Protokoll:
18241

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 241

  • date_rangeDatum: 23. Juni 2017

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:00 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/241 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 241. Sitzung Berlin, Freitag, den 23. Juni 2017 Inhalt: Tagesordnungspunkt 29: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kin- der- und Jugendhilfe in Deutschland – 15. Kinder- und Jugendbericht – und Stellungnahme der Bundesregierung Drucksache 18/11050 . . . . . . . . . . . . . . . . 24691 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Siebter Bericht zur Lage der älteren Ge- neration in der Bundesrepublik Deutsch- land – Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften – und Stellungnahme der Bundesregierung Drucksache 18/10210 . . . . . . . . . . . . . . . . 24691 B Dr . Katarina Barley, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24691 C Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 24693 A Markus Koob (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 24694 B Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24696 B Dr . Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 24697 B Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 24698 B Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 24699 B Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24700 C Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24701 D Martin Patzelt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 24702 D Tagesordnungspunkt 30: Zweite und dritte Beratung des von den Abge- ordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung Drucksachen 18/12354, 18/12624 . . . . . . . . . 24704 A Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 24704 B Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 24706 A Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 24706 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 24706 C HonD Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . . . 24707 A Michaela Engelmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 24708 B Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 24709 C Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24712 A Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24713 A Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 24713 D Wilfried Oellers (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 24714 D Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 24716 D Wilfried Oellers (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 24717 B Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24717 C Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 24719 A Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 24719 C Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24720 C Dr . Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 24721 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017II Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 24723 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24725 D Tagesordnungspunkt 31: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen zum Schutz von Journalistin- nen und Journalisten schaffen Drucksache 18/12781 . . . . . . . . . . . . . . . . 24723 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu der Unterrichtung durch die Deutsche Welle: Entwurf der Fortschreibung der Aufga- benplanung 2014 bis 2017 der Deutschen Welle für das Jahr 2017 Drucksachen 18/10856, 18/11025 Nr . 1 .5, 18/12514 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24723 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Tabea Rößner, Ulle Schauws, Katja Dörner, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten ermöglichen Drucksache 18/12803 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24723 C Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 24723 C Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 24728 A Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24729 B Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24730 C Dr . Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 24731 D Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 24733 A Tagesordnungspunkt 32: Beschlussempfehlung und Bericht des 4. Un- tersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes Drucksache 18/12700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24734 D Dr . Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . . 24734 D Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 24736 B Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 24738 A Dr . Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24740 C Andreas Schwarz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24742 B Fritz Güntzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 24743 C Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 24745 C Dr . Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) . . . . 24746 B Tagesordnungspunkt 33: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Suizidprä- vention weiter stärken – Menschen in Le- benskrisen helfen Drucksache 18/12782 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24748 A Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 24748 B Birgit Wöllert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 24749 B Helga Kühn-Mengel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 24750 A Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24751 B Ute Bertram (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 24752 A Dirk Heidenblut (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24753 A Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 24754 A Tagesordnungspunkt 34: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeord- neten Ulle Schauws, Katja Dörner, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Für eine wirksame Frauen- und Gleichstellungspolitik in Deutschland Drucksachen 18/11413, 18/12656 . . . . . . . 24755 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wissenschaftsfreiheit und Wissenschafts- verantwortung sicherstellen Drucksachen 18/6191, 18/12777 . . . . . . . . 24755 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Kai Gehring, Ulle Schauws, Özcan Mutlu, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wissenschaftsfreiheit fördern, Geschlechterforschung stär- ken, Gleichstellung in der Wissenschaft herstellen Drucksachen 18/11412, 18/12778 . . . . . . . 24755 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Ulle Schauws, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Rückkehrrecht auf Vollzeit einführen Drucksache 18/12794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24755 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 III Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24755 C Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 24756 D Gudrun Zollner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 24758 A Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24759 C Dr . Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 24760 D Dr . Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) . . . 24761 D Tagesordnungspunkt 35: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Tourismuspolitischer Bericht der Bundes- regierung: – 18. Legislaturperiode – Drucksache 18/12505 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24763 D Iris Gleicke, Parl . Staatssekretärin BMWi . . . 24764 A Kerstin Kassner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 24765 A Heike Brehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 24766 A Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24767 D Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 24769 A Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 24770 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24771 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 24773 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Ulrike Bahr, Dr . h . c . Edelgard Bulmahn, Bernhard Daldrup, Dr . Karamba Diaby, Elvira Drobinski-Weiß, Michaela Engelmeier, Saskia Esken, Dr . Ute Finckh-Krämer, Martin Gerster, Angelika Glöckner, Michael Groß, Bettina Hagedorn, Rita Hagl-Kehl, Ulrich Hampel, Frank Junge, Josip Juratovic, Thomas Jurk, Ralf Kapschack, Ulrich Kelber, Katja Mast, Dr . Matthias Miersch, Susanne Mittag, Ulli Nissen, Stefan Rebmann, Petra Rode-Bosse, Bernd Rützel, Johann Saathoff, Dr. Hans-Joachim Schabedoth, Dr . Dorothee Schlegel, Dagmar Schmidt (Wetzlar), Ursula Schulte, Norbert Spinrath, Kerstin Tack, Bernd Westphal und Dagmar Ziegler (alle SPD) zu der namentli- chen Abstimmung über den von den Abge- ordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung (Tagesordnungspunkt 30) . . . . . . . . . . . . . . . . 24773 D Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sarah Ryglewski und Cansel Kiziltepe (bei- de SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlosen Befris- tung (Tagesordnungspunkt 30) . . . . . . . . . . . . . . . . 24774 C Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über den von den Abge- ordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung (Tagesordnungspunkt 30) . . . . . . . . . . . . . . . . 24775 A Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24775 A Ulrich Freese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24775 B Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24775 D Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24776 B Dr . Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24776 D Andreas Rimkus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24777 A Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24777 C Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . . 24777 D Gülistan Yüksel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24778 B Anlage 5 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24778 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 24691 241. Sitzung Berlin, Freitag, den 23. Juni 2017 Beginn: 9 .00 Uhr
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    Barbara Lanzinger (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 24773 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 23 .06 .2017 Bellmann, Veronika CDU/CSU 23 .06 .2017 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 23 .06 .2017 Brand, Michael CDU/CSU 23 .06 .2017 Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 23 .06 .2017 Ernstberger, Petra SPD 23 .06 .2017 Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 23 .06 .2017 Färber, Hermann CDU/CSU 23 .06 .2017 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 23 .06 .2017 Gabriel, Sigmar SPD 23 .06 .2017 Gienger, Eberhard CDU/CSU 23 .06 .2017 Gottschalck, Ulrike SPD 23 .06 .2017 Grötsch, Uli SPD 23 .06 .2017 Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 23 .06 .2017 Herzog, Gustav SPD 23 .06 .2017 Janecek, Dieter BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .06 .2017 Jüttner, Dr . Egon CDU/CSU 23 .06 .2017 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .06 .2017 Kömpel, Birgit SPD 23 .06 .2017 Kudla, Bettina CDU/CSU 23 .06 .2017 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 23 .06 .2017 Leyen, Dr . Ursula von der CDU/CSU 23 .06 .2017 Merkel, Dr . Angela CDU/CSU 23 .06 .2017 Mortler, Marlene CDU/CSU 23 .06 .2017 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Müller, Bettina SPD 23 .06 .2017 Nahles, Andrea SPD 23 .06 .2017 Nietan, Dietmar SPD 23 .06 .2017 Obermeier, Julia CDU/CSU 23 .06 .2017 Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .06 .2017 Pilger, Detlev SPD 23 .06 .2017 Schiefner, Udo SPD 23 .06 .2017 Schlecht, Michael DIE LINKE 23 .06 .2017 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 23 .06 .2017 Stritzl, Thomas CDU/CSU 23 .06 .2017 Terpe, Dr . Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .06 .2017 Timmermann-Fechter, Astrid CDU/CSU 23 .06 .2017 Troost, Dr . Axel DIE LINKE 23 .06 .2017 Veit, Rüdiger SPD 23 .06 .2017 Vries, Kees de CDU/CSU 23 .06 .2017 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 23 .06 .2017 Wilms, Dr . Valerie BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .06 .2017 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Ulrike Bahr, Dr. h. c. Edelgard Bulmahn, Bernhard Daldrup, Dr. Karamba Diaby, Elvira Drobinski- Weiß, Michaela Engelmeier, Saskia Esken, Dr. Ute Finckh-Krämer, Martin Gerster, Angelika Glöckner, Michael Groß, Bettina Hagedorn, Rita Hagl-Kehl, Ulrich Hampel, Frank Junge, Josip Juratovic, Thomas Jurk, Ralf Kapschack, Ulrich Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 201724774 (A) (C) (B) (D) Kelber, Katja Mast, Dr. Matthias Miersch, Susanne Mittag, Ulli Nissen, Stefan Rebmann, Petra Rode- Bosse, Bernd Rützel, Johann Saathoff, Dr. Hans- Joachim Schabedoth, Dr. Dorothee Schlegel, Dagmar Schmidt (Wetzlar), Ursula Schulte, Norbert Spinrath, Kerstin Tack, Bernd Westphal und Dagmar Ziegler (alle SPD) zu der namentli- chen Abstimmung über den von den Abgeordne- ten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf ei- nes Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung (Tagesordnungspunkt 30) Die SPD spricht sich seit langem für die Abschaf- fung der sachgrundlosen Befristung aus: In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-Bundestagsfraktion beispielsweise mit dem Antrag „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befristung“ – Drucksache 17/1769 – klar für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ausgesprochen . Und auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 war diese Position ebenso deutlich formuliert worden: „Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher Befristungsgründe überprüfen .“ Dafür tritt die SPD auch inhaltlich weiterhin ein . Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhand- lungen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach- grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in der aktuellen Regierungskoalition daher derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist . Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung, wozu auch die sachgrund- lose Befristung zählt, wirken werden . Beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeit- nehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklä- rung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker reguliert bzw . gegen deren Missbrauch vorgegangen . Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wird aber weiterhin unser erklärtes politisches Ziel bleiben, wofür wir uns auch zukünftig gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion einsetzen werden . Auch das SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 wird die Forderung der Abschaffung der sachgrund- losen Befristung sowie die Überprüfung der Sachgründe für Befristungen zur Begrenzung von Kettenbefristungen beinhalten . Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak- tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab- stimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verstän- digt . Daher werden wir dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sarah Ryglewski und Cansel Kiziltepe (beide SPD) zu der namentlichen Abstim- mung über den von den Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ab- schaffung der sachgrundlosen Befristung (Tages- ordnungspunkt 30) Die SPD spricht sich seit langem für die Abschaf- fung der sachgrundlosen Befristung aus: In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-Bundestagsfraktion beispielsweise mit dem Antrag „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befristung“ – Drucksache 17/1769 – klar zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung positioniert . Auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundes- tagswahl 2013 haben wir diese Position deutlich formu- liert: „Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher Befristungsgründe überprüfen .“ Dafür tritt die SPD auch inhaltlich weiterhin ein . Auch das Regierungsprogramm der SPD zur Bundes- tagswahl 2017 enthält die Forderung nach einer Abschaf- fung der sachgrundlosen Befristung sowie die Überprü- fung der Sachgründe für Befristungen zur Begrenzung von Kettenbefristungen . Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhand- lungen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach- grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in der aktuellen Regierungskoalition derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist . In der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten viele Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer erreicht, unter anderem den Mindestlohn, einen ersten Schritt zur Bekämpfung von Werkverträgen und Leiharbeit, das Lohngleichheitsgesetz, die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinver- bindlicherklärung von Tarifverträgen, die damit für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung bleibt weiterhin unser erklärtes politisches Ziel, für das wir uns gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion einsetzen werden . Eine sozial- demokratisch geführte Regierung wird als erstes Refor- men für gute Arbeit und gerechte Löhne umsetzen, die mit der Union nicht machbar sind, allem voran die Ab- schaffung von befristeten Arbeitsverträgen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak- tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag ver- ständigt . Lediglich aus diesem Grund stimmen wir dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zu . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 24775 (A) (C) (B) (D) Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den von den Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlo- sen Befristung (Tagesordnungspunkt 30) Petra Crone (SPD): Die SPD spricht sich seit langem für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung aus: In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-Bun- destagsfraktion beispielsweise mit dem Antrag „Lang- fristige Perspektive statt sachgrundlose Befristung“ – Drucksache 17/1769 – klar für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ausgesprochen . Und auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundestags- wahl 2013 war diese Position ebenso deutlich formuliert worden: „Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher Befristungsgründe überprüfen .“ Dafür tritt die SPD auch inhaltlich weiterhin ein . Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhand- lungen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach- grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in der aktuellen Regierungskoalition daher derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist . Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung, wozu auch die sachgrund- lose Befristung zählt, wirken werden . Beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeit- nehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklä- rung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker reguliert bzw . wird gegen deren Missbrauch vorgegangen . Das SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 wird die Forderung der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung sowie die Überprüfung der Sachgründe für Befristungen zur Begrenzung von Kettenbefristungen beinhalten . Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak- tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab- stimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verstän- digt . Daher werde ich dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen . Ulrich Freese (SPD): Die SPD steht seit langem für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung. Schon in der letzten Wahlperiode hat meine Fraktion mit dem Antrag „Langfristige Perspektive statt sachgrundlo- se Befristung“ – Drucksache 17/1769 – die Abschaf- fung der sachgrundlosen Befristung gefordert . Auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 haben wir diese Position deutlich formuliert: „Die Möglich- keit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher Befris- tungsgründe überprüfen .“ Dafür tritt die SPD auch heute inhaltlich ein . Leider konnten wir in den Koalitionsverhandlungen mit der Union die Abschaffung der sachgrundlosen Be- fristung nicht vereinbaren, und auch heute verhindert der Widerstand von CDU und CSU, dass wir ein entspre- chendes Gesetz eingebracht und verabschiedet haben . Im Koalitionsvertrag hat die SPD viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmer durchgesetzt, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung, wozu auch die sach- grundlose Befristung zählt, wirken: beispielsweise den gesetzlichen Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeit- nehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklä- rung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker reguliert, und es wird gegen deren Missbrauch vorgegangen . Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ist weiterhin mein erklärtes politisches Ziel, für das ich mich in der kommenden Wahlperiode gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion einsetze . Im SPD-Programm zur Bundestagswahl 2017 werden die Ziele Abschaffung der sachgrundlosen Befristung und Überprüfung der Sachgründe für Befristungen zur Begrenzung von Kettenbefristungen stehen . Daran wer- den wir einen zukünftigen Koalitionspartner messen . Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak- tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab- stimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verstän- digt . Daher werde ich dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen . Kirsten Lühmann (SPD): Die SPD spricht sich seit langem für die Abschaffung der sachgrundlosen Befris- tung aus: In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-Bun- destagsfraktion beispielsweise mit dem Antrag „Lang- fristige Perspektive statt sachgrundlose Befristung“ – Drucksache 17/1769 – klar positioniert . Und auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 war dieses Ziel ebenso deutlich formuliert worden: „Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeits- verträgen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher Befristungsgründe überprüfen .“ Dafür tritt die SPD auch inhaltlich weiterhin ein . Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhand- lungen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach- grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in der aktuellen Regierungskoalition daher derzeit leider keine Mehrheit dafür vorhanden ist . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 201724776 (A) (C) (B) (D) Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und lan- ge geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung wirken werden . Bei- spielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinver- bindlicherklärung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker re- guliert beziehungsweise wird gegen deren Missbrauch vorgegangen . Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wird aber weiterhin mein erklärtes politisches Ziel bleiben, wofür ich mich auch zukünftig gemeinsam mit meinen Kollegen und Kolleginnen der SPD-Bundestagsfraktion einsetzen werde . Auch das SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 wird diese Forderung sowie die Überprüfung der Sachgründe für Befristungen zur Begrenzung von Ket- tenbefristungen beinhalten . In jedem Koalitionsvertrag vereinbaren die Parteien, im Deutschen Bundestag einheitlich abzustimmen . Kein Partner darf gegen den erklärten Willen des anderen ge- setzliche Vorstöße machen beziehungsweise solche An- träge unterstützen . Davon hat die SPD in dieser Legis- laturperiode schon mehrfach profitiert. So zum Beispiel bei der Frage von Einsätzen der Bundeswehr im Innern, die von der Union gefordert, von der SPD aber klar ab- gelehnt werden . Hier ist es nun umgekehrt . Da sich die CDU/CSU wei- terhin verweigert, werde ich vertragstreu sein und dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen . Markus Paschke (SPD): Die SPD spricht sich seit langem für die Abschaffung der sachgrundlosen Befris- tung aus: In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-Bundestagsfraktion beispielsweise mit dem Antrag „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befris- tung“ – Drucksache 17/1769 – klar für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ausgesprochen . Und auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 war diese Position ebenso deutlich formuliert worden: „Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeits- verträgen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher Befristungsgründe überprüfen .“ Dafür tritt die SPD auch inhaltlich weiterhin ein . Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhand- lungen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach- grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und sich auch in der laufenden Legislaturperiode kein Erkenntnis- gewinn bei der Union eingestellt hat . Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung, wozu auch die sachgrund- lose Befristung zählt, wirken werden . Beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeit- nehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeits- erklärung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäf- tigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Zudem wer- den Werkverträge und Leiharbeit stärker reguliert bzw . wird gegen deren Missbrauch vorgegangen . Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wird aber weiterhin mein erklärtes politisches Ziel bleiben, wofür ich mich auch zukünftig gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion einsetzen werde . Auch das SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 wird die Forderung der Abschaffung der sachgrund- losen Befristung sowie die Überprüfung der Sachgründe für Befristungen zur Begrenzung von Kettenbefristungen beinhalten . Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak- tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab- stimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verstän- digt . Daher werde ich dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen . Die wichtige Abstimmung über die sachgrundlose Be- fristung findet am 24. September durch die Wähler statt. Der heutige Antrag ist ein durchsichtiges Wahlkampfma- növer . Dr. Simone Raatz (SPD): Die SPD spricht sich seit langem für die Abschaffung der sachgrundlosen Befris- tung aus: In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-Bundestagsfraktion beispielsweise mit dem Antrag „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befris- tung“ – Drucksache 17/1769 – klar für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ausgesprochen . Und auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 war diese Position ebenso deutlich formuliert worden: „Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeits- verträgen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher Befristungsgründe überprüfen .“ Dafür tritt die SPD auch inhaltlich weiterhin ein . Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhand- lungen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach- grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in der aktuellen Regierungskoalition daher derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist . Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung, wozu auch die sachgrund- lose Befristung zählt, wirken werden . Beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeit- nehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinverbindlicher- klärung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäf- tigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Mit dem Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 24777 (A) (C) (B) (D) Wissenschaftszeitvertragsgesetz haben wir außerdem einen wichtigen Schritt zur Eindämmung von Befristung an Hochschulen und in der Forschung gemacht . Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker reguliert bzw . wird gegen deren Missbrauch vorgegangen . Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wird aber weiterhin mein erklärtes politisches Ziel bleiben, wofür ich mich auch zukünftig gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion einsetzen werde . Auch das SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 wird die Forderung der Abschaffung der sachgrund- losen Befristung sowie die Überprüfung der Sachgründe für Befristungen zur Begrenzung von Kettenbefristungen beinhalten . Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak- tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab- stimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verstän- digt . Daher werde ich dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen . Andreas Rimkus (SPD): Die SPD spricht sich seit langem für die Abschaffung der sachgrundlosen Befris- tung aus: In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-Bundestagsfraktion beispielsweise mit dem Antrag „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befris- tung“ – Drucksache 17/1769 – klar für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ausgesprochen . Und auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundestags- wahl 2013 war diese Position ebenso deutlich formuliert worden: „Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher Befristungsgründe überprüfen .“ Dafür tritt die SPD auch inhaltlich weiterhin ein . Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhand- lungen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach- grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in der aktuellen Regierungskoalition daher derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist . Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung, wozu auch die sachgrund- lose Befristung zählt, wirken werden . Beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeit- nehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklä- rung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker reguliert bzw . wird gegen deren Missbrauch vorgegangen . Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wird aber weiterhin mein erklärtes politisches Ziel bleiben, wofür ich mich auch zukünftig gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion einsetzen werde . Auch das SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 wird die Forderung der Abschaffung der sachgrund- losen Befristung sowie die Überprüfung der Sachgründe für Befristungen zur Begrenzung von Kettenbefristungen beinhalten . Daher werde ich mich bei der Abstimmung zum Ge- setzentwurf der Fraktion Die Linke enthalten . Dr. Nina Scheer (SPD): Die SPD spricht sich seit langem für die Abschaffung der sachgrundlosen Befris- tung aus, auch mit dem aktuell entstehenden Wahlpro- gramm, worin die SPD sich auch für die Überprüfung der Sachgründe für Befristungen zur Begrenzung von Ket- tenbefristungen ausspricht . Leider waren diese Vorhaben mit der CDU/CSU in dieser Legislaturperiode nicht zu vereinbaren . Dies verdeutlicht, dass es mit einer Regie- rungsbeteiligung von CDU/CSU nicht gelingt, die sach- grundlose Befristung abzuschaffen. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD konnten aber dennoch viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart und umgesetzt werden, al- len voran der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinver- bindlicherklärung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker re- guliert bzw . wird gegen deren Missbrauch vorgegangen . Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak- tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab- stimmungsverhalten verständigt . Daher werde ich dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen . Leider wird vonseiten der antragstellenden Fraktion Die Linke mittels des Antrags unterstellt, die SPD setze sich nicht für ihre eigenen Forderungen ein . Wider bes- seres Wissen erweckt die Fraktion Die Linke damit in der Öffentlichkeit den Eindruck, in einer Koalition als Fraktion gegen den Koalitionspartner stimmen zu kön- nen . Damit unterstellt sie der SPD-Fraktion zugleich, die eigenen Forderungen nicht ernst zu nehmen bzw . gar Wahlversprechen zu brechen . Dies möchte ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen . Es ist vielmehr die Fraktion CDU/CSU, die es zu verantworten hat, wenn die Abschaffung sachgrundloser Befristungen in dieser Legislaturperiode nicht umgesetzt werden kann . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Die SPD spricht sich seit langem für die Abschaffung der sach- grundlosen Befristung aus: In der letzten Legislaturperi- ode hat sich die SPD-Bundestagsfraktion beispielsweise mit dem Antrag „Langfristige Perspektive statt sach- grundlose Befristung“ – Drucksache 17/1769 – klar für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ausge- sprochen . Und auch im SPD-Wahlprogramm zur Bun- destagswahl 2013 war diese Position ebenso deutlich formuliert worden: „Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wollen wir abschaffen, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 201724778 (A) (C) (B) (D) den Katalog möglicher Befristungsgründe überprüfen .“ Dafür tritt die SPD auch inhaltlich weiterhin ein . Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhand- lungen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach- grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in der aktuellen Regierungskoalition daher derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist . Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung, wozu auch die sachgrund- lose Befristung zählt, wirken werden . Beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeit- nehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklä- rung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker reguliert bzw . wird gegen deren Missbrauch vorgegangen . Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wird weiterhin auf der SPD-Agenda bleiben, genauso wie die Begrenzung von Kettenbefristungen . Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak- tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab- stimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verstän- digt . Daher werde ich dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen . Gülistan Yüksel (SPD): Die SPD spricht sich seit langem für die Abschaffung der sachgrundlosen Befris- tung aus: In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-Bundestagsfraktion beispielsweise mit dem Antrag „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befris- tung“ – Drucksache 17/1769 – klar für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ausgesprochen . Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhand- lungen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach- grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in der aktuellen Regierungskoalition daher derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist . Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung, wozu auch die sachgrund- lose Befristung zählt, wirken werden . Beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeit- nehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklä- rung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Branche gelten . Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker reguliert bzw . wird gegen deren Missbrauch vorgegangen . Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wird aber weiterhin mein erklärtes politisches Ziel bleiben, wofür ich mich auch zukünftig gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion einsetzen werde . Auch das SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 wird die Forderung der Abschaffung der sachgrund- losen Befristung sowie die Überprüfung der Sachgründe für Befristungen zur Begrenzung von Kettenbefristungen beinhalten . Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak- tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab- stimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verstän- digt . Daher werde ich dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen . Anlage 5 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesrat hat in seiner 958 . Sitzung am 2 . Juni 2017 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw . einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Änderung futtermittelrechtlicher und tierschutzrechtlicher Vorschriften Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: 1 . Zu Artikel 2 Nummer 6 (§ 3 Tiererzeugnisse-Han- dels-Verbotsgesetz) Der Bundesrat stellt fest, dass die Haltung von Pelz- tieren in Gefangenschaft und die Tötung dieser Tie- re zur ausschließlichen Gewinnung von Pelztierer- zeugnissen keinen vernünftigen Grund im Sinne des § 1 des Tierschutzgesetzes darstellt . Diese Form der Pelztierhaltung erfüllt nicht die Anforderungen an eine art- und verhaltensgerechte Haltung der Tiere nach § 2 des Tierschutzgesetzes . Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, auf ein sofortiges Verbot der Haltung und der Tötung von Tieren zur Pelzgewinnung sowie auf eine Deklarationspflicht für Pelze und Pelzprodukte hinzuwirken . Begründung: § 1 Satz 2 des Tierschutzgesetzes sagt: „Nie- mand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ . Ferner schreibt das Tierschutzgesetz in § 2 vor, dass Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend ver- haltensgerecht unterzubringen sind und dass die Möglichkeit der Tiere zu artgemäßer Bewegung nicht so eingeschränkt werden darf, dass ihnen Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden . Aus tierschutzfachlicher Sicht sind mindestens die Anforderungen der Empfehlungen des vom Bun- desministerium für Ernährung und Landwirtschaft herausgegebenen Sachverständigengutachtens über Mindestanforderungen an die Haltung von Säuge- tieren aus dem Jahre 2014 einzuhalten, um nur an- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 24779 (A) (C) (B) (D) nähernd dem Bewegungs- und Sozialverhalten von Pelztieren Rechnung zu tragen . Der Bundesrat hat schon in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (BR-Drucksache 302/12 – Beschluss –) in Ziffer 12 auf das Haltungsverbot von Pelztieren hingewirkt . Im Jahre 2015 hat der Bundesrat dann einen Gesetz- entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes einge- bracht (BR-Drucksache 217/15 – Beschluss –), der vor dem Hintergrund des Artikels 20a des Grundge- setzes zum Ziel hatte, die Haltung und Tötung von Pelztieren allein zur Pelzgewinnung zu verbieten, um so das Leiden der Tiere zu verhindern . Im Übrigen ist diesem Bundesratsbeschluss zufolge die Haltung in Gefangenschaft und die Tötung von Pelztieren kein vernünftiger Grund im Sinne des § 1 Tierschutzgesetz . Die Bundesregierung hatte in ihrer Stellungnahme die Initiative des Bundesrates unterstützt und ein gesetzliches Pelztierhaltungsverbot als den richti- gen Weg zur Sicherstellung des Tierschutzes einge- stuft (BT-Drucksache 18/5866) . Der vorgenannten Stellungnahme wie auch der Begründung zum vor- liegenden Gesetz zufolge wird davon ausgegangen, dass die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Min- destanforderungen an die Pelztierhaltung, wie sie im Gesetz und in der geltenden Tierschutz-Nutz- tierhaltungsverordnung beschrieben werden, wirt- schaftlich nicht realisierbar ist . Angesichts der Tatsache, dass die im Gesetz formu- lierten und nach der Tierschutz-Nutztierhaltungs- verordnung schon jetzt geltenden Haltungsanforde- rungen de facto nicht eingehalten werden und die entsprechenden Übergangsfristen in der Verordnung bereits abgelaufen sind, ist ein umgehendes Verbot geboten . Mit der Einführung der Deklarationspflicht für Pel- ze und Pelzprodukte können Konsumentinnen und Konsumenten Auskunft über Tierart, Herkunft und Gewinnungsart (Wildfang oder Zuchttiere) erhalten und auf diese Weise eine bewusste Kaufentschei- dung fällen . Bisher fehlt es an einer solchen Rege- lung auf EU- bzw . Bundesebene . 2 . Zu Artikel 2 Nummer 6 (§ 4 Tiererzeugnisse-Han- dels-Verbotsgesetz) Auf Grund wissenschaftlich begründeter Anhalts- punkte für Schmerzen und Leiden von Feten ab dem letzten Drittel der Trächtigkeit bei der Schlachtung von Muttertieren bedarf es eines grundsätzlichen Schlachtverbots hochträchtiger Nutztiere . Der Bundesrat stellt fest, dass die im Gesetz einge- räumten Ausnahmemöglichkeiten zu weitreichend und unbestimmt sind . Begründung: Auf Grund wissenschaftlich begründeter Anhalts- punkte für Schmerzen und Leiden von ungeborenen Kälbern, Lämmern, Ferkeln und Fohlen durch Sau- erstoffmangel bei der Schlachtung von Muttertieren ab dem letzten Drittel der Trächtigkeit sind Rege- lungen für ein Schlachtverbot hochträchtiger Nutz- tiere erforderlich . Bisher vorliegenden Erkenntnissen u . a . der Hoch- schule für Angewandte Wissenschaften Hamburg zufolge, die gemeinsam mit der Universität Leipzig das Bundesforschungsprojekt „SiGN“ zur Schlach- tung gravider Nutztiere durchführt, gibt es drei Gründe für die Schlachtung trächtiger Tiere: die weitere Nutzung der Tiere erscheint unwirtschaft- lich (z . B . auf Grund teurer Behandlungskosten), die Trächtigkeit ist nicht bekannt oder auf Grund von Verletzungen . Nicht zuletzt aus ethischen Gründen ist die Schlachtung von Muttertieren in den vorge- nannten Fällen nicht vertretbar, dies gilt auch für die im Gesetz ausgenommenen Schafe und Ziegen: Auch bei Feten bzw . ungeborenen Lämmern der kleinen Wiederkäuer ist wie bei ungeborenen Nach- kommen von Equiden, Rindern und Schweinen von Schmerzen und Leiden durch Sauerstoffmangel auszugehen . Unterschiedliche Haltungsverfahren der Nutztiere rechtfertigen keine Ausnahme von dem Verbot . Die in hiesigen Breitengraden gehal- tenen Schaf- und Ziegenrassen haben überwiegend eine saisonale Brunst, so dass der Ablammzeitraum und damit das letzten Drittel der Trächtigkeit grund- sätzlich bekannt sind . Bei asaisonalen Rassen ist ein Deckmanagement möglich . Die im Gesetz festgelegten Ausnahmetatbestände sind zu weitreichend und unbestimmt . Tierschutzfachlich und -rechtlich kommen Aus- nahmen vom Schlachtverbot allenfalls in Betracht, wenn sie im Falle von Tierseuchenausbrüchen auf- grund der Situation vor Ort als Einzelfallentschei- dung durch den Amtstierarzt oder die Amtstierärztin angeordnet werden . – Gesetz zum weiteren quantitativen und qualitati- ven Ausbau der Kindertagesbetreuung – Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: Der Bundesrat begrüßt mit Nachdruck das vorliegende Gesetz und das darin verfolgte Ziel, die Steuerumgehung mittels ausländischer Briefkastenfirmen zu bekämpfen. Gleichzeitig erneuert der Bundesrat seine Forderung, dass über die in dem Gesetz enthaltenen Maßnahmen hi- naus zügig weitere geeignete Schritte zur Erhöhung der Transparenz bei finanziellen Auslandsbeziehungen und zur Bekämpfung der internationalen Steuerumgehung notwendig sind . Der Bundesrat sieht unverändert drin- genden Handlungsbedarf insbesondere bei der Schaffung von Regelungen für eine gesetzliche Anzeigepflicht für Steuergestaltungen . Die Arbeiten zur Implementierung einer gesetzlichen Anzeigepflicht für Steuergestaltungen müssen so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 201724780 (A) (C) (B) (D) werden. Eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungen leistet einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken, weil sie den Gesetzgeber frühzeitig in die Lage versetzt, zielgerichtet und effektiv auf Steuergestaltungen zu reagieren . – Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zu- sammenhang mit Rechteüberlassungen – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verbesse- rung der personellen Struktur beim Bundeseisen- bahnvermögen und in den Postnachfolgeunterneh- men sowie zur Änderung weiterer Vorschriften des Postdienstrechts – Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwä- scherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtrans- ferverordnung und zur Neuorganisation der Zen- tralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1 . Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich im Rahmen der laufenden Verhandlungen zur Än- derung der Vierten Geldwäscherichtlinie (RL (EU) 2015/849) für eine mit datenschutzrechtlichen Be- stimmungen vereinbare Regelung zum öffentlichen Zugang zum Transparenzregister einzusetzen . Geld- wäsche und Terrorismusfinanzierung können nur effektiv bekämpft und von vornherein verhindert werden, wenn der Zugang zum Transparenzregister öffentlich ausgestaltet ist. Dies betonte der Bundes- rat bereits ausdrücklich in seiner Stellungnahme vom 31 . März 2017 (Beschluss, BR-Drucksache 182/17(B)) . Für die Erreichung dieses Ziels ist es notwendig, dass die Bundesregierung die Entschei- dungen auf europäischer Ebene vorantreibt und maßgeblich mitgestaltet . 2 . Der Bundesrat bittet die Bundesregierung außerdem, in Zusammenhang mit der geplanten Änderung der Vierten Geldwäscherichtlinie erneut die Verhältnis- mäßigkeit, insbesondere die Erforderlichkeit eines öffentlichen Zugangs zum Transparenzregister, zu prüfen . Zwar steht der Strafanspruch allein dem Staat zu . Allerdings sollte in die Prüfung insbeson- dere einbezogen werden, dass an der Aufdeckung von Briefkastenfirmen zur Verschleierung von Ver- mögen oder der Geldwäsche nicht allein Behörden, sondern eine Vielzahl anderer Personen, wie z . B . Journalisten, beteiligt waren und sind (vgl . „Pana- ma Papers“) . Das verfolgte Ziel, die Transparenz zu erhöhen, darf nicht durch unnötige Bürokratie un- terlaufen werden . Es besteht die Gefahr, dass durch eine (zeitaufwändige) Abwägung zwischen dem In- teresse derer, die Einsicht begehren, und dem Inte- resse der Eingetragenen die erstrebte Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus- finanzierung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Daher stellt der gestaffelte Zugang kein gleich geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels dar . Der öffentliche Zugang zum Transparenzregister ist somit erforderlich . Der Angemessenheit kann bei- spielsweise dadurch Rechnung getragen werden, dass der Eingriff in die Rechte des Eingetragenen durch Rückausnahmen begrenzt wird, vor der Nut- zung des Registers eine Online-Registrierung erfor- derlich ist und die Einsichtnahme zum Zweck der Datenschutzkontrolle protokolliert werden kann . 3 . Darüber hinaus fordert der Bundesrat die Bun- desregierung auf, sich zumindest im Rahmen der künftigen Diskussion um die Ausgestaltung des Transparenzregisters mit dem Argument der Ver- gleichbarkeit zum Handelsregister auseinanderzu- setzen . Die im Transparenzregister gespeicherten Angaben sind denjenigen im öffentlich zugängli- chen Handelsregister vergleichbar . Dies wird auch durch die Verweise auf das Handelsregister und die mit der dortigen Eintragung geltende Fiktion der Er- füllung der Mitteilungspflicht im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Vierten Geld- wäscherichtlinie deutlich . Mit diesen Argumenten betonte der Bundesrat bereits in seiner Stellungnah- me vom 31 . März 2017 (Beschluss, BR-Drucksache 182/17(B)), dass das Transparenzregister wie das Handelsregister für jede Person zugänglich sein soll . – Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreise- pflicht – Gesetz zur Förderung des elektronischen Identi- tätsnachweises – Gesetz zur Verbesserung der Sachaufklärung in der Verwaltungsvollstreckung Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: Der Bundesrat begrüßt, dass die Ermittlungsbefug- nisse der öffentlich-rechtlichen Vollstreckungsbehörden erweitert und dadurch ein weitestgehender Gleichlauf von zivilprozessualer und öffentlich-rechtlicher Vollstre- ckung herbeigeführt werden sollen . Dieser Zielsetzung entspräche es, den mit dem Inkrafttreten des EuKoPf- VODG vom 21 . November 2016 (BGBl . I S . 2591) seit dem 26 . November 2016 bestehenden Widerspruch zwi- schen den Datenerhebungsrechten des Gerichtsvollzie- hers nach den §§ 755 und 802l ZPO und den Übermitt- lungsbefugnissen der Stellen nach § 74a Absatz 1 SGB X und der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 74a Absatz 2 SGB X durch die Streichung der Wertgrenze von 500 Euro aufzulösen . Insbesondere die Tatsache, dass eine entsprechende Anpassung des § 74a SGB X in dem vom Bundestag be- schlossenen Gesetz nicht enthalten ist, stellt nach Auffas- sung des Bundesrates eine Fortsetzung der Benachteili- gung der öffentlich-rechtlichen Vollstreckungsbehörden des Bundes und der Länder dar, weil diese Behörden im Vergleich zu den Gerichtsvollziehern über weniger Be- fugnisse verfügen und deshalb die Erfolgsaussichten der Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Forderungen gerin- ger sind als die Erfolgsaussichten der Vollstreckung pri- vatrechtlicher Forderungen . Durch die vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 10 . März 2017 (BR-Drucksa- che 65/17 (Beschluss)), Ziffern 5 und 6) geforderte Strei- chung der Wertgrenze von 500 Euro sollte ferner sowohl die im Gemeinwohlinteresse liegende Durchsetzung von Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 24781 (A) (C) (B) (D) öffentlich-rechtlichen Ansprüchen gefördert als auch den Interessen der privaten Gläubiger und Kleinunternehmen gedient werden . Gründe der Verfahrensökonomie bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung können aus Sicht des Bundesrates angesichts dieses öffentlichen Inter- esses das Festhalten an der Wertgrenze nicht rechtfertigen . Auch das Interesse des Schuldners am Schutz seiner Daten kann das öffentliche Interesse nicht überwiegen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die dringend notwendige Änderung des § 74a SGB X her- beiführt . – Zweites Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften – Erstes Gesetz zur Änderung des E-Government-Ge- setzes – Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektro- nischen Rechtsverkehrs – Gesetz zur Anlage VI des Umweltschutzprotokolls zum Antarktis-Vertrag vom 14. Juni 2005 über die Haftung bei umweltgefährdenden Notfällen (Ant- arktis-Haftungsannex) – Gesetz zur Ausführung der Anlage VI des Um- weltschutzprotokolls zum Antarktis-Vertrag vom 14. Juni 2005 über die Haftung bei umweltgefähr- denden Notfällen (Antarktis-Haftungsgesetz – Ant- HaftG) – Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwas- serschutzes und zur Vereinfachung von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzge- setz II) Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1 . Der Bundesrat bekräftigt die in seiner Stellung- nahme vom 16 . Dezember 2016 (BR-Drucksache 655/16 – Beschluss –) dargelegten Bedenken zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung . Er be- dauert, dass sie in dem nun vorliegenden Gesetz des Deutschen Bundestages nicht hinreichend berück- sichtigt wurden . 2 . Der Bundesrat stellt ebenfalls fest, dass der dem Ge- setz zugrunde liegende Gesetzentwurf hinsichtlich der Angaben zum Erfüllungsaufwand für die Bür- gerinnen und Bürger und die Wirtschaft nicht voll- ständig ist . Insbesondere ist die Vorgabe der hoch- wasserangepassten Bauweise nicht klar definiert, so dass eine Berechnung der daraus resultierenden Kosten nicht belastbar möglich ist . Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der entstehende Verwal- tungsaufwand bei den Landesbehörden ebenso wie die für Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft zu erwartenden Kosten erheblich sind . Da konkre- te Vorgaben für die Umsetzung der Anforderungen der hochwasserangepassten Bauweise fehlen, muss jeweils im Einzelfall beurteilt werden, ob ein Vorha- ben den Kriterien entspricht . 3 . Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass die bundesgesetzlichen Regelungen zum Hochwasser- schutz mit Blick auf ihre Wirksamkeit und den er- forderlichen Aufwand bis spätestens 31 . Dezember 2019 evaluiert werden und die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat dazu berichtet . – Siebtes Gesetz zur Änderung des Bundesfernstra- ßengesetzes – Gesetz zur Neufassung der Regelungen über Funk- anlagen und zur Änderung des Telekommunikati- onsgesetzes sowie zur Aufhebung des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrich- tungen – Gesetz zur Erstellung gesamtwirtschaftlicher Vo- rausschätzungen der Bundesregierung (Voraus- schätzungsgesetz – EgVG) – Gesetz zu dem Protokoll vom 29. Juni 2016 über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Patentgerichts – Gesetz zu dem Übereinkommen von Minamata vom 10. Oktober 2013 über Quecksilber (Minama- ta-Übereinkommen) – Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Arti- kel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) – Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Fi- nanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mitge- teilt, dass sie die Anträge Suizidprävention verbessern und Menschen in Krisen unterstützen auf Drucksache 18/5104 und Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern auf Drucksache 18/9856 zurückzieht . Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Umsetzungsbericht zum Aktionsplan der Bundes- regierung zur Umsetzung von Resolution 1325 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen für den Zeitraum 2013 bis 2016 Drucksache 18/10852 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung von Resolution 1325 zu Frauen, Frieden, Sicherheit des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen für den Zeitraum 2017 bis 2020 Drucksache 18/10853 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 201724782 (A) (C) (B) (D) Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 44 Absatz 1 Satz 4 des Gesetzes gegen Wettbe- werbsbeschränkungen Stand und Perspektiven des Wettbewerbs im deut- schen Krankenversicherungssystem Drucksachen 18/11490, 18/11683 Nr. 5 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt Die deutsche Luft- und Raumfahrt – Innovation und Hochtechnologie für eine Welt im Wandel Drucksachen 18/11692, 18/12181 Nr. 1.2 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bundesbericht Energieforschung 2017 Drucksachen 18/11972, 18/12181 Nr. 1.15 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Nationaler Energieeffizienz-Aktionsplan 2017 (NEEAP) der Bundesrepublik Deutschland Drucksachen 18/11973, 18/12181 Nr. 1.16 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung 2016 nach § 7 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normen- kontrollrates Bessere Rechtsetzung 2016: Mehr Zeit für das We- sentliche Drucksachen 18/12305, 18/12443 Nr. 1.5 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak- torsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Strategie der Bundesregierung zur vorbildlichen Berücksichtigung von Biodiversitätsbelangen für alle Flächen des Bundes Drucksache 18/9710 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie Neuauflage 2016 Drucksache 18/10910 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Stadtentwicklungsbericht der Bundesregierung 2016 Drucksache 18/11975 – Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung Bericht des Parlamentarischen Beirats für nach- haltige Entwicklung (Arbeitsbericht 18 . Wahlperio- de) Drucksache 18/12511 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/12654 Nr . A .1 Ratsdokument 8823/17 Innenausschuss Drucksache 18/8936 Nr . A .4 Ratsdokument 8670/16 Drucksache 18/9605 Nr . A .11 Ratsdokument 10904/16 Drucksache 18/10932 Nr . A .2 Ratsdokument 14082/16 Drucksache 18/10932 Nr . A .3 Ratsdokument 15075/16 Drucksache 18/11029 Nr . A .1 Ratsdokument 15386/16 Drucksache 18/11229 Nr . A .2 Ratsdokument 5258/17 Drucksache 18/11484 Nr . A .5 Ratsdokument 6086/17 Drucksache 18/11484 Nr . A .6 Ratsdokument 15812/16 Drucksache 18/11484 Nr . A .7 Ratsdokument 15813/16 Drucksache 18/11484 Nr . A .8 Ratsdokument 15814/16 Drucksache 18/11693 Nr . A .1 Ratsdokument 5710/17 Drucksache 18/11693 Nr . A .2 Ratsdokument 5712/17 Drucksache 18/11693 Nr . A .4 Ratsdokument 6448/17 Drucksache 18/11693 Nr . A .5 Ratsdokument 6760/17 Drucksache 18/12456 Nr . A .3 Ratsdokument 8339/17 Sportausschuss Drucksache 18/11484 Nr . A .9 EP P8_TA-PROV(2017)0012 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 18/419 Nr . A .40 Ratsdokument 12257/13 Drucksache 18/419 Nr . A .41 Ratsdokument 12259/13 Drucksache 18/419 Nr . C .15 Ratsdokument 9037/13 Drucksache 18/7612 Nr . A .17 Ratsdokument 5252/16 Drucksache 18/8140 Nr . A .8 Ratsdokument 6799/16 Drucksache 18/8140 Nr . A .9 Ratsdokument 6801/16 Drucksache 18/8140 Nr . A .10 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 241 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . Juni 2017 24783 (A) (C) (B) (D) Ratsdokument 6802/16 Drucksache 18/9881 Nr . A .2 Ratsdokument 11885/16 Drucksache 18/10116 Nr . A .14 Ratsdokument 12503/16 Drucksache 18/10116 Nr . B .5 Ratsdokument 12109/16 Drucksache 18/10116 Nr . B .6 Ratsdokument 12496/16 Drucksache 18/10311 Nr . A .9 Ratsdokument 12675/16 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/12456 Nr . A .7 EP P8_TA-PROV(2017)0098 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 18/11484 Nr . A .16 EP P8_TA-PROV(2017)0010 Drucksache 18/12654 Nr . A .7 Ratsdokument 8631/17 Drucksache 18/12654 Nr . A .8 Ratsdokument 8637/17 Drucksache 18/12654 Nr . A .9 Ratsdokument 8693/17 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung Drucksache 18/10449 Nr . A .21 Ratsdokument 13288/16 Drucksache 18/11484 Nr . A .26 Ratsdokument 5768/17 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung Drucksache 18/11825 Nr . A .3 ERH 35/2016 Drucksache 18/12456 Nr . A .15 Ratsdokument 8198/17 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 18/8470 Nr . A .30 EP P8_TA-PROV(2016)0123 Drucksache 18/10116 Nr . A .33 EP P8_TA-PROV(2016)0344 Drucksache 18/10449 Nr . A .22 EP P8_TA-PROV(2016)0409 Drucksache 18/11029 Nr . A .27 Ratsdokument 15792/16 Drucksache 18/11229 Nr . A .32 EP P8_TA-PROV(2016)0485 Drucksache 18/11229 Nr . A .35 Ratsdokument 5743/17 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 241. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 29 Berichte: Kinder- und Jugend, ältere Generation TOP 30 Abschaffung der sachgrundlosen Befristung TOP 31, ZP 10 Schutz von Journalisten, Planung Deutsche Welle TOP 32 Bericht des 4. Untersuchungsausschusses (cum-ex) TOP 33 Suizidprävention TOP 34, ZP 11 Frauen- und Gleichstellungspolitik TOP 35 Tourismuspolitischer Bericht der Bundesregierung Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824100000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a und 29 b auf:

a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Bericht über die Lebenssituation junger Men-
schen und die Leistungen der Kinder- und Ju-
gendhilfe in Deutschland

– 15. Kinder- und Jugendbericht –

und Stellungnahme der Bundesregierung

Drucksache 18/11050
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss Digitale Agenda

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Siebter Bericht zur Lage der älteren Generati-
on in der Bundesrepublik Deutschland

Sorge und Mitverantwortung in der Kommu-
ne – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger
Gemeinschaften

und Stellungnahme der Bundesregierung

Drucksache 18/10210
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Ausschuss für Tourismus

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll eine
Stunde darüber debattiert werden. – Das ist offensicht-
lich unstreitig . Dann können wir so verfahren .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Bundesfamilienministerin Katarina Barley .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste! Der Präsident hat es gesagt: Ich
stelle Ihnen heute zwei Berichte der Bundesregierung
vor, und zwar den 15 . Kinder- und Jugendbericht und den
siebten Altenbericht . Die in den beiden Berichten behan-
delten Lebensphasen liegen zwar ganz weit auseinander,
haben aber einige Schnittstellen, an denen die jeweiligen
Probleme und Bedürfnisse durchaus vergleichbar sind;
dazu komme ich später . Diese beiden Generationen bil-
den die wesentlichen Pfeiler des Generationenvertrages .
Dieser Generationenvertrag wird derzeit durch den de-
mografischen Wandel auf die Probe gestellt. Auf folgen-
de Fragen müssen wir Antworten finden: Wie schaffen es
junge Menschen in einer immer älter werdenden Gesell-
schaft, die Belastungen zu stemmen, und wie schaffen es
ältere Menschen, so lange und so gut wie möglich selbst-
bestimmt in ihrer gewählten Umgebung zu leben? Beide
Fragen müssen wir vor dem Hintergrund des demografi-
schen Wandels neu beantworten .

Der 15 . Kinder- und Jugendbericht ist der allererste,
der sich auf die Phase der Jugend bezieht und beschränkt .
Ich musste erst lernen, dass dies etwas Revolutionäres
ist; denn wenn man über Kinder- und Jugendpolitik re-
det, liegt der Fokus oft auf den Kindern . Das ist auch gut
so . An dieser Stelle machen wir auch wirklich sehr viel .
Aber die Lebensphase der Jugend ist in der politischen
Wahrnehmung manchmal etwas unterrepräsentiert . Des-
wegen freue ich mich als Mutter von zwei Söhnen, die
sich gerade im jugendlichen Alter befinden, dass deren
Belange und Bedürfnisse in diesem Kinder- und Jugend-
bericht an prominenter Stelle berücksichtigt werden .

Der Kinder- und Jugendbericht benennt drei Kern-
aufgaben, die Jugendliche zu erfüllen haben . Sie müssen
sich qualifizieren. Sie müssen sich entscheiden, in wel-
che Richtung ihr Leben gehen soll und was sie dafür tun






(A) (C)



(B) (D)


wollen und tun können . Sie werden selbstständig – wie
alle Eltern wissen, ist das nicht immer ohne Schmerzen
möglich – und finden ihren Platz in der Familie und in
der Gesellschaft . All das ist leichter gesagt als getan .
Der Kinder- und Jugendbericht trifft dazu einige Aussa-
gen . Eine Aussage, die ich für wichtig halte, ist: Junge
Menschen brauchen Freiräume . Ich mache keinen Hehl
daraus, dass ich eine große Verfechterin der Ganztags-
schule bin; in diesem Punkt war ich nicht immer einer
Meinung mit meinen Söhnen . Ich jedenfalls halte sie für
eine pädagogisch sehr wichtige Errungenschaft . Das ist
auch unter sozialen Gesichtspunkten absolut geboten .
Die Schule nimmt damit einen großen Raum ein . Wir
als Gesellschaft, die Eltern, aber auch andere aus dem
Umfeld der Jugendlichen müssen darauf achten, dass
Jugendliche über diese zeitliche Beanspruchung hinaus
Freiräume und Zeit haben, wo sie ihre anderen Fähigkei-
ten und Bedürfnisse ausleben können. Das betrifft neben
der Zeit auch die Orte . Wir wissen, dass es hier Probleme
gibt . Viele Orte, an denen sich Jugendliche aufhalten, an
denen sie sich treffen, sind in finanzieller Notlage. Viele
Jugendklubs in den östlichen Bundesländern sind zum
Beispiel geschlossen worden . Hier ist wirklich noch viel
zu tun .

Die Jugend fordert einen ganz eigenen Politikansatz;
ich glaube, das habe ich schon hinreichend deutlich ge-
macht . Das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend hat diesen Politikansatz in den letzten
Jahren sehr konsequent durchgehalten . Wir haben eine
Jugendstrategie „Handeln für eine jugendgerechte Ge-
sellschaft“ . Kernelement ist Beteiligung . Das hat auch
dieser Bericht gezeigt: Was wir wirklich dringend tun
müssen, ist, dass wir weniger über Jugendliche reden
und mehr mit ihnen . Wir brauchen eine Jugendpolitik für
die Jugend, aber eben auch mit der Jugend und von der
Jugend .

Einen Satz aus dem Jugendbericht fand ich dazu be-
sonders spannend, nämlich den, in dem es heißt, wir als
Ältere würden immer erwarten, dass Jugendliche in die
bereits bestehenden Strukturen hineingehen und sich dort
beteiligen . Wir hinterfragen viel zu selten, ob es nicht
vielleicht andere Strukturen, neue Strukturen, jugendge-
rechtere Strukturen gibt . Natürlich sind die Jugendpar-
lamente ein großer Pfeiler – auch in meiner Heimatstadt
Trier gibt es ein solches –, aber es gibt darüber hinaus
auch Beteiligungsmöglichkeiten, die sich Jugendliche
selber erarbeiten können, erarbeiten müssen und wo wir
ihnen auch die besagten Freiräume geben müssen .


(Beifall bei der SPD)


Das Spannungsfeld zwischen Jugend und älterer Ge-
neration ist – das habe ich schon gesagt – dort am stärks-
ten ausgeprägt, wo das tägliche Leben stattfindet, in den
Kommunen . Deswegen haben wir in den Kommunen Ju-
gendbeteiligung als Demografiedialog organisiert. Dabei
wurde nirgendwo ein Generationenkonflikt festgestellt.
Das Bild, das so oft gebraucht wird, das man in der Poli-
tik so oft hört, es würden sich die Generationen mit ihren
Interessen gegeneinanderstellen – gerade in der Renten-
diskussion ist das der Fall, es gibt aber noch andere –,
wurde nirgendwo bestätigt . Es gibt einen ganz großen

Willen der Jugendlichen, mitzugestalten und sich vor Ort
in die Gesellschaft einzubringen .

Wir haben jetzt auch den siebten Altenbericht vorge-
legt . Wenn ich gerade gesagt habe, dass die kommunalen
Rahmenbedingungen für junge Menschen zentral sind,
dann muss man feststellen: Dies gilt für ältere Menschen
noch mehr . Das weiß, glaube ich, jeder und jede hier . Ich
komme aus einem eher ländlich geprägten Wahlkreis und
muss feststellen: Die Politik muss ihr Augenmerk noch
sehr viel stärker auf diesen Bereich legen . Für die ältere
Generation ist es noch viel existenzieller, dass sie dort
leben bleiben können, wo sie ihren Lebensmittelpunkt
sehen, wo sie oft schon viele Jahre leben . Dazu gehören
altersgerechte Wohnangebote, Zugang zu medizinischer
Versorgung und Daseinsvorsorge .

Ich nehme als Beispiel den öffentlichen Personennah-
verkehr . Wen sehen Sie darin, wenn Sie mit dem Bus
fahren? Sie sehen junge Menschen, die noch keinen Füh-
rerschein haben, Sie sehen alte Menschen, die kein Auto
mehr haben, und Sie sehen Frauen . Wen sehen Sie nicht?
Männer im mittleren Alter . Das sind aber in der Regel
diejenigen, die über ÖPNV-Angebote entscheiden . Ich
spitze es ein wenig zu, aber nicht viel . Da müssen wir uns
viel stärker einsetzen für die Interessen dieser Gruppen .


(Beifall bei der SPD)


Was wir brauchen – das sagt auch die Sachverständi-
genkommission –, ist eine gute Ausstattung der Kommu-
nen . Das können wir nur gemeinsam machen . Diese gro-
ße Aufgabe können nur Bund, Länder und Gemeinden
gemeinsam stemmen. Deswegen empfiehlt die Sachver-
ständigenkommission die Diskussion über eine Gemein-
schaftsaufgabe „Demografischer Wandel“, um gemein-
sam dieses ganz dicke Brett bohren zu können und dafür
sorgen zu können, dass die Menschen, egal ob jung oder
alt, wirklich dort leben können, wo sie selber ihren Le-
bensmittelpunkt sehen .

Ich möchte Ihnen nicht vorenthalten, was mir meine
Mitarbeiter gesagt haben, als sie mir den Jugendbericht
vorgestellt haben . Sie haben gesagt, sie haben festge-
stellt: Das ist eine richtig tolle Generation . Das ist eine
engagierte, eine motivierte, eine interessierte Generation,
die da heranwächst, auf die wir uns freuen können, die
auch bereit ist, mit uns Erwachsenen gut zusammenzu-
arbeiten und gemeinsam eine gerechte, eine gute Gesell-
schaft aufzubauen .

Zu den Erfahrungen aus dem Altenbericht . Wir wis-
sen, dass unsere Alten so aktiv sind wie nie, dass sie sich
ehrenamtlich in die Gesellschaft einbringen wie nie . Des-
wegen heißt es, auch sie zu stärken . Wir müssen auch
die Kommunen stärken . Diese Bundesregierung hat das
schon getan wie keine Bundesregierung zuvor . Aber es
bleibt weiterhin viel zu tun .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Bundesministerin Dr. Katarina Barley






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824100100

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege

Norbert Müller das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Norbert Müller (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824100200

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und

Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! Ich möchte die
Gelegenheit heute nutzen, kurz in Bezug auf die Kinder-,
Jugend- und Familienpolitik dieser Großen Koalition Bi-
lanz zu ziehen . Sie sind mit wenigen Erwartungen, die
Sie geweckt haben, gestartet, und Sie haben es geschafft,
diese noch zu unterbieten .

Aus einem Entgeltgleichheitsgesetz, das die Sozialde-
mokraten gefordert haben, wurde erst ein Entgelttranspa-
renzgesetz, und davon blieb am Ende nur die Überschrift .
Aus dem Schutz von jugendlichen Flüchtlingen wurden
die Aussetzung des Familiennachzugs – Sie wissen, mit
welchen tödlichen Folgen – und eine Jugendhilfe zweiter
Klasse für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge;
jedenfalls will das der Koalitionsausschuss .

Aus der großen Lösung im Kinder- und Jugendhil-
ferecht, die Sie im Koalitionsvertrag vereinbart hatten,
wurde ein kleingeistiger Gesetzentwurf mit einem Groß-
angriff auf die Rechte von Kindern, von Familien und auf
den sozialpädagogischen Ansatz des noch sehr jungen
Sozialgesetzbuches VIII, also des Kinder- und Jugend-
hilferechts .

Aus den Verhandlungen zu einem Bundes-Kita-Qua-
litätsgesetz wurde ein Qualitätsentwicklungsprozess, der
sinnentleert ist und am Ende keinem Kind und keiner Fa-
milie etwas bringt .

Zur Bekämpfung der Kinderarmut haben Sie sich
gleich gar nichts vorgenommen . Das war wenigstens
ehrlich . Aber den 3 Millionen armen Kindern ist damit
nicht geholfen .

Jetzt mag man sagen: Lieber den Spatz in der Hand als
die Taube auf dem Dach . Nur: Was ist, wenn der Spatz
vielleicht ganz hübsch aussieht, weil er aus Plüsch ist,
aber leider wenig lebendig ist?

Diese Wahlperiode bleibt damit eine der vielen ver-
passten Gelegenheiten, auch wenn zum Beispiel die Auf-
stockung der Mittel für das Bundesprogramm „Demo-
kratie leben!“, das sich an viele junge Menschen richtet,
etwas Gutes ist; das haben wir auch positiv begleitet .

Die Bundesregierung hat – in guter Tradition ihrer
Vorgängerregierungen – zwar viele spannende Berichte
entwickelt, die aus diesem Ressort kommen – Kinder-
und Jugendbericht, Altenbericht, Engagementbericht,
Gleichstellungsbericht –, aber Sie leiten sie dem Parla-
ment erst zu, wenn die Wahlperiode eigentlich an ihrem
Ende angekommen ist .


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Ja!)


Deswegen müssen Sie aus diesen Berichten auch gar kei-
ne Konsequenzen mehr ziehen . Es ist natürlich schön be-

quem, Berichte zu entwickeln, aus denen man dann keine
Konsequenzen mehr ziehen muss, aber das ist schlecht .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte Ihnen kurz fünf Vorschläge für eine gute
Kinder- und Jugendpolitik unterbreiten .

Erstens . Bekämpfen wir endlich die Kinder- und Ju-
gendarmut . Jedes Kind soll dieser Gesellschaft gleich
viel wert sein . Das heißt, Sie müssen Familien unterstüt-
zen . Ich will jetzt als Lösung nicht wieder hören: Man
muss nur die Eltern in Arbeit bringen, das löst das Pro-
blem . Jedes zweite Kind, das arm ist, lebt in einer Fa-
milie, in der Elternteile zum Teil Vollzeit arbeiten, und
sie sind trotzdem arm . Das heißt, wir brauchen bessere
Arbeitsbedingungen, wir brauchen wieder normale Ar-
beitsverhältnisse, und wir brauchen Unterstützung für die
Familien, die trotzdem arm sind .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Es geht auch darum, für Leistungen zu sorgen, die
allen Kindern zur Verfügung stehen: kostenfreies Schul-
und Kitaessen, Frühstück und Mittagessen . Das wäre eine
sinnvolle Maßnahme, die Gleichheit unter Kindern und
Jugendlichen herstellt . Mit vollem Bauch spielt und lernt
es sich eben deutlich besser . Ein beitragsfreier ÖPNV ist
eine gute Voraussetzung für Kinder und Jugendliche, an
dieser Gesellschaft gleichberechtigt teilhaben zu können .

Zweitens . Eine Konsequenz aus dem 15 . Kinder-
und Jugendbericht muss es sein, die Jugendverbände zu
stärken . Ja, aber auch junge Volljährige müssen besser
unterstützt werden . Das sogenannte Kinder- und Ju-
gendstärkungsgesetz – das kein Stärkungs-, sondern
ein Schwächungsgesetz ist; insbesondere für die jungen
Volljährigen, insbesondere für die unbegleiteten Minder-
jährigen –, das Sie vorgelegt haben, geht genau in die
gegenteilige Richtung. Es kann mir niemand begreiflich
machen, warum Sie einen Bericht vorlegen, in dem Sie
feststellen, dass sich die Jugendphase verlängert, und
gleichzeitig an dieser Jugendphase herumfummeln und
versuchen, die Rechte abzubauen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Drittens . Wir brauchen mehr Beteiligung, mehr Om-
budsstellen, aber auch eine Absenkung des Wahlalters .
Wir stehen kurz vor der Bundestagswahl . Kein Mensch
kann verstehen, warum in mehreren Flächenländern in-
zwischen 16-Jährige – übrigens mit einer guten Wahlbe-
teiligung – an landesweiten Wahlen teilnehmen dürfen,
im Bund dafür aber keine Mehrheit zu schaffen sein soll.
Wir wollen, dass das Wahlalter auf 16 gesenkt wird, und
ja, wir wollen, dass die Kinderrechte endlich ins Grund-
gesetz kommen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Viertens . Wir wollen die Erziehung zum Frieden statt
einer weiteren Verklärung des Militärischen gegenüber






(A) (C)



(B) (D)


jungen Menschen . Stoppen Sie die Bundeswehrwerbung
in Schule, in Kita und in Einrichtungen der Kinder- und
Jugendhilfe .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Stoppen Sie die Rekrutierung von Minderjährigen für
die Streitkräfte . Tun Sie etwas gegen Kindersoldaten .
Drücken Sie nicht nur einmal im Jahr rote Hände auf
ein Blatt Papier, sondern setzen Sie sich effektiv gegen
Kleinwaffenexporte ein.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Fünftens und letztens. Stärken wir das Öffentliche.
Wir brauchen mehr Personal in Schule, Kita, Hort und
Jugendhilfe . Damit das geht und der Bund sich angemes-
sen an der Finanzierung beteiligen kann, ohne Länder
und Kommunen aus der Pflicht zu entlassen: Beseitigen
Sie endlich, spätestens zu Beginn der nächsten Wahlpe-
riode dieses depperte Kooperationsverbot . Das braucht
kein Mensch . Es ist nur ein Hindernis in der Kinder- und
Jugendpolitik .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824100300

Markus Koob ist der nächste Redner für die CDU/

CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Markus Koob (CDU):
Rede ID: ID1824100400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Bürgerinnen und

Bürger! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau
Bundesministerin, ich möchte zunächst die Gelegenheit
nutzen, Ihnen persönlich zu Ihrem neuen Amt zu gratu-
lieren und Ihnen im Sinne unserer Familien, Jugend, Se-
nioren und Frauen eine erfolgreiche verbleibende Amts-
zeit zu wünschen .

Wenn ich in der Vergangenheit die öffentliche Dis-
kussion zum Thema Jugend beobachtet habe, stellte ich
fest, dass es oft, nach meinem Geschmack zu oft um
Themen wie Komasaufen, Gewalt, Zigarettenkonsum,
Null-Bock-Stimmung oder Schulschwänzer ging . Diese
gesellschaftliche Sicht auf Jugendliche hat sich durch
zahlreiche erschienene Studien in den letzten Jahren
glücklicherweise um 180 Grad ins Positive gedreht . So
zeichnete vor allem die Shell-Jugendstudie ein über-
aus positives Bild der Jugend von heute: Sie ist prag-
matisch, schätzt Werte wie Familie, Freundschaft und
Partnerschaft, ist politikinteressiert . Erstmals seit den
1990er-Jahren bewertet eine Mehrheit der Jugendlichen
die Zukunft der Gesellschaft positiv . Die eigene Zukunft
wird sogar noch positiver eingeschätzt . Für Jugendli-
che zählt im Beruf die persönliche Erfüllung mehr als
die Karriereorientierung . Die Jugendlichen haben mehr
Angst vor Fremdenhass als vor Zuwanderung . Jugend-
liche nutzen das Internet mit allen Möglichkeiten, sind
aber kritisch bezüglich der Datenverarbeitung durch

große Unternehmen . Die große Mehrheit legt Wert auf
Werte wie Respekt vor Gesetz und Ordnung . In vielerlei
Hinsicht sollte die Jugend von heute für uns alle ein Vor-
bild sein . Pragmatismus, Optimismus und Toleranz sind
Werte, die unsere Gesellschaft im Ganzen stärken und für
die Zukunft sichern .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


– Da könnten ruhig ein paar mehr klatschen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Wir wollten die Union mal aufwecken!)


– Ja, ich weiß, die schlafen noch ein bisschen .

Vor allem das ehrenamtliche Engagement der Jugend
ist bemerkenswert . Neben vielfältigen Hobbys, familiä-
ren Verpflichtungen und dem Schulunterricht schafft es
eine Vielzahl von Jugendlichen, sich neben diesen Haupt-
verpflichtungen ehrenamtlich zu engagieren. Sie tragen
durch ihr Engagement für Sport, Kirche, Schule, Kultur,
freiwillige Feuerwehr, Jugendrotkreuz, Jugend-THW,
DLRG, um nur einige wenige zu nennen, maßgeblich
zum Funktionieren unserer Gesellschaft bei .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zwar engagieren sich im Vergleich zum Jahr 1999 we-
niger Jugendliche; nichtsdestotrotz leisten sie eine her-
vorragende Engagementarbeit . Als Politiker habe ich den
höchsten Respekt vor ihrer Leistung . Ingrid Pahlmann
wird das, glaube ich, in ihrer Rede gleich noch einmal
genauer ins Licht rücken .

Auch der 15 . Kinder- und Jugendbericht zeichnet wie
zuvor bereits die Shell-Jugendstudie ein überaus posi-
tives Bild der Jugend von heute . Dabei wird erstmals
überhaupt der Fokus ausschließlich auf die Lebenswirk-
lichkeit der Jugend gelegt und die Kindheit ausgespart .
Kindheit ist wichtig, aber in der Forschung schon gut re-
präsentiert . Auch ich begrüße deshalb die Schwerpunkt-
setzung auf das Thema Jugend sehr; das wurde Zeit .

Dabei ist der Begriff der Jugend eher als unkonkreter
Sammelbegriff zu verstehen. Ich würde nicht so weit ge-
hen, zu sagen, dass zur Jugend alle gehören, die sich jung
fühlen; aber zumindest die Menschen zwischen 12 und
27 Jahren können sich diesen Begriff getrost ans Revers
heften, nach einem Vorschlag der Sachverständigenkom-
mission sogar die Menschen bis zu einem Alter von Mitte
30, was ich als 39-Jähriger zwar sehr schmeichelhaft fin-
de, aber doch etwas übertrieben .

Zudem ist die Jugend genauso pluralistisch wie die
Gesellschaft insgesamt . Die eine Jugend gibt es nicht,
nur viele individuelle Jugendliche . Nicht nur, weil ihr
Anteil an der Gesellschaft aktuell so groß ist wie der An-
teil der über 65-Jährigen an der Gesellschaft, müssen wir
in diesem Haus gemeinsam die vielfältigen Interessen der
Jugend bestmöglich vertreten; denn Repräsentation ist
nicht allein eine Frage des Wählendürfens, sondern vor
allem eine Frage des Vertretenwerdens . Ich weiß, dass
für eine angemessene Repräsentation der Jugend weiß
Gott nicht alle Entscheidungen dieser Legislaturperiode
hilfreich gewesen sind . Dennoch werde ich mich auch in

Norbert Müller (Potsdam)







(A) (C)



(B) (D)


Zukunft weiter dafür einsetzen, dass politische Konzepte
wie bei der Rente nicht nur bis ins Jahr 2030 reichen .


(Beifall der Abg . Dr . Carola Reimann [SPD])


Ein Rentenkonzept, welcher Partei auch immer, muss die
Interessen der Jugend sehr intensiv berücksichtigen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sönke Rix [SPD]: Überhaupt mal ein Konzept haben!)


Abgesehen von der Rentenpolitik haben wir in dieser
Legislaturperiode mit unseren beschränkten Kompe-
tenzen auf Bundesebene viel für die Jugend in unserem
Land erreicht . Wir haben auf Bundesebene auf vielfache
Weise dazu beigetragen, Jugend zu ermöglichen, indem
wir sowohl die Eltern als auch die Länder und Kommu-
nen finanziell stark entlastet haben, so stark wie keine
Bundesregierung je zuvor .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg . Sönke Rix [SPD])


Die Familien, in denen Jugend lebt und in denen sich
Jugend entfaltet, haben wir durch die Erhöhung des Ent-
lastungsbetrages, den Ausbau des Unterhaltsvorschusses,
die Erhöhung von Kindergeld, Kinderfreibetrag, Grund-
freibetrag und Kinderzuschlag sowie Elterngeld Plus
entlastet . Auch der Ausbau von Mehrgenerationenhäu-
sern und die Ausweitung des Jugendschutzgesetzes auf
E-Zigaretten und E-Shishas kamen der Jugend in dieser
Wahlperiode zugute . Wenn ich mir in meiner voraus-
sichtlich letzten Rede in dieser Legislaturperiode etwas
von Ihnen, Frau Ministerin, wünschen darf, dann, dass
Sie im Gegensatz zu Frau Schwesig endlich auf die Ge-
fahren für Kinder und Jugendliche durch den Konsum
von konventionellen Wasserpfeifen reagieren und einen
Entwurf zur Reform des Jugendschutzgesetzes vorlegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Schon zu Beginn des Jahres 2016 hielten dies in einer
Anhörung alle Experten zum Wohle der Kinder und Ju-
gendlichen in unserem Land für notwendig . Nehmen Sie
dieses Wissen ernst, und schützen Sie unsere Kinder und
Jugendlichen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der diesjährige Kinder- und Jugendbericht kommt
zu keinen revolutionären, aber dennoch zu wichtigen
Erkenntnissen . Die Jugend von heute steht hinter der
Demokratie als bestmöglicher Staatsform . Sie ist poli-
tisch interessiert und keineswegs politikverdrossen . Sie
wendet sich bei Problemen überwiegend an Familie und
Freunde, strebt in größerer Zahl nach höheren Bildungs-
abschlüssen als noch vor ein paar Jahren und ist konstant
zu drei Vierteln religiös, wenngleich individueller und
kirchenunabhängiger .

Jugend ist zudem durch eine höhere internationale
Mobilität gekennzeichnet, durch eine geringere Arbeits-
losigkeit als im Rest Europas, sie bewegt sich in der di-
gitalen Welt im Wissen um Datensparsamkeit mit Leich-
tigkeit – wenngleich der digitale Zugang von Regionen,
Bildungsabschluss und sozialem Status abhängt –, sie
kommuniziert vielfältig online, nach wie vor aber auch

offline, und liebt die Freizeitgestaltung innerhalb ihrer
jeweiligen Peergroup .

In Zeiten großer gesellschaftlicher Änderungen, glo-
baler Herausforderungen und damit verbundenen Unsi-
cherheiten wächst die Jugend von heute in einem unüber-
sichtlichen Umfeld auf . In einem solchen Umfeld Jugend
zu ermöglichen, ist die Aufgabe von uns allen . Von der
Politik sind die geeigneten Rahmenbedingungen vorzu-
geben und anzupassen, von der Gesellschaft die benötig-
ten Freiräume für die Entfaltung von Jugendlichen be-
reitzustellen, und schließlich sind vom direkten sozialen
Umfeld, von Vätern und Müttern, Lehrern, Freunden und
Familienangehörigen, Geborgenheit, finanzielle Sicher-
heit und persönliche und soziale Unterstützung zu geben .

Aber – das halte ich in der Diskussion über Jugend für
wichtig – das Ermöglichen von Jugend ist für die Jugend-
lichen nicht passiv im Sinne von Gewähren von Jugend
zu verstehen . Auch sie selbst müssen sich ihre Jugend ak-
tiv ermöglichen . Sie müssen sich selbst engagieren, sich
selbst qualifizieren, sich selbst im Internet schützen, sich
selbst ihre eigenen Freiräume schaffen, sich selbst und
sich gegenseitig helfen . Wir alle haben bei der Entschei-
dung über den Brexit gesehen, dass Jugendliche zwar
ganz überwiegend proeuropäisch eingestellt sind, bei der
Abstimmung aber deutlich unterrepräsentiert waren . Das
müssen wir alle gemeinsam ändern . Denn in allen euro-
päischen Ländern sind die Jugendlichen außerordentlich
proeuropäisch eingestellt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Grundvoraussetzung für das bestmögliche Aufwach-
sen der größtmöglichen Zahl von Kindern und Jugend-
lichen, um ihnen eine bestmögliche Zukunft zu geben –
da danke ich der Sachverständigenkommission für ihre
Klarheit –, ist die angemessene finanzielle Ausstattung
der Kinder- und Jugendarbeit sowie der sozialen Dienste .
Wie beim für die Herstellung von Chancengerechtigkeit
überaus wichtigen Aspekt des Bildungssystems sind hier
aber originär vor allem die Länder und Kommunen mit
ihren Kompetenzen gefragt . Ich bin mir sicher, dass sie
den 15 . Kinder- und Jugendbericht detailliert analysie-
ren und auf dessen Ergebnisse reagieren werden . Unser
Bildungssystem muss – egal ob in Hamburg oder Berlin,
Bayern oder Niedersachsen – alle Kinder und Jugend-
lichen mit ihren jeweiligen Schwächen und Stärken so
mitnehmen, dass keine Chancen ungenutzt bleiben, egal
welches Geschlecht, welche ethnische Zugehörigkeit,
welche regionale oder familiäre Herkunft, welchen so-
zialen Status oder welche körperliche Verfasstheit das
jeweilige Kind aufweist .

Wenngleich die Chancen mittlerweile gleicher verteilt
sind, ist eine chancengleiche Jugend noch nicht erreicht;
dieses Ziel muss deshalb weiter von uns verfolgt werden .
Daher werden meine Fraktion und ich uns die 22 Thesen
der Sachverständigenkommission aus dem 15 . Kinder-
und Jugendbericht in der kommenden Legislaturperiode
genau ansehen und, wo nötig, Antworten formulieren,
damit die Jugend für den größten Teil der Jugendlichen
ein möglichst unbeschwerter Lebensabschnitt bleibt und

Markus Koob






(A) (C)



(B) (D)


für die wenigen anderen Jugendlichen ein unbeschwerter
Lebensabschnitt wird .

Ich erlaube mir an dieser Stelle auch eine persönliche
Anmerkung. Ich finde es gut, dass wir einen so umfas-
senden Bericht vorgelegt bekommen haben; er umfasst
fast 600 Seiten . Ich stelle allerdings auch nach vier Jah-
ren Parlamentszugehörigkeit und Gesprächen mit rund
2 000 Schülerinnen und Schülern immer wieder fest,
dass wir sehr genau wissen, wie die Jugend tickt, wie sie
denkt, wie sie lebt, dass aber umgekehrt die Frage, wie
Jugendliche den Zugang zu Politik finden, immer noch
mit sehr, sehr vielen Fragezeichen behaftet ist . Vielleicht
sollten wir uns deshalb gemeinsam intensiver der Frage
zuwenden: Wie können wir das verbessern? Ich kann zu
meinem Glück sagen, dass ich in meinem Wahlkreis über
eine politische Nachwuchsorganisation verfüge, auf die
ich sehr stolz bin . Es muss aber Standard werden, dass
wir den Jugendlichen als Ansprechpartner zur Verfügung
stehen und dass sie wissen, wie Politik funktioniert und
wohin sie sich wenden müssen .

Ich glaube, das ist eine gemeinsame Aufgabe für uns
alle; denn die Jugend von heute ist die Demokratie von
morgen . Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824100500

Katja Dörner hat nun das Wort für die Fraktion Bünd-

nis 90/Die Grünen .


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824100600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie-

be Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Das Auffäl-
ligste an der Jugendpolitik dieser Bundesregierung ist,
dass sie nicht stattfindet,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und das ist eine sehr schlechte Nachricht für die Kinder
und Jugendlichen in unserem Land .

Ich will das auch sehr konkret machen: Was ist aus
dem Jugendcheck geworden?


(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Nichts!)


Der Ankündigung, mit dem Jugendcheck alle Vorhaben
des Bundes systematisch mit Blick auf die Interessen der
Jugendlichen zu überprüfen, konnten sehr viele etwas
abgewinnen, und wir alle wissen: Gerade die Jugend-
verbände haben sich sehr intensiv mit diesem Vorschlag
auseinandergesetzt, und sie haben selber gute Vorschläge
gemacht, wie man mit einem solchen Jugendcheck si-
cherstellen kann, dass eben auch Generationengerechtig-
keit befördert wird .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Im Referentenentwurf zur SGB-VIII-Reform ver-
steckte sich dann ein „Jugendcheckchen“, und der Ka-
binettsbeschluss sah noch nicht einmal mehr dieses

„Checkchen“ vor . Das zentrale Projekt tatsächlich eigen-
ständiger Jugendpolitik dieser Legislaturperiode wurde
von Union und SPD sang- und klanglos versenkt . Das
zeigt, welchen Stellenwert die Jugendlichen bei dieser
Bundesregierung tatsächlich haben, nämlich keinen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr Koob, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, wie gut es
ist, dass wir einen Bericht haben, der sich dezidiert mit
der Jugend beschäftigt. Das finde ich auch. Sie haben in
Ihrer Rede aber kein einziges Projekt genannt, das in die-
ser Legislaturperiode tatsächlich zugunsten der Jugendli-
chen gelaufen ist . Das ist doch extrem bezeichnend, und
das müssen wir hier sehr kritisch betrachten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dass Jugendpolitik faktisch nicht stattfindet, zeigt
auch der sehr traurige Umgang mit den Care Leavern,
also mit den jungen Menschen, die nicht bei ihren leibli-
chen Eltern, sondern in Heimen oder Wohngruppen auf-
wachsen und deshalb häufig ohne familiären Rückhalt
den Weg ins Leben finden müssen. In Bezug auf Hilfe-
stellung beim Übergang in die Selbstständigkeit, in die
eigene Wohnung, in die Ausbildung oder auch ins Stu-
dium – auch in die finanzielle Selbstständigkeit – gibt
es aus unserer Sicht ganz dringenden Handlungsbedarf .

Es gab lange Fachdebatten darüber und eigentlich
fachlich auch eine große Einigkeit . Ich will auch noch
einmal darauf hinweisen, dass sich die Care Leaver selbst
auf ganz bewundernswerte Art und Weise organisiert und
ihre Erfahrungen und Forderungen in diesen Prozess mit
eingebracht haben . Was ist im Rahmen der SGB-VIII-Re-
form aus diesem Prozess geworden? Daraus ist auch gar
nichts geworden, und das ist extrem bitter .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir als Grüne haben mit unserem Antrag noch ein-
mal sehr stark herausgehoben, dass wir die Stärkung des
Rechtsanspruchs auf Leistungen der Jugendhilfe für die
Care Leaver wollen und dass wir diesen Rechtsanspruch
auch bis zum 23 . Lebensjahr ausweiten wollen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit Blick auf die Care Leaver ist nichts passiert . Statt-
dessen bekommen wir mit der SGB-VIII-Reform aller
Voraussicht nach eine Länderöffnungsklausel für die Ver-
sorgung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge . Wir
sind davon überzeugt: Mit dieser Öffnungsklausel wird
einer Zwei-Klassen-Kinder-und-Jugendhilfe Tür und Tor
geöffnet. Wir lehnen das entschieden ab. Das ist das Ge-
genteil einer guten Jugendpolitik .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Der Kinder- und Jugendbericht beleuchtet auch das
Thema „Soziale Ungleichheit“ . Wir haben hier in letzter
Zeit sehr häufig über Kinderarmut gesprochen. Ich will
aber gerade auch darauf hinweisen, dass der Anteil armer
Jugendlicher mit knapp einem Viertel besonders hoch ist .

Markus Koob






(A) (C)



(B) (D)


Deshalb brauchen wir ganz dringend eine bessere mate-
rielle Absicherung von Jugendlichen durch eine Grund-
sicherung, die sicherstellt, dass alle Jugendlichen dem
Staat endlich gleich viel wert sind .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen heu-
te auch über den Altenbericht . Wenn es um die Teilhabe
armer älterer Menschen geht, schließt sich der Kreis zu
dem, was ich über Kinder- und Jugendarmut gesagt habe .

Es ist natürlich wunderbar, dass die Menschen in
Deutschland immer älter werden und dass sie sich enga-
gieren und einmischen . Es gibt aber eben nicht nur die
sogenannten Silver Ager, die mit Wohnmobil und Pe-
delec ihren Ruhestand genießen . Viele ältere Menschen
sind auf Unterstützung angewiesen . Auch hier bleiben
ganz große Baustellen für die nächste Legislaturperiode .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir brauchen nicht
nur verzahnte Unterstützungssysteme im Gesundheits-
und Pflegebereich, sondern auch größere und gezieltere
Unterstützung für ein altersgerechtes und generationen-
übergreifendes Wohnen . Was wir ganz sicher nicht brau-
chen – das sagen wir Grüne ganz klar –, ist eine Kanzle-
rin, die mit Blick auf die zunehmende Altersarmut sagt,
bei der Rente sehe sie überhaupt keinen Handlungsbe-
darf .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union hat kein Rentenkonzept!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824100700

Nächste Rednerin ist die Kollegin Carola Reimann für

die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1824100800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Jung und Alt zeichnen sich vor allem durch ihre
Vielfalt aus . Menschen mögen gleichen Alters sein, aber
ihre Lebenslagen, ihre Interessen und ihre Bedürfnisse
sind oft ganz verschieden. Da ist also ein differenziertes
Bild gefragt – jenseits von Etiketten und Schubladen . Al-
ter ist nämlich nicht gleich Pflege, Rente und Modellei-
senbahn . Jugend ist auch nicht gleich Snapchat, YouTube
und Instagram . Einen wertvollen Einblick in diese Viel-
schichtigkeit der Jugend und des Alters geben uns die
vorliegenden Berichte, der Kinder- und Jugendbericht
sowie der Altenbericht .

Kolleginnen und Kollegen, gerade die Lebensphase
Alter hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant, ja stark
verändert . Wir werden so alt wie nie zuvor . Wir bleiben
so aktiv wie nie zuvor . Die Lebenslagen der Menschen
über 65 Jahre haben sich immer weiter ausdifferenziert.
Eigenständigkeit und Selbstbestimmung sind dabei vie-
len sehr wichtig . Die richtigen Rahmenbedingungen für

ein gutes Leben im Alter zu schaffen, ist deshalb eine im-
mer komplexer werdende Aufgabe . Umso wichtiger sind
die Empfehlungen des siebten Altenberichts, den wir
jetzt vorliegen haben .

Kolleginnen und Kollegen, dass dabei die Rolle der
Kommunen im Zentrum steht, ist kein Zufall . Gerade für
Ältere ist der Wohnort, oft nur die Wohnung und die di-
rekte Nachbarschaft, der Lebensmittelpunkt . Für sie hat
das direkte Umfeld noch mehr Bedeutung als für Jünge-
re . Gute, lebendige Nachbarschaften, passgenaue lokale
Dienstleistungsangebote und eine gute Versorgung bei
Gesundheit und Pflege sind für sie sehr wichtig.


(Beifall bei der SPD)


Die lokalen Strukturen sind auch deshalb so wichtig,
weil die eigenen Kinder oft an einem anderen Ort leben
und beruflich eng eingebunden sind. Umso wichtiger ist,
dass die Kommunen ihre Verantwortung sehen und gera-
de für Ältere eine funktionierende Infrastruktur vorhalten
können .


(Beifall bei der SPD)


Deshalb war der SPD-Bundestagsfraktion schon vor
dieser Legislaturperiode klar, dass die finanziellen Rah-
menbedingungen in den Kommunen erheblich verbessert
werden müssen . Heute können wir feststellen: In kaum
einer Legislaturperiode wurde für Kommunen mehr er-
reicht . Das ist gut für die Kommunen und natürlich gut
für die Menschen, die dort leben, gerade für die ältere
Generation .


(Beifall bei der SPD)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, starke Kom-
munen, eine gute Infrastruktur vor Ort und gute, leben-
dige Nachbarschaften sind nicht nur im Interesse älterer
Menschen. Auch Jüngere profitieren davon, zum Beispiel
durch die Förderung des Engagements und durch gute
öffentliche Verkehrsangebote; die Ministerin hat uns hier
ihre im Bus gemachten Erfahrungen schon mitgeteilt .

Öfter als man denkt, stimmen die Bedürfnisse der Jün-
geren mit denen Älterer überein, aber eben auch nicht
immer . Auch das wird im Altenbericht betont . Deshalb ist
es gut, dass es da zwar Unterschiede gibt, dass aber hier
in dieser Debatte beide Berichte, Kinder- und Jugendbe-
richt sowie Altenbericht, in einer verbundenen Debatte
unter einem Tagesordnungspunkt besprochen werden .
Damit machen wir auch klar: Wir lassen nicht zu, dass
Altersgruppen gegeneinander ausgespielt werden .


(Beifall bei der SPD)


Unser Ziel ist eine generationenübergreifende Politik, die
die Interessen von Jung und Alt im Blick hat .

Kolleginnen und Kollegen, zentraler Befund beider
Berichte ist soziale Ungleichheit . Gerade bei jungen
Menschen fallen die Chancen je nach Lebenslage sehr
unterschiedlich aus . Keine Frage: Insgesamt gesehen
geht es Deutschland gut. Umso schlimmer finde ich es,
dass die ungleiche Chancenverteilung in diesem Land
weiterhin besteht: zwischen Familien, zwischen Jugend-
lichen und auch zwischen städtischen und ländlichen Re-
gionen .

Katja Dörner






(A) (C)



(B) (D)


Soziale und räumliche Disparitäten bzw . Ungleichhei-
ten: Dieser Befund aus beiden Berichten ist für uns ein
klarer Handlungsauftrag . Wir brauchen mehr Investitio-
nen in gute Bildung für alle, von der Kita bis zur Berufs-
ausbildung und zum Studium,


(Beifall bei der SPD)


und wir brauchen ein dauerhaft tragfähiges, leistungsfä-
higes und belastbares Hilfesystem für Alt und Jung .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Jüngere und
Ältere sind jedoch nicht nur auf Unterstützung angewie-
sen, Sie übernehmen häufig selbst Verantwortung und
engagieren sich für andere . Das ist wertvoll für unsere
Gesellschaft, genauso wie die Mitwirkung an den politi-
schen Entscheidungsprozessen .

Eine generationengerechte Politik ist nur dann mög-
lich, wenn sich alle Generationen daran beteiligen . Auch
das ist heute Morgen schon gesagt worden .


(Beifall bei der SPD)


Hier sind Jung und Alt aufgefordert, mitzureden und
mitzugestalten . Und wir sind gefordert, die Vorausset-
zungen dafür zu schaffen, dass die Strukturen für diese
Mitentscheidung auch zeitgemäß sind . Das hat die Mi-
nisterin angesprochen, und ich will dazusagen: Das Haus
hat sich nach Kräften bemüht, die Jugend zu beteiligen .
Ich denke, es gibt aber noch einiges zu tun . Die Absen-
kung des Wahlalters auf 16 Jahre auch bei der Bundes-
tagswahl wäre ein solcher erster wichtiger Schritt .


(Beifall bei der SPD)


Liebe Frau Ministerin, dass die Interessen von Jung
und Alt in der Bundesregierung weiterhin sehr gut ver-
treten sind, haben Sie heute mit Ihrer Rede gezeigt . Ich
freue mich, dass wir an der Spitze des Hauses eine enga-
gierte Kämpferin für Jung und Alt haben . Liebe Katarina
Barley, auch von mir alles Gute und viel Erfolg für die
wichtigen Aufgaben!

Danke fürs Zuhören .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824100900

Das Wort erhält der Kollege Jörn Wunderlich für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824101000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Siebte Bericht zur Lage der älteren Generation in der
Bundesrepublik Deutschland stellt die Sorge und Mitver-
antwortung in der Kommune und damit den Aufbau und
die Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften in den
Mittelpunkt der Untersuchungen .

Die neue Generation der Seniorinnen und Senioren
unterscheidet sich von ihren Vorgängergenerationen
ganz erheblich . Heute sind sie mobiler, sozial gut ver-
netzt, gesundheitlich und geistig fit und eine wichtige
Stütze für die Familie und Gesellschaft . Ausgeprägter
Wunsch der älteren Menschen ist, ein selbstbestimmtes

und aktives Leben so lange wie möglich aufrechtzuer-
halten. Nirgendwo zeigen sich die demografischen und
gesellschaftlichen Veränderungen so deutlich wie in den
Kommunen, wo die Menschen wohnen, arbeiten und zu-
sammenleben . Das heißt für die Kommunen, Wege und
Möglichkeiten zu finden, gemeinsam mit den Vertretern
des zivilgesellschaftlichen Engagements vor Ort, den
Vereinen, Verbänden und der Kirche, eine Infrastruktur
zu schaffen, die eigenständiges und selbstbestimmtes Le-
ben ermöglicht und sichert .

So wurde im Koalitionsvertrag unter anderem festge-
schrieben, dass im Rahmen des siebten Altenberichts, der
im Frühjahr 2015 vorzulegen war, integrative regionale
seniorenpolitische Gesamtkonzepte zu entwickeln sind .
Nach mehrfachem Drängen der Opposition wurde der
Bericht schließlich im November 2016 an den Bundestag
überwiesen; beraten wurde er dann aber noch lange nicht .

Heute steht er auf unserer Tagesordnung . Er wird im
Schnellverfahren ohne Debatten in den Ausschüssen
und ohne eventuelle Anhörungen letztlich im Bundes-
tag durchgewunken . Das ist genauso wie beim Jugend-
bericht; so muss man nämlich keine Konsequenzen aus
den Berichten ziehen . Stellt sich die Regierung eine Zu-
sammenarbeit mit dem außerparlamentarischen Sachver-
stand so vor? Ich finde das eher oberpeinlich.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Weiter fordern die Sachverständigen in ihren Hand-
lungsempfehlungen Bund und Länder auf, den Kommu-
nen mehr Mitbestimmung einzuräumen . So empfehlen
sie, die Finanzhoheit in diesem Land vom Kopf auf die
Füße zu stellen, sowie die Unterstützung von informel-
len Hilfsnetzwerken aus Familien, Freunden und Nach-
barn, die Förderung ehrenamtlichen Engagements älterer
Menschen und die verbesserte Beratung für pflegende
Angehörige . Dabei muss man aber bei der Förderung des
ehrenamtlichen Engagements immer darauf achten, dass
sie tatsächlich on top geht, weil das Engagement nicht als
Ausfallbürge für angeblich nicht finanzierbare staatliche
Aufgaben herhalten darf .

So wie die Sachverständigen formuliert auch die Bun-
desregierung in ihrer Stellungnahme, dass es auf struk-
turelle, inhaltliche und finanzielle Rahmenbedingungen
sowie darauf ankommt, die „sehr unterschiedlichen Ent-
wicklungen in den Kommunen in Deutschland“ zu be-
achten. Betroffen seien alle wichtigen Lebensbereiche
und die Lebensqualität des Miteinanders aller Genera-
tionen vor Ort. Das betrifft Wohnen, Wohnumfeld und
Daseinsvorsorge, medizinische, pflegerische und betreu-
ende Versorgung, Selbstbestimmung, Bildung und Infor-
mation, Mobilität und soziale Kontakte .

Eine wichtige Unterscheidung bei der Beschreibung
regionaler Vielfalt ist die Differenzierung von städti-
schem und ländlichem Raum . So gibt es laut Bericht
erhebliche Unterschiede hinsichtlich Wohlstand, Infra-
struktur und Bevölkerungszusammensetzung . – Alles
neue Tatsachen? Da müssen wir uns wirklich an den
Kopf fassen: Das war uns doch seit Jahren bekannt . Da-
raus hätte man schon längst etwas entwickeln müssen .


(Beifall bei der LINKEN)


Dr. Carola Reimann






(A) (C)



(B) (D)


Um die Situation der Kommunen zu verbessern, dür-
fen haushaltspolitische Zwänge nicht sinnvolle Entwick-
lungen in der Seniorenpolitik demontieren, und das ist
jahrelang gemacht worden. Kommunen brauchen finan-
zielle Stabilität und Planungssicherheit . Scheinbarer oder
tatsächlicher Geldmangel darf nicht zur Streichung von
Leistungen führen . So wären eine gezielte Förderung
von wirtschaftlicher Betätigung durch den Abbau von
Einschränkungen zugunsten der öffentlichen Hand und
die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Ge-
meindewirtschaftsteuer erstrebenswert .

Fazit: Erfolgversprechende Potenziale sind vorhan-
den . Sie müssen greifen, weil für den Erfolg einer eman-
zipatorischen Seniorenpolitik engagierte Menschen in
Politik und Gesellschaft entscheidend sind . Die Gestal-
tungskraft der Kommunen könnte bei angemessener Ver-
teilung der vorhandenen Finanzen und Ressourcen sowie
nachhaltigem, sozialgerechtem Handeln der politisch
Verantwortlichen – und das sind Sie, meine lieben Kol-
legen aus der Koalition – gemeistert werden . Hier sind
Bund und Länder gefordert. Auf geht’s – hoffentlich.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824101100

Die Kollegin Pahlmann hat für die CDU/CSU-Frakti-

on das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ingrid Pahlmann (CDU):
Rede ID: ID1824101200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Wir haben nun schon viele Aspekte zu
den beiden umfangreichen und interessanten Berichten
gehört . Bevor ich eine weitere Perspektive, nämlich die
des bürgerschaftlichen Engagements, in unsere Debatte
einbringe, möchte ich erst einmal beiden Sachverständi-
genkommissionen für ihre Arbeit danken .

Worauf ich nun in den nächsten Minuten eingehen
möchte, ist ein Thema, das unsere ganze Gesellschaft
betrifft. Mit beiden Berichten decken wir nicht nur eine
ungemein weite Spanne des Lebens ab, sondern betrach-
ten auch zwei für das bürgerschaftliche Engagement sehr
wichtige Gruppen . Und wichtig sind diese Gruppen für
das bürgerschaftliche Engagement in zweierlei Hinsicht:
zum einen natürlich als Ziel von Engagement . Ich den-
ke da an die vielen Vereine, beispielsweise die vielen
Sportvereine, in denen ehrenamtliche Trainerinnen und
Trainer Kinder und Jugendliche betreuen und so deren
Freizeit mitgestalten . Ich denke aber auch an nachbar-
schaftliche Hilfevereine, in denen man sich beim Einkau-
fen, der Garten- oder auch der Sorgearbeit gegenseitig
unterstützt .

Viel wichtiger für unsere Gesellschaft ist aber – und
das wissen wir sowohl aus der Engagementforschung
insgesamt als auch aus den beiden uns vorliegenden Be-
richten – das Engagement von Jugendlichen und auch
Älteren als aktive, sich einbringende Menschen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren sind ge-
samtgesellschaftlich die am stärksten engagierte Gruppe,
ein Fakt, den wir in meinen Augen viel zu selten anerken-
nen, wenn wir zum Beispiel mal wieder auf die jungen
Menschen schimpfen, die sich nicht an Wahlen beteili-
gen, sich nicht für Politik interessieren oder vermeintlich
nur mit dem Smartphone spielen .

Dieses Engagement der jungen Generation ist für un-
sere Gesellschaft von enormer Bedeutung . Aber auch
die Heranwachsenden profitieren davon. Grundsätzlich
schlummert im Engagement ein Bildungsschatz von un-
sagbarem Wert . Man lernt, Verantwortung zu überneh-
men, für andere, aber auch für sich selbst, man lernt von
seinem Gegenüber, den Erfahrungen, die jede Einzelne
und jeder Einzelne gemacht hat, und man lernt, sich ein-
zubringen . Man erfährt Wertschätzung von anderen und
spürt, dass man gebraucht wird .

An dieser Stelle lässt sich die Brücke zu den Älteren
in unserer Gesellschaft schlagen . Besonders bei 60- bis
65-Jährigen stellen wir eine hohe Engagementbereit-
schaft fest, aber wir wissen aus Studien auch, dass sich
gerade auch Hochaltrige weiter einbringen wollen . Sie
haben den großen Wunsch, Teil der Gemeinschaft zu
sein . Auch sie wollen Mitverantwortung tragen und spü-
ren und weiterhin Anerkennung erhalten .

Leider setzt mit zunehmendem Alter häufiger das
Gefühl ein – das hat uns Herr Professor Kruse bei der
Vorstellung des Altenberichts im Unterausschuss Bür-
gerschaftliches Engagement eindrücklich verdeutlicht –,
von der Gesellschaft vergessen zu werden . Die älteren
Menschen haben das Gefühl, dass ihre Kompetenzen und
Fähigkeiten nicht mehr gebraucht werden, und das müs-
sen wir verhindern . Viele Menschen sind immer länger
fit und aktiv. Wir brauchen ihr Engagement für unsere
Gemeinschaft . Daran müssen wir arbeiten und eine Lö-
sung dafür finden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Petra Crone [SPD])


Der Altenbericht empfiehlt hier als eine Möglichkeit
die Schaffung von Gelegenheitsstrukturen. Dabei sieht er
vor allem den lokalen Raum . Er sieht hier in den Kom-
munen die größten Chancen . Es gilt, möglichst lokale
Begegnungsräume zu schaffen, um den Austausch zu
fördern und somit jedem und jeder Einzelnen zu verdeut-
lichen, dass er oder sie gebraucht wird .

In meinen Augen – da bin ich glücklicherweise einer
Meinung mit der Altenberichtskommission – sind die
Mehrgenerationenhäuser, die wir in dieser Legislaturpe-
riode weiter gestärkt haben, genau ein solcher Raum .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es können sich alle Generationen einbringen, sich gegen-
seitig stärken und voneinander profitieren.

Miteinander und voneinander lernen ist auch im Bun-
desfreiwilligendienst in besonderem Maße möglich . Das
ist ein weiteres Beispiel für die großen Anstrengungen,
die wir als Bund zur Förderung des Engagements und
somit zur Förderung von Jung und Alt unternehmen .

Jörn Wunderlich






(A) (C)



(B) (D)


Der BFD zeichnet sich durch die Besonderheit aus,
für alle Altersgruppen offen zu sein. Es ist uns damit ein
Stück weit gelungen, den langerprobten Weg der Jugend-
freiwilligendienste als Bildungsdienst für alle Generatio-
nen zugänglich zu machen . Wir als Unionsfraktion stehen
hinter dem BFD und können uns auch sehr gut vorstellen,
dessen Einsatzbereiche zum Beispiel auch auf viele Auf-
gaben für Senioren und Seniorinnen, aber auch Familien
mit Unterstützungsbedarf zukünftig auszuweiten, immer
natürlich unter der Berücksichtigung des Eigensinns des
bürgerschaftlichen Engagements .

Nicht nur wir als Union sehen im freiwilligen Engage-
ment für jeden Aktiven, egal wie agil oder fit er ist, eine
Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben .
Wir wollen einen ermöglichenden Staat, der den Raum
und den Rahmen für die breite Vielfalt des Engagements
schafft. Gleichzeitig dürfen wir aber das Engagement
nicht überlasten . Es darf nicht zur Bewältigung jeder He-
rausforderung herangezogen werden. Dies trifft in beson-
derem Maße in der Kinder- und Jugendarbeit sowie im
Kontext mit der älteren Generation zu . Es gilt immer, ei-
nen guten Weg zwischen Haupt- und Ehrenamt zu finden,
zwischen Professionalität und dem besonderen Blick des
Außenstehenden, zwischen bezahltem Handeln und frei-
willigem Einbringen .

Dabei gilt auch: Wir müssen das Engagement bzw . die
engagierten Menschen in unserem Land vor unnötiger
Bürokratie bewahren und von dieser befreien, wo im-
mer das nötig und möglich ist . Dies empfehlen auch die
beiden Expertenkommissionen . Gerade im Kinder- und
Jugendbereich wird darauf hingewiesen, wie hoch die
externen Anforderungen an Verbände, Organisationen
und Einrichtungen in diesem Bereich bereits sind . Wir
müssen hier klug abwägen .

Ich möchte kurz zwei Beispiele darlegen: zum einen
das erweiterte Führungszeugnis für die in der Kinder-
und Jugendhilfe Tätigen . Wir wollten bereits in dieser
Legislaturperiode eine bürokratiearme Ja-Nein-Aus-
kunft einführen, um beispielsweise Vereinsvorsitzende
zu entlasten . Da haben sich meine Kolleginnen Christina
Schwarzer und Gudrun Zollner sehr gut eingebracht, und
sie haben gute Vorarbeit geleistet .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Kompliment . Leider war dieser Schritt in dieser Perio-
de nicht umsetzbar . Aber ich kann Ihnen versichern: Wir
werden uns weiter in der nächsten Periode dafür einset-
zen, damit das gelingt .

Das andere Beispiel betrifft etwas, was uns gerade in
den letzten Tagen besonders beschäftigt . Ich möchte das
Vorhaben, die Meldepflichten für die offene Jugendar-
beit massiv auszuweiten, nennen . Wir sind uns hier im
Hause – das gilt für meine beiden Beispiele – alle einig:
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist absolut
wichtig . Da gibt es überhaupt keine Diskussion . Wir dür-
fen aber durch unsere Maßnahmen nicht dazu beitragen,
dass das Engagement im Kinder- und Jugendbereich zu-
rückgeht, dass es zu einem Sterben der wichtigen offenen
Jugendarbeit kommt . Am Ende würde es für viele Ju-
gendliche keine dieser so wichtigen Anlaufstellen mehr

geben, und es würde für viele Jugendliche die Möglich-
keit, sich zu engagieren, verloren gehen . Eines ist auch
klar: Engagement ist immer eine Frage der eigenen Bio-
grafie. Engagement muss gelernt werden; es bedarf hier-
für Vorbilder . Das ist wieder ein gutes Beispiel, wie die
von uns heute debattierten Berichte ineinandergreifen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Mit einem Blick auf die Uhr fürchte ich allerdings,
dass meine verbleibende Redezeit nicht mehr ausreichen
wird, um näher und tiefer auf diesen Aspekt einzugehen .
Ich möchte mich abschließend bei allen Engagierten in
unserem Land bedanken . Euer Einsatz ist es, der unse-
re Gesellschaft und unsere Gemeinschaft so wertvoll
macht . Vielen Dank für jede Stunde, für jede Minute, die
dafür aufgewendet wird .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824101300

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Als Nächste hat Frau

Beate Walter-Rosenheimer von der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen das Wort .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen auf den
Tribünen! Nicht viel . – So traurig es ist, aber diese zwei
Worte beschreiben, wie ich finde, die Bilanz der Arbeit
der Bundesregierung für junge Menschen leider sehr tref-
fend . Nicht viel ist geschehen – und das, obwohl die Vor-
haben der ehemaligen Ministerin Schwesig im Jugendbe-
reich ohnehin nicht sonderlich ambitioniert waren . Nicht
einmal das, was auf der Liste stand, wurde durchgesetzt .

Hier ein paar Beispiele: Der sogenannte Jugendcheck
wurde die gesamte Wahlperiode hindurch hin- und herge-
pustet und ist nun geplatzt wie eine Seifenblase .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hinsichtlich der Jugendbeteiligung hatte sich die Mi-
nisterin immer wieder einmal öffentlich für eine Absen-
kung des Wahlalters auf 16 Jahre ausgesprochen . Passiert
ist gar nichts . Da war der SPD das Eisen wohl leider zu
heiß .


(Sönke Rix [SPD]: Das war der Union zu heiß, nicht uns!)


– Na ja, auch ihr habt nicht richtig Druck aufgebaut, so-
dass wir das durchsetzen können .


(Sönke Rix [SPD]: Wir haben verhandelt!)


Das, was uns zur Reform der Kinder- und Jugendhilfe
bisher vorliegt, ist wirklich eher ein Reförmchen . In die-
ser Form würde sie noch viele substanzielle Verschlech-
terungen für Jugendliche bringen; das muss man einfach
so sagen . Jugendpolitisch wirkte diese Wahlperiode für
mich wie eine Beschäftigungstherapie und ein substanz-
loses Schaulaufen vor den Verbänden und der Öffentlich-

Ingrid Pahlmann






(A) (C)



(B) (D)


keit . Dabei wäre so viel zu tun gewesen, gerade jugend-
politisch .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der im Frühjahr dieses Jahres erschienene Kinder- und
Jugendbericht zeigt deutlich, worum es in der Jugendpo-
litik gehen muss: Jugend braucht Freiräume . Jugend darf
nicht daraus bestehen, sich immer weiter qualifizieren zu
müssen . Jugendliche brauchen politische Teilhabe . Wir
haben heute schon gehört, dass sie sich nicht mehr so
gerne in Parteien engagieren; aber sie sind sehr engagiert
und sehr politisch . Sie zeigen ihr Engagement eben an-
ders, und dem muss die Politik Rechnung tragen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])


Thema „Care Leaver“ – meine Kollegin Katja Dörner
hat es schon gesagt –: Junge Menschen kann man mit der
Volljährigkeit nicht einfach so ins Leere laufen lassen .
Sie sind nicht so erwachsen, dass sie sich immer allein
versorgen können . Diese Versorgungslücke muss man
schließen .

Junge Menschen brauchen einen besseren Zugang
zum Ausbildungssystem . Wir haben viel zu viele junge
Menschen, die in irgendwelchen Übergangssystemen
herumhängen. Eine gute Ausbildung ist ein effektiver
Schutz vor Jugendarmut .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch junge Geflüchtete sind ein Thema dieses Be-
richts . Diese jungen Menschen sind in erster Linie Ju-
gendliche . Eine Zweiklassenjugendhilfe, wie die Bun-
desregierung sie offenbar plant, wäre fatal. Kollege Koob
von der CDU, Sie haben es gerade gesagt: Gleichberech-
tigung unabhängig von der Herkunft . – Wenn die Uni-
on das schon sagt, dann ist das schon etwas, finde ich.
Da appelliere ich auch an die SPD, es nicht zuzulassen,
dass es für Jugendliche, die aus anderen Ländern kom-
men, eine Politik zweiter Klasse gibt, dass wir also eine
Zweiklassenjugendhilfe bekommen . An dieser Stelle
muss ich auch an die sozialdemokratische Ehre appellie-
ren . Wir wollen keine Jugendhilfe zweiter Klasse .

Herr Koob, wir wollen, dass Ausbildung, auch die jun-
ger Geflüchteter, gerecht gestaltet wird. Sie haben, fin-
de ich, gute Ansichten . Ich kann vielem, was Sie gesagt
haben, zustimmen . Ich wünsche mir, dass Sie das auch
Ihren Kollegen in Bayern, den Kollegen von der CSU,
einmal nahebringen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Alles in allem ist es doch absurd, wenn die Bundesre-
gierung Experten mit der Erstellung umfangreicher Be-
richte zur Lage der Nation, zur Lage der Jugendlichen
betraut und dann diese Erkenntnisse fast komplett igno-
riert . Wenn ich mir diesen Kinder- und Jugendbericht an-
schaue, stelle ich fest, dass Ignoranz das Markenzeichen
dieser Großen Koalition ist und dass diese Koalition eine

Große Koalition der – sorry – kleinen oder manchmal
leider auch kleingeistigen Ideen war .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Eckhard Pols [CDU/CSU]: Gestern hast du uns noch gelobt!)


Im Zusammenhang mit dem Thema „Kinder aus Fa-
milien mit psychisch kranken Eltern“ habe ich gute Er-
fahrungen in der Zusammenarbeit gemacht . Ich würde
mir das auch für andere Themen sehr wünschen; denn
gerade was Jugendpolitik angeht, ist sehr viel offen.

Ich möchte darstellen, was wir Grüne ausgearbei-
tet haben und fordern: Ausweitung der Hilfe für junge
Volljährige – dieses Themas solltet ihr euch annehmen;
es ist wirklich wichtig –, eine flächendeckende Veran-
kerung von Schulsozialarbeit, Jugendberufsagenturen,
Stärkung der Beteiligung, Senkung des Wahlalters oder
auch Verbesserung der Lebenssituation von queeren Ju-
gendlichen . Das sind Themen, bei denen man ganz viel
machen kann . Mehr kann ich in der Kürze der Zeit gar
nicht mehr sagen .

Ich möchte abschließend sagen, dass ich die jugend-
politische Bilanz dieser Regierung für schlecht halte . Ich
finde, dass eine – in Anführungszeichen – „alte“ parla-
mentarische Mehrheit jungen Leuten mehr zutrauen soll-
te. Alle demografischen Prognosen sagen uns, dass wir
eine Lobby für junge Menschen brauchen .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824101400

Frau Kollegin .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zum Ende . – Wir brauchen einfach statt
einer Autolobby, Rüstungslobby und Bankenlobby eine
Jugendlobby . Ich bitte sehr darum, dass die Regierung
der nächsten Legislaturperiode mehr Gewicht auf eine
gute Jugendpolitik legt . Die Jugend ist nämlich unsere
Zukunft .

Danke .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824101500

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Als Nächster hat das

Wort Stefan Schwartze für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Stefan Schwartze (SPD):
Rede ID: ID1824101600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Endlich
haben wir einen Bericht, der die Jugendlichen und die
jungen Erwachsenen in den Mittelpunkt stellt . Er zeigt
uns ganz deutlich, vor welchen besonderen Herausfor-
derungen die jungen Menschen heute stehen . Wie zeich-
net sich die Jugendphase heute aus? Sie ist oft davon
geprägt, zu funktionieren, möglichst gut und möglichst
schnell in den Bereichen Bildung, Ausbildung und Be-
schäftigung zu sein. Qualifizierung, Verselbstständigung,

Beate Walter-Rosenheimer






(A) (C)



(B) (D)


Selbstpositionierung sind die drei Kernforderungen, da-
mit alle jungen Menschen ihren eigenen Weg finden und
ein selbstständiges Leben führen können .

Jugend ist heute eine gesellschaftliche Minderheit ge-
worden . Etwa jeder Neunte in der Bundesrepublik gehört
zu den 15- bis 24-Jährigen . Wir müssen diese Gruppe
sichtbarer machen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ein Jugendcheck, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen,
hätte dabei unserer Gesetzgebung sehr geholfen . Leider
haben wir darüber keine Einigung erzielen können . Aber
der Kampf für diesen Jugendcheck wird in der nächsten
Wahlperiode weitergehen .


(Beifall bei der SPD)


Wenn es nach mir ginge, könnten Jugendliche mit 16
wählen . Wer entscheiden kann, ob er weiter zur Schule
geht oder eine Ausbildung beginnt, der kann und muss
auch über die Rahmenbedingungen mitentscheiden dür-
fen .


(Beifall bei der SPD)


Ich bin davon überzeugt, dass mit der Absenkung des
Wahlalters auch das politische Interesse gestärkt würde .
Im Bericht heißt es deutlich:

Jugendliche zeigen hohe Demokratieaffinität und
ein vielseitiges Engagement .

Jugendliche selbst sollten Akteure sein, die die Ju-
gendpolitik mitgestalten . Ich bin froh, dass sie das bei
der Jugendstrategie im Ministerium auch waren und sich
dort einbringen konnten .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ein wesentlicher Grundpfeiler der Entwicklung ist
neben dem Elternhaus die Schule . Dort werden Kinder
und Jugendliche nicht nur gebildet, sondern sie knüp-
fen Kontakte und Freundschaften für ihr ganzes Leben
und verbringen den Großteil ihres Tages dort . Zu unse-
rer Bildungsverantwortung gehört es daher, Schulen zu
modernisieren . Trotz aller Entlastungen der Kommunen:
In die Schulen haben wir in den letzten Jahren viel zu
wenig investiert . Wir brauchen gut ausgerüstete Klassen-
zimmer mit moderner Ausstattung und digitaler Technik .
Digitale Bildung muss Gegenstand von Unterricht sein .
Der Erwerb von digitalen Kompetenzen ist heutzutage
grundlegend .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Neben der Modernisierung brauchen wir auch ein
Angebot für einen flächendeckenden Ganztagsausbau.
Guter Ganztag braucht jugendpädagogische Konzepte .
Guter Ganztag muss so gestaltet sein, dass ehrenamtli-
ches Engagement in Vereinen und in Jugendverbänden
gefördert wird .


(Beifall bei der SPD)


Sie sind ein wichtiger Bildungsort, und dort werden
Freundschaften geschlossen, die oft ein Leben lang hal-
ten . In dieser Entwicklungsphase ist es zudem elementar,
dass Jugendliche ihre Freiräume haben und leben kön-

nen . Sie brauchen Rückzugsorte, die nicht mit Leistungs-
zwang und Fremdbestimmung verbunden sind .

Bereits in der Schule muss es für die Jugendlichen
eine frühzeitige Berufsorientierung geben, damit sie ihre
Möglichkeiten und Talente erkennen und ein guter Start
in die Ausbildung gelingt . Neben einer Ausbildungsga-
rantie müssen wir den Zugang zur dualen Ausbildung
erleichtern und ihre Qualität steigern . Dazu gehört für
mich ganz klar auch, dass wir jedem Jugendlichen eine
Ausbildungsvergütung gewähren .


(Beifall bei der SPD)


Berufsausbildungen, die Geld kosten, darf es definitiv
nicht mehr geben .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Ingrid Pahlmann [CDU/CSU])


Jugendliche, die einen erfolgreichen Schulweg nicht
im ersten Anlauf schaffen, brauchen einen zweiten, einen
dritten; sie brauchen die Kultur der mehreren Chancen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


So können auch noch junge Erwachsene einen erfolgrei-
chen Weg gehen . Die Jugendlichen haben mit der rich-
tigen Hilfe und Unterstützung – davon bin ich zutiefst
überzeugt – auch die Potenziale dazu .


(Beifall bei der SPD)


Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .

Ich möchte mich jetzt von hier vorn aus ganz persön-
lich bei einer Kollegin bedanken . Liebe Petra Crone, wir
haben 2009 hier zusammen angefangen . Du hast mit gan-
zem Herzen für deine Themen in unserem Familienbe-
reich gestritten . Vor allem die ältere Generation und das
Thema Pflege lagen dir dabei immer am Herzen. Jetzt
hast du dich entschieden, nicht mehr zu kandidieren . Wir
als Arbeitsgruppe wünschen dir alles, alles erdenklich
Gute . Es war eine Riesenfreude, mit dir zusammenzu-
arbeiten, und – wenn ich das von hier vorn aus einmal
so sagen darf – eigentlich waren wir ein bisschen ein
Dream team .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824101700

Vielen Dank, Herr Schwartze . – Diesen guten Wün-

schen kann ich mich auch vom Präsidium aus anschlie-
ßen . Vielen Dank, Frau Crone, für Ihre Aktivität im Fami-
lienausschuss, in dem ich ja eine Zeit lang auch Mitglied
war . – Herzlichen Dank .

Als letzter Redner in dieser Aussprache spricht nun-
mehr der Kollege Martin Patzelt für die CDU/CSU-Frak-
tion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Martin Patzelt (CDU):
Rede ID: ID1824101800

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Gäste! Lie-

be Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche für Frau

Stefan Schwartze






(A) (C)



(B) (D)


Timmermann-Fechter . Sie ist gerade gestern an ihrem
Geburtstag relativ nachhaltig erkrankt, und ich bin hier
in die Bresche gesprungen . Ich soll Sie grüßen; sie hätte
sehr gern zu diesem Thema gesprochen .

Nun bin ich eingesprungen, und das gibt mir die Ge-
legenheit, aus meiner Sicht ein paar Akzente zu setzen .
Ich übernehme also nicht nur ihren Bericht . Ich bin für
das Feld nicht Berichterstatter, aber von meinem Lebens-
alter her in der Seniorenproblematik doch ein bisschen
erfahren .

Wir erleben in den Kommunen jetzt vermehrt, dass
sich Seniorinnen und Senioren auf sogenannten Seni-
orenmessen darstellen . Sie präsentieren da ihre sportli-
chen Aktivitäten, sie präsentieren ihr Engagement in der
Gesellschaft, ihre Freizeitgestaltung in Chören, in Seni-
orentheatern, in Bastelkreisen . Sie haben eigene Begeg-
nungsstätten . Sie machen darauf aufmerksam, dass sie
eine aktive Rolle in unserer Gesellschaft spielen wollen
und tatsächlich auch spielen . Sie gestalten eine Senioren-
zeitung, werden von Wohlfahrtsverbänden, auch von den
Kommunen unterstützt . Es ist eine Frage der Wahrneh-
mung, es ist die Frage, wie wir als die Generation der
Entscheider – dazu zähle ich mich auch wieder – die Se-
nioren in ihrer Situation und mit ihren Potenzialen tat-
sächlich auch anerkennen .

Ich finde es hervorragend, dass wir die Diskussion des
Jugendberichts und des Altenberichts zusammen durch-
führen . Es setzt noch einen drauf, dass wir das zusammen
mit dem Engagementbericht diskutieren .


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!)


Diese drei Dinge gehören unausweichlich zusammen,
wenn man eine gesunde Gesellschaft denkt . „Die Jungen
und die Alten müssen fest zusammenhalten“ war in mei-
ner Kinderzeit ein Hit, und daran hat sich wahrscheinlich
nichts geändert . Es gilt, in einer sich immer mehr diversi-
fizierenden Gesellschaft, in einer Gesellschaft, in der die
Kommunikationsstrukturen sich völlig verändert haben –
ich denke nur an das Internet und die Möglichkeit der äl-
teren Generation, damit zu kommunizieren –, neue Wege
zu finden. Wie schaffen wir es, dass die Jungen und die
Alten ausreichend und in einer produktiven Weise mitei-
nander kommunizieren können?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen nicht auf
die Erfahrungen der Alten verzichten . Sie bringen etwas
aus ihrer Lebensgeschichte mit, was die junge Generati-
on nicht mehr haben kann; ich denke nur an das Erleben
von Armut, Not, Krieg und Aufbau . Wir haben schon öf-
ter gemerkt: Wenn junge Menschen solche Erfahrungen
nicht mehr haben, sind sie geneigt, die Welt, die Umwelt
und die Zukunft aus ganz anderer Perspektive zu beden-
ken, und sie kommen dementsprechend zu bestimmten
Entscheidungen . Kontinuität von historischer Erfahrung
und Innovation in der Zukunft kommen eigentlich nur
durch einen gesunden Austausch zwischen den Genera-
tionen zustande . Unsere Aufgabe als Politiker wäre es,
Strukturen, Möglichkeiten genau dafür zu finden und die
Bedingungen dafür zu fördern .

Wir machen vieles . Wir haben in der letzten Periode
130 Millionen Euro mehr für die „Soziale Stadt“ ausge-
geben – zusätzlich zu den 700 Millionen Euro, die wir
für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen . Wir haben
die Projekte der Mehrgenerationenhäuser verstetigt . Aus
Modellprojekten wurden ständige Einrichtungen – und
das alles, weil wir erkannt haben: Wir brauchen auch
Strukturen für den Austausch der Generationen und für
ihr Zusammenwirken .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber wir dürfen nicht in die Gefahr geraten, die alten
Menschen lediglich als Objekte unserer guten Versor-
gung zu betrachten . Wir wollen ihnen auch die Möglich-
keit des Engagements geben . Ich schließe mich Ihnen,
Frau Reimann, da an; Sie haben das vorhin sehr betont .
Wir müssen den alten Menschen deutlich machen, nicht
nur verbal, sondern auch durch Strukturen und durch
die Organisation unseres Zusammenlebens, dass wir sie
brauchen, dass sie unverzichtbar sind . Entsprechend den
Möglichkeiten, die ältere Menschen haben – sie sind an
Orte gebunden, sie sind an bestimmte Kommunikati-
onsformen gebunden –, müssen wir ihnen die Dinge er-
leichtern. Wir müssen es schaffen, dass wir im Gespräch
bleiben .

Wir haben viele Leistungen von alten Menschen im-
mer wieder auch öffentlich herausgestellt. Denken Sie
nur mal daran, was gerade die Generation der Großel-
tern heute für den Zusammenhalt von Familien leistet!
In Patchworkfamilien sind Großeltern oft der Anker und
ein Garant dafür, dass in einer sich ständig wandelnden
Welt Kinder noch ein Stückchen Heimat erleben . Wenn
all das, was die Großeltern da an Zeit, an Engagement
und auch an Geld hineinstecken, wegfallen würde, wäre
mir bange um den Zusammenhalt dieser Gesellschaft .
Diese Leistung darf nicht nur individualisiert gesehen
werden . Vielmehr muss sie im Zusammenhang mit unse-
rer gesamtgesellschaftlichen Situation und Entwicklung
hervorgehoben werden .

Die Frage ist ja nicht nur, welche Möglichkeiten wir
jungen Menschen geben, sich an Entscheidungen in der
Kommune zu beteiligen . Vielmehr hat der Altenbericht ja
auch darauf verwiesen: Die Lebensorte der älteren Men-
schen sind vorwiegend in den Kommunen . Hier tragen
wir eine große Verantwortung . Die Frage ist daher: Wie
geben wir älteren Menschen die Möglichkeit der Betei-
ligung an Entscheidungen in den Kommunen bei einer
wachsenden Abhängigkeit von Ort, Gelegenheit und
Kommunikationsform? Darüber müssen wir nachden-
ken . Das müssen wir fördern . Das alles ist in unserem
eigenen Interesse . Es ist ein gemeinsamer Weg, den wir
gehen . Die Erfahrungen von Medizinern und Verhaltens-
forschern zeigen, dass ein höheres Lebensalter gerade
dann gut und lebenswert sein kann, wenn Menschen be-
teiligt werden, wenn sie sich im Rahmen der Möglich-
keiten, die sie haben, engagieren können . Darauf müssen
wir unser Augenmerk legen . Wer rastet, der rostet . Das
merken wir auch selber immer wieder – eine alte kollek-
tive Erfahrung .

Lassen Sie uns in der kommenden Legislaturperio-
de genau da weiterdenken . Es geht nicht immer nur um

Martin Patzelt






(A) (C)



(B) (D)


konkrete Maßnahmen, sondern auch darum, das Ganze
miteinander, mit Alt und Jung, zusammenzudenken . Ich
meine dabei nicht nur die politische Bühne, wo wir von
Maßnahme zu Maßnahme rutschen und denken: Dann
haben wir es geschafft.

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824101900

Herzlichen Dank, Herr Kollege . – Ich schließe damit

die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 18/11050 und 18/10210 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen .
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall . Dann
sind die Überweisungen so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald,
Susanna Karawanskij, weiteren Abgeordneten
und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung der
sachgrundlosen Befristung

Drucksache 18/12354

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Arbeit und Soziales (11 . Ausschuss)


Drucksache 18/12624

Über den Gesetzentwurf werden wir später nament-
lich abstimmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst Frau
Gabriele Hiller-Ohm für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1824102000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren hier im Saal und auf den Tribünen! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen der Linken, herzlichen Dank, dass
Sie uns Gelegenheit geben, hier nun zum siebten Mal die
Position der SPD zur sachgrundlosen Befristung kund-
zutun .


(Beifall bei der SPD)


Ja, auch die SPD will Arbeitsverträge verbieten, die
ohne jede Begründung nur auf Zeit abgeschlossen wer-
den . Solche Arbeitsverträge brauchen wir nicht .


(Beifall bei der SPD)


Sie schwächen die Position von Beschäftigten und ver-
sperren gerade jungen Menschen die Möglichkeit, sich

eine gute Lebensperspektive aufzubauen und die eigene
Zukunft zu planen .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Was folgt daraus politisch?)


Ich verstehe an dieser Stelle die hartnäckige Verweige-
rung unseres Koalitionspartners CDU/CSU, hier endlich
etwas zu ändern, nicht .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und
CSU, wollen doch unbedingt, dass sich junge Menschen
in Deutschland für Kinder und Familie entscheiden . Hier
haben Sie eine wunderbare Möglichkeit. Schaffen Sie
endlich die sachgrundlosen Befristungen ab, und Sie ha-
ben auf der Stelle eine wirksame Maßnahme zur Gebur-
tensteigerung . Denn Untersuchungen belegen klar, dass
unbefristet Angestellte mehr Kinder haben als Beschäf-
tigte in einem befristeten Arbeitsverhältnis .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Das würde den Staat überhaupt nichts kosten . Eine
sehr gute Maßnahme wäre das . Ich frage Sie: Warum
schlagen Sie sich in einer so wichtigen Frage auf die Sei-
te der Unternehmen und Personalabteilungen?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Weiß sie eigentlich, dass wir zusammen regieren?)


Schon klar: Personalchefs und -chefinnen haben weniger
Arbeit und größere Rechtssicherheit mit dieser Art von
Verträgen . Aber denken Sie doch bitte auch an die jungen
Menschen . Haben sie kein Recht auf einen guten Start ins
Berufsleben? Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU
und CSU, Sie könnten gleichzeitig auch die Lebenssitua-
tion vieler Frauen deutlich verbessern . Die aktuelle Aus-
gabe von arbeitsmarkt aktuell des DGB aus diesem Mo-
nat fasst die Sachlage sehr gut zusammen – ich zitiere –:


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben wir alle nicht abonniert!)


Befristete Beschäftigungen nehmen immer mehr
zu . Inzwischen haben 3,2 Mio . Menschen nur ein
befristetes Arbeitsverhältnis . Bei Männern sind
38 Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträ-
ge befristet, bei Frauen sind es sogar 47 Prozent . Vor
allem junge Menschen sind betroffen. Befristungen
schaffen nicht nur berufliche Unsicherheiten, son-
dern sind oft auch mit deutlichen Lohneinbußen
verbunden .

Schlimm ist, dass etwa die Hälfte aller Befristungen
ohne sachlichen Grund ist .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In welchem Ministerium sind eigentlich die meisten unbefristeten Arbeitsverträge?)


Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU:
Geben Sie sich einen Ruck, und machen Sie dem Spuk
endlich ein Ende! Unsere Unterstützung haben Sie .


(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Kümmern Sie sich um unbefris Martin Patzelt tete Arbeitsverhältnisse in Ihren Ministerien! Da gibt es die meisten!)





(A) (C)


(B) (D)


Sie, meine Kolleginnen und Kollegen der Linken und
Grünen, werden uns gleich dazu auffordern, für den Ge-
setzentwurf zu stimmen, um damit die sachgrundlosen
Befristungen abzuschaffen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nach dieser Rede würde ich das auch tun!)


Das werden wir nicht ohne die CDU/CSU tun; denn wir
haben gemeinsam einen Koalitionsvertrag geschlossen .
Darin steht, dass CDU, CSU und SPD nur gemeinsam
stimmen werden . Daran halten wir uns auch . Das würden
Sie genauso erwarten, wenn wir eine Koalition hätten .


(Beifall bei der SPD – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein! Ich würde so was erst gar nicht unterschreiben!)


Nun ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen der
Linken . Natürlich können Sie hier im Bundestag immer
wieder dieselben Anträge und sogar wortgleiche Geset-
zesinitiativen einbringen .


(Zurufe von der LINKEN: Ja!)


Das ist in einer Demokratie Ihr gutes Recht . Wenn wir
aber heute auf Ihre Initiative hin zum siebten Mal das-
selbe Thema diskutieren und dieselben Argumente zum
siebten Mal austauschen, so frage ich mich: Fällt Ihnen
nichts Weiteres ein?


(Beifall bei der SPD)


Ist Ihnen zum Ende der Legislaturperiode die Puste aus-
gegangen?

Ich hätte mich gefreut, heute mit Ihnen zum Beispiel
über Arbeit auf Abruf zu sprechen . Bei dieser unwürdi-
gen Beschäftigungsmöglichkeit erfahren die Beschäftig-
ten immer erst kurz vorher, wann und wie lange sie zur
Arbeit kommen sollen . Theoretisch müssen sie mindes-
tens vier Tage im Voraus informiert werden . Praktisch
sind die Beschäftigten aber meist auf die Arbeitseinsät-
ze und auf das damit verbundene Geld angewiesen und
beschweren sich nicht, wenn ganz kurzfristig ein Anruf
vom Arbeitgeber kommt . Diese Art der Arbeit macht
Planbarkeit und eine weitere Arbeit für die Betroffenen
gänzlich unmöglich . Auch solchen Entwicklungen müs-
sen wir einen Riegel vorschieben . Wo, so frage ich, bleibt
da die Linke?


(Lachen bei der LINKEN – Katja Kipping [DIE LINKE]: Das ist doch peinlich, Frau Hiller-Ohm! Sie haben jeden Antrag von uns abgelehnt!)


Ich kann mich an keinen sonst so gerne hier im Plenum
von Ihnen losgelassenen Empörungsschrei erinnern . Nur
Zwischenrufe haben Sie an dieser Stelle .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist dreist!)


Wir werden mit unserem derzeitigen Koalitionspart-
ner, CDU/CSU, an dieser Stelle leider auch nicht mehr
weiterkommen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich dachte, Sie wollten sich einmal bedanken für die gute Zusammenarbeit! Das wäre langsam Zeit! Wir tragen Sie hier durch! Wir haben einen Erfolg nach dem anderen bei den Umfragen, und Sie beschweren sich! Das finde ich nicht richtig!)


Aber wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
werden uns in unserem Regierungsprogramm, das wir
am Wochenende in Dortmund beschließen, gegen diese
ausbeuterischen Arbeits- und Beschäftigungsmöglich-
keiten aussprechen .


(Beifall bei der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824102100

Frau Kollegin, lassen Sie kurz vor Schluss noch eine

Zwischenfrage zu?


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1824102200

Wir wollen gute Arbeit und faire Löhne, damit Alten-

pfleger, Erzieher, Krankenschwestern, Busfahrer, Kassie-
rerinnen und alle hart arbeitenden Menschen in unserem
Land für ihre verantwortungsvollen Tätigkeiten endlich
gerecht entlohnt werden und ihre Arbeit so wertgeschätzt
wird, wie sie es verdienen .

Wir haben auch gute Konzepte für Steuer und Ren-
te vorgelegt, die zeigen, wie soziale Gerechtigkeit in
Deutschland funktionieren kann .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie können auch weiterhin den Kopf in den Sand stecken!)


Ich komme zum Schluss .


(Heiterkeit bei der SPD)


Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken und auch
der Grünen, sollten sich genau überlegen, in welchem
Land Sie leben wollen


(Volker Kauder [CDU/CSU]: In einem CDU/ CSU-Land!)


und ob es der richtige politische Weg ist, den konservati-
ven Kräften direkt oder indirekt den Weg zu ebnen . Gute
Arbeit und Verbesserungen für die Menschen, die für
sich und ihre Familien hart schuften müssen,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das mit dem Schluss hat aber nicht geklappt! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Können Sie noch einmal nach Martin rufen?)


um über die Runden zu kommen, gibt es nur mit einer
starken Sozialdemokratie und mit starken Gewerkschaf-
ten .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben in den letzten Jahren schon vieles erreicht
und das Leben der Menschen verbessert .

Gabriele Hiller-Ohm






(A) (C)



(B) (D)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824102300

Frau Kollegin .


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1824102400

Wir werden weiter kämpfen .


(Beifall bei der SPD – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Jetzt noch nach Martin rufen!)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824102500

Ich gebe der Kollegin Kipping für die Fraktion Die

Linke Zeit für eine Kurzintervention .


Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824102600

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Frau Hiller-Ohm, Sie

haben hier mit viel Verve über das Thema „Arbeit auf
Abruf“ gesprochen . Mal abgesehen davon, dass es na-
türlich ein Thema ist, mit dem sich die Linke beschäftigt
und zu dem wir tolle Vorschläge gemacht haben: Verste-
he ich Ihren Einwurf jetzt richtig, dass Sie als SPD, wenn
wir als Linke jetzt einen Antrag zu dem Thema einbrin-
gen, dem zustimmen werden, um dieses wichtige Thema
wirklich in Angriff zu nehmen?


(Beifall bei der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824102700

Frau Kollegin, möchten Sie darauf antworten? – Ja .


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Links reden, rechts abstimmen!)



Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1824102800

Das war ja nun eine tolle Frage .


(Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Danke schön . Natürlich würden wir dem nicht zustim-
men . Aber Sie und auch wir hätten dann doch die Gele-
genheit, über dieses Thema hier im Plenum öffentlich zu
diskutieren und unsere Positionen auszutauschen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das machen Sie doch gerade!)


Das wäre toll . Denn wir haben eine Position dazu, sind
aber mit dem Koalitionspartner verbunden – das wissen
Sie doch auch .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Gehen Sie doch mal gemeinsam Kaffee trinken!)


So, wie wir es vereinbart haben, werden wir gemeinsam
stimmen . Das ist doch richtig so . Aber Sie haben die
Chance verpasst, hier im Plenum ein Thema, das für viele
Menschen wichtig ist, anzusprechen und zu diskutieren .
Diese Chance haben Sie verpasst, und das finde ich scha-
de . Wenn Sie siebenmal das gleiche Thema „sachgrund-
lose Befristung“ hier aufs Tapet bringen, dann ist das toll
und Ihr Recht . Aber Sie vertun eine Chance, und Sie ge-

ben uns nicht die Chance, uns hier zum Thema „Arbeit
auf Abruf“ auszutauschen .


(Beifall bei der SPD – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Was zu beweisen war! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut! Bravo! Gut, dass ihr darüber geredet habt!)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824102900

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Wir machen jetzt in der

Aussprache weiter . Als Nächster hat Klaus Ernst für die
Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824103000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ein Glanzstück war das natürlich nicht, Frau
Hiller-Ohm . Ich verstehe, Sie sind in einer schwierigen
Lage .


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Gar nicht! In einer guten!)


Aber dass man einfach das Thema wechselt, weil man
bei dem anderen Thema nicht mehr aus der Mühle he-
rauskommt, ist nicht besonders überzeugend .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU])


Wir wollen einen funktionierenden Arbeitsmarkt,
der den Wert der Arbeit anerkennt . Zugleich müssen
die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass
die Menschen mit mehr Zuversicht in die Zukunft
blicken können . Deshalb werden wir die sachgrund-
lose Befristung abschaffen, um insbesondere jungen
Menschen Perspektiven und mehr Planbarkeit für
ihr berufliches und privates Leben zu ermöglichen.

Warum klatschen Sie denn nicht? Das ist Ihr Wahl-
programm .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber Sie sind nicht einmal in der Lage, dann zu klatschen,
wenn es um Ihr Wahlprogramm geht . Liebe Freundinnen
und Freunde von der SPD, weil wir so freundlich sind,
geben wir Ihnen heute mit unserem Antrag die Chance,
diesen Teil Ihres Programms noch vor der Wahl umzu-
setzen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich sage Ihnen auch, warum das Ihre Chance ist: weil
Sie zurzeit so auftreten und von Fehler zu Fehler tapsen,
dass ich glaube, dass Sie nach der Wahl überhaupt nicht
mehr dazu in der Lage sind – das ist das Problem –, ent-
weder, weil Sie sich auf die Große Koalition einlassen,
oder, weil sich Frau Merkel einen noch bequemeren Ko-
alitionspartner sucht .


(Zurufe von der SPD)


In der Opposition werden Sie dann wieder links – das
ist nichts Neues . Nehmen Sie also Ihr Programm ernst,
und stimmen Sie heute unserem Antrag zu, die befristete






(A) (C)



(B) (D)


Beschäftigung abzuschaffen! Dann machen Sie wenigs-
tens zum Schluss etwas Vernünftiges, meine Damen und
Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Laut DGB hatten im Jahr 2015 3,2 Millionen Men-
schen nur noch eine befristete Beschäftigung . Die Hälf-
te der Befristungen war sachgrundlos . Fast jede zweite
Neueinstellung – 42 Prozent – erfolgte nur noch befris-
tet . Und Sie berufen sich auf den Koalitionsvertrag, um
zu begründen, dass Sie da nichts ändern müssen . Das ist
traurig, meine Damen und Herren, richtig traurig!


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824103100

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kol-

legen Weiler zu?


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824103200

Ja, aber gerne .


Albert Weiler (CDU):
Rede ID: ID1824103300

Herr Ernst, ich habe da jetzt schon mit Spannung zu-

gehört . Ich bin jetzt etwas später gekommen; ich habe Sie
schon von draußen gehört .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das schadet in der Regel nicht!)


Ich habe Angst, dass Sie hier noch einen Herzinfarkt
bekommen . Deshalb wollte ich Sie mal etwas dämpfen .
Meine Frage: Ist die Angst jetzt so groß, dass die SPD
nicht mit Ihnen koalieren will, dass Sie hier jetzt solche
Schreiparaden machen?


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden jetzt dem Thema aber auch nicht gerecht!)


Wissen Sie, die Befristung als solche – ich habe es
Ihnen schon mal gesagt –, auch für zwei Jahre, schafft
Arbeitsplätze .


(Zurufe von der LINKEN)


Ich werde es jetzt wiederholen: Als langjähriger Bürger-
meister hatte ich viele befristet Beschäftigte, die ich aber
fast alle in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis
übernommen habe . Diese befristeten Arbeitsverhältnis-
se haben mir die Möglichkeit gegeben, festzustellen, ob
die Betreffenden ins Team passen. Viele, die ins Team
gepasst haben, habe ich behalten . Diejenigen, die nicht
ins Team gepasst haben, sind gegangen . Wenn das anders
gewesen wäre, wäre das für beide Seiten nicht gut gewe-
sen, weder für den Angestellten noch für das Team; denn
letztendlich muss das System funktionieren . In meiner
Gemeinde funktioniert es gut .


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie denn eigentlich?)


Durch Geschrei, Geplärre, so eine Ausdrucksweise und
Beschimpfungen wird das Ganze nicht besser . Das wird
auch den Angestellten nicht gerecht, selbst wenn ich be-

rücksichtige, dass wir uns in der Wahlkampfzeit befin-
den .

Danke schön .


(Zurufe von der LINKEN: Weiterreden! – Weiterreden! – Nicht aufhören!)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824103400

Lieber Kollege, ich empfehle Ihnen, zuerst unseren

Gesetzentwurf zu lesen und dann eine Zwischenfrage zu
stellen . Wenn Sie das getan hätten, hätten Sie bemerkt,
dass es nicht generell um Befristungen, sondern allein
um die sachgrundlose Befristung geht . Das ist der erste
Punkt .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ihr zweiter Punkt betrifft die Aussage, dass wir Angst
hätten, die SPD koaliert nicht mit uns . Das Problem ist
nicht, dass wir Angst haben, dass sie nicht mit uns koa-
liert . Das Problem ist vielmehr, dass die SPD so wenige
Stimmen bekommen könnte, dass sie gar nicht mit uns
koalieren kann . Das ist das Problem . Das wäre bedau-
erlich; denn wenn es so käme, bekäme es die SPD, die
ja die Position vertritt, die sachgrundlose Befristung ab-
zuschaffen, faktisch nicht hin, weder mit Ihnen von der
Union – das haben Sie gerade bewiesen – noch mit der
FDP, mit der sie möglicherweise koaliert . Dann bliebe
alles so, wie es ist . Es würde sich dann nichts ändern,
obwohl der Zustand, so wie ich ihn beschrieben habe,
absolut unakzeptabel ist .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich sage das alles so laut, Kollege, weil es mich nervt,
dass wir seit zwölf Jahren diskutieren und uns eigentlich
einig sind, dass wir wieder Ordnung auf dem Arbeits-
markt brauchen,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie waren immer so laut, nicht nur heute!)


und dass Sie zusammen mit Ihrem Koalitionspartner –
Sie haben Mitschuld; das war Ihr Koalitionspartner nicht
alleine – Bremser sind . Sie sitzen hinten und bremsen
den Zug .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Wir fahren den Zug!)


Ich sage Ihnen: Sie werden den Zug auf Dauer nicht
bremsen können . Das Interesse der Menschen an ver-
nünftiger Arbeit wird sich durchsetzen, mit Ihnen oder
ohne Sie, Herr Weiler .


(Beifall bei der LINKEN)


Damit habe ich die Frage ausreichend beantwortet . Sie
dürfen sich wieder setzen .

Jede zweite Neueinstellung erfolgt nur noch befristet .
Ich sage Ihnen: Das ist ein Skandal angesichts der wirt-
schaftlichen Entwicklung unserer Republik. Betroffen
sind vor allem junge Menschen . Sie hangeln sich häu-
fig von einem befristeten Job zum nächsten. Sie leben in
ständiger Planungsunsicherheit . Ihr Spitzenkandidat sagt
dazu: Das kann nicht unser Angebot für die Jugend sein;

Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


darum werden wir die Möglichkeit der sachgrundlosen
Befristung von Arbeitsverträgen abschaffen. – Dann ma-
chen Sie es doch! Nicht nur Blabla, sondern Taten, liebe
Kolleginnen und Kollegen!


(Beifall bei der LINKEN – Gabriele HillerOhm [SPD]: Ja, und das machen wir auch!)


Wie wir wissen, erhalten befristet Beschäftigte einen
Lohn, von dem sie kaum leben können . Der Anteil der
Niedriglohnbeschäftigten mit befristetem Vertrag liegt
bei 30 Prozent . Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaft-
liche Institut hat festgestellt: Über ein Viertel der befristet
Beschäftigten unter 35 Jahre verdient mit einer Vollzeit-
tätigkeit weniger als 1 100 Euro . Unternehmen missbrau-
chen Befristungen – genauso wie die Leiharbeit – zum
Drücken der Löhne . Das wissen Sie . Sie hätten die Chan-
ce, das zu ändern . Selbst der Deutsche Bundestag macht
diesen Unfug mit . Künftig sollen selbst die Beschäftig-
ten des Fahrdienstes des Deutschen Bundestags, also die
Fahrerinnen und Fahrer, die uns herumkutschieren, nur
noch auf ein Jahr befristete Arbeitsverträge erhalten . Aus
welchem sachlichen Grund? Rechnen Sie damit, dass es
uns in einem Jahr nicht mehr gibt, weil die AfD so stark
wird?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wovon reden Sie eigentlich?)


Wie kann man denn überhaupt auf die Idee kommen,
Leute, die uns teilweise schon 20 Jahre durch die Gegend
fahren, nur noch befristet einzustellen?


(Beifall bei der LINKEN)


Sie schreiben im Leitantrag Ihres Parteivorstandes
zum Parteitag: „Den öffentlichen Arbeitgebern kommt
hier eine besondere Verantwortung zu .“ Damit haben Sie
recht . Dieser Verantwortung werden Sie aber nicht ge-
recht .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824103500

Herr Kollege, es gibt erneut Bedarf an einer Zwi-

schenfrage .


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824103600

Gerne . Wer denn?


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824103700

Aus der SPD-Fraktion .


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824103800

Aha . Okay .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sollen wir das Mikrofon etwas leiser drehen?)


– Nein, sonst wacht Ihr nicht auf .


Michaela Engelmeier (SPD):
Rede ID: ID1824103900

Dieses Mal ist es die Sozialdemokratie, Herr Ernst . –

Sie haben gerade den Kollegen von der Union darauf hin-
gewiesen, dass die sachgrundlose Befristung der aktuelle

Tagesordnungspunkt ist . Ich bin mir nicht ganz sicher, ob
auch Sie das verstanden haben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich habe den Eindruck, dass Sie glauben, dass es sich um
den Tagesordnungspunkt „SPD-Bashing“ handelt .


(Heiterkeit bei der SPD)


Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Es ist doch unglaub-
lich, was Sie da gerade erzählen . Nehmen Sie doch un-
ser Wahlprogramm zur Kenntnis! Wir Sozialdemokraten
sind diejenigen, die immer dafür gesorgt haben, dass die
Arbeitnehmerrechte gestärkt werden . Vielleicht kommen
wir einfach zum Thema zurück . Sagen Sie uns noch ein
bisschen was zur sachgrundlosen Befristung . Dann ha-
ben wir alle gewonnen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824104000

Liebe Frau Kollegin, wenn Sie zugehört hätten, hätten

Sie genau gemerkt, dass ich das mache . Ich wollte Ihnen
etwas zu Ihrem Wahlprogramm sagen, zu dem, was da
drinsteht . Wissen Sie, was das Problem ist? Da kommt so
viel heiße Luft, dass man eigentlich einen Heißluftballon
damit füllen könnte .


(Heiterkeit bei der LINKEN – Katja Mast [SPD]: Ach komm! – Weitere Zurufe von der SPD)


Spätestens heute werden die Menschen wieder mer-
ken, ob Sie das, was Sie sagen, ernst meinen oder ob Sie
das, was Sie sagen, nur als Blabla für die Bevölkerung
verbreiten . Wissen Sie, ich würde mir wünschen, liebe
Kolleginnen und Kollegen, dass Sie durch dieses Bla-
bla wenigstens in den Umfragewerten steigen würden .
Aber die Menschen durchschauen es, wenn Sie einerseits
eine Forderung erheben, aber hier im Deutschen Bun-
destag das Gegenteil machen und so dafür sorgen, dass
alles beim Alten bleibt . Das ist nicht aufrichtig . Das ist
im Prinzip ein angesagter Betrug am Wähler: wenn man
etwas sagt, aber gleichzeitig weiß, man kriegt es nicht
hin, weil es mit der FDP nicht geht oder mit der CDU/
CSU nicht hinzukriegen ist . Das ist die Wahrheit, liebe
Kolleginnen und Kollegen . Mit dieser müssen Sie sich
auseinandersetzen .

Deshalb unser Antrag . Damit das für alle klar ist: Wir
wollen hier heute dafür sorgen, dass die Menschen, die
befristete Arbeitsverträge haben – nicht nur die, die hier
sitzen und uns zuhören –, vor allem die vielen jungen
Menschen, übrigens überwiegend Frauen, wieder eine
echte Chance am Arbeitsmarkt haben, dass sie nicht
mehr befristet beschäftigt sind, sondern dass sie Pla-
nungssicherheit haben . Diese Chance können Sie heute
mit uns nutzen, indem Sie zustimmen . Wenn Sie es nicht
tun, verlieren Sie Ihre Glaubwürdigkeit endgültig, liebe
Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der LINKEN)


Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


Meine Damen und Herren, um es noch einmal deut-
lich zu machen: Wie ist es denn in den Ministerien, die
Sie führen? Wie ist es denn bei der öffentlichen Hand?


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Wie ist es bei den SPD-geführten Ministerien?)


Sie schreiben ja im Leitantrag, öffentliche Arbeitgeber
hätten eine besondere Verantwortung . Da haben Sie
recht . Aus der Antwort auf unsere Kleine Anfrage ergibt
sich, dass sich im Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, also eines
SPD-geführten Ministeriums,


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja, genau!)


der Anteil der Befristungen im Zeitraum von 2007
bis 2015 nahezu versechsfacht hat . Inzwischen sind
17,2 Prozent dort nur noch befristet beschäftigt .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Also lassen Sie uns da mal raus!)


13,7 Prozent aller Beschäftigten dort haben nur einen be-
fristeten Arbeitsvertrag ohne sachlichen Grund .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Na, so was!)


– Ja, genau . Darüber rege ich mich auch auf . Sie sich
auch . Da haben Sie ausnahmsweise einmal recht . – Des-
halb sage ich Ihnen: Es geht darum, erst im eigenen Haus
auszumisten, bevor man hier die großen Töne spuckt .


(Beifall bei der LINKEN)


Im Geschäftsbereich von Frau Nahles, im Bundesmi-
nisterium für Arbeit und Soziales, waren fast die Hälfte
aller Befristungen im Jahr 2016 sachgrundlos, nämlich
41,6 Prozent .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Oha!)


Das ist ein Armutszeugnis und beweist wieder: Wenn Sie
das wirklich ändern wollen, dann geht das nicht durch
dolle Sprüche .

Von wegen SPD-Bashing . Ich wäre froh, wenn es an-
ders wäre, das können Sie mir glauben .


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD)


Dann hätten wir zusammen nämlich die Chance, das zu
ändern . Wir wären wahrscheinlich die einzige Koalition,
die das wirklich ändern könnte . Aber Sie machen eine
Politik – auch indem Sie heute unseren Antrag ableh-
nen –, die dazu führt, dass Sie draußen kein Mensch mehr
ernst nimmt . Das ist ein Problem . Ich hätte es auch gerne
anders . Aber dafür sind nicht wir mit unserem Antrag,
sondern Sie mit Ihrem Handeln verantwortlich . Ändern
Sie Ihr Handeln! Schaffen Sie die befristete Beschäfti-
gung heute mit uns ab!

Ich danke Ihnen für das Zuhören .


(Beifall bei der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824104100

Vielen Dank, Herr Kollege Ernst . – Als Nächstes er-

teile ich das Wort Herrn Karl Schiewerling für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1824104200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Dies ist wieder einmal eine
Debatte, in der sich die Union fröhlich zurücklehnen
kann; denn es scheint ja im Augenblick nichts Wichti-
geres zu geben als die Auseinandersetzung zwischen den
Linken und der SPD . Ich will Ihnen sagen: Uns geht es
um die Menschen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und der LINKEN: Oh!)


Das ist keine billige Polemik . Ich will Ihnen sagen, wo-
rum es geht: Erst das Land, dann die Menschen und ganz
am Schluss die Partei .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Oh ja!)

Wenn wir dies in unserer Bevölkerung nicht deutlich ma-
chen, werden wir auch kein Vertrauen aufbauen . Deswe-
gen bin ich etwas befremdet über die Art der Diskussion .
Aber ich könnte mich auch fröhlich zurücklehnen und
sagen: Lass sie mal .

Meine Damen und Herren, als ich 2005 in den Deut-
schen Bundestag gewählt wurde, gab es in Deutschland
circa 5 Millionen Erwerbslose . Damals entstand die
zweite Große Koalition . Wir hatten hohe Staatsschulden .
Die Rentenversicherung brauchte im September des Jah-
res Geld, um überhaupt die Renten auszahlen zu können .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Ihr habt ja auch einige Steuern gesenkt vorher!)


Den Betrieben ging die Luft aus . Es gab jede Menge
Insolvenzen . Ich will Ihnen sagen: Den Beschäftigten
haben der hohe Kündigungsschutz und eine unbefristete
Beschäftigung in dem Moment überhaupt nicht gehol-
fen . – Wenn wir über unbefristete Beschäftigung bzw .
unbefristete Anstellungsverhältnisse diskutieren, dann
können wir darüber nicht im luftleeren Raum diskutie-
ren, sondern müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedin-
gungen und die jeweilige betriebliche Situation im Blick
behalten .


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sachgrundlose Befristung ist ein Flexibilisierungsin-

strument für die Unternehmen . Ich will nicht bestreiten,
dass in manchen Unternehmen systematischer Miss-
brauch damit betrieben wird .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Müssen wir ändern!)


Ich bezweifle aber, ob die Statistiken, die uns vorliegen,
die reale Situation wiedergeben, wenn ich mir anschaue,
wer alles eingerechnet wird, zum Beispiel Auszubilden-
de .

Was uns in der Tat umtreibt, ist nicht die Tatsache,
dass über dieses Thema in den Parlamenten diskutiert

Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


wird, sondern dass in den eigenen Ministerien und Be-
hörden – da gebe ich dem Kollegen Ernst ausnahmsweise
recht – die sachgrundlose Befristung als Instrument bei
der Einstellung genutzt wird, ebenso in den Kommunen
und Landratsämtern . Herr Kollege Ernst, schauen Sie
einmal nach Thüringen . Sie werden in dem von Ihrer Par-
tei regierten Bundesland nichts anderes feststellen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das heißt ja nicht, dass es richtig ist!)


Aus den Personalabteilungen der Unternehmen hören
wir, man könnte auch mit jeder Menge begründeter Be-
fristungen arbeiten . Das ist aber in nicht geringen Fällen
klageanfällig .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da muss man an der Stelle was regeln!)


Die sachgrundlose Befristung ist ein wichtiges Instru-
ment, um Beschäftigung zu schaffen, und das ist ja auch
gelungen .

Wir erleben in dieser Debatte, dass ein Partikular-
bereich herausgenommen wird, der aufgrund der gu-
ten Konjunktur, in der wir uns befinden, plötzlich zum
Topthema wird .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon lange ein Thema!)


Das Topthema ist, dass wir so viele sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigung haben wie seit der Wiederverei-
nigung nicht mehr . Das Topthema ist, dass die Arbeitslo-
senzahlen auf einem niedrigen Niveau sind .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Und die Armutsquote?)


Das Topthema ist, dass die Betriebe qualifizierte Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer suchen . Topthema ist
auch, dass wir erstmalig über Fachkräftemangel diskutie-
ren, während wir vor zehn, zwölf Jahren noch über hohe
Arbeitslosigkeit diskutiert haben . Die sachgrundlose Be-
fristung ist nicht das entscheidende Thema .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, es treibt auch uns um, dass
im Wissenschaftsbetrieb an den Universitäten bevorzugt
mit sachgrundloser Befristung gearbeitet wird . Nirgend-
wo gibt es so viel befristete Beschäftigung wie in diesem
Bereich .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Dafür haben Sie doch gesorgt!)


Die wenigste befristete Beschäftigung werden Sie übri-
gens in der Wirtschaft finden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht beim Thema „sachgrundlose Befristung“ um
zwei Aspekte . Es geht zum einen um Flexibilität für die
Betriebe, es geht aber auch um Sicherheit für die Be-
schäftigten . Wir haben ein großes Interesse daran, dass
wir von Sicherheiten sprechen, die wirken, und nicht von
sogenannten Scheinsicherheiten .

Was wirkt? Für die Beschäftigten wirkt zunächst ein-
mal, wenn die Betriebe in einer guten wirtschaftlichen
Verfassung sind und die Arbeitsplätze sicher sind . Das
ist das beste Mittel, um langfristig Beschäftigung zu or-
ganisieren . Ich habe aber schon deutlich gemacht, dass
die besten Schutzinstrumente nicht greifen und nichts
nutzen, wenn sich die wirtschaftliche Situation abschwä-
chen sollte . Die Menschen werden, wenn die Insolvenz
eintritt, genauso arbeitslos . Wir tun alles dafür, dass kei-
ne Insolvenzen eintreten . Wir machen eine Wirtschafts-
politik mit Augenmaß . Diese Wirtschaftspolitik, diese
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sichert Arbeitsplätze und
gibt den Menschen eine gute Zukunft .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein weiterer Aspekt, den wir brauchen, um für Sicher-
heit zu sorgen – da sind die meisten hier im Hohen Haus
wahrscheinlich bei mir –, ist eine ordentliche und starke
Mitbestimmung . Für die Sicherheit für die Beschäftigten
sorgt in dem Fall, dass es wirtschaftlich danebengeht, ein
tragfähiges soziales Netz, das den Einzelnen vorüberge-
hend auffängt.

Meine Damen und Herren, die Abschaffung der sach-
grundlosen Befristung ist für uns nicht das Thema . Wir
werden deswegen, nicht nur, weil wir in einer Koalition
mit der SPD sind, sondern aus Überzeugung, diesen An-
trag ablehnen .

Ich glaube, dass uns die Frage der sachgrundlosen Be-
fristung auch im Zusammenhang mit dem Thema Digi-
talisierung, also der aktuellen Entwicklung auf dem Ar-
beitsmarkt, beschäftigen wird . Dabei geht es um Fragen
der Sicherheit und um die Frage, ob das eigentliche Ziel,
dass der Mensch im Mittelpunkt der Wirtschaft und im
Mittelpunkt unseres gesellschaftlichen Handelns steht,
erreicht wird . In der katholischen Soziallehre, im Kon-
zilsdekret „Gaudium et Spes“ heißt es: Ursprung, Ziel
und Zentrum allen Wirtschaftens ist der Mensch . – Das
ist aber keine Anforderung an den Staat und seine Ge-
setzgebung allein; das ist eine Frage nach dem Verständ-
nis, wie wir unsere Wirtschaft gestalten . Geld allein, Um-
satzrendite allein, Kapital allein ist kein Selbstzweck, es
hat dem Menschen zu dienen .


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich sage Ihnen: Unternehmen, die dies aus dem Blick
verlieren, haben keine Perspektive am Markt . Wer nur
mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen arbeitet, nur
mit Minijobs, nur mit prekären Beschäftigungsverhält-
nissen, nur mit Zeit- und Leiharbeit, wird als Unterneh-
men keine Zukunft haben .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dafür gibt es ziemlich viele davon!)


Ich habe das erlebt, als wir 2010 gemeinsam mit den
FDP-Kollegen die sogenannte Schlecker-Drehtürklausel
eingeführt haben . Damals haben wir Schlecker verboten,
Menschen in ihre eigenen Zeitarbeitsfirmen zu entsen-
den, um sie dann zu niedrigeren Löhnen wieder einzu-

Karl Schiewerling






(A) (C)



(B) (D)


stellen . Wissen Sie, was das Ergebnis war? Schlecker
gibt es nicht mehr .


(Katja Mast [SPD]: Aber nicht deshalb, Karl! – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Das hat doch andere Gründe gehabt!)


Wer so mit Menschen umgeht, muss wissen, dass sein
Betrieb langfristig keine Perspektive hat; das ist ein ent-
scheidender Punkt . Das richtet sich nicht nur an die Poli-
tik, das richtet sich auch an die Unternehmen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, es geht auch um andere
Fragen . Es geht zum Beispiel um die Frage, welche Rah-
menbedingungen wir sonst noch setzen, damit Menschen
in Deutschland eine gute Perspektive haben . Ich sage Ih-
nen nur, dass ich mit großer Sorge betrachte, dass wir da-
bei sind, viele gesellschaftliche Leitplanken zu zerstören .
Für mich ist eine Leitplanke die Aufrechterhaltung des
Sonntagsschutzes . Das ist keine Beliebigkeit, sondern
hat etwas mit einer gesunden Entwicklung in unserer Ge-
sellschaft zu tun .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Eines erfüllt mich mit großer Sorge: Ich glaube, dass
die eigentliche Aufgabe darin liegt, alles dafür zu tun,
dass Menschen auf Dauer mit ihrer eigenen Hände Arbeit
und ihres eigenen Kopfes Arbeit ihren Lebensunterhalt
verdienen können . Dabei habe ich die Menschen mit Be-
hinderungen im Blick, die kein Sprachrohr und keine lau-
te Lobby haben . Es gibt die einen, die eine laute Lobby
haben, und die anderen, die keine haben . Für die haben
wir uns einzusetzen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben uns auch einzusetzen für die Langzeitarbeits-
losen, die nur mit externer Hilfe langfristig eine Perspek-
tive auf dem Arbeitsmarkt bekommen .

Besonders treibt mich die Situation der Kinder und
Jugendlichen um – lassen Sie mich auch das an dieser
Stelle erwähnen –, die aus Familienverhältnissen kom-
men, in denen man schon seit Generationen überwiegend
von Sozialhilfe lebt . Wenn wir dort nicht einsteigen,
verspielen wir die Zukunft unseres Landes . Die Zukunft
unseres Landes wird verspielt, wenn wir uns nicht um
Kinder kümmern oder die Rahmenbedingungen so set-
zen, dass Kinder gar nicht erst geboren werden . Ich sage
Ihnen: Die Zukunft, auch die Zukunft unserer Wirtschaft
hängt davon ab, ob wir Familien haben, die Stabilität und
Sicherheit geben, ob wir Familien haben, die Ja sagen
zu Kindern . Wenn dies gegeben ist und die Wirtschaft in
einer guten Verfassung ist, ist mir bei den anderen Fragen
der sozialen Absicherung ernsthaft nicht bange .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ein Abgeordnetenmandat
ist ein Mandat auf Zeit . Mit der Konstituierung des neuen
Bundestages nach der Bundestagswahl endet mein Man-
dat hier im Deutschen Bundestag .


(Katja Mast [SPD]: Befristet!)


Ich will deswegen die Gelegenheit gerne nutzen – ich
hoffe, Sie haben Verständnis –, ein herzliches Wort des
Dankes zu richten an die Menschen in meinem Wahl-
kreis, die mich seit 2005 mit überwältigender Mehrheit
direkt als ihren Vertreter in den Deutschen Bundestag
gewählt haben . Damit verbinde ich einen Dank und ei-
nen Riesenrespekt vor den unglaublich vielen Ehrenamt-
lichen, die der Kitt unserer Gesellschaft sind und diese
Gesellschaft zusammenhalten .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Ich sage ein herzliches Dankeschön an die Kollegin-
nen und Kollegen hier im Deutschen Bundestag, egal
welcher Fraktion sie angehören . Ich habe den Eindruck,
dass ich in keiner Sitzung des Deutschen Bundestages
dümmer geworden bin . Der Erkenntnishorizont hat sich
zwar nicht im jeweiligen Tempo erweitert, aber ich habe
hier immer ein gutes und faires Miteinander erlebt .

Ich bitte um Verständnis, dass ich ein besonderes Wort
des Dankes an meine Fraktion und meine Arbeitsgrup-
pe „Arbeit und Soziales“ sage . Sehr herzlich danke ich
unserem Fraktionsvorsitzenden und unserer Fraktion ins-
gesamt für das Vertrauen, das sie mir bei der Erfüllung
meiner Aufgabe als Sprecher immer wieder entgegenge-
bracht haben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein Dankeschön sage ich auch den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern dieses Hohen Hauses, die immer für ei-
nen guten Sitzungsablauf gesorgt und in ihren Gesichts-
ausdrücken nie zur Kenntnis gegeben haben, was sie ei-
gentlich denken .


(Heiterkeit)


Ein herzliches Dankeschön sage ich auch meinen ei-
genen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern . Als Abgeord-
nete haben wir die Aufgabe, unserem Land zu dienen .
Dass ich dies tun konnte, verdanke ich deren Hilfe und
Unterstützung . Ich bitte um Verständnis, dass ein beson-
deres Dankeschön an meine Frau und an meine Familie
geht .

Ich scheide mit der Konstituierung des neuen Bundes-
tages aus dem Bundestag aus . Ich wünsche Ihnen persön-
lich alles erdenklich Gute . Sollte ich etwas Gutes bewirkt
haben, dann wäre ich sehr zufrieden .

Ich danke Ihnen herzlich .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824104300

Lieber Kollege Karl Schiewerling, es gibt Kollegen,

die man ungern gehen lässt . Du zählst dazu . Du hast
eben gesagt: Geld allein ist kein Selbstzweck, es hat den
Menschen zu dienen . – Dieses Zitat nehmen wir in die
nächste Legislaturperiode mit . Als du sagtest, Leitplanke

Karl Schiewerling






(A) (C)



(B) (D)


sollte sein, den Sonntagsschutz hochzuhalten, habe ich
Einstimmigkeit festgestellt . Du hast oftmals den Men-
schen, die im Schatten stehen, eine Stimme gegeben, und
du warst einer der nettesten Kollegen in unserer Landes-
gruppe .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir werden dich vermissen . Danke schön!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kollegen, wir setzen die Aussprache fort . Jetzt
hat die Kollegin Beate Müller-Gemmeke für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Herr Kollege Schiewerling, wir Grünen wün-
schen Ihnen alles Gute und ganz viele interessante und
neue Tätigkeiten . Ich mache es ganz kurz: Wir, die So-
zial- und Arbeitsmarktpolitikerinnen und -politiker der
grünen Bundestagsfraktion, werden Sie bestimmt ver-
missen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle-
ginnen und Kollegen! Wieder einmal ist heute die sach-
grundlose Befristung unser Thema . Erst vor drei Monaten
haben wir hier alle Argumente austauschen können . Die
einen waren für und die anderen gegen die sachgrundlose
Befristung . Eigentlich ist alles gesagt, und die Haltungen
sind klar . Wir Grünen bleiben dabei: Sachgrundlose Be-
fristungen sind unnötig und nicht akzeptabel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Gabriele Hiller-Ohm [SPD])


Vor mittlerweile 32 Jahren wurde die sachgrundlose
Befristung von Schwarz-Gelb eingeführt . Inzwischen ist
sie in der Arbeitswelt gängige und beliebte Praxis . Aber
„grundlos“ meint ja im Wortsinn nichts anderes, als un-
begründet zu befristen . „Unbegründet“ wiederum meint,
vom gesunden Menschenverstand aus betrachtet, durch-
aus „unberechtigt“ . Dennoch halten Sie, die Union, wei-
terhin an der sachgrundlosen Befristung fest . Die Zahl
der Befristungen steigt kontinuierlich an, und das sogar
bei sehr guter Konjunktur und obwohl freie Arbeitsplätze
teilweise gar nicht besetzt werden können . Für uns Grüne
ist das eine Fehlentwicklung, die korrigiert werden muss .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer gute Gründe hat, der kann natürlich weiterhin
befristen – ich sage es immer wieder –: vorübergehend
bei Auftragsspitzen, bei Projekten auf Zeit, bei Elternzeit
oder längerer Krankheit, zur Erprobung und sogar, wenn
der Grund in der Person liegt . Dieser Katalog an Gründen
ist noch nicht einmal abgeschlossen . Für eine Befristung
gibt es ausreichend gute Gründe, für eine sachgrundlose
Befristung aber nicht .

Lediglich in einer ganz besonderen Situation sind aus
unserer Sicht sachgrundlose Befristungen eine Zeit lang
akzeptabel, und zwar, wenn sich Menschen auf den Weg
machen, ein neues Unternehmen zu gründen . Die Linke
will auch diesen Paragrafen abschaffen. Wir wollen das
nicht . Deshalb werden wir uns heute enthalten . Es wäre
einfach toll, wenn man einmal einen Kompromiss finden
und einen gemeinsamen Antrag hinbekommen würde,
sodass tatsächlich alle zustimmen können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen diesen Paragrafen nicht streichen; wir wollen
diesen Freiraum für die Existenzgründerinnen und Exis-
tenzgründer erhalten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bei dieser Ausnahme wollen wir eine sachgrundlose
Befristung zulassen . Ansonsten wollen wir sie komplett
abschaffen. Die Union argumentiert ja gerne, das gehe
nicht, denn eine begründete Befristung bringe einen rie-
sigen Berg an Bürokratie . Dieses Argument überzeugt
uns Grüne aber überhaupt nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn jemand länger krank oder in Elternzeit ist, dann
ist eine Befristung ganz einfach zu begründen und auch
zu dokumentieren . Wenn ein Betrieb nur vorübergehend
mehr Personal braucht, dann gibt es auch dafür Gründe,
und diese Gründe kann man ebenfalls dokumentieren .
Wenn das schwierig ist – Herr Schiewerling hat das ge-
rade angesprochen –, dann will der Betrieb in der Re-
gel einfach nur flexibel bleiben. Aber genau dann geht
es doch um das unternehmerische Risiko, aber, wie der
Begriff schon sagt, das Risiko haben nicht die Beschäf-
tigten, sondern die Unternehmen zu tragen . So wäre es
richtig; alles andere ist nicht fair und auch nicht gerecht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Arbeitgeber erwarten durchaus zu Recht sichere
rechtliche Rahmenbedingungen für ihr wirtschaftliches
Handeln . Die Beschäftigten haben aber auch ein Recht
auf sichere Rahmenbedingungen . Sie brauchen sie für
ihre Lebensplanung . Deshalb wollen wir die sachgrund-
lose Befristung abschaffen.

Wir Grünen streiten für gute und für sichere Arbeit .
Wir wollen eine humane Arbeitswelt; denn das ist gut für
die Beschäftigten und den Zusammenhalt in unserer Ge-
sellschaft .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824104400

Frau Kollegin .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Langfristig und nachhaltig gedacht – Herr
Schiewerling, Sie haben das gerade angesprochen – ist
das natürlich auch gut für die Unternehmen . Deshalb
sollten Sie, die Union, endlich handeln .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vizepräsidentin Michaela Noll






(A) (C)



(B) (D)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824104500

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Als Nächstem erteile

ich dem Kollegen Markus Paschke für die SPD-Fraktion
das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Markus Paschke (SPD):
Rede ID: ID1824104600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich möchte mit meinem herzlichen Dank an dich, Karl
Schiewerling, für die gute und faire Zusammenarbeit
beginnen . Das ist meine erste Legislaturperiode, und ich
habe dich immer als harten, aber fairen Verhandlungs-
partner erlebt . Es hat Spaß gemacht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mein Dank gilt auch zwei Kolleginnen, die heute vo-
raussichtlich ihre letzte Rede halten, nämlich Brigitte
Pothmer und Waltraud Wolff. Auch mit euch hat die Zu-
sammenarbeit riesigen Spaß gemacht .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bevor ich in das Thema einsteige, muss ich gestehen,
dass ich mir vorhin echt Sorgen gemacht habe . Lieber
Klaus Ernst, diese Sorgen hast du mir mit deinem Rede-
beitrag bereitet . Ich hatte das Gefühl, ein großer Teil dei-
ner Rede zeugte davon, dass ihr Angst vor Verantwortung
und Verlässlichkeit habt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich wünsche euch, dass ihr auch einmal die Chance habt,
die Erfahrung zu machen, etwas im Interesse der Men-
schen umzusetzen, statt immer nur darüber zu reden .


(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist aber schwieriger! Bessermachen ist schwieriger als Besserreden! – Zuruf des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


Meine sehr geehrten Damen und Herren, rufen wir uns
doch noch einmal in Erinnerung: Was ist ein Normalar-
beitsverhältnis? Nach einem erfolgreichen Bewerbungs-
verfahren bekommt man einen unbefristeten Arbeitsver-
trag mit einer Probezeit . Wenn man die überstanden hat,
dann hat man ein wenig Sicherheit für sich, für seine
Lebensplanung und seine Familie . Das ist normal oder
sollte es zumindest sein . Aber viele junge Menschen,
insbesondere bis Mitte 30, kennen das gar nicht mehr .
Im Gegenteil: Sie gucken mich ungläubig an, wenn ich
„alter Mann“ erzähle, dass es so etwas einmal gab . Sie
kennen nur Unsicherheit durch Befristungen und andere
prekäre Beschäftigungsformen . Das müssen und werden
wir ändern .

Es mangelt der SPD nicht an der Erkenntnis und auch
nicht am Willen zur Umsetzung . An der Einsicht man-
gelt es leider nur unserem Koalitionspartner . Ich erinnere
mich noch gut an die Feststellung des Kollegen Oellers,
der in der Debatte im September 2015 gesagt hat: Schaut
man sich die Zahlen des Statistischen Bundesamtes an,

so stellt man fest, dass keine Schieflage und kein Hand-
lungsbedarf bestehen . – Das sehe ich völlig anders .

Wenn ich mich recht erinnere, haben alle Redner der
Union die Brückenfunktion der sachgrundlosen Be-
fristung betont . Im Armuts- und Reichtumsbericht der
Bundesregierung wird dagegen eindeutig festgestellt: Je
länger eine Befristung dauert, desto größer ist die Wahr-
scheinlichkeit, arbeitslos zu werden . Man kann hier also
weniger von Brückenfunktion, sondern mehr von Ein-
sperrfunktion reden . Prekäre Arbeit führt zu prekärer Ar-
beit und nicht zum Normalarbeitsverhältnis .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Leider konnten wir die Abschaffung der sachgrund-
losen Befristung bei der Union nicht durchsetzen . Die-
se Forderung haben wir bei der letzten Bundestagswahl
im Wahlprogramm gehabt, und wir haben sie jetzt wie-
der aufgenommen . Sie hat für uns einen sehr hohen
Stellenwert . Was wir aber durchsetzen konnten, waren
zahlreiche andere und lange nötige Verbesserungen für
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer . Wir haben die
Generation Praktikum beendet . Wir haben den Mindest-
lohn eingeführt . Wir haben das Arbeitnehmer-Entsende-
gesetz ausgeweitet sowie Leiharbeit und Werkverträge
stärker reguliert . Wir haben vieles getan, um eine gute
Arbeit zu gewährleisten .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824104700

Das war ein guter Schlusssatz, Herr Kollege .


Markus Paschke (SPD):
Rede ID: ID1824104800

Ich komme zum Schluss . Ich sehe, meine Redezeit ist

abgelaufen .

Heute stimmen wir in einer namentlichen Abstimmung
ab, aber die wahre Abstimmung, meine sehr geehrten Da-
men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, findet
am 24 . September statt . Da ist Bundestagswahl . Wer gute
Arbeit und eine Perspektive für junge Menschen möchte,
der gibt beide Stimmen der SPD .

Danke .


(Beifall bei der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824104900

Als Nächster erteile ich der Kollegin Jutta Krellmann

für die Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824105000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Markus Paschke, ich bin immer total
irritiert, wie es gelingt, die Tatsachen zu verdrehen . Wir
sind bereit, Verantwortung für die Abschaffung der sach-
grundlosen Befristungen zu übernehmen . Nach allem,
was ich bisher gehört habe, seid ihr diejenigen, die das
nicht mitmachen .


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(B) (D)


Das ist aus meiner Sicht doch eine Verdrehung der Tat-
sachen .


(Katja Mast [SPD]: Ich finde es auch spannend, wie ihr begründet, dass ihr beim Mindestlohn nicht mitgestimmt habt!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, jede zweite Befris-
tung ist eine sachgrundlose Befristung. Die betroffenen
Menschen müssen in Angst und Unsicherheit leben,
und das ohne Grund . Arbeitsverträge mit Verfallsdatum
sind nichts anderes als Disziplinierungsinstrumente . Wer
befristet beschäftigt ist, macht den Mund nicht auf und
wehrt sich nicht gegen Ungerechtigkeiten . Der Kündi-
gungsschutz ist ausgehebelt genauso wie die Chance,
sich bei betrieblichen Wahlen als Kandidatin bzw . Kan-
didat zu beteiligen . Nächstes Jahr haben wir Betriebs-
ratswahlen . Wenn das so weitergeht, werden wir es nicht
hinbekommen, die sachgrundlosen Befristungen bis zu
diesem Zeitpunkt abzuschaffen. Deswegen: Macht jetzt
mit, nicht später!


(Beifall bei der LINKEN)


Es verstößt gegen jedes Verständnis von guter Arbeit,
wenn Arbeitsverträge ohne Vorliegen eines sachlichen
Grundes befristet werden . Damit muss endlich Schluss
sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Dass der Fisch am Kopf anfängt zu stinken, zeigt sich
am inflationären Gebrauch von Befristungen in Minis-
terien dieser Bundesregierung, wo man die Chance hät-
te, das schon jetzt abzuschaffen. Hören Sie auf, prekäre
Beschäftigung zu adeln und salonfähig zu machen! Sie
machen Menschen zu Lückenbüßern, die sich marktkon-
form verhalten müssen und nach Gutsherrenart gefeuert
werden können . Manche Unternehmen wechseln so ihre
Mitarbeiter öfter als manch einer seine Socken .

Wer sachgrundlos befristet, überträgt das wirtschaftli-
che Risiko auf die Beschäftigten . Unternehmen machen
fette Gewinne, aber bei den Beschäftigten kommt nichts
an . So pampern Sie Unternehmen und lassen die Be-
schäftigten im Regen stehen . Wir brauchen endlich einen
Politikwechsel .


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: In Thüringen!)


Jeder Tag, an dem es so weiterläuft, ist ein schlechter
Tag. Beschäftigte sind keine Einwegflaschen, die man
nach Gebrauch einfach wegwerfen kann . Menschen sind
keine reinen Kostenfaktoren . Nur die Unternehmen, die
bereit sind, sich an ihre Beschäftigten zu binden, sorgen
für Qualifizierung und gute Arbeitsbedingungen. Moti-
vierte und qualifizierte Mitarbeiter garantieren gute Pro-
dukte und werden so zum Wettbewerbsvorteil . Prekäre
Beschäftigung untergräbt den Wettbewerb über Produk-
te. Daher gehört sie abgeschafft.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Zeit dieser Bundesregierung ist abgelaufen . Die
CDU/CSU hat den offenen Koalitionsbruch schon voll-
zogen . Sie haben Millionen Frauen im Regen stehen las-
sen, indem Sie das Rückkehrrecht auf Vollzeit verhindert

haben . Da war Schluss mit Koalitionsvereinbarungen
und dem Einhalten von Vereinbarungen, die man einmal
getroffen hat. Das nenne ich einen sachlichen Grund, die
CDU als Frau nicht zu wählen .


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hätten Sie ja sowieso nicht gemacht!)


– Nein, hätte ich auch nicht .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Eben! Gott sei Dank!)


Ich bin nicht sachgrundlos befristet beschäftigt . Aber
alle, die in der Situation sind, haben spätestens jetzt einen
sachlichen Grund, Sie nicht zu wählen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Liebe SPDler, habt doch einmal den Hintern in der
Hose, Leitplanken für gute und sichere Beschäftigung
aufzustellen! Stimmt heute unserem Gesetzentwurf zu,
wenn wir schon die Arbeit für euch machen!


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824105100

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Uhr .


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824105200

Sofort . – Warten Sie nicht bis zum Programmparteitag

an diesem Wochenende! Je schneller wir diesen Mist be-
graben, desto besser .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824105300

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Als Nächstes erteile ich

dem Kollegen Wilfried Oellers für die CDU/CSU-Frak-
tion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Wilfried Oellers (CDU):
Rede ID: ID1824105400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Für mich schließt sich heute zum Ende meiner ersten Le-
gislaturperiode im Deutschen Bundestag – ich hoffe, dass
noch einige folgen werden – gewissermaßen ein Kreis .
Meine erste Rede im Deutschen Bundestag durfte ich ge-
nau zu diesem Thema halten . Ich gehe davon aus, dass
dies meine letzte Rede in dieser Legislaturperiode sein
wird, und ich darf wieder zum selben Thema reden . Da-
zwischen lagen sieben Reden, wie Sie eben sagten, Frau
Hiller-Ohm . Ich weiß gar nicht mehr genau, wie oft wir
über dieses Thema debattiert haben .


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Ja, sieben!)


Aber in meinen Augen war bei jeder Debatte die Sachla-
ge nicht unbedingt verändert .

Für manche ist vielleicht vieles eine Wiederholung,
was ich heute sage; aber ich will die Problematik ein
bisschen versachlichen und sie von der Bauchebene
wegholen . Zudem möchte ich auf bestimmte Dinge ein-

Jutta Krellmann






(A) (C)



(B) (D)


gehen, die in der heutigen Diskussion in meinen Augen
zu wenig beachtet worden sind .

Natürlich – das sage ich vorweg ganz deutlich – wäre
es uns und auch mir persönlich am liebsten, wenn wir nur
unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnisse hätten und die
Befristungsquote quasi bei null läge . Aber die Realität ist
leider Gottes eine andere, und auch die wirtschaftlichen
Gegebenheiten sehen anders aus .

Um die Bedeutung der Befristungen und auch der
sachgrundlosen Befristungen noch mehr hervorzuheben,
muss man ganz deutlich sagen, dass die Befristungen für
viele Beschäftigte, die jetzt einen Arbeitsplatz haben,
auch eine Brücke in den Arbeitsmarkt waren .


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das stimmt eben gerade nicht!)


– Doch, das stimmt sehr wohl . Schauen Sie sich das doch
mal an .


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das stimmt nicht!)


Jetzt kommen wir mal auf Zahlen zu sprechen: Mitt-
lerweile erreicht die Anzahl der Erwerbstätigen einen
Rekord . Die Zahl von 44 Millionen ist schon angekratzt .
Bei welchen Zahlen lagen wir 2005? Karl Schiewerling
ist eben darauf eingegangen, ich brauche das nicht zu
wiederholen . Das Gleiche gilt für die Arbeitslosenzahl .
Diese ist von 2005 von 5 Millionen auf mittlerweile un-
gefähr 2,6 Millionen zurückgegangen .


(Katja Mast [SPD]: Das ist auch gut so, hat aber nichts mit sachgrundloser Befristung zu tun!)


Das ist so . Die Brückenfunktion hat funktioniert, weil
die befristeten Beschäftigungen im Rahmen des Klebeef-
fekts durch Übernahmen in unbefristete Beschäftigungs-
verhältnisse übergegangen sind .


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Über sieben Jahre, über zehn Jahre!)


Insbesondere haben wir Übernahmequoten, die bei annä-
hernd 40 Prozent liegen, und diese Quote finde ich per-
sönlich sehr hoch .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum können die Menschen nicht gleich richtig eingestellt werden?)


Schauen Sie sich einmal die befristeten Beschäfti-
gungsverhältnisse an . Sie können hier natürlich mit abso-
luten Zahlen arbeiten und sagen, die Zahl der befristeten
Beschäftigungsverhältnisse steigt stetig . Dann müssen
Sie aber auch dazusagen, dass die Arbeitslosenzahlen
weiter sinken und dass die Erwerbstätigenzahlen weiter
steigen . Das geht natürlich damit einher . Wichtig ist, dass
man den prozentualen Zusammenhang und die Relation
sieht .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824105500

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage von dem

Kollegen Ernst zu?


Wilfried Oellers (CDU):
Rede ID: ID1824105600

Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu . Wir debat-

tieren dieses Thema jetzt zum siebten oder achten Mal
im Deutschen Bundestag . Da sind alle Zwischenfragen
gestellt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist so, dass wir bei einer Befristungsquote von circa
7 Prozent liegen . Wenn wir uns anschauen, wie der Ver-
lauf in den letzten Jahren ist, dann muss man sagen, dass
der Verlauf zeigt, dass die Befristungen ihre Funktion er-
füllt haben . Wenn wir den Zeitraum ab 2000 betrachten,
dann ist festzustellen, dass wir bis 2010 einen Anstieg
der Anzahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse hatten .
Ich weise aber auch darauf hin, dass wir 2008/2009 eine
Wirtschaftskrise zu bewältigen hatten und dass es gera-
de die befristeten Beschäftigungsverhältnisse waren, die
dazu geführt haben, dass die Menschen in Arbeit gekom-
men sind, und dass wir daraufhin gut aus der Wirtschafts-
krise herausgekommen sind . Seit 2010 sinkt die Zahl
wieder . Das zeigt ganz deutlich, dass die Arbeitgeber mit
diesem Instrument sorgfältig umgehen .

Wenn wir uns die konkreten Branchen anschauen,
dann muss man sagen: Von den 7 Prozent befristeten
Beschäftigungsverhältnissen sind mehr als die Hälfte im
öffentlichen Dienst angesiedelt. Wenn ich zu diesem Be-
reich den wissenschaftlichen Bereich noch hinzunehme,
dann sind es von dieser Hälfte wiederum mehr als die
Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen
Dienst, die ebenfalls befristet sind . Was haben wir ge-
macht? Wir haben das Wissenschaftszeitvertragsgesetz
auf den Weg gebracht, um entsprechende Regelungen
einzuführen . Das heißt, die Privatwirtschaft als solche
steht hier etwas außen vor .

Ich will Ihnen jetzt ein paar Beispiele aus dem öf-
fentlichen Bereich nennen . Frau Hiller-Ohm, Sie haben
uns eben sehr stark angegriffen. Jetzt darf ich den Ball
einmal zurückspielen. Ihr Nochfinanzminister in Nord-
rhein-Westfalen, Walter-Borjans, schreibt Stellen sach-
grundlos befristet aus . Sie hätten ihm mal Bescheid sagen
sollen, dass er das vielleicht nicht tun sollte . Sie machen
selber von dem Instrument Gebrauch .


(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Auch der Borjans wollte es abschaffen!)


Darüber hinaus darf ich aber vielleicht einmal ein
positives Beispiel der öffentlichen Hand bringen. Ich
darf dabei aus meinem Wahlkreis berichten . In meinem
Wahlkreis gibt es eine Behörde, in der der Behördenleiter
irgendwann sagte: Mensch, ich habe hier vier Beschäf-
tigte, denen ich stets die befristeten Schwangerschafts-
vertretungsarbeitsverhältnisse verlängert habe . Das ist
ein Sachgrund, der zieht und gegen den im Ergebnis
keiner etwas sagen kann . Was hat er sich aber gesagt?
Er sagte: Mensch, die Leute können ja nicht richtig pla-
nen . – Das war immer Ihr Argument . Was hat der Be-
hördenleiter gemacht? Der Behördenleiter hat gesagt:
Komm, wir stellen die jetzt unbefristet ein, weil mein
Apparat so groß ist, dass ich im Laufe der Jahre ständig

Wilfried Oellers






(A) (C)



(B) (D)


eine Schwangerschaftsvertretung brauchen werde . Des-
wegen kann ich gleich unbefristet einstellen .

Ich darf in diesem Rahmen erwähnen – das erfüllt
mich auch mit einem gewissen Stolz –, dass dieser Be-
hördenleiter der CDU angehört .


(Beifall bei der CDU/CSU – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Guter Mann! Es kann ja nicht alles falsch sein!)


Was geschah aber in der Debatte im entsprechenden
Kommunalgremium? Ich darf hier auch sagen, dass die
CDU in diesem Gremium die absolute Mehrheit hat . Die
Opposition hat losgelegt und gewettert: Mensch, wie
kann man denn jetzt wieder die Personaldecke erhöhen!
Dann hat man ihr erklärt, was die Hintergründe waren;
ich habe es gerade gesagt . Dazu muss man ganz ehrlich
sagen: Da sollte man ganz kleine Brötchen backen, auch
von Ihrer Seite aus .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich noch einige Worte zur sachgrundlo-
sen Befristung verlieren; denn das ist mir ganz besonders
wichtig . Die sachgrundlose Befristung ist das einzige un-
bürokratische Flexibilisierungsinstrument, das wir noch
im Arbeitsrecht haben . Alle anderen Flexibilisierungs-
instrumente sind sehr stark reguliert . Wenn wir wollen,
dass die Wirtschaft noch atmen und auf Auftragsspitzen
reagieren kann, wenn wir wollen, dass die Wirtschaft
auf die ungewisse Zukunft reagieren kann, weil sie
nicht weiß, wie sich die Konjunktur entwickelt und wie
die Entwicklung im Unternehmen verlaufen wird, dann
brauchen wir ein Instrument, mit dem die Unternehmer
flexibel umgehen können.

Das Instrument der sachgrundlosen Befristung ist auf
zwei Jahre beschränkt . Ich halte das für einen vertretba-
ren Zeitraum .


(Katja Mast [SPD]: Wir nicht!)


Wenn das Beschäftigungsverhältnis weiterläuft, dann
mündet es sofort in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis .
Ich halte es für geboten, dass wir daran festhalten . Ich
muss ganz ehrlich sagen: Die Entwicklung am Arbeits-
markt – Karl Schiewerling hat es eben schon gesagt –
zeigt doch, dass dieser Weg der richtige war . Wichtig ist,
dass die Menschen in Beschäftigung kommen, am liebs-
ten natürlich unbefristet, aber wir müssen auch den be-
sonderen Gegebenheiten in einer gewissen Weise Rech-
nung tragen .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe eben
erwähnt, dass ich ein neuer Abgeordneter bin . Deswegen
steht es mir vielleicht nicht unbedingt zu – andere wä-
ren vielleicht geeigneter, die Aufgabe zu übernehmen –,
das zu sagen, was ich jetzt sagen werde . Ich bin der erste
Redner nach Karl Schiewerling . Karl Schiewerling hat
gerade seinen Abschied angekündigt .

Lieber Karl, ich darf dir an dieser Stelle für unsere
Arbeitsgruppe, aber auch für die gesamte Fraktion ei-
nen sehr herzlichen Dank für deine Arbeit aussprechen .
Dieser Dank kommt wirklich von Herzen . Karl, du warst
jemand – das habe ich in dieser Legislaturperiode und
auch alle anderen, die mit dir zu tun haben, erfahren –,

der immer ein ausgleichendes Wesen hatte . Dieses aus-
gleichende Wesen hat es dir immer ermöglicht, nicht nur
Brücken zu bauen, sondern auch Brücken wieder aufzu-
bauen, die einmal eingerissen worden sind . Das ist noch
viel schwieriger, als neue Brücken zu bauen, muss man
ganz ehrlich sagen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Die Diskussionen über die Gesetze, die wir beraten
haben, waren nicht immer ganz einfach . Aber deine ru-
hige Art und das Bewusstsein, dass wir ein Ziel vor Au-
gen haben, waren immer sehr wichtig . Du hast eben von
Werten gesprochen . Damit kann ich den Bogen zu der
Feststellung schlagen, dass diese Werte für dich immer
der entsprechende Kompass waren . Mit deiner Überzeu-
gungskraft und auch mit deiner Art warst du für jeden
eine Vertrauensperson; das möchte ich an dieser Stelle
ganz deutlich gesagt haben . Vom kleinsten Abgeordneten
bis hin zur Führungsspitze hast du sehr großes Vertrauen
genossen . Deswegen darf ich dir im Namen der Arbeits-
gruppe, aber auch der Fraktion für die Zukunft alles er-
denklich Gute wünschen und insbesondere Gottes Segen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824105700

Herzlichen Dank, Herr Kollege Oellers . – Den Wün-

schen schließe ich mich gerne an .

Bevor wir die Aussprache fortsetzen, erteile ich dem
Kollegen Klaus Ernst von der Fraktion Die Linke das
Wort für eine Kurzintervention – Betonung auf „kurz“ .


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824105800

Frau Präsidentin, recht herzlichen Dank . – Ich muss

ein paar Bemerkungen machen . Ich wollte einfach nur
sagen, Herr Oellers, dass es meines Erachtens inakzepta-
bel ist, der Wirtschaft menschliche Fähigkeiten zuzuspre-
chen . Atmen tun Menschen und Tiere, nicht Fabriken und
auch nicht die Wirtschaft .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Die Wirtschaft besteht aus Menschen!)


Aber wenn man so einen Ansatz wählt, kommt man
natürlich auch zu völlig falschen Schlussfolgerungen .
Herr Oellers, die Zahl der Arbeitslosen ist gering; da
haben Sie recht . Aber haben Sie sich schon einmal an-
geschaut, wie viele Arbeitsstunden aufgrund von Befris-
tungen eigentlich mehr geleistet worden sind? Die Zahl
der geleisteten Arbeitsstunden ist annähernd gleich ge-
blieben . Was sich verändert hat, ist die Verteilung . Frü-
her waren viele Menschen arm ohne Arbeit . Heute sind
sie arm trotz Arbeit . Das ist ein Problem, das wir lösen
müssen . Eine Schwierigkeit dabei ist die Befristung von
Beschäftigung .

Etwas, was gesagt worden ist, ist völlig falsch – ich
kann es nicht stehen lassen –: Sie haben behauptet, das

Wilfried Oellers






(A) (C)



(B) (D)


einzige Flexibilisierungsinstrument, das die Unterneh-
mer hätten, sei befristete Beschäftigung . Herr Oellers!


(Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Falsch zugehört!)


– Oder das letzte, das noch ungeregelt ist . Was ist denn
das für eine Behauptung! Herr Oellers, es gibt doch das
Instrument der Probezeit . Ich weiß überhaupt nicht, wozu
es gut ist, die Probezeit immer weiter auszudehnen und
daraus eine befristete Beschäftigung zu machen .

Herr Schiewerling, vom Alter her gehören wir zur sel-
ben Kohorte . Zu der Zeit, als wir eine vernünftige Ausbil-
dung durchlaufen haben, war völlig klar: Wir bekommen
nach der Ausbildung einen unbefristeten Job . So etwas
gibt es heute fast nicht mehr . Viele Menschen werden nur
noch befristet eingestellt .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt auch nicht!)


Das ist genau das Problem: Die Probezeiten, die es früher
gab, sind durch befristete Beschäftigungsverhältnisse im-
mer weiter ausgedehnt worden . Es gibt die Möglichkeit
flexibler Arbeitszeiten. Es gibt auch die Möglichkeit der
Leiharbeit . Wie viel Flexibilität wollen Sie denn noch?

Wir müssen, wie Herr Schiewerling gesagt hat, die
Leitplanken stärken und enger setzen, weil die Menschen
sonst tatsächlich entgrenzt werden . Ich bedauere sehr,
dass Sie in Ihrem Weltbild eher von der atmenden Wirt-
schaft als von atmenden Menschen sprechen. Ich hoffe,
Sie werden im Laufe Ihres Lebens da noch zu vernünfti-
gen Schlussfolgerungen kommen .


(Beifall bei der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824105900

Herr Kollege, möchten Sie darauf erwidern? – Bitte .


Wilfried Oellers (CDU):
Rede ID: ID1824106000

Herr Ernst, folgende Erwiderung darauf: Es ist nicht

richtig, dass ich gesagt habe, dass Befristung das einzige
Flexibilisierungsinstrument ist . Sie haben das wichtigste
Adjektiv dabei vergessen – darauf kommt es mir an –:
Ich halte Befristung für das einzige unbürokratische Fle-
xibilisierungsinstrument . Alle anderen Flexibilisierungs-
instrumente sind mit sehr hohem Dokumentationsauf-
wand verbunden .

Deswegen ist es mir wichtig, dass Sie von der heu-
tigen Debatte in Erinnerung behalten – bitte nicht ver-
wechseln –: Das ist das unbürokratischste Flexibilisie-
rungsinstrument; denn ein Arbeitgeber braucht sich in
den zwei Jahren einer Befristung keine Gedanken über
das Vorhandensein eines bestimmten Sachgrunds zu ma-
chen .

Wenn sich bei Befristung mit Sachgrund der Sach-
grund ändert, kann ein Arbeitgeber dahin gehend gericht-
liche Schwierigkeiten bekommen, dass geklärt werden
muss, ob der neue Sachgrund für eine Befristung über-
haupt greift . Die Praxis müssen Sie sich von daher ein
bisschen genauer anschauen .

Es ist auch nicht richtig, dass die meisten Beschäfti-
gungsverhältnisse sachgrundlos eingegangen werden . Es
gibt genügend Branchen – da verweise ich insbesondere
auf das Handwerk –, die händeringend nach Fachkräften
suchen . Da muss ich ganz ehrlich sagen: Dazu passt Ihre
Argumentation gar nicht .

Im Übrigen, was die Zahlen betrifft – Sie haben gerade
noch Zahlen genannt –: Ich will es bei dem zeitlichen
Rahmen dieser Debatte belassen . Ich verweise auf meine
acht dazu in der Vergangenheit gehaltenen Reden . Da ist
das zahlenmäßig alles schön aufgearbeitet . Das können
Sie sich einmal durchlesen .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824106100

Vielen Dank, Herr Kollege . – Ich erteile jetzt das Wort

der Kollegin Brigitte Pothmer für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824106200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Auf-

gabe der Arbeitsmarktpolitik muss doch sein, ein ausge-
wogenes Verhältnis zwischen den Bedürfnissen der Wirt-
schaft nach hinreichender Flexibilität auf der einen Seite
und den Bedürfnissen der Beschäftigten nach Sicherheit
auf der anderen Seite herzustellen .

Lieber Herr Oellers, lieber Herr Schiewerling, wenn
40 Prozent aller Neueinstellungen befristet sind, dann hat
das mit Auftragsspitzen wirklich nichts mehr zu tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn dann junge Menschen und dann auch noch vor al-
len Dingen Frauen davon besonders betroffen sind, dann
ist das einfach nicht mehr ausgewogen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Die Unsicherheit, die mit befristeten Arbeitsverträ-
gen notwendigerweise einhergeht, trifft genau auf eine
Lebensphase, in der wichtige Entscheidungen getroffen
werden . Da fragen sich die jungen Menschen: Kann ich
mir die Gründung einer Familie leisten? Kann ich finan-
zielle Verpflichtungen für eine Wohnung eingehen? Wir
wissen doch, dass insbesondere Frauen, die befristet in
ihr Arbeitsleben starten, dazu neigen, die Entscheidung
für ein Kind immer weiter hinauszuschieben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wollen wir fami-
lienpolitisch nicht, aber das wollen doch auch die Frauen
nicht . Weil wir diesen Zwang nicht wollen, geben doch
Bund, Länder und Kommunen Jahr für Jahr Milliarden
Euro dafür aus, den jungen Menschen die Entscheidung

Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


für ein Kind leichter zu machen . Das ist doch die Politik,
die wir unterstützen wollen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen ist es doch so, dass auch das Familienmi-
nisterium die Rahmenbedingungen dafür erleichtern will .

Aber liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Und CSU!)


solche Bemühungen verpuffen natürlich, wenn wir ar-
beitsmarktpolitisch in die völlig entgegengesetzte Rich-
tung marschieren . Wenn wir in dieser Frage etwas errei-
chen wollen, dann müssen wir in allen Ressorts an einem
Strang ziehen . Das mag für die GroKo vielleicht unzu-
mutbar sein, aber gut wäre es, wenn wir dann an diesem
Strang auch noch in eine Richtung ziehen würden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt in diesem Fall ganz konkret: Die sachgrund-
lose Befristung muss weg .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Liebe Frau Hiller-Ohm, ich respektiere die Koaliti-
onsdisziplin und mache das Theater der Linken an dieser
Stelle nicht mit .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber mit Koalitionsdisziplin können Sie nun wahrlich
nicht erklären, warum im Arbeitsministerium und im Fa-
milienministerium die Zahl der Befristungen noch ein-
mal exorbitant in die Höhe geschnellt ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich frage mich wirklich: Mit welcher Autorität wollen
denn die Familienministerin und die Arbeitsministerin
der Wirtschaft entgegentreten, wenn es darum geht, die
Zahl der Befristungen in der Wirtschaft zu reduzieren?
Nein, da müssen Sie wirklich einmal Ihre Hausaufga-
ben machen . Ich kann Ihnen nur sagen: Glaubwürdigkeit
sieht anders aus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Die Befristungen müssen auch weg, weil sie inzwi-
schen wirklich absurde Blüten treiben . In den Jobcentern
sind inzwischen 95 Prozent aller befristeten Arbeitsver-
träge, die von der BA kommen, sachgrundlos befristet,
meine Damen und Herren . Das geht doch mit einem per-
manenten Know-how-Verlust einher . Permanent müssen
neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingearbeitet wer-
den .

Sie wissen doch genauso gut wie ich: Wenn die Job-
center eines brauchen, dann brauchen sie qualifizierte
und gut eingearbeitete Arbeitskräfte . Liebe Kolleginnen
und Kollegen, da geht die Befristung nicht nur für die
Beschäftigten nach hinten los, da geht sie auch für die In-
stitution nach hinten los, und da geht sie vor allen Dingen

für die Menschen nach hinten los, die auf die Institution
Jobcenter und die Qualität der Arbeit angewiesen sind .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Ja, es gibt gute
Gründe, zu befristen, es gibt keine guten Gründe, sach-
grundlos zu befristen . Deswegen muss dieser Paragraf
aus meiner Sicht weg .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Arbeit
einer Abgeordneten ist befristet . Aber sie ist aus einem
sehr guten Sachgrund befristet . Das hier wird vermutlich
meine letzte Rede hier im Deutschen Bundestag sein .
Deswegen möchte ich noch ein paar persönliche Bemer-
kungen machen .

Sie haben schon gehört, nach zwölf Jahren Bundestag
habe ich mich entschieden, nicht wieder zu kandidieren .
Mit anderen Worten: Mein Vertrag hier läuft im Septem-
ber aus . Aber freuen Sie sich nicht zu früh .


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bin dann der Souverän . Sie wissen: Alle Staatsgewalt
geht vom Volke aus . Ich werde weiterhin Zeitung lesen,
auf Facebook und auf Twitter unterwegs sein, und wenn
Sie es mir hier wirklich zu arg treiben, dann – das kann
ich Ihnen versprechen – werde ich Sie in der nächsten
Sprechstunde in Ihrem Wahlkreisbüro besuchen .


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)


Es könnte sein, dass das für Sie nicht vergnügungssteu-
erpflichtig wird.

Wir Arbeitsmarktpolitikerinnen und Arbeitsmarktpo-
litiker sind streitbare Leute, und ich finde, das muss auch
so sein . Denn immerhin kämpfen wir hier für die Würde
der Menschen und für die Gerechtigkeit .

Ich weiß auch, ich konnte Sie nicht mit jeder Rede von
mir glücklich machen, aber ganz ehrlich: Es hätte auch
unkomplizierter sein können . Wenn Sie meine jeweils
wirklich gut begründeten Argumente einfach mal als die
Ihren übernommen hätten, dann hätten wir uns nicht so
oft in den Haaren liegen müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Ja, wir haben hier gestritten . Wir haben uns in den
Haaren gelegen. Aber, ich finde, manchmal hat es doch
auch Spaß gemacht – oder? –, mir jedenfalls . Ich möchte
mich deswegen bei Ihnen für die engagierte, offene und
zum Teil leidenschaftliche Zusammenarbeit und für die-
se Debatten bedanken . Ich fürchte, das werde ich ver-
missen . Vielleicht vermissen Sie auch ein bisschen die
lachende Koralle .

Ich danke Ihnen .


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)


Brigitte Pothmer






(A) (C)



(B) (D)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824106300

Liebe Frau Kollegin Pothmer, Sie sehen an dem anhal-

tenden Applaus: Diese Koralle wird wahrscheinlich von
vielen vermisst werden . – Ihre Ankündigung, dass Sie im
Wahlkreisbüro vorbeikommen, wird von dem einen oder
anderen wahrscheinlich als Drohung wahrgenommen,
weil Sie jede Debatte immer besonders leidenschaftlich
und lebendig geführt haben .

Ich glaube, dieser sogenannte Ruhestand wird auch
bei Ihnen ein Unruhestand sein; denn Sie haben immer
Politik gemacht . Ohne Frauen ist kein Staat zu machen .
In diesem Sinne herzlichen Dank für diese zwölf Jahre!


(Beifall)


Als Nächstes erteile ich das Wort der Kollegin
Waltraud Wolff für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1824106400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Das Bürgerliche Gesetzbuch ist kompromisslos und ein-
deutig: Die Probezeit eines Arbeitsverhältnisses dauert
längstens sechs Monate . Ebenso eindeutig ist das Kün-
digungsschutzgesetz: Nach sechs Monaten gelten die
festgelegten Schutzvorschriften . – Meine Damen und
Herren, das ist Gesetz in Deutschland .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


In der Praxis sieht das anders aus . Wir haben es heute
schon oft genug gehört: 42 Prozent der neuen Arbeitsver-
träge 2015 waren befristet – die Mehrzahl davon ohne
sachliche Begründung . Wenn man nachfragt, erfährt
man: Die wichtigste Begründung für eine Befristung von
Arbeitsverhältnissen – so heißt es auch im Kurzbericht
5/2016 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
schung – ist – man höre und staune – die Erprobung neu-
er Mitarbeiter . Genauso eindeutig wie das Gesetz ist, ist
in der Praxis die Umgehung .

Die Linke schlägt in ihrem Entwurf vor, die sach-
grundlose Befristung abzuschaffen. Das ist auch eine
Forderung, die die SPD hat, und sie steht auch im Ent-
wurf unseres Wahlprogramms . Denn für uns ist eines
ganz klar: So berechtigt es ist, eine Vertretung für eine
Elternzeit befristet zu beschäftigen, so unberechtigt ist
es, Befristungen dazu zu nutzen, Arbeitnehmerrechte
auszuhebeln . Das wollen wir beenden .


(Beifall bei der SPD)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit 19 Jah-
ren bin ich Mitglied des Deutschen Bundestages, und in
dieser Zeit habe ich Situationen wie heute immer wieder
mal erlebt: Inhaltlich gibt es Übereinstimmungen mit der
Opposition .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824106500

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kol-

legen Behrens von der Fraktion Die Linke zu?


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1824106600

Aber ja, gerne .


Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824106700

Vielen Dank für die Möglichkeit, die Zwischenfra-

ge zu stellen . – Mir geht es um ein konkretes Problem .
Wir haben uns seit Jahren mit der Umstrukturierung, mit
der sogenannten Reform der Wasserstraßen- und Schiff-
fahrtsverwaltung beschäftigt . Wir wissen, dass heute im-
mer noch weit über Bedarf ausgebildet wird – alles klar,
kein Problem; man wird nicht alle übernehmen können .
Aber: Die, die übernommen werden, werden befristet
übernommen . Warum ist es in dieser Bundesbehörde so,
dass befristet übernommen wird?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da ist sie doch nicht verantwortlich! – Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]: Wie wäre es mit einer Regierungsbefragung?)



Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1824106800

Vielen Dank für diese Frage . – Ich bin nicht die Bun-

desregierung,


(Beifall bei der SPD)


die diese Frage hier sicherlich hätte beantworten können,
wenn Sie sie in der Befragung der Bundesregierung ge-
stellt hätten . Ich bin auch nicht zuständig für die Bun-
desbehörde der Schifffahrtsverwaltung. Aber: Wenn Sie
diese Debatte verfolgt haben, Kollege Behrens, dann
wissen Sie: Eines ist ganz deutlich geworden: Eingeführt
worden ist die Möglichkeit der sachgrundlosen Befris-
tung vor Jahren von Schwarz-Gelb .


(Beifall bei der SPD)


Wir, die SPD, haben seit langer Zeit in diesem Haus
gemeinsam mit der Opposition festgehalten, dass das ein
Ausmaß angenommen hat, das wir einfach nicht mehr
tragen können .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen, dass auch unser Koalitionspartner diese Si-
tuation erkennt . Vielen Dank für Ihre Frage . Eine andere
Antwort kann ich Ihnen nicht geben .


(Beifall bei der SPD)


Ich war dabei, zu sagen, dass wir als SPD Teil dieser
Koalition sind . Wenn die Linke das immer und immer
wieder auf die Tagesordnung bringt, muss man auch
einmal feststellen, dass der deutsche Parlamentarismus
keine wechselnden Mehrheiten vorsieht . Das hat keine
Tradition in Deutschland . Wir haben Koalitionen, und
da verspricht man sich am Anfang in einem Vertrag, was
man umsetzen will und was nicht .


(Beifall bei der SPD)


Dieser Vorschlag hat in der Koalition keine Mehrheit ge-
funden . Das kann ich persönlich bedauern, aber Fakt ist:
Es gibt keine Mehrheit .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist doch klar:
Nur gemeinsam kann man Ziele erreichen, und wechseln-






(A) (C)



(B) (D)


de Mehrheiten gibt es, wie gesagt, nicht . Deshalb disku-
tieren wir ja auch lange und ausführlich und beschließen
dann mehrheitlich . Aus diesem Grund werden wir natür-
lich auch dem Antrag der Linken nicht zustimmen kön-
nen, auch wenn wir ihn in der Sache nachvollziehen kön-
nen . Wir tun uns doch alle immer wieder einmal schwer
mit Entscheidungen, egal ob das in Koalitionen ist, ob
das in der Fraktion ist, ob das in Arbeitsgruppen ist . Wir
haben nicht immer alle die gleiche Meinung . Das geht
uns doch allen so . Vielleicht war der eine oder andere
Fraktionsvorsitzende, den ich einmal hatte, der Meinung,
dass ich das Recht, meine Gewissensfreiheit auszuüben,
exzessiv genutzt habe . Ich sehe das überhaupt nicht so .
Ich wollte mir an dieser Stelle sozialdemokratisch treu
bleiben . Fakt ist doch: Es geht nicht immer nur um die
Einzelfrage, sondern es geht auch um die Richtung . Die
Richtung muss stimmen, und in dieser Legislaturperio-
de hat mit Blick auf Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik die
Richtung doch gestimmt .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Karl Schiewerling [CDU/CSU])


Wir haben zwar die sachgrundlose Befristung nicht
abgeschafft, aber wir haben den Mindestlohn eingeführt.


(Beifall der Abg . Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD])


Wir haben Verbesserungen bei Leiharbeit und Werkver-
trägen hinbekommen . Wir haben in dieser Legislatur eine
rentenpolitische Arbeit geleistet, die ihresgleichen sucht .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824106900

Frau Kollegin .


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1824107000

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin . – Wir ha-

ben auch das Bundesteilhabegesetz beschlossen . Das hät-
te man in einer anderen Konstellation als einer Großen
Koalition nicht beschließen können, weil es ein System-
wechsel für Menschen mit Behinderung ist . Vor diesem
Hintergrund sage ich zum Schluss dieser letzten Rede
hier im Deutschen Bundestag für mich ganz selbstbe-
wusst: Die Richtung hat gestimmt . Damit kann ich mich
dann auch guten Gewissens hier verabschieden .

Das ist meine letzte Rede; ich habe es eben schon ge-
sagt . Ich wünsche dem zukünftigen Bundestag, dass es
eine gute Diskussionskultur gibt, dass man aufeinander
hört und dass er gute Entscheidungen im Interesse der
Menschen in unserem Land trifft.

Vielen herzlichen Dank .


(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Die Abgeordneten der SPD erheben sich)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824107100

Liebe Kollegin Wolff, auch Ihnen herzlichen Dank

für 19 Jahre – 19 Jahre für die Menschen . Den Appell,
den sie bezüglich einer guten Diskussionskultur an uns
gerichtet haben, werden wir uns zu Herzen nehmen . Ich

wünsche Ihnen alles Gute . Sie haben Ihre Richtung jetzt
bestimmt . Für diese Zeit wünsche ich Ihnen viel Erfolg .
Herzlichen Dank!


(Beifall)


Als Nächstes erteile ich das Wort der Kollegin Katja
Mast für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1824107200

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau

Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich werde meine Redezeit heute ausschließlich 43 Jahren
Abgeordnetentätigkeit widmen .

Beginnen will ich mit Waltraud Wolff, die 1998 in
den Deutschen Bundestag gekommen ist, ihre erste Rede
zum Agrarhaushalt gehalten hat und ihre letzte Rede jetzt
zum Thema „Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik“ . Ich weiß,
liebe Waltraud, es war dir ein Herzensanliegen, dass du
in den letzten vier Jahren Arbeitsmarkt- und Sozialpoli-
tik für die SPD-Bundestagsfraktion hast machen können .
Ich weiß auch, dass dein Motto „Ich will in einem er-
folgreichen Land leben, in dem soziales Gleichgewicht
herrscht“ unsere Arbeit immer bereichert hat . Du warst
unsere Europäerin in der Arbeitsgruppe Arbeit und Sozi-
ales . Wir haben super mit dir zusammengearbeitet: Dan-
ke für deine Zuverlässigkeit und die Teamarbeit . Aber du
hast auch einen ganz großen Humor . Ich will allen noch
einmal in Erinnerung rufen, wie du diesen hier im Deut-
schen Bundestag bei deiner Rede zum Sozialabkommen
mit Uruguay dokumentiert hast . Vielen Dank! Wir wün-
schen dir viel Erfolg auf deinem weiteren Weg . Es war
eine Ehre, mit dir zusammenzuarbeiten .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


Zu meinem Kollegen Karl Schiewerling: Lieber Karl,
zwölf Jahre sind wir gemeinsam im Deutschen Bun-
destag gewesen . Wir haben in dieser Großen Koalition
viele SMS geschrieben, viel telefoniert, gemeinsam viel
Wochenendarbeit gemacht, aber immer mit dem klaren
Ziel: Wir haben 40 Gesetze und Vorhaben gut auf den
Weg gebracht und hier im Deutschen Bundestag verab-
schiedet . Wenn ich an die Zusammenarbeit der gesamten
SPD-Bundestagsfraktion mit dir denke, dann fallen mir
drei Dinge besonders ins Auge: Politik mit Haltung, mit
Anstand und mit klarer christlicher Verwurzelung . Ich
glaube, genau das zeichnet dich aus .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Du hast viel erreicht und warst dabei selten laut . Ich glau-
be, das zeichnet dich auch aus .

Ein Punkt wurde heute noch gar nicht thematisiert:
Du warst auch einmal der Sprecher der Arbeitsgruppe
Petitionen der CDU/CSU-Fraktion und hast damals mit
Gabriele Lösekrug-Möller, die jetzt auf der Regierungs-
bank sitzt, das Thema Heimkinder auf die Agenda ge-

Waltraud Wolff (Wolmirstedt)







(A) (C)



(B) (D)


setzt . Man kann ganz klar sagen: Ohne euch zwei gäbe
es heute keine Heimkinderstiftung . Auch das darf man an
dieser Stelle nicht vergessen, lieber Karl Schiewerling .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Du hast immer das Auge dafür gehabt, dass unsere
Jugend eine Chance bekommt . Du hast dich sehr für die-
jenigen engagiert, die zwischen den Sozialgesetzbüchern
durch das Netz fallen . Du hinterlässt große Fußstapfen,
lieber Karl Schiewerling . Du bist ein feiner Kerl . Wir
werden dich vermissen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Jutta Krellmann [DIE LINKE])


Liebe Brigitte Pothmer, auch wir waren zwölf Jahre
gemeinsam im Ausschuss und haben uns mit dem Ar-
beitsmarkt und mit Sozialpolitik beschäftigt . Ich will an
dieser Stelle nicht verheimlichen, dass mein Team sich
immer gefreut hat, wenn du vor mir gesprochen hast .
Sie haben gesagt: Dann hat die Chefin die richtige Be-
triebstemperatur .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Das heißt, bei dir sind die Argumente immer durch die
Luft gewirbelt und geflogen. Ich finde, dich zeichnet aus:
deine kämpferische Leidenschaft, deine hohe Fachlich-
keit und auch die Kompetenz – das hat man vorhin wie-
der gemerkt –, zuzugestehen, wenn die Regierung doch
einmal einen Fortschritt erreicht; zwar meist etwas lei-
ser artikuliert als die Gegenargumente, aber du hast das
dennoch erwähnt. Ich finde, auch das zeichnet eine gute
Oppositionspolitikerin aus . Wir werden dich vermissen .
Wir wünschen dir an dieser Stelle, dass du ganz viel wie
die Koralle lachen kannst, liebe Brigitte Pothmer .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der Abg . Jutta Krellmann [DIE LINKE])


Zu allen drei kann ich an dieser Stelle nur sagen: Vie-
len Dank für die hervorragende Zusammenarbeit! 43 Jah-
re Abgeordnetentätigkeit – Politik wird von Menschen
bewegt . Ihr seid außerordentliche Menschen . Eines ist
auch klar: Einmal Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikerin
bzw . -politiker, immer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitike-
rin bzw . -politiker, egal ob im aktiven Parlamentarismus
oder danach .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824107300

Vielen Dank, Frau Kollegin Mast . – Es war jetzt nicht

unbedingt eine Rede zum Thema, aber es hat vielen, auch
auf der Besucherebene, noch einmal gezeigt, dass das
Leben der Abgeordneten sehr vielfältig ist . Für 33 Jahre

Abgeordnetentätigkeit möchte ich allen Kollegen noch
einmal danken .

Als letzte Rednerin in dieser Aussprache hat das
Wort die Kollegin Dr . Astrid Freudenstein für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Astrid Freudenstein (CSU):
Rede ID: ID1824107400

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Als letzte Rednerin der Unionsfraktion
in dieser Debatte darf ich mich ganz kurz der Würdigung
anschließen . Liebe Frau Kollegin Brigitte Pothmer, liebe
Waltraud Wolff, seitens der Unionsfraktion allen Respekt
und allen Dank für Ihre stets sachkundige und leiden-
schaftliche Mitarbeit gerade auch in unserem Ausschuss!
Es war auch dem Kollegen Schiewerling gerade ein gro-
ßes Bedürfnis, das kundzutun . Ihre Mitarbeit war immer
von dem Willen geprägt, gemeinsam zu Ergebnissen zu
kommen . Vielen Dank und alles Gute für das, was bei
Ihnen danach kommt!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Als Rednerin der CSU möchte ich mich dem Dank an
Karl Schiewerling anschließen . Bei dir, tief verwurzelt
in der katholischen Soziallehre, wusste man immer, wo
es langgeht . Du hast immer nach Kompromissen gesucht
und solche auch gefunden . Es war vielleicht gar nicht im-
mer so ganz leicht mit uns von der CSU; aber du gehst
mit unserem allergrößten Respekt . Du wirst diesem Par-
lament als Mensch und als Politiker mit Sicherheit feh-
len . Herzlichen Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich mache die Kehre zur sachgrundlosen Befristung .
Schon der Begriff ist wirklich grauenhaft. Das klingt ja
nach dem Gegenteil von Sachlichkeit und nach dem Ge-
genteil von Sachgründen, also ein bisschen nach Willkür .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Nicht nur ein bisschen, sondern so ist es! – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Ist es ja auch! Genau! Genau so ist es!)


Diese Willkür wird ganz allein der Arbeitgeberseite zu-
geschrieben . Sachgrundlose Befristung klingt so ein biss-
chen nach Manchester-Kapitalismus,


(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das ist Manchester-Kapitalismus! Genau!)


nach Unterdrückung und nach Einseitigkeit,


(Beifall des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


nach einem groben Ungleichgewicht der Kräfte .


(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Genau das ist es auch!)


Katja Mast






(A) (C)



(B) (D)


Das mag es auch tatsächlich im Einzelfall so geben . Wo
es so etwas gibt, ist das natürlich nicht in Ordnung .


(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Ach was!)


Natürlich gibt es keinen Beschäftigten, der lieber ei-
nen befristeten als einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat,
weil ein unbefristeter Arbeitsvertrag Sicherheit und Plan-
barkeit gibt, gerade für junge Menschen, die zum Bei-
spiel eine Familie gründen wollen . Aus diesen Gründen
lässt sich mit befristeten Arbeitsverträgen gut Stimmung
machen, auch gut Wahlkampf führen . Aber so ganz ge-
recht wird es der Sache trotzdem nicht .


(Beifall der Abg . Barbara Lanzinger [CDU/ CSU] – Zuruf von der LINKEN: So ein Blödsinn!)


Nach den Einlassungen der Kollegin Krellmann von
der Linken vorhin möchte ich doch einmal versuchen, das
Bild aufzubrechen, dass Willkür nur auf Arbeitgeberseite
herrschen kann . Es gibt – das wissen wir doch alle, die
wir auch mal im normalen Berufsleben waren – genauso
Arbeitnehmer, die willkürlich blaumachen, die sich will-
kürlich vor der Arbeit drücken und damit schlechte Stim-
mung ins Team bringen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch so etwas gibt es natürlich in der Arbeitswelt .


(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Deswegen muss man alle sachgrundlos befristen! Genau!)


Weil man auch aus Arbeitszeugnissen nicht immer schlau
wird, ist jede Neueinstellung natürlich mit einem gewis-
sen Risiko für den Arbeitgeber verbunden .


(Karin Binder [DIE LINKE]: Dafür gibt es die Probezeit!)


Wenn es unter den Arbeitnehmern schwarze Schafe gibt,
ist es menschlich nachvollziehbar, dass ein Arbeitgeber
bei Neueinstellungen vorsichtig und manchmal vielleicht
auch zu vorsichtig ist .

Generell ist es aber so – da, meine ich, sind wir uns alle
einig –, dass es viele gute Gründe gibt, Arbeitsverhältnis-
se zu befristen . Es wurden einige Beispiele genannt . Bei
einer Vertretung für eine Frau, die in Elternzeit ist, ist die
Befristung gut begründet . Auch die Arbeitsverhältnisse,
die wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ge-
ben, sind aus gutem Grund befristet .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja auch ein sachlicher Grund!)


Nach den Zahlen des IAB haben zurzeit knapp
8 Prozent der Beschäftigten einen befristeten Arbeits-
vertrag . Seit Jahren liegt die Befristungsquote deutlich
unter 10 Prozent . Tatsächlich stellen wir zugleich einen
Anstieg der Zahl derer fest, die einen ohne sachlichen
Grund befristeten Arbeitsvertrag unterschreiben bzw . un-
terschreiben müssen . Es sind vor allem Berufseinsteiger
und -rückkehrer. Hier kann ich nur hoffen, dass der Ar-
beitsmarkt dahin gehend einen Druck auf die Unterneh-

men ausübt, sich attraktiver darzustellen und mehr unbe-
fristete Beschäftigungsverhältnisse anzubieten .

Trotzdem ist es eben nicht so, wie hier manchmal
suggeriert wird, dass die Befristungen völlig ausufern .
Im europäischen Vergleich stehen wir zum Beispiel gar
nicht so schlecht da . Wir liegen bei der Befristungsquote
deutlich unter dem EU-Durchschnitt und bewegen uns
im Vergleich zu anderen Mitgliedsländern im Mittelfeld .
Dort kennt man mitunter ganz andere Zahlen: Zum Bei-
spiel sind in Polen 24,3 Prozent der Beschäftigungsver-
hältnisse befristet, in Spanien 22,8 Prozent . Natürlich
kann man bei diesen Vergleichen nicht immer eine nied-
rigere Befristungsquote mit einer höheren Arbeitsplatzsi-
cherheit gleichsetzen, weil der Kündigungsschutz natio-
nal sehr unterschiedlich geregelt ist .

Auch bei der Gleichstellung von Frauen und Männern
stehen wir im europäischen Vergleich ganz ordentlich
da . In den allermeisten anderen Ländern sind die Befris-
tungsquoten bei Frauen deutlich höher als bei Männern .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es nicht wirklich besser!)


Deutschland zählt hier zu den Ländern mit den gerings-
ten Unterschieden zwischen den Geschlechtern .

Gerade im öffentlichen Dienst schaut es allerdings auf
den ersten Blick nicht gut aus . Er hat eine höhere Befris-
tungsquote als die Privatwirtschaft . Da muss sich auch
die SPD an die eigene Nase fassen . Die Landesregierung
in Rheinland-Pfalz zum Beispiel stellt Lehrer seit Jahren
fast ausschließlich nur noch befristet ein, als gäbe es in
Rheinland-Pfalz künftig keine Kinder mehr .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu, dann ist das erledigt!)


Aber auch hier lohnt ein zweiter Blick . Der überwie-
gende Teil der Befristungen ist im Bereich der Wissen-
schaft und im öffentlichen Dienst zu finden. Nach wie
vor stellen Angehörige akademischer Berufe die größte
Gruppe innerhalb der Befristungen dar . Hier haben wir
jedoch mit der Novelle zum Wissenschaftszeitvertrags-
gesetz am richtigen Punkt angesetzt . Die sachgrundlose
Befristung wurde auf Beschäftigte begrenzt, die zu ih-
rer Qualifizierung beschäftigt sind. Eine ganze Reihe
weiterer Befristungsmöglichkeiten wurde gestrichen .
Es zeichnet sich ab, dass sich an den Universitäten und
Hochschulen unseres Landes eine Trendwende vollzieht .

Allgemein betrachtet sind und bleiben befristete Ar-
beitsverträge gerade für Berufsanfänger und Wiederein-
steiger ein wichtiges Modell . Für die meisten Berufsein-
steiger ist es de facto nicht wirklich ein Problem, weil
die allermeisten anschließend in unbefristete Beschäfti-
gungsverhältnisse übernommen werden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich meine, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Fle-
xibilität auf dem Arbeitsmarkt keine Einbahnstraße sein
darf . Wir fordern mehr Wahlfreiheit und mehr Rechte
für Arbeitnehmer, und zwar, um die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf voranzubringen und um ein selbstbe-

Dr. Astrid Freudenstein






(A) (C)



(B) (D)


stimmtes Leben zu ermöglichen . Wir wollen aus diesem
Grund auch den Arbeitgebern ein gewisses Maß an un-
bürokratischer Flexibilität erhalten . Deshalb können wir
dem Gesetzentwurf der Linken nicht zustimmen .

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824107500

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Freudenstein . – Ich

schließe damit die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-
wurf der Fraktion Die Linke zur Abschaffung der sach-
grundlosen Befristung .

Es liegt eine Vielzahl von Erklärungen nach § 31 der
Geschäftsordnung vor .1)

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12624,
den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksa-
che 18/12354 abzulehnen . Wir stimmen über den Gesetz-
entwurf auf Verlangen der Fraktion Die Linke nament-
lich ab . Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
die vorgesehenen Plätze einzunehmen . – Sind die Plätze
an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die
Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Die
Linke in der zweiten Beratung .

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall . Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen .
Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt
gegeben .2)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a und 31 b sowie
den Zusatzpunkt 10 auf:

31 . a) Beratung des Antrags der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD

Sonderbeauftragten der Vereinten Natio-
nen zum Schutz von Journalistinnen und
Journalisten schaffen

Drucksache 18/12781

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Kultur und
Medien (22 . Ausschuss) zu der Unterrich-
tung durch die Deutsche Welle

Entwurf der Fortschreibung der Aufga-
benplanung 2014 bis 2017 der Deutschen
Welle für das Jahr 2017

Drucksache 18/10856, 18/11025 Nr. 1.5,
18/12514

ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Tabea Rößner, Ulle Schauws, Katja Dörner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

1) Anlagen 2 bis 4
2) Ergebnis Seite 24725 D

Sonderbeauftragten der Vereinten Natio-
nen zum Schutz von Journalistinnen und
Journalisten ermöglichen

Drucksache 18/12803

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem
Redner dem Kollegen Marco Wanderwitz für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marco Wanderwitz (CDU):
Rede ID: ID1824107600

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne meine

heutige Rede mit einem Zitat aus der Zeit aus dem letzten
Monat:

Im Februar 2013 skizzierte der Generalstabschef der
russischen Streitkräfte . . . seine Vision einer moder-
nen Armee . Politische Ziele . . . seien im vernetzten
Zeitalter nicht mehr nur mit konventioneller mili-
tärischer Macht zu erreichen, sondern durch den
„breit gestreuten Einsatz von Desinformation“, die
das Protestpotenzial der Bevölkerung verstärken
solle – zum Beispiel durch geleakte Dokumente .

Natürlich nicht in Russland, sondern in den anderen Län-
dern, in denen Russland tätig ist .

In eine medienpolitische Rede mit der russischen
Armee einzusteigen, mag auf den ersten Blick überra-
schen, auf den zweiten Blick zeigt sich hier aber, glaube
ich, in aller Deutlichkeit die weltpolitische Realität im
Jahr 2017: Eine Vielzahl von Autokraten und Diktatoren
unterdrückt zunehmend weltweit die Pressefreiheit . Jour-
nalistinnen und Journalisten werden in vielen Ländern
immer härter verfolgt und drangsaliert . Wir sehen einen
weltweit massiv verstärkten Kampf um die öffentliche
Meinung, frei nach Clausewitz: Kommunikation ist eine
Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln . – Folglich
wächst die Bedeutung derjenigen, die für diese Kommu-
nikation verantwortlich sind, sie tragen: die Medienbe-
richterstatterinnen und Medienberichterstatter sowie die
Anstalten des internationalen Auslandsrundfunks . Politik
muss, wir müssen, meine ich, ein größeres Augenmerk
als bisher auf ihre Ausstattung und ihre Arbeitsbedingun-
gen, ihren Schutz und ihre Sicherheit legen .

Die Koalitionsfraktionen geben auf diese Aufgaben-
stellung heute zwei Antworten:

Erstens . Wir bringen eine Entschließung zur Fort-
schreibung der Aufgabenplanung der Deutschen Welle
ein. Damit beteiligen wir uns an der öffentlichen Debatte
über den künftigen Kurs des deutschen Auslandsrund-
funks .

Zweitens . Wir fordern mit unserem Antrag die Bun-
desregierung auf, sich bei den Vereinten Nationen für
die Schaffung des Amtes eines Sonderbeauftragten zum
Schutz von Journalistinnen und Journalisten einzusetzen .

Beides, der verstärkte Schutz der Presse- und Mei-
nungsfreiheit und die weitere Ertüchtigung der Deut-

Dr. Astrid Freudenstein






(A) (C)



(B) (D)


schen Welle als in der internationalen Medienöffent-
lichkeit deutlich vernehmbare Stimme aus Deutschland,
gehört zusammen .

Sonntagsreden über die Bedeutung und den Schutz
der Presse- und Medienfreiheit sind schon viele gehalten
worden . Wie aber kann im Falle von Medien und Journa-
lismus das Montagshandeln aussehen angesichts der in
unserem Grundgesetz verankerten Staatsferne der Me-
dien, angesichts der Tatsache, dass die Verfolgung von
Medienberichterstattern nicht in unserem Land Thema
ist, sondern anderswo: in Staaten, mit denen wir nicht
befreundet sind, die sich entsprechende Mahnungen als
unzulässige Einmischungen von außen verbitten, aber
teilweise leider zunehmend auch in Mitgliedsländern der
Europäischen Union? Stellvertretend für alle verfolgten
und inhaftierten Journalistinnen und Journalisten hat
heute Reporter ohne Grenzen vor dem Reichstagsge-
bäude an viele Betroffene erinnert. Einige Kolleginnen
und Kollegen haben sich beteiligt, beispielsweise Martin
Dörmann .

Es ist wichtig und richtig, dass unsere Frau Bundes-
kanzlerin und der Bundesaußenminister Einschränkun-
gen der Pressefreiheit bei ihren Staatsbesuchen immer
wieder klar ansprechen . Wir brauchen aber auch einen
supranationalen Handlungsansatz . Daher bin ich Repor-
ter ohne Grenzen sehr dankbar für ihren Vorstoß, einen
UN-Sonderbeauftragten zum Schutz von Journalisten zu
installieren . Reporter ohne Grenzen setzt sich seit län-
gerem sehr verdienstvoll weltweit für die Rechte und
das Wohl von Journalistinnen und Journalisten ein . Ihre
Mahnungen und Hinweise sowie die Rangliste der Pres-
sefreiheit sind für uns eine wichtige Orientierungshilfe
und Richtschnur unseres politischen Handelns . Vielen
Dank dafür stellvertretend, wie ich glaube, für das ganze
Haus .


(Beifall im ganzen Hause)


Der Vorschlag von Reporter ohne Grenzen setzt an
der richtigen Stelle an . Der Beauftragte soll direkt beim
UN-Generalsekretär angesiedelt sein . Das Mandat ist
mit dem Schutz von Journalistinnen und Journalisten
präzise definiert und eng umrissen. Es gibt zwar bereits
einen Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für
Meinungsfreiheit; ich habe aber gelernt: Der Sonderbe-
auftragte ist höherwertig . Er oder sie könnte sich zudem
allein auf die Sicherheit und Unversehrtheit von Journa-
listinnen und Journalisten konzentrieren .

Derzeit stehen fast 30 Länder, darunter Frankreich
und Japan, hinter dem Vorschlag von Reporter ohne
Grenzen . Wir wollen, dass sich Deutschland schnellst-
möglich unter den Unterstützerstaaten einreiht . Es reicht
nicht länger aus, auf informeller und diplomatischer Ebe-
ne Wohlwollen zu signalisieren . Es geht um den Schutz
von Demokratie und Menschenrechten in der Welt . Da
muss Deutschland vorn ran .

Meine Fraktion hat sich bereits vor einem Jahr öffent-
lich für den Vorschlag von Reporter ohne Grenzen ausge-
sprochen . Unsere Außenpolitiker haben dankenswerter-
weise uns Medienpolitikern die Federführung überlassen;
dafür ein herzlicher Dank an die Außenpolitiker .

Ich sehe es als wichtige Aufgabe für die nächste
Wahlperiode des Deutschen Bundestages – das ist eine
Art Hausaufgabe an das dann neue Hohe Haus –, dass
wir analog zur Auswärtigen Kulturpolitik so etwas wie
eine auswärtige Medienpolitik entwerfen . Sie wird mehr
umfassen müssen als die Unterstützung der Deutschen
Welle . Eine angemessene Ausstattung des Auslandsrund-
funks aber gehört in jedem Fall dazu .

Die Deutsche Welle ist der Beitrag des Bundes zu me-
dialer Vielfalt und Meinungsfreiheit in der Welt . Ja, sie
sendet im Auftrag der Bundesregierung, und ja, BKM hat
die Rechtsaufsicht über den Sender, aber sie entscheidet
stets allein über ihre Programme und sie transportiert
stets unterschiedliche Meinungen und Standpunkte .

Wir haben in dieser Legislaturperiode mehrfach in
Debatten über die Deutsche Welle gesprochen . In den
vergangenen vier Jahren hat sich der Sender mit tiefgrei-
fenden Reformen fit gemacht für den rasanten digitalen
Medienwandel . Dafür sind zuallererst der Intendant und
sein Team verantwortlich . Ich möchte deshalb zum Ende
der Legislaturperiode Peter Limbourg und seinen Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern herzlich für die geleistete
Arbeit danken .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Der Ausbau des englischen TV-Programms zum
Break ing-News-fähigen Kanal war aus unserer Sicht
richtig, um die internationalen Entscheider und Multipli-
katoren zu erreichen und die deutsche Sicht auf die Welt
verständlich zu transportieren . Englisch ist derzeit die
Lingua franca unserer Zeit .

Mit der Reform des deutschsprachigen Fernsehkanals,
die uns vor nicht langer Zeit hier im Bundestag präsen-
tiert wurde, hin zu einem Kulturkanal transportiert die
Deutsche Welle ein facettenreiches Bild unseres Landes
als Kulturnation . Sie kommt damit ihrem gesetzlichen
Auftrag und nicht zuletzt dem Wunsch des Deutschen
Bundestages nach, die deutsche Sprache zu pflegen und
ihre Programme prominent auf Deutsch anzubieten, so
wie es im Deutsche-Welle-Gesetz vorgesehen ist .

Neben dem linearen Fernsehen wird das Internet mehr
und mehr zum führenden Informationsmedium . Deshalb
muss die Welle auf den wichtigen digital verbreiteten
Plattformen und Social-Media-Diensten mit ihren Ange-
boten präsent sein . Das tut sie verstärkt . Es gelingt auch
auf diese Weise, direkte Verbindungen zu den Nutzern
herzustellen – Stichwort „User-generated Content“ .

Zudem gilt es, auf die veränderte Weltlage – ich ver-
weise auf das Zitat zu Beginn meiner Rede – und neue
Krisenherde zu reagieren . Die Deutsche Welle hat ihre
russisch- und ukrainischsprachigen Programme ausge-
baut und ist damit zu einem der wichtigsten Anbieter un-
abhängiger, seriöser Informationen in der Region gewor-
den . Sowohl in der arabischen Welt als auch in der Türkei
wird die Presse- und Meinungsfreiheit leider mehr und
mehr verletzt, sind autokratische Tendenzen auf dem
Vormarsch . Für 2017 hat der Deutsche Bundestag daher

Marco Wanderwitz






(A) (C)



(B) (D)


zusätzliche Mittel für die Ausweitung der türkisch- und
arabischsprachigen Programme bereitgestellt .

Die Deutsche Welle sendet mit DW (Arabia 2) vorü-
bergehend im Inland, um den Flüchtlingen aus dem ara-
bischen Raum ein wertiges Informationsangebot zu un-
terbreiten und Orientierung über Deutschland zu geben .
Das ist eine Ausnahme, die die Situation erforderte, und
eine gute Lösung aus meiner Sicht .

Die Deutsche Welle hat sich in den letzten Jahren neu
und sehr gut aufgestellt . Damit einher ging ein deutli-
cher Bedeutungszuwachs in der Politik und hier im Par-
lament . Diesen gestiegenen Stellenwert haben sich der
Sender und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit
wirklich guter Arbeit verdient . Besonders freut mich –
das geht dir, lieber Martin, sicherlich ähnlich, weil wir
das in den Gremien miterleben –, dass, nachdem am An-
fang die Stimmung unter einem Teil der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern sehr skeptisch war, mittlerweile, da der
Reformprozess läuft, die Signale komplett auf positiv
stehen .

Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung
wissen, was sie an ihrem Auslandsrundfunk haben . Beide
haben in den letzten Jahren den Etat der Deutschen Welle
erheblich gesteigert . Mit dem Bundeszuschuss aus dem
BKM-Haushalt von nun rund 325 Millionen Euro sind
wir wieder da, wo wir in den 90er-Jahren waren, bevor
es in der rot-grünen Regierungszeit Kürzungen gegeben
hat. Dafür, dass wir das geschafft haben, möchte ich ei-
nerseits dem Bundesfinanzminister danken, andererseits
unserer Staatsministerin,


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo ist die eigentlich?)


unseren Haushaltspolitikern Rüdiger Kruse und Johannes
Kahrs und nicht zuletzt noch einmal dir, lieber Martin
Dörmann . Wir haben, glaube ich, gerade an dieser Stelle

in der letzten Legislaturperiode sehr eng und vertrauens-
voll zusammengearbeitet .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Martin Dörmann [SPD]: So ist es! Vielen Dank!)


Der Eckwertebeschluss der Bundesregierung sieht für
2018 eine nochmalige Erhöhung des Bundeszuschusses
um 25,7 Millionen Euro vor . Dazu sage ich von parla-
mentarischer Seite: Gut so .

Mit der heute zur Abstimmung stehenden Entschlie-
ßung geben wir uns die Hausaufgabe für die kommende
Legislaturperiode, die Deutsche Welle weiter fit zu ma-
chen . Wir haben unter anderem gesagt: Der Betrag, den
unser Nachbar Frankreich für seinen Auslandsrundfunk
ausgibt – das ist noch ein bisschen mehr –, sollte so die
Benchmark sein, an der wir uns orientieren – im Interes-
se unseres Landes, im Interesse von Demokratie und im
Interesse der Menschenrechte weltweit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824107700

Herzlichen Dank, Herr Kollege Wanderwitz .

Bevor wir die Aussprache fortsetzen, möchte ich Ihnen
kurz das von den Schriftführerinnen und Schriftführern
ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung
in der zweiten Beratung über den von den Abgeord-
neten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna
Karawanskij, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
Die Linke eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ab-
schaffung der sachgrundlosen Befristung, Drucksachen
18/12354 und 18/12624, mitteilen: abgegebene Stimmen
520 . Mit Ja haben gestimmt 53, mit Nein haben gestimmt
409, Enthaltungen 58 . Der Gesetzentwurf ist abgelehnt .
Damit entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere
Beratung .

Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 519;
davon

ja: 53
nein: 408
enthalten: 58

Ja

DIE LINKE

Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke

Annette Groth
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring

Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr . Sahra Wagenknecht
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich

Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


Nein

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Sybille Benning
Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger

Marco Wanderwitz






(A) (C)



(B) (D)


Clemens Binninger
Dr . Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Uwe Feiler
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr . Michael Fuchs
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Rainer Hajek
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich

Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Dr . Mathias Edwin Höschel
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Ronja Kemmer
Roderich Kiesewetter
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Dr . h . c . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Barbara Lanzinger

Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr . Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Kathrin Rösel
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Dr . Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Nadine Schön (St . Wendel)

Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster


(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)







(A) (C)



(B) (D)


Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Karl-Heinz Wange
Nina Warken
Kai Wegner
HonD Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Doris Barnett
Klaus Barthel
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Dr . Karl-Heinz Brunner
Dr . h . c . Edelgard Bulmahn
Dr . Lars Castellucci
Jürgen Coße
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier

Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr . Ute Finckh-Krämer
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Heidtrud Henn
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Daniela Kolbe
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Dr . Matthias Miersch

Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Jeannine Pflugradt
Sabine Poschmann
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
René Röspel
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Kerstin Tack

Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer

Enthalten

SPD

Heinz-Joachim Barchmann
Marco Bülow
Steffen-Claudio Lemme
Andreas Rimkus

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Katja Keul
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke






(A) (C)



(B) (D)


Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz

Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin

Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn

Hans-Christian Ströbele

Markus Tressel

Jürgen Trittin

Dr . Julia Verlinden

Doris Wagner

Beate Walter-Rosenheimer

Wir setzen jetzt unsere Aussprache fort . Als Nächstes
erteile ich das Wort dem Kollegen Harald Petzold für die
Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Petzold (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824107800

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Verehrte Besucherinnen und Besucher! Wir bera-
ten heute einen Antrag der Großen Koalition und einen
Antrag von Bündnis 90/Die Grünen . In beiden geht es
um die Einsetzung eines Sonderbeauftragten zum Schutz
von Journalistinnen und Journalisten . Ferner beraten wir
heute die Fortschreibung der Aufgabenplanung der Deut-
schen Welle .

Da der Kollege Wanderwitz hier so tut, als müsse man
diese zwei Themen zusammenpacken, da sie so wichtig
seien, komme ich nicht umhin, zurückzufragen:


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum in der vorletzten Woche?)


Wenn Ihnen das so wichtig ist, warum packen Sie das
in einem Tagesordnungspunkt zusammen, obwohl Sie
wissen, dass wir allein zum Thema Deutsche Welle eine
eigenständige Debatte benötigen? Und vor allem: Warum
kommen Sie in der vorletzten Sitzungswoche mit diesem
wichtigen Antrag zum Schutz der Journalistinnen und
Journalisten um die Kurve?


(Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Es wäre traurig, wenn es nichts zu kritisieren gäbe! – Dagmar Ziegler [SPD]: Sollen wir die letzten zwei Wochen gar nichts machen?)


Die Taktik, die Sie anwenden, ist immer die Gleiche:
Wenn Sie nicht wollen, dass wirklich ernsthaft über ein
Thema gesprochen wird, packen Sie Themen so zusam-
men, dass man weder über das eine noch über das andere
richtig reden kann .


(Martin Dörmann [SPD]: Sie haben schon viel Zeit vergeudet! Fangen Sie doch einfach mal an!)


Wenn wir tatsächlich über die Deutsche Welle inten-
siv reden wollen, müssten wir vor allem darüber reden,
dass diese umfangreiche Mittelaufstockung, die in den
vergangenen Jahren im Übrigen auch mit den Stimmen
der Oppositionsfraktionen, wenn ich Sie daran erinnern
darf, beschlossen worden ist, nicht genutzt worden ist,
um endlich die Zahl der prekären Beschäftigungsverhält-
nisse zu verringern .

Es ist nicht gelungen, dort endlich eine faire Vergü-
tung durchzusetzen . Es ist nicht gelungen, endlich den

Frauenanteil zu erhöhen . Deswegen bleiben wir bei un-
seren Forderungen: Statt einen sinnlosen Wettbewerb mit
der BBC, mit CNN, mit Al Jazeera oder Russia Today an-
zustreben, sollten wir endlich dafür sorgen, dass bei der
Deutschen Welle eine faire Vergütung gezahlt wird, dass
dort keine prekären Beschäftigungsverhältnisse mehr
herrschen und dass es zu einer Tarifangleichung kommt .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ansonsten wäre natürlich viel mehr Geld nötig; das wis-
sen Sie . Es wäre viel mehr Geld nötig, wenn man die
Deutsche Welle tatsächlich zu einem wirkungsvollen In-
strument im Hinblick auf die Auslandsberichterstattung
über die Bundesrepublik Deutschland ausbauen wollen
würde .

Ich will für meine Fraktion den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der Deutschen Welle für ihre Arbeit herzlich
danken, die sie trotz schwieriger Rahmenbedingungen
bei der Deutschen Welle leisten, sowohl beim Sender als
auch bei der DW Akademie .


(Beifall der Abg . Karin Binder [DIE LINKE])


Ich möchte dem Sender dazu gratulieren, dass er in die-
sem Jahr den Freedom of Speech Award an die White
House Correspondents’ Association verliehen hat, also
an die Journalistinnen und Journalisten des Weißen Hau-
ses. Ihr Chef, Jeff Mason, hat bei der Preisverleihung –
aus meiner Sicht völlig zutreffend – gesagt: Auch in eta-
blierten Demokratien ist der Schutz von Journalistinnen
und Journalisten unabdingbar .

Gerade in den Vereinigten Staaten erleben wir etwas,
was im freiesten Land der Welt niemand für möglich ge-
halten hätte, nämlich dass Journalistinnen und Journalis-
ten verunglimpft, herabgesetzt, geradezu zum Feind der
Nation erklärt werden und dass ihre Arbeitsbedingungen
so weit eingeschränkt werden, dass von Pressefreiheit
schon fast nicht mehr die Rede sein kann . Andere Bei-
spiele sind Russland und Mexiko, wo kritische Journa-
listinnen und Journalisten einfach erschossen werden . In
Polen dürfen Journalistinnen und Journalisten nicht mehr
über die Parlamentssitzungen berichten . In Ungarn und
Polen werden bei den Sendern einfach die Führungen
ausgetauscht, oder kritische Journalistinnen und Journa-
listen werden entlassen . Diese Liste ließe sich fortsetzen .

Der Gipfel ist die Türkei, wo über 100 Journalistinnen
und Journalisten in Gefängnissen sitzen und wo wir ma-
ximale Besorgnis oder ganz besondere Besorgnis seitens
der Bundesregierung zum Ausdruck bringen . Weil wir
mit dem Diktator und Kurdenmörder Erdogan ja einen
schmutzigen Deal vereinbart haben, damit Flüchtlinge






(A) (C)



(B) (D)


von Deutschland ferngehalten werden . Auch das muss
angesprochen werden, weil es dazugehört, wenn man
über Pressefreiheit und den Schutz von Journalistinnen
und Journalisten spricht .

Ich bin dem Bündnis 90/Die Grünen dankbar, dass
dieser Antrag eingebracht und die Große Koalition noch
einmal herausgefordert wurde, selber etwas vorzulegen,
damit wir nicht nur über Ihren Antrag reden, der leider
keine Mehrheit bekommen hätte .


(Martin Dörmann [SPD]: Wir waren vorneweg!)


Außerdem bin ich natürlich auch den Kolleginnen und
Kollegen der Großen Koalition dankbar . Denn ich weiß,
dass dieses Anliegen ohne Ihren Antrag hier gar nicht
mehrheitsfähig gewesen wäre .


(Martin Dörmann [SPD]: Das ist Quatsch!)


Aber ich frage Sie natürlich: Warum sagen Sie nichts
zur finanziellen Ausstattung eines solchen Sonderbeauf-
tragten? Warum sagen Sie nichts dazu, ob die Bundesre-
publik Deutschland einen freiwilligen finanziellen Bei-
trag leistet? Dazu sind wir nämlich aufgefordert worden .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Warum sagen Sie nichts dazu, dass Sie nicht bereit sind,
Whistleblower zu schützen? Warum sagen Sie nichts
dazu, dass Sie mit Ihrem Konzept der Vorratsdatenspei-
cherung natürlich auch die Arbeit der freien Presse ein-
schränken? All diese Dinge gehören in diesem Zusam-
menhang mit auf den Tisch .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Trotzdem sage ich: Der Antrag ist wichtig, er geht in
die richtige Richtung, und deswegen wird meine Frakti-
on dem Antrag zustimmen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824107900

Als nächster Redner hat Martin Dörmann für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1824108000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ohne kritischen Journalismus wäre unsere Gesellschaft
eine gänzlich andere . Sie wäre weniger frei, weniger viel-
fältig, weniger demokratisch, und sie wäre sicher auch
unsozialer und ungerechter . Denn der Fortschritt und der
Zusammenhalt einer Gesellschaft sind eng verbunden
mit dem freien Austausch von Argumenten und mit der
öffentlichen Kontrolle demokratischer Macht. Zu beidem
leistet der Journalismus einen unverzichtbaren Beitrag .

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund unserer eigenen
Geschichte wissen wir, wie wichtig Presse- und Mei-

nungsfreiheit sind . Deshalb will die Koalition zum Ende
dieser Legislaturperiode mit zwei Anträgen bewusst ein
deutliches Zeichen setzen . Dieses Thema wird ja nicht
das erste Mal behandelt; Kollege Petzold, das wissen Sie
ganz genau . Deshalb bedaure ich, dass Sie dieses positive
Zeichen hier nicht noch deutlicher unterstützt haben .

Es kann uns alle nicht unberührt lassen, dass die
Unabhängigkeit von Medien und sogar die körperliche
Unversehrtheit von Journalistinnen und Journalisten in
immer mehr Staaten bedroht sind . Laut Reporter ohne
Grenzen wurden im vergangenen Jahr weltweit mindes-
tens 74 Medienschaffende ermordet, und 400 saßen we-
gen ihrer Tätigkeit in Haft . In diesem Haus haben wir
wiederholt die Freilassung von Deniz Yücel und aller
anderen inhaftierten Journalistinnen und Journalisten
angemahnt, und das will ich auch an dieser Stelle noch
einmal bekräftigen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In einem der beiden Anträge fordert die Koalition die
Einrichtung eines Sonderbeauftragten der Vereinten Na-
tionen zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten .
Mein Fraktionskollege Siegmund Ehrmann wird für mei-
ne Fraktion gleich noch näher darauf eingehen .

Ich möchte mich auf den zweiten Antrag konzentrie-
ren . Er ist bereits erwähnt worden und befasst sich mit
der Aufgabenplanung der Deutschen Welle, deren Fort-
schreibung wir nachdrücklich unterstützen .

Erst kürzlich hat die Deutsche Welle auf ihrer interna-
tionalen Medienkonferenz wieder ein deutliches Zeichen
für Presse- und Meinungsfreiheit gesetzt . Intendant Peter
Limbourg hat das Global Media Forum mit folgenden
Worten eröffnet:

Allen Despoten, Autokraten und Gewaltherrschern
sage ich: Ihr werdet die Meinungsfreiheit nicht ewig
unterdrücken können . Sie ist stärker als ihr .

Ich glaube, dem können wir uns alle hier gemeinsam voll
und ganz anschließen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nachdem ich ihn gerade schon zitiert habe, darf ich an-
schließen, dass ich mich sehr freue, dass Intendant Peter
Limbourg heute mit Programmdirektorin Gerda Meuer
dieser Debatte beiwohnt . Herzlich willkommen! Ich will
mich den Dankesworten meines Kollegen Wanderwitz
anschließen und natürlich alle Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter der Deutschen Welle einschließen . Ich glaube,
dort wird tolle Arbeit geleistet, und wir beide haben in
den Gremien erlebt, wie engagiert das Mitarbeiterteam
dort ist . Ein herzliches Dankeschön an alle!


(Beifall im ganzen Hause)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist bereits erwähnt
worden: In dieser Legislaturperiode ist es uns gelungen,
unsere Auslandssender nach langen Jahren der Kürzun-
gen und der Unsicherheit endlich wieder finanziell zu

Harald Petzold (Havelland)







(A) (C)



(B) (D)


stabilisieren und programmlich zu stärken . 2013 sind wir
mit 277 Millionen Euro gestartet, heute liegt der Etat bei
325 Millionen Euro . Diese Steigerung war und ist auch
notwendig, und es ist vor allen Dingen gut angelegtes
Geld; denn wir erleben ja alle, wie sehr das politische und
das mediale Umfeld weltweit in Bewegung sind . Damit
wächst das Bedürfnis nach Informationen und verlässli-
cher Einordnung und nicht zuletzt nach einem Gegenpol
zur staatlichen Propaganda autoritärer Regime .

Genau aus diesen Gründen ist die Arbeit der Deut-
schen Welle so wichtig . Sie ist journalistisch unabhängig,
in 30 Sprachen global unterwegs und trimedial präsent,
das heißt, per Internet, per Fernsehen und per Radio .
Damit erreicht sie jede Woche über 135 Millionen Men-
schen . Mit den Angeboten der DW Akademie fördert sie
zudem in den Ländern der Entwicklungszusammenarbeit
professionellen Journalismus, Medienkompetenz und
Meinungspluralismus .

Dank ihrer hohen Qualität und Glaubwürdigkeit gilt
die Deutsche Welle international als Stimme der Freiheit
und als verlässlicher Nachrichtenlieferant . – Ich glau-
be, wir dürfen hier auch noch einmal applaudieren – ich
sehe, Sie wollen das tun –;


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


denn das nutzt in der Tat auch uns . – Das ist die Aufgabe
der Deutschen Welle . Sie trägt damit auch zur Verbrei-
tung unserer Werte und zu einem positiven Deutschland-
bild weltweit bei .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Herausforde-
rungen sind, wie beschrieben, gewachsen . Die Deutsche
Welle hat darauf mit einer erfolgreichen Programm- und
Strukturreform reagiert, die wir unterstützen . Nun gilt es,
den nächsten Schritt zu machen .

Ich habe es bereits erwähnt: Wir haben eine Stabilisie-
rung des Haushaltes hinbekommen . Kollege Wanderwitz
hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der französische
Auslandsrundfunk und auch BBC World deutlich mehr
Gelder zur Verfügung haben, und ich glaube, es sollte
an uns sein, dieses Niveau ebenfalls anzustreben . Dem
haben wir in unserem Antrag Ausdruck verliehen . Die
Bundesregierung wird aufgefordert, das in den nächsten
Haushaltsberatungen nachzuvollziehen . Das ist sozusa-
gen die Hausaufgabe für die nächste Legislaturperiode .

Die Deutsche Welle kann dann vor allen Dingen noch
besser mit der Unterdrückung freier Medien umgehen
und auf Krisen und propagandistische Tendenzen reagie-
ren, weil sie ihr Programm und auch ihr Sprachenangebot
dann auf einem technisch hohen Niveau ausweiten kann .
Das führt dazu, dass sie am Ende noch mehr Menschen
erreicht .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist voraussicht-
lich die letzte kultur- und medienpolitische Debatte für
uns alle hier im Hause in dieser Legislaturperiode . Des-
halb möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal sehr
herzlich bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken,
die im Ausschuss gut zusammengearbeitet haben . In den
meisten Dingen sind wir uns ja sogar einig . Da, wo wir

uns nicht einig sind, sollten wir uns streiten, und dann
muss am Ende eine Lösung herbeigeführt werden .

Deshalb danke ich auch noch einmal meinem Pendent
auf der Unionsseite, Marco Wanderwitz, für die gute Zu-
sammenarbeit . Ich glaube, man kann sagen, wir haben in
dieser Legislaturperiode gemeinsam einiges im Bereich
Kultur und Medien bewegt .

Einiges bleibt aber noch zu tun . Uns liegen heute zwei
Anträge vor, die das zum Ausdruck bringen . Ich würde
mich freuen, wenn wir diese Aufgabe für die nächste
Legislaturperiode mit einem starken Votum gemeinsam
unterstützten . Noch einmal ein herzliches Dankeschön
an alle .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824108100

Tabea Rößner hat jetzt für Bündnis 90/Die Grünen das

Wort .


Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824108200

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Endlich ringt sich die Große Koalition dazu durch, ein
Anliegen zu unterstützen, das Reporter ohne Grenzen –
sie wurden schon erwähnt – und auch wir seit langem
fordern, nämlich die Einrichtung eines UN-Sonderbeauf-
tragten für Presse- und Medienfreiheit . Sie haben dafür
ein bisschen länger gebraucht . Aber besser spät als nie .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Martin Dörmann [SPD]: Wir sind das erste Parlament weltweit!)


Zugegeben: Das Thema ist zu ernst für parlamenta-
rische Seitenhiebe . Es ist nämlich äußerst dringlich . Die
weltweite Lage von Journalistinnen und Journalisten ver-
schärft sich Jahr für Jahr . Zurzeit sitzen weltweit rund
350 oder 400 Journalisten – die Zahlen gehen ein biss-
chen auseinander – in Haft . 74 Medienvertreter weltweit
wurden im vergangenen Jahr getötet . Die gefährlichsten
Länder sind Syrien, Afghanistan, Mexiko, der Irak und
der Jemen. Dort droht Medienschaffenden täglich Ge-
fahr für Leib und Leben . Lieber Kollege Dörmann, zur
Pressefreiheit in der Türkei hat sich die Bundesregierung
leider erst geäußert, als ein Journalist mit deutschem Pass
inhaftiert wurde .


(Martin Dörmann [SPD]: Das stimmt so nicht!)


Nun, es gibt mit David Kaye zwar einen Sonderbe-
richterstatter für das Recht auf Meinungsfreiheit, der an
den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Bericht
erstattet . Doch für ihn ist die Sicherheit von Journalis-
tinnen und Journalisten nur eines von vielen Themen . Er
ist unter anderem zuständig für jedwede Art von Zensur,
Sperrung und Regulierung von Inhalten in Presse, Funk
und Internet, für die Wahrung von Anonymität, für Ver-
schlüsselung, für den Schutz von Whistleblowern und
natürlich für alles, was die Meinungsfreiheit betrifft. Er
beobachtet die Entwicklung in den einzelnen Ländern,
sammelt alle Informationen und ist Ansprechpartner für

Martin Dörmann






(A) (C)



(B) (D)


Regierungen und Nichtregierungsorganisationen . All das
macht er ehrenamtlich .

Herr Kaye dürfte Ihnen übrigens gut bekannt sein . Sie
haben ihm gerade einiges an Arbeit verschafft. Seine um-
fassende Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz liegt
bereits auf Ihrem Tisch . Zumindest diese Arbeit, meine
Damen und Herren, hätten Sie ihm ersparen können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Aber das ist eine andere Baustelle . Er hat leider immer
mehr zu tun . Daher ist es dringend erforderlich, jeman-
den bei der UN zu haben, der seine ganze Zeit und Kraft
zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten einset-
zen kann .

Ein Sonderbeauftragter hat dafür bessere Voraus-
setzungen als ein Sonderberichterstatter . Lieber Marco
Wanderwitz, der Unterschied ist: Ein Sonderbeauftragter
ist hauptamtlich tätig . Außerdem hat er einen Stab von
Mitarbeitern, auf die er zurückgreifen kann . Vor allem:
Er kann eigeninitiativ tätig werden . Er muss also nicht
warten, bis ihn beispielsweise Mexiko einlädt, um sich in
Mexiko mit der Frage der Sicherheit von Medienschaf-
fenden zu befassen .


(Martin Dörmann [SPD]: Deshalb wollen wir das ja!)


Wir wollen der Stellung dieses Sonderbeauftragten
mehr Gewicht verleihen . Deshalb haben wir dazu ei-
nen eigenen Antrag eingebracht . Ich möchte sehr dafür
werben, dass Sie ihn heute mitbeschließen . Es ist bei-
spielsweise nicht nachvollziehbar, warum Deutschland
immer noch nicht der Group of Friends on the Protection
of Journalists bei den UN beigetreten ist . 17 Staaten aus
allen Regionen der Welt sind bereits Mitglieder und ma-
chen sich für das Thema stark . Angesichts der weltweiten
Entwicklung ist es allerhöchste Zeit, dass sich Deutsch-
land hier engagiert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die Finanzierung des Sonderbeauftragten muss auf
soliden Füßen stehen . Daher sollte sich Deutschland klar
dafür einsetzen, dass die Finanzierung aus dem laufen-
den UN-Budget erfolgt . Im Zweifel kann sich Deutsch-
land auch selbst verpflichten, zumindest einen Teil der
Finanzierung zu übernehmen . Von nichts kommt halt
auch nichts .

Wo wir gerade bei dem Thema sind, dass gute Arbeit
eben nur mit einer soliden Finanzierung gemacht werden
kann: Die Budgetaufwüchse bei der Deutschen Welle be-
grüßen wir ausdrücklich, ebenso die angestrebte Verste-
tigung der Mittel . Wir werden aber auch in der nächsten
Wahlperiode immer mit einem kritischen Auge begleiten,
wohin diese Gelder fließen, lieber Herr Limbourg. Wenn
es um den Ausbau des Programmbereichs und um Tarif-
angleichungen im Personalbereich geht, ist das natürlich
gut .

Was wir kritischer sehen, ist der Umbau der Deutschen
Welle zu einem englischsprachigen Breaking-News-Ka-
nal und zu einem Sender mit einem größeren Sende-

schwerpunkt im Inland . Beides geht am Auftrag der
Deutschen Welle vorbei .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Es gehört nämlich nicht zum Auftrag der Deutschen Wel-
le, Ausländer im Inland mit Nachrichten zu versorgen .
Dafür gibt es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und
zu dessen Kernaufgabe gehört vor allen Dingen auch die
Integration .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die bisherigen Kooperationen zwischen Deutscher
Welle und Öffentlich-Rechtlichen reichen unserer Mei-
nung nach aus . Was die Sprachenvielfalt angeht, ist diese
eine der Kernkompetenzen der Deutschen Welle . Wenn
sie Menschen gerade in ihren Regionalsprachen erreicht,
kann sie damit Demokratie fördern . Ich denke, das ist al-
les in unserem Sinne .

Die Deutsche Welle leistet in unserer globalisierten
Welt ohne Zweifel einen wichtigen Beitrag zu unabhän-
giger Berichterstattung und demokratischem Austausch
in der Welt . In diesem Zusammenhang will ich ausdrück-
lich auch die DW Akademie erwähnen, die bei der Aus-
und Fortbildung und der Unterstützung von Journalis-
tinnen und Journalisten einen zentralen Beitrag leistet .
Sie darf bei den Budgetplanungen nicht ins Hintertreffen
geraten .


(Martin Dörmann [SPD]: So sehen wir das auch!)


Abschließend noch ein persönliches Wort. Ich hoffe
nicht, dass dies meine letzte Rede ist, aber ich weiß, dass
Siggi Ehrmann heute seine letzte Rede halten wird . Ich
möchte mich bei ihm als Ausschussvorsitzenden ganz
herzlich bedanken . Ich denke, wir haben gut zusammen-
gearbeitet . Das gilt im Übrigen auch für die Kolleginnen
und Kollegen der anderen Fraktionen . Ich freue mich auf
die weitere Zusammenarbeit in der nächsten Wahlperi-
ode .

Danke .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824108300

Astrid Freudenstein hat jetzt für die CDU/CSU-Frak-

tion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Astrid Freudenstein (CSU):
Rede ID: ID1824108400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dem Dank und dem Glückwunsch an den Kollegen
Ehrmann möchte ich mich an dieser Stelle anschließen .
Alles Gute, vielen Dank!

Medien werden gerne als vierte Gewalt im Staate be-
zeichnet, als System, das neben der Legislative – das sind
wir –, der Exekutive und der Judikative existiert . In aller

Tabea Rößner






(A) (C)



(B) (D)


Regel ist mit dem Begriff der vierten Gewalt auch gleich
Kritik verbunden .

Der Begriff der vierten Gewalt ist verfassungstheo-
retisch völlig falsch, und offen gesagt mag auch ich ihn
nicht so richtig, weil er tatsächlich schief ist . Medien sind
nicht demokratisch legitimiert . Sie sind oft nur Teil der
Wirtschaft und zum Geldverdienen da . Sie verfügen vor
allem über keinerlei staatliche Gewalt, um dieses Staats-
wesen zu verändern .

Natürlich nehmen sie aber in der Bundesrepublik
eine wichtige öffentliche Aufgabe wahr. Sie haben eine
Wächter- und Kontrollfunktion und sind damit wesent-
licher Bestandteil unserer demokratischen Verfasstheit,
aber sie üben keine staatliche Gewalt aus .

Gleichwohl ist das geschriebene oder gesprochene
Wort für uns Politiker manchmal quälend . Mitunter füh-
len wir uns ungerecht behandelt; mitunter werden wir
ungerecht behandelt . Generell ist es aber richtig, dass das
Verhältnis zwischen Politik und Medien angespannt ist;
alles andere wäre Kumpanei und dem demokratischen
Wesen abträglich .

Alles in allem finde ich, dass wir in Deutschland mit
diesem angespannten Verhältnis zwischen Presse und
Politik seit 1945 ganz gut gefahren sind . Ich wüsste je-
denfalls nicht, wie man es besser organisieren sollte .

In den vergangenen Jahren ist ein Wandel zu erken-
nen gewesen . Es gibt recht leidenschaftliche und hitzige
Diskussionen darüber, was Journalismus darf: Wo liegt
die besondere Verantwortung, Dinge zu benennen oder
eben auch nicht zu benennen? Welche Bilder muss man
zeigen? Welche Bilder sollte man aus gutem Grund nicht
zeigen? Die Diskussionen sind schwierig, aber wichtig .

An Medienkritik ist nichts Schlimmes zu finden. Sie
macht die Dinge besser, zumal Journalisten ebenso wie
Politiker nur Menschen sind und natürlich auch Fehler
machen .

Mit einem „Lügenpresse“-Vorwurf wird jedoch der
Bereich der Medienkritik deutlich verlassen . Wenn Men-
schen in unserem Land mit diesem Kampfbegriff um sich
werfen, dann ist das eine generelle Verunglimpfung und
Abwertung, die jeder sachlichen Grundlage entbehrt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Politische Kräfte, die in unserem Land mit solchen
Begriffen agieren bzw. agitieren, stellen sich ins Abseits.
Sie haben nicht einmal im Ansatz begriffen, was Demo-
kratie bedeutet . Ein solcher Zustand kann einem auch
hier bei uns in Deutschland Angst machen .

Wenn man aber ins Ausland schaut, dann wird es
durchaus noch ernster . Schauen wir in die USA . Der
amerikanische Präsident – der Führer der freien Welt –
beschimpft Medien als Feinde des amerikanischen Vol-
kes und kanzelt selbst die Berichterstattung seriöser Me-
dien als Fake News ab . Schauen wir aber – das wurde
eben auch schon von den Kollegen getan – in die Türkei,
stellen wir fest: Da geht es nicht mehr nur um unsach-
liche Kritik oder Verunglimpfung, sondern da geht es

um Gewalt und Freiheitsentzug . Seit dem gescheiterten
Staatsstreich im vergangenen Jahr haben die türkischen
Behörden so viele Journalisten verhaftet wie in wohl kei-
nem anderen Land der Erde .

Aber Journalisten werden nicht nur beschimpft oder
eingesperrt, um sie an ihrer Arbeit zu hindern . Die Ge-
walt gegen sie reicht bis zum Mord, und das nicht einmal
selten . Eine neue Studie über Journalistenmorde belegt
die Gefahr . Zwischen 2002 und 2016 wurden demnach
1 700 Tötungen von Pressemitgliedern dokumentiert, al-
lein 400 davon in den vergangenen beiden Jahren . Und
entgegen der weitverbreiteten Auffassung, Journalisten
würden überwiegend im Kreuzfeuer von Bürgerkriegen,
bei ihrer Arbeit, bei ihrer Berichterstattung oder von kri-
minellen Banden getötet, zeigt diese Untersuchung, dass
viele Journalisten außerhalb von Kampfzonen und Kon-
fliktzonen entweder von staatlicher Seite getötet werden
oder dass die Täter nicht eindeutig identifiziert werden
können . Es wird davon ausgegangen, dass die Täter in
neun von zehn Fällen unbestraft bleiben . Zum Vergleich:
In Deutschland gibt es bei Morden eine Aufklärungsquo-
te von über 90 Prozent .

Viele der Länder mit den höchsten Zahlen an getöteten
Journalisten bringen die Täter nicht einmal vor Gericht .
Besonders dramatisch ist die Situation in Russland, Bra-
silien, Pakistan, Bangladesch oder Mexiko .

Die Studie untermauert mit ihrem Ergebnis also die
Notwendigkeit unseres Antrages, weil die aktuellen Ent-
wicklungen tatsächlich dramatisch sind . Deshalb müssen
wir unsere Bemühungen verstärken; denn eine offene und
demokratisch verfasste Gesellschaft ist nur mit einer frei-
en und unabhängigen Presse machbar . Aber eine solche
nicht vom Staat gelenkte und keiner Zensur unterworfene
Medienlandschaft kann es nur geben, wenn Journalisten
und Reporter beim Recherchieren und beim Schreiben
nicht mit Gewalt oder Gefängnis rechnen müssen .

Ein Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen zum
Schutz von Journalistinnen und Journalisten könnte die
Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der
Mitgliedstaaten effektiv überwachen. Er könnte – wo nö-
tig – den Finger in die Wunde legen . Dieses Thema kann
nämlich gar nicht genug Öffentlichkeit bekommen.

Ich würde mir darüber hinaus wünschen, dass wir
auch hier bei uns in Deutschland erkennen, wie wertvoll
eine freie Presse ist, auch wenn sie gelegentlich wehtut .
Sie ist ein Aushängeschild für unsere Demokratie und
eine Errungenschaft, und so schmerzhaft sie manchmal
für die Politik sein mag, so unkorrekt sie uns vielleicht
manchmal im Einzelfall auch erscheinen mag: Eine un-
freie Presse ist in jedem Fall eine schlechte Presse .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Dr. Astrid Freudenstein






(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824108500

Jetzt hat Siegmund Ehrmann als letzter Redner in die-

ser Aussprache das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Siegmund Ehrmann (SPD):
Rede ID: ID1824108600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren!
Man kann es nicht oft genug wiederholen, und ich will
das ausdrücklich in meiner letzten Rede, die ich von die-
sem Pult aus im Bundestag halten werde, unterstreichen:
Unabhängiger kritischer Journalismus ist ein Grundpfei-
ler demokratischer Gesellschaften . Deshalb muss es erst
recht einen Ausschuss für Kultur und Medien interessie-
ren, was sich in diesem Sektor tut .

Das haben wir in dieser Legislaturperiode in zwei
Fachgesprächen getan . Wir haben uns mit der Lage der
Meinungs- und Medienfreiheit weltweit, aber auch in
unserem Land auseinandergesetzt; denn auch in unse-
rem Land gab es infolge der populistischen „Lügenpres-
se“-Kampagne Grund genug, genauer hinzuschauen auf
Übergriffe auf Journalisten und auch auf die Frage, ob
unsere Sicherheitsorgane, Polizei, Staatsanwaltschaften
alles tun, um dem Herr zu werden . Diese Attacken sind
und waren zu verurteilen, und das mit allem Nachdruck .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich habe keine Zweifel, und es ist unstreitig: In un-
serem Rechtsstaat sichern eine kritische Öffentlichkeit,
aber auch – im rechtsstaatlich enger gefassten Sinne – die
Polizei, die Staatsanwaltschaften sowie die Gerichte die
Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit . Das ist in
vielen Ländern der Welt nicht der Fall .

Es sind erschütternde Zahlen, mit denen uns die welt-
weit vernetzte NGO, also Nichtregierungsorganisation,
Reporter ohne Grenzen konfrontiert . Der sehr anschau-
lich gestaltete Jahresbericht 2016 macht das deutlich . Ich
kann jedem nur empfehlen, dort hineinzuschauen . Seit
2007 sind mindestens 696, also rund 700 Journalistinnen
und Journalisten wegen ihrer Tätigkeit getötet worden .
Die Brennpunkte wurden von Kollegin Freudenstein
genannt . Darüber hinaus nenne ich Syrien, Afghanistan,
den Irak und Jemen . Mexiko wurde schon erwähnt .

Dazu drei konkrete Beispiele: Salad Osman Sa-
gal – das ist eine junge Frau, 24 Jahre alt – arbeitete
als Moderatorin für Radio Mogadischu in Somalia . Sie
wurde Anfang Juni 2016 in der somalischen Hauptstadt
erschossen . Die Täter entkamen; allerdings deuten Indi-
zien auf eine Aktion der Terrorgruppe al-Schabab hin, die
schon viele Journalistinnen und Journalisten in Somalia
ermordet hat .

Ein zweites Beispiel: Anabel Flores Salazar, 32 Jahre
alt, berichtete für ihre Zeitung aus einer Ostprovinz in
Mexiko, Veracruz, über das organisierte Verbrechen . Im
Februar 2016 wurde sie entführt . Ihre Leiche wurde am
nächsten Tag, entsetzlich zugerichtet, in einem Nachbar-
staat aufgefunden . Allein in Mexiko sind in diesem Jahr

schon vier Journalistinnen und Journalisten ermordet
worden .

Ein drittes Beispiel: Ich erinnere an María Esther
Aguilar Cansimbe, verschwunden im November 2009 .
Sie recherchierte für lokale und regionale Zeitungen
über organisierte Kriminalität und Machtmissbrauch und
wurde schon lange vor ihrem Verschwinden drangsaliert .
Schutz fand sie nicht . Sie ist verschwunden . Alles deutet
darauf hin, dass sie nicht mehr lebt . Eingeleitete Ermitt-
lungsverfahren liefen ins Leere .

Reporter ohne Grenzen wandte sich Mitte 2015 an
eine spezielle UN-Arbeitsgruppe für Fälle von erzwun-
genem Verschwindenlassen . All das sind bisher stumpfe
Waffen. Deshalb ist die Frage, wie das Völkerrecht wirk-
samer durchgesetzt werden kann, um Journalistinnen und
Journalisten nicht schutzlos zu lassen, eine zentrale Fra-
ge . Allein die guten UN-Resolutionen reichen nicht aus .
Sie haben das Thema zwar auf die internationale Agenda
gehoben, aber sie bilden aus sich heraus kein ausreichen-
des Instrumentarium, um wirksam eingreifen zu können .

Deshalb stellen wir diesen Antrag und fordern die
Bundesregierung auf, die sehr breit getragene Initiati-
ve der Vereinten Nationen zu unterstützen, einen Son-
derbeauftragten des Generalsekretärs zum Schutz der
Journalisten einzusetzen . Dieser hätte nämlich Sonderer-
mittlungsfunktionen . Direkt dem Generalsekretär zuge-
ordnet, könnte er wirksam handeln; er könnte Verfahren
einleiten und in Verbindung mit anderen menschenrecht-
lichen Instrumenten nachhaltig Wirkung erzielen .

Ich gehe auf Tabea Rößner ein und bedanke mich
zunächst einmal für die freundlichen Worte zu meinem
Ausscheiden . Ich will aber auch auf den Antrag, den ihr
gestellt habt, inhaltlich eingehen . Die erste Forderung
deckt sich weitestgehend mit dem Inhalt des Antrags,
den die Regierungskoalition vorgelegt hat . Allerdings
funktioniert der einseitige Beitritt Deutschlands zu dieser
Unterstützergruppe so nicht . Das würde die Proportio-
nalität gefährden . Man kann dieser nur beitreten, wenn
zeitgleich organisiert wird, dass aus anderen Regionen
ebenfalls Mitglieder in dieser Initiative mitwirken .


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können wir ja machen!)


Die Akteure im Auswärtigen Amt arbeiten daran . Das ist
auf dem Weg . Insofern bitte ich Sie alle, dem Koalitions-
antrag zuzustimmen .

Martin Dörmann hat vorhin schon deutlich gemacht:
Wenn die lange Dauer kritisiert wird, ist doch darauf hin-
zuweisen, dass wir die Ersten weltweit sind, die in einem
Parlament darüber diskutieren. Ich finde, es ist ein gutes
Ergebnis der Koalition, dass wir das im Finale noch ein-
gebracht haben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ich will es mit meinen Abschiedsworten nicht
übertreiben, aber ein paar Worte seien mir gestattet . Seit
2002 vertrete ich als direkt gewählter Abgeordneter die
Menschen in der Region Moers, Krefeld und Neukir-
chen-Vluyn . Sie haben mir das Vertrauen übertragen . Ich






(A) (C)



(B) (D)


hoffe, dass ich das auch in dieser Wahlperiode gerecht-
fertigt habe . Ich danke allen aus meiner Region, insbe-
sondere aus meiner Partei, die mir diese Kandidatur über-
haupt erst ermöglicht und mir das Vertrauen für dieses
Mandat geschenkt haben .

Ich danke im Speziellen natürlich insbesondere den
Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich in der Kultur-
politik zusammengearbeitet habe . Das gilt für die kleine,
aber feine Arbeitsgruppe, die hier heute zugegen ist, aber
auch fraktionsübergreifend . Ich habe im Parlament wun-
derbare Menschen kennengelernt .

Meine Damen und Herren, was ich als sehr persönli-
che Anmerkung ganz zum Schluss ansprechen möchte:
Als einer, der 1952 tief im Westen der Republik gebo-
ren wurde, hätte ich mir zwei Dinge in meinem Leben
nicht vorstellen können: zunächst einmal, dass ich in
meinem – in Anführungszeichen – „früheren“ Leben als
leitender Mitarbeiter einer Kommunalverwaltung 1990
als Berater in die Heimatstadt meiner Jugendfreunde,
nach Seelow, eingeladen werde, um beim Aufbau von
Kommunalverwaltung zu beraten . Das hätte ich nicht für
möglich gehalten .

Ich hätte es auch nicht für möglich gehalten, dass
ich hier gemeinsam mit altersgleichen Kolleginnen und
Kollegen aus Ostdeutschland, den stillen Helden mei-
ner Jugend, die eine friedliche Revolution auf den Weg
gebracht haben, für Freiheit und Demokratie eintreten
kann . Das ist für mich nach wie vor rein emotional das
Größte, was es gibt .

Ich hoffe, dass dieses Parlament dem Frieden unseres
Landes, dem Wohl der Menschen mitten in Europa, aber
auch weltweit in Verantwortung treu bleibt . Insofern al-
les Gute für die Zukunft – denen, die bleiben, und denen,
die kommen!

Herzlichen Dank .


(Beifall im ganzen Hause – Die Abgeordneten der SPD erheben sich)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824108700

Ich möchte Ihnen, Herr Ehrmann, auch im Namen der

Kolleginnen und Kollegen noch einmal ganz herzlichen
Dank sagen . Ich glaube, dass Sie für viele wie auch für
mich immer das Gesicht der Kulturpolitik in diesem Par-
lament waren . Sie haben mit großer Beharrlichkeit, aber
auch sehr erfolgreich immer wieder deutlich gemacht,
dass Kulturpolitik auch im Deutschen Bundestag eine
große Bedeutung hat . Auch dafür möchte ich Ihnen ganz
herzlich danken, und ich möchte Ihnen einfach alles Gute
für die Zukunft wünschen .


(Beifall)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen jetzt mit
unserem parlamentarischen Alltag weitermachen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf der Druck-
sache 18/12781 mit dem Titel „Sonderbeauftragten der
Vereinten Nationen zum Schutz von Journalistinnen und
Journalisten schaffen“. Nachdem alle Redner die Bedeu-
tung dieses Beschlusses noch einmal unterstrichen haben,

bitte jetzt um Ihr Handzeichen, wenn Sie diesem Antrag
zustimmen . – Gibt es jemanden, der dagegenstimmt? –
Gibt es jemanden, der sich enthält? – Der Antrag ist da-
mit einstimmig angenommen worden .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Ich komme zum Tagesordnungspunkt 31 b . Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Kultur und Medien zu der Unterrichtung durch die
Deutsche Welle über die Fortschreibung der Aufgaben-
planung 2014 bis 2017 der Deutschen Welle für das
Jahr 2017. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/12514, in Kenntnis der
Unterrichtung auf Drucksache 18/10856 eine Entschlie-
ßung anzunehmen . Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen
der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke
bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an-
genommen worden .

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
che 18/12803 mit dem Titel „Sonderbeauftragten der
Vereinten Nationen zum Schutz von Journalistinnen und
Journalisten ermöglichen“ . Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit
ist dieser Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen
die Stimmen der Opposition abgelehnt worden .

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 32:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des 4. Untersuchungsausschusses nach
Artikel 44 des Grundgesetzes

Drucksache 18/12700

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . Gibt es dazu
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall . Dann ist das so
beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner in
dieser Aussprache hat Dr . Hans-Ulrich Krüger für die
SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD):
Rede ID: ID1824108800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Wenn man mich vor anderthalb Jahren
gefragt hätte: „Was verstehst du unter Cum/Ex?“, hätte
ich, außer dass es sich um zwei lateinische Wörter han-
delt, nicht viel dazu sagen können . Dass sich hinter Cum/
Ex Finanzbetrügereien ohnegleichen versteckten, musste
auch ich erst begreifen und – wie viele andere auch – ver-
stehen lernen . Das hat seinen Grund .

Das Geschäftsmodell Cum/Ex zu verstehen, braucht
eben Zeit . Es ist nämlich beunruhigend, zu sehen, wie
viele kriminelle Energie Finanzmarktakteure an den Tag
gelegt haben, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die nur
ein einziges Ziel hatten: den Staat zu betrügen .

Siegmund Ehrmann






(A) (C)



(B) (D)


Cum/Ex-Geschäfte sind Gestaltungsmodelle mit Akti-
enleerverkäufen um den Dividendenstichtag, die auf eine
mehrfache Erstattung oder Anrechnung einer nur ein-
mal gezahlten Kapitalertragsteuer gerichtet waren . Ganz
einfach ausgedrückt: Einmal wurde Kapitalertragsteuer
gezahlt, und es wurden mindestens – ich bitte, das Wort
„mindestens“ zu beachten – zwei Steuerbescheinigungen
ausgestellt . Das ist im normalen Leben ungefähr so, als
wenn eine Familie mit einem Kind morgens in der Stadt
A Kindergeld beantragt, dann nachmittags in die Stadt B
fährt und für dasselbe Kind ein weiteres Mal Kindergeld
nicht nur beantragt, sondern – schlimmer noch – auch tat-
sächlich gewährt bekommt. Jedem rechtschaffenen Men-
schen muss an dieser Stelle klar sein: Hier stinkt etwas,
hier ist etwas faul .

Diese doppelte Ausstellung einer Kapitalertragsteu-
erbescheinigung war nunmehr also der Gegenstand un-
serer Prüfung. Dabei ist offensichtlich, dass durch die
Auszahlung bzw . Anrechnung dieser Gutschriften der
Allgemeinheit wirtschaftlicher Schaden entstanden ist,
ein Schaden, den die beteiligten Finanzmarktakteure als
Beute unter sich aufteilten .

Das Bundeszentralamt für Steuern kommt für seinen
Bereich zu dem Ergebnis, dass der entstandene Schaden
durch diese Geschäfte um die 500 Millionen Euro be-
trug . Nimmt man also einen entsprechenden Maßstab für
die Landesfinanzbehörden, so kann ein weiterer Schaden
von circa 400 Millionen Euro angenommen werden, so-
dass wir insgesamt bei knapp 1 Milliarde Euro liegen . Es
gibt – das ist in den Medien mehrfach dargestellt worden;
ich denke, das werden meine Kollegen gleich auch noch
intensiv tun – auch andere, auf hypothetischen Zahlen
beruhende Berechnungen, die aber nicht belegbar sind .

Nur: Bei einer Kapitalertragsteuer von 25 Prozent auf
eine Dividende von 4 oder 5 Euro müssen Zigmilliarden
an Aktienpaketen hin und her und her und hin transferiert
worden sein, um diese 1 Milliarde Euro, die dem Steuer-
zahler wehtut, die uns allen wehtut, zu erzielen .

Der 4 . Untersuchungsausschuss, der „Cum/Ex“, wur-
de auf Bestreben der Oppositionsfraktionen einberufen
mit dem Ziel, zu klären, ob Cum/Ex-Geschäfte durch
Fehler staatlicher Einrichtungen erleichtert wurden . In
knapp anderthalb Jahren hat der Ausschuss insgesamt
46 Sitzungen absolviert, davon 18 öffentliche Beweis-
aufnahmen; er hat dabei fünf Sachverständige und circa
70 Zeuginnen und Zeugen gehört . Wir haben 107 Zeu-
genbeweisbeschlüsse und 96 Aktenbeweisbeschlüsse ge-
fasst . In dieser kurzen Zeit haben wir eine für alle betei-
ligten Personen herausragende, arbeitsintensive Aufgabe
gelöst, für die ich allen Teilnehmerinnen und Teilneh-
mern meinen Respekt ausspreche und ihnen nochmals
für ihren Einsatz danken möchte .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg . Richard Pitterle [DIE LINKE] – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sehr fleißig!)


In der Bewertung der Ergebnisse des Ausschusses
möchte ich auch gern eines klarstellen: Cum/Ex-Ge-

schäfte mit Leerverkäufen waren zu jedem Zeitpunkt
rechtswidrig .


(Beifall der Abg . Dr . Sabine Sütterlin-Waack [CDU/CSU] – Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat bloß niemand gesagt!)


Wir haben klar festgestellt, dass das deutsche Steuerrecht
in den Jahren 1999 bis 2012 keinerlei Möglichkeit ge-
boten hat, eine einmal einbehaltene Kapitalertragsteuer
in rechtmäßiger Art und Weise mehrfach anrechnen zu
lassen . Eine diesbezügliche Gesetzeslücke hat nie be-
standen . Das, was Banken und Finanzmarktakteure mit
krimineller Energie vollzogen haben, war rechtswidrig,
auch wenn diese Akteure meinten, mit juristischen Gut-
achten den Eindruck erwecken zu können, seriöse Ge-
schäfte zu betreiben . Ich wiederhole: Jedem rechtschaf-
fenen Menschen ist klar: Für eine einmal gezahlte Steuer
gibt es nur einmal eine Bescheinigung .

Die entgegenstehende Geschäftspraxis war verwerf-
lich, kriminell . Den Akteuren gehört insofern das Hand-
werk gelegt . Das, denke ich, war einer der wesentlichen
Punkte . Da müssen wir uns dafür bedanken, dass es mitt-
lerweile intensiv arbeitende Staatsanwaltschaften gibt,
die die Täter überführen und überführen werden . Mein
Dank geht in diesem Fall auch an den scheidenden Fi-
nanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, der durch
den Ankauf von Steuer-CDs einen wesentlichen Beitrag
dazu geleistet hat, den Fahndungsdruck zu erhöhen und
die Verursacher dieser Geschäfte zu bezeichnen .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie auch noch was über Peer Steinbrück?)


Die beteiligten Finanzmarktakteure haben ihre Anla-
genstrategie den für sie zuständigen Behörden gegenüber
bewusst verschleiert mit der Folge, dass die Entwicklung
des Geschäftsmodells nicht erkennbar war . Superreiche
und Banker haben sich eine Parallelwelt geschaffen, in
der ein Beitrag zu unserer Solidargemeinschaft nicht
mehr vorkommt . „Gier frisst Seele“ oder „Gier frisst
Anstand“, meine Damen und Herren, das passt hier ganz
gut .

Der Ausschuss hat ferner klar dargelegt, dass die zu-
ständigen Behörden in Bund und Ländern in den letzten
Jahren unter Hochdruck zum einen Kapitalertragsteuer-
erstattungen verweigert, zum anderen bereits erstattete
Steuern zurückgeholt haben – in Anbetracht der kom-
plizierten und schwer zu durchschauenden Sachverhalte
eine respektable Leistung . Ich darf daher sagen: Die mit
der Materie befassten staatlichen Stellen haben nach Er-
kennen dieses undurchschaubaren Geschäftsmodells Gu-
tes und Herausragendes geleistet .

Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen,
zum Schluss noch einige Worte des Dankes sagen . Auch
wenn wir darüber streiten können, ob dieser Ausschuss
notwendig war oder nicht – ich weiß, da gibt es zwischen
den Mehrheitsfraktionen und der Opposition Bewer-
tungsunterschiede –, möchte ich doch eines klarstellen:
Trotz aller Kontroversen und unterschiedlichen Meinun-
gen danke ich Ihnen allen für die konstruktive, sachliche

Dr. Hans-Ulrich Krüger






(A) (C)



(B) (D)


Atmosphäre im Ausschuss . Der überwiegende Teil der
Beweisanträge ist gemeinsam gestellt worden, ein noch
größerer Teil von Beweisbeschlüssen von allen Fraktio-
nen gemeinsam gefasst worden .

Ein weiterer großer Dank geht an das Sekretariat mit
seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auch un-
ter Missachtung der Wochenenden Erhebliches geleistet
haben, mich hervorragend unterstützt haben und allen
Beteiligten ihre Dienste über das Maß hinaus angeboten
haben . Herzlichen Dank dafür!


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)


Der gleiche Dank gilt selbstverständlich allen Mitar-
beitern der Fraktionen und natürlich auch dem von allen
Fraktionen gemeinsam eingesetzten Ermittlungsbeauf-
tragten Jürgen Kapischke, der uns mit seinem Sachver-
stand als ehemaliger Generalstaatsanwalt nachhaltig und
hervorragend unterstützt hat .

Für mich selber kann ich sagen: Der Vorsitz dieses Un-
tersuchungsausschusses hat meine Arbeit in den letzten
anderthalb Jahren bereichert, und ich bin dankbar dafür,
dass ich zum Abschluss meiner Tätigkeit im Deutschen
Bundestag noch einmal eine derart verantwortungsvolle
Aufgabe übernehmen durfte .

Herzlichen Dank und Tschüs!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824108900

Auch Ihnen, Herr Krüger, einen ganz herzlichen Dank

für die Arbeit, die Sie geleistet haben . Gerade die Arbeit
in einem Untersuchungsausschuss ist – das wissen wir
alle – nicht nur sehr anspruchsvoll, sondern auch sehr
zeitaufwendig und manchmal auch sehr mühsam . Aber
er ist ein ganz wichtiges Instrument für den Deutschen
Bundestag . Deswegen Ihnen ganz herzlichen Dank!


(Beifall)


Richard Pitterle hat jetzt das Wort für die Fraktion Die
Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Richard Pitterle (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824109000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-

ginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Heu-
te werde ich noch einmal über den größten Steuerskandal
in Deutschland sprechen, und ich freue mich sehr, dass
ich aufseiten der Linken an dessen Aufdeckung und Auf-
klärung maßgeblich beteiligt war . Zugleich ist dies meine
Abschiedsrede . Für die nächsten vier Jahre werden Sie
von mir verschont werden .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)


An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Kollegin-
nen und Kollegen aus dem Untersuchungsausschuss,
dem Finanzausschuss und dem Rechtsausschuss, aber
auch bei meinem Kollegen aus dem Wahlkreis, Clemens

Binninger, für die wertschätzende Zusammenarbeit be-
danken .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kein Dank gebührt allerdings den politisch Verant-
wortlichen, die es zugelassen haben, dass der Staat jah-
relang durch die sogenannten Cum/Ex-Geschäfte aus-
geplündert wurde . Natürlich stellt sich die Frage: Wie
konnte das passieren?

Wir von der Linken wollten zusammen mit den
Grünen dieser Frage nachgehen und haben deswegen
vor ungefähr anderthalb Jahren hier im Bundestag den
Untersuchungsausschuss zu den Cum/Ex-Geschäften
durchgesetzt . Seitdem hat sich mehr und mehr gezeigt,
dass das bitter nötig war . Durch unsere Arbeit ist das
Thema auf die Agenda gekommen, fleißige Journalistin-
nen und Journalisten haben angefangen, zu graben, und
bei den Staatsanwaltschaften laufen die Ermittlungen in-
zwischen auf Hochtouren . Das alles haben wir Oppositi-
onsfraktionen von Linken und Grünen in Teamarbeit ins
Rollen gebracht, und darauf können wir sehr stolz sein .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, Cum/Ex-Geschäft klingt
kompliziert, ist aber eigentlich denkbar einfach . Im Prin-
zip heißt das nämlich: einmal zahlen und doppelt oder
gleich mehrfach wieder kassieren . Und das ging ver-
einfacht gesagt so: Cum/Ex-Geschäfte waren Aktienge-
schäfte, die um den Dividendenstichtag herum stattfan-
den . Das ist der Tag, an dem die Dividende auf die Aktie
ausgezahlt wird . Daher kommt der lateinische Name
Cum/Ex . Das heißt auf Deutsch „mit“ und „ohne“ und
steht für mit und ohne Dividende .

Man hat nun einen Zustand hergestellt, in dem von
außen gesehen eine einzelne Aktie scheinbar mehre-
re Eigentümer gleichzeitig hatte . Für die auf die Aktie
anfallende Dividende wurde dann nur einmal Kapitaler-
tragsteuer gezahlt, aber jeder dieser scheinbaren Eigentü-
mer erhielt dafür jeweils eine Bescheinigung, mit der er
sich die Steuer zurückerstatten lassen konnte . Der Fiskus
nimmt also einmal Kapitalertragsteuer ein und erstattet
sie mehrfach zurück – ein milliardenschweres Minusge-
schäft auf unser aller Kosten, Geld, das wir von der Lin-
ken deutlich sinnvoller hätten verwenden wollen, zum
Beispiel für die Sanierung von Schulen und Krankenhäu-
sern und vieles mehr .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Schlimmste an der Geschichte ist, dass diese
Tricksereien seit Jahrzehnten bekannt waren . Bereits in
den 1990er-Jahren gab es Fachaufsätze zu diesem The-
ma, und im Jahr 2002 wurde das Bundesfinanzministe-
rium auch noch einmal durch den Bankenverband aus-
drücklich auf dieses Problem hingewiesen . Und trotzdem
hat es noch bis zum Jahr 2012 gedauert, bis die Cum/
Ex-Geschäfte durch eine Gesetzesänderung wirksam un-
terbunden wurden .

Dr. Hans-Ulrich Krüger






(A) (C)



(B) (D)


Mit diesem Versagen aufseiten des Bundesfinanzmi-
nisteriums haben wir uns im Untersuchungsausschuss
genau auseinandergesetzt, und was dabei zutage geför-
dert wurde, war schlicht haarsträubend: Die gut bezahl-
ten Beamten mussten zugeben, dass das Ministerium
unterbesetzt war, dass sie die Thematik damals schlicht-
weg nicht verstanden haben oder sich gleich gar nicht zu-
ständig fühlten . Stattdessen hat man dem Bankenverband
blind vertraut und dessen damaligen Gesetzesvorschlag
zur Eindämmung der Cum/Ex-Geschäfte fast wortgleich
in das Jahressteuergesetz 2007 übernommen – ein kapi-
taler Fehler .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Denn dem Bankenverband ging es einzig und allein
darum, die Haftungsrisiken für die deutschen Banken
zu minimieren . Über ausländische Banken waren Cum/
Ex-Geschäfte aber immer noch möglich, und darauf wur-
de durch den Bankenverband auch ausdrücklich hinge-
wiesen . Im Jahressteuergesetz 2007 konnte dann auch
der dümmste Finanzhai noch einmal nachlesen, dass man
fröhlich Cum/Ex-Geschäfte über das Ausland machen
konnte . Und so geschah es dann auch: Die Cum/Ex-Party
kam so richtig in Gang . Über die Jahre bildete sich eine
regelrechte Cum/Ex-Mafia, ein Netzwerk aus Beratern,
Banken und Investoren. In diesem Dunstkreis finden
sich auch illustre Namen wie die von Investor Carsten
Maschmeyer oder Drogeriekönig Erwin Müller . Auch
die Deutsche Bank, die renommierte Rechtsanwalts-
kanzlei Freshfields oder die Allianz-Versicherung haben
in diesem Reigen eine Rolle gespielt . Nennenswerte Ge-
genwehr aus dem Bundesfinanzministerium über all die
Jahre: Fehlanzeige!

Die von uns betriebene Aufklärung hat noch einen
weiteren Totalausfall offengelegt: die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin . Die BaFin
soll als Bankenaufsicht eigentlich auch nachschauen,
dass bei den Banken alles mit rechten Dingen zugeht .
Doch weit gefehlt: Nach eigenen Angaben hat man sich
fast ausschließlich um die Frage der Solvenz der Banken
gekümmert . Steuerrechtliches hat nicht interessiert . Das
ist doch wohl eine gewaltige Schieflage. Jedem Brat-
wurstverkäufer, der einmal die Wurst fallen lässt, entzieht
man die Gewerbeerlaubnis . Aber wenn Banker Geschäfte
auf Kosten des Staates machen, soll das in Ordnung sein?
Das ist nicht in Ordnung .


(Beifall bei der LINKEN)


Auch wenn ich in den nächsten vier Jahren nicht mit-
wirken kann, verspreche ich Ihnen: Die Linke wird hier
immer wieder den Finger in die Wunde legen .


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und
SPD, dass Sie angesichts dieser katastrophalen Fehlleis-
tungen beim Bundesfinanzministerium und der BaFin in
Ihrem Abschlussbericht behaupten, das Ministerium und
die BaFin hätten sich nichts vorzuwerfen, lässt einem die
Haare zu Berge stehen .


(Beifall bei der LINKEN)


Möglicherweise wollen Sie nur Ihre Herren Finanzmi-
nister Steinbrück und Schäuble schützen, aber das lässt
die Opposition Ihnen so nicht durchgehen . Die politische
Verantwortung liegt bei diesen beiden Bundesfinanzmi-
nistern .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Frage ist am Ende: Wie verhindern wir, dass sich
so etwas noch einmal ereignet? Hier will ich kurz drei
Punkte nennen .

Erstens . Die Ministerien dürfen sich Gesetzentwür-
fe nicht einfach von den jeweiligen Lobbyverbänden
schreiben lassen, sondern müssen stattdessen die Abge-
ordneten des Bundestages frühzeitig mit einbinden .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Interessenvertreter an einem Gesetzentwurf be-
teiligt sind, so muss das im Entwurf auch entsprechend
gekennzeichnet sein .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens . Banken dürfen nicht nur mit Samthand-
schuhen angefasst werden . Wenn sich eine Bank an il-
legalen Geschäftspraktiken beteiligt, sollte sie auch mit
Lizenzentzug rechnen müssen . Die BaFin muss hier end-
lich durchgreifen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Drittens . Wir brauchen deutlich mehr Personal in der
Finanzverwaltung und endlich auch eine spezialisierte
Bundesfinanzpolizei, die gegen eine solch organisierte
Finanzkriminalität vorgehen kann .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, dass
windige Finanzhaie schon nach dem nächsten Steuertrick
suchen, um sich die Taschen zu füllen . Wir sind es den
Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig, dass diese
Finanzhaie es nie wieder so einfach haben, wie es bei den
Cum/Ex-Geschäften der Fall war .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824109100

Auch Ihnen, Herr Pitterle, danke ich ganz ausdrück-

lich für Ihre Arbeit . Sie waren zwei Legislaturperioden
in diesem Bundestag und haben sich gerade dem Thema
Finanzpolitik mit großem Einsatz gewidmet . Auch Ihnen
alles Gute für die Zukunft .


(Beifall)


Richard Pitterle






(A) (C)



(B) (D)


Christian Hirte hat als nächster Redner für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Christian Hirte (CDU):
Rede ID: ID1824109200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Unser Ausschussvorsitzender Dr . Krüger hat gerade ge-
schildert, mit welch hoher Intensität wir uns über viele
Tage, Wochen und Monate der Thematik Cum/Ex ge-
widmet haben und dass wir gemeinsam fraktionsüber-
greifend zu der Feststellung gekommen sind, dass diese
Cum/Ex-Geschäfte rechtswidrig waren und sind .

Sicher ebenso einig waren wir uns auch darüber, dass
einzelne kriminelle Marktteilnehmer, Banken und Bera-
ter organisiert zusammengearbeitet haben, um den Fis-
kus in die Irre zu führen . Bei der Frage allerdings, ob
politisches oder fachliches Versagen dazu führte, dass
das kriminelle Vorgehen einzelner Finanzmarktakteure
lange Zeit unterschätzt oder unbeachtet blieb, gehen die
Meinungen zwischen Koalition und Opposition nahezu
schon naturgemäß auseinander . Das hat man gerade bei
den Ausführungen des Kollegen Pitterle festgestellt .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Natur hat das nichts zu tun! – Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man hätte sich auch verständigen können, wenn Sie sinnvoll gearbeitet hätten!)


Das ist auch nicht verwunderlich . Man kann schließ-
lich nicht erwarten, dass die Opposition ihr schärfstes
Schwert aus der Hand legt


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie zwingen uns ja zu einem Untersuchungsausschuss! Das ist ja der Skandal!)


und dass ein Untersuchungsausschuss seine Arbeit völlig
losgelöst von parteipolitischen Kalkülen unaufgeregt im
Stillen verrichtet, um dann heute in friedlicher Eintracht
seine Ergebnisse zu präsentieren .

Fairness und Sachlichkeit kann man trotz zeitweiliger
schriller Momente sicher von einem Parlamentier erwar-
ten, nicht aber richterliche Unbefangenheit . Das gilt of-
fenkundig besonders in einem Wahljahr . So ist wohl auch
zu verstehen, dass man versucht, mit haltlosen Schuld-
zuweisungen und dem Kolportieren von horrenden Steu-
erausfällen in Milliardenhöhe mit aller Macht Aufmerk-
samkeit zu generieren .


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte?)


Es gab in der Vergangenheit Untersuchungsausschüsse,
in denen sich die Mitglieder um Einstimmigkeit bei allen
Entscheidungen bemüht haben


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott, die CDU/CSU vertuscht wieder Skandale!)


und der Presse sogar gemeinsam abgestimmte State-
ments vorgelegt haben .

Als wir im November 2015 mit der Ausschussarbeit
begannen, schien es zunächst auch bei unserem Untersu-
chungsausschuss so zu sein .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Rede erklärt sehr gut, wie es zu dem Skandal kam! – Gegenruf der Abg . Margaret Horb [CDU/CSU]: Zuhören!)


– Hören Sie mal zu, Herr Hofreiter . – An der gemein-
samen und praktisch durchgehend konsensualen Arbeit –
gemeinsam und nahezu ausschließlich konsensual – hat
sich bis zum Ende der Ermittlungen nichts geändert .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird schön weiter vertuscht!)


Erst als wir in die Phase kamen, in der wir den Ab-
schlussbericht erstellt haben, hat sich die Opposition von
der gemeinsamen Arbeit verabschiedet .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Sie haben etwas vorgelegt, was unterirdisch war und fachlich daneben!)


An der gemeinsamen Arbeit hatte sich auch nichts ge-
ändert, als wir teilweise bis spät nachts zusammensaßen
und festgestellt haben, dass parlamentarische Untersu-
chungsarbeit gelegentlich schwieriges, langwieriges und
auch beschwerliches Handwerk ist .

Ebenso beschwerlich fanden das anscheinend auch
einige Journalisten, weil es schwierig ist, einem norma-
len Menschen kurz und nachvollziehbar zu erklären, was
Cum/Ex überhaupt ist . Kollege Krüger hat das, glaube
ich, gerade hervorragend getan, jedenfalls für Juristen .
Ob das die Allgemeinheit so versteht – da bin ich nicht
ganz sicher .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die versteht das! Verlassen Sie sich drauf!)


Schon bei der Einsetzung unseres Untersuchungsaus-
schusses hat unser Bundestagspräsident Lammert ange-
merkt, dass in der Ausschussarbeit viel erreicht sei, wenn
es uns gelänge, einer breiten Öffentlichkeit überhaupt zu
erklären, was wir da untersuchten .


(Zuruf der Abg . Susanna Karawanskij [DIE LINKE])


Nach meinem Eindruck ist es so, dass wir, wenn wir das
zum Maßstab nehmen, nicht so sehr erfolgreich waren .

Die Komplexität der Materie führte auch dazu, dass
die Berichterstattung im Vergleich zu anderen Untersu-
chungsausschüssen eine geringere mediale Wirkung er-
zielte, als sich das mancher sicherlich erhofft hat. Aus-
nahmen wie beim Erscheinen des Zeugen Maschmeyer
bestätigen diese Aussage eher noch .

Einigen ist es dann offensichtlich zu still um den
Ausschuss geworden . Deshalb war man gerade bei den
Grünen in den letzten Wochen eifrig bemüht, die Cum/
Ex-Problematik zum medialen Großereignis zu machen,
an dessen Ende jetzt ein riesiges Steuerloch stehen soll .
Nach NSA, NSU, Edathy und VW ist man beim Cum/
Ex-Untersuchungsausschuss endlich da, wo sich der Kol-
lege Schick schon immer sehen wollte: als Chefankläger

Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


im angeblich größten Steuerskandal der Nachkriegsge-
schichte .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie denn einen größeren?)


– Ich komme noch dazu .

Aus diesem Grund hat es die Fraktion der Grünen
wohl am Ende auch abgelehnt, nach der gemeinsamen,
praktisch ausschließlich konsensualen Ermittlung diesem
Haus auch einen gemeinsamen Bericht – zusammen mit
der Koalition – vorzulegen . Denn hätte man sich womög-
lich mit Union und SPD auf ein gemeinsam getragenes
Ergebnis verständigt, wäre die überzogene Aufregung ja
weniger glaubhaft gewesen .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie jetzt auch mal zu der Ungeheuerlichkeit des Steuerbetrugs, oder was? – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Peanuts!)


Die Ergebnisse unseres Abschlussberichts möchte ich
daher kurz und in aller Sachlichkeit darstellen .

Wie schon erwähnt: Die Geschäfte waren und sind
rechtswidrig . Die gesetzlichen Regeln waren klar . Schon
jedem Laien erschließt sich sofort, dass man von etwas
einmal Gezahltem, nämlich Kapitalertragsteuer, nicht
mehrmals etwas zurückverlangen kann .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bloß nicht den Beamten des Finanzministeriums und Ihrem Minister!)


Das war offenkundig auch für die Beteiligten so klar,
dass sie ihr Handeln mit extremem Aufwand verschleiert
haben oder zu verschleiern versucht haben . Die Untersu-
chungen haben nämlich gezeigt, dass durch einen klei-
nen, aber lauten Kreis von Beratern – mit Professoren,
mit Gefälligkeitsgutachten – und Steuerpflichtigen der
Versuch unternommen wurde, Steuergesetze und ent-
sprechende finanzgerichtliche Entscheidungen bewusst
gegen deren Sinn auszulegen .

Die zuständigen Behörden in Bund und Ländern leis-
teten und leisten jedoch gute Arbeit . Sie konnten nämlich
in zahlreichen Fällen verhindern, dass zu Unrecht bean-
tragte Anrechnungen oder Erstattungen der Kapitaler-
tragsteuer auch tatsächlich angerechnet oder ausgezahlt
wurden . Außerdem ist es bereits gelungen, den Großteil
der bereits angerechneten oder erstatteten Kapitalertrag-
steuern erfolgreich zurückzufordern .

Das Bundeszentralamt für Steuern hatte zur Bewälti-
gung seiner Aufgaben dazu auch stets – anders, als es
Kollege Pitterle behauptet hat – das notwendige Perso-
nal und auch umfassende Unterstützung bei der Prüfung
der entsprechenden Anträge . Die zuständigen Mitarbeiter
haben sich dabei erfreulicherweise auch nicht von ein-
zelnen dreisten Steuerhinterziehern einschüchtern lassen .
Wir haben eher den Eindruck gewonnen, dass die Be-

amten fachlich hochkompetent und engagiert ihrer Arbeit
nachgegangen sind .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Hans-Ulrich Krüger [SPD])


Die Steuer- und Justizbehörden ermitteln aktuell um-
fassend zu den Cum/Ex-Geschäften, und es bestehen
gute Aussichten, unberechtigte Steuererstattungen mit
Zinsen zurückzuerhalten sowie strafrechtliche Verurtei-
lungen zu erwirken .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ganz viel ist verjährt, weil Sie zu spät reagiert haben!)


Die tatsächliche Schadenshöhe durch Cum/Ex-Geschäf-
te, Herr Kollege Dr . Schick, dürfte insoweit nur einen
Bruchteil der öffentlich – insbesondere auch von Ihnen –
genannten Summen in Milliardenhöhe betragen . Ob tat-
sächlich ein Millionen- oder Milliardenschaden für den
Fiskus entstanden ist, lässt sich heute überhaupt noch
nicht seriös beziffern. Wer dies tut, lenkt mit Fantasie-
zahlen von der hervorragenden Aufklärungsarbeit unse-
res Ausschusses ab .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Fantasiezahlen, weil Sie die Fälle von vor 2005 unter den Tisch fallen lassen!)


– Sie selber sind gleich noch dran . Vielleicht können
Sie es dann erklären . Der Ausschuss konnte Ihre Zahlen
nicht belegen. Die Grundlage war häufig unseriös.

Der Ausschuss hat neben der Sachverhaltsermittlung
und der rechtlichen Einordnung den Vorwurf widerlegt,
das Finanzministerium und das Bundeszentralamt für
Steuern hätten die Fälle zu zögerlich aufgeklärt . Das Ge-
genteil ist der Fall . Als erstmals durch einen Whistleblo-
wer im März 2009


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht der erste Whistleblower! Das ist falsch!)


im BMF klar wurde, dass es ein Problem in erheblichem
Umfang gibt, hat man drei Tage später – dazwischen lag
ein Wochenende – eine Kommission eingesetzt und we-
nige Wochen später das uns allen bekannte BMF-Schrei-
ben vom 5 . Mai 2009 auf den Weg gebracht,


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was nichts gebracht hat!)


das vorsah, dass Steuerberater und Wirtschaftsprüfer be-
stätigen müssen, dass der Erwerb der Aktien im Sinne
der Steuerbescheinigungen in keinem wirtschaftlichen
Zusammenhang mit Leerverkäufen getätigt wurde .

2010 fiel dann im BMF unter Finanzminister
Wolfgang Schäuble die Entscheidung für eine umfas-
sende Neuregelung des Besteuerungsverfahrens . Dabei
wurde ein kompletter Systemwechsel vollzogen, der
sowohl erdacht als auch praktisch für die Marktbeteilig-
ten handhabbar gestaltet und juristisch sauber auf den
Weg gebracht werden musste . Nach der Erstellung des
Gesetzentwurfs durch das BMF im gleichen Jahr konn-

Christian Hirte






(A) (C)



(B) (D)


te der Bundestag das OGAW-IV-Umsetzungsgesetz im
Jahr 2011 verabschieden .


(Richard Pitterle [DIE LINKE]: Cum/Cum lief weiter!)


Die Bedingungen, die den Steuerbetrug mit zu Unrecht
beantragten Anrechungen oder Erstattungen der Kapital-
ertragsteuer erleichtert haben, wurden damit endgültig
beseitigt . Das System des Kapitalertragsteuereinbehalts
und deren Abführung wurde nämlich zum 1 . Januar 2012
auf das sogenannte Zahlstellenprinzip umgestellt . Hier
also von einem Untätigsein der Verwaltung oder der Po-
litik zu reden, ist schlicht unredlich und falsch .

Weil offenkundig Ihnen, Herr Kollege Schick, im Lau-
fe der Ausschussarbeit klar wurde, dass mit dem Thema
Cum/Ex im Wahlkampf gegen die Regierung kein Blu-
mentopf zu gewinnen ist, haben Sie sich nach und nach
mehr auf das Thema Cum/Cum versteift . Der Ausschuss
ist dabei einvernehmlich Ihrem Wunsch entgegengekom-
men, auch diese Geschäfte zu untersuchen . Hierbei geht
es um solche Geschäfte, bei denen ausländische Aktionä-
re ihre Papiere kurz vor dem Tag der Dividendenzahlung
an deutsche Institute übertrugen . Der Grund war, dass
sich inländische Kapitalmarktteilnehmer im Gegensatz
zu den ausländischen ihre Kapitalertragsteuer erstatten
oder anrechnen lassen konnten . Durch Cum/Cum-Ge-
staltungen ersparten sich also die Inländer die Kapital-
ertragsteuer, die sie anteilig über Vertragsmodalitäten an
den ausländischen Aktionär weitergaben. Alle profitier-
ten, nur der Fiskus verlor .

Dieses Phänomen habe ich übrigens schon im Rah-
men meiner Steuervorlesungen im Studium kennenge-
lernt, damals noch bekannt unter dem Namen „Dividen-
denstripping“ . Wer hat dafür gesorgt, dass letztendlich
mit der Investmentsteuerreform 2016 Abhilfe geschaffen
wurde? Nicht die Grünen – auch nicht in der Zeit ihrer
Regierungsbeteiligung von 1998 bis 2005 –, erst recht
nicht die Linke, sondern das Finanzministerium unter
Wolfgang Schäuble .

Ich möchte noch einmal auf die Fantasiezahlen zu
sprechen kommen . Diese lenken – ich habe das bereits
ausgeführt – von den tatsächlichen Thematiken ab . Aus
unserer Sicht ist klar, dass die Höhe der behaupteten
Schäden – zuletzt bis ins geradezu Absurde; von 49 Mil-
liarden Euro war manchmal die Rede – von den eigent-
lichen Umständen und der eigentlichen Arbeit ablenken
soll, nicht nur von unserer Ausschusstätigkeit, sondern
auch und vor allem von denjenigen, die in den Behörden
dafür Sorge getragen haben, dass kein Schaden in dieser
Höhe entstanden ist .

Ich möchte es an dieser Stelle nicht versäumen, ganz
herzlich all denjenigen Danke zu sagen, die bei der Er-
mittlungsarbeit mitgeholfen haben, vor allem den Mit-
arbeitern der Fraktionen . Auch herzlichen Dank an das
Ministerium, das uns immer umfassend informiert und
mit Unterlagen unterstützt hat .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824109300

Dr . Gerhard Schick hat als nächster Redner für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824109400

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Bevor

ich auf die Debatte eingehe, möchte ich als Allererstes
all denjenigen Beamtinnen und Beamten in den Steuer-
verwaltungen und in den Staatsanwaltschaften danken,
die teilweise mit enormem Engagement versucht haben,
Schaden abzuwenden, Schaden zu verringern und die
Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen . Ich wün-
sche dabei allen in den nächsten Monaten und Jahren,
in denen diese Strafverfolgungs- und Ermittlungsarbeit
weitergeht, Erfolg, damit möglichst viel Geld zurück-
kommt und es wirklich gelingt, diese Verantwortlichen
zur Rechenschaft zu ziehen .


(Beifall im ganzen Hause)

Aber jetzt zu dem, was den Bundestag angeht: zur po-

litischen Verantwortung und der Debatte hier . Die Aus-
führungen von Herrn Hirte, dem CDU-Obmann, haben
sehr deutlich gezeigt, was der Schwerpunkt der Arbeit
der Koalition in diesem Untersuchungsausschuss war .
Schwerpunkt Ihrer Arbeit war, dass möglichst wenig von
diesem Ausschuss bekannt wird . Ihr einziges Interesse
war, dass der Ausschuss möglichst schnell beendet ist,
damit man über diesen großen Finanzskandal nicht mehr
reden muss;


(Zuruf von der CDU/CSU)

das war Ihr Begehr . Sie haben von Anfang an gesagt, der
Untersuchungsausschuss sei nicht erforderlich .

Schließlich kommen Sie zu dem absurden Ergebnis,
alle Behörden hätten alles sachgerecht und pflichtgemäß
gemacht .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erstaunlich!)


Ja ist es denn sachgerecht, wenn ich den Hinweis eines
Whistleblowers an die Finanzaufsicht, der sagt: „Da läuft
was schief“, liegen lasse, nicht die Staatsanwaltschaft
einschalte, ihn nicht ans Bundesfinanzministerium wei-
terleite? Das können Sie doch niemandem erklären .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ist es sachgerecht, dass trotz Einsetzung der Kom-
mission im Jahr 2009 – sobald man Bescheid wusste –
und trotz des nächsten Whistleblower-Hinweises – als
klar war, was für ein dramatischer Griff in die Kasse des
Steuerzahlers da erfolgt – bis 2011 immer noch Auszah-
lungen an diese Fonds erfolgten? Nein, es war ein Feh-
ler, der zu Milliardenverlusten für Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler führt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sie wollten das alles, all diese Fehler, unter einen Tep-
pich kehren . Aber Sie haben keinen Teppich gefunden,
der groß genug wäre, um diesen größten Finanzskandal
in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland da-

Christian Hirte






(A) (C)



(B) (D)


runter zu kehren . Trotzdem ist es gelungen, das aufzuklä-
ren; darauf sind wir als grüne Fraktion gemeinsam mit
den Linken stolz .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sie haben einen Nichtangriffspakt geschlossen: Ihr
sorgt dafür, dass nichts Unangenehmes für Wolfgang
Schäuble rauskommt, und wir sorgen dafür, dass nichts
Unangenehmes für Peer Steinbrück rauskommt . – Das
kann nicht die Aufgabe des Bundestages sein, sondern
ein solcher Skandal muss aufgeklärt werden . Diese Auf-
klärung muss auch weitergehen; denn es gibt noch einige
offene Punkte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich finde es zum Beispiel absolut inakzeptabel, dass
sich von den betroffenen öffentlichen Banken – Landes-
banken, die DekaBank, bei den Cum/Cum-Geschäften
teilweise auch die Sparkassen – bisher niemand getraut
hat, vor die Öffentlichkeit, die beklaut worden ist, zu
treten und Rechenschaft darüber abzulegen, wie es sein
kann, dass öffentliche Banken den Griff in die Tasche des
Steuerzahlers mitorganisiert haben . Warum stellt sich
von den öffentlichen Finanzinstitutionen, vom Deutschen
Sparkassen- und Giroverband, vom Bundesverband Öf-
fentlicher Banken Deutschlands und den einzelnen Insti-
tuten niemand hin und erklärt es einmal der Gesellschaft?
Das wäre doch einmal nötig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich hoffe, dass unsere Kolleginnen und Kollegen auf
Landesebene – ich richte den Appell an sie – die Aufklä-
rungsarbeit weiterführen . Es ist doch nicht erklärbar – so
viel zu dem Thema „Da ist nichts schiefgelaufen“ –, dass
die Steuerabteilungen der Landesfinanzministerien in
Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen und in Ba-
den-Württemberg – übrigens alle unter schwarz-gelber
Regierung; damit Sie das auch einmal wissen –


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


an einer Gesetzgebung gegen Cum/Ex in den Jahren 2005
und 2006 sowie 2009 und 2010 mitgewirkt haben und
dieselben Landesministerien, zuständig für die Landes-
banken, gleichzeitig nichts unternommen haben, damit
die Landesbanken aufhören, diese Geschäfte zu betrei-
ben . Darüber muss es doch Aufklärung geben, und dafür
müssen Leute politisch Verantwortung übernehmen –
namentlich die Landesminister Stratthaus, Wiegard und
Linssen, die dazu bisher nichts gesagt haben; das geht
so nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Dasselbe Sichwegducken sehen wir auch auf Bundes-
ebene . Zu dem größten Finanzskandal in der Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland, der in ihrer Amtszeit
stattgefunden hat, hat die Bundeskanzlerin bisher keine
Silbe gesagt . Genauso Peer Steinbrück, der in Vorträgen
landauf, landab die ganze Welt erklären kann – außer im

Untersuchungsausschuss . Dort, wo er nicht gesetzlich
dazu verpflichtet war, hat er bisher kein Wort dazu ge-
sagt, was in seinem Geschäftsbereich unter seiner Ver-
antwortung schiefgelaufen ist .

Genauso ist es bei Wolfgang Schäuble. Es ist signifi-
kant, dass er auch in dieser Debatte nicht anwesend ist .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Er soll herkommen!)


Nur im Untersuchungsausschuss, wo wir ihn zwingen
konnten, Stellung zu nehmen, hat er etwas zu diesem
Thema gesagt . Sonst hat er, der über die Flüchtlingskri-
se, über Donald Trump und Opern ganz groß Auskunft
gibt, dazu noch kein einziges Wort gesagt . – Das heißt:
Es wird keine Verantwortung übernommen, es wird sich
weggeduckt. Deshalb ist meine Aufforderung ganz klar:
Der Bundesfinanzminister muss aufhören, sich wegzudu-
cken . Er muss endlich die politische Verantwortung über-
nehmen . Er muss den Menschen erklären, was schiefge-
laufen ist, und er muss den Weg freimachen, damit die
Fehler korrigiert und endlich Konsequenzen gezogen
werden . So darf das nicht weitergehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das ist doch der Skandal im Skandal: Sie waren nicht
bereit, im Untersuchungsausschuss auch nur fünf Minu-
ten über nötige Konsequenzen zu reden . Das ist doch das
Mindeste, nachdem so ein Schaden entstanden ist, dass
wir versuchen, Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen .

Die Abgeordneten der Großen Koalition haben ge-
schrieben:

Der Ausschuss hat die Überzeugung gewonnen,
dass die Verantwortlichen in Bund und Ländern bei
den Themen seines Untersuchungsauftrags keiner
Empfehlung bedürfen .

Damit müssen wir befürchten, dass ein solcher Skandal
noch einmal passiert; denn Sie sind nicht bereit, aus den
Fehlern zu lernen. Ich finde, das ist eine üble Arbeitsver-
weigerung . Ich bin als Parlamentarier wirklich empört,
dass Sie sich der gemeinsamen Arbeit an den Konse-
quenzen nicht gestellt haben . Wie viel Steuergeld muss
eigentlich verlorengehen, dass Konsequenzen gezogen
werden?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich will ganz bewusst die Konsequenzen für den
Deutschen Bundestag benennen . Sowohl bei der Gesetz-
gebung zum Jahressteuergesetz 2007 als auch nachher
beim Gesetz, mit dem die Geschäfte geschlossen wur-
den, wussten wir im Finanzausschuss alle miteinander –
Kollege Krüger hat das gerade zugegeben, dass er das
Thema nicht auf dem Schirm hatte – nicht, um was es
ging, sondern wir haben die Vorlagen aus dem Finanz-
ministerium im Wesentlichen durchgewunken . Aber der
Finanzausschuss darf kein Wurmfortsatz des Finanzmi-
nisteriums sein . Wir haben die Verantwortung, und des-
wegen müssen wir die Voraussetzungen schaffen, dass
in Zukunft Vorschläge aus Lobbyverbänden nicht mehr
eins zu eins in ein Gesetz übernommen werden . Cum/Ex

Dr. Gerhard Schick






(A) (C)



(B) (D)


ist auch ein Lobbyismus-Skandal . Wir müssen auch hier
die entsprechenden Konsequenzen ziehen . Wir brauchen
schärfere Regeln gegen Lobbyismus, und wir brauchen
eine stärkere Aufstellung des Parlamentes, damit uns sol-
che Fehler nicht noch einmal passieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir müssen dafür sorgen, dass die Finanzaufsicht neu
aufgestellt wird . Wir brauchen ein Whistleblower-Ge-
setz . Alle wichtigen Hinweise kamen von Whistleblow-
ern . Wann schützen wir endlich diese Menschen, die uns
so wertvolle Hinweise geben?

Eines ist mir besonders wichtig . Im Moment laufen
die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, um zu
klären, wie man mit den Fällen von Cum/Cum umgeht .
Es stellt sich die Frage: Gehen die Betriebsprüfer los, de-
cken das auf und holen die Milliarden zurück, oder tun
sie es nicht? Das Finanzministerium ist bereit, einen Deal
mit den Banken zu machen und somit nicht allem auf den
Grund zu gehen . Das darf nicht sein . Wir haben den An-
spruch, dass alles Geld, was zurückgeholt werden kann,
auch zurückgeholt wird . Es darf nicht erneut Geschenke
für Banken geben, die mit Steuertricks versucht haben,
uns das Geld aus der Tasche zu ziehen . So geht das nicht!

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824109500

Als nächster Redner hat Andreas Schwarz für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Andreas Schwarz (SPD):
Rede ID: ID1824109600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der große
französische Romancier Émile Zola beschreibt in seinem
im Jahr 1891 veröffentlichten Roman Das Geld die Fol-
gen hemmungsloser Gier und Habsucht in der Finanz-
industrie . Der Roman handelt von dem Treiben seiner
Hauptfigur Aristide Saccard, einem windigen und betrü-
gerischen Spekulanten, der zunächst sagenhaften Reich-
tum erwirbt, am Ende aber alles verliert . Der Roman ist
125 Jahre alt, an Aktualität hat er aber nichts eingebüßt;
aber dazu später mehr .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das können Sie in Ihr Poesiealbum schreiben!)


Hemmungslose Gier ist nicht nur der Antrieb von
Aristide Saccard, sie ist auch der Antrieb der für die
Cum/Ex-Betrügereien Verantwortlichen. Mit der Erfin-
dung einer angeblichen Gesetzeslücke ließ man sich die
zuvor einmal gezahlte Kapitalertragsteuer gleich mehr-
fach erstatten bzw . anrechnen . Das ist illegal . Das haben
sowohl das Gutachten von Professor Spengel für den
4 . Untersuchungsausschuss als auch die Expertenanhö-
rung zweifelsfrei ergeben . Es bestand nämlich zu keinem
Zeitpunkt eine Gesetzeslücke . Es bedurfte vielmehr kri-

mineller Energie und einer gehörigen Portion Skrupel-
losigkeit, um solche Geschäfte zum Schaden der Allge-
meinheit durchzuführen . Ein Beamter des BMF hat es
in seiner Befragung vor dem Ausschuss auf den Punkt
gebracht: Das ist organisierte Kriminalität – Punkt .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns ist durch die
Ausschussarbeit erwiesen, dass es ein Zusammenwirken
von verschiedenen Vertretern der Finanzindustrie mit
dem Ziel der Ausplünderung des Staates gegeben hat . Es
ist evident, dass dieses System nur funktionieren konnte,
wenn wenige Leute zeitgleich agiert haben . Wir reden
also von schwerer bandenmäßiger Steuerhinterziehung .
Dieses Netzwerk, bestehend aus Banken, Beratungsfir-
men, Anwälten, Wissenschaftlern und Börsenhändlern,
baute seinen Geschäftserfolg auf einer Erfindung, einer
angeblichen Gesetzeslücke, die niemals existierte, auf .
Um diese Mär zu verbreiten, wurden Wissenschaftler en-
gagiert, die mit ihren Veröffentlichungen versuchten, die
Rechtsmeinung zugunsten ihrer abstrusen Rechtskonst-
ruktionen zu drehen . Ich muss zugeben, dass mich das
Engagement einiger Wissenschaftler in diesem ganzen
Cum/Ex-Komplex ganz besonders empört . Da war so
manch beamteter Professor offenbar nicht genug ausge-
lastet mit Forschung und Lehre .

Als Blaupause für die Aktivierung publizistischer
Helfershelfer für eigene Zwecke könnte wiederum Émile
Zolas Roman gedient haben; denn auch Saccard überlegt,
wie er die Machenschaften seiner Bank in ein besseres
Licht rücken kann . Er kommt auf die Idee, von den Ge-
winnen seiner Geschäfte mehrere notleidende Zeitungen
aufzukaufen, um so die öffentliche Meinung bezüglich
der Geschäfte seiner Bank in seine Richtung zu lenken .
Das war scheinbar bereits vor 125 Jahren im Finanzwe-
sen gängige Praxis .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man die Kom-
mentare und Veröffentlichungen der letzten Tage verfolgt
hat, konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Schuld-
frage geklärt ist und die Schuld beim Staat verortet wird .
Die Schuldigen sind aber die Netzwerke der Finanzin-
dustrie, die massiv Steuern zulasten der Allgemeinheit
hinterzogen haben . Sie tragen die Verantwortung für die
Cum/Ex-Geschäfte und sonst niemand .


(Zuruf der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE])


Ladendiebstahl ist auch verboten . Trotzdem wird ge-
klaut . Dafür ist aber nicht der Ladenbesitzer verantwort-
lich zu machen, sondern der Dieb . Hier werden scheinbar
Verantwortlichkeiten verschoben, und das kann man so
nicht akzeptieren .

Gegenwärtig arbeiten die Ermittlungsbehörden auf
Hochtouren daran, den Cum/Ex-Sumpf trockenzulegen .
Bundesweit laufen Dutzende Ermittlungsverfahren ge-
gen Beschuldigte, mit weiteren wird gerechnet .

In Émile Zolas Roman endet die Geschichte tragisch:
Die hemmungslose Gier hat am Ende alles niedergeris-
sen . Der schöne Schein fällt in sich zusammen . Not und
Elend der Anleger sind die Folge . – Auch in unserem
Fall, Cum/Ex, gibt es Verlierer: uns alle, den Staat und
alle seine ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler .
Aber das hat die kriminellen Netzwerke nicht tangiert,

Dr. Gerhard Schick






(A) (C)



(B) (D)


geschweige denn von ihren Betrügereien abgehalten . Die
Aussagen eines Steuerrechtsexperten vor dem Untersu-
chungsausschuss sprechen Bände . Auf die bohrenden
Nachfragen des Kollegen Schick, ob man sich denn Ge-
danken darüber gemacht habe, dass die Rendite dieser
Geschäfte von dem Geld ehrlicher Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer aufgebracht wird, antwortete er – ich
zitiere –:

Es ist diskutiert worden, und es ist hingenommen
worden, ja .

Die Zeit zitiert aus einem Meeting von Berger mit
Bankern wie folgt – ich zitiere –:

Wer sich nicht damit identifizieren kann, dass in
Deutschland weniger Kindergärten gebaut wer-
den, weil wir solche Geschäfte machen, der ist hier
falsch .

Diese beiden Zitate veranschaulichen die moralische
Verkommenheit und die Skrupellosigkeit dieser Cum/
Ex-Netzwerke .

Darüber, dass Schaden entstanden ist, sind wir uns
alle einig; aber niemand kann ihn gegenwärtig seriös auf
Heller und Pfennig beziffern. Umso wichtiger ist, dass
der Staat nun das ergaunerte Geld wieder zurückholt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Roman kann
sich Saccard einer mehrjährigen Haftstrafe zwar gerade
noch so eben entziehen, am Ende aber ist der Preis, den
er zu zahlen hat, die Flucht ins Exil . Schon damals stellte
offenbar die Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland eine
mögliche Folge der Verstrickung in kriminelle Geschäf-
te dar . Dieser Roman ist wirklich erschreckend aktuell .
Saccard verliert zwar alles und verlässt seine Heimat;
geläutert ist er aber keineswegs . Lapidar heißt es – Zi-
tat –: „ . . . das liegt ihm im Blut .“ Da gibt es Parallelen,
wenn man an Hanno Berger denkt, der mittlerweile im
Exil in der Schweiz lebt, nicht in den Ausschuss kommen
und auch nicht aussagen wollte. Man kann nur hoffen,
dass sich in der Causa Cum/Ex die Betroffenen besinnen
und reinen Tisch machen . Es gibt Bankhäuser, die sich
im Zuge der Ermittlungen um Aufklärung bemühen und
teilweise bereits Einigungen mit den Strafverfolgungsbe-
hörden erzielt haben. Freilich geschah das nur auf öffent-
lichen Druck; das gehört sicherlich zur Wahrheit dazu .

Ein Skandal allererster Güte bleibt, dass die Com-
merzbank, die sich im Jahre 2009 vom Staat mit über
18 Milliarden Euro retten ließ, über Jahre hinweg selbst
Cum/Ex-Geschäfte betrieben hat, den Staat also mit aus-
geplündert hat, der sie zuvor gerettet hat . Da fasst man
sich an den Kopf . Wie war das noch mal mit Moral, Skru-
pel und Demut? Ganz ehrlich, die Skepsis hinsichtlich
der Läuterung diverser Akteure in der Finanzindustrie
überwiegt . Demut scheint kein durchlaufender Posten in
dieser Branche zu sein, wie wir bei diversen Befragun-
gen in den Ausschusssitzungen unüberhörbar vernehmen
konnten .

Oder mit den Worten von Immanuel Kant:

Es ist niemals zu spät, vernünftig und weise zu
werden; es ist . . . schwerer, wenn die Einsicht spät
kommt . . .

Eine kleine Ergänzung möge Herr Kant mir nachsehen:
Es wird auch teurer, wenn man lange braucht .

Zum Abschluss möchte ich ein herzliches Dankeschön
sagen: an das Ausschusssekretariat für seinen unermüdli-
chen Einsatz, an meine Arbeitsgruppe, die sehr viel lesen
musste, und an die Kolleginnen und Kollegen aller Frak-
tionen und deren Mitarbeiter für das gute Miteinander .
Zu guter Letzt danke ich den Zeugen für die gewonne-
nen Einsichten . Das gilt besonders für diejenigen, die im
Ausschuss nichts gesagt haben .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824109700

Fritz Güntzler hat jetzt für die CDU/CSU-Fraktion das

Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Fritz Güntzler (CDU):
Rede ID: ID1824109800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Anderthalb Jahre
Arbeit im Untersuchungsausschuss liegen hinter uns . Es
war sehr zeitintensiv . Anders als Sie es dargestellt haben,
Herr Schick, finde ich, wir haben uns die notwendige Zeit
genommen . Wenn Sie noch Fragen hatten, haben wir die
Sitzungen immer verlängert . Wir haben Ihnen eigentlich
alle Möglichkeiten gegeben, Ihre Fragen zu stellen .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt leider nicht!)


Wir haben teilweise sogar zusätzliche Termine anbe-
raumt .


(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das kann ich bestätigen! Ich war dabei!)


Von daher glaube ich, wir haben im Untersuchungsaus-
schuss sehr gut und solide zusammengearbeitet, auch
wenn wir zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen .

Ich gebe zu: Als seit über 20 Jahren praktizierender
Steuerberater war ich von manchem überrascht, was uns
im Untersuchungsausschuss geboten wurde . Das Ganze
mündet jetzt in fast 1 000 Seiten . Wer Lust hat, kann das
alles nachlesen, auch die Sondervoten und das Votum der
Mehrheitsfraktionen . Wir bleiben der Nachwelt also er-
halten .

Als erstmaliges Mitglied eines Untersuchungsaus-
schusses habe ich mich am Anfang gefragt: Ist das über-
haupt sinnvoll? Ich habe gedacht, es sei sinnvoll . Aber
ich musste feststellen, dass die Opposition doch immer
wieder geneigt war, diesen Untersuchungsausschuss als
Instrument der Skandalisierung zu nutzen . Das war der
Sache nicht immer zuträglich, sondern – im Gegenteil –
sehr abträglich . Herr Schick, ich hätte mir gewünscht,

Andreas Schwarz






(A) (C)



(B) (D)


dass Sie nicht nur eine Seite wahrgenommen hätten, also
nicht unter selektiver Wahrnehmung gelitten hätten, son-
dern sich einmal das Ganze angesehen hätten, um dann
zu einem objektiven Urteil zu kommen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Hans-Ulrich Krüger [SPD])


Meine Damen und Herren, Cum/Ex-Geschäfte – das
haben meine Vorredner schon gesagt – waren und sind
rechtswidrig. Das ist die Auffassung, zu der wir gelangt
sind . Die höchstrichterliche Rechtsprechung steht noch
aus . Aber wir haben Rechtsprechungen, insbesondere
vom Finanzgericht Hessen . Es hat ausgeführt, die doppel-
te Anrechnung von Kapitalertragsteuer sei „abwegig“ –
so das wörtliche Zitat –, wenn sie nur einmal abgeführt
worden ist . Das widerspricht völlig dem Grundverständ-
nis der Kapitalertragsteuer als Abzugssteuer .

Die Einbehaltung einer Steuer ist Voraussetzung für
die Anrechnung der Steuer . Von daher kann es nicht an-
ders sein . Insofern ist für mich klar, dass sich diejenigen,
die diese Cum/Ex-Geschäfte initiiert haben, auch der
Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung schul-
dig gemacht haben. Ich hoffe, die Strafverfolgungsbehör-
den werden dem nachgehen . Wir haben Hinweise, dass
es so ist .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben lange über das Thema Eigentum gespro-
chen und uns gefragt: Kann es zweimal Eigentum geben?
Dazu sage ich nach dem Motto des Highlanders – „Es
kann nur einen geben“ –: Es kann nur einen Eigentümer
geben . Von daher glaube ich, die Verdoppelung des wirt-
schaftlichen Eigentums, von der wir in manchen Aufsät-
zen hochbezahlter – wie wir feststellen durften – Profes-
soren lesen mussten, ist hinfällig .


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das muss man nicht gesetzlich regeln! Das versteht sich von selbst!)


Das ist eigentlich geregelt, wie wir ja auch festgestellt
haben . Bei Cum/Ex gab es keine Gesetzeslücke, weil die
betriebenen Modelle von vornherein immer illegal gewe-
sen sind . Von daher hat man sich die Frage gestellt, ob
eine Gesetzgebung notwendig gewesen wäre, und es ist
gut, dass wir jetzt entsprechende gesetzliche Maßnahmen
ergriffen haben.

Zum politischen Spiel gehört es ja auch, mit Zahlen zu
arbeiten . Darüber haben wir heute ja auch schon mehr-
fach diskutiert . Es ist ein Gutachten von Herrn Professor
Spengel aus Mannheim in den Ring geworfen worden,
das zu extremen Zahlen kommt. Ich finde es interessant,
dass selbst Herr Professor Spengel im Vorwort von ex-
tremen Annahmen spricht . Das macht deutlich, dass er
selber das Gefühl hat, dass er wohl ein wenig zu hoch
gegriffen hat. Herr Krüger hat auch schon darauf hinge-
wiesen, dass diesem Gutachten hypothetische Rechen-
modelle zugrunde liegen . Es ist nicht beachtet worden,
dass die Erstattung teilweise verweigert und gar nicht
ausgeführt wurde, dass es Rückforderungen gegeben hat
und dass weitere Verfahren noch laufen . Seriöserweise

müsste man das alles eigentlich mit einrechnen, sodass
man zu einem anderen Ergebnis kommen würde .

Ich gebe aber zu: Ich glaube, keiner hier im Saal und
keiner der Zeugen, die wir vernommen haben, kann tat-
sächlich seriös sagen, was für ein Schaden entstanden ist
und was letztendlich als Schaden übrig bleibt . Von daher
wäre ich mit der Beurteilung, dass das der größte Finanz-
skandal der Bundesrepublik Deutschland ist, noch sehr
vorsichtig . Warten wir einmal ab, was unter dem Strich
herauskommt .


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist denn gleichauf?)


Wir haben uns auch damit zu beschäftigen gehabt –
das war ja der eigentliche Auftrag des Untersuchungs-
ausschusses –, ob es eine Untätigkeit der Finanzbehörden
gab . Ich habe den persönlichen Eindruck gewonnen, dass
wir in Deutschland eine tolle Finanzverwaltung haben,
die sehr engagiert ist . Ich denke zum Beispiel an die Zeu-
geneinvernahme einer jungen Dame vom Bundeszentral-
amt für Steuern, die sich selbst bei Amtshaftungsvorwür-
fen zur Wehr gesetzt und die Kapitalertragsteuer nicht
ausgezahlt hat, und es gibt auch noch andere Beispiele .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit dem Wissen von heute stellen sich manche Dinge
anders dar . Uns ist von mehreren deutlich gesagt wor-
den, dass man zum damaligen Zeitpunkt gar nicht erah-
nen konnte, welches Ausmaß diese Cum/Ex-Geschäfte
haben . Es ist uns auch wissentlich dargestellt worden –
vielleicht falsch; das weiß ich nicht –, dass es letztlich
um technische Probleme geht . In dem Schreiben des
Bankenverbandes aus dem Jahre 2002 ist von techni-
schen Problemen und nicht von einem Steuergestaltungs-
modell gesprochen worden . Von daher war das gar nicht
erkennbar, auch wenn heute einfach unterstellt wird, dass
man doch hätte sehen müssen, dass dort Milliarden durch
die Gegend geschoben worden sind .

Ich habe Gespräche mit Wirtschaftsprüfern geführt,
die derzeit Sonderprüfungen im Auftrag der BaFin
durchführen . Sie haben mir gesagt, dass sie wissen, dass
diese Bank Cum/Ex-Geschäfte gemacht hat, trotzdem
seien sie nicht in der Lage, sie zu finden. Sie haben jetzt
ganz große Modelle entwickelt, um der Sache überhaupt
Herr zu werden . Der Eindruck, der hier von der Opposi-
tion erweckt wird, man müsse nur in eine Bank hineinge-
hen und würde sofort Cum/Ex-Geschäfte sehen, ist also
schlicht falsch . Von daher brauchte man mehr Informati-
onen, damit es gelingt, das aufzuklären .

Ich zitiere gerne Herrn Schmitt, den Leiter der Abtei-
lung Steuern beim Ministerium für Finanzen und Wirt-
schaft Baden-Württemberg, das mittlerweile ja von Grün
regiert wird . Er sagte im Untersuchungsausschuss:

Aus Sicht der Verwaltung war nicht vorstellbar, mit
welcher Energie sogenannte Finanzberater und In-
vestoren durch ausgeklügelte Cum/Ex-Geschäfte im
In- und Ausland an diesem Grundsatz

Fritz Güntzler






(A) (C)



(B) (D)


– dem Grundsatz, dass Eigentum nur einmal erworben
werden kann –

rütteln würden mit dem Ziel, dem deutschen Staat
systematisch bereits vereinnahmte Steuergelder in
schwindelerregender Höhe wieder abzujagen .

Wer Herrn Schmitt kennt, der weiß, dass das ein ganz
solider Finanzbeamter und Steuerabteilungsleiter ist .

Das war eben der Kenntnisstand bei der Finanzver-
waltung damals . Von daher war die Dramatik, die man
jetzt vielleicht erkennt, zum damaligen Zeitpunkt gar
nicht gegeben . Wir wissen ja auch – Kollege Schwarz hat
darauf hingewiesen –, dass hier Akteure zusammengear-
beitet – man könnte teilweise das Gefühl haben, dass es
hier um organisierte Kriminalität geht – und sich abge-
sprochen haben, um den deutschen Staat zu schädigen .

Wir haben dann auch über Cum/Cum gesprochen .
Herr Pitterle hat vorhin eingeworfen, warum dort so spät
reagiert worden ist . Herr Kollege Pitterle, es gab hier
von 2005 bis 2011 aufgrund der europäischen Recht-
sprechung eine Unsicherheit . Von daher konnten wir erst
2011 damit beginnen, über Cum/Cum-Regelungen nach-
zudenken . Das haben wir im Investmentsteuerrecht über
den § 36a EStG dann auch gemacht .

Herr Kollege Schick, Sie haben die Arbeit des Finanz-
ausschusses vorhin sehr selbstkritisch beleuchtet . Das
mag für das Jahressteuergesetz 2007 zutreffen. Damals
waren Sie Mitglied des Finanzausschusses, ich nicht; ich
kann dazu nichts sagen . Ich kann nur sagen: Als wir das
Investmentsteuerrecht beraten haben, in dem es eigent-
lich gar nicht um Cum/Cum ging, haben wir uns sehr in-
tensiv mit dem § 36a EStG – ursprünglich war das der
§ 36 Absatz 2a EStG – beschäftigt und Anpassungen vor-
genommen, um das zielgerichtet zu bearbeiten .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil der Gesetzentwurf ziemlich grottig war! In der Tat: Er war grottig!)


Der Finanzausschuss hat seine politische Aufgabe – da-
rauf lege ich Wert – über alle Fraktionsgrenzen hinweg
wahrgenommen . Den Vorwurf, die Mitglieder des Fi-
nanzausschusses hätten schlechte Arbeit gemacht, lasse
ich jedenfalls für den jetzigen Finanzausschuss nicht
gelten . Für 2007 kann ich es nicht sagen . Mich wundert
manchmal, warum Sie die Dinge, die Sie jetzt anspre-
chen und von denen Sie denken, sie wären schon bekannt
gewesen, nicht damals zur Sprache gebracht


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


und wieso Sie in der Gesetzesberatung 2007 keine Fra-
gen gestellt haben . Es zeichnet Sie ja aus, dass Sie das
Ganze selbstkritisch beleuchten . Aber die Frage stellt
sich schon .

Sie haben in Ihrem Sondervotum erwähnt, im Rahmen
des OGAW-IV-Umsetzungsgesetzes seien Sie über zwei
BMF-Schreiben nicht informiert worden . Dazu muss ich
Ihnen sagen: BMF-Schreiben sind öffentlich. Sie sind

jedem Bürger zugänglich, auch einem deutschen Abge-
ordneten .


(Margaret Horb [CDU/CSU]: Richtig!)


Wenn Sie sich hätten kundig machen wollen, hätten Sie
die BMF-Schreiben einfach lesen können .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich
feststellen, dass es gelungen ist – über den Zeitablauf
haben wir lange gestritten –, durch das OGAW-IV-Um-
setzungsgesetz die gesetzlichen Lücken bei Cum/Ex zu
schließen . Wir haben über das Investmentsteuerreform-
gesetz die Gesetzeslücken bei Cum/Cum geschlossen –
alles in der Zeit von Wolfgang Schäuble . Er hat seine
Arbeit gut gemacht .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824109900

Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion erhält jetzt der

Kollege Lothar Binding das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1824110000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Richard
Pitterle hat vorhin gesagt, dass sich das Ministerium
keine Gesetzentwürfe schreiben lassen solle. Das finden
auch wir . Da muss absolute Transparenz her, das ist nicht
in Ordnung . Gerhard Schick hat etwas Ähnliches gesagt,
er sagte, externe Beratung dürfe nicht so weit gehen, dass
sie die Gesetzgebung beeinflusse.

Ich finde, beides lenkt von dem heute zu debattieren-
den Problem ab . Wäre das so gewesen, hätten Externe
die Gesetze geschrieben, dann wären sie doch nicht so
dumm gewesen, das so zu machen, dass Cum/Ex krimi-
nell wäre . Nein! Sie hätten gesagt: Wir machen uns ein
Gesetz, mit dem Cum/Ex erlaubt wird, sodass Cum/Ex
legal ist; dann können wir machen, was wir wollen . – In-
sofern ist dies das absolut falsche Beispiel . Auch das Bei-
spiel Lobbyismus lenkt davon ab, dass es hier um krimi-
nelle Machenschaften geht . Andreas Schwarz hat schon
den Steuerfachabteilungsleiter des BMF zitiert, der selbst
öffentlich gesagt hat: Das ist organisierte Kriminalität.

Es ist doch so: Wenn heute ein Mord geschieht, dann
wird dem Parlament doch auch nicht politische Untätig-
keit vorgeworfen, und wir werden auch nicht sofort in die
Gesetzgebung einsteigen . Schließlich weiß jeder: Darum
kümmert sich die Staatsanwaltschaft . Das ist im Rechts-
kreislauf wunderbar geregelt . – Da brauchen wir nicht
aktiv zu werden . Wir sind auch nicht zuständig . Das wäre
anmaßend . Es wäre auch gar nicht zulässig, dass wir von
uns aus mit der Strafverfolgung beginnen .

Insofern: Wir müssen deutlich machen, dass das, was
die feinen Herren und Damen gemacht haben, nämlich
der gesamten Öffentlichkeit Geld im dreistelligen Milli-
onenbereich, vielleicht sogar im Milliardenbereich, aus

Fritz Güntzler






(A) (C)



(B) (D)


der Tasche zu ziehen, kriminell ist . Das muss man wis-
sen .

Heute müssen wir fragen: Was können wir für die
Zukunft an Maßnahmen ergreifen? Dazu gibt es unter-
schiedliche Meinungen; da müssen wir uns auch an die
eigene Nase fassen . Es gab im Zusammenhang mit den
Panama Papers die Idee verschiedener SPD-geführter
Länder, die Telefonüberwachung auszuweiten . Mithilfe
der Telefonüberwachung hätte Cum/Ex damals verhin-
dert werden können . Diese war aber nicht erlaubt . Nun
muss man sagen, dass im Moment – vielleicht ändert sich
das ja – die Union in dieser Richtung erfolgreich blo-
ckiert . Es wäre klug, in Richtung Telefonüberwachung
noch mehr zu tun .

Manchmal gelingt auch etwas . Mit der Reform des
Investmentsteuerrechts haben wir längere Haltefristen
eingeführt . Das war sehr gut . Aber manchmal misslingt
auch etwas . Eine Ursache für Cum/Cum, Cum/Ex und
all die anderen Geschäfte ist unser Schedulensystem . Das
bedeutet: In einer Kiste sind die Steuersätze für Einkom-
men niedrig, in der anderen sind sie höher . Jeder, der ein
bisschen etwas von Gestaltung versteht, weiß: Ich lenke
jeden Gewinn und all das, was ich sonst noch möchte,
in die Schedule mit dem niedrigen Steuersatz . Deshalb
wäre es unbedingt erforderlich, die Steuerfreiheit für
Veräußerungsgewinne aus Streubesitz aufzuheben .

Es ist mein Appell an die Union, hier endlich mitzu-
machen, weil sonst jeder Gewinn in die Schedule mit
den niedrigen Steuersätzen gelenkt wird . Das darf nicht
sein . Wenn Sie das zulassen, dann gibt es einen systema-
tischen Weg zur legalen Steuergestaltung – so sagen wir
es vornehm –, aber im Grunde ist es legalisierte Hinter-
ziehung . Das darf nicht sein .

Deshalb ist es klug, in die Zukunft zu schauen und sich
darum zu kümmern, was demnächst zu passieren hat, und
deshalb freuen wir uns auf die nächste Legislaturperiode .


(Beifall bei der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824110100

Vielen Dank . – Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt

die Kollegin Dr . Sabine Sütterlin-Waack das Wort . Bitte
schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU):
Rede ID: ID1824110200

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Ich bin zwar schon

gestern verabschiedet worden, aber frei nach Martin
Luther: Hier stehe ich und kann nicht anders .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ehrlich gesagt hatte ich mir für meine letzte Rede ein
Thema aus meiner Berichterstattertätigkeit im Rechts-
ausschuss gewünscht . Nun ist es aber anders gekommen .
Ich freue mich dennoch, dass ich hier die gute Arbeit des
4 . Untersuchungsausschusses mit einer Rede vor Ihnen,
meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine
Damen und Herren, mit zum Abschluss bringen darf .

Die Arbeit des 4. Untersuchungsausschusses betrifft
ein Thema, das mir als Juristin – ich sage das ganz kon-
kret für mich – anfangs nicht besonders geläufig war.
Steuergestaltungsmodelle, Dividendenstripping, Cum/
Ex: Diese Themen haben mich weder in meiner Zeit als
Anwältin für Familienrecht beschäftigt, noch hatte ich
Berührungspunkte in einem der Themen, für die ich als
Berichterstatterin zuständig war .

Aber dieser Untersuchungsausschuss ist ein Beleg da-
für, dass ein Untersuchungsausschuss durchaus zur Auf-
klärung komplizierter Sachverhalte beitragen kann .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann war es ja doch sinnvoll!)


Ob wir der durch unseren Bundestagspräsidenten
Lammert bei der Einsetzung des Untersuchungsaus-
schusses zum Ausdruck gebrachten Hoffnung, der Öf-
fentlichkeit deutlich zu machen, womit wir uns hier ei-
gentlich beschäftigen, vollständig nachgekommen sind,
sei dahingestellt .

Insgesamt haben wir – das wurde schon gesagt – über
70 Zeugen vernommen, unter anderem aus Banken, Mi-
nisterien, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
aufsicht und dem Bundeszentralamt für Steuern, mit dem
Ergebnis: Ein systematisches Versagen der beteiligten
Behörden konnten wir nicht feststellen .

Im Gegenteil: Das Bundesministerium der Finan-
zen hat 2009, nachdem es über mögliche Probleme mit
Steuergestaltungsmodellen informiert worden war, um-
gehend reagiert und Gespräche mit den obersten Finanz-
behörden der Länder gesucht . Parallel dazu arbeitete das
Bundesfinanzministerium an einer Gesetzesänderung,
mit der die missbräuchlichsten Gestaltungen im Bereich
der doppelten Kapitalertragsteuer endgültig unterbunden
werden sollten .

Auch die Zeugenaussagen von ehemaligen und akti-
ven Mitarbeitern im Bundesfinanzministerium haben bei
uns im Ausschuss den Eindruck verstärkt, dass man mit
vollem Einsatz nach einer umsetzbaren Lösung gesucht
hatte . Cum/Ex ist und bleibt ein schwieriges und sper-
riges Thema, das man auch erklären muss; es ist aber
auch – das erachte ich durchaus für wichtig – ein Thema,
bei dem man nicht wahllos mit angeblichen Schadens-
summen hausieren gehen sollte .

Meine Kollegen haben schon erläutert, dass es sich
bei den Cum/Ex-Geschäften um Steuergestaltungsmo-
delle rund um den Dividendenstichtag handelt . Dieses
trickreiche Verwirrspiel, bei dem es einzig und allein da-
rum ging, den Staat zu erleichtern, wurde von Investoren,
Banken, Beratern und Wissenschaftlern für legal gehal-
ten . Dass eine einmal gezahlte Steuer mehrfach zurück-
erstattet wird, hört sich rechtswidrig an . Dafür muss man
kein Steuerexperte sein .

Die Arbeit im 4 . Untersuchungsausschuss hat uns ein-
deutig nähergebracht, wie einige wenige Marktakteure
unsere geltenden Steuergesetze und entsprechende fi-
nanzgerichtliche Entscheidungen gegen ihren Sinn aus-
gelegt haben . Lange wurde in der juristischen Diskussion
auf das Fehlen einer höchstrichterlichen Rechtsprechung
verwiesen . Dass Cum/Ex-Geschäfte rechtswidrig sind

Lothar Binding (Heidelberg)







(A) (C)



(B) (D)


und dies auch waren, daran besteht nach Durchsicht aller
Akten und Anhörung aller Zeugen kein Zweifel . Das hat
darüber hinaus auch das Finanzgericht Kassel in diesem
Jahr bestätigt, indem es eine Klage der Commerzbank
abgewiesen hat, die auf die Erstattung von Kapitaler-
tragsteuern aus Cum/Ex-Geschäften abzielte . Wir kön-
nen also davon ausgehen, dass der Staat einen Teil der
unberechtigten Steuererstattung mit Zins und Zinseszins
zurückerhält .

Darüber hinaus hat uns die Arbeit im Ausschuss auf-
gezeigt, wie bestimmte Marktakteure ihre Anlagestrate-
gie bewusst vor den Behörden verschleiert haben. Häufig
wurden zu diesem Zweck Fondsgestaltungen gewählt .
Vertreter verschiedener Banken und Finanzdienstleis-
tungsunternehmen nutzten die erarbeiteten Gestaltungen
zum Zweck der Gewinnmaximierung aus .

Diejenigen Stimmen, die unter Hinweis auf die all-
gemeine Begründung des Jahressteuergesetzes 2007
allerdings behaupten, der Gesetzgeber habe eine
Rechtsgrundlage für die Legalisierung von Cum/Ex-Ge-
schäften geschaffen, ignorieren den klaren Gesetzeswort-
laut . Leerverkäufe, die darauf basierten, waren eindeutig
rechtswidrig . Wer eine Lücke im damaligen Gesetzestext
herbeiredet, unterstützt objektiv das Geschäft der Cum/
Ex-Akteure .

Nach dem Ergebnis der Sachverständigenanhörung
vom 14 . April 2016, der Auswertung des Sachverstän-
digengutachtens von Professor Spengel sowie durch die
Zeugenvernehmung wurde dem Ausschuss bestätigt: Das
Steuerrecht bot in den Jahren 1999 bis 2012 zu keinem
Zeitpunkt die Möglichkeit, eine einmal einbehaltene Ka-
pitalertragsteuer in rechtmäßiger Weise mehrfach an-
rechnen bzw . erstatten zu lassen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daher möchte ich den Vorwurf, das Bundesfinanzmi-
nisterium habe durch das Jahressteuergesetz 2007 eine
Rechtsgrundlage für die Legalisierung von Cum/Ex-Ge-
schäften geschaffen, hier entschieden zurückweisen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Weder dem Bundesfinanzministerium noch dem Bundes-
zentralamt für Steuern kann der Vorwurf gemacht wer-
den, die hier vorliegenden Cum/Ex-Fälle zögerlich be-
handelt zu haben oder gar die Bedeutung der Fälle nicht
erkannt zu haben .

Unser Finanzminister Wolfgang Schäuble, der eben-
falls als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss geladen
war, erläuterte uns, dass er sich schon wenige Monate
nach seinem Amtsantritt im Jahr 2009 mit Cum/Ex-Ge-
staltungen befasst habe . Er führte weiter aus, dass die
gesetzliche Regelung von 2007 offensichtlich nicht aus-
reichend gewesen sei . Deshalb habe man sich im Finanz-
ministerium intensiv um eine Lösung der Cum/Ex-Fälle
bemüht .

Im Zuge dieser Bemühungen wurde der Gesetzent-
wurf zum OGAW-IV-Umsetzungsgesetz, bei dem das
System des Kapitalertragsteuereinbehalts zum 1 . Januar
2012 umgestellt wurde, auf den Weg gebracht . Durch

das neue System wurde gezielten und geplanten Cum/
Ex-Gestaltungen mit Leerverkäufen erfolgreich entge-
gengewirkt . Fortan waren mehrfache Bescheinigungen
ausgeschlossen .

Die mit der Investmentsteuerreform 2016 eingeführ-
te längere Haltefrist als Voraussetzung der steuerlichen
Berücksichtigung von Aktien leistet Gleiches für die
Cum/Cum-Geschäfte . Ich möchte daher noch einmal
festhalten: Das Bundesministerium der Finanzen und
insbesondere Minister Schäuble haben in durchaus nach-
vollziehbarer und angemessener Zeit reagiert und einen
Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der missbräuch-
liche Gestaltungen im Bereich doppelter Kapitalertrag-
steuer endgültig unterbindet .

Die Opposition behauptet immer wieder, mehrere
Milliarden Euro seien dem deutschen Fiskus und der Ge-
meinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ent-
zogen worden . Mal reden die Oppositionskollegen von
12 Milliarden Euro, dann von 7 Milliarden Euro, und am
Ende hören wir noch einmal 10 Milliarden Euro . Eine
seriöse Schätzung liegt all dem nicht zugrunde . Auf wel-
che Höhe sich der Schaden tatsächlich beläuft, können
wir heute nicht sagen . Nicht belegbare Zahlen möchte ich
daher nicht äußern, nur so viel: Ich glaube, dass der Scha-
den sehr viel geringer ist .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Glauben Sie!)


Die zuständigen Behörden in Bund und Ländern und un-
ter ihnen nicht zuletzt das Bundeszentralamt für Steuern
haben in den letzten Jahren vorbildlich Cum/Ex-Fälle
bearbeitet und bereits ausgezahlte Steuern zurückgeholt
oder eine Auszahlung der Kapitalertragsteuer gar nicht
erst vorgenommen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit dieser Arbeit hat das Bundeszentralamt für Steuern
maßgeblich dazu beigetragen, dass die tatsächliche Scha-
denshöhe nur einen Bruchteil der öffentlich immer wie-
der genannten 12 Milliarden Euro ausmacht .

Zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen, bei allen
Mitgliedern im Ausschuss und auch bei allen Mitarbei-
tern für die konstruktive Mitarbeit bedanken . Wir haben
teilweise bis zu zwölf Stunden hintereinander Zeugen
vernommen . Ich möchte mich aber ausdrücklich auch bei
dem Vorsitzenden, Herrn Kollegen Dr . Krüger, für sei-
ne stets objektive, unabhängige und sehr kollegiale Art,
diesen Ausschuss zu leiten, bedanken . Vielen Dank auch
dafür, lieber Hans-Ulrich .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824110300

Vielen Dank, liebe Frau Sütterlin-Waack . Ich bin nicht

sicher, ob wir Sie heute hier wirklich verabschieden kön-
nen; denn Sie haben so viel in den Deutschen Bundestag
eingebracht, dass ich nicht weiß, ob Ihre Fraktion nicht
nächste Woche noch einmal auf Sie angewiesen ist . Dann
würden wir Sie zum dritten Mal verabschieden, aber je-

Dr. Sabine Sütterlin-Waack






(A) (C)



(B) (D)


denfalls von meiner Seite aus: Wir verlieren mit Ihnen
eine über alle Fraktionen hinweg geschätzte Kollegin,
die sehr engagiert und immer sehr kooperativ gewesen
ist . Wir wünschen Ihnen auf jeden Fall für Ihre neue Auf-
gabe alles Gute . Weil wir ja ein föderaler Staat sind, wer-
den wir wahrscheinlich mit Ihnen auch in Zukunft immer
wieder zusammentreffen, und darauf freuen wir uns. Vie-
len Dank für Ihre Arbeit .


(Beifall)


Wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt
und kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des 4 . Untersuchungsausschusses auf Drucksa-
che 18/12700. Der Ausschuss empfiehlt, den Bericht zur
Kenntnis zu nehmen . Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig
angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf:

Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Suizidprävention weiter stärken – Menschen
in Lebenskrisen helfen

Drucksache 18/12782

Interfraktionell wurde vereinbart, dass für die Aus-
sprache 38 Minuten vorgesehen werden sollen . – Ich
höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Rudolf Henke von der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1824110400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren!

Sechzehn Jahre jung – gestorben an der Härte der
Welt . Als sie von seiner Beerdigung kamen, schwie-
gen sie betroffen. Vater und Mutter weinten bitter-
lich . Ihr Sohn hatte sich das Leben genommen . „Das
ist schon der Dritte in diesem Jahr“, sagte der Pfar-
rer. Niemand fragte, wie groß die Verzweiflung und
die Einsamkeit der Jugend noch sein müsse, um sie
zu bemerken . Das Leben nahm weiter seinen Lauf .
Es änderte sich nichts . Es änderte sich keiner .

Dieses Zitat eines unbekannten Autors findet man bei
den Materialien des Teams „Ökumenischer Kreuzweg
der Jugend“ .

Machen wir uns nichts vor: Das Leben ist nicht so,
dass die Politik den Menschen versprechen kann: Ihr seid
von allen Lebenskrisen verschont . – Freunde sterben,
Ehepartner sterben, Lebensentwürfe gehen zu Bruch .
Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz, Menschen verlie-
ren ihre Gesundheit, Menschen verlieren ihre Wohnung,
Menschen verlieren ihre Partnerin, ihren Partner, Men-
schen verlieren jeden, der sie ansieht, jedes Ansehen .

Auf den Mitmenschen in einer solchen Situation zuzu-
gehen, ist eine Aufgabe, die nicht wir hier im Deutschen
Bundestag lösen können . Die werden wir nur dadurch lö-

sen können, dass wir darüber sprechen, dass jeder einen
braucht, der bereit ist, ihm zu begegnen . Das ist, glaube
ich, die Botschaft, die man formulieren muss .

Wenn es dann gelingt, diejenigen, die in den Hilfe-
systemen als Ehrenamtliche, als Freiwillige, als Nächste
arbeiten, dadurch zu stärken, dass man besser untersucht,
besser erforscht, welche Formen von Suizidalität im Ein-
zelnen unter welchen Bedingungen am besten verhütet
werden können, dann hat man auch der Prävention sehr
geholfen, und es ist gut, dass wir uns heute darum bemü-
hen, dies gemeinsam zu entwickeln .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In Deutschland sind jährlich rund 10 000 Todesfälle
auf einen vollendeten Suizid zurückzuführen . Schätzun-
gen gehen davon aus, dass die Zahl der Suizidversuche
etwa zehnmal so hoch liegt . Zwar haben sich die Zahlen
seit 2005 nicht maßgeblich verändert, aber die Zahl der
tatsächlich durchgeführten Suizide in Deutschland hat
in den letzten 35 Jahren doch deutlich abgenommen . Zu
Beginn der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts lag
sie noch bei fast 19 000 pro Jahr, Anfang der 90er-Jahre
bei rund 14 000 jährlich . Jetzt, wie gesagt, pendelt sie um
rund 10 000 jährlich .

Dennoch gilt: Jeder Suizidversuch und erst recht je-
der Suizid ist einer zu viel . Weitere Anstrengungen zur
Vermeidung von Suiziden und Suizidversuchen müssen
unternommen werden, um betroffenen Menschen und
deren Angehörigen frühzeitig Auswege in Form von Be-
handlung, Unterstützung, etwa durch die Vermittlung in
eine Therapie oder Selbsthilfegruppe, und Prävention an-
bieten zu können .

Zu den Erfordernissen des Handelns äußert sich der
gemeinsam von CDU/CSU, SPD und Grünen vorgeleg-
te Antrag in einer Vielzahl von Punkten und Positionen .
Er führt Dinge auf, die noch zu tun sind . Er führt Dinge
auf, bei denen wir froh sind, dass es dazu schon lange
entsprechende Programme gibt . Ich verweise auf das Na-
tionale Suizidpräventionsprogramm aus dem Jahr 2002 .

Lassen Sie mich neben der Werbung für die Annah-
me dieses Antrags noch einen anderen Punkt ansprechen,
der ebenfalls im Zusammenhang mit diesem Antrag
steht . Wir haben nicht ohne Kontroverse, aber mit großer
Mehrheit im Jahr 2015 in das Gesetz geschrieben:


(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines an-

deren zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig
die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft .


(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht

geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger
des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem
nahesteht .

Das heißt, auch die Hilfe zum Suizid ist straffrei möglich.

Wir haben im März ein Urteil des Bundesverwal-
tungsgerichts erlebt, wonach der Staat Patienten in ex-
tremen Ausnahmefällen den Zugang zu Medikamenten
mit tödlicher Wirkung nicht verwehren dürfe, da dies ein

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Eingriff in die Grundrechte sei, selbstbestimmt darüber
zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt das Le-
ben enden soll . Dabei, so das Gericht, beschränkt sich
der Grundrechtsschutz – Zitat – „nicht auf Fälle, in de-
nen infolge des Endstadiums einer tödlichen Krankheit
der Sterbeprozess bereits begonnen hat oder unmittelbar
bevorsteht“ .

Die Bewertung, ob ein solcher Ausnahmefall besteht
oder nicht, soll nach Meinung des Gerichtes das Bundes-
institut für Arzneimittel und Medizinprodukte durchfüh-
ren, also eine staatliche Behörde, deren eigentliche Auf-
gabe die Risikobewertung von Arzneimitteln und deren
Zulassung ist . Wenn nun das Selbstbestimmungsrecht so
weit geht, dass der Staat bei der Frage „Wie nehme ich
mir das Leben?“ als Agent, als Handlanger dienen muss,
dann resultieren daraus meines Erachtens keine Präven-
tion von Suizid oder bestmögliche Behandlung von Sui-
zidgedanken, sondern die Beförderung von Suizid .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen ist es gut, dass wir heute einen weiteren
Beitrag dazu leisten, dass ein gesellschaftliches Klima
entsteht, in dem weder Krankheiten noch Bilanzsituati-
onen zu einer Ausgrenzung von Menschen führen . Wir
wollen auf allen Ebenen dafür sorgen, dass weniger Men-
schen den Weg in den vorzeitigen Tod als Ausweg sehen .
Staatliche Unterstützung für die Durchführung des Sui-
zids steht dazu in krassem Gegensatz .


(Beifall der Abg . Maria Michalk [CDU/ CSU])


Nicht der vorzeitige Tod ist unser Ziel, sondern eine Hil-
fe, die das Ja zum Leben leichter möglich macht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824110500

Herr Kollege .


Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1824110600

Ich komme zum Schluss . – Dann kann der Gedanke

aus dem Team „Ökumenischer Kreuzweg der Jugend“
vielleicht auch irgendwann einmal mit den Sätzen enden:
Es änderte sich viel . Es änderten sich viele .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824110700

Vielen Dank . – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt

Birgit Wöllert das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Birgit Wöllert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824110800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste, die hier zuschauen und zuhören!
Vor fast genau zwei Jahren habe ich hier zum Antrag von
Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Suizidpräven-
tion verbessern und Menschen in Krisen unterstützen“

gesprochen . Heute liegt ein gemeinsamer Antrag dreier
Fraktionen, der Fraktionen der Koalition und der Frakti-
on Bündnis 90/Die Grünen, vor .

Obwohl es in den vergangenen zwei Jahren viele Ge-
spräche und Diskussionen zum Thema Suizid gab, haben
diese leider nicht zu einer inhaltlichen Qualifizierung des
ursprünglichen Antrags beigetragen . Weil wir aber der
Meinung sind, dass tatsächlich dringender Handlungsbe-
darf besteht, Möglichkeiten zu finden, die Selbsttötungen
verhindern – egal aus welchen Gründen, entweder aus
gesundheitlichen Gründen oder aufgrund bestimmter Si-
tuationen –, werden wir uns zu diesem Antrag enthalten .
Ich möchte das jetzt begründen .

Erstens . Zum Welttag der Suizidprävention 2016
gab es eine gemeinsame Erklärung der Kollegin Klein-
Schmeink von Bündnis 90/Die Grünen, des Kollegen
Heidenblut von der SPD und mir – die CDU/CSU wollte
sich da nicht beteiligen –, die auch mit Expertinnen und
Experten abgesprochen war . Diese Erklärung enthielt
sieben gemeinsame Forderungen, die abgestimmt waren .

Hinter diesen Forderungen bleibt der vorliegende An-
trag leider zurück . So fehlt völlig die Einschränkung des
Zugangs zu Waffen oder bestimmten Arzneimitteln, um
spontane Suizide besser zu verhindern . Es fehlt auch die
Forderung nach der Bereitstellung von Forschungsmit-
teln im Bundeshaushalt zur systematischen Bewertung
und Weiterentwicklung von Suizidpräventionsmaßnah-
men . Hinzu kommt, dass Sie den gesamten Antrag mit
allen Ihren Empfehlungen, Bewertungen und Bitten un-
ter Haushaltsvorbehalt stellen . Das heißt, es darf nicht
mehr kosten .

Zweitens . Schon in der Überschrift haben Sie eine
scheinbar bedeutungslose Veränderung versteckt . Im
früheren Antrag wurde die Unterstützung der „Men-
schen in Krisen“ gefordert, jetzt wollen Sie „Menschen
in Lebenskrisen“ helfen . Damit wird davon ausgegan-
gen – das kam jetzt auch bei Ihnen, Kollege Henke, zum
Ausdruck –, dass es sich um die Bewältigung von ganz
persönlichen Krisen in schwierigen individuellen Le-
benssituationen handelt .

Die Ursachen von Krisen liegen aber nicht nur in eige-
nen Lebenssituationen und persönlichen Lebensverhält-
nissen begründet, sie können auch in gesellschaftlichen
Umbrüchen und in gesellschaftlichen Zusammenhängen
begründet sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Und genau das fehlt uns in Ihrem Antrag .

Sie beschreiben im Feststellungsteil ausführlich, in
welchen Übergängen von einer Lebensphase zur ande-
ren Menschen besonders suizidgefährdet sind . Das ist
alles richtig; aber wir kritisieren, dass Sie in allen Ihren
Maßnahmen davon ausgehen, dass die Betroffenen selbst
Anpassungsstrategien entwickeln und Gesellschaft sich
nicht verändert .

Wir als Linke sagen, Suizidprävention ist eine ge-
samtgesellschaftliche Aufgabe, bei deren Erfüllung es
Aufgaben für alle Beteiligten gibt. Sie betrifft alle Be-
reiche des gesellschaftlichen Lebens, nicht nur des staat-

Rudolf Henke






(A) (C)



(B) (D)


lichen Lebens . Eine Gesellschaft, in der ein Klima der
Anerkennung, der Achtung, der Wertschätzung des Ein-
zelnen herrscht und in der nicht Leistungsdruck, Konkur-
renz, Ausgrenzung und Angst das Leben der Menschen
bestimmen, bietet allerbeste Voraussetzungen für eine
wirksame Suizidprävention .


(Beifall bei der LINKEN)


Genau dieser Aspekt kommt in Ihrem Antrag zu kurz .

Ich denke, hier gibt es in der nächsten Legislaturpe-
riode Möglichkeiten, konkretere Aufgabenstellungen zu
formulieren, die auch diese Aspekte besser berücksich-
tigen . Einem solchen Antrag würde die Linke dann auch
sehr gern zustimmen, und sie wäre auch bereit, daran
mitzuarbeiten .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824110900

Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kol-

legin Helga Kühn-Mengel das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie des Abgeordneten Dr . Rudolf Henke [CDU/CSU])



Helga Kühn-Mengel (SPD):
Rede ID: ID1824111000

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Es ist ein
ernstes, ein trauriges, aber ein ganz wichtiges Thema .
Deswegen ist es gut, dass wir hier wenigstens noch am
Ende dieser Legislatur auf die Notwendigkeit dringen,
diejenigen, die sich selber töten wollen, zu erreichen,
ihnen ein Angebot zu machen . Die Zahlen hatte Herr
Henke schon genannt: 10 000 Menschen pro Jahr . Im in-
ternationalen Vergleich liegen wir hoch . Andere Staaten
haben auf diesem Feld mehr erreicht . Wir wollen mit die-
sem Antrag auch dafür sorgen, dass hier der Anschluss
erreicht wird .

Die meisten, die sich selber töten, wollen nicht ster-
ben, sie wollen nur nicht mehr leben, sie wollen so nicht
mehr leben – mit den Ängsten vor der Zukunft, vor
Schmerzen, vor Einsamkeit . Da gibt es viele Gründe .
Nicht immer ist der Suizid Ausdruck einer psychischen
Erkrankung; er ist aber immer Ausdruck einer tiefgrei-
fenden seelischen Krise, und da ist es schon ganz wich-
tig, dass wir ein Angebot machen .

Frau Wöllert, ich möchte noch betonen – das ist mir
ganz wichtig –: Wir haben mit vielen Gesetzen, die wir
in dieser Legislatur beschlossen haben, auch Lebensum-
stände verbessert,


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg . Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


auch wenn sich das nicht in jedem Satz widerspiegelt und
auch wenn man noch mehr tun könnte . Ich will das jetzt
nicht aufzählen, sondern so pauschal stehen lassen . Dafür
gibt es viele Beispiele .

Für uns als Gesundheitspolitiker und -politikerinnen
ist es wichtig, festzustellen, dass mehr als 80 Prozent der-
jenigen, die einen Suizid begangen haben, zum Zeitpunkt
des Todes nicht adäquat behandelt wurden und dass pro
Jahr 100 000 Menschen, die einen Suizidversuch ge-
macht haben, mit dem Gesundheitssystem in Kontakt
kommen . Da müssen wir uns schon fragen: Wo ist die
Aufmerksamkeit? Wo wird diesen Menschen ein Ange-
bot gemacht? Was kommt in der Ausbildung und Weiter-
bildung vielleicht zu kurz? Es ist sehr wichtig, sich mit
diesem Teil zu beschäftigen .

Es gibt viele gute Angebote . Über diejenigen, die im
Antrag erwähnt sind, hinaus denke ich an das SeeleFon
in Bonn – ein Angebot, das Angehörigenverbände ein-
gerichtet haben –, an das Atriumhaus in München und
an [U25], das ich ganz wichtig finde. Bei Menschen bis
zu 25 Jahren ist Selbstmord die zweithäufigste Todesur-
sache . Es gibt in der Altersgruppe bis 25 Jahre 500 Sui-
zide pro Jahr . [U25] macht diesen Menschen über einen
E-Mail-Kontakt ein Angebot . Das BMFSFJ fördert diese
Maßnahme, zunächst einmal zeitlich begrenzt . Aber es ist
wichtig, so etwas in die Regelversorgung aufzunehmen .

Wie wichtig auch geschlechtsspezifische Angebote
sind, möchte ich Ihnen am Beispiel einer Einrichtung
deutlich machen, die es in Köln gibt . Jedes siebte lesbi-
sche Mädchen in Nordrhein-Westfalen im jungen Alter,
bis 23 oder 25 Jahre, stirbt durch eigene Hand . Deswe-
gen gibt es dieses Angebot, finanziert vom Land Nord-
rhein-Westfalen, noch von der alten Regierung vor Jah-
ren eingeführt . Die Stadt Köln und, ich glaube, auch die
Sparkasse sind beteiligt . Aber nicht das ist entscheidend,
sondern die Tatsache, dass es ein solches Angebot gibt .
Ich habe das bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, fand
die Zahl wirklich erschütternd . Das zeigt, wie sehr wir
uns darum kümmern müssen, dass geschlechtsspezifi-
sche, gruppenspezifische Angebote im System verankert
werden .


(Beifall bei der SPD)


Wir müssen immer wieder deutlich machen: Die-
se Krisendienste – ob telefonisch, ob online, ob in der
persönlichen Beratung – sorgen nicht nur dafür, dass
ein Suizid weniger stattfindet, sondern verhindern auch
Zwangsmaßnahmen, Zwangseinweisungen, die hier häu-
fig passieren.

Aber wie geht es weiter, nachdem man die Menschen
erreicht hat? Wo sind die Versorgungsketten? Wo sind
die regionalen Versorgungspunkte? Wo sind die niedrig-
schwelligen und zielgruppenspezifischen Angebote? Da-
von gibt es zu wenige .

Es ist viel passiert . Herr Henke hat schon erwähnt das
Nationale Suizidpräventionsprogramm, NaSPro, 2002
eingeführt – da war die Frau Präsidentin noch Minis-
terin –, eine hervorragende Institution . Wir haben auch
vieles gemacht, was diese Menschen begleitet und un-
terstützt, vom Präventionsgesetz – Stichwort „Setting“ –
über die betriebliche Gesundheitsförderung bis zur Pal-
liativversorgung . Aber hier muss noch mehr geschehen .
Daran wollen wir arbeiten .

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit .

Birgit Wöllert






(A) (C)



(B) (D)


Auch wenn ich weiß, dass manche das nicht mehr
hören können: Es ist wahrscheinlich meine letzte Rede .
Deswegen möchte auch ich Danke sagen . Wenn etwas
gut ist an diesem Beruf, den wir haben, dann ist es, dass
man im Kleinen wie im Großen etwas verändern kann
und dass man dabei in Kontakt mit so vielen kompeten-
ten Menschen kommt, was wirklich bereichernd ist –
nicht im finanziellen Sinn natürlich.

Vielen Dank .


(Beifall)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824111100

Vielen Dank, Frau Kühn-Mengel . – Auch von unse-

rer Seite aus noch einmal Danke für die Arbeit, die Sie
hier im Deutschen Bundestag seit vielen Jahren geleistet
haben . Sie waren vor allen Dingen immer sehr nah am
Menschen, wie man sagt, sehr stark engagiert in der Ge-
sundheitspolitik, der Patientenversorgung und haben sich
die Frage gestellt: Wie muss etwas aussehen, damit es für
die Menschen am besten ist? Sie waren die erste Pati-
entenbeauftragte auf Bundesebene . Ich glaube, alle Kol-
legen und Kolleginnen schätzen Sie, weil Sie zu denje-
nigen gehörten, die sehr stark auf Qualitätsverbesserung
gesetzt haben, auf Prävention, auf Versorgung, Rehabi-
litation und Pflege. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit. –
Vielleicht dürfen Sie ja nächste Woche noch einmal eine
letzte Rede halten . Dann werden wir noch einmal dan-
ken . Danke schön .


(Beifall)


Jetzt hat für Bündnis 90/Die Grünen Maria Klein-
Schmeink das Wort .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kühn-Mengel, es ist
mir eine Ehre, Ihnen heute, nach dieser besonderen Rede,
noch einmal Danke zu sagen . Dass es zum Abschluss
dieser Wahlperiode zu einem solchen interfraktionellen
Antrag kommen konnte, ist ja auch Ihnen zu verdanken .
Ich bin froh, dass wir in dieser Wahlperiode ein so wich-
tiges Thema so positiv abschließen können . Ich gestehe,
dass ich es sehr gut gefunden hätte, wenn wir auch die
Fraktion der Linken hätten einbeziehen können . Ich weiß
durch die vorherigen Gespräche, die wir geführt haben,
auch durch die gemeinsame Erklärung, die wir beim letz-
ten Welt-Suizid-Präventionstag 2016 zusammen verfasst
haben, dass das durchaus möglich gewesen wäre . Ich
glaube, das hätte uns angesichts der grundlegenden Be-
deutung dieses Themas gut angestanden . Aber ich glau-
be, das Ganze ist damit nicht zu Ende .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir alle sind aufgerufen, uns beispielsweise am
10 . September 2017 wieder gemeinsam für die Enttabu-
isierung des Suizids einzusetzen und dieses Thema be-
sprechbar zu machen . Gerade die Politik ist aufgerufen,
in dieser Beziehung zu helfen, und in diesem Zusammen-
hang wäre ein gemeinsames Signal durchaus förderlich .

Wir haben es eben gehört: Jeder braucht in der Tat ei-
nen Menschen, der bereit ist, ihm zuzuhören, da zu sein .
Genau daran hapert es ja sehr oft . Dass es hapert, hat
auch damit zu tun, dass dieses Thema so stark mit Ta-
bus, mit Vorurteilen, mit Ängsten, mit Scham belegt ist .
Das alleine macht oftmals frühzeitige Hilfe unmöglich
oder erschwert sie, weil das Thema einfach nicht bered-
bar ist . Das zeigt schon, wie wichtig der Zusammenhang
von Aufklärung, Information und Akzeptanz gerade für
diesen Bereich ist . Deshalb ist es so wichtig, dass wir es
schaffen, eine gemeinsame Haltung zu haben. Ich sage
das auch im Hinblick darauf, dass wir ja eine durchaus
schwierige Debatte zum Thema Sterbehilfe hatten . Das
ist ein ganz anderer Themenbereich, aber er zeigt: Immer
dann, wenn nicht genug zur Suizidprävention und zur
Hilfeleistung im Vorfeld getan wird, kommen Menschen
in Situationen, wo sie tatsächlich das Gefühl haben, dass
es keinen anderen Ausweg mehr gibt . Wir wissen: In der
Regel ist das eine Verengung der Sichtweise und die Zu-
spitzung einer Lebenskrise . Oftmals sind das Reichen
einer Hand, die helfende Hand, aber auch das Zuhören
ganz wichtige Faktoren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Von daher finde ich es ganz wichtig, dass wir es geschafft
haben, diese interfraktionelle Initiative zu ergreifen .

Es ist wahr: 2015, als wir unseren Antrag eingebracht
haben, enthielt er einige Punkte mehr . Aber letztendlich,
Frau Wöllert, ist es nicht entscheidend, ob wir eine voll-
ständige Aufzählung der Ursachen und der Handlungs-
ansätze machen und ob wir uns vollkommen einig sind .
Es ist wichtig, dass wir uns darüber einig sind, dass wir
etwas tun wollen, dass wir uns darüber einig sind, dass
wir unsere Hilfen und Angebote bündeln müssen, besser
aufeinander abstimmen müssen und dass wir in den je-
weiligen Bereichen das tun, was uns möglich ist . Daran
scheitern wir im Bundestag häufig, weil wir Hilfeleistun-
gen auf verschiedene Sozialgesetze verteilen, weil mal
der Bund, mal die Länder, mal die Kommunen zuständig
sind . Das ist aber etwas, was der einzelne Mensch in ei-
ner solchen Situation gerade nicht gebrauchen kann .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb ist es so wichtig, dass wir diese gemeinsame
Erklärung, die 18 Handlungspunkte, die genannt wor-
den sind, als eine Verbindlichkeit ansehen, die wir in
die nächste Wahlperiode mitnehmen . Wir müssen darauf
schauen: Sind unsere Hilfsangebote wirklich angemes-
sen? Sind sie stetig genug? Sind sie gut genug aufeinan-
der abgestimmt? Gestern Abend, sehr spät, hatten wir ei-
gentlich die gleiche Debatte: die Debatte über die Kinder
von psychisch kranken Eltern . Dort haben wir eine ganz
ähnliche Gemengelage .

Von daher bin ich sehr froh, dass wir es geschafft ha-
ben, diesen Antrag auf den Weg zu bringen. Ich hoffe,
dass wir hier weitermachen . Es geht um die Verkürzung
von Wartezeiten für die Psychotherapie, es geht um die
Verstetigung von Beratungsangeboten von verschiede-
nen psychosozialen Initiativen und Beratungsstellen,

Helga Kühn-Mengel






(A) (C)



(B) (D)


es geht um die Arbeit – sie wurde schon genannt – von
[U25], einem Onlineberatungsangebot von Jugendlichen
für Jugendliche, das für dieses Jahr finanziert ist, aber
nicht darüber hinaus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sollten wir als Ansporn nehmen, rechtzeitig dafür
zu sorgen, dass eine solch wichtige Arbeit, bei der eine
bundesweite Onlineberatung angeboten wird, rechtzeitig
verstetigt wird, und solche niederschwelligen Angebote
auch wirklich vorzusehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In dem Sinne bin ich sehr froh, dass es zu dieser ge-
meinsamen Initiative gekommen ist. Ich hoffe, dass wir
weiter gemeinsam daran arbeiten .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg . Birgit Wöllert [DIE LINKE])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824111200

Vielen Dank . – Für die CDU/CSU-Fraktion erhält

jetzt Ute Bertram das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ute Bertram (CDU):
Rede ID: ID1824111300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir beraten und beschließen heute über ein Thema, das
eines der traurigsten und tragischsten Kapitel menschli-
cher Existenz betrifft, nämlich den Suizid, den Selbst-
mord . Es gibt ihn, seit es die Menschheit gibt, und es
wird ihn so lange geben, wie es die Menschheit gibt . Er
war und ist Gegenstand der Philosophie und Literatur . Er
hat inhaltlich eine Öffnung erfahren, die sich im Begriff
des Freitods ausdrückt .

Auch geschichtlich, vor allem kirchengeschichtlich
hat der Suizid eine Wandlung erfahren . Sah man im
Selbstmörder vor allem den Mörder, der sich an seinem
Leben vergangen hat, das er von Gott geschenkt bekom-
men hatte, so sind wir heute, zu Recht, wie ich meine,
davon abgekommen, im Suizid ein moralisches oder gar
tatsächliches Unrecht zu sehen .

Auch die auslösenden Momente können sehr ver-
schieden sein . Sie reichen von einer tiefen Depression
über eine ausweglos erscheinende Konfliktsituation bis
hin zum sogenannten Bilanzsuizid . Auch äußerliche Ur-
sachen, wie individuelle Diskriminierung oder politische
Umwälzungen, können nachweislich zum Suizid führen .

Meine Damen und Herren, heutzutage stehen Über-
legungen im Mittelpunkt, wie suizidales Verhalten ver-
mieden oder zurückgedrängt werden kann . Dies gilt ganz
dezidiert auch für den vorliegenden Antrag, den die Frak-
tionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen
nach intensiver Vorbereitung gemeinsam eingebracht
haben, wofür ich mich bei allen Beteiligten herzlich be-
danke .

In Deutschland beklagen wir rund 10 000 Todesfälle,
die auf Suizid zurückzuführen sind – pro Jahr . Schätzun-
gen gehen davon aus, dass auf einen vollendeten Suizid
zehn Versuche kommen .

Im Antragstext stellen wir fest, dass ein großer Teil der
Suizide und der Suizidversuche Ausdruck einer psychi-
schen Krise oder einer psychischen Erkrankung ist . Nur
zu einem kleinen Teil ist der Suizid das Ergebnis einer
souveränen Entscheidung . Also müssen präventive Maß-
nahmen hier ansetzen .

Unentbehrlich ist dabei, dass die Menschen in psychi-
schen Krisen niederschwellige und vor allem schnelle
Hilfe erreicht . Dies kann aber auch nur geschehen, wenn
eine suizidale Gefährdung frühzeitig erkannt wird . Dafür
ist generell ein vorurteilsfreier Umgang der Gesellschaft
mit psychischen Erkrankungen notwendig . Es ist aber
auch der gesamtgesellschaftliche Aspekt unabdingbar,
dass das Umfeld des Suizidgefährdeten die Lage konkret
erfasst und tätig wird .

Für die Politik stellt sich die Suizidprävention als be-
reichsübergreifende Querschnittsaufgabe dar, zu der die
unterschiedlichen staatlichen und nichtstaatlichen Akteu-
re in unterschiedlichster Art und Weise beitragen können
und müssen .

Mit diesem Antrag an die Adresse der Bundesregie-
rung wollen wir mit einem 18 Punkte umfassenden For-
derungskatalog erreichen, dass der Bund möglichst alle
Register zieht, um Suizidprävention zu stärken . Zu die-
sen Forderungen gehört, dass die Prävention psychischer
Krankheiten ressortübergreifend wahrgenommen wird
und gemeinsam mit den Ländern darauf hingewirkt wird,
psychischen Erkrankungen vorzubeugen, sie frühzeitig
zu erkennen und zu behandeln . Dasselbe gilt für die För-
derung der seelischen Widerstandskraft .

Die Suizidprävention muss auch im Rahmen der Nati-
onalen Präventionskonferenz ihren Niederschlag finden;
hier ergeht die Aufforderung an die Bundesregierung, auf
Modellvorhaben für niedrigschwellige und schnell zu-
gängliche Leistungen hinzuwirken .

Ein weiterer Punkt, den ich herausheben möchte, ist
die stärkere Berücksichtigung älterer und alter Men-
schen, auch gerade derjenigen, die in Einrichtungen der
Altenhilfe leben . Denn hier entwickeln sich oft Depres-
sionen, die unerkannt bleiben und deshalb nicht oder nur
unzulänglich behandelt werden .

Wir müssen auch noch stärker unser Augenmerk auf
Regelungen im Baurecht richten, die einen Suizid mög-
lichst verhindern . Hier sind vor allem psychotherapeu-
tische und psychiatrische Einrichtungen sensible Orte .
Aber auch Stellen, die sich als bevorzugte Orte für Sui-
zide erwiesen haben, müssen systematisch präventiv um-
oder ausgestaltet werden .

Meine Damen und Herren, im Bereich der Prävention
kann die Bundesregierung viel tun, auch die Länder und
die Kommunen . Auch ehrenamtliches Engagement ist
hier möglich; das kann ich Ihnen als Mitglied im Verein
für Suizidprävention Hildesheim authentisch bestätigen .
Doch mein Appell lautet: Jeder kann suizidpräventiv wir-
ken . Dies setzt in erster Linie voraus, dass wir – jeder und

Maria Klein-Schmeink






(A) (C)



(B) (D)


jede von uns – unsere Umgebung, unsere Mitmenschen
aufmerksam und mit Anteilnahme wahrnehmen .

Kein Suizid kommt aus dem Nichts . Meistens geht
ihm ein Hilferuf voraus, oft ein stiller . Deshalb müssen
wir alle besonders gut zuhören, nicht nur mit den Ohren,
sondern auch mit dem Herzen . Stimmen Sie bitte dem
Antrag zu .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg . Birgit Wöllert [DIE LINKE])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824111400

Vielen Dank . – Als Nächstes spricht Dirk Heidenblut

für die SPD-Fraktion . Bitte schön .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dirk Heidenblut (SPD):
Rede ID: ID1824111500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst einmal: Ich freue mich auch, dass wir hier –
auch wenn wir über ein Thema reden, über das man sich
sicherlich nicht freuen kann – endlich zu einer gemeinsa-
men Initiative kommen . Ich erlaube mir, ein Wort einer
meiner Vorrednerinnen aufzugreifen – ich halte es für
eine sehr schöne Formulierung –: dass wir das Thema
weiter besprechbar machen . Allein das ist schon ein ganz
wichtiger Ansatz . Denn schon dadurch, dass wir uns hier
mit diesem Antrag beschäftigen, bewirken wir etwas .

Frau Kollegin Wöllert, ich war auch sehr froh, dass
wir schon im letzten Jahr etwas machen konnten . Ich
gebe Ihnen auch recht: Wir waren an einigen Stellen wei-
ter. Aber so schlecht, wie Sie ihn machen, finde ich unse-
ren Antrag auch wieder nicht .


(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: So schlecht habe ich ihn auch gar nicht gemacht!)


Aber es ist ganz wichtig, dass wir an der Stelle – das will
ich deutlich sagen – wirklich zeigen, dass wir gemeinsam
etwas tun wollen, weil uns 10 000 Tote nicht kalt lassen,
weil uns die Menschen, die im Suizid den einzigen oder
zumindest einen Ausweg sehen, wichtig sind und weil
wir sie von diesem Ausweg nach Möglichkeit abbringen
wollen . Das ist unser Kernansatz . Der Kollege Henke hat
zu Recht deutlich gemacht: Das können wir nicht alleine
tun . – Das werden wir am Ende auch nicht mit dem vor-
liegenden Antrag schaffen. Aber wir können dafür sor-
gen, dass nicht nur darüber geredet wird, sondern dass
damit auch die Aufmerksamkeit geschärft wird; meine
Vorrednerin hat das sehr deutlich gemacht . Nur wenn wir
alle aufmerksam sind, bekommen die betreffenden Men-
schen den ersten Zugang .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sehen den Antrag als gemeinsames Zeichen . Ich
hätte mir durchaus gewünscht, dass wir einen gemeinsa-
men Antrag vorlegt hätten . Ich würde mich freuen, wenn

Sie, meine Damen und Herren von der Linken, doch
noch zu einer Zustimmung kommen könnten . In unserem
Antrag steht nichts, dem man nicht zustimmen kann . Si-
cherlich kann das eine oder andere noch verbessert wer-
den . Aber daran kann man arbeiten .


(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Dann machen wir ihn gemeinsam!)


Der Antrag ist letzten Endes durchaus wegweisend .

Die Gründe der Menschen für einen Suizid sind viel-
fältig . Es ist auch nicht an uns, eine Aussage über diese
Gründe zu treffen. Aber es ist sehr wohl an uns, dafür
zu sorgen, dass solche Gründe nicht vorhanden sind oder
dass die Rahmenbedingungen, wenn solche Gründe vor-
handen sind, so sind, dass sich statt eines Suizids eine
andere Möglichkeit findet.


(Beifall der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


Ein Grund ist sehr häufig eine psychische Erkrankung
oder zumindest eine massive psychische Belastung . Da-
her ist es nach wie vor fatal, dass Menschen in vielen
Situationen oft monatelang auf den ersten Ansprechpart-
ner warten müssen, der ihnen in fachlicher Hinsicht in
irgendeiner Form Hilfe leisten kann . Es ist richtig, dass
wir als Große Koalition den G-BA aufgefordert haben,
hier endlich zu handeln und dafür zu sorgen, dass im
Rahmen der Psychotherapie-Richtlinie schnellere und
bessere Zugangsmöglichkeiten geschaffen werden. Aber
das muss – diese Bemerkung sei mir an dieser Stelle ge-
stattet – nun auch umgesetzt werden . Dazu gehört auch,
dass die handelnden Fachkräfte wie Psychotherapeutin-
nen und Psychotherapeuten durch entsprechende Aus-
stattung, Zeitkontingente und angemessene Bezahlung in
die Lage versetzt werden, die von uns gewollten Angebo-
te zu eröffnen. Das ist ein wesentlicher Punkt.

Der Kollege Henke hat nicht zu Unrecht die Frage an-
gesprochen, ob wir bestimmte Medikamente eigentlich
zugänglich machen müssen, um sozusagen den Suizid
zu ermöglichen . Ich möchte darauf nicht näher einge-
hen, nur so viel: Wir müssen auch in entgegengesetzter
Richtung vorgehen . Wenn wir bestimmte Medikamente,
die Menschen in den gerade geschilderten ausweglosen
Situationen, in denen jedwede andere Behandlung nicht
gewirkt hat, brauchen – ich spreche ausdrücklich Canna-
bis als Medikament an –, für nötig halten und der Mei-
nung sind, dass die betreffenden Menschen sie erhalten
sollen, dann dürfen wir erwarten, dass der G-BA diese
Medikamente zügig verfügbar macht; denn solche Medi-
kamente zurückzuhalten sowie Menschen in ihrem Leid,
ihrem Elend und in ausweglosen Situationen alleine zu
lassen, ist wahrlich keine Suizidprävention, sondern das
genaue Gegenteil .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN )


Wir haben viel erreicht und viele Aspekte berücksich-
tigt . Wenn wir uns den aufgelisteten 18 Punkten – vor
allem in der nächsten Legislaturperiode – im Detail in-
tensiv widmen, können wir noch viel mehr Prävention
erreichen . Eines ist ganz wichtig: Wir müssen Menschen,
die meinen, in einer ausweglosen Situation zu sein, die

Ute Bertram






(A) (C)



(B) (D)


Hoffnung geben, dass es weitergeht. Nachdem so viele
schöne Projekte angesprochen wurden, möchte ich auf
ein weiteres hinweisen . Der Verband, dem ich angehöre,
hilft mit einem sogenannten Wünschewagen bundesweit
Menschen, die vor dem Tod stehen und um ihr Leben
kämpfen . Das ist ein tolles Projekt, das zu erwähnen, an
dieser Stelle gut passt . Wenn man bis zum Schluss weiß,
dass man es wagen kann, Wünsche zu haben, dass das
Leben noch lebenswert ist, dann ist das ein ganz wesent-
licher Schutz vor Suizid .

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit . Ich wür-
de mich sehr freuen, wenn doch noch alle dem Antrag
zustimmen könnten . Ich glaube, dass nichts dagegen
spricht .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824111600

Vielen Dank . – Als letzter Redner in dieser Debatte hat

jetzt Hubert Hüppe das Wort für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1824111700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Es ist ein gutes Zeichen, dass
wir zum Abschluss dieser Legislaturperiode diesen Be-
schluss fassen . Er bringt unsere gesundheitspolitische
und ethische Überzeugung zum Ausdruck . Wir sagen –
das hat eben schon der eine oder die andere gesagt –: Je-
der Suizid und jeder Suizidversuch ist einer zu viel .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war bei der Einbringung nicht so!)


Deswegen – auch das beinhaltet dieser Antrag – ist es
richtig, dass wir uns den gefährdeten Menschen zuwen-
den und ihnen Hilfen anbieten . Wir machen ferner deut-
lich: Der Staat ist Garant des Lebens, nicht der Garant
für einfache Wege und wirksame Mittel zur Selbsttötung .

Die heutige Vorlage kommt im wahrsten Sinne aus
der Mitte des Hauses; das ist bereits gesagt worden . Sie
bringt zum Ausdruck – das finde ich ganz wichtig –, dass
Suizidprävention möglich ist, dass man wirklich etwas
für die gefährdeten Menschen tun kann .

Ich halte es übrigens für ganz wichtig, dass in diesem
Antrag auf die UN-Behindertenrechtskonvention Bezug
genommen wird; denn da heißt es: Man muss dafür sor-
gen, dass das Bewusstsein entsteht, dass zum Beispiel
psychisch kranke, depressive Menschen zu uns gehören,
und wir müssen aufpassen, dass diese nicht diskriminiert
werden und keine Angst haben müssen, dass ihnen, wenn
sie über ihre Erkrankung sprechen, nur Ablehnung oder
möglicherweise sogar soziale Konsequenzen entgegen-
schlagen . Dieses Bewusstsein gibt es überhaupt noch
nicht .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Welcher Arbeitnehmer würde sich denn trauen, sei-
nem Arbeitgeber zu sagen, dass er depressiv ist, dass
er psychische Probleme hat; das würde sich doch kaum
einer trauen . Meine Damen und Herren, sprechen wir
doch mal über uns selber – wir können ja immer gut über
andere reden –: Würde sich denn einer von uns trauen,
während des Wahlkampfes, wenn man darauf angespro-
chen wird, zu sagen: „Ja, ich bin depressiv, ich habe psy-
chische Probleme“? Da kann jeder einmal in sich gehen .
Das ist nicht einfach .

Deswegen ist es, glaube ich, ganz wichtig, die Mög-
lichkeit zu schaffen, dass sich diese Menschen auch an
anonyme Adressen wenden können – einige wurden ge-
nannt –, damit sie, wenn sie in gefährlichen Situationen
sind, rund um die Uhr die Möglichkeit haben, Menschen
anzusprechen; denn Krisen gucken nicht auf die Uhr und
halten sich nicht an Arbeitszeiten, vielmehr können sie
abends entstehen, sie können nachts entstehen, sie kön-
nen morgens entstehen .

Da hier schon einige gute Institutionen genannt wor-
den sind, danke ich an dieser Stelle den 104 in Deutsch-
land vorhandenen Telefonseelsorgestellen, weil sie gute
Arbeit leisten und wahrscheinlich schon dem einen oder
anderen – auch jungen Menschen – geholfen haben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Hier wird deutlich, dass wir sehr unterschiedliche
Gruppen haben . Wir haben einmal den stetig wachsenden
Anteil von älteren Menschen, die befürchten, dass sie,
wenn sie ins Heim kommen, von anderen abhängig wer-
den . Dafür zu sorgen, dass sie dann so weit wie möglich
in ihrem gewohnten Umfeld leben können, hat übrigens
etwas mit Inklusion zu tun . Auch das ist Prävention, zu
sagen: Die Menschen sollen – solange es eben geht – in
ihrem gewohnten Umfeld leben können .

Daneben gibt es die jungen Menschen, die zum Teil
neuen Gefahren ausgesetzt sind – Stichwort: Cybermob-
bing . Auch das gilt es zu beobachten .

Es gibt eine Gruppe, die im Antrag noch nicht ange-
sprochen wurde – wenn wir in der neuen Legislaturpe-
riode darüber sprechen, ist es mir ein wichtiges Anlie-
gen, dass wir auch über diese Menschen sprechen –: Es
sterben auch Menschen in Justizvollzugsanstalten . Dass
Menschen sich in Gefängnissen umbringen, ist dort die
häufigste Todesursache. Auch das ist eine wichtige Grup-
pe, bei der wir überlegen müssen: Wie können wir errei-
chen, dass die Signale dort aufgenommen werden?

Ein letzter Punkt . Es ist natürlich auch wichtig, wie die
Öffentlichkeit damit umgeht. Wie gehen die Medien da-
mit um? Es ist schon über den sogenannten Werther-Ef-
fekt gesprochen worden . Es gibt bekannte Sportler, be-
kannte Schauspieler, die sich selbst getötet haben . Die
Folge war nicht selten, dass in den Monaten darauf dies
für viele, die schon gefährdet waren, der letzte Impuls
war, umzusetzen, was sie sich vorher nur vorgenommen
hatten .

Weil es üblich geworden ist, sich über Medien zu be-
schweren, möchte ich an dieser Stelle den Medien einen

Dirk Heidenblut






(A) (C)



(B) (D)


herzlichen Dank aussprechen, die in den allermeisten
Fällen sehr sensibel mit diesem Problem umgehen . Wenn
sie berichten, weisen sie meistens gleich auf Hilfsange-
bote hin . Auch dafür, denke ich, kann man einmal Dank
sagen .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es bleibt viel zu tun . Wichtig ist, dass von dieser De-
batte heute ein Signal ausgeht und es auch ein Signal für
die nächste Wahlperiode sein wird, das zeigt, dass wir
uns für die Würde eines jeden Menschen einsetzen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824111800

Vielen Dank . – Die Aussprache ist beendet .

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/12782 mit dem Titel „Suizid-
prävention weiter stärken – Menschen in Lebenskrisen
helfen“ . Wer stimmt für den Antrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist bei Enthaltung
der Fraktion Die Linke angenommen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 34 a bis 34 c sowie
Zusatzpunkt 11 auf:

34 . a) Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Ausschusses für Familie,

(13 . Ausschuss)

Ulle Schauws, Katja Dörner, Beate Müller-
Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine wirksame Frauen- und Gleich-
stellungspolitik in Deutschland

Drucksachen 18/11413, 18/12656

b) Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung

(18 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abge-

ordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach,
Dr . Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Wissenschaftsfreiheit und Wissenschafts-
verantwortung sicherstellen

Drucksachen 18/6191, 18/12777

c) Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung

(18 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abge-

ordneten Kai Gehring, Ulle Schauws, Özcan
Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wissenschaftsfreiheit fördern, Ge-
schlechterforschung stärken, Gleichstel-
lung in der Wissenschaft herstellen

Drucksachen 18/11412, 18/12778

ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Brigitte
Pothmer, Kerstin Andreae, Ulle Schauws, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Rückkehrrecht auf Vollzeit einführen

Drucksache 18/12794

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Debatte 38 Minuten vorgesehen . – Wie ich sehe, sind
Sie damit einverstanden . Dann können wir so verfahren .

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner erhält
der Kollege Sönke Rix von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1824111900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich hatte gar nicht damit gerechnet, als Erster zu reden .
Irgendwie war ich im falschen Film . Ich dachte, da es
Oppositionsanträge sind, spricht als Erstes ein Redner
von der Opposition;


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich auch gedacht!)


aber wir sprechen ja über das Votum des Ausschusses . –
Das hast du auch gedacht? Wunderbar . Wir können ja
noch tauschen .

Nein, ich fange einfach einmal an . Allerdings kann ich
jetzt nicht, wie das sonst so meine Art ist, auf die Vorred-
nerinnen und Vorredner eingehen .


(Heiterkeit)


Ich habe mir aber vorweg einige Gedanken gemacht, was
sie wohl sagen werden, und natürlich habe ich auch die
Anträge gelesen . So ist es ja nicht, liebe Kolleginnen und
Kollegen .


(Heiterkeit)


Ich möchte in erster Linie auf den Antrag der Grünen
zur Gleichstellungspolitik allgemein eingehen . Meine
Kollegin wird nachher noch auf die bildungs- und gleich-
stellungspolitischen Fragen eingehen .

Dieser Antrag bietet eine gute Gelegenheit, am Ende
der Wahlperiode Resümee zu ziehen und zu betrachten,
was wir in der vergangenen Zeit geleistet haben . Da es im
Antrag heißt, wir hätten viel zu wenig getan und könnten
noch mehr tun, möchte ich auf ein paar Aspekte verwei-
sen .

Im Antrag wird gefordert, mehr Maßnahmen zur Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf zu ergreifen. Ich finde,
mit dem Elterngeld Plus haben wir eine besonders gute
Maßnahme zur besseren Vereinbarkeit von Familie und
Beruf ergriffen, weil damit die Partnerschaftlichkeit in
den Mittelpunkt gerückt und deutlich gemacht wird, dass

Hubert Hüppe






(A) (C)



(B) (D)


nicht nur ein Elternteil die Arbeitszeit reduzieren soll,
um mehr Zeit für die Familie zu haben; vielmehr wollen
wir die Chance bieten, dass sich beide Elternteile dafür
Zeit nehmen . Das Elterngeld Plus ist eine hervorragende
Maßnahme .

Wir können das Elterngeld Plus auch zu einer Famili-
enarbeitszeit ausbauen; das ist gar keine Frage . Ich weiß,
die Grünen haben ähnliche Ideen . Manuela Schwesig
hatte bereits einen entsprechenden Entwurf angekündigt .
Unser Koalitionspartner ist noch nicht bereit, das mitzu-
machen . Darüber werden wir uns dann einfach im Wahl-
kampf streiten . Es wäre gut, wenn wir in der nächsten
Wahlperiode hier eine Mehrheit hätten, um eine gesetz-
lich verbindliche Familienarbeitszeit einzuführen .


(Beifall bei der SPD)


Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch sa-
gen, dass wir Sozialdemokraten traurig sind, dass wir
eines, was wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen
haben, nicht umsetzen konnten . Es scheiterte an der Be-
reitschaft unseres Koalitionspartners, an dieser Stelle
große Schritte zu machen . Ich meine das Rückkehrrecht
von Teilzeit auf Vollzeit .


(Beifall bei der SPD)


Das haben wir bitter nötig . Wir alle wissen – aber an-
scheinend ist das einigen noch nicht richtig bewusst –,
dass wir hier ein Problem haben; denn durch das nicht
vorhandene Rückkehrrecht drängen wir Frauen in Al-
tersarmut. Ich finde, wir sind gut beraten, so schnell wie
möglich, vielleicht mit neuen Mehrheiten, ein Rückkehr-
recht in diesem Parlament zu beschließen .


(Beifall bei der SPD)


Ich will auf drei Dinge eingehen, die wir geleistet ha-
ben und die zumindest in der Gleichstellungspolitik ein
Stück weit historisch sind .

Das eine ist die Einführung der gesetzlichen Frauen-
quote. Ich finde, es war ein erster wichtiger Schritt, dass
wir die gesetzliche Frauenquote bei größeren Unterneh-
men eingeführt haben . Ich weiß, dass man die Frauen-
quote auch für kleinere Unternehmen hätte einführen
können – auch wir hätten hier viel mehr gewollt –; aber
dass wir überhaupt eine gesetzliche Frauenquote haben,
ist, wie ich finde, ein großes Verdienst dieser Regierungs-
koalition . Ich will an dieser Stelle sagen: Herzlichen
Dank an alle Fraktionen, vor allem an die Frauen in allen
Fraktionen! Die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit
hat dafür gesorgt, dass der Druck auf uns männliche Kol-
legen so groß wurde, dass wir diese gesetzliche Regelung
geschaffen haben. Herzlichen Dank dafür!


(Beifall bei der SPD – Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Ein Hoch auf die Frauensolidarität!)


Auch bei der Frage der Lohngerechtigkeit haben
wir einen, wie ich immer sage, kleinen, aber wichtigen
Schritt unternommen . Wir haben Lohntransparenz her-
gestellt, damit Frauen für die gleiche Arbeit auch den
gleichen Lohn bekommen. Ich finde es richtig, dass wir
eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen haben. Wir
sorgen für Transparenz, um der Lohndiskriminierung
entgegenzuwirken . Das ist keine Selbstverständlichkeit .

Ich weiß, dass wir im Parlament und in der Gesellschaft
hart darum gerungen haben . An dieser Stelle gilt mein
herzlicher Dank auch allen außerhalb des Parlaments, die
daran mitgewirkt haben, dass wir das umsetzen konnten .
In der nächsten Wahlperiode werden wir weitere und
deutlichere Schritte auf dem Weg zur Lohngerechtigkeit
unternehmen; aber die ersten Schritte wurden unternom-
men .

Ich möchte einen dritten Punkt ansprechen, auch wenn
dieses Thema nicht federführend bei uns im Familien-
und Frauenausschuss behandelt wurde: die Reform des
Sexualstrafrechts . Wir wissen, dass auch dieser Erfolg
nur dank der guten Zusammenarbeit der Frauenpolitike-
rinnen und -politiker, insbesondere der weiblichen Kolle-
gen, möglich wurde . Nur dadurch ist es gelungen, „Nein
heißt Nein“ verbindlich ins Gesetz zu schreiben . Bei die-
sem Gesetzesvorhaben haben vor allem die Frauen aus
der Zivilgesellschaft dazu beigetragen, dass das am Ende
einstimmig, also mit einem starken Votum, beschlossen
worden ist . Dieser lange Kampf der frauenpolitischen
Szene hat sich gelohnt, weil wir nun endlich verbindlich
„Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht festgeschrieben
haben .


(Beifall bei der SPD)


Weil wir am Ende der Wahlperiode stehen, kann man
schon auf die nächste Wahlperiode blicken . Laut Umfra-
geergebnissen sieht es im Moment so aus, dass – ich den-
ke, das befürchten wir gemeinsam – Rechtspopulisten in
unser Parlament einziehen könnten . Wir arbeiten – hof-
fentlich gemeinsam – daran, dies zu verhindern . Dieser
Umstand macht aber deutlich, dass das, was wir hier mit
großen Mehrheiten beschlossen haben und was wir für
selbstverständlich halten und als Grundwerte ansehen –
Gleichstellung, Gleichberechtigung –, keine Selbstver-
ständlichkeit ist . Diese Rechtspopulisten ziehen in ihren
Programmen und Aussagen alles ins Lächerliche, was
zu den Themen Gleichstellung, Gleichberechtigung und
Frauenförderung auf der Tagesordnung steht . Dagegen
sollten wir gemeinsam kämpfen . Auch wenn wir mit
unterschiedlichen Schwerpunkten in den Wahlkampf
gehen, wollen wir hoffentlich alle gemeinsam die AfD
aus dem Parlament raushalten, um unsere Grundwerte,
insbesondere zur Gleichstellung, weiterhin aufrechtzuer-
halten .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg . Nicole Gohlke [DIE LINKE])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824112000

Vielen Dank . – Für die Fraktion Die Linke erhält jetzt

Nicole Gohlke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Nicole Gohlke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824112100

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Es ist leider eine wirklich dürftige Bilanz,
die die Große Koalition in puncto Gleichstellungspolitik
und bei der Frauenförderung vorzuweisen hat . Union und

Sönke Rix






(A) (C)



(B) (D)


SPD haben zu wenig getan . Das, was sie getan haben,
war halbherzig . Die Situation hat sich im Kern kaum
verbessert . Das hat dramatische Folgen für Frauen . Das
muss sich endlich ändern .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frauen werden im Schnitt um 21 Prozent schlechter
bezahlt als Männer . Frauen sind besonders von Armut
betroffen; denn vor allem Frauen arbeiten in Minijobs
und im Niedriglohnbereich . Nicht zufällig werden gera-
de die Berufe, in denen viele Frauen arbeiten, schlechter
bezahlt . Es sind immer noch Frauen, die überwiegend
unbezahlte Arbeit in Haushalt, Familie und Ehrenamt
leisten; und am Ende, im Alter, sind sie es, die überwie-
gend in prekären Verhältnissen und Altersarmut landen .
Frauen bekommen durchschnittlich ein Drittel weniger
Rente als Männer . Das ist doch Wahnsinn! Das ist ein
Skandal!


(Beifall bei der LINKEN)


Bei der Armut stellen Frauen die Mehrheit . An anderer
Stelle sind Frauen eine Seltenheit, nämlich wenn es um
die gutbezahlten Jobs in der Wirtschaft geht . Die Frau-
enquote in den Vorständen der 160 wichtigsten börsen-
notierten Unternehmen Deutschlands liegt bei peinlichen
6,7 Prozent . In der Wissenschaft stößt man auf das glei-
che Problem: Frauen absolvieren zwar über die Hälfte
aller Studienabschlüsse, bei den Promotionen liegt der
Frauenanteil noch immer bei über 40 Prozent; aber bei
den Habilitationen und Professuren, also genau da, wo es
um die Karriere geht, bricht der Frauenanteil auf 18 Pro-
zent ein . Das ist die Situation im Jahr 2017, und das ist
nichts anderes als systematische und strukturelle Diskri-
minierung . Die gehört endlich beendet .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


Obwohl die Situation so ist, wie ich sie beschrieben
habe, und obwohl die Ungerechtigkeit so offensichtlich
und so massiv ist, führen die neuen rechten Kräfte einen
Feldzug gegen die vermeintliche Genderideologie und
gegen die Gleichstellung, die ja in Wahrheit überhaupt
nicht erreicht ist, aber überfällig wäre . Aber den neofa-
schistischen und autoritären Kräften wie der AfD reicht
die bestehende Diskriminierung nicht aus, mit der die
Menschen hier zu kämpfen haben . Die Diskriminierung
von Muslimen oder Geflüchteten, die Diskriminierung
aufgrund von Geschlecht oder sexueller Orientierung,
das alles reicht ihr nicht aus . Kräfte wie die AfD wollen
eine Gesellschaft der Ungleichheit und der Ungleichwer-
tigkeit . Genau das gehört bekämpft .


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Genau das macht zum Beispiel die Geschlechterfor-
schung . Weil sie das macht, weil sie Ungerechtigkeiten
offenlegt, gerät sie ins Visier der neuen Rechten. Des-

wegen müssen wir der Geschlechterforschung jetzt den
Rücken stärken .


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In der Wissenschaft hat sich mit den Genderstudies eine
Disziplin etabliert, die die Beziehungen von Geschlecht
und Gesellschaft erforscht und Mechanismen der Un-
terdrückung offenlegt. Es ist das Verdienst der Frauen-
bewegung und der Geschlechterforschung, dass inzwi-
schen auch im Mainstream die Erkenntnis angekommen
ist, dass die soziale Ungleichheit zwischen Männern und
Frauen mit Vorstellungen von Männlichkeit und Weib-
lichkeit einhergeht, die gesellschaftlich und kulturell ge-
macht sind . Nur aufgrund der hartnäckigen Arbeit in den
Instituten für Geschlechterforschung gibt es heute über-
haupt Initiativen zur Förderung von Mädchen und Frau-
en, zum Beispiel in mathematisch-naturwissenschaftli-
chen Fächern, oder insgesamt Initiativen zum Abbau von
beruflichen Geschlechterstereotypen.

Strategien zur Förderung von Gleichstellung und
Vielfalt wie zum Beispiel das Gender-Mainstreaming,
das Diversity Management in Unternehmen oder auch
der Ausbau der Infrastruktur von Frauen- und Gleich-
stellungsbeauftragten, das alles ist ein gesellschaftlicher
Fortschritt . Daran darf es keinen Zweifel geben . Das
muss die Politik aber auch deutlich machen .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn die AfD heute fordert, dass Bund und Länder –
ich zitiere aus ihrem Wahlprogramm – „keine Mittel für
die ‚Gender-Forschung‘ mehr bereitstellen“ dürfen und
dass „‚Gleichstellungsbeauftragte‘ an den Universitäten
... abzuschaffen“ sind, dann erwarte ich aber auch ein-
mal eine Reaktion oder Aktivität der Bundesregierung,
die deutlich macht, dass solche rechten Vorstöße auf ge-
schlossene Ablehnung stoßen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen ist auch der Vorschlag der Grünen, ein Nach-
wuchsprogramm in der Genderforschung aufzulegen, so
sympathisch . Das wäre natürlich ein deutliches Signal
an die Wissenschafts-Community, dass die Bundesregie-
rung hinter der Wissenschaftsfreiheit steht .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber vielleicht ist das Problem ja auch, dass einigen
in der Union dieser ganze reaktionäre Mist gar nicht so
fern ist .


(Zurufe von der CDU/CSU: Was? – Wie bitte?)


– Dann hören Sie mal zu . – Auch die Junge Union, Ihre
Jugendorganisation, fordert, ganz im Gleichklang mit der
AfD – auch das ist ein Zitat –, „die finanzielle Förderung
der sog . Gender-Studies einzustellen“ .


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Nicole Gohlke






(A) (C)



(B) (D)


Dass solche Vorschläge gemacht werden, lässt tief
blicken und sagt viel über das Verständnis von Wissen-
schaftsfreiheit aus .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage ganz klar: Wer es heute mit der Wissenschafts-
freiheit ernst meint, der muss die Genderforschung ver-
teidigen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824112200

Vielen Dank . – Jetzt hat für die CDU/CSU-Fraktion

Gudrun Zollner das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gudrun Zollner (CSU):
Rede ID: ID1824112300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Wenn wir in die Geschichte zurückbli-
cken, stellen wir fest, dass der privilegierte Zugang von
Männern zu höherer Bildung jahrhundertelang die Vor-
machtstellung der Männer begründete .


(Zuruf von der LINKEN: Hat aber nichts genutzt! – Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)


Erst im Jahr 1900 erlaubte als erstes Bundesland das
Land Baden Frauen das Hochschulstudium, und es sollte
noch bis zum Jahr 1909 dauern, bis Frauen schließlich in
ganz Deutschland studieren konnten . Deshalb freut mich
die Meldung von letzter Woche, dass in Bayern so viele
Frauen habilitiert wurden wie noch nie .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber wie konnten sich alte Rollenbilder so lange
durchsetzen? Blicken wir zurück in die 50er-, 60er- und
70er-Jahre . Der 7 . Sinn erklärte uns, dass der Rückspiegel
in Autos von Frauen nur zum Lippennachziehen genutzt
wird . Oder denken Sie an die Filme und Bücher über die
gute Hausfrau, darüber, wie sie das Leben ihres Mannes
erleichtern kann . Ein Werbespot aus dem Jahr 1954 be-
hauptet, eine Frau habe zwei Lebensfragen: Was ziehe
ich an? Was koche ich? – Und im BGB in der Fassung
von 1958 lesen wir:

Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwor-
tung . Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit
dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie verein-
bar ist .

Es ist auch dieses Denken, welches sich jahrhundertelang
entwickelt hat, das uns auf dem Weg zur Gleichstellung
noch immer ausbremst . Wir werden das nicht von heu-
te auf morgen umstellen können, dabei handelt es sich
um eine Generationenaufgabe, und das kann die Politik

auch nicht alleine . Wir müssen die alten Zöpfe endlich
abschneiden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aus dieser Rollenverteilung heraus entstanden auch
die schlecht bezahlten Frauenberufe . Sie waren ja nur als
Zuverdienst gedacht . Hier müssen wir dringend anset-
zen. Erzieherinnen, Altenpflegerinnen usw. – ich könnte
die Liste beliebig fortsetzen – leisten einen unschätzba-
ren Beitrag für uns alle auf hohem Niveau .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg . Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Ja, da darf auch mal geklatscht werden . – Deshalb war
unser Beschluss von gestern, dass im Bereich der Al-
tenpflege kein Schulgeld mehr bezahlt werden muss, so
wichtig und auch überfällig .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es sind auch nicht mehr automatisch Männer, die die
Haupternährer der Familien sind . Im Gegenteil: Vie-
le Frauen, zum Beispiel Alleinerziehende, übernehmen
diese Rolle immer häufiger. Die Aufwertung dieser frau-
enspezifischen Berufe – auch die finanzielle Aufwer-
tung – sollte eine prioritäre Aufgabe des Familienminis-
teriums sein .

Dass wir die Gleichberechtigung von Frauen und
Männern noch besser voranbringen wollen, steht außer
Frage . Die wichtigste Aufgabe ist daher, die Vereinbar-
keit von Beruf und Familie weiter zu verbessern .

Ich möchte an dieser Stelle auch das Ehrenamt hinzu-
nehmen, dessen Bedeutung in unserer Gesellschaft nicht
hoch genug eingeschätzt werden kann . Wir haben dafür
in den letzten Jahren viele Gesetze auf den Weg gebracht
und sehr viel Geld in die Hand genommen . Kollege Rix
hat schon einige Maßnahmen aufgezählt . Um nur kurz
einige zu erwähnen: Elterngeld Plus, Familienpflegezeit,
Kitaausbau, Frauenquote, Entgelttransparenzgesetz . Be-
vor weitere Forderungen gestellt werden, sollten wir erst
einmal die positiven Wirkungen dieser Gesetze abwarten .

Dass wir in Deutschland auf einem guten Weg sind,
bescheinigt uns auch die OECD-Studie „Dare to Share“ .


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Darin wird festgestellt, dass Deutschland in den vergan-
genen Jahren die Voraussetzungen für die Erwerbstätig-
keit von Müttern deutlich verbessert hat und wir eines
der OECD-Länder mit der dynamischsten Familienpo-
litik und den höchsten Frauenerwerbsquoten sind . Mit
dem Ausbau der Kinderbetreuung und mit der Ausgestal-
tung des Elterngeldes haben wir bereits wichtige Voraus-
setzungen für eine gleichmäßigere Aufteilung von be-
zahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Elternteilen
geschaffen.

Am Mittwoch dieser Woche haben wir bei der Re-
gierungsbefragung zum Gleichstellungsbericht viel über
Gender Care Gap und Gender Pension Gap gehört . Wer
fordert, die Erziehungs- und Pflegeleistungen, die für

Nicole Gohlke






(A) (C)



(B) (D)


Angehörige zu Hause erbracht werden, finanziell anzuer-
kennen, hat unsere volle Unterstützung . Wer aber gleich-
zeitig gegen das Betreuungsgeld ist, was genau hier an-
setzt, widerspricht sich in meinen Augen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! Ach, Gudrun!)


Wer das eine fordert, kann das andere nicht ablehnen .
Dasselbe gilt beim Gender Pension Gap . Aufgrund gerin-
gerer Erwerbszeiten und niedrigerer Löhne haben Frauen
weniger Rentenansprüche . Wer sich zu Recht daran stört,
darf konsequenterweise nicht gegen die von der CSU ge-
forderte Mütterrente sein .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann aus Steuergeldern!)


Eine wichtige Aufgabe für die Politik der Zukunft wird
das Thema „Gleichberechtigung von Frauen“ bei den
Flüchtlingen sein . Gerade hier ist die männerdominier-
te Denkweise sehr ausgeprägt vorhanden . Dem müssen
wir von Anfang an entgegentreten, auch den betroffenen
Frauen zuliebe . Vor allem Deutschkurse ermöglichen es
den Frauen, sich zu integrieren und ihre Kinder in diesem
Sinne zu erziehen .

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mir
die vorliegenden Anträge durchlese, stellt sich mir die
Frage: Ist für Sie Gleichberechtigung nur dann erreicht,
wenn beide in Vollzeit arbeiten?


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Dann haben Sie aber nicht gut gelesen!)


Ich finde, nein. Gleichberechtigung zwischen Frau und
Mann ist für mich eine gleichberechtigte Aufteilung der
täglichen Aufgaben und Pflichten in einer Partnerschaft,


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


und es obliegt dieser Partnerschaft, dies eigenverantwort-
lich und selbstbestimmt zu tun .


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und alle Möglichkeiten zu haben! Dafür müssen wir sorgen!)


Meinen Ausführungen können Sie also entnehmen, dass
wir Ihre Anträge heute ablehnen werden .


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist inkonsequent!)


Eine bayerische Politikerin sagte einmal: Nur der
Mann von gestern hat Angst vor der Frau von heute .


(Dr . Claudia Lücking-Michel [CDU/CSU]: Na ja!)


In diesem Sinne freue ich mich, hier viele Männer von
heute zu sehen .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824112400

Vielen Dank . – Jetzt hat Katja Dörner für Bündnis 90/

Die Grünen das Wort .


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824112500

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen

und Kollegen! „Because it’s 2015 .“ Das sagte der kanadi-
sche Premierminister Justin Trudeau auf die Nachfrage,
warum sein Kabinett zu 50 Prozent mit Frauen besetzt
sei .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


50 Prozent Frauen im Kabinett, das ist doch selbstver-
ständlich . Diese Haltung, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, würde ich mir auch von Angela Merkel wün-
schen . Aber die Bundeskanzlerin verfällt ja regelrecht in
Schockstarre, wenn sie auf einem Podium gefragt wird,
ob sie Feministin sei .


(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Quatsch! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Das ist alles andere als überzeugend .

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Wie sieht es bei uns mit der Gleichstellung aus? Der
Zweite Gleichstellungsbericht zeigt: Der Fortschritt ist
eine Schnecke . Das darf nicht so bleiben .

2013 in Deutschland – ich zitiere aus dem Koalitions-
vertrag von Union und SPD –:

Dazu werden wir das Teilzeitrecht weiterentwickeln
und einen Anspruch auf befristete Teilzeit schaf-
fen …

Eine richtig gute Sache, liebe Kolleginnen und Kollegen .
Wir unterstützen das sehr . Warum ist das Rückkehrrecht
so wichtig? Es holt Frauen aus der Teilzeitfalle mit all
den positiven Folgen für ihr Einkommen, ihre Unabhän-
gigkeit, ihre Alterssicherung . Es ebnet auch Männern den
Weg, für die Kindererziehung, für die Pflege des erkrank-
ten Vaters, für eine aufwendige Weiterbildung in Teilzeit
zu gehen, weil auch die Männer wissen: Ich komme aus
dieser Teilzeit wieder heraus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Rückkehrrecht auf Vollzeit – 2013 im Koalitionsver-
trag festgelegt – ist im Sommer 2017 sang- und klanglos
von der Bildfläche verschwunden. Es ist gescheitert. Das
ist schwarz-rote Gleichstellungspolitik . Viel Lärm um
wenig! Ich finde, die Frauen und auch die Männer in die-
sem Land haben wirklich mehr verdient .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Claudia Lücking-Michel [CDU/CSU])


2015 in Deutschland: große Party für das Quoten-
gesetz . Was ist daraus geworden? Die Frauenquote für
Vorstände blieb unverbindlich . 2017 stellt Manuela
Schwesig fest – Zitat –:

Gudrun Zollner






(A) (C)



(B) (D)


Da, wo sich Unternehmen selbst die Zielvorgaben
setzen können, sagen tatsächlich welche: null .

Es ist nun wirklich keine Überraschung, liebe Kollegin-
nen und Kollegen, dass eine unverbindliche Quote nicht
wirkt . Um das vorauszusehen, muss man wirklich keine
Prophetin sein . Gegen Vorstände in Männerhand hilft nur
eine verbindliche Frauenquote . Hier bleibt das Quoten-
gesetz leider halbherzig . Das rächt sich nun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


2016 in Deutschland: Entwurf eines Entgeltgleich-
heitsgesetzes . Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger ge-
landet. Der Gesetzentwurf wurde regelrecht filetiert und
schrumpfte zum Transparenzgesetz: mehr Transparenz
nur für Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten .
Etwas mehr Transparenz für weniger als die Hälfte aller
Frauen, das hat mit echter Entgeltgleichheit wirklich gar
nichts mehr zu tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die wirklich wirkungsmächtigen Prüfverfahren bleiben
unverbindlich . Sie sind überhaupt nur für Unternehmen
mit mehr als 500 Beschäftigten vorgesehen . Für dieses
Gesetz – das muss man leider sagen – ist sogar der Termi-
nus „Bettvorleger“ ein regelrechter Euphemismus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist ja nicht so, als würde die schwarze-rote Gleich-
stellungspolitik nur von uns kritisiert . Dafür genügt ein
Blick in das neue Gutachten zum Zweiten Gleichstel-
lungsbericht . Frauen kümmern sich fast doppelt so häu-
fig um die Angehörigen, haben aber nur die Hälfte der
Rentenansprüche, die Männer haben . Das nenne ich eine
Statistik der Ungerechtigkeit, und das muss dringend ein
Ende haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Schon im Ersten Gleichstellungsbericht wurden die
neuralgischen Punkte benannt: Rückkehrrecht, Minijobs
und Ehegattensplitting . Was ist in den sechs Jahren seit
dem Ersten Gleichstellungsbericht in diesen Punkten
passiert? Es ist überhaupt nichts passiert . Es waren sechs
verschenkte Jahre . Das darf im Sinne der Frauen auf kei-
nen Fall so weitergehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, vieles, was im Be-
reich der Gleichstellung in den letzten Jahren und Jahr-
zehnten erkämpft worden ist, ist aktuell mächtig unter
Beschuss . Rechte mobilisieren gegen den angeblichen
Genderwahn, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen,
geschlechtergerechte Sprache und neue Rollenbilder . Für
die Rechtspopulisten und die AfD scheint es regelrecht
eine neue Lieblingsbeschäftigung zu sein, gegen die Ge-
schlechterforschung zu agieren . Forscherinnen und For-
scher, die sich mit Geschlechterforschung beschäftigen,
werden verhöhnt und beleidigt, und ihre Arbeit wird dis-

kreditiert . Diesen Entwicklungen sollten wir alle gemein-
sam ganz entschieden entgegentreten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


An der Stelle entfalten sich mit voller Wucht wissen-
schaftsfeindliche Tendenzen . Der Weg in andere Wissen-
schaftsgebiete ist dann sicherlich auch nicht weit .

Das Wissensgebiet Geschlechterforschung verdient
es, finanziell gestärkt zu werden. Leider fällt der Bun-
desregierung auch dazu nicht viel ein . Die Fördersitua-
tion der Geschlechterforschung ist weiterhin prekär . Wir
brauchen dringend neue Perspektiven für Gender in der
Forschung . Auch da hat die Bundesregierung leider eine
große Leerstelle in ihrer Bilanz .

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Gleichstellungs-
politik ist kein Schnee von gestern, sondern topaktuell .
Es geht um gerechte Bezahlung, gerechte Renten, Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf sowie um den Kampf
gegen Gewalt und gegen Rollenstereotype . Unsere Vor-
schläge dazu liegen auf dem Tisch . Sie haben sie gelesen,
und ich würde Ihnen raten: Stimmen Sie ihnen zu, damit
wir heute sagen können: Because it’s 2017!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824112600

Vielen Dank . – Als Nächste spricht für die SPD-Frak-

tion Dr . Daniela De Ridder .


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1824112700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf den Rängen! Liebe
Kolleginnen der Opposition, ich wünschte mir so man-
ches Mal mehr Frauensolidarität . Hätten wir die auch in
diesem Parlament, dann müssten Sie doch anerkennen,
dass wir in dieser Legislaturperiode so viel Frauenpoli-
tik durchgesetzt haben und so viel Gewinnbringendes für
Frauen erreicht haben wie selten zuvor,


(Beifall bei der SPD – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reicht aber nicht!)


beispielsweise die Frauenquote und das Entgelttranspa-
renzgesetz . Das mag zwar alles nicht reichen, aber man
muss es doch würdigen, anerkennen und unterstützen .
Ich fahre fort mit dem Elterngeld Plus, der Familienpfle-
gezeit und dem Kitaausbau .


(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Mütterrente!)


All dies sollte man anerkennen und würdigen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Sie haben ja recht: Wenn es darum geht, der AfD und
ihren Kampfparolen gegen Gender-Mainstreaming und
Genderforschung entgegenzutreten, dann müssen wir

Katja Dörner






(A) (C)



(B) (D)


uns verbünden und dem gemeinsam solidarisch entge-
gentreten .


(Beifall bei der SPD)


Im Übrigen steht mit meiner Person gerade das Beispiel
eines Hassobjekts am Rednerpult, liebe Frau Gohlke,
nämlich mit Blick auf das, was die AfD verkündet . Ich
war lange Genderforscherin, und ich war lange Gleich-
stellungsbeauftragte und damit für Gender-Mainstrea-
ming zuständig . Ja, es ist eine Schande, dass Populisten
Gleichstellung infrage stellen . Aber dabei soll es nicht
bleiben .

Gerade im Wissenschaftsbereich haben wir eine gan-
ze Menge durchgesetzt . Lassen Sie mich daran erinnern,
dass wir einen Pakt für den wissenschaftlichen Nach-
wuchs geschlossen haben, der gerade auch die Karrie-
rewege junger Nachwuchswissenschaftlerinnen in den
Blick nimmt . Aber auch da gilt, dass wir die Frauen nicht
isoliert betrachten dürfen, sondern dass wir auch junge
Väter in den Blick nehmen müssen . Wenn Männer ein
Teil des Problems sind, dann müssen sie doch auch ein
Teil der Lösung sein . Das ist unerlässlich, liebe Kollegin-
nen und Kollegen .


(Beifall der Abg . Dr . Claudia Lücking-Michel [CDU/CSU])


Da darf auch gerne geklatscht werden .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Zweitens will ich noch einmal deutlich machen, dass
der Arbeitsmarkt segregiert ist und dass Frauen – das hat
Frau Kollegin Zollner schon angesprochen – auch dann
entsprechender Würdigung und Anerkennung bedürfen,
wenn sie sich für frauenspezifische Bereiche wie die
Pflegewissenschaften entscheiden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Drittens haben wir Programme wie „Frauen an die
Spitze“, mit denen wir deutlich machen: Ja, Frauen kön-
nen denken . Frauen können forschen . Frauen können leh-
ren . Darin müssen sie auch unterstützt werden .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber nicht genug: Nein, wir sind nicht nur zufrieden .
Das will ich keineswegs in Abrede stellen . Ja, es hätte
mich gefreut, liebe Unionskolleginnen, wäre es uns ge-
lungen, jetzt schon eine ganz klare Aussage dahin gehend
zu machen, wie es mit dem Professorinnenprogramm
weitergeht . Schade, dass der Antrag, den wir entwickelt
haben, am Widerstand der Union gescheitert ist . Eine
Schwalbe reicht eben nicht, um einen Sommer zu ma-
chen . Eine Kanzlerin reicht nicht, um gute Gleichstel-
lungspolitik zu machen .


(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Aber notwendig ist sie!)


Das ist ärgerlich, und das wird in der nächsten Legisla-
turperiode noch einmal deutlich akzentuiert werden müs-
sen .

Ja, liebe Claudia Lücking-Michel, auch ich bin ein
Fan der Quote, wenn Sie mit dem Kaskadenmodell da-
herkommen . Aber warum ist es uns nicht gelungen, dies

stärker zu transportieren? Das wird beantwortet werden
müssen .

Ich war ganz erschrocken: Exzellenzstrategie, sag-
te der Kollege Kaufmann neulich in einer Diskussion,
an der Kai Gehring und ich teilgenommen haben, habe
nichts mit Gender-Mainstreaming oder Gender und Di-
versity zu tun. Das finde ich fahrlässig. Ich denke allein
an das Medizinstudium und daran, dass es eigentlich ge-
sichertes Wissen darüber gibt, dass die Symptome etwa
bei Herzinfarkt bei Frauen anders aussehen als bei Män-
nern . Wenn wir dringend auf Genderforschung angewie-
sen sind, dann können wir nicht ignorieren, dass Exzel-
lenz in der Wissenschaft und Gender zusammengehören
und beobachtet werden müssen .


(Beifall bei der SPD)


Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier
noch vieles zu tun, und wir müssen uns dem auch wid-
men . Wir von der SPD schlagen deshalb vor, sofort noch
einmal darüber nachzudenken – und wir haben ja noch
ein bisschen Zeit –, wie es weitergehen soll mit der Gen-
derforschung, wie es auch mit der Unterstützung der jun-
gen Nachwuchswissenschaftlerinnen weitergehen muss .
Wir schlagen vor, liebe Claudia Lücking-Michel, dass es
noch einmal einen Vorstoß in dem Programm „Frauen an
die Spitze“ und vor allem im Professorinnenprogramm
gibt . Was wir dazu tun müssen – und das ist unser Vor-
schlag, den Martin Schulz dann hoffentlich wird durch-
setzen können –, ist sicher, einen Gleichstellungsrat ein-
zusetzen, in dem wir all diese Expertise, die Frauen und
Männer mitbringen, bündeln und zur Unterstützung von
Frauen und Männern in der Wissenschaft einbringen . Wir
wollen da überhaupt nicht ausschließend wirken .

Liebe Frauen, die Sie die Chance haben, zu wählen:
Wählen Sie nicht nur so, dass Sie denken, Sie müssten
die althergebrachten Rezepte von gestern unterstützen .
Wählen Sie bitte auch in Ihrem eigenen Interesse diejeni-
gen, die Gleichstellung unterstützen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824112800

Vielen Dank . – Dann erhält jetzt Dr . Claudia Lücking-

Michel das Wort für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU):
Rede ID: ID1824112900

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Auch von mir am
Schluss der Debatte noch einmal der Schwerpunkt und
der besondere Blick auf die Situation von Frauen in der
Wissenschaft . Um hier auf Veränderungen und Entwick-
lungen zu kommen, muss ich gar nicht in das letzte Jahr-
hundert oder in die 50er-Jahre zurückgehen . Es reicht,
wenn ich mich an die Situation zu Beginn meines Studi-
ums erinnere .

Vor 30 Jahren habe ich ein geisteswissenschaftli-
ches Studium aufgenommen . In all den Jahren meines
Studiums ist mir sage und schreibe nicht eine einzige

Dr. Daniela De Ridder






(A) (C)



(B) (D)


Professorin begegnet, in keinem Seminar und in keiner
Vorlesung, nirgendwo . Ich war nicht in einer Ausnahme-
situation an einer schlecht ausgestatteten Universität . Ich
habe an verschiedenen Standorten studiert, in Deutsch-
land und im Ausland . Das war die Regel . Eine der ersten
Statistiken, die wir zu dem Thema haben, stammt aus
dem Jahr 1987, und sie weist einen Anteil von Frauen an
Professuren von 5,1 Prozent auf .

Was mich allerdings fast noch mehr erschüttert, ist,
dass mir das damals als junger Studentin fast normal
vorkam . Jedenfalls habe ich lange gebraucht, bis ich ge-
merkt habe, dass daran wohl irgendetwas nicht richtig
sein kann, dass rund um mich herum in sämtlichen Ver-
anstaltungen nur Männer Lehrende waren .

Bis dahin war für mich die Bildungsbiografie weitge-
hend gut gelaufen, zumindest hatten meine Eltern keinen
Zweifel daran gelassen, dass ihre Tochter genauso eine
Chance auf Ausbildung und Studium haben soll wie der
Sohn . Ich bin vielleicht eine Spätzünderin, aber erst nach
der Promotion wurde mir so richtig klar, wie benachtei-
ligt Frauen in der Academia sind . Als ich dann aus der
Uni heraus in das Berufsleben kam, musste ich auch dort
feststellen, wie wenige Führungspositionen von Frauen
besetzt werden .

Ich erinnere mich wie heute an eine Diskussion mit
meinem ersten Chef, der während des Bewerbungsver-
fahrens die Akte zur Seite legte und sagte: Die können
wir wegtun . Sie hat ja ein kleines Kind . Er hat daraufhin
die Akte gar nicht weiter gelesen . Das war das Bild .

Die Frage, wie weit man als Frau beruflich kommt,
in der Wissenschaft und außerhalb, hängt nach wie vor
nicht allein und als Erstes davon ab, wie qualifiziert man
ist, sondern nach wie vor sind es die vermeintlichen Ne-
benschauplätze, wo sich Karriere entscheidet .

Noch immer wirken die geschlechtsbezogenen Zu-
schreibungen, die dazu führen, dass Personalentscheider
Frauen weniger zutrauen als Männern, obwohl sie gleich
qualifiziert sind. Noch immer müssen Frauen mangels
Rollenvorbilder in Führungspositionen selbst definieren,
wie sie die Rolle als Führungskraft erfolgreich ausfül-
len wollen; denn eines ist sicher: Das funktioniert nicht
einfach, indem man mittels Copy and Paste die Männer-
rollen übernimmt . Noch immer müssen Frauen mit ihren
Partnern verhandeln, wie die Verantwortung in der Fami-
lie und im Beruf aufgeteilt wird, während nach wie vor
viele Männer selbstverständlich davon ausgehen, dass
die Frauen und die Mütter ihrer Kinder ihnen den Rü-
cken freihalten .

Ich stelle das so ausführlich dar, weil ich umgekehrt
jetzt im Gespräch mit Frauen Anfang 20, zum Beispiel
mit meiner Tochter, die mitten im Studium ist, feststelle,
dass sie dieselben Vorstellungen wie ich damals haben:
Wenn ich top qualifiziert bin, dann wird es keine Schwie-
rigkeiten für mich geben . – Wenn es doch nur so wäre!

Wir haben in den verschiedenen Reden vorher schon
viel zur Analyse gehört . Sie merken, ich bin mit Ihnen
ganz einig . Ich sehe auch: Im Wissenschaftsbereich ist
es nach wie vor überhaupt nicht zufriedenstellend, dass
heute fast jede fünfte Professur von einer Frau besetzt

ist; denn angesichts der Tatsache, dass wir die Hälfte der
Menschheit ausmachen, kann man wahrlich nicht damit
zufrieden sein . Man kann erst recht nicht damit zufrieden
sein, wenn man sieht – auch das haben wir gerade schon
gehört –, dass Frauen die Mehrheit derjenigen bilden,
die ein Studium erfolgreich abschließen, sie erfolgreich
die Promotion hinlegen und dann trotzdem auf dem Weg
zwischen Promotion und Lehrstuhl und weiterer wissen-
schaftlicher Karriere ausscheiden .

Die Gründe dafür sind vielfältig . Einer der Gründe
ist, dass die Sorgearbeit nach wie vor Frauenarbeit ist .
Natürlich sollten die Väter genauso Verantwortung für
die Familie übernehmen wie die Mütter . Aber tatsächlich
gibt es den Begriff des sogenannten Gender Care Gaps.
Es gibt also nicht nur einen Pay Gap, sondern auch einen
Care Gap . Eine Frau in Deutschland, die 34 Jahre alt ist,
leistet im Schnitt doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit
wie der gleichaltrige Mann .

Der „Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs
2017“ hat das kürzlich extra zum Thema gemacht und
festgestellt, dass Wissenschaftlerinnen – oh Wunder, wir
hätten es auch so gewusst, aber jetzt wird es auch in ei-
nem Bericht der Bundesregierung statistisch belegt – ein
Riesenproblem damit haben, das zeitliche Zusammen-
fallen von Qualifizierungsphase und Familiengründung
miteinander in Einklang zu bringen .

An einer Stelle bin ich aber deutlich anderer Meinung
als meine Vorrednerinnen; denn ich sage: Die Entwick-
lung geht langsam voran, aber immerhin in die richtige
Richtung . Einiges haben wir in dieser Legislaturperiode
tatsächlich zugunsten der Frauen auf den Weg gebracht .
Wir haben mit dem Tenure-Track-Program die Zahl der
planbaren Karrierewege deutlich erhöht . Wir haben für
mehr und umfassendere Kinderbetreuungsmöglichkei-
ten gesorgt . Die DFG hat mit den forschungsorientierten
Gleichstellungsstandards – ein Mammutwort – ein wun-
derbares Instrument,


(Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Die gab es schon vorher!)


um den Kulturwandel zugunsten von mehr Chancen-
gleichheit ganz entscheidend einzuleiten .

Wir haben das kluge Instrument der Gleichstellungs-
pauschale, mit der Frauen Geld zur Verfügung gestellt
wird, um Verwaltungs- oder Laborunterstützung für
Frauen zu gewähren, die schwanger sind oder aus der El-
ternzeit zurückkehren . Anders als der Kollege das gesagt
hat, wie gerade berichtet wurde, hat die Exzellenzstrate-
gie natürlich etwas mit Gleichstellung zu tun; denn als
Kriterium für die Bewilligung von Projektanträgen ist an
entscheidender Stelle verankert worden, dass zur Gleich-
stellung Aussagen gemacht werden müssen .


(Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Das sollte der Kollege dann auch zur Kenntnis nehmen!)


– Wir werden ihm sagen, dass er noch einmal nachschau-
en soll .


(Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Ich bitte darum!)


Dr. Claudia Lücking-Michel






(A) (C)



(B) (D)


Was mir am Ende besonders wichtig ist, ist der Ver-
weis auf das Professorinnenprogramm . Das hat nämlich
wirklich gute Funktionen und hat auch schon ausrei-
chend Wirkung gezeigt, indem es einerseits die Zahl der
Professuren für Frauen erhöht und andererseits fordert,
dass eine Kultur der Chancengleichheit strukturell in den
Universitäten verankert wird .

Gerade heute hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe
darüber diskutiert . Sie geht mit bei dem Vorschlag der
CDU, dieses Professorinnenprogramm fortzuschreiben
und fortzusetzen .


(Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Das hätte man aber auch schon eher machen können!)


Es hört sich so an, als würde diese Arbeitsgruppe der
GWK bei den Vorschlägen mitgehen, die die CDU einge-
bracht hat . Wir haben nämlich gesagt, dass das Professo-
rinnenprogramm in Zukunft Mittel zur Verfügung stellen
soll, mit denen die geförderten Professorinnen zum Bei-
spiel unterhalb einer Professur jungen Frauen Gelder zur
Verfügung stellen können . Diese Frauen können etwa für
die Leitung von Nachwuchsgruppen eingesetzt werden .
Wir wollen die Vereinbarkeit in der Familienphase, die
oft in der Postdocphase richtig wichtig wird, verbessern,
und wir wollen insgesamt eine angemessene Erhöhung
der Mittel für das Professorinnenprogramm .

Das alles würde nicht ausreichen, wenn nicht ganz
stark zum Ausdruck käme: Strukturell muss es Verände-
rungen geben, und diese Veränderungen müssen all die-
jenigen, die Anträge stellen, auch verankern .

Meine Damen und Herren, es ist einiges passiert, aus
meiner Sicht – da stimme ich Ihnen zu – viel zu wenig .
Ich hoffe aber, dass wir dank der Programme, die wir
aufgelegt haben, und gemeinsamer Anstrengungen wirk-
lich sagen können: Wenn meine Tochter einmal auf ihren
Studienanfang zurückblicken wird, kann sie feststellen:
Seitdem ist so viel an Veränderung im Sinne der Chan-
cengerechtigkeit passiert, dass wir im Sinne der Gleich-
berechtigung und damit auch im Sinne der Exzellenz und
guter Wissenschaft entscheidende Schritte vorangekom-
men sind .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824113000

Vielen Dank . – Damit ist die Aussprache beendet .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen mit dem Titel „Für eine wirksame Frauen- und
Gleichstellungspolitik in Deutschland“ . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 18/12656, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen auf Drucksache 18/11413 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschluss-
empfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen .

Tagesordnungspunkt 34 b . Wir stimmen jetzt ab über
die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag
der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Wissenschaftsfrei-
heit und Wissenschaftsverantwortung sicherstellen“ . Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12777, den Antrag der Fraktion Die Lin-
ke auf Drucksache 18/6191 abzulehnen . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist gegen
die Stimmen der Fraktion Die Linke mit den Stimmen
des Hauses im Übrigen angenommen .

Tagesordnungspunkt 34 c . Wir stimmen jetzt ab über
die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel
„Wissenschaftsfreiheit fördern, Geschlechterforschung
stärken, Gleichstellung in der Wissenschaft herstellen“ .
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/12778, den Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11412 abzuleh-
nen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen der Opposition angenommen .

Zusatzpunkt 11 . Wir kommen jetzt zur Abstimmung
über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/12794 mit dem Titel „Rückkehrrecht auf
Vollzeit einführen“ . Die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen wünscht Abstimmung in der Sache . Die Fraktionen
der CDU/CSU und der SPD wünschen Überweisung,
und zwar federführend an den Ausschuss für Arbeit und
Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend . Wir stimmen nach stän-
diger Übung zunächst über den Antrag auf Ausschuss-
überweisung ab . Deshalb frage ich: Wer stimmt für die
beantragte Überweisung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Damit ist die Überweisung mit den Stim-
men der Koalition gegen die Stimmen der Opposition
so beschlossen, und wir stimmen über den Antrag heute
nicht ab .

Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 35:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Tourismuspolitischer Bericht der Bundesre-
gierung

– 18. Legislaturperiode –

Drucksache 18/12505
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit
Ausschuss Digitale Agenda

Die Fraktionen haben vereinbart, dass für die Aus-
sprache 38 Minuten vorgesehen sind . – Ich höre keinen
Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Dr. Claudia Lücking-Michel






(A) (C)



(B) (D)


Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen .

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Bundes-
regierung hat die Parlamentarische Staatssekretärin Iris
Gleicke . – Bitte schön .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1824113100


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wer immer schon einmal wissen wollte,
warum der Tourismus auch in Deutschland ein ökono-
misches Schwergewicht und ein Jobmotor ist, dem sei
der Tourismuspolitische Bericht der Bundesregierung
wärmstens zur Lektüre empfohlen, oder er greift zu der
am Mittwoch veröffentlichten Studie „Wirtschaftsfaktor
Tourismus Deutschland“, die wir als Bundesministerium
für Wirtschaft und Energie gefördert haben: fast 3 Milli-
onen Beschäftigte, ein Umsatz von 290 Milliarden Euro,
knapp 4 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung in
Deutschland . Etwa jeder 15 . Arbeitsplatz in Deutschland
hängt vom Tourismus ab . 2016 war das siebte Rekordjahr
in Folge für den Tourismus in Deutschland .

Das sind Zahlen, die für sich sprechen . Wir wollen
einen Tourismus, der wächst und nicht wuchert . Wir
wollen gerechte Teilhabe aller an Wertschöpfung und
Wohlstand . Deshalb war der Mindestlohn auch in diesem
Bereich so wichtig .


(Beifall bei der SPD)


Denken Sie nur an die mies bezahlten Putzfrauen . – Ja,
ich weiß, politisch korrekt heißt das heute „Reinigungs-
personal“, aber manchmal wird mit dieser Korrektheit
verschleiert, dass es meistens eben doch Frauen sind, die
den Dreck anderer Leute wegmachen und die deshalb
einen besonders großen Anspruch auf unseren Respekt
haben . Auch für die ist der Mindestlohn das Mindeste .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unseren Initiati-
ven für weitere Verbesserungen beim barrierefreien Tou-
rismus, damit Reisen für alle möglich ist, und auch für
einen in ländlichen Regionen erfolgreichen Kulturtou-
rismus, damit Arbeit und Einkommen und Perspektive
in ländlichen Regionen entstehen können, verfolgen wir
aus meiner Sicht wichtige sozial- und strukturpolitische
Ziele .

Aber es geht nicht nur um Zahlen und Bilanzen, es
geht nicht immer nur um wirtschaftliche Stärke, es geht
nicht immer nur ums liebe Geld . Nackte wirtschaftliche
Kennzahlen sind nicht alles . Ebenso wichtig muss uns
eigentlich sein, dass die deutsche Tourismusbranche wie
keine andere das positive und freundliche Deutschland-
bild im Ausland prägt .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Offenheit und die Freundlichkeit, mit der wir
Gäste in Deutschland willkommen heißen, trägt weltweit

zum Ansehen unseres Landes bei . Denken Sie an das
wirklich unglaublich gelungene Motto der WM 2006:
„Die Welt zu Gast bei Freunden“ .

Auf dieses freundliche und helle Bild fällt jedoch
immer mal wieder ein dunkler, ja ein brauner Schatten .
Brennende Flüchtlingsheime sind keine gute Werbung
für unser Land . Wer ausländerfeindliche Parolen brüllt
oder diese stillschweigend duldet, der darf sich nicht
wundern, wenn irgendwann Gäste ausbleiben . Auch des-
halb gilt es, Gesicht zu zeigen gegen Rechtsextremismus,
Fremdenfeindlichkeit und Rassismus .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn nicht noch
irgendetwas völlig Verrücktes passiert, dann war das
nach fast 27 Jahren meine unwiderruflich letzte Rede im
Deutschen Bundestag . Dieses Parlament ist für mich im-
mer etwas Großartiges gewesen . Meine Kolleginnen und
Kollegen hatten es nicht immer leicht mit mir, und ich
hatte es nicht immer leicht mit ihnen .


(Mechthild Rawert [SPD]: Das kann gar nicht sein!)


So soll es sein an einem Ort, wo nur selten zu viel und
häufig zu wenig gestritten wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war mir eine
Ehre .


(Beifall im ganzen Hause – Die Abgeordneten der SPD erheben sich – Abg . Detlef Müller [Chemnitz] [SPD] überreicht der Parlamentarischen Staatssekretärin Iris Gleicke einen Blumenstrauß)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824113200

Vielen Dank . – Liebe Iris Gleicke, auch von dieser

Stelle aus möchte ich noch einmal danken für das Wir-
ken über 27 Jahre . Sie waren Mitglied des ersten gesamt-
deutschen Parlaments, das sich im Dezember 1990 hier
in diesem Hause konstituiert hat . Sie haben sich seitdem
als Parlamentarierin immer in den Bereichen Bauen,
Wohnen, Verkehr, Jugend engagiert . Sie haben als Ge-
schäftsführerin der Fraktion gewirkt . Sie waren Parla-
mentarische Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen . Sie sind jetzt Parlamentari-
sche Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft und
Energie . Sie sind nicht nur Tourismusbeauftragte und
Beauftragte für den Mittelstand, sondern Sie sind auch
Beauftragte für die neuen Bundesländer, und das ist einer
der Schwerpunkte, für die Sie seit Ihrem ersten Tag in
diesem Parlament gearbeitet haben, nämlich dafür, dass
wir wirklich gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West
herstellen . Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass
über die Jahre das zusammenwachsen konnte, was zu-
sammengehört, und dafür gehört Ihnen unser aller Dank
für Ihr Engagement . Wir wünschen Ihnen alles Gute für
den weiteren Lebensweg .


(Beifall)


Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Kerstin Kassner
das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Kerstin Kassner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824113300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste auf den Rängen! Es ist jetzt für
mich nicht ganz leicht, zu sprechen . Auch von meiner
Seite alles Gute und vielen Dank für die wirklich sehr
gute Zusammenarbeit, Frau Gleicke! Für die Zukunft alle
guten Wünsche!


(Iris Gleicke, Parl . Staatssekretärin: Danke schön!)


Das Beste zum Schluss der heutigen Sitzung! Sie wer-
den mir nicht widersprechen: Tourismus gehört zu den
besten Dingen im Leben . Man freut sich auf Reisen . Es
ist etwas Wunderbares . Deshalb ist es für meine Fraktion
und für meine Partei sehr wichtig, dass wir uns mit die-
sem Thema beschäftigen .

„Tourismus, Reisen für alle“, das ist unser Motto .
„Reisen für alle“ heißt: Wir möchten, dass Kinder und
Jugendliche reisen können – unabhängig vom Portemon-
naie der Eltern . Wir möchten, dass sie viel erleben, nicht
nur in Sachen Bildung und Wissensanhäufung, sondern
vor allem auch im Sinne von sozialer Kompetenz . Es
geht um wunderbare Erlebnisse, die einen durch das Le-
ben tragen .

Reisen ist aber noch viel mehr . Reisen ist Gesund-
heitsvorsorge, ist Gesundheitsförderung, und das sollte
uns unbedingt wichtig sein . Reisen – wir haben es ge-
rade gehört – ist natürlich auch Völkerverständigung,
eine ganz wichtige Botschaft nach draußen . Das Zusam-
mensein mit anderen Nationen, mit anderen Völkern be-
reichert uns und macht auch über Grenzen hinweg die
Verständigung, die Akzeptanz und den gegenseitigen
Respekt einfacher . Das ist etwas sehr Wichtiges .

Deshalb ist es gut, dass wir noch in dieser Legisla-
turperiode den Tourismuspolitischen Bericht diskutieren
können . Da will ich gleich sagen: Es ist eine Fleißarbeit,
die dahintersteckt . Es gibt nur zwölf Mitarbeiter, die sich
in allen Ministerien zusammen mit Tourismus beschäfti-
gen . Frau Gleicke hatte noch acht Mitstreiterinnen und
Mitstreiter . Ich sage ganz deutlich: zu wenig für eine
solch wichtige Aufgabe . Wir haben gehört, wie viel Wert-
schöpfung sich dahinter verbirgt, wie viele Menschen
sich dahinter verbergen . Deshalb sage ich: Da gehören
deutlich mehr hin .

Ich gehe noch einen Schritt weiter: Für mich ist es
Chefsache . Tourismus muss Chefsache werden; denn nur
dann, wenn alle Ministerien dieser Regierung alle Belan-
ge, die sie vorantreiben, auch auf ihre Relevanz für den
Tourismus hin prüfen, wird es solche Dinge, wie wir sie
in dieser Legislaturperiode erlebt haben, nicht mehr ge-
ben .

Ich nenne einmal drei Beispiele, die nicht nur mich,
sondern auch alle anderen im Ausschuss sehr geärgert
haben .

Das erste Beispiel ist das Wassertourismuskonzept aus
dem Verkehrsministerium . Dieses Konzept verdient we-
der den Namen „Konzept“, noch hat es etwas mit Touris-
mus zu tun . Denn es war eigentlich ein Konzept, um Geld
einzusparen, und das kann doch bitte schön nicht sein .
Wir wollen doch nicht auf der einen Seite etwas aufbauen
und es auf der anderen Seite wieder einreißen . Das darf
nicht passieren .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein zweites Beispiel, das ich Ihnen leider auch nicht
ersparen kann, ist die Frage der Hinzurechnung von Ho-
telkapazitäten . Ein Reiseveranstalter mietete Hotelzim-
mer an . Diese wurden von den Finanzbeamten so ange-
sehen, als ob er sie sein Eigentum nennen dürfte . Das
geht nicht . Wir müssen wirklich sagen: Wir wollen, dass
mehrere Anbieter miteinander kooperieren können, aber
wir wollen nicht, dass das zulasten ihrer Finanzausstat-
tung geht . Das geht so nicht .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Gülistan Yüksel [SPD])


Ein drittes Beispiel ist die Pauschalreiserichtlinie . Hier
ist europäisches Recht umgesetzt worden . Das ist alles
gut und mit Blick auf den Verbraucherschutz für die Rei-
senden eine Verbesserung . Wenn ich mir aber anschaue,
was dabei herausgekommen ist, so muss ich leider eine
Verschlechterung konstatieren, und zwar bei Tagesrei-
sen . Erst ab 500 Euro für eine Tagesreise greift der Ver-
sicherungsschutz . Liebe Zuhörerinnen und Zuschauer, es
ist wahrscheinlich die Ausnahme, dass man 500 Euro für
eine Tagesreise bezahlt . Aber erst dann, wenn die Reise
so teuer ist, fällt man unter den Versicherungsschutz . Die
meisten Reisen kosten aber im Durchschnitt 120 Euro .
Insofern geht diese Regelung wirklich am Verbraucher-
schutz vorbei; das müssen wir so sagen . Das wäre nie
passiert, wenn das tatsächlich zur Chefsache gemacht
worden wäre; das muss ich hier so konstatieren .

Eine Sache fehlt mir noch im Bericht . Frau Gleicke
hat es schon gesagt: Das Allerwichtigste, das Kapital
in der Tourismusbranche sind die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, die tatsächlich oft unter schwierigen Bedin-
gungen – harte Arbeit, wenig Geld – zu Zeiten, wo ande-
re frei haben oder sich erholen wollen, arbeiten müssen .
Deshalb müssen wir hier sagen: Das muss gewürdigt
werden, das muss unterstützt werden, und wir müssen
gemeinsam vorantreiben, dass hier bessere Bedingungen
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Branche
geschaffen werden, damit es zukünftig Spaß macht, dort
zu arbeiten .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Gabriele Hiller-Ohm [SPD])


Eine letzte Bemerkung .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824113400

Die letzte .

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)



Kerstin Kassner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824113500

Ja, natürlich . – Es gibt immer weniger Forschung im

Tourismus . Wenn wir wollen, dass das Gute, das Beste
noch besser wird, dann müssen wir uns auch mit der Zu-
kunft beschäftigen . Es kann nicht sein, dass immer weni-
ger Professoren in der Tourismusbranche forschend tätig
sind . Da muss ein Umdenken, ein andere Förderung statt-
finden. Das wünsche ich mir. Insofern: Ihnen allen einen
schönen Urlaub und allen Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern in der Tourismusbranche ein gutes Auskommen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824113600

Vielen Dank . – Ich darf die nachfolgenden Rednerin-

nen und Redner noch einmal an die Einhaltung der Rede-
zeit erinnern, sonst wird das nichts mit dem Nach-Hau-
se-Fahren .

Jetzt hat die Kollegin Heike Brehmer, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1824113700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Der
Tourismuspolitische Bericht der Bundesregierung in der
18 . Wahlperiode ist eindrucksvoll . Er beleuchtet, wie
vielfältig die Ressorts den politischen Rahmen gestal-
tet haben . Für den Bericht und die tourismuspolitische
Tatkraft in dieser Wahlperiode spreche ich der Bundes-
regierung deshalb im Namen des Ausschusses für Tou-
rismus meinen herzlichen Dank aus . Der Dank gilt vor
allem der Tourismusbeauftragten der Bundesregierung,
unserer Kollegin Iris Gleicke, die zusammen mit ihrem
engagierten Team einen großen Anteil daran hat . Herz-
lichen Dank!

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Bilanz unserer
Tourismuspolitik in dieser Wahlperiode kann sich sehen
lassen . Sie ist ohne Übertreibung eine Erfolgsgeschich-
te . Mit den von der Bundesregierung gestalteten Ent-
faltungsspielräumen ist es der Tourismusbranche in den
zurückliegenden Jahren gelungen, von einem Übernach-
tungsrekord zum nächsten zu eilen . Im Jahr 2016 war es
immerhin der siebte Rekord in Folge mit beeindrucken-
den 447 Millionen Übernachtungen . Das entspricht ei-
ner weiteren Steigerung um 2,5 Prozent gegenüber dem
Vorjahr .

Diesen Erfolg verdanken wir in erster Linie den fast
3 Millionen Beschäftigten, welche in Deutschland in der
Tourismusbranche arbeiten . Sie sind das freundliche Ge-
sicht, welches Gäste aus dem In- und Ausland bei uns
willkommen heißt . Ihnen gebührt unser Dank und unsere
volle Anerkennung für ihre erbrachte Leistung .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Großen Anteil an diesem Erfolg hat auch die Deutsche
Zentrale für Tourismus . Sie war mit ihrem professionel-
len Auslandsmarketing wesentlicher Treiber der dynami-
schen Entwicklung des Incoming-Tourismus . Der Tou-
rismusausschuss hat dies nachhaltig unterstützt, indem
wir uns für einen maßgeblichen Finanzierungsbeitrag aus
Bundesmitteln entschieden haben und diese aufgestockt
haben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in dieser
Wahlperiode viel getan, um die Wettbewerbsfähigkeit
der Tourismusbranche zu erhöhen . Einige Projekte will
ich herausgreifen .

So wurde beispielsweise der Ausbau des barriere-
freien Tourismus durch die Bereitstellung verbesserter
Informationen über passende Reiseangebote unterstützt .
Ein besonderes Gütesiegel, das inzwischen in elf Bun-
desländern im Einsatz ist, soll Barrierefreiheit zu einem
sichtbaren Markenzeichen des Tourismus in Deutschland
machen . Für unseren Tourismusausschuss hat das The-
ma Barrierefreiheit eine besondere Bedeutung . Es stand
in den letzten vier Jahren mehrfach im Zentrum unse-
rer Ausschussberatungen, zuletzt in dieser Woche mit
dem Expertengespräch zur nachhaltigen Wertschöpfung
durch Barrierefreiheit .

Ein weiteres Markenzeichen des Reiselandes Deutsch-
land ist der Kulturtourismus . Er wurde in der laufenden
Wahlperiode auf Initiative von Tourismuspolitikern von
CDU/CSU und SPD mit einem völlig neuen Ansatz in
das Blickfeld gerückt . Mit dem Projekt „Die Destination
als Bühne“ werden ländliche Modellregionen professio-
nell angeleitet, konkrete kulturhistorische Angebote zu
entwickeln und in der Praxis zu erproben . Die Förderung
des ländlichen Tourismus zieht sich wie ein roter Faden
durch die Arbeit der Bundesregierung und unseres Tou-
rismusausschusses . Bereits in der vergangenen Wahlpe-
riode gab es hierzu ein vom Bundeswirtschaftsministeri-
um gefördertes Projekt mit Handlungsempfehlungen und
zahlreichen Fachveranstaltungen für die Praktiker vor
Ort. Das Interesse war so groß, dass bei der ersten Staffel
nicht alle politischen Akteure zum Zuge gekommen sind .
Der Ausschuss hat sich deshalb gleich zu Beginn dieser
Wahlperiode für eine weitere Staffel eingesetzt, die mit
ebenso großem Erfolg stattgefunden hat .

Wir haben uns weiterhin dafür eingesetzt, dass auf
dem wachsenden Gebiet der Vermietung von Ferienhäu-
sern und Ferienwohnungen Rechtsunsicherheiten besei-
tigt wurden . Insbesondere die Vermietung in Wohngebie-
ten war nicht eindeutig geregelt und in den Kommunen
umstritten . Mit der neuen Baunutzungsverordnung ist
ein von vielen gelobter fairer Interessenausgleich gelun-
gen . Die Eigentümer von Ferienwohnungen gewinnen
Planungssicherheit für die wirtschaftliche Nutzung ihrer
Immobilie, während die Gemeinden gleichzeitig die An-
siedlung von Ferienwohnungen planerisch steuern kön-
nen . Der Tourismusausschuss hatte das Thema bereits in
einer öffentlichen Anhörung im März 2016 aufgegriffen
und entsprechende Impulse geben können .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so erfolgreich die
Tourismuspolitik in dieser Wahlperiode auch war, dürfen
wir die Augen nicht vor den vor uns liegenden Herausfor-






(A) (C)



(B) (D)


derungen verschließen . Der Tourismuspolitische Bericht
nennt viele ganz deutlich . Herausgreifen möchte ich nur
einige Aspekte, weil sie aus Sicht der CDU/CSU-Frakti-
on besonders wichtig sind .

Erstens . Tourismus gedeiht nur dort, wo Sicherheit
herrscht . Verschlechtert sich die Sicherheitslage, verän-
dert sich auch das Reiseverhalten der Touristen . Die Ver-
lagerung von Reiseströmen, wie sie in diesem Jahr vom
östlichen zum westlichen Mittelmeer hin zu beobachten
sind, kann Reiseländer schmerzhaft treffen. Deshalb bin
ich sehr dankbar, dass der Tourismuspolitische Bericht
das Ziel der Bundesregierung betont, der Sicherheit al-
ler Menschen, die sich in Deutschland aufhalten, oberste
Priorität einzuräumen . Deutschland muss ein sicheres
Reiseland bleiben .

Zweitens . Wir leben in modernen Zeiten, in denen
die Digitalisierung unser tägliches Zusammenleben und
die Art, wie wir wirtschaften, immer mehr durchdringt .
Das gilt gerade auch im Tourismus . Reiseplattformen im
Internet werden stärker und setzen die klassischen Ver-
triebsformen zunehmend unter Druck . Speziell die neuen
Geschäftsmodelle der Sharing Economy verändern den
Tourismus, weil der Anbieter privater Unterkünfte häufig
von gesetzlichen Regelungen nicht erfasst wird oder er
sie unterläuft . Hier werden wir überlegen müssen, wie
faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den digitalen
und den klassischen Anbietern geschaffen werden kön-
nen . Dies war im Kern auch der Ausgangspunkt für die
neue EU-Pauschalreiserichtlinie, deren gesetzliche Um-
setzung in Deutschland vom Bundestag in diesem Monat
verabschiedet wurde .

Drittens . Die Zukunftssicherung in der deutschen
Tourismuswirtschaft steht und fällt aus meiner Sicht
mit einer wirksamen Strategie gegen den Fachkräfte-
mangel . Hier ist sicherlich zuerst die Branche gefordert,
den Berufseinstieg für junge Menschen noch attraktiver
zu gestalten . Zudem sollte sich der Tourismusausschuss
künftig noch stärker für eine verbesserte Wertschätzung
der im Tourismus geleisteten Arbeit einsetzen . Gerade im
Gastgewerbe besteht ein großer Bedarf an Fachkräften
mit dualer Ausbildung . Um hier Erfolg zu haben, ist das
Erlernen eines soliden Ausbildungsberufs der richtige
Weg . Dazu müssen wir die jungen Menschen ernsthaft
ermutigen .

Viertens möchte ich abschließend noch einen Ge-
sichtspunkt ansprechen, der aus meiner Sicht zu Recht
von den Tourismusverbänden und den Mitgliedern un-
seres Ausschusses eingefordert wird: Tourismus sollte in
der Politik ein Stellenwert zukommen, der seiner volks-
wirtschaftlichen Bedeutung entspricht . Gemäß den vom
Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch veröffent-
lichten Daten erzeugt der Tourismus eine direkte Brut-
towertschöpfung in Höhe von 105 Milliarden Euro und
damit rund 4 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung
der deutschen Volkswirtschaft . Er liegt damit vor dem
Maschinenbau oder dem Einzelhandel . Knapp 3 Millio-
nen Menschen sind direkt im Tourismus beschäftigt .

Die Tourismusbranche ist daher ein Schwergewicht,
für die sich der Ausschuss als verlässlicher Partner eta-
bliert hat . Dem entspricht die Erwartung der Branche,

dass der nächste Tourismusausschuss eine größere parla-
mentarische Rolle spielt, beispielsweise in Form von Fe-
derführung bei der Beratung von Gesetzesvorlagen mit
großer Relevanz für diesen Wirtschaftszweig .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unter den Tourismuspolitikern sehe ich dazu fraktions-
übergreifend eine uneingeschränkte Bereitschaft . Dafür
und für die konstruktive Zusammenarbeit während der
vergangenen Jahre danke ich den Kolleginnen und Kol-
legen des Tourismusausschusses sehr herzlich . Die Zu-
sammenarbeit im Ausschuss mit Ihnen war immer sehr
angenehm .

Auch soweit es die Koordination der Tourismuspolitik
in der künftigen Bundesregierung betrifft, halte ich eine
Aufwertung des Tourismus für berechtigt . Der bisher
im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie an-
gesiedelte Staatssekretär bzw . die Staatssekretärin sollte
künftig ausschließlich für den Tourismus zuständig sein,
und dieser Bereich sollte mit mehr Personal ausgestattet
werden, damit seine Belange entsprechend seiner ökono-
mischen Bedeutung ernst genommen werden .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin zuversicht-
lich, dass wir mit Tatkraft und Ideenreichtum die vor
uns liegenden Herausforderungen im Tourismus meis-
tern werden und die Erfolgsgeschichte des Reiselands
Deutschland in der nächsten Wahlperiode um ein weite-
res Kapitel fortschreiben können . Dabei gilt auch hier der
Satz des Reformators Martin Luther:

Wir sind immer auf dem Wege und müssen verlas-
sen, was wir kennen und haben, und suchen, was
wir noch nicht kennen und nicht haben .

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824113800

Vielen Dank . – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt

Markus Tressel das Wort .


Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824113900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank für den ausführli-
chen Bericht, den Sie uns zum Ende dieser Wahlperiode
vorgelegt haben . Er zeigt ja zusammen mit den Kennzah-
len, die Sie diese Woche vorgelegt haben, die Bedeutung
der Branche für Deutschland, für die Bundesländer und
auch für die Kommunen auf . Sie haben die Zahlen vor-
hin genannt: Das ist ja schon außerordentlich, auch wenn
man es in Relation zu anderen Branchen setzt . Allein
deshalb ist es schon wichtig, dass wir heute darüber im
Deutschen Bundestag diskutieren . Der Tourismus ist eine
tragende Säule der deutschen Wirtschaft mit hoher Rele-
vanz gerade für unsere Regionen . Es ist außerordentlich
wichtig, darüber auch einmal im Deutschen Bundestag
zu debattieren .

Die Zahlen sind gut; Sie haben sie vorhin genannt .
Die Zahl der Übernachtungen ist im vergangenen Jahr

Heike Brehmer






(A) (C)



(B) (D)


um 11 Millionen gestiegen. Das ist definitiv ein Grund
zur Freude . Es ist aber kein Grund, sich zufrieden zu-
rückzulehnen . Es gibt zahlreiche Aufgaben und große
Herausforderungen für die Tourismuspolitik, die darüber
entscheiden, ob wir uns in den kommenden Jahren zu
einem zukunftsfesten Standort entwickeln . Ein Punkt ist
dabei ganz wichtig, der nach Trumps Ankündigung, aus
dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, zum Glück
wieder ganz oben auf der Agenda steht: Es ist die drohen-
de Klimakatastrophe .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, dass
der Tourismus wie keine andere Branche auf eine intakte
Umwelt und auskömmliche Lebensbedingungen ange-
wiesen ist . Diese Einsicht und das, was daraus für das
Regierungshandeln folgt, kommen mir im Bericht etwas
zu kurz .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da hätte ich mir mehr gewünscht als den Verweis auf die
Mitgliedschaft Deutschlands in der Globalen Partner-
schaft für nachhaltigen Tourismus . Ich sage ganz deut-
lich: Der Tourismus kann an dieser Stelle einen wichti-
gen Beitrag leisten – wir haben vorhin gehört, wie groß
die Branche ist –, nicht nur um des Klimaschutzes willen,
sondern auch zur Bewahrung seiner eigenen wirtschaft-
lichen Grundlage . Das muss in der kommenden Legisla-
turperiode deutlicher werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt auch noch andere Herausforderungen, die wir
in den kommenden Jahren noch nachdrücklicher ange-
hen müssen . Diese haben Sie im Bericht adressiert . Die
veränderten globalen Sicherheitsbedingungen sind da
ebenso zu nennen wie der demografische Wandel, die Di-
gitalisierung, das Thema Fachkräftemangel . All das sind
große Herausforderungen, für deren Bewältigung man
die Weichen jetzt stellen muss . Diese Veränderungen
bergen ja nicht nur Risiken, sondern bieten auch Chan-
cen für den Standort. Wenn wir es schaffen, dass noch
mehr Menschen das eigene Land entdecken, wenn wir es
schaffen, dass nicht nur die Städte von dem Boom profi-
tieren, sondern auch der ländliche Raum, dann haben wir
einen großen Schritt nach vorn gemacht .

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bin ich
fest davon überzeugt, dass wir einen Masterplan für den
Deutschlandtourismus brauchen, damit wir langfristig
ein qualitativ hochwertiges touristisches Produkt hal-
ten und ausbauen können . Da müssen wir uns der Frage
stellen, wie wir die Finanzierung von Innovationen und
Weiterentwicklung verbessern können . Das ist für viele
zu undurchsichtig, und die Banken sind bei niedriger Ei-
genkapitalquote oft auch nicht bereit, dafür eine Finan-
zierung bereitzustellen . Insbesondere in den ländlichen
Regionen schlummern hier noch immense Potenziale,
von denen die Menschen vor Ort profitieren können. Wir
brauchen mehr Kooperation und Koordination, und wir
brauchen weniger Kirchturmdenken .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg . Gabriele Hiller-Ohm [SPD])


Wir haben in dieser Legislaturperiode mit den Modell-
projekten „Kulturtourismus in ländlichen Räumen“ und
„Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen“ tatsäch-
lich einen Anfang gemacht . Aber wir alle wissen, dass
Modellprojekte am Ende oft nicht nachhaltig sind . Das
touristische Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land
ist immer noch enorm . Deshalb sage ich auch ganz deut-
lich: Das Engagement für den ländlichen Raum muss in
der kommenden Legislaturperiode abseits von Modell-
projekten verstetigt werden .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur der Be-
richt zeigt ja auf, welche Aufgaben noch vor uns liegen .
Auch in vielen Expertengesprächen und Anhörungen,
die wir im Ausschuss hatten, ist das deutlich geworden .
Barrierefreiheit, Mobilität, Netzausbau und Verbraucher-
schutz sind da exemplarisch zu nennen . Am Beispiel der
Reiserechtsnovelle – auch das wurde angesprochen – ist
einmal mehr klar geworden: Wenn wir unsere Mitwir-
kungsrechte auf europäischer Ebene umfassend nutzen
und europäische Initiativen mitgestalten wollen, müssen
wir uns künftig frühzeitiger untereinander und mit den
Adressaten koordinieren . Auch da gibt es noch Luft nach
oben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, wir brauchen auch – die Kollegen, die vor
mir gesprochen haben, haben das ebenfalls gesagt – eine
aktivere Rolle des Bundes in der Koordinierung . Das
ist überhaupt nicht leistbar mit einer Beauftragten und
neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines Referates,
selbst wenn die noch so gut arbeiten . Frau Kassner hat
das vorhin sehr deutlich gemacht: Ein Land, das so viel
Wertschöpfung durch den Tourismus hat und in dem so
viele Menschen vom Tourismus leben, braucht eine gut
ausgestattete politische Koordination in diesem Bereich .
Ich sage auch deutlich: Wir brauchen kein eigenständi-
ges Tourismusministerium; aber das Tourismusreferat
im Wirtschaftsministerium muss personell besser aus-
gestattet werden und besser mit den Referaten verzahnt
werden, die in anderen Ministerien Tourismuspolitik
machen . Auch da gibt es im Übrigen Kirchturmdenken,
wenn in zwölf Ministerien irgendwie Tourismuspolitik in
diesem Land gemacht wird . Da wäre schon viel gewon-
nen, wenn klar würde, wer den Hut aufhat und sich das
personell auch widerspiegeln würde .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Kerstin Kassner [DIE LINKE])


Zum Schluss, Frau Staatssekretärin, möchte ich Ihnen,
aber auch den Kolleginnen und Kollegen des Ausschus-
ses für das kollegiale Miteinander in den vergangenen
vier Jahren herzlich danken . Wir haben trotz manchmal
unterschiedlicher Auffassung in der Sache gut und ver-
trauensvoll zusammengearbeitet . Ein herzliches Danke-
schön auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht
nur in den Büros, sondern auch im Ausschuss und im
Tourismusreferat des Wirtschaftsministeriums; da wird

Markus Tressel






(A) (C)



(B) (D)


sehr gute Arbeit geleistet . Auch das muss an dieser Stelle
einmal gesagt werden . Herzlichen Dank dafür!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824114000

Vielen Dank . – Vielleicht können wir den Dank das

nächste Mal in die Rede einbauen und nicht immer
hintanhängen .

Gabriele Hiller-Ohm für die SPD-Fraktion ist die
nächste Rednerin .


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1824114100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren auf den Rängen und hier im Saal! „Kein Zweifel:
Tourismus ist in Deutschland eine Erfolgsstory .“ So lau-
tet der erste Satz des Tourismuspolitischen Berichts; er
ist ganz treffend, sagt eigentlich schon alles. Ich bedanke
mich ganz herzlich bei unserer Tourismusbeauftragten,
Iris Gleicke, und ihrem tollen Team für diesen großarti-
gen Bericht .


(Beifall bei der SPD)


– Danke schön .

Die Zahlen wurden schon genannt . Der Tourismus be-
schert unserem Land fast 290 Milliarden Euro Umsatz
jährlich und zählt somit zu den wirtschaftlichen Schwer-
gewichten . Wem, liebe Kolleginnen und Kollegen, ver-
danken wir das? Zum einen der Investitionsbereitschaft,
Kreativität und Ausdauer der vielen kleinen und mittel-
ständischen Unternehmen, zum anderen aber auch den
Beschäftigten, die Tag für Tag hart für dieses gute Ergeb-
nis arbeiten .

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich bei die-
sen 3 Millionen Menschen im Namen meiner Fraktion
besonders bedanken .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg . Markus Tressel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie bringen jeden Tag ihre Leistung – in den Restaurants,
Hotels und Reisebüros, bei Veranstaltern, Busunterneh-
men, Freizeitparks, auf Campingplätzen und in der Tou-
ristinfo . Danke für die tolle Arbeit . Sie sind der Motor
des Tourismus in Deutschland!


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Kerstin Kassner [DIE LINKE])


Ihre Arbeit muss aber auch entsprechend wertgeschätzt
werden . Daran, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine
Damen und Herren, hapert es leider oft . Das zeigt sich an
den vielen schwierigen Arbeits- und Ausbildungsverhält-
nissen und an den niedrigen Löhnen, die in der Branche
gezahlt werden . Hier muss sich dringend etwas ändern,
wenn wir die guten Ergebnisse im Tourismus auch zu-
künftig halten wollen . Denn – da spreche ich kein Ge-
heimnis aus – gerade in der Gastronomie und Hotellerie

fehlen schon heute Fachkräfte . Bei der anhaltend guten
Beschäftigungslage wird sich diese Situation angesichts
der Konkurrenz mit anderen Branchen noch verschärfen .
Junge Menschen suchen sich nach dem Schulabschluss
für sie attraktivere Ausbildungsalternativen .

Nur ein Beispiel aus meiner Region, der Ostseeküs-
te in Schleswig-Holstein: Seit acht Monaten sucht dort
ein Gastronomiebetrieb über Anzeigen verzweifelt nach
Köchen und Tresenkräften . Im Arbeitsagenturbezirk Lü-
beck/Ostholstein meldeten die Betriebe seit Jahresbeginn
über 900 offene Stellen.


(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Genau!)


Verschärft wird die Situation dadurch, dass aufgrund der
guten Nachfrage viele neue Betriebe eröffnen. Allein
in Lübeck, in meiner Stadt, entstehen zurzeit fünf neue
große Hotels . Die brauchen natürlich auch Personal . Der
Kampf um Personal hat also bereits begonnen .


(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Längst!)


So werden Beschäftigte aus Not zunehmend von Kon-
kurrenten abgeworben . Das, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, kann es nicht sein . Hier brauchen wir dringend Lö-
sungen, damit der Deutschlandtourismus auch zukünftig
seinen Höhenflug fortsetzen kann.

Die Branche selbst ist gefordert . Aber auch wir, die
Politik, können Rahmenbedingungen setzen . Das haben
wir auch schon getan, zum Beispiel mit dem gesetzlichen
Mindestlohn . Er hilft den Beschäftigten, vor allem den
vielen Frauen, die in der Branche, in der Gastronomie
und in den Hotels, oft für sehr wenig Geld arbeiten .


(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Wenn die alle Personal brauchen, bezahlen die die auch besser, sonst finden die doch keine!)


Die Forderungen aus der Branche nach weiterer Flexibili-
sierung der Arbeitszeit und nach Zwölf-Stunden-Schich-
ten halten wir für kontraproduktiv . Stattdessen sollten wir
alles dafür tun, die Ausbildung attraktiver zu gestalten .
Wir als SPD wollen für eine angemessene Mindestaus-
bildungsvergütung sorgen. Wir wollen flächendeckend
Jugendberufsagenturen einrichten, um Jugendlichen Be-
ratung und Unterstützung aus einer Hand beim Einstieg
in Ausbildung und Beruf zu geben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es schon
gehört: Der Tourismus ist insgesamt gut aufgestellt, aber
es stehen noch große Herausforderungen an . Die Fach-
kräftesicherung habe ich angesprochen . Der Anschluss
an die modernen Kommunikationstechnologien und bar-
rierefreies Reisen sind weitere wichtige Aufgabenfelder .
Es muss uns auch gelingen, den Tourismus insgesamt
besser zu koordinieren . Die Kleinteiligkeit der Branche
und die Verankerung als Querschnittsaufgabe vieler Mi-
nisterien des Bundes und der Länder können im interna-
tionalen Wettbewerb sehr schnell zum Nachteil werden .
Das neue Kompetenzzentrum Tourismus, das unsere
Tourismusbeauftragte gerade auf den Weg bringt, kann
dazu beitragen, die Tourismuspolitik schlagkräftiger auf-
zustellen .

Damit komme ich zu dir, liebe Iris . Du hast heute
deine letzte Rede im Bundestag gehalten . Es freut mich,

Markus Tressel






(A) (C)



(B) (D)


dass du deine Arbeit als Tourismusbeauftragte mit dem
Bericht und der darin festgehaltenen tollen Bilanz ab-
schließen kannst . Danke dafür! Es ist enorm, was du mit
deinem wirklich kleinen Team im Bereich Tourismus be-
wegt hast . Du hast dich in den dreieinhalb Jahren immer
an vorderster Front dafür eingesetzt, dass der Tourismus
in der Politik die Berücksichtigung findet, die er verdient.
Und: Du hast die wichtigen Themen, die in der Touris-
musbranche unter den Nägeln brennen, angepackt und
hast, wo es ging, für Verbesserungen im Sinne des Tou-
rismus gesorgt . Dafür, liebe Iris, ein ganz großes Danke-
schön!


(Beifall im ganzen Hause)


Auch wenn du dann nicht mehr hier im Parlament bist,
ist es für uns, für die SPD, aber, wie ich denke, auch für
meine Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen
ganz klar: Wir kämpfen weiter für den Tourismus .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824114200

Vielen Dank . – Für die CDU/CSU hat jetzt Barbara

Lanzinger das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Barbara Lanzinger (CSU):
Rede ID: ID1824114300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Ich bin in der nächsten Wahlperiode
nicht mehr dabei, aber angesichts der Anzahl der Kolle-
ginnen und Kollegen, die hier sitzen, würde ich mir wün-
schen, dass auch parlamentarisch deutlich sichtbar wird,
wie wichtig Tourismuspolitik ist . Das wäre sehr schön .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist wie immer so, dass diejenigen, die anwesend sind,
sich das anhören müssen .

Ich freue mich, dass uns der Tourismuspolitische Be-
richt vorgelegt wurde . Danke schön! Er ist spannend,
er ist hochinteressant, er ist informativ, er ist komplex,
und er bietet eine ausgezeichnete Übersicht darüber, dass
Tourismus ein Zusammenspiel, eine Vernetzung unend-
lich vielfältiger wichtiger Akteure ist . Das ist vielen,
auch bei uns in der Politik, oftmals gar nicht so bewusst .

Der Tourismuspolitische Bericht zeigt deutlich, dass
Tourismuspolitik eines Zusammenwirkens aller politi-
scher Ebenen und auch der Bundesministerien bedarf .
Die Akteure sind im Bericht aufgeführt; ich nenne jetzt
nicht alle . Ich möchte mich aber bei all denen, die heute
anwesend sind – das sind ja nicht viele –, ganz herzlich
bedanken . Vielleicht sollte man die Bedeutung des Tou-
rismus in Zukunft noch stärker herausarbeiten .

Tourismus ist eine Querschnittsaufgabe . Das spüren
wir ganz deutlich . Bereits auf den ersten Seiten des Be-
richts wird deutlich – als Tourismuspolitiker und -politi-
kerinnen wissen wir das aus zahlreichen Begegnungen

auf allen Ebenen, auch mit ausländischen Kolleginnen
und Kollegen –: Tourismus ist ein erfolgreicher dyna-
mischer Wirtschaftssektor und -faktor . Liebe Kollegin
Hiller-Ohm, ich denke, gerade weil dieser Sektor so ein
dynamisches Kraftpaket ist, ist es auch gelungen, den
Mindestlohn in diesem Bereich zu etablieren . Ich weiß
nicht, ob es uns gelungen wäre, so stabil weiterzuarbei-
ten, wenn wir nicht die Kraft gehabt hätten, die Anhe-
bung des Mindestlohnes aufzufangen . Davon bin ich
überzeugt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Kraftpaket Tourismus ist für die Bruttowert-
schöpfung und für die Beschäftigung enorm wichtig . Der
Tourismus hat eine wuchtige – ich nenne es bewusst so –
Schubkraft für unseren Mittelstand, für das Handwerk,
für die Landwirtschaft, für die regionalen Erzeuger, für
die Bauwirtschaft, für die Automobilindustrie, für den
Flugzeugbau und vieles mehr . Das ist also ein ungeheu-
res Potenzial, das er hat und das wir schöpfen und heben
müssen . Es gilt auch in Zukunft, sich bewusst zu machen,
was Tourismus bedeutet und welche Schubkraft er insbe-
sondere für die von kleinen und mittelständischen Unter-
nehmen geprägte Branche entwickelt .

Im Jahr 2016 – es wurde schon gesagt – konnte ein
neuer Rekord bei den Übernachtungen verzeichnet wer-
den . Es gab 11 Millionen mehr Gäste als 2015 . Das ist
gewaltig, insbesondere auch angesichts der Gesamtzahl .
Das alles ist nicht gottgegeben, das wissen wir . Insgesamt
ist eine klare Themen- und Zielgruppenfokussierung not-
wendig . Es ist wichtig, ganz klar herauszuarbeiten: Was
ist für unsere Regionen entscheidend? Womit können wir
die Schätze, die wir in Deutschland haben, heben und
den Menschen zugänglich machen? Lassen Sie mich ein,
zwei Beispiele nennen .

Der Boom im Städtetourismus hält an . Auch ein Trend
in Richtung Wasserdestinationen an den Küsten und in
den Seeregionen ist klar erkennbar . Schauen wir uns nur
einmal Regensburg an: Die Stadt war schon immer be-
rühmt und kann seit langem viele Besucher verzeichnen;
aber seit der Aufnahme in die UNESCO-Weltkulturerbe-
liste wird die Stadt förmlich überrannt . Das zeigt, dass
die Entwicklung auch kippen kann . Auch da müssen wir
etwas tun .

Ein besonderes Augenmerk gilt unseren ländlichen
Regionen . Ich möchte erwähnen, dass die Koalitions-
fraktionen unter Federführung der Union – ich sage das
sehr selbstbewusst – ein Konzept für den Kulturtouris-
mus im ländlichen Raum erarbeitet haben, um die länd-
lichen Regionen nachhaltiger zu stärken . Die Besonder-
heit dabei war, dass der Begriff „Kulturtourismus“ weit
gefasst wurde, nämlich als Verbindung von klassischen
Kulturangeboten mit gastronomischen Traditionen, mit
dem historischen Bauerbe, mit dem Erleben von Land-
schaft, mit den Schätzen unserer Heimat und dem Kön-
nen unserer Menschen . Ich fasse es zusammen: Es geht
dabei einfach um Kulturgenuss . Die Bundesregierung
hat die Idee dankenswerterweise aufgegriffen und um-
gesetzt . Ich halte das für gut . Ich denke, wir sollten uns
wünschen, dass mehr entsprechende Pilotprojekte ini-
tiiert werden, vielleicht auch grenzübergreifende Projek-

Gabriele Hiller-Ohm






(A) (C)



(B) (D)


te, also in die europäischen Nachbarregionen hinein . Als
Beispiele nenne ich das Elsass und Südtirol . Man kann
sich hier sicher manches denken, was sinnvoll wäre .

Wir sind gut aufgestellt für die kommenden Jahre . Mit
dem Bauhaus-Jahr und dem Luther-Jahr haben wir viele
gute Möglichkeiten, um für uns zu werben .

Die Tourismusbranche und die politische Tourismus-
arbeit stehen vor großen Herausforderungen . Das hat
auch unsere Delegationsreise nach Madrid deutlich ge-
zeigt, auch das Gespräch mit dem Generalsekretär der
UNWTO, Taleb Rifai . Es war hochinteressant und span-
nend, mit ihm zu reden, gerade über das Thema Nach-
haltigkeit im Tourismus . Das Thema Nachhaltigkeit ist
wirklich in allen Bereichen aufzugreifen . Ich komme
jetzt auf das Beispiel des boomenden Städtetourismus
zurück: Dieser Tourismus stellt die Verantwortungen
vor sehr große Herausforderungen . Dabei geht es um die
Themen Sicherheit, Infrastruktur, Wohnungsübernach-
tungen, also Übernachtungen in Privatunterkünften, Um-
weltbelastungen und vieles mehr . Ich denke, das ist ein
ganz wichtiger Punkt für die Zukunft .

Erwähnen möchte ich ganz kurz auch die barrierefreie
Mobilität . Es sind variable Angebote erforderlich, um
Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen
das Reisen zu ermöglichen . Ebendiese unterschiedlichen,
individuellen Angebote können äußerst interessant und
wichtig sein für Familien mit Kindern, für die ältere Be-
völkerung, im Grunde für uns alle .

Der Tourismuspolitische Bericht hat 76 Seiten . Es
lohnt sich, ihn zu lesen . Man erfährt sehr deutlich: Tou-
rismus ist keine Nebensache, sondern Tourismus ist das
Topthema für die Politik . Das muss es auch in Zukunft
sein .

Ich bedanke mich für die sehr konstruktive Zusam-
menarbeit mit allen Fraktionen im Tourismusausschuss .
Es machte Spaß, es machte Freude . Ich bedanke mich
bei Ihnen, Frau Gleicke, ganz herzlich für die sehr an-
genehme Zusammenarbeit . Auch wenn wir beide uns
oftmals gekabbelt haben, fand ich die Zusammenarbeit

ganz toll . Ich glaube, es macht uns beiden Spaß, Politik
so zu gestalten . Vielen Dank Ihnen und Ihrem Team für
Ihre Arbeit!

An dieser Stelle danke ich auch der DZT . Die Aus-
landsvertretungen der DZT sind – das habe ich in Madrid
erfahren dürfen, und auch unsere Ausschussvorsitzende
hat das schon erwähnt – tolle Botschafter im Ausland für
Deutschland .

Ich möchte schließen mit zwei Zitaten:
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die
Weltanschauung der Leute, welche die Welt nie an-
geschaut haben .

Wilhelm Busch meinte – ich denke, das gilt für uns alle –:
Drum o Mensch, sei weise, pack die Koffer und ver-
reise!

Danke schön .

(Beifall im ganzen Hause)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824114400

Vielen Dank . – Das waren zum Ende unserer heutigen

Debatte ja ganz passende Worte .
Wir müssen noch die Vorlage auf Drucksa-

che 18/12505 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse überweisen . Sind Sie damit einverstanden? –
Ich sehe, das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so
beschlossen .

Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung an-
gelangt .

Ich bedanke mich bei Ihnen für die engagierten Debat-
ten und wünsche Ihnen ein hoffentlich etwas geruhsames
Wochenende .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 28 . Juni 2017, 13 Uhr, ein .

Die Sitzung ist geschlossen .