sich dann in Wales – auch sehr
stark unter dem Eindruck des Ukraine-Konflikts – ent-
schieden, zu sagen – und diese Position hat die Bundes-
regierung gemeinsam getragen –: Auch die Länder, die
das 2-Prozent-Ziel heute noch nicht einhalten – die neu-
en Mitgliedstaaten tun das ja weitestgehend –, sollen den
Richtwert 2 Prozent in Betracht ziehen und sollen sich
deshalb bis 2024 in Richtung von Verteidigungsausgaben
in Höhe von 2 Prozent des Budgets entwickeln.


(Zuruf von der LINKEN: Schlimm genug!)


Dieses wiederum spiegelt sich wider in dem Weißbuch,
das von der gesamten Bundesregierung verabschiedet
wurde, und zwar im Juli 2016. Das sind alles Beschlüs-
se, die vor der Wahl in den USA gefasst wurden, in der
Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten
von Amerika gewählt wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir haben dann moderate
Erhöhungen des Verteidigungsetats vorgenommen, re-
gelmäßig begleitet von Kommentaren unserer Verteidi-
gungsexperten sowohl aus der Fraktion der CDU/CSU
als auch aus der Fraktion der SPD, dass dies dringendst
notwendige Erhöhungen seien, allerdings immer noch
nicht ausreichende Erhöhungen,


(Zuruf von der LINKEN: Aha!)


weil uns alleine schon die Ausrüstung der Bundeswehr
in vielerlei Hinsicht fordert. Da rede ich noch gar nicht

über Blauhelmeinsätze und Hilfe für andere Länder, zum
Beispiel bei der Ausrüstung und beim Training von Sol-
datinnen und Soldaten.

Dann habe ich zu meiner Nicht-Freude gehört,


(Thomas Oppermann [SPD]: Nicht-Freude!)


dass dieses Ziel nicht mehr akzeptiert wird. Dann habe
ich, diesmal zu meiner Freude, gehört, dass der Kanzler-
kandidat der Sozialdemokratischen Partei sich bei seinen
Experten für Verteidigung Rat gesucht hat, zum Beispiel
bei Rainer Arnold, und dass der ihm empfohlen hat, dass
man pro Jahr 3 bis 5 Milliarden Euro mehr für die Bun-
deswehr einsetzen sollte. Da habe ich meine mathemati-
schen Fähigkeiten zusammengenommen


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/ CSU – Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])


und habe mir gedacht: Wenn es 3 Milliarden sind, be-
wegen wir uns schnell in Richtung 2-Prozent-Ziel. Wenn
es 5 Milliarden sind, haben wir das 2-Prozent-Ziel wahr-
scheinlich 2024 erreicht. – Also: kein Problem, kein Dis-
sens. Ich bin froh und hoffe, dass das Wort des Kanzler-
kandidaten Martin Schulz gilt.


(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


Um die Quelle zu nennen, Herr Heil: Es war beim Forum
von Deutschlandfunk und Phoenix. – Da wurde darü-
ber hinaus noch behauptet, ich wolle 30 Milliarden Euro
mehr einsetzen, was von einem Jahr aufs andere ergeben
hätte, dass wir das 2-Prozent-Ziel erfüllt hätten, was ja
nun – – Nur, damit alles klar ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich nur noch
kurz darauf hinweisen, weil meine Zeit nämlich so gut
wie vorbei ist, dass wir – –


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ein bisschen platt!)


– Ich meine meine Redezeit hier. Mein Gott, wie weit
sind wir jetzt eigentlich schon gekommen? Leute,
kommt, es sind noch wenige Tage bis zur Wahl! Lassen
Sie uns diese erfolgreiche Regierungsarbeit wenigstens
am heutigen Tage einigermaßen gelten lassen! Wir haben
nämlich wirklich eine Menge miteinander erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben eine Menge Unterschiede; das ist überhaupt
keine Frage. Diese zeigen sich auch in den Regierungs-
programmen; das ist auch keine Frage. Aber das, was wir
geschafft haben, sollten wir den Menschen schon sagen.
Und damit schließe ich.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU)


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824501000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Sahra Wagenknecht

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824501100

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident!

Lieber Herr Dr. Lammert, als Erstes möchte ich Ihnen,
natürlich auch im Namen meiner Fraktion, unsere Aner-
kennung und unseren Dank für Ihre faire Amtsführung
aussprechen. Wir wünschen Ihnen für Ihre Zukunft alles
Gute.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der französische Präsident Macron ist bekanntlich mit
der Bewegung La République en Marche an die Macht
gekommen. Wenn Sie, Frau Bundeskanzlerin, eine Wahl-
plattform gründen würden, müsste die wohl eher „La Ré-
publique en transe“ heißen. Wer in Trance ist, der nimmt
bekanntlich die Realität nur noch sehr eingeschränkt
wahr, und der neigt ab und an zu anlassloser Euphorie.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Einlullend, inhaltsleer, demobilisierend – so beschrei-
ben viele Journalisten Ihren Wahlkampf, Frau Bundes-
kanzlerin. Dass Sie in einer Zeit, in der auch im reichen
Deutschland unzählige ungelöste Probleme den Wohl-
stand der Bürgerinnen und Bürger bedrohen, in einer Zeit
großer weltpolitischer Gefahren versuchen, mit einem
Schönwetter-Wohlfühl-Wahlkampf eine demokratische
Debatte über die Lösung dieser Probleme von vornhe-
rein zu verhindern, das finden wir – ich glaube, nicht nur
wir – wirklich empörend.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie erzählen den Leuten, Deutschland ginge es so gut
wie nie zuvor.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das ist doch wahr!)


Wer aus der Trance aufwacht, der stellt fest: Nach den
Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
haben heute sage und schreibe 40 Prozent der Bevölke-
rung in Deutschland weniger Einkommen als Ende der
90er-Jahre. Gehört für Sie fast die Hälfte der Bevölke-
rung nicht zu Deutschland? Was ist denn das für eine
Anmaßung!


(Beifall bei der LINKEN)


Da plakatiert die Union allen Ernstes: „Für gute Ar-
beit und gute Löhne.“ Ja, es gibt in Deutschland viele
erfolgreiche Unternehmen. Es gibt hochqualifizier-
te Arbeitskräfte, und es gibt zum Glück auch viele gut
bezahlte Arbeitsplätze; aber das war früher auch schon
so. Neu ist, dass selbst im Wirtschaftsboom immer mehr
ungesicherte, schlecht bezahlte Jobs entstanden sind und
dass sich inzwischen sogar die Bundesbank angesichts
der schwachen Lohnentwicklung in Deutschland Sorgen
macht. Neu ist, dass sich der Anteil derer, die trotz Arbeit
ein Einkommen unterhalb der Armutsschwelle beziehen,

in den letzten zehn Jahren – also genau in Ihrer Amtszeit,
Frau Merkel – mehr als verdoppelt hat. Ich finde, mit so
einer Bilanz „Für gute Arbeit und gute Löhne.“ zu plaka-
tieren, ist eine Verhöhnung der Wählerinnen und Wähler.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie gute Löhne wollen, dann hätten Sie doch
zwölf Jahre lang die Möglichkeit gehabt, den von Rot-
Grün unter Gerhard Schröder geschaffenen Niedrig-
lohnsektor wieder einzudämmen. Sie hätten doch unsere
Vorschläge umsetzen können, grundlose Befristungen
zu verbieten und der Lohndrückerei über Leiharbeit und
Werkverträge die gesetzliche Grundlage zu entziehen.
Sie hätten dafür sorgen können, dass der Mindestlohn
mehr ist als ein Armutslohn, den der Steuerzahler mit
10 Milliarden Euro an Aufstockerleistungen jedes Jahr
subventionieren muss.


(Beifall bei der LINKEN)


Aber nichts davon haben Sie getan. Stattdessen erzäh-
len Sie uns gemeinsam mit der SPD das Märchen, die
Agenda-2010-Gesetze hätten die Arbeitslosigkeit dra-
matisch verringert. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger
hat Ihnen daraufhin zu Recht „ökonomische Ignoranz“
vorgeworfen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


„Familien sollen es kinderleichter haben.“, lese ich
auf Ihren Plakaten. Wunderbar! Warum haben Sie denn
nichts daran geändert, dass Kinder das Armutsrisiko
Nummer eins in diesem Land sind? Warum lassen Sie
es seit Jahren zu, dass steigende Mieten gerade Familien
aus den Innenstädten vertreiben, weil sie schlicht keine
bezahlbare Wohnung mehr finden können? Und warum
stört es Sie nicht, dass bundesweit 350 000 Kitaplätze
fehlen und viele Kinder in maroden Schulen lernen müs-
sen, wo wegen chronischen Lehrermangels noch nicht
einmal der Schulstoff geschafft wird?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Natürlich wissen auch wir, dass Bildung Ländersache
ist. Wir wissen aber auch, dass die Finanzen, die die Län-
der zur Verfügung haben, von der Steuerpolitik des Bun-
des abhängen und dass Ihre Steuerpolitik, Frau Merkel,
immer darauf hinauslief, die Mittelschicht zu belasten,
aber Konzerne und Superreiche steuerlich zu schonen.


(Beifall bei der LINKEN)


So hat man auf die Milliardeneinnahmen verzichtet, die
man aber braucht, wenn man gute Bildung, gute Pflege
und eine gute Gesundheitsversorgung finanzieren will.

„Für Sicherheit und Ordnung.“ werben Sie auf Ihren
Plakaten. Was ist das für eine Ordnung, in der Großbe-
trüger in Banken und Konzernen immer wieder damit
durchkommen, die Allgemeinheit massiv zu schädigen,
ohne für die Folgen zur Verantwortung gezogen zu wer-
den?


(Beifall bei der LINKEN)


Das jüngste Beispiel dafür ist doch der Dieselskandal.
Ich finde, es ist wirklich blamabel, dass die Große Koali-
tion nicht das Rückgrat hat, Autobauer, die in den letzten






(A) (C)



(B) (D)


fünf Jahren 111 Milliarden Euro Gewinn gemacht haben,
zur Nachrüstung der Motoren zu verpflichten.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch mit Ihrer Außenpolitik haben Sie die Sicher-
heit in unserem Land nicht erhöht. Im Gegenteil: Sie
haben die gute Tradition der Entspannungspolitik auf-
gegeben und sich – anders als Ihre Vorgänger Willy
Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl und auch Gerhard
Schröder – von den USA in eine Konfrontationspolitik
gegenüber Russland


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Freundschaft!)


hineintreiben lassen, die unsere Sicherheit gefährdet und
unsere Wirtschaft schädigt.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Lammert hat vorhin an die deutsche Wiederver-
einigung erinnert. Es hatte doch auch einiges mit Ent-
scheidungen in Moskau zu tun, dass das alles auf diese
Art so friedlich geschehen konnte.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Merkel, Sie haben unsere Soldaten immer wie-
der in neue gefährliche Kriege geschickt, obwohl wir seit
dem Beginn des Krieges in Afghanistan erleben – ich er-
innere an Kunduz –, dass Bomben und zivile Opfer die
Dschihadisten stärken und nicht schwächen. Gibt es Ih-
nen nicht zu denken, dass es 2001, vor Beginn des ersten
sogenannten Antiterrorkrieges, weltweit wenige Hun-
dert gefährliche islamistische Terroristen gab und dass
es heute Hunderttausende sind? Der „Islamische Staat“,
dessen Anschläge jetzt immer öfter auch Europa treffen,
ist doch das Produkt des verbrecherischen Irakkrieges, an
dem Sie sich damals sogar noch beteiligen wollten.


(Beifall bei der LINKEN)


Während viele Menschen vor neuem Terror flüchten,
liefern Sie den Chefs der islamistischen Gefährder, den
Kopf-ab-Diktatoren am Golf und dem türkischen Des-
poten Erdogan unverändert Waffen und Kriegsgerät frei
Haus. Ich finde, das ist wirklich überhaupt nicht akzep-
tabel.


(Beifall bei der LINKEN)


Insoweit ist es auch Ihre Verantwortung, Frau Merkel,
dass sich die Lebensunsicherheit und die Zukunftssorgen
vieler Bürgerinnen und Bürger in den zurückliegenden
zwölf Jahren erheblich gesteigert haben. Und dennoch
soll es keine Wechselstimmung geben? Ich denke, es ist
eher so, dass die meisten Menschen die Hoffnung auf ei-
nen echten Wechsel aufgegeben haben. Wo soll denn eine
Wechselstimmung herkommen, wenn alle Parteien außer
der Linken signalisieren, dass sie eigentlich gar nichts
Grundlegendes ändern wollen,


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und wenn man insbesondere die Unterschiede zwischen
SPD und CDU wirklich mit der Lupe suchen muss.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)


Das wurde ja beim Kanzlerduell, das alles andere als ein
Duell war, mehr als deutlich.


(Beifall bei der LINKEN – Christine Lambrecht [SPD]: Sie waren aber auch ganz nahe bei der AfD!)


Wie groß die Sehnsucht nach einem Wechsel tatsäch-
lich ist, das konnte man, denke ich, nach der Nominie-
rung von Martin Schulz erleben. Warum sind denn die
Umfragewerte der SPD damals so nach oben gegangen?
Weil viele Menschen die Hoffnung hatten, die SPD wür-
de mit dem neuen Kanzlerkandidaten auch ihre Politik
verändern, sie würde wieder eine sozialdemokratische
Partei werden. Und das hat ihre Umfragewerte hochge-
trieben. Aber danach haben Sie wirklich alles dafür ge-
tan, diese Hoffnung zu zerstören.


(Beifall bei der LINKEN)


Dazu muss ich sagen: Wer an Leiharbeit, an Niedrig-
löhnen, an Hartz IV überhaupt nichts mehr ändern will,
wer sich nicht einmal traut, eine Vermögensteuer für Su-
perreiche zu fordern, der sollte wirklich aufhören, von
sozialer Gerechtigkeit zu reden.


(Beifall bei der LINKEN)


„Damit die Rente nicht klein ist …“, das lese ich auf
SPD-Wahlplakaten, illustriert durch das Bild einer fröhli-
chen Rentnerin. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der
SPD, meinen Sie wirklich, die Wähler haben vergessen,
dass die schlimmsten Rentenkürzungen unter Ihrer Ver-
antwortung stattgefunden haben, dass Sie mit der Absen-
kung des Rentenniveaus, mit dem Riester-Betrug und mit
der Rente erst ab 67 dafür gesorgt haben, dass die Renten
für viele verdammt klein geworden sind? Jeder sechste
Rentner lebt heute unter der Armutsgrenze. Daran wol-
len Sie noch nicht einmal etwas ändern. Der einzige Un-
terschied zur Union ist, dass Sie die Rente nicht noch
weiter kürzen wollen. Das ist wirklich eine hinreißende
Alternative. Dabei können wir in unserem Nachbarland
Österreich sehen, wie man den Menschen einen sorgen-
freien Lebensabend ermöglichen kann. Dort zahlen alle
in einen Rententopf ein: Selbstständige, Beamte und Po-
litiker. Im Ergebnis bekommt ein Durchschnittsrentner
800 Euro mehr im Monat. Das wollen Sie den Menschen
in unserem Land vorenthalten?

Bei der Außenpolitik würden wir uns natürlich darüber
freuen, wenn die Übernahme unserer Forderungen nach
Abrüstung und nach einem Abzug der Atomwaffen aus
Deutschland durch Martin Schulz ernst gemeint gewe-
sen wäre. Niemand braucht diese gefährlichen Waffen in
Deutschland. Niemand braucht weitere Aufrüstung. Das
ist völlig richtig. Aber das, was Sie heute früh wieder hier
abgezogen haben, zeigt doch, wie wenig ernst Sie das
meinen, was Sie jetzt auf den Marktplätzen und auf den
Straßen erzählen. Sie haben verhindert, dass ein Antrag
von uns nicht einmal auf die Tagesordnung gesetzt wur-
de, mit dem wir mit der jetzt noch vorhandenen Mehrheit

Dr. Sahra Wagenknecht






(A) (C)



(B) (D)


im Bundestag genau das hätten beschließen können. Ich
finde das wirklich traurig.


(Beifall bei der LINKEN)


So gesehen wäre es tatsächlich ungerecht, der Bun-
deskanzlerin die alleinige Verantwortung dafür zu geben,
dass dieser Wahlkampf in gepflegter Langeweile dahin-
plätschert. Wer hat denn die SPD daran gehindert, ein
glaubwürdiges Alternativangebot zum Weiter-so-Wahl-
kampf der Kanzlerin zu unterbreiten? Sie haben es nicht
getan.


(Thomas Oppermann [SPD]: Dann reden Sie einmal über Ihre Angebote!)


Und damit sind Sie mitverantwortlich dafür, dass die
Wählerinnen und Wähler wieder nicht zwischen alterna-
tiven Regierungen mit klar unterschiedenem Programm
entscheiden können. Das untergräbt tatsächlich die De-
mokratie.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)


Wer sich ein Deutschland wünscht, in dem wirklich
alle gut und gerne leben können, ein Deutschland ohne
Niedriglöhne und Altersarmut, in dem Politiker sich
nicht mehr von Konzernen kaufen lassen und Geld für
Bildung statt für Panzer ausgegeben wird, der kann heute
tatsächlich nur noch die Linke wählen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich bin auch überzeugt: Nur ein Weckruf durch eine
deutlich gestärkte Linke kann vielleicht verhindern, dass
sich die SPD nach ihrer Wahlniederlage in der nächs-
ten Großen Koalition verkriecht – Herr Mützenich hat
Martin Schulz schon einmal nur zum Fraktionsvorsitzen-
den gemacht; ich fand interessant, was Sie vorhin gesagt
haben – und so der Union ein Zeitlosticket für die Fahrt
im Schlafwagen an die Macht verschafft. Wir wünschen
uns, dass sich das endlich verändert.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824501200

Für die SPD-Fraktion erhält jetzt der Kollege Thomas

Oppermann das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1824501300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist die

voraussichtlich letzte Bundestagssitzung des Präsiden-
ten, aber auch der Vizepräsidenten Johannes Singhammer
und Edelgard Bulmahn. Ich möchte Ihnen, auch im Na-
men meiner ganzen Fraktion, für viele Jahre souveräner
Sitzungsleitung ganz herzlich danken.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Norbert Lammert, Sie haben in drei Wahlpe-
rioden mit Witz, Ironie und Charme durch die Tages-
ordnung geführt, dabei aber vor allem immer den Rang
dieses Parlamentes verteidigt. Sie haben klargestellt, dass

hier das Herz der Demokratie schlägt und dieses Haus
Auftraggeber und nicht Vollzugsorgan ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dass es dabei nicht nur steif und trocken zugehen muss,
haben Sie in vielen launigen Bemerkungen und Reden
bewiesen. Dabei haben Sie manchmal selbst die Regie-
rungserklärung gleich miterledigt. Das hat nicht immer
alle in Ihrer Fraktion erfreut


(Jürgen Coße [SPD]: Aber uns!)


und Ihnen den Beinamen „der Unfehlbare“ eingebracht.


(Christine Lambrecht [SPD]: Aber in Anführungszeichen!)


Das mit dem Unfehlbaren würden wir so nicht unter-
schreiben, aber fehlen werden Sie uns schon.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles erdenklich Gute.

Meine Damen und Herren, diese Regierung hat in den
letzten vier Jahren viel bewegt. Wir haben zahlreiche
Gesetze beschlossen, die das Leben vieler Menschen in
diesem Land spürbar besser gemacht haben.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Wir haben den gesetzlichen Mindestlohn eingeführt und
die Leih- und Zeitarbeit begrenzt. Wir haben eine Frau-
enquote für die Besetzung von Aufsichtsräten in großen
Unternehmen durchgesetzt, aber auch die Situation der
Alleinerziehenden deutlich verbessert. Wir haben die
Renten in Ost und West angeglichen,


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nein!)


und wir haben das erste Integrationsgesetz in der Ge-
schichte dieses Landes verabschiedet. Ich muss sagen:
Ich bin stolz darauf, was wir gemeinsam erreicht haben.


(Beifall bei der SPD)


Aber zur Wahrheit gehört auch: All diese Vorhaben
mussten von uns hart erkämpft werden, und zwar gegen
die Kollegen und Kolleginnen von CDU und CSU,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD]: Bei der Mietpreisbremse zum Beispiel!)


und viel zu häufig auch gegen Sie selbst, Frau Merkel.

Ich räume ein: Nicht immer haben wir uns gegen Sie
durchsetzen können. Einige der Projekte, die mehr Ge-
rechtigkeit bringen sollten, haben Sie bis zur Unkennt-
lichkeit beschädigt, zum Beispiel die Mietpreisbremse.
Sie, Frau Merkel, haben vor einigen Wochen beklagt,
dass die Mietpreisbremse nicht funktioniert,


(Beifall des Abg. Dr. Peter Tauber [CDU/ CSU])


aber Sie haben nicht gesagt, warum sie nicht funktioniert.
Das ist so, weil Sie als Bundeskanzlerin ganz persönlich

Dr. Sahra Wagenknecht






(A) (C)



(B) (D)


dafür gesorgt haben, dass es für die Vermieter heute ganz
leicht ist, das Gesetz zu umgehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)


Deshalb tragen Sie persönlich Mitverantwortung für vie-
le unangemessene Mieterhöhungen in diesem Land.


(Beifall bei der SPD)


Sie reden von Zusammenhalt, aber Ihr Handeln sieht
anders aus. Eine solidarische Mindestrente ist mit Ihnen
nicht zu machen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hallo?! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da widerspricht sogar die Linke!)


Sie lassen die Leute mit den kleinen Renten im Stich.
Ich finde: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, der hat eine
anständige Rente verdient.


(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, macht’s doch mal!)


Die Union ist nicht bereit, über ein Einwanderungs-
gesetz auch nur zu verhandeln. Stattdessen tragen Herr
Seehofer und Frau Merkel einen jahrelangen Streit über
die Obergrenze aus. Ich sage Ihnen: Dieser Streit ist einer
der Tiefpunkte der politischen Kultur in dieser Wahlpe-
riode.


(Beifall bei der SPD)


Sie haben verhindert, dass Arbeitnehmer das Recht
bekommen, von der Teilzeit in die Vollzeit zurückzukeh-
ren. Es ist Ihre Verantwortung, dass Millionen Frauen in
der Teilzeitfalle festsitzen.


(Beifall bei der SPD)


Nicht zuletzt gilt das für die Öffnung der Ehe. Da ha-
ben Sie sich erst offen gezeigt, dann aber, als es darauf
ankam, dagegengestimmt. So was kommt vor. Dumm ist
nur, wenn das innerhalb einer Woche passiert; denn dann
merkt es jeder.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb, meine Damen und Herren: Dieses Land braucht
keine Bundeskanzlerin, die nur sozialdemokratisch redet,
dieses Land braucht einen Bundeskanzler, der sozialde-
mokratisch handelt.


(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dieses Land ist noch nicht reif für einen Mann als Kanzlerin!)


Deutschland hat eine starke Wirtschaft, aber das kam
nicht von selbst, und das bleibt auch nicht automatisch
so. Da braucht man schon den Mut, die Zukunft zu ge-
stalten, und diesen Mut sehe ich bei Ihnen nicht.


(Lachen des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU])


Seit Monaten bunkert Ihr Finanzminister Schäuble
6 Milliarden Euro Überschuss aus 2016. Wir wollen die-
ses Geld für Investitionen zur Verfügung stellen, zum
Beispiel für den Breitbandausbau.

Frau Merkel, Sie sind jetzt 12 Jahre Bundeskanzlerin.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vollzeit!)


Deutschland als Industriemacht liegt bei der Übertra-
gungsgeschwindigkeit im Internet weltweit auf Platz 25
hinter Lettland, Rumänien und Bulgarien. Sie haben eben
gesagt: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht im Tech-
nikmuseum enden. Beim Thema Internet, Frau Merkel,
müssen Sie aufpassen, dass Sie aus dem Technikmuseum
herauskommen, in dem wir uns im Augenblick befinden.


(Beifall bei der SPD)


Sie haben dieses Zukunftsthema total verschlafen.

Völlig verschlafen haben Sie auch das Thema „digi-
tale Bildung“. Es ist unfassbar, dass Bildungsministe-
rin Johanna Wanka erst ein 5-Milliarden-Programm für
die Computerausstattung an den Schulen ankündigt und
dann – ich kann es immer noch nicht glauben – einräu-
men muss, dass sie vergessen hat, das Geld beim Finanz-
minister zu beantragen. So, Frau Merkel, verspielen Sie
die Zukunft dieses Landes.


(Beifall bei der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Peinlich! -Christine Lambrecht [SPD]: Unfassbar!)


Sie reden von „Bildungsrepublik Deutschland“, aber
Sie weigern sich, mehr Geld in die Bildung zu inves-
tieren, stattdessen verteidigen Sie das Kooperationsver-
bot. Aber dieses Kooperationsverbot ist ein unseliger
Anachro nismus und muss endlich abgeschafft werden.


(Beifall bei der SPD)


Wir wollen, dass der Bund mehr in Bildung inves-
tiert: in Ganztagsschulen und in gebührenfreie Bildung
von der Kita bis zur Meisterprüfung, und zwar flächen-
deckend; denn das ist eine Investition in Menschen, in
Werte, eine Investition in die Zukunft, aber auch in Ge-
rechtigkeit. Alle Kinder müssen unabhängig von ihrer
Herkunft oder von ihrem Wohnort die Chance auf einen
guten Schulabschluss und eine gute Ausbildung in die-
sem Lande haben.


(Beifall bei der SPD)


Wir brauchen einheitliche Bildungsstandards überall
in Deutschland. Es kann doch nicht sein, dass der Um-
zug mit Kindern in ein anderes Bundesland regelmäßig
in einem schulischen Chaos endet, weil jedes Land völlig
andere Lehrpläne und Standards hat. Diese Kleinstaaterei
auf dem Rücken von Eltern und Kindern muss endlich
ein Ende haben.


(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Von Bremen sollte man nicht nach Sachsen umziehen!)


Meine Damen und Herren, Deutschland ist ein wohl-
habendes Land, aber dieser Wohlstand kommt nicht bei
allen an. Wir brauchen ein gerechteres Steuersystem.
Deshalb wollen wir den Soli für kleine und mittlere
Einkommen, für Normalverdiener sofort abschaffen.
Finanzminister Schäuble will sich dafür zehn Jahre Zeit
nehmen.

Thomas Oppermann






(A) (C)



(B) (D)


Wir wollen eine gerechte Finanzierung der Kranken-
kassenbeiträge. Sie hingegen wollen an der ungerechten
Finanzierung der Zusatzbeiträge festhalten und damit die
Kosten für den gesamten medizinischen Fortschritt allein
den Arbeitnehmern aufbürden; da war ja Bismarck schon
fortschrittlicher. Deshalb müssen die Arbeitgeber endlich
wieder die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge zah-
len.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber am meisten hat mich erstaunt, wie Sie mit den
Sorgen der Menschen um eine sichere Rente und der
Angst vor Altersarmut umgehen, Frau Merkel. Sie haben
gesagt, dass Sie da überhaupt nichts machen wollen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vielleicht sollte man das auch Frau Nahles sagen!)


Aber schon in wenigen Jahren wird das System der Ren-
tenversicherung durch die Alterung der Gesellschaft in
eine Schieflage geraten. Wenn wir nicht gegensteuern,
sinkt das Rentenniveau von 48 auf 43 Prozent. Sie wollen
an der Rente bis zum Jahr 2030 nichts ändern. Sie wollen
nichts tun, wenn das Niveau absinkt, und Sie nehmen be-
wusst steigende Beiträge in Kauf. Ich sage Ihnen: Das ist
eine Kampfansage an die jüngere Generation.


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, es gibt nur ein großes Ziel,
für das CDU und CSU viel Geld ausgeben wollen. Dieses
Ziel heißt Aufrüstung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824501400

Herr Kollege Oppermann, darf der Kollege Birkwald

eine Zwischenfrage stellen?


Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1824501500

Ja.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824501600

Bitte schön.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824501700

Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr

Oppermann, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie
haben gerade völlig korrekt dargestellt, dass, wenn es
nach CDU und CSU geht, die zukünftigen Rentner im-
mer weniger Rente bekommen werden und bald viele,
viele Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, in
die Nähe der Grundsicherung im Alter, also in die Nähe
des Rentner-Hartz-IV kommen werden. Sind Sie erstens
bereit, zuzugestehen, dass Sie diese Regelung, nach der
das Rentenniveau bis 2030 auf bis zu 43 Prozent absin-
ken darf, mitbeschlossen haben? Und sind Sie zweitens
bereit, zuzugestehen, dass Sie Ihre jetzige Aussage, das
Rentenniveau solle bei 48 Prozent bleiben, nicht freiwil-
lig tätigen, sondern weil wir Linken immer wieder vor-

gerechnet haben, was passieren wird, wenn das Renten-
niveau auf 43 Prozent sinkt?


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Was Sie jetzt mit Ihrer sogenannten Stabilisierung des
Rentenniveaus vorschlagen, bedeutet nichts anderes, als
dass Sie die Rentenkürzungen der vergangenen 15 Jah-
re festschreiben. Das wiederum bedeutet, dass ein Stan-
dardrentner oder eine Eckrentnerin 139 Euro brutto im
Monat weniger Rente hat, als sie haben könnten, wenn
wir wieder ein Rentenniveau von 53 Prozent hätten. Das
wäre auch finanzierbar. Sind Sie bereit, das zuzugeste-
hen? Dann bin ich auch bereit, zu konzedieren,


(Zurufe von der SPD)


dass Sie wenigstens nicht den Unsinn der Union mitma-
chen, das Rentenniveau weiter abzusenken.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1824501800

Sehen Sie, durch unsere gute Arbeitsmarktpolitik ha-

ben wir im Augenblick folgende Situation: Der Stand
der Beschäftigung ist heute so hoch wie nie zuvor in
Deutschland. Die Zahl der Beitragszahler ist gestiegen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Das hat er vorhin vergessen zu erwähnen!)


Dadurch haben wir ein Rentenniveau von 48 Prozent.
Das ist ein relativ gutes Niveau.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn die Linke nachfragt, ist es doch alles nicht so schlimm!)


Wir sagen ganz klar: Wir wollen dieses Niveau stabili-
sieren; aber das bedeutet eine Kraftanstrengung.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Na und?)


Dazu müssen wir, wenn nicht gleichzeitig die Beiträge
uferlos steigen sollen, einen steuerfinanzierten Demogra-
fiezuschuss in unsere Rentenversicherung einzahlen. Das
ist das Konzept von Andrea Nahles: die doppelte Halte-
linie, für das Rentenniveau und für die Rentenbeiträge.
Das ist ein fairer Ausgleich zwischen den Generationen.
Dafür arbeiten wir. Das ist die Politik der SPD.


(Beifall bei der SPD)


Was Sie vorschlagen, sind völlig unrealistische Ver-
sprechen.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das stimmt doch nicht! Österreich!)


Sie stellen Summen in den Raum, die überhaupt nicht zu
finanzieren sind. Machen Sie erst einmal Ihre Hausaufga-
ben, und dann melden Sie sich wieder.


(Beifall bei der SPD)


Die Union will Geld für Aufrüstung ausgeben. Frau
Merkel, Sie wollen den deutschen Wehretat – das haben
Sie eben noch einmal bestätigt – bis zum Jahr 2024 von

Thomas Oppermann






(A) (C)



(B) (D)


heute 1,2 Prozent auf 2 Prozent anheben. Das wäre fast
eine Verdoppelung der Militärausgaben.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Der Beschluss ist von Herrn Steinmeier!)


Das bedeutete am Ende, dass Deutschland ab 2024
30 Milliarden Euro pro Jahr mehr für Waffen ausgeben
müsste.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Fragen Sie mal den Herrn Steinmeier!)


Ich sage: Das wäre die größte Aufrüstung, die Europa seit
Jahrzehnten erlebt hat. Das, Frau Merkel, macht unser
Land nicht sicherer, sondern das wäre der unheilvolle
Beginn eines neuen Wettrüstens.


(Beifall bei der SPD)


Daran ändern auch Ihre mathematischen Rechenküns-
te nichts. Sie wollen sich der Aufrüstungspolitik von
Donald Trump unterwerfen. Aber das wird Ihnen nichts
nutzen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn! Wie kann man das ernsthaft behaupten?)


Denn dieser Bundestag hat diese 2 Prozent niemals be-
schlossen. Ich sage Ihnen: Er wird sie auch nicht be-
schließen.


(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wider besseres Wissen!)


Klar ist aber auch, dass wir deutlich mehr Geld ausgeben
müssen, um die Bundeswehr bestmöglich auszurüsten.
Da besteht Nachholbedarf.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was denn jetzt?)


In den letzten zwölf Jahren hat die Bundeswehr vier
Verteidigungsminister von CDU und CSU erlebt. Diese
vier haben eines gemeinsam: Mit jedem Minister ist es
für die Bundeswehr schlimmer geworden.


(Beifall bei der SPD)


Frau von der Leyen hat noch einen draufgelegt und
der ganzen Truppe pauschal ein Haltungsproblem be-
scheinigt. Eine der ersten Aufgaben der nächsten Bun-
desregierung wird sein, einen gewaltigen Scherbenhau-
fen beiseitezuräumen und der Bundeswehr wieder eine
bessere Ausrüstung, mehr Personal und vor allem eine
verlässliche politische Führung zu geben.


(Beifall bei der SPD)


Wir leben in einer Zeit, in der überall auf der Welt Po-
pulisten und Autokraten unsere Werte einer offenen Ge-
sellschaft und liberalen Demokratie angreifen, in einer
Zeit, in der Wladimir Putin durch die Annexion der Krim
die europäische Friedensordnung infrage gestellt hat,


(Zuruf des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])


in einer Zeit, in der ein autokratischer Präsident Erdogan
den Rechtsstaat und die Demokratie in der Türkei zer-

stört, in einer Zeit, in der Donald Trump den Rassismus
in den USA wieder hoffähig macht. Ich sage: In einer
solchen Zeit müssen wir alles, aber auch wirklich alles
dafür tun, dass die Europäische Union zusammenbleibt,
zusammenhält und die westlichen Werte verteidigt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Donald Trump propagiert den Egoismus der Nationen.
Amerika zuerst, Großbritannien zuerst – dieser Nationa-
lismus kann keine Grundlage für das friedliche Zusam-
menleben der Völker im 21. Jahrhundert sein. Deshalb
kämpfen wir für den Zusammenhalt der Europäischen
Union.


(Beifall bei der SPD)


Nationalismus und Menschenverachtung gibt es auch
bei uns. Wenn Alexander Gauland über unsere Staats-
ministerin Aydan Özoğuz sagt, er wolle sie in Anatolien
entsorgen,


(Zuruf von der SPD: Widerlich!)


dann ist das ein unsäglicher Rassismus.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Eine Partei, die so etwas sagt, ist keine Alternative; sie
ist ganz klar eine Schande für Deutschland. Deshalb ist
es ein schwerer Fehler gewesen, dass die CDU in Sach-
sen-Anhalt mit der AfD gemeinsame Sache gemacht hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden alles dafür tun, dass diese völkische Partei
mit ihrem rassistischen Geist unser schönes Land nicht
kaputt macht. Dafür muss Deutschland stark bleiben und
gerechter werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824501900

Cem Özdemir ist der nächste Redner für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824502000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Präsident Erdogan der Republik Türkei wur-
de hier mehrmals genannt. Ich stelle mir die Frage: Hat
dieser Mann den Titel „Präsident“ wirklich verdient? Ich
habe noch gelernt, dass Präsident etwas mit Würde und
Respekt zu tun hat. Ich habe den Eindruck, wir haben es
hier mit einem ganz normalen Geiselnehmer zu tun, der
deutsche Geiseln nimmt. Ich will für meine Partei und –
das hoffe ich – für alle hier erklären: Die Bundesrepublik
Deutschland ist durch einen Geiselnehmer, der sich Prä-
sident nennt, nicht erpressbar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Thomas Oppermann






(A) (C)



(B) (D)


An die Adresse der Großen Koalition will ich sagen:
Hören Sie auf, zu prüfen, ob man Hermesbürgschaften
aussetzen kann! Hören Sie auf, zu prüfen, ob man die
Zollunion nicht vielleicht doch ausweitet! Hören Sie auf,
zu prüfen, ob man die Reisewarnungen vielleicht ver-
schärfen sollte! Tun Sie es endlich!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Was muss dieser Erdogan denn noch machen, damit Sie
endlich aufwachen und aufhören, mit ihm zu kuscheln?
Dies ist die einzige Sprache, die Erdogan versteht.

Wenn wir alle miteinander noch einen Rest an Glaub-
würdigkeit bewahren wollen – hier geht es nicht nur um
die Große Koalition, sondern auch um unser Land –,
dann erklären Sie bitte klar, dass wir uns eindeutig gegen
das Projekt von Rheinmetall, sich in der Türkei am Bau
einer Panzerfabrik zu beteiligen, stellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Da haben deutsche Unternehmer nichts verloren, zu-
mal in dieser Zeit. Für diejenigen, die es vielleicht nicht
wissen – die Öffentlichkeit sollte das erfahren –: Der
Chefl obbyist für das Auslandsgeschäft von Rheinmetall
ist kein Geringerer als der ehemalige Entwicklungshil-
feminister von der FDP, Dirk Niebel. Das sagt einiges
darüber aus, was uns erwarten würde, wenn diese Partei
zusammen mit der CDU/CSU die nächste Bundesregie-
rung stellen sollte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE] – Jan Korte [DIE LINKE]: Oder mit euch!)


Ich will diese Gelegenheit nutzen, um auf eine Sache
hinzuweisen, die uns alle umtreiben sollte. Zu mir kom-
men in letzter Zeit viele Deutschtürken, die in Opposition
zu Erdogan stehen, sich zum deutschen Grundgesetz be-
kennen und sich fragen: Beschützt uns Deutschland vor
dem langen Arm Erdogans? Darauf kann es – hoffent-
lich – nur eine einzige klare, gemeinsame und parteiüber-
greifende Antwort geben, die lautet: Der lange Arm
Erdogans hat in der deutschen Innenpolitik nirgendwo –
in keiner Moschee, in keinem türkischen Verein – etwas
verloren. Ich würde mir wünschen, dass diese Ansage
auch einmal von der Regierungsbank in dieser Deutlich-
keit gemacht würde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Was macht denn Kretschmann?)


– Der ist in dieser Frage ja wohl mit am klarsten. Wenn
Sie sich einmal informieren und nicht nur Russia Today
schauen würden, wüssten Sie das.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


Die Fähigkeit, Klartext zu sprechen, wäre gelegentlich
auch in der deutschen Außenpolitik vonnöten.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Was passiert denn in Baden-Württemberg an den Schulen?)


– Sie können gerne eine Frage stellen;


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh nein, lieber nicht!)


denn dann verlängert sich meine Redezeit.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Deswegen stellen wir keine Frage!)


Klartext müsste man gelegentlich aber auch mit dem
einen oder anderen Konzernführer sprechen. In den letz-
ten Jahren habe ich das Gefühl gehabt, dass es eine Part-
nerschaft gab, die so aussah: Die einen tun so, als ob sie
Grenzwerte einhalten würden, und die anderen tun so,
als ob sie die Grenzwerte kontrollieren würden; dann
hofft man, dass das unentdeckt bleibt und dass dieses
Geschäftsmodell immer weitergeht. Das Problem ist nur:
In Amerika hat die Umweltbehörde kontrolliert und fest-
gestellt, dass beim Diesel betrogen wurde.

Ich sage Ihnen: Ihre Krokodilstränen für die deutschen
Autofahrer können Sie sich wirklich sparen. Denn Sie
sind diejenigen, die durch Ihr Nichtstun Fahrverbote er-
zwingen, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie wirklich ein so großes Herz für die Dieselfah-
rer haben, dann sagen Sie doch bitte einmal im Klartext:
Die Dieselfahrzeuge müssen sauber, nachprüfbar und fi-
nanziert von der deutschen Automobilindustrie, die das
Problem schließlich verursacht hat, nachgerüstet werden.
Dann hätten Sie ein Herz für die Dieselfahrer. Den Rest
können sich die Leute schenken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sagen Sie bitte auch, dass wir dringend die blaue Pla-
kette brauchen, damit der Irrsinn aufhört, dass die Ge-
richte bald einen Flickenteppich in Deutschland erzeugt
haben werden, weil man in die eine Stadt hineinfahren
darf, in die andere aber nicht. Wer in Deutschland Chaos
haben will, der ist bei Ihnen gut aufgehoben. Wer will,
dass der Diesel nachgerüstet wird und dass Mutter und
Vater, die ihre Kinder mit dem Diesel zur Schule fah-
ren, nachher nicht diejenigen sind, die den Preis für Ihr
Nichthandeln zahlen müssen, der ist bei uns besser auf-
gehoben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist nicht nur das Thema Auto, bei dem Sie versa-
gen; bei der Mobilität geht es ja um ein bisschen mehr als
nur um das Auto.


(Dr. Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: Kretschmann!)


Der Verkehrsminister ist auch für den öffentlichen Ver-
kehr zuständig.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist er eigentlich? Er ist ja schon wieder nicht da!)


Cem Özdemir






(A) (C)



(B) (D)


Schauen wir uns doch einmal die Situation bei der
Rheintalbahn an. Normalerweise würde man in einem
solchen Fall sagen: Schlimm genug, weil sie die wich-
tigste Nord-Süd-Verkehrsachse ist, aber dann fahren wir
auf Ausweichstrecken. – Das Problem ist nur: Die Aus-
weichstrecken sind nicht elektrifiziert. Vielleicht muss
Herrn Dobrindt einmal jemand sagen, dass die Elektri-
fizierung der Eisenbahn schon erfunden ist. Wir sind im
21. Jahrhundert, Herr Dobrindt. Es wird Zeit, dass der
technische Fortschritt auch auf der Regierungsbank an-
kommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE])


Ich kann Ihnen das Sündenregister von Herrn Dobrindt
nicht ersparen: Dazu gehört die A 1. Die Rheintalbahn
habe ich schon genannt. Außerdem hat er die Deutsche
Bahn systematisch unterfinanziert und so dafür gesorgt,
dass keine Ausweichstrecken existieren und Eisenbahn-
strecken nicht elektrifiziert wurden. Auch der fehlende
Ausbau des Breitbandinternets ist hier zu nennen. Der
schlechteste Verkehrsminister, den dieses Land je hatte,
heißt Alexander Dobrindt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich sage das auch im Namen der Lehrerinnen und
Lehrer, die versuchen, ihren Kindern in der Schule bei-
zubringen, dass man sich anstrengen muss und dass sich
Leistung wieder lohnen muss – das sagen Sie doch ger-
ne –: Ich finde, Qualifikation darf künftig in Deutschland
kein Hinderungsgrund mehr sein, um Verkehrsminister
zu werden. Das muss hier doch einmal deutlich werden.
Wenn wir unseren Kindern sagen, sie sollen fleißig ler-
nen, dann kann es doch nicht sein, dass so einer bei uns
Verkehrsminister wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben es hier aber auch mit einer sozialpoliti-
schen Sauerei zu tun. Diejenigen, die sich im guten Glau-
ben einen Diesel gekauft haben, werden die Zeche für Ihr
Nichthandeln zahlen müssen, und diejenigen, die das mit
eingebrockt haben, erhalten zum Teil 3 000 Euro – nicht
im Monat, sondern am Tag. Wie wäre es denn einmal
damit, dass die, bitte schön, zur Kasse gebeten werden?
Wie wäre es denn einmal damit, dass Sie Gruppenklagen
einführen und den Geschädigten die Möglichkeit geben,
bis zum Jahresende eine Klage einzureichen? Das wäre
doch einmal eine praktische Tat und mehr als Rhetorik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie machen das aber schon sehr geschickt. Chapeau,
meine Damen und Herren! Herr Seehofer sagt, er will das
auch. Andere von der Großen Koalition sagen das auch.
Sie verzögern das aber so lange, bis die Klagefristen
zum Jahresende abgelaufen sind. „Hut ab“, kann man da
nur sagen. Man muss sich erst einmal trauen, mit dieser
Chuzpe Politik zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen, meine Herren, hier wurde das Thema
„Zukunft der Mobilität“ angesprochen. Wir kritisieren
Sie doch nicht, um hier irgendjemanden zu ärgern. Frau
Merkel, ich habe Sie einmal nach China begleitet und
das doch schon mitbekommen: Ich nehme an, in den Ge-
sprächen in der Volksrepublik China geht es auch darum,
dass dort gerade mit staatlichen Subventionen in Milliar-
denhöhe ein riesiger Markt der Elektromobilität aufge-
baut wird. Wenn Sie in die USA gehen, dann sehen Sie:
Dort wird das nicht mit staatlichen Geldern, sondern mit
Risikokapital gemacht. Auch dort wird ein riesiger Markt
der Elektromobilität aufgebaut.

Ja, wir haben vor 130 Jahren den Verbrennungsmotor
erfunden, und wir sind stolz darauf. Wir haben damals
eine großartige Erfindung gemacht. Das Problem ist nur:
Es kann doch nicht sein, dass die wichtigste Innovation
aus Deutschland der letzten Jahre die Sitzheizung war.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist Zeit, dass das nächste große Projekt ebenfalls aus
Deutschland kommt. Ich will, dass das Elektroauto hier
in Deutschland gebaut wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man Ihre Politik konsequent zu Ende denkt,
dann wird Kaiser Wilhelm II. im Nachhinein doch noch
recht behalten. Er hat damals, als das Auto aufkam,
nämlich gesagt, dass das Auto, der Verbrennungsmotor,
keine Chance – ich zitiere sinngemäß – gegen die Pfer-
dekutsche hat. Kaiser Wilhelm II. hatte unrecht. Kaiser
Wilhelm II. kann man aber gerade hier auf dieser Regie-
rungsbank bewundern; denn von dort heißt es, dass der
Verbrennungsmotor noch hundert Jahre fahren wird. Wer
das sagt, der will das deutsche Auto im Museum bewun-
dern.


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das hat keiner gesagt!)


Ich will, dass Deutschland Automobilproduktions-
standort bleibt. Das wird nur gehen, wenn das Auto der
Zukunft emissionsfrei ist und in Deutschland, von unse-
ren deutschen Ingenieuren, hergestellt wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen, meine Herren, zur Fairness im Wahl-
kampf gehört, auch zu sagen: Wenn man den G-20-Gip-
fel mit Herrn Trump, Herrn Erdogan und Herrn Putin ge-
sehen hat, dann erscheint die Bundeskanzlerin schon fast
wie eine Lichtgestalt. Das muss man zugeben,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das wäre ein guter Schlusssatz gewesen! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das „fast“ hätten Sie weglassen müssen!)


wenn man das Trio Infernale dort gesehen hat. Vergnü-
gungsteuerpflichtig war das sicher nicht.

Wenn Herr Trump seine Unterlagen zur Abwechslung
einmal gelesen und sich vorbereitet hätte, dann hätte er
die Bundesregierung und die Große Koalition aber sehr
einfach auskontern können. Er hätte nämlich sagen kön-
nen: Ich habe das Pariser Klimaschutzabkommen zwar

Cem Özdemir






(A) (C)



(B) (D)


gekündigt, aber was machen Sie? Sie unterschreiben
es, und seit acht Jahren gehen die CO2-Emissionen in
Deutschland nicht zurück. – Deutschland ist Weltmeister
bei der Nutzung der Braunkohle. Diese Politik schadet
dem schmelzenden Eis in der Arktis genauso wie die Po-
litik von Herrn Trump.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn Sie den Diesel abschaffen, geht das noch schneller!)


Nur, damit wir einmal Klartext darüber reden, was
diese Regierung unter Hightech versteht: Wir reden hier
zum Teil über Kohlekraftwerke aus der Zeit von Sepp
Herberger. Für die, die es nicht mehr wissen: Er war ein-
mal Fußballnationaltrainer in Deutschland.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Oberlehrer!)


– Herr Kauder, auch als Baden-Württemberger kann es
nicht Ihr Ernst sein, dass Kohlekraftwerke mit einem
Wirkungsgrad von 30 Prozent – das sollten Sie wissen –
unser Hightechprojekt sein sollen. Das können unsere
Ingenieure besser. Seien Sie nicht so ingenieursfeindlich!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Entscheidend ist auf dem Platz!)


Meine Damen, meine Herren, wir haben das TV-Du-
ell gesehen. Vielleicht sollte ich besser von einem „Duett
mit Dissonanzen“ sprechen, die quasi in Stein gemei-
ßelte Alternativlosigkeit. Aber es kann noch schlimmer
kommen als eine Große Koalition, nämlich wenn sich
Schwarz und Gelb miteinander verbünden.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: SchwarzGrün!)


Dann kommen zu denjenigen, die schon jetzt nichts tun,
noch welche, die die Reise nach hinten antreten wollen.
Die FDP hat einen Vorschlag gemacht – ich will fair
sein –, wie man mit dem Problem der Dieselgrenzwerte
und mit den Stickoxiden in der Stadt umgehen soll. Sie
will einfach die Grenzwerte aufweichen. So kann man
das natürlich auch machen. Eine einfache Lösung, aber
halt auch eine sehr dumme Lösung, meine Damen und
Herren!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es scheint momentan so zu sein, als würde das Hohe
Haus am 24. September dieses Jahres durch den Einzug
einer weiteren Fraktion einschneidend verändert werden.
Ich will mich ausdrücklich dem Kollegen Oppermann
anschließen. Egal, wie man zu wem auch immer hier in
diesem Haus und zu seinen Äußerungen steht: Ein Mit-
glied dieses Hauses wird nicht in Anatolien entsorgt,
meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will auch für meine Fraktion klar sagen: Das Men-
schenbild der AfD hat mit dem Menschenbild der Bun-
desrepublik Deutschland nichts zu tun. Wir leben in der

Bundesrepublik Deutschland in einem großartigen Land.
Dieses Land hat nichts mit der AfD zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Ich sage ganz bewusst als jemand, dessen Vorfahren
zwar nicht in der Bundesrepublik Deutschland geboren
sind, der aber selbst in Deutschland geboren ist und der
die Schwäbische Alb genauso seine Heimat nennt wie je-
der andere auch, der von dort kommt: Eine Partei, deren
Loyalität zu einem autoritären Herrscher wie Putin höher
ist als deren Loyalität zum deutschen Grundgesetz,


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Meinen Sie Schröder?)


soll bitte schön nicht für sich in Anspruch nehmen, dass
sie irgendetwas mit deutschen Tugenden zu tun hat, mei-
ne Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Haben Sie von Schröder gesprochen? – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Haben Sie Schröder gemeint?)


Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr
Lammert! Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Ich wer-
de Ihren Scharfsinn und Ihren Humor sehr vermissen.
Herzlichen Dank für Ihre kluge und zuweilen auch fröh-
liche Amtsführung. Ich hoffe, dass wir noch viel von Ih-
nen hören werden.

Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Der letzte Satz war sehr gut! – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Das mit der Kanzlerin und der Lichtgestalt war auch gut!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824502100

Volker Kauder ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1824502200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Auch ich möchte zunächst dem Präsidenten im
Namen meiner Fraktion herzlich danken. Wir haben ihn
schon gestern in unserer Fraktionssitzung mit stehendem
Applaus gewürdigt. Ich glaube, man kann sagen: Dieser
Deutsche Bundestag kann wirklich stolz darauf sein, ei-
nen solchen Präsidenten gewählt zu haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Norbert Lammert, wir wünschen alles Gute;
Gottes Segen begleite Sie. Ich bin ganz sicher: Wir wer-
den vom ehemaligen Präsidenten immer wieder etwas
hören. Vor allem wenn ihm wegen des einen oder ande-

Cem Özdemir






(A) (C)



(B) (D)


ren die Hutschnur platzt – so kenne ich ihn –, wird er
nicht schweigen können. Deswegen freuen wir uns na-
türlich – die Sitzungen der CDU/CSU-Fraktion sind für
jeden ehemaligen Kollegen offen – über jeden Besuch.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Unsere auch!)


– Gut, wenn ich in Pension bin, dann komme ich einmal
bei euch vorbei.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824502300

Vielleicht gehen wir am besten zusammen hin, um

größere Zusammenstöße zu vermeiden.


(Heiterkeit – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Ich bringe euch dorthin!)



Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1824502400

Das können wir einmal probieren. – Meine sehr ver-

ehrten Damen und Herren, wenn man heute auf unser
Land schaut, dann muss man zugeben, dass es wahr-
scheinlich kein einziges Land auf der Welt gibt, in dem
es den Menschen im Schnitt so gut geht wie bei uns in
Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dies hat etwas mit einer großen Gesamtleistung von flei-
ßigen Bürgerinnen und Bürgern, von Unternehmern, die
risikofreudig sind und investieren, und einer guten Poli-
tik zu tun.

Es mag ja sein, Herr Kollege Oppermann, dass nicht
alles hundertprozentig gelungen ist. Aber ich kann nur
sagen: Ich bin stolz auf das, was wir in diesen vier Jahren
in dieser Regierung für unser Land geleistet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jetzt kann ich eine Erfahrung anführen, die ich schon
mit meinem Freund Peter Struck besprochen habe und
über die er in seinem Buch berichtet hat: Wenn man mit-
einander in einer Regierung ist, dann muss man sich zu
dieser Regierung bekennen. Auf jeden Fall wird es nicht
gelingen – das werden wir am 24. September sehen –,
gleichzeitig Regierung und Opposition zu sein. Dies
funktioniert nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]: Seehofer!)


Peter Struck hat in seinem Buch auch bestätigt, dass dies
ein Fehler gewesen sei. Und der wird jetzt wiederholt.

Bei dem, was wir in den nächsten vier Jahren vorha-
ben, sind ein paar Projekte von besonderer Bedeutung.
Eines – das zentrale überhaupt – heißt: Wir müssen un-
sere Wirtschaft darin unterstützen, dass sie wachsen kann
und vorankommt. Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne
Wirtschaft ist alles nichts, meine sehr verehrten Damen
und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Was eine funktionierende Wirtschaft bedeutet, hat der
Kollege Oppermann – allerdings erst auf Nachfrage aus
der Fraktion Die Linke – erklärt. Ich kann nur den Kopf
darüber schütteln, wie dort das eine oder andere diskutiert
wird, zum Beispiel die Rente. Wir haben in der letzten
Großen Koalition auf Vorschlag von Franz Müntefering
ein Rentenkonzept bis zum Jahr 2030 entwickelt. Dass
die SPD jetzt nicht immer dazu stehen will, wundert
mich nicht; denn sie will sich von allem verabschieden,
was sie einmal gemacht hat, auch von den Dingen, die
richtig waren, was selten genug der Fall ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber selbst von denen will sie sich verabschieden.

Jetzt muss ich sagen: Ja, es ist ja richtig: Als Angela
Merkel zum ersten Mal Bundeskanzlerin geworden ist,
hat sie 5 Millionen Arbeitslose im Gepäck gehabt, die
sie geerbt hat. Heute sehen die Zahlen ganz anders aus.
Das Ergebnis sieht man: Dass 44 Millionen Menschen
beschäftigt sind und in die Sozialkassen einzahlen, führt
dazu, dass wir eine Situation in unseren Sozialversiche-
rungssystemen haben, wie wir sie schon lange nicht mehr
hatten. Auch dies ist ein gutes Ergebnis unserer Regie-
rung.

Klar ist auch: Je mehr Menschen in Arbeit sind und
Beiträge zahlen, desto stabiler ist das Rentenversiche-
rungssystem, und damit werden auch die 48 Prozent ge-
halten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Alles andere ist Quatsch. In der Zeit der rot-grünen Re-
gierung mit 5 Millionen Arbeitslosen wäre ein Renten-
niveau von 48 Prozent nicht einmal mit einem Milliar-
denaufwand möglich gewesen. Deswegen: Sorgen wir
für eine gute wirtschaftliche Situation! Dann sind die
Renten- und auch die Sozialversicherungssysteme in
Ordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das war doch viel höher! Sie haben keine Ahnung)


Dass man den Mut hat, hier aufzutreten, und den ei-
genen Kanzlerkandidaten im Regen stehen lässt, das ist
wohl typisch sozialdemokratisch. Ich will darauf hinwei-
sen: Es ist absolut nicht in Ordnung, Thomas Oppermann,
sich hierhinzustellen und zu sagen: Die CDU/CSU will
aufrüsten.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist die Wahrheit! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Wahrheit!)


Das ist absolut nicht in Ordnung. Ich zitiere Martin
Schulz im Phoenix-Interview:

Die Experten sagen mir: Zwischen 3 und 5 Milliar-
den braucht die Bundeswehr jährlich mehr. Ja, unbe-
dingt; sollten wir tun.

Sich dann hierhinzustellen und etwas anderes zu sagen,
ist schäbig, um das einmal so offen zu formulieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Volker Kauder






(A) (C)



(B) (D)


Es bleibt dabei, dass wir mit dieser Regierung unter
Angela Merkel dem Land einen guten Dienst erwiesen
haben, vor allem deshalb, weil wir neue Chancen und
neue Möglichkeiten für die nächste Regierung und auch
für die junge Generation geschaffen haben. Es ist er-
staunlich – eigentlich ist es das nicht –, dass die SPD da-
rüber nicht spricht. Aber wahrscheinlich eine der größten
Leistungen dieser Koalition – nicht nur der Regierung –
ist, dass wir dreimal hintereinander einen Haushalt ohne
neue Schulden geschafft haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nein, es ist bereits das vierte Mal hintereinander. Nun
sind wir beim fünften Haushalt. Dass wir keine neuen
Schulden gemacht haben, und dies, ohne die Steuern zu
erhöhen, das ist eine großartige Leistung. Das ist etwas,
was wirklich generationengerecht ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist auch die Wahrheit: Als wir einen Haushaltsüber-
schuss nicht für die Rücklage, sondern zur Reduzierung
der Schulden nehmen wollten, hat die SPD nicht mitge-
macht, sondern gesagt: Wir wollen nicht die Schulden
senken, sondern geben das Geld lieber aus. – Das ist so
typisch: Anstatt die Schulden zu senken, Geld ausgeben,
obwohl wir in diesem Land genügend investieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Rede des Kollegen Oppermann habe ich in vielen
Punkten so verstanden, als ob der Bund mehr und mehr
Aufgaben der Länder übernehmen sollte und die Länder
damit abgeschafft werden sollten. Ich kann nur sagen:
Bildungspolitik ist zunächst einmal Aufgabe der Länder.
Dort, wo die Union regiert, läuft es wesentlich besser als
dort, wo ihr regiert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Bundesministerin Andrea Nahles)


– Auf der Regierungsbank, Frau Nahles, hat man ruhig
zu sein. Sie können sich ja ins Plenum setzen. Aber auf
der Regierungsbank ist man zunächst einmal friedlich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Keine Belehrungen bitte!)


Es ist doch bezeichnend, dass die SPD-Bundestags-
fraktion und insbesondere der Kollege Oppermann
mehrfach gesagt haben: Wir brauchen ein Programm zur
Sanierung von Schulen und für finanziell notleidende
Städte, vor allem wegen Nordrhein-Westfalen. – Dort
habt ihr viele Jahrzehnte regiert. Das Ergebnis kann man
besichtigen. Gott sei Dank hat sich das in diesem Jahr
geändert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Übrigen haben wir überhaupt nichts gegen eine
verstärkte Zusammenarbeit. Wir haben das Grundgesetz
geändert, um zusammenarbeiten zu können. Wir haben
auch gesagt: Wir wollen einen Bildungspakt mit Ländern

und Kommunen, um zu helfen, dass Schulen an das In-
ternet angeschlossen werden.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das Geld habt ihr vergessen dabeizulegen!)


Aber wir haben immer gesagt, dass die Verantwortung
für das, was in der Schule geschieht, bei den Ländern
verbleiben muss. Das wird sich auch in Zukunft nicht än-
dern. Doch nur weil man im SPD-regierten Bremen so
miserable Ergebnisse bei der Bildungspolitik hat, muss
man nicht für einheitliche Standards in ganz Deutschland
plädieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Man sollte nur nicht, wenn man in Bremen Kinder in der
Schule hat, den Versuch unternehmen, mit denen nach
Sachsen umzuziehen; denn die Bremer haben selber ge-
sagt, sie seien beim Abitur eineinhalb Jahre zurück. Da-
ran muss man schon auch in den Ländern etwas ändern.
Es muss dabei bleiben, dass Verantwortung und Kompe-
tenzen zusammengehören. Es geht auf gar keinen Fall,
Kompetenzen für sich zu beanspruchen und sich dann,
wenn es schiefgeht, Geld beim Bund abholen zu wollen.
So funktionieren die Dinge wirklich nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin zu-
versichtlich, dass wir dieses Land auch in den nächsten
vier Jahren in eine gute Zukunft führen können. Aber
manche aufgeregte Diskussion darf nicht darüber hin-
wegtäuschen, dass wir es mit Risiken in der Außenpo-
litik zu tun haben. Wenn wir uns Amerika oder Nordko-
rea anschauen, wenn wir die Art und Weise, wie Putin
Politik macht – nicht nur in der Ukraine, sondern auch
in anderen Bereichen –, anschauen, dann müssen wir
feststellen: Man muss sich wirklich Sorgen machen. Da
kann ich nur sagen: Es kommt darauf an, dass man mit
Ruhe, klarer Einsicht, Kompetenz und auch Mut an die
Sachen herangeht. Jetzt kann ich nur sagen: Die oberste
aller Tugenden ist die Klugheit und nicht das politische
Rabaukentum.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das sagt der Richtige!)


Wenn ich so sehe, wie sich die Positionen im Wahl-
kampf verändern, dann kann ich nur dringend davor war-
nen, wegen einer Wahl Positionen über Bord zu werfen,
die man noch vor vier Tagen, nämlich bis zum letzten
Freitag, für richtig erkannt hat. Wenn ich mir das alles
anschaue – so sehen es auch viele Menschen in unserem
Land –, bin ich mir ganz sicher, dass gerade die schwieri-
gen außenpolitischen Aufgaben nirgendwo besser aufge-
hoben sind als bei Angela Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Bundestagspräsident hat gemahnt, dass wir uns
gemeinsam für die Demokratie einsetzen, auch über den
Wahlkampf hinaus; das ist richtig. Deswegen teile ich
alles, was hier zur AfD gesagt wurde. Aber man muss
sagen: Es gibt auch Gefahren von anderer Seite. Es hat
mich schon sehr gestört, dass das Thema eines zuneh-

Volker Kauder






(A) (C)



(B) (D)


mend gewaltbereiten Linksextremismus hier überhaupt
noch nie angesprochen worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das, was in Hamburg geschehen ist, hat mit rechts we-
niger zu tun als mit links.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben immer noch keine Antwort auf die G-20-Anfrage!)


Ich rate dringend, Kollege Oppermann und auch Kol-
legen von den Grünen, auf keinem Auge blind zu sein.
Extremismus, der unsere Gesellschaft gefährdet, ob von
links oder von rechts, muss beiderseits bekämpft werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn wir dies schaffen – wir sind dazu bereit –, dann
tun wir unserem Land einen großen Dienst.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824502500

Als nächster Redner hat Dietmar Bartsch für die Frak-

tion Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824502600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Lammert hat ja angemahnt, wir sollten weniger reden,
sondern mehr debattieren. Da muss ich selbstverständ-
lich auf Herrn Kauder und auch auf Herrn Oppermann
eingehen. Herr Kauder, Sie haben eben gesagt, Sie woll-
ten gar nicht aufrüsten, es sei schäbig, das zu sagen. Ja,
was ist es denn, wenn man den Verteidigungsetat von
37 Milliarden Euro auf letztlich 70 Milliarden Euro an-
heben will? Das ist Aufrüstung, das ist nichts anderes.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man den Verteidigungsetat jedes Jahr um 3 Milli-
arden Euro erhöht, ist das auch nichts anderes. Was hat
denn das mit schäbig zu tun? Das ist das, was Sie vorha-
ben. Darüber muss man doch reden. Die Menschen müs-
sen wissen: Sie wollen deutlich mehr für Verteidigung
ausgeben. Sie wollen auch weiter Waffen exportieren,
und es gibt andere, die deutlich dagegen sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Oppermann, 3 Milliarden Euro jedes Jahr mehr für
den Verteidigungsetat ist auch Aufrüstung; das ist nichts
anderes. Es gibt aber eine Partei, die einen Abrüstungs-
wahlkampf führt.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Der Friede muss doch bewaffnet sein, Herr Bartsch! Das haben wir doch gelernt vor 30 Jahren!)


Eins muss ich Ihnen auch sagen: Sie haben hier so
wunderbare Vorschläge gemacht. Ich habe gedacht, das
ist eine Liste der Anträge der Linken. Ich frage mich,
wieso Sie nur ein einziges Mal in dieser Legislatur – bei
der Ehe für alle – den Mut hatten, wenigstens die Dinge,
die im Koalitionsvertrag stehen, umzusetzen. Die Ab-

schaffung der Möglichkeit der sachgrundlosen Befris-
tung hatten Sie sogar vereinbart. Nicht einmal das haben
Sie geschafft. Und jetzt tun Sie so, als wenn Sie das al-
les hätten anders machen wollen. Das ist, ehrlich gesagt,
nicht ehrlich, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will die Frage stellen – bei allen Krisen dieser
Welt; darüber ist geredet worden; da ist manches zu un-
terstützen –: Warum eigentlich kann Europa in dieser Si-
tuation nicht eine andere Rolle spielen? Ich frage einmal
ganz nüchtern: Ist Europa heute eigentlich ein besseres
als vor zwölf Jahren, als Angela Merkel Kanzlerin ge-
worden ist? Wie ist denn die Situation? Den Brexit haben
wir. Die Finanzmarktkrise ist nicht bewältigt. Wir haben
das Erstarken rechtspopulistischer und rechtsextremisti-
scher Parteien. Wir haben eine Jugendarbeitslosigkeit in
den Südländern von über 50 Prozent – in Griechenland
das vierte Jahr. Da wächst eine Generation der Hoff-
nungslosigkeit heran. Der desolate Zustand in Europa hat
aber mit Ihrer Politik, mit der Politik von Angela Merkel
und Wolfgang Schäuble, zu tun. Das hat zur Entsolida-
risierung geführt, meine Damen und Herren. Das ist die
Wahrheit.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Kauder hat gesagt: Hier ist über einiges nicht ge-
redet worden. – Ja, das ist mir auch aufgefallen. Hier ist
über einiges nicht geredet worden. Wenn ich in meinem
Wahlkreis in Rostock bin, höre ich ganz andere Themen,
über die geredet wird. Es gab in unserem Land mal den
schönen Satz: Unseren Kindern soll es einmal besser ge-
hen. – Wir hatten gerade die Einschulung in Brandenburg
und in Mecklenburg-Vorpommern; jetzt am Sonnabend
ist sie auch in Berlin. Wir sind uns doch einig, dass ei-
gentlich alle diese kleinen Kinder in unserem Land die
gleichen Chancen haben sollten. Aber das Ergebnis Ih-
rer Politik ist, dass sie nicht die gleichen Chancen ha-
ben. Das ist die Realität. Unsere Kinder haben nicht die
gleichen Chancen, und das hat natürlich zuallererst mit
Elternarmut zu tun.

Sie sagen so schön: Im Schnitt geht es Deutschland
gut. – Ja, das ist wie mit der Kuh, die in dem Teich, der
50 Zentimeter tief war, ertrunken ist. Es gibt perversen
Reichtum und Armut in unserem Land. Das ist die Re-
alität.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Kanzlerin hat angeführt: Mit den Arbeitsplätzen
ist es deutlich besser. – Bei jedem Arbeitsplatz, der gut
bezahlt wird, unterstützen wir das. In Kommunen und
Ländern machen wir etwas, Unternehmen und Gewerk-
schaften arbeiten daran. Aber es ist doch eine Frage zu
beantworten: Hat denn das alles in unserem Land zu mehr
Armut oder nicht geführt? Das ist eine zentrale Frage. Da
kann ich nur eines feststellen: Als Angela Merkel Kanz-
lerin wurde, lag die Armutsrisikoquote bei 14 Prozent.
Jetzt liegt sie bei 15,7 Prozent. Bei den Beschäftigten ist
das Risiko, in Armut zu kommen, obwohl sie vollzeitbe-

Volker Kauder






(A) (C)



(B) (D)


schäftigt sind, von 6,8 Prozent auf 9,7 Prozent gestiegen.
Da ist doch etwas nicht in Ordnung in unserem Land.


(Beifall bei der LINKEN)


Besonders skandalös ist, dass es in unserem reichen
Land Kinderarmut gibt, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Zahl ist in den letzten Jahren gestiegen. Das hat doch
etwas mit Politik zu tun. Warum haben Sie da nichts ge-
tan? In Ihrem Koalitionsvertrag kommt dieses Wort nicht
vor. Ich hoffe, im nächsten, egal, wer ihn schreibt, kommt
dieses Thema endlich vor. Diesen unhaltbaren Zustand
muss man endlich beenden.

Wie ist es mit der Altersarmut? Es ist eine ähnliche
Situation. Die Zahl der Menschen, die auf Grundsiche-
rung angewiesen sind, ist in den letzten zehn Jahren
von 365 000 auf 525 000 gestiegen. Das sind 44 Pro-
zent. Warum gibt es bei uns nicht eine Mindestrente von
1 050 Euro? Das können wir doch finanzieren, wenn wir
wollen, wenn es eine ordentliche Rentenreform gibt.


(Beifall bei der LINKEN)


Es bleibt dabei: In einem Land, in dem Alleinerzie-
hende Zukunftsangst haben, in dem Kinderreichtum zum
Armutsrisiko wird und in dem alte Menschen Flaschen
sammeln, kann man von Sozialstaat nicht reden. Am
24. September geht es auch um die Wiederherstellung des
Sozialstaats in unserem Land, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Die andere Seite der Medaille kennen wir alle: Das
ist dieser Reichtum. Die Zahl der Milliardäre in unserem
Land steigt. 186 Milliardäre! Die 500 reichsten Familien
haben von 2011 bis 2016 ihr Vermögen von 500 Milli-
arden Euro auf 692 Milliarden Euro gesteigert. Das ist
obszön, meine Damen und Herren. Als Norddeutscher
weiß ich: Die Steuern heißen auch so, weil wir damit das
Land steuern. Da muss etwas passieren. Wir haben das
Steuersystem des vergangenen Jahrhunderts, und diese
Koalition hat in den letzten Jahren auf diesem Gebiet
nichts bewegt. Es gehört Mut dazu, sich mit den Mächti-
gen anzulegen. Aber diesen Mut haben Sie nicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es wird immer über den ausgeglichenen Haushalt ge-
sprochen. Wir haben gar nichts dagegen, dass es ausge-
glichene Haushalte gibt. Aber wir müssen an der Spitze
noch etwas abholen. Ich könnte Ihnen jetzt zur Erbschaft-
steuer und zur Vermögensteuer vortragen. Das kann man
alles im Wahlprogramm nachlesen. Aber eines will ich
schon noch sagen, weil hier immer über die Riesenleis-
tung des Finanzministeriums geredet wird: Wer ist denn
eigentlich verantwortlich für den Skandal der Brennele-
mentesteuer?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wer ist denn eigentlich verantwortlich für die Cum/
Ex-Geschäfte? Wer ist denn eigentlich verantwortlich da-

für, dass nach Veröffentlichung der Panama Leaks nichts
passiert ist? Das alles lag in der Hoheit des Finanzmi-
nisters. Da gehen die Mittel verloren, die wir eigentlich
für Investitionen in Bildung, für Investitionen im Pflege-
bereich, für Investitionen in erneuerbare Energien brau-
chen. Da haben Sie Fehler gemacht. Da muss es Verände-
rungen geben, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD])


Dann höre ich hier auch sehr viel zu den Themen Die-
selgate, Abgasskandal usw. Nun sind diese Absprachen
und all das andere auch so schon ein Riesenskandal. Aber
wie die Politik, wie die Regierung damit umgeht, das ist
doch auch ein Skandal. Sie, meine Damen und Herren
von der Regierung, sitzen mit den Verursachern der Krise
zusammen,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


aber nicht mit denjenigen, die betroffen sind. Das alles
haben doch Leute zu verantworten, die ganz fette Milli-
onenverträge hatten. Der Winterkorn hat 17,1 Millionen
Euro verdient; der war immer stolz, dass er am allermeis-
ten verdient. Wo wird denn so jemand mal zur Verant-
wortung gezogen? Da glaubt doch kein Mensch, dass
das ohne Mitwisserei des Wirtschaftsministeriums oder
nachgeordneter Regierungsbehörden möglich war.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich meine, das ist ein Betrug, ein Kartell der Wirtschaft.
Ich habe jetzt wenigstens verstanden, wieso das in den
Stadien Bandenwerbung heißt: Ja, das heißt aus gutem
Grund Bandenwerbung, meine Damen und Herren.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Im Wahlkampf fragen jetzt viele Menschen: Wie ist
es eigentlich mit den Verantwortlichen? Wieso steht hier
eigentlich keiner vor Gericht? In den Vereinigten Staaten
ist das doch so. Es ist irgendwie komisch, dass das bei uns
nicht passiert. – Da wird immer mehr gefragt. Die Leute
kommen auf einen zu und fragen: Wie ist es eigentlich
mit Verfristungen? – Die Arbeiter, ob in Wolfsburg oder
Leipzig, ob in Chemnitz oder Hannover, bangen teilwei-
se um ihre Zukunft. Sie von der Regierung haben das al-
les zulasten der Umwelt, zulasten der Verbraucherinnen
und Verbraucher, zulasten der Zulieferindustrie, letztlich
auch zulasten des Standortes Deutschland mitzuverant-
worten. Bei den Sammelklagen lassen Sie jetzt einen
Verschiebebahnhof auf die Zeit nach der Wahl zu. Das ist
doch alles unverantwortlich. So verlieren die Menschen
den Glauben an die Politik, meine Damen und Herren.

Was sagen Sie eigentlich den Tausenden von Ingeni-
eurstudentinnen und -studenten, ob nun in Rostock oder
Dresden, die an Technik und an Fortschritt glauben und
dafür arbeiten wollen? Sie, Frau Merkel, haben von made
in Germany gesprochen und davon, dass sie ihr Leben
damit verbinden sollen. Das ist ja sehr gut. Aber ist es

Dr. Dietmar Bartsch






(A) (C)



(B) (D)


jetzt wirklich so, dass man dazu immer noch eine Riesen-
portion Zynismus braucht: Erwischt? Pech gehabt, aber
dann weiter so! – Das kann doch wohl nicht wahr sein.
Da müssen doch auch von hier andere Signale kommen.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich habe jetzt am Wochenende viel über Fluchtursa-
chen gehört. Das ist auch so ein Punkt. Ich glaube, wir
haben hier im Haus ganz großen Konsens darüber, dass
wir da wirklich etwas tun müssen. Es kann aber doch
nicht sein, dass wir ernsthaft – – Liebe Frau Merkel,
es mag zwar spannend sein, sich mit Herrn Kauder zu
unterhalten, aber es wäre vielleicht auch eine gute Idee,
einmal einen Moment zuzuhören – einen Moment nur!


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])


– Sie sollten auch nicht einfach so abwinken, Herr
Kauder. Es könnte passieren, dass man später auch ein-
mal in der Opposition sitzt. – Aber gut.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wenn Sie mit mir reden wollen, gehen wir gleich raus!)


– Wir können gerne rausgehen, wir beide. Das machen
wir einmal. Das wäre doch einmal eine Sache.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt sofort!)


Also, ich finde es für die Große Koalition inakzepta-
bel, über Fluchtursachen zu reden, nachdem sie in dieser
Legislaturperiode so viele Waffenexporte wie noch nie
genehmigt hat. Es ist unglaubwürdig, vor diesem Hinter-
grund ernsthaft zu sagen: Wir wollen Fluchtursachen be-
kämpfen. – Ich finde, das geht überhaupt nicht. Wenn Sie
weiterhin auch noch Waffen in die Türkei exportieren, ist
das ein ganz großer Skandal.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Übrigen kann ich mich hinsichtlich der Aussagen
über die Staatsministerin in dem Fall der Kanzlerin, Cem
Özdemir und auch Thomas Oppermann nur anschließen.
Das ist völlig inakzeptabel. Wir werden jedenfalls bis
zum letzten Tag kämpfen, dass hier in diesem Hause kei-
ne rechtspopulistische Partei vertreten ist.


(Beifall bei der LINKEN)


Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, der
auch nicht vorkommt, nämlich die Angleichung der
Lebensverhältnisse. Frau Merkel, es ist nun einmal die
Wahrheit – das erleben wir doch alle –, dass die „blühen-
den Landschaften“ und die „Chefsache Ost“ bei vielen
als – na ja, auf gut Deutsch – Verarschung ankommen.
Sie wollen offensichtlich nicht darüber reden. Es gibt je-
doch weiter einen riesigen Lohnabstand, es gibt weiter-
hin riesige Defizite bei Landärzten, es gibt Defizite in der
Pflege. Und jetzt wird tatsächlich ein unterschiedlicher
Mindestlohn für das Pflegepersonal in Ost und West ver-
einbart. Pflege und Zuneigung für Menschen, die gepflegt

werden müssen, dürfen doch nicht in Ost und West un-
terschiedlich bezahlt werden, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist doch unsere Aufgabe, hier nachhaltig Druck zu ma-
chen, dass genau das nicht passiert.

Besonders skandalös ist natürlich, wie es in den neuen
Ländern um das Thema Breitbandausbau und -netze be-
stellt ist. Herr Dobrindt, was haben Sie in den vergange-
nen vier Jahren gemacht! Ich habe mir noch einmal Ihre
Ankündigungen durchgelesen, nicht zur Vorbereitung
auf heute, sondern zur Vorbereitung der gestrigen Sen-
dung. Davon ist ja nichts realisiert worden. Das Netz ist
schlechter als in Georgien, Rumänien oder Peru. Das ist
doch wirklich unhaltbar. Was haben Sie in den vier Jah-
ren gemacht? Das Entscheidende ist doch, dass endlich
etwas passieren muss. Jetzt machen Sie im Wahlkampf
so weiter; ein Schlafwagen-Wahlkampf.

Ein Land, in dem man gut und gerne leben kann – das
unterschreiben wir alle. Gute Arbeit, gute Löhne – das
unterschreiben wir alle. Aber Auseinandersetzungen um
die Zukunft unseres Landes müssen geführt werden: Es
geht darum, ob der soziale Zusammenhalt in diesem
Land wiederhergestellt wird. Es geht um die Zukunft
Europas, damit dieses Projekt – es war ein Friedenspro-
jekt – nicht scheitert. Dabei hat diese Koalition in den
letzten vier Jahren wenig bis gar nichts geleistet. Deswe-
gen wäre es sehr sinnvoll, wenn am besten beide Parteien
nicht mehr in Regierungsverantwortung kommen, meine
Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin, da so viel gedankt worden ist, nehme
ich mir diese Besonderheit heraus und danke den Vize-
präsidenten ebenfalls für ihre Arbeit. Alles Gute auf allen
Wegen!


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824502700

Ganz herzlichen Dank.


Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824502800

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824502900

Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea

Nahles, hat als nächste Rednerin für die Bundesregierung
das Wort.


(Beifall bei der SPD)


Dr. Dietmar Bartsch






(A) (C)



(B) (D)


Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und So-
ziales:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ja, diese Regierung hat erfolgreich gearbeitet, insbeson-
dere in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.


(Beifall bei der SPD)


Die Beschäftigung boomt. Wir haben die niedrigste Ar-
beitslosenquote. Sogar die niedrigen Löhne steigen dank
des Mindestlohns wieder.

Trotzdem finde ich es reichlich abgehoben, Frau
Merkel, wenn Sie sich heute hierhinstellen und in Selbst-
zufriedenheit erklären: „Darüber dürfen wir uns freuen.“
Was glauben Sie, wie ich mich gefreut habe, als ich den
Mindestlohn nach monatelangem, zähem Ringen mit Ih-
rer Fraktion durchbekommen habe?


(Beifall bei der SPD)


Aber der Mindestlohn ist kein guter Lohn. Deswegen
muss unser Ehrgeiz über diesen Mindestlohn hinausge-
hen. Mindestlohn heißt doch noch lange nicht, dass die
Leute anständige Löhne für ihre harte Arbeit bekommen.
Fragen Sie einmal den Hermes-Boten, ob er bekommt,
was er verdient, die Altenpflegerin oder den Altenpfleger,
ob sie bekommen, was sie verdienen. Dabei werden Sie
feststellen: Nein. Deswegen wollen wir anständige Löh-
ne, von denen die Leute leben und eine anständige Rente
bekommen können.


(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Haben Sie was von Tarifpartnerschaft gesagt?)


Wie schaffen wir das? Wir haben einiges auf den Weg
gebracht: den Missbrauch bei Leiharbeit eingedämmt,
für die Werkarbeitnehmer endlich einen Rechtsanspruch
für die Betriebsräte durchgesetzt. Aber wir brauchen in
diesem Land vor allem wieder mehr Arbeitgeber, die ta-
rifgebunden sind. Helfen Sie uns dabei, dafür zu sorgen,
dass im nächsten Jahr bei den Betriebsratswahlen auch
dort Betriebsratswahlen stattfinden, wo heute noch gar
kein Betriebsrat existiert!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen an dieser Stelle Unterstützung.

Wir brauchen aber auch einen Pakt für anständige
Löhne. Denn eines ist klar: Gerade in den sozialen Beru-
fen bekommen die Leute nicht die Wertschätzung, die sie
verdienen. Derzeit wird der Kosten- und Wettbewerbs-
druck in der Pflege, im Bereich der sozialen Berufe ein-
zig auf den Schultern der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer in diesem Land abgeladen. Deswegen müssen
wir auch die Kirchen, die freien Träger mit ins Boot neh-
men. Wir brauchen eine Anstrengung, damit hier endlich
wieder tarifliche Strukturen existieren, die die Menschen
schützen und ihnen anständige Löhne garantieren.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Aber was wir in Deutschland nicht brauchen, ist sach-
grundlose Befristung. Deren Abschaffung haben wir

nicht im Koalitionsvertrag verabredet, Herr Bartsch. Das
hätten wir gerne gewollt, aber das hat unser Koalitions-
partner verhindert. Versuchen Sie einmal mit einem be-
fristeten Arbeitsvertrag – 45 Prozent der Einstellungen
erfolgen heute auf befristeten Arbeitsverträgen – in Ber-
lin, in Hamburg, in München, in Stuttgart oder irgendwo
sonst eine Wohnung zu bekommen. Versuchen Sie ein-
mal, einen Kredit zu bekommen. Versuchen Sie einmal,
ein Auto zu kaufen. Sie werden feststellen, dass das fak-
tisch unmöglich ist. Junge Leute können auf befristeten
Verträgen keine Familienplanung aufbauen. Wir brau-
chen die sachgrundlose Befristung in diesem Land nicht
mehr. Deswegen gehört sie abgeschafft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was ist einer der Hauptgründe für niedrige Löhne in
diesem Land? Das ist die Teilzeit. 46 Prozent der Frauen
arbeiten in Teilzeit, teilweise unter 20 Stunden.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Vielleicht wollen die das auch!)


Warum machen die Frauen das? Die Frauen machen das
für die Familie, für die Kinder. Die machen das, weil sie
nicht Kinder bekommen, um sie dann direkt wegzuor-
ganisieren – das verstehe ich als Mutter sehr gut. Wenn
sich Frauen also für Teilzeit, für die Familie entschei-
den, wie reagieren wir in diesem Land darauf? Mit einer
doppelten Bestrafung. Erstens. Wenn sie zurückkommen
wollen, stellen sie oft fest: Oh, die Jungs haben sich die
Claims schon wieder neu abgesteckt, Rückkehr ist gar
nicht möglich. – Zweitens. Aus der Karriereplanung und
aus der Weiterbildung sind sie raus. Und dann kriegen sie
als Bonbon, als doppelte Bestrafung, wenn sie jahrzehn-
telang Teilzeit gearbeitet haben, am Ende natürlich auch
keine Vollzeitrente. Ich sage Ihnen: Es ist ein Skandal,
dass wir eines der größten Potenziale in diesem Land,
unsere gut ausgebildeten Frauen, die sich phasenweise
für die Familie entscheiden, am Ende so hängen lassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie und niemand anders hat das Gesetz zur Rückkehr
von Teilzeit in Vollzeit, das fertig in der Schublade liegt,
verhindert, höchstpersönlich. Frau Merkel hat gesagt:
Wir wollen das erst ab einer Betriebsgröße von 200 Be-
schäftigten.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hätten Sie mal zugegriffen!)


Ich sage Ihnen: Dann hätte dieses Gesetz 7,3 Millio-
nen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gar nichts
gebracht. So ein Gesetz machen wir doch nicht. Wir
machen doch keine Gesetze, damit sie auf dem Papier
stehen. Wir machen Gesetze für die Realität, damit die
Frauen in diesem Land etwas davon haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen: Lieber Martin
Schulz – in Klammern: Mann – und Andrea Nahles – in
Klammern: Frau – als Angela Merkel – in Klammern:






(A) (C)



(B) (D)


Frau –; denn für die Frauen bringt es in dieser Frage am
Ende eindeutig mehr, wenn sie Martin Schulz wählen.


(Beifall bei der SPD)


Was ich Ihnen ganz offen und klar sagen muss, ist Fol-
gendes: Sie haben ein sehr schönes Ziel ausgerufen. Ich
persönlich bin sehr dafür. Wir wollen Vollbeschäftigung.
Sie haben auch gesagt, dass Sie das erreichen wollen.
Wenn man aber Vollbeschäftigung erreichen will, dann
muss man endlich auch den Mumm haben, die verfestigte
Langzeitarbeitslosigkeit anzupacken.


(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie kommen in die Arbeitslosigkeit!)


Sie, Frau Merkel, und Herr Schäuble haben es wirk-
lich geschafft, mich am langen Arm verhungern zu las-
sen, was das Programm zur Förderung öffentlicher Be-
schäftigung und sozialer Teilhabe angeht. Gerade einmal
20 000 Plätze konnte ich im Rahmen dieses sehr erfolg-
reichen Programmes besetzen. In diesem Land warten
aber Hunderttausende von Langzeitarbeitslosen darauf,
endlich eine Chance zu bekommen.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum habt ihr nichts getan, verdammt noch mal?)


Dass sie Arbeit im öffentlich geförderten Bereich fin-
den, ist ihre einzige Chance. Wir brauchen mindestens
100 000 Plätze, um in der Fläche zu Erfolgen zu kom-
men. Das kostet 2 Milliarden Euro.


(Beifall bei der SPD)


Und jetzt sagen Sie mir: Wollen Sie die 2 Milliarden
Euro in die Hand nehmen, ja oder nein? Das ist doch
ganz einfach. Das können Sie den Wählern doch vor der
Bundestagswahl erzählen. Sie könnten den Wählern vor
der Bundestagswahl sagen: Jawohl, es gibt 2 Milliarden
Euro mehr für Langzeitarbeitslose. – Dann wären wir
doch glücklich. Dann wären wir doch schon zufrieden.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir haben mal 5 Millionen Arbeitslose gehabt!)


Aber das werden Sie nicht tun; denn bisher haben Sie es
auch nicht gemacht. Wir hätten das ja gerne gemeinsam
umgesetzt. Es ist ja nicht so, dass es an uns gescheitert
wäre.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so!)


Darüber hinaus gibt es leere Versprechungen aller Art,
auf die ich jetzt nicht eingehen will. Aber dass Sie sich zu
einem Punkt klar bekannt haben, war ja wirklich überra-
schend. Sie sind jetzt gegen die Rente mit 70. Okay, das
wird ja jetzt gar nicht so diskutiert. Herr Schäuble, Herr
Spahn und andere diskutieren ja eher über eine Koppe-
lung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung.
Das ist eine andere Mechanik. Das ist so eine Art Auto-
matismus der Renteneintrittsaltererhöhung.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist noch schlimmer!)


Gilt die klare Aussage „keine Rente mit 70“ auch für die-
se Forderung? Das wäre meine Frage, Frau Merkel;


(Beifall bei der SPD)


denn das ist es, was eigentlich diskutiert wurde in den
letzten Monaten, übrigens auch in der Rentenkommissi-
on, die ich letztes Jahr geleitet habe.


(Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824503000

Frau Nahles, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und So-
ziales:

Nein, jetzt nicht.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)


Wir haben klar gehört, was Sie zur Rente gesagt ha-
ben. Ich nehme Sie jetzt einmal beim Wort, dass es keine
Rente mit 70 geben wird. Die eigentliche Frage, über die
wir hier die ganze Zeit reden, ist aber doch nicht die des
Renteneintrittsalters. Die eigentliche Frage ist, ob wir
das Gesetz ändern. Jetzt ist die Rechtslage ja so: Dieses
Gesetz wurde Anfang der 2000er-Jahre auch mit sozial-
demokratischen Stimmen gemacht,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aha!)


weil wir 5,3 Millionen Arbeitslose hatten, weil die Frauen-
erwerbstätigkeit niedrig war, die Zuwanderung minimal
und weil die Älteren ab 55 zum alten Eisen geschoben
wurden. Das war die Lage Anfang der 2000er-Jahre.


(Michaela Engelmeier [SPD]: In der Tat!)


Die Lage ist mittlerweile völlig anders. Wir haben die
höchste Frauenerwerbstätigenquote mit 74 Prozent.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Schöne Erfolge!)


Wir haben tatsächlich keinen Unterschied mehr be-
züglich der Beschäftigung von 60-Jährigen gegenüber
50-Jährigen oder 40-Jährigen. Die sind alle gleicherma-
ßen in Beschäftigung.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Schöne Erfolge! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Erfolge der Union!)


Wir haben eine wesentlich bessere Situation bei der Zu-
wanderung, und zwar auch schon vor der Flüchtlingskri-
se. Vor allem haben wir nur noch 2,5 Millionen Arbeits-
lose. Das befähigt uns, ein Versprechen zu geben, das das
Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung in die-
sem Land wiederherstellt; denn dieses Vertrauen ist bei
den jungen Leuten weg, das ist einfach zerstört.


(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Warum denn?)


Bei der Bundestagswahl am 24. September geht es
darum: Wollen wir, dass das Rentenniveau weiter sinkt,

Bundesministerin Andrea Nahles






(A) (C)



(B) (D)


oder wollen wir eine gesetzlich festgelegte Haltelinie
einziehen, damit das Rentenniveau auch für die jüngeren
Leute gleich bleibt?


(Beifall bei der SPD)


Wenn Sie das mit uns machten, hätten wir viel gewon-
nen. Aber das haben Sie abgelehnt. Ich finde aber, dass
man das den Leuten vor der Wahl ganz klar sagen muss.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die glauben Ihnen doch nichts mehr!)


Die jüngere Generation ist die Gelackmeierte. Sie bezahlt
mehr Beiträge – das können wir wegen der Babyboomer,
die zusätzlich in Rente kommen, nicht verhindern –, aber
hat, wenn es nach Ihnen geht und wir nichts machen, un-
term Strich überhaupt nichts davon. Sie zahlt mehr und
bekommt weniger Rente.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, wenn ihr regiert, dann haben die nichts! Das ist richtig!)


Das zerstört auf Dauer das Vertrauen in die wichtigste
Säule unseres Sozialsystems, die Rente.


(Beifall bei der SPD)


Deswegen ist die Sicherung des Rentenniveaus für uns
erste Priorität.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ihren Versprechen glaubt niemand!)


Ja, wir haben an vielen Stellen sehr gut regiert; aber
Deutschland braucht mehr und Deutschland kann mehr,
vor allem soziale Gerechtigkeit.

Vielen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824503100

Als nächste Rednerin hat Katrin Göring-Eckardt für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben heute hier sehr lange
darüber geredet, was die Erfolge der Großen Koalition
sind und wie gut es dem Land geht.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Genau! Sehr richtig!)


Sie haben aber vergessen, was die zentralen Fragen die-
ses Landes sind. Sie haben den Abgasskandal wieder ein-
mal heruntermoderiert nach dem Motto: Mich geht das
doch nichts an. – Doch die Bürgerinnen und Bürger in
diesem Land geht es etwas an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben weggelassen die Kinderarmut und die Mie-
tenexplosion, Sie haben weggelassen die Skandale um
NSA. Sie haben nicht über NSU geredet, und Sie haben
nicht über den Maut-Murks geredet. Die Milchkrise, die
Bankenkrise, das Extremismuserwachen, all das ist in
Ihrer Rede nicht vorgekommen, Frau Merkel. Ich sage

Ihnen: So werden Sie in den nächsten Jahren nicht wei-
terregieren können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Über den Niedergang der Grünen hat sie auch nicht gesprochen!)


Da ist nichts Frisches mehr, bei Ihnen nicht und – das
muss man ehrlicherweise sagen, auch wenn sich Frau
Nahles hier wirklich sehr angestrengt hat – auch nicht bei
der Großen Koalition. Wir erleben den Muff aus zwölf
Jahren Schwarz-Rot, Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot. Da
hat sich nichts mehr bewegt. Deutschland braucht end-
lich frischen Wind. Deutschland verdient in vier Jahren
eine andere Regierungserklärung hier an diesem Pult.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In vier Jahren?)


Ich will Ihnen sagen, was ich wünsche, was darin
vorkommt. Darin muss vorkommen: Ja, wir haben die
Zukunft unserer Kinder endlich angepackt. Wir haben
erkämpft, dass Kinderarmut in diesem Land keine Rolle
mehr spielt. – Das will ich in vier Jahren hören und keine
Ignoranz mehr.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will in vier Jahren hören, dass wir gemeinsam ange-
packt haben, dass die Luft klar ist, dass Wasser sauber
und bezahlbar ist und dass das Essen gesund ist. Bei uns
stehen das Tierwohl und eine intakte Natur im Mittel-
punkt und nicht mehr nur die alte Agrarlobby, über die
Sie immer die Hände halten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will, dass wir sagen können, dass wir das Sterben im
Mittelmeer endlich beendet haben, dass wir im Umgang
mit Flüchtlingen über uns hinausgewachsen sind, und
zwar noch einmal, mit den Bürgerinnen und Bürgern die-
ses Landes, dass Schluss ist mit Abschottungspolitik und
dass wir endlich für Integration in diesem Land sorgen,
und zwar ehrlich, mit Anstrengung und mit Klarheit, so-
dass wir hier wirklich gut zusammenleben können. Das
ist der Unterschied zu Ihnen, Frau Merkel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine ehrliche Bilanz wäre gewesen, klar zu sagen, was
Sie alles haben laufenlassen, was zu stoppen gewesen
wäre. Die Autoindustrie, die Energieindustrie, die Agrar-
industrie, sie alle haben, gemeinsam mit Ihnen und Ihren
Ministern, jegliches Maß verloren, von Mitte ganz zu
schweigen. Sie haben es zugelassen, dass Herr Dobrindt
und Herr Schmidt, die beiden Herren von der CSU, die
Infrastruktur und die Landwirtschaft in diesem Land in
eine richtig große Krise gebracht haben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Entschuldigung, ich finde das nicht lächerlich; denn
einerseits haben wir einen Minister, der unfassbar viel
Geld für Infrastruktur hat und vier Jahre lang nichts an-

Bundesministerin Andrea Nahles






(A) (C)



(B) (D)


deres macht, als sich um eine Maut zu kümmern, die ver-
mutlich nie kommen wird,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Michael Donth [CDU/ CSU])


und andererseits können sich die Menschen in diesem
Land nicht sicher sein, dass sie kein Gift im Essen haben
und dass kein Läusegift in den Eiern ist, weil das nicht
mal kontrolliert wird, sondern Herr Schmidt Entwarnung
gibt, bevor er überhaupt sicher sagen kann, dass in die-
sem Land alles in Ordnung ist. Darüber kann ich nicht
lachen. Das muss ich Ihnen klar sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Was wir auch erleben, ist, dass die Große Koalition
seit Sonntag nichts anderes zu tun hat, als miteinan-
der zu kuscheln und gleichzeitig zu versuchen, dass es
nicht auffällt. Das ist irgendwie wie bei Teenagern, die
zu Hause nicht zugeben können, dass sie jetzt eine neue
Freundin haben.

Frau Nahles, Sie haben eben gesagt, dass es für die
Frauen in diesem Land besser wäre, sie würden Martin
Schulz wählen. Ich habe mir dieses Duell ja angeguckt.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie hatten auch einen anderen Eindruck, oder?)


Da wundert es mich doch schon sehr, dass die Frauenpo-
litik oder die Gleichstellung von Frauen oder die Gehälter
von Pflegekräften oder die Situation der Alleinerziehen-
den kein einziges Mal vorgekommen sind, Frau Nahles.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie das hier sagen, dann geht es wohl nicht um
Martin Schulz, sondern vielleicht um die nächste Kanz-
lerkandidatin der SPD; vielleicht werden Sie, Frau
Nahles, das sein. Aber mit Herrn Schulz hat all das je-
denfalls nichts zu tun.

Meine Damen und Herren, Schwarz-Rot waren ver-
lorene Jahre im Kampf gegen die Klimakrise. Man kann
und muss Donald Trump dafür kritisieren, dass er aus
dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen ist. Aber
wenn Sie sich hierhinstellen, Frau Merkel, und sagen,
dass wir den Verbrenner noch jahrzehntelang haben wer-
den, dann sind Sie auch ausgestiegen, zwar nicht, weil
Sie Ihre Unterschrift zurückgenommen hätten, sondern,
weil Sie das Abkommen nicht umsetzen. So ehrlich muss
man dann auch sein. Wer die Klimakrise bekämpfen will,
der muss es auch machen, der muss endlich handeln in
diesem Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt muss man natürlich ehrlicherweise sagen, was
uns möglicherweise bevorsteht. Nach zwölf Jahren des
Verschlafens, nach Wiedereinstieg in die Braunkohle,
beispielsweise in Brandenburg, droht ja, dass im Sep-
tember zwei Parteien in den Bundestag einziehen, die
harte Klimaleugner sind. Die eine ist die AfD, die sich
mit Herrn Trump gemeinmacht, die andere ist die FDP.
Die Generalsekretärin der FDP behauptet ja auch, die
Klimakrise gäbe es gar nicht. Diese FDP kumpelt weiter

mit der Energiewirtschaft. Deswegen will ich an dieser
Stelle schon einmal sagen, was uns bevorsteht, wenn wir
eine Regierung bekommen, wie es in Nordrhein-West-
falen der Fall ist. Dort wird es keine Windkraftinvestiti-
onen mehr geben. Dort wird es mehr Braunkohle, mehr
Verschmutzung geben. Dort sind 18 500 Arbeitsplätze in
Gefahr – es sind die Arbeitsplätze der Zukunft –, weil
man weiter in die Vergangenheit blickt. Das ist es, was
uns bevorsteht, wenn Sie gemeinsam mit der FDP in die-
sem Land regieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie reden immer gerne davon, dass Sie konservativ
sind. Für mich hat das sehr viel mit Heimat und Bewah-
ren zu tun. Sie haben in zwölf Jahren Landwirtschafts-
politik zugelassen, dass sich die Agrarindustrie zulasten
unserer Heimat selbst pervertiert. Das müssen übrigens
nicht Sie ausbaden; das müssen die Verbraucherinnen
und Verbraucher ausbaden, von Gammelfleisch bis hin
zu Läusegifteiern. Was ist eigentlich mit Gentechnik auf
dem Teller? Was ist mit Glyphosat? Die Menschen wis-
sen das nicht, weil Sie nicht bereit waren, zuzulassen,
dass man weiß, was im Essen drin ist. Sie haben nicht die
Bereitschaft gehabt, zuzulassen, dass es Lebensmittel-
kennzeichnungen in diesem Land gibt. Es muss doch das
Mindeste sein, dass die Verbraucherinnen und Verbrau-
cher wissen, woher das Essen kommt, wie die Tiere ge-
halten worden sind, wie die Pflanzen hergestellt worden
sind, wenigstens wissen, was drin ist. Das ist das Min-
deste, was ich von Ihnen verlange: dass die Verbrauche-
rinnen und Verbraucher die Chance haben, endlich frei
zu entscheiden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe es am Anfang schon gesagt: Es hat mich sehr
bewegt, Frau Merkel, dass Sie hier kein Wort über das
Sterben im Mittelmeer verloren haben, auch kein Wort
darüber, dass humanitäre Seenotretter aufgeben müs-
sen, weil Sie stillschweigend zuschauen, wenn sie von
der libyschen Küstenwache beschossen werden. Es wird
davon berichtet – Herr Gabriel hat das für die Bundes-
regierung getan –, dass die Lager in Libyen derzeit KZs
ähneln. Es herrschen unhaltbare Zustände. 97 Prozent der
Frauen berichten von sexuellen Übergriffen, von Verge-
waltigungen, von brutaler Gewalt. Sie, Frau Merkel, ha-
ben in der Bundespressekonferenz gesagt, das sei „sicher
noch nicht ideal“. Es gibt Punkte, Frau Merkel, wo Mo-
deration wohlfeil und Nonchalance zynisch ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Benennen Sie, worum es geht! Das sind Menschen-
rechtsverletzungen, das ist eine Katastrophe! Ich sage Ih-
nen: Mit einem solchen Land, mit Libyen, darf es keinen
Flüchtlingsdeal geben. Der Deal mit der Türkei ist ohne-
hin schon gescheitert. Zu versuchen, mit einem Land, das
gar keine Regierung hat, weiter Abschottungspolitik zu
betreiben, mit autokratischen Ländern Deals zu machen
und ihnen Waffen liefern zu wollen, damit die Grenzen
Europas in die Mitte Afrikas verlegt werden, das ist doch
keine realistische Flüchtlingspolitik, das ist das Gegen-
teil davon! Das hat mit Menschlichkeit nichts zu tun, und

Katrin Göring-Eckardt






(A) (C)



(B) (D)


das hat mit Planbarkeit nichts zu tun. Sie wollen, dass
diese Menschen aus den Augen und aus dem Sinn sind.

Ich sage Ihnen: Ich will, dass wir eine menschliche
Flüchtlingspolitik machen, und zwar ohne Obergrenze.
Ich will, dass wir wissen, wer in Europa ist, dass das re-
gistriert wird, dass die Menschen sicher hierherkommen
können und, ja, dass diejenigen, die hier kein Asyl be-
kommen, auch wieder zurückkehren müssen. Aber ich
will nicht, dass wir so tun, als ob wir Fluchtursachen
bekämpfen und dabei selber eine Fluchtursache bleiben.


(Beifall des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE])


Der somalische Kleinbauer, der nach Deutschland
kommt, ist auch deswegen zum Flüchtling geworden,
weil von uns hochsubventioniertes tiefgefrorenes Hüh-
nerfleisch geliefert wird und er deswegen seine Hühner-
farm aufgeben musste. Wir sind Teil der Fluchtursachen.
Dieser Tatsache endlich ins Auge zu blicken, das verlan-
ge ich von Ihnen, wenn Sie über realistische Flüchtlings-
politik reden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es war schon nett, am Sonntag zu beobachten – auch
heute konnten wir es hier beobachten –, dass sich Union
und SPD darauf geeinigt haben, dass wir eine Erhöhung
der Rüstungsausgaben um 2 Prozent brauchen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Quatsch! Auf gar keinen Fall! Das stimmt ja nicht!)


– Ja, doch. Verschiedene Menschen aus der Union haben
verschiedene führende Sozialdemokraten zitiert. Das ist
so.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Fake News! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Fake News!)


– Nein, es sind keine Fake News.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Doch, das sind Fake News!)


– Moment! Das ist das, was Sie im Kabinett beschlossen
haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht darum, dass auf der einen Seite die Ausgaben
im Etat des Auswärtigen Amts und im Entwicklungsetat
sinken, aber auf der anderen Seite die Verteidigungsaus-
gaben steigen. Was ist denn das anderes als eine Schwer-
punktverlagerung? Aus der Nummer kommen Sie nicht
mehr raus, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])


Liebe Frau Nahles, ich muss noch einmal zu Ihnen
kommen; denn Sie tun ja so, als hätten Sie gar nichts mit
dem zu tun, was Sie hier alles beschlossen haben.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie ist nur Ministerin!)


Wer hat denn im Kabinett zugestimmt, dass es Kürzun-
gen bei der Förderung der Langzeitarbeitslosen gab? Das

war die Bundesarbeitsministerin! Die Nummer mit „Hal-
tet den Dieb!“ lassen wir Ihnen nicht durchgehen, meine
Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824503200

Frau Göring-Eckardt, lassen Sie eine Zwischenfrage

zu?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Heil muss es jetzt wieder richten. Machen Sie!


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824503300

Herr Heil.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1824503400

Liebe Katrin Göring-Eckardt, es geht einfach nur da-

rum, zwischen Bündnis 90/Die Grünen und SPD nicht
Unterschiede aufzuzeigen, wo es gar keine Unterschiede
gibt.

Ich bitte Sie, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen: Frau
Merkel hat vorhin ein Zitat aus dem Zusammenhang ge-
rissen und verfälscht, und das möchte ich klarstellen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


– Wir wollen hier Argumente austauschen und sollten
nicht Dinge unterstellen, die nicht gesagt wurden.

Martin Schulz hat deutlich gemacht, dass er für eine
bessere Ausrüstung der Bundeswehr ist und dafür 3 bis
5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellen will,


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


und zwar insgesamt, aber nicht aufwachsend Jahr für
Jahr. Das ist der Unterschied zum 2-Prozent-Ziel von
Frau Merkel. Sie will Jahr für Jahr mehr und ab 2024
30 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr aus-
geben.

Frau Göring-Eckardt, Sie als Grüne haben vielen Aus-
landseinsätzen zugestimmt. Wenn wir im Interesse unse-
rer Soldatinnen und Soldaten für eine bessere Ausrüstung
der Bundeswehr sind, dann ist das das eine. Wenn Frau
Merkel für eine massive Aufrüstung der Bundeswehr ist,
dann ist das etwas anderes. Ich bitte Sie, diesen Unter-
schied klarzumachen.


(Beifall bei der SPD)


Frau Merkel hat zitiert, was Martin Schulz in einer
Phoenix-Sendung gesagt hat. Darin hat er deutlich ge-
macht, dass ihm Experten sagen – ich finde, die haben
recht –, dass unsere Bundeswehr 2, 3, bis zu 5 Milliar-
den Euro mehr für Ausrüstung braucht, aber nicht Jahr
für Jahr aufwachsend, sondern dauerhaft. Frau Merkel,
das ist der Unterschied. Sie wollen – das haben Sie im
Wahlprogramm der CDU deutlich gemacht – ab 2024

Katrin Göring-Eckardt






(A) (C)



(B) (D)


zusätzlich 30 Milliarden Euro. Das ist Aufrüstung, nicht
Ausrüstung.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Frage! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist überhaupt nicht wahr! Ich habe hier das Originalzitat!)


Das ist der Unterschied, Frau Göring-Eckardt. Bitte
machen Sie sich nicht zum verlängerten Arm dieser fal-
schen Informationspolitik von Frau Merkel. Das ist mei-
ne herzliche Bitte.


(Beifall bei der SPD)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nein, nein, nein, Herr Heil. Niemals würde ich mich
auf Informationen von Frau Merkel verlassen. Ich habe
mich einfach auf das verlassen, was Sie gemeinsam beim
Haushalt beschlossen haben. Genau darüber habe ich ge-
sprochen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Beim Haushalt haben Sie beschlossen: Die Etats für die
Außenpolitik und die Entwicklungspolitik sinken, der
Wehretat steigt. Dabei ging es nicht um Ausrüstung oder
die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten – da wären
wir uns ja ganz schnell einig –, sondern es ging um einen
echten Aufwuchs. Herr Heil, eines muss klar sein: Sie
müssen wenigstens zu den Sachen stehen, bei denen Ihre
Leute im Kabinett die Hand gehoben haben – jenseits
von Phoenix-Sendungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU], an den Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD] gewandt: Das war ein Satz mit x, nix!)


Ich will am Schluss auf etwas eingehen, was hier schon
mehrere benannt haben, und will deutlich sagen, dass ich
glaube, dass wir tatsächlich vor einer historischen Wahl
stehen. Es steht zu befürchten, dass im Herbst hier Abge-
ordnete sitzen werden, die all das infrage stellen, was wir
gemeinsam in 70 Jahren Nachkriegsdemokratie inklusi-
ve der friedlichen Revolution erarbeitet haben: Anstand,
harte, aber faire Auseinandersetzungen, das Streben nach
Interessenausgleich. Ich bitte Sie alle, auch jenseits des
Wahlkampfes, in dem wir diese harte Auseinanderset-
zung führen müssen: Lassen wir uns nicht von Rechtsex-
tremen in unserer Mitte beirren, und zeigen wir der AfD,
dass wir geschlossen sind gegen Hass, gegen Hetze, ge-
gen Fake News, gegen Spaltung, gegen Rassismus bis in
unsere eigenen Reihen! Machen wir das gemeinsam für
die Demokratie, meine Damen und Herren!


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Linken auch!)


Auch dabei, Herr Lammert, werden Sie uns fehlen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Joachim Poß [SPD])


Denjenigen, die am 24. September 2017 wählen kön-
nen, sage ich: Gehen Sie bitte zur Wahl. Sorgen Sie da-

für, dass die Demokratie wieder lebendig wird und dass
diese eingeschlafene Große Koalition – Herr Kauder,
durch Schulterklopfen wachen die Leute nicht wieder
auf – endlich Geschichte wird. Die Richtung dieses Lan-
des, die Richtung der Politik ab Herbst dieses Jahres wird
sich bei Platz drei entscheiden. Ich möchte gerne, dass es
nach vorne geht, dass wir Verantwortung für die Zukunft
übernehmen, dass wir Verantwortung tragen für Klima-
schutz in diesem Land, für die Zukunft unserer Kinder,
für die Zukunft des Planeten, auch wenn Ihnen das viel-
leicht zu pathetisch ist. Mir geht es darum, dass wir kei-
ne FDP in der Regierung haben, die dafür steht, dass die
Löhne sinken, die Pflegerin keinen Stich bekommt und
die Mieten noch stärker steigen. Ich will Klimaschutz
und Gerechtigkeit. Das müssen die Markenzeichen der
nächsten Bundesregierung werden. Darum Grün wählen.
So einfach ist das.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824503500

Als nächster Redner hat der Bundesminister für Fi-

nanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, für die Bundesregierung
das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Göring-Eckardt, das, was Sie zum Schluss
Ihrer Rede gesagt haben, dass wir uns auch im Wahl-
kampf darum bemühen sollten, unsere Prinzipien ein-
zuhalten – das hat der Parlamentspräsident am Anfang
dieser Debatte schon gesagt –, erfordert meines Erach-
tens auch, dass wir im Wahlkampf versuchen, die Lage
unseres Landes mit all den Problemen und Herausforde-
rungen so realistisch wie irgend möglich zu beschreiben,
dass wir keine Illusionen schüren und keine unerfüllba-
ren Versprechen geben; denn das ist der Nährboden der
Demagogen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Unser Land ist in einer guten Lage, auch mit all den
Problemen. Wir werden übrigens immer, solange Men-
schen Gesellschaften bilden – das Paradies auf Erden
werden wir nicht haben –, Probleme haben, und wir
werden uns anstrengen müssen, sie zu lösen. Das ist fast
eine Grundbedingung menschlicher Existenz und politi-
schen Handelns. Aber dass unser Land und die meisten
Menschen in unserem Land in einer besseren Lage sind
als die meisten anderen auf dieser Welt und zu früheren
Zeiten und dass wir in Europa und weit darüber hinaus
darum beneidet werden, das sollte man auch zweieinhalb
Wochen vor der Bundestagswahl nicht in Abrede stellen.
Alles andere macht keinen Sinn.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Übrigen, liebe Frau Nahles: Wir haben vier Jahre
nebeneinander gesessen; das war nett. Der Wettbewerb in
Ihrer Partei um die künftigen Führungspositionen muss

Hubertus Heil (Peine)







(A) (C)



(B) (D)


schon sehr heftig sein, wenn ich Ihre Rede richtig ver-
standen habe; denn es war völlig anders.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben vieles zusammen erreicht.

Nun kommt das eigentliche Problem. Unser Land,
so gut die Lage auch ist, steht vor großen Herausforde-
rungen. Die Bundeskanzlerin hat es in ihrer Rede ganz
am Anfang beschrieben. Das Tempo der Veränderungen,
der schnelle Wandel in Wissenschaft und Technik, die
Digitalisierung und Informationstechnik machen Men-
schen Angst. Die Globalisierung hat sich durch diese
technische Entwicklung ebenso wie durch das Ende der
Ost-West-Teilung vor 27 Jahren wahnsinnig beschleu-
nigt. Das macht den Spielraum, in dem wir politische
Entscheidungen treffen, so viel komplizierter. Das sind
die Herausforderungen. Dafür ist unser Land durch die
erfolgreiche Entwicklung in den letzten vier Jahren gut
gerüstet; das ist auch die Aufgabe für die nächsten vier
Jahre.

Im Wahlkampf ist es wichtig, sich daran zu erinnern
und sich klarzumachen, wie das geht.

Erstens. Volker Kauder hat gesagt: Ohne Wirtschaft
ist alles nichts. Ich würde „fast“ hinzufügen. Aber wirt-
schaftliche Erfolge sind nicht Erfolge der Politik. Die
Politik kann in der Regel wirtschaftliche Erfolge verhin-
dern; das hat sie oft genug bewiesen. Ansonsten kann sie,
wenn sie es gut macht, einen Rahmen setzen, dass Ar-
beitnehmer, Unternehmer und Verbraucher so miteinan-
der arbeiten, dass es zum wirtschaftlichen Erfolg beiträgt.
Das haben wir in den letzten Jahren erfolgreich gemacht.
Dazu gehört übrigens ganz entscheidend das Vertrauen in
die Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit von Politik, auch
in die Finanzpolitik und in die Nachhaltigkeit öffentli-
cher Haushalte und in die sozialen Sicherungssysteme.
Deswegen ist solide Finanzpolitik eine Voraussetzung für
wirtschaftliches Wachstum und dafür, dass es den Men-
schen besser geht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zweitens. Man muss die Systeme so gestalten, dass
die Menschen die richtigen Entscheidungen treffen.
Das gilt in den Bundesländern und der Bundesrepublik
Deutschland, und das gilt in Europa. Natürlich sind wir
in diesem Bundestag uns alle – oder fast alle – darin ei-
nig: In dieser globalisierten Welt werden wir nur durch
ein starkes und handlungsfähiges Europa die großen He-
rausforderungen der Zukunft besser bewältigen können.
Dass wir hier noch viel zu leisten haben, ist gar keine
Frage. Aber man muss Europa richtig machen.

Wir alle haben vor zehn Jahren unter den Folgen der
Finanz- bzw. Banken- und dann der Wirtschaftskrise
gelitten. Was war die Ursache? Haftung und Entschei-
dungszuständigkeit in den Finanzmärkten waren ausei-
nandergefallen. Das war die Ursache. Alle haben gesagt:
Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen. Die, die ent-
scheiden, müssen für die Folgen ihrer Entscheidungen
haften.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen müssen wir auch in Europa dabei bleiben:
Solange die Entscheidungen für Wirtschafts-, Finanz-,
Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in den Mitgliedstaaten
getroffen werden – das kann man ändern, wenn man die
Mehrheit dafür hat; diese haben wir aber derzeit nicht –,
müssen die Mitgliedstaaten auch die Verantwortung für
die Folgen ihrer Entscheidungen tragen. Sonst treffen sie
die falschen Entscheidungen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist kein Mangel an Solidarität, sondern die Voraus-
setzung dafür, dass wir in Europa Solidarität leisten.

Das gilt auch im Bundestag. Ich glaube, Herr
Oppermann, wenn Sie nicht mehr im Wahlkampf sind
und alles geklärt ist, was die Sozialdemokraten sonst so
beschäftigt, werden Sie wieder zu der Erkenntnis kom-
men: Unser föderales System hat natürlich Schwächen.
Wir haben uns in den Bund-Länder-Verhandlungen auch
gerieben und wissen, dass da manches suboptimal ist.

Ein Grund für die Überlegenheit des deutschen Mo-
dells ist doch im Kern, dass wir in Deutschland nicht al-
les zentralisieren und vereinheitlichen. So macht der Mit-
telstand die Stärke der deutschen Wirtschaft aus, nicht
nur ein paar Großunternehmen. Es geht um Vielfalt: Es
gibt die kommunale Selbstverwaltung, starke Länder und
einen starken Bund. Allerdings muss jeder seine Aufga-
ben richtig wahrnehmen. Dafür muss man die richtigen
Anreize setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Ansatz, in der Bildungspolitik möglichst viel zu
vereinheitlichen, wird die Situation nicht besser machen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Es geht nicht um das Allgemeine, es geht um Investitionen!)


Frankreich ist – hoffentlich – auf dem Weg, stärker zu
werden; das wäre im Interesse Europas und im Interesse
Deutschlands. In Frankreich diskutiert man sehr ernst-
haft über die Nachteile der zu starken Zentralisierung des
dortigen Systems; wir sollten das nicht vergessen. Auch
im Föderalstaat gilt, dass jeder seine Aufgaben optimal
und richtig erfüllen, dass sich jeder daran messen lassen
und dafür die Verantwortung übernehmen muss. Für die
Bildungspolitik sind in erster Linie die Länder zuständig.
Sie müssen ihre Aufgaben wahrnehmen. Man kann die
Ergebnisse vergleichen. Dort, wo sie schlecht sind, wäh-
len die Wählerinnen und Wähler die jeweilige Landes-
regierung ab und entscheiden sich für eine bessere. Das
war in diesem Jahr gar nicht so schlecht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich werbe dafür, dass wir bei diesen Prinzipien bleiben
und sie nicht aus den Augen verlieren. Im Übrigen: Wenn
wir uns die Zahlen anschauen – sie spielen in dieser De-
batte fast gar keine Rolle –, dann ist es wirklich jenseits
jeder Realität, zu behaupten, der Bund habe den Ländern
und Kommunen – das gilt übrigens für die letzten zwei
Legislaturperioden – nicht mehr geholfen als jede Bun-
desregierung zuvor. Jeder Vertreter einer kommunalen
Interessenvertretung oder eines kommunalen Verbandes
sagt, nie zuvor sei eine Bundesregierung so kommu-
nalfreundlich gewesen wie die Bundesregierungen in den

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble






(A) (C)



(B) (D)


letzten beiden Legislaturperioden. Das gilt im Übrigen
auch für die Länder. Alle 16 Ministerpräsidenten haben
sehr gefeiert, dass sich der Bund in den Bund-Länder-Fi-
nanzverhandlungen für die Länder eingesetzt hat, sodass
sie mit dem Ergebnis zufrieden waren. Nun muss man
aber auch sagen: Erfüllt eure Aufgaben, anstatt die eige-
ne Verantwortung – kaum dass die Verhandlungen abge-
schlossen sind – wieder zum Bund zu schieben, und löst
eure Probleme selbst!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jetzt will ich, liebe Frau Nahles, noch eine Bemerkung
zu Ihnen machen. Ich bin zwar nicht jeden Tag so sehr
mit Sozial- und Arbeitsmarktpolitik befasst, aber ein paar
Grundprinzipien habe ich gelernt und ganz gut verstan-
den. Ich glaube, es ist eine Stärke des deutschen Sozial-
systems, dass die sozialen Sicherungssysteme im Prinzip
von Arbeitgebern und Arbeitnehmern partnerschaftlich
finanziert werden, und zwar in Selbstverwaltung. Da sind
wir wieder bei dem Prinzip: Wer entscheidet, der muss
auch die Verantwortung tragen; denn wenn das auseinan-
derfällt, ist man furchtbar großzügig.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gilt das auch für Volkswagen?)


Deswegen: Lassen Sie uns bei der Rente um Gottes wil-
len an dem bewährten Prinzip der Drittelfinanzierung
durch Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Steuerzahler fest-
halten.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wie wäre es bei der Krankenversicherung mit der Parität?)


Ich sage Ihnen: Wenn Sie hier eine Verschiebung vorneh-
men und alles in die steuerfinanzierte Rente überführen,
dann wird die wirtschaftliche Leistungskraft Deutsch-
lands wesentlich geringer und die Rente unsicherer sein.
Weil wir das nicht möchten, halten wir an diesem Prinzip
fest.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zur demografischen Entwicklung. Wir haben schon in
den 90er-Jahren im Rahmen der Rentenversicherung ei-
nen demografischen Faktor eingeführt. Dabei ging es um
das System der dynamischen Rente. Auch Rentner sollen
am Fortschritt der wirtschaftlichen Entwicklung teilha-
ben; denn die Rente ist auch der Lohn für die Lebensleis-
tung. Wenn sich das Verhältnis von Älteren und Jüngeren
verändert, muss man das natürlich berücksichtigen. Ich
glaube, es ist völlig unsinnig, zu sagen: Egal wie sich
die Lebenserwartung entwickelt, das Rentenalter bleibt
für alle Zeiten unveränderbar. – Das ist leider jenseits al-
ler Regeln. Sie haben das gerade gesagt, aber das ergibt
keinen Sinn.

Wir haben gemeinsam verabredet, dass das Renten-
eintrittsalter bis 2030 jedes Jahr um einen Monat bis zum
Alter von 67 Jahren angehoben wird. Da Sie selber ge-
sagt haben, wie sehr sich die Annahmen für die Renten-
versicherung in den nächsten Jahren durch die Beschäf-
tigungszahlen verändern werden, macht es gar keinen
Sinn, dass wir jetzt eine Debatte über die Jahre zwischen
2030 und 2050 führen. Keiner weiß, was bis dahin ist.
Wenn wir eine rot-rot-grüne Regierung bekommen, dann

werden wir ganz andere wirtschaftliche Zahlen haben,
als wenn wir die erfolgreiche, von Angela Merkel ge-
führte Regierung fortsetzen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Frau Göring-Eckardt, ich will auch noch eine Be-
merkung zum Thema Migration machen. Ich habe vor
zwei Jahren von einem „Rendezvous mit der Globalisie-
rung“ gesprochen. Diese Welt wird durch technologische
Entwicklungen und durch Informationen immer enger
zusammenrücken. Wenn die 8 Milliarden Menschen
auf dieser Welt immer stärker spüren, wie groß die Un-
terschiede sind, dann werden wir eine gute Zukunft in
Deutschland und in Europa natürlich nur dann haben,
wenn wir uns stärker dafür engagieren, dass auch andere
eine bessere Chance haben.

Wir haben den Etat für wirtschaftliche Zusammenar-
beit in dieser Legislaturperiode übrigens um rund 35 Pro-
zent erhöht. Daneben haben wir in dieser Legislaturperi-
ode übrigens auch den Etat für Verkehrsinvestitionen um
gut 39 Prozent erhöht. Nur so viel zum Sachverhalt!


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist damit passiert?)


Jetzt kommt aber der entscheidende Punkt: Erinnern
Sie sich noch daran, dass Bundespräsident Joachim
Gauck 2015 gesagt hat: „Unser Herz ist weit, aber unsere
Möglichkeiten sind endlich“, oder dass Papst Franziskus
bei seiner Begegnung mit der obersten Repräsentantin
der lutherischen Weltkirchen, der schwedischen Bischö-
fin, Deutschland für seine so große Hilfsbereitschaft im
Gegensatz zu anderen gelobt hat? Wir werden noch in
Jahrzehnten stolz darauf sein, dass sich unser Land un-
ter der Führung von Angela Merkel mehr als andere
als hilfsbereit gegenüber Schwächeren gezeigt hat. Das
bleibt für Deutschland wesentlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rüdiger Veit [SPD] – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit Libyen, Herr Schäuble!)


– Ich versuche gerade, etwas zu sagen. Ich habe Sie auch
reden lassen und nicht unterbrochen. Ganz ruhig!


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin da nicht ruhig!)


Ein solches Problem gab es auch schon bei der Wie-
dervereinigung 1990/1991. Damals hatten wir auch über
eine halbe Million Asylbewerber in Deutschland, und
wir mussten in einer fürchterlichen Auseinandersetzung
schließlich eine Grundgesetzänderung erringen – sie hat
uns viel gekostet –, um die Rechtspraxis in Deutschland
an die Genfer Flüchtlingskonvention anzupassen.

Wir können nicht jeden, dem es auf dieser Welt
schlecht geht, das Recht geben, auszuwählen, wo er le-
ben will,


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sage ich auch nicht!)


Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble






(A) (C)



(B) (D)


sondern wir müssen die Migration steuern, und das geht
nur in Zusammenarbeit.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber mit wem?)


Deswegen brauchen wir drei Dinge: Wir müssen die
Migration in Zusammenarbeit mit den Anrainerländern
im Mittelmeer steuern, wir müssen natürlich dafür sor-
gen, dass die Vereinten Nationen – der Flüchtlingskom-
missar – dort die Verantwortung übernehmen – genau
das macht die Bundesregierung; genau darüber hat die
Bundeskanzlerin mit den anderen geredet; ohne das geht
es nicht –, und wir müssen – das habe ich schon vor zwei
Jahren gesagt, und das sage ich in jeder Haushaltsrede;
eigentlich soll das heute ja eine Haushaltsdebatte sein –
sehr viel mehr für die Stabilisierung unserer Nachbar-
schaft in Afrika investieren.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit Waffen!)


Deswegen sollten Sie hier keine solchen Reden halten,
als könnten wir unbegrenzt Geld verteilen, weil es uns
gut geht. Nein, wir müssen wirtschaftlich leistungsfähig
bleiben, um Frieden und Stabilität in diesem Land auch
in der Zukunft zu gewährleisten. Es muss uns gelingen,
die Migration entsprechend zu steuern, und es muss uns
gelingen, die Menschen, die kein Recht haben, hier zu
bleiben, oder die sich nicht an unsere Gesetze halten,
auch schnell wieder abzuschieben. Deswegen müssen
wir Algerien, Marokko und Tunesien auch zu sicheren
Herkunftsländern erklären. Stimmen Sie da endlich zu!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn Sie Toleranz, Offenheit, Demokratie, Men-
schenwürde in diesem Land für die Zukunft bewahren
wollen, dann müssen Sie in der Lage sein, verantwortli-
che Entscheidungen zu treffen. Ein Staat, der die Grund-
anforderungen seiner Bürger – die Gewährleistung von
Sicherheit und von einem Mindestmaß an Berechenbar-
keit – nicht erfüllen kann, wird schnell ein Opfer von De-
magogen.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu gehört nicht, dass wir Waffen an Autokraten liefern!)


Deswegen noch einmal: Sie können nicht politische
Verantwortung tragen, ohne sich schuldig zu machen.
Helmut Schmidt ist vor einiger Zeit gestorben. Er hat
immer gesagt: Als Politiker wird man schuldig, wann
immer man entscheidet. – Das sage ich zu Ihnen, Frau
Göring-Eckardt, die Sie in der evangelischen Kirche eine
große Verantwortung getragen haben. Das muss man
wissen. Aber dem auszuweichen, ist der falsche Weg.
Wer eine Zukunft in Sicherheit, in Stabilität, in Toleranz
und Demut für unser Land will,


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der macht keine Deals mit Autokraten!)


der muss bereit sein, die notwendigen Entscheidungen zu
treffen.

Wir haben das in den letzten Jahren gut gemacht. Wir
brauchen alle Kraft, um in den nächsten Jahren weiter-
zugehen. Ich plädiere dafür, verehrte Kolleginnen und
Kollegen, dass wir dies unseren Mitbürgerinnen und Mit-
bürgern im Wahlkampf jeden Tag sagen. Wenn sie dann
eine gute Wahlentscheidung treffen, dann ist das gut für
Deutschland und Europa.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824503600

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da dies meine letzte

Sitzung im Deutschen Bundestag sein wird, weil ich für
den neuen Bundestag nicht mehr kandidiere, bitte ich da-
rum, einige Worte sagen zu können.

Ich bin Abgeordnete in einer sehr spannenden Zeit ge-
wesen. Als ich im Januar 1987, vor über 30 Jahren, das
erste Mal in den Deutschen Bundestag gewählt worden
bin, habe ich mir nicht vorstellen können, einige Jahre
später in einem geeinten Land leben zu dürfen. Ich hätte
mir überhaupt nicht vorstellen können, dass ich an die-
sem Prozess sogar mitwirken konnte: als Abgeordnete,
unter anderem im Ausschuss für Deutsche Einheit. Ich
hätte mir einige wenige Jahre später aber auch nicht vor-
stellen können, dass die Hoffnungen, die ich und auch
viele andere 1990/1991/1992 hatten, endlich in einem
Zeitalter des Friedens leben zu können, so schnell wieder
zerstört werden.

30 Jahre lang die Möglichkeit zu haben, als Abgeord-
nete, mehrmals als Ausschussvorsitzende, als Sprecherin
meiner Fraktion, als Bundesministerin für Bildung und
Forschung und jetzt als Vizepräsidentin Politik aktiv ge-
stalten zu dürfen, habe ich genau wie Norbert Lammert
immer als ein Privileg empfunden und wahrgenommen.
Das ist es auch. Das kann nicht jeder. Politik wirklich
aktiv gestalten zu können, zu beeinflussen, die Zukunft
gestalten zu können, Weichen zu stellen, die weit in die
Zukunft hineinreichen, wie mir das mit dem Ganztags-
schulprogramm, mit der Nachwuchswissenschaftlerför-
derung, mit der grundlegenden Reform des BAföG und
der Exzellenzinitiative gelungen ist, um nur einiges zu
nennen, das ist eine wirklich wunderbare Möglichkeit,
für die ich außerordentlich dankbar bin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass all
das nicht ohne Mitarbeit der Kolleginnen und Kollegen
geht. Ich glaube, das weiß jeder, egal in welcher Funktion
man ist. Deshalb möchte ich mich bei Ihnen allen ganz
herzlich bedanken.

Ich weiß, lieber Heinz Riesenhuber, dass du dich da-
mals als Minister für Forschung und Technologie wahr-
scheinlich manches Mal über die junge Abgeordnete
Bulmahn geärgert hast. Im Übrigen wurde auch ich von
anderen geärgert. Aber ich glaube, eines war klar, näm-
lich dass es immer um die Sache ging.

Deshalb möchte ich diesen Dank an Sie alle für diese
langen Jahre der Zusammenarbeit mit zwei Bitten ver-
binden. Ich möchte ihn mit der Bitte verbinden, dass die-
ses Parlament auch in Zukunft wirklich mit aller Kraft

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble






(A) (C)



(B) (D)


und mit allem Engagement für eine starke und stabile
Demokratie kämpft. In dieser leben wir nämlich.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nichts kommt von selbst.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)


Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich
mir, dass dies ein Parlament bleibt, das sehr viel Selbst-
bewusstsein hat, das debattierfreudig ist, das seine Rech-
te, aber auch seine Verantwortung wahrnimmt, und dass
dies ein Parlament bleibt, in dem das Argument und die
Leidenschaft für die Sache zählen und nicht Pöbelei,
Rassismus, Ausgrenzung oder Hass an der Tagesordnung
sind.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen Sie strei-
ten; denn das fällt nicht vom Himmel.

Ich habe eine zweite Bitte. Viele wissen, dass mein
Herz für Bildung, Wissenschaft und Forschung brennt –
immer noch. Ja, wir investieren viel in Wissenschaft und
Forschung. Darüber, dass uns das gelungen ist, bin ich
sehr, sehr froh, und wir müssen dies fortsetzen. Auch das
ist richtig. Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen. Wir
müssen noch mehr tun. Aber wir müssen noch viel, viel
mehr in Bildung investieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt kaum etwas, von dem die Lebenschancen ei-
nes Menschen so stark abhängen wie von den Bildungs-
chancen, und es gibt keinen anderen Bereich, von dem
unsere Zukunft so abhängt wie von Bildung, Wissen-
schaft, Forschung und dem, was wir können, was unsere
Kompetenz ausmacht.

Deshalb, sehr geehrter Herr Schäuble: Ja, wir leben
in einem föderalen Staat, und er hat wirklich sehr vie-
le Stärken. Ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnt,
diesen föderalen Staat immer wieder zu stärken und zu
unterstützen. Aber wir leben auch in einer sozialen De-
mokratie, und zu einer sozialen Demokratie gehört auch,
dass man sich gegenseitig unterstützt,


(Beifall bei der SPD)


dass man auch diejenigen unterstützt, die dieses Ziel un-
ter schlechteren Rahmenbedingungen erreichen müssen.
Der Wert und die Stärke einer Demokratie zeigen sich
auch daran, wie viel sie in ihre Kinder und ihre Zukunft
investiert.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir hier noch
mehr tun müssen: Wir müssen mehr investieren, und es
sind mehr Anstrengungen nötig, auch vom Bund. Auch
dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, lohnt es sich zu
streiten.


(Beifall bei der SPD)


Ich möchte mich auch ausdrücklich bei den Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern bedanken, nicht nur bei denje-
nigen, die hinter mir sitzen, sondern bei all denjenigen,
die uns unsere Arbeit erleichtern.

Vor allen Dingen wünsche ich Ihnen aber auch Erfolg
bei Ihrer Arbeit, heftigen Streit in der Sache, aber auch,
dass man zu Ergebnissen kommt. Alles Gute für die Zu-
kunft!

Ich werde weiterhin mit Interesse beobachten, mit ein
bisschen Wehmut gehen, aber auch mit Freude darüber,
dass ich so lange mitmachen und mit Ihnen gemeinsam
die Zukunft dieses Landes gestalten konnte.

Danke.


(Anhaltender Beifall im ganzen Hause – Die Abgeordneten der SPD erheben sich)


Ja, jetzt muss der Kollege Singhammer kommen. –
Dann hat die Ministerin Katarina Barley für die Bundes-
regierung das Wort.


(Beifall bei der SPD)


Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema
heute ist die Situation in Deutschland, und ich will mich
vor allen Dingen meinem Amt entsprechend auf die Situ-
ation der Frauen beziehen.

Eines vorweg: Für die Frauen in diesem Land hat
sich in den letzten vier Jahren viel zum Positiven verän-
dert. Das hat viel mit der sehr guten Arbeit von Manuela
Schwesig zu tun, der ich für ihren Einsatz an dieser Stelle
auch noch einmal ganz herzlich danken möchte.


(Beifall bei der SPD)


Ich will jetzt nicht viel aufzählen, aber was mir ganz
besonders am Herzen liegt, ist die Reform des Unter-
haltsvorschusses, die ganz vielen, vor allen Dingen
weiblichen, Alleinerziehenden und deren Kindern zugu-
tekommt. So viel zum Positiven.

Politik beginnt aber, um den großen Sozialdemokra-
ten Kurt Schumacher zu zitieren, mit dem Betrachten der
Wirklichkeit. Da muss ich schon sagen: In den letzten
Wochen gab es in einem anderen Punkt den Versuch, ein
großes Problem kleinzureden, nämlich die Lohnlücke
zwischen Männern und Frauen. Die ungeschönte Lohn-
lücke beträgt 21 Prozent. Wer das leugnet, wie zuletzt
der CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der das als Fake
News bezeichnete, zeigt damit, dass er nicht einmal im
Ansatz willens ist, dieses Problem ernsthaft anzugehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Problem liegt offen zutage. 6 Prozent ist der rich-
tige Wert, wenn man einen Mann und eine Frau auf exakt
demselben Arbeitsplatz hat. Dann beträgt die Lohnlücke
6 Prozent. Schon das ist doch nicht nachzuvollziehen.
Bei 2 000 Euro Einkommen bekommt man 120 Euro we-

Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


niger, nur weil man eine Frau ist. Mir soll einmal jemand
erklären, warum das richtig sein soll.


(Beifall bei der SPD)


Aber es kommen weitere Faktoren hinzu: Teilzeit als
Karrierefalle, die dafür sorgt, dass man bei Beförderun-
gen nicht mehr berücksichtigt wird, und vor allen Dingen
die deutlich schlechtere Bezahlung der sogenannten tra-
ditionellen Frauenberufe.

Die Lohnlücke, die sich auf insgesamt 21 Prozent
summiert, hinterlässt natürlich Spuren bei der Altersver-
sorgung. Dass Frauen trotz Arbeit von Altersarmut be-
droht sind, ist eine der größten Ungerechtigkeiten in die-
sem Land. Das ist keine statistische Lappalie. Das beste
Mittel gegen Altersarmut sind gute Löhne; das wissen
wir alle. Die SPD wird deshalb weiterhin gegen anhal-
tenden Widerstand – auch von CDU/CSU – gegen die
Lohnungerechtigkeit bei Männern und Frauen kämpfen.


(Beifall bei der SPD)


Gleicher Lohn für gleiche Arbeit bedeutet, das Recht
zu haben, zu wissen, was die männlichen Kollegen im
Durchschnitt verdienen, und die gleiche Wertschätzung
für die geleistete Arbeit zu bekommen. Das betrifft vor
allen Dingen die Berufe im Sozial- und Gesundheitswe-
sen, die Erzieherinnen und Erzieher, die Altenpflegerin-
nen und Altenpfleger, die Hebammen sowie die Kran-
kenpflegerinnen und Krankenpfleger. Ich nenne beide
Geschlechter, aber 80 Prozent derjenigen, die diese Be-
rufe ausüben, sind Frauen. Wenn wir schon von Lebens-
leistung sprechen, Herr Schäuble, dann sollten wir nicht
vergessen, dass die in diesen Berufen geleistete Arbeit
körperlich schwer ist, oft emotional belastend ist und viel
Schichtarbeit erfordert. Die Menschen, die solche Berufe
ausüben, haben es verdient, einen anständigen Lohn zu
bekommen und dann eine anständige Rente im Alter zu
beziehen.


(Beifall bei der SPD)


Wir haben angepackt. Wir haben angefangen bei der
Reform der Pflegeberufe. Dass man Schulgeld mitbrin-
gen muss, wenn man sich ausbilden lassen will, dass man
keine Ausbildungsvergütung bekommt wie im Beruf der
Erzieherin, in dem vier von fünf Jahren Ausbildung keine
Vergütung gezahlt wird, gäbe es wahrscheinlich in Beru-
fen, die überwiegend von Männern ausgeübt werden, von
vornherein nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Viel wäre noch zu sagen zur Vereinbarkeit von Beruf
und Familie, zu guter Bildung und insbesondere – das
hat Edelgard Bulmahn angemerkt – zur frühkindlichen
Bildung.

Aber, Herr Kauder, ich würde gern noch ein Wort zu
Ihnen verlieren. Sie haben sich in der letzten Woche in
die Reihe der Quotenbefürworter eingereiht. Sie haben
doch eben gesagt, dass man auf den letzten Metern vor
der Wahl seine Meinung nicht um 180 Grad ändern dürfe.
Ich erinnere Sie nur daran, was Sie über meine Vorgän-
gerin gesagt haben, als sie sich für die Quote eingesetzt
hat: Die Frau Familienministerin solle nicht so weiner-
lich sein, sondern solle den Koalitionsvertrag umsetzen;

dann sei alles in Ordnung. Nun sind wir am Ende der
Legislaturperiode. Schauen wir zurück. Die SPD hat den
Koalitionsvertrag umgesetzt, vor allen Dingen wenn es
um Frauen und die Quote ging, und zwar gegen Ihren
Widerstand. Und CDU/CSU? Sie haben den Koalitions-
vertrag gebrochen, vor allen Dingen dort, wo es um die
Frauen ging.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Pfui!)


Sie haben, als es um Entgelttransparenz ging, den Aus-
kunftsanspruch, der Frauen erst in die Lage versetzt, zu
erfahren, wie viel die Männer verdienen, so verwässert,
dass er nur für Frauen gilt, die in großen Unternehmen
arbeiten.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ihr könnt doch allein nichts beschließen!)


Als es um das Recht auf Rückkehr in Vollzeit nach einer
Phase der Teilzeit ging, hat Andrea Nahles eins zu eins
die Vereinbarung im Koalitionsvertrag in einen Gesetz-
entwurf gegossen. Aber Sie haben ihn abgelehnt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Buh!)


Schließlich sah der Koalitionsvertrag eine Solidar-
rente für diejenigen vor, die lange gearbeitet haben und
trotzdem eine kleine Rente beziehen. Das wäre vor al-
lem Frauen zugutegekommen. Von Anfang an haben Sie
nicht den geringsten Mut erkennen lassen, dieses Vorha-
ben tatsächlich umzusetzen. Sie haben dieses Vorhaben
am langen Arm verhungern lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir können festhalten: Wo immer es um die Rech-
te der Frauen geht, steht die SPD klar auf der Seite der
Frauen.


(Beifall bei der SPD)


Die CDU und die CSU fallen, wenn es hart auf hart
kommt, den Frauen in den Rücken. Daher hilft es auch
nichts, auf den letzten Metern sein Herz für Frauen zu
entdecken. Es hilft noch nicht einmal, wenn man selber
eine Frau ist, Frau Merkel; denn Frauen sind weder wei-
nerlich noch blöd.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Frauen kennen ihre Rechte, und Frauen wollen ihr Recht.
Frauen wollen die Hälfte der Welt, und das ist ganz rich-
tig so. Frauen verdienen mehr, und Deutschland verdient
mehr. Wenn alle Frauen ihr Recht am 24. September gel-
tend machen, dann ist mir nicht bang.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824503700

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin

Gerda Hasselfeldt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bundesministerin Dr. Katarina Barley






(A) (C)



(B) (D)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1824503800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei

so mancher Rede heute, gerade auch bei der letzten, habe
ich mich immer wieder gewundert, wie man eigene Er-
gebnisse, eigene Arbeitserfolge einfach so schlechtreden
kann und sich von dem, was man gemeinsam in dieser
Koalition zum Wohl der Menschen beschlossen hat, dis-
tanziert und dann verpuffen lässt. Wir haben erfolgreich
regiert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich habe mich bei so mancher Rede, die ich heute
vonseiten der Opposition, aber auch vonseiten mancher
Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion gehört
habe, auch gewundert, wie das Land dargestellt wird. Da
frage ich mich manchmal: In welchem Land leben Sie
eigentlich? Von welchem Land reden Sie?


(Ulli Nissen [SPD]: Wir sehen mit offenen Augen, was in dieser Welt passiert!)


Tatsache ist, dass es den Menschen im Land gut geht,
dass es ihnen besser geht als vorher, und das spüren sie
auch.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wer das nicht wahrhaben will, der braucht bloß einmal
die Situation nach der Abwahl der rot-grünen Regierung
im Jahr 2005 – Angela Merkel übernahm die Regierungs-
verantwortung – und die jetzige Situation zu vergleichen:
Damals 5 Millionen Arbeitslose, heute weniger als die
Hälfte; damals, zwischen 2002 und 2005, 1,5 Millionen
weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, seit
2005 plus 5 Millionen sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigte;


(Beifall bei der CDU/CSU)


damals viermal in Folge die Maastricht-Kriterien ver-
fehlt, während der gesamten abgelaufenen Legislaturpe-
riode keine neue Verschuldung. Das ist die Bilanz dieser
Regierung im Vergleich zur Bilanz der letzten SPD-ge-
führten Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dass die Menschen Rot-Grün und Rot-Rot-Grün nicht
vertrauen, weil sie dies noch im Hinterkopf haben, weil
sie Erfahrungen mit den Jahren bis 2005 gemacht haben,
das ist meines Erachtens verständlich. Aber machen Sie
bitte nicht den Fehler, dass Sie das Land schlechtreden
und dass Sie damit den Fleiß der Menschen schlecht-
reden; denn dieser Erfolg, der Erfolg der letzten Jahre,
hängt auch mit dem Fleiß der Menschen im Land zusam-
men, und er hängt mit einer guten Regierung in Berlin
zusammen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber wir werden uns darauf nicht ausruhen. Jeder
Arbeitslose ist einer zu viel, und es ist unbestritten: Die
beste Sozialpolitik ist, den Menschen Arbeit und Be-
schäftigung zu geben. Deshalb ist auch unser Ziel Voll-
beschäftigung. Dafür brauchen wir das Rad aber nicht
neu zu erfinden; denn die Erfolge dieser Legislaturperio-
de zeigen, dass wir mit unseren Zielen und Maßnahmen

richtig gelegen haben, nämlich solider Haushalt, keine
Steuererhöhungen, stabile Sozialversicherungsbeiträge,
Investitionen zielgerichtet in die Infrastruktur, in Digi-
talisierung und auch in Bildung und Forschung. Das wa-
ren die Maßnahmen, die zum Erfolg geführt haben. Wir
brauchen nichts Neues zu beginnen, sondern wir müssen
an diesem Kurs festhalten. Das ist die erste große He-
rausforderung.

Dazu kommt eine zweite große Herausforderung, die
zu bewältigen wir in dieser Legislaturperiode durchaus
begonnen haben. Ich denke an die Umbrüche in der Ar-
beitswelt: an die Digitalisierung und die Modernisierung
der Infrastruktur im Verkehrsbereich. Gerade in diesen
beiden Sektoren sind in dieser Legislaturperiode Wei-
chen gestellt worden. Gerade in diese beiden Sektoren
werden wir auch künftig investieren.

Der Finanzminister hat es vorhin angesprochen:
35 Prozent mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruk-
tur, eine Zunahme der Investitionen in die Breitband-
struktur. Wenn dann gerade vonseiten der Grünen – wie
vorhin von Herrn Özdemir – auch noch beklagt wird,
dass durch das Verkehrsministerium die Weichen nicht
richtig gestellt worden wären, dann fordere ich Sie auf,
doch einmal in die Regionen zu schauen: Wer blockiert
denn vor Ort die Verkehrsprojekte?


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das sind nicht wir; das sind in weiten Bereichen die Grü-
nen.

Wir haben aber auch noch andere Situationen. Wenn
es darum geht, die Beschäftigungssituation zu verbes-
sern, nennen wir das Stichwort „Automobilindustrie“.
Ja, das, was da an Manipulationen vorgefallen ist, hat
viel Vertrauen zerstört: Vertrauen in eine wichtige, wenn
nicht sogar die wichtigste Branche unserer Wirtschaft.
Worum geht es jetzt? Jetzt geht es darum, die Grenz-
werte einzuhalten und gleichzeitig die Arbeitsplätze von
Hunderttausenden von Menschen in der Automobilbran-
che nicht zu gefährden, und es geht darum, 16 Millionen
Diesel-Kfz-Besitzer nicht zu beschädigen. Diese Aufga-
be steht vor uns: Umwelt, Arbeitsplätze und Menschen
vor Ort, die Dieselautos fahren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Maßnahmen, die dazu jetzt auf den Weg gebracht
werden, sind meines Erachtens die richtigen: Maßnah-
men, die gestern auf den Weg gebracht worden sind, und
auch Maßnahmen, die auf dem vergangenen Gipfel an-
gesprochen wurden und im November realisiert werden
sollen.

Dazu kommt noch ein Weiteres. Es ist heute vielfach
die Rede gewesen von Armut, von Alterssicherung, von
der Frage: Wie kommen wir mit den Langzeitarbeitslosen
zurecht? Ja, jeder Arbeitslose ist einer zu viel. Nur, mit
den Mitteln, mit denen die Sozialdemokraten die Proble-
me zu lösen meinen, werden wir sie nicht lösen, näm-
lich mit einem Weiterbildungskonto von 20 000 Euro für
jeden oder auch mit der Verlängerung des Arbeitslosen-
geldbezugs. Meine Damen und Herren, das bringt keinen






(A) (C)



(B) (D)


zusätzlichen, aber auch wirklich keinen einzigen zusätz-
lichen Arbeitsplatz; es kostet aber,


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau!)


und zwar ganz gewaltig: Mehrere Hunderte von Milliar-
den sind da im Gespräch.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das alles ist das übliche Muster der Sozialdemokraten,
nämlich: Verschuldung, Verschuldung, Verschuldung. Es
macht ja nichts aus. Das Geld kommt von irgendwoher. –
Irgendwo hatte Frau Thatcher, die frühere Premierminis-
terin, schon recht, als sie einmal sagte: Das Problem der
Sozialisten ist, dass ihnen irgendwann einmal das Geld
anderer Leute ausgeht. – Genau das trifft den Kern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es wurde vorhin auch mehrfach von der Rentensituati-
on gesprochen. Wir haben Rentenreformen, die unter dem
Kanzler Schröder und dem Arbeitsminister Müntefering
beschlossen wurden, zugestimmt. Die Eckwerte, die da-
mals die Grundlage waren – vom Rentenniveau bis hin
zum Rentenbeitragssatz –, sind heute günstiger, sogar
günstiger, als sie damals für heute prognostiziert wurden.
Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deshalb sollte man gerade dieses Thema, das in der
Vergangenheit immer in großem Konsens des Parla-
ments, meines Erachtens zu Recht, entschieden wurde,
nicht zu Wahlkampfzwecken missbrauchen und die Leu-
te nicht verunsichern. Wir haben momentan hier keinen
Handlungsbedarf, nicht zuletzt aufgrund der guten wirt-
schaftlichen Entwicklung. Das, was wir in künftigen Jah-
ren zu entscheiden haben, soll in einer Kommission mit
Fachleuten und Politikern erarbeitet werden – in der Zeit,
die man sich dafür nimmt, nicht im Hauruckverfahren.
Das sind wir der jüngeren Generation, den Beitragszah-
lern, und der älteren Generation schuldig. Beides gehört
gerade bei der Rentenversicherung beachtet.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich aber auch einige Worte zu einem
Thema verlieren, das heute in der Debatte, wenn ich das
richtig verfolgt habe, kaum eine Rolle gespielt hat. Das
ist das Thema: Wie gehen wir mit der Steuerbelastung in
unserem Land um? Ich habe vorhin davon gesprochen:
Wir wollen auch künftig den Kurs fortsetzen: keine neu-
en Schulden, keine Steuererhöhung.

Durch die Solidität der Wirtschafts- und Finanzpo-
litik der letzten Jahre und auch, weil die Wirtschaft so
gut läuft, haben wir jetzt den Spielraum, dass wir den
Steuerpflichtigen etwas zurückgeben können. Deshalb ist
es 27 Jahre nach der Wiedervereinigung an der Zeit, den
Solidaritätszuschlag abzuschaffen, und es ist an der Zeit,
eine Einkommensteuerreform mit einer Entlastung der
Einkommensteuerzahler zu machen, und zwar mit einer
Entlastung für alle.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das unterscheidet uns ganz wesentlich von den Vorschlä-
gen der Sozialdemokraten und vieler anderer. Wir wollen
eine Entlastung für alle: vom Facharbeiter


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Bis zum Millionär!)


bis zum Mittelständler. Wir wollen nicht eine Belastung
der Leistungsträger unserer Gesellschaft, wie sie in den
Vorschlägen der SPD vorgesehen ist. Man hat da ja den
Eindruck, dass die Leistungsträger unserer Gesellschaft
bei der SPD die Melkkuh der Nation sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Zur steuerlichen Entlastung gehört aber auch die Ent-
lastung der Familien. Ich halte nichts davon, dass man
immer über einzelne Aspekte diskutiert. Das, was wir
unseren Kindern und Enkelkindern in der Tat mitgeben
können, sind vielmehr die beste Bildung, die beste Erzie-
hung und intakte Familien, die auch materiell in der Lage
sind, für sie zu sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deshalb ist es erstens notwendig, dass wir im Bil-
dungsbereich nicht nur Forderungen an wen auch immer
stellen, mehr Geld zur Verfügung zu stellen, wie es man-
che in Form von Forderungen an den Bund tun, sondern
dass auch jeder seine Verantwortung an der Stelle wahr-
nimmt, an der er sie trägt. Warum sind in Bayern bei-
spielsweise die Schulen intakt? Warum gibt es in Bayern
keine maroden Schulen,


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)


dagegen aber in Nordrhein-Westfalen?


(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Bund-Länder-Finanzausgleich 38 Jahre zugunsten von Bayern!)


Warum gibt es Unterrichtsstundenausfälle insbesondere
in Nordrhein-Westfalen und anderen SPD-regierten Län-
dern? Verantwortung wahrnehmen – der Finanzminister
hat es vorhin deutlich gemacht – gehört zur Kompetenz
dazu.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)


Darauf müssen wir immer wieder achten. Das gilt im pri-
vaten Bereich genauso wie im öffentlichen Bereich.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der zweite Punkt: Wir wollen die Familien stärken.
Deshalb wollen wir in der nächsten Legislaturperiode
das Kindergeld erhöhen, und zwar kräftig – um 25 Euro
im Monat –, und wir wollen auch den Kinderfreibetrag
an den Freibetrag der Erwachsenen anpassen; denn Kin-
der sollten beim Freibetrag steuerlich genauso behandelt
werden wie die Erwachsenen. Das ist unser Ziel. Wir
werden das im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten
realisieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren und
besonders in den letzten Monaten haben wir deutlich ge-
merkt: Terrorismus, Gewalt, Kriminalität, all das macht

Gerda Hasselfeldt






(A) (C)



(B) (D)


an den nationalen Grenzen nicht halt. – Wir alle mitei-
nander haben bei all den Anschlägen immer wieder er-
fahren – das erleben wir ja nun fast tagtäglich –, dass
unsere Sicherheitskräfte, dass unsere Polizeibeamten
genauso wie die Soldaten im Ausland und im Inland,
aber auch die haupt- und ehrenamtlich Tätigen in den Si-
cherheitsorganisationen eine ungemein wichtige, aufop-
ferungsvolle Arbeit leisten. Sie verdienen unseren Dank
und unsere Anerkennung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber davon alleine haben sie noch nichts.

Wir müssen auch für die entsprechende personelle
Ausstattung, für ihre sachliche Ausstattung, für ihre Be-
fugnisse arbeiten. Wir müssen darum kämpfen, dass all
dieses auch zur Verfügung gestellt wird. Da geht es um
Videoüberwachung, da geht es um Abschiebehaft, da
geht es um die elektronische Fußfessel, da geht es um
Schleierfahndung. Ich habe mich schon oft gefragt, wa-
rum in Bayern diese Instrumente angewandt werden und
in anderen Bundesländern nicht. Die Sicherheit der Men-
schen ist in allen Bundesländern gleich viel wert, und die
Verantwortlichen vor Ort müssen diese Instrumente auch
anwenden können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deshalb habe ich auch kein Verständnis dafür, wenn in
Berlin in Bezug auf die Videoüberwachung rumgeeiert
wird.

Bei alledem, genauso bei der Einbruchskriminalität,
haben wir in der Union nie einen Hehl daraus gemacht,
dass uns die Sicherheit der Menschen von ganz eminen-
ter und großer Bedeutung ist. Das ist Markenkern unse-
rer Politik. Deshalb haben wir in vielen Verhandlungen –
das gehört zur Wahrheit – innerhalb der Koalition hart
dafür gekämpft. Beispielsweise musste es in Bezug auf
die Abschiebehaft von Gefährdern leider den Anschlag
am Breitscheidplatz geben, damit die Sozialdemokraten
bereit waren, diese Politik mitzugehen. Das ist die Wahr-
heit.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dafür sollten Sie sich schämen! Warum haben denn so viele Anschläge in Bayern stattgefunden? – Zuruf von der SPD: Das ist die Musik! – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Unglaublich! Was war in München mit dem Oktoberfest?)


– Regen Sie sich doch nicht so auf, es ist ja nur die Wahr-
heit, was ich gesagt habe.


(Beifall bei der CDU/CSU – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Vor allem, was Sie verschweigen!)


Meine Damen und Herren, die erfolgreichen Jahre die-
ser Legislaturperiode und der Jahre davor sind ein Stück
weit verbunden mit unserer Arbeit hier im Parlament.
Wir möchten, dass die Menschen nach der nächsten Le-
gislaturperiode sagen können: „Ja, es geht uns gut.“ Wir
möchten, dass sie sagen können: „Es geht uns besser als
vorher“, dass sie auch nach vier Jahren sagen können:

„Wir sind, so wie jetzt auch, ein Hort der Stabilität und
des Wohlstands. Darauf sind wir stolz.“


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zu diesem Erfolg haben viele Debatten hier im Haus
beigetragen – Debatten, die heute mit großer Leiden-
schaft geführt werden. Trotz dieser Leidenschaft habe
ich überwiegend den Eindruck, dass diese Debatten im
gegenseitigen Respekt geführt wurden und werden. Ich
möchte sehr herzlich dafür danken, dass diese Debatten
in einem Haus stattfinden konnten, das großes Ansehen
in der Bevölkerung genießt und dessen Ansehen vonsei-
ten der Bevölkerung in den letzten Jahren noch gestiegen
ist.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Seit fünf Minuten überzieht sie!)


Das haben wir wesentlich dem Bundestagspräsidenten
Norbert Lammert zu verdanken. Deshalb möchte auch
ich ihm sehr herzlich für seine Führung des Hauses dan-
ken und ihm alles erdenklich Gute wünschen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich danke Ihnen für die kollegiale Zusammenarbeit,
für die vielen interessanten Diskussionen und Begegnun-
gen ebenso wie für die streitigen Diskussionen. Ich emp-
finde die 30 Jahre, die ich in diesem Parlament mitarbei-
ten durfte, als großes Geschenk. Ich bin dankbar für die
Möglichkeit, meinem Land und den Menschen im Land
so lange dienen zu dürfen. Ich wünsche allen, die künf-
tig in diesem Hause arbeiten, eine glückliche Hand und
Gottes Segen, und denen, die mit mir ausscheiden, viele
glückliche und gesunde Jahre.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich – Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundesminister Alexander Dobrindt gratulieren der Abg. Gerda Hasselfeldt)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824503900

Liebe Gerda Hasselfeldt, das war Ihre letzte Rede

nach 30 Jahren Zugehörigkeit zu diesem Hohen Haus. In
diesen 30 Jahren haben Sie höchste Staatsämter und Par-
lamentsämter innegehabt: Bundesministerin für Raum-
ordnung, Bauwesen und Städtebau, Bundesministerin für
Gesundheit, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages,
Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestags-
fraktion und, natürlich, Vorsitzende der CSU-Landes-
gruppe. In diesen 30 Jahren hat sich Deutschland in enor-
mer Weise verändert. Als Sie vor 30 Jahren Ihre Tätigkeit
begonnen haben, feierte die Stadt Berlin ihr 750-jähriges
Bestehen, damals geteilt durch eine Mauer. Jetzt sind wir
Glückskinder der deutschen Einheit, und Deutschland ist
auf der Sonnenseite der Geschichte angekommen. Für
diese große Lebensleistung unseren herzlichen Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Gerda Hasselfeldt






(A) (C)



(B) (D)


Nächster Redner für die Bundesregierung ist Bundes-
minister Sigmar Gabriel.


(Beifall bei der SPD)



Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1824504000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist die

letzte Sitzung dieser Legislaturperiode, in der ich Stell-
vertreter von Frau Merkel in der Großen Koalition ge-
wesen bin. Deswegen will ich am Anfang etwas machen,
was in einer solchen, durch den Wahlkampf aufgeheizten
Atmosphäre vielleicht unüblich ist: Ich will mich bedan-
ken, vor allen Dingen bei den Koalitionsfraktionen, die
die Regierung getragen, geschoben, manchmal auch er-
litten haben, speziell bei Thomas Oppermann und Volker
Kauder. Ich fand die Zusammenarbeit in den schwierigs-
ten Phasen immer besonders gut; das will ich einmal aus-
drücklich sagen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will mich auch bei der Opposition bedanken, weil
mir die Debatten Spaß gemacht haben


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


– uns beiden zum Beispiel in unterschiedlichsten Funkti-
onen. – Ich möchte mich aber auch bei den Kolleginnen
und Kollegen im Kabinett und ausdrücklich auch bei Ih-
nen, Frau Dr. Merkel, bedanken; denn ich fand, dass die
Zusammenarbeit mit Ihnen in diesen vier Jahren immer
fair, immer belastbar und gerade in den schwierigen Si-
tuationen ausgesprochen vertrauensbildend gewesen ist.
Herzlichen Dank! Ich will das am Anfang dieser Debatte
gerne sagen.

In der Tat: Wir haben eine Menge erreicht; das
stimmt. Thomas Oppermann hat das vorgetragen. Je nach
Schwerpunkt haben andere das auch gesagt. Eine Sache,
Frau Merkel, kann ich dann aber doch nicht so stehen
lassen, wenn Sie sagen, gegen Ihren Willen sei das alles
nie denkbar gewesen. Ich kann mich daran erinnern, dass
die SPD gelegentlich – gar nicht so selten – helfen muss-
te, dass Sie gegen Seehofer und Schäuble einen Willen
haben durften.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Der Wille ist immer da!)


Von daher: Ich finde, wir haben gut auf Sie aufgepasst.
Das kann man nicht anders sagen.


(Heiterkeit bei der SPD – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt küssen!)


Insofern glaube ich wirklich, dass es Grund gibt, zu sa-
gen, dass wir gut regiert haben. Ich will das aber in erster
Linie gar nicht auf die, wie ich finde, zu Recht erwähnten
großen Erfolge, vom Mindestlohn über die Rente nach
45 Versicherungsjahren bis zur Verdreifachung der Woh-
nungsbaumittel und vieles andere mehr, beziehen. Ich
will einen anderen Grund nennen, warum wir, glaube ich,
erfolgreich waren. Wir haben etwas gemacht, was beim
Abschluss des Koalitionsvertrages keiner wusste. Da ha-

ben wir über all das verhandelt, was heute hier Thema
war. Aber was kam dann? Es begann mit der großen Kri-
se in der Ukraine und dem russischen Einmarsch auf der
Krim. Bis heute beschäftigt uns das Thema Ostukraine.
Hatten Sie, Frau Merkel, und der französische Staats-
präsident Hollande stellvertretend für Europa gerade
irgendwie halbwegs Containment organisiert – ich fand
übrigens, dass es ein Akt der Emanzipation war, dass Sie
stellvertretend mit Hollande für Europa gehandelt ha-
ben und den Ukraine-Konflikt nicht Russland und den
USA überlassen haben –, kam die Griechenland- bzw.
Euro-Krise. Die ist dann ganz schnell überholt worden
durch über 1 Million flüchtende Menschen, die zu uns
gekommen sind. Wenn Sie mir vor einem Jahr oder vor
zwei Jahren gesagt hätten, dass das Land bei über 1 Mil-
lion zu uns kommender Menschen so stabil bleiben wür-
de, wie es stabil geblieben ist, dann hätte ich das kaum
für denkbar gehalten. Diese Stabilität ist auch eine große
Leistung unseres Landes.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Terroranschläge, der Rechtspopulismus, die tota-
le Verunsicherung durch das, was in den USA passiert
ist, all das haben wir ja eigentlich nicht im Auge gehabt,
als wir eine Koalitionsvereinbarung geschlossen haben.
Da haben wir über Innenpolitik geredet. Dass wir es ge-
schafft haben, in dieser rauen See mit großen Verunsiche-
rungen Deutschland und damit in großen Teilen Europa
auf Kurs zu halten: dieses Ergebnis ist für mich jedenfalls
der eigentliche Erfolg der Großen Koalition mit Blick auf
das, was um uns herum und in der Welt passiert ist.

Ich nehme für uns in Anspruch, dass wir mit Frank-
Walter Steinmeier, mit den Ministerinnen und Ministern
der SPD und mit den Kolleginnen und Kollegen der
CDU – das Parlament insgesamt – darauf wirklich stolz
sein können. Ich kenne nicht viele Länder, in denen diese
Verunsicherung so viel Stabilität übrig gelassen hat, wie
es in Deutschland bis heute der Fall ist. Das wollte ich am
Anfang der Debatte einmal sagen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht auch um die Fragen: Wie wird es in Zukunft
sein? Schaffen wir es, diese Balance weiter zu halten?
Sind wir richtig aufgestellt? Hier kann man all denen
zustimmen – Thomas Oppermann, Volker Kauder und
anderen –, die gesagt haben: Im Kern muss es darum ge-
hen, dass wir den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes
behalten, weil wir nur dann die Balance und Stabilität
behalten und wir deshalb übrigens auch nur ernst genom-
men werden. Ehrlich gesagt ist es leider nicht so, dass in
Washington, Moskau oder Peking die Europäische Union
besonders als Schwergewicht wahrgenommen wird, son-
dern im Kern konzentriert man sich oft auf Deutschland,
ein bisschen mehr wieder auf Deutschland und Frank-
reich. Das muss sich ändern. Den Chinesen müssen wir
sagen: Wir verstehen die Ein-China-Politik, aber es wäre
ganz gut, es gäbe auch eine Ein-Europa-Politik und nicht
den Versuch, uns aufzuspalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


Aber die wirtschaftliche Stabilität dieses Landes ist die
zentrale Voraussetzung dafür, dass wir im Land, aber
auch von außen betrachtet, unsere Bedeutung behalten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dafür allerdings muss man auch Entscheidungen treffen,
die das rechtfertigen. Hier ist der Unterschied zur Union.
Wir glauben jedenfalls nicht, dass es die Zeit ist, in der
man große Steuersenkungsversprechen machen kann und
übrigens auch keine unglaublich hohen Rüstungsausga-
ben versprechen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Kollegin Hasselfeldt – ich habe sie nie als Anhänge-
rin von Maggie Thatcher kennengelernt; ich habe sie viel
friedlicher und sozialer kennengelernt; so bleibt es auch
in meiner Erinnerung – hat vorhin gesagt – das stimmt
natürlich nicht mit den Grundrechenarten überein –: kei-
ne Steuern erhöhen, Steuern senken, mehr Geld für Rüs-
tung, mehr Geld für Bildung, mehr Geld für Infrastruk-
tur. Hier muss jemand bei den Grundrechenarten nicht
aufgepasst haben.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das funktioniert nicht. Deswegen sagen wir: Zuerst geht
es darum, in Bildung, in Forschung, in Entwicklung, in
Infrastruktur, in digitale Technik, in die Zukunftsfähig-
keit dieses Landes zu investieren. Es geht nicht, wenn Sie
versprechen, in einem Haushalt von 300 Milliarden Euro
einen Block von 70 Milliarden Euro und mehr allein für
Rüstung ausgeben zu wollen,


(Beifall bei der SPD)


es sei denn, Sie folgen dem Kollegen Spahn – er ist quasi
derjenige, der das sagt, was Herr Schäuble denkt –, der
sagt, man soll es im Sozialetat einsparen. Da hat Frau
Merkel, weil sie eine kluge Wahlkämpferin ist, sofort
gesagt: Das mache ich nie. – Sie haben allerdings auch
einmal gesagt: Sie schaffen die Wehrpflicht nicht ab, ver-
längern die Laufzeit der Atomkraftwerke und führen die
Maut nicht ein. Insofern sage ich Ihnen: Ich nehme es
sehr ernst, wenn jemand in der Union als neuer Rising
Star erklärt, die Rüstungsausgaben wolle man dadurch
finanzieren, dass man die Sozialausgaben senkt. Das je-
denfalls ist ein Thema, das – das werden Sie gestatten –
wir im Wahlkampf nicht verschweigen werden. Das kann
so nicht sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht also darum, in die Zukunft des Landes zu in-
vestieren. Dann geht es natürlich um die Frage: Wie ge-
hen wir damit in Europa um? Hier muss ich Ihnen sagen:
Es ist natürlich Zeit, dass wir so etwas wie eine koperni-
kanische Wende in unserer eigenen Europapolitik hinbe-
kommen. Der Kollege Schäuble ist Ende letzten Jahres
bei mir gewesen und war der Überzeugung, man müsse
Griechenland immer noch aus dem Euro herausbekom-

men. Gott sei Dank haben Sie und andere ihn daran ge-
hindert, diese Politik weiter zu betreiben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber das ist natürlich Irrsinn. In welcher Lage wären
wir heute? Heute würden die Finanzmärkte gegen Spa-
nien, Italien, Portugal wetten, wir wären beim Auseinan-
derfliegen des Euros und ganz Europas. Deswegen sage
ich Ihnen: Wir werden unsere ganze Erzählung über Eu-
ropa ändern müssen, diese dumme Erzählung, wir seien
der Lastesel der Europäischen Union, wir wollten nur
Schulden vergemeinschaften. Wir sind die finanziellen
und wirtschaftlichen Gewinner der Europäischen Union.
Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Da steht Leistung dahinter!)


– Natürlich steht Leistung dahinter. Aber wenn man erst
einmal in Europa Exportweltmeister ist, dann scheint es
so zu sein, dass man mehr Waren in andere Länder bringt
und von denen mehr Geld bekommt als umgekehrt. Das
scheint doch irgendwie logisch zu sein. Dann ist die For-
derung, mehr in Europa zu investieren – in den Kampf
gegen Jugendarbeitslosigkeit,


(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])


in die Digitalisierung in Europa, in Forschung und Ent-
wicklung. Kein Strohfeuer für die Konjunktur, das soll
die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents erhöhen. Dann
ist das doch eine Investition in die Zukunft unserer eige-
nen Kinder und Enkelkinder und keine Geldverschwen-
dung in Europa.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Erzählung, man müsse die Nettozahlungen verrin-
gern, hat in dieser Legislaturperiode – weil Sie das mit
der FDP mal gemacht haben – dazu geführt, dass wir we-
niger Geld in den Fördertöpfen für Ostdeutschland hatten
und sie deshalb mit zusätzlichen deutschen Steuermitteln
auffüllen mussten. Also, ehrlich gesagt, das ist auch ein
Umgang mit Geld – so ähnlich wie bei der Landesregie-
rung von Nordrhein-Westfalen, die Sie gerade so gerne
loben. Was macht Schwarz-Gelb? Sie kriegen keinen
ausgeglichenen Haushalt hin.


(Beifall der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])


Eines kann ich Ihnen versprechen: Wenn der schwarze
Finanzminister schlechter agiert als der rote, dann lässt
der westfälische Bauer den Hund von der Kette – da kön-
nen Sie sicher sein. Das findet der komisch.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)


Sie haben über das Thema innere Sicherheit gespro-
chen. Ich kann mich ganz gut daran erinnern, wer im
Bundeskabinett beantragt hat, Mittel für ein paar Tausend
zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei zur Verfügung
zu stellen.


(Beifall bei der SPD)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Ich kann mich gut daran erinnern, weil ich es selber
gewesen bin. Denn kurz vorher hatte die Gewerkschaft
der Polizei uns allen geschrieben, dass in den letzten
zwölf – damals elf – Jahren immerhin 14 000 Stellen bei
der Bundespolizei nicht besetzt wurden. Dann zu plaka-
tieren, man wolle mehr für die innere Sicherheit tun, ist
wenigstens mal mutig. Aber mit der Wahrheit darüber,
was in der Koalition passiert ist, hat das wenig zu tun.


(Beifall bei der SPD)


Jetzt zu der Frage, was darüber hinaus passiert. Ich
glaube, es lohnt sich in der Tat, im Bundestag eine De-
batte darüber zu führen – nicht kurz vor Ende der Le-
gislaturperiode, aber, wer auch immer dann die Regie-
rung bildet, in der Zeit danach –: Was steckt eigentlich
hinter unserer Kontroverse über die Rüstungspolitik? In
der Analyse kommen wir vermutlich gemeinsam zu dem
Ergebnis, dass wir, wenn sich das Beispiel Nordkorea
durchsetzt, in einer ganz gefährlichen Welt leben, weil
andere diesem Beispiel folgen würden. Wir erleben doch
in der Welt gerade eine Phase, in der ausschließlich über
Aufrüstung geredet wird: In China, in Indien, Lateiname-
rika, den USA, Russland, Europa, Afrika, überall reden
wir nur über Aufrüstung; nirgendwo in der Welt wird
über etwas anderes diskutiert. Wenn man sich in einer
NATO-Sitzung meldet und sagt: „Ich finde, wir müssten
auch mal über Abrüstung und Rüstungskontrolle reden“,
dann merkt man richtig, dass man die Veranstaltung stört
und es nur irgendwo unter „ferner liefen“ auftaucht.

Im Kern wird das eine ziemlich gefährliche Welt, vor
allen Dingen dann, wenn es so weitergeht, dass erst Russ-
land, dann die NATO und die USA die Friedensdividen-
de, die wir übrigens schon vor der deutschen Einheit dank
Gorbatschow und Reagan erhalten haben, in Trümmer
legen. In einem kleinen, weißen Haus in Reykjavík auf
Island haben sie damals den Doppelbeschluss verhandelt,
der meine Partei fast zerrissen hat, am Ende aber richtig
gewesen ist. Man hat gesagt: Wir wollen verteidigungs-
fähig sein, aber wir machen ein Rüstungskontroll- und
Abrüstungsangebot. – Seitdem ist es verboten, in Europa
landgestützte atomare Mittelstreckenraketen zu stationie-
ren. Wir erleben gerade, dass Russland dabei ist, diesen
Vertrag zu unterlaufen, und dass die USA und die NATO
diskutieren, darauf genauso zu reagieren. Wir erleben,
dass die USA das Iran-Abkommen mit dem Nukleardeal
eigentlich nicht mehr wollen, und wir sind nicht sicher, ob
der Vertrag über die Abrüstung atomarer Langstreckenra-
keten noch Bestand haben wird. Das heißt, wir sind in
einer Phase, in der wir nicht nur über konventionelle Auf-
rüstung reden, sondern über eine Rückkehr in die dun-
kelsten Zeiten des Kalten Krieges. Deswegen sage ich:
Das politische Symbol, die politische Handlung, die von
Deutschland ausgehen muss, kann doch nicht sein, dass
wir bei diesem Rüstungswettlauf mitmachen. Das Signal
Deutschlands – und zwar egal, wer dieses Land regiert
hat – war doch immer, dass Deutschland die Stimme des
Friedens und Friedensmacht in der Welt sein will und bei
der Aufrüstung nicht mitmacht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In diesem Zusammenhang findet die Debatte über die
Frage statt: Sollen wir wirklich 2 Prozent unseres Brut-
toinlandsproduktes für Verteidigung, für Rüstung ausge-
ben?

Die NATO hat – Sie haben das richtig zitiert – nie be-
schlossen, dass es 2 Prozent sein sollen. Übrigens hat die
NATO beschlossen, dass Haushaltsfragen und anderes
eine Rolle spielen. Es geht doch darum: Erstens ist der
Beschluss – wenn auch Sozialdemokraten diesen Kom-
promiss damals mitgetragen haben – an sich schon irre.
Warum? Weil es doch nicht zuerst um die Frage gehen
muss, wie viel wir ausgeben, sondern um die Frage, wo-
für wir es ausgeben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Diese Frage wird gar nicht beantwortet. Die Verteidi-
gungsausgaben in Europa betragen ungefähr 45 Prozent
der Verteidigungsausgaben der USA, aber wir erzielen
nur eine Effizienz von 15 Prozent. Da würde ich doch
erst einmal beschließen, die Effizienz zu verdoppeln,
statt den Haushalt für Verteidigung zu verdoppeln. Das
ist doch verrückt.


(Beifall bei der SPD)


Das Zweite. Steckt eigentlich die richtige Strategie da-
hinter? Die richtige Strategie erklärt Ihnen jeder Soldat,
der aus dem Auslandseinsatz zurückkommt. Ich frage die
Soldaten immer danach – Frau von der Leyen garantiert
auch –, und die Antwort ist immer die gleiche: Ja, man
braucht auch Militär. Aber, lieber Herr Gabriel, glauben
Sie bloß nicht, durch noch mehr Verteidigungs- und Mi-
litärausgaben für Frieden und Stabilität sorgen und gegen
die Fluchtbewegungen vorgehen zu können. Sie müssen
den Hunger, die Armut, die Hoffnungslosigkeit und die
Zukunftslosigkeit bekämpfen. Das müssen Sie machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Redner heute Morgen – zuerst war es, glaube ich,
Herr Mützenich – haben zu Recht auf den Haushaltsent-
wurf hingewiesen, den der Finanzminister vorgelegt hat.
Der Verteidigungshaushalt soll um 14 Prozent steigen,
und zwar nur in den nächsten vier, fünf Jahren, und die
Mittel für die Entwicklungshilfe sollen um 1,4 Prozent
steigen. Wenn die Inflationsrate etwas steigt, dann neh-
men die Ausgaben sogar ab. Da hilft es nicht, wenn Sie
ein Zitat von Martin Schulz aus dem Kontext reißen. Es
wäre fair, wenn Sie das ganze Interview vortragen wür-
den,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


dann würden Sie nämlich merken, dass für uns völlig
klar ist: Natürlich müssen wir die Ausrüstung der Bun-
deswehr verbessern, übrigens unter anderem, weil an der
Bundeswehr seit zwölf Jahren herumgespart wird. Der
größte Held dabei war der, der 5 Milliarden Euro pro Jahr
bei der Bundeswehr einsparen wollte; das ist der, dessen
Rückkehr die bayrische CSU gerade organisiert, nämlich
Herr zu Guttenberg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Ich bin ja für Resozialisierung – deswegen habe ich
nichts dagegen –,


(Heiterkeit bei der SPD)


aber er ist mit der Bundeswehr ungefähr so sorgsam um-
gegangen wie mit seiner Doktorarbeit.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist dabei herausgekommen.

Aufgrund dieses Zusammenhangs glaube ich, dass
Deutschland eine andere Politik betreiben muss, dass wir
die Stimme der Rüstungskontrolle und der Abrüstung
sein müssen. Natürlich müssen wir gleichzeitig vertei-
digungsfähig sein – das ist gar keine Frage –, aber wir
müssen das Thema Rüstungskontrolle und Abrüstung
wieder auf die Tagesordnung bringen, und das tun wir
derzeit nicht ausreichend stark. Ich jedenfalls habe von
der CDU/CSU dazu noch keinen einzigen Wortbeitrag
gehört, sondern ausschließlich eine Verteidigung der
Aufrüstung in Deutschland. Das finde ich falsch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist sowieso komisch, dass wir in der Lage sind,
uns bei Militärausgaben quantitative Ziele zu setzen,
aber zum Beispiel bei Bildungsausgaben nicht. Nach
OECD-Angaben geben wir 4 Prozent für Bildung aus;
selbst Frankreich gibt 5,5 Prozent aus. Warum verdop-
peln wir nicht die Bildungsausgaben statt die Rüstungs-
ausgaben in Deutschland?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Bei allem, was wir geschafft haben, werden drei Din-
ge unsere Zukunft bestimmen: erstens die wirtschaftli-
che Leistungsfähigkeit unseres Landes; Investitionen
sind wichtig; zweitens, dass wir Europa zusammenhalten
und nicht weiter spalten, wie das in den letzten Jahren
mit erhobenem Zeigefinger quer durch Europa der Fall
gewesen ist; drittens, dass dieses Land die Stimme für
Rüstungskontrolle und für Abrüstung erhebt, ganz egal,
ob das gerade modern ist; übrigens auch dafür, eine neue
Entspannungspolitik zu beginnen.

Natürlich ist eine Voraussetzung dafür, dass Russland
wenigstens einen Waffenstillstand in der Ukraine orga-
nisiert. Ich lese gerade auf Hinweis der Kanzlerin, dass
Herr Putin öffentlich angeboten hat, was wir beide von
ihm seit Wochen und Monaten fordern, er aber bisher
abgelehnt hat: nämlich eine Blauhelmmission in der Ost-
ukraine zur Durchsetzung des Waffenstillstandes. Wenn
das wirklich eine Chance ist, dann lassen Sie uns diese
Chance ergreifen. Wir brauchen mehr und nicht weniger
Entspannungspolitik. Das ist unsere Aufgabe.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Entspannungspolitik hat unter Willy Brandt in den
dunkelsten Zeiten des Kalten Krieges begonnen. 1968,
als die Truppen des Warschauer Paktes unter Führung
der Sowjetunion in Prag einmarschiert sind und keiner an

Abrüstung und Entspannung geglaubt hat, hatte Brandt
den Mut, zu sagen: Wir wollen eine neue Abrüstungs-
und Ostpolitik. – Die jetzigen Zeiten sind ähnlich gefähr-
lich, wenn nicht gefährlicher. Deutschlands Aufgabe ist
es, genau diese Politik jetzt erneut auf die Tagesordnung
zu setzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824504100

Der Abgeordnetenkollege Jens Spahn hat um eine

Kurzintervention gebeten.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Er hat das Recht dazu!)


Dazu erteile ich ihm das Wort.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1824504200

Herr Präsident! Lieber Herr Gabriel, ich hätte mich

gar nicht gemeldet, wenn Sie nicht für Fairness und ein
richtiges Zitieren der Aussagen von Herrn Schulz gewor-
ben hätten. Ich bin sehr für richtiges Zitieren, auch im
Wahlkampf.


(Zuruf von der SPD: Das sagt der Richtige!)


Deshalb möchte ich, nachdem Sie seit Wochen auf
Marktplätzen und an anderen Orten immer dieselbe
Behauptung aufstellen, die Gelegenheit nutzen, Ihnen
zu sagen, was ich gesagt habe. Sie können das falsch
finden – das ist okay –; aber es ist nicht so, wie Sie es
ständig behaupten. Ich habe gesagt, dass wir in Zukunft
angesichts dessen, was um uns herum in Europa und der
Welt los ist – jetzt wörtliches Zitat –, in dem einen oder
anderen Jahr weniger stark Sozialleistungen werden er-
höhen müssen – Zitat Ende –, um mehr in Sicherheit zu
investieren.


(Ulli Nissen [SPD]: Die Inflationsrate macht ein Minus, Herr Spahn! – Weitere Zurufe von der SPD)


Sie können sagen, dass Sie das anders sehen, dass Sie,
nachdem wir in den letzten Jahren viele Erhöhungen bei
den Sozialleistungen gehabt haben, die alle gut und rich-
tig waren, noch mehr Erhöhungen wollen. Das ist auch
okay. Aber Sie können vielleicht mit mir konform gehen,
dass „etwas weniger stark erhöhen“ etwas anderes be-
deutet als „kürzen“.

Ich weiß, Sie sind verzweifelt in diesem Wahlkampf,
weil nichts so richtig zündet.


(Widerspruch bei der SPD)


Jetzt versuchen Sie, ob es um die Lohnlücke, die Mit-
tel für Langzeitarbeitslose oder die Rentenpolitik geht,
an verschiedenen Stellen mit Halb- und Unwahrheiten
Stimmung zu machen. Das spüren wir überall. Das haben
wir auch in dieser Debatte erlebt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und der LINKEN)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Aber da Sie darum bitten, Herrn Schulz richtig zu zi-
tieren, habe ich eine einfache Bitte für die nächsten drei
Wochen: Wenn Sie weiterhin, wie in den letzten Wochen,
diesen Baustein in Ihren Reden haben, zitieren Sie mich
einfach richtig. Um mehr bitte ich gar nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824504300

Herr Minister, darauf können Sie antworten.


Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1824504400

Herr Kollege Spahn, ich weiß, was Sie meinen, wenn

Sie sagen „nicht erhöhen“. Es weiß doch jeder, dass wir
bei dem, was wir in den Bereichen Rente, Bildung, Pfle-
ge und Gesundheit vor uns haben, über Mehrausgaben
reden müssen, wenn wir wenigstens das Leistungsniveau
von heute halten wollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie das nicht wollen – und Sie wollen es nicht –,
dann heißt das de facto, dass Sie die derzeitigen Leistun-
gen kürzen wollen. Haben Sie doch den Mumm, das zu
sagen!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie sind doch derjenige in der CDU/CSU, der den nati-
onalkonservativen Flügel als junger Mann neu beleben
will. Haben Sie nicht so viel Angst davor, zu sagen, was
Sie eigentlich sagen wollen, nämlich dass Sie glauben –
das sagen Sie auch sonst im Finanzministerium –, wir
gäben zu viel Geld für Soziales aus, und dass Sie nicht
wollen, dass die Steigerungsraten, die nötig sind, um das
Leistungsniveau in den nächsten Jahren zu halten, vollzo-
gen werden. Sie wollen das Geld für eine Verdoppelung
des Rüstungshaushaltes unter anderem aus dem Bereich
Soziales holen, um es dem Verteidigungsministerium zu
geben. Das ist das, was Sie vorhaben.

Und machen Sie sich keine Sorgen: Verzweifelte Leu-
te sehen anders aus als ich.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824504500

Das Wort hat jetzt für die CDU/CSU-Fraktion der

Kollege Dr. Peter Tauber.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Peter Tauber (CDU):
Rede ID: ID1824504600

Gut drei Wochen vor der Bundestagswahl ist diese De-

batte eine Standortbestimmung. Wenn man das Gehörte
zusammenfassen will, dann bleibt eigentlich nur hängen:
Sahra Wagenknecht liest die Slogans der CDU-Plakate
vor, wahrscheinlich weil die ihr besser gefallen als die ei-
genen. Dietmar Bartsch sagt, er würde „Für ein Deutsch-
land, in dem wir gut und gerne leben“ unterschreiben.

Lieber Herr Bartsch, Sie müssen das nicht unterschrei-
ben. Wenn Sie diesen Satz richtig finden, müssen Sie
CDU oder CSU wählen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ist das blöd!)


Herr Özdemir von den Grünen hat versucht, über In-
novationen zu sprechen, und sich dann über Sitzheizun-
gen lustig gemacht. Lieber Herr Özdemir, ja, wir müs-
sen dringend darüber reden, was wir tun müssen, damit
die Welt im 21. Jahrhundert noch deutsche Autos kauft.
Diese Autos müssen so innovativ und so modern sein,
mit alternativen Antrieben, dass die Welt sie wirklich
haben will. Wahr ist aber auch: Das Rückgrat unserer
Volkswirtschaft sind der Mittelstand, das Handwerk und
die kleinen innovativen Unternehmen. Deswegen ist Ihr
Vergleich ziemlich daneben; denn der Weltmarktführer
für Sitzheizungen ist ein deutscher Mittelständler mit
4 000 Arbeitsplätzen in Deutschland und in Europa.
Auch das Elektroauto – da bin ich mir ziemlich sicher –
wird noch eine Sitzheizung haben.

Was die SPD betrifft, muss ich sagen: Ich verstehe,
ehrlich gesagt, warum so viele Bürgerinnen und Bürger
ratlos sind, wenn sie Sie im Wahlkampf beobachten.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie hätten besser nicht reden sollen!)


Sie reden über Bildungspolitik, und Frau Schwesig
schickt ihr Kind auf eine Privatschule. Sie reden über
Abrüstung, sind sich aber selbst nicht darüber im Kla-
ren, was Sie eigentlich wollen. Da wir gerade dabei sind,
zu zitieren, lese ich Ihnen gerne noch einmal vor, was
Martin Schulz gesagt hat. Er hat gesagt:

Die Experten sagen mir: Zwischen 3 und 5 Milliar-
den braucht die Bundeswehr jährlich mehr.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jährlich!)


Ja, unbedingt; sollten wir tun.

Im selben Interview wiederholt er auf Nachfrage noch
einmal diese Position. Er sagt mit Blick auf die beiden
Verteidigungspolitiker der SPD:

Das sind gerade die Experten, die mich ja auch be-
raten, Rainer Arnold und Hans-Peter Bartels, also
unsere Verteidigungspolitiker, die mir sagen: Zwi-
schen 3 und 5 Milliarden für die Bundeswehr mehr
pro Jahr, das ist das, was wir brauchen. Ganz klar …


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber nicht 30!)


Sie müssen sich irgendwann entscheiden: Regierung
und Opposition in einem, das funktioniert nicht. Lieber
Herr Gabriel, dass Sie so relativ entspannt sind, liegt
vielleicht auch daran, dass Sie ganz froh sind, dass Sie
auf der Regierungsbank sitzen und damit relativ weit
weg von Ihrer Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ansonsten bleibt festzuhalten: Nur die Redner der
Unionsfraktion haben über die Zukunft gesprochen. Die

Jens Spahn






(A) (C)



(B) (D)


Redner der anderen Fraktionen haben nur Vergangen-
heitsbewältigung betrieben.

Ich will Ihnen sagen, was die Menschen erwartet,
wenn sie am 24. September CDU oder CSU wählen:


(Zuruf von der SPD: Stillstand!)


Wir werden weiter daran arbeiten, dass Bildung und For-
schung ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist; denn der Etat
des Bundes dafür ist ein Rekordetat. Wir haben noch nie
so viel für Bildung und Forschung ausgegeben wie ak-
tuell.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir werden die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
um 15 Milliarden Euro entlasten. Wir werden mit dem
Abbau des Solis beginnen. Wir werden an der soliden
Haushaltspolitik und an der schwarzen Null festhal-
ten. Gerade heute können Sie die Meldung lesen, dass
Deutschland für Investitionen ein sicherer Ort ist. Das
liegt auch an unserer Finanzpolitik.

Wir werden in moderne Technologien investieren, ein
Glasfasernetz flächendeckend in Deutschland schaffen,
den 5G-Standard einführen und ausbauen.

Und wir werden die Familien auf eine bisher nicht da-
gewesene Art und Weise entlasten: mit dem Kindergeld,
mit dem Baukindergeld, mit dem Kinderfreibetrag und
mit einem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz
auch im Grundschulalter.

Diese konkreten Dinge sind das eine. Aber die Wähle-
rinnen und Wähler entscheiden auch über die großen Li-
nien, über Haltung und über grundsätzliche Überzeugun-
gen. Auch darin unterscheiden wir uns teilweise. Nicht in
allen Fragen, aber doch in manchen.

Wenn wir selbst und die Welt im Jahr 2017 auf unser
Land schauen, dann können wir feststellen: Vor 100 Jah-
ren war unser Land mit dem Rest der Welt im Krieg,
vor 75 Jahren war unser Land mit dem Rest der Welt im
Krieg, vor 50 Jahren war unser Land geteilt und besetzt.
Heute ist dieses Deutschland ein Ort der Demokratie, des
Rechts und der Freiheit. Viele sagen: Gott sei Dank sind
die Deutschen so, wie sie sind. – Darauf können wir stolz
sein. Das hat übrigens etwas mit Politik zu tun, angefan-
gen bei der Politik von Konrad Adenauer über Helmut
Kohl bis heute zu Angela Merkel.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh! – Marcus Held [SPD]: Wir sind doch nicht bei Plasberg!)


Wir sollten deswegen – bei allem Streit in der Sache;
über die genannten Punkte wie Kindergeld etc. können
wir immer gerne streiten – aufhören mit dem, was Sie
alle permanent machen in diesem Wahlkampf, nämlich
unser Land schlechter zu reden, als es ist. Es ist das beste
Deutschland, das es je gab.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Es ist gut, dass wir diese Debatte führen. Man kann
sich noch einmal ein Bild machen. Wir reden über die
Zukunft und über das, was Deutschland braucht, um wei-

ter erfolgreich zu sein, und Sie arbeiten sich an Ihrer ei-
genen Vergangenheit ab. Darüber können die Menschen
am 24. September abstimmen. Ich bin zuversichtlich,
dass sie klug und richtig abstimmen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824504700

Abschließender Redner in dieser Debatte ist der Kol-

lege Hubertus Heil für die Fraktion der SPD.


(Beifall bei der SPD)



Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1824504800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Herr Tauber, Deutschland ist ein starkes Land, und
niemand redet dieses Land schlecht. Aber zur Wahrheit
gehört auch: Deutschland investiert zu wenig in die Zu-
kunft. Deutschland ist auch ein wohlhabendes Land.
Aber nicht alle haben gleichermaßen am Wohlstand teil;
das ist der Unterschied.

Wir haben deutlich gemacht, was wir für die Zukunft
dieses Landes brauchen. Wir brauchen beispielsweise
Investitionen in Bildung. Sie verweigern diese Investi-
tionen in Deutschlands Schulen. Tun Sie doch nicht so,
als gäbe es hier keine Unterschiede. Demokratie braucht
gute Alternativen und eine Auswahl im demokratischen
Spektrum. Wenn Sie so tun, als gäbe es keine Unterschie-
de, stärken Sie die politischen Ränder. Genau das kann
Deutschland nicht gebrauchen, meine Damen und Her-
ren.


(Beifall bei der SPD)


Ich will an die Adresse der Bundeskanzlerin sa-
gen: Wer im Fernsehduell ständig versucht, sich hinter
SPD-Ministern zu verstecken,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja lächerlich!)


und wer hier und heute versucht, ein Zitat falsch zu inter-
pretieren, der will davon ablenken, dass Sie keinen Plan
für die Zukunft haben.


(Beifall bei der SPD)


Ich will Ihnen sagen, Herr Tauber: Wir als SPD haben
deutlich gemacht – Martin Schulz hat das auch in dem
Interview deutlich gemacht –, dass wir für eine gute
Ausrüstung der Bundeswehr sind, und zwar im Umfang
von 3 bis 5 Milliarden Euro jährlich, aber nicht aufwach-
send – das ist der Unterschied –, sondern strukturell.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie wollen das 2-Prozent-Ziel einhalten. Das bedeutet,
Sie wollen 30 bis 40 Milliarden Euro ab 2024 Jahr für
Jahr.

Es gibt noch einen Unterschied: Wir wollen das Geld
lieber in Bildung investieren, also in Deutschlands Schu-
len und in die Chancen von Kindern und Jugendlichen

Dr. Peter Tauber






(A) (C)



(B) (D)


in diesem Land, die alle eine Chance brauchen, und das
unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.


(Beifall bei der SPD)


Wenn wir in diesem Land über die Zukunft reden, dann
reden wir vor allen Dingen über die nachwachsende Ge-
neration. Dass in unserem wohlhabenden Land trotz al-
ler Anstrengungen der Geldbeutel von Papa und Mama
und die soziale Herkunft stärker über die Bildungs- und
Lebenschancen von Kindern entscheiden als Talent und
Leistung, ist eine Schande.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Auch in dieser Lautstärke wird es nicht besser!)


Das ist nicht zukunftsfähig. Deshalb muss auch der Bund
Mittel investieren.


(Beifall bei der SPD)


Worum geht es dabei? Wir haben das Kooperations-
verbot gegen Ihren Widerstand ein Stück weit aufgebro-
chen, um Schulen zu sanieren. Aber das reicht uns nicht.
Zuständigkeitsdebatten interessieren die Menschen nicht,
weder die Eltern noch die Lehrer noch die Kinder. Alle
Kinder brauchen eine Bildungschance, unabhängig von
Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie brauchen gleiche Chancen, die nicht, wie in diesem
Land, an der Herkunft kleben. Dafür muss man Geld
in die Hand nehmen. Wir wollen dafür sorgen, dass die
Schulen nicht nur saniert werden; sie müssen moderni-
siert werden. Wir müssen dafür sorgen, dass es einen
Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz gibt, zu-
mindest an Grundschulen. Das können Bund, Länder und
Kommunen nur gemeinsam schaffen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Den Investitionsstau an den Schulen in Höhe von 34 Mil-
liarden Euro können wir nur gemeinsam auflösen. Auch
das ist ein Unterschied zwischen Ihnen und uns.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, am 24. Sep-
tember steht dieses Land vor der Wahl. Es geht darum,
sich mit der Gegenwart abzufinden oder die Vergangen-
heit zu verwalten.


(Henning Otte [CDU/CSU]: Sie wollen eine linke Republik!)


Frau Merkel hat keinen Vorschlag für die Zukunft dieses
Landes gemacht,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Henning Otte [CDU/CSU]: Sie wollen mit den Linken!)


weder zur Zukunft der Kinder und zu ihren Bildungs-
chancen – sie will, dass sich der Bund da heraushält –
noch zur Frage, woher das Geld kommen soll, das wir
brauchen, um in ganz Deutschland endlich eine Breit-
bandinfrastruktur hinzubekommen.

Sie sagen zwar, dass Sie die steuerliche Forschungs-
förderung wollen; Sie sagen aber nicht, wie. Wir haben
einen klaren Vorschlag gemacht. Wir brauchen einen
Vorrang für Investitionen in diesem Land: in Bildung, in

Forschung, in Infrastruktur, in die Verbindung von ländli-
chen und städtischen Räumen, was die Mobilität betrifft.

Den Haushalt zu sanieren, Herr Schäuble, ist in Ord-
nung. Auch wir wollen an der Schuldenbremse festhal-
ten. Aber wenn wir nicht investieren und kein Geld in die
Hand nehmen, dann verrottet die Infrastruktur in diesem
Land, und dann schaffen wir keine zukunftsfähige Infra-
struktur für die kommenden Generationen. Auch das ist
ein Unterschied zwischen Ihnen und uns.


(Beifall bei der SPD – Henning Otte [CDU/ CSU]: Dann bauen Sie doch die A 39!)


– Für die sind wir, Herr Kollege.


(Henning Otte [CDU/CSU]: Ach was, das ist ja wohl ein Witz!)


Ich will Ihnen deutlich sagen: Was die Frage der Ge-
rechtigkeit in diesem Land betrifft, haben wir erlebt –
Andrea Nahles hat das deutlich gemacht –, dass Sie bei
der Rente nichts ändern wollen. Das wird dazu führen,
dass das Rentenniveau für die heute arbeitende Genera-
tion herunterkrachen wird. Wir wollen das Rentenniveau
stabil halten. Wer sichere Renten und mehr Bildungsin-
vestitionen will, der muss am 24. September die SPD
stark machen. Mit der Union ist das nicht zu machen.


(Beifall bei der SPD)


Eine abschließende Bemerkung zu Frau Merkel. Ich
kann mich noch an den Satz „Sie kennen mich“ aus dem
Fernsehduell vor der letzten Wahl erinnern. Ich würde sa-
gen, nach zwölf Jahren Angela Merkel kann man Folgen-
des feststellen: Viele Menschen glauben, Angela Merkel
zu kennen – manchmal ist man angesichts der Wechsel
und des Zickzackkurses ihrer Politik ja überrascht –, aber
keiner weiß wohl wirklich, wohin sie dieses Land führen
will. Das ist der Unterschied.

Am 24. September, meine Damen und Herren, sagen
wir: Deutschland kann mehr, und es ist Zeit für mehr
Gerechtigkeit in diesem Land. Deshalb kämpfen wir mit
Martin Schulz für eine starke SPD. Dieses Land kann
mehr und braucht mehr Gerechtigkeit, Innovationen und
Zukunft und nicht die Verwaltung des Gegenwartszu-
stands und der Vergangenheit. Das ist der Unterschied,
um den es am 24. September geht.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824504900

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir zu der an-

schließenden Wahlhandlung kommen, gibt es noch eine
Reihe von Entscheidungen, die wir zu treffen haben. Ich
bitte, das bei dem Prozess des Wartens und Anstehens zu
berücksichtigen.

Zunächst kommen wir aber noch nicht zum Schluss
dieser Aussprache, sondern ich erteile das Wort für eine
Kurzintervention dem Kollegen Dr. Gysi.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wieso? Ist er denn angesprochen worden? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)


Hubertus Heil (Peine)







(A) (C)



(B) (D)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824505000

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. – In den Reden

vieler Rednerinnen und Redner wurden heute die aus-
scheidende Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn und der
ausscheidende Vizepräsident Johannes Singhammer
gewürdigt, und ihnen wurde Dank ausgesprochen. Ich
schließe mich dem selbstverständlich an. Ich bin auch
den beiden Fraktionsvorsitzenden meiner Fraktion dank-
bar dafür, wie sie sich bei ihnen, aber vor allen Dingen
auch beim Bundestagspräsidenten Professor Dr. Norbert
Lammert bedankt haben. Auch dem schließe ich mich an.
Aufgrund des Verhältnisses zwischen dem Herrn Bun-
destagspräsidenten und mir finde ich aber, dass ein paar
persönliche Worte zum Abschied vielleicht doch ange-
bracht sind.

Sie, Herr Professor Dr. Lammert, gehören dem Bun-
destag seit 1980, also seit 37 Jahren, an und sind seit 2005
Präsident des Bundestages. Ich kann mir vorstellen, wie
schwer es ist, wenn man aus einer Partei und einer Frak-
tion kommt und plötzlich die Zuständigkeit für alle Ab-
geordneten erhält, die ganz andere Herkünfte und ganz
andere politische Auffassungen haben. Man soll ja der
Präsident für alle sein. Das gelingt wirklich nicht jedem,
aber ich muss sagen: Ihnen ist es wirklich gut gelungen.

Ich habe Sie sehr respektiert, als Sie verschiedene
Abgeordnete und verschiedene Fraktionen gegen den
türkischen Präsidenten Erdogan verteidigt haben, der sie
beschimpft hat. Das hat Mut gezeigt.

Sie haben Reden gehalten, die auch mich erstaunt ha-
ben. Sie konnten von der CSU bis zur Linken akzeptiert
werden. Das muss man erst einmal hinkriegen. Aber das
ist Ihnen eigentlich fast immer gelungen, muss ich sagen.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Sie haben sogar Auseinandersetzungen mit den Medi-
en geführt; das heißt, Sie waren und sind auch bereit, sich
unbeliebt zu machen. Auch das ist nicht selbstverständ-
lich. Sie waren auch nie parteiisch und nie der verlänger-
te Arm irgendeiner Koalition.

Ihr eigentliches Verdienst besteht darin, dass Sie so
sehr Präsident des Parlaments waren, dass Sie dem Par-
lament eine andere Stellung in der Gesellschaft gegeben
haben. Das verdanken wir gerade Ihnen, weil Sie bewie-
sen haben: Man kann Präsident des Parlaments sein und
keine andere Aufgabe dabei wahrnehmen. – Dafür, finde
ich, gebührt Ihnen Respekt.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Sie haben, Herr Bundestagspräsident, immer die Rech-
te der Regierungsfraktionen geachtet, aber genauso die
Rechte der Oppositionsfraktionen, und Sie haben auch
heute wieder über Minderheitenrechte gesprochen, die
so wahnsinnig wichtig sind. Wenn eine Mehrheit meint,
die Kontrolle über sich reduzieren zu dürfen, hat sie die
Demokratie nicht verstanden. Sie haben sie verstanden.

Weil ich älter bin als Sie, möchte ich Ihnen zum
Schluss noch zwei weise Ratschläge mitgeben; dazu bin
ich ja berechtigt. Der erste Ratschlag ist: Sie müssen sich
ganz bewusst entscheiden, das Alter zu genießen. Alles
andere hat keinen Sinn. Mein zweiter Ratschlag ist: Re-

den Sie bloß nicht so viel über Krankheiten. Das macht
nicht gesund.

Nun will ich Ihnen als Letztes – ich hoffe, im Namen
des ganzen Hauses, aber vor allem in meinem Namen –
in jeder Hinsicht Wohlergehen für Ihren neuen Lebens-
abschnitt wünschen und einfach ein Wort sagen: Danke!


(Beifall im ganzen Hause)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824505100

Herr Kollege Gysi, dieses Hohe Haus dankt Ihnen

für die Worte, die Sie für unseren Präsidenten Norbert
Lammert gefunden haben.

Damit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen jetzt zu den Zusatzpunkten a bis h. Es
handelt sich um Beschlussempfehlungen des Petitions-
ausschusses, und wir hatten vereinbart, dass eine Aus-
sprache dazu nicht stattfindet.

Zusatzpunkt a:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 462 zu Petitionen

Drucksache 18/13490

Wer dafürstimmt, den bitte ich jetzt um ein Hand-
zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Niemand. Die Sammelübersicht 462 ist damit mit allen
Stimmen des Hohen Hauses angenommen.

Zusatzpunkt b:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 463 zu Petitionen

Drucksache 18/13491

Wer dafürstimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Niemand.
Auch die Sammelübersicht 463 ist mit den Stimmen des
gesamten Hohen Hauses angenommen.

Zusatzpunkt c:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 464 zu Petitionen

Drucksache 18/13492

Wer für diese Sammelübersicht stimmt, den bitte ich
um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Niemand. Die Sammelübersicht 464 ist da-
mit mit allen Stimmen angenommen.

Zusatzpunkt d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 465 zu Petitionen

Drucksache 18/13493






(A) (C)



(B) (D)


Wer dafürstimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Sam-
melübersicht 465 ist angenommen mit den Stimmen von
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen.

Zusatzpunkt e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 466 zu Petitionen

Drucksache 18/13494

Wer dafürstimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Keine.
Die Sammelübersicht 466 ist damit mit allen Stimmen
des Hohen Hauses angenommen.

Zusatzpunkt f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 467 zu Petitionen

Drucksache 18/13495

Wer dafürstimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammel-
übersicht 467 ist damit angenommen mit den Stimmen
von CDU/CSU und SPD sowie der Fraktion Die Linke
bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Zusatzpunkt g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 468 zu Petitionen

Drucksache 18/13496

Wer für die Sammelübersicht 468 stimmt, den bitte
ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Die Sammelübersicht 468 ist damit an-
genommen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD
sowie Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke.

Zusatzpunkt h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 469 zu Petitionen

Drucksache 18/13497

Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 469
ist damit angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke so-
wie Bündnis 90/Die Grünen. Damit haben wir diese Zu-
satzpunkte abgeschlossen.

Ich komme jetzt zum Tagesordnungspunkt 2:

Wahlvorschlag des Wahlausschusses für die
Richter des Bundesverfassungsgerichts

Wahl einer Richterin oder eines Richters des
Bundesverfassungsgerichts

Drucksache 18/12822

Der Wahlausschuss schlägt auf der Drucksa-
che 18/12822 Herrn Dr. Josef Christ vor. Diesen Wahl-
vorschlag hat der Wahlausschuss mit der gemäß § 6
Absatz 5 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes erfor-
derlichen Mehrheit beschlossen.

Ich bitte Sie jetzt noch um Aufmerksamkeit für einige
Hinweise zum Wahlverfahren.

Die Wahl erfolgt mit verdeckten Stimmkarten, also
geheim. Zum Richter des Bundesverfassungsgerichts ist
gewählt, wer eine Mehrheit von zwei Dritteln der abge-
gebenen Stimmen, mindestens die Mehrheit der Stimmen
der Mitglieder des Bundestags auf sich vereinigt.

Sie benötigen jetzt für die Wahl Ihren blauen Wahlaus-
weis, den Sie bitte, soweit Sie es noch nicht gemacht
haben, Ihrem Stimmkartenfach entnehmen können.
Wie üblich gilt die Bitte, nochmals zu prüfen, ob der
Wahlausweis Ihren Namen trägt. Die für die Wahl gültige
Stimmkarte und den amtlichen Wahlumschlag erhalten
Sie von den Schriftführerinnen und Schriftführern an den
Ausgabetischen neben den Wahlkabinen. Das Verfahren
ist bekannt.

Nachdem Sie die Stimmkarte in einer der Wahlka-
binen gekennzeichnet und in den Wahlumschlag gelegt
haben, gehen Sie bitte zu den Wahlurnen hier vor dem
Rednerpult. Die Stimmkarte dürfen Sie bitte nur in der
Wahlkabine ankreuzen, und Sie müssen ebenfalls noch in
der Wahlkabine die Stimmkarte in den Umschlag legen.
Die Schriftführerinnen und Schriftführer sind verpflich-
tet, jeden, der seine Stimmkarte außerhalb der Wahlka-
bine kennzeichnet oder in den Umschlag legt, zurück-
zuweisen. Die Stimmabgabe kann in diesem Fall jedoch
vorschriftsmäßig wiederholt werden. Aber ich bitte Sie,
auf diese Wiederholung zu verzichten.

Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei
„ja“, „nein“ oder „enthalte mich“. Ungültig sind Stim-
men auf nicht amtlichen Stimmkarten sowie Stimmkar-
ten, die mehr als ein Kreuz, kein Kreuz, andere Namen
oder Zusätze enthalten.

Bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen wer-
fen, übergeben Sie bitte Ihren Wahlausweis den Schrift-
führerinnen und Schriftführern an der Wahlurne. Der
Nachweis der Teilnahme an der Wahl kann nur durch die
Abgabe des Wahlausweises erbracht werden.

Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer,
die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Das ist der Fall.
Dann eröffne ich hiermit die Wahl und bitte, zum Emp-
fang der Stimmkarte zu den Ausgabetischen zu gehen.

Gibt es jetzt noch jemanden im Saal, der die Wahl-
handlung abschließen möchte, aber dazu bisher nicht die
Gelegenheit hatte? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe
ich die Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, mit der Auszählung zu beginnen. Gleichzeitig
unterbreche ich jetzt die Sitzung für einige Minuten, ver-
mutlich für zehn Minuten. Ich werde dann das Ergebnis

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


der Wahl bekannt geben und noch einige abschließende
Worte sagen.


(Unterbrechung von 13.49 bis 14.14 Uhr)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824505200

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die

unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe jetzt das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der Wahl eines Rich-
ters des Bundesverfassungsgerichts bekannt: abgegebene
Stimmzettel 586. Mit Ja haben gestimmt 455, mit Nein
haben gestimmt 57 Abgeordnete, Enthaltungen 74. Herr
Dr. Josef Christ hat damit die erforderliche Mehrheit von
zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und mindestens
316 Jastimmen erreicht.1) Er ist damit zum Richter des
Bundesverfassungsgerichts gewählt. Ich gratuliere dazu
herzlich.


(Beifall im ganzen Hause)


Damit nähern wir uns dem Ende dieser letzten Sitzung
des Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode. Vier
Jahre parlamentarische Arbeit liegen hinter uns. Die Ar-
beit ist getan.

Ich möchte an dieser Stelle noch an etwas erinnern und
ein Dankeschön aussprechen. Wir haben vor vier Jahren
mit unserer Arbeit begonnen. Einige Kollegen sind heute
nicht mehr unter uns, weil Krankheit und Tod in den ver-
gangenen Jahren nach ihnen gegriffen haben. Ich nenne
die Namen der Kollegen, die durch Tod aus der Mitte
ihres Mandats abberufen worden sind. Das sind die Kol-
legen Andreas Schockenhoff und Philipp Mißfelder und
aus der Mitte des Präsidiums Vizepräsident Peter Hintze,
den wir erst vor neun Monaten zu Grabe getragen haben.
Ich denke auch an die Kolleginnen und Kollegen, die in
früheren Legislaturperioden Verantwortung getragen ha-
ben und die in den vergangenen vier Jahren heimberufen
worden sind.

Ich möchte jetzt aber vor allem ein Dankeschön rich-
ten an die Kolleginnen und Kollegen, die ausscheiden,
weil sie nicht mehr kandidieren, die sich nicht mehr in
den Wahlkampf eingebracht haben, weil sie einfach das
Mandat nicht mehr erneuert wissen wollen. Ich denke da-
bei auch an diejenigen, die kämpfen und nicht wissen, ob
sie gewählt werden oder nicht.

Mein Dank gilt all denjenigen, die bei der sehr inten-
siven Arbeit im Mandat mitgewirkt haben. Wir haben
vieles gemeinsam auf den Weg gebracht und auch abge-
schlossen. Die Ausübung eines parlamentarischen Man-
dats und die damit verbundene Arbeit sind kaum möglich
und auch nicht vorstellbar, wenn nicht das Zusammen-
spiel mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf eine
ganz herausragende Weise gelingt. Deshalb möchte ich
in dieser letzten Sitzung insbesondere den Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung danken.
Ohne sie könnten wir als Abgeordnete unsere parlamen-

1) Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 2

tarische Arbeit nicht leisten. Deshalb ein ganz herzliches
Dankeschön.


(Beifall)


Ich selber werde auch mit dieser letzten Sitzung aus
dem Deutschen Bundestag ausscheiden. Es war für mich
wie auch für alle anderen ausscheidenden Kolleginnen
und Kollegen ein Privileg, diesem Hohen Haus anzuge-
hören.

Der Bundestag ist die erste Gewalt im Staat, nicht die
zweite und nicht die dritte. Wir sind, so denke ich, eine
verantwortungsbewusste Volksvertretung. Die Menschen
erwarten zu Recht einen klaren Standpunkt im Wettstreit
um die besseren Ideen. Gleichwohl ist die Fähigkeit zu
einem ehrlichen Kompromiss unverzichtbar. Wer einen
notwendigen Kompromiss als Knieweichheit verspottet,
der hat Demokratie nicht verstanden. Unser Mittel in der
politischen Auseinandersetzung als Parlamentarier ist
das Wort. Ich finde, dass Reiner Kunze eine zutreffende
Formulierung getroffen hat: „Wort ist Währung – Je wah-
rer, desto härter“.

Ich erinnere mich an meine erste Sitzung im Deutschen
Bundestag. Meine erste Rede habe ich zur Familienpoli-
tik gehalten. Danach hat der damalige Vizepräsident, wie
es bei uns üblich ist, diese erste Rede entsprechend ge-
würdigt und hat zu mir als sechsfachem Vater gesagt, das
sei jetzt eine „Jungfernrede“ gewesen. Das damalige Pro-
tokoll vermerkte damals dann „Heiterkeit“. Unabhängig
davon ist Familienpolitik, die Politik für Familien und
für Kinder, für mich immer von ganz besonderer Bedeu-
tung gewesen.

Ich wünsche dem neuen Bundestag, den Kolleginnen
und Kollegen, die am 24. September 2017 gewählt wer-
den, viel Glück. Aus meiner Erfahrung muss es nicht un-
bedingt ein Nachteil sein, wenn man in der politischen
Arbeit die Menschen in unserem Land so annimmt,
wie sie sind. Wer die Deutschen oder die Menschen in
Deutschland nicht so richtig mag, tut sich schwer, eine
gute Politik für sie zu gestalten.

Wir wissen: In allem politischen Wollen und Handeln
stoßen wir auch an Grenzen. Der Blick auf eine andere
Instanz schadet nicht. Nach Zeiten tiefster menschlicher
Erniedrigung in unserer Geschichte haben die Väter und
Mütter des Grundgesetzes die Konsequenzen gezogen.
Deshalb beginnt unsere Verfassung, das Grundgesetz,
mit den Worten:

Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und
den Menschen …

Deshalb sage ich: Möge Gott unser Vaterland behüten. Es
lebe die parlamentarische Demokratie!

Die Sitzung ist geschlossen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)