Protokoll:
17009

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 9

  • date_rangeDatum: 3. Dezember 2009

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:19 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/9 der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Michael Kauch, Harald Leibrecht, Horst Meierhofer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für ein wirksames und faires globales Klimaschutzabkommen in Kopenhagen (Drucksache 17/100) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 4: b) Antrag der Fraktion der SPD: Die Klima- konferenz in Kopenhagen zum Erfolg führen – Deutschlands und Europas Vorreiterrolle nutzen und stärken (Drucksache 17/105) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel, Bundesminister BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 D 590 A 595 D 597 D 599 B 600 C 601 D 603 A 604 B 605 B 605 D Deutscher B Stenografisch 9. Sitzu Berlin, Donnerstag, den I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Heinz Riesenhuber . . . . . . . . . . . . Berufung von deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlaments zur Teilnahme an Sitzungen des Ausschusses für die Angele- genheiten der Europäischen Union . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 4 a, 5 b und 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Andreas Jung (Konstanz), Marie-Luise Dött, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion d D D M 589 A 589 A 589 B 589 D c) Antrag der Abgeordneten Eva Bulling- Schröter, Dr. Barbara Höll, Dorothée Menzner, weiterer Abgeordneter und der undestag er Bericht ng 3. Dezember 2009 t : Fraktion DIE LINKE: Kehrtwende beim globalen Klimaschutz auf UN-Gipfel in Kopenhagen (Drucksache 17/115) . . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Ott, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Kopenhagen mit verbindlichen und ambitionierten Kli- maschutzzielen zum Auftakt einer globalen ökologischen Modernisierung machen (Drucksache 17/120) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . ichael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 A 590 A 590 B 592 B 594 C Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 A 606 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zum Datenschutz im Beschäfti- gungsverhältnis (Beschäftigtendaten- schutzgesetz – BDatG) (Drucksache 17/69) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Beate Müller- Gemmeke, Dr. Konstantin von Notz, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Persönlichkeitsrechte ab- hängig Beschäftigter sichern – Daten- schutz am Arbeitsplatz stärken (Drucksache 17/121) . . . . . . . . . . . . . . . . . Olaf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Olaf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Blumenthal (FDP) . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Kerstin Andreae, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Moratorium für Stuttgart 21 – Wirtschaftlichkeit des Groß- projektes vor Baubeginn sicherstellen (Drucksache 17/125) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Z A d H D M N D K D W S M D S T D T a b W R U E A D T a 606 C 607 C 608 B 609 C 609 C 609 D 611 C 613 B 614 C 616 C 616 D 617 A 618 A 620 B 621 B 622 D 623 D 624 C 626 A 627 A 628 D 629 A 629 D usatztagesordnungspunkt 3: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion er SPD: Bildungsproteste nicht aussitzen – ochschulgipfel vorziehen . . . . . . . . . . . . . r. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . onika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . icole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . r. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . ai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . illi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ylvia Canel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . wen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . ankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . r. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . agesordnungspunkt 6: ) Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Atomwaffen unverzüglich aus Deutschland abziehen (Drucksache 17/116) . . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Agnes Malczak, Omid Nouripour, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Deutschland atomwaffenfrei – Bei der Abrüstung der Atomwaffen vorangehen (Drucksache 17/122) . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . oderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . ta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 7: ) Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Petra Hinz (Essen), Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Brain Waste 630 A 630 A 631 A 632 B 633 C 634 C 636 A 637 B 638 B 639 D 640 D 642 C 643 D 645 A 646 B 646 B 646 C 647 C 648 C 650 A 650 D 651 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 III stoppen – Anerkennung ausländischer akademischer und beruflicher Qualifi- kationen umfassend optimieren (Drucksache 17/123) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Nicole Gohlke, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine zügige und umfas- sende Anerkennung von im Ausland er- worbenen Qualifikationen (Drucksache 17/117) . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Swen Schulz, Katja Mast, Olaf Scholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Durch Vorrang für Anerkennung Integration stärken – Aner- kennungsgesetz für ausländische Ab- schlüsse vorlegen (Drucksache 17/108) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Fraktion der SPD: Die EU-Per- spektive der südosteuropäischen Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Makedonien, Montenegro und Serbien verstärken (Drucksache 17/106) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Oliver Luksic (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gunther Krichbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . T – – D H D J J R J D W H D R P R D U E C E B F 653 A 653 B 653 B 653 C 654 C 655 C 656 A 656 D 657 C 658 C 659 B 660 A 660 D 661 A 662 A 663 A 664 A 665 B 666 B agesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Inter- nationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Verein- ten Nationen (Drucksachen 17/39, 17/111 (neu)) . . . . . Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/139) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Guido Westerwelle, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Ulrich Klose (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . r. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . an van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . uprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . ans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . ainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . ainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . te Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rnst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . rnst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . urkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . lorian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 667 D 667 D 668 A 669 B 670 B 671 D 673 D 675 A 675 B 675 D 676 D 677 B 678 A 679 A 680 C 681 A 681 C 682 C 683 B 684 B 685 B 685 C 685 D 687 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Inte- rim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 1884 (2009) vom 27. August 2009 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/40, 17/112(neu)) . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/140) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit- kräfte bei der Unterstützung der ge- meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Verein- ten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolu- tionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/38, 17/110) . . . . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/141) . . . . . . . . . . . . . . . . . D M K W K S K T R T N E T B s s r d o r ( A U M R D J N A L A E s s n A t a u t e 688 A 690 C 688 B 688 C 688 C 689 B 692 B 694 A 694 D 695 C 696 B 697 B 698 C 700 D 698 D 698 D r. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Groschek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . arl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . arl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . tefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . atja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . homas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . ainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . homas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . amentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . rgebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 12: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- icherheit zu der Verordnung der Bundesregie- ung: Erste Verordnung zur Durchführung es Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Ver- rdnung über kleine und mittlere Feue- ungsanlagen – 1. BImSchV) Drucksachen 17/74, 17/85 Nr. 2.2, 17/135) ndreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . te Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . alph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . orothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . osef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 rklärung nach § 31 GO zu dem Antrag: Fort- etzung der Beteiligung bewaffneter deut- cher Streitkräfte an dem Einsatz der Inter- ationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in fghanistan (International Security Assis- ance Force, ISAF) unter Führung der NATO uf Grundlage der Resolution 1386 (2001) nd folgender Resolutionen, zuletzt Resolu- ion 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Ver- inten Nationen (Tagesordnungspunkt 9) 699 A 700 A 703 B 704 D 705 B 705 B 706 C 707 C 708 D 708 D 709 B 710 D 709 C 709 D 713 B 714 B 715 A 715 D 716 C 717 C 719 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 V Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Hans-Josef Fell, Priska Hinz (Herborn) und Thomas Koenigs Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicher- heitsunterstützungstruppe in Afghanistan (In- ternational Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Reso- lutionen, zuletzt Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Ta- gesordnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, 719 C 720 A 720 B 720 C 721 A 721 B 721 D 723 B (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung bewaff- neter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungs- punkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Sylvia Kotting-Uhl, Memet Kilic, Uwe Kekeritz, Winfried Hermann, Lisa Paus, Monika Lazar, Dr. Harald Terpe, Dr. Hermann Ott, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Anton Hofreiter und Bettina Herlitzius (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu dem Antrag: Fortsetzung der z S g A N t – – – – ( 722 C uletzt 1884 (2009) vom 27. August 2009 des icherheitsrates der Vereinten Nationen (Ta- esordnungspunkt 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 euabdruck der Antworten des Staatsminis- ers Bernd Neumann auf die mündlichen Fragen 31 und 32 der Abgeordneten Agnes Krumwiede (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) auf die mündlichen Fragen 33 und 34 der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) auf die mündlichen Fragen 35 und 36 des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) auf die mündlichen Fragen 37 und 38 der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) 8. Sitzung, Anlagen 19 bis 22) . . . . . . . . . . . 724 B 724 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 589 (A) ) (B) ) 9. Sitzu Berlin, Donnerstag, den Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 719 (A) ) (B) ) Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 9) che Entwicklung eine engagierte zivile Aufbauoffensive Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Re- solution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der I m g w a D d r n g A n n b h B k v r n r s ü K „ n p r ü n T E z w S v t Ü E a D z A B Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Barnett, Doris SPD 03.12.2009* Bas, Bärbel SPD 03.12.2009 Glos, Michael CDU/CSU 03.12.2009 Goldmann, Hans- Michael FDP 03.12.2009 Hübinger, Anette CDU/CSU 03.12.2009 Hunko, Andrej Konstantin DIE LINKE 03.12.2009 Lach, Günter CDU/CSU 03.12.2009 Lafontaine, Oskar DIE LINKE 03.12.2009 Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 03.12.2009 Meinhardt, Patrick FDP 03.12.2009 Möller, Kornelia DIE LINKE 03.12.2009 Pflug, Johannes SPD 03.12.2009 Rachel, Thomas CDU/CSU 03.12.2009 Dr. Scheer, Hermann SPD 03.12.2009 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 03.12.2009 Schwanitz, Rolf SPD 03.12.2009 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 03.12.2009 Zypries, Brigitte SPD 03.12.2009 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ch kann dem Mandat der Bundesregierung nicht zustim- en, obwohl ich einen Abzug der Bundeswehr aus Af- hanistan zum gegenwärtigen Zeitpunkt für unverant- ortlich halte. Ich halte daher die Enthaltung für die ngemessene Form, um diese Haltung auszudrücken. as OEF-Mandat lehne ich ab. Ein neues ISAF-Mandat setzt eine grundsätzlich an- ere Afghanistan- und Militärpolitik der Bundesregie- ung voraus. Diese müsste folgenden Anforderungen ge- ügen: Die Bundesregierung ist aufgefordert: Erstens. Dem Bundestag ein neues Mandat vorzule- en, das auf sechs Monate befristet ist und eine klare usrichtung auf den zivilen Aufbau hat, und zeitnah ach der Afghanistan-Konferenz dem Bundestag ein eues Mandat vorzulegen, das die genannte zivile Auf- auoffensive und militärische Abzugsperspektive bein- altet und glaubhaft gewährleistet, dass der Einsatz der undeswehr erfolgreich fortgeführt und beendet werden ann. Zweitens. Unverzüglich klarzustellen, dass der Schutz on Zivilisten höchste Priorität hat und eine Bombardie- ung von Menschenansammlungen weder angemessen och zwangsläufig ist. Drittens. Dem Bundestag bis zur Afghanistan-Konfe- enz eine unabhängige Evaluierung des bisherigen deut- chen Engagements in Afghanistan sowie eine Übersicht ber die konkreten deutschen Beitrage zur Afghanistan- onferenz und einer aussichtsreichen Strategie der Übergabe in Verantwortung“ vorzulegen. Viertens. Gemeinsam mit den afghanischen und inter- ationalen Partnerinnen und Partnern eine Abzugspers- ektive zu entwickeln und auf der Afghanistan-Konfe- enz zu vereinbaren, die alle Beteiligten konkret und berprüfbar in die Pflicht nimmt und es erlaubt, in den ächsten vier Jahren den Abzug der internationalen ruppen einzuleiten. Fünftens. Sich für eine Beendigung der Operation nduring Freedom in Afghanistan einzusetzen und klar- ustellen, im Rahmen welcher Leitlinien die Bundes- ehr operiert, damit in der Praxis die Einhaltung und der chutz der Menschenrechte und der Schutz der Zivilbe- ölkerung als oberste Priorität gewährleistet sind. Sechstens. Keine Aufstockung des Bundeswehrkon- ingentes vorzubereiten oder vorzunehmen und so das bergewicht des Militärischen gegenüber dem zivilen ngagement zu verstärken, sondern stattdessen, wie es uch von den afghanischen Partnern gewünscht ist, eutschlands finanzielle und materielle Beiträge für den ivilen Wiederaufbau im Sinne einer engagierten zivilen ufbauoffensive auch qualitativ stark zu erhöhen. Siebtens. Für Schlüsselbereiche wie Polizei, Justiz, ildung, Infrastruktur, Landwirtschaft und wirtschaftli- 720 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 (A) ) (B) ) mit realistischen und verbindlichen Zwischenzielen zu vereinbaren, die bei den friedensbereiten Kräften in allen Regionen ankommt. Achtens. Unverzüglich mindestens 500 deutsche Poli- zeikräfte für den Aufbau afghanischer Polizei zur Verfü- gung zu stellen, sich gemeinsam mit internationalen und afghanischen Partnerinnen und Partner für konkrete Schritte und sichtbare Erfolge bei der Beseitigung von Korruption, Drogen- und Vetternwirtschaft einzusetzen und 2010 freie und faire Parlamentswahlen durchzuset- zen. Neuntens. Sich dafür einzusetzen, dass in Afghanis- tan die Menschenrechte gewahrt werden, Menschen- rechtsorganisationen und die Vereinten Nationen sofort Zugang zu Gefangenen haben und Geheimgefängnisse wie in Bagram schnellstens geschlossen werden. Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Die Entscheidung über die weitere Beteiligung der Bundeswehr an der In- ternationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) in Afghanistan fällt mir sehr schwer. Mit meiner Stimme entscheide ich letztlich auch über das Leben von Men- schen: über das Leben von Deutschen, aber auch über das Leben von Deutschen, aber auch über das Leben von Afghanen. Das hat der folgenschwere Luftangriff vom 4. September 2009 noch einmal deutlich gezeigt. Es gibt kaum einen höheren Preis für eine politische Entscheidung als ein Menschenleben. Wir müssen uns daher sicher sein, ob wir mit der Verlängerung des ISAF- Mandates unserem Ziel näher kommen, Afghanistan ins- besondere mithilfe des zivilen Wiederaufbaus so weit zu stabilisieren, dass das Land nicht erneut Rückzugsraum für Terroristen werden kann, dass eine Radikalisierung Afghanistans nicht die ganze Region destabilisiert, dass mehr Afghanen Zugang zu Bildung und Menschenrech- ten bekommen. Angesichts der Tatsache, dass die militärische Aus- einandersetzung zu eskalieren droht, die politische Ent- wicklung von Rückschritten gekennzeichnet ist und sich die Sicherheitslage ständig weiter verschärft, habe ich daran begründete Zweifel. Ich stimme der weiteren Beteiligung der Bundeswehr an der ISAF trotzdem zu, weil ein Rückzug zu diesem Zeitpunkt ein Vakuum hinterlassen würde, das nicht zu verantworten ist. Ich erwarte aber von der Bundesregie- rung, dass die bisherige Strategie evaluiert, auf ihre Wirksamkeit überprüft und angepasst wird. Insbeson- dere bedarf es klar definierter und messbarer Fort- schrittskriterien und Ziele, die uns eine stufenweise Übergabe der Verantwortung an die Menschen in Afgha- nistan ermöglichen. Dazu gehört meines Erachtens ins- besondere eine signifikante Stärkung der zivilen Kom- ponente unserer Maßnahmen. Einer weiteren Erhöhung der militärischen Anstrengung zum Beispiel in Form der Entsendung weiterer Truppen stehe ich äußerst kritisch gegenüber. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Nach wie vor stehe ich der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der N z g e a e z R D i s g s A B d w t n u n s N s b u t f h G c v s i e t g d g g g H f v w w A M w l (C (D ATO-geführten Internationalen Sicherheitsunterstüt- ungstruppe in Afghanistan mit großer Zurückhaltung egenüber. Ich begrüße allerdings ausdrücklich den jetzt rklärten Willen der Bundesregierung und inzwischen uch des amerikanischen Präsidenten, den Einsatz auf in absehbares Ende hinzuführen. Im Interesse einer geordneten Beendigung des Einsat- es bin ich bereit, das Engagement der Bundeswehr im ahmen dieses Mandates befristet mitzutragen. Zugleich will ich mit meiner Zustimmung nach den iskussionen um die Vorgänge am 4. September 2009 m Raum Kunduz ein Zeichen der Unterstützung für un- ere im Einsatz befindlichen Soldatinnen und Soldaten eben. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Der heute zur Be- chlussfassung im Deutschen Bundestag anstehenden bstimmung über die Beschlussempfehlung und den ericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag er Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung be- affneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer In- ernationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afgha- istan – International Security Assistance Force, ISAF – nter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutio- en 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Re- olution 1890 (2009), des Sicherheitsrates der Vereinten ationen kann ich aus den folgenden Gründen nicht zu- timmen: Erstens. In Afghanistan gelingt es dem Westen offen- ar nicht, ein demokratisches Staatswesen aufzubauen nd die Menschen innerlich dafür zu gewinnen. Der am- ierende Präsident Karzai hat sich wohl nur durch Wahl- älschungen an der Macht gehalten. Auch die Sicher- eitslage hat sich weiter verschlechtert, und zwar in ebieten, die bisher als relativ sicher galten. Die westli- he Aufbauhilfe soll an großen Teilen der Bevölkerung orbeigehen. Armut, Korruption und Hoffnungslosigkeit ollen zunehmen. Präsident Obama am 1. Dezember 2009 n West Point: Afghanistan is not lost, but for several years it has moved backwards. Zweitens. Die zunehmende Militarisierung führt zu iner wachsenden Anzahl von unschuldigen Opfern un- er der Zivilbevölkerung, hauptsächlich durch Luftan- riffe. Mittlerweile dürfte bei solchen „Kollateralschä- en“ eine vielfache Anzahl unschuldiger Menschen etötet worden sein wie bei den schrecklichen Terroran- riffen vom 11. September 2001 auf New York, die Aus- angspunkt unseres Engagements waren. Vorläufiger öhepunkt insoweit ist der auf deutschen Befehl ausge- ührte Luftangriff auf zwei Tanklastzüge bei Kunduz om 4. September 2009 mit circa 150 Toten, darunter ohl vielen Zivilisten. Auch auf mehrfache Nachfragen aren Bundesverteidigungsminister nicht bereit, mir ngaben zu zivilen Opfern in Afghanistan zu machen. it jedem unschuldig getöteten Zivilisten bekämpfen ir nicht den Terror, sondern schaffen diesem neuen Zu- auf. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 721 (A) ) (B) ) Drittens. Ein realistisches Konzept des Westens für Afghanistan vermag ich derzeit nicht zu erkennen. Auch in dem vorliegenden Antrag wird ein solches nicht darge- stellt. Vor diesem Hintergrund kann ich es nicht verant- worten, deutsche Soldaten in einen lebensgefährlichen Einsatz zu schicken. Wir brauchen vielmehr eine Grund- satzdebatte darüber, wie die Bundesrepublik Deutschland und der Westen insgesamt den Terror bekämpfen und De- mokratie und Rechtsstaatlichkeit in Afghanistan auf- bauen können. Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Erneut soll der Deutsche Bundestag einer Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan zustimmen. Obwohl mir bekannt ist, dass nach den bisherigen Entscheidungen des Deutschen Bundestages ein sofortiger Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan kaum möglich ist, werde ich der Verlängerung des Einsatzes nicht zustimmen. Die Bemühungen der neuen Bundesregierung, end- lich Perspektiven für einen Abzug der Bundeswehr zu schaffen, erkenne ich durchaus an. Ebenso den vom amerikanischen Präsidenten Obama für 2011 in Aussicht gestellten Abzug. Nach wie vor bleibt aber meine Kritik bestehen, dass die Bundeswehr für ihren Einsatz in Afghanistan nicht entsprechend ausgerüstet worden ist. Schon zu lange wurde den Angehörigen der Bundeswehr die notwendige politische wie auch materielle Unterstützung versagt. Ebenso vermisse ich die dringend notwendige Betreu- ung der aus Afghanistan zurückkehrenden Soldaten so- wie ihrer Angehörigen. Entscheidend für meine Ablehnung ist jedoch, dass wir mit dem Einsatz die Bundeswehr und ihre Angehöri- gen seit Jahren überfordert haben. Wir haben in Afghanistan Aufgaben übernommen, für die die Bundeswehr zu keinem Zeitpunkt ausgebildet und ausgerüstet war. Der Einsatz ist auch unehrlich, denn längst ist der Ter- ror, den wir in Afghanistan bekämpfen, nach Pakistan ausgewichen. Doch nur in Afghanistan geht der Einsatz weiter. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Antrag der Bundesregierung zur Verlängerung des ISAF-Mandates erfolgt zu einem Zeitpunkt, wo Chancen und Risiken des Einsatzes in Afghanistan so hoch wie nie zuvor sind. Bündnis 90/Die Grünen haben schon seit vielen Jahren klare Anforderungen an den Einsatz der in- ternationalen Gemeinschaft in Afghanistan gestellt: Der Schutz der Zivilbevölkerung soll bei den Militäropera- tionen höchste Priorität genießen, die Ausbildung afgha- nischer Sicherheitskräfte wird forciert und eine Perspek- tive für einen Abzug und eine damit verbundene Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Institutionen eröff- net. Gleichzeitig hat sich die Sicherheitslage in Afghanis- tan vor allem in den letzten Monaten deutlich ver- schlechtert. Die Taliban sind in vielen Regionen auf dem V R B t f R v w V d N ti e m P V s h z e I z d t E t z g r d m p i z d n P l k s z d d M z t a z N P E v (C (D ormarsch, und das Vertrauen der Bevölkerung in die egierung Karzai ist gestört. Der Umgang mit dem von Deutschen angeordneten ombardement zweier Tanklaster in Kunduz am 4. Sep- ember dieses Jahres hat gravierende Mängel in der In- ormationspolitik der Bundesregierung offenbart. Die egierung hat wochenlang die Existenz ziviler Opfer erschwiegen und den Einsatz als richtig bewertet, ob- ohl ihr anderslautende Informationen vorlagen. Dieses erhalten offenbart ein zweifelhaftes Verständnis von er Verfasstheit der Bundeswehr als Parlamentsarmee. ur wenn dem Bundestag die größtmögliche Informa- onsgrundlage für seine Entscheidung über die Auslands- insätze gegeben wird, kann die Volksvertretung ihre de- okratische Entscheidungsfunktion wahrnehmen. Die Gespräche, die ich und andere Vertreter meiner artei in den vergangenen Wochen und Monaten mit ertreterinnen und Vertretern verschiedener afghani- cher Organisationen vor Ort und in Deutschland geführt aben, machen mir jedoch klar, dass ein sofortiger Ab- ug in der heutigen Situation unverantwortbar wäre und inen Großteil der Fortschritte beim Aufbau der zivilen nfrastruktur und der Ausweitung der Bürgerrechte, spe- iell für Frauen, zunichtemachen würde. Afghanistan roht der Rückfall in einen blutigen Bürgerkrieg. Vor diesem Hintergrund plädiere ich, wie meine Par- ei Bündnis 90/Die Grünen, für eine Fortführung des insatzes. Ich stehe damit in der Tradition meiner Frak- ion, den Einsatz kritisch, aber grundsätzlich solidarisch u begleiten. Gleichzeitig fordere ich von der Bundesre- ierung endlich eine umfassende Bilanzierung des bishe- igen Einsatzes, eine Neuformulierung der Einsatzziele, en wirksamen Schutz der Zivilbevölkerung bei allen ilitärischen Operationen, eine offenere Informations- olitik und eine klare Abzugsperspektive. Ich stimme dem vorliegenden Mandatsantrag zu. Dies st eine Gewissensentscheidung. Sie beruht auf der Über- eugung, dass wir den Menschen in Afghanistan, den Sol- atinnen und Soldaten und den zivilen Aufbauhelferin- en und -helfern ein Signal der Unterstützung aus der olitik übermitteln müssen. Gerade jetzt, wo sich die viel- eicht letzte Chance für eine gemeinsame und taktisch luge Anstrengung mit dem Ziel eines erfolgreichen Ab- chlusses des Einsatzes bietet, ist dieses Signal vonnöten. Ich halte es aber für falsch, die Verlängerung für wölf Monate zu beantragen, wenn schon jetzt klar ist, ass nach der Londoner Afghanistan-Konferenz Anfang es kommenden Jahres eine Revision der deutschen ission ansteht. Ich erwarte von der Bundesregierung umindest, dass sie dem Bundestag nach der Afghanis- an-Konferenz ein komplett neues Mandat vorlegt, das uch konkrete Ziele für den zivilen Aufbau und eine Ab- ugsperspektive beinhaltet. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN): Die ISAF-Mission ist an einem entscheidenden unkt angekommen. Während auf der einen Seite große rfolge beim Aufbau der medizinischen Versorgung, on Bildungseinrichtungen und Verkehrsinfrastruktur er- 722 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 (A) ) (B) ) reicht wurden, zeichnet sich auf der anderen Seite eine Zuspitzung der Sicherheitslage in Afghanistan ab. Die- ser Entwicklung muss mit einem sofortigen Strategie- wechsel zugunsten einer engagierten zivilen Aufbauof- fensive begegnet werden. Während die internationalen Bündnispartner an Fragen eines Strategiewechsels, des höheren Schutzes der Zivilbevölkerung und einer kon- kreten Abzugsperspektive arbeiten, lässt der Antrag der Bundesregierung keine neuen Ansätze erkennen. Dage- gen wird die Bundesregierung 2010 die Ausgaben für den militärischen Einsatz in Afghanistan sogar noch von 688 Millionen Euro auf rund 820 Millionen Euro erhö- hen, ohne die Mittel für den zivilen Bereich auch nur an- nähernd so hoch aufzustocken. Damit wird die Militär- lastigkeit des Einsatzes weiter im Verhältnis 4 zu 1 zugunsten des militärischen Einsatzes ausgebaut. Auch die Versäumnisse beim Polizeiaufbau werden nicht auf- gegriffen. Der vom deutschen Regionalkommando befohlene Luftangriff auf zwei entführte Tanklastwagen mit einer noch nicht bekannten Zahl ziviler Opfer bedeutet einen radikalen Kurswechsel hin zu einem offensiven militäri- schen Vorgehen. Dieses steht im Widerspruch zur Ziel- setzung des Stabilisierungseinsatzes, nämlich den Auf- bau des Landes abzusichern und den Schutz der Zivilbevölkerung zu garantieren. Auch die Einschätzung des amtierenden Verteidigungsministers, der den Einsatz als militärisch „angemessen“ bezeichnet, muss umge- hend korrigiert und die Umstände des Luftangriffes müs- sen lückenlos aufgeklärt werden. Schädlich für die Akzeptanz und damit den Erfolg des Stabilisierungseinsatzes ISAF ist zudem der parallel lau- fende OEF-Einsatz, der rein militärische Ziele verfolgt. Auch die massiven Wahlmanipulationen während der Präsidentschaftswahlen stellen einen Rückschritt für die politische Entwicklung des Landes und die Akzeptanz des ISAF-Einsatzes dar. Angesicht der sich seit zwei Jahren verschlechternden Gesamtlage versäumt die Bundesregierung durch eine fehlende strategische Neuausrichtung wertvolle Zeit. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Beteiligung der Bun- deswehr an dem Stabilisierungsmandat ISAF weiterhin notwendig für die militärische Absicherung des zivilen Aufbaus. Dieser Verantwortung darf man sich nicht durch die Forderung nach einem sofortigen Abzug ent- ziehen. Gleichzeitig kann der Konflikt in Afghanistan nicht militärisch gelöst werden. Nur durch die Stärkung staatlicher Institutionen, durch eine wirtschaftliche Sta- bilisierung und die Übernahme von mehr Eigenverant- wortung durch die afghanische Bevölkerung wird das Land langfristig eine stabile und friedliche Zukunft ha- ben. Die Bundesregierung erklärt in ihrem Antrag auf Fortsetzung des ISAF-Einsatzes, dass sie auf der Inter- nationalen Afghanistan-Konferenz im kommenden Jahr gemeinsam mit den Bündnispartnern konkrete Erwartun- gen und Ziele zu den Themen gute Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sowie Sicher- heit und wirtschaftliche, soziale Entwicklung festlegen werde. Mit dieser Begründung legt die Bundesregierung k A s e s w E b d E w M m F V u s A z d i s t s H v s r w a l u d z h r b t t d d h (C (D ein verbindliches Gesamtkonzept vor, sondern einen ntrag, der bezüglich der Ausgestaltung des Mandats owie der Mandatsobergrenze unverändert ist. Dennoch rbittet die Bundesregierung die Zustimmung des Deut- chen Bundestages für die Fortsetzung des Mandats für eitere 12 Monate, obwohl dieses Mandat erst durch die rgebnisse der Afghanistan-Konferenz konkretisiert zw. in seiner Zielausrichtung geändert werden soll. Zu- em ist die Bundesregierung eine klare Bilanzierung und valuierung des bisherigen Afghanistan-Einsatzes nach ie vor schuldig geblieben. Aus diesen Gründen werde ich der Verlängerung des andats in der vorliegenden Form nicht zustimmen und ich enthalten. Ich werde dem Entschließungsantrag der raktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen, der eine erlängerung des Mandats auf sechs Monate befristet nd eine klare Ausrichtung auf eine zivile Aufbauoffen- ive und eine militärische Abzugsperspektive fordert. nlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Hans-Josef Fell, Priska Hinz (Herborn) und Thomas Koenigs (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Füh- rung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 9) Wir stimmen der Verlängerung des ISAF-Einsatzes u, weil die völkerrechtliche Grundlage dieses Einsatzes urch Resolutionen des UN-Sicherheitsrates eindeutig st; wir fest an die Verpflichtung der Staatengemein- chaft glauben, auch jenseits von allzu eng gefassten na- ionalen Interessen Verantwortung übernehmen zu müs- en; wir spätestens seit dem Völkermord in Bosnien und erzegowina verstanden haben, dass der Nichteinsatz on polizeilichen und militärischen Mitteln ebenso chuldig machen kann wie der Einsatz von Gewalt; ge- ade die deutsche Geschichte uns verpflichtet, dass nie ieder Krieg von deutschem Boden ausgehen darf, dass ber die überfallenen Völker Polens, Frankreichs, Russ- ands und andere jedes Recht zu ihrer Verteidigung auch nter Einsatz von militärischen Mitteln hatten und ich eswegen nicht davon ausgehe, dass Pazifismus die ein- ige Konsequenz ist, die wir aus unserer Geschichte zie- en müssen; weil diese Geschichte, wenn wir reklamie- en, aus ihr gelernt zu haben, uns geradezu verpflichtet, ei Verbrechen gegen die Menschlichkeit unseren Bei- rag zum Schutz von Menschen im Rahmen der interna- ionalen Völkergemeinschaft zu leisten, selbst wenn das en Einsatz militärischer Mittel bedeutet. Wir stimmen zu, weil wir nicht nur die zivilen Opfer es militärischen Einsatzes in Afghanistan vor Augen aben dürfen, sondern auch die vielen zivilen Opfer, die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 723 (A) ) (B) ) es unter der Herrschaft der Taliban gegeben hat: Wir denken an all die Frauen, die ohne jeglichen ärztlichen Beistand Kinder gebären mussten, weil die Taliban das Gesundheitswesen durch das Arbeitsverbot für Frauen zerschlagen hatten, an die hohe Kindersterblichkeit – mit die höchste der Welt – und an die drakonischen Strafen, denen ungezählte Männer und Frauen zum Opfer fielen. Wir stimmen zu, obwohl dieser Einsatz mit vielen Fehlern behaftet war – insbesondere ist eine unzurei- chende Ergänzung der militärischen Mittel durch zivilen Aufbau zu nennen; auch die vielen Luftangriffe mit ih- ren zivilen Opfern haben den Militäreinsatz diskreditiert, der doch dem Schutz der Menschen dienen sollte –; uns die tragischen Ereignisse des Luftangriffes auf die von den Taliban entführten Tanklastwagen auf deutschen Be- fehl hin schwer erschüttern; wir die Opfer beklagen und die Vertuschung der Wahrheit durch die Bundesregie- rung das Vertrauen in die Regierung erheblich gestört hat. Wir stimmen zu, weil uns politisch aktive Frauen aus der afghanischen Gesellschaft zum Bleiben auffordern, sie ohne den Schutz von ISAF nicht weiterarbeiten könnten und bei einem überstürzten Abzug der Truppen die Rückkehr der Taliban und ihrer Schreckensherrschaft vorhersehbar ist, die sich insbesondere gegen die Frauen richtet; mit dem Engagement der Völkergemeinschaft in Afghanistan den Menschen vor Ort gegenüber eine Schutzverantwortung übernommen worden ist, die wir als Verpflichtung ansehen; und weil der Satz „Wir lassen Euch nicht alleine“ ein Versprechen ist. Wir stimmen auch zu, weil Taliban und al-Qaida in diesem asymmetrisch geführten Krieg es darauf anlegen, durch Verunsicherung von Bürgerinnen und Bürgern in den westlichen Demokratien diese Länder zum Abzug zu zwingen, damit sie ihre Macht zurückerobern können; ein einseitiger Abzug der Bundeswehr das Gegenteil ei- ner verantwortlichen multilateralen Politik wäre; das weitere Vorgehen in Afghanistan muss innerhalb der in- ternationalen Gemeinschaft abgestimmt werden, die sich dort engagiert hat. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Sylvia Kotting-Uhl, Memet Kilic, Uwe Kekeritz, Winfried Hermann, Lisa Paus, Monika Lazar, Dr. Harald Terpe, Dr. Hermann Ott, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Anton Hofreiter und Bettina Herlitzius (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Füh- rung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt s g f d F D d A w A i g A s u d z F w P B i h Z n c z v B k n r g B m s u k t a f v o T B d c v s r T m n (C (D Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 9) Wir lehnen den Antrag der Bundesregierung auf Fort- etzung des Einsatzes der Bundeswehr im Krieg in Af- hanistan im Rahmen von ISAF ab. Dieser Einsatz ist alsch und nicht zu verantworten. Das beantragte Mandat zieht keine Konsequenzen aus en bisherigen Erfahrungen. Es will eine unveränderte ortsetzung des Militäreinsatzes für ein weiteres Jahr. ie Mittel dafür werden ohne überzeugende Begrün- ung um 230 Millionen Euro erhöht. Die Ergebnisse der fghanistan-Konferenz 2010 werden erst gar nicht abge- artet. Ein Strategiewechsel, weg vom militärischen nsatz hin zum verstärkten, dezentralen zivilen Aufbau, st weder im Mandat noch in der Politik der Bundesre- ierung und der NATO erkennbar. Eine verantwortbare bzugsperspektive wird nicht eröffnet. Wir befürchten, gerade angesichts der massiven Auf- tockung der US-Truppen um weitere 30 000 Soldaten nd Soldatinnen, eine Fortsetzung und Intensivierung er kriegerischen Auseinandersetzungen. Wir befürchten ahlreiche weitere zivile und militärische Opfer. Der rieden, der zivile Aufbau und eine nachhaltige Ent- icklung rücken in weite Ferne. Genau diese friedliche erspektive wollen wir aber eröffnen. Seit Oktober vergangenen Jahres hat der Einsatz der undeswehr nicht mehr Sicherheit für die Bevölkerung m Norden Afghanistans gebracht, sondern die Sicher- eitslage hat sich erneut dramatisch verschlechtert. Die ahl der getöteten Zivilistinnen und Zivilisten in Afgha- istan stieg im ersten Halbjahr 2009 noch einmal auf irca 1 500, das heißt 31 Prozent mehr als im Vorjahres- eitraum. Viele Tausend Menschen wurden verletzt und erstümmelt. Der angebliche Strategiewechsel, der dem Schutz der evölkerung absolute Priorität einräumt, ist nicht er- ennbar. Bombardierungen der US-Luftwaffe sind kei- eswegs nur auf Nothilfe für NATO-Truppen in Gefah- ensituationen eingeschränkt, sondern ein häufig enutztes Mittel zur Vernichtung des Feindes. Auch undeswehreinsätze im Rahmen von ISAF finden mit assiver Unterstützung durch US-Bomber und Drohnen tatt. Auf Anforderung und Anweisung von Soldatinnen nd Soldaten der Bundeswehr wurden Bomben und Ra- eten geworfen und zahlreiche Zivilistinnen und Zivilis- en verletzt wie in der Nähe von Kunduz bei dem Angriff uf Tanklastwagen am 4. September. Hinzu kommen Of- ensiven der US- und afghanischen Truppen im Rahmen on OEF in Sichtweite der deutschen Bundeswehrstand- rte wie zuletzt Anfang November in der Nähe von Gul epa, als ein abgeriegeltes Gebiet unter den Augen der undeswehr fünf Tage und fünf Nächte lang bombar- iert und viele Menschen getötet wurden. Mit einem sol- hen Vorgehen wird nicht wirksam gegen Terrorismus orgegangen, sondern damit wird immer neuer Hass ge- ät und Terrorismus geschürt und gefördert. Sogar Gene- al Stanley McChrystal, der Kommandeur der ISAF- ruppen, hat auf diese Gewaltspirale hingewiesen: Töte an zwei von zehn Aufständischen, sehe man sich da- ach nicht acht, sondern häufig 20 Rebellen gegenüber, 724 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 (A) ) (B) ) da sich Brüder, Väter, Verwandte und Freunde dem Wi- derstand anschlössen. Statt immer mehr Soldaten und mehr Krieg, wollen wir den Krieg in Afghanistan beenden in verantwortba- rer Weise. Daher müssen die offensiven Bomben- und Raketenangriffe aus Flugzeugen und Drohnen gestoppt werden, da sie fast immer auch unschuldige Zivilisten treffen. Wir wollen nicht immer mehr militärische Ge- walt, sondern einen Waffenstillstand und Friedensver- handlungen. Waffenstillstandsverhandlungen, die in der Vergangenheit immer wieder schon für Teilregionen zu- weilen durchaus erfolgreich geführt wurden, und die Entwicklung einer verantwortbaren Exit-Strategie sind die Alternativen. Verhandlungen darüber müssen aufge- nommen werden – bedingungslos mit allen in Afghanis- tan und in den Nachbarländern, die dazu bereit sind. Auch für den zivilen Aufbau des Landes ist ein Ende der Kampfhandlungen und des Krieges eine der wich- tigsten Voraussetzungen. Unter Kriegsbedingungen kommt der Einsatz ziviler Aufbauhelfer in vielen Regio- nen immer mehr zum Erliegen. So gibt es Meldungen, dass auch im Verantwortungsbereich der Bundeswehr etwa in Kunduz Angehörige von Hilfsorganisationen im- mer weniger die besonders gesicherten Quartiere verlas- sen und die Bevölkerung unterstützen können. Staatliche deutsche Entwicklungsorganisationen müssen immer wieder ihre Mitarbeiter zurückrufen und zeitweise die Arbeit einstellen. Die Vermischung von zivilem und mi- litärischem Engagement liefert den Aufständischen Vor- wände, auch die Arbeit der Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer als feindliche Aktivitäten zu de- nunzieren. Wenn der Krieg beendet wird, kann zumindest ein Teil der Gelder, die heute ohne Weiteres und anschei- nend unbegrenzt für Militäroperationen zur Verfügung stehen, sinnvoll und wirksam für den Aufbau umgewid- met werden. Damit werden die Köpfe und Herzen der Menschen gewonnen, nicht durch ständiges Eskalieren des Krieges. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 1884 (2009) vom 27. August 2009 des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Tages- ordnungspunkt 10) Nach wie vor stehe ich der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an UNIFIL mit Zurückhaltung ge- genüber. Da der Einsatz aufgrund der verbesserten in- nen- und außenpolitischen Situation des Libanon jetzt bis zum 30. Juni 2010 begrenzt werden kann, stimme ich heute entgegen meinen früheren Voten zu. A A d A G Z r l s g V Z r s t s F A d A c (C (D nlage 6 Neuabdruck der Antworten des Staatsministers Bernd Neumann auf die Fragen der Abgeordneten Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/83, Fragen 31 und 32), der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) (Drucksache 17/83, Fragen 33 und 34), des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksache 17/83, Fragen 35 und 36) und der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/83, Fragen 37 und 38): (8. Sitzung, Anlagen 19 bis 22) nlage 19 Antwort es Staatsministers Bernd Neumann auf die Fragen der bgeordneten Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN) (Drucksache 17/83, Fragen 31 und 32): Wie plant die Bundesregierung auf die Bundesländer zu- zugehen, um für die Zukunft sicherzustellen, dass insbeson- dere im gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rund- funk die Staatsferne oberstes Gebot ist? Welche sind die zu erwartenden Schritte der Bundesregie- rung, um zu gewährleisten, dass sich in Zukunft keine Vertre- ter der Exekutive mehr in den Gremien des öffentlich-recht- lichen Rundfunks befinden, vor dem Hintergrund, dass am 24. November 2009 der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim Otto, erklärte, Ministerpräsidenten und Vertreter der Exeku- tive nicht in den Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben zu wollen? u Frage 31: Die Gesetzgebungskompetenz für den öffentlich- echtlichen Rundfunk in Deutschland liegt ausschließ- ich bei den Ländern. Die Bundesregierung sieht vor die- em Hintergrund keinen Anlass, tätig zu werden; zudem eht sie davon aus, dass die Länder ihrer besonderen erantwortung gerecht werden. u Frage 32: Die Zusammensetzung der Gremien des öffentlich- echtlichen Rundfunks in Deutschland fällt in die Ge- etzgebungskompetenz der Länder. Sie ist in Staatsver- rägen bzw. Errichtungsgesetzen für Landesrundfunkan- talten geregelt. Die Bundesregierung hat für diese ragen keine Zuständigkeit. nlage 20 Antwort es Staatsministers Bernd Neumann auf die Fragen der bgeordneten Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) (Drucksa- he 17/83, Fragen 33 und 34): Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 725 (A) (C) (B) ) Wie bewertet die Bundesregierung die Versuche, den vom Intendanten des ZDF in seiner originären Aufgabe vorzu- schlagenden Chefredakteur wegen der in den Medien und von 35 Staatsrechtlern vertretenen Einschätzung aus dem Amt zu entfernen? Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass es sich hier um eine offensichtliche Verletzung der im Grundgesetz garantierten Rundfunkfreiheit und der Garantie der Staatsfrei- heit des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems handelt, und welche Maßnahmen wird sie zur Wahrung der Verfassungs- grundsätze ergreifen? Verfahren und Entscheidungen der Gremien des ZDF sind interne Angelegenheiten dieser Rundfunkanstalt. Die Gremien basieren auf dem ZDF-Staatsvertrag; er ist die von den Ministerpräsidenten der 16 Länder beschlos- sene und von den Länderparlamenten ratifizierte Rechts- grundlage des ZDF. Die Landesregierungen wachen über die ordnungsgemäße Durchführung der Bestimmungen des Staatsvertrages. Sie üben diese Befugnis durch eine sene und von den Länderparlamenten ratifizierte Rechts- grundlage des ZDF. Die Landesregierungen wachen über die ordnungsgemäße Durchführung der Bestimmungen des Staatsvertrages. Sie üben diese Befugnis durch eine Landesregierung in zweijährigem Wechsel aus. Gegen- wärtig liegt die Rechtsaufsicht beim Land Sachsen- Anhalt. Die Bundesregierung sieht vor diesem Hinter- grund von einer Bewertung ab. Anlage 22 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Fragen der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/83, Fragen 37 und 38): Landesregierung in zweijährigem Wechsel aus. Gegen- wärtig liegt die Rechtsaufsicht beim Land Sachsen- Anhalt. Die Bundesregierung sieht vor diesem Hinter- grund von einer Bewertung ab. Anlage 21 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Fragen des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksache 17/83, Fragen 35 und 36): Wie bewertet die Bundesregierung die Entscheidung des ZDF-Verwaltungsrates zum Vorschlag des ZDF-Intendanten, den derzeitigen ZDF-Chefredakteur erneut zu berufen, und die sich daraus ergebenden Konsequenzen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die offen- sichtlich parteipolitisch motivierten Bestrebungen und Ein- flussnahmen des hessischen Ministerpräsidenten und anderer führender Unionspolitiker auf die Berufung bzw. Nichtverlän- gerung des Vertrages des bisherigen Chefredakteurs erhebli- che Konsequenzen mit Blick auf die Rundfunkfreiheit und die Unabhängigkeit des ZDF und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben, und wie will sie diesen „Kollateralschä- den“ begegnen? Verfahren und Entscheidungen der Gremien des ZDF sind interne Angelegenheiten dieser Rundfunkanstalt. Die Gremien basieren auf dem ZDF-Staatsvertrag; er ist die von den Ministerpräsidenten der 16 Länder beschlos- s D d s g d d L w h v (D Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der ZDF- Staatsvertrag gegen Art. 5 des Grundgesetzes, der aus Sicht des Bundesverfassungsgerichtes nach ständiger Rechtspre- chung die Staatsfreiheit des Rundfunks gebietet, verstößt, weil er eine politische Einflussnahme wie im Fall der Verlän- gerung des Vertrags des ZDF-Chefredakteurs auf die gebotene Staatsferne des Rundfunks ermöglicht, und, wenn ja, welche Maßnahmen schlägt die Bundesregierung vor, um die Staats- ferne des Rundfunks in Zukunft zu gewährleisten? Wie wertet die Bundesregierung das Vorgehen des Vizevor- sitzenden des ZDF-Verwaltungsrates, Roland Koch, bezüglich der Verlängerung des Vertrags des Chefredakteurs Nikolaus Brender, wo es doch in der Zusammenfassung des Medien- und Kommunikationsberichts der Bundesregierung 2008 heißt: „Dreh- und Angelpunkt eines anspruchsvollen Angebots in al- len Medienbereichen ist und bleibt der Qualitätsjournalismus, der ohne Unabhängigkeit von ökonomischen, politischen und weltanschaulichen Interessen Dritter undenkbar ist“? Verfahren und Entscheidungen der Gremien des ZDF ind interne Angelegenheiten dieser Rundfunkanstalt. ie Gremien basieren auf dem ZDF-Staatsvertrag; er ist ie von den Ministerpräsidenten der 16 Länder beschlos- ene und von den Länderparlamenten ratifizierte Rechts- rundlage des ZDF. Die Landesregierungen wachen über ie ordnungsgemäße Durchführung der Bestimmungen es Staatsvertrages. Sie üben diese Befugnis durch eine andesregierung in zweijährigem Wechsel aus. Gegen- ärtig liegt die Rechtsaufsicht beim Land Sachsen-An- alt. Die Bundesregierung sieht vor diesem Hintergrund on einer Bewertung ab. 9. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700900000

Guten Morgen! Die Sitzung ist eröffnet.

Ich begrüße Sie herzlich, liebe Kolleginnen und
Kollegen! Bevor wir in unsere Tagesordnung eintreten,
möchte ich unserem Alterspräsidenten Heinz
Riesenhuber zu seinem 74. Geburtstag gratulieren, den
er am Dienstag dieser Woche begangen hat, und dazu
alle guten Wünsche des ganzen Hauses übermitteln.


(Beifall)


Gemäß § 93 b Abs. 8 unserer Geschäftsordnung sind
auf Vorschlag der Fraktionen deutsche Mitglieder des
Europäischen Parlaments zu berufen, die an den Sitzun-
gen des Ausschusses für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union teilnehmen können. Anzahl und Vertei-
lung dieser Sitze sind in unserer Geschäftsordnung nicht
festgelegt und müssen folglich nach Wahlen zum Euro-
paparlament oder zum Deutschen Bundestag neu festge-
legt werden. Die Fraktionen haben sich auf insgesamt
16 mitwirkungsberechtigte Mitglieder des Europäischen
Parlaments verständigt. Davon entfallen auf die CDU/
CSU sieben, auf die SPD vier, auf die FDP und auf
Bündnis 90/Die Grünen jeweils zwei sowie auf Die
Linke ein Mitglied. Sind Sie damit einverstanden? – Das
ist offenkundig der Fall. Dann können wir so verfahren.

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Redet
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbun-
dene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste auf-
geführten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Durchwinken des SWIFT-Abkommens durch
die Bundesregierung und Umgehung des Eu-
ropäischen Parlaments

(siehe 8. Sitzung)


ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Andreas
Jung (Konstanz), Marie-Luise Dött, Dr. Christian
Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Michael Kau
Leibrecht, Horst Meierhofer, weiterer
neter und der Fraktion der FDP

(C (D ng 3. Dezember 2009 1 Uhr Für ein wirksames und faires globales Klimaschutzabkommen in Kopenhagen – Drucksache 17/100 – P 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Bildungsproteste nicht aussitzen – Hochschulgipfel vorziehen P 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Swen Schulz, Katja Mast, Olaf Scholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Durch Vorrang für Anerkennung Integration stärken – Anerkennungsgesetz für ausländische Abschlüsse vorlegen – Drucksache 17/108 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so ext weit erforderlich, abgewichen werden. Die Tagesordnungspunkte 4 a, 5 b und 17 werden abgesetzt. Darf ich zu diesen Veränderungen Einvernehmen feststellen? – Das ist offenkundig der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 2 sowie die Tagesordnungspunkte 4 b bis 4 d auf: ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Andreas Jung Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion /CSU r Abgeordneten Michael Kauch, Harald t, Horst Meierhofer, weiterer Abgeord d der Fraktion der FDP ch, Harald Abgeord der CDU sowie de Leibrech neter un 590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 Präsident Dr. Norbert Lammert Für ein wirksames und faires globales Klimaschutzabkommen in Kopenhagen – Drucksache 17/100 – 4 b)


(A) )


(B) )


Die Klimakonferenz in Kopenhagen zum Er-
folg führen – Deutschlands und Europas Vor-
reiterrolle nutzen und stärken

– Drucksache 17/105 –

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Eva
Bulling-Schröter, Dr. Barbara Höll, Dorothee
Menzner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Kehrtwende beim globalen Klimaschutz auf
UN-Gipfel in Kopenhagen

– Drucksache 17/115 –

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Hermann Ott, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Kopenhagen mit verbindlichen und ambitio-
nierten Klimaschutzzielen zum Auftakt einer
globalen ökologischen Modernisierung ma-
chen

– Drucksache 17/120 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache neunzig Minuten vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Bundesminister für Umwelt, Dr. Norbert
Röttgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Heute sind es nur noch wenige Tage bis zur Welt-
klimakonferenz in Kopenhagen, auf der die Weichen für
die nächsten Jahrzehnte gestellt werden. Es geht bei den
Beratungen auf der Konferenz um unsere Art, zu leben.
Es geht um Überleben. Es geht um unsere Art, zu wirt-
schaften. Es geht um Technologie und Wohlstandssiche-
rung. Es geht auch um Sicherheit. Weil es um all diese
Güter, um all diese Lebensziele geht, bin ich davon über-
zeugt – ich möchte dieses auch hier wiederholen –, dass
es zum Erfolg dieser Konferenz aus der Sache heraus
keine Alternative gibt. Wir alle sind verpflichtet, dieser
Konferenz zum Erfolg zu verhelfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Für Meldungen oder Meinungsbekundungen, in de-
nen von einem Scheitern der Konferenz die Rede ist und
in denen die Überlegung „Es muss ja nicht klappen; wir
können es auch vertagen oder später fortsetzen“ geäußert
wird, hatte und habe ich kein Verständnis. Ich freue mich
darüber, dass inzwischen die Verhandlungen eine ge-

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(C (D isse Dynamik entwickelt haben und der Erfolgswille ller Verhandlungspartner sichtbar ist. Diese Entwickung kann man im Zeitraum zwischen der Debatte zur egierungserklärung, die wir hier geführt haben, und der iskussion, die wir heute, wenige Tage vor Konferenzeginn, führen, feststellen. Wir Deutsche, wir Europäer ießen uns von Diskussionen über das Scheitern der onferenz sowieso nicht anstecken, sondern Deutsch and und Europa sind im Hinblick auf diese internatioale Entwicklung und Politikgestaltung Vorreiter. Da wir gestern auch im Europaausschuss eine Debatte azu geführt haben, was mich sehr gefreut hat, möchte ch diese Gelegenheit zu folgender Randbemerkung nuten: Im Bereich des Klimaschutzes zeigen wir Europäer, as wir leisten können, wenn wir eine gemeinsame Ge taltungsidee haben und nach außen geschlossen dafür intreten. Europa kann sehr viel. Es ist sehr schön, dass uropa auch zeigt, was es kann, gerade beim Klimachutz. Inzwischen haben alle Weltregionen und großen Läner ihre Zahlen auf den Tisch gelegt. Brasilien, Korea, apan und Südafrika haben durchaus ambitionierte Kliaziele formuliert. Daran wird deutlich, dass Europa icht mehr die einzige Region der Welt ist, die ambitioiert ist und etwas erreichen will, sondern dass die Treier dieser Entwicklung aus allen Weltregionen kommen nd dass sich diese Entwicklung zunehmend zu einem lobalen Prozess und Trend verdichtet. Auch China und die USA haben ihre Zahlen auf den isch gelegt. Die USA haben angekündigt, ihren CO2usstoß im Vergleich zum Jahr 2005 um 17 Prozent zu eduzieren. Das internationale Referenzjahr ist 1990. enn man die Ankündigung der USA, eine Reduzierung es CO2-Ausstoßes in Höhe von 17 Prozent im Vergleich u 2005 vorzunehmen, mit der entsprechenden Zahl im eferenzjahr 1990 ins Verhältnis setzt, dann schmelzen ie genannten 17 Prozent auf 4 Prozent zusammen. Das st ein wichtiger Bestandteil unserer Bewertung. Man uss allerdings auch die andere Seite der Medaille berachten: Erstens muss man, so glaube ich, akzeptieren, dass ie amerikanische Regierung nicht acht Jahre einer Adinistration, in der der Klimaschutz keine Rolle gespielt at, rückgängig machen kann. Die USA starten später. ir sind schon länger dabei; nebenbei bemerkt: auch zu nserem Vorteil. Zweitens muss man zur Kenntnis nehmen, dass die SA in den letzten Jahren unser Tempo der Reduzierung es CO2-Ausstoßes schon erreicht haben und sich vorgeommen haben, in den Jahren nach 2020 sogar schneller u werden als wir, um am Ende auch die gleichen Ziele ie wir zu erreichen. Damit will ich nicht beschönigen, dass in den USA ach der bisherigen Ankündigung immer noch weniger eleistet wird, als bis zum Jahre 2020 notwendig wäre. ch möchte nur darauf hinweisen, dass auch in den USA ine Trendumkehr stattgefunden hat. Es wird dort nicht ehr über eine Ausweitung oder Beibehaltung des Sta Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 591 Bundesminister Dr. Norbert Röttgen tus quo, sondern es wird erstmalig über eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes gesprochen. Dass es dazu kommen wird, dass die USA, wenn sie ein paar Jahre Zeit gewonnen haben, massiv Energietechnologie und sonstige Technologie für den Klimaschutz einsetzen werden, darüber sollten wir uns im Klaren sein. Diesen Trend sollten wir zur Kenntnis nehmen, sowohl als Herausforderung für uns als auch als Zeichen der Entschlossenheit der USA. Ähnliches gilt für China, das Klimaziele vorgelegt hat, bei denen sie ganz sicher noch etwas drauflegen können, auch drauflegen müssen. Die chinesische Innenpolitik sieht allerdings Klimaschutz, CO2-Reduzierung, ja sogar eine gewisse Entkopplung von Wachstum – zu diesem Ziel bekennt sich China weiterhin nachdrücklich – und Energieund Ressourcenverbrauch ausdrücklich vor. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass dies ein Teil der wirtschaftspolitischen Strategie im nächsten Fünfjahresplan der Chinesen sein wird, dass sie also klarmachen werden, wohin die Reise in China geht, und dass sie dies mit den Mitteln einer autoritären Regierungsform per Kommando durchsetzen werden. Ich betone das, um zu zeigen, wie der globale Entwicklungstrend läuft, dass er noch nicht am Ziel ist, dass es Dynamik gibt, aber auch, dass der Prozess kein Selbstläufer ist. Ich schildere diesen Prozess, um eine kritische Frage, die in diesem Zusammenhang immer wieder eine Rolle spielt und die ich in meinen ersten Wochen als Umweltminister immer wieder gehört habe, hier ausdrücklich zu benennen. Sie lautet: Können wir es uns als Industrieland Deutschland leisten, konsequenten ambitionierten Klimaschutz zu betreiben? Mit dieser Frage bin ich immer wieder konfrontiert worden, und darum möchte ich sie hier beantworten, und zwar, indem ich sage, dass ich schon die Fragestellung für falsch halte. Ich möchte an die Stelle dieser Frage die aus meiner Sicht richtige Frage stellen. Sie lautet: Könnten wir es uns überhaupt leisten, auf konsequenten ambitionierten Klimaschutz zu verzichten? Die Antwort auf diese Frage ist: Nein, wir können es uns nicht leisten, auf Klimaschutz zu verzichten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(A) )


(B) )


Dafür gibt es mehrere Begründungen. Ich möchte
mich auf einen Begründungspfeiler, von dem ich glaube,
dass wir ihn auch in der Vermittlung und Kommunika-
tion neben anderen Begründungspfeilern noch ausbauen
müssen, stützen. Der Begründungspfeiler für meine
These, dass wir es uns nicht leisten können, auf Klima-
schutz zu verzichten, besteht darin, dass es sich beim
Klimaschutz um ein ökonomisches und technologi-
sches Wettrennen handelt. Warum ist der Klimaschutz
ökonomisch wie technologisch ein Wettrennen, ein
Wettbewerb? Das ist deshalb so, weil bis 2050 – das ist
der Zeithorizont, über den wir reden – auf der Welt über
2 Milliarden Menschen mehr leben werden. All diese
Menschen erstreben und ersehnen, so zu leben, wie Nord-
amerikaner und Westeuropäer heute leben. Mit diesem
Bevölkerungswachstum und der Entwicklungsrichtung,

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(C (D ie diese Menschen für sich persönlich haben, ist zwinend ein enormer Anstieg der Nachfrage nach Energie nd knappen Ressourcen verbunden. Mit einer solchen normen Nachfragesteigerung nach den endlichen, nappen Gütern Energie und Ressourcen würde zwinend verbunden sein, dass die Preise ebenso wie unsere bhängigkeit bei der Ressourcenbeschaffung immer eiter steigen würden. Auf den Zusammenhang von immer weiter steigender achfrage nach Energie und Ressourcen und der nappheit und Endlichkeit von Energie und Res ourcen gibt es zwei falsche Antworten und eine richige. Die einen sagen: Augen zu! Wir können es uns nicht eisten, diesen Langfristhorizont zugrunde zu legen. – ch halte das für verantwortungslos. Die anderen sagen: Wenn das die Entwicklung ist, ann müssen wir uns zurückentwickeln, dann müssen ir Verzicht üben, dann müssen wir sozusagen vorindus riell leben, wenn wir vorindustrielle Temperaturen wieer erreichen wollen. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass beide ntworten falsch sind. Ich glaube, der Schlüssel zur ichtigen Antwort liegt in der Technologie. Energietechologie ist das, was wir brauchen. Der Schlüssel zur ichtigen Antwort lautet: Ökonomische Modernisieung und technologische Innovation sind der Weg, wie ir Wohlstand erreichen, wie wir Wachstum erreichen nd gleichzeitig ressourcenschonend wirtschaften und eben. Das ist der Zusammenhang, den wir wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


amit ist ausdrücklich verbunden, zu sagen: Wir wollen
achstum. Beim Klimaschutz geht es um die Sicherung

es Wohlstands. Wir wollen Industrieland bleiben, wir
ollen nicht deindustrialisieren. Das sind unsere Ziele.
eil das unsere Ziele sind, müssen wir die Wege be-

chreiben, wie wir unsere Vorstellung von Wachstum un-
er den Bedingungen des Klimaschutzes erreichen wol-
en und können.

Ich glaube, dass die Vorstellung von Wachstum, die
ir im 21. Jahrhundert haben müssen, nicht mehr die
orstellung von Wachstum der 70er-Jahre des letzten
ahrhunderts sein kann. Es geht nicht um das Wachstum
on Zahlen, um quantitatives Wachstum, sondern die
ufgabe liegt darin, dass wir das von uns gewollte
achstum von steigendem Energie- und Ressourcenver-

rauch entkoppeln, sodass wir auf der einen Seite zähl-
ares Wachstum und auf der anderen Seite einen sinken-
en Energie- und Ressourcenverbrauch haben. Die
ntkopplung von Wirtschaftswachstum und Ener-
ie- und Ressourcenverbrauch ist die Bedingung da-
ür, dass wir in einer Zeit von 9 Milliarden Menschen,
ie auf uns zukommt, unser eigenes Wachstum über-
aupt erleben, ja, sogar überleben. Also Entkopplung
on Wachstum und Ressourcenverbrauch!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
Der Weg, ein solches Wachstum zu erreichen, ist der
Einsatz von Energietechnologie. Durch die ökonomi-
sche Modernisierung, die mit Klimaschutz einhergeht
und die wir mit Klimaschutz offensiv angehen, und
durch den Einsatz von Technologien erzeugen wir neue
Märkte. Diejenigen, die dies anbieten, werden die Ex-
portweltmeister der Zukunft sein. Diejenigen, die darin
investieren, werden die Technologieführer der Zukunft
sein. Dort entstehen Märkte – schon heute. Dort entsteht
Beschäftigung – schon heute. Dort gibt es Wachstumsra-
ten wie in kaum einem anderen Bereich – schon heute.
Und all dies erst recht in der Zukunft! Weil das so ist, ist
das Projekt Klimaschutz kein gegen die Wirtschaft ge-
richtetes Projekt, sondern es ist mit einem Strukturwan-
del und einem wirtschaftlichen Modernisierungsprozess
verbunden, im Zuge dessen darüber entschieden wird, ob
wir unser Leben auch in Zukunft noch mit Lebensquali-
tät und in Wohlstand bestreiten können. Es ist kein Ge-
gensatz, sondern die ökologische und die ökonomische
Herausforderung fallen zusammen. Die Klimakonfe-
renz in Kopenhagen ist in diesem Sinne zugleich auch
die wichtigste Wirtschaftskonferenz unserer Zeit, weil es
genau darum geht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es geht um Rettung, es geht um Abwehr katastrophaler
Folgen, wie wir sie in der Kapital- und Finanzmarktkrise
erlebt haben.

Meine Damen und Herren, ich möchte für mich hier
bekunden, dass ich im Bewusstsein nach Kopenhagen
reise, dass es um diese Rettung geht, und dass uns allen
klar ist, dass wir viel zu verlieren haben. Ich bin aber
noch mehr überzeugt davon, dass wir, wenn wir diesen
Prozess erfolgreich offensiv angehen, viel zu gewinnen
haben, nämlich eine lebenswerte Zukunft für unsere
Kinder. Darum geht es. Ich glaube, das verbindet uns,
und darum sollten wir uns alle wechselseitig Erfolg in
Kopenhagen wünschen.

Herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700900100

Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Frank-Walter

Steinmeier für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD):
Rede ID: ID1700900200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Welt schaut in der Tat in diesen Tagen nach
Kopenhagen – zu Recht. Dort geht es nämlich nicht nur
um Konferenzen und Kommuniqués, sondern dort geht
es auch um Überlebensfragen der Menschheit. Insofern
haben Sie recht, Herr Röttgen.

Gerade deshalb wird in Kopenhagen auch sehr darauf
geschaut werden, was wir in Deutschland tun. Wir sind
nämlich in Kopenhagen nicht irgendwer. Auch unsere
klimapolitische Glaubwürdigkeit steht dort auf dem

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(C (D piel. Diese Glaubwürdigkeit dürfen wir in Kopenhagen icht verspielen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Viele freuen sich – Sie haben das gesagt, Herr
öttgen –, manche ärgert das auch, aber wir, Deutsch-

and, sind in der Tat Vorreiter beim Klimaschutz. Das
st das Ergebnis – das will ich auch offen sagen – einer
lima- und Umweltpolitik, für die viele in diesem Ho-
en Haus jahrelang gestritten haben,


(Beifall der Abg. Elke Ferner [SPD])


ie aber von der jetzigen Regierungskoalition und von
ielen, die ihr angehören, erbittert bekämpft worden ist.
ch erinnere an die Stichworte Atomausstieg, Ökosteuer,


(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])


rneuerbare-Energien-Gesetz, Energieeinsparverord-
ung und Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung. Das alles
urde bekämpft, und zwar überwiegend von Union und
DP.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, niemandem ist es verbo-
en, über die Jahre klüger zu werden. Im Gegenteil,
enn das passiert, freue ich mich darüber, ist das gut.


(Zuruf von der FDP: Wir auch!)


ir vergessen aber nicht – und auch die Öffentlichkeit
ird das nicht vergessen –, dass viele von Ihnen alle vor-
in genannten Instrumente über viele Jahre hinweg be-
ämpft haben und dass es der Sozialdemokratie in der
roßen Koalition geschuldet gewesen ist, dass die Kanz-

erin während unserer EU-Präsidentschaft als Klima-
anzlerin nach Europa fahren konnte.


(Beifall bei der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind nicht nachtragend. Auch das gehört dazu.
ch freue mich, dass Herr Röttgen als Nachfolger von
errn Gabriel sogar seine Sprache benutzt. Vor kurzem
abe ich gelesen, dass er vom Klimaschutz als Impulsge-
er für ökonomische Modernisierung gesprochen hat.
as kam uns bekannt vor.

Schön wäre es aber auch – das will ich Ihnen ganz
erne sagen –, wenn Sie nach den vielen Jahren, in de-
en wir über den richtigen Klimaschutz und über die
ichtige Energiepolitik gestritten haben, erstens sagen
ürden, dass Sie auf dem falschen Dampfer gewesen

ind, und wenn Sie zweitens – auch das habe ich in der
ede von Herrn Röttgen vermisst – endlich konkret wer-
en würden; denn die Wahrheit ist konkret, auch im Kli-
aschutz.


(Beifall bei der SPD)


Noch schöner wäre es, wenn sich die konkrete Wahr-
eit auch im Koalitionsvertrag niedergeschlagen hätte.
ie 1 Milliarde Euro, die Sie mindestens brauchen, um
en Hoteliers ein bisschen entgegenzukommen, hätten
ie besser für die Energieforschung ausgegeben. Das

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 593


(A) )



(B) )


Dr. Frank-Walter Steinmeier
hätte Wachstum generiert. Das wäre Vorsorge für die Zu-
kunft gewesen, aber nicht diese lächerlichen Steuersen-
kungen für Hoteliers. Das ist eine Verschwendung von
Haushaltsmitteln. Das nutzt nichts.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Am allerschönsten wäre es natürlich, wenn Ihre Poli-
tik nicht nur einen grünen Anstrich hätte, sondern wenn
sie auch in der Substanz grün wäre; denn das allein be-
stimmt Glaubwürdigkeit. Was heißt es denn, wenn Sie
jetzt den Atomausstieg infrage stellen und den Ausstieg
aus dem Atomausstieg planen? Sie wissen doch genauso
gut wie wir und beobachten es genauso wie wir – es findet
ja jetzt schon statt –, dass sich in den Vorstandsetagen
der deutschen Energieversorger der eine oder andere
schon wieder zurücklehnt. Durch die Diskussion über
die Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken
verlieren wir wertvolle Zeit, die wir zum Ausbau der er-
neuerbaren Energien benötigen. Damit setzen wir unse-
ren technologischen Vorsprung aufs Spiel. Das ist der
falsche Weg. Das ist energiepolitisch, das ist klima-
schutzpolitisch der Holzweg. Diesen Weg werden wir
nicht mitgehen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD)


Wie steht es weiter um die Glaubwürdigkeit der Ko-
alition, wenn sie – wie ich gelesen habe – im Vergabe-
recht ökologische Standards als vergabefremd tilgen
will, wenn dies sozusagen dem Bürokratieabbau geop-
fert werden soll? Die Möglichkeit, staatliche Nachfrage
in Höhe von 50 Milliarden Euro im Jahr ökologisch ein-
zusetzen und damit auch klimaschutzpolitisch vieles zu
bewegen, fällt auf diese Weise weg. Diese Spielräume
hat die Politik dann nicht mehr. Mit dem, was Sie im Ko-
alitionsvertrag vereinbart haben, bewegen Sie am Ende
nichts.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich rede über Glaubwürdigkeit und werfe einen Blick
auf das von Union und FDP regierte Nordrhein-Westfa-
len, das jetzt gerade im Landesentwicklungsplan offen-
bar sämtliche Klimaschutzauflagen tilgt. In Ihrer Koali-
tionsvereinbarung heißt es – ich zitiere, weil wir das
richtig finden –:

Der Klimaschutz ist weltweit die herausragende
umweltpolitische Herausforderung unserer Zeit.

Ja, richtig. Aber das gilt offensichtlich nicht in Nord-
rhein-Westfalen, wo CDU und FDP regieren. Dort fallen
Handeln und Reden offenbar weit auseinander, und das
schadet unserer Glaubwürdigkeit. Denn auch das wird in
Kopenhagen beobachtet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Am Ende bleibt es dabei: Der Erfolg von Kopenhagen
– damit haben Sie recht, Herr Röttgen – steht und fällt mit
der Bereitschaft vor allen Dingen der Industrienationen,
ihren angemessenen Beitrag zur Reduzierung der Treib-
hausgasemissionen zu leisten, und zwar nicht nur mit

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(C (D ernen Versprechungen für 2050, sondern vor allen Dinen auch mit konkreten Vereinbarungen bezogen auf 020. Die Europäische Union ist gut beraten, an ihrem Ziel iner 30-prozentigen Reduzierung der Treibhausgasmissionen festzuhalten, und wir sind gut beraten, die on uns auf nationaler Ebene angestrebten 40 Prozent eizubehalten. Dafür hat Sigmar Gabriel seinerzeit als mweltminister das Programm und die entsprechenden esetzgebungsvorhaben vorgelegt. Aber jenseits der 0 Prozent auf europäischer und der 40 Prozent auf natioaler Ebene besteht die Aufgabe der internationalen taatengemeinschaft jetzt vor allen Dingen darin, Länern wie den Vereinigten Staaten, Japan und Kanada eutlich zu machen, dass sie sich aus ihrer Verpflichtung icht verabschieden können. Es ist richtig: Obama ist im Vergleich zu seinen Vorängern einen sehr mutigen Schritt gegangen: 17 Proent Reduktion. So etwas haben wir von der Bush-Reierung in den früheren Jahren in der Tat nicht gehört. ir wissen aber alle miteinander, dass das am Ende icht ausreichen wird, um in Kopenhagen eine anpruchsvolle Gesamtvereinbarung zustande zu bringen. eshalb müssen die Vereinigten Staaten auf dem Weg ach Kopenhagen mutiger werden und sich auch in Koenhagen noch ein Stück bewegen. Unsere Rolle gegenber den USA muss die des Ermutigers sein, Frau Buneskanzlerin, Herr Röttgen. Das erwarten wir von Ihnen. Die Welt wartet auf ein verbindliches Abkommen in openhagen. Sie erwartet keine Rote-Teppiche-Show und eine leeren Worthülsen. Das kann nur gelingen – damit ommen wir zum entscheidenden Punkt –, wenn wir in openhagen viel über das Klima reden, aber auch über eld, und zwar vor allen Dingen – das betone ich – über usätzliches Geld für die Entwicklungsländer. Wenn ch „zusätzlich“ sage, dann meine ich das auch so. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall bei der SPD)


ehmen wir das ernst! Die Entwicklungsländer müssen
ich doch betrogen fühlen, wenn die Industriestaaten auf
er einen Seite Mittel für den internationalen Klima-
chutz anbieten, aber auf der anderen Seite ankündigen,
m Gegenzug weniger für die Armutsbekämpfung, die
ekämpfung von Krankheiten wie Aids und anderes
ehr tun zu können. Das Ausspielen von Armut auf der

inen Seite gegen Klimaschutz auf der anderen Seite
arf es nicht geben. Dafür darf Deutschland nicht die
and reichen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das hat nationale Folgen. Es bedeutet, dass wir die
innahmen aus dem Emissionshandel nicht irgendwo

m Haushalt zur allgemeinen Haushaltsdeckung ver-
chwinden lassen dürfen. Wir haben in unserer Regie-
ungszeit – auch in der Großen Koalition – dafür ge-
orgt, dass die Einnahmen aus dem Emissionshandel

594 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Dr. Frank-Walter Steinmeier
ausschließlich dem Klimaschutz zugutekommen. Das
galt bisher. Wir – aber nicht nur wir, sondern auch die
Öffentlichkeit – werden Sie, die Bundesregierung, daran
messen, ob Sie diese Standards halten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auf die Folgen der Steuerpolitik werde ich jetzt
nicht eingehen. Dazu besteht diese Woche im Deut-
schen Bundestag noch viel Gelegenheit. Aber diese
Steuerpolitik – insbesondere der mit dieser Steuersen-
kungspolitik einhergehende staatliche Einnahmever-
zicht – hat auch Folgen für die Möglichkeiten im Klima-
schutz. Denn wir müssen uns fragen – und wir werden
alle miteinander gefragt werden –, woher die Milliarden
für den internationalen Waldschutz und für die Entwick-
lungsländer kommen sollen. Die Menschen ahnen doch:
Aus Steuersenkungen kann das jedenfalls nicht finan-
ziert werden. Über eine höhere Neuverschuldung wer-
den Sie das sicherlich auch nicht finanzieren wollen.

Ich will damit sagen: Man kann diese Fragen nicht
beantworten, ohne ein klares und deutliches Wort zu den
internationalen Finanzierungsinstrumenten zu sa-
gen. Das war der Grund dafür, weshalb ich bereits im
März gemeinsam mit Peer Steinbrück gesagt habe: Wir
brauchen internationale Finanzierungsinstrumente. Wir
brauchen eine internationale Finanzmarktsteuer.


(Beifall bei der SPD)


Wir haben zu Recht Milliarden in die Stabilisierung der
internationalen Finanzmärkte gesteckt. Es gab viel öf-
fentliche Kritik. Aber das war notwendig, um nicht noch
mehr zusammenbrechen zu lassen. Wenn das richtig war,
dann ist es genauso richtig, dass die internationalen Fi-
nanzmärkte jetzt ihren Beitrag zur Finanzierung der Zu-
kunftsaufgaben leisten müssen. Die Finanzmärkte profi-
tieren wie kaum ein anderer von der Globalisierung.
Deshalb: Sorgen wir dafür – an die Regierung gerichtet:
Sorgen Sie dafür –, dass sich die Finanzmärkte dieser
Verantwortung nicht entziehen. Auch wenn es scheinbar
nicht hier hingehört, weil es in den G-20-Rahmen passt;
wir werden Sie unterstützen, Frau Merkel, dass aus dem
Prüfauftrag der G 20 zur Einführung einer internationa-
len Finanzmarktsteuer endlich ein Beschluss der G 20
wird. Ohne den, befürchte ich, hängen viele anspruchs-
volle Ziele, die in Kopenhagen vereinbart werden, in der
Luft. Das darf nicht das Ergebnis von Kopenhagen sein.
Im Übrigen haben Sie, Frau Merkel und Herr Röttgen,
für anspruchsvolle Ziele die Unterstützung der SPD-
Fraktion.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700900300

Michael Kauch ist der nächste Redner für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Klima chutz kostet Geld. Kein Klimaschutz kostet mehr Geld. ünftige Generationen werden uns daran messen, wel he ökologische und ökonomische Erblast wir ihnen hinerlassen. Aus Verantwortung für kommende Generatioen macht diese Koalition, macht die FDP Ernst mit iner ambitionierten Klimaschutzpolitik. 80 bis 95 Proent CO2-Einsparung bis 2050 in den Industriestaaten nd ohne Wenn und Aber 40 Prozent bis 2020 in eutschland, das ist ein klares Signal für Kopenhagen. as ist mehr als jemals eine Regierung in Deutschland eschlossen hat. ie Wirtschaftskrise ist kein Argument für weniger Kliaschutz. Sie ist ein Argument für besseren Klima chutz, für einen Klimaschutz, der ökologische Ziele zu öglichst niedrigen Kosten erreicht. Deshalb will die DP, deshalb will diese Koalition mehr marktwirtchaftliche Instrumente im Klimaschutz nutzen. Desalb stehen wir zum Emissionshandel als zentralem Intrument des Klimaschutzes. Wir wollen ihn zu einem lobalen Kohlenstoffmarkt ausbauen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1700900400

(Beifall bei der FDP)


Klimaschutz ist auch ein Weg heraus aus der Wirt-
chaftskrise; denn er ist Motor für neue Technologien.

ir Liberale und diese Koalition wollen eine Innova-
ionsstrategie für unsere Energieversorgung. Wir werden
en Weg in das Zeitalter erneuerbarer Energien beschrei-
en. Deshalb, Herr Steinbrück, Entschuldigung, Herr
teinmeier – ich habe mich versprochen, weil man das,
as Herr Steinmeier gesagt hat, an dem messen muss,
as Herr Steinbrück als Finanzminister gemacht hat –,


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


erden wir morgen im Deutschen Bundestag im Wachs-
umsbeschleunigungsgesetz zwei Maßnahmen zurück-
ehmen, die Ihr Finanzminister initiiert hat, nämlich im-
er höhere Steuern für die Biokraftstoffe und immer
ehr Eingriffe in die Investitionsbedingungen für erneu-

rbare Energien. Die Fraktion eines ehemaligen Bundes-
inanzministers, der die Abwrackprämie zu verantwor-
en hat, sollte sich hier nicht hinstellen und die neue
egierung im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit ihrer
kologischen Politik angreifen.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Da bin ich mal gespannt, wie die CDU/CSU klatschen wird! – Beifall bei der FDP – Sigmar Gabriel [SPD], an die CDU/CSU gewandt: Mensch, Herr Kauder, warum habt ihr eben nicht geklatscht?)


Klimaschutz funktioniert nur global, und er ist nur
irksam, wenn die wichtigsten Wirtschaftsnationen die-

er Erde mehr abliefern als bisher. Auch im Hinblick auf
errn Obama muss man deutlich sagen: Wer Führung im
limaschutz, wer Führung in der globalen Politik ver-

angt und einfordert, der muss selbst vorangehen. Das,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 595


(A) )



(B) )


Michael Kauch
was die USA auf den Tisch legen, ist bemerkenswert und
deutlich mehr als das, was die Vorgängerregierung im-
mer zugestanden hat; aber es reicht bei Weitem nicht
aus. Deshalb sind wir erfreut, dass die USA den Weg ge-
meinsam mit uns gehen wollen, aber wir denken, dass
die USA mehr leisten können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deutschland bekennt sich zum Prinzip der gemeinsa-
men, aber differenzierten Verantwortung. Die Schwel-
lenländer tragen immer noch weniger Verantwortung
für die Erwärmung dieser Welt, aber sie werden in Zu-
kunft immer mehr Verantwortung tragen, und deshalb
werden auch sie mehr Beiträge zum Klimaschutzabkom-
men in Kopenhagen leisten müssen. Deshalb ist es eine
schlechte Nachricht, dass China, Brasilien, Indien und
Südafrika gestern eine Erklärung abgegeben haben, dass
sie nicht zum 2-Grad-Ziel stehen. Das steht im Wider-
spruch zu dem, was wir auch auf der Ebene der G 20
vereinbart haben. Das muss die deutsche Bundesregie-
rung gemeinsam mit der Europäischen Union angehen.
Wir brauchen eine faire Lastenverteilung im Interesse
der Wettbewerbsgleichheit in der Welt, aber auch im
Blick auf die Enkelgenerationen der Länder, die sich
heute noch als Entwicklungsländer bezeichnen.

Der Antrag, den CDU/CSU und FDP heute vorgelegt
haben, gibt ein starkes Signal für internationale Verant-
wortung und internationale Solidarität. Wir bekennen
uns klar dazu, dass wir längerfristig eine Angleichung
der Pro-Kopf-Emissionen in der Welt brauchen. Mehr
als 2 Tonnen pro Jahr und Kopf der Weltbevölkerung
hält dieser Planet im Jahr 2050 nicht aus. Der Clean-De-
velopment-Mechanismus ist einer der Schlüssel, dieses
Ziel zu erreichen. Er ermöglicht es uns, Klimaschutz-
ziele kostengünstiger zu erreichen. Dieser Ansatz ist ei-
ner der wesentlichen Unterschiede in den Klimaschutz-
anträgen, die heute hier in diesem Haus vorliegen. Ich
sage ganz klar: Wenn die Linken beispielsweise auf Aus-
landsinvestitionen in den Klimaschutz nach 2012 kom-
plett verzichten wollen, dann haben sie den globalen
Charakter des Klimaschutzproblems nicht erkannt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir, FDP und Union, wollen nicht weniger, sondern wir
wollen mehr Auslandsprojekte für den Klimaschutz.
Aber klar ist dabei auch: Das darf nicht zu Klimadum-
ping führen. Deshalb muss sichergestellt werden, dass
diese Projekte immer nur zusätzlich zu dem erfolgen,
was die Schwellen- und Entwicklungsländer als Eigen-
beiträge in Kopenhagen vereinbaren werden. Für die Zu-
kunft muss auch Missbrauch ausgeschlossen werden.
Deshalb müssen diese Projekte besser geprüft werden.
Wir haben in der letzten Wahlperiode fraktionsübergrei-
fend dazu Vorschläge für die Verhandlungen in Kopen-
hagen gemacht. Wir freuen uns, dass die Bundesregie-
rung zugesagt hat, genau diese Punkte in die
Verhandlungen einzubringen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU])


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(C (D Die Koalition bekennt sich zur internationalen Verntwortung, und dazu gehört die Finanzierung von aldschutz, von Technologietransfer und von Anpas ungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern. Um es öglichen Kritikern deutlich zu sagen: Das kostet viel eld, aber es liegt im nationalen Interesse der Bundesreublik Deutschland, dass wir die Schwellenund Enticklungsländer ins Boot bekommen. Wenn wir alles as, was in den Entwicklungsländern gemacht werden oll, national machen wollten, dann würde es viel teurer. eshalb hat diese Koalition im Koalitionsvertrag vereinart – Herr Steinmeier, ich empfehle Ihnen, das einmal achzulesen –, dass wir 50 Prozent der Versteigerungseröse aus dem Emissionshandel nach 2013 vorrangig für nternationale Projekte einsetzen wollen. Damit hat die oalition Vorsorge für die Vereinbarungen getroffen, die ir in Kopenhagen treffen werden. Das ist seriöse und orausschauende Finanzpolitik. (Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Dafür ist diese Koalition ja auch bekannt!)


Ich freue mich, dass diese Koalition einen großen
ert auf den Schutz der internationalen Regenwälder

egt. Das ist ein bisher völlig vernachlässigtes Feld der
limaschutzpolitik,


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vor allem von der FDP!)


nd deshalb freue ich mich, dass insbesondere der neue
ntwicklungsminister Dirk Niebel einen ganz klaren
kzent setzen wird.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)


ch glaube, dass die Klimaschutzpolitik stärker als bisher
ls Querschnittsaufgabe dieser Regierung verstanden
ird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700900500

Die Kollegin Eva Bulling-Schröter ist die nächste

ednerin für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700900600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

issen es: Das Eis der Arktis ist dünner als je zuvor. Die
letscher schmelzen immer schneller. In Afrika gehen
anze Ernten verloren, weil nach der Aussaat der Regen
usbleibt. Der Klimawandel ist nicht mehr nur Zukunft,
ondern längst Realität, und sie wird noch grausamer,
enn wir nicht endlich handeln.


(Beifall bei der LINKEN)


Noch mehr Flüchtlingsströme und neue Konflikte,
twa um Boden oder Wasser, stehen vor der Tür. 42 In-

596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



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Eva Bulling-Schröter
selstaaten sind gar vom völligen Untergang bedroht. All
das wissen wir, und trotzdem reagieren die maßgeblich
Verantwortlichen in einer merkwürdigen Mischung aus
Trägheit, Opportunismus und Klientelpolitik, wehren
sich die Energie- und Automobilkonzerne mit Händen
und Füßen dagegen, zukunftsfähige Konzepte zu entwi-
ckeln; es könnte ja sein, dass ihre Profite kurzfristig zu-
sammensacken.

Derweil läuft uns die Zeit davon. Um das 2-Grad-
Ziel wenigstens mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei
Dritteln zu erreichen, muss nach neuesten Studien der
Peak, also der Höhepunkt der globalen Treibhausgas-
emissionen, bis 2011 überwunden werden. Dann müss-
ten sie allerdings um 3,7 Prozent pro Jahr sinken. Das ist
sehr ambitioniert, aber nicht undenkbar, wenn die Sache
erst einmal Fahrt aufgenommen hat.

Schafft die Weltgemeinschaft die Wende dagegen erst
2020, so wie es die Koalition in ihrem Antrag anvisiert,
so müssten die Emissionen global jährlich um giganti-
sche 9 Prozent vermindert werden. Das scheint jedoch
nach allen Erfahrungen der Wirtschaftsgeschichte kaum
machbar. Für Deutschland liegt die Rate im Schnitt der
letzten Jahre unter 1 Prozent. Der Zeitfaktor wird im
Kampf gegen die Erderwärmung also immer mehr zur
zentralen Herausforderung. Diese kann allerdings ge-
meistert werden, wenn der politische Wille da ist. So-
wohl die technisch-technologischen als auch die finan-
ziellen Mittel dafür sind heute schon vorhanden.

Nehmen wir die aktuelle Studie der Universität Stan-
ford, nach der eine praktisch emissionsfreie Energiever-
sorgung weltweit bereits 2030 möglich wäre, und zwar
zu bezahlbaren Preisen. Herr Fell hat gestern im Aus-
schuss einen schönen Vergleich aus dieser Arbeit zitiert:
Windkraft würde nach der Fotovoltaik Platz zwei bei der
Versorgung einnehmen. Dafür wären 3,8 Millionen
Windkrafträder notwendig. Das klingt natürlich viel, ist
aber wenig; denn jährlich werden weltweit fast 20-mal
so viele Autos hergestellt, nämlich 72 Millionen.

Nicht nur angesichts dessen sind die Ziele der EU
und auch Deutschlands deutlich zu niedrig. Das Stock-
holm Environment Institute kommt in einer Studie im
Auftrag des BUND zum Ergebnis, die EU könnte bis
2020 gegenüber 1990 ihren Treibhausgasausstoß um
40 Prozent reduzieren, bis 2050 um 90 Prozent. Jetzt
kommt’s: das alles ohne die unverantwortliche Atom-
energie oder die fragwürdige Verpressung von CO2 im
Untergrund.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Werte decken sich mit den Forderungen der
Linken. Für Deutschland muss bis 2020 unserer Auffas-
sung nach eine Halbierung möglich sein; denn wir haben
die „Wallfall-Profits“ eingefahren, sprich: die geschenk-
ten Emissionsminderungen durch die Deindustrialisie-
rung der DDR.

Es geht mir hier nicht um einen Wettbewerb darum,
wer sich die höchsten Ziele setzt. Wir haben uns einfach
zu viel Zeit gelassen. Das gilt für viele Industriestaaten,
an der Spitze die USA, aber auch Deutschland, jeden-

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(C (D alls wenn man zugrunde legt, was möglich gewesen äre. Die verschiedenen Bundesregierungen haben hier ulande viel zu lange eine Politik pro Kohle, pro Auto nd pro Großkonzerne betrieben, und sie betreiben sie eiter. Die Erfolgsstory der erneuerbaren Energien kann das ur zum Teil wettmachen. Würde man die Menge an ohlendioxid, die noch halbwegs klimaverträglich emit iert werden darf, gerecht auf die Menschen dieser Welt erteilen – das wurde schon angesprochen –, so dürften ie Deutschen nur noch zehn Jahre so weiterwirtschafen. Dann wäre unser Budget aufgebraucht. Deshalb müssen wir schnell aus der Kohle heraus. ierzulande dürfen natürlich auch keine neuen Kohleraftwerke gebaut werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


udem brauchen wir eine neue Mobilität jenseits des be-
errschenden Autos.

Das alles muss kommen; denn mit der Physik kann
an keine Kompromisse schließen. Es geht um nicht
eniger als um die vollständige Dekarbonisierung, also
ullemissionen, unserer Volkswirtschaft bis zur Mitte
es Jahrhunderts.

Die vielleicht 5 Prozent Treibhausgase, die dann noch
egenüber dem heutigen Ausstoß übrig bleiben dürfen,
önnen wir für unser Energiesystem getrost vergessen.
iese brauchen wir für industrielle Anwendungen, in de-
en Emissionen unvermeidlich sind.

Fassen wir kurz zusammen:

Erstens. Praktisch keinerlei Treibhausgasemissionen
ehr in wenigen Jahrzehnten.

Zweitens. Verlieren wir global noch mehr als fünf
ahre Zeit, haben wir das Erdklima verzockt.

Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich alle begriffen
aben, die an wichtigen Stellschrauben sitzen. Das soge-
annte Liberale Institut der FDP-nahen Friedrich-
aumann-Stiftung hat ja sogar für morgen die Speerspit-

en der deutschen und internationalen Klimawandel-
eugner nach Berlin eingeladen. Dort dürfen sich die
eilnehmer dann von Fred Singer aus den USA anhören,
arum der Klimawandel nicht vom Menschen gemacht

st. Zuvor hat der Mann der Welt schon erklärt, warum
CKWs ungefährlich für die Ozonschicht sind und auch
arum Passivrauchen kein Problem für die Lunge ist.


(Ulrich Kelber [SPD]: Die haben halt eine Vorliebe für Putschisten! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die Erde ist eine Scheibe!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden beim
ampf gegen die Erderwärmung von einer technologi-

chen Revolution, die der Einführung der Dampfma-
chine oder der Mikroelektronik in nichts nachsteht. Ge-
au wie damals wird dieser Prozess gravierende
uswirkungen auf die Ökonomie und auf soziale Pro-

esse haben. Denn es wird Gewinner- und Verliererbran-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 597


(A) )



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Eva Bulling-Schröter
chen geben. Dahinter stehen jeweils Zehntausende von
Beschäftigten, und die erwarten natürlich etwas, die wol-
len nicht arbeitslos werden.

In diesem Zusammenhang ist es allerdings eine Illu-
sion, zu glauben, Arbeitsplätze entstehen immer am glei-
chen Ort und annähernd zeitgleich dort, wo andere weg-
fallen. Es geht also um eine soziale Abfederung des
ökologischen Umbaus, um Qualifikation und anderes
mehr. Das ist dringend notwendig.


(Beifall bei der LINKEN)


Für all das brauchen wir Geld, Geld, das die Bundes-
regierung gerade verschenkt, weil sie beispielsweise den
Energieversorgern die Emissionszertifikate kostenlos
überlässt. Sie hat es auch verschleudert, als sie mit der
Abwrackprämie für 3 Milliarden Euro Autos gefördert
hat, die nicht nur nicht wettbewerbsfähig, sondern die
schlicht auch nicht zukunftsfähig sind. Sie haben das ja
nicht einmal an den CO2-Ausstoß gebunden. Das wäre ja
das Mindeste gewesen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sozial und ökologisch dagegen wäre gewesen, den
Nahverkehr und die Bahn auszubauen. Schließlich sind
die CO2-Emissionen des Verkehrs in den 27 EU-Staaten
zwischen 1990 und 2005 um sage und schreibe 33 Pro-
zent gestiegen, allerdings nicht durch die Bahn, die sin-
kende Emissionen hat, sondern durch den Straßen-,
Flug- und Seeverkehr.

Jetzt zurück zu Kopenhagen. Einig sind wir uns hier
im Hause darin, dass die Konferenz am besten mit einem
Abkommen, nach Lage der Dinge aber mindestens mit
einem verbindlichen Beschluss zu Ende gehen muss.
Spätestens bis zum Sommer muss dann der ratifizie-
rungsfähige Rechtstext stehen. Auf der Grundlage des
2-Grad-Zieles müssen in Kopenhagen Beschlüsse über
die Emissionsziele für Industriestaaten und Schwellen-
länder gefasst werden.

Es muss verbindliche Zusagen in Bezug auf den
Technologie- und Finanztransfer aus den Industriestaa-
ten in die Entwicklungsländer geben. Es geht hierbei
um einen globalen Deal: Der Norden muss den Süden
dafür bezahlen, dass dieser weniger ausstößt, als bei un-
gebremster Entwicklung wahrscheinlich wäre. Dafür ge-
winnen wir hier im Norden, die wir in den letzten
100 Jahren die Atmosphäre mit Klimakillern vollge-
pumpt haben, etwas Zeit, um den Strukturwandel sozial
abfedern zu können. Es geht also nicht um Almosen an
die Entwicklungsländer. Schließlich bläst Texas noch
heute so viel Treibhausgase in die Luft wie ganz Afrika.
Auch Europa ist nicht viel besser.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Brandenburg!)


Es geht vielmehr um eine gerechte Lastenverteilung und
darum, dass Entwicklungsländer mithilfe der Industrie-
staaten die fossile Phase in ihrem Energiesystem über-
springen oder wenigstens schnell hinter sich lassen kön-
nen.

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(C (D Da der Klimawandel bereits voranschreitet, müssten ir den Ländern im Süden auch jene Anpassungskosten rstatten, die den Menschen durch Überflutung, Versalung der Böden usw. entstehen. Es muss unser Eigennteresse sein, Anreize dafür zu schaffen, dass die letzten roßen Wälder dieser Erde nicht für immer verschwinen, allerdings nicht durch den Emissionshandel – hier ind wir uns mit Herrn Minister Röttgen einig –, sondern ber internationale Fonds. Denn sonst bedeutet ein vor bholzung bewahrter Wald in Brasilien oder Indonesien utomatisch ein Kohlekraftwerk mehr in Deutschland der Italien. Für all dies fordern die großen Umweltund Entwickungsorganisationen von den Industrieländern bis 2020 nsteigend rund 110 Milliarden Euro jährlich. Das untertützen wir. Wir wollen im Gegensatz zur Koalition, dass ieses Geld zusätzlich zur Verfügung gestellt wird. Die U und die Bundesregierung wollen, dass etwa ein Drit el dieses Geldes vom Süden selbst aufgebracht wird. Ich age Ihnen: Das ist zynisch! Zudem soll ein weiteres rittel aus der Ausweitung der Kohlenstoffmärkte komen – Stichwort: CDM, vermeintliche Klimaschutzpro ekte in den Entwicklungsländern, für die sich der Noren CO2-Zertifikate gutschreiben lässt. Wir wissen, dass ier mit faulen Zertifikaten getrickst wird. Momentan ind weltweit so viele Zertifikate angemeldet, dass man amit in Deutschland die achtfache Menge CO2 ausstoen dürfte. Wir sind gegen diesen Missbrauch; wir lehen das ab. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


er CDM soll 2012 auslaufen. Der Technologietransfer
oll über Fonds finanziert werden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700900700

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Redezeit.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700900800

Letzter Satz. – Die Linke fordert: Realer Umwelt- und

limaschutz zu Hause


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Brandenburg! – Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Natürlich auch in Brandenburg!)


nd kein windiges Freikaufen irgendwo in der Welt!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700900900

Das Wort erhält nun die Kollegin Renate Künast,

ündnis 90/Die Grünen.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700901000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Um-

eltminister, ich will mir einmal ein Lob abringen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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Renate Künast
– Man soll ja ungewöhnlich beginnen. – Zu Ihrer Rede
möchte ich sagen: Sie haben hier heute schön gespro-
chen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Jetzt bin ich mit dem Lob schon fertig und muss zum
nächsten Teil kommen. Ihre Rede hatte zwischen den
Zeilen leider kein Fleisch an den Knochen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Eines muss man klar sagen: Eine erfolgreiche Konferenz
in Kopenhagen wird es nur geben, wenn die historischen
Verursacher des Klimawandels sich bewegen und in Vor-
leistung treten, wenn sie jetzt zum Beispiel ohne Vorbe-
dingung konkrete Zusagen für die Finanzierung der Ent-
wicklungsländer machen. An dieser Stelle hat Sie der
Mut verlassen. Wir brauchen aber keine Philosophen,
sondern Menschen, die wirklich bereit sind, etwas zu
verändern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ihre Rede blieb immer noch in der miserablen Strate-
gie des Taktierens. Man nennt das Verhandlungsmikado,
nach dem Motto: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.
Dieses Mikadoverhalten, Herr Röttgen, passt nicht dazu,
dass Sie mit Ihrer Rede das große Ziel des Klimaschut-
zes beschwören wollten. Wie ist es mit den konkreten Fi-
nanzzusagen, dass ab 2020 110 Milliarden Euro von der
internationalen Gemeinschaft und 35 Milliarden von der
EU bereitgestellt werden? Warum haben Sie hier nicht
gesagt: „Deutschland ist ohne Wenn und Aber bereit,
dieses Verhandlungsmikado zu durchbrechen und tat-
sächlich Vorleistungen für die Entwicklungsländer, an-
gefangen bei 7 Milliarden Euro und sich steigernd auf
10 Milliarden Euro, zu erbringen“? Dazu gab es von Ih-
nen kein Wort.

Es gab heute auch kein Wort von Ihnen dazu, ob Eu-
ropa ohne Vorbedingungen zu einer Reduktion der CO2-
Emissionen um 30 Prozent und Deutschland um
40 Prozent bereit sind. Kein Wort von Ihnen dazu, ob Sie
entsprechende Zusagen machen wollen. Kein Wort von
Ihnen dazu, ob zusätzliche Mittel vielleicht einfach
trickreich in der Entwicklungshilfe untergebracht wer-
den. Kein Wort von Ihnen dazu, dass es die Bereitschaft
gibt, klimaschädliche Subventionen abzubauen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Kein Wort von Ihnen dazu, dass zusätzliche Mittel bei-
spielsweise zum Schutz der Tropenwälder zur Verfü-
gung gestellt werden. – Was Sie gesagt haben, waren al-
les schöne Worte, aber keine konkrete Antwort auf die
Frage: Wie können wir eigentlich die Ziele erreichen, die
wir uns für 2020 oder 2050 vorgenommen haben?

Sie haben wohlklingende Worte über die ökologische
Modernisierung dieses Landes gesprochen. Sie haben
über nachhaltiges Wirtschaften und Wachstum geredet.

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(C (D ber bei genauem Lesen Ihrer Texte, Herr Röttgen, fällt ir eines auf: Sie wollen zwar kein Wachstum wie frü er, aber Sie erklären nicht, dass Sie dafür sorgen wolen, dass wir in Zukunft anders leben, anders wohnen, nders produzieren und anders transportieren. Sie bereifen Klimaschutztechnologie nur als Zusatz nach dem otto: Da China, Indien und die USA in diesen Bereich nvestieren und daher auf diesem Feld wachsen, machen ir da auch etwas. Wir wollen uns im Wettbewerb nicht berholen lassen. – Aber das ist zu wenig. Wer wirklich em Klimawandel entgegenwirken will, muss für eine ndere Wirtschaftsweise sorgen und kann nicht an die lte Wachstumsphilosophie andocken. Man muss die O2-freie Gesellschaft auch bauen wollen, Herr Röttgen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU)


Ja, so ist der Fachausdruck, Herr Vaatz. – Man muss
iese Gesellschaft bauen wollen und darf nicht daran
ängen, die alten Strukturen zu erhalten.

Wenn ich mich frage, ob Sie eigentlich glaubwürdig
ind, dann fällt mir als Erstes Herr Hennenhöfer ein.
err Hennenhöfer ist das beste Beispiel für das Verhält-
is von Ihren wohlklingenden Worten zu Ihren Taten.
nstatt jemanden auf diese Stelle zu setzen, der einmal

twas anderes will, werden jetzt AKW-Betreiber zur
tomaufsicht gemacht. Ansonsten machen Sie jede Art
on Klientelpolitik. Anstatt ökologisch zu modernisie-
en, machen Sie faktisch business as usual.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


as ist immer noch die klassische Industriepolitik, und
iese finanzieren Sie.

Fragen wir doch mal ab, wo tatsächlich die Neuaus-
ichtung der Energiepolitik auf erneuerbare Energien
nd Effizienz zu finden ist. Sie können gerne darüber
iskutieren, was da zusätzlich gemacht werden kann.
ber ich bitte Sie, einmal ganz klar zu sagen: Wir bauen
eine neuen Kohlekraftwerke, keine CO2-Schleudern
it miserabler alter Technik, sondern wir geben jetzt er-

euerbaren Energien, Energieeffizienz und -einsparun-
en den Vorrang. – Das haben Sie hier nicht gemacht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn Sie die Gesellschaft wirklich umbauen und an-
ers wirtschaften wollen, dann sorgen Sie doch dafür,
ass wir einen aussagekräftigen Energieausweis für den
ebäudebestand bekommen. Sorgen Sie doch dafür,
ass für technische Geräte wie Kühlschränke die A++-
ennzeichnungen aussagekräftig sind und nicht ein La-
el auf dem Gerät klebt, das vor zwei Jahren mit alter
echnologie erlangt wurde. Dann sorgen Sie dafür, dass
O2 eingespart wird, indem wir ein Tempolimit auf der
utobahn implementieren und indem wir dem Bahnver-
ehr als ökologischem Verkehr einer integrierten Mobili-
ät den absoluten Vorrang geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 599


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Renate Künast
Das wäre der Weg zu einem ganz anders definierten
Wachstum. Da reicht mir nicht, dass hier und da über
Elektromobilität gesprochen wird und der Bundesver-
kehrsminister ein paar Modellregionen einrichtet.

Angesichts der Rede von Herrn Röttgen stelle ich mir
die Frage: Wie sollen wir denn zu den Zielen kommen,
die Sie beschrieben haben? Herr Röttgen macht den
Guru der grünen Marktwirtschaft, Herr Brüderle ist der
Wächter der alten Deutschland AG. Daran schließt sich
für mich die Frage an: Herr Röttgen, sind Sie nur dazu
da, schöne Reden zu halten, oder sind Sie dazu da, wirk-
lich etwas zu verändern? Die Frage, die nicht nur mich
in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigt: Sind
Sie derjenige, der Sie vorgeben zu sein, oder sind Sie am
Ende nur ein Frühstücksdirektor, wobei die Entscheidun-
gen andere auf der Basis der guten alten Industriepolitik
und gegen den Klimaschutz treffen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Röttgen, wir brauchen keine erneute Absichts-
erklärung. Wir wollen keine Verlängerung der Absichts-
erklärung von Rio. Wir wollen auch keine Wiederholung
der Vereinbarungen von Heiligendamm. Methode
Merkel ist: zuerst die Erwartungen kleinreden, dann den
Minimalkonsens schlucken und schließlich das Ergebnis
als grandiosen Erfolg verkaufen. Jetzt ist die Zeit reif für
Taten, Herr Röttgen. Sie selber haben gesagt, man fahre
zwecks Rettung nach Kopenhagen. Ich sage Ihnen: Ko-
penhagen ist heute und hier. Ihre Rede war zwar schön;
aber Sie hatten weder den Mut noch hat Sie die Emphase
gepackt, tatsächlich mit der Rettung zu beginnen. Es war
eine dünne Rede. Sie sind nicht in Vorleistung getreten.
So werden wir weder unsere Wirtschaft modernisieren
und ökologisieren noch das Weltklima retten. Das war zu
dünn.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700901100

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Christian Ruck

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1700901200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der

letzten Woche haben die Potsdamer Klimaforscher die
neuesten Ergebnisse präsentiert. Diese lassen die Klima-
problematik noch viel dramatischer erscheinen. Die
Treibhausgasemissionen nehmen plötzlich stärker zu.
Gletscher, Eiskappen, Eisdecke – all das schmilzt
schneller. Der Anstieg der Meeresspiegel wurde bisher
unterschätzt. Vor diesem Hintergrund wird die Konfe-
renz in Kopenhagen sicher zu einem historischen Da-
tum, verbunden mit der Frage: Haben wir Menschen die
Fähigkeit und auch die politischen Strukturen, um in ab-
sehbarer Zeit den ökologisch bedingten Zusammenbruch
von Zivilisationen in weiten Teilen der Welt zu verhin-
dern?

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(C (D Auch wenn wir in Kopenhagen vielleicht kein völkerechtsverbindliches Abkommen zustande bekommen, uss es zu einem politischen Durchbruch mit entschei enden Eckpunkten kommen. Diese Eckpunkte lauten: rstens internationale Anerkennung des 2-Grad-Zieles, weitens ausreichende Minderungsziele für die Industrieänder, drittens ausreichende Beiträge der Entwicklungsänder und der Schwellenländer, viertens konkrete ilfszusagen der Industrieländer und schließlich ein ransparentes, effizientes Umsetzungsund Überwahungssystem. Das muss das Ziel der Konferenz von openhagen sein. Die Union steht zu dem ehrgeizigen Angebot der EU. ie steht zu dem ehrgeizigen Angebot der Bundesregieung, bis 2020 eine CO2-Reduktion um 40 Prozent hereizuführen. Wir stehen hinter der Verhandlungsdelegaion der Bundesregierung und hinter Bundeskanzlerin erkel. Es wäre gut, wenn auch das gesamte Haus der elegation Rückendeckung aussprechen würde, statt ich im kleinkarierten Hü und Hott zu verlieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Sagen Sie doch mal etwas zu den ODA-Mitteln!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Steinmeier, Sie haben gefragt: Wo bleibt das
onkrete? Ich möchte Sie herzlich bitten, sich unseren

ehr detaillierten Antrag anzuschauen. Ich finde es trau-
ig, dass Sie das nicht vorher getan haben. Dann hätten
ie das, was Sie gesagt haben, nicht sagen können. Erst
nter dem Lichte dessen, was Sie gesagt haben, wird mir
lar, warum Schröder bei Gazprom und Fischer bei
WE gelandet sind. Das ist für mich der Marsch durch
ie Instanzen für eine bessere Klimapolitik. Anders kön-
en sie das nicht gemeint haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Sagen Sie noch etwas zu den ODA-Mitteln? Das ist doch Ihr neuer Zuständigkeitsbereich!)


Ich möchte vier konkrete Punkte nennen, die im Rah-
en der Jahrhundertaufgabe, die im Hinblick auf die
onferenz in Kopenhagen und die Zeit danach vor uns

teht, für mich wichtig sind.

Erstens. Der Bundesumweltminister hat völlig zu
echt ausgeführt, dass wir nicht nur über die Kosten
essen, was wir zu schultern haben, reden müssen, son-
ern dass es darum geht, die Chance zu erkennen und zu
utzen und unsere exportabhängige Volkswirtschaft zu
odernisieren. Die Programme zur Gebäudesanierung

ühren nicht nur zur Einsparung von CO2, sondern sie
chaffen auch Arbeitsplätze und machen uns weniger
mportabhängig. Neue Technologien im Bereich der er-
euerbaren Energien, der CO2-Abscheidung, der Elek-
romobilität und der Solarkraftwerke lassen uns nicht nur
ie CO2-Ziele erreichen, sondern sind auch ein Quanten-
prung für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volks-
irtschaft. Dabei geht es, liebe Frau Künast, auch um
as, was die Grünen immer propagiert haben: um quali-
atives Wachstum, und zwar nicht als Randerscheinung,

600 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Dr. Christian Ruck
sondern als tiefgreifende Modernisierung unserer Volks-
wirtschaft.

Dazu aber – das sage ich ausdrücklich an Sie gerichtet –
müssen auch die Grünen zu irgendeiner Art von Infra-
struktur bereit sein. Man kann nicht sagen, man wolle
die Volkswirtschaft modernisieren, und zugleich auf jede
Pipeline und neue Kraftwerke verzichten. In diesem
Punkt müssen Sie sich bewegen. Wir werden diese Aus-
einandersetzung in den Diskussionen der kommenden
Jahre führen, Frau Künast. Welche Pipelines dürfen wir
Ihrer Meinung nach denn bauen?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bauen wir doch Volkskraftwerke! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genehmigen Sie in Bayern doch mal ein paar Windparks! Wie wäre es denn damit?)


Zweitens. Die Zusammenarbeit mit den Entwick-
lungs- und Schwellenländern ist in der Tat von ent-
scheidender Bedeutung. Das Desaster des Klimawandels
spielt sich vor allem in den Entwicklungsländern ab, mit
unabsehbaren Folgen auch für unsere Wirtschaft und für
unsere Sicherheit. Deswegen ist es nicht nur ein Akt der
humanitären Verantwortung, wenn wir diesen Ländern
helfen; es geht auch um unsere Verantwortung gegen-
über den eigenen Bürgern. Wir haben hier alle Möglich-
keiten dieser Welt: beim Technologietransfer mit dem
Ziel der Abkoppelung von Wirtschaftswachstum und
Energieverbrauch, beim Aufbau eigener wissenschaftli-
cher Kapazitäten und eigener nachhaltiger Produktions-
stätten, durch eine vernünftigere Landnutzung und ein
besseres Landnutzungsmanagement, aber auch – in die-
sem Punkt warne ich vor Blauäugigkeit – beim Einfor-
dern sozialer, wirtschaftlicher und politischer Reformen.

Drittens. Das gilt auch für den Waldschutz. Herr
Trittin, wir haben in Den Haag bitter darüber gestritten,
ob und wie wir den Waldschutz honorieren sollten. Seit
dieser Zeit ist der Tropenwald weiter geschrumpft und
damit die als CO2-Senke anrechenbare Fläche, die wir
dringend benötigen, aber auch die tropische Schatzkam-
mer der Welt. Dank Angela Merkel sind wir Vorreiter im
Tropenwaldschutz, aber wir brauchen mehr Verbündete,
die auch gegenüber den Menschen in den Entwicklungs-
ländern die Leistungen des Waldes für die Welt besser
honorieren. Das ist die einzige Chance, diese Schatz-
kammern und damit auch die CO2-Senken über die Zeit
zu retten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700901300

Herr Kollege, ich mache beim Stichwort „Zeit“ da-

rauf aufmerksam, dass die Zeit leider auch für die Be-
wirtschaftung unserer Redezeiten ein gewisses Maß an
Verbindlichkeit beansprucht.


Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1700901400

Deswegen komme ich zum berühmten letzten Satz.


(Ulrich Kelber [SPD]: Hoffentlich auch zu den ODA-Mitteln!)




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(C (D Lesen Sie bitte unseren Antrag. (Ulrich Kelber [SPD]: Das ist da das Erschreckende!)


Es ist unbedingt notwendig, dass die internationale
nterstützung auch ankommt und dass die Mittel effi-

ient eingesetzt werden. Wir brauchen keine neue UN-
uperbürokratie und auch keine Blankoschecks. Wir
rauchen aber die Beteiligung beispielsweise unserer be-
ährten NGOs und unserer Durchführungsorganisa-

ionen bei der Verteilung der Mittel. Die finanziellen
ittel, die wir generieren müssen, müssen wirklich da

nkommen, wo sie gebraucht und effizient eingesetzt
erden; sonst werden wir das Problem, vor dem wir ste-
en, nicht lösen können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700901500

Der Kollege Kelber ist der nächste Redner für die

PD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1700901600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Der Kern des Problems, über das wir sprechen, ist
o einfach wie erschreckend: Die Maßnahmen zur Be-
ämpfung des Klimawandels halten nicht Schritt mit der
rkenntnis über die Gefahren der globalen Erwärmung.

Die Industriestaaten belauern sich gegenseitig. Man
at Angst, bei den Verhandlungen seine Ausgangsposi-
ion zu verschlechtern, wenn man konkrete Maßnahmen
eschließt, sich zu konkreten Minderungszielen ver-
flichtet oder – eine kleine Ausnahme ist hier die Euro-
äische Union – konkrete Finanzierungszusagen macht.
ie Schwellenländer beobachten dies und nehmen im-
er mehr zur Kenntnis, dass sie Angst haben müssen,

ass ihnen die gleiche Entwicklung wie in den Industrie-
ändern verwehrt wird, was teilweise als ein Trick der In-
ustrieländer angesehen wird. Die Entwicklungsländer
tehen daneben und staunen: Sie, die nichts zum Klima-
andel beigetragen haben, sollen jetzt verpflichtet wer-
en, das Problem mit zu lösen, unter dem sie als Erste
eiden. Dann lesen sie auch noch, dass die Mittel für den
limaschutz die Mittel für Armutsbekämpfung be-
renzen sollen.

Wir erleben, dass Lobbyisten weiter ihr Geld mit Ge-
chäftspraktiken verdienen wollen, die dem Klima scha-
en, und damit doppelt rücksichtslos vorgehen: zum ei-
en rücksichtslos gegenüber kommenden Generationen,
ie weniger an Lebensqualität haben werden und die
osten für das zu tragen haben, was schon heute an
chäden vorhanden ist, und zum anderen rücksichtslos
egenüber anderen Weltregionen. Vorhin ist das Beispiel
on Texas und Afrika genannt worden. Leider ist das
eispiel auch für Deutschland passend: 1 Milliarde Afri-
aner verursacht weniger Treibhausgasemissionen als
0 Millionen Deutsche. – Das zeigt die Dimension, über
ie wir uns unterhalten.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 601


(A) )



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Ulrich Kelber
Die Stärke Deutschlands in der internationalen Kli-
maschutzdiplomatie lag darin, dass wir in diesem Parla-
ment mehr und mehr zu einem gleichen Problembe-
wusstsein gefunden haben und dass wir mehr und mehr
zu einer gemeinsamen Erkenntnis über die Zielsetzun-
gen, die notwendig sind, um das Problem in den Griff zu
bekommen, gekommen sind. Diese breiten Mehrheiten
gab es nicht von Anfang an. Aber dass wir jetzt als Ziel
festgelegt haben, die CO2-Emissionen um 40 Prozent zu
senken, zeigt die Stärke Deutschlands. Das würde auch
anderen Ländern guttun.

Wir haben trotz des Streits über die unterschiedlichen
Sichtweisen erste Maßnahmen ergriffen und erste inter-
nationale Finanzverpflichtungen übernommen. Ergeb-
nisse dessen waren der Technologievorsprung – das war
gut für uns – und die Glaubwürdigkeit in der internatio-
nalen Klimaschutzdiplomatie. Das hat es ermöglicht, mit
den Entwicklungs- und Schwellenländern zu sprechen.
Genau diese beiden Dinge aber, Technologievorsprung
und Glaubwürdigkeit, sind jetzt in Gefahr. Das sagt Ih-
nen nicht nur die Opposition im Bundestag. Das hat im
letzten Monat der Rat für Nachhaltigkeit der Bundes-
regierung konstatiert.

Ich will das an dem Beispiel der technologischen
Führerschaft deutlich machen. Wir hatten in einer natio-
nalen Nachhaltigkeitsstrategie vereinbart, die deutsche
Energieproduktivität, die Energieeffizienz und die -ein-
sparung jährlich um 3 Prozent zu steigern. In Ihrem Ko-
alitionsvertrag haben Sie vereinbart, von diesem Ziel ab-
zurücken und sich mit dem zu begnügen, was uns die EU
als Minimum vorschreibt. Das ist der Punkt: Sie stutzen
Deutschlands Technologieführerschaft an dieser Stelle
auf Mittelmaß. Das verspielt Glaubwürdigkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Schlimmer ist aber, was mit der Zusage von interna-
tionalen Finanzmitteln zur Bekämpfung von Armut und
zur Bekämpfung des Klimawandels passiert. Das muss
man hier öffentlich sagen. Wir haben einen Minister für
wirtschaftliche Zusammenarbeit, der dieses Ministe-
rium eigentlich abschaffen wollte. Dann ist er aber Mi-
nister dieses Ministeriums geworden. Seine erste Maß-
nahme war, überschriftenheischend zu sagen: Die
technische Zusammenarbeit mit den Schwellenländern,
mit denen ich in Kopenhagen ein Abkommen schließen
will, kündige ich auf.


(Zuruf von der SPD: Grandiose Leistung!)


Gestern zieht er den Antrag der Koalition mit zurück und
präsentiert einen neuen, und zwar, wie wir gehört haben,
mit seiner Handschrift – das ist vorhin von Rednern der
Koalition gesagt worden –, in dem steht, dass die Mittel
für den Klimaschutz bei der Bekämpfung der Armut den
ärmsten Ländern abgezogen werden. Nichts anderes
heißt das, wenn die Mittel für den Klimaschutz der
ODA-Quote zugerechnet werden. Dieses Geld nehmen
Sie den Ärmsten weg. Das macht der Minister für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit. Das ist eine Schande für
Deutschland.

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(C (D (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schade, dass die Bundeskanzlerin nicht mehr da ist.
ie hat am 30. Januar 2009 in einer Rede das Gegenteil
ersprochen. Sie hat gesagt: Wir wollen diese Zusagen
inhalten. Wir wollen Enttäuschungen in den Ländern
ermeiden, „denen wir mit unseren Millenniumszielen
iele Versprechungen und Zusagen gemacht haben“.
iese Zusage wird heute, wenn dieser Antrag eine
ehrheit bekommt, gebrochen.

Sie haben etwas anderes versprochen. Sie haben im
ioto-Protokoll zugesagt, neue und zusätzliche Mittel

ür den Klimaschutz zur Verfügung zu stellen, und zwar
icht durch Abzug von Mitteln aus der Entwicklungszu-
ammenarbeit. In diesem konkreten Teil handeln Sie
alsch, Herr Minister Röttgen. Da hat Ihnen Herr Niebel
ie klimapolitischen Hosen heruntergezogen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Das ist ein gefährliches Signal für Kopenhagen. Das
st ein klarer Bruch des Versprechens gegenüber den
rmsten dieser Welt. Ich fordere Sie auf, heute wenigs-

ens diesen Punkt aus Ihrem Antrag zu streichen. Sie
erabschieden sich von dem Konsens, der in diesem Par-
ament und in der deutschen Gesellschaft über viele
ahre galt. Sie brechen Ihre Versprechen, die Sie noch
or wenigen Monaten der ganzen Welt laut verkündet
aben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700901700

Das Wort erhält nun der Bundesminister für wirt-

chaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk
iebel.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
ammenarbeit und Entwicklung:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Lieber Herr Kelber, vielen Dank für die nette
orlage. Ich kann Ihnen versichern, dass das gesamte
abinett die Hosen anlassen wird.

Wir alle wissen, dass der Klimaschutz eine globale
erausforderung ist, und wir wissen vor allen Dingen

uch, dass insbesondere die Entwicklungsländer betrof-
en sind. Klimaschutz und Entwicklungszusammenar-
eit sind überhaupt nicht voneinander zu trennen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist eine Binsenweisheit!)


eides sind integrale Bestandteile der Aufgaben, die
iese Bundesregierung zu leisten hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Und deswegen verringern Sie die Geldmenge!)


602 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



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Bundesminister Dirk Niebel
Die Entwicklungsländer sind mehrfach betroffen,
weil sie am meisten unter dem Klimawandel zu leiden
haben, obwohl sie am wenigsten dazu beigetragen ha-
ben, und weil von heute bis zum Jahr 2050 90 Prozent
der zusätzlichen Emissionen in Entwicklungs- und
Schwellenländern ausgestoßen werden. Deswegen ist
die Entwicklungszusammenarbeit eine Frage der Zu-
kunft der Weltbevölkerung. Ich glaube, dass man zur
Kenntnis nehmen muss, dass selbst die komplette Re-
duktion der Treibhausgasemissionen in den Industrie-
staaten nicht dazu führen würde, das 2-Grad-Ziel zu er-
reichen. Aus diesem Grund ist ein eigener Anteil der
Entwicklungs- und Schwellenländer zur Reduktion
von Treibhausgasen zwingend notwendig und muss in
Kopenhagen eingefordert werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Klimaschutz ist integraler Bestandteil der Entwick-
lungszusammenarbeit. Deswegen bin ich froh, dass der
Koalitionsvertrag hierzu klar und eindeutig formuliert
ist. Dort steht, dass Klima-, Umwelt- und Ressourcen-
schutz zu den Schlüsselsektoren der Entwicklungszu-
sammenarbeit zählen. Darüber hinaus hat sich die neue
Bundesregierung im Koalitionsvertrag freiwillig, ohne
irgendeine Verpflichtung dazu zu haben, zu einem Re-
duktionsziel von 40 Prozent bis zum Jahr 2020 bekannt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Es gab einen Bundestagsbeschluss!)


Das ist ein wegweisender Beschluss. Es ist auch ein Si-
gnal für unsere europäischen Partner, uns das möglichst
nachzutun.


(Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Das war schon beschlossen!)


– Herr Kelber, Sie könnten zumindest Ihre eigenen CO2-
Emissionen dadurch minimieren, dass Sie meine kurze
Rede einfach still ertragen. Über die einzelnen Punkte
können wir in den weiteren Debatten diskutieren.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ein bisschen mehr Souveränität, Herr Minister!)


Wenn man die Anpassung an den Klimawandel als
integralen Bestandteil der Entwicklungszusammenar-
beit versteht, führt das dazu, dass zukünftige Entwick-
lungsprojekte klimafest gestaltet werden müssen. Wenn
aufgrund des Klimawandels zum Beispiel ein Staudamm
an einem Wasserkraftwerk einen Meter höher gebaut
werden muss, als das früher der Fall war, dann ist diese
Klimaschutzmaßnahme ein Bestandteil des Entwick-
lungsprojektes. So müssen wir die Entwicklungszusam-
menarbeit in diesem Themenfeld in Zukunft betrachten.

Das eigentliche Klimaministerium in der Bundesre-
publik Deutschland ist übrigens das Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
mit über 1 Milliarde Euro im laufenden Etat für Klima-
schutzmaßnahmen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Deswegen wollten Sie es abschaffen?)


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(C (D an muss deutlich sagen, dass die Stärkung dieses Miisteriums durch die Übernahme durch die FDP dazu ührt, dass der Klimawandel intensiver bekämpft wird, ls das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Deswegen wollten Sie es abschaffen?)


Wir sind für einen fairen Interessenausgleich zwi-
chen Nord und Süd. Das wird der Schlüssel zum Erfolg
er Klimaverhandlungen in Kopenhagen sein. Die Ent-
icklungsländer werden nur dann bereit sein, Verant-
ortung zu übernehmen und ihre CO2-Emissionen zu
indern, wenn sie verlässliche und planbare Unterstüt-

ung durch die Industrieländer bekommen. Gerade die
undesrepublik Deutschland steht durch ihr bisheriges
egierungshandeln in der Pflicht, weiterhin Vorreiter zu

ein. Aus diesem Grund ist der Antrag der Regierungs-
raktionen, der heute zur Entscheidung ansteht, ein guter
ntrag, der wegweisende Punkte beinhaltet.

Die Bundesregierung beteiligt sich mit einem fairen
nd angemessenen Anteil an der Emissionsminderung
nd an der Anpassung an den Klimawandel. Aber wir
agen auch: Das ist ein Bestandteil des 0,7-Prozent-Ziels
m Rahmen der Entwicklungsfinanzierung. Es geht
icht, Klimaschutz und Armutsbekämpfung von der Op-
osition gegeneinander ausspielen zu lassen; denn ein
ichtig verstandener Klimaschutz ist ausdrücklich auch
in Beitrag zur Armutsbekämpfung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Deswegen geben Sie das Geld nur einmal und reduzieren den Beitrag?)


ntwicklungsländer und Schwellenländer nutzen oft-
als die teuersten und umweltschädlichsten Energieträ-

er.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen wir denn?)


eswegen wird mit moderner Technologie und mit er-
euerbaren Energien ein Synergieeffekt im Sinne der Ar-
utsbekämpfung erzielt.

Diese Bundesregierung wird auf ihrer Agenda den
chutz der Regenwälder mit einem hohen Stellenwert
ersehen. Der Waldschutz ist mit Sicherheit eines der
ostengünstigsten und nachhaltigsten Klimaschutzin-
trumente. Aus diesem Grund wird dies einer der
chwerpunkte der neuen Bundesregierung in der Ent-
icklungszusammenarbeit sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Klimaschutz kostet Geld, kein Klimaschutz kostet
ehr Geld; das hat Michael Kauch vorhin völlig zu
echt gesagt. Deswegen setzen wir auf den Emissions-
ertifikatehandel als wesentliches, als marktwirtschaft-
ich organisiertes Finanzierungsinstrument beim Klima-
chutz. Dass wir den Waldschutz hier noch nicht
inbeziehen können, hat zwei ganz klar nachvollzieh-
are Gründe: Es würde zu einem Preisverfall bei den

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 603


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Bundesminister Dirk Niebel
Emissionszertifikaten führen und dadurch die Finanzie-
rungsgrundlage vieler Projekte vernichten. Außerdem
müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die CO2-Absorp-
tionsfähigkeit noch nicht vollständig messbar ist, wir
also derzeit keine Grundlage haben, um Waldschutzpro-
jekte in den Zertifikatehandel einzubeziehen.

Bei allem Engagement dieser Bundesregierung for-
dern wir natürlich konkrete und nachprüfbare Mindest-
beiträge unserer Partner, auch der Entwicklungs- und
Schwellenländer. Wir müssen gemeinsam handeln. Das
heißt, wir müssen gemeinsame Vereinbarungen finden,
zumindest die politischen Ziele definieren und einen
Zeitpunkt festsetzen, bis zu dem ein völkerrechtlich ver-
bindlicher Vertrag geschlossen sein muss. Unter diesen
Voraussetzungen kann und wird die Konferenz in Ko-
penhagen zu einem Erfolg werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700901800

Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Hermann Ott für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700901900

Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen

und Kollegen! Lieber Herr Kollege Röttgen, dies ist
meine erste Rede in diesem Haus. Ich möchte die Gele-
genheit nutzen, um Ihnen meine Glückwünsche zu Ihrer
Ernennung auszusprechen. Sie haben als Umweltminis-
ter die Chance, in den nächsten Jahren einige wichtige
Weichen zu stellen, Weichen für die Zukunft Deutsch-
lands, aber auch für die Zukunft aller anderen Menschen
auf diesem Planeten. Dies ist eine wunderbare Aufgabe.
Dafür wünsche ich Ihnen viel Glück.


(Beifall des Abg. Dr. Christian Ruck [CDU/ CSU])


Ich beneide Sie allerdings nicht um die Regierungs-
mannschaft, mit der Sie diese schwierige Aufgabe be-
wältigen müssen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso? Da ist doch der Herr Brüderle!)


Eines ist doch völlig klar: Wenn Sie das, was Sie hier im
Plenum und in der Presse in den letzten Wochen gesagt
haben, ernst meinen, dann sind die wirklichen Gegner
Ihrer Politik nicht die Damen und Herren auf den harten
Oppositionsbänken, nein, dann sind die Gegner Ihrer
Politik auf der Regierungsbank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich will jetzt gar nicht auf die Auslassungen einzelner
Ihrer Kolleginnen und Kollegen eingehen; das wäre
langwierig und langweilig. Aber es ist zumindest ein In-
diz, dass das Liberale Institut der Friedrich-Naumann-
Stiftung

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(C (D (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das haben Sie doch schon gestern im Ausschuss erzählt! – Gegenruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]: Das kann man nicht oft genug sagen!)


orgen, wenige Tage vor der Konferenz in Kopenhagen,
ine Klimakonferenz veranstaltet, in der nicht ein einzi-
er ernstzunehmender Klimawissenschaftler sitzt, son-
ern nur Klimawandelleugner und Klimaskeptiker. Das
st degoutant und einer politischen Stiftung in dieser
undesrepublik nicht würdig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Gott sei Dank gehören die grundsätzlichen Positionen
ur Klimapolitik zumindest rhetorisch mittlerweile zur
taatsräson der Bundesrepublik. Es gibt heute einen
iemlich breiten Konsens darüber, dass der Klimawan-
el eine Bedrohung unserer Spezies darstellt und dass
ntschlossen gehandelt werden muss. Leider hapert es
ei dem Antrag der Regierungskoalition an dieser Ent-
chlossenheit. Denn was bedeutet schon das Bekenntnis
um 2-Grad-Ziel, was bedeutet das Bekenntnis zur 50-
rozentigen Reduktion der Emissionen bis zum Jahr
050, wenn der Emissionshandel zum vorrangigen Instru-
ent des Klimaschutzes erklärt wird? Der Emissionshan-

el kann das allein strukturell gar nicht leisten. Was be-
eutet das Eingeständnis, dass die Entwicklungsländer
iel Geld für Klimaschutzmaßnahmen brauchen, wenn
ich die Regierungsfraktionen gleichzeitig in gefühlten
0 Prozent ihres Antrags damit beschäftigen, wie der
eutsche Anteil möglichst gering gehalten werden kann?
as, meine Damen und Herren, ist Feigheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


as ist Feigheit, weil sich die Bundesregierung weigert,
en Tatsachen ins Auge zu sehen.

Die Tatsachen sind ganz leicht zu beschreiben: Unge-
ähr 50 Prozent der Emissionen kommen heute aus In-
ustriestaaten, die anderen 50 Prozent – mit steigender
endenz – aus Entwicklungsländern. Wenn wissen-
chaftlich belegt ist, dass wir die globalen Emissionen
is 2050 um 50 Prozent reduzieren müssen, dann muss
an nicht Mathematik studiert haben, um zu wissen,

ass dieses Ziel nicht von einer Seite alleine erreicht
erden kann. Dies ist eine klassische Pattsituation, aus
er nur ein Ausweg möglich ist: die andere Seite als
leichberechtigt zu betrachten.

Den Entwicklungs- und Schwellenländern muss ein
aires und konkretes Angebot unterbreitet werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


ieses Angebot muss substanzielle finanzielle Zusagen
nthalten, und zwar zusätzlich zur zugesagten Entwick-
ungshilfe in Höhe von 0,7 Prozent des Bruttoinlands-
roduktes und nicht, wie Sie in Ihrem Antrag nachträg-
ich formuliert haben, als Teil der Entwicklungshilfe.

604 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Dr. Hermann Ott
Die Entwicklungsländer verstehen nicht, warum Sie das
machen. Das ist kein echtes Angebot. Damit kommen
Sie nicht weiter.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank,
Ihre Politik ist finsterstes 20. Jahrhundert


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Oh!)


und in keiner Weise geeignet, den Herausforderungen
des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Es geht nicht mehr darum, anderen etwas wegzunehmen,
um selbst mehr zu haben. Nein, Politik im 21. Jahrhun-
dert bedeutet, gemeinsam für die Zukunft der Mensch-
heit zu kämpfen.

Lieber Herr Kollege Röttgen, die Konferenz in Ko-
penhagen wird schwierig. Es wird darauf ankommen,
mit klarem Verstand und Fingerspitzengefühl vorzuge-
hen. Eine Verständigung mit den Entwicklungsländern
ist möglich. Ich verspreche Ihnen Unterstützung für eine
wahrhaft zukunftsorientierte und ökologische Politik;
ich glaube, an dieser Stelle kann ich für meine gesamte
Fraktion sprechen.

Ich wünsche uns allen, dass wir in Kopenhagen einen
Erfolg feiern können, damit auf dieser Erde auch weiter-
hin menschengerechtes Leben möglich ist.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700902000

Lieber Kollege Ott, ich gratuliere Ihnen herzlich zu

Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag, verbunden
mit allen guten Wünschen für die weitere parlamentari-
sche Arbeit.


(Beifall)


Nun erhält der Kollege Andreas Jung für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1700902100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Konferenz von Kopenhagen darf nicht scheitern. Trotz
der Finanz- und Wirtschaftskrise bin ich überzeugt, dass
der Klimawandel die größte globale Herausforderung in
unserem Jahrhundert bleibt. Wenn es nicht gelingt, den
Klimawandel aufzuhalten, dann wird unsere Erde ärmer
werden: ärmer an Lebensgrundlagen für Menschen mit
allen Konsequenzen wie humanitären Notlagen, sozialen
Spannungen, ethnischen Konflikten und ungekannten
Migrationsbewegungen, ärmer an immateriellen Werten

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(C (D ie dem Reichtum der Natur und der Vielfalt der Tiernd Pflanzenwelt, wegen unabsehbarer Klimaschäden nd einer Häufung von Naturkatastrophen aber auch ärer an materiellen Werten. ch bin überzeugt, dass am Ende nichts gewonnen wäre, enn wir die Finanzkrise gelöst und das Wirtschaftssys em gerettet haben, das Ökosystem uns aber um die Ohen fliegt. In Kopenhagen geht es darum, dies zu verhinern. Deshalb kämpfen wir für den Erfolg dieser onferenz. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bundesumweltminister Norbert Röttgen und die ge-
amte Bundesregierung unter Führung der Bundeskanz-
erin haben bei ihren Verhandlungen die volle Unterstüt-
ung der Unionsfraktion. Sie haben ein
erhandlungsmandat, mit dem die Vorreiterrolle der
undesrepublik Deutschland fortgeschrieben wird. Es

chreibt das fort, was Konsens in der Großen Koalition
ar,


(Ulrich Kelber [SPD]: Leider nicht!)


nd geht, Herr Kollege Kelber, in entscheidenden Punk-
en sogar darüber hinaus.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will zwei Punkte nennen. Sie haben gesagt: Es
eht auch um das, was man innenpolitisch in die Waag-
chale zu werfen bereit ist. Zum ersten Mal bekennen
ir uns zu dem Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 gegen-
ber 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, und zwar bedin-
ungslos, also ohne den Vorbehalt, unter den das Ganze
n den letzten Jahren gestellt wurde: dass die anderen In-
ustriestaaten vergleichbare Leistungen erbringen. Das
st ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem Status
uo.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Das stand schon im letzten Beschluss des Bundestages!)


Zum ersten Mal bekennen wir uns auch zu der Lang-
ristperspektive, die wir im Auge behalten müssen: dass
ie Industrieländer die CO2-Emissionen bis zum Jahr
050 nicht nur um 80 Prozent, sondern um bis zu 95 Pro-
ent reduzieren. Wir zeigen damit auf, vor welchem radi-
alen Wandel bei uns Industrie, Energie, Mobilität und
rivathaushalte stehen. Auch das ist ein Punkt, bei dem
ir über das hinausgehen, was bisher Konsens war.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Da stimmt das Wir!)


Wir als Bundesrepublik Deutschland. – Deshalb kann
an mit guten Gründen behaupten, dass die Vorreiter-

olle Deutschlands fortgeschrieben wird.

Nachdem ich Ihre Rede, Herr Kollege Kelber, aber
uch die von Herrn Steinmeier gehört habe, muss ich,
it Verlaub, sagen, dass mich das schon überrascht hat.

ch habe es in den letzten Jahren als ausgesprochen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 605


(A) )



(B) )


Andreas Jung (Konstanz)

wohltuend und gewinnbringend empfunden, dass wir,
obwohl wir uns innenpolitisch gestritten haben, dann,
wenn es um die großen Fragen, um die Klimakonferen-
zen ging, einig hinter dem jeweiligen Minister – in der
letzten Legislaturperiode hinter dem SPD-Minister – ge-
standen haben.


(Ulrich Kelber [SPD]: Dann streichen Sie die Verringerung der ODA-Mittel!)


Diesen Gipfel zu nutzen für eine generelle Aussprache
bis hin zu der Frage der Mehrwertsteuerermäßigung für
Hotels, das, Herr Kollege Steinmeier, mögen Sie partei-
taktisch für geschickt halten. Ich halte es mit Blick auf
Kopenhagen und die großen Herausforderungen, vor de-
nen wir stehen, schlicht für unangemessen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Das hat etwas damit zu tun! Man kann 1 Milliarde nur einmal ausgeben! – Ulrich Kelber [SPD]: Sie wollen den Ärmsten Geld wegnehmen und zum Klimaschutz umlenken!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700902200

Lieber Herr Kollege Jung, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage des Kollegen Fell?


Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1700902300

Ja.


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700902400

Herr Kollege Jung, Sie haben gerade von der Notwen-

digkeit eines radikalen Wandels der Industriegesellschaft
gesprochen. Ich glaube, Sie stimmen mit mir darin über-
ein, dass dieser Wandel vor allem das Energiesystem be-
treffen wird.

Frau Kollegin Bulling-Schröter hat gerade berichtet,
dass wir im Umweltausschuss über einen Plan amerika-
nischer Wissenschaftler von der Stanford-Universität ge-
sprochen haben. Sie haben einen Plan für diese Welt vor-
gestellt, wonach bis 2030 das gesamte konventionelle
Energiesystem auf erneuerbare Energien umgestellt wer-
den kann. Dieser Plan sei technologisch machbar, wirt-
schaftspolitisch richtig und auch finanzierbar. Eine ein-
zige Voraussetzung sei noch nicht erfüllt: Die führenden
Regierenden der Welt hätten noch nicht die erforderliche
Motivation; sie müssten noch davon überzeugt werden,
dass dies geht.

Deswegen meine Frage an Sie: Werden Sie – die
Unionsfraktion und andere – sich dafür einsetzen, dass
dieser Plan in Kopenhagen auf die Tagesordnung kommt
und die Bundesregierung diesen Plan dort vorstellt, um
die größte Chance, das konventionelle Energiesystem
vollständig, zu 100 Prozent, auf erneuerbare Energien
umzustellen, was machbar ist, zu nutzen?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1700902500

Herr Kollege Fell, Sie kennen den Koalitionsvertrag.

Sie wissen, dass darin das ausdrückliche Bekenntnis ent-

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(C (D alten ist, die Tür zu einem regenerativen Zeitalter aufustoßen. Gerade diese Bundesregierung bekennt sich azu, das weiterzuführen, was unter anderen Regierunen angestoßen und unter der rot-grünen Regierung das kann man ja sagen – fortgeführt und verbessert urde. Wir wollen unsere Anstrengungen verstärken. Unser iel ist, so schnell wie möglich auf erneuerbare Energien mzustellen. Selbstverständlich ist das einer der Punkte, ie wir auf der Konferenz von Kopenhagen einbringen. s macht ein Stück weit unsere Glaubwürdigkeit aus, ass andere sehen, dass wir entschlossen sind, für die ereuerbaren Energien einzutreten. Insofern wird das in openhagen selbstverständlich eine Rolle spielen. Ich möchte abschließend uns alle auffordern, in Koenhagen gemeinsam für den Erfolg zu werben, dafür zu erben, die Partner, gerade die USA, ins Boot zu holen, emeinsam deutlich zu machen, dass die Bundesrepulik Deutschland und die Europäische Union erwarten, ass, wenn ein Staat sich als Führungsnation versteht, er erade bei diesem wichtigen Thema nicht zurückbleiben arf. Eines macht mir hier ein Stück weit Hoffnung. Ich ernnere mich an eine Szene zum Ende der Konferenz von ali. Als die USA den Durchbruch zum Bali-Aktionslan blockierten, stand der Delegierte von Papua-Neuuinea auf und sagte: In meiner Heimat gibt es ein prichwort. Dieses Sprichwort heißt: Führe, aber wenn u nicht führen kannst, dann trete auf die Seite. Und das age ich jetzt zu den Vereinigten Staaten von Amerika. – ach diesen Sätzen sprangen die Menschen im ganzen aal auf, sie haben gejubelt und applaudiert. Unter dem indruck dieses Jubels, der in die ganze Welt übertragen urde, ist die Verhandlungsführerin der USA aufgestanen, und sie hat gesagt: Wir nehmen unser Veto zurück. Ich glaube, wir können berechtigte Hoffnungen haen, dass es auch bei dieser Konferenz wieder eine solhe Dynamik geben und es dadurch bei dieser Konferenz u entscheidenden Schritten kommen wird. Die Bundesegierung wird ihren Beitrag dazu jedenfalls leisten. Daei hat sie die volle Unterstützung der Union. Herzlichen Dank. Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Kelber as Wort. Herr Kollege Jung, Sie haben es kurz angesprochen nd haben eingefordert, wie früher einen Konsens bei en Beschlüssen zu Klimakonferenzen zu erreichen. Daei haben Sie mich persönlich angesprochen. Bis gestern Vormittag lag ein Antragsentwurf der Kolition vor, bei dem es der sozialdemokratischen Bunestagsfraktion möglich gewesen wäre, nicht dagegen ustimmen. Ich denke einmal, dass er auch aus Ihrer Feer als Berichterstatter war. Dieser Antragsentwurf ist 606 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 Ulrich Kelber gestern Morgen zurückgezogen und gestern Nachmittag in veränderter Form neu vorgelegt worden. Er enthält einen wichtigen geänderten Punkt – neben vielen anderen –, nämlich die Reduzierung der Mittel für die Armutsbekämpfung verbunden mit einer Verrechnung der Mittel für den Klimaschutz, damit Herr Niebel in der Statistik besser dasteht, ohne für die Menschen und die Sache wirklich etwas erreicht zu haben. (Michael Kauch [FDP]: Stimmt doch gar nicht!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700902600
Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1700902700

(A) )


(B) )


Dafür werden Sie unsere Stimme nicht bekommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Unverschämt!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700902800

Zur Erwiderung, bitte schön, Kollege Jung.


Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1700902900

Herr Kollege Kelber, ich möchte nur darauf hinwei-

sen, dass der Antrag zwar ergänzt wurde, dass aber alle
wesentlichen Punkte, durch die das Verhandlungsmandat
der Bundesregierung bestimmt wird und in denen es um
die Position der Bundesregierung bei dieser Konferenz
geht, in keiner Weise aufgeweicht oder abgeschwächt
worden sind. Es wurden weitere Punkte ergänzt, die ge-
rade die Entwicklungshilfe betreffen, ohne in der Sache
und hinsichtlich der Bedeutung etwas zurückzunehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700903000

Nun möchte der Kollege Kauch zu einer Kurzinter-

vention das Wort erhalten. Bitte schön.


Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1700903100

Lieber Kollege Jung, ich hätte mich gefreut, wenn Sie

noch einen Aspekt in Ihre Antwort auf die Kurzinterven-
tion aufgenommen hätten.

Der Kollege Kelber sagte, hier sei eine Kürzung der
Mittel vorgesehen. Ich frage Sie: Hat es Ihre Bundes-
regierung in den elf Jahren unter der Entwicklungsminis-
terin Wieczorek-Zeul jemals erreicht, dass die Entwick-
lungshilfe 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts beträgt?
Nein. Sie haben das Haus mit einem Anteil von
0,38 Prozent übergeben. Hier gibt es noch ganz viel Luft
zu den 0,7 Prozent. Dementsprechend sollten Sie hier
nicht behaupten, es sei eine Kürzung der Mittel für die
Armutsbekämpfung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700903200

Nächster Redner ist der Kollege Frank Schwabe für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ind nur noch wenige Tage bis zur Klimakonferenz in openhagen. Der Herr Bundesumweltminister hat in en letzten Wochen die Dramatik der Situation in den edien und auch im Parlament mehrfach beschrieben. ch will für die SPD ausdrücklich sagen: Wir sind uns ehr wohl der Rolle bewusst, die wir in Kopenhagen haen. Wir sind uns aber auch der Rolle bewusst, die wir ls Opposition hier im Deutschen Bundestag haben. Wir haben mehrere Reden zu bewerten, insbesondere wei Reden, die Bundesminister hier gehalten haben. Zu er Rede des Bundesumweltministers sage ich: Die Kür ar nicht grandios, aber eigentlich ganz okay, die Pflicht at allerdings vollständig gefehlt. Beim Bundesminister ür wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung at beides gefehlt; das will ich ganz deutlich sagen. Es geht darum, welche Rolle Deutschland spielt. Die ationale Vorreiterrolle wird immer wieder bechrieben und beschworen. Sie besteht aus zwei Aspeken. Zum einen besteht sie darin, national engagiert Kliaschutz zu betreiben. Dabei fehlt eigentlich alles. Das 0-Prozent-Ziel ist schön. Sie wissen, wer in den verganenen Jahren dafür gekämpft hat und warum es an manher Stelle nicht funktioniert hat. Sie muss zum anderen mit nationalen Maßnahmen nterlegt werden. Das tun Sie jedoch nicht. Sie vertagen ntscheidungen bis zum Oktober des nächsten Jahres. ir brauchen Verbindlichkeit bei den nationalen Maß ahmen. Der WWF hat einen Vorschlag für ein Klimachutzgesetz unterbreitet. Dies sollten wir in den nächsen Wochen und Monaten miteinander diskutieren. Auf internationaler Ebene sind zwei Dinge notwenig. Wir sind in der Pflicht, Zahlen vorzulegen, aber icht in der Pflicht, schöne Reden zu halten. Europa zw. Deutschland muss sagen, in welcher Höhe es eine eduktionsverpflichtung eingehen will. Wir müssen auerdem sagen, wie hoch die Finanztransfers in Entwickungsländer sein sollen, die wir leisten wollen; denn hne Finanztransfers wird es nicht gehen. Die sozialdemokratische Fraktion steht zu den Zahlen 0-30. Wir wollen eine 30-prozentige Reduzierung der reibhausgase in Europa, und zwar eigenständig und unonditioniert, also unabhängig davon, was die anderen achen. Außerdem wollen wir einen Finanztransfer von 0 Milliarden Euro im Jahr 2020 vonseiten der Europäichen Union. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso Sie nicht bereit ind, diese Zahlen auf den Tisch zu legen und die Dynaik, die in den vergangenen Wochen eingetreten ist, zu nterstützen. Wenn Klimaschutz eine Menschheitsaufgabe ist, wie s beschrieben wurde, wenn Klimaschutz ein Wachsumsmotor ist, wie es beschrieben wurde, wenn es keien Plan B für Kopenhagen gibt, wie es beschrieben urde, wenn Deutschland mittlerweile ein unkonditioiertes Ziel von 40 Prozent verfolgt und wenn wir wis Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 607 Frank Schwabe sen, dass der Spielraum für CO2-Senkungen infolge der Wirtschaftskrise größer geworden ist, warum kann Europa bzw. Deutschland dann nicht für eine CO2-Reduzierung von 30 Prozent bis zum Jahr 2020 eintreten, unabhängig davon, was der Rest der Welt macht? Ich glaube, das ist notwendig, und das müssen Sie noch vor dem Klimagipfel in Kopenhagen vorlegen. Das eine betrifft die Frage der CO2-Reduktion, und das andere betrifft die Frage der Finanztransfers. In Grafiken, die die Verantwortung für den CO2-Ausstoß darstellen, zeigen sich drei große Kreise, nämlich um Europa, die USA und China. Die Auswirkungen davon treffen vor allem die Entwicklungsländer in Afrika und anderswo. Deshalb müssen wir hinsichtlich der Finanztransfers jetzt etwas auf den Tisch legen. Ivo de Boer hat die Europäische Union aufgefordert, Zahlen zu nennen. Das Europäische Parlament hat eine Unterstützung in Höhe von 30 Milliarden Euro beschlossen. Es liegt in der Verantwortung Deutschlands, Europa zu dieser Position im Vorfeld des Klimagipfels in Kopenhagen zu drängen. Herr Kelber hat gerade dazu gesprochen. Das Ganze ist wirklich peinlich; das kann man nicht anders sagen. Bis gestern Mittag gab es einen Antrag der Koalition, bei dem zwar einiges fehlte. Dieser Antrag war aber hinsichtlich der Beschreibung der Ziele und Maßnahmen im Prinzip recht anständig. Das hat sich geändert; Herr Niebel oder andere werden interveniert haben. Mit dem nun vorliegenden Antrag können Sie sich bei den Entwicklungsländern nicht mehr blicken lassen. Wenn Sie die 0,7 Prozent nicht mehr eigenständig erreichen wollen, sondern die Entwicklungshilfemittel mit denen für Klimaschutzmaßnahmen verrechnen wollen, wenn Sie also die Mittel für den aufgrund des gestiegenen Meeresspiegels notwendigen Dammbau in Afrika mit den Mitteln für die Aidsbekämpfung verrechnen wollen, dann ist das peinlich und der Vorreiterrolle Deutschlands in Kopenhagen überhaupt nicht angemessen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1700903300

(Beifall bei der SPD)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD)


Ich kann Sie nur noch einmal auffordern. Die Zeit des
Zögerns, des Zauderns und auch des Pokerns ist vorbei.
Das ist der Situation nicht angemessen. Neben Ihren gu-
ten Reden müssen Sie nun endlich Zahlen und Daten auf
den Tisch legen. Sie müssen sich frühzeitig zu Maßnah-
men verpflichten, um die Dynamik im Hinblick auf Ko-
penhagen weiter zu verstärken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700903400

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Thomas

Gebhart, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kli awandel und damit ganz eng verbunden die Fragen der nergieversorgung gehören ohne jeden Zweifel zu den rößten Herausforderungen unserer Zeit. Die Folgen eies ungebremsten Klimawandels wären am Ende enorm. eshalb ist klar: Wir müssen dem Klimawandel entgeentreten. Dies ist auf der einen Seite eine ethische flicht. Es ist aber auf der anderen Seite auch eine Frage er politischen und ökonomischen Vernunft. Daher heißt unser Ziel, den Klimawandel auf ein verntwortbares Maß zu begrenzen. Wie erreichen wir diees Ziel? Die Klimaveränderungen sind ein klassisches lobales Problem. Deutschland allein und Europa allein erden das Klima nicht retten können. Wir brauchen lso eine internationale Antwort. Notwendig ist, dass die elt kooperiert. Deswegen ist der Weltklimagipfel in openhagen so wichtig, und deswegen muss Kopenhaen ein Erfolg werden. Wir werden alles dazu beitragen, ass Kopenhagen gelingt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Thomas Gebhart (CDU):
Rede ID: ID1700903500

Wir allein retten das Klima nicht. Aber wir Deutschen
üssen unseren Beitrag leisten. Deswegen bekennen wir

ns ausdrücklich zu dem ambitionierten Ziel, die Treib-
ausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzie-
en. Deutschland ist damit Vorreiter. Unser Leitbild
eißt dabei, eine nachhaltige Entwicklung, Umwelt,
irtschaft und soziale Aspekte in Einklang zu bringen.
as ist die große Herausforderung, vor der wir stehen.
s ist aber zugleich auch eine große Zukunftschance für
nser Land.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


enn es ist völlig klar: Je effizienter wir künftig mit
nappen Ressourcen umgehen und je besser wir uns als
pitzenreiter bei sauberen, umweltfreundlichen Techno-

ogien behaupten, desto mehr Arbeitsplätze schaffen und
ichern wir langfristig in unserem Land.

Nachhaltiges Wirtschaften entscheidet mehr und
ehr über die Wettbewerbsfähigkeit, und nachhaltiges
irtschaften wird mehr und mehr zu einem Erfolgsfak-

or für Unternehmen. Deswegen ist es in diesem Zusam-
enhang besonders wichtig, zu sehen, dass wir insbe-

ondere eine nachhaltige Energieversorgung brauchen,
ie langfristig sicher, verlässlich und ökologisch wie
konomisch vernünftig ist.

Ich will an dieser Stelle vier wichtige Eckpunkte nen-
en.

Erstens. Wir müssen verstärkt auf Energieeffizienz
nd Energieeinsparung setzen. Wir haben in unserem
and noch große Potenziale, Stichwort „energetische
ebäudesanierung“.

Zweitens. Wir müssen vor allem auf Forschung und
ntwicklung, Innovationen und neue Technologien set-
en. Sie sind, wie der Minister gesagt hat, vermutlich der
chlüssel zur Lösung der Probleme überhaupt. Lassen
ie uns daher Umwelt- und Klimaschutz nicht im Sinne
on Verzicht rückwärtsgewandt diskutieren, sondern

608 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Dr. Thomas Gebhart
nach vorne gerichtet als etwas, das neue Möglichkeiten
schafft, als Strategie zur Modernisierung dieses Landes.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Drittens. Wir brauchen mehr erneuerbare Energien als
Teil des Energiemixes. Aber auch hier gilt es, mit ökono-
mischem Sachverstand an die Sache heranzugehen und
insbesondere auf effiziente Formen erneuerbarer Ener-
gien zu setzen.

Der vierte und letzte Punkt: Es macht keinen Sinn, si-
chere Kernkraftwerke jetzt abzuschalten und durch Ener-
gieimporte oder zusätzliche Kohlekraftwerke zu erset-
zen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir exportieren! Wir verkaufen Strom ins Ausland!)


Wir werden übrigens die Klimaschutzziele dann nicht
erreichen können, wenn wir die Kernkraftwerke abschal-
ten. Deshalb sagen wir: Die Kernkraft hat eine Brücken-
funktion. Sie ist eine Brücke hin zu den erneuerbaren
Energien.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Mauer und keine Brücke!)


Deshalb sollten wir die Laufzeiten unter bestimmten Be-
dingungen verlängern und gleichzeitig einen Teil der zu-
sätzlichen Erlöse in die erneuerbaren Energien investie-
ren. Wir könnten den Weg hin zu den erneuerbaren
Energien schneller gehen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abschalten von Windparks!)


Das ist insgesamt ein vernünftiger Weg. Es ist ein
Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung und ins-
gesamt zu einer nachhaltigen Politik.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Kurzum: Tragen wir dazu bei, dass Kopenhagen ein Er-
folg wird, und nutzen wir die Chance einer nachhaltigen
Entwicklung!

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700903600

Auch Ihnen, lieber Kollege Gebhart, gratuliere ich

herzlich zur ersten Rede im Deutschen Bundestag und
wünsche Ihnen viel Erfolg bei der weiteren parlamenta-
rischen Arbeit.


(Beifall)


Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Thomas Bareiß für die CDU/CSU-Fraktion.


Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1700903700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Als letzter Redner hat man die Chance, auf all

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(C (D as einzugehen, was in den letzten eineinhalb Stunden esagt worden ist. Aber in vier Minuten, Herr Kollege. Ich versuche es, Herr Präsident. Ich möchte zuerst auf die vier vorliegenden Anträge ingehen. Wir spüren: Eigentlich sind wir in den Zielen ar nicht so weit voneinander entfernt. Die Ziele ziehen ich wie ein roter Faden durch alle vier Anträge. In manhen Punkten ist die Opposition etwas ambitionierter. as ist nun einmal das Vorrecht derjenigen, die die Ver ntwortung nicht tragen müssen. Aber in einem Punkt nterscheiden wir uns in ganz besonderer Weise. Sie ind gegen neue Kohlekraftwerke, obwohl Sie genau issen, dass die neuen Kohlekraftwerke einen wesent ich besseren Nutzungsgrad haben als die alten. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die neuen sind auch schlecht! Das können wir uns gar nicht leisten!)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700903800

(Heiterkeit)

Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1700903900

ie stehen für den sofortigen Ausstieg aus der Kernkraft
n Europa. Sie stehen der CCS-Technologie skeptisch
egenüber. Ihre Politik steht in all diesen Punkten eher
ür mehr CO2 als für weniger.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch! Das ist unverschämt!)


o sieht für mich keine glaubwürdige Klima- und Ener-
iepolitik aus.

Wir haben hohe Erwartungen an den Klimagipfel. Da
ir in Europa und ganz besonders in Deutschland eine
roße Verantwortung haben, wollen und werden wir eine
orreiterrolle einnehmen; meine Kollegen haben dazu
chon einiges gesagt. Klar ist aber auch: Alle Anstren-
ungen werden nur erfolgreich sein, wenn alle Länder an
inem Strang ziehen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


China und die USA emittieren über 40 Prozent des
eltweiten CO2-Ausstoßes. Ein Abkommen, bei dem
iese beiden Länder nicht dabei wären, wäre kein Schritt
ach vorn. Deshalb ist es gut, dass sowohl der US-Präsi-
ent als auch der chinesische Präsident dabei sind und
onkrete Ziele ins Auge gefasst haben. Diese mögen für
ns zwar noch etwas unambitioniert sein. Aber allein die
atsache, dass sie Ziele haben, stellt für mich einen
roßartigen Erfolg und einen wesentlichen Schritt nach
orn im Vergleich zu dem dar, was wir vor zwölf Jahren
n Kioto vereinbart haben.

Meine Damen und Herren, Klimaschutz ist eine glo-
ale Herausforderung. Ich glaube, darin sind wir uns ei-
ig. Wir brauchen ein funktionsfähiges Instrument, um
eltweit zu gestalten und notfalls zu sanktionieren. Des-
alb muss in Kopenhagen die Ausweitung des Emissions-
andels für alle beteiligten Staaten an erster Stelle der
genda stehen. Der Emissionshandel ist und bleibt – da-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 609


(A) )



(B) )


Thomas Bareiß
von bin ich zutiefst überzeugt – das international wich-
tigste Instrument einer fairen und marktorientierten Kli-
mapolitik. Es bringt nichts, wenn wir in Europa ein
strenges Emissionshandelssystem betreiben, solange an-
dere Teile der Welt nicht einbezogen werden. Gerade für
Deutschland ist das enorm wichtig; denn wir haben ei-
nen Industrieanteil an unserer Wertschöpfung von über
26 Prozent. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier nach
fairen Spielregeln spielen dürfen.

Klima- und Umweltschutz dürfen nicht als isolierte
Politikbereiche betrachtet werden. Klima- und Umwelt-
politik müssen immer Hand in Hand mit der Wirtschafts-
und der Energiepolitik gehen. Dann wird der Klima-
schutz auch eine nachhaltige und selbsttragende Jobma-
schine für Deutschland sein. Dann wird in Zukunft die
Klimapolitik in jeglicher Hinsicht für Wachstum, Wohl-
stand und Beschäftigung in Deutschland sorgen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir haben in Kopenhagen
eine einmalige Chance. Wir sollten sie nutzen. Ich wün-
sche der Kanzlerin Angela Merkel und Norbert Röttgen
viel Erfolg dabei.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1700904000

Ich schließe die Aussprache.

Zusatzpunkt 2. Wir kommen zur Abstimmung über
den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP
auf der Drucksache 17/100 mit dem Titel „Für ein wirk-
sames und faires globales Klimaschutzabkommen in Ko-
penhagen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Der Antrag
ist mit der Mehrheit der Stimmen der Koalition ange-
nommen.

Tagesordnungspunkt 4 b. Hier geht es um die Abstim-
mung über den Antrag der SPD-Fraktion auf
Drucksache 17/105 mit dem neuen Titel „Die Klimakon-
ferenz in Kopenhagen zum Erfolg führen – Deutschlands
und Europas Vorreiterrolle nutzen und stärken“. Wer
stimmt diesem Antrag zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich der Stimme? – Dieser Antrag ist mehrheit-
lich abgelehnt.

Unter dem Tagesordnungspunkt 4 c stimmen wir ab
über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Druck-
sache 17/115 mit dem neuen Titel „Kehrtwende beim
globalen Klimaschutz auf UN-Gipfel in Kopenhagen“.
Wer will diesem Antrag zustimmen? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Auch dieser Antrag ist mehr-
heitlich abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 4 d. Abstimmung über den An-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 17/120 mit dem neuen Titel „Kopenhagen mit ver-
bindlichen und ambitionierten Klimaschutzzielen zum
Auftakt einer globalen ökologischen Modernisierung
machen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt

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(C (D agegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Der Antrag at keine Mehrheit gefunden. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a und 5 c auf: a)

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Daten-

(Beschäftigtendatenschutzgesetz – BDatG)


– Drucksache 17/69 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Gesundheit
Federführung strittig

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Beate
Müller-Gemmeke, Dr. Konstantin von Notz,
Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Persönlichkeitsrechte abhängig Beschäftigter
sichern – Datenschutz am Arbeitsplatz stärken

– Drucksache 17/121 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales

Auch für diese Aussprache sind nach einer interfrak-
ionellen Vereinbarung 90 Minuten vorgesehen. – Ganz
ffenkundig findet das Zustimmung. Dann ist das so be-
chlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
ollegen Olaf Scholz für die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Olaf Scholz (SPD):
Rede ID: ID1700904100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Skandal

ür Skandal hat uns in den letzten Jahren gelehrt: Wir
rauchen einen Beschäftigtendatenschutz. Das ist eine
rfahrung, die wir alle gemeinsam in Deutschland ge-
acht haben. Die Geschichte des Datenschutzes für Ar-

eitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist so wie die vieler
echtlicher Regelungen für Arbeitnehmer: Der Daten-
chutz kommt zu spät – das muss man offen sagen –, er
ommt erst allmählich, und er stand am Anfang nicht
est. Das erinnert an die Geschichte zum Beispiel des
ürgerlichen Rechts in Deutschland. Auch dort gab es
as Arbeitsverhältnis ganz lange gar nicht. Obwohl es
mmer eine Lebenstatsache für Millionen Bürgerinnen
nd Bürger gewesen ist, hat es dort keinen Niederschlag
efunden. Erst heute finden sich solche Vorschriften.
ementsprechend müssen wir auch jetzt vorgehen. Wir
rauchen nach all den Skandalen, die fast eine Liste der
ekanntesten Unternehmen Deutschlands darstellen,
ndlich einen Beschäftigtendatenschutz, der die Arbeit-
ehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland besser
bsichert.


(Beifall bei der SPD)


610 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



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Olaf Scholz
Ich sage ausdrücklich: Wir brauchen ihn auch des-
halb, weil die Situation der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer ganz anders ist als die vieler anderer, die
ebenfalls betroffen sind und die Probleme mit der Daten-
sicherheit und der Verwendung ihrer Daten haben. Man
kann eben als Arbeitnehmer nicht so frei wählen, bei
welchem Anbieter man Daten hinterlässt und mit wem
man Kontakt aufnimmt. Man ist von anderen abhängig,
und die Abhängigkeitsstrukturen des Arbeitsverhältnis-
ses machen einen ganz besonderen Schutz notwendig.
Deshalb bin ich der festen Überzeugung: Wir brauchen
ein eigenes Beschäftigtendatenschutzgesetz und keine
Regelung, die irgendwo anders mit unterkommt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nun hat man dazugelernt. In der letzten Koalition, in
der letzten Regierung hat es zwei Vereinbarungen gege-
ben. Diese sind interessant, wenn wir über das weitere
Vorgehen reden. Die erste war: Wir wollen eine General-
klausel im Bundesdatenschutzgesetz für die Beschäftigten
unterbringen. Die zweite war: Wir werden in der Regie-
rung bis zum August dieses Jahres ein Eckpunktepapier,
möglicherweise einen Gesetzentwurf zum Beschäftig-
tendatenschutz einvernehmlich zustande bringen. Das
waren zwei Verabredungen, die die alte Koalition getrof-
fen hatte.

Das mit der Generalklausel war schon eine eigene
Geschichte. Ich glaube, dass ich nicht allzu viel ausplau-
dere, wenn ich sage, dass es zwischen dem Innenminis-
ter, der Justizministerin und dem Arbeitsminister mehr-
fach Einigungen gegeben hat, dass diese Einigungen
aber immer nach Telefonanrufen von Wirtschaftsverbän-
den im Wirtschaftsministerium nicht für die ganze Re-
gierung gegolten haben. Erst am Ende und in allergröß-
ter Not ist es zu der heutigen Generalklausel gekommen,
weil der Lobbyismus massiv interveniert hat. Immer
dann, wenn es einen Skandal gab, haben alle gesagt:
„Man muss etwas tun“; aber wenn es konkret wurde, wa-
ren viele nicht mehr dabei. Das war schon bemerkens-
wert.

Ich habe mich nicht gefreut, dass die Vereinbarung,
dass es bis zum August eine Verständigung über einen
Beschäftigtendatenschutz geben sollte, nicht umgesetzt
worden ist. Ich habe mich darüber aber nicht gewundert.
Das war nach der Vorgeschichte mit der Generalklausel
im Bundesdatenschutzgesetz nicht anders zu erwarten.
Es hat massive Widerstände gegen eine Verständigung
über konkrete Ziele gegeben. Das muss ein Ende haben.
Wir brauchen deshalb jetzt eine solche Gesetzgebung in
Deutschland.


(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was da passiert, das kann man nur ahnen. Jedenfalls
ist der Koalitionsvertrag keine gute Botschaft; denn da-
rin steht nicht, dass es ein Beschäftigtendatenschutzge-
setz geben sollte. Vielmehr heißt es dort, man wolle im
Bundesdatenschutzgesetz eine Regelung für die Arbeit-
nehmer treffen. Nun kann man sagen: Es ist egal, wo die

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(C (D ntsprechende Regelung steht. Ehrlicherweise muss ich agen: Wenn die Inhalte stimmen, ist es wirklich egal. Die Frage ist aber: Warum ist das passiert? (Gisela Piltz [FDP]: Weil Sie es nicht hinbekommen haben!)


ie vorherige Forderung anderer, zum Beispiel von der
DP, war die nach einem eigenen Gesetz,


(Gisela Piltz [FDP]: Nein!)


nd die Union hat dazu schon einmal Ja gesagt. Ich will
azu ausdrücklich sagen: Dass das jetzt so geregelt wer-
en soll, macht misstrauisch. Misstrauen muss nicht be-
tätigt werden. Als Bürger dieses Landes, als jemand,
er sich für den Datenschutz von Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmern einsetzt, wünsche ich mir, dass dabei
twas Gutes herauskommt.

Ich werde einen Gesetzentwurf, der noch gar nicht
orliegt, nicht kritisieren. Das ist die Methode anderer;
ie mache ich nicht mit. Ich betone: Das, was darin steht,
ann man messen. Mit der Verabschiedung des hier vor-
iegenden Gesetzentwurfs kann man ganz deutlich fest-
tellen, ob das, was vorgeschlagen wird, mehr oder we-
iger ist. Weniger als das, was in dem jetzt vorgelegten
esetz zum Beschäftigtendatenschutz stehen soll, sollte
eine gesetzliche Regelung umfassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Es gilt in diesem Deutschen Bundestag: Hic Rhodus,
ic salta. Das ist ganz wichtig. Hier im Bundestag wird
as Gesetz beschlossen. Allgemeine Reden zu diesem
hema sind völlig überflüssig. Eine angemessene Be-
andlung, das ist etwas, was die Bürgerinnen und Bürger
erdient haben. Denn sie kennen die Methode der Aus-
inandersetzung mit dem Datenschutz für Beschäftigte
ehr genau: Immer wenn ein Skandal bekannt wird,
eldet sich eine große Zahl von Politikerinnen und Poli-

ikern zu Wort und fordert: Ein Beschäftigtendaten-
chutzgesetz muss her! Hinterher stellen sie ihre Aktivi-
äten komplett ein, bekämpfen ein solches Gesetz sogar
m Einzelnen – wenn sie Minister sind, überlassen sie
as möglicherweise ihren Beamten –, damit nichts wirk-
ich Konkretes herauskommt. Das darf an dieser Stelle
icht passieren. Dafür ist diese Frage zu sensibel. Wir
üssen jetzt endlich etwas zustande bringen. Das muss

pätestens im nächsten Jahr etwas werden. Mit dem Ge-
etzentwurf, den wir hier vorlegen, ist das möglich.


(Beifall bei der SPD)


Es gibt nicht nur Interpretationsprobleme. Lange
aben wir alle gesagt – ich will mich da nicht ausschlie-
en –: Wer sich gut auskennt, weiß, dass das meiste, was
n diesen Skandalen passiert ist, schon jetzt verboten ist.
ber natürlich müssen wir lernen, dass ganz offenbar ein
eil derjenigen, die Verantwortung in Unternehmen tra-
en, Gesetze nur befolgen will, wenn sie ihren Inhalt
anz genau nachlesen können, und deshalb müssen wir
as, was wir wollen, aufschreiben.

Aber es gibt auch ohne Ende Regelungslücken, wie
ich bei der genaueren Beschäftigung mit modernen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 611


(A) )



(B) )


Olaf Scholz
technischen Möglichkeiten und mit diesem Gesetzent-
wurf zeigt. Wir brauchen klare Regelungen, wonach
zum Beispiel bei Einstellungen gefragt werden darf. Wir
brauchen klare Regelungen über die Verwendung und
Nutzung von Daten im Beschäftigungsverhältnis, sodass
zweifelsfrei feststeht: Was man für eine konkrete Tätig-
keit in einem Unternehmen nicht braucht, danach darf
weder gefragt noch darf es gewusst oder verwendet wer-
den. Zuwiderhandlung muss verboten sein, und das ge-
schieht mit der Verabschiedung unseres Gesetzentwurfs.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir müssen natürlich auch den ganzen Missbrauch
bei gesundheitlichen Untersuchungen unterbinden. Ich
denke dabei sowohl an die Frage nach vorliegenden Dia-
gnosen als auch an das, was beim Eintritt in ein Unter-
nehmen häufig gemacht wird. Es ist nicht zulässig – es
darf auch nicht zulässig sein –, die allgemeine Fitness
der Arbeitnehmer abzutesten; das geht nicht. Zulässig
ist, Konkretes zu erfahren, wenn es um einen Arbeits-
platz geht, bei dem bestimmte gesundheitliche Probleme
eintreten können. Aber das ist die einzige Situation, und
die ist ganz selten. Sie auf diese seltenen Fälle zu be-
schränken, das ist das, was wir jetzt tun müssen.


(Beifall bei der SPD)


Ich will es ausdrücklich ergänzen: Es gibt dann vieles,
was mit den Techniken verbunden ist, zum Beispiel
Fernüberwachung bei Telearbeiten. Wir brauchen eine
Regelung, die das so beschränkt, dass das nicht zu einer
allgemeinen Kontrolle der Arbeitnehmer wird. Wir müs-
sen sicherstellen, dass es keine Videoüberwachung
gibt, die konkret auf Arbeitnehmer bezogen bloß auf
Verdacht hin möglich ist; wenn, dann müssen schon
ganz konkrete Vorwürfe gegen einen konkreten Einzel-
nen vorliegen. In allen anderen Fällen muss man sicher-
stellen, dass das, was zur Betriebssicherheit notwendig
ist, auch nur zur Betriebssicherheit dient und nicht dazu,
Beschäftigte zu überwachen.

Das Gleiche gilt für biometrische Daten und all die
Dinge, die dort stattfinden.

Ein wichtiges Thema ist die Verwendung des Tele-
fons im Betrieb. Ich finde, wir sollten eine neue Klarstel-
lung vornehmen, nämlich sicherstellen, dass es erlaubt
ist, das Telefon auch privat zu nutzen, wie es meistens
geschieht, und dann klar erklären: Dann darf die Über-
wachung, die da heute in Unternehmen stattfindet, nicht
mehr fortgesetzt werden. Auch das muss beendet wer-
den.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir brauchen dieses Gesetz. Wir brauchen eine klare
Verantwortlichkeit des Arbeitgebers. Auch wenn er an-
dere beauftragt, endet die nicht. Er muss das weiter tun.
Wir brauchen Schadensersatzansprüche für die Arbeit-
nehmer bei Missbrauch von Daten, Unterlassungsan-
sprüche, Korrekturmöglichkeiten. Alles das ist jetzt
möglich. Lassen Sie uns diese Dinge gemeinsam zu-
stande bringen!

Schönen Dank.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700904200

Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Frieser von

er CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1700904300

Sehr verehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und

ollegen! Der Datenschutz wird zunehmend – aber er ist
s auch schon – zum bestimmenden Thema dieser parla-
entarischen Arbeit. Die Unsicherheit im Umgang mit
aten quält uns fast alle mit einem zunehmenden Unsi-

herheitsgefühl, und zwar vor allem die Arbeitnehmer,
ber auch die Arbeitgeber.

Dass wir hier eine Regelung finden müssen, das ist,
laube ich, eine einheitliche Haltung in diesem Haus; da
int uns der Konsens. Gerade deshalb geht der Koali-
ionsvertrag – Sie haben ihn ja fast fehlerfrei zitiert,
err Kollege Scholz – genau dieses Problem, wie ich
eine, sogar sehr detailliert an.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


m es noch etwas grundsätzlicher zu fassen: Ohne Si-
herheit ist keine Freiheit. Das ist der alte Humboldtsche
atz, und er ist auch die Grundlage für das Regierungs-
andeln in dieser Frage. Denn es geht genau darum, dass
er Umgang mit den persönlichen, mit den eigenen Da-
en auch die Grundlage für eine persönliche Freiheit ist
nd bleiben kann. Deshalb bedarf es dieser Regelungen.

Es ist klar – davon geht der Koalitionsvertrag eben
enau aus –, dass es keine Bespitzelung am Arbeitsplatz
eben darf, dass der Arbeitnehmer davor geschützt wer-
en muss. Deshalb ist auch klar, dass nur Daten verar-
eitet werden können, die für das Arbeitsverhältnis auch
irklich erforderlich sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir können in der Koalition jedenfalls von einem
usgehen: dass der Koalitionsvertrag in der Opposition
ngekommen ist; er wird dort gelesen, und zwar ver-
ehrt. Es ist nicht das erste, nicht das einzige Thema,

ber es wird uns vermehrt passieren, dass die Themen
ns Parlament hineingejagt werden. Man wird schauen,
ass man mit heraushängender Zunge möglichst der
rste ist, der dieses Thema draußen noch irgendwie be-
etzen kann. Aber ich kann nur sagen: Mit solcherlei
lickwerk, mit solcherlei Unzulänglichkeit lässt sich
uch in dieser Frage kein Staat machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es wird Sie nicht wundern, dass wir von der CDU/
SU deshalb – ich nehme an, dass das auch die Kolle-
innen und Kollegen von der FDP tun – diesen Entwurf
blehnen – vielleicht ablehnen müssen –; das gilt aber
atürlich nur den inhaltlichen Vorstellungen des Ent-
urfs. Es gilt nicht dem Thema des Arbeitnehmerdaten-

612 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



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Michael Frieser
schutzes. Insofern glaube ich auch, dass wir das Ganze
zügig regeln müssen.

Es ist in der Tat so: Wir haben immer wieder skan-
dalträchtige Vorkommnisse. Es geht um pauschale
Videobeobachtungen, es geht um Nötigungen mittels
Privatdetektiven, und es geht darum, dass erhobene Da-
ten am Arbeitsplatz tatsächlich auch ein Handlungsprofil
eines Arbeitnehmers erahnen oder nachverfolgen lassen.
Das sind alles Zustände, die wir in der Tat regeln müs-
sen.

Deshalb geht es eben auch darum, dass wir diese
Frage genau, präzise bearbeiten müssen. Nur können wir
das nicht mit den Ungenauigkeiten machen, die der
SPD-Gesetzentwurf beinhaltet.

Es muss die Anmerkung erlaubt sein, Herr Kollege
Scholz, dass der Handlungsdruck, den Sie jetzt hier so
in epischer Breite darstellen, Sie in Ihrer Regierungsver-
antwortung nicht dazu getrieben hat, an dieser Stelle zu
einem Ergebnis zu kommen.


(Ute Kumpf [SPD]: Sie haben doch zugehört, Kollege! Das lag nicht an dem Kollegen Scholz, das lag an anderer Stelle! Aus Ihren eigenen Reihen!)


Deshalb muss ich ganz ehrlich sagen: Wir dürfen den
wohlgesetzten abwägenden Prozess an dieser Stelle
nicht unterbrechen. Ich kann nicht ganz verstehen, wa-
rum dieser unabgestimmte Gesetzentwurf jetzt aus Ihrer
Schublade herauskommt. Wenn Sie uns diese Lade ge-
zeigt hätten, hätten wir früher darüber reden können.
Aber er hätte besser ein Ladenhüter bleiben sollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie wissen, dass dieses Thema erstmals am 16. Fe-
bruar letzten Jahres im Bundesinnenministerium unter
der Verantwortung des damaligen Bundesinnenministers
Schäuble besprochen wurde. Ich glaube, Sie konnten bei
diesem Gespräch nicht anwesend sein, Herr Kollege
Scholz. Aber das macht nichts. Dort wurden zwei Dinge
vereinbart: erstens die Tatsache, dass man dieses Thema
innerhalb des Bundesdatenschutzgesetzes regeln kann,
um Doppelbegrifflichkeiten zu vermeiden und die Ein-
heitlichkeit von Definitionen herzustellen. Das ist eines
der großen Probleme des von Ihnen hier eingebrachten
Gesetzentwurfes. Zweitens sollte eine gründliche Ab-
stimmung mit den Tarifparteien stattfinden, mit den Ar-
beitnehmervertretern und den Arbeitgebern. Was Sie
heute vorlegen, ist hingegen ein unabgestimmter Ent-
wurf. Deshalb ist er abzulehnen. Wir können an dieser
Stelle so nicht weitermachen.

Dieses Platzieren im September – dafür haben wir ja
alle Verständnis – hat sicherlich nicht von ungefähr kurz
vor der Bundestagswahl stattgefunden. Wir sollten jetzt
vielleicht einen Schritt zurücktreten und versuchen, uns
so abzustimmen, wie es bisher nicht geschehen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D Ich will nicht alle fachlichen Mängel aufzählen; eiige habe ich schon genannt. Man muss dem Parlament ie Chance geben, auf einen Entwurf der Regierung zu eagieren und zu versuchen, die selber für notwendig gealtene Abstimmung gemeinsam mit den politischen einungsträgern herbeizuführen. Der Entwurf enthält einige Unzulänglichkeiten und ngenauigkeiten. Sie sind bereits definiert und vorgetraen worden. etztendlich muss sogar angezweifelt werden, dass der etzt vorgelegte SPD-Entwurf mit der EG-Datenschutzichtlinie in weiten Zügen zu vereinbaren ist. Da kann ch nur sagen, werte Kollegen: Auch in der Opposition uss man präzise formulieren und arbeiten. Es reicht icht, alte Entwürfe vorzulegen. Ich möchte noch die Frage eines Beauftragten für en Beschäftigtendatenschutz ansprechen. Den haben ie nur ganz am Rande erwähnt, Herr Kollege Scholz. ieser soll neben dem Datenschutzbeauftragten tätig erden, und zwar bereits bei Kleinunternehmern von ünf Mitarbeitern aufwärts. Dass Sie am Ende Ihres Geetzentwurfes schreiben, das Gesetz würde keinerlei osten verursachen, halte ich nicht nur für vermessen, ondern auch für nicht glaubhaft. Insofern ist auch das in Punkt, an dem wir noch einiges nacharbeiten müsen. Sie wussten, dass Sie mit diesem Antrag mit den Grüen etwas konkurrieren. Im ersten Entwurf der Grünen urde ebenfalls ein solcher Mitarbeiterdatenschutzbe uftragter gefordert. Diese Forderung ist dann über acht verschwunden. Stattdessen wurde, ebenso plötz ich, die Möglichkeit einer Verbandsklage aufgenomen, zu der ich ehrlich sagen muss: Das Recht auf inforationelle Selbstbestimmung hat meines Erachtens mit iner Verbandsklage nicht sehr viel zu tun. Vielmehr ist er Rechtsschutz ausreichend. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Anette Kramme [SPD]: Werden Sie konkret!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Duktus der Sprache des Entwurfes geht – das
ill ich einmal deutlich sagen – mit einer Vorverurtei-

ung des Arbeitgebers einher. Die meisten Arbeitgeber
erhalten sich nicht nur gesetzestreu, sondern auch im
inne ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine Vor-
erurteilung und ein An-den-Pranger-Stellen durch den
prachduktus halte ich nicht für angebracht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es geht auch darum, die Frage eines fehlenden Schutz-
nteresses des Mitarbeiters in Einklang mit den Ver-
flichtungen eines Unternehmens zu bringen. Dabei geht
s um die Fragen der Korruptionsbekämpfung und der
atenerhebung, die auch etwas mit der wirtschaftlichen
ätigkeit zu tun haben. Das müssen wir übereinander-
ringen, auch gemeinsam mit den entscheidenden Ver-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 613


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Michael Frieser
bänden. Das fehlt schon im Denkansatz bei diesem Ge-
setzentwurf. Schon allein deshalb ist er abzulehnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sollten an dieser Stelle der SPD Zeit zum Überle-
gen geben. Die Grünen machen es – nicht oft, aber öfter –
in dieser Frage geschickter. Sie legen zu diesem Thema
keinen eigenen Gesetzentwurf vor, sondern einen An-
trag, der aber im Grunde genommen in die ähnliche
Richtung geht: Sie irrlichtern in dieselbe dunkle Ecke.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Letztendlich will man einen eigenen Gesetzentwurf un-
bedingt erzwingen. Dieser enthält aber all den Ballast,
den ich schon erwähnt habe.

Ich kann nur sagen, dass es dieses Arbeitsauftrages
nicht bedurfte. Das Innenministerium arbeitet bereits da-
ran. Die politischen Parteien denken an dieser Stelle mit.
Deshalb kann ich nur sagen: Ich hoffe, dass wir zum Er-
gebnis kommen, dass wir anderthalb Stunden Debatten-
zeit für diesen Gesetzentwurf nicht gebraucht hätten. Ich
kann Sie nur auffordern, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen: Lehnen Sie mit uns sowohl den SPD-Gesetzentwurf
als auch den Antrag der Grünen ab!

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700904400

Herr Kollege Frieser, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ers-

ten Rede vor dem Deutschen Bundestag im Namen des
ganzen Hauses sehr herzlich.


(Beifall)


Das Wort hat jetzt der Kollege Jan Korte von der
Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700904500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit

1986 wird ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz gefordert.
Man kann also heute nicht von einem Schnellschuss
sprechen. Das geht, mit Verlaub, völlig am Thema vor-
bei. Das möchte ich vorwegsagen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Gisela Piltz [FDP]: Das Thema nicht! Der Gesetzentwurf schon!)


Erinnern wir uns: Die Bahn schnüffelte 173 000 Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter aus. Ein Textildiscounter
spitzelt hinter den Mitarbeitern her, ob sie vielleicht ver-
schuldet sind; denn dann dürfen sie nicht hinter der
Kasse sitzen. In vielen Unternehmen – das können wir
im Wochenrhythmus erfahren – kommt ans Tageslicht,
dass Mails mitgelesen werden, Telefonate abgehört wer-
den und


(Zuruf von der CDU/CSU: Wie früher die Stasi!)


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(C (D ass Gewerkschafter bespitzelt werden. Das muss man ich einmal vorstellen. Erinnern wir uns weiter: Bei Lidl ging es sogar so eit, dass in den Umkleidekabinen der Mitarbeiterinnen nd Mitarbeiter des Supermarktes gefilmt wurde. Man uss sich darüber im Klaren sein, was hier im Land ab eht. Das ist offensichtlich die Regel und nicht die Ausahme. Deswegen ist es höchste Eisenbahn, dass der taat hier eingreift, um dem Einhalt zu gebieten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen uns in diesem Hause einig sein, dass die
undesregierung und der Bundestag endlich ein deutli-
hes Zeichen setzen müssen, dass die Persönlichkeits-
echte von Bürgerinnen und Bürgern nicht am Werkstor
nd auch nicht in den Umkleidekabinen von Angestell-
en eines Supermarktes enden.


(Beifall bei der LINKEN)


Seit 1986 wird ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz
efordert. In der letzten Wahlperiode gab es zwei ge-
einsame Beschlussempfehlungen zum Bericht des
undesdatenschutzbeauftragten. Das ist insofern bemer-
enswert, als diese gemeinsamen Beschlussempfehlun-
en von allen gemeinsam, also von der Linken bis zur
SU, getragen wurden, was nicht alltäglich ist. Das

ollte man hier einmal anmerken. Mehrfach wurde in
iesen Beschlussempfehlungen die Bundesregierung
on allen Fraktionen aufgefordert, endlich ein Arbeit-
ehmerdatenschutzgesetz vorzulegen. Passiert ist aber
ichts. Die Skandale gehen munter weiter, und die Mit-
rbeiterinnen und Mitarbeiter sind geradezu Freiwild in
ielen Unternehmen.

Es ist sicher interessant, was heute vorgelegt wurde.
arin sind viele wichtige Punkte enthalten. Das ist rich-

ig. Allerdings kann ich Ihnen folgenden Vorwurf nicht
rsparen: Die SPD war elf Jahre in der Bundesregierung.
enn es ein zentrales Anliegen der SPD gewesen wäre,

ann hätte man in diesen elf Jahren etwas machen kön-
en.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


nsere Unterstützung hätten Sie dabei gehabt. Passiert
st aber nichts. Zwei Wochen vor der Wahl haben Sie,
err Scholz, als Arbeitsminister angekündigt, Sie wür-
en etwas vorlegen. Danach sind Sie aus der Regierung
eflogen und sind jetzt in der Opposition. Heute legen
ie nun endlich einen Gesetzentwurf vor. Geschenkt!
ichtig ist, dass wir diesen Gesetzentwurf gemeinsam

urchbekommen.

Nach den heutigen Redebeiträgen kann man sagen,
ass das Hauptproblem die CDU/CSU ist. Bei der FDP
eiß man, seit sie in der Regierung sitzt, nicht mehr, wie

ie zu den Bürgerrechten steht und ob sie nicht lieber
ie Interessen der Wirtschaftskonzerne exekutiert. Des-
alb wird das Vorhaben wahrscheinlich nicht erfolgreich
ein.

614 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Jan Korte

(Gisela Piltz [FDP]: Dabei hab ich für Sie geklatscht! Und das ist jetzt der Dank!)


– Dass Sie geklatscht haben, hat mich für kurze Zeit
ideologisch irritiert.


(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, jetzt wirklich eine
gesetzliche Regelung voranzubringen. Sie sollten sich
einmal überlegen, dass Arbeitsverhältnisse, wie es der
Begriff schon ausdrückt, Abhängigkeitsverhältnisse
sind. Hinzu kommt, dass die Zunahme von prekärer Be-
schäftigung in den letzten Jahren zu einer größeren Ab-
hängigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
und vor allem zu sehr viel weniger Mitbestimmung ge-
führt hat. Es ist richtig, dass wir ein allgemeines Arbeit-
nehmerdatenschutzgesetz voranbringen; denn die pre-
käre Beschäftigung hat zu weniger Mitbestimmung und
zu einer geringeren Achtung der Persönlichkeitsrechte
geführt.

Gerade in Zeiten der Krise und in Zeiten von mehr
prekärer Beschäftigung wird die Angst der Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer größer – deswegen auch das
Aufbegehren und der Widerstand. Die Interessenvertre-
tung ist geschwächt worden. Wenn wir ein Arbeitneh-
merdatenschutzgesetz beschließen, das transparent ist, in
dem klare Rechte formuliert werden und das bestimmten
Unternehmenspraktiken klar Einhalt gebietet, dann be-
deutet ein solches Arbeitnehmerdatenschutzgesetz für
die einzelne Arbeitnehmerin und den einzelnen Arbeit-
nehmer ein Mehr an Mitbestimmung, ein Mehr an De-
mokratie und vor allem ein Mehr an Selbst- und Mitbe-
stimmung. Nach so vielen Jahren müssen wir endlich in
die Puschen kommen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn wir über ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz,
über die Skandale in den Unternehmen und darüber, wie
Mitarbeiter ausgeforscht worden sind, diskutieren, dann
sollten wir – der Staat, der Bundestag, die Bundesregie-
rung – innehalten und überlegen, was wir mit den Bür-
gerrechten und der Demokratie in den letzten Jahren ge-
macht haben. Man kann es auf einen Punkt bringen: In
vielen Wirtschaftsunternehmen wird das nachgemacht,
was im Bundestag und von der jetzigen und der vorher-
gehenden Bundesregierung vorgemacht worden ist,
nämlich eine exorbitante Datensammelwut zu veran-
stalten. Deswegen ist in diesem Zusammenhang auch
der Staat gefragt, endlich einmal innezuhalten und einen
anderen Weg einzuschlagen.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine letzte Anmerkung möchte ich machen. Wenn wir
über ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz diskutieren und
es hoffentlich endlich auf den Weg bringen, dann sollten
wir auch an die Arbeitslosen, an die Hartz-IV-Empfän-
ger denken. Für sie gibt es nämlich de facto überhaupt
keine Datenschutzregeln. Darüber müssen wir miteinan-
der diskutieren; denn nur gemeinsam werden wir es hin-
bekommen, hier etwas zu ändern. Erinnern Sie sich an

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(C (D ie Skandale, die es in einigen Argen in den letzten Wohen gab. Deswegen ist es richtig, über Arbeitnehmerdaenschutz zu sprechen. Es ist genauso wichtig, auf die ruppe der Hartz-IV-Empfänger einzugehen, die sich in er Arge angesichts der Fragen und dessen, was sie ofenlegen müssen, gewissermaßen nackig machen müsen. Nur zusammen werden wir es hinbekommen, einen irklichen Kurswechsel zu bewerkstelligen. Dafür steht ie Linke, dafür werden wir alles tun. Vor allem werden ir dafür im Parlament und auf der Straße richtig Druck achen. Es wird Zeit. Danke. Das Wort hat die Kollegin Gisela Piltz von der FDP raktion, der ich gleichzeitig sehr herzlich zu ihrem heuigen Geburtstag gratuliere. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ielen Dank. Es ist natürlich ein Traum für eine Parlaentarierin, am Geburtstag reden zu dürfen – zumal zu inem solchen Thema. Aber, Herr Scholz, Sie haben ich wieder enttäuscht. Das war kein Geburtstagsge chenk von Ihnen, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es nur nicht gemerkt!)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700904600

(Beifall)

Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1700904700

nd zwar in zweifacher Hinsicht:

Erstens bin ich enttäuscht, dass jemand, der immerhin
ut zwei Jahre Arbeitsminister gewesen ist,


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Zwei lange Jahre!)


ich dafür, keine weiterreichenden Gesetzgebungsver-
ahren eingeleitet haben zu können, damit entschuldigt
so nenne ich das einmal freundlich –, dass der Lobby-
smus


(Anette Kramme [SPD]: Ihr Lobbyismus!)


meiner kann es nicht gewesen sein, das muss man ganz
eutlich sagen; denn wir waren in der Opposition; die
nterschiedlichen Rollen sollten Sie noch im Kopf
aben – und der Druck sehr groß waren. Ich verstehe
as, ehrlich gesagt, nicht.

Zweitens hat mich die Tatsache enttäuscht, dass Sie
ich nicht einmal die Mühe gemacht haben, unsere Pro-
rammatik genau zu lesen. Denn dann wüssten Sie, dass
ir uns immer dafür eingesetzt haben, ein Arbeitneh-
erdatenschutzrecht zu schaffen und nicht unbedingt

in Gesetz. Sie als Jurist sollten den Unterschied kennen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


ur das dazu.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 615


(A) )



(B) )


Gisela Piltz
Kollegin Kramme, ich kann mich noch gut erinnern,
dass Sie hier – es war einst im Mai; das verspricht Schö-
nes – versprochen haben, dass es noch in dieser Legisla-
turperiode ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz geben
wird. Und dann? Eine Sitzungswoche und noch eine Sit-
zungswoche vergehen, und nichts ist passiert. Dann hat
Herr Scholz drei Wochen vor der Bundestagswahl – es
war in meinem Wahlkreis, in Düsseldorf – einen Gesetz-
entwurf vorgestellt. Das ist eine Verdummung der Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber nichts, was uns
in diesem Zusammenhang wirklich weiterbringt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn ich das noch sagen darf: Einen Gesetzentwurf
hätten Sie schon vor Jahren vorlegen müssen. Vielleicht
nicht unbedingt diesen, weil dieser Gesetzentwurf – in
dieser Hinsicht teile ich die Einschätzung meines Kolle-
gen von der CDU/CSU – nicht gut ist. Nach jahrelanger
Arbeit hätte ich erwartet, dass er besser ist.


(Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Wo ist Ihrer?)


– Unser Gesetzentwurf wird kommen, und zwar schon
bald.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der LINKEN: Unverzüglich!)


Der Unterschied, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der SPD, ist: Sie haben elf Jahre lang das Arbeitsminis-
terium unter einer SPD-Flagge geführt. Sie waren elf
Jahre lang nicht in der Lage, etwas vorzulegen, nicht ein-
mal als Regierung.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Hört! Hört!)


Von daher: Wir machen das richtig und gründlich. Da-
rauf können Sie sich verlassen. Sie können rumnörgeln,
wie Sie möchten, aber da müssen Sie sich an Ihre eigene
Nase fassen


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Sie ja sehr getroffen!)


und sich nicht als Heilsarmee für die Bürgerinnen und
Bürger, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufspie-
len. Wir werden sehen, wer den besseren Entwurf vor-
legt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Sagen Sie etwas zu den Inhalten!)


– Nein, es geht um Ihren Gesetzentwurf und nicht um
meine Inhalte. Damit müssen Sie leben.

Richtig ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer schon heute nicht schutzlos sind, wenn der Arbeit-
geber Telefon oder E-Mails überwacht.


(Ute Kumpf [SPD]: Na ja!)


Richtig ist auch, dass dieser Schutz leider sehr lücken-
haft und damit nicht praxisgerecht ist: mangelnde Pra-
xistauglichkeit, die vor allem Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer davor zurückschrecken lässt, ihre Rechte,
die sie haben, auch durchzusetzen, mangelnde Praxis-

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(C (D auglichkeit, die sowohl für Arbeitnehmer als auch für rbeitgeber und Unternehmen ein Problem geworden st. Klar ist: Wir brauchen eindeutige Regelungen für die rhebung und Nutzung von personenbezogenen Daten m Arbeitsplatz. Es geht darum, den Spagat zwischen dem Schutz von rbeitnehmerdaten und effektiver Korruptionsbekämp ung hinzubekommen. Compliance und Revision ist das agesgeschäft in den Unternehmen. Das kann man nicht on einem Tag auf den anderen abschaffen, aber wir rauchen auch keinen gläsernen Bürger, und wir brauhen auch keinen gläsernen Arbeitnehmer. Diesen Spaat werden wir hinbekommen. Da bin ich sicher. Aber an muss überhaupt erkennen, dass es diesen Spagat ibt. Wir wollen ein Persönlichkeitsrecht der Arbeitneherinnen und Arbeitnehmer. Das ist für uns der Aus angspunkt für das Grundrecht auf Datenschutz. Wie gesagt, meine Damen und Herren von der SPD: ir haben elf Jahre gewartet. Schade, dass nur ein Flicken eppich mit Überflüssigem, mit Unnötigem und aus meier Sicht mit zum Teil sachfremden Erwägungen herausekommen ist; denn wo ich die datenschutzrechtliche elevanz einer Norm, die die Erstattung von Bewerungskosten regelt, einordnen soll, das müssen Sie mir rklären. An anderer Stelle begnügen Sie sich einfach amit, das Bundesdatenschutzgesetz abzuschreiben. Das st ja auch einfach: copy and paste. Aber wenn Sie das chon machen, dann doch bitte mit Augenmaß und rientiert am Schutzgedanken der Regelungen. (Anette Kramme [SPD]: Was haben Sie denn gelesen?)


it reflexartiger Überregelung ist weder dem Arbeitneh-
er noch dem Arbeitgeber gedient.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wissen alle – jeder von uns hat das sicherlich
chon einmal erlebt – um die Problematik der daten-
chutzrechtlichen Einwilligung im Arbeitsverhältnis.
as ist ein Über-/Unterordnungsverhältnis. Wenn Ihnen
esagt wird, Ihre Einwilligung sei freiwillig, dann haben
ie eine Ahnung davon, wie freiwillig diese Einwilli-
ung wirklich ist. Diese Freiwilligkeit muss jetzt inten-
iv hinterfragt werden.

Deshalb hat sich aus unserer Sicht im Bereich des Be-
chäftigtendatenschutzes das Instrument der Betriebs-
ereinbarung hervorragend etabliert. Auch wenn es an
ieser Stelle Nachholbedarf gibt: Datenschutz ist auch
mmer ein Teil von Unternehmenskultur. Wenn es
chiefgeht, dann natürlich nicht; das haben wir oft genug
esehen. Aber warum Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-
en von der SPD, diese aus meiner Sicht bewährte und
öchstrichterlich bestätigte Praxis einschränken wollen,
leibt Ihr Geheimnis. Warum Sie den Betrieben und den
itarbeitern Macht nehmen wollen, müssen Sie uns er-

lären.

Vor diesem Hintergrund: Das probate Mittel der be-
rieblichen Vereinbarung durch Unabdingbarkeitsregeln
u schwächen, halte ich persönlich für praxisfremd und

616 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Gisela Piltz
wenig durchdacht. Würde Ihre Vorstellung Gesetz, wä-
ren über Nacht unzählige Betriebsvereinbarungen hinfäl-
lig. Das kann nicht Sinn und Zweck der Übung sein. Ich
freue mich auf die Kommentare der Gewerkschaft an die
SPD.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sinn und Zweck dieser Übung kann nach unserer
Auffassung auch nicht sein, neben dem betrieblichen
Datenschutzbeauftragten einen betrieblichen Beauftrag-
ten für den Beschäftigtendatenschutz zu etablieren; das
hat auch schon mein Kollege gesagt. Hier sind Über-
schneidungen und Reibungspunkte vorprogrammiert.
Besser erscheint es uns, die Position des betrieblichen
Datenschutzbeauftragten zu stärken und ein einheitliches
Berufsbild zu entwerfen, das Mindestanforderungen
über die aktuelle Formulierung im Bundesdatenschutz-
gesetz hinaus verbindlich festlegt. Mal abgesehen davon,
steht aus unserer Sicht der bürokratische Aufwand für
die Unternehmen in keinem Verhältnis zum Erfolg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Arbeitnehmer-
datenschutz führte in den zurückliegenden Wahlperio-
den ein kümmerliches Dasein. Herr Korte, Sie haben
recht, dass wir fraktionsübergreifend hier im Bundestag
alle zwei Jahre gefordert haben, einen solchen Gesetz-
entwurf vorzulegen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!)


Darin waren wir uns einig. Erste Versuche, wie der zum
Ende der vergangenen Wahlperiode eingeführte § 32 des
Bundesdatenschutzgesetzes, verfehlten das Anliegen, für
mehr Klarheit zu sorgen. Arbeitnehmerdatenschutzrecht
muss vor allem transparent und für den Einzelnen ver-
ständlich sein. Das muss unser Ziel sein. Wenn wir das
nicht machen, dann kommen wir leider kein Stück wei-
ter.

Dafür aber benötigen wir kein eigenständiges Gesetz,
das in weiten Teilen einfach nur als Kopie des Bundes-
datenschutzgesetzes daherkommt.


(Anette Kramme [SPD]: Das ist doch lächerlich! Was steht denn zur Videoüberwachung im Bundesdatenschutzgesetz?)


Rechtszersplitterung trägt nie zu einer verbesserten
Handhabung des Rechts bei.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Das will die Justizministerin aber!)


Deswegen stehen wir dem Antrag der Grünen – zugege-
ben, in einigen Teilen ist er sehr erfreulich – durchaus
kritisch gegenüber. Wir werden bereits im nächsten Jahr
einen neuen Entwurf vorlegen. Dann werden wir darüber
diskutieren. Ich bin sicher, dass wir es schaffen, Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern mehr zu bieten, als die
SPD das in der Vergangenheit getan hat.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem ollegen Olaf Scholz. Sie haben mich auf den Druck von Lobbyisten ange prochen. Ich habe ihm gut standgehalten. Das hat am nde mit dem Bundesdatenschutzgesetz auch geklappt. ber es ist schon so gewesen – das wiederhole ich hier –: s hat massivste Interventionen gegeben. Wenn es das rbeitsministerium nicht gegeben hätte, hätten sie dahin ehend Erfolg gehabt, dass es zu einer lauen Regelung ekommen wäre. Diese Lobbyisten haben jedoch Untertützung in anderen Ministerien der alten Bundesregieung gefunden. Deshalb bin ich hinsichtlich der Zukunft twas misstrauisch. Einen anderen Punkt, den Sie angesprochen haben, ill ich gerne kommentieren. Zu den Vereinbarungen ber die Schaffung der Generalklausel gehörten die Verinbarung, ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz vorzuegen, und die Verständigung, dass es dazu bis zum Auust ein gemeinsames Papier der Regierung gibt. Das hat s nicht gegeben, weil der Koalitionspartner das inhaltich nicht gewollt hatte, weil er, wie es auch hier urchzuklingen scheint, den Wunsch der Arbeitgebererbände, möglichst wenig zu regeln, erhört hat. Wir erden sehen, was jetzt dabei herauskommt. Sie haben heute Geburtstag. Ich möchte Ihnen dazu usdrücklich gratulieren. Ich mag Ihren kämpferischen edestil; das will ich klar sagen. Ich wünsche Ihnen zu hrem Geburtstag, dass Sie dann, wenn die Bundesregieung den Gesetzentwurf vorgelegt hat, hier nicht kleinaut stumm bleiben und schweigen müssen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist doch mal ein Geschenk!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700904800
Olaf Scholz (SPD):
Rede ID: ID1700904900


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700905000

Zur Erwiderung erhält das Wort die Kollegin Gisela

iltz.


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1700905100

Da ich gut erzogen bin, Herr Scholz, erst einmal herz-

ichen Dank für den Glückwunsch, auch wenn dieser mit
em „dumm“ ein bisschen vergiftet ist.


(Ute Kumpf [SPD]: „Stumm“, nicht „dumm“!)


Gut, dann ist es bei mir falsch angekommen. Also,
anke schön für den Glückwunsch. Aber ganz ehrlich:
enn das, was Sie vorgelegt hatten, oder die Tatsache,

ass Sie nichts getan hatten – das haben Sie so erklärt –,
in Beweis dafür sein soll, dass Sie dem Lobbyisten-
ruck standgehalten haben, dann finde ich das sehr ent-
äuschend.


(Anette Kramme [SPD]: Das ist doch lächerlich! Hören Sie zu!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 617


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Gisela Piltz
Sie haben gesagt: Ich habe dem Druck der Lobbyisten
standgehalten, deshalb habe ich nichts getan. So habe ich
das verstanden.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Ich finde, wenn das so funktioniert, wenn man als Minis-
ter versucht, so Politik zu machen, dann bin ich davon
sehr enttäuscht und kann nur hoffen, dass diese Regie-
rung das besser macht, als Sie das gemacht haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700905200

Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Beate

Müller-Gemmeke von Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Guten Morgen, liebe Sozialdemokraten,
auch ich muss es noch einmal sagen: Sie haben zehn
Jahre im Ministerium für Arbeit und Soziales regiert,
aber erst heute kommen Sie mit einem Gesetzentwurf
zum Beschäftigtenschutz. All die Jahre haben Sie es
nicht geschafft, das Thema angemessen zu bearbeiten,


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie waren auch ein paar Jahre dabei!)


und das trotz der vielen Skandale, die in den letzten Jah-
ren durch die Medien gingen. Natürlich ist es richtig,
dass Sie dieses wichtige Thema auf die Agenda des
Deutschen Bundestages setzen. Wir unterstützen das, le-
gen aber einen eigenen Antrag vor; denn Ihre Forderun-
gen gehen uns nicht weit genug.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Frieser, es ist Realität, dass die Rechte der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in vielen Un-
ternehmen mit Füßen getreten wurden.


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Das gilt nicht für alle!)


Die Vorfälle sind mir eindrücklich in Erinnerung geblie-
ben, beispielsweise die systematische Überwachung des
Mailverkehrs von weit über 80 000 Beschäftigten bei der
Bahn, die Bespitzelung der Betriebsräte bei der Tele-
kom, das gezielte Erfassen von Krankheitsdaten und die
Videoüberwachung bei Lidl, das heimliche Speichern
von Krankendaten bei Daimler und nicht zuletzt die Vor-
würfe der Bespitzelung von Beschäftigten bei Edeka. All
dies sind prominente Beispiele für den Missbrauch von
Daten der Beschäftigten, aber das ist bestimmt nur die
Spitze des Eisbergs. Das ist und bleibt ein Skandal und
muss vom Gesetzgeber unbedingt unterbunden werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist auch die Meinung des Bundesarbeits-
gerichts. Auf die Missstände beim Beschäftigtendaten-
schutz wurde schon mehrfach hingewiesen. Der Spre-
cher des Gerichts stellte gegenüber dem Tagesspiegel

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(C (D est, dass es jede Menge Rechtsunsicherheit gebe. Herr rieser und Frau Piltz, die Präsidentin des Gerichts forert ein eigenständiges Datenschutzgesetz für Beschäfigte. Ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgeetz haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode efordert. Aber wir sind mit dieser Forderung auf taube hren gestoßen. CDU/CSU und SPD haben unseren daaligen Antrag abgelehnt. Jetzt kann ich nur hoffen, dass CDU/CSU und FDP ndlich begreifen, dass in diesem Bereich erheblicher eglungsbedarf besteht. Vor allem appelliere ich an die egierungsfraktionen, ihr Vorhaben, den Beschäftigtenatenschutz lediglich in einem Kapitel des Bundesdatenchutzgesetzes zu regeln, aufzugeben. (Michael Frieser [CDU/CSU]: Das reicht doch aus!)


er Datenschutz für Beschäftigte muss klar, eindeutig
nd umfassend geregelt werden. Diesem Anspruch wird
an mit einem Kapitel im Bundesdatenschutzgesetz bei
eitem nicht gerecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen vor allem weiter gehende Regelungen;
enn gegenwärtig herrscht ein unter bürgerrechtlichen
esichtspunkten unhaltbarer Zustand. Diesbezüglich
eht unser Antrag über den Gesetzentwurf der SPD hi-
aus:

Erstens. Wir wollen ein Klagerecht für Gewerk-
chaften, damit auch Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
ehmer ohne betriebliche Interessenvertretung zu ihrem
echt kommen können.

Zweitens. Wir wollen höhere Bußgelder. Die Vergan-
enheit hat gezeigt, dass die jetzige Bußgeldregelung
enig abschreckende Wirkung hat. Wenn die Persön-

ichkeitsrechte von Beschäftigten verletzt werden, dann
st das kein Kavaliersdelikt. Das muss endlich deutlich
erden und spürbar bestraft werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])


Drittens – das ist ganz wichtig – müssen auch die
rbeitsuchenden bei der Bundesagentur für Arbeit

n den Beschäftigtenschutz einbezogen werden. Dass das
ringend notwendig ist, hat der Skandal bei der Jobbörse
er Bundesagentur für Arbeit gezeigt.

Ich sage es noch einmal: Die Regierungsfraktionen
ollen dieses wichtige Thema endlich aufgreifen. Die
eschäftigten sind in ihrer Abhängigkeit von den Arbeit-
ebenden besonders schutzbedürftig. In diesem Sinne
reift der neue § 32 des Bundesdatenschutzgesetzes zu
urz. Er enthält allenfalls Generalklauseln, die letztend-
ich keine Rechtssicherheit bieten, weder für die Arbeit-
ehmerinnen und Arbeitnehmer noch für die Unterneh-
en.

Es bleibt also noch viel zu tun, bis die Rechte der Ar-
eitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserer schnellle-
igen Informationsgesellschaft geschützt sind. Gerade in
eiten, in denen die Arbeitsmarktlage angespannt ist und
ie Angst vor dem Arbeitsplatzverlust bis weit in die

618 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



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Beate Müller-Gemmeke
Mitte der Gesellschaft reicht, müssen Beschäftigte wert-
geschätzt, fair behandelt und endlich in ihren Rechten
gestärkt werden.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700905300

Frau Kollegin Müller-Gemmeke, auch Ihnen gratu-

liere ich zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag
im Namen des ganzen Hauses. Herzlichen Glück-
wunsch.


(Beifall)


Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer von der
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1700905400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Meine lieben Kol-
leginnen und Kollegen von der Opposition, seien Sie ge-
trost versichert, das Thema Datenschutz wird für die ak-
tuelle Regierungskoalition eine außerordentlich wichtige
Rolle spielen. Es wird ein Kernthema im Bereich der In-
nen- und Rechtspolitik in dieser Legislaturperiode sein.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist eine Drohung!)


Dies gilt insbesondere für den Arbeitnehmerdatenschutz.

Es ist völlig unstreitig: Es gab in der Vergangenheit
gravierende, schwerwiegende und durch nichts zu recht-
fertigende Datenschutzskandale. Es gab Skandale in
Großunternehmen, wo Mitarbeiter bespitzelt wurden,
Daten missbräuchlich gespeichert und teilweise weiter-
gegeben wurden. Ich bitte aber um eines, und zwar da-
rum, den Blick für die Realität nicht zu verlieren. Es hat
sich hier um einige wenige Ausnahmefälle gehandelt.
Ich warne dringend davor, die gesamte deutsche Wirt-
schaft unter Generalverdacht zu stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Anette Kramme [SPD]: Wieso taucht dann fast täglich ein neuer Skandal auf?)


Das trifft einfach nicht zu. Der überwiegende Teil der
deutschen Wirtschaft, insbesondere die kleinen und mitt-
leren Unternehmen, verhält sich vollkommen gesetzes-
und rechtstreu. Dies sollte an dieser Stelle deutlich zum
Ausdruck gebracht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich bedauere es sehr, meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen von den Grünen und von der SPD, dass Ihrem An-
trag bzw. Ihrem Gesetzentwurf ein grundsätzlicher Arg-
wohn und ein Misstrauen gegenüber der Wirtschaft
innewohnt. Dies ist vollkommen ungerechtfertigt.

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(C (D Ich möchte nicht verhehlen, dass es sehr wohl Ändeungsbedarf gibt. Es besteht die Notwendigkeit, den rbeitnehmerdatenschutz in Deutschland zu verbessern. ir werden dies in dieser Legislaturperiode tun; seien ie versichert. Ich warne in aller Deutlichkeit davor, ollkommen überzogene, höchst bürokratische, kostpielige und unverhältnismäßige Regelungen zu schafen. Dies wäre der Fall, wenn wir sie so schaffen würen, wie sie der Gesetzentwurf der SPD vorsieht. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass die rundinitiative nicht von Ihnen, Herr Scholz, in Ihrem rüheren Amt ausging, sondern vom damaligen Bundesnnenminister, Dr. Wolfgang Schäuble, er am 16. Februar dieses Jahres zu einem Spitzentreffen m Bundesinnenministerium eingeladen hatte. Sie, Herr cholz, waren nicht anwesend, aber Vertreter der Arbeitehmerseite, zum Beispiel der Vorsitzende des Deutchen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer. Man hat ich meines Erachtens dort sehr konsensual und zielgeichtet mit dem Thema „Verbesserung des Arbeitneherdatenschutzes“ auseinandergesetzt. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Warum haben Sie dann nicht zugestimmt?)


(Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich warne in aller Deutlichkeit davor, jetzt übereilt
nd vorschnell Regelungen zu schaffen. Für uns in der
euen Koalition gilt ganz klar der Grundsatz: Qualität
eht vor Schnelligkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ir wollen effiziente und praxistaugliche Regelungen
chaffen.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann?)


ir wollen aber nichts über das Knie brechen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Sie wollen wahrscheinlich erst einmal mit dem BDI reden!)


Ich darf an dieser Stelle eines klarstellen, weil Sie,
eine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen

nd von der SPD, hier das Gegenteil behaupten: Die Ar-
eitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sind
eute nicht rechtlos gestellt. Es gibt eine sehr ausdiffe-
enzierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes
um Umgang mit personenrelevanten Daten vor Begrün-
ung eines Beschäftigungsverhältnisses und nach Be-
ründung eines Beschäftigungsverhältnisses. Das heißt
ber nicht, dass wir als Gesetzgeber nichts tun sollten;
as Gegenteil ist der Fall. Ich bin der festen Überzeu-
ung: Wir als Gesetzgeber sind aufgerufen – wir haben
ies im Koalitionsvertrag zwischen der CDU/CSU und
er FDP ganz deutlich zum Ausdruck gebracht –, den
rbeitnehmerdatenschutz zu verbessern. Wir werden da-

ür sorgen, dass Arbeitnehmer in Deutschland vor Be-
pitzelungsaktionen wirksam geschützt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 619


(A) )



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Stephan Mayer (Altötting)

Wir werden in diesem Zusammenhang das Bundes-
datenschutzgesetz lesbarer und verständlicher gestalten.
Wir werden es zukunftsfest und technologieneutral aus-
gestalten.


(Anette Kramme [SPD]: Leerformeln!)


Hinsichtlich der Frage, ob wir ein eigenes Beschäftig-
tendatenschutzgesetz in Deutschland brauchen, bin ich
der Meinung, dass wir das schon vorhandene und be-
währte Bundesdatenschutzgesetz


(Jan Korte [DIE LINKE]: Aha!)


um ein weiteres Kapitel erweitern sollten. Es gibt zu
viele Gesetze, zum Beispiel das Bundespersonalvertre-
tungsgesetz, das Arbeitssicherheitsgesetz und das Tele-
mediengesetz,


(Anette Kramme [SPD]: Die schaffen wir alle ab, nicht wahr?)


in denen spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeit-
nehmerdatenschutz erforderlich wären. Ich bin der
Auffassung, es wäre vernünftiger, im Bundesdaten-
schutzgesetz ein eigenes Kapitel für den Arbeitnehmer-
datenschutz zu schaffen.

Ich bitte Sie, eines zur Kenntnis zu nehmen: Beim
Thema Datenschutz geht es nicht nur um den Schutz der
vorhandenen Daten, sondern es geht immer auch darum,
Datensparsamkeit an den Tag zu legen.


(Anette Kramme [SPD]: Tolle Erkenntnis!)


Es ist also immer auch darauf zu achten, dass möglichst
wenige Daten erhoben werden.


(Beifall der Abg. Gisela Piltz [FDP])


Die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesar-
beitsgerichts habe ich schon erwähnt. Das Bundesarbeits-
gericht hat die ganz klare Vorgabe gemacht, dass sowohl
vor der Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses
als auch nach Begründung eines Beschäftigungsverhält-
nisses nur die personenrelevanten Daten erhoben werden
dürfen, die für die Beantwortung der Frage relevant sind,
ob das Beschäftigungsverhältnis begründet bzw. fortge-
setzt oder beendet werden sollte oder muss. Daran wer-
den wir uns orientieren, genauso wie an den festen
Grundsätzen der Freiwilligkeit und der Einwilligung.
Es dürfen nur die Daten gespeichert werden, die vom be-
troffenen Arbeitnehmer oder Bewerber freiwillig heraus-
gegeben werden.

Die Persönlichkeitsrechte des Bewerbers und insbe-
sondere das Recht auf informationelle Selbstbestim-
mung sind bei der Erhebung von Daten stets zu wahren.
Es dürfen insbesondere nur Fragen zu dienstlich relevan-
ten Vorgängen gestellt werden. Dies gilt allerdings schon
heute.

Meine lieben Kollegen von den Grünen, Sie haben in
Ihrem Antrag, der sehr umfangreich ist, viele Allgemein-
plätze aufgeführt, die völlig überflüssig sind. Sie sind
deshalb überflüssig, weil sie schon längst geltendes
Recht sind. Die Frage nach einer Schwangerschaft oder
einer geplanten Schwangerschaft ist schon heute arbeits-
rechtlich unzulässig.

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(C (D (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit den Bluttests? – Zuruf von der SPD: Sie wird trotzdem gestellt, Herr Kollege!)


as Gleiche gilt für die Überwachung mit Videokame-
as;


(Anette Kramme [SPD]: Sie wissen doch, dass die Rechtsprechung hierzu mehr als unpräzise ist!)


ier besteht, um das deutlich zu sagen, Klarstellungsbe-
arf.

Wir wollen dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmer in Deutschland nicht mit speziellen
ideokameras bespitzelt werden. In manchen Unterneh-
en ist dies notwendig, um dafür zu sorgen, dass die
aren gesichert sind und damit dann, wenn Waren ge-

tohlen werden, diesem Diebstahl nachgegangen werden
ann. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass es
icht erforderlich ist und nicht zulässig sein darf, Arbeit-
ehmerinnen und Arbeitnehmer mit speziellen Videoka-
eras zu bespitzeln.

Lieber Kollege Scholz, Sie haben die private Nut-
ung des Telefons angesprochen und dafür plädiert, dass
s generell zulässig sein sollte, dass Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmer in Deutschland das dienstliche Tele-
on zu privaten Zwecken nutzen. Dies mag in dem einen
der anderen Fall vielleicht richtig sein. Ich sage aber
anz offen: Diese Forderung im Sinne einer General-
lausel zu formulieren und sie der Wirtschaft in der jet-
igen Situation ins Stammbuch zu schreiben, halte ich
ür vollkommen deplatziert und verfehlt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir werden des Weiteren darauf achten, dass passge-
aue, zielgenaue Regelungen getroffen werden und nicht
as Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, dass also
icht vollkommen bürokratische und unverhältnismä-
ige Regelungen getroffen werden.

Ein Kernanliegen der neuen Regierungskoalition ist,
ie Rolle des Bundesdatenschutzbeauftragten zu stär-
en, stets seine Unabhängigkeit zu wahren und seine
ersonelle und sächliche Ausstattung zu verbessern. Ich
arne aber davor, im Rahmen eines Arbeitnehmerdaten-

chutzrechts durch die Hintertür Änderungen am Ar-
eitsrecht vorzunehmen.

Liebe Kollegen von der SPD, es ist schon erwähnt
orden, dass ein Punkt in Ihrem Gesetzentwurf mit Ar-
eitnehmerdatenschutz überhaupt nichts zu tun hat. In
6 Abs. 6 Ihres Gesetzentwurfes steht, dass einem Be-
erber sämtliche Kosten, zum Beispiel Fahrtkosten, und
uslagen für ein Bewerbungsgespräch zu erstatten

ind, wenn der Arbeitgeber ihn zur persönlichen Vorstel-
ung auffordert. Diese Regelung hat mit Arbeitnehmer-
atenschutz wirklich überhaupt nichts zu tun.


(Anette Kramme [SPD]: Das ist falsch!)


620 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Stephan Mayer (Altötting)

Ich warne, wie gesagt, davor, jetzt durch die Hintertür
Regelungen einzuführen, die mit dem Arbeitnehmerda-
tenschutz überhaupt nichts zu tun haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Des Weiteren müssen wir meines Erachtens unheim-
lich aufpassen, dass wir dem individuellen Anspruch des
Arbeitnehmers bzw. des Bewerbers gerecht werden, dass
mit seinen personenbezogenen Daten sorgfältig und ord-
nungsgemäß umgegangen wird. In diesem Zusammen-
hang halte ich aber überhaupt nichts von der Forderung
der Grünen, ein neues Verbandsklagerecht einzufüh-
ren.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso denn nicht? Das wäre doch mal etwas Neues!)


Ich sage ganz offen: Ich stehe dem Institut des Verbands-
klagerechts ohnehin sehr skeptisch und distanziert ge-
genüber.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich persönlich bin nämlich der Auffassung, dass es nicht
in unsere Rechtssystematik passt. Natürlich muss je-
mand, der sich in seinen Rechten verletzt fühlt, dies indi-
viduell gerichtlich geltend machen können. Das heißt
aber nicht, dass wir für Betriebsräte oder für Gewerk-
schaften eine ausufernde Ausweitung des Rechtsinstitu-
tes des Verbandsklagerechtes schaffen müssten. Dem
müssen wir Einhalt gebieten. Wir brauchen kein neues
Verbandsklagerecht in diesem Bereich.

Seien Sie versichert, meine sehr verehrten Kollegin-
nen und Kollegen von der Opposition: Wir werden uns
mit dem wichtigen Thema, wie wir den Arbeitnehmerda-
tenschutz verbessern können, in dieser Legislaturperiode
sehr zielgenau, sehr sorgfältig und sehr seriös auseinan-
dersetzen. Der Antrag und der Gesetzentwurf, den die
einzelnen Oppositionsfraktionen eingebracht haben, sind
übereilt und vorschnell eingebracht worden. Gemach,
gemach! Seien Sie versichert: In wenigen Monaten wer-
den wir wesentlich mehr Licht ins Dunkel bringen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700905500

Das Wort hat die Kollegin Anette Kramme von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1700905600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren von der Union und
von der FDP, Sie haben recht: Die Opposition sollte prä-
zise arbeiten. Wir werden uns bemühen, diesem An-
spruch immer gerecht zu werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ich dachte, Opposition ist Mist!)


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(C (D m Gegenzug sollte die Kritik der Regierung Substanz aben, und die Regierung sollte an der einen oder andeen Stelle auch Vorschläge unterbreiten. Meine Damen und Herren, was ich von Ihnen höre, äuft im Prinzip auf eines hinaus: Sie wollen kein Arbeitehmerdatenschutzgesetz, Sie wollen keine zusätzlihen Regelungen. Ich höre von der FDP, Betriebsverinbarungen seien so toll. Diese Möglichkeit gibt es ereits. Und, ist in diesem Lande etwas passiert? Ich öre von Ihnen, die Rechtsprechung des Bundesarbeitserichtes sei spitze. Das mag dem Grunde nach zutrefend sein; aber die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgeichtes ist Einzelfallrechtsprechung und hilft uns deshalb berhaupt nicht weiter. Wir haben eine Unzahl von Skandalen in der Repulik. Ich weiß nicht, ob Ihre Einschätzung korrekt ist, dass s sich um einige wenige Einzelfälle handele. Man geinnt vielmehr den Eindruck, dass wir nur die Spitze des isberges sehen und auf viel mehr gefasst sein müssen. Es ist richtig: Es gibt einige Spielregeln zum Datenchutz. Es fehlen jedoch Regeln, die den immensen tellenwert des Datenschutzes im Arbeitsverhältnis erdeutlichen. Wir haben im Juli dieses Jahres Neuregengen vorgenommen; das ist sehr erfreulich. Insbeson ere ist in diesem Zusammenhang Rechtsprechung festgechrieben worden. Schon der damalige Gesetzgeber hat ber klar und deutlich gesagt: Ein eigenständiges Arbeitehmerdatenschutzgesetz ist unentbehrlich. Beim Arbeitnehmerdatenschutzgesetz geht es um enschenwürde. Solch ein Gesetz darf deshalb kein An ängsel zu irgendeinem anderen Gesetz sein. Natürlich at der Arbeitgeber ein Informationsinteresse, und er hat uch ein Informationsrecht. Entscheidend ist aber: Wo erden die Grenzen gezogen? Die Grenzziehungen sind eider sehr unpräzise. Das Bundesdatenschutzgesetz eist viele Lücken auf, sodass in ganz vielen Fällen auf as allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückgegriffen erden muss. Wir haben die Problematik, dass Recht prechung immer nur Einzelfallrechtsprechung ist. So ibt es bei der Telefonüberwachung eben keine generelle egelung dazu, was der Arbeitgeber darf und was nicht. Es ist keine leichte Aufgabe, detaillierte Regelungen u treffen. Die technischen Möglichkeiten sind weit forteschritten; aber wir brauchen vor allen Dingen Regeungen in Bereichen, die altbekannt sind. Wir brauchen eshalb einen beherzten Gesetzgeber. Der ist an dieser telle leider nicht zu erkennen. Leider können Datenschutzregelungen derzeit fast mmer durch eine individuelle Einwilligung des Arbeitehmers aufgehoben werden. Es ist nicht nachvollziehar, warum das so sein muss. Warum sind Regelungen u Urlaubsansprüchen und viele andere Regelungen im rbeitsrecht unabdingbar, die Regelungen zum Daten chutz aber nicht? Was ist beispielsweise bei Bewerbungsgesprächen? abei geht es eben nicht um einen Offenbarungseid des Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 621 Anette Kramme einzelnen Bewerbers oder der einzelnen Bewerberin, sondern es existieren Rechte und Pflichten. Deshalb brauchen wir dort klare und präzise Regelungen. Es ist leider auch völlig unklar, wann ärztliche Untersuchungen erlaubt sind und wann nicht. Das Bundesarbeitsgericht sagt: Ärztliche Untersuchungen und Psychotests sind nur zulässig, wenn sie unbedingt nötig sind und nur in entsprechendem Umfang. – Was ist aber nötig, und was ist unnötig? (Gisela Piltz [FDP]: Wie lange soll die Rede noch dauern?)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD)


Ich sage: Entschuldigung, aber so geht es nicht.

Unentbehrlich sind vor allen Dingen Regelungen zur
Videoüberwachung. Die Videoüberwachung liegt in
der Beliebtheitsskala der Arbeitgeber leider ganz vorne,
und leider haben wir gerade in diesem Bereich eine voll-
kommene Unklarheit darüber, wann die Videoüberwa-
chung heimlich oder öffentlich erlaubt oder nicht erlaubt
ist. Deshalb geht es darum, auch an dieser Stelle präzise
Regelungen zu haben.

Es gibt eine Spezialvorschrift für öffentliche Räume,
es gibt sehr spezielle Gerichtsentscheidungen, und seit
kurzem gibt es eine Regelung zur Videoüberwachung in
Bezug auf Straftaten, aber nichts Generelles. Deshalb
müssen wir an dieser Stelle ganz klar sagen: Videoüber-
wachung nicht zur Leistungskontrolle, und Videoüber-
wachung vor allen Dingen grundsätzlich nicht heimlich!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, Neugierde ist sehr
menschlich, und viele von uns wollen mehr über ihre
Mitmenschen wissen. Wenn es aber um die spezifische
Neigung von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen geht,
dann sollten wir klare Grenzen ziehen und verständliche
Regelungen schaffen. Wir sollten auch eines berücksich-
tigen: Der loyalste Arbeitnehmer wird demotiviert, wenn
ihm nur Misstrauen entgegenschlägt. Durch Misstrauen
wird man demotiviert.

Ich bin mir ganz sicher: Durch ein Beschäftigungsda-
tenschutzgesetz würde mehr Wachstum geschaffen als
durch Ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz.

In dem Sinne: Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700905700

Das Wort hat jetzt der Kollege Sebastian Blumenthal

von der FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Sebastian Blumenthal (FDP):
Rede ID: ID1700905800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der

Schutz von Arbeitnehmerdaten hat für die FDP einen
Stellenwert, der weit über den des Schutzes von Arbeit-

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(C (D ehmerrechten hinausgeht. Persönliche Daten sind für ns Bestandteile individueller Freiheit. Durch die Bespitzelungsaktionen von einigen Unterehmen, die uns in der jüngsten Vergangenheit zur enntnis gelangt sind, wird das Erfordernis eines wirk amen Arbeitnehmerdatenschutzes verdeutlicht. Darüber esteht kein Zweifel. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


s ist daher dringend erforderlich, dass die Mitarbeite-
innen und Mitarbeiter vor Überwachungen am Arbeits-
latz wirksam geschützt werden. Nur solche Daten soll-
en verarbeitet werden, die für das Arbeitsverhältnis
rforderlich und insofern für das Unternehmen unver-
ichtbar sind. Die angestrebten Regelungen müssen da-
ei für die Bewerber und für die Arbeitnehmerinnen und
rbeitnehmer gleichsam praxisgerecht und verlässlich

ein.


(Beifall bei der FDP)


Insofern ist die Initiative der SPD als Grundlage für
ine zielorientierte Diskussion durchaus begrüßenswert.
ieser Entwurf ist auch deshalb hilfreich, weil durch ihn
erdeutlicht wird, welche Schwierigkeiten und techni-
chen Probleme in der Diskussion leicht übersehen wer-
en.

So ist in dem Entwurf der SPD unter anderem vorge-
ehen, dass erstens die Verkehrsdaten der Arbeitnehmer
ur unter sehr restriktiven Voraussetzungen durch die
rbeitgeber erhoben und verwendet werden dürfen, zum
eispiel zur Gewährleistung der Datensicherheit. Zwei-

ens müssen solche Daten nach Ansicht der SPD nach
pätestens sieben Tagen gelöscht werden. Damit sind
aten nach dem Telekommunikationsgesetz gemeint,

lso solche Daten, die durch die Nutzung von Telefon,
-Mail-Verkehr und Internetverbindungen sowie ande-

en Telekommunikationsdienstleistungen übertragen und
rzeugt werden.

Damit würde die SPD – das ist die Kehrseite Ihres
ntwurfs – in diesem Fall entgegen ihrer eigentlichen
bsicht aber mehr Unsicherheit für die Beteiligten und
etroffenen schaffen;


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


enn die Forderungen der Sozialdemokraten stehen nicht
ur in einem logischen Widerspruch zu einem anderen
esetz, das die SPD selbst eingebracht und verabschie-
et hat, sie sind auch rechtlich und technisch überhaupt
icht damit zu vereinbaren.

Damit komme ich zurück auf ein Gesetz, das in die-
em Hause am 9. November 2007 beschlossen worden
st, nämlich auf das Gesetz zur Neuregelung der Tele-
ommunikationsüberwachung. Zentraler Bestandteil
ieses Gesetzes ist die von der FDP entschieden abge-
ehnte Vorratsdatenspeicherung.

Seit Januar 2008 sind demnach alle Telekommunika-
ionsdienstleister und Internetprovider verpflichtet, die
erkehrsdaten jeglicher Telekommunikation für sechs

622 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Sebastian Blumenthal
Monate auf Vorrat zu speichern. Konkret heißt das, dass
bei Telefonverbindungen die Rufnummern von Anrufer
und Angerufenem sowie die Anrufzeit gespeichert wer-
den müssen. Bei Verbindungen mit Mobiltelefonen muss
die IMEI-Nummer, also die physikalische Geräte-ID,
zusätzlich mitgespeichert werden. Beim Verbindungs-
aufbau mit dem Internet ist eine Speicherung der verge-
benen IP-Adresse vorgeschrieben. Beim Zugriff auf das
Postfach müssen der Benutzername und die IP-Adresse
gespeichert werden.

Ich führe das technisch etwas dezidierter aus, um Ih-
nen klarzumachen, in welcher Tiefe wir uns damit
beschäftigen sollten; denn allzu oft war in der Vergan-
genheit zu erkennen, dass sich die politischen gestalteri-
schen Kräfte offenbar ohne fachliches Grundverständnis
diesem Thema genähert haben. Das möchten wir von der
FDP jetzt ändern.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir betrachten also genau die Daten, die nach dem
Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für den Zeitraum
von sechs Monaten gespeichert werden müssen. Solche
Daten dürfen nach dem vorliegenden Gesetzentwurf der
SPD zum Arbeitnehmerdatenschutz nur in seltenen Aus-
nahmefällen gespeichert werden und sind dann – Zitat
aus Ihrem Entwurf – „unverzüglich zu löschen“.

In der Telekommunikationsbranche in Deutschland
sind etwa 200 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Die aller-
meisten dieser Mitarbeiter bringen sowohl dienstlich als
auch privat Festnetz, Mobiltelefon, Internet und E-Mail
zum Einsatz.

Wie sollen und müssen sich nun die Arbeitgeber die-
ser Branche gegenüber ihren Arbeitnehmern verhalten?
Sind sie verpflichtet, die Verkehrsdaten im Rahmen der
Vorratsdatenspeicherung für sechs Monate zu speichern?
Um den Vorgaben des SPD-Entwurfs gerecht werden zu
können, dürfen sie diese Daten aber nur in ganz be-
stimmten Ausnahmefällen speichern. Diese müssen
dann nach sieben Tagen wieder gelöscht werden.

Nach SPD-Ansicht muss der Arbeitgeber also Daten
speichern, die er eigentlich gar nicht speichern darf. Also
unabhängig davon, wie es der Arbeitgeber macht, er ver-
hält sich falsch. Sie bringen ihn in Verlegenheit. Das
kann keine Rechtssicherheit schaffen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nach Auffassung der FDP kann dies nicht zielführend
sein. Es fällt ein Widerspruch auf. Weshalb beschließen
Sie von der SPD erst ein Gesetz zur Vorratsdatenspei-
cherung, und warum legen Sie uns jetzt einen Entwurf
vor und tun so, als ob es diese gar nicht gäbe? Das kann
nicht funktionieren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der FDP: Weil die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut!)


Insbesondere bei der Vorratsdatenspeicherung müssen
wir – wie auch im Koalitionsvertrag vereinbart – zu-

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(C (D ächst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bwarten und diese zur weiteren Klärung und Einarbeiung in einen inhaltlich belastbaren Gesetzentwurf, den ir von der Koalition noch vorlegen werden, integrieren. iebe Kolleginnen und Kollegen, es besteht kein Zwei el daran, dass wir uns hierbei einig sind. Darüber könen wir uns gern gemeinsam weitergehende Gedanken achen. Wichtig ist aus meiner Sicht und aus der Sicht der DP-Fraktion, dass wir uns diesem Thema technisch undiert nähern und es ganzheitlich betrachten, um allen elangen gerecht zu werden. Dabei können wir die Areitgeber auch nicht außen vor lassen. Es darf nicht nur us einer Sicht betrachtet werden. Das möchten wir icht. Insofern freue ich mich auf die gemeinsame Areit mit dem Ziel, eine Verbesserung herbeizuführen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Sehr geehrter Herr Kollege Blumenthal, auch Ihnen ratuliere ich im Namen des Hauses zu Ihrer ersten Rede or dem Deutschen Bundestag. Das Wort hat nun der Kollege Klaus Ernst von der raktion Die Linke. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Natürlich ist eine Regelung dringend notwenig. Das müsste eigentlich unbestritten sein. Ich möchte och einmal auf einige Vorgänge eingehen. Bei der Deutschen Bahn wurden systematisch persöniche Daten wie Anschrift, Telefonnummer und Bankerbindung gespeichert. Das gegenüber der Deutschen ahn verhängte Bußgeld betrug übrigens 1,1 Millionen uro bei einem Jahresumsatz von 33,5 Milliarden Euro. as bezahlt die Deutsche Bahn aus der Portokasse. Das ird sie nicht abschrecken. Das zweite Beispiel ist Lidl. Zu Lidl will ich ein paar ätze mehr sagen. Bei Lidl wurden Detektive gegen die igene Belegschaft eingesetzt. Ich möchte zur Kenntnis eben, welche hervorragenden Erkenntnisse diese Deektive bei Lidl gewonnen haben. Ich trage aus dem Beicht der Detektive vor: Dienstag 16.40 Uhr. „Ich sprehe mit Frau T. über Diebstähle, die eventuell durch itarbeiter begangen werden können, und versuche, sie twas auszufragen. Frau T. erwähnt einen konkreten Veracht gegenüber Frau L. Die Vermutung wird hauptsächich durch die Tatsache begründet, dass Frau L. sehr inrovertiert ist.“ – Das sind bemerkenswerte Erkenntnisse. Ein weiterer Bericht dieses Detektivs: „Sie sitzt zuammen mit Frau L. im Pausenraum. Die Kräfte unteralten sich über Gehälter, Zuschläge und oft bezahlte berstunden. Frau M. hofft ebenfalls, dass ihr Gehalt Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 623 Klaus Ernst bereits heute gutgeschrieben wird, da sie für heute Abend dringend Geld benötigt Was waren dort für Schwachmaten am Werk? Warum wird gefragt, aus welchem Grund die Frau ihr Geld noch nicht auf ihrem Konto hat? Weil sie offensichtlich in diesem Unternehmen sehr wenig verdient und trotzdem ausspioniert wird. Das könnte vielleicht eine Erkenntnis sein. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, den Bericht noch an einer Stelle fortzusetzen. Darin heißt es: „Frau U. schien mir nicht ganz bei der Sache zu sein. Sie spricht sehr unkonzentriert. Das liegt vielleicht daran, dass sie diese Woche heiratet. Dann hätte sie allerdings die ganze Woche Urlaub nehmen müssen.“ Wir reden hier über Datenschutz. Wenn wir uns nicht darauf verständigen, dass das Ausspionieren von Mitarbeitern durch Detektive ein Straftatbestand wird, dann werden wir daran nichts ändern. (Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das ist es bereits, Herr Ernst! Es ist ein Straftatbestand! Man sollte wissen, über was man redet!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700905900

(Beifall)


(Beifall bei der LINKEN)

Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700906000

(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)


In der Debatte über den Datenschutz ist von der
Koalition zu hören, wir sollten nicht von Misstrauen ge-
genüber der Wirtschaft reden. „Gemach, gemach“, hat
Herr Mayer gesagt, „bitte keine übereilten Vorschläge.
Wir sollten nichts übers Knie brechen.“ Meine Damen
und Herren von der Regierung, ich sage Ihnen eines: Mit
jedem Tag, der verstreicht, ohne dass Sie dies regeln,
sind Sie mitverantwortlich dafür, dass die Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer in diesem Land ausspioniert
werden und dass sich ihnen gegenüber der Datenmiss-
brauch häuft.


(Beifall bei der LINKEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ihre Partei hat mit dem Ausspionieren aber am meisten zu tun! – Zuruf von der CDU/CSU)


– Ja, sie haben elf Jahre nichts gemacht, aber ihr auch
nicht.


(Beifall bei der LINKEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: 40 Jahre sind die Bürger in der DDR ausspioniert worden!)


Sie können sich aufregen, wie Sie wollen. Ich ver-
stehe, dass Sie Ihre Klientel in der Wirtschaft nicht mit
einem besonderen Datenschutzgesetz belasten wollen.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Was ist denn mit den Stasi-Leuten in Brandenburg?)


Ich kann Ihnen auch den Grund dafür nennen: Weil Sie
die Spenden aus der Großindustrie bekommen, die bei
diesem Thema ganz besonders belastet ist. Deshalb sind
Sie nicht bereit, ein vernünftiges Gesetz auf den Weg zu
bringen.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Auswüchse nehmen zu.


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(C (D (Gisela Piltz [FDP]: Bei der Stasi-Vergangenheit in Brandenburg ist das mutig, was Sie hier erzählen!)


Wie war das mit Brandenburg? Das ist ja bemerkens-
ert, dass ausgerechnet Sie mit dem Finger auf Bran-
enburg und die Stasi zeigen. Wissen Sie, wie der Arti-
el im Stern überschrieben war? „Die Lidl-Stasi“, und
agegen unternehmen Sie nichts. Sie blasen sich beim
hema Brandenburg auf wie ein Frosch, kurz bevor er
latzt, aber wenn es ernst wird, dann laufen Sie weg. Das
st die Realität.


(Beifall bei der LINKEN)


Inzwischen geht es so weit, dass Bewerber Bluttests
achen müssen, bevor sie eingestellt werden. Das ist bei
undfunkanstalten, bei Daimler und anderen großen Un-

ernehmen üblich. Wissen Sie, was das ist? Das ist mo-
erner Vampirismus.


(Beifall bei der LINKEN)


as machen die eigentlich mit unserem Blut? Wer ist
afür verantwortlich, was dort passiert?

Wenn Sie nicht der Auffassung wären, nichts unter-
ehmen zu müssen und alles beim Alten zu lassen, dann
ätten Sie nicht nur gesagt, dass SPD und Grüne elf
ahre zu spät dran sind – damit haben Sie recht –, son-
ern Sie hätten auch selber etwas vorgelegt. Das sind Sie
chuldig, und dass Sie es nicht tun, ist ein Skandal.


(Beifall bei der LINKEN – Gisela Piltz [FDP]: Ehrlich gesagt ist Ihre Rede ein Skandal! – Weiterer Zuruf von der FDP: Ihr seid ein Skandal!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700906100

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Konstantin von

otz vom Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

aben gestern intensiv über SWIFT und die datenschutz-
echtlichen Folgen diskutiert. Heute führen wir eine
urchaus heftige, aber auch unterhaltsame Diskussion
ber ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz. Wir alle soll-
en uns vor Augen führen, dass in den nächsten Jahren
er Datenschutz eines der ganz zentralen Themen in die-
em Haus sein muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Früher war die Bundesrepublik Deutschland beim
atenschutz weit vorne. Das ist aber lange her; das war

n den 70er-Jahren. Herr Mayer, Sie haben davon ge-
prochen, dass Sie nichts über das Knie brechen wollen.
as hört sich für mich so an, als ob das Ganze auf den
ankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden soll. Frau
iltz, ich vermute, dass Sie guter Absicht sind. Aber ge-
ade an Ihrem Geburtstag gebe ich Ihnen den Rat: Passen

624 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Dr. Konstantin von Notz
Sie auf! Ich habe das Gefühl, dass in der Koalition keine
Einigkeit darüber besteht, wie dringend und schnell ein
solches Gesetz kommen muss. Es muss aber jetzt kom-
men; denn die Skandale passieren jetzt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das Netzzeitalter bzw. die digitale Revolution – das
ist im Grunde die entscheidende Veränderung – zwingt
uns jetzt dazu, endlich zu handeln. Der Datenschutz
muss nach Ansicht der Grünen in das Grundgesetz auf-
genommen werden. Er ist ein zentrales Anliegen der
Bürgerinnen und Bürger und bedarf einer entsprechen-
den Wertschätzung und Berücksichtigung. Wir brauchen
des Weiteren eine Überarbeitung und eine Reform des
– das geben Sie im Koalitionsvertrag offen zu – etwas
vermurksten Bundesdatenschutzgesetzes. Und wir brau-
chen ein eigenständiges und schlagkräftiges Arbeitneh-
merdatenschutzgesetz, wie es unter anderem auch der
Bundesdatenschutzbeauftragte fordert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Scholz, wir freuen uns zwar, dass Sie wieder den
alten Gesetzentwurf aus der Schublade geholt haben. Sie
haben aber leider keinen Federstrich an ihm verändert.
Inzwischen ist viel passiert. Der moderne Vampirismus
in Form von Bluttests, die Herr Ernst eben angesprochen
hat, und vieles mehr muss Berücksichtigung in einem
modernen Arbeitnehmerdatenschutzgesetz finden. Wir
fordern insbesondere die Verbandsklage als zusätzliche
Möglichkeit. Herr Mayer, wie Sie als Rechtsanwalt si-
cherlich wissen, sind der einzelne Arbeitnehmer und die
einzelne Arbeitnehmerin in einem Machtgefüge, wie es
ein Konzern oder ein großes Unternehmen, das über-
wacht und bespitzelt – das sind in der Tat Stasimethoden –,
darstellt, ziemlich machtlos und hilflos sowie auch oft in
finanzieller Hinsicht in einer prekären Situation. Des-
halb macht eine Verbandsklage durchaus Sinn.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


In einem anderen Punkt fällt der SPD-Gesetzentwurf lei-
der sogar hinter das geltende Bundesdatenschutzgesetz
zurück. Nicht nur die „böse“ Wirtschaft, sondern selbst-
verständlich auch Behörden müssen sich den angestreb-
ten gesetzlichen Anforderungen unterwerfen. Herr Korte
hat die Skandale völlig zu Recht angesprochen.

Wir warten ganz gespannt darauf, wann der fulmi-
nante Aufschlag zur Verbesserung der Situation kommt.
Ich habe zwar Sorge um Lobbyeinflüsse, glaube aber,
dass es in der Koalition grundsätzlich positive Ansätze
gibt. Setzen Sie diese Ansätze durch! Dann haben Sie
unsere Unterstützung. Herr Frieser, Sie haben davon ge-
sprochen, dass es hier keines Arbeitsauftrages bedarf.
Die Sache eilt aber. Wir müssen hier schnell vorankom-
men; denn der Staat ist – das sage ich im Hinblick auf
die Vorratsdatenspeicherung – kein gutes Vorbild für die
Unternehmen. Wir sollten uns klarmachen, dass der
Staat eine Vorbildfunktion hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


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(C (D an kann den Unternehmen nicht aufgeben, massenhaft aten ohne jeden Tatverdacht zu speichern, und an chließend sagen: Hier läuft vieles falsch. (Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


Doch, so ist es leider, Herr Uhl. – Wir sollten uns hier
nserer Vorbildfunktion bewusst werden.

Dieses Land braucht einen Aufbruch im Datenschutz.
lle, die dafür glaubwürdig und ernsthaft streiten, wer-
en wir, die Bundestagsfraktion der Grünen, tatkräftig
nterstützen. Wir haben als Grüne den Ehrgeiz, dass die-
es Land beim Datenschutz wieder weit vorne ist. Dafür
ollten wir gemeinsam streiten.

Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700906200

Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Weiß von der

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1700906300

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

n dieser Debatte sind uns nun schon einige zeithistori-
che Forschungsergebnisse zum Thema Arbeitnehmer-
atenschutz präsentiert worden. Der Kollege Olaf
cholz hat die Debatte eröffnet, indem er über die Zeit
er Großen Koalition gesprochen hat, in der er selber als
undesminister Verantwortung getragen hat. Er hätte
uch, weil er schon damals dem Deutschen Bundestag
ngehört hat, mit dem Jahr 2002 anfangen können; denn
amals haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen die
weite Auflage ihrer rot-grünen Koalition begonnen und
n ihrer damaligen Koalitionsvereinbarung festgehalten,
ass der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
er erstmals in einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz

erankert werden soll. Wie wir alle wissen, ist daraus
ichts geworden. Deswegen mein erster Ratschlag an die
erehrten Kolleginnen und Kollegen von den Sozialde-
okraten und vom Bündnis 90/Die Grünen, auch an den

euen Kollegen, der eben gesprochen hat: Ich würde
ich mit der Äußerung „Jetzt muss aber schnell gehan-

elt werden!“ etwas zurückhalten, wenn man aus der ei-
enen Koalitionsvereinbarung 2002 zum Thema Arbeit-
ehmerdatenschutz nichts gemacht hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


err Kollege Scholz, weil Sie und andere Redner auf die
emühungen und Beratungen in der Großen Koalition
emeinsam mit uns, den Christdemokraten und den
hristlich-Sozialen, zu sprechen gekommen sind,
öchte ich darauf hinweisen, dass in der Kabinettssit-

ung am 18. Februar das Ergebnis des Spitzengesprächs,
as schon erwähnt worden ist, mit folgendem Ergebnis
hematisiert worden ist – ich zitiere –:

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 625


(A) )



(B) )


Peter Weiß (Emmendingen)

Angesichts der Komplexität eines solchen Vorha-
bens geht die Bundesregierung aber davon aus, dass
die Arbeiten erst in der nächsten Legislaturperiode
zum Abschluss gebracht werden können.

Das heißt, die Einschätzung, dass wir noch in der ver-
gangenen Legislaturperiode wirklich etwas zustande
bringen, war bereits am 18. Februar im Kabinett zumin-
dest infrage gestellt worden. Deshalb, glaube ich, sollten
wir jetzt einmal langsam die zeithistorischen Erörterun-
gen zum Thema Arbeitnehmerdatenschutz abschließen
und uns der Zukunft zuwenden.

Fakt ist, dass diese neue Koalition aus CDU/CSU und
FDP in ihrem Koalitionsprogramm festgeschrieben hat:
Wir wollen den Arbeitnehmerdatenschutz umfassend re-
geln, und wir wollen das dadurch tun, dass wir den Ar-
beitnehmerdatenschutz in einem eigenen Kapitel des
Bundesdatenschutzgesetzes ausgestalten. Nun ist
schon in einigen Debattenbeiträgen bereits vorgetragen
worden, dass man es nur richtig machen könne, wenn
man ein eigenes Gesetz vorlege. Aber ich glaube, der
Hinweis vom Kollegen Scholz in seiner Eingangsrede ist
vollkommen richtig: Es kommt nicht auf den Ort an, es
kommt auf den Inhalt und darauf an, dass wir wirklich
verlässliche, klare, eindeutige Regelungen zum Arbeit-
nehmerdatenschutz ins Gesetz schreiben. Ob das ein ei-
genes Gesetz ist oder ein eigenes Kapitel im Bundesda-
tenschutzgesetz, ist eine zweitrangige Frage. Es ist
vielleicht aber durchaus eine Frage für die praktische
Anwendung.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Je mehr Einzelgesetze wir haben, desto unübersichtli-
cher wird es.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Man soll auch an den normalen Bürger und nicht nur an
den Fachjuristen denken. Der normale Bürger ist froh,
wenn er weiß: Die Vorschriften, die mich betreffen und
meinen Schutz vor Datenschnüffelei finde ich in einem
Gesetz, in dem etwas Qualifiziertes zum Arbeitnehmer-
datenschutz steht. – Deswegen ist unser Weg richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nun werden im Arbeitsleben in unterschiedlichen Be-
reichen Daten gesammelt und verwertet, die besonders
schutzwürdig sind. Internet und E-Mail-Verkehr hinter-
lassen Spuren in den betrieblichen Archivsystemen, Ge-
sundheitsdaten werden von unterschiedlichen Stellen,
manchmal auch im Vorstellungsgespräch, abgefragt, Vi-
deoüberwachung von Firmen, Anlagen und Geschäfts-
räumen ist heute weit verbreitet. Mit elektronischen Be-
triebs- und Dienstausweisen wird das Kommen und
Gehen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dokumen-
tiert. In sogenannten Skill-Datenbanken werden Kennt-
nisse, Erfahrungen und Kompetenzen von Mitarbeitern
zum Teil konzernweit verwaltet. Unser erklärtes Ziel ist,
allen Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Datenschutz-
niveau zu sichern und den Missbrauch privater Daten zu
verhindern.

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(C (D Ein Hinweis, den man in einer solchen Debatte geben ollte: Bezüglich Datenschutz muss jeder bei sich selbst nfangen. Es ist erstaunlich, was etliche Mitbürgerinnen nd Mitbürger alles ins Netz stellen. Eine Umfrage des erbraucherschutzministeriums hat ergeben, dass das iejenigen, die Personalentscheidungen treffen, längst ntdeckt haben. Sie lesen nicht nur die schriftlich eingeandten Unterlagen, sondern recherchieren auch im etz. Aus dieser Umfrage des Ministeriums ist hervoregangen, dass ein Viertel der Unternehmen gesagt hat: ir haben Bewerber wegen der Daten, die wir im Netz efunden haben, nicht genommen. Umgekehrt gilt aber uch, dass 56 Prozent der Unternehmen erklärt haben: ir haben Bewerber gerade deswegen genommen, weil ir im Netz interessante Informationen über sie gefunen haben. Jeder sollte beim Datenschutz also bei sich elbst anfangen und sich die Frage stellen: Welche Daten ber mich selbst stelle ich ins Netz? Das kann natürlich nicht genügen. Der Arbeitnehmeratenschutz muss – das ist schon mehrmals betont woren – verbessert und gestärkt werden. Die Achtung des rundrechts auf informationelle Selbstbestimmung er Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollte ebenso u den guten und fairen Arbeitsbedingungen gehören ie gerechte Bezahlung und Chancengleichheit. Ein gu er Beschäftigtendatenschutz erhöht zudem die Motivaion, trägt und fördert die Arbeitszufriedenheit und beeutet einen nicht zu unterschätzenden Standortvorteil. Ich möchte noch einmal, an die Opposition gerichtet, agen: Es ist nett, dass Sie, Sozialdemokraten und rüne, heute einen Gesetzentwurf und einen Antrag vor egen. Kaum ist man nicht mehr in Regierungsverantortung, lässt sich zu diesem Thema offensichtlich sehr eicht etwas vorlegen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon vier Jahre lang nicht mehr in der Regierung!)


Bei Ihnen ist es vier Jahre her. Bei den Sozialdemokra-
en ist es erst wenige Wochen her.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind schon eine Weile in der Regierung! Dann mal los!)


Ich bin zuversichtlich, dass uns der Bundesinnenmi-
ister in einem angemessenen Zeitraum einen soliden,
undierten Entwurf für eine gesetzliche Regelung des
rbeitnehmerdatenschutzes vorlegen wird. In der Tat ist
ie Zeit des Jammerns und Redens vorbei. Wir tun jetzt
twas.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700906400

Das Wort hat der Kollege Josip Juratovic von der

PD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


626 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



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Josip Juratovic (SPD):
Rede ID: ID1700906500

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Als ich 1983 im Audi-Werk in Neckarsulm
zu arbeiten angefangen habe, habe ich in der Personalab-
teilung als Erstes eine Karteikarte bekommen. Es war
ziemlich eindeutig, zu sehen, was dort über mich gespei-
chert wird. Diese Karteikarte existiert natürlich nicht
mehr. Wir haben eine enorme technische Entwicklung
hinter uns. Von dieser Entwicklung haben wir viel profi-
tiert. Bei Audi habe ich in der Lackiererei gearbeitet. Ich
hatte einen gesundheitsgefährdenden Arbeitsplatz. Die
Automatisierung hat diese Arbeit menschenfreundlicher
gestaltet. Infolge der technischen Entwicklung werden
auch die Daten der Beschäftigten bei Audi nicht mehr
auf Karteikarten gespeichert, sondern in elektronische
Systeme eingespeist.

Heute gibt es keine Stempelkarten mehr, sondern
elektronische Chipkarten. Das kann bequem sein. Aber
bei der Chipkarte sieht man nicht mehr, was genau da-
rauf gespeichert wird und wer darauf Zugriff hat. Man
sieht nicht, wer was kontrollieren kann. Diese Informa-
tionen können, wie wir alle wissen, missbraucht werden.
Wie jeder technische Fortschritt birgt die Automatisie-
rung der Datenverarbeitung auch Risiken. Um diese Ri-
siken einzuschränken, brauchen wir ein wirksames Ge-
setz für den Arbeitnehmerdatenschutz. Das Grundrecht
auf informationelle Selbstbestimmung hat in unserem
Land eine bewegte und wichtige Geschichte. Um nicht
weniger als um dieses Grundrecht geht es beim Arbeit-
nehmerdatenschutz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben heute bereits einiges über all die großen
Konzerne und ihre Skandale gehört. Heute geht es aber
nicht darum, auf die schwarzen Schafe zu zeigen; heute
müssen wir zeigen, warum ein Gesetz aus einem Guss
Vorteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bietet.

Erstens. Wir müssen die Rechte der Arbeitnehmer
eindeutig definieren. Viele Arbeitnehmer wissen nicht,
welche Daten sie bei ihrem Arbeitgeber angeben müssen
und welche nicht. Viele haben Angst, bei Widerstand ih-
ren Job zu verlieren oder bei der Einstellung durchzufal-
len. Die Ansprüche der Unternehmer werden immer hö-
her.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen nicht zu
nahe treten, aber ich bin mir sicher, dass bei gewissen
Einstellungstests vielleicht nur jeder Zehnte unter uns
hier die Ansprüche manch eines Unternehmens in der
freien Wirtschaft erfüllen würde.


(Zurufe von der CDU/CSU)


Deshalb müssen wir den Menschen mit einem klaren
Gesetz diese Angst nehmen.

Zweitens. Für Arbeitgeber muss klargestellt werden,
welche Mitarbeiterdaten erhoben und genutzt werden
dürfen. Wir müssen aus der rechtlichen Grauzone he-
raus.

Drittens. Sicherlich ist es am besten, wenn sich Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer im Sinne einer funktionie-

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(C (D enden Sozialpartnerschaft in Betriebsvereinbarungen ber ein gemeinsames Vorgehen bezüglich der Daten eiigen können. Dies ist bereits nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 des etriebsverfassungsgesetzes möglich. Meine Kolleginnen und Kollegen vom Betriebsrat bei udi schließen gerade mit der Arbeitgeberseite eine sol he Betriebsvereinbarung zur Informationstechnik ab. ber nicht überall haben wir einen starken Betriebsrat, enn es überhaupt einen gibt. n vielen Bereichen bestehen gesetzliche Lücken, die ine gute Vereinbarung erschweren. Diese gesetzlichen ücken müssen wir schnellstmöglich schließen. Viertens. Bis heute ist das Verbot heimlicher Kontrolen durch Detektive und Videoüberwachung in keinem esetz festgeschrieben. Es ist unklar, wie mit privaten -Mails am Arbeitsplatz umzugehen ist. Die totale Kon rolle, die heute für moralische Empörung sorgt, muss esetzlich verboten werden. Für all das reichen keine leinteiligen Gesetzesänderungen hier und da. Kolleginnen und Kollegen, bisher ist der Arbeitneherdatenschutz ein Sammelsurium aus vielen Paragra en in verschiedenen Gesetzen, aus der Rechtsprechung nd aus Rechtsmeinungen. Damit schaffen wir unnötige ürokratie. Unternehmen benötigen Rechtsberater, um ie Details in den verschiedenen Gesetzen zu finden, Areitnehmervertreter brauchen ebenfalls teure Beratung, m die Arbeitnehmer und den Arbeitnehmerdatenschutz u verteidigen. Wer hier immer nach Bürokratieabbau ruft, hat heute ie Chance, dabei einen wichtigen Schritt zu machen, inem wir ein klares und eindeutiges Gesetz schaffen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


Mit dem uns vorliegenden Gesetzentwurf vereinfa-
hen und verbessern wir den Arbeitnehmerdatenschutz.
ir machen deutlich, welche Daten erhoben und gespei-

hert werden dürfen und wozu sie verwendet werden
ürfen. Wir sorgen für Klarheit und schaffen Grauzonen
b, wir stärken die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im
ereich des Datenschutzes, und wir schaffen ein klares
erbot von Totalüberwachung am Arbeitsplatz.

Für meine Kollegen bei Audi bedeutet das, sie wissen
arüber Bescheid, was mit ihrer Chipkarte geschieht,
nd es ist für jeden einsehbar, wozu die Daten benutzt
erden und wer darauf Zugriff hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FDP,
ie haben im Wahlkampf immer mit dem Schutz der
rundrechte geworben.


(Zuruf von der FDP: Mit Erfolg!)


ie hatten sich auch den Arbeitnehmerdatenschutz auf
ie Fahne geschrieben. Nun weiß ich, dass das mit der
nion nicht so einfach ist. Dennoch erlauben Sie mir

ine Frage: Können Sie und werden Sie dem Innenmi-
isterium beim Arbeitnehmerdatenschutz die Stirn bie-
en, oder fallen Sie wie in dieser Woche beim SWIFT-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 627


(A) )



(B) )


Josip Juratovic
Abkommen um und verhindern damit einen effektiven
Schutz der Grundrechte?


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der FDP)


Kolleginnen und Kollegen, der von uns Sozialdemo-
kraten vorgelegte Gesetzentwurf schafft Klarheit, er gibt
den Arbeitgebern Sicherheit, und er schützt Arbeitneh-
mer vor skrupellosen Arbeitgebern. Die übrigen Fraktio-
nen in diesem Haus sind gut beraten, unserem Gesetz-
entwurf zuzustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700906600

Als letzter Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

gebe ich der Kollegin Gitta Connemann von der CDU/
CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1700906700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Geheim-

dienst am Arbeitsplatz“, „Im Netz der Späher“ oder
„Wenn der Chef Spione schickt“ – so lauten nur einige
der Überschriften rund um die Datenschutzskandale
der letzten Monate.

Die Spitzelvorgänge bei der Bahn oder bei Discoun-
terketten haben uns alle aufgeschreckt, aus gutem
Grund: Privatheit ist der Kern der persönlichen Frei-
heit. Der Anspruch, persönlich nicht ausgeforscht zu
werden, gilt auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer. Mitarbeiter müssen sich darauf verlassen können
und darauf vertrauen dürfen, aber sie können es nicht
immer. Das zeigt die Bahn: Sie überwachte den E-Mail-
Verkehr ihres Personals und ließ auch Arbeitnehmerver-
treter beobachten. Dafür musste sie übrigens eine Buße
von 1,1 Millionen Euro zahlen.

Dieses Beispiel zeigt: Es gibt Unternehmen, die Mit-
arbeiter ausleuchten. Es zeigt auch, dass ein solches Ver-
halten schon heute rechtlich belangt werden kann. Es
zeigt aber auch, dass die rasante Entwicklung der moder-
nen Kommunikations- und Informationstechnologie uns,
auch als Politiker, vor Herausforderungen stellt, Heraus-
forderungen, die seriös angegangen werden müssen. Se-
riös haben Sie dies, Herr Kollege Ernst, sicherlich nicht
getan. Denn ich finde es unerträglich, wenn Sie in Ihrer
Rede die sicherlich skandalösen Vorgänge bei einer Dis-
counterkette mit dem Schicksal vergleichen, das Men-
schen erlitten haben, weil sie von der Stasi bespitzelt
worden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieser Vergleich ist unerträglich und ein Schlag für je-
den, der über Jahre in Hohenschönhausen oder Bautzen
eingesessen hat. Ich finde, da wäre eine persönliche Ent-
schuldigung wirklich angemessen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Wir stellen uns den Herausforderungen seriös; denn ir sehen: Private Daten sind en masse zu haben – durch odernste IT-Anwendungen, die ungeahnte Einsichts nd Kontrollmöglichkeiten schaffen, aber auch durch die enschen selbst, die ihre Daten über das Web 2.0 freiillig preisgeben. Damit stehen wir als Gesetzgeber vor zwei Kernfraen. Erstens: Welche Daten dürfen Unternehmen von ihen Mitarbeitern erheben? Und vor allem zweitens: Uner welchen Bedingungen dürfen sie es? Dabei sind zwei nterschiedliche Interessen in Einklang zu bringen, nämich auf der einen Seite das legitime Interesse von Areitnehmern, dass ihre privaten Daten geschützt werden. s geht eben den Arbeitgeber nichts an, was der Mitrbeiter in seiner Freizeit macht, mit wem er liiert ist der wie sein Gesundheitszustand ist, es sei denn, dieser ustand oder das Verhalten wirkt sich auf das Arbeitserhältnis aus. Auf der anderen Seite hat der Arbeitgeber iederum ein berechtigtes Interesse, kontrollieren zu ürfen, ob interne Regelungen beachtet werden. Auch ie Bekämpfung von Straftaten und Korruption muss öglich bleiben, denn Korruption schädigt das Gemeinohl. Eine aktuelle Studie von PricewaterhouseCoopers eziffert den durch Wirtschaftskriminalität entstehenen Schaden auf 6 Milliarden Euro jährlich – verursacht urch eigene Mitarbeiter, übrigens auch zulasten der aneren Mitarbeiter; denn ohne Aufklärung geraten diese mmer in Mitverdacht. Um nicht missverstanden zu werden: Keine Kriminaitätsbekämpfung rechtfertigt einen Rechtsverstoß. Auf er anderen Seite müssen sich aber auch Unternehmen or Korruption schützen können. Das ist eine Gratwanerung, manchmal auch eine Grauzone. Wir haben schon die einschlägigen Strafgesetze verchärft. Dennoch bestehen Rechtsunsicherheiten. Die atenschutzbeauftragten haben das entsprechend angeahnt. In einem ersten Schritt hat der ehemalige Bundesnenminister Wolfgang Schäuble gemeinsam mit die em Parlament im Bundesdatenschutzgesetz klargestellt, ass dieses Gesetz auch für Arbeitsverhältnisse gilt. Die chutzrechte wurden erweitert. Aber es besteht weiterer andlungsbedarf, immer mit dem Ziel, auf der einen eite dem Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eien ausreichenden Schutz zu geben und auf der anderen eite den berechtigten Interessen der Arbeitgeber echnung zu tragen. Diesen Zielkonflikt löst der Gesetzentwurf der SPD icht auf. Er verdient aus meiner Sicht nur eine Beurteiung: unausgewogen, lebensfremd, widersprüchlich und in bürokratischer Albtraum. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Besser machen!)


Herr Scholz, Ihr Entwurf ist unausgewogen. Denn er
ormiert nur die Pflicht des Arbeitgebers, die Beschäf-
igtendaten vertraulich zu behandeln. Eine Pflicht des
rbeitnehmers, betriebliche Daten und die Daten ande-

er Arbeitnehmer zu schützen, wird demgegenüber nicht
egründet. Das ist eine einseitige Zielsetzung zulasten
es Kollektivs, also zulasten der anderen Mitarbeiter.

628 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Gitta Connemann
Daraus spricht ein Generalverdacht gegen Arbeitgeber.
Dieses Zerrbild entspricht nicht der Wirklichkeit. Es ist
in unseren kleinen und mittelständischen Unternehmen
nicht an der Tagesordnung, dass Chefs ihre Mitarbeiter
bespitzeln. Das ist eine Ausnahme, die wir bekämpfen
müssen, aber nicht die Regel. Eine solche Pauschalver-
urteilung, die Grundlage des Gesetzentwurfs ist, ist uner-
träglich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich nenne in diesem Zusammenhang das Thema
Videoüberwachung. Der Kollege Mayer hat vollkom-
men zutreffend darauf hingewiesen, dass diese per se un-
zulässig ist. Aber sie muss in Ausnahmefällen möglich
sein, letztendlich auch aus Arbeitsschutzgründen; denn
es gibt Arbeitsplätze mit einem hohen Risiko von Ar-
beitsunfällen. Das ist beispielsweise bei der Abfüllung
von Chemikalien der Fall. Da dient die Videoüberwa-
chung dazu, Sicherheitskräfte im Notfall sofort alarmie-
ren zu können. Diese Möglichkeit wollen Sie abschaf-
fen.


(Olaf Scholz [SPD]: Falsch!)


Das kann doch nicht Sinn und Zweck eines Gesetzes
sein.

Der Entwurf ist übrigens auch lebensfremd. Ich nenne
ein Beispiel, das die Situation von Bewerbern betrifft.
Auch allgemein zugängliche Daten sollen nur mit Zu-
stimmung des Betroffenen genutzt werden dürfen. Als
Betroffener gilt eben auch der Bewerber. Bei Bewer-
bungsverfahren ist es heute jedoch absolut üblich, auf
das Internet zurückzugreifen. Soziale Netzwerke, Job-
börsen und Bewerberportale sind gerade darauf ausge-
richtet, Informationen für potenzielle Arbeitgeber bereit-
zustellen. Bewerber wollen mittels dieser Medien auf
sich aufmerksam machen. Der faktische Ausschluss von
Internetrecherchen bei der Einstellung ist unsinnig und
schadet den Bewerbern. Das gilt auch für die Vorschrift,
die Bewerbungsunterlagen spätestens zwei Monate nach
Abschluss des Bewerbungsverfahrens zu vernichten.
Denn das Anlegen von Bewerberpools liegt durchaus im
Interesse von Arbeitsuchenden.

Der Gesetzentwurf ist ein bürokratischer Albtraum,
wenn es um die neu zu schaffende Position eines – man
lasse sich dieses Wort einmal auf der Zunge zergehen –
Beschäftigtendatenschutzbeauftragten geht. Nach dem
Willen der SPD soll ein solcher Beschäftigtendaten-
schutzbeauftragter in jedem Betrieb mit mehr als fünf
Arbeitnehmern bestellt werden. Nicht nur, dass die Be-
zeichnung kaum aussprechbar ist: Dies würde gelten für
jeden Bäcker, jeden Tischler und jeden Kfz-Mechaniker.
Es würde übrigens auch für uns Abgeordnete gelten.
Denn wir beschäftigen in der Regel mehr als fünf Mit-
arbeiter.


(Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])


Das würde für mich bedeuten, dass ich für mein Büro, in
dem praktisch alle in einem Zimmer sitzen, eine
Beschäftigtendatenschutzbeauftragte berufen müsste,
um sicherzustellen, dass keine der Mitarbeiterinnen ge-

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(C (D ebenenfalls auf Facebook nach den neuesten Fotos iher Kolleginnen sucht. Das ist vollkommen absurd. Noch absurder wird es in den Betrieben, in denen dieer Beschäftigtendatenschutzbeauftragte zusätzlich zu em ohnehin schon existierenden betrieblichen Datenchutzbeauftragten bestellt werden soll. Der betriebliche atenschutzbeauftragte, den es heute schon gibt, hat ach dem Datenschutzgesetz bereits heute auch die Aufabe, über die Rechtmäßigkeit der Verwendung der Daen der Beschäftigten zu wachen. Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Connemann. Vor diesem Hintergrund können wir nur sagen: Dieser esetzentwurf ist vollkommen untauglich. Er wird dem egitimen Anspruch der Arbeitnehmer auf einen ausreihenden Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte ebenso weig gerecht wie dem berechtigten Anspruch der Arbeiteber auf eine verlässliche Regelung. Wir werden diese emeinsam schaffen. Vielen Dank. Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem ollegen Klaus Ernst. Frau Connemann, Sie haben gerade eine Entschuldi ung von mir verlangt, weil ich die Vorgänge in den Berieben mit der Stasi verglichen hätte. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700906800
Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1700906900

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700907000
Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700907100

Sie klatschen zu früh, meine Damen und Herren. –
ielleicht ist Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit entgan-
en, dass der Stern am 27. März 2008 über die Vorgänge
erichtet hat, die ich angesprochen habe. Die Überschrift
ieses Artikels lautet: „Die Lidl-Stasi“. Im Text wird
ann weiter ausgeführt – ich zitiere aus diesem Stern-Ar-
ikel –:

Montagmorgen um sechs Uhr kommt die Lidl-Stasi
bei einer Filiale an.


(Zuruf von der FDP: Teilen Sie das?)


er Vergleich zwischen dem, was in der deutschen In-
ustrie vorgeht, und der Stasi ist nicht von mir, sondern
on der deutschen Medienlandschaft.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das macht es doch nicht besser!)


as sollten Sie zum Ersten zur Kenntnis nehmen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Skandalös!)


Zum Zweiten halte ich Folgendes für unerträglich:
uf der einen Seite nehmen Sie die Beschnüffelung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 629


(A) )



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Klaus Ernst
durch die Stasi, die mir genauso unangenehm ist und die
ich genauso verurteile wie Sie,


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ach nein! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)


zum Anlass, sich in der Öffentlichkeit wie das Michelin-
Männchen aufzuplustern. Wenn es aber auf der anderen
Seite konkret wird und Beschnüffelungen zu verhindern
sind, nämlich im Hier und Jetzt und nicht die vor
20 Jahren, dann kneifen Sie, dann verhindern Sie eine
vernünftige gesetzliche Regelung. Das ist Heuchelei; das
zu sagen kann ich Ihnen nicht ersparen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie eine Entschuldigung wollen,


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Von Ihnen jedenfalls nicht!)


dann gehen Sie zur Redaktion des Stern oder schreiben
Sie einen Leserbrief.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700907200

Zur Erwiderung Frau Kollegin Connemann.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Jetzt sind wir gespannt!)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1700907300

Sehr geehrter Herr Kollege Ernst, es ist das eine, was

der Stern titelt. Es ist das andere, was Sie benutzen. Wir
sind hier im Deutschen Bundestag. Es obliegt Ihrer
Wortwahl, ob Sie im Zusammenhang mit Vorgängen bei
Discountern einen vom Stern angestellten Vergleich in
Ihren Mund nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ja, das mache ich!)


Fakt ist, Herr Kollege Ernst, dass Sie das Wort „Sta-
sispitzel“ in diese Debatte eingeführt haben, in der es um
den Schutz der Arbeitnehmerdaten geht, um ein berech-
tigtes Interesse der Arbeitnehmer an einem ausreichen-
den Schutz, der aber in keiner Weise damit zu verglei-
chen ist.

Sie haben gesagt, auch Ihnen sei die Beschnüffelung
durch die Stasi unangenehm. Ich finde es bezeichnend,
dass Sie von unangenehm sprechen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Er hat aber auch etwas anderes gesagt!)


Ich finde es unerträglich und halte es für eines der dun-
kelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte, dass
Menschen durch Spitzel ebenjener Stasi in politische
Haft in Gefängnissen wie Hohenschönhausen und
Bautzen gekommen sind und dort über viele Jahre gefan-
gen waren. Nach wie vor bleibt deshalb der von Ihnen in
diese Debatte eingeführte Vergleich der Lidl-Beobach-
tung mit einem Stasispitzel unerträglich.


(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)


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(C (D ür den Fall, dass Sie hier weiter solche Vergleiche einühren, würde ich Ihnen sehr raten, sich ein wenig inteniver mit Ihren Kollegen in Brandenburg zu unterhalten, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


eren Vergangenheit, die jetzt ans Tageslicht kommt, die
ukunft dieses Landes bestimmen soll. Da kann ich
irklich nur mit Heine sagen:

Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich
um den Schlaf gebracht.

as gilt insbesondere für Sie, Herr Kollege Ernst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700907400

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/69 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist
edoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und der
DP wünschen Federführung beim Innenausschuss. Die
raktion der SPD wünscht die Federführung beim Aus-
chuss für Arbeit und Soziales. Ich lasse deshalb zuerst
ber den Überweisungsvorschlag der Fraktion der SPD
Federführung beim Ausschuss für Arbeit und Soziales –

bstimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvor-
chlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
amit ist der Überweisungsvorschlag mit großer Mehr-
eit abgelehnt.

Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
raktionen der CDU/CSU und der FDP – Federführung
eim Innenausschuss – abstimmen. Wer stimmt für die-
en Überweisungsvorschlag? – Gegenstimmen? – Ent-
altungen? – Der Überweisungsvorschlag ist mit der
leichen Mehrheit angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 5 c. Die Vor-
age auf Drucksache 17/121 soll an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Sind
ie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die
berweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Hermann, Kerstin Andreae, Alexander Bonde,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Moratorium für Stuttgart 21 – Wirtschaftlich-
keit des Großprojektes vor Baubeginn sicher-
stellen

– Drucksache 17/125 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss

Es handelt sich um eine Überweisung im verein-
achten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird

630 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
vorgeschlagen, die Vorlage auf Drucksache 17/125 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist of-
fenkundig der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD

Bildungsproteste nicht aussitzen – Hochschul-
gipfel vorziehen

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann
von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1700907500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit

dieser Aktuellen Stunde möchte die SPD-Bundestags-
fraktion ein Anliegen in dieses Parlament einbringen,
das viele Menschen bewegt: Es bewegt Studierende, es
bewegt die Hochschulen, es bewegt die Öffentlichkeit.
Gestern hat der Bundespräsident eine hervorragende
Rede zu diesem Anlass gehalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb haben wir dieses Thema aufgenommen.

Es ist wichtig, dieses Thema aufzunehmen, weil es
eine lange Vorgeschichte hat. Nicht, dass wir auf der
Fachebene nicht schon 2008 vom Wissenschaftsrat da-
rauf hingewiesen worden wären, dass die Hochschulen
unterfinanziert sind. Wir sollten auch nicht vergessen,
dass schon im Juni dieses Jahres darauf aufmerksam ge-
macht wurde – nicht erst durch die aktuellen Proteste –,
dass die Studierenden erwarten, für sich ein gutes Stu-
dium entwickeln zu können.

Schließlich sollte man daran erinnern, wie mit diesen
Protesten umgegangen worden ist. Ende des Monats No-
vember ist es wieder zu entsprechenden Protesten ge-
kommen, weil Studierende und Mitarbeiter von Hoch-
schulen das Gefühl haben, dass zwar getagt wird, aber
auch viel der Schwarze Peter hin- und hergeschoben
wird.

Die Krönung war kürzlich die Ansage der Bundesbil-
dungsministerin, einen Hochschulgipfel, einen Bologna-
Gipfel, einberufen zu wollen. Zunächst denkt man: Don-
nerwetter, da wird was in die Hand genommen! Wann
soll er stattfinden? Im April nächsten Jahres. Wir, die
Sozialdemokraten, finden das zu spät. Es ist nicht zeitge-
recht. Deswegen wollen wir das hier thematisieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man könnte es – um ein falsches Wort der Bildungs-
ministerin aufzugreifen – auch so sagen: So, wie sie
meinte, die Studentenproteste als gestrig bezeichnen zu
müssen, so kann man sagen, dass sie sich damit, mit die-

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(C (D em Termin zu werben, hart an der Grenze zu vorgestrig ewegt. Weshalb? Erstens. Gerade weil wir, nicht zuletzt urch die Ansprache des Bundespräsidenten, mitbekomen haben, dass Bildung ein gemeinsames Anliegen von ochschulen, Bund und Ländern sein muss, ist es wich ig, dass bei dem gemeinsamen Anliegen eine starke raft vorangeht. Deshalb lautet unser Begehren, unser unsch, unsere Forderung, diesen Bologna-Gipfel vor uziehen und nicht in den April 2010 zu verlagern. Zweitens. Der Wissenschaftsrat hat mit Bedacht geagt, dass die Hochschulen trotz aller Anstrengungen trukturell unterfinanziert sind. Man braucht mehr feste tellen, mehr Professorinnen und Professoren, Manower, Womanpower in der Betreuung, in der Beratung nd auch eine bessere Qualifizierung von Lehrenden. er dazu notwendige Betrag wurde mit 1,1 Milliarden uro jährlich beziffert. Das zeigt: Wir brauchen ein stares Zeichen, dass der Bund in seiner Kooperation mit en Ländern und den Hochschulen bereit ist, die finaniellen Mittel aufzustocken. Deshalb diese Aktualität, eshalb diese Aktuelle Stunde. Drittens. Es gibt ein Datum, den 16. Dezember 2009. n diesem Tag steht nicht nur die Verabschiedung des aushaltsplanes 2010 und der mittelfristigen Finanzplaung im Kabinett an, sondern auch der Bildungsgipfel indet an diesem Tag statt. Man stelle sich vor, was dort lles festgesetzt wird, um es dann erst im April 2010 geebenenfalls nacharbeiten zu können. Es ist deshalb ein nliegen, eine Forderung, rechtzeitig eine markante röße seitens des Bundes anzubieten, damit die Hoch chulen, die Länder und der Bund ein entsprechendes rogramm für einen erfolgreichen Bologna-Prozess und ine erfolgreiche Hochschulreform auf den Weg bringen önnen. Ansonsten erleben wir nicht nur fünf verchenkte Monate zwischen November 2009 und April 010, sondern es wird dann zu einem verschenkten Jahr der noch mehr, weil das Fundament fehlt, auf dem der und, die Länder und die Hochschulen, auch materiell nterlegt, planen können. Noch einmal das Anliegen: Mit dieser Aktuellen tunde wollen wir möglichst geschlossen ein Zeichen afür setzen, dass wir im Interesse der Allgemeinheit ochschulen stärken wollen. Die Allgemeinheit hat ämlich inzwischen begriffen, dass die Hochschulen in er Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Wir haben uch gegenüber den Hochschulen selbst das Zeichen zu etzen, dass es mit dem Schwarzer-Peter-Spiel ein Ende at. Ich will ausdrücklich dazusagen: Es muss auch ein eichen an die Studierenden gehen, dass ihre guten und rfolgreichen Proteste jetzt nicht marginalisiert werden, ie nicht in die Ecke gedrängt werden und die Erfüllung hrer Forderungen nicht auf die lange Bank geschoben ird. Schließlich würden wir damit auch im Sinne des undespräsidenten handeln, der von uns gute Koopera ion gefordert hat. Schlussbemerkung: Frau Ministerin Schavan, wir üssen Ihnen vorhalten, dass Ihre Methode allzu häufig st, erst etwas plump gegenzuhalten, wie gegenüber den tudierenden mit der Bemerkung „gestrig“, dann Ver Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 631 Dr. Ernst Dieter Rossmann ständnis zu zeigen, danach etwas lange ruhen zu lassen und am Ende eher weihevoll, wenn der Prozess zu Ende ist, die Hand daraufzulegen. Frau Schavan, nehmen Sie Abschied von dieser Methode des Schavanismus. Kommen Sie in die Hufe! Setzen Sie ein Zeichen, und gehen Sie mutig nach vorne! Danke schön. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(A) )


(B) )


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700907600

Das Wort hat jetzt die Professorin Dr. Monika

Grütters von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Monika Grütters (CDU):
Rede ID: ID1700907700

Immer mal wieder einen Kalauer, Herr Rossmann:

„Schavanismus“. Ich finde, das Thema ist für so etwas
zu ernst. Gerade vor einer Woche habe ich hier gesagt,
wie toll es ist, dass wir in einem Jahr zweimal über ein
so wichtiges Thema reden. Jetzt toppt das die SPD und
sorgt dafür, dass wir in acht Tagen zweimal über dieses
Thema reden.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Es kommt noch mehr!)


Sie sollten aufpassen, dass das bei Ihnen nicht zum Run-
ning Gag wird. Dafür ist das Thema wirklich zu ernst.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie haben gefragt, was in den letzten acht Tagen pas-
siert ist. Die Bundesbildungsministerin Annette Schavan
hat wirklich etwas getan. Im Gegensatz zu Ihnen hat sie
nicht nur geredet, sondern immerhin zu einem Bologna-
Gipfel eingeladen.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Großartig!)


Das haben Sie schließlich nicht getan. Geradezu reflex-
haft kommt dann von den Oppositionsbänken die Reak-
tion: Sie müssen zu einem Bologna-Gipfel einladen.
Weil das nun schon passiert ist, ist die Reaktion: nicht
erst im April, sondern schon jetzt. Da hätte ich von Ih-
nen ein bisschen mehr Fantasie und mehr andere kon-
krete Vorschläge erwartet.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ähnlich der Kollege Gehring, der gebetsmühlenartig
– wir hören das gleich bestimmt wieder – Bundesaktivi-
täten fordert, wenn die Länder und die Hochschulen
Missstände verursachen. Aber auch das läuft immer
nach dem Motto: Ich fordere etwas, was du schon tust;
vom Hochschulpakt über den Bildungsgipfel, jetzt die
Bologna-Konferenz, mehr Geld für den Bildungsbereich
bis hin zur Verbesserung der Lage der Studis. Dies wird

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(C (D on der Regierungsbank bereits umgesetzt und trotzdem on der Opposition immer wieder eingefordert. Dabei hat sogar gestern die, was das bürgerliche Miieu angeht, eher unverdächtige Tageszeitung taz getitelt: Studis, stoppt euren Streik! (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Was titelt sie heute? Wissen Sie, was sie heute titelt?)


Ich lese auch die heutige Ausgabe. Darauf komme ich
leich noch. Sie aber haben hoffentlich auch die von
estern gelesen.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ich lese jeden Tag Zeitung!)


abei meinen weder die taz noch wir – Sie auch nicht,
as wissen wir, darauf haben wir uns letzte Woche ver-
tändigt –, dass die Bildungsproteste nicht berechtigt
ären. Uns geht es aber darum, wie man mit intelligen-

en Ideen die teilweise wirklich schlimme Situation an
en Unis verbessert; mit Streik jedenfalls nicht. Selbst
ie taz rät dazu, bessere Strategien zu entwickeln.

Unsere Strategie ist: Der Bundesetat für Bildung ist in
en vergangenen Jahren so sehr gestiegen wie kein ande-
er im Bundeshaushalt, und zwar, Herr Gehring und Herr
ossmann, trotz der Zuständigkeit der Länder. Sie woll-

en ein finanzielles Zeichen, wir haben es gesetzt.

Zum zweiten Mal wird es im Dezember einen Bil-
ungsgipfel mit der Kanzlerin und den Ministerpräsiden-
en geben; denn schließlich haben sie die, wie viele von
ns Bildungsleuten meinen, vertrackte Föderalismusre-
orm beschlossen. Dieser Bildungsgipfel wird nicht des-
alb abgehalten, weil Sie etwas verspätet danach rufen,
ondern weil wir schon sehr früh der Meinung waren,
ass er einmal wieder sein muss. Ich kenne keine andere
anzlerin, die sich einmal im Jahr mit den Ministerprä-

identen zusammengesetzt hat, um über dieses Thema zu
eden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Bundesbildungsministerin trifft sich erneut mit
en Bildungsministern der Länder, auch im Rahmen der
MK. Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz,
rau Wintermantel, war es übrigens, die den Zeitpunkt
pril vorgegeben hat. Das ist der Grund für diesen Ter-
in und nicht, dass Frau Schavan meint, sich noch fünf
onate Zeit lassen zu müssen. Unsere Ideen zur Verbes-

erung der Situation sind bekannt: Mobilitätsfenster,
tudien- und Prüfungsordnungen korrigieren, mehr indi-
iduelle Gestaltung, Entschlackung der Lehrpläne, was
brigens kein Geld, sondern Mut erfordert.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann seien Sie mutig!)


as sind keine Dinge, für die wir noch fünf Monate Zeit
rauchen. Damit die Hochschulen uns konkrete Vor-
chläge machen können, wurde von ihnen der April vor-
eschlagen.

Es gibt aber auch Erfolge. Herr Rossmann, ich finde,
ir sind es den Studierenden und der Wirtschaft schul-

632 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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(B) )


Monika Grütters
dig, auch darauf hinzuweisen. Die Vertreter der Wirt-
schaftswissenschaften an der Humboldt-Universität ha-
ben gesagt, dass sie mit der Umsetzung des Prozesses
beeindruckende Erfolge erzielt haben, dass das schon
seit 2003 wirklich gut läuft. Also: Etwas mehr Beson-
nenheit und etwas weniger Aktionismus! Dazu rät auch
der eben von Ihnen ins Feld geführte Peter
Strohschneider, der Vorsitzende des Wissenschaftsrates.
Er sagt sogar, dass wir mehr Flexibilität bei den curricu-
laren Strukturen brauchen. Eine Reform der Reform
brauchen wir jedenfalls nicht.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Davon ist ja auch keine Rede!)


Der versammelten Linken und den Studis möchte
man – ganz im Geiste der taz – zurufen: Stoppt eure Pro-
teste! Entwickelt gemeinsam Konzepte zur Lösung der
erkannten Probleme! Setzt euch mit den Verantwortli-
chen zusammen! Das sind in erster Linie die Länder. In
fünf Ländern stellt die SPD übrigens den Bildungsminis-
ter. Es wäre interessant, wenn die gemeinsam eine Kon-
ferenz abhalten und Ideen für einen vernünftigen Um-
gang mit den Forderungen entwickeln würden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der Bologna-Prozess ist ein Versuch, die Hochschu-
len und die gesellschaftliche Wirklichkeit, in der sie ste-
hen, etwas realistischer zu betrachten. Es ist der Versuch,
darauf zu reagieren, dass heute mehr als ein Drittel eines
Abiturjahrgangs einen akademischen Abschluss an-
strebt.

KMK-Bildungstreffen am 10. Dezember, Bildungs-
gipfel mit Merkel am 16. Dezember, ein Bologna-Gipfel
im April, Kommentare der stärksten Figuren dieser Re-
publik, vom Bundespräsidenten, der Kanzlerin und der
Bundesbildungsministerin – so geht man verantwor-
tungsbewusst mit den Protesten um.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Dann haben Sie Köhler aber nicht verstanden!)


Die ritualisierte Aufregung überlassen wir gerne der Op-
position.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700907800

Das Wort hat jetzt die Kollegin Nicole Gohlke von

der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Nicole Gohlke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700907900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! „Den Bildungsstreik sollte man nicht überbe-
werten; solche Proteste sind unter Studenten alle paar
Jahre üblich“, das haben Sie, Frau Bildungsministerin,
am letzten Sonntag bei Anne Will sinngemäß auf die
Frage erklärt, warum die Studierenden protestieren. Sol-
che Äußerungen sind für die Studierenden wirklich
schwer zu ertragen; denn so etwas ist nichts anderes als

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(C (D bsolute Ignoranz und Respektlosigkeit den Streikenden egenüber. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Geld ist nicht alles, ist die nächste Erwiderung von
olitikern der schwarz-gelben Koalition auf die Forde-
ungen der Streikenden. Aber Dozentinnen und Dozen-
en und Bibliotheken kosten nun einmal Geld, erst recht,
enn die Hochschulen endlich einmal aufhören, prekäre
ehrverträge und sogar 1-Euro-Jobs zu vergeben. Ohne
ehr Geld wird es keine neuen Studienplätze und keine

reitere Ausgestaltung der Studiengänge geben.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Mehr Geld ist vielleicht nicht die alleinige Lösung,
ber in jedem Fall die Voraussetzung für Verbesserun-
en. Die bisherigen Vorhaben der Regierung reichen kei-
esfalls aus. Im Gegenteil: Die Steuersenkungspläne der
undesregierung sind genau wie die Schuldenbremse
ine Katastrophe für die Bildungspolitik, weil die Haus-
alte der Länder schon jetzt auf dem letzten Loch pfei-
en.


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Schavan, wenn Sie von der Situation der Studie-
enden irgendetwas verstanden haben, dann müssen Sie
ich jetzt gegen die geplante Steuerreform stellen; sonst
ird entgegen Ihren Bekundungen die Bildung in
eutschland totgespart.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Das ist genau das Gegenteil!)


Welche Antworten auf die Bildungsmisere kommen
nsonsten von der Bundesregierung? Das Projekt „Bil-
ungssparen“ – davon haben wir jetzt schon einiges ge-
ört – nach dem Vorbild der Riester-Rente, also die Pri-
atisierung der Bildungsförderung. Doch wer soll sich
as leisten können? Für wen ist das gedacht? Ihr Bil-
ungssparen führt unter anderem dazu, dass viele Eltern
n die schlimme Situation kommen werden, entscheiden
u müssen, wofür sie das wenige Geld, das am Mo-
atsende eventuell übrig ist, sparen und anlegen: für die
ildung der Kinder oder für die eigene Altersvorsorge.
ie würden Sie entscheiden, Frau Schavan, wenn Sie in

iner etwas schwierigeren sozialen Situation wären: Zu-
unft für die Kinder oder ein halbwegs würdevoller Le-
ensabend? Oder für welches Ihrer Kinder würden Sie
paren, wenn es für das Studium von zwei oder drei Kin-
ern nicht reicht?


(René Röspel [SPD]: Für die Jungs!)


Dabei können sich diejenigen, die vor solchen Ent-
cheidungen stehen, sogar noch glücklich schätzen.
artz-IV-Bezieher und -Bezieherinnen, Alleinerzie-
ende oder die vielen Geringverdiener in unserer Gesell-
chaft stehen schon gar nicht mehr vor solchen Entschei-
ungen. Frau Bildungsministerin, nehmen Sie endlich
ie Realitäten in diesem Land zur Kenntnis. Durch Ihre

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 633


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Nicole Gohlke
Pläne fördern Sie nur die Kinder aus einkommensstarken
Familien. Diejenigen, die Förderung brauchen, haben
überhaupt nichts davon.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Statt Bildungssparen brauchen wir einen freien Bil-
dungszugang für alle – unabhängig vom Geldbeutel der
Eltern.


(Beifall bei der LINKEN)


Kolleginnen und Kollegen, seit drei Wochen streiken
Schülerinnen und Schüler sowie Studierende für bessere
Bildung. Sie, Frau Ministerin, tun so, als wären Sie auf
ihrer Seite. Die Streikenden erleben jetzt mancherorts,
zum Beispiel letzte Nacht in der Uni Frankfurt, dass die
Hochschulleitung besetzte Hörsäle mit Polizeigewalt, und
zwar dabei auch mit wirklicher Gewalt, räumen lässt – mit
stillschweigender Duldung der Bildungsministerin.


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP – Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Rechtsstaat!)


Frau Schavan, ich fordere Sie auf, Stellung zu bezie-
hen. Ist Polizeigewalt auch Ihre Art, mit den Protesten
umzugehen?


(Beifall bei der LINKEN)


Polizeigewalt gegen Proteste ist mit Demokratie an den
Hochschulen absolut unvereinbar. Sie muss tabu sein.
Eine demokratische Gesellschaft braucht demokratische
Hochschulen. Die Studierenden verteidigen die Demo-
kratie an den Hochschulen. Sie haben dafür die Unter-
stützung der Linken.


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Schavan, beziehen Sie Stellung, verurteilen Sie öf-
fentlich dieses Vorgehen der Hochschulleitungen und
der Polizei, und setzen Sie sich dafür ein, dass die An-
zeigen gegen die Studierenden zurückgezogen werden!


(Monika Grütters [CDU/CSU]: Ist sie jetzt auch noch für die Polizei zuständig?)


Umso mehr Respekt habe ich für diejenigen Studen-
tinnen und Studenten, die sich von diesem Vorgehen
nicht einschüchtern und entmutigen lassen und sich die
Hörsäle wieder zurückerobern, um ihren berechtigten
Protest fortzusetzen.


(Zurufe von der SPD)


Die Politik der Bildungsprivatisierung und der Ein-
sparung öffentlicher Gelder für Bildung hat in den letz-
ten Jahren auch dazu geführt, dass Hörsäle mittlerweile
nach Großkonzernen benannt sind, die die Hochschulen
sponsern; so viel zur vermeintlichen Freiheit und Unab-
hängigkeit der Wissenschaft.


(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Abenteuerlich!)


So heißt ein Hörsaal in Würzburg bereits Aldi-Süd-Hör-
saal und einer in Nürnberg ausgerechnet easyCredit-
Hörsaal. Dieser Name grenzt angesichts der schwarz-

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(C (D elben Konzepte zur Bildungsfinanzierung wirklich an ealsatire. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. René Röspel [SPD] – Monika Grütters [CDU/CSU]: Ihre Rede auch!)


Es ist ein Armutszeugnis, dass sich die Hochschulen
it solch absurden und zweifelhaften Finanzierungskon-

epten über Wasser halten müssen. Es ist höchste Zeit,
ass sich die Studentinnen und Studenten ihren Raum
urückholen. In diesem Sinne: Die Hörsäle und die
ochschulen gehören den Studierenden!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700908000

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Professor

r. Martin Neumann das Wort.


Dr. Martin Neumann (FDP):
Rede ID: ID1700908100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

erren! Die FDP nimmt die aktuellen Proteste von Schü-
rn und Studierenden ernst und begrüßt das Engagement

ur Verbesserung der Lernbedingungen an Schulen und
ochschulen. Zehn Jahre nach Beginn der Bologna-Re-

orm zeigt sich, dass die tiefgreifendste Reform in der
eutschen Hochschullandschaft eine Reform ist, die von
en Akteuren die Bereitschaft verlangt, diesen Prozess
eiter allumfassend zu gestalten.

Dabei gibt es deutliche Unterschiede. Aus einer aktu-
llen Umfrage der Beratungsgesellschaft Ernst & Young
nter 281 Hochschulen geht hervor, dass sich die Hoch-
chulen in NRW unter liberaler Begleitung im Unter-
chied zu denen im restlichen Bundesgebiet anscheinend
echt wohl fühlen. Von dort kommen überwiegend posi-
ive Einschätzungen. Keine einzige sieht ihre Existenz
efährdet. Die meisten nennen ihre Finanzlage „zufrie-
enstellend“ oder „sehr gut“. Der lauter werdende Ruf
ieler Unis nach mehr Autonomie wurde von der NRW-
egierung schon 2007 erhört. 87 Prozent der staatlichen
ochschulen in NRW beschreiben sich daher als weitge-
end selbstverwaltet – über 30 Prozent mehr als bei der
undesweiten Umfrage.

Es zeigt sich, dass die Hochschulen ganz genau wis-
en, dass nur die Qualität der Lehre ihre Attraktivität er-
öht. Das bestärkt unsere Annahme, dass Hochschulen
it einem hohen Autonomiestatus ganz besonders hart

nd effektiv für möglichst gute Studienbedingungen ar-
eiten. Dies ist ein fortwährender Prozess und ein Beleg
afür, dass es sinnvoll ist, den Hochschulen mehr Frei-
eit zu geben.

Die Studie zeigt aber auch: Die Unis stehen in einem
mmer härteren Wettbewerb um Studenten, Lehrkräfte
nd Geld. Neun von zehn Hochschulen wollen eine bes-
ere Lehre, um in diesem Wettstreit bestehen zu können.
brigens: Höhere Studiengebühren sind in der Regel
ein Thema.


(Ulla Burchardt [SPD]: Wie bitte? Oh doch!)


634 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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Dr. Martin Neumann (Lausitz)

83 Prozent der staatlichen Hochschulen gehen von
gleichbleibenden oder fallenden Gebühren aus.

Wir halten im Kern an den Zielen der Bologna-Re-
form fest und werden tatkräftig unterstützend daran mit-
wirken, diese Reform zu einem erfolgreichen Abschluss
zu bringen. Gleichzeitig bekennen wir uns zum Ausbau
der europäischen Dimension im Bildungsbereich, spre-
chen uns entschieden für grenzüberschreitende Mobilität
des Lernens und Lehrens aus. Wir stehen aktiv für einen
europäischen Hochschul- und Wirtschaftsraum.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wie kann man aktiv stehen?)


Frau Bundesbildungsministerin hat gestern im Aus-
schuss über den vor uns liegenden Weg informiert und
uns mitgeteilt, welche Termine bis zum 12. April 2010
zu absolvieren sind. Ich meine, wir alle tun gut daran,
genau diesen Weg zu absolvieren, damit der Gipfel ein
Erfolg wird. Für die entsprechenden Lösungen sind in
den Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Hochschu-
len abgestimmte Maßnahmen notwendig. Ich sage Ihnen
auch, warum. Bei meinen wöchentlichen Treffen mit
Studierenden an einer FH bekomme ich durchaus unter-
schiedliche Bilder präsentiert. Woran liegt das? An den
erfolgreichen Hochschulen, in denen die Selbstverwal-
tung ernst genommen wird, und an Hochschulen, in de-
nen eine gute Studienberatung durchgeführt wird, in de-
nen es eine Vielzahl kleiner Tutorien und kleiner
Studiengruppen gibt und in denen die Studierenden gute
Kontakte zu den Hochschullehrern haben, gibt es deut-
lich weniger Probleme.


(René Röspel [SPD]: Welch ein Wunder! – Weiterer Zuruf von der SPD: Was für eine Erkenntnis!)


Meine Damen und Herren, wie ist der gegenwärtige
Stand? Im Moment sind etwa 80 Prozent der Studien-
gänge an den deutschen Universitäten und Fachhoch-
schulen umgestellt. Die Arbeitsmarktakzeptanz der ers-
ten Bachelor-Absolventen ist laut Institut der deutschen
Wirtschaft überwiegend gut. Rund drei Viertel der Un-
ternehmen bewerteten die neuen Abschlüsse schon im
Jahr 2004 als positiv. Auch der DIHK, der Deutsche In-
dustrie- und Handelskammertag, erkennt bei der Aner-
kennung und Bewertung von Bachelor und Master einen
positiven Trend. Die Zahl der Studienabbrüche geht seit
Einführung von Bachelor und Master signifikant zurück.
Hinzu kommt – das ist, wie ich glaube, an dieser Stelle
auch sehr wichtig –: Der Arbeitsaufwand ist durchaus
vergleichbar. Über das Credit-Point-System sind Trans-
parenz und Qualität steuerbar. Genau dies zu organisie-
ren, ist ein wesentlicher Teil der Hochschulverantwor-
tung.

Die subjektive Zufriedenheit der Studierenden mit der
Situation von Betreuung und Lehre hat sich seit der Be-
ginn der Bologna-Reform deutlich verbessert. Dennoch,
meine Damen und Herren, kommen auf die Hochschulen
weitere wichtige Aufgaben zu. Um in diesem Wettbe-
werb bestehen zu können und Qualitätsstandards im Be-
reich der Bildung zu gewährleisten, sind die Hochschu-
len gezwungen, sich weiterzuentwickeln.

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(C (D Meine Damen und Herren, ich denke, dieser Prozess, en wir unterstützen, sollte im Rahmen des Bildungsgipels am 12. April nächsten Jahres zu einem erfolgreichen bschluss gebracht werden. Ich bedanke mich. Das Wort hat der Kollege Kai Gehring für die Frak ion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ie neue Bundesbildungsministerin ist ganz die alte. Ihr erufsmotto ist offensichtlich geblieben: zögern, be chwichtigen und aussitzen. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Quatsch! – Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/ CSU]: Ach, Herr Gehring!)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700908200
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700908300

icht einmal der zweite bundesweite Bildungsstreik
acht sie zur dynamischen Anwältin der Studierenden,

o gesehen zum Beispiel bei Anne Will.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Thema verfehlt! Setzen!)


eshalb gab es gestern eine zutreffende und berechtigte
tandpauke des Bundespräsidenten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


hr Gebot der Stunde müsste lauten: anpacken, handeln
nd kämpfen. Kämpfen müsste sie für bessere Studien-
edingungen, für eine echte Korrektur der Bologna-Re-
orm und für Bildungsgerechtigkeit statt Bildungsspal-
ung.

Was bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses
chiefgelaufen ist und noch schiefläuft, gehört mittler-
eile zum bildungspolitischen Allgemeinwissen. Über
ie Phase der Problemanalyse sind wir längst hinaus;
rau Grütters, da haben Sie recht. Das ist übrigens auch
in Erfolg des ersten Bildungsstreiks. Das könnten Sie
en Studierenden durchaus einmal anerkennend sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


s kann sich niemand mehr hinstellen und sagen, die
orrekturforderungen seien gestrig oder unberechtigt,

lles sei super gelaufen.


(Monika Grütters [CDU/CSU]: Das habe ich nicht getan!)


ie Bologna-Reform muss korrigiert werden. Sich die
robleme, mit denen die Studierenden tagtäglich zu tun
aben, erst im April auf dem Bologna-Gipfel vortragen
u lassen, käme viel zu spät. Der Gipfel muss unverzüg-
ich einberufen werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 635


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Kai Gehring

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Vom Bologna-Gipfel erwarten wir übrigens mehr als ein
Gruppenbild von Schavan, Pinkwart und Wintermantel.
Wir erwarten konkrete, handfeste Ergebnisse, die bei
den Studierenden in den Hörsälen und in den Seminar-
räumen tatsächlich ankommen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Wir fordern eine Korrektur der vielerorts schlecht umge-
setzten Bologna-Reform. Wir wollen eine Entrümpelung
der Studiengänge, durch die endlich wieder Zeitfenster
und Freiräume im Studium geschaffen werden, weniger
Prüfungen, bessere Betreuung und deutlich mehr Mas-
ter-Studienplätze, damit der Übergang vom Bachelor
zum Master nicht zum Nadelöhr wird, sondern dieser für
viele möglich ist.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Wir wollen auch eine neue Anerkennungspraxis, eine
neue Anerkennungskultur bei erworbenen Studienleis-
tungen, zum Beispiel durch eine Mobilitätsgarantie für
die Studierenden.

Um diese Korrekturen der Bologna-Reform zu verab-
reden, müssen sich Bund und Länder sowie Vertreterin-
nen und Vertreter der Hochschulen, aber vor allem auch
der Studierenden zügig an einen Tisch setzen. Sie kön-
nen gleich die Frage beantworten, ob die Studierenden-
gruppen tatsächlich zu dem Bologna-Gipfel eingeladen
werden. Sie sollten auf jeden Fall mit am Tisch sitzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Monika Grütters [CDU/CSU]: Die sind eingeladen!)


Die erste Verabredung auf diesem Gipfel muss lauten:
Schluss mit Schuldzuweisungen und Schwarzer-Peter-
Spiel; denn Sie alle tragen in Bund und Ländern Verant-
wortung für schlechte Studienbedingungen und für heu-
tige und künftige Studierendengenerationen.


(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Was machen Sie?)


Bei diesem Gipfel muss der Bund auch eigene Bei-
träge leisten. Ministerin Schavan darf nicht mit leeren
Taschen anreisen und sich in wohlfeilen Appellen, dass
die anderen handeln sollen, erschöpfen, sondern sie
muss tatsächlich etwas mitbringen. Wer wie Sie mit dem
Finger auf die Hochschulen zeigt, sollte wissen, dass
mehrere Finger zurück zeigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Es ist doch so, dass Bund und Länder versäumt ha-
ben, die Bologna-Reform gegenzufinanzieren. Man
muss es einmal ganz klar sagen: Wir haben eine 15-pro-
zentige Unterfinanzierung der Bologna-Reform. Pro

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(C (D ahr fehlen rund 1,1 Milliarden Euro. Ihre Verantworung ist es, endlich ein Bologna-Paket zu schnüren, in em Qualität und Finanzmittel stecken. Nur so kann die nterfinanzierung der Hochschulen endlich überwunden erden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Es gibt übrigens auch eine soziale Dimension der Bo-
ogna-Reform. Dazu war von den Bildungspolitikern
on Union und FDP leider wieder kein Wort zu hören.
as wundert mich nicht. Mit Ihrer Privat-vor-Staat-Ideo-

ogie schlagen Sie nämlich Studienberechtigten aus Fa-
ilien mit einem schmalen Geldbeutel reihenweise die
örsaaltür vor der Nase zu.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Quatsch! – Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/ CSU]: Was ist Ihr Vorschlag? – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die Zahl der Studienanfänger ist gestiegen!)


it Studiengebühren, mit Krediten, mit flächendecken-
en NCs und einem eklatanten Studienplatzmangel tür-
en Sie immer höhere Bildungsblockaden auf, statt
enschen aus allen gesellschaftlichen Schichten Auf-

tieg durch Bildung zu eröffnen. Das wäre Ihre Aufgabe;
ber dabei versagen Sie seit Jahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Frau Schavan, motten Sie bitte Ihr vages Stipendien-
rogramm ein! Sie wissen ja noch gar nicht, wie Sie es
achen wollen. Mit dem Geld, das dafür vorgesehen ist,

önnten Sie das BAföG sofort um 10 Prozent erhöhen.
as wäre ein richtiger Schritt. Das brächte auf einen
chlag mehr Bildungsgerechtigkeit. Dafür würde ich Ih-
en viel Erfolg wünschen; denn den Finanzminister
üssen Sie davon offensichtlich noch überzeugen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Es ist aber so: Schwarz-Gelb manövriert die Bil-
ungsrepublik weiter Richtung Märchenland. Das muss
an so deutlich sagen; denn morgen werden Sie den
ändern, den Hochschulen und den Kommunen die fi-
anzielle Basis unter den Füßen wegreißen. Das Wachs-
umsbeschleunigungsgesetz hat zur Folge, dass allein
em NRW-Landeshaushalt im nächsten Jahr eine halbe
illiarde Euro entzogen wird. Diesem Schuldenwachs-

umsgesetz kann man als verantwortungsbewusster Bil-
ungspolitiker und erst recht als Bildungsministerin am
abinettstisch nicht zustimmen. Sie müssen es ableh-
en! Mit dem Geld, das Sie den Ländern entziehen,
önnten Sie bundesweit 300 000 Studienplätze schaffen.
as wäre eine sinnvolle Investition in die Zukunft.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


636 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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Kai Gehring
Wir brauchen keine Steuergeschenke an Besserver-
dienende –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700908400

Kollege Gehring, kommen Sie bitte zum Schluss.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700908500

– ja, sofort – und keine Subvention deutscher Hotel-

betten.

Die Koalition muss dafür sorgen, dass die Studieren-
den und die Hochschulen nicht länger im Regen stehen
gelassen werden. Sorgen Sie für eine klare Gegenfinan-
zierung der notwendigen Korrekturen an der Bologna-
Reform und liefern Sie belastbare Ergebnisse auf Ihrem
Gipfel – nicht erst im April, sondern so schnell wie mög-
lich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700908600

Das Wort hat der Kollege Dr. Reinhard Brandl für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1700908700

Verehrte Präsidentin! Meine sehr geschätzten Kolle-

gen! Wir haben in den letzten Monaten immer wieder
Streiks und Protestaktionen von Studenten erlebt. Die
Anliegen der Studenten, vor allem hinsichtlich der loka-
len Umsetzung der Bologna-Reformen an den einzelnen
Hochschulen, sind zu einem guten Teil auch berechtigt.

Es gibt Bachelor-Studiengänge mit zu hoher Stoff-
dichte, zu vielen Prüfungen oder zu wenigen oder gar
keinen Möglichkeiten, ins Ausland zu gehen. Darunter
leiden die betroffenen Studenten, und die Hochschulen
und die Politik stehen in der Verantwortung, diesen Stu-
denten schnellstmöglich zu helfen


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Genau, schnellstmöglich, nicht erst nächstes Jahr!)


und Mängel in der Umsetzung der Bologna-Reformen zu
korrigieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es wäre aber verantwortungslos, aufgrund von einzel-
nen Mängeln bei der Umsetzung den ganzen Reformpro-
zess infrage zu stellen.


(Beifall des Abg. Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU])


Durch Parolen wie „Stopp Bologna“ oder die Forderun-
gen nach einer Rückabwicklung der Reformen werden
wir nur aufgehalten. Sie bringen uns nicht weiter, sie
verunsichern die Studenten und helfen ihnen nicht.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir – damit meine ich die Politik, die Hochschulen,
ie Wirtschaft und die Studenten – sind gefordert, unsere
nstrengungen darauf zu konzentrieren und dafür zu

orgen, dass der Bologna-Prozess in ganz Deutschland
in Erfolg wird. Dazu gehören die eben angesprochenen
erbesserungen bei den Studienbedingungen, dazu ge-
ört aber auch die tatsächliche Umsetzung der in den Re-
ormen vorgesehenen Zweistufigkeit mit dem Bachelor
ls einem wirklich berufsqualifizierenden Abschluss.

An dieser Stelle – der Kollege von der FDP hat es
ben angesprochen – gibt es auch positive Meldungen zu
erkünden: Der Bachelor wird auf dem Arbeitsmarkt gut
ngenommen. Bereits aus den allerersten Gruppen von
achelor-Absolventen an den Fachhochschulen aus dem
bschlussjahr 2006/2007 sind knapp 60 Prozent ohne
aster direkt in den Beruf gegangen. Bei den Bachelors

on den Universitäten waren es auf Anhieb immerhin
m die 20 Prozent. Die Bachelor-Absolventen, die direkt
n den Beruf eingestiegen sind, haben ihre Stelle nach
urchschnittlich 3,2 Monaten gefunden. Auch das ist ein
ehr guter Wert. Die Arbeitslosigkeit bei Bachelor-Ab-
olventen ist mit etwa 3 Prozent genauso hoch oder nied-
ig wie bei den anderen akademischen Abschlüssen.

Das darf eigentlich nicht verwundern; denn der Ab-
chluss ist ja auch eine Antwort auf die Forderungen der

irtschaft nach kürzeren Studienzeiten, nach mehr Pra-
isnähe und nach einer größeren internationalen Ver-
leichbarkeit der Abschlüsse. Die Unternehmen und die
ndustrie dürfen jetzt nicht nachlassen, attraktive Ein-
tiegsmöglichkeiten für Bachelor-Absolventen zu schaf-
en, und müssen sich auch aktiv an dem Dialog zur Ver-
esserung der Studienstrukturen beteiligen. Initiativen
ie „Bachelor Welcome“ oder wie die der Vereinigung
er Bayerischen Wirtschaft gehen genau in die richtige
ichtung.

Wir haben in Deutschland im Vergleich zu vielen an-
eren Ländern einen hohen fachlichen Standard bei der
usbildung. Ich denke hier an den vielzitierten Diplom-

ngenieur. Die Herausforderung ist nun, diesen hohen
tandard auch auf die gestuften Studiengänge zu über-

ragen. Einfach stehen zu bleiben, ist keine Lösung. Die
elt entwickelt sich weiter. Um uns herum haben
ittlerweile über 45 weitere Länder mit dem Bologna-
rozess begonnen, und in Deutschland selbst haben zu
iesem Wintersemester 43 Prozent des Jahrgangs ein
tudium begonnen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren wa-
en es noch 31 Prozent. Das ist eine erfreuliche Entwick-
ung für ein Land, dessen Zukunft in den Händen gut
usgebildeter Fachkräfte liegt. Nichtsdestotrotz stellt
iese Entwicklung unser gesamtes Bildungssystem vor
roße Herausforderungen. Die Koalition hat reagiert und
tellt in dieser Legislaturperiode 12 Milliarden Euro
ehr für Bildung und Forschung zur Verfügung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ie Politik allein kann es aber nicht richten. Wir brau-
hen die Unterstützung der Hochschulen und der Wirt-
chaft, aber auch die der Studenten.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 637


(A) )



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Dr. Reinhard Brandl
Die Kultusministerkonferenz hat im Oktober viele
Anliegen der Studenten aufgegriffen. Jetzt sind die
Hochschulen am Zug, die notwendigen Korrekturmaß-
nahmen einzuleiten. Das geht nicht von heute auf mor-
gen. Frau Ministerin Schavan hat aber klug gehandelt
und setzt im April nächsten Jahres mit dem Bologna-
Gipfel einen Meilenstein,


(Zurufe von der SPD und der LINKEN)


bei dem die Wirksamkeit der Korrekturen realistisch
überprüft werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Die Wirksamkeit soll überprüft werden?)


Ich rufe die protestierenden Studenten dazu auf, sich an
diesem Prozess aktiv zu beteiligen und mitzuarbeiten;
denn nur wer mitarbeitet und sich einbringt, kann auch
etwas bewegen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700908800

Kollege Brandl, das war Ihre erste Rede im Deut-

schen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen dazu recht herz-
lich und wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses
viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.


(Beifall)


Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Willi
Brase.


(Beifall bei der SPD)



Willi Brase (SPD):
Rede ID: ID1700908900

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe persönlich
mit Studierenden in meiner Heimatstadt in Siegen disku-
tiert und auch die Fragen debattiert, die in Bezug auf
Bachelor und Master sowie bei der Studienreform eine
Rolle gespielt haben. Das war und ist ein Punkt der De-
batte der Studierenden.

Der zweite Punkt ist überhaupt noch nicht erwähnt
worden, nämlich die Frage der Chancengleichheit von
jungen Leuten in unserem Land.


(Beifall bei der SPD)


Ich will es einmal ganz deutlich sagen, damit wir es
hier nicht vergessen – das belegen im Übrigen auch alle
Untersuchungen –: Der Geldbeutel der Eltern bzw. der
Erziehungsberechtigten entscheidet darüber, ob ein jun-
ger Mensch in unserem Land die Chance hat, nach oben
zu kommen. Das ist ein Zustand, der so nicht mehr be-
stehen bleiben darf.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Studenten haben sehr deutlich mehr Geld für die
Universitäten gefordert. Ich finde es gut, dass der Bun-

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(C (D espräsident kürzlich, wenn man der Presse glauben arf, klipp und klar kritisiert hat, dass unser Bildungsystem seit mehreren Jahren chronisch unterfinanziert st. Außerdem hat er kritisch angemerkt, dass es nicht usreicht, nur eine exzellente Forschungslandschaft in iesem Land zu unterhalten, Frau Schavan, sondern dass uch eine exzellente Landschaft für die Lehre an unseren ochschulen nötig ist. Dazu kann ich nur sagen, dass der räsident recht hat. Wir müssen da noch einiges machen n diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn dies richtig ist, dann muss man über den Teller-
and schauen und überlegen, wie wir auf diesem Weg ein
tück weiterkommen. Angesichts der Tatsache, dass wir
ehr Geld brauchen – vorhin wurde von 1,1 Milliarden
uro zusätzlich für den Bologna-Prozess gesprochen –,
ann ich nur sagen: Liebe Koalitionäre, nehmen Sie
och ernst, was Ihnen kürzlich bei der Anhörung bezüg-
ich Ihres Wachstumsbeschleunigungsgesetzes gesagt
urde.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


as soll dieser Unsinn mit 7 Prozent Mehrwertsteuer für
otelunterkünfte? Investieren Sie diese 1 Milliarde lie-
er in den Hochschulbereich. Damit machen Sie etwas
utes in diesem Land für die Menschen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ein weiterer Punkt: Es gibt gute Studien, beispiels-
eise die vom HIS, die wir kürzlich im Ausschuss be-
ommen haben und die noch einmal überarbeitet wird.
ußerdem gibt es eine aktuelle Studie von der Bertels-
ann Stiftung. Immer wieder wird die Frage aufgewor-

en, wie es mit der Finanzlage und mit den Perspektiven
ür junge Leute aussieht. Studienberechtigte sind gefragt
orden, was sie hindert, ein Studium aufzunehmen. Als

rstes Argument wird die hohe finanzielle Belastung ge-
annt. Als zweites Argument wird vorgebracht, dass
an Angst davor hat, später die Schulden, die man
acht, wenn man BAföG erhält, abtragen zu müssen.


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Das stimmt doch gar nicht! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch!)


Sie können den Kopf noch zehn Mal schütteln. – Als
rittes Argument kommen die Studiengebühren. Werden
ie endlich einmal schlau daraus! Herr Müller im Saar-

and und Herr Koch in Hessen haben begriffen, dass man
it Studiengebühren nicht viel gewinnen kann. Wir

rauchen keine Studiengebühren; die jungen Menschen
rauchen vielmehr vernünftige Perspektiven. Die Stu-
iengebühren gehören in die Mottenkiste dieses Jahr-
underts.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


638 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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Willi Brase
Es darf auch nicht vergessen werden – das geschieht
häufig –, dass aufgrund unseres Schulsystems bei uns
nach der vierten, fünften oder sechsten Klasse aussortiert
wird. In diesem Moment entscheidet sich, welche Per-
spektive junge Menschen haben. Häufig werden an die-
ser Stelle die Kinder aus bildungsferneren Schichten, aus
Schichten, die materiell nicht so gut gestellt sind und die
kein hohes Einkommen beziehen, zum ersten Mal weg-
sortiert, indem sie zum Beispiel auf die Hauptschule
kommen.

Für die Kinder, die das Glück haben, aufs Gymna-
sium zu kommen, gilt das achtjährige Gymnasium G 8.
Wir erleben seit drei bis vier Jahren, dass die beschleu-
nigte Einführung des G 8 alles andere als bessere Chan-
cen für die Kinder mit sich gebracht hat. Es macht die
Eltern verrückt. Sie sitzen teilweise bis abends mit ihren
Kindern an den Schulaufgaben. Die Sportvereine und
andere Vereine beklagen, dass ihnen langsam der Nach-
wuchs ausgeht, weil die Kinder keine Zeit mehr haben,
weil sie nur noch dabei sind, das zu lernen, was im Rah-
men von G 8 durchgepaukt wird. Ich finde, an der Stelle
müssen wir endlich einmal Nein sagen. Wir vergewalti-
gen doch die Kinder mit dem, was wir ihnen da antun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich komme zum Schluss und halte fest: Wir brauchen
mehr Geld. Darum werden wir weiter kämpfen. Wir
brauchen das Geld auch an der richtigen Stelle, und zwar
für Brennpunktschulen, für die individuelle Sprachför-
derung und für die individuelle Förderung von jungen
Leuten. Dann kommen wir auf einen guten Weg.

Wir haben während der rot-grünen Regierungszeit die
Zahl der BAföG-Empfänger von über 500 000 auf
800 000 gesteigert. In der schwarz-roten Regierungszeit
ist die Zahl nach den letzten Schätzungen Ihres Hauses,
Frau Ministerin, auf über 900 000 gestiegen. Es war und
ist richtig, dass wir das BAföG weiterentwickelt haben.
Das BAföG muss erhöht werden. Das ist der richtige
Weg.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700909000

Das Wort hat die Kollegin Sylvia Canel für die FDP-

Fraktion.


Sylvia Canel (FDP):
Rede ID: ID1700909100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Offensichtlich befürchtet die SPD, dass
dem Studentenstreik über die Weihnachtsfeiertage die
Puste ausgeht.


(René Röspel [SPD]: Sie hoffen darauf!)


Denn die Zahl der aktiven Protestler ist sogar zu Spitzen-
zeiten vergleichsweise gering. Nach Ansicht der Neuen
Zürcher Zeitung handelt es sich um eine Minderheit von
weniger als 5 Prozent aller immatrikulierten Studenten.

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(C (D (Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Reden Sie es einfach klein! – Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)


Im Fernsehen wurde gestern gezeigt, wie 200 Studie-
ende aus der Mensa der Uni Frankfurt herausgetragen
urden. Das ist eine der größten Universitäten Deutsch-

ands mit 35 000 Studierenden. Wo waren die eigentlich
lle?


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh! – René Röspel [SPD]: Bashing von Studenten! Das ist die richtige Reaktion! – Agnes Alpers [DIE LINKE]: Diskreditieren Sie nur die Proteste!)


Die jungen Akademiker hinterließen völlig zerstörte
äume. Damit haben sie das Geld derjenigen verbrannt,
ie Steuern zahlen, damit andere studieren können. Die
örsäle gehören nicht in erster Linie den Studierenden,
rau Gohlke, sondern den Steuerzahlerinnen und Steuer-
ahlern, die dafür auf Geld verzichten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und der LINKEN)


Doch auch wenn das Auftreten und Gebaren einiger
tudierender völlig an der Sache vorbeigeht, sollte man
ie Sorgen und Nöte der großen Mehrheit der Studieren-
en nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn wäh-
end sich einige wenige um die Bekämpfung des Kapita-
ismus, die Tolerierung von Täuschungsversuchen bei
rüfungen und Essen im Freien bemühen – das sind alles
eispiele aus den 95 Forderungen des ReferentInnen-
ates der Humboldt-Uni –,


(Widerspruch der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE] – René Röspel [SPD]: Das ist ja unglaublich!)


o setzt sich die große Mehrheit der Studierenden völlig
u Recht für bessere Bedingungen in der Lehre und mehr
lexibilität im Studienverlauf ein.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wollen Sie jetzt jeden kriminalisieren?)


iesen Einsatz sollte man respektieren, und diesen Ein-
atz nimmt die neue Bundesregierung auch sehr ernst.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dementsprechend begrüßen wir es explizit, dass Bun-
esministerin Schavan mit Ländern, Hochschulen und
tudierendenvertretern in den Dialog getreten ist. Wir
ehen die Probleme und werden sie gemeinsam lösen.

Angesichts dieser positiven Entwicklung finde ich es
emerkenswert, wie die SPD nun versucht, das Feuer
es Streiks wieder anzufachen, um sich ihre alten Kno-
hen daran zu wärmen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das ist ja wirklich billig!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 639


(A) )



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Sylvia Canel
Die Genossen wollen sich unterhaken lassen und hoffen
darauf, so den Protest gegen die neue, frische Regierung
zu instrumentalisieren.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frisch ist anders!)


Das wird nicht gelingen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Bei diesem Plan gibt es nämlich eine Schwachstelle. Der
Protest richtet sich in weiten Teilen gegen die Bologna-
Reform. Diese Reform wurde von einer rot-grünen Bun-
desregierung angeschoben. Daran ist zunächst nichts zu
kritisieren. Doch die notwendigen rechtlichen und finan-
ziellen Flankierungen dieser Beschlüsse blieben damals
aus; das darf man deutlich sagen.


(Beifall bei der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Wo waren Sie eigentlich? Und wo waren eigentlich die Länder?)


Bologna wurde zum rot-grünen Sparprogramm, zum bil-
dungspolitischen Steinbruch der Schröder-Ära. Elf Jahre
SPD-Regierungsbeteiligung haben die chronische Unter-
finanzierung der Hochschulen auf Bundes- und Länder-
ebene zementiert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Ich will Sie nur ganz kurz daran erinnern, dass zum
Beispiel der Wissenschaftssenator Flierl von der Linken
sowie die von der SPD und der Linkspartei getragene
Regierung im Jahre 2004 hier in unserer Hauptstadt
beschlossen haben, rund ein Fünftel der Stellen für
Hochschulprofessoren und 10 000 der Studienplätze zu
streichen. Bildungsabbau, Qualitätsverlust und Mangel-
verwaltung, so sieht für uns linke Bildungspolitik aus.


(Beifall bei der FDP – René Röspel [SPD]: Weit über Bedarf ist da ausgebildet worden!)


Kein Wunder, dass sich der hochdekorierte und vielfach
ausgezeichnete Präsident der Freien Universität, Herr
Professor Lenzen, mit dem Verweis auf die mangel-
haften Rahmenbedingungen in der rot-rot-regierten
Hauptstadt verabschiedet hat. Ich komme aus Hamburg.
Wir Hamburger freuen uns; denn wir sind die Nutznie-
ßer.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie werden schon sehen, was Sie davon haben!)


Wie anders ist es doch in Nordrhein-Westfalen, wo
der liberale Innovationsminister Pinkwart die Situation
der Hochschulen spürbar verbesserte!


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal die Hochschulen in NRW!)


Er hat die Studienbedingungen mit den Studiengebühren
sichtbar und fühlbar verbessert. Er kann nicht klagen;
denn die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen haben so
viele Studienanmeldungen wie noch nie zuvor.


(Beifall bei der FDP – Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Wissen das die Studierenden auch?)


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(C (D enn sich nun die Bundesbildungsministerin mit den tudierenden, den Hochschulrektoren und den Wissenchaftsministern treffen will, um über die notwendigen achbesserungen zu diskutieren und Lösungen zu su hen, dann verdient sie unsere volle Unterstützung. uch die Studierenden freuen sich darüber. Juliane nörr, Koordinatorin der rheinland-pfälzischen Jusoochschulgruppen, hat gegenüber der Welt gesagt, die er Zeitplan sei angemessen, und es scheint ihr so, dass eute nur die Linken und die SPD im Grunde genommen agegen sind. Aussitzen ist nichts für Liberale. Die FDP will etwas ewegen. (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Willi Brase [SPD]: Nur in die falsche Richtung! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie sich von Frau Schavan absetzen?)


ir sind nicht immer bequem. Aber das ist notwendig.
ir maßen uns auch nicht an, den Hochschulen ins
andwerk zu pfuschen. Wir wollen nicht alles bis ins
leinste regeln. Stattdessen wollen wir die Hochschulen

echtlich und finanziell so ausstatten, dass sie in der
age sind, die bestmöglichen Studienbedingungen her-
eizuführen. Wir werden die finanzielle Situation der
tudierenden verbessern. Das wird eine gute Bildungs-
olitik. Genauso wie wir es in den Ländern geschafft ha-
en, werden wir es im Bund schaffen. Herr
r. Rossmann, Schavanismus ist mir lieber als blinder
ktivismus.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700909200

Das Wort hat der Kollege Michael Gerdes für die

PD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Michael Gerdes (SPD):
Rede ID: ID1700909300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die an-

altenden Proteste an den Unis und auch diese Aktuelle
tunde machen einmal mehr deutlich: Es geht nicht nur
m Bologna. Es geht tiefer. Bildung ist längst kein
andthema mehr. Bildung steht seit Jahren im Mittel-
unkt öffentlicher Debatten. Sie ist häufig Gegenstand
olitischer Sonntagsreden. Nun frage ich mich, ob die
ielen Reden über den hohen Stellenwert der Bildung
it der Realität übereinstimmen. Für meinen Ge-

chmack häufen sich die Negativmeldungen über die
eutsche Bildungssituation zu sehr. Bei den anhaltenden
rotesten der Studierenden wegen verschulter Studien-
änge ist im Übrigen nicht die Stärke der Beteiligung
usschlaggebend. Ich will darauf hinweisen, dass auch
ie Studierenden nur ein Spiegelbild unserer Gesell-
chaft sind. Wenn ich mir die Beteiligung in diesem Ho-
en Hause anschaue, dann stelle ich fest, dass nicht alle
undestagsabgeordneten bei jedem Thema anwesend

ind. Daher sollte man nicht an der Anzahl der Studie-
enden die Qualität des Protestes ablesen.

640 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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Michael Gerdes

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht aber noch weiter: Abiturienten, die lieber eine
Ausbildung beginnen, weil sie sich Studiengebühren
nicht leisten können, Warnungen aus der Wirtschaft vor
Fachkräftemangel, unbesetzte Lehrstellen aufgrund feh-
lender Qualifikationen, besorgte Eltern – wir haben es
gerade gehört –, die ihre Kinder nicht dem Lernstress im
G 8 ausliefern wollen, und immer noch soziale Selektion
im deutschen Bildungssystem. Diese Liste ließe sich
weiter fortsetzen. Ich will mir das heute ersparen.

Im letzten Jahr hat Kanzlerin Merkel die Bildungsre-
publik Deutschland ausgerufen, aber in dieser Republik
sind wir längst noch nicht angekommen. Zwar sind wir
uns alle einig, dass Bildung eine wettbewerbsrelevante
Ressource ist, und wir alle sagen: „In der Wissensgesell-
schaft ist Bildung die Quelle von wirtschaftlichem
Wachstum“, gehandelt wird aber nicht nach dieser Ma-
xime. Sonst würde die schwarz-gelbe Mehrheit morgen
nicht ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschließen,
das wohl eher bremsen wird, als dass es Probleme löst.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Gesetz wird Länder und Kommunen dazu zwin-
gen, drastisch einzusparen. Das sind Einsparungen, die
vor allem die Ausgaben für Bildung betreffen. Es drohen
Kürzungen bei Kindergärten, Schulen und Universitäten,
und das, obwohl wir bei den Bildungsausgaben im
OECD-Vergleich sowieso nur im unteren Mittelfeld lie-
gen. Im Klartext: Die schwarz-gelbe Regierung verzich-
tet auf Steuereinnahmen und riskiert somit sinkende Bil-
dungsausgaben.


(Beifall bei der SPD)


Gute Bildung basiert auf einer soliden Finanzierung. Wir
sollten die Mahnung von Frau Wintermantel ernst neh-
men: Die von den Studierenden beklagten Mängel bei
der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge
hängen auch mit der chronischen Unterfinanzierung der
Universitäten zusammen. Dieser Meinung ist nicht nur
die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, son-
dern auch viele Professoren reklamieren die Geldknapp-
heit ihrer Institute. Bildung ist eine gesamtgesellschaftli-
che Aufgabe, die der Staat zu finanzieren hat, egal für
welche Altersgruppe. Ein Staat, der zu wenig Geld für
Bildung ausgibt, verletzt das Recht auf Bildung und ge-
fährdet zudem seine eigene wirtschaftliche Existenz.
Erst letzte Woche hat die Bertelsmann-Stiftung eine Stu-
die über den volkswirtschaftlichen Nutzen guter Bildung
veröffentlicht. Die Schlagzeile lautet: Hohe Zahl von
schlechten Schülern kostet die Gesellschaft viel Geld. –
Ich füge hinzu: Gleiches gilt auch für unsere Studieren-
den und Azubis.


(Beifall bei der SPD)


Wer schlechte Lernbedingungen vorfindet, kann spä-
ter nicht den Bedingungen des Arbeitsmarkts entspre-
chen. Kinder, Schüler, Azubis und Studierende brauchen
vernünftige, qualitativ hochwertige Bildungsbedingun-
gen und Chancengleichheit. Mit Blick auf die Proteste

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(C (D er Studierenden frage ich mich: Was nützen uns Absolenten, die ihr Bachelorstudium zwar schnell hinter sich ebracht haben, aber kein fundiertes akademisches Wisen haben? Wir appellieren an unsere Jugendlichen, öglichst gute Abschlüsse zu machen, sorgen aber nicht ür ein durchlässiges und gerechtes Bildungssystem. Aus einem betrieblichen Alltag kann ich Ihnen berichten, ass viele Azubis, die das Zeug zum Studieren hätten, us Angst vor finanzieller Not nicht an die Hochschule ollen. (Beifall bei der SPD – René Röspel [SPD]: Das ist Lebenserfahrung!)


Das ist Lebenserfahrung, und das ist eine falsche Ent-
icklung. – An dieser Stelle fällt mir das Stichwort „Bil-
ungssparen“ ein. Ich finde den Grundgedanken richtig,
eld für Ausbildung und Studium zur Seite zu legen.
ur, wenn ich an die vielen Familien mit prekären Be-

chäftigungsverhältnissen denke, die am Ende des Mo-
ats froh sind, ihren Lebensunterhalt so eben bestritten
u haben, wird eines deutlich: Da ist kein Euro mehr
orhanden, der gespart werden könnte. Es bleibt dabei:
er arm ist, hat es schwer, an Bildung teilzuhaben; wer

eich ist, hat beste Aussichten auf Bildung. Die soziale
ngerechtigkeit wird auf die nächste Generation über-

ragen. Das ist die Realität.


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Ministe-
in, lassen Sie die Studierenden und die Universitäten
icht im Regen stehen! Nehmen Sie die Kritik ernst und
andeln Sie! Ein erster Schritt wäre es, den geforderten
ologna-Gipfel so schnell wie möglich durchzuführen.
in zweiter Schritt wäre es, die Bildung in diesem Land
icht zusätzlich durch das Wachstumsbeschleunigungs-
esetz zu gefährden. Streichen Sie es von der Tagesord-
ung!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700909400

Kollege Gerdes, das war Ihre erste Rede im Deut-

chen Bundestag. Wir gratulieren Ihnen dazu und wün-
chen Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit.


(Beifall)


Das Wort hat die Bundesministerin für Bildung und
orschung, Dr. Annette Schavan.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
ung und Forschung:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen und Herren! Wir hatten gestern im Bun-

estagsausschuss für Bildung und Forschung zwei Stun-
en Zeit für ein Gespräch, auch über das Thema dieser
ktuellen Stunde. Ich will gern wiederholen, was ich
estern den Kolleginnen und Kollegen zu erläutern ver-
ucht habe.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 641


(A) )



(B) )


Bundesministerin Dr. Annette Schavan
Ich möchte vorher auf einige Punkte eingehen, die Sie
angesprochen haben.

Erstens. In mehreren Reden, unter anderem in der von
Herrn Gehring und von Herrn Rossmann, kam die For-
derung zum Ausdruck, dass der Bologna-Prozess korri-
giert werden muss – im Gestus der Selbstverständlich-
keit, so als wüssten Sie das lange. Da fragt man sich
dann unwillkürlich: Was ist eigentlich zwischen 1999,
als Frau Bulmahn den Vertrag unterschrieben hat, und
dem Jahr 2005 in der Phase der Einführung, in den ers-
ten sechs Jahren, geschehen?


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Wo war denn Ihre Position als Ministerin in BadenWürttemberg?)


– Ich war Kultusministerin, mit Verlaub. Ich war nicht
Wissenschaftsministerin. Wir haben dem Bologna-Pro-
zess immer zugestimmt, und ich habe diese Herausfor-
derung angenommen. – Jetzt fällt Ihnen ein: Es muss
korrigiert werden. Sechs Jahre haben Sie in der rot-grü-
nen Bundesregierung Verantwortung getragen. Das, was
Ihnen heute einfällt, ist Ihnen damals nicht eingefallen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zweitens. Sie sagen: Der Bund muss etwas tun; die
Ministerin darf nicht mit leeren Taschen zum Gipfel ge-
hen. Da haben Sie recht.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Und was hat Herr Koch gemacht?)


– Jetzt kommen Sie wieder mit Herrn Koch und dem
Bundesverfassungsgericht. Herr Rossmann, man muss
schon so vorgehen, dass es der Verfassung entspricht.
Das ist die Aufgabe einer Bundesregierung bei jeder
Maßnahme, die sie beschließt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie haben das nicht berücksichtigt. Zwischen 1999 und
2005 ist eben keine gemeinsame Perspektive von Bund
und Ländern entwickelt worden. Für die Weiterentwick-
lung des Wissenschaftssystems, für die Schaffung neuer
Studienplätze ist keine Unterstützung geleistet worden.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Der Koch wollte doch keine Gemeinsamkeit!)


Seit 2005 gibt es einen Hochschulpakt, in der ersten
Phase mit der Schaffung von 90 000 zusätzlichen Studi-
enplätzen, in der zweiten Phase mit der Schaffung von
275 000 zusätzlichen Studienplätzen. Jetzt gibt es in der
Vereinbarung zwischen Bund und Ländern das 10-Pro-
zent-Ziel. Das alles ist nach 2005 geschehen, und nichts
davon ist in der Zeit der rot-grünen Bundesregierung
passiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Weil Sie damals blockiert haben!)


Drittens. Sie – ich glaube, es war Herr Gehring –
sprechen von den immer höheren Blockaden, wenn es
darum geht, in Deutschland gute Bildung zu bekommen
und ein Studium aufzunehmen. Es gibt so viele Untersu-

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(C (D hungen, dass man immer streiten kann, wer sich gerade uf welche bezieht. Wir werden sie einmal alle zusamenführen, um längerfristige Trends aufzuzeigen. Wenn an nur die Zahlen des Statistischen Bundesamtes aus en letzten zehn Jahren nimmt, dann ist augenscheinlich, ass in der Zeit der rot-grünen Bundesregierung, jedenalls was die Studienanfängerquote angeht, Stagnation nd Rückgang herrschten. In diesem Jahr haben wir eine ekordzahl: Seit 2005, spätestens seit 2007 ist die Stanation überwunden. (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch überhaupt nicht! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Statistiktricks!)


Natürlich stimmt es. Das Statistische Bundesamt
pricht von über 43 Prozent eines Jahrgangs, die im Stu-
ienjahr 2009 ein Studium aufgenommen haben. So
iele hat es noch nie gegeben. Übrigens gab es da, wo
tudiengebühren erhoben werden, erhebliche Zuwachs-
aten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich weiß, dass Ihnen diese Zahl nicht passt; aber sie
timmt.

Dann wird gesagt, in Deutschland seien die Blocka-
en schon deshalb höher, weil Studiengebühren existier-
en. Wenn Sie die Zahl der Hochschulen mit Studienge-
ühren in Deutschland zusammenzählen, dann werden
ie feststellen, dass es an der Mehrheit der Hochschulen
berhaupt keine Studiengebühren gibt.


(Zuruf des Abg. Willi Brase [SPD])


Darauf legen Sie doch wert. – Wer in Deutschland stu-
ieren und keine Studiengebühr zahlen möchte, lieber
err Brase, kann das.


(Zurufe von der SPD)


Sehen Sie, bei Studierenden ist es unterschiedlich. Da
ibt es viele, die – das zeigen die HIS-Studien – ihren
tudienort auch mit Blick auf die Qualität wählen.


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Wie weltfremd sind Sie eigentlich?)


eshalb gibt es hohe Zuwachsraten in Nordrhein-West-
alen, in Bayern, in Baden-Württemberg – da, wo Stu-
iengebühren existieren und sich die Lehre verbessert
at.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Gohlke, Sie sprechen von der Gewalt gegenüber
tudierenden. Ich finde es erstaunlich, dass Sie nicht
arüber sprechen, dass Hörsäle zu besetzen, andere am
tudieren zu hindern und die Säle zerstört zurückzulas-
en, auch Gewalt ist, die nicht akzeptabel ist.


(Zuruf der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])


642 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Bundesministerin Dr. Annette Schavan
Deshalb ist die Räumung von Universitäten, in denen
Gewalt ausgeübt wird, richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode
sieht ganz klar den Aufwuchs vor – wir haben hier schon
zweimal darüber gesprochen –, er sieht Aufstiegsstipen-
dien vor. Jetzt nenne ich den Zeitplan noch einmal: Na-
türlich wird am 12. April nicht eine Konferenz stattfin-
den, auf der wieder analysiert wird. Die Frage, was zu
tun ist, ist im Sommer des vergangenen Jahres bespro-
chen worden. Danach hat es ein Elf-Punkte-Programm
der Kultusministerkonferenz gegeben. Das steht jetzt in
den Ländern zur Umsetzung an. Das Beispiel von Herrn
Pinkwart und von Nordrhein-Westfalen ist genannt wor-
den. Die Hochschulen haben mit ihren Wissenschafts-
ministern ein Memorandum verabschiedet; sie haben
ganz klar die Schritte zur Konkretisierung aufgeführt, sie
haben deutlich gemacht, was jetzt zu geschehen hat. Das
Wintersemester steht unter dem Vorzeichen der Umset-
zung, der Korrektur, der Verbesserung der Qualität von
Lehre.

Dazu findet am 10. Dezember das Gespräch der
Hochschulrektorenkonferenz mit der Kultusministerkon-
ferenz statt. Dazu werden diverse Workshops in den ein-
zelnen Ländern stattfinden. Das Ziel ist, in den 16 Län-
dern das, was verabredet worden ist, jetzt umzusetzen.
Dann werden wir in der zweiten Märzwoche die interna-
tionale Bologna-Konferenz in Wien und in Budapest ha-
ben, und vier Wochen später werden wir diesen Prozess
der Umsetzung der Korrekturagenda in Deutschland
durchführen.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aus welchen Mitteln?)


Und das, was in anderen Ländern passiert, der Austausch
auf der internationalen Bologna-Konferenz, wird für die
Frage der Mobilität wichtig sein. Dies alles wird dann
bilanziert. Es werden die Perspektiven entwickelt, auch
die finanzpolitischen Perspektiven.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Im April? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich auch Lösungen!)


Sie wissen, dass das 10-Prozent-Ziel beschlossen wor-
den ist, Sie wissen, dass es am 10. Dezember genau
darum geht, Sie wissen – auch das habe ich gestern ge-
sagt –, dass wir dann überlegen werden, was seitens des
Bundes noch zusätzlich zum Hochschulpakt investiert
werden kann.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Und die Länder müssen im April nachlegen?)


Sie wissen, dass im neuen Hochschulpakt pro Studien-
platz mehr Geld für Lehre ausgegeben worden ist.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das reicht ja nicht aus!)


Klarer Zeitplan, klarer Fahrplan im Blick auf Taten,
nicht auf weitere allgemeine Debatten. Es wird konkret.
Auch das stinkt Ihnen.

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(C (D ch finde, Sie sollten jetzt einfach die Bemühungen ernst ehmen, die in den Hochschulen, in den Landesregierunen, in der Bundesregierung geschehen. Und zum Abschluss, lieber Herr Rossmann: Auf das ort „Schavanismus“ haben Sie nicht mal Copyright. as gibt es schon seit 15 Jahren, von Ihrem Kollegen eller aus Baden-Württemberg erfunden, (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Das hat er wohl nicht gewusst, dass er darauf Copyright hat!)


(Zuruf von der SPD: Nein, das erwarten wir!)


eines Zeichens SPD-Landtagsabgeordneter. Ich kann
ur sagen: Willkommen! Nun ist der Begriff auch in
erlin angekommen.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Da kann man mal sehen, wie lange so was dauert, wenn man durch Nichtstun glänzt!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700909500

Das Wort hat der Kollege Swen Schulz für die SPD-

raktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1700909600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau
rütters, Sie haben danach gefragt, warum wir in dieser
oche, nachdem wir über das Thema bereits in der letz-

en Woche diskutiert haben, auf Antrag der SPD erneut
iese Diskussion führen. Ich kann Ihnen das erklären:
ir lassen die Regierungskoalition nicht in Ruhe, wir

assen sie nicht aus der Verantwortung.


(Beifall bei der SPD)


as ist auch notwendig, weil Bundesministerin Schavan
a ganz offenkundig immer wieder zum Jagen getragen
erden muss.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Monika Grütters [CDU/CSU]: Überheben Sie sich nicht!)


Frau Canel, wir instrumentalisieren nicht die Proteste
er Studierenden, aber wir begrüßen, dass die Studieren-
en Druck machen. Erst nachdem die Studierenden pro-
estiert haben, hat Frau Schavan reagiert und zum Bei-
piel eine BAföG-Erhöhung angekündigt, und erst nach
er Forderung der HRK-Präsidentin, einen Bologna-
ipfel durchzuführen, hat Frau Schavan gesagt: Na ja,
kay, kann man im April machen.

Aber man fragt sich schon, wo die eigene Initiative,
er eigene konkrete Beitrag ist.


(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Hören Sie zu!)


ch habe das letzte Woche schon in der Debatte im Deut-
chen Bundestag gefragt. Jetzt habe ich der Ministerin
ieder zugehört, und es kam wieder nichts Konkretes,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 643


(A) )



(B) )


Swen Schulz (Spandau)

außer wohlklingenden Worten und Schuldzuweisungen,
Fingerzeigen auf andere; aber es war nichts von einer ei-
genen Problemlösung zu hören.

Frau Schavan, Sie haben es ja angesprochen. Wir hat-
ten gestern im Ausschuss zwei Stunden Zeit, zu diskutie-
ren. Dabei sind Sie von der Opposition zu vielen ver-
schiedenen Themen konkret befragt worden: Wie stellen
Sie sich die Realisierung des 10-Prozent-Ziels zur Bil-
dungsfinanzierung vor? – Keine konkrete Antwort. Wie
soll es finanziell für die Länder weitergehen, die dann ja
im Wesentlichen die Bildungspolitik finanzieren sollen? –
Keine Antwort. Wie soll es mit dem Bildungssparen lau-
fen? – Keine Antwort. Wie soll es mit den Bildungs-
schecks laufen? – Keine Antwort. Wie soll das Stipen-
diensystem konkret aussehen? – Keine Antwort. Wie
soll die BAföG-Erhöhung ausgestaltet werden? – Wie-
derum keine Antwort.


(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Waren Sie überhaupt im Ausschuss? Oder nur körperlich?)


Ich habe mir gedacht: Wenn schon im Ausschuss
nichts Konkretes gesagt wird, wenn hier im Plenum des
Deutschen Bundestages nichts Konkretes gesagt wird,
dann schaue ich doch einmal nach, was schriftlich in
dem berühmten Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU
und FDP festgehalten ist. Es wird ja immer gesagt, das
sei ein Schwerpunkt der Regierungskoalition. Ich habe
einmal nachgeschaut, und tatsächlich: Da gibt es einen
Abschnitt „Qualität für Studium und Hochschule“ – auf
25 Zeilen Allgemeinplätze. So viel zu diesem Schwer-
punkt.


(Beifall bei der SPD)


Beim Durchblättern dieses Koalitionsvertrages habe
ich zum Beispiel gefunden, dass dem Abschnitt „Wehr-
technische Industrie und Rüstungskooperation“ 26 Zei-
len gewidmet werden,


(Heiterkeit bei der SPD – Uwe Schummer [CDU/ CSU]: Sie reden unter Niveau!)


und er ist dann auch noch wesentlich konkreter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Re-
gierungskoalition, Sie handeln dieses so wichtige Thema
Hochschulpolitik larifari ab, und das lassen wir Ihnen
nicht durchgehen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es soll also im April einen Hochschulgipfel geben.
Da fragt man sich: Warum eigentlich erst im April? Sie
haben versucht, das zu erklären, aber so richtig einsich-
tig – tut mir leid – ist es tatsächlich nicht. Ist es deswe-
gen, weil Sie hoffen, dass bis dahin der Druck der Stu-
dierendenproteste nachgelassen hat, oder deswegen, weil
Sie hoffen, dass andere für Sie, Frau Schavan, die Hoch-
schulen oder die Bundesländer, die Probleme abgeräumt
haben und Sie dann sozusagen nur noch die Ergebnisse
einsammeln müssen? Hat das etwa mit dem Termin der
NRW-Landtagswahlen im Mai zu tun?


(Willi Brase [SPD]: Nein, überhaupt nicht!)



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(C (D Nein, natürlich nicht. – Frau Schavan, ich bitte Sie, achen Sie endlich auf! Sie müssen mal etwas auf den isch legen. Sie müssen die Initiative ergreifen. Sie müsen einen Beitrag leisten und die Problemlösung forcieen. Und jetzt, Frau Schavan, habe ich auch eine gute achricht für Sie: ei all dem brauchen Sie sich nur an dem zu orientieren, as die SPD schon vorgearbeitet hat. (Lachen bei der CDU/CSU – Monika Grütters [CDU/CSU]: Die fünf Länder, in denen Sie die Bildungsminister stellen!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Monika Grütters [CDU/CSU]: Das ist gut!)


ir haben einen Antrag „Studienpakt für Qualität und
ute Lehre jetzt durchsetzen“ vorgelegt. Da steht alles
rin, was Sie an Handwerkszeug brauchen: Masterstu-
ium offenhalten, Personaloffensive, Wettbewerb „Gute
ehre für alle“, Durchlässigkeit des Studiums, Studien-
akt von Bund und Ländern – und zwar ordentlich finan-
iert: 3 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren –,
orschläge für die BAföG-Novelle. Frau Schavan, es ist
lles von uns vorgearbeitet. Wenn Sie den Ländern ein
rdentliches Angebot machen würden, tatsächlich einen
laren Fahrplan vorlegen würden, in welchem Sie sagen,
as der Bund leistet, dann könnte der Gipfel viel früher

tattfinden. Man könnte viel früher zu konkreten Ergeb-
issen kommen, die dann tatsächlich im nächsten Se-
ester zu Verbesserungen an den Hochschulen für die
tudierenden führen würden. Das wäre wesentlich bes-
er, als das jetzt auf die lange Bank zu schieben.

Sie, Frau Schavan, lehnen die Verantwortung ab. Sie
uhen sich auf Erfolgen der Vergangenheit, die Sie nur
it der SPD in der Großen Koalition einfahren konnten,

us. Ansonsten machen Sie nur noch Klientel- und
chaufensterpolitik. Und – das ist vielleicht das
chlimmste – Sie schauen tatenlos zu, wie den Ländern
nd Kommunen durch eine irrsinnige Steuerpolitik fi-
anziell die Luft abgedreht wird. Die Länder haben dann
eine Chance mehr auf eine vernünftige Bildungspolitik.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten for-
ern Sie auf: Beenden Sie diese Larifaripolitik! Werden
ie endlich aktiv!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700909700

Das Wort hat der Kollege Tankred Schipanski für die

nionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1700909800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

erren! Die Opposition hat anscheinend das Wachs-
umsbeschleunigungsgesetz nicht richtig verstanden.

644 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Tankred Schipanski

(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Leider zu gut!)


Sie sollten das einmal nacharbeiten.

Hans Zehetmair hat einmal festgestellt: In der Bil-
dungspolitik ist der Jammerton zum Kammerton gewor-
den. – Wenn man Sie heute hört, dann muss man sagen,
dass er völlig recht hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Besuchen Sie einmal die Homepage www.bildungs-
streik.net. Sie werden staunen, welche Ziele dort ge-
nannt werden: Weg mit dem Schulstress, weg mit dem
Leistungsdruck, kostenlose Fahrt im öffentlichen Perso-
nennahverkehr, Abschaffung der Leiharbeit und Zeit-
arbeit.


(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE] – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Die haben wenigstens noch Visionen im Gegensatz zu Ihnen!)


Das sind teilweise absurde Ziele. Als ich die Reden der
Linken gehört habe, wusste ich auch, woher das kommt
und von wem die Studenten da instrumentalisiert wer-
den.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich komme direkt von der TU Ilmenau, einer kleinen
Universität in Thüringen. Als ich dort neulich in der
Mensa war, bekam ich einen Flyer in die Hand, den der
Studentenrat, der weiß Gott nicht unionsnah ist, ausge-
legt hatte. Die Studenten dieser Universität fragen sich,
wofür gestreikt wird. Denn in Ilmenau gibt es keine Stu-
diengebühren, aber viele neue Gebäude, ausreichend
Platz in Hörsälen und ein gutes Betreuungsverhältnis.
Die dortigen Studenten finden die Grundidee von Bolo-
gna richtig. Das Einzige, was zu konstatieren ist – das
gibt jeder von uns hier zu –, ist, dass es bei der Umset-
zung des Bologna-Prozesses einen Optimierungsbedarf
gibt. Das ist der richtige Ansatzpunkt. Aber man braucht
keinen Streik, um das deutlich zu machen. Das ist doch
der falsche Weg.


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Hätten Sie das alleine gemerkt?)


Auch die Polemik der Opposition im Parlament bringt
uns da überhaupt nicht weiter. Wir brauchen ein kon-
struktives Miteinander von Hochschulleitung, Studieren-
den und Professoren statt Chaos auf den Straßen und in
den Hörsälen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wichtig ist, dass wir, was die Umsetzung von Bolo-
gna angeht, eine Feinjustierung, die aus den neuen Er-
fahrungswerten resultiert, vornehmen müssen. Da ist die
Bundesregierung auf dem richtigen Weg. Nicht das
Bologna-Konzept ist schlecht, sondern es gibt Probleme
bei der Umsetzung. Das hat zum einen mit der den Deut-
schen innewohnenden Neigung zur Bürokratie zu tun.
Zum anderen müssen wir uns erst an neue Player wie
Akkreditierungsagenturen gewöhnen und mit denen zu-
rechtkommen. Es ist ein ganz natürlicher Lernprozess,

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(C (D enn man die Umstrukturierung von Abschlüssen voantreibt. Die Umsetzung von Bologna liegt schwerpunktmäßig ei den Hochschulen und nicht bei der Bundesregierung. ie Lehrstühle und Fachgebiete müssen die Lehrinhalte em neuen Rahmen anpassen. Das kann ihnen kein inisterium abnehmen. Das gehört zur Lehrfreiheit, zur erantwortung der Lehrenden für die Studierenden. Ich omme direkt von einer Universität, an der ich als wisenschaftlicher Mitarbeiter die Umstellung in einem achgebiet mitgestaltet habe. Das bedeutet für die Lehenden, die inhaltlichen Schwerpunkte neu zu setzen, orlesungen umzustrukturieren und gegebenenfalls neue ehrveranstaltungen anzubieten. Wir dürfen doch nicht, wie das Teile der Opposition un, den gesamten Bologna-Prozess infrage stellen. ologna ist der richtige Weg zu einem leistungsorien ierten und mobilen Studium: Weg von Sitzscheinen der Hörscheinen und hin zu Credit Points. Credit Points ehören zu einem leistungsbezogenen Bewertungssysem. Vor einer Bewertung mittels Punkten braucht kein tudent Angst zu haben; denn das kennt er aus der chule. Mit einem weiteren Irrglauben, der immer wieder hier ngeführt wird, muss einmal aufgeräumt werden. Bolona bringt keine Verschulung, sondern eine Strukturieung gerade für die Geisteswissenschaften. Bologna ist lso eine Chance für die Geisteswissenschaften, weil ologna Lernen mit Richtung und nicht Lernen ohne iel bedeutet. Bologna ist ein Gewinn an Lebenszeit für ns junge Menschen. Wir können früher ins Berufsleben insteigen, und wir können uns bewusster für eine weiere akademische Ausbildung entscheiden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Die Rede des Bundespräsidenten war keinesfalls eine
tandpauke für uns. Bundespräsident Köhler hat festge-
tellt, dass der Umbau des Hochschulsystems notwendig
nd ein gemeinsamer europäischer Weg richtig und zu-
unftsweisend seien. Auf diesem Weg befinden wir uns.
r hat überladene Studien- und Prüfungsordnungen kriti-
iert, die jedoch in der Verantwortung jeder einzelnen
ochschule liegen.

Der Bundespräsident hat mehr Ehrgeiz und mehr Mit-
acher gefordert. Das heißt ein stärkeres Einbringen in

ie Nachjustierung des Bologna-Prozesses. Das machen
ie Hochschulen, indem sie ihre Gestaltungsspielräume
esser als bisher nutzen. Das macht die HRK mit ihren
üngsten Beschlüssen von Leipzig. Das macht die KMK

it ihrem Zehnpunktebeschluss. Das macht der Wissen-
chaftsrat mit seinen Empfehlungen. Das macht unsere
undesbildungsministerin, indem sie Koordinierungs-
ufgaben übernimmt und für April 2010 zu einem
ologna-Gipfel eingeladen hat.

Dabei geht es um einen realistischen Zeitplan. Wir
üssen den Hochschulen doch erst einmal die Chance

eben, eine Nachjustierung voranzutreiben. Erst dann
ann ein Bologna-Gipfel überhaupt zu konkreten Ergeb-
issen führen. Eine Evaluation findet doch immer zum

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 645


(A) )



(B) )


Tankred Schipanski
Ende eines Semesters und nicht zu Beginn statt. Das
sollte auch die Opposition wissen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


In Richtung der Opposition: Zu der von Ihnen bean-
tragten Aktuellen Stunde mit einem recht polemischen
Titel muss gesagt werden: „Bildungsproteste nicht aus-
sitzen“ – Sie müssen nachsitzen, „Hochschulgipfel vor-
ziehen“ – Sie müssen sich in den Bologna-Prozess ein-
bringen, Sie müssen mitziehen. Wir sitzen gar nichts aus,
sondern setzen uns für eine sinnvolle Nachjustierung des
Bologna-Prozesses in einem realistischen Zeitplan ein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700909900

Kollege Schipanski, das war Ihre erste Rede im Deut-

schen Bundestag. Wir wünschen Ihnen auch weiterhin
viel Erfolg in Ihrer Arbeit.


(Beifall)


Das Wort hat der Kollege Dr. Stefan Kaufmann für
die Unionsfraktion.


Dr. Stefan Kaufmann (CDU):
Rede ID: ID1700910000

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn ich mit
den Zielen der friedlich protestierenden Studierenden
teilweise sympathisiere – zum Beispiel mit dem Ziel ei-
ner stärkeren Beteiligung an der universitären Selbstver-
waltung –, möchte ich Sie bitten, dem Antrag der SPD-
Fraktion nicht zuzustimmen.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ein Antrag liegt gar nicht vor!)


Die Probleme, Sorgen und Nöte der Studierenden sind
uns wichtig und jeden Streit wert. Die Proteste sind uns
nicht etwa lästig. Vielmehr muss die konstruktive Kritik
ein Ansporn sein, die Qualität der Bologna-Reform wei-
ter zu verbessern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Der anvisierte Termin für den Bildungsgipfel im
April 2010 nach dem internationalen Bologna-Gipfel ist
hierfür der richtige Zeitpunkt. Er gibt dem Ausschuss für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ge-
nügend Zeit, sich intensiv mit der Thematik auseinan-
derzusetzen. Mit Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, wollen Sie verhindern, dass sich
das Parlament in angemessener Weise auf diesen Bil-
dungsgipfel vorbereitet.


(Ute Kumpf [SPD]: Oh, oh, oh! Erste Rede und schon dicke Backen, Herr Kollege Kaufmann!)


Lassen Sie uns, abgesehen von aller Kritik, einen kur-
zen Blick auf die Ausgangssituation werfen. Im interna-
tionalen Wettbewerb um die besten Köpfe hat sich

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(C (D eutschland 1999 gemeinsam mit seinen europäischen achbarn die Aufgabe gestellt, einen europäischen ochschulraum zu schaffen. Wir haben vor allem in den etzten Jahren unter Ministerin Schavan und im Rahmen er größten Hochschulreform seit Jahrzehnten die hance genutzt, mehr Beschäftigungsfähigkeit zu veritteln und die Studiendauer zu verkürzen. Inzwischen bietet der durch den Bologna-Prozess gechaffene europäische Hochschulraum den Studierenden onkrete Vorteile, zum Beispiel einen leichteren Wechel an ausländische Hochschulen. Da die Abschlüsse Bahelor und Master im Ausland wesentlich bekannter sind ls die Abschlüsse Diplom und Magister, ist es inzwichen deutlich leichter, an eine ausländische Hochschule u wechseln. Zahlreiche Länder haben in den letzten ahren ihre Hochschulsysteme entsprechend aufeinander bgestimmt. Module und Leistungspunktesystem sowie iploma Supplement sorgen für Transparenz und er eichtern die Anerkennung der erbrachten Leistungen nd Abschlüsse unter den Hochschulen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es ist folgerichtig, dass die Kultusministerkonferenz
ie Hochschulen jüngst ermuntert hat, den Ausbau struk-
urierter Austauschprogramme mit ausländischen Part-
erhochschulen voranzutreiben. Beispielhaft für die er-
olgreiche europäische Dimension der Reform will ich
ier die Universität Mannheim nennen, eine Universität
it deutschlandweit hervorragendem Ruf. Eine Umfrage

ei den Studierenden des dortigen Bachelor-Studien-
angs BWL ergab, dass sich durch die Umstellung die
obilität der Studierenden deutlich erhöht hat. Neben-

ei bemerkt: Die durchschnittliche Studienzeit hat sich
uf 6,2 Semester und die Studienabbrecherquote auf un-
er 10 Prozent reduziert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


in weiterer Vorteil für unsere Studierenden ist die leich-
ere Anerkennung durch ausländische Arbeitgeber.

Vor der Bologna-Reform zeichnete sich die Hoch-
chullandschaft in Europa durch große Vielfalt, aber
uch durch eine verwirrende Unübersichtlichkeit aus.
er Mangel an Einheitlichkeit und Transparenz der Stu-
iensysteme erschwerte den Vergleich und damit auch
as Studium in anderen Ländern. In einer Zeit zuneh-
ender Internationalisierung war und ist dies nicht mehr

eitgemäß. Gemeinsam mit den europäischen Partnern
aben wir dies vor allem zum Wohle der Studierenden,
ber auch der Wirtschaft geändert.

Zudem wurden durch die Reformen europaweite
ernprozesse in Gang gesetzt. Die Staaten überlegen, in
elchen Bereichen sie voneinander profitieren können.

nnerhalb des Bologna-Prozesses kommen Rektoren,
olitiker und Studierende beispielsweise bei den soge-
annten Bologna-Seminaren miteinander ins Gespräch
nd können so die bestehenden Probleme gemeinsam
ngehen.

Wie wichtig und wie weitreichend die Bologna-Re-
ormen gewesen sind, zeigt sich allein am Teilnehmer-

646 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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Dr. Stefan Kaufmann
kreis. 46 europäische Staaten kooperieren mittlerweile in
einem für unsere Zukunft zentralen politischen Thema.
Auch das sollten wir nicht vergessen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Koalition gibt sich mit dem bisher Erreichten je-
doch nicht zufrieden; denn wir dürfen die Augen vor den
berechtigten Anliegen der Studierenden und der Hoch-
schulen nicht verschließen. Eine Reform kann nie end-
gültig abgeschlossen sein. Wir werden die Umsetzung
des Bologna-Prozesses deshalb evaluieren und mit den
notwendigen Anpassungen auf die Forderungen der Stu-
dierenden eingehen. Mit dem Bologna-Qualitäts- und
Mobilitätspaket werden wir die internationale Anerken-
nung von Studienleistungen und Hochschulabschlüssen
weiter verbessern.

Notwendig ist aber auch ein Perspektivwechsel. Der
Bologna-Prozess bietet den Studierenden außerordentli-
che Chancen der Entwicklung und der Teilnahme im eu-
ropäischen Hochschulraum. Ich habe zahlreiche Bei-
spiele dafür genannt, warum er ein europäischer Erfolg
ist, der in der Praxis bereits von vielen Studierenden ge-
lebt wird. Eine Abkehr von der Bologna-Reform wäre
eine Sackgasse. Über Korrekturen werden wir im April
beim Bologna-Gipfel beraten. Bis dahin wollen wir alle
Kräfte bündeln und, statt in Aktionismus zu verfallen
und ad hoc einen Gipfel zu veranstalten, den offenen
Dialog mit den Studierenden und den Hochschulen wei-
terführen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700910100

Kollege Kaufmann, das gesamte Haus gratuliert Ih-

nen zu Ihrer ersten Rede und wünscht Ihnen viel Erfolg
bei der weiteren Arbeit.


(Beifall)


Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jan van
Aken, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Atomwaffen unverzüglich aus Deutschland ab-
ziehen

– Drucksache 17/116 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Agnes
Malczak, Omid Nouripour, Katja Keul, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Deutschland atomwaffenfrei – Bei der Abrüs-
tung der Atomwaffen vorangehen

– Drucksache 17/122 –

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(C (D Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege olfgang Gehrcke für die Fraktion Die Linke. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ch glaube, man muss sich schon klar darüber sein, dass an in der atomaren Frage immer wieder in einer Ent cheidungssituation steht. Wenn die atomare Rüstung, as die USA und andere Atommächte angeht, nicht ge toppt wird, dann ist eine Weiterverbreitung von Atomaffen nicht zu verhindern. Das ist vorgezeichnet. Wenn tomwaffen weiter verbreitet werden, ist eine Debatte ber eine atomwaffenfreie Welt zwar angenehm, aber ine Illusion. Es kommt darauf an, dass es uns jetzt geingt, atomare Abrüstung praktisch durchzusetzen. aran hängt auch, ob man den Menschen endlich die ngst nehmen kann; denn atomare Hochrüstung hat bei ielen Menschen Angst und Protest ausgelöst. Ich finde, ir könnten stolz darauf sein, sollten wir es durchsetzen, ass Deutschland tatsächlich atomwaffenfrei gemacht ird, und zwar hier und jetzt und nicht irgendwann. Die hancen dazu sind vorhanden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700910200

(Beifall bei der LINKEN)


Es ist in unserem Land viel zu wenig bekannt, dass
uch in Deutschland Atomwaffen stationiert sind. In Bü-
hel sind immer noch amerikanische Atomwaffen statio-
iert. Man spricht von 20, aber so genau weiß das keiner.
ie Bundeswehr befindet sich mit der atomaren Teilhabe
ach wie vor in schlechter Gesellschaft.

Atomwaffen sind nicht nur Waffen des Kalten Krie-
es; dort waren sie der Kernpunkt. Ich frage mich: Ge-
en wen sind die Atomwaffen, die in Büchel noch im-
er stationiert sind, eigentlich gerichtet?


(Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Gegen gar keinen!)


u Zeiten des Kalten Krieges war es relativ klar: Sie wa-
en gegen die Sowjetunion gerichtet. Überlegen Sie ein-
al: Ist es vernünftig, heute noch Atomwaffen statio-

iert zu haben, von denen man ausgehen muss, dass sie
egen Russland gerichtet sind? Das ist eine nicht akzep-
able Position in Europa.


(Beifall bei der LINKEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 647


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(B) )


Wolfgang Gehrcke
Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen, heißt für mich
gleichzeitig, den Kalten Krieg zu beenden und die ato-
mare Teilhabe aufzukündigen.

Von vier Parteien gab es ein entsprechendes Wahlver-
sprechen. Im Wahlprogramm der FDP steht, dass die
Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden sollen.
Gleiches gilt für die Grünen, die SPD und uns.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wir auch!)


Jetzt liegen ein Antrag der Linken und ein Antrag der
Grünen vor. Ich will hier ausdrücklich erklären: Wenn es
zu einem Gruppenantrag kommen sollte, zumindest von
SPD, Grünen und uns, sind wir bereit, den eigenen An-
trag zurückzuziehen. Wir wollen, dass sich eine Mehr-
heit im Deutschen Bundestag für den Abzug der Atom-
waffen einsetzt.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich hätte auch nichts dagegen, wenn die FDP mitmachte.
Auch die Kollegen der CDU sind sehr herzlich eingela-
den. Beteiligen Sie sich daran, die Atomwaffen aus
Deutschland zu entfernen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was aber nicht geht, lieber Kollege Stinner, ist, im
Wahlkampf zu versprechen, die Atomwaffen abziehen
zu lassen, und hinterher abzutauchen. Jetzt müssen Sie
ein Stück weit Farbe bekennen. Bleibt es dabei? Wann
soll es so weit sein? Sind Sie bereit, hier mit anderen
Fraktionen im Parlament zusammenzuarbeiten?


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Frau Hoff wird das richtigstellen!)


Ich will abschließend ausdrücklich den Menschen in
Büchel und der Friedensinitiative in Büchel danken.
Wenn nicht die Friedensinitiative in Büchel über die
ganzen Jahre hinweg den Abzug der Atomwaffen gefor-
dert hätte, wäre das Thema nicht in der öffentlichen Dis-
kussion. Meines Erachtens hat die Friedensbewegung in
diesem Land sehr viel Positives erreicht. Der Deutsche
Bundestag sollte den Respekt haben, zu sagen: Wir dan-
ken den Menschen, die sich schon immer für den Abzug
der amerikanischen Atomwaffen in Deutschland einge-
setzt haben, weil sie ein atomwaffenfreies Deutschland
und möglichst auch ein atomwaffenfreies Europa wol-
len. Das ist unser Ziel. Dabei können wir zusammenar-
beiten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700910300

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege

Roderich Kiesewetter.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen nd Kollegen! Nicht mit dem Abzug der Atomwaffen eht der Kalte Krieg zu Ende, verehrter Herr Kollege, ondern heute vor 20 Jahren, auf den Tag genau, haben orbatschow und Bush vor Malta das Ende des Kalten rieges erklärt. Das ging nur, weil vor 30 Jahren die nion für Helmut Schmidt hartnäckig den NATO-Dopelbeschluss durchgesetzt hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1700910400

Ihre Anträge haben aber einen gewissen Charme;
enn der unverzügliche Abzug von Atomwaffen aus un-
erem Land berührt Grundfragen unserer Sicherheits-
olitik. Darum geht es in der Sicherheitspolitik: Beharr-
ichkeit, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und auch Mut
u Initiativen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja! – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sehr wahr!)


eshalb unterstützen wir von der Koalition die Prager
orschläge von US-Präsident Obama, seine neue Abrüs-

ungsinitiative, aber auch seine Vision einer atomwaffen-
reien Welt. Das haben wir im Koalitionsvertrag klar
um Ausdruck gebracht. Obama sagt aber auch, dass wir
afür lange brauchen werden. Wenn wir diese Vision er-
olgreich umsetzen wollen, brauchen wir eine glaubwür-
ige nukleare Abschreckung – und dafür sorgen die
SA, bis wir dieses Ziel erreicht haben.

Wir werden im nächsten Jahr ein neues strategisches
onzept der NATO haben. Zurzeit gilt noch die NATO-
trategie von 1999. Wir können dem Ergebnis der Dis-
ussion nicht vorgreifen; aber die Rolle der Atomwaffen
ird Teil dieser Diskussion sein. Ich selbst habe dies
ber Jahre in Brüssel erlebt. Ich erwähne aber auch: Die
egierungschefs haben sich beim letzten NATO-Gipfel
it der Bedeutung nuklearer Mittel auseinandergesetzt.
ie Auffassung, dass nukleare Mittel für unsere Sicher-
eitsvorsorge bedeutend sind, wird noch von allen ge-
einsam vertreten.

Die NATO hat Vorleistungen gebracht. Ich erinnere
aran, dass die NATO bereits im Jahr 2001 eindeutig auf
lle bodengestützten taktischen Nuklearwaffen in Eu-
opa verzichtet hat. Die wenigen verbliebenen Atomwaf-
en, von denen Sie eben sprachen, Herr Gehrcke,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Die reichen aber aus!)


ind in Staaten Europas stationiert, und zwar nicht nur in
eutschland. Sie sind bislang als Rückversicherung und

ls Beitrag zur Solidarität verstanden worden. Darum
eht es doch: Transatlantische Solidarität und nukleare
eilhabe bedeuten zunächst Mitverantwortung und Mit-
estaltung, aber eben auch Mitsprache. So sehen das im
brigen auch unsere NATO-Partner, zum Beispiel unser
achbarland Polen.

Wir Deutschen haben aus guten Gründen dauerhaft
uf eigene Nuklearwaffen verzichtet. Im Kalten Krieg
aben wir aber vom nuklearen Schutzschirm der USA

648 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



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Roderich Kiesewetter
profitiert und waren bereit, durch die Stationierung von
Atomwaffen in Deutschland Verantwortung zu überneh-
men. Dies war für uns insbesondere während des Ost-
West-Konflikts eine lebensnotwendige Rückversiche-
rung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Heute ist das Ziel einer nuklearen Abrüstung erreich-
bar, und es ist erstrebenswert.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Na dann mal los!)


Auch wir wollen den Abzug, wenn die Zeit dafür reif ist.
Wir werden das Ziel erreichen, gemeinsam im Bündnis
und mit klaren Zwischenschritten, wie wir es im Koali-
tionsvertrag zum Ausdruck gebracht haben. Aber ein so-
fortiger Abzug ohne vorherige Verhandlungen würde
– und das ist der Punkt – unsere Position als verlässli-
cher und bedeutender europäischer Partner gravierend
schwächen. Bündnissolidarität ist ein hohes Gut.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Heute, im Zeitalter von Terrorismus, der Gefahr einer
unkontrollierten Verbreitung von Massenvernichtungs-
waffen und nuklearer Aufrüstung, ist die Gefahr unbere-
chenbarer geworden.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was hat das mit den Atomwaffen zu tun?)


Dieser unangenehmen Realität müssen wir uns stellen.
Es gilt, neue Atommächte zu verhindern und entschie-
den gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaf-
fen vorzugehen, auch mit Blick auf Nordkorea und Iran.

Russland hat noch taktische Atomwaffen, Kurzstre-
ckenraketen im Gebiet von Königsberg/Kaliningrad.
Hier geht es uns nicht um Bedrohung, sondern um das
erfolgreiche Wegverhandeln der Atomwaffen in Europa.
Das gelingt aber nicht durch einen sofortigen und einsei-
tigen Verzicht auf die bei uns stationierten Waffen. Ein
übereilter Verzicht ohne Ausloten und Aushandeln
macht uns weniger sicher und international weniger
glaubwürdig. Das dürfen wir im Interesse unserer Bevöl-
kerung nicht zulassen, weder auf der Ostalb noch hier in
Berlin. Ich rege deshalb eine gründliche, umfassende
und verantwortungsbewusste Diskussion über deutsche
Sicherheitsinteressen an. Wo sollte diese stattfinden,
wenn nicht hier, im Parlament!

Ich bin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sehr
dankbar dafür, dass ihr Antrag im Vergleich zu dem An-
trag der Linken sehr ausführlich und gut begründet ist.
Das ist konstruktiv. Dennoch gilt: Wir gehen keinen
deutschen Sonderweg. Das hat uns in der Vergangenheit
immer geschadet. Wir wollen eine gesamteuropäische
Perspektive. Wir brauchen eine ernsthafte Diskussion
über europäische Sicherheitsinteressen im Bündnis. Es
hilft nichts, erst Fakten zu schaffen und dann darüber zu
diskutieren. Umgekehrt haben wir Einfluss, und darum
geht es doch für unser Land. Im Ziel sind wir uns einig,
aber nicht über den Weg. Deshalb lehnt meine Fraktion
Ihren Antrag, wie er heute formuliert ist, ab.

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(C (D Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Kollege Kiesewetter, das war Ihre erste Rede im eutschen Bundestag. Dazu beglückwünsche ich Sie im amen aller Kolleginnen und Kollegen recht herzlich. Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Uta apf. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! igentlich wollte ich mit der Bemerkung anfangen, dass ch mich darüber freue, dass ganz offensichtlich alle Paramentarier, die hier sitzen, für eine atomwaffenfreie elt sind. (Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Sind wir doch! – Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sagen Sie es doch!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700910500

(Beifall)

Uta Zapf (SPD):
Rede ID: ID1700910600

o habe ich das im Koalitionsvertrag gelesen.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Richtig gelesen!)


eshalb hat mich die Rede des Kollegen Kiesewetter et-
as irritiert; denn er ist ein wenig zurückgerudert.


(Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Gar nicht! – Philipp Mißfelder [CDU/ CSU]: Sie kommen nur nicht hinterher! Das ist das Problem!)


ie haben natürlich recht: Wir müssen dringend über die
rage der Sicherheitsarchitektur reden.

Ich würde aber gerne erst einmal ein Lob loswerden.
ch finde, dass die Formulierungen im Koalitionsvertrag
ehr gut gelungen sind. Dort steht: Die Koalitionspar-
eien unterstützen weitgehende „Abrüstungsinitiativen –
inschließlich des Zieles einer nuklearwaffenfreien
elt“.


(Hellmut Königshaus [FDP]: Ja!)


brüstung und Rüstungskontrolle werden nicht als ein
erlust von Sicherheit verstanden


(Robert Hochbaum [CDU/CSU]: Richtig!)


das wurde ja gelegentlich anders gesehen –,


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Nö!)


ondern man betrachtet Abrüstung und Rüstungskon-
rolle „als zentralen Baustein einer globalen Sicherheits-
rchitektur der Zukunft“. Ich glaube, dass dies ein ganz
ichtiger Befund ist. Das wurde in den vergangenen
eiten bei den Parteien, die diesen Koalitionsvertrag
usgehandelt haben, nicht immer so gesehen. Dem stim-
en wir also zu.

Ich bin auch gerne bereit, weiter zu loben, nämlich
ie im Koalitionsvertrag stehende Erkenntnis, „dass

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 649


(A) )



(B) )


Uta Zapf
auch Zwischenschritte bei der Erreichung des Zieles ei-
ner nuklearwaffenfreien Welt wesentliche Zugewinne an
Sicherheit bedeuten können“. Ich glaube, das ist richtig.
Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir uns jetzt nicht nur
über den Abzug dieser einen Kategorie von Waffen in
Büchel verständigen, sondern über den gesamten Pro-
zess für die Zukunft. Da kommen noch andere Aspekte
ins Spiel.

Ich denke, wir müssen im Zusammenhang mit der
Aufgabe des Nuklearschirms und der nuklearen Teilhabe
über die Strategien reden. Das müssen wir in diesem
Haus auf alle Fälle tun; das haben wir bisher verab-
säumt. Immer, wenn ich hier gesprochen habe, habe ich
gesagt, dass wir die Strategien bereden müssen; aber das
haben wir in den Ausschüssen und hier in der Debatte
nie fertiggebracht. Nun steht unmittelbar bevor, dass
sich die NATO eine neue Strategie gibt. Dabei geht es im
Wesentlichen darum, welche Rolle Nuklearwaffen in
Zukunft in der Sicherheitspolitik spielen werden.

Kollege Kiesewetter, es kann nicht mehr so sein, dass
die Stationierung von Nuklearwaffen als Rückversiche-
rung und Solidarität gilt, auch als Einflussnahme. Es gibt
einige europäische Länder, die Nuklearwaffen stationiert
hatten und diese jetzt nicht mehr haben, zum Beispiel
Griechenland. Es gibt andere Länder, die es nicht wol-
len, zum Beispiel Deutschland und Belgien. Ich glaube
nicht, dass diese Länder Angst haben, aus der Solidarität
der Allianz zu fallen und ungeschützt dazustehen.


(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Solange es uns gibt, nicht!)


Darüber muss man noch einmal nachdenken.

Es ist ganz wichtig, dass wir diese Fragen im Zusam-
menhang mit der Überprüfungskonferenz zum Nichtver-
breitungsvertrag sehen; sie steht unmittelbar bevor. Die
Überprüfungskonferenz im Jahre 2010 wird eine Schlüs-
selrolle spielen, wenn es darum geht, wie wir die anste-
henden Fragen bezüglich der Zukunft der Nichtprolifera-
tion und der Sicherheitsarchitektur in dieser Welt lösen.
Deshalb greifen sowohl der Antrag der Grünen als auch
der Antrag der Linken zu kurz. Ich kündige hiermit an,
dass wir in der nächsten Woche einen Antrag einbringen
werden, der einen größeren Umfang hat und sich auch
auf den Nichtverbreitungsvertrag bezieht. Ich denke,
dann können wir über alle Ansätze miteinander diskutie-
ren. Lieber Kollege Gehrcke, ob es zu einem gemeinsa-
men Antrag kommt, werden wir sehen. Wir hatten das
übrigens schon einmal in der Vergangenheit.

Ich würde ganz gerne auf die Frage der Strategie ein-
gehen. Es gibt von den Verteidigungsministern, der Nu-
klearen Planungsgruppe und anderen aus den Jahren
2007 und 2008 Aussagen, die, wenn es um die zukünf-
tige NATO-Strategie geht, alle darauf rekurrieren, dass
sie großen Wert auf die nuklearen Kräfte, die in Europa
stationiert und der NATO gewidmet sind, legen und dass
diese – das wurde von Ihnen, Herr Kollege Kiesewetter,
angesprochen – ein wesentliches politisches und militä-
risches Bindeglied zwischen Europa und Nordamerika
sind. Auch im Weißbuch ist davon übrigens noch die

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(C (D ede. Der Kollege von Klaeden hat, als er noch außenolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ar, genau dasselbe gesagt: „Die nukleare Teilhabe uss Teil der deutschen Sicherheitspolitik bleiben“. – ch glaube, das müssen wir in der Zukunft infrage stelen; darüber müssen wir neu nachdenken. Außenminister Westerwelle und Kanzlerin Merkel ind, was ihre kräftigen Aussagen zum Abzug der nukleaen Waffen aus der Bundesrepublik und aus Europa ngeht, schon ein bisschen zurückgerudert. Herr esterwelle hat bei seinem Besuch der NATO in Brüssel eutlich gemacht, dass man die Sache natürlich nur in ooperation mit den NATO-Mitgliedern und den Veründeten angehen wird. Man muss dazusagen: Das wäre uch gar nicht anders möglich. Interessant finde ich allerdings, dass NATO-Generalekretär Rasmussen ihm herzlich gedankt und gesagt at, die Sicherheit des Bündnisses stehe auf dem Spiel. iebe Leute, ist denn die Sicherheit des Bündnisses abängig von den 20 oder 30 Atomwaffen in Büchel oder on Atomwaffen, die in der Türkei oder sonst wo statioiert sind? Ist die Sicherheit überhaupt von Nuklearwafen abhängig? Das ist der Kern des Themas, über den ir diskutieren müssen. Auch in den USA wird über iese Fragen diskutiert. Dort führt man gerade eine neue Nuclear Posture Review“ durch, die im Frühjahr nächsen Jahres, wahrscheinlich im Februar, veröffentlicht ird. Auch darin werden solche Überlegungen ange tellt. Jetzt will ich auf einen wunden Punkt der gesamten iskussion hinweisen. Wenn zum Beispiel Obama sagt, uklearwaffen müssten in der Sicherheitspolitik eine ge ingere Rolle spielen – das steht so auch im Bericht der erry/Schlesinger-Kommission des Kongresses, die sich it der zukünftigen Rolle der Nuklearwaffen be chäftigt –, es aber gleichzeitig heißt, dass man, solange n der Welt atomare Waffen existieren, an der nuklearen bschreckung und an einer entsprechenden Ausrüstung er eigenen Streitkräfte festhalten wolle, dann ist das ein iderspruch, der im Hinblick auf die zukünftige Diskus ion über den Nichtverbreitungsvertrag geradezu tödlich ein kann. Wir müssen uns auch fragen: Welche Rolle sollen Nulearwaffen spielen? Welche Aufgabe hat die NATO in ukunft überhaupt? Ist es nicht Blödsinn, davon auszuehen, dass man zur Erfüllung dieser Aufgabe Nuklearaffen benötigt? Wollen wir damit Terroristen jagen, der was wollen wir mit ihnen machen? Wollen wir vieleicht in aller Welt mithilfe von Nuklearwaffen Intervenionen durchführen? Meine Damen und Herren, das sind ehr ernste Fragen. Wir sind gut beraten, alles zu tun, um och vor der Überprüfungskonferenz eine abgestimmte trategie zu entwickeln. Kollegin Zapf, ich bin ein sehr geduldiger Mensch. ber ich bitte Sie, jetzt wirklich auf das Signal zu achen. 650 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 Ich bin gleich fertig; nur noch zwei Worte. – Wir müs sen uns bemühen, uns in die Verhandlungen in New York mit einer guten Position einzubringen, damit der Nichtverbreitungsvertrag stabilisiert wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
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Uta Zapf (SPD):
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Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700910900

Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Elke Hoff

das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Elke Hoff (FDP):
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Es geht um ein außerordentlich heikles Thema, über
das wir in diesem Hohen Hause schon seit Jahren disku-
tieren. Ich bin sehr erfreut, dass es in diesem Parlament
überwiegend Konsens ist, dass der Abzug der Nuklear-
waffen aus Europa, aus Deutschland ein wichtiges
Thema ist. Ich freue mich, dass es in der Vergangenheit
auch aufgrund der guten Zusammenarbeit zwischen den
verschiedenen Fraktionen immer wieder gelungen ist,
unsere Positionen weitestgehend anzunähern.

Ich möchte an dieser Stelle der Kollegin Zapf sehr
herzlich dafür danken, dass sie ihre Auffassung deutlich
gemacht und anerkannt hat, dass das, was in unserer Ko-
alitionsvereinbarung festgeschrieben wurde, sicherlich
auch eine Weichenstellung für die Zukunft ist. Man muss
fairerweise sagen, dass dies bei den vorherigen Bundes-
regierungen nicht in dieser klaren Form zum Ausdruck
gekommen ist.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Ich bin froh und auch ein Stück weit stolz darauf, dass
uns dies jetzt gelungen ist. Ich glaube, dass wir als Parla-
ment über die Fraktionsgrenzen hinweg gut daran tun,
die Bundesregierung bei diesen Schritten zu unterstützen
und ihr Rückendeckung zu geben. Es wird sicherlich an
der einen oder anderen Stelle in Nuancen Unterschiede
geben; entscheidend ist aber, dass sich Bundesaußenmi-
nister Westerwelle in den schwierigen Gesprächen, vor
denen wir stehen, auf einen breiten Konsens im deut-
schen Parlament berufen kann.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die ersten Schritte werden bereits gemacht. Das
Thema steht auch auf der Tagesordnung der NATO-Au-
ßenminister. Ich halte das für ein wichtiges Signal. Es
gibt von einer Reihe befreundeter Nationen – Belgien,
Norwegen – Signale, dass sie gemeinsam mit Luxem-
burg rasch in Konsultationen mit uns eintreten werden,
weil die Zielsetzungen gleich sind. Dieser Dialog ist
wichtig, um am Ende die Bündnispartner zu überzeugen,
dass dieser Schritt richtig ist. Es ist gut, dass wir hier den
Anfang gemacht haben.

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(C (D Uta Zapf hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch ie Überprüfungskonferenz im nächsten Jahr ein ganz ichtiges Momentum hat. Je klarer unsere Position im ächsten Frühjahr ist und je deutlicher wir mit einem reiten Konsens in diesem Parlament Abrüstungssignale etzen wollen, desto leichter ist es für die Bundesregieung – desto leichter wäre es auch für die Bundesregieungen der Vergangenheit gewesen –, zu zeigen, dass on Deutschland spürbare Signale ausgehen. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die uklearwaffen Relikte des Kalten Krieges sind. Wir üssen so ehrlich sein, uns damit auseinanderzusetzen, nd den Mut haben, neue Wege zu gehen. Ich halte es ber auch für richtig, dass dies, wie der Kollege iesewetter klargemacht hat, nur in einem breiten Kon ens erfolgen kann. Globale Abrüstung bedeutet immer, ass man den elementaren Sicherheitsinteressen einzeler Nationen Rechnung tragen muss. Niemand kann alein einen Stein aus der Mauer ziehen; dann droht die anze Konstruktion zusammenzufallen. Dem Abzug geenüber steht das Vertrauen, das aufgebaut werden muss. Von Europa aus muss ein Signal in die Welt gehen. arum soll nicht Europa, warum soll nicht Deutschland orneweg marschieren, wenn es darum geht, unsere USmerikanischen und unsere russischen Nachbarn davon u überzeugen, dass wir es ernst meinen, wenn wir dieen Schritt gehen wollen, und in dieser Frage bei uns ein reiter Konsens herrscht? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ch hoffe, dass von hier aus, falls es zu einem gemeinsa-
en Antrag kommt, an dem sich auch die Opposition

eteiligt, die notwendigen Signale ausgehen, dass der
ußenminister bei diesem Thema Rückendeckung hat.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich würde mich
ehr freuen, wenn Sie die Bemühungen der Bundesregie-
ung, dieses Ziel zu erreichen, unterstützen würden. Der
oalitionsvertrag definiert das Ziel. Was im Moment in
rüssel bei der NATO-Außenministerkonferenz ge-
acht wird, ist der erste Schritt dazu. Ich glaube, wenn
ir hier gemeinsam an einem Strang ziehen, werden wir
er deutschen Bevölkerung, der europäischen Bevölke-
ung und der Weltgemeinschaft zeigen können, dass Ab-
üstung für uns kein Lippenbekenntnis, sondern ein
rnsthaftes politisches Anliegen ist.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700911100

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

ollegin Agnes Malczak das Wort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700911200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nu-

leare Abrüstung scheint ein nettes Thema für Sonntags-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 651


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(B) )


Agnes Malczak
reden und Lippenbekenntnisse zu sein. Man muss sich
die Augen reiben, wenn man sieht, wer heutzutage alles
für Abrüstung ist. Abrüstung ist aber ein hartes Thema.
Es geht um die Beseitigung und Vernichtung von Waf-
fen, nicht darum, sie wegzureden. Deshalb müssen den
Worten Taten folgen, hier in Deutschland und auf der
ganzen Welt.

Endlich besteht die Chance für einen internationalen
Abrüstungsprozess. Spätestens mit der Verleihung des
Friedensnobelpreises an den US-Präsidenten Obama und
mit seiner historischen Rede in Prag sind einmalige Rah-
menbedingungen für eine atomwaffenfreie Welt geschaf-
fen. Die größte Atommacht unterstützt diese Vision und
ist bereit, konkrete Schritte zur Reduzierung ihres Atom-
waffenarsenals einzuleiten. Herr Kiesewetter, sich daran
nicht zu beteiligen, wäre ein deutscher Sonderweg und
doch reichlich abstrus;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Zuhören!)


denn wir dürfen uns nicht damit bequemen, beifällig auf
die USA zu blicken. Nukleare Abrüstung und sicher-
heitspolitisches Umdenken beginnen vor der eigenen
Haustür. Nur wer selbst bereit ist, ohne den vermeintli-
chen Schutz von Atomwaffen zu leben – ich finde, das
ist kein Schutz, sondern ein Sicherheitsrisiko –, kann
von anderen verlangen, dass sie dies auch tun. Deshalb
muss die Bundesregierung endlich den Weg für ein
atomwaffenfreies Deutschland und ein Deutschland
ohne nukleare Teilhabe freimachen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Im Koalitionsvertrag habe ich wirklich nur wenig Gu-
tes und Sinnvolles gefunden. Doch ich habe einen Satz
entdeckt, der mich sehr gefreut hat. Ich zitiere aus dem
Koalitionsvertrag:

… im Zuge der Ausarbeitung eines strategischen
Konzeptes der NATO werden wir uns im Bündnis
sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten
dafür einsetzen, dass die in Deutschland verbliebe-
nen Atomwaffen abgezogen werden.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sehen Sie!)


Daran möchten wir Grüne Sie jetzt freundlich, aber auch
mit Nachdruck, erinnern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist auch zu begrüßen, dass der Außenminister mit
Hillary Clinton über dieses Thema gesprochen hat.

Doch nun muss etwas geschehen, insbesondere, da
die USA eine Modernisierung ihrer Atomwaffen be-
schlossen haben. Im Haushaltsjahr 2010 sollen mindes-
tens 32,5 Millionen US-Dollar investiert werden, um zu
untersuchen, wie atomare Fliegerbomben des Typs B 61
modernisiert werden können. Beim Jagdbomberge-
schwader 33 der Luftwaffe in Büchel in Rheinland-Pfalz

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(C (D agern Waffen genau dieses Typs im Rahmen der nukleaen Teilhabe der NATO. Anfang 2010 wird die US-Regierung den Bericht zur ukunftsplanung des US-Nuklearwaffenpotenzials vor egen, und sie könnte dort nach Ansicht von Experten estätigen, dass eine neue Bombe erforderlich ist. Dann ollen weitere 15 Millionen US-Dollar zur Verfügung estellt werden. Deshalb muss die Bundesregierung nun dringend akten schaffen. Es geht nicht, abzuwarten, bis es zu pät ist. Die Bundesregierung sollte sich diese Gelegeneit nicht entgehen lassen, um ihr Image und auch das er vorherigen Bundesregierung, immer nur alles auszuitzen und zu reagieren, wenigstens in diesem Punkt zu iderlegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das Motto der Stunde ist daher: Taten statt Warten.
eshalb muss der Abzug der US-Atomwaffen aus
eutschland unverzüglich angepackt werden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700911300

Kollegin Malczak, das war Ihre erste Rede im Deut-

chen Bundestag. Dazu gratulieren wir Ihnen recht herz-
ich, und ich gratuliere Ihnen auch persönlich für die
rste Rede. Es schaffen nicht viele Kolleginnen und Kol-
egen, von vornherein in der Redezeit zu bleiben.


(Beifall)


Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Dr. Karl
amers das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Karl A. Lamers (CDU):
Rede ID: ID1700911400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

as Ziel einer atomwaffenfreien Welt steht auf der
genda vieler Länder, auch auf der der Bundesrepublik
eutschland.


(Zuruf von der LINKEN: Aha!)


er Konsens darüber erstreckt sich auf alle Fraktionen
ieses Hohen Hauses.

Die Koalition aus CDU, CSU und FDP hat sich in der
oalitionsvereinbarung zu diesem Ziel ausdrücklich be-
annt. Im Zuge der Ausarbeitung – Frau Malczak, hier
timme ich Ihnen voll zu; Sie haben es richtig zitiert –
ines neuen strategischen Konzepts der NATO werden
ir uns im Bündnis und gegenüber den amerikanischen
erbündeten dafür einsetzen, dass die in Deutschland
erbliebenen Atomwaffen abgezogen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


652 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



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Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)

Hier können Sie ganz beruhigt sein, auch Frau Zapf und
Herr Gehrcke. Genau das, was wir in unserem Vertrag
niedergelegt haben, tun wir.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Kollege Kiesewetter, wir unterstützen in der Tat
die Vision des amerikanischen Präsidenten Barack
Obama und seine Politik für neue Abrüstungsinitiativen,
wie er sie in seiner Prager Rede beeindruckend dargelegt
hat. Dazu gehört auch das Ziel einer nuklearwaffenfreien
Welt. Wir sind überzeugt, dass auch Zwischenschritte
auf dem Weg dahin einen wesentlichen Zugewinn an Si-
cherheit bedeuten können.


(Uta Zapf [SPD]: Das sind aber neue Töne!)


Wir wollen verhindern, Frau Zapf, dass neue Nuklear-
mächte entstehen und neue nukleare Rüstungswettläufe
ausgelöst werden. Das Ziel einer atomwaffenfreien Welt
bedeutet allerdings, dass niemand Atomwaffen besitzt.


(Uta Zapf [SPD]: Darüber reden wir das nächste Mal!)


Wir wissen jedoch, dass es offizielle und inoffizielle
Atomwaffenstaaten gibt. Wir wissen auch, dass weitere
Staaten – zum Beispiel der Iran und Nordkorea – nach
Atomwaffen streben, ohne dass sie bereit sind, dies öf-
fentlich zuzugeben. Sie sind für uns ständiger Anlass zu
Sorge, weil ihre Bemühungen um die Schließung des
Brennstoffkreislaufes weit über das hinausgehen, was
man für die zivile Nutzung der Kernenergie benötigt.

Deutschland hat bereits vor Jahrzehnten auf jegliche
Nuklearbewaffnung verzichtet.


(Uta Zapf [SPD]: Aber die Teilhabe haben wir trotzdem noch!)


Die NATO mit ihrer Defensivstrategie hat in der Zeit des
Kalten Krieges Stabilität, Sicherheit und Frieden garan-
tiert. In der Hochzeit des Kalten Krieges gab es nach
öffentlich zugänglichen Informationen circa 7 300 Nu-
klearwaffen allein in Europa. Bis 1992 sank die Zahl auf
circa 700. In der Amtszeit des amerikanischen Präsiden-
ten Clinton wurde die Zahl der Nuklearwaffen in Europa
auf 480 reduziert, davon gab es circa 170 in Deutsch-
land. Heute gibt es nur noch eine kleine Zahl von Nu-
klearwaffen in Rheinland-Pfalz.

Frieden schaffen mit weniger Waffen. Nicht Proteste
und Demonstrationen schaffen dies, sondern eine ver-
nünftige Politik, die wir über Jahre und Jahrzehnte hin-
weg in Deutschland und im Bündnis gestaltet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundesregierung und die anderen Mitgliedstaaten
der NATO haben sich beim vergangenen NATO-Gipfel
auf die Fortschreibung des gültigen NATO-Strategiekon-
zepts geeinigt. Klar ist, dass die Änderungen bzw. Neu-
regelungen im künftigen strategischen Konzept des Kon-
senses im Bündnis bedürfen. Auf diesem Wege werden
wir dafür eintreten, die restlichen Nuklearwaffen aus

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(C (D eutschland abzuziehen. Wir setzen damit auf eine enge bstimmung und auf ein gemeinsames Handeln in der ATO. Wir sind entschlossen, die Chancen des trans tlantischen Bündnisses zu nutzen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verweist darauf, ass die damalige rot-grüne Koalition seinerzeit bechlossen hat, keine neuen nuklearwaffenfähigen Träersysteme zu beschaffen. An dieser Entscheidung wird ich auch unter der jetzigen Koalition nichts ändern. Wir ind uns einig, in Zusammenarbeit mit unseren Verbüneten zu erreichen, die sich noch in Deutschland befindichen wenigen Nuklearwaffen abzuziehen. Allerdings können wir nicht alles mit unterschreiben, as die grüne Fraktion sonst noch in ihrem Antrag un ergebracht hat. Ich kann zum Beispiel überhaupt nicht achvollziehen, warum die Bundesregierung aufgeforert wird, sich dafür einzusetzen, dass die – ich zitiere – Drohung eines Atomwaffeneinsatzes gegen Nichtatomaffenstaaten“ überwunden wird. (Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum nicht?)


Ich frage Sie: Wann hat denn die NATO jemals ir-
endjemanden bedroht?


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist NATO-Strategie!)


ie hat doch nur für den Fall eines Angriffs auf das
ündnisgebiet einem potenziellen Aggressor militäri-

che Maßnahmen angekündigt, und zwar unter Inan-
pruchnahme des Rechts der kollektiven Selbstverteidi-
ung.


(Uta Zapf [SPD]: Bitte noch einmal lesen! Dann wird es vielleicht klarer!)


as ist das legitime Recht aller Staaten und auch von
erteidigungsbündnissen. Dieses legitime Recht besteht
eiterhin.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, für mich steht fest, dass in
ezug auf die wenigen in Deutschland verbliebenen Nu-
learwaffen der NATO eine Lösung herbeigeführt wer-
en muss. Wir sollten und dürfen uns allerdings nicht auf
inen nationalen Alleingang einlassen – Herr Kollege
iesewetter, da stimme ich Ihnen vollkommen zu – oder
ar versteifen.

Die NATO-Strategie kann und darf von uns nicht auf-
ekündigt werden. Das hat sogar die rot-grüne Koalition
einerzeit eingesehen, als sie vom „perspektivischen
nde der nuklearen Teilhabe“ sprach. Im Konsens wer-
en wir meiner Überzeugung nach unser Ziel durchaus
rreichen, dass die in Deutschland verbliebenen Atom-
affen abgezogen werden. Das ist dann wiederum ein
chritt auf dem Weg zu unserem gemeinsamen Ziel ei-
er atomwaffenfreien Welt.

Lassen Sie mich enden mit einem Satz von Immanuel
ant, der einmal gesagt hat:

Der Friede ist das Meisterstück der Vernunft.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 653


(A) )



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Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)

An einem solchen „Meisterstück der Vernunft“ bauen
wir.


(Lachen bei der SPD)


Alles, was in Bezug auf NATO-Strategie, Stabilität und
Sicherheit getan wird, hat ganz direkt mit diesem „Meis-
terstück“ zu tun.

Ergebnis: Den Anträgen können wir nicht zustimmen.
In der Sache erkennen wir aber durchaus Richtiges.

Ich danke.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Das war kein Meisterstück!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700911500

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/116 und 17/122 an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind
Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind
die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und b sowie
Zusatzpunkt 4 auf:

7 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Krista
Sager, Petra Hinz (Essen), Kai Gehring, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Brain Waste stoppen – Anerkennung ausländi-
scher akademischer und beruflicher Qualifi-
kationen umfassend optimieren

– Drucksache 17/123 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sevim
Dağdelen, Nicole Gohlke, Agnes Alpers, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Für eine zügige und umfassende Anerkennung
von im Ausland erworbenen Qualifikationen

– Drucksache 17/117 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit

ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Swen
Schulz, Katja Mast, Olaf Scholz, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der SPD

Durch Vorrang für Anerkennung Integration
stärken – Anerkennungsgesetz für ausländi-
sche Abschlüsse vorlegen

– Drucksache 17/108 –

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(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollein Krista Sager für die Fraktion Bündnis 90/Die Grüen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700911600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei uns

eben inzwischen fast 3 Millionen Menschen, die einen
m Ausland erworbenen Abschluss haben, darunter circa
00 000 Akademikerinnen und Akademiker. Der größte
eil von ihnen arbeitet weit unter seinem Qualifikations-
iveau. Viele sind völlig vom Arbeitsmarkt ausgeschlos-
en.

Wir wissen doch längst, dass wir bei der Anerken-
ung ausländischer Abschlüsse in Deutschland inzwi-
chen unhaltbare Zustände haben und dass wir den Aner-
ennungswirrwarr endlich überwinden müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ieser Wirrwarr ist nicht nur extrem ungerecht gegen-
ber den Betroffenen, sondern er zeigt auch langjährige
ntegrationspolitische Versäumnisse.

Mit Blick auf die demografische Entwicklung, den
rohenden Fachkräftemangel, unsere Sozialsysteme und
as Steueraufkommen ist es schlicht ein Gebot der ge-
amtgesellschaftlichen politischen Vernunft, dass man
ier endlich etwas tut, damit in dieses Anerkennungs-
ickicht Ordnung hineinkommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Grenzübergreifende Mobilität wird – das wissen wir
lle – in Zukunft eher zunehmen als abnehmen. Denken
ie nur an die große Anzahl von binationalen Ehen bei
ns. Nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
rauchen eine reale Chance, dass sie mit ihren im Aus-
and erworbenen Abschlüssen bei uns etwas anfangen
önnen, sondern auch die Wirtschaft hat ein Interesse
aran, dass die bestehenden intransparenten und ineffi-
ienten Verfahren grundlegend geändert werden.

Was muss geschehen? Wir brauchen einen gesetz-
ichen Rechtsanspruch auf ein schnelles, transparentes
nd gerechtes Anerkennungsverfahren. Wenn ich
schnell“ sage, dann meine ich selbstverständlich nicht
schnelle Ablehnung“. Denn wir wollen die qualifizier-
en Menschen tatsächlich integrieren. Dass die Ausbil-
ung im Ausland etwas anders verlaufen ist, heißt noch

654 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Krista Sager
lange nicht, dass sie nicht gleichwertig sein kann. In an-
deren Ländern sind schließlich nicht alle doof, und es ist
auch nicht so, dass nur wir in Deutschland wissen, wie
es geht.

Bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse muss
Schluss damit sein, dass verschiedene Gruppen unter-
schiedlich behandelt werden.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Die Unterscheidung zwischen Spätaussiedlern, EU-Bür-
gern und Drittstaatenangehörigen hat bei diesem Verfah-
ren nichts zu suchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ein Rechtsanspruch auf ein solches Verfahren muss
auch unabhängig davon gelten, ob es um reglementierte
oder nichtreglementierte Berufe geht. Wichtig ist auch:
Das Ergebnis eines Anerkennungsverfahrens muss bun-
desweit gelten. Es muss in jedem Bundesland anerkannt
werden. Bei einer Teilanerkennung muss es eine ver-
bindliche Auskunft darüber geben, welche Anschluss-
qualifizierung zu einer Vollanerkennung führen kann.
Ein solches Verfahren sollte nicht länger als sechs Mo-
nate dauern. Es muss auch vom Ausland betrieben wer-
den können; denn wir wollen nicht, dass die Menschen
hier bei uns jahrelang arbeitslos sind.

Wir müssen weg von dem Anlaufstellenwirrwarr. Die
Betroffenen brauchen klare Ansprechpartner und eine
gute Beratung, welche Anschlussqualifizierungen sinn-
voll sind. Dabei darf nicht nur von ihren Abschlüssen,
sondern es muss auch von ihren realen Kompetenzen
ausgegangen werden. Wir müssen mehr Angebote schaf-
fen, zum Beispiel fachsprachliche Angebote; denn viele
sind fachlich gut, können sich aber nicht so gut in ihrer
Fachsprache ausdrücken. Eine reale Teilnahme an An-
schlussqualifizierungen muss ermöglicht werden. Das
heißt, wir brauchen hier eine Förderung mit Maßnahmen
der Arbeitsmarktintegration und eine Weiterbildungsför-
derung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Wahlkampf ha-
ben alle Parteien gesagt: Hier muss etwas geschehen. –
Die Bundesregierung will jetzt ein Eckpunktepapier vor-
legen. Ich bin sicher: Auf dem Weg von den Eckpunkten
bis zu guten gesetzlichen Regelungen und besseren An-
geboten wird sich noch mancher Stolperstein zeigen.
Deswegen glaube ich, es ist wichtig, dass das Parlament
und die Fachausschüsse diesen Prozess aktiv begleiten.
Wenn wir uns gemeinsam hineinknien, haben wir eine
Chance, im nächsten Jahr endlich etwas Vernünftiges
hinzubekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


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(C (D Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär bei er Bundesministerin für Bildung und Forschung r. Helge Braun. D Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! iese Debatte muss nicht zwangsläufig im Dissens ver aufen. Wenn Sie die Historie dieses Themas sehen, dann tellen Sie fest, dass es schon in der letzten Legislatureriode zahlreiche Anträge und Anfragen zur Anerkenung ausländischer Abschlüsse in Deutschland gegeben at. Im Mai 2008 hat das Bundesministerium für Bilung und Forschung einen Sachstandsbericht zu diesem hema abgegeben. (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Was folgte daraus? Gar nichts!)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700911700

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1700911800

ie Koalition aus CDU, CSU und FDP hat darüber hi-
aus das Thema im Koalitionsvertrag verankert und hat
it Hinweis auf den zunehmenden Fachkräftemangel in
eutschland das Ziel formuliert, dass niemand unterhalb

einer Qualifikation in Deutschland beschäftigt werden
oll.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eshalb sprechen wir uns für die Einführung eines ge-
etzlichen Anspruchs auf ein Bewertungs- und Anerken-
ungsverfahren aus. Die Koalition ist sich darüber
inaus über das Ziel einig, die Ergänzungs- und Anpas-
ungsqualifizierungsmaßnahmen in Deutschland auszu-
eiten, sodass diejenigen, die nicht unmittelbar eine An-

rkennung erhalten können, im Wege eines Ergänzungs-
nd Anpassungsqualifizierungsverfahrens eine Anerken-
ung erreichen können.

Darüber hinaus ist der Ausbau der Datenbestände
ichtig. Im Hinblick auf die von der Opposition einge-
rachten Anträge muss ich sagen: So schnell, wie es hier
uggeriert wird, wird es an einigen Stellen nicht gehen.
as Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
erfügt zwar bereits über Datenbestände betreffend die
erufliche Ausbildung in anderen Ländern. Aber es be-
arf eines relativ großen Aufwands, die Curricula frem-
er Abschlüsse in Deutschland umfangreich zu katalogi-
ieren und so ein gleichwertiges und verlässliches
nerkennungsverfahren zu ermöglichen.

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung
ird in Kürze ein Eckpunktepapier in das Kabinett ein-
ringen, in dem die wesentlichen Ziele eines Anerken-
ungsverfahrens definiert sind und die wesentlichen
chritte hin zur Umsetzung respektive Durchführung
ieser Verfahren skizziert sind. Dieses Eckpunktepapier
ird dann Grundlage für die Erarbeitung eines Referen-

enentwurfs sein. Aber schon die Erfahrungen in der
uropäischen Union zeigen: Die Struktur der berufli-
hen Qualifikation ist ausgesprochen unterschiedlich.
eshalb ist die Umsetzung eines solchen Anerkennungs-
erfahrens in der Praxis alles andere als trivial.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 655


(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun
Im Unterschied zu dem vorliegenden Antrag der Lin-
ken muss ich deutlich sagen: Beim Anerkennungsver-
fahren sind der Wunsch und der Wille der Integration
sowie gute Arbeitsmarktchancen für Menschen mit Mi-
grationshintergrund der eine Anspruch, den wir erfüllen
müssen. Der andere betrifft die Sicherung des Qualitäts-
niveaus der Abschlüsse in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Verfahrensansprüche, die wir hier in ein Gesetz
schreiben wollen, müssen natürlich auch mit Strukturen
unterlegt werden, welche die Chance bieten, dass wir
diese einlösen. Deshalb brauchen wir – davon bin ich
überzeugt – ein umfassendes Anerkennungsmanage-
ment. Das beginnt mit der Information der Migranten,
geht weiter über Beratung und die Anerkennungsbewer-
tung und endet – ich habe es bereits angesprochen – mit
den ergänzenden Weiterbildungsangeboten. Bei jedem
dieser Schritte sind die Fragen zu beantworten: Wer
macht es, wo macht er es, und wie macht er es? Das ist
also ein insgesamt nicht triviales Verfahren.

Deshalb wird die Bundesregierung im Anschluss an
den Beschluss der Eckpunkte den Weg weitergehen, der
im Grunde genommen schon im Oktober 2008 mit der
Qualifizierungsinitiative für Deutschland begonnen
wurde. Seitdem arbeitete eine Bund-Länder-Arbeits-
gruppe intensiv an Empfehlungen. Diese liegen seit Sep-
tember vor und sind in die Eckpunkte des Kabinetts für
die nächste Woche eingegangen. Auf Grundlage dieses
Eckpunktebeschlusses können wir dann dazu übergehen,
einen Konsens zwischen allen beteiligten Akteuren her-
zustellen. Das sind nicht gerade wenige. Wir brauchen
an dieser Stelle als Partner die Wirtschaft, die Kammern,
die Länder, die Berufsverbände, die Hochschulen und
die Bildungsträger; denn nur wenn alle an einem Strang
ziehen, haben wir am Ende ein Anerkennungsverfahren,
das die hohen Ansprüche, die auch Sie, Frau Sager, eben
definiert haben, tatsächlich erfüllt. Deshalb ist es richtig,
dass wir zunächst den Eckpunktebeschluss des Kabinetts
abwarten und es dann Ende 2010, wenn der zweite Um-
setzungsbericht an die Regierungschefs des Bundes und
der Länder ansteht, zu einem Referentenentwurf kommt.

Wir sind uns, denke ich, einig: Niemand soll unter-
halb seiner Qualifikation beschäftigt werden. Das ist ein
hohes Ziel. Der Erhalt der hohen Qualität der Ab-
schlüsse in Deutschland ist ein zweites hohes Ziel. Diese
beiden in einem transparenten, einfachen und verlässli-
chen Verfahren zusammenzuführen, ist das Ziel dieser
Koalition und damit auch das Ziel der Bundesregierung.
Deshalb bitte ich Sie, sich in Gelassenheit an dem parla-
mentarischen Verfahren zu beteiligen und nicht mit For-
derungen, die ein vernünftiges Ergebnis torpedieren, zu
schnell über das Ziel hinauszuschießen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700911900

Das Wort hat die Kollegin Katja Mast für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! 7 200 Taxen bringen uns in Berlin von A nach B. m Gespräch mit den Taxifahrerinnen und Taxifahrern tellt man oft fest: Das ist ja eine Ärztin aus der Türkei, in Ingenieur aus Osteuropa oder ein arabischer Fachrbeiter. Was haben diese Taxifahrer aus Berlin mit dem eutigen Tagesordnungspunkt 7 zu tun? Viel mehr, als ns allen lieb ist; denn viele Menschen aus anderen Länern arbeiten hier bei uns in Deutschland in Jobs, die eit unter ihrer Qualifikation liegen. Gleichzeitig – jetzt wird es paradox – beklagt sich die irtschaft über Fachkräftemangel, und die Volkswirt chaftler sagen uns klar und deutlich: Je mehr Fachkräfte ir beschäftigen, desto mehr Jobs haben wir in Deutsch and. – Glauben Sie mir: Als Abgeordnete aus Badenürttemberg kenne ich das sehr gut; denn Fachkräfteangel ist bei uns auch in Zeiten der Krise in aller unde. Deshalb muss der Deutsche Bundestag handeln. Wir üssen einen Weg finden, um die Abschlüsse aus dem usland schnell und zuverlässig anzuerkennen. Das ist in zentraler Schritt, um dem Fachkräftemangel zu beegnen. Es ist aber auch ein wichtiger Schritt hin zu eier gelungenen Integration von in Deutschland lebenden igrantinnen und Migranten. Die bisherigen Regelungen zur Anerkennung von im usland erworbenen Abschlüssen gehen völlig an der ealität vorbei. Ein verwirrendes Geflecht aus Zustänigkeiten führt bislang, wenn überhaupt, zu langwierien Anerkennungsverfahren, die immer – ich betone: mmer – auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen erden, zu oft aber auch scheitern. Damit wollen wir, die SPD-Bundestagsfraktion, urch unseren Antrag Schluss machen. Wir wollen ein nerkennungsgesetz, das jedem – übrigens auch Deut chen, die im Ausland eine Qualifikation erworben haen – ein geordnetes Anerkennungsverfahren ermögicht. Damit einhergehen müssen ein Rechtsanspruch auf in solches Verfahren und vor allen Dingen klare Fristen; ach spätestens sechs Monaten sollte ein solches Verfahen abgeschlossen sein. Ergebnis muss sein, dass von reiburg bis Flensburg oder von Flensburg bis Freiburg inheitliche Regeln bei der Anerkennung der Abschlüsse elten, und zwar unabhängig davon, welche Nationalität m Pass steht. Wir bleiben mit unserem Antrag unserer Linie treu; enn der ehemalige Bundesarbeitsminister Olaf Scholz at Anfang dieses Jahres Eckpunkte für ein Anerkenungsgesetz vorgelegt. Die amtierende Bundesregierung ann auf diese Eckpunkte gerne zurückgreifen. Wenn sie as täte, wären wir in unserem Verfahren schon einen chritt schneller. Die Opposition hier im Deutschen Bundestag ist sich m Grundsatz einig; das zeigen die drei Anträge von eute. Allerdings will die SPD einige Schritte weiter geen: Wir wollen ein Einstiegs-BAföG, damit Qualifika 656 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 Katja Mast tionen nachträglich erworben werden können, und die Einbeziehung nichtformaler Qualifikation. Stimmen wir nicht überein? Fachkräftemangel beseitigen wir besonders klug, wenn wir die in unserem Land brachliegenden Qualifikationen und auch Lebensleistungen der Menschen anerkennen. Diese Anerkennungskultur ist Wertschätzung. Diese Anerkennungskultur ist echte Integration. Diese Anerkennungskultur schafft gute Arbeit. Ich sage selbst jenen, die sich für die derartige Anerkennung nicht erwärmen können: Auch volkswirtschaftlich ist eine solche Politik sinnvoll. Die Bundesregierung fordere ich auf: Legen Sie uns ein Anerkennungsgesetz vor. Die Eckpunkte sind bereits in der politischen Debatte. Dann sind wir gemeinsam auf der Höhe der Zeit, und Deutschland wird in ganz Europa Leuchtturm in Sachen Anerkennungskultur. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1700912000

(Beifall bei der SPD)


(A) )


(B) )



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700912100

Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Sibylle

Laurischk das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Sibylle Laurischk (FDP):
Rede ID: ID1700912200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das

Thema Integration bleibt weiterhin ein wichtiges gesell-
schaftspolitisches Anliegen für uns alle. Integration ge-
lingt besonders dann, wenn Menschen Arbeit haben,
wenn sie an einem Arbeitsplatz ihre Fähigkeiten und ihr
Können einbringen können und sich damit in die deut-
sche Gesellschaft hineinbewegen. Deswegen ist es für
uns nicht erst seit dem Abschluss des Koalitionsvertrags
ausgesprochen wichtig, dass wir die Anerkennung von
Berufs- und Bildungsabschlüssen, die Menschen im
Ausland erworben haben, voranbringen.

In Deutschland gibt es ein Wirrwarr, eine große Kom-
petenzunklarheit, gerade aufgrund der unterschiedlichen
Zuständigkeiten der Bundesländer. Ich glaube, wir haben
mit unserem Antrag „Lebensleistung von Migrantinnen
und Migranten würdigen – Anerkennungsverfahren von
Bildungsabschlüssen verbessern“ schon vor einem Jahr
deutlich gemacht, dass dieses Thema nicht länger auf
sich warten lassen kann und dass schon die alte Bundes-
regierung sehr gefordert war. Ich hätte mir gewünscht,
Frau Mast, dass der damals zuständige Minister so aktiv
geworden wäre, wie Sie es nun empfehlen.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE] – Katja Mast [SPD]: Viel Spaß mit Ihrem neuen Koalitionspartner, Frau Laurischk!)


Insofern freue ich mich natürlich, dass die Opposi-
tion, sogar geschlossen, unsere Initiative begleiten will
und ein Anerkennungsgesetz fordert, wie wir es im Ko-
alitionsvertrag umrissen haben. Wir wollen das umset-
zen. Ich glaube, wir haben wirklich begriffen, dass diese

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(C (D msetzung dringend notwendig ist und dass es für Menchen, die nach Deutschland kommen, immer wieder chmerzlich ist, festzustellen, dass sie das, was sie im usland studiert haben und was sie an Fähigkeiten, auch urch praktische Tätigkeiten, im Ausland erworben haen, hier nicht zur Anwendung bringen können, sodass ie hier möglicherweise weit unter Qualifikation arbeiten üssen. So kann das nicht weitergehen. Da haben wir nsere Zielsetzung ganz klar formuliert. Wir leisten damit einen ganz wichtigen Beitrag zur irtschaftlichen Integration. Wir sollten auch sehen, ass hier Möglichkeiten zur erfolgreichen, zur positiven ntegration bestehen. Integration ist nicht nur ein Problemfeld, sondern es st wirklich auch ein Feld mit Chancen. Gerade Menchen, die ihre Fähigkeiten einbringen können, sind poitiv zu begleiten und zu unterstützen. Wenn wir hier aus em Bundestag heraus geschlossen agieren, dann sind ir, was das Thema Integration angeht, auf einem guten nd richtigen Weg. Danke. Die Kollegin Sevim Dağdelen hat das Wort für die raktion Die Linke. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Wir haben hier heute in der Aktuellen Stunde och einmal vergegenwärtigt bekommen, dass in eutschland für den Lebensweg und auch für die Bilungskarriere immer noch der Geldbeutel oder auch die erkunft entscheidend ist. Auch deshalb haben wir Linen bereits 2007 als erste Fraktion konkrete Vorschläge ur erleichterten Anerkennung von im Ausland erworbeen Berufsund Bildungsabschlüssen vorgelegt. Alle nderen Fraktionen dieses Hauses fanden dieses Anlieen wichtig und richtig, nur lösen wollte das Problem ann doch niemand, außer den Linken. So wurde unser Antrag noch im Januar dieses Jahres on Ihnen allen abgelehnt. Doch, siehe da, fünf Monate ach der Ablehnung unseres Antrages – der Wahlkampf ückte ja näher – gab es dann ein gemeinsames Eckpunkepapier der zuständigen Bundesministerien. – Die Linke irkt also! Der Skandal aber ist, dass die Große Koalition mit ihem gesamten Ministerialapparat innerhalb von vier Jahen nicht mehr geschafft hat als lediglich Eckpunktepaiere. Spätestens seit dem „Sechsten Bericht über die Lage er Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland“ vom uni 2005 hätte Ihnen dieses Problem bekannt sein müsen, und man hätte auch erwarten können und dürfen, ass Sie handeln, aber auch das folgte nicht. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 657 Sevim DaðdelenSevim Dağdelen Für die Betroffenen ist es wirklich schon zynisch, wenn die SPD nun in ihrer Antragsbegründung über die Zeit ihrer Regierungsverantwortung von „Stagnation“ schreibt. Die Gefahr des sozialen Abstiegs hat sich dadurch für viele Migrantinnen und Migranten in den letzten vier Jahren nicht nur vergrößert, sondern diese Gefahr ist auch Realität geworden. Die Erwerbsbiografien und auch die Qualifikationen dieser Menschen sind immer weiter entwertet worden. Vier Jahre Dequalifizierung, vier Jahre Diskriminierung und auch vier Jahre Ablehnung, wie Sie selbst in Ihrem Antrag richtigerweise schreiben. Das haben Sie von der SPD allerdings leider auch mitzuverantworten. Und was noch schlimmer ist: Die bereits bestehenden gutachterlichen Anerkennungsverfahren durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen haben sich durch die massiven Kürzungen bei den personellen Ressourcen der Länder um bis zu 40 Prozent sogar noch verschlechtert. Das musste die Bundesregierung auf meine schriftliche Frage hin sogar einräumen. Auch das ist ein Skandal. Nun aber haben sich die CDU, die CSU und die FDP in ihrem Koalitionsvertrag dieses Anliegen sozusagen auf ihre Fahne geschrieben. Doch die Linke wird und will nicht zulassen, dass noch einmal vier Jahre vergehen, bis diese Benachteiligung von rund einer halben Million Migrantinnen und Migranten endlich beseitigt wird. Deshalb möchten wir Ihnen mit unserem Antrag noch einmal Beine machen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen bei der FDP)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700912300

(Beifall bei der LINKEN)

Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700912400

(Beifall bei der LINKEN)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Denn die Integrationsbeauftragte, Frau Böhmer – sie
ist ja heute anwesend –, hat zwar immer wieder betont,
dass die unzureichende Anerkennung bzw. die Nichtaner-
kennung von ausländischen Hochschulabschlüssen und
von Qualifikationen ein „Skandal“ sei, der „schnellst-
möglich beendet“ werden müsse, aber auch hier folgten
den Worten keine Taten.

Bedauerlich ist auch, dass die zwischenzeitlich vorge-
sehene Möglichkeit einer Approbation in Heilberufen
für Migrantinnen und Migranten ebenso aus dem Ent-
wurf des Koalitionsvertrages herausgefallen ist wie auch
die Sechsmonatsfrist für das Anerkennungsverfahren.
Das ist sehr bedauerlich.

Deshalb teilen wir das Misstrauen der Grünen, die
ebenfalls ganz offenkundig bei dieser Bundesregierung
nicht auf die Einsicht in das Notwendige warten wollen,
und deshalb erneut unser Antrag mit zwingenden Min-
destforderungen für diesen Bereich.

Warum die Grünen allerdings unserem Antrag im
Januar 2009 nicht zugestimmt haben, bleibt ihr Geheim-
nis. Aber wir freuen uns selbstverständlich, wenn die
Linke auch bei den Grünen hin und wieder wirkt.

Vielen Dank.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700912500

Jetzt hat Marcus Weinberg das Wort für die CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1700912600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

erren! Liebe Kollegin von der Fraktion Die Linke, Sie
ollen mir ja Beine machen; aber wie Sie hoffentlich ge-

ehen haben, habe ich schon welche, und Sie werden in
en nächsten Monaten sehen, wie schnell diese Beine
aufen können.

Ich will ausdrücklich bemerken, dass die Debatte über
ieses Thema, die wir heute nicht zum ersten Mal füh-
en,


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Schlimm genug!)


ichtig ist. Sie ist übrigens auch zu diesem Zeitpunkt
ichtig; denn wir werden in den nächsten Tagen erleben,
ass das Kabinett sich mit diesem Thema beschäftigt. In-
ofern ist es immer richtig, wenn – lex legis – die Legis-
ative vorher klar bekundet, was sie erwartet. Es ist im
aufenden Prozess immer richtig, zunächst Eckpunkte zu
ntwickeln und klarzumachen, wo das Parlament steht,
m dann über die Regierung verantwortlich ein Gesetz
u entwickeln, das dann im Bundestag beschlossen wird.

Denn ich glaube, wir alle – angefangen bei Frau Sager
is hin zu der Kollegin von der FDP und der Kollegin
on der SPD – sind uns einig,


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie sind doch Regierung!)


ass es nicht hinnehmbar ist, dass das Potenzial und die
ualifikationen von Zugewanderten der Wissenschaft
nd damit auch dem Arbeitsmarkt verloren gehen. Es ist
ür uns auch nicht hinnehmbar, wenn Menschen, die
elbst für ihre Ausbildung und den Erwerb von Berufs-
ualifikationen gesorgt haben, nicht in diesem Beruf ar-
eiten können. Sozialpolitisch, gesellschaftspolitisch
nd arbeitsmarktpolitisch ist das also nicht tragbar. Ich
eile ausdrücklich eine Bemerkung von Frau Sager von
en Grünen, dass es auch einige integrationspolitische
ersäumnisse gibt. Diese liegen durchaus auf unser aller
chultern.

Aber jetzt können wir zügig ein Gesetz verabschie-
en, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass uns die
ntwicklung durch den demografischen Wandel und den
araus entstehenden Fachkräftemangel dazu zwingen
ird, in den nächsten Jahren gesellschaftlich anders mit
iesem Thema umzugehen. Wir reden immer über sehr
bstrakte Zahlen: Wir reden über 500 000 zugewanderte
kademiker, die nicht in ihrem Beruf arbeiten können;

nsgesamt erfahren über 1 Million Menschen keine an-
emessene Anerkennung ihrer beruflichen Qualifika-
ion. Das sind aber alles einzelne Menschen, die in ihrem

658 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Marcus Weinberg (Hamburg)

persönlichen Fortkommen in dieser Gesellschaft gehin-
dert werden. Das ist ein Integrationshemmnis.

Deswegen ist es richtig, dass wir damals in der Gro-
ßen Koalition – gemeinsam mit mehreren Ministerien; es
waren übrigens CDU/CSU-geführte Ministerien – ange-
fangen haben, diese Eckpunkte zu entwickeln. Das set-
zen wir jetzt in der Koalition mit der FDP fort. Es geht
uns dabei um die Frage der Integration von Beschäftig-
ten sowie der Integration im Bildungsbereich, auch mit
der Zielsetzung der Durchlässigkeit. Der Koalitionsver-
trag wurde bereits angesprochen. Darin haben wir mit
unserem Regierungspartner vereinbart und uns ver-
pflichtet, Unterschiede in den Bildungsstandards und bei
der Bewertung von Bildungsabschlüssen zu beseitigen.
Das heißt, wir wollen vergleichbare Lernerfolge in
Deutschland und international schaffen.

Es ist nicht so, dass in der Vergangenheit nichts ge-
schehen wäre. Auch das muss man deutlich sagen. Ich
erinnere daran, dass die Zentralstelle für ausländisches
Bildungswesen, die von der KMK eingerichtet wurde
und für die Bewertung und Einstufung ausländischer
Bildungsnachweise zuständig ist, im Frühjahr dieses
Jahres mit der Zeugnisbescheinigung auch für Privatper-
sonen begonnen hat.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie haben 40 Prozent gekürzt!)


Man kann lange darüber diskutieren, wie effektiv die
ZAB arbeitet. Sie hat aber eine Reihe von Funktionen,
zum Beispiel die Vorbereitung bilateraler Abkommen


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie haben ja gekürzt!)


– ich zähle nur auf, was sich verändert hat – oder dass
Universitäten und Institutionen die ZAB als Berater oder
Dienstleister in Anspruch nehmen können, beispiels-
weise wenn es um Stipendien geht.

Zweiter Punkt. Mit dem Europäischen Qualifikations-
rahmen oder dem Kreditpunktesystem für die berufliche
Bildung wird ein System der Vergleichbarkeit etabliert.
Vorhin haben viele gelacht, als es um dieses Kreditpunk-
tesystem ging. Ich kann nur sagen: Das ist der Prozess
der Zukunft, und es wäre für das Fortkommen vieler
Menschen, die heute noch keine Anerkennung haben,
gut gewesen, wenn es dieses Kreditpunktesystem bereits
gegeben hätte.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bis 2010 wird ein Qualifikationsrahmen entwickelt
werden. Ich stimme ausdrücklich zwei Vorbedingungen
zu.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700912700

Herr Kollege, bevor Sie Ihre Vorbedingungen nennen:

Möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau Dağdelen zu-
lassen?


Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1700912800

Gerne. Bitte.

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(C (D Bitte schön. Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr ollege Weinberg. – Sie haben von der ZAB, der Zenralstelle für ausländisches Bildungswesen, berichtet. Ich abe am Ende der vergangenen Legislaturperiode, im eptember 2009, die Frage gestellt, wie es mit der Abicht, die Anerkennungsverfahren zu vereinfachen, verinbar ist, wenn man die Ressourcen der ZAB um 0 Prozent kürzt und somit die Dauer der Verfahren eutlich erhöht. Ihre Staatsministerin Frau Professor r. Maria Böhmer sagte daraufhin: Eine angemessene personelle und finanzielle Ausstattung ist aus meiner Sicht Voraussetzung dafür, dass die ZAB ihre umfassenden Aufgaben als Gutachterund Informationsstelle nach der Lissabon-Konvention sowie im Rahmen der Richtlinie 2005/36/EG wahrnehmen kann. Wie ist das mit Ihren Aussagen vereinbar? Wahrscheinlich ist es in meinen Aussagen nicht deut ich geworden. Die ZAB ist ein Instrumentarium, das die änder, die die Verantwortung haben, über die KMK gechaffen haben, um Defizite abzubauen. Es geht um die nerkennung von Ausbildungsgängen von Privatpersoen, um die Vorbereitung bilateraler Übereinkommen wischen Deutschland und anderen Ländern und um die rage, wie diese Institution der KMK Universitäten un erstützen kann, wenn sie Fragen zu Stipendien oder zu ergleichbaren Dingen haben. Die ZAB ist also als ienstleister tätig geworden. Aber das ist nicht das Ende der Fahnenstange, sonern erst der Anfang. Am Ende werden die Ressourcen auch die finanziellen – zusammengestellt und dann das ist der Zweck des Gesetzes – so verknüpft, dass eim Anerkennungsverfahren gewisse Vorgaben, auf die ch im Folgenden noch kommen möchte, erfüllt werden önnen. Insofern ist die ZAB ein Zwischenschritt. (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das ist eine Nichtantwort!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700912900
Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700913000
Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1700913100

Zu den Vorgaben will ich sagen: Völlig richtig ist,
ass wir die Qualität des Ausbildungssystems und auch
ie Besonderheiten des deutschen Bildungssystems be-
ücksichtigen müssen. Der Europäische Qualifikations-
ahmen ist richtig und wichtig. Aber wir legen auch Wert
arauf, dass unsere Vorgaben beachtet werden.

Jetzt komme ich zu dem zentralen Punkt, den auch
rau Sager angesprochen hat. Ich hoffe daher, dass es zu
iner mehrere Fraktionen umfassenden Koalition im
ächsten Jahr kommt. Drei Ziele sind für die Menschen
ichtig:

Erstens muss es ein Anerkennungsverfahren geben.
olche Verfahren können lange dauern. Deshalb muss es
ine verbindliche Regelung geben. Verbindlich heißt für
ns, dass innerhalb einer Frist von sechs Monaten das

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 659


(A) )



(B) )


Marcus Weinberg (Hamburg)

Anerkennungsverfahren abgeschlossen ist. Es nutzt aber
kein Anerkennungsverfahren, wenn es keine Angebote
gibt, wie man die Defizite ausgleichen kann. Daher muss
es zweitens Angebote für verzahnte Qualifizierungsmaß-
nahmen in Form eines Modulsystems geben, mit denen
man Defizite relativ zügig ausgleichen kann. Da die Ma-
terie so kompliziert ist – es gibt verschiedene Akteure
wie Bund, Länder, Kommunen und Kammern –, muss
drittens durch Clearingstellen transparent gemacht wer-
den, welche Möglichkeiten es gibt. – Dieses sind aus un-
serer Sicht die drei übergeordneten Ziele.

Ich finde es richtig – Herr Dr. Braun hat es bereits er-
wähnt –, dass wir am 9. Dezember den entscheidenden
Schritt gehen und die Eckpunkte ins Kabinett einbrin-
gen, die wir, wie gerade skizziert, als Schwerpunkte an-
sehen. Insgesamt werden drei gesetzliche Ansprüche
verankert: a) Anspruch auf Durchführung eines Aner-
kennungsverfahrens bzw. eines Verfahrens zur Feststel-
lung beruflicher Qualifikationen; b) Anspruch auf
formale Teilanerkennung bzw. Anspruch auf eine gut-
achterliche Stellungnahme oder eine Potenzialanalyse,
mit der ermittelt wird, welche Ausbildungsinhalte mög-
licherweise nachgeholt werden müssen; c) Anspruch auf
Information über entsprechende Maßnahmenangebote.

Ich glaube, dass wir in der Debatte im Deutschen
Bundestag jetzt die entscheidenden Schritte gehen kön-
nen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir dieses über-
geordnete gesellschaftspolitische, arbeitsmarktpoliti-
sche und integrationspolitische Thema gemeinsam
weiter begleiten und zu einem Schwerpunkt in der Bil-
dungsarbeit machen. Ich hoffe, dass wir spätestens in ei-
nem Jahr ein Anerkennungsgesetz verabschiedet haben,
das es in dieser Form noch nicht gegeben hat.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700913200

Swen Schulz hat das Wort für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1700913300

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die
Expertenkommission Forschung und Innovation hat in
ihrem Gutachten 2009 einmal mehr das Problem des
Fachkräftemangels in Deutschland angesprochen und
eine aktive Einwanderungspolitik für Hochqualifizierte
gefordert. Das alles ist auch in Ordnung; es ist okay.
Aber zuallererst müssen wir doch wohl die Fähigkeiten
derjenigen, die bereits hier leben, entsprechend nutzen.


(Beifall bei der SPD)


Leider sind wir in Deutschland sehr weit davon ent-
fernt. Es leben hier sehr viele, die im Ausland Qualifika-
tionen erworben haben, deren Anerkennung ihnen voll-
kommen unnötig schwer gemacht wird. Schätzungen
gehen alleine von 500 000 Menschen aus, deren akade-
mische Qualifikation nicht anerkannt wird. Hinzu kom-

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(C (D en viele Meister, Techniker usw. usf. Sie sind nicht twa schlecht qualifiziert, müssen aber, wie es dann so eißt, in nicht ausbildungsangemessenen Tätigkeiten akiv sein. Das Problem ist, dass es in Deutschland anders als um Beispiel in Dänemark kein ordentliches, geregeltes nerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Ab chlüsse gibt. Da wird nach Berufsgruppen, nach Anerennungszwecken und danach unterschieden, ob es sich m Spätaussiedler, um EU-Bürger oder um sogenannte rittstaatler handelt. Da gibt es in den einzelnen Bunesländern vollkommen unterschiedliche Verwaltungsraktiken. Am Ende blickt keiner, wenn man einmal ehrich ist, wirklich durch. Das ist eine vollkommen nakzeptable Ungleichbehandlung der Bürgerinnen und ürger. Das zwingt die Leute nachgerade in die Knie. Es rschwert Integration, und es ist volkswirtschaftlicher rrsinn, weil wir die Fähigkeiten der Menschen, die hier eben, nicht nutzen. Mit diesem Unfug müssen wir endich aufhören. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nun ist das Problem nicht neu. Dies alles ist schon in
ie Diskussion über den Integrationsplan und die Quali-
izierungsinitiative der Bundesregierung eingeflossen.
eider gibt es da noch keine handfesten Fortschritte. Ich
ill den Kolleginnen und Kollegen von der FDP und der
inksfraktion sagen: In der letzten Legislaturperiode war
s der eigentlich gar nicht zuständige Bundesarbeitsmi-
ister Olaf Scholz, der initiativ geworden ist und Punkte
orgelegt hat.


(Sibylle Laurischk [FDP]: Zum Ende der Legislatur, Herr Kollege! Nachdem unser eigener Antrag eingebracht war!)


ber in der Großen Koalition gab es auch bremsende
räfte. Kollege Weinberg, ich höre gerne, dass wir in-

wischen so ziemlich auf einen Nenner kommen.

Wir haben in unserem Antrag, basierend auf der Vor-
rbeit des früheren Arbeitsministers Olaf Scholz, klare
unkte formuliert. Wir müssen mit diesem Kuddelmud-
el, mit diesem Anerkennungswirrwarr, wie die Kolle-
in Sager gesagt hat, aufräumen. Wir müssen die Stagna-
ion, die wir seit langem hier sehen, überwinden. Darum
uss der Bund voranschreiten und den Entwurf eines
nerkennungsgesetzes vorlegen. Darin muss ein Rechts-

nspruch für alle auf Durchführung eines Anerken-
ungsverfahrens enthalten sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir brauchen ausreichend viele Anerkennungs- und Be-
atungsstellen. Das Verfahren darf höchstens sechs Mo-
ate dauern, damit alle schnell Klarheit bekommen. Das
iel muss eine bundesweit verbindliche Gleichwertig-
eitsfeststellung sein. Wo nur Teilanerkennungen ausge-
prochen werden können, müssen dann auch Angebote
ur Nach- und Weiterqualifizierung gemacht werden.
iese Angebote müssen dann auch tatsächlich wahrge-
ommen werden können, auch in finanzieller Hinsicht.

660 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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Swen Schulz (Spandau)

Wir brauchen entsprechende Förderinstrumente. Wir
schlagen zur Ergänzung dessen, was wir bereits haben,
ein Einstiegs-BAföG zur beruflichen Integration vor.
Das ist ein wichtiger Schritt, um die Integration in den
Beruf tatsächlich zu erleichtern.


(Beifall bei der SPD)


Es geht hier um Respekt. Es geht um das wohlver-
standene gemeinsame Interesse, dass sich alle, die hier
leben, einbringen und ihren Beitrag leisten können. In
diesem Sinne ist unsere Forderung an die Bundesregie-
rung: Legen Sie nicht einfach nur Eckpunkte vor – ich
glaube, wir haben lange genug über diese Thematik ge-
redet –, sondern forcieren Sie die Problemlösung! Legen
Sie einen Gesetzentwurf vor! Dann kommen wir schnel-
ler zum Ziel.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700913400

Serkan Tören spricht jetzt für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Serkan Tören (FDP):
Rede ID: ID1700913500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben jetzt ausführlich gehört, welche Missstände es
bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse
gibt und welche Potenziale für unsere Gesellschaft und
unsere Wirtschaft dort brachliegen. Wir haben gehört,
wie frustrierend und beschämend es für die Betroffenen
ist, von Pontius zu Pilatus zu rennen, ohne ihrem Ziel
näherzukommen, in Deutschland ihren gelernten Beruf
ausüben zu dürfen.

Wir sind uns in diesem Hause über die Fraktionen
hinweg einig, dass dies ein Zustand ist, der dringend ge-
ändert werden muss. Lassen Sie mich daher konkreter
werden und ein paar Eckpunkte darlegen, die wir ge-
meinsam mit unserem Koalitionspartner zügig beraten
werden.

Erstens. Das Thema Neuzuwanderer. Wir werden prü-
fen, inwieweit es möglich ist, bereits vor der Einwande-
rung mit der Feststellung der Qualifikation beginnen zu
können, um so die Eingliederung in den deutschen Ar-
beitsmarkt zu beschleunigen.

Zweitens. Zur Dauer der Anerkennungsverfahren.
Wir haben immer wieder klar gefordert, dass die Dauer
der Verfahren nicht länger als sechs Monate betragen
soll. Daran wollen wir festhalten. Das muss die Mess-
latte sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Drittens. Das Thema Teilanerkennung. Das ist durch-
aus ein schwieriges Thema, aber auch das möchten wir
ermöglichen und gleichzeitig mit Angeboten zur Anpas-
sungsqualifizierung verbinden.

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(C (D Deutschland ist ein Zuwanderungsland, und Deutschand braucht Zuwanderung. Aber – das wird insbesonere den Damen und den Herren von der Linken nicht assen – die Eckpunkte und Instrumente, die ich gerade urz erläutert habe, müssen sinnvoll eingesetzt und auserichtet werden. Das bedeutet: Sie müssen sich an dem edarf unserer Unternehmen und Freiberufler, an dem edarf unserer Wirtschaft orientieren. (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Der Verwertungslogik des Kapitals!)


ur so geben wir den Menschen, die in unser Land kom-
en, eine echte Perspektive und die Chance auf Selbst-

erwirklichung und Integration.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as ist auch die einzige Möglichkeit, wie wir es in
eutschland schaffen, dem globalen Wettbewerb um die
esten Köpfe standzuhalten und sie hierher zu bekom-
en. Das ist die einzige Chance.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Die sind doch schon hier!)


Alle, die sich mit diesem Thema befassen, wissen,
ie komplex und schwierig es ist, flächendeckend zu be-

riedigenden Lösungen und Verfahren zu kommen. Ich
age das insbesondere mit Blick auf unsere föderale
truktur. Daher appelliere ich an dieser Stelle ganz klar
n die Kolleginnen und Kollegen der Länder, hier zu ko-
perieren, sodass wir schnell zu Ergebnissen kommen.
ir müssen endlich aufhören, Wachstumschancen zu

erschenken; denn das können wir uns weiß Gott nicht
eisten.

Der Bund hat klare Eckpunkte und ein klares Be-
enntnis im Koalitionsvertrag formuliert. Jetzt sind die
änder in der Pflicht.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700913600

Damit schließe ich die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 17/123, 17/117 und 17/108 an die in
er Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
en. Damit sind Sie einverstanden? – Dann ist das so be-
chlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Beratung des Antrags der Fraktion der SPD

Die EU-Perspektive der südosteuropäischen
Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina,
Kosovo, Makedonien, Montenegro und Ser-
bien verstärken

– Drucksache 17/106 –

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 661


(A) )


)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Hier ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattieren.
Dazu sehe ich keinen Widerspruch. – Dann ist das so be-
schlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dietmar Nietan für die SPD-Fraktion.


Dietmar Nietan (SPD):
Rede ID: ID1700913700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor gut vier Wochen haben wir alle mit großer Dankbar-
keit den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer ge-
feiert. Damals, am 9. November 1989, fiel endlich dieses
schändliche Bauwerk, welches schlechthin das Symbol
für die Teilung Europas war.

Heute möchte ich namens der SPD-Bundestagsfrak-
tion den Antrag „Die EU-Perspektive der südosteuropäi-
schen Staaten … verstärken“ vorstellen. Wir möchten
mit diesem Antrag daran erinnern, dass gerade wir Deut-
sche eine besondere Verpflichtung haben, uns innerhalb
der Europäischen Union für eine Politik einzusetzen, die
sich dem Ziel der Vereinigung Europas uneingeschränkt
verpflichtet fühlt.

Nach dem traumatischen Versagen der Europäischen
Union während des Zerfalls des ehemaligen Jugosla-
wiens haben wir den über 20 Millionen Menschen in
Albanien, in Bosnien und Herzegowina, im Kosovo, in
Kroatien, in der ehemaligen jugoslawischen Republik
Mazedonien, in Montenegro und in Serbien nicht erst
auf dem Treffen des Europäischen Rates 2003 in Thessa-
loniki das Versprechen gegeben, ihnen eine ernsthafte
Chance für einen Beitritt in die EU zu geben. Nun ist
nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon aus
unserer Sicht der richtige Zeitpunkt gekommen, dieses
Versprechen nicht nur als ein Lippenbekenntnis zu er-
neuern, sondern es durch konkrete politische Initiativen
mit neuem Schwung zu versehen. Wenn sich die Bun-
desregierung für eine konkrete Verstärkung der EU-Per-
spektive für die Staaten Südosteuropas auf dem kom-
menden Europäischen Rat am 10. und 11. Dezember in
Brüssel einsetzen würde, hätte sie dabei sicherlich viele
Unterstützerinnen und Unterstützer.

So konzediert die EU-Kommission in ihrem letzten
Fortschrittsbericht der ehemaligen jugoslawischen
Republik Mazedonien erhebliche Fortschritte bei der
Umsetzung wichtiger Reformen. Aus diesem Grund
empfiehlt die Kommission die Eröffnung der Beitritts-
verhandlungen mit Mazedonien. Ich hoffe deshalb sehr,
dass die Bundeskanzlerin kommende Woche auf dem
Europäischen Rat in Brüssel die Initiative ergreift, in-
dem sie sich für einen entsprechenden Beschluss zur Er-
öffnung von Beitrittsverhandlungen einsetzt.


(Beifall des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])


Die Regierung in Skopje hat sich, sicherlich auch er-
mutigt durch die positive Empfehlung der EU-Kommis-
sion für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, im
Namensstreit mit Griechenland auf Griechenland zube-
wegt. Die deutsche Bundesregierung könnte jetzt an die-
ser Stelle, so finde ich, unseren griechischen Freunden
gut zureden, sich in dieser Frage ebenfalls zu bewegen.
Mazedonien die Perspektive eines EU-Beitritts mit Hin-

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(C (D eis auf den andauernden Namensstreit zu versagen, äre jedenfalls unverantwortlich. Die guten Fortschritte, insbesondere von Kroatien, azedonien und Serbien, zeigen, dass die EU-Beitritts erspektive ein ganz entscheidender Punkt im Stabilisieungsund Assoziierungsprozess der Europäischen nion mit den Staaten Südosteuropas ist. Der amtie ende Erweiterungskommissar Rehn hat noch zuletzt nde Oktober vor dem Europäischen Parlament die EUeitrittsperspektive als das zentrale Instrument für Stabi ität auf dem Balkan bezeichnet. Ausdrücklich spricht ich Olli Rehn für eine Fortsetzung des Erweiterungsrozesses aus. Ich muss Ihnen sagen: Eine solch klare ussage, insbesondere auch gegenüber den Staaten in üdosteuropa, sucht man im Koalitionsvertrag von DU/CSU und FDP leider vergeblich. Angesichts der Auswirkungen der Finanzund Wirtchaftskrise, aber auch vor dem Hintergrund eines teileise in besorgniserregender Weise aufkeimenden Na ionalismus in der Balkanregion bedarf es aber genau etzt eines deutlichen Signals, dass die EU ihre Anstrenungen verstärkt, um die soziale, wirtschaftliche und poitische Stabilisierung der Region voranzubringen. (Beifall der Abg. Uta Zapf [SPD] – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Nicht so überschwängliche Ovationen!)


(Beifall des Abg. Dr. h. c. Gernot Erler [SPD])


Die proeuropäischen, demokratischen Kräfte in den
taaten Südosteuropas brauchen jetzt unsere Unterstüt-
ung. Lob allein ist da zu wenig. Jetzt sind Taten gefragt.
ie Beschlüsse des Europäischen Rats für Justiz und In-
eres vom vergangenen Montag, die Visumspflicht für
azedonien, Montenegro und Serbien aufzuheben so-
ie Bosnien-Herzegowina und Serbien entsprechende
akrofinanzhilfen zu geben, sind ermutigend. Doch ent-

cheidend ist für mich die Frage, ob es weiterhin gerade
uch aus Deutschland das Signal gibt: Wir wollen den
rweiterungsprozess fortsetzen. Wir wollen euch, die
taaten Südosteuropas, ernsthaft und aufrichtig bei uns
ufnehmen. Wir würdigen eure Reformschritte und wer-
en alles unterlassen, was auf EU-Seite den Beitrittspro-
ess unnötig verlängert.

Das gilt nicht nur für Kroatien, wo die Frage von feh-
enden Artillerieprotokollen nicht zum alleinigen Maß-
tab für den Beitrittsfortschritt gemacht werden sollte.
as gilt für die gesamte Region; denn letztlich muss es

n unser aller Interesse sein, dass die Länder Südosteuro-
as, inzwischen eine Enklave innerhalb der Europäi-
chen Union, einen neuen und nachhaltigen Impuls für
ine EU-Mitgliedschaft erhalten.

Unser allseits geschätzter früherer Kollege Detlef
zembritzki hat in seiner letzten Bundestagsrede hier an
ieser Stelle am 28. Mai dieses Jahres gesagt, er halte es
ür sinnvoll, nach der Ratifizierung des Lissabon-Vertra-
es zu prüfen, ob man nicht einen weiteren Sondergipfel
ür die Region einberufen solle. Damals bekam Detlef
zembritzki für diesen Vorschlag in diesem Haus viel
eifall. Jetzt ist vielleicht die Zeit gekommen, dem Bei-

all von damals Taten folgen zu lassen. In diesem Sinne

(B)


662 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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(B) )


Dietmar Nietan
bitte ich Sie alle um Unterstützung für unseren Antrag.
Ich glaube, nicht nur Detlef Dzembritzki, sondern auch
die Reformer in Südosteuropa würden sich darüber sehr
freuen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700913800

Peter Beyer hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Peter Beyer (CDU):
Rede ID: ID1700913900

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ende des Kosovo-
Krieges, des letzten großen Krieges auf dem Balkan,
liegt jetzt ungefähr zehn Jahre zurück. Seitdem sind in
dem südosteuropäischen Raum erhebliche Fortschritte
zu verzeichnen, allerdings in stark unterschiedlichem
Ausmaß. Zudem hat die Entwicklung leider gezeigt, dass
das einmal Erreichte nicht immer von Dauer ist. Der
Grund hierfür ist nicht nur die im Antrag genannte Wirt-
schafts- und Finanzkrise, beileibe nicht. Auch nicht
überwundene, stark ausgeprägte ethnische Spannungen
hemmen den wirtschaftlichen Fortschritt in diesen Län-
dern. Dies ist ein wichtiger Grund, warum der Motor auf
dem Weg Richtung EU-Mitgliedschaft stottert.

Die Europäische Union hat auf ihrem Westbalkan-
Gipfel in Thessaloniki in 2003 die Perspektive einer EU-
Mitgliedschaft für die Westbalkanländer deutlich unter-
strichen. Wir stehen dazu. Das kommt beispielsweise in
den Bestrebungen der EU hin zu einer Visaliberalisie-
rung zum Ausdruck. Eine Beitrittsperspektive läuft letzt-
lich immer auch auf Visafreiheit hinaus. Die EU hat da-
für Roadmaps mit diesen Staaten festgelegt.

Für viele Menschen auf dem westlichen Balkan ist die
Europäische Union ein wichtiger Hoffnungsträger. Die
EU steht für Stabilität, wirtschaftliche Entwicklung und
für Demokratie. Nicht nur wirtschaftliche Erwägungen
spielen eine Rolle. Gerade wir Deutschen wissen, dass
die EU helfen kann, lang andauernde Konflikte nicht nur
zu überwinden, sondern letztlich auch final zu beenden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass die Hoffnun-
gen, die die Menschen mit der EU und einer Mitglied-
schaft in der EU verbinden, berechtigt sind. Ich bin des-
halb sehr für ehrliche Beitrittsgespräche mit den Ländern
Südosteuropas. Allerdings müssen wir auch klar sehen,
dass die Staaten im Hinblick auf eine mögliche EU-Mit-
gliedschaft unterschiedlich weit fortgeschritten sind.
Mazedonien hat den Status eines Beitrittskandidaten
erreicht. Montenegro hat im Dezember letzten Jahres ein
EU-Beitrittsgesuch übergeben, Albanien Ende April die-
ses Jahres. Auch Serbien hat einige Verbesserungen
erreicht, an der einen oder anderen Stelle, beispielsweise

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(C (D ei der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Straferichtshof in Den Haag, hapert es aber noch. Lassen Sie mich kurz auf die Lage in Bosnien-Herzeowina eingehen. Dieses Land ist durch die kriegerichen Auseinandersetzungen nach dem Zerfall Jugoslaiens ganz besonders gebeutelt. Noch heute kämpft ieser Staat mit den Folgen. Neben den Schwierigkeiten m Zusammenhang mit der Beendigung des Mandates es Hohen Repräsentanten sind ethnische Konflikte in osnien-Herzegowina weiterhin besonders präsent. Das ehindert den Annäherungsprozess an die EU. Gleicheitig erkennen wir an, dass Bosnien-Herzegowina im ahmen der Annäherung an die EU wichtige Schritte nternommen hat. Letztlich brauchen wir ein demokratiches Bosnien-Herzegowina, das als Staat selbst agieren ann. Die Stabilität dieses fragilen Staatengebildes ist on entscheidender Bedeutung für die gesamte südosteuopäische Region. eider stockt derzeit der notwendige Verfassungsreformrozess. Kosovo schließlich kämpft seit der Unabhänigkeit 2008 darum, ein hinreichendes Maß an Stabilität n dem Staat hinzubekommen. Vor diesem Hintergrund plädiere ich dafür, ergebnisffene Verhandlungen mit den Staaten in dieser Region u führen. Wir brauchen Verhandlungen, die auf die konrete Situation der einzelnen Beitrittskandidaten zugechnitten sind. Wir brauchen eine Erweiterungspolitik it Augenmaß und sicherlich an der einen oder anderen telle auch mit einem langen Atem. Die strikte Erfüllung er Beitrittskriterien muss dabei immer bindende Voaussetzung für einen Beitritt sein. Eine Aufweichung er Beitrittskriterien darf es einfach nicht geben. Schon ar nicht darf es zu einer Art Automatismus kommen. aher wäre die Nennung eines Beitrittsdatums vor Ab chluss der Verhandlungen schlicht nicht sinnvoll. An ermingeschäften hat sich schon so mancher die Finger erbrannt. Der künftige Erweiterungsprozess wird auch davon estimmt sein, ob es uns gelingt, die EU nicht nur räumich zu vergrößern. Entscheidend dürfte sein, dass wir ie Verbindungen der Mitgliedstaaten im Innern vertieen und letztlich das Zusammenwachsen weiter voranreiben. Daher muss auch immer die Aufnahmefähigkeit er EU mit in den Blick genommen werden. Die europäische Einigung ist zweifellos die größte olitische Erfolgsgeschichte unseres Kontinents. Sie gaantiert seit Jahrzehnten Sicherheit und Frieden im Inern ebenso wie nach außen. Wir dürfen uns aber nicht uf dem Erreichten ausruhen. Die Arbeit ist noch nicht ollständig getan. Für den langfristigen Erfolg der Euroäischen Union ist die tagtägliche Akzeptanz der EUürgerinnen und -Bürger ganz entscheidend. Und dazu ehört eben auch, dass man sich an die selbstgesetzten orgaben hält. Das schafft Transparenz und Verlässlicheit. Das wiederum schafft letztlich Vertrauen bei den ürgerinnen und Bürgern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Michael Brand [CDU/CSU]: Wie wahr!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 663


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Peter Beyer
In diesem Sinne verstehe ich den Antrag der SPD-
Fraktion so, dass eine Aufnahme auch dann geschehen
soll, wenn die tatsächlichen Gegebenheiten dem noch
entgegenstehen. Das lehnen wir ab.


(Dietmar Nietan [SPD]: Das steht aber nirgendwo! Sie müssen den Antrag lesen!)


Klare Beitrittsperspektive ja, aber feste Beitrittsverspre-
chen wird es mit uns nicht geben.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dietmar Nietan [SPD]: Das ist konservative Dialektik!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700914000

Herr Kollege, das war Ihre erste Rede in diesem

Haus, zu der wir Ihnen gratulieren. Wir wünschen Ihnen
viel Erfolg für Ihre weitere Arbeit hier.


(Beifall)


Der Kollege Dr. Diether Dehm spricht jetzt für die
Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700914100

Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren, insbeson-

dere liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Lei-
der zeigt Ihr Antrag, dass Sie noch nicht richtig in der
Opposition angekommen sind. Ich hätte mir gewünscht,
dass Ihr Wahlergebnis dazu führt, dass Sie auch Ihre
Außen- und Europapolitik auf den Prüfstand stellen.


(Beifall bei der LINKEN)


Schon in der Überschrift Ihres Antrages nennen Sie das
Kosovo einen Staat; aber das ist ein Bruch des Völker-
rechts. Willy Brandt stand ohne Wenn und Aber für das
Völkerrecht. Wenn nicht bald aus dem aktuellen SPD-
Kurs wieder sozialdemokratischer Kurs wird, wird das
nichts mit einer gescheiten Opposition und auch nichts
irgendwann wieder mit der Regierung.


(Beifall bei der LINKEN – Dietmar Nietan [SPD]: Da werden wir Sie eines Besseren belehren! – Zuruf von der CDU/CSU: So eine Propaganda!)


Will die SPD die einseitige Unabhängigkeitserklä-
rung des Kosovo weiterhin positiv sanktionieren? Wol-
len Sie damit grünes Licht für die Zerschlagung weiterer
Nationalstaaten geben?


(Thomas Oppermann [SPD]: Da drüben sitzt die Regierung!)


In Ihrem Antrag geben Sie vor, für den Erhalt multina-
tionaler Staaten auf dem Balkan einzutreten. Warum ha-
ben Sie denn dann nichts dagegen getan, als das multina-
tionale Jugoslawien zerschlagen wurde?


(Beifall bei der LINKEN – Thomas Oppermann [SPD]: Ihr Freund Milosevic! Gysi war doch bei Milosevic und wollte Jugoslawien retten! – Zuruf der Abg. Marieluise T A d A S m t k s g u J N z b s E n h W l a – B – r z s d t j h L s G f (C (D Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


un Sie nicht so, als ob Sie nicht wüssten, dass mit der
nerkennung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung
es Kosovo alle Sezessionsbestrebungen in der Region
uftrieb bekommen, ob in Bosnien oder in Montenegro.
ie beklagen in Ihrem Antrag zunehmenden Nationalis-
us. Wo Nationalstaaten aber zerstückelt und gedemü-

igt werden, nimmt Nationalismus meistens zu.


(Beifall bei der LINKEN)


Dass Sie jetzt die Folgen der Jugoslawien-Kriege be-
lagen, ist nicht glaubwürdig. Wer hat denn 1999 Jugo-
lawien ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrats ange-
riffen? Das war die Regierung von Schröder, Fischer
nd Scharping mit schwarz-gelber Billigung.


(Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Wer ist zu Milosevic gefahren? Das war Gysi!)


oseph Fischer kümmert sich jetzt um die Verlegung der
abucco-Pipeline durch den Balkan. Ihr Antrag ruft

war „Haltet den Dieb!“, aber das Diebesgut, die Na-
ucco-Pipeline, bleibt hier.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Weder Sie in Ihrem Antrag noch die Bundesregierung
ehen vor, dass die Bevölkerung gefragt wird. Wer die
rweiterung der EU will, muss die Menschen dabei mit-
ehmen. Aber zu Volksabstimmungen sagen Sie weiter-
in: Nein, danke.


(Dietmar Nietan [SPD]: Dazu steht im Antrag nichts!)


enn Sie Volksabstimmungen in Europa, wie die in Ir-
and, nicht vermeiden können, dann lassen Sie so lange
bstimmen, bis Ihnen das Ergebnis passt.


(Dietmar Nietan [SPD]: Wie kann man nur so ein Gefangener seiner Ideologie sein? Das ist unglaublich! – Zuruf von der CDU/CSU: Schweiz!)


Wer hier Gefangener seiner Ideologie ist bezüglich des
ruchs des Völkerrechts – –


(Dietmar Nietan [SPD]: Lieber Genosse Dehm, ich bin entsetzt!)


Ich weiß nicht, warum Sie hier jetzt „Genosse Dehm“
ufen; wir sind noch nicht so weit, dass wir uns das hier
urufen müssen, schon gar nicht hier im Parlament.

Die Linke setzt auf ein Europa der Bevölkerungen an-
tatt auf ein Europa der Eliten, dessen Entstehung jüngst
er zweitoberste Verfassungsrichter, Voßkuhle, befürch-
et hat.

Im Europaausschuss wurde ich gefragt, ob wir Linke
etzt unseren Frieden mit dem Lissabon-Vertrag gemacht
aben. Die Linke achtet geltende Gesetze, so auch den
issabon-Vertrag in der Interpretation des Bundesverfas-
ungsgerichts, was wir gemeinsam mit dem Kollegen
auweiler erstritten haben. Wir achten das Gesetz. Es

reut mich, dass ich den Kollegen hier sitzen sehe. Wir

664 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



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Dr. Diether Dehm
Linke beachten sogar die autoritären Notstandsgesetze,
die wir bekämpft haben. Aber wir bleiben bei unserer
Kritik am neoliberalen, militaristischen Lissabon-Ver-
trag.


(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Unfug!)


Mit ihm kommt die EU nicht in die Herzen und Köpfe
der Völker Europas.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen weiterhin eine friedliche, eine sozialstaatli-
che, eine ökologische und eine demokratische Verfas-
sung für unser Europa.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700914200

Oliver Luksic hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Oliver Luksic (FDP):
Rede ID: ID1700914300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Beitrittsperspektive der Länder des Westbalkans ist
aus Sicht aller Beteiligten wichtig, sowohl für die Län-
der des Balkans als auch für die Europäische Union und
Deutschland. Im Gegensatz zur Linken sagen wir als
FDP: Wir stehen zur Thessaloniki-Agenda, und wir ste-
hen zum langfristigen Ziel eines EU-Beitritts der Länder
des Westbalkans. Der Westbalkan darf keine nichteuro-
päische Insel inmitten von Europa sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Erweiterung darf aber kein Selbstzweck sein.
Man muss sich daran orientieren – und zwar nur daran –,
ob ein Beitrittsland die Kopenhagener Kriterien erfüllt.
Der Erweiterungsprozess ist für uns grundsätzlich ein of-
fener Prozess. Er muss mit Augenmaß betrieben werden.

Für uns als FDP-Fraktion sprechen drei Gründe für
die Beitrittsperspektive der Länder des Westbalkans.

Der erste Grund ist die Entwicklung der Länder des
Westbalkans. Sie sind leider immer noch von gesell-
schaftlicher Instabilität geprägt, die aus historischen
Konflikten und ethnischen Spannungen resultiert. Auch
die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder muss be-
schleunigt werden. Sie sind von der Wirtschafts- und
Finanzkrise besonders betroffen. Damit sich gerade
diese Länder entwickeln, ist es wichtig, dass es von
Europa ein klares Signal gibt. Europa ist nämlich auch
der Kitt, der diese Länder zusammenhält. Deswegen
muss Europa das Signal senden: Der Balkan ist ein Teil
Europas. Es geht auch darum, die Hoffnungen, die die
Menschen auf dem Balkan mit Europa verbinden, nicht
zu enttäuschen. Daran sollte auch die Linke denken,
wenn sie den vorliegenden Antrag in Bausch und Bogen
verdammt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


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(C (D Zweitens. Aus Sicht der Europäischen Union kommt s darauf an, ob die Ankündigung, die Olli Rehn in seier Funktion als Erweiterungskommissar gemacht hat, ass es nach der Vertiefung der Europäischen Union eine eitere Erweiterung geben soll, umgesetzt wird. Wir als DP wollen eine starke Europäische Union. Für uns ist ine europäische Einheit ohne den Balkan nicht vollstänig. Drittens. Auch aus deutscher Sicht sprechen wirtchaftliche und politische Interessen für eine EU-Perpektive dieser Staaten. Wir haben es mit Ländern zu un, die sehr deutschlandfreundlich sind. Es gibt historiche Verflechtungen und Verwachsungen, was die Wirtchaft angeht. Gerade der deutsche Mittelstand ist dort ehr aktiv. Viele Bürgerinnen und Bürger in diesen Länern sprechen Deutsch. Die deutsche Wirtschaft hat soit die Chance, neue Märkte zu erschließen. Vor allem ber ist es unser genuines politisches Interesse, sicherzutellen, dass wir direkt vor unserer Haustür einen stabien Balkan haben. Auch aus deutschem Interesse müssen ir daher den Staaten des Westbalkans eine Beitrittsper pektive geben. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])


Die FDP-Fraktion ist der Meinung, dass Erweite-
ungspolitik immer mit Augenmaß betrieben werden
uss. Wir können nicht alle Länder des Westbalkans in

inen Topf werfen. Es gibt unterschiedliche Entwick-
ungsstadien, auf die wir Rücksicht nehmen müssen.
ies gilt insbesondere im Hinblick auf das wichtige
ierte Kopenhagener Kriterium: die Aufnahmefähigkeit
er Europäischen Union.

Für uns gibt es einen klaren Maßstab, nach dem die
eitrittsfähigkeit der Länder beurteilt werden muss: die
openhagener Kriterien. Dabei handelt es sich um poli-

ische Kriterien wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und
enschenrechte, wirtschaftliche Kriterien wie soziale
arktwirtschaft sowie die Umsetzung von EU-Normen,

lso die Übernahme des Acquis communautaire.

Die Position der FDP ist ganz klar: Es gibt keine zu-
ätzlichen Kriterien. Religion ist kein Kriterium. Für uns
st die Einhaltung der Kopenhagener Kriterien entschei-
end, wenn es um die Frage geht, ob wir Beitrittsver-
andlungen mit einem Land aufnehmen. Das steht so
uch explizit im Koalitionsvertrag; das ist gut und rich-
g.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn man sich die Situation in den verschiedenen
ändern des Westbalkans anschaut, stellt man fest, dass
ine Einzelfallbetrachtung notwendig ist. Jedes dieser
änder hat den Status eines potenziellen Beitrittskandi-
aten. Mazedonien ist mit Sicherheit am weitesten. Spä-
estens Anfang 2010, wenn nicht schon jetzt im Dezem-
er in der Ratssitzung in Brüssel, wird dieses Thema
och einmal auf der Tagesordnung stehen. Für uns ist
lar: Wir wollen, dass Mazedonien und Griechenland
en Namensstreit beilegen. Slowenien und Kroatien ha-
en ein gutes Beispiel dafür geliefert, wie man das ma-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 665


(A) )



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Oliver Luksic
chen kann. Sowohl Mazedonien als auch Griechenland
müssen jetzt europäisch denken und europäisch handeln.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Albanien und Montenegro haben den Antrag auf EU-
Mitgliedschaft gestellt, sind aber noch nicht ganz so
weit. Montenegro ist, was die ökonomischen und die
politischen Kriterien angeht, vielleicht ein Stückchen
weiter als Albanien. Was Albanien betrifft, sind wir
skeptisch, ob die Avis-Aufforderung an die Kommission
seitens des Rats richtig war. Serbien, Bosnien-Herzego-
wina und das Kosovo müssen die Vergangenheit auf-
arbeiten und vor allem mit dem Internationalen Strafge-
richtshof kooperieren.

Aus Sicht der FDP-Fraktion brauchen wir ganz klar
eine Einzelfallprüfung. Wir dürfen die Länder des West-
balkans nicht alle über einen Kamm scheren. Deswegen
können wir dem Antrag der SPD leider nicht zustimmen.
Das Prinzip des Geleitzuges sehen wir kritisch: Ein Zug,
bei dem alle zusammengefasst werden sollen, fährt spät
ab und kommt langsam zum Ziel, weil der Langsamste
das Tempo bestimmt. Ich glaube, es ist besser, wenn je-
des Land allein abfährt. Ich würde das „Regattaprinzip“
nennen. Das ist sachgerechter.

Lassen Sie mich abschließend sagen – ich glaube, das
sehen alle Fraktionen im Europaausschuss ähnlich –,
dass nicht nur, was Mazedonien angeht, sondern auch,
was Island angeht, bevor die Bundesregierung in Brüssel
grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlun-
gen gibt, hier im Deutschen Bundestag darüber debat-
tiert werden muss. Ich glaube, es ist wichtig, dass, bevor
in Brüssel entschieden wird, die deutsche Öffentlichkeit
und wir hier im Bundestag dies diskutieren. Das ist der
Auftrag, den uns der Vertrag von Lissabon gibt, und da-
für steht die FDP-Fraktion.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700914400

Herr Luksic, auch für Sie war das die erste Rede hier

im Parlament. Wir gratulieren Ihnen dazu und wünschen
für die weitere Arbeit alles Gute.


(Beifall – Abgeordnete der FDP gratulieren dem Abg. Oliver Luksic [FDP])


Marieluise Beck spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grü-
nen.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich würde mich in der Tat freuen, wenn dieser Antrag
ein Aufschlag wäre für dieses Haus, in dieser Legislatur-
periode mit etwas mehr Verve und Engagement – – Oh,
da muss erst das Gratulieren zu Ende gehen; da ist noch
ein Defilee im Gange.

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(C (D Das nennt man normalerweise Wandelprozession. Ich toppe so lange Ihre Redezeit. Marieluise Beck RÜNEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700914500
Wunderbar.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700914600

So, Frau Beck, bitte.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN):
Herr Kollege, wenn Sie ab jetzt mit dabei sind, or-

entlich Dampf zu machen, dass auch in diesem Haus
ber Südosteuropa mit mehr Ernsthaftigkeit gestritten
ird, bin ich sehr froh darüber.

Ich glaube, dass der Balkan drohte, in Vergessenheit
u geraten, weil es in letzter Zeit keine offene Gewalt
ab, weil keine wirklich großen Schwierigkeiten sicht-
ar waren. Die ganze Region ist deswegen ein wenig in
en Schatten geraten.

Wir haben nicht das Verständnis, dass die Europäi-
che Union ohne Südosteuropa ein Torso wäre. Die Per-
pektive ist eher: Gut, wenn sie sich bemühen, dann wol-
en wir sie dabei unterstützen, beizutreten. Wir alle
üssen die Perspektive umkehren: Es liegt in unserem

nteresse, dass Südosteuropa zu einem Teil der Europäi-
chen Union wird.

Daher sollten wir – das fehlt mir in Ihrem Antrag,
iebe Kollegen von der SPD; da ist er mir ein bisschen zu
latt – schauen, was wir, die Europäische Union, selbst
ür Fehler gemacht haben.

Der historische Grund für die Gründung der Europäi-
chen Union ist die Überwindung des Nationalismus ge-
esen. Dennoch erleben wir, dass der Nationalismus
och heute und selbst in reifen EU-Ländern in einer
eise zum Vorschein kommt, wie man es rational kaum
ehr verstehen kann. Ich denke da an den Namensstreit

wischen Griechenland und Mazedonien. Wie kann es
ein, dass ein reifes EU-Land wie Griechenland, das
urch die EU sehr wohl gute Perspektiven hat und, wie
ir gelernt haben, die weitaus höchsten Nettoeinnahmen

us dem EU-Haushalt bezieht, ein kleines Nachbarland
ie Mazedonien, bei dem es ja wohl keine Angst haben
uss, dass es von ihm angegriffen werden könnte, der-
aßen an der Gurgel hält, dass der Beitritt Mazedoniens

um Halt gebracht wird? Es ist unglaublich. Weshalb
ibt es nicht genug Kraft innerhalb der Europäischen
nion, diesem Mitglied Griechenland zu bedeuten, dass
iese Art von nationalistischer Politik nicht zum Geist
er Europäischen Union gehört?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dietmar Nietan [SPD])


Wir wissen, dass Mazedonien ein fragiles Land ist. Es
at mit inneren Spannungen zu kämpfen, und es war
roßartig, dass verhindert werden konnte, dass dort, an-
ers als in anderen südosteuropäischen Ländern, ein hei-

666 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Marieluise Beck (Bremen)

ßer Krieg ausgebrochen ist. Auch ein Grenzstreit wie
zwischen Slowenien und Kroatien sollte in EU-Ländern
nationaler geregelt werden.

Wir müssen sehr deutlich machen: Die Aufnahme in
die Europäische Union bedeutet auch die Aufgabe von
Souveränität. Wer in die Europäische Union geht, der
will nicht nur Zugang zu Ressourcen und zu Unterstüt-
zung haben, sondern der will sich auch diesem europäi-
schen Projekt verpflichten, und das bedeutet Souveräni-
tätsübertragung. All diese seminationalen Konflikte, die
innerhalb der Länder des Westbalkan schmoren, müssten
zur Seite geschoben werden, wenn wirklich die Über-
zeugung vorhanden ist, dass man zur EU als eine Werte-
gemeinschaft gehören will, die sich der Überwindung
des Nationalismus verschrieben hat.

Das ist die Messlatte, die neben dem Acquis
communautaire für die Länder gelten muss, die an die
Tür der EU klopfen, und das muss auch die Messlatte für
uns sein. Wir wollen den Nationalismus überwinden.
Spätestens mit dem Zerfall Jugoslawiens ist es uns noch
einmal vor Augen geführt worden, welch unglaubliches
Gift dies ist und welches Leid durch den Nationalismus
auch über die Menschen in einem modernen Europa ge-
bracht werden kann.

Lassen Sie uns also darauf beharren: Es geht um die
Überwindung des Nationalismus. Wir sollten uns mit al-
ler Kraft darum bemühen, dass diese Gedanken in dieser
Legislaturperiode von diesem Hause aus auch nach Süd-
osteuropa getragen werden.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700914700

Als Nächstes spricht der Kollege Gunther Krichbaum

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Gunther Krichbaum (CDU):
Rede ID: ID1700914800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir feiern in diesem Jahr 60 Jahre Grundgesetz und
20 Jahre Mauerfall. Für uns ist es eine pure Selbstver-
ständlichkeit, in rechtsstaatlichen Verhältnissen, in Frie-
den und in Demokratie zu leben. Wir vergessen aber
allzu häufig, dass es keine 20 Jahre her ist, dass wir in
Europa noch ganz andere Verhältnisse und im Herzen
von Europa einen fürchterlichen Krieg hatten, der
schließlich im Zerfall eines ganzen Landes mündete, im
Zerfall des ehemaligen Jugoslawien.

Umso wichtiger ist es, dass die Staaten des ehemali-
gen Jugoslawien eine Perspektive zum Beitritt in die
Europäische Union erhalten, weil diese Beitrittsperspek-
tive wiederum friedensstiftend, aber auch stabilisierend
wirkt. Wir vertreten diese Beitrittsperspektive nicht erst
seit der Thessaloniki-Agenda, sondern bereits seit dem
Europäischen Rat in Feira im Jahre 2000; der EU-Gipfel

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(C (D n Thessaloniki war drei Jahre später. Auch Günter erheugen selbst hatte diese Beitrittsperspektive als daaliger Erweiterungskommissar nochmals untermauert, ls er dann, wie Sie wissen, das sechsstufige Verfahren ntwickelte. Abermals bekräftigt wurde dies letztes Jahr uf dem Europäischen Rat. In dem Antrag der SPD werden deshalb pure Selbsterständlichkeiten betont. Wir alle sind uns einig, dass iese Länder eine EU-Beitrittsperspektive haben müsen. Deswegen ist die nochmalige Erwähnung in dem ntrag – milde gesagt – überflüssig. Seit dieser Zeit sind verschiedene Unterstützungsaßnahmen ergriffen worden, die heute im sogenannten PA-Programm, in den Heranführungsbeihilfen zusamengefasst sind. Wir haben ein Interesse daran, dass iese Länder fit gemacht werden für die Europäische nion. Die Europäische Union hat sich ebenfalls über den ertrag von Lissabon fit für künftige Erweiterungen geacht; denn jetzt sind die institutionellen Voraussetzun en hierfür geschaffen worden, die wir mit dem Vertrag on Nizza nicht gehabt hätten. Es gilt – verschiedene Kollegen haben bereits darauf ingewiesen – das Prinzip der „Own Merits“, also das rinzip der eigenen Verdienste. Auch dazu sagt der An rag der SPD-Fraktion überhaupt gar nichts. Es liegt icht nur an der EU und deren Wohlwollen, sondern es üssen sich auch die Staaten selbst bewegen. Kraft ihrer igenen Fortschritte bestimmen sie letztlich das Erweiteungsdatum und haben es deswegen selbst in der Hand. Die Richtigkeit dieses Aufeinanderzugehens hat sich eispielsweise bei der Visafreiheit, die wir für Serbien, ür Montenegro und Mazedonien ab dem 19. Dezember inführen, bewahrheitet. Ich bin sicher, dass bald auch osnien und Albanien die Voraussetzungen erfüllen und azukommen werden. Das ist wichtig für die jungen Menschen. Frau Beck on der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat dies noch inmal betont. Es ist wichtig, dass wir diese jungen enschen in die Europäische Union reisen lassen. Nur as hilft, den Nationalismus zu überwinden. Ich erinnere an eine Präsidentenwahl in Serbien. Als ich der nationalistische Nikolic und der pro-europäische adic gegenüberstanden, hat die junge Bevölkerung icht Tadic, sondern mehrheitlich Nikolic gewählt. Waum? Weil wir die jungen Menschen nicht haben reisen assen. Wir haben sie nicht in die Europäische Union hieingelassen. Dieser Anachronismus wird jetzt Gott sei Dank beseiigt. Ich möchte keine Ausführungen zu Bosnien-Herzegoina machen, weil Herr Kollege Beyer hierauf schon Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 667 Gunther Krichbaum eingegangen ist. Es sollten aber noch einige Bemerkungen zu den übrigen Ländern gemacht werden. Kroatien steht an der Schwelle zur Europäischen Union. Dennoch bleibt noch viel zu tun, Stichwort Korruptionsbekämfpung. Der EU-Fortschrittsbericht nennt erhebliche Fortschritte. Es darf aber auch daran erinnert werden, dass verschiedene Kollegen aus dem Bundestag, aber auch aus dem Europäischen Parlament durch die Benennung von fragwürdigen Vorgängen und aufgrund der nachfolgenden Meldungen bei der Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF dafür gesorgt haben, dass – einhergehend mit einer Medienberichterstattung – Druck in Richtung Regierung entstanden ist. Deshalb sind weitere Fortschritte erforderlich; denn die Korruption betrifft die Ärmsten der Armen. Auch das sei immer wieder gesagt. Korruptionsbekämpfung ist kein Selbstzweck; denn Korruption benachteiligt diejenigen, die in den fragwürdigen Überbietungswettbewerb nicht eintreten können und deswegen die eigentlichen Opfer von Korruption sind. Noch ein klärendes Wort zu Mazedonien und Griechenland. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Namensstreit ist bizarr. Was Griechenland angeht, so muss man sich schon der Sprache der Diplomatie bedienen, um höflich zu bleiben. Seit dem Jahr 1981, seit dem Beitritt Griechenlands, ist Griechenland der größte Zahlungsempfänger innerhalb der Europäischen Union. Griechenland hat von diesen finanziellen Transferleistungen immer wieder profitiert und somit auch von der Solidarität der Europäischen Union. Als Bleistift und Radiergummi herausgeholt wurden, um die Maastricht-Kriterien zumindest auf dem Papier zu erfüllen, blieben andere Konsequenzen aus. Die Geduld innerhalb der Europäischen Union wurde jedoch damals strapaziert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(A) )


(B) )


Die Geduld ist aber nicht unendlich. Wir erwarten,
dass bilaterale Streitigkeiten nicht auf die Ebene der EU
hochgehieft werden und damit für Belastungen sorgen.
Deutliche Worte gilt es auch in Richtung Mazedonien zu
sagen. Mazedonien wäre gut beraten, Provokationen in
Richtung seines südlichen Nachbarn zu unterlassen, weil
dies nicht dem Geist Europas entspricht und damit einer
Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht gerade
zuträglich ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung zu Serbien.
Serbien belegt in einem Ranking von Transparency In-
ternational gegenwärtig den 83. Rang, eingerahmt von
Trinidad und Tobago sowie El Salvador. Serbien ist ein
Schlüsselland der Region. Wir wollen, dass Serbien in
die Europäische Union kommt.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700914900

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

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(C (D Unser Appell zielt deshalb darauf, dass wir auf die erbische Regierung einwirken, alles in Richtung Koruptionsbekämpfung zu tun. Abschließend möchte ich noch eine Bemerkung zum ntrag machen. Es wäre schön gewesen, wenn zwei age nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon uch einige Worte zur Rolle der nationalen Parlamente efunden worden wären. Denn wir haben bei künftigen rweiterungen ein entscheidendes Wort mitzusprechen. Herr Kollege. In diesem Sinne können wir dem Antrag leider nicht ustimmen, auch wenn er die richtige Richtung einchlägt. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Gunther Krichbaum (CDU):
Rede ID: ID1700915000
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700915100
Gunther Krichbaum (CDU):
Rede ID: ID1700915200


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700915300

Damit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
raktion der SPD auf Drucksache 17/106 mit dem Titel
Die EU-Perspektive der südosteuropäischen Staaten
lbanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Makedo-
ien, Montenegro und Serbien verstärken“. Wer stimmt
ür diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
en? – Damit ist der Antrag abgelehnt bei Zustimmung
urch die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grü-
en. Die übrigen Fraktionen haben dagegen gestimmt.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 9 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna-
tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in

(International Security Assistance Force, ISAF)

auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und
folgender Resolutionen, zuletzt Resolution
1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen

– Drucksachen 17/39, 17/111 (neu)

Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Rainer Stinner
Jan van Aken
Kerstin Müller (Köln)


– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 17/139 –

668 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Carsten Schneider (Erfurt)

Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Sven Kindler

Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktio-
nen der SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen
vor. Über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der
Bundesregierung werden wir, wie Sie wissen, später na-
mentlich abstimmen.

Zwischen den Fraktionen ist es verabredet, zu diesem
Tagesordnungspunkt eineinviertel Stunden zu debattie-
ren. – Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem
Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle.

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-
ginnen und Kollegen! Seit der Einbringung des Antrages
der Bundesregierung in der ersten Beratung hat Präsi-
dent Obama die von uns seinerzeit bereits erwartete
Rede gehalten und seine Erwartungen und sein Konzept
vorgestern vorgetragen. Das ist zweifelsohne eine be-
deutsame Rede, auch für unsere Entscheidung. Deswe-
gen erlaube ich mir, gegen die üblichen Gewohnheiten
auch in der zweiten bzw. dritten Beratung noch einmal
das Wort zu ergreifen.

Ich werde nicht noch einmal auf das Bezug nehmen,
was wir schon in der ersten Beratung gemeinsam bespro-
chen haben. Die Gründe, warum die Bundesregierung
der Auffassung ist, dass das ISAF-Mandat verlängert
werden sollte und dass unsere Mission in Afghanistan
nicht nur den Menschen in Afghanistan dient, sondern
auch unserer eigenen Sicherheit, sind bereits ausge-
tauscht worden.

Präsident Obama hat zweifelsohne eine wichtige
Rede gehalten. Er hat sich auch die Zeit genommen,
diese Rede und seine Strategie zu erarbeiten. Ich möchte
hinzufügen: Auch wir werden uns in Deutschland die
Zeit nehmen, das, was in dieser Rede gesagt worden ist,
auszuwerten und selbstverständlich auch mit unseren
Verbündeten zu besprechen.

Ich möchte nach der Diskussion im Auswärtigen Aus-
schuss noch einmal mit Nachdruck sagen: Wir werden
selbstverständlich nicht nur mit den Verbündeten reden,
sondern auch mit dem Parlament. Wir wollen mit allen
Fraktionen das Gespräch suchen, wie wir es im Auswär-
tigen Ausschuss verabredet haben. Das versteht sich von
selbst.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich sehe die Haltung, die wir als Bundesregierung
vertreten haben, durch die Rede von Präsident Obama
vor allen Dingen darin bestärkt, dass auch wir uns inner-
halb dieser deutschen Legislaturperiode eine Abzugsper-
spektive erarbeiten wollen. Wir wollen das in den nächs-
ten Jahren. Es deckt sich mit dem Willen von Präsident

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(C (D bama, dass durch die richtige Politik eine Abzugsperpektive erarbeitet wird und auch in Sicht kommt. eswegen ist es sehr wichtig, festzuhalten, dass auch unere Verbündeten dieser Auffassung sind. Das ist ein insatz, der ein Ziel hat, nämlich das Ziel der selbsttraenden Sicherheit in Afghanistan. Es ist kein Einsatz als elbstzweck. Wir wollen, dass eine Abzugsperspektive rarbeitet wird, weil niemand in diesem Hause diesen insatz für die Ewigkeit möchte. Wir wollen, dass das or der Abstimmung über die Verlängerung dieses Manats klar ist. Es ist wichtig – auch das hat Präsident Obama in seier viel beachteten Rede unterstrichen –, dass es keine ilitärische Lösung geben wird. Was es geben wird, ist ine politische Lösung, die militärisch unterstützt wird. as ist ein fundamentaler Unterschied zu Teilen der öf entlichen Diskussion. eswegen setzt die Bundesregierung einen Schwerpunkt eim zivilen Aufbau. Wir sind bereit – das sagen wir uch unseren Verbündeten –, mehr beim zivilen Aufbau u tun. Wer will, dass eine Abzugsperspektive in Sicht ommt, muss mehr für die selbsttragende Sicherheit tun nd seinen Beitrag dazu leisten, dass Polizei in Afghaistan selbst ausgebildet wird und über eine vernünftige rbeitstechnik verfügt. Das ist es, worum es in Afghaistan geht: um eigene Sicherheitsstrukturen in Afghaistan. err Kollege Trittin, um vorab auf Ihre Einwände zu ntworten: Ich sagte, dass das ein Schwerpunkt wird. as ist eine klare Aussage der Bundesregierung. Ich age hier nicht ohne Grund, dass wir einen Schwerpunkt uf diesen Bereich legen möchten. Ich habe oft genug in rüheren Debatten genauso wie Sie auf dieses Thema ingewiesen. Es ist aus unserer Sicht aber auch notwendig, dass wir uf die Afghanistan-Konferenz hinweisen. Sie wird mutaßlich am 28. Januar nächsten Jahres in London statt inden. Es wird mutmaßlich weitere Konferenzen geben, utmaßlich auch in Kabul. Das entspricht natürlich der otwendigkeit und der Erkenntnis, dass wir schließlich emeinsam mit Afghanistan eine Lösung erarbeiten wolen. Es ist aber aus Sicht der Bundesregierung auch ichtig, darauf hinzuweisen, dass es zuallererst um stra egische Diskussionen geht und dass die bevorstehende fghanistan-Konferenz keine Truppenstellerkonferenz st. Diese Afghanistan-Konferenz muss vielmehr Ziele efinieren. Sie muss auch strategische Diskussionen fühen und Analysen vornehmen. Dann geht es um alles eitere. Zuerst eine Debatte zu führen, in der es nur och darum geht, um wie viele Soldaten aufgestockt erden soll oder nicht, ist die falsche Reihenfolge. Zu rst geht es um Ziele, Konzepte und eine gemeinsame trategie. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 669 )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(A) )


Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
Ich möchte Ihnen vor dem Hintergrund, dass heute
Abend das NATO-Außenministertreffen in Brüssel be-
ginnen wird, versichern – es wird nächste Woche fortge-
setzt; es gibt verschiedene Debatten am morgigen Tag,
auch im Bündnis; auf Einladung der amerikanischen
Seite wird es mehrere Gespräche am Rande dieser Bera-
tungstage in Brüssel geben –: Mir ist es wichtig – das
sage ich insbesondere an die Adresse der Opposition, die
ein Recht darauf hat, das zu erfahren –, dass Sie sicher
sein können, dass es jetzt zuerst um eine gemeinsame
strategische Erörterung gehen wird. Es wird nicht so
sein, dass wir nach der anstehenden Abstimmung heute
Abend nach Brüssel fahren und dort Zusagen über Kon-
tingente machen. Es gilt, was ich hier gesagt habe. Die
Afghanistan-Konferenz ist nicht ohne Grund von
Deutschland, Frankreich und Großbritannien initiiert
worden. Sie ist für uns der richtige Ort für die strategi-
sche Diskussion. Sie können sich darauf verlassen, dass
ich diese Linie im Bündnis heute Abend und morgen
beim NATO-Außenministertreffen verbindlich für unser
Land vertreten werde.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700915400

Hans-Ulrich Klose hat das Wort für die SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1700915500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Die Entscheidung, die wir heute zu treffen ha-
ben, ist keine Routineentscheidung und darf es auch
nicht sein. Wir müssen uns jedes Mal der Gründe verge-
wissern, warum wir in Afghanistan sind und bleiben
wollen. Ich wiederhole sie: einmal, weil seinerzeit ein
deutscher Bundeskanzler nach den Anschlägen von 9/11
den Amerikanern uneingeschränkte Solidarität verspro-
chen hat – ich gebe zu, ich habe damals bei dem Adjek-
tiv „uneingeschränkt“ etwas gezuckt, aber ich habe nicht
widersprochen –, zum anderen, weil die deutsche Bun-
desregierung auf der von ihr organisierten Petersberg-
Konferenz dem afghanischen Volk Hilfe bei der Stabili-
sierung und beim Wiederaufbau des Landes versprochen
hat, und weil ich glaube, dass Peter Struck mit seinem
Wort, dass wir am Hindukusch auch unsere Sicherheit
verteidigen, recht hatte; denn jeder weiß: Würden wir
von heute auf morgen von dort abziehen, wären in sechs
Wochen die Taliban wieder dran, und dann wäre Afgha-
nistan wieder ein Safe Haven für Terrorismus. Das wol-
len wir nicht.

Weil das so ist, wird die sozialdemokratische Fraktion
der Verlängerung des Mandats mit großer Mehrheit zu-
stimmen. Dennoch sind dieses Mal einige Besonderhei-
ten zu bedenken: erstens die Präsidentenwahl in Afgha-
nistan. Dabei hat es Unregelmäßigkeiten gegeben, die
weit über das normale Maß hinausgehen. Karzai ist, vor-
sichtig formuliert, ein umstrittener Präsident auch in
Afghanistan. Ich möchte nicht so weit gehen, ihn als Teil
des Problems zu bezeichnen, aber von Good Governance

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(C (D st Afghanistan weit entfernt. Mangelnde Effizienz und rassierende Korruption sind die Stichworte, die die age richtig beschreiben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zweitens der Vorfall in Kunduz; denn das Bombarde-
ent der Tanklastfahrzeuge in der Nacht vom 3. auf den

. September hat das Bild der Bundeswehr in Afghanis-
an, aber auch hier bei uns verändert. Es gibt eine Viel-
ahl von Fragen, mit denen sich der Verteidigungsaus-
chuss als Untersuchungsausschuss beschäftigen wird.
ie betreffen nicht nur den Bereich des Verteidigungsmi-
isteriums, die Frage also, wann wer von wem infor-
iert worden ist; sie gelten vor allem dem Vorfall selbst,
ill sagen: Es geht um die Frage, ob die Bombardierung

in Fehler war oder doch nötig, gerechtfertigt oder ange-
essen. Vor allem um diese Fragen muss sich der Unter-

uchungsausschuss kümmern, weil wir, das deutsche
arlament, wissen müssen, wie die Parlamentsarmee
undeswehr im konkreten Fall in Afghanistan agiert.
abei muss auch die Bundeswehr ausreichend zu Wort
ommen, vor allem der Offizier, der den Befehl gegeben
at. Er steht im Zentrum der Kritik, und deshalb ist es
ichtig, seine Lageeinschätzung und seine Motivation
ennenzulernen. Vorverurteilungen sollten wir tunlichst
nterlassen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Drittens. Zu bedenken ist aber auch, was Präsident
bama am 1. Dezember zur neuen amerikanischen
fghanistan-Strategie gesagt hat. Es war, wie immer,

ine eindrucksvolle Rede, über die ich, um ehrlich zu
ein, gleichwohl nicht glücklich bin: zum einen, weil ich
as Gefühl habe, die Rede sei mehr der amerikanischen
nnenpolitik geschuldet als der konkreten Lage in
fghanistan, zum anderen, weil die neue amerikanische
trategie immer noch zu sehr auf militärische Mittel,
ehr Soldaten setzt, obwohl wir doch alle wissen, dass

er Konflikt in Afghanistan mit militärischen Mitteln al-
ein nicht zu lösen ist. Zugegeben, der Präsident hat auch
ber eine zivile Strategie gesprochen, und von Partner-
chaft mit Pakistan in diesen Punkten ist die Rede, aber
ach meinem Dafürhalten sehr allgemein und sehr
napp. Etwas genauer hätte ich es schon ganz gern ge-
ört. Mit welchen militärischen Mitteln will man die
omentum genannte Wende im Kampf gegen die Tali-

an denn herbeiführen? Von wem und in welcher Zeit
ollen wie viele afghanische Soldaten und Polizisten
usgebildet werden, die nach anderthalb Jahren schritt-
eise die Verantwortung für ihr Land übernehmen sol-

en? In welcher Weise sollen die regionalen Führer in die
tabilisierungsbemühungen einbezogen werden? Sie
üssen es! Genügt die Partnerschaft mit Pakistan, oder
üssen auch andere Nachbarländer in die Stabilisie-

ungsbemühungen eingebunden werden? Vielleicht In-
ien? Ganz sicher Iran und die nördlichen Nachbarn.
uch Russland und China?

Ich bin nicht glücklich, weil ich finde, die neue Stra-
egie der USA hätte vorher mit den Alliierten bespro-
hen werden müssen, und zwar im NATO-Rat, zumal

(B)


670 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Hans-Ulrich Klose
der Präsident die NATO-Relevanz seiner Entscheidung
ausdrücklich und mehrfach betont hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich weiß, der Präsident hat unter anderem die Bundes-
kanzlerin einige Stunden vor seiner Rede über deren In-
halt informiert. Das reicht aber nicht aus. Besser wäre es
gewesen, die Verbündeten in diesen Entscheidungspro-
zess einzubeziehen, damit aus der amerikanischen eine
solidarische NATO-Entscheidung wird. Wer allein ent-
scheidet und dann erwartet, dass die Verbündeten liefern,
mehr Soldaten vor allem, der plädiert in Wahrheit für ein
militärisches Weiter-so in einer Koalition der Willigen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das habe ich immer, auch hier in diesem Hause, kriti-
siert, und ich kritisiere es auch heute. Antiamerikanische
Motive wird man mir dabei nicht unterstellen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wahr!)


Ich bin für amerikanisches Leadership, füge aber
hinzu: Es wäre hilfreich, wenn die Verbündeten gefragt
würden, bevor in Washington über eine neue Strategie
entschieden wird. Weil ich das so sehe, unterstütze ich,
Frau Bundeskanzlerin, ausdrücklich die Position der
Bundesregierung, die ihre Afghanistan betreffenden Ent-
scheidungen erst nach dem 28. Januar 2010, also nach
der Strategiekonferenz in London, treffen will. Ich be-
tone übrigens: Strategiekonferenz, keine Truppensteller-
konferenz.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Im Übrigen verweise ich auf den Entschließungsan-
trag der SPD-Bundestagsfraktion. Ich gehe davon aus,
dass dieser Antrag wie üblich in die Ausschüsse über-
wiesen wird. Das ist gut so, weil es uns Gelegenheit gibt,
uns um die Details einer verbindlichen Roadmap zu
kümmern und Einfluss zu nehmen auf die erwähnte
Konferenz in London. Das Parlament ist dort nicht ver-
treten – leider. Die Bundesregierung wäre jedoch gut be-
raten, auf die Stimmen des Parlamentes, auch die der
Opposition, zu hören.

Zum Schluss. Zwei der drei heutigen Oppositions-
fraktionen haben in den vergangenen sieben bzw. elf
Jahren aufseiten der Regierung über wichtige Afghanis-
tan betreffende Fragen mit entschieden. Die SPD-Frak-
tion steht zu der Verantwortung, die sie dadurch über-
nommen hat, auch in der Opposition.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Thomas Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700915600

Der Kollege Dr. Andreas Schockenhoff hat das Wort

für die CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1700915700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

gen! In Afghanistan ist kein Erfolg allein mit militäri-

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(C (D chen Mitteln zu erzielen. Das sagen wir in fast jeder ede zu diesem Thema. Zu oft wird dabei aber verges en: In Afghanistan ist auch kein Erfolg ohne militäriche Mittel zu erzielen. Wir alle sind uns einig in der nerkennung der Tragweite unserer Entscheidung, deut che Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Wir alle nerkennen die Verantwortung, die wir damit übernehen, und wir alle sind uns darin einig, dass wir uns diese ntscheidung nicht leicht machen dürfen und dass uns iese Entscheidung durch die Ereignisse und Entwickungen in Afghanistan alles andere als leicht gemacht ird. Ich will mich auch auf die Rede von Präsident Obama n West Point beziehen. Er hat gesagt: „Afghanistan ist icht verloren, aber es hat sich seit einigen Jahren zuückbewegt.“ Eine radikale Allianz aus religiösen Fanaikern, regionalen Aufständischen und Terroristen hat ie Sicherheitslage in vielen Landesteilen verschlechtert. orruption und Drogenkriminalität zehren weiter wie in Krebsgeschwür am Körper des afghanischen Staates, nd die Umstände der Wiederwahl Präsident Karzais haen diese nicht gerade zu einem Jubelfest der Demokraie gemacht. Ich sage ganz offen: Ich verstehe jeden, em unser Engagement in Afghanistan Kopfschmerzen ereitet. Ich verstehe jeden, der sich fragt, ob wir hier uf dem richtigen Weg sind, und ich verstehe jeden, der iesen Einsatz lieber heute als morgen beendet sehen ill. Mir geht es auch so. Aber ich sagte schon, wir sind ns der Verantwortung bewusst, die wir mit dieser andatserteilung übernehmen, und dazu gehört die Er enntnis, dass es zu diesem Mandat, zu diesem Einsatz nserer Soldatinnen und Soldaten, keine vernünftige Alernative gibt. Ich weiß, einige in diesem Haus sehen das nders. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Das stimmt, Herr Ströbele. Aber, Herr Ströbele, Sie
ollten sich fragen: Wer würde die Aufbauhelfer schüt-
en, wenn die Soldaten plötzlich abzögen? Wer würde
afür sorgen, dass die gebauten Brücken nicht wieder
esprengt, die neu gebauten Schulen nicht wieder ge-
chlossen würden, die neu erlangten Freiheiten nicht
ieder einkassiert würden? Wer würde das Erreichte ab-

ichern, und wer würde künftige Weiterentwicklungen
rmöglichen?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


ie afghanischen Sicherheitskräfte jedenfalls sind dazu
och nicht in der Lage. Das ist nicht nur unsere Analyse,
o sagt es auch die afghanische Regierung, und es ist vor
llem auch die Auffassung der Mehrheit der Menschen
n Afghanistan.

Ich bin der Kollegin Marieluise Beck dankbar, dass
ie einen Brief afghanischer Frauen an uns alle weiterge-
eitet hat. In diesem Brief heißt es:

Der Abzug der deutschen Truppen würde einen her-
ben Rückschlag in Bezug auf sämtliche Entwick-
lungen bedeuten, die stattgefunden haben.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 671

)


(B) )


Dr. Andreas Schockenhoff
Und weiter:

Deshalb möchten wir die internationale Gemein-
schaft und insbesondere die Bundesrepublik
Deutschland ermuntern und um ein langfristiges
Engagement in unserem Land bitten. Auf Ihren
Beitrag – militärisch wie zivil – kommt es an, damit
wir die Chance auf eine friedliche, demokratische
Zukunft erhalten.

– So weit die afghanischen Frauen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir haben
ein klares politisches Interesse an einer solchen friedli-
chen, demokratischen Entwicklung in Afghanistan.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür führen wir Krieg!)


Wir haben ein Interesse daran, dass das afghanische
Volk nicht wieder zur Geißel einer Gewaltherrschaft
wird, die die Gewalt auch nach außen trägt.

Spätestens seit dem 11. September 2001 wissen wir,
dass die Sicherheit und die Stabilität Afghanistans mit
unserer Sicherheit verbunden sind. Wir wissen auch,
dass sich eine Destabilisierung Afghanistans unweiger-
lich auf dessen Nachbarland Pakistan und damit auf die
ganze Region ausweiten würde.

Stellen wir uns das doch einmal vor: Afghanistan
wird von der internationalen Schutztruppe sich selbst
überlassen, es versinkt erneut im Bürgerkrieg, al-Qaida
und die Taliban erstarken wieder, sie setzen ihre An-
griffe gegen den Nachbarstaat Pakistan mit doppelter
Härte und Brutalität fort, Pakistan als Nuklearmacht
stürzt ins Chaos, Indien wird sich gezwungen sehen, ein-
zuschreiten, und der Westen ist von einem erneuten
schrecklichen Terroranschlag bedroht.

Und noch etwas gibt es zu bedenken: Wenn die Mis-
sion von 43 Staaten, angeführt von den USA und der
NATO, die unter einem Mandat der Vereinten Nationen
Frieden und Stabilität in ein kleines unterentwickeltes
Land bringen soll, nach fast einem Jahrzehnt eines teu-
ren und aufopferungsvollen Engagements nicht Erfolg
hat, dann steht nicht nur die NATO vor einem Scherben-
haufen, dann können sich auch die Vereinten Nationen,
die diesen Auftrag mandatiert haben, auf Jahrzehnte hin-
aus von jeder Glaubwürdigkeit ihrer Friedensmissionen,
ja ihres ganzen Auftrags verabschieden. Das alles müs-
sen wir sehen.

Wir übernehmen mit unserer Entscheidung für dieses
Mandat Verantwortung für die Stabilität Afghanistans
und seiner Region, für die Zukunft seiner Menschen, die
sich ein Leben in Frieden wünschen, für die Sicherheit
der Menschen hier bei uns, für das Ansehen der NATO
und für die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen.

Für all diese Ziele müssen wir entschlossen einstehen,
und unsere Beteiligung am ISAF-Einsatz ist dafür ein
unerlässlicher Beitrag.

Meine Damen und Herren, auf der Afghanistan-Kon-
ferenz am 28. Januar wollen die ISAF-Partner gemein-
sam mit der afghanischen Regierung neue Ziel- und
Zeitvorgaben definieren. Maßgabe dabei wird sein, dass

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(C (D ie Afghanen mehr und mehr die Verantwortung für die tabilisierung ihres Landes und seinen Aufbau übernehen müssen, dass die Afghanisierung des Einsatzes vor ngetrieben werden muss. Wir wollen, dass dort konrete Ziele und überprüfbare Teilschritte vereinbart erden: für die wirtschaftliche Entwicklung, für die usbildung von Polizei und Armee, für die Bekämpfung on Korruption, Drogen und Kriminalität, für gute Reierungsführung, für die Achtung von Menschenrechten. n den nächsten fünf Jahren müssen auf all diesen Felern deutliche Fortschritte erzielt werden, um den interationalen Truppen zu ermöglichen, sich immer mehr urückzuziehen. Wir wissen noch nicht, was dies für unseren Anteil m ISAF-Einsatz bedeutet. Das ist der Grund – der Auenminister hat es gesagt –, warum wir das ISAF-Manat heute zunächst inhaltlich unverändert verabschieden ollen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um ein Jahr verlängern, Herr Kollege!)


ir wollen dem Ergebnis der Konferenz und den Konse-
uenzen, die daraus zu ziehen sein werden, in keiner
eise vorgreifen. Das ist die richtige Reihenfolge.

Eines aber ist klar – auch das hat der Außenminister
och einmal unterstrichen –: Es geht um die Schaffung
elbsttragender Sicherheit und Stabilität. ISAF und un-
ere afghanischen Partner müssen in den nächsten Jahren
ie Voraussetzungen für eine Übergabe der Verantwor-
ung von ISAF an die afghanischen Sicherheitskräfte
chaffen. Dies ist kein endloser Einsatz.

Meine Damen und Herren, ich wiederhole es: Ich
abe Respekt und Verständnis für alle Kolleginnen und
ollegen, die mit diesem Einsatz Schwierigkeiten ha-
en. Dies ist ein schwieriger Einsatz, und die Ereignisse
om 4. September zeigen, in welch schwierige Situatio-
en er unsere Soldaten führt. Da dürfen wir uns die Ent-
cheidung auch nicht leicht machen. Wir müssen diesen
insatz immer wieder neu bewerten.

Das Ergebnis dieser Bewertung fällt für mich heute
ber eindeutig aus: Es gibt keine verantwortbare Alter-
ative zu diesem Einsatz, nicht für Afghanistan und
eine Menschen und auch nicht für unsere Sicherheit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700915800

Jan van Aken hat das Wort für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700915900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie wer-

en gleich dafür stimmen, 4 500 deutsche Soldaten in
en Krieg zu schicken. Sie sagen es nur nicht. Sie reden
ier die ganze Zeit von Mandat, von Abzugsperspektive
auf das Wort muss man erst einmal kommen –, von
issionen, von Einsatz, als ob das Ganze eine Feuer-
ehrübung in Castrop-Rauxel wäre.

(A)


672 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Jan van Aken

(Heiterkeit bei der LINKEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Quatsch!)


Das ist es aber nicht. Es geht hier um einen Krieg. Die
Entscheidung, die Sie gleich im Bundestag treffen, wird
Menschenleben kosten, und das verschweigen Sie.


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihre auch!)


Wie weit dieses Ausblenden einer Kriegsrealität geht,
musste ich vor zwei Tagen in voller Breite und Tiefe er-
fahren. Da habe ich den Verteidigungsminister zu
Guttenberg gefragt, wie viele zivile Opfer es insgesamt
in den letzten Jahren durch die Bundeswehr in Afghanis-
tan gegeben hat. Er wusste es nicht.


(Zuruf von der LINKEN: Das interessiert ihn ja nicht!)


Auch die ganze Riege der Generäle, die hinter ihm saß,
wusste es nicht. Das interessiert Sie einfach nicht, wenn
in Ihrem Krieg unschuldige Zivilisten zu Tode kommen,


(Beifall bei der LINKEN)


es sei denn, es steht irgendwann einmal in der Bild-Zei-
tung.


(Joachim Spatz [FDP]: Unverschämtheit! – Dr. Rainer Stinner [FDP], an den Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE] gewandt: Herr Gehrcke, ist das Ihr Mann? Das kann doch nicht sein!)


Es geht hier auch nicht nur um die Bombenabwürfe in
Kunduz. Die beiden Tanklaster sind doch nur die Spitze
des Eisberges. Darunter liegen viele Tausende Tote. Ich
habe hier nur eine Zahl von den Vereinten Nationen für
Sie: In den letzten zweieinhalb Jahren sind in Afghanis-
tan 4 654 unschuldige Zivilisten bei Kampfhandlungen
getötet worden, ein Drittel davon von afghanischen und
westlichen Truppen.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist mit den anderen zwei Dritteln?)


Darin sind all die noch nicht eingerechnet, die im Krieg
an Unterernährung und Krankheit gestorben sind.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr zu Guttenberg, es reicht einfach nicht, dass Sie ei-
nen Krieg auch einen Krieg nennen. Sie müssen auch sa-
gen, welches Elend und welche Zerstörung dieser Krieg
jeden Tag in Afghanistan bedeutet.


(Beifall bei der LINKEN)


Ihre Soldaten wissen das ganz genau.

Ich möchte jetzt den Wehrbeauftragten der Bundesre-
gierung zitieren.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Des Deutschen Bundestages, nicht der Bundesregierung!)


Er hat immer einen sehr engen Kontakt zu den Soldaten.
Er hat neulich in einer Fernsehsendung etwas gesagt,

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(C (D as mir bis heute keine Ruhe lässt. Er sagte nämlich, bei einem letzten Besuch in Afghanistan hätten deutsche oldaten ihn bedrängt: Herr Robbe, wenn Sie wieder in erlin sind, dann sagen Sie doch bitte, dass im Moment ier keine Brunnen gebaut werden und auch keine Schun errichtet werden, sondern dass hier Krieg stattfindet. – as ist die Stimme der deutschen Soldaten in Afghanis an. Ich habe mir kurz überlegt, ob ich diesen Satz heute icht immer und immer wieder vorlesen soll: Sagen Sie och bitte, dass im Moment hier keine Brunnen gebaut erden und auch keine Schulen errichtet werden, sonern dass hier Krieg stattfindet. Wir müssen endlich aufhören, diesen Krieg als große ufbauaktion darzustellen. Wenn ich Ihnen heute hier uhöre, dann habe ich das Gefühl, Sie schicken Care-Paete nach Afghanistan und keine Soldaten. Wenn die eutschen Soldaten selber sagen, hier werde nichts aufebaut, dann müssen Sie auch einmal darauf hören. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Entwicklungselfer, die tagtäglich vor Ort sind. Sie sagen seit Jahren as Gleiche: Da, wo das Militär ist, können wir gar ichts aufbauen. – Erst gestern hat dazu CARE, eine der rößten internationalen Hilfsorganisationen, deutliche orte gefunden: In dem Moment, in dem wir gezwun en werden, mit dem Militär zusammenzuarbeiten, weren wir von den Menschen vor Ort nicht mehr akzepiert. Dieses Risiko können wir nicht eingehen. Deshalb ehmen wir kein Geld an, das uns zwingen würde, mit em Militär zusammenzuarbeiten. (Beifall bei der LINKEN – Joachim Spatz [FDP]: Das ist doch Quatsch!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Widerspruch bei der FDP)


Nehmen wir doch einmal einen Zeugen aus den Rei-
en der Bundeswehr. Der ehemalige Bundeswehrarzt
einhard Erös baut seit sieben Jahren in Afghanistan
chulen für Mädchen und Jungen,


(Joachim Spatz [FDP]: Ich denke, es werden keine mehr gebaut!)


nd zwar im Osten, wo die Amerikaner sind, also mitten
m Hauptkampfgebiet, mitten im Taliban-Gebiet. Was
agt er dazu? Ich habe neulich mit ihm in einer Talkshow
esessen, in der er gesagt hat: Die Voraussetzung dafür,
ass ich Schulen bauen und betreiben kann, ist, dass sich
as Militär heraushält. Die Amerikaner haben bei uns
ie strikte Vorgabe, an die sie sich auch halten: Kommt
nseren Schulen nicht zu nahe, Distanz vier bis fünf Ki-
ometer. – Das hat er militärisch präzise ausgedrückt.


(Zuruf von der FDP: Gilt das auch für die Taliban?)


err Erös sagte weiter: Verbindet Schulen nicht mit
estlichen Soldaten. Und das funktioniert mitten im Ta-

iban-Gebiet. – Das sind die Realitäten. Hören Sie end-
ich auf, hier Krieg als Wohltätigkeitsveranstaltung an-
upreisen!


(Beifall bei der LINKEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 673


(A) )



(B) )


Jan van Aken
Eine Frage habe ich die ganze Zeit: Warum über-
haupt, warum schicken Sie jetzt wieder 4 500 deutsche
Soldaten in den Krieg? In ihrem Antrag nennt die Bun-
desregierung dafür genau zwei Gründe. Der erste Grund
ist die Sicherheit Deutschlands, also Terrorbekämpfung.
Dabei wissen doch alle Militärs und auch Sie, Herr zu
Guttenberg, ganz genau, dass sich Terror nicht mit Krieg
bekämpfen lässt.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Gegenteil: Mit jedem einzelnen Bombenabwurf und
mit jedem einzelnen Toten in Afghanistan wächst der
Widerstand dort. Auch die internationalen Terrororgani-
sationen bekommen mehr und mehr Zulauf von jungen
Leuten.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Der zweite Grund, den Sie nennen, ist die Bündnis-
treue. Sie schreiben in dem Antrag, dem Sie gleich zu-
stimmen werden, als Begründung für den Kriegseinsatz:

Für die Bundesregierung ist es eine Frage der
Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit als Bündnis-
partner …

Wenn ich mir vorstelle, dass mir als Soldaten in Afgha-
nistan die Kugeln rechts und links um die Ohren fliegen
und mein oberster Dienstherr mir sagt: „Das machst du,
um die deutsche Bündnistreue zu demonstrieren“, dann
muss ich doch sofort den Dienst quittieren.


(Beifall bei der LINKEN – Birgit Homburger [FDP]: Waren Sie mal da?)


Nehmen Sie sich ein Beispiel an Kanada und Austra-
lien, die den Mut hatten, ihre Soldaten aus Afghanistan
abzuziehen. Nehmen Sie sich auch ein Beispiel am nie-
derländischen Parlament, das den Mut hatte, den Abzug
seiner Soldaten zu beschließen.


(Beifall bei der LINKEN)


Bringen auch Sie endlich den Mut auf, den Abzug der
deutschen Soldaten zu beschließen und jetzt endlich den
Weg zum Frieden einzuschlagen.

Die spannende Frage ist natürlich: Was ist der Weg
zum Frieden? Wie könnte er aussehen? Da muss man
das Rad gar nicht neu erfinden.


(Dr. Lutz Knopek [FDP]: Der Wähler wollte etwas anderes!)


Denn in jedem Krieg ist der allererste Schritt, den man
machen muss, um zum Frieden zu kommen, ein Waffen-
stillstand.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Mit wem eigentlich?)


Warum redet hier eigentlich niemand über Waffenstill-
stand?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der FDP)


Der kann natürlich scheitern. Aber ohne einen Waffen-
stillstand wird es niemals Frieden geben.

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(C (D (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Mit wem?)


as war in jedem Krieg so, und das ist auch im Afgha-
istan-Krieg so.

Also, Herr Westerwelle, wann fangen die Verhandlun-
en an? Wissen Sie jetzt schon, mit welchen lokalen
ührern Sie dann zusammenarbeiten wollen?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich würde Gregor Gysi hinschicken! Der hat das in Serbien auch schon versucht!)


aben Sie den Waffenstillstand schon auf die Tagesord-
ung der Afghanistan-Konferenz gesetzt?


(Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Mit wem?)


as darf doch keine Truppenstellerkonferenz, sondern
uss eine Friedenskonferenz werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir als Linke bleiben dabei: Wir lehnen diesen Krieg
b. Wir lehnen den Kriegseinsatz der deutschen Soldaten
b, und wir werden uns weiterhin im Bundestag und auf
er Straße für einen Waffenstillstand, für einen wirklich
ivilen Aufbau in Afghanistan und für einen endgültigen
rieden einsetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der SPD: Das machen wir auch!)


Vorhin hat ein Abgeordneter der CDU/CSU Immanuel
ant zitiert:

Der Friede ist das Meisterstück der Vernunft.

echt hat er. Aber der Krieg, den Sie jetzt gleich be-
chließen, ist das Meisterstück der Unvernunft.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland
eine Waffen mehr exportieren sollte. Ob wir nun deut-
che Soldaten oder deutsche Waffen in einen Krieg schi-
ken, beides ist falsch. Ich sage Ihnen: Wir werden keine
uhe geben, bis beides aufhört.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700916000

Jürgen Trittin hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die

rünen.


(Zuruf von der LINKEN: Jetzt kommt wieder „weder noch“!)



Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700916100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber

err Kollege van Aken, man kann ja unterschiedlicher
uffassung über diesen Einsatz sein und darüber so oder

o denken. Eines aber sollten Sie sich klarmachen: Egal
ie sich ein Mitglied dieses Hauses entscheidet, egal ob

r dafürstimmt, dagegenstimmt oder sich enthält, diese
ntscheidung hat so oder so Konsequenzen für das Le-

674 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Jürgen Trittin
ben von Soldatinnen und Soldaten, von Entwicklungs-
helfern sowie von Afghaninnen und Afghanen. Das Di-
lemma ist, dass es keine Entscheidung gibt, die wirklich
das erzeugt, was wir alle uns wünschen, nämlich dass
niemand in Gefahr kommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Es geht um eine Abwägung und in diesem Sinne um ge-
genseitigen Respekt.

Wir sollten es uns nicht einfach machen. In Afghanis-
tan geht es um einen Stabilisierungseinsatz im Auftrag
des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Wir haben
es nicht mit einer imperialistischen Invasion zu tun. Wir
haben es nicht mit dem Überfall der Sowjetunion auf
dieses Land zu tun, sondern mit einem Stabilisierungs-
einsatz im Auftrag der Vereinten Nationen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Es ist das Wesen eines solchen Stabilisierungseinsat-
zes, dass er nur dann erfolgreich sein kann, wenn man
den Grundgedanken, dass irgendein Problem auf dieser
Welt nur militärisch zu lösen ist, überwindet, aber
gleichzeitig weiß, dass die Stabilisierung von zerfallen-
den Gesellschaften nur in einem vernünftigen Zusam-
menwirken von Sicherheit – das beinhaltet auch militäri-
sche Sicherheit – und Entwicklung stattfinden kann. Es
geht dabei darum, dies unter dem Primat des Zivilen in
ein vernünftiges, ausgewogenes Verhältnis zu bekom-
men. So schafft man heute auf diesem Globus, in einer
komplizierteren Welt, Frieden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dazu gehört auch, dass man, wenn etwas schiefgeht,
wenn ein Fehler passiert, über diejenigen, die solche
Entscheidungen in Extremsituationen zu treffen haben,
nicht leichtfertig den Stab bricht; denn solche Fehler
können passieren. In Richtung der Bundesregierung sage
ich aber: Solche Fehler darf man nicht vertuschen; man
muss sie als Fehler benennen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Denn nur wenn man solche Angriffe wie den vom
4. September 2009 als Fehler benennt, haben wir ge-
meinsam die Chance, aus einem solchen Fehler zu ler-
nen und dafür Sorge zu tragen, dass sich solche Fehler
tunlichst nicht wiederholen. Bei Ihnen, Herr Bundesver-
teidigungsminister, Frau Bundeskanzlerin, vermisse ich,
dass Sie auf dem Stand des Wissens, das Sie heute ha-
ben, zugeben, dass es falsch war, wie an dieser Stelle
agiert wurde, und uns erklären, wie man das künftig an-
ders machen will.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir wissen, wie Sie, dass es ein einfaches Weiter-so und
ein Durchwursteln bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag

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(C (D icht geben wird. Deswegen brauchen wir – der Außeninister hat darauf hingewiesen – eine Abzugsperspek ive. Sie haben sich auf Präsident Obama berufen. Präsient Obama hat drei Elemente benannt: (Christine Buchholz [DIE LINKE]: 30 000 Truppen!)


ilitärische Aufstockung, mehr zivile Hilfe und ein kon-
retes Datum, an dem der Abzug beginnt. Das alles ha-
en Sie aber in Ihrem Mandat – und Sie berufen sich auf
bama – nicht vorgesehen. Sie legen uns ein Mandat
or, in dem es heißt: Wir machen erst einmal ein Jahr so
eiter und ändern es eventuell im Lichte der Ergebnisse
er Afghanistan-Konferenz, wir sagen aber heute noch
icht, wie.


(Birgit Homburger [FDP]: Das können wir auch gar nicht! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Vor der Konferenz kann man nicht wissen, was rauskommt!)


ch sage Ihnen: Das ist ein Ansinnen an den Deutschen
undestag, einen Blankoscheck auszustellen. Ich hätte
ir gewünscht, Herr Westerwelle, dass Sie mit Ihrer
ehrfachen Ankündigung, ein konkretes zivil-militäri-

ches Mandat vorzulegen, ernst gemacht hätten, und
icht allgemein versprechen, dass Sie für den Polizeiauf-
au mehr tun wollen; denn das hören wir seit drei Jah-
en. Vielmehr hätte ich von Ihnen die verbindliche Zu-
age erwartet, dass Sie endlich 500 Polizistinnen und
olizisten nach Afghanistan schicken, weil das die Vor-
ussetzung dafür ist, dass es dort 80 000 Polizistinnen
nd Polizisten geben kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das alles sind Sie uns schuldig geblieben. Sie sind
icht einmal in der Lage, zu benennen, mit welchen zivi-
en Vorschlägen und wie viel zusätzlichen Euros an Ent-
icklungshilfe Sie in diese Afghanistan-Konferenz ge-
en. Von uns erwarten Sie aber, dass wir für ein Jahr
erlängern. Ich sage Ihnen: Wenn Sie diese Konferenz
rnst nehmen würden, dann hätten Sie diesen Vorschlag
icht machen dürfen. Dann hätten Sie sagen müssen:
kay, wir wissen noch nicht, was bei dieser Konferenz
orgeht. Wir gehen mit verschiedenen Vorschlägen hin
nd werden das Mandat im Lichte dieser Konferenz ver-
ndern, und weil wir es danach ändern, verlängern wir
as Mandat erst einmal für ein halbes Jahr. In anderen
ällen haben Sie das auch gekonnt. Sie aber lassen uns

m Unklaren über Ihre Absichten. Sie sagen nicht, wohin
ie wollen. Sie machen unverbindliche Ankündigungen,
rwarten aber von uns, dass wir zu einem weiteren Jahr
a sagen. Ich finde, das ist eine Überforderung.

Wir Grüne stehen zu unserer Verantwortung in
fghanistan. Es kann und darf keinen Sofortabzug ge-
en, aber am Ende des Tages brauchen wir eine konkrete
bzugsperspektive und eine Aufbauoffensive. Die blei-
en Sie schuldig. Deswegen sagt die große Mehrheit
einer Fraktion – zu Ihrem Mandat, nicht zu Afghanis-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 675


(A) )



(B) )


Jürgen Trittin
tan –: Wir können diesem Mandat nicht zustimmen. Des-
halb werden wir uns enthalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700916200

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem

Kollegen Polenz.


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1700916300

Herr Kollege Trittin, ich hatte mich zu einer Zwi-

schenfrage gemeldet, die Sie leider nicht zugelassen ha-
ben. Deshalb möchte ich mich in dieser Form auf die
letzte Passage Ihres Beitrags beziehen, in der Sie kriti-
sieren, dass die Bundesregierung erneut ein Mandat für
ein Jahr beantragt. Glauben Sie nicht, dass in dieser Situa-
tion ein auf ein halbes Jahr verkürztes Mandat dahin ge-
hend weltweit große Kommunikationsprobleme ausge-
löst hätte, dass es in der Diskussion im Bündnis so hätte
verstanden werden können, als sei das der Anfang vom
Ende des deutschen Engagements in Afghanistan?


(Zuruf von der LINKEN: Das wäre doch gut!)


Herr Trittin, wenn man die Regierung in der Frage der
Kommunikation kritisiert und die eine oder andere Ent-
haltung in Ihrer Fraktion damit begründen will, muss
man einbeziehen, dass es hier nicht nur eine Binnenkom-
munikation, sondern auch eine Kommunikation nach
draußen gibt. Sie wissen genauso gut wie ich, dass be-
reits jetzt – zum Beispiel auch weil die Rede des ameri-
kanischen Präsidenten vergleichsweise spät kam – in der
Region die Sorge besteht, die 43 Länder, die sich jetzt
für die internationale Gemeinschaft in Afghanistan enga-
gieren, könnten vielleicht doch vorzeitig diesem Land
den Rücken kehren und diejenigen im Stich lassen, die
sich jetzt mit uns für den Aufbau ihres Landes engagie-
ren. Die müssen wir im Blick haben, und deshalb glaube
ich, dass der Antrag der Bundesregierung, am Einjahres-
mandat festzuhalten, genau richtig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700916400

Herr Polenz, das Signal für Ihre Zwischenfrage kam

außerhalb der zugestandenen Redezeit; das konnten Sie
nicht wissen. Jetzt erhält Herr Trittin das Wort für eine
Erwiderung.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700916500

Sehr geehrter Herr Kollege Polenz, entschuldigen Sie,

aber ich habe Ihre Meldung nicht gesehen. Ich wollte Ih-
rer Frage überhaupt nicht ausweichen. Ich finde, Sie ha-
ben eine wichtige und richtige Frage angesprochen. Die
Bundesregierung hätte aber Alternativen gehabt. Wir
können als Parlament immer nur Ja oder Nein sagen. Die
Bundesregierung hätte uns heute ihre Vorstellungen, die
sie für ein Mandat hat, auch was die zivile Seite – die
Aufstockung der Entwicklungshilfe und der Polizei – an-
geht, hier vorlegen können; dann würde über die Sach-
lage, die Sie angesprochen haben, anders diskutiert.

Die Bundesregierung hätte sich auch entscheiden
können, zu sagen: Wir wissen nicht, wie weit wir gehen.

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(C (D is heute gibt es keine Äußerung der Bundesregierung u den Ankündigungen auch aus Ihren Reihen – der Kolege redet nachher noch –, man sei bei der Aufstockung er Truppen flexibel. Es gibt bis heute keine Antwort auf ie Frage, warum der entsprechende Teil des Haushalts m 200 Millionen Euro aufgestockt worden ist. All dies st unklar. Deswegen hätten Sie das tun müssen – Sie heben auf ie Binnenkommunikation ab –, was Sie in einem andeen Fall auch getan haben: Sie hätten das Mandat auf ein albes Jahr begrenzen müssen. Das können Sie, wie man m Beispiel UNIFIL sieht. Da sind Sie sogar in der age, das Mandat so sehr zu verkürzen, dass es schon or dem nächsten Beschluss des Sicherheitsrates über in zusätzliches UNIFIL-Mandat ausläuft; Sie lassen es wei Monate vorher enden. Wenn es Ihnen mit den ignalen an die Verbündeten ernst ist, hätten Sie in dieem Fall zumindest sagen müssen: Wir verlängern bis ugust, weil dann der Sicherheitsrat entschieden hat. Ich sage Ihnen: Heute wäre es richtig gewesen, uns ntweder ein komplettes zivil-militärisches Mandat vorulegen oder aber das Mandat, wie es in unserem Entchließungsantrag heißt – das wäre logisch gewesen –, uf ein halbes Jahr zu verkürzen, verbunden mit der larstellung, dass darauf ein neues Mandat folgen wird. as haben Sie versäumt; das bringt uns in die Situation, hrem Antrag in der Form nicht zustimmen zu können. Der Kollege Dr. Rainer Stinner hat das Wort für die DP-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! n diesen Tagen schaut die ganze Welt auf Afghanistan. ir alle merken, dass unsere heutige Debatte in der eutschen Öffentlichkeit eine viel größere Resonanz finet als in den vergangenen Jahren. Ich finde das gut; enn wir nehmen heute wieder einmal eine wichtige eichenstellung vor; wir treffen eine wichtige Entschei ung für unser Land und die internationale Gemeinchaft. Wir von der FDP-Fraktion werden dem Mandatsanrag der Bundesregierung zustimmen. Es ist im deutchen nationalen Interesse, dass Afghanistan nicht wieer zur Brutstätte des internationalen Terrorismus wird. s ist im deutschen nationalen Interesse, dass das Land tabilisiert wird, dass sich das Land und die Region nicht u einem unüberschaubaren Pulverfass entwickeln, das ie Sicherheit der Region und der ganzen Welt gefähret. Wir können und wollen es auch nicht zulassen, dass ieses Land wieder in die Steinzeit zurückgebombt wird, it unübersehbaren Folgen für die ganze Bevölkerung, nsbesondere für Frauen und Kinder. 676 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 Dr. Rainer Stinner (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meinen Sie die US-Bombenangriffe?)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700916600

(Beifall bei der FDP)

Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1700916700

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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Wer angesichts dieser Tatsache heute hier, im Deut-
schen Bundestag, öffentlich den sofortigen Abzug deut-
scher Soldaten fordert, handelt völlig verantwortungslos.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Sie handeln verantwortungslos!)


Wer heute hier den sofortigen Abzug fordert, zeigt ein
weiteres Mal, dass ihm das Schicksal von Millionen von
Menschen völlig egal ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)


Diejenigen, die das hier und heute tun, stehen damit in
einer Reihe unseliger Fehlentscheidungen, die Sie und
Ihre Vorgänger in den letzten 20, 30 Jahren immer wie-
der gefällt haben. Ihnen sind die Menschen völlig egal.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Unverschämtheit!)


Wir bürden den Soldatinnen und Soldaten, den Poli-
zisten und den Zivilisten, die in Afghanistan sind, eine
schwere Aufgabe auf. Deshalb rufe ich von hier aus den
vielen Soldaten, Polizisten und Zivilisten in Afghanis-
tan, die die heutige Debatte vor Ort live verfolgen, zu:
Unsere Gedanken sind bei Ihnen. Wir unterstützen Sie.
Wir danken Ihnen ganz herzlich für Ihren schweren, frei-
willigen Einsatz. Insbesondere sprechen wir Ihnen un-
sere Anerkennung aus.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir von der FDP-Fraktion sind weit davon entfernt,
uns die Welt in Afghanistan zurechtzubiegen und sie uns
rosig auszumalen. Wir wissen, dass wir schwere Pro-
bleme mit dem Mandat haben, dass wir schwere Pro-
bleme in Afghanistan haben. Deshalb betrachten wir das
Mandat von Jahr zu Jahr und auch zwischen den Jahren
kritisch, und wir sind dabei auch selbstkritisch.


(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Herr Ströbele, das ist notwendig.

Unsere Kritik und Selbstkritik hat insbesondere zwei
Aspekte zum Inhalt:

Erstens. Was wollen wir eigentlich dort? Was ist die
Strategie? Was ist das Ziel? Eine genaue Definition von
Strategie und Ziel durch die NATO ist nochmals drin-
gend notwendig. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich,
dass in London eine Afghanistan-Konferenz stattfinden
wird. Werter Herr Trittin, Sie sind kein Hellseher, ich bin
kein Hellseher, und auch Herr Westerwelle ist kein Hell-
seher. Wir alle wissen nicht, was das Ergebnis dieser
Konferenz sein wird. Deshalb wäre es völlig unseriös,
wenn wir heute die möglichen Ergebnisse der Konfe-
renz, an der wir aktiv teilnehmen wollen, vorwegnehmen
würden. Der folgende Ablauf ist richtig: Erst die Konfe-

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(C (D enz, erst das Ziel, dann die Strategie, dann die Maßnahen, und dann entscheiden wir hier, im Deutschen Bun estag, welche Ressourcen wir einsetzen. Das ist die ichtige Reihenfolge. Ich spreche ausdrücklich von Ressourcen, weil ich ehr deutlich sagen möchte: Es geht nicht nur darum, ass wir uns über die Anzahl der Soldaten unterhalten. s geht darum, wie wir dem Ziel, das wir gemeinsam haen – ich glaube, darin sind wir uns alle einig –, der Stailisierung Afghanistans insgesamt, näherkommen könen. Der zweite Aspekt unserer Reflexion ist immer geween: Ist die vernetzte Sicherheit eigentlich richtig veranert? Auch diesbezüglich müssen wir sehr selbstkritisch ein. Ich sage ganz offen und ehrlich: Wir müssen geeinsam besser werden. Ich bin sehr froh darüber, dass Minister Niebel in den rsten Wochen seiner Amtszeit deutliche Impulse für Afhanistan gesetzt hat. (Zuruf von der SPD: Wo denn? – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, da ist uns etwas entgangen!)


ch fordere die Innenpolitiker in Bund und Ländern auf
nd bitte darum, dem Thema Afghanistan eine höhere
riorität beizumessen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben eine schwere Entscheidung zu fällen. Sie
etrifft Soldaten, ihre Familien, Polizisten und Zivilis-
en. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass unsere Sol-
atinnen und Soldaten bestens ausgerüstet, bestens aus-
estattet sind und mit klaren Einsatzregeln ihre Arbeit in
fghanistan verrichten können.

Meine Damen und Herren, wir treffen heute eine
chwere, eine wichtige, eine bedeutsame Entscheidung.

ir treffen sie in Verantwortung für unsere Soldaten, in
erantwortung hinsichtlich der internationalen Kompe-

enz und Zusammenarbeit Deutschlands. Wir treffen sie
it gutem Gewissen. Wir treffen sie für Deutschland, für

en Frieden und für Afghanistan.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700916800

Eine Kurzintervention des Kollegen Gehrcke.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die DKP spricht!)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700916900

Ihnen fällt auch nichts Besseres mehr ein! – Kollege

tinner, ich bin bereit, mir sehr viel vorhalten zu lassen.
ch bin bereit, mir vorhalten zu lassen, dass ich mich
öglicherweise irre und dass sich möglicherweise meine
raktion irrt. Glücklich ist, wer Irrtum für sich selbst
undertprozentig ausschließen kann, wie Sie es offen-
ichtlich können. Ich bin bereit, mir vorhalten zu lassen,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 677


(A) )



(B) )


Wolfgang Gehrcke
dass unsere Vorschläge möglicherweise nicht zu dem Er-
gebnis führen, das wir wünschen, nämlich endlich Frie-
den in einem Land, in dem seit über 30 Jahren Krieg
herrscht. Ich bin bereit, mir vorhalten zu lassen, dass wir
alle zusammen die Dinge vielleicht noch nicht bis zum
Ende durchdacht haben und vieles nicht berücksichtigt
haben. Ich bin aber nicht bereit, mir von Ihnen vorhalten
zu lassen, dass ich persönlich oder meine Fraktion kein
Interesse am Leben der Menschen in Afghanistan haben.
Das ist eine Unverschämtheit. Eine solche Behauptung
steht Ihnen nicht zu.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will Ihnen ein weiteres Moment nennen, das für
mich ein doch sehr entsetzliches Déjà-vu-Erlebnis dar-
stellte. Sie haben davon gesprochen, Afghanistan dürfe
nicht in die Steinzeit zurückgebombt werden. Das ist ja
ein Satz, der im Vietnamkrieg eine Rolle gespielt hat.
Aber unterstellen wir das einmal: Steinzeit, Mittelalter.
Sie haben davon gesprochen, wie toll in Afghanistan
dazu beigetragen werde, dass Bildung verbreitet wird,
dass eine andere Art und Weise der Ökonomie durchge-
setzt werde, dass ein Land aus dem Mittelalter herausge-
löst werde. All diese Argumente habe ich immer benutzt,
um den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan zu
rechtfertigen. Ihre Argumente sind nicht anders und kei-
nen Deut besser, als es damals meine Argumente waren.
Diese waren, wie man inzwischen gesehen hat, falsch.


(Beifall bei der LINKEN)


Das müssen Sie sich vorhalten lassen. Sie beten alten
Quark nach und das in einer Art und Weise, durch die
eine Verständigung über einen vernünftigen politischen
Prozess schon nicht mehr möglich ist.

Ich habe sehr genau hingehört, welche Bedenken hier
artikuliert und welche neuen Fragen aufgeworfen wor-
den sind. Wenn man in der Art und Weise, wie Sie hier
glauben, Politik machen zu können, nämlich Augen zu
und durch, weiterhin in die Sackgasse rennt, dann wird
man Schaden anrichten – in Afghanistan und auch bei
den Soldaten, die Sie nach Afghanistan schicken. Das ist
Krieg, und aus diesem Krieg muss man heraus. Das war
unser Anliegen.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700917000

Herr Stinner, es gibt noch eine zweite Kurzinterven-

tion des Kollegen Ströbele. Diese würde ich gern erst
noch zulassen; dann können Sie im Zusammenhang ant-
worten.


(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Dann muss ich nicht zweimal antworten!)


– Genau. – Herr Ströbele, bitte schön.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Kollege Stinner und vorher auch schon der Kol-
lege Polenz haben darauf hingewiesen, dass man berück-

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(C (D ichtigen sollte, wie das, was hier gesagt wird, weit drauen in der Welt ankommt. Das ist sicher richtig. Man ollte aber auch berücksichtigen, wie es hier in Deutschand, hier in Berlin ankommt. Ich spreche hier – Kollege ißfelder hat mir ja letztes Mal vorgeworfen, ich wolle ur meine Meinung sagen und diese hier unterbringen – ür die Bevölkerung in meinem Wahlkreis in der Mitte erlins. Ich maße mir an, für die Mehrheit der deutschen evölkerung zu sprechen, (Beifall bei der LINKEN – Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


ämlich für den Teil der deutschen Bevölkerung – da-
unter sind auch CDU- und FDP-Wählerinnen und
Wähler, und zwar nicht zu wenige –,


(Zuruf von der FDP: Die Stimme Kreuzbergs!)


er nicht versteht, dass hier immer nur darüber geredet
ird, wie mit mehr Soldaten, mit mehr Krieg in Afgha-
istan die Situation bewältig werden kann.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Quatsch!)


ie verstehen einfach nicht, dass man sich überhaupt
icht damit auseinandersetzt, dass die Bundeswehr seit
cht Jahren in Afghanistan ist und dass der Bevölkerung
n Deutschland – übrigens auch der Bundeswehr – seit
ünf Jahren immer wieder versprochen wird: Wir brau-
hen nur ein paar mehr Soldaten, wir brauchen ein biss-
hen mehr Militär, dann wird sich das Schicksal da
chon wenden, dann werden wir unserem Ziel näher
ommen.

Sie nehmen – das werfe ich der Bundesregierung und
en Koalitionären vor – die Realitäten in Afghanistan
icht zur Kenntnis.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


ie reden nur davon, dass Sie militärische Mittel brau-
hen. Sie übersehen, dass der zivile Aufbau, der uns al-
en am Herzen liegt, in weiten Gegenden, beispielsweise
und um Kunduz, so gut wie gar nicht mehr stattfinden
ann, weil in Afghanistan Krieg herrscht. Wir verlän-
ern diesen Krieg nur, indem wir immer neue Soldaten
ach Afghanistan schicken.

Bitte erklären Sie nicht nur der Weltöffentlichkeit,
ondern auch Ihren und meinen Wählerinnen und Wäh-
ern und der gesamten deutschen Bevölkerung, warum
ie jetzt hoffen, dass sich die Situation in Afghanistan

m nächsten oder übernächsten Jahr verbessert, wenn
an heute die Aufstockung der Zahl der Soldaten und

ie Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes der Bundes-
ehr mit einem Weiter-so beschließt. Was so in ein oder

wei Jahren dort passiert sein wird, ist, dass dort weitere
ausende von Menschen im Krieg getötet, verletzt oder
erstümmelt worden sein werden. Ich bitte Sie, dies zu
edenken. Darauf sollten Sie eine Antwort geben. Diese
ntwort sind Sie der deutschen Bevölkerung schuldig.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


678 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700917100

Herr Kollege Stinner zur Antwort auf die beiden

Kurzinterventionen.


Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1700917200

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Gehrcke, als

Sie sich gemeldet haben, habe ich zunächst gedacht, Sie
wollten sich für die unsägliche Rede Ihres Herrn van
Aken hier entschuldigen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das werden Sie nicht erleben! – Weitere Zurufe von der LINKEN: Buh!)


Da habe ich mich leider getäuscht.

Lieber Herr Gehrcke, da ich Sie persönlich als durch-
aus differenziert denkenden Menschen schätze, möchte
ich Ihnen sehr gerne antworten. Ihr Kollege und Ihre
Partei bezeichnen uns hier im Parlament und draußen im
Lande als Kriegstreiber,


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/ CSU], zur LINKEN gewandt: Pfui!)


als Leute, die den Krieg willkürlich in fremde Länder
treiben.


(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE] – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Putschunterdrücker!)


In Anbetracht eines solch gravierenden Vorwurfs muss
ich sagen: Auf diesen groben Klotz gehört eindeutig ein
grober Keil.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb stehe ich nicht an, gegenüber Ihrer Partei eine
sehr deutliche Sprache zu sprechen.

Sie und Herr Ströbele wollen heute hier mit Nein
stimmen. Würde die Mandatsverlängerung abgelehnt,
hieße das aber, dass die Soldaten innerhalb von zehn Ta-
gen abgezogen sein müssten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn!)


Lassen Sie uns jetzt einmal realistisch denken. Sehr ge-
ehrter, lieber Herr Gehrcke, sind Sie nicht in der Lage zu
ermessen, was das für die Menschen in Afghanistan be-
deuten würde? In dieser Woche hatten wir eine afghani-
sche Delegation zu Besuch, die afghanischen Frauen ha-
ben einen Brief geschrieben,


(Zurufe von der LINKEN)


und vor einiger Zeit haben wir mit 20 afghanischen Par-
lamentariern eine beeindruckende Diskussion geführt.
Alle haben uns aufgefordert: Verlasst unser Land
nicht! – Herr Gehrcke, Sie glauben doch nicht im Ernst,
dass dann, wenn die NATO ihre Soldaten innerhalb von
14 Tagen abziehen würde, irgendeine Chance bestünde,
dass die Menschen in Afghanistan in Frieden leben.
Nein, nein, nein! Das ist nicht der Fall. Deshalb verlän-
gern wir das Mandat.

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(C (D (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Ströbele, ich bin gerne bereit, bei anderer Gele-
enheit ausführlicher mit Ihnen über die Frage, welche
ntwicklung stattgefunden hat, zu sprechen. Jetzt habe

ch allerdings nicht die dafür notwendige Zeit zur Verfü-
ung. Ich frage Sie aber: Sind Sie nicht in der Lage, zu
rkennen, dass es in den letzten Jahren durchaus zu einer
andlung der Attitüden der verschiedenen beteiligten
ATO-Staaten gekommen ist?


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat man in Kunduz gesehen!)


ind Sie nicht in der Lage zu erkennen, dass wir jetzt in
ondon eine Chance haben, die wir noch niemals hatten,
ämlich die Chance, bezüglich der Strategie in Afgha-
istan eine Konvergenz der Attitüden der verschiedenen
eteiligten Länder herzustellen? Das ist eine Verände-
ung.

Außerdem, Herr Ströbele – ich muss das so deutlich
agen –, bezweifle ich Ihre Fähigkeit, zu hören.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


er Außenminister, der Kollege Schockenhoff von der
DU und ich haben eindeutig mehrfach und mit Nach-
ruck darauf hingewiesen, dass Militär allein nicht die
ösung ist.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotzdem schicken Sie immer mehr dorthin!)


Herr Ströbele, hören Sie eigentlich nicht zu? Hören Sie
infach einmal zu, nehmen Sie das zur Kenntnis und las-
en Sie das Gehörte von Ihren Gehörgängen auch in Ihr
ehirn hineinrauschen.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Wir haben eindeutig und mehrfach betont: Wir wissen
enau, dass wir einen gemeinsamen, vernetzten Ansatz
„comprehensive“ oder wie auch immer Sie ihn nennen
ollen – brauchen. Dafür stehen wir. Wir sind doch

elbstkritisch, Herr Ströbele; das habe ich doch gesagt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das sind Sie überhaupt nicht!)


ir malen uns die Welt nicht rosa.


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)


ir glauben, dass wir mit der neuen Bundesregierung
etzt, wo sich die Möglichkeit bietet, in London eine ge-

einsame Kompetenzlinie der NATO zu finden, bessere
hancen haben als jemals zuvor. Das ist ein Fortschritt.
en sollten Sie unterstützen, statt hier nicht zuzuhören
nd das abzulehnen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 679


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Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700917300

Das Wort hat der Kollege Rainer Arnold von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1700917400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

weiß nicht, ob das Geschrei, das die Linken zu diesem
Thema aufführen, der Ernsthaftigkeit der Situation und
der Not der Menschen in Afghanistan wirklich angemes-
sen ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Mein Rat wäre: Bevor Sie der ganzen Welt erklären
wollen, wie es in Afghanistan aussieht, sollten Sie we-
nigstens Ihren Fraktionsvorsitzenden einmal dorthin
schicken, damit er sich ein eigenes Bild macht und viel-
leicht herausfindet, wie man was verhindern kann. Hier
sitzt eine Reihe von verantwortungsvollen Politikern aus
allen Fraktionen. Alle machen sich die Mühe, sich in
Afghanistan umzuhören und umzuschauen.


(Zurufe von der LINKEN)


Dieses Geschäft ist Ihnen schon zu viel. Sie wollen vom
bequemen Schreibtisch aus wissen, wie es geht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Bundesregierung und alle, die heute geredet ha-
ben, haben übereinstimmend gesagt: Ein Weiter-so darf
es in Afghanistan nicht geben. Wir hätten uns allerdings
ein präziseres und aufschlussreicheres Mandat ge-
wünscht, übrigens auch ein kürzeres; das wurde hier
schon diskutiert. Ich glaube nicht, dass es ausreichend
ist, wenn Sie auf die Konferenz am 28. Januar verwei-
sen. Es ist richtig: Auf dieser Konferenz muss über Neu-
ausrichtungen und Veränderungen der Strategie disku-
tiert und entschieden werden. Wir wünschen uns
allerdings, dass Sie sich nicht hinter dieser Konferenz
verstecken, sondern im Vorfeld mit uns Parlamentariern
darüber reden, mit welchen Ideen und Impulsen Sie dort-
hin fahren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Weil dies wichtig ist, hat unsere Fraktion einen Ent-
schließungsantrag vorgelegt. Dieser Entschließungs-
antrag ist in vielen Bereichen sehr konkret. Wir sagen
zum Beispiel, dass die Hilfe für Afghanistan nicht un-
konditioniert gewährt werden darf, sondern die afghani-
sche Regierung eine Menge Hausaufgaben zu erledigen
hat. Wir sagen natürlich auch, dass ein Versöhnungspro-
zess initiiert werden muss. Vor allen Dingen sagen wir,
es reicht nicht aus, immer wieder zu fordern, dass die af-
ghanische Polizei ausgebildet wird. Es ist höchste Zeit,
dass der Innenminister der Bundesrepublik Deutschland
mit seinen Kollegen aus den Ländern Klartext über den
Aufbau der Polizei in Afghanistan redet und sich hier
einmal ausdrücklich dazu bekennt, was er in Zukunft
leisten will, damit der Aufbau der Polizei in Afghanistan

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(C (D ernünftig vorankommt. Wir wissen doch alle, wie groß ie Defizite vor allen Dingen im Bereich Kunduz sind. iese Defizite werden wir nur beheben können, wenn ir nachhaltig für eine Finanzierung der dort notwendien zusätzlichen Polizisten sorgen. Zu all dem schweigt ie Regierung; das ist wirklich zu wenig. Darüber muss iskutiert werden! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Obamas Rede – darüber wurde schon geredet – hat
icht wirklich etwas Neues gebracht. Eines hat er mit
einer Rede aber schon im Vorfeld erreicht: All diejeni-
en, auch in der Regierung, die in der Vergangenheit im-
er wieder gesagt haben: „Der Afghanistan-Einsatz
ird erst auf einer langen Zeitschiene gesehen erfolg-

eich“, merkten, dass das der falsche Ansatz ist. Die
estlichen Demokratien – auch wir – werden diesen
insatz weder materiell noch von der Zustimmung in un-
erer Gesellschaft her 10, 15 Jahre durchhalten.

Deshalb ist es sicherlich richtig, dass jetzt darüber ge-
edet werden muss: Wo muss man Strategien nachjustie-
en, und wo muss das als richtig Erkannte endlich konse-
uenter um- und durchgesetzt werden? Das ist doch das
auptproblem in Afghanistan: dass das, was man weiß,
icht wirklich umgesetzt wird. Deshalb sind wir durch-
us dankbar, dass jetzt klar ist, dass in allen Bereichen
das trifft eben nicht in erster Linie auf das Militärische

u, sondern vor allen Dingen auf den zivilen Aufbau –
ehr getan werden muss.

Wir stimmen mit der Regierung überein, wenn sie
agt, dass die Frage der Truppenstärke nicht am Anfang
tehen darf, sondern am Ende stehen muss. Es ist richtig,
unächst die Ziele und erst dann den Weg dorthin zu de-
inieren. Es bleibt dabei: Wir Deutschen haben eine be-
ondere Verantwortung im Norden. Bei dieser Verant-
ortung sollen und müssen wir bleiben. Es muss aber

uch darüber geredet werden: Wo gibt es im Norden sta-
ile Distrikte? Die gibt es. So können Ressourcen frei
erden, die man einsetzen kann, um die Lage im zwei-

ellos problematischen Bereich Kunduz zu stärken. All
ies kann und sollte vorgelegt werden.

Lassen Sie mich am Ende noch ein Thema anspre-
hen. Frau Bundeskanzlerin, Herr Außenminister, Herr
erteidigungsminister, Sie machen es uns nicht ganz ein-

ach, zuzustimmen; denn durch die Debatte der letzten
ochen, die zur Einsetzung eines Untersuchungsaus-

chusses aufgrund Ihrer desaströsen Informationspolitik
eführt hat, wird die Zustimmung natürlich erschwert.
adurch ist Vertrauen kaputtgegangen. Dabei geht es
icht nur um die Frage, wie wir Abgeordneten damit
mgehen, sondern auch darum, wie wir es in Zukunft
chaffen, in der deutschen Gesellschaft Akzeptanz für
uslandseinsätze zu erreichen. Deshalb ist das ein sehr
ichtiges Thema. Ich wünsche mir, dass ein paar Fragen
irklich zu Ende debattiert werden.

Herr zu Guttenberg hat, ich glaube, zu Recht darauf
erwiesen, dass es ein bewaffneter nichtinternationaler
onflikt ist. Herr zu Guttenberg, deshalb ist noch lange
icht jedes militärische Vorgehen angemessen. Ich

680 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Rainer Arnold
glaube, darin sind wir uns auch einig. Ich will Ihnen das
überhaupt nicht unterstellen. Ich glaube aber, die
Debatte darüber, was in Afghanistan richtig ist und was
die Soldaten tun dürfen, ist nicht damit erledigt, dass die
Soldaten Rechtssicherheit haben. Das ist sicher hilfreich
und notwendig; das unterstützen wir. Aber darüber, wie
die Bundeswehr vorgeht, haben wir offensichtlich einen
politischen Diskurs zu führen.

Wir alle wissen: Das Völkerrecht wird diesen neuen
asymmetrischen Konflikten nicht ausreichend gerecht.
Es ist eben so, dass man zwar keine Zivilisten wissent-
lich angreifen und töten darf, gleichzeitig besagt das
Völkerrecht aber: Wenn es einen hohen militärischen
Nutzen gibt und es in einem vernünftigen Verhältnis
steht, dann darf man auch hinnehmen, dass Zivilisten zu
Schaden kommen. Ich spitze das einmal zu, weil ich
viele E-Mails dazu erhalte: Viele Bürgerinnen und Bür-
ger ziehen daraus den Schluss, nun ja, wenn man in
einem solchen bewaffneten Einsatz ist, dann ist es fast
normal, dass Zivilisten getötet werden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Rücksicht auf Verluste!)


Ich sage Ihnen ausdrücklich: Dahin wollen und dürfen
wir nicht kommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Dafür gibt es viele gute Gründe: Es ist strategisch falsch,
zivile Opfer in Kauf zu nehmen, weil wir wissen: Auf-
ständische werden nur erfolgreich sein, wenn sie in der
Zivilgesellschaft Unterstützung finden. Es ist aber auch
ethisch falsch.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch die Afghanen haben ein Recht auf Leben!)


Wir machen es uns hier nicht einfach. Wir schicken
die Soldaten in den Einsatz, und wir wissen, dass wir
damit Verantwortung dafür übernehmen, was in Afgha-
nistan passiert. Wir denken in solchen Stunden auch an
die getöteten Zivilisten. Das ist die Verantwortung des
Deutschen Bundestages. Ich glaube, wir haben an dieser
Stelle noch einen erheblichen Klärungsbedarf.

Herr zu Guttenberg, Sie könnten uns helfen, wenn Sie
sehr deutlich machen würden, dass für Sie ein militäri-
scher Einsatz mit Abwurf von Bomben eben nicht ver-
hältnismäßig ist und auch nicht, wie Sie es in Washing-
ton angedeutet haben, ein Stück Normalität der
deutschen Politik ist, sondern dass wir uns der großen
Verantwortung in Afghanistan bewusst sind. Wenn näm-
lich alle anderen Mittel – das müssen sich die Linken
auch noch einmal aufschreiben – versagt haben, dann ist
es im Auftrag der Vereinten Nationen legitim und auch
notwendig, den Menschen in Afghanistan Stabilität zu
bringen; denn das liegt nicht nur im deutschen Interesse,
sondern auch im Interesse der ganzen Welt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700917500

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

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(C (D Ich bin sofort fertig. – Ich sage am Ende noch dazu: ir sehen dabei auch unsere Verantwortung als Bünd ispartner. Die NATO darf in Afghanistan nicht scheiern. Herzlichen Dank. Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen aul Schäfer das Wort. Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Arnold, ch war als verteidigungspolitischer Sprecher der Frakion Die Linke in Afghanistan, und auch mein Kollege orman Paech, der außenpolitischer Sprecher war, war ehrfach in Afghanistan, und zwar nicht nur in Delega ionen, in denen man einen ganz bestimmten Ausschnitt er Realität sieht, aber natürlich auch nur diesen. Sie erden mir bestimmt zugestehen, dass man auf diese eise die Realität dieses Landes nicht erfasst. Ich habe Bundeswehrsoldaten gesehen und mit ihnen esprochen. Sie haben dringend nachgefragt: Was wolen wir da? Wie lange wollen wir da bleiben? Zu welhem Ende wollen wir das Ganze bringen? Ich habe esehen, wie sich die Eliten in Afghanistan immer mehr verbunkert“ haben – und nicht nur die afghanischen liten. Auch die auswärtigen Verwalter dieses Landes aben sich von Besuch zu Besuch immer mehr „verbunert“. Ich habe auf der einen Seite die Armut im Land esehen und auf der anderen Seite die herrlichen Villen, ie sehr gut abgesichert sind, von Leuten, die immer reiher geworden sind. Ich habe natürlich auch Afghanen getroffen, die große offnungen in die internationale Gemeinschaft projizie en. Diese sagen: Ihr müsst uns weiterhelfen. – Das muss an sicherlich zur Kenntnis nehmen. Aber sie stellen uch die Frage, mit welchen Mitteln man dies tut. Diese ealität kennen wir doch alle, unabhängig davon, ob an das mit den eigenen Augen gesehen hat oder nicht. Ich habe hier schon beim letzten Mal vorgetragen dem hat niemand widersprochen –, dass in den vergan enen drei bis vier Jahren die Zahl der Soldaten eminent ufgestockt worden ist und gleichzeitig die Gewalt zugeommen hat. Das ist ein Grundfaktum, das man nicht us der Welt schaffen kann, auch wenn man schon zehn der zwanzig Mal in Afghanistan war. Daraus muss man inen Schluss ziehen. Wir haben festgestellt: Je mehr rieg dort geführt wird, desto weniger Aufbau findet tatt. Man kann das nicht damit kontern, dass man darauf erweist, dass vielleicht irgendwo eine Brücke gebaut orden ist. Insgesamt legen alle Befunde den Schluss ahe, dass der Aufbau umso mehr ins Stocken gerät, je tärker der Krieg zunimmt und je weiter die Taliban inolge dieses Krieges ihren Einflussbereich ausdehnen. aher bleiben wir bei unserem Nein zu diesem Einsatz. eshalb plädieren wir dafür, die Bundeswehr aus Afghaistan abzuziehen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 681 Paul Schäfer An dieser Stelle möchte ich eine sehr persönliche Anmerkung machen. Wir alle beschäftigen uns mit diesem „Vorfall“ in Kunduz. Die Bundeswehr ist zum ersten Mal seit 1945 zumindest in die Situation verstrickt, dass eine offensive Operation ausgelöst worden ist, bei der sehr viele Menschen getötet worden sind. Herr Kollege Schäfer, kommen Sie zum Schluss. Ich komme zum Schluss. Ihre Redezeit ist abgelaufen. Dieser Vorfall zeigt, wie sehr wir schon auf die schiefe Bahn geraten sind. Weil wir als Deutsche eine besondere historische Verantwortung tragen, bin ich dagegen, dass wir diesen Weg fortsetzen. Vielmehr bin ich der Meinung, dass Schluss sein sollte. Wir sollten die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen. Zur Erwiderung, Kollege Arnold. Kollege Schäfer, wir waren ja wiederholt zusammen in Afghanistan. Ich sage ausdrücklich, dass alle Gespräche, die wir dort geführt haben – auch in der Nachbereitung mit Kollegen Schäfer –, hilfreich und konstruktiv waren. Wir konnten über den richtigen Weg für Afghanistan streiten und ringen. Das finde ich in Ordnung. Wir müssen uns nicht einig sein. Wenn man aber aus Afghanistan zurückkommt, dann muss man seiner Fraktion auch differenziert über die Situation in Afghanistan berichten. Wir stellen fest, dass es in Kunduz, im Norden unseres Verantwortungsbereiches, Kämpfe gibt. Wir stellen fest, dass die Taliban stark sind und deshalb die Bundeswehr und andere Verbündete jeden Tag unter Druck stehen. Wir sehen aber auch, dass in Faizabad ziviles Leben entsteht, dass sich die Wirtschaft entwickelt, dass es Strom gibt, dass es Schulen gibt, dass es Krankenhäuser und sichere Straßen gibt. Wir sehen, dass sich in Masar-i-Scharif, einer Großstadt, von Halbjahr zu Halbjahr ein richtiges Leben entwickelt und dies auch für den Laien sichtbar ist. Warum reden Sie nicht auch über dieses Afghanistan? Afghanistan ist eben ein Land, in dem es nicht nur Krieg gibt, wie manche glauben, und in dem es auch nicht nur Frieden gibt, sondern es gibt beides parallel. Es gehört zu unserer Verantwortung, dies auch so darzustellen. Ich habe Ihnen als Verteidigungspolitiker überhaupt nicht vorgeworfen, dass Sie sich nicht um Afghanistan kümmern. Sie tun das zweifellos. Ich sage nur: Die bei d d l d g m P t H m d i T d T d g d u v w k ü R W S I d s s b k K R d R a h (C (D en Vertreter Ihrer Fraktionsspitze, die die lautesten Reen zu diesem Thema halten, die dabei den oberflächichsten und billigsten Applaus einheimsen, ie alles tun, um Anhänger der Friedensbewegung oder rundsätzliche Pazifisten für sich allein zu vereinnahen – diese haben allerdings auch in Zukunft in meiner artei Platz –, diese beiden waren noch nie in Afghanis an. Es wäre jedoch lehrreich, wenn Herr Lafontaine und err Gysi einmal nach Afghanistan fahren, mit allen öglichen Menschen dort sprechen, sich umhören und avon lernen würden. Bei dieser Aufforderung bleibe ch. Ich habe den Eindruck, das könnte zumindest den on in der Auseinandersetzung ein Stück weit veränern. Das halte ich für notwendig. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1700917600

(Beifall bei der SPD)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700917700
Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700917800

(A) )


(B) )

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700917900
Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700918000
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700918100
Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700918200

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700918300
Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1700918400

(Zurufe von der LINKEN)


(Zurufe von der LINKEN: Pfui!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700918500

Das Wort hat jetzt der Bundesminister Dr. Karl-

heodor zu Guttenberg.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
esminister der Verteidigung:

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
en! Man kann, Herr Kollege Schäfer, mit guten Grün-
en – ich weiß, dass Sie sich intensiv damit befassen –
nterschiedliche Linien vertreten. Was die Diskussion
orhin ausgelöst hat, war der geäußerte Vorwurf, uns
ürde es nicht interessieren, wenn Menschen ums Leben
ommen. Dieser Vorwurf ist an Niveaulosigkeit nicht zu
bertreffen. Ich glaube, das gilt für jeden hier in diesem
aum.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir müssen uns nämlich überlegen, dass eben auch die
elbstüberlassung Afghanistans Leben kosten kann.


(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)


ch würde im Umkehrschluss nie behaupten, dass Ihnen
as egal wäre. Das wäre niveaulos. Genau diesen Punkt
ollten wir in Betracht ziehen, wenn wir diese Diskus-
ion substanziell führen und wenn wir uns mit Punkten
eschäftigen, die niemals Routineentscheidungen sein
önnen und niemals Routineentscheidungen sein dürfen.
ollege Klose hat darauf hingewiesen.

Auch was sich in Afghanistan täglich abspielt, ist nie
outine, und das wird es nie sein. Das, was sich in Kun-
uz am 4. September abgespielt hat, war natürlich nicht
outine. Gestatten Sie mir, nachdem das Thema heute
ngesprochen wurde und ich dem Parlament zugesagt
abe, dass ich eine Neubewertung der Vorfälle in Kun-

682 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
duz vornehmen werde, dass ich Ihnen diese meine Neu-
bewertung heute vortrage.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr gut!)


Meine Damen und Herren, jede Bewertung dieses
Vorfalls hängt in hohem Maße davon ab, ob und inwie-
weit man die Perspektive des in einer kriegsähnlichen
– ja, kriegsähnlichen –, besonderen Situation stehenden
Kommandeurs einnimmt oder ob man den Vorfall primär
unter dem Blickwinkel möglicher, aber auch tatsächli-
cher Regelverstöße – Fehler, Herr Trittin – sieht.

Ich darf in aller Klarheit sagen, dass Oberst Klein
mein volles Verständnis dafür hat, dass er angesichts
kriegsähnlicher Zustände um Kunduz, angesichts anhal-
tender Gefechte, bei denen in diesen Tagen auch deut-
sche Soldaten verwundet wurden – unter seinem Kom-
mando sind in diesen Monaten auch deutsche Soldaten
gefallen –, subjektiv von der militärischen Angemessen-
heit seines Handelns ausgegangen ist. Dafür hat er mein
Verständnis. Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass
er gehandelt hat, um seine Soldaten zu schützen.

Jeder, der jetzt aus der Distanz leise oder laut Kritik
übt, sollte sich selbst prüfen, wie man in dieser Situation
gehandelt hätte. Wie viel leichter erscheint es jetzt, sich
ein Urteil über die Frage der Angemessenheit zu bilden –
aus der Distanz, mit auch für mich zahlreichen neuen
Dokumenten und mit neuen Bewertungen, die ich am
6. November dieses Jahres noch nicht hatte. Diese wei-
sen im Gesamtbild gegenüber dem gerade benannten
COMISAF-Bericht deutlicher auf die Erheblichkeit von
Fehlern und insbesondere von Alternativen hin.

Zu dem Gesamtbild zählt auch ein durch das Vorent-
halten der Dokumente leider mangelndes Vertrauen ge-
genüber damaligen Bewertungen. Ich wiederhole: Ob-
gleich Oberst Klein – ich rufe das auch den Offizieren
zu, die heute hier sind – zweifellos nach bestem Wissen
und Gewissen sowie zum Schutz seiner Soldaten gehan-
delt hat, war es aus heutiger, objektiver Sicht, im Lichte
aller, auch der mir damals vorenthaltenen Dokumente,
militärisch nicht angemessen.

Nachdem ich – ohne juristische Wertung; das ist mir
wichtig – meine Beurteilung diesbezüglich rückblickend
mit Bedauern korrigiere, korrigiere ich meine Beurtei-
lung allerdings nicht betreffend mein Verständnis
bezüglich Oberst Klein. Das ist der Grund – das sage ich
auch an dieser Stelle –, weshalb ich Oberst Klein nicht
fallen lassen werde. Das würde sich nicht gehören.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


In Afghanistan wird auch künftig der Einsatz militäri-
scher Gewalt notwendig sein, leider. Unsere Soldaten
müssen sich schützen und verteidigen können, und sie
müssen ihren schwierigen und fordernden Auftrag in der
ganzen Breite des Spektrums erfüllen. Deshalb ist es
wichtiger denn je – gerade auch in einer solchen Debatte
wie am heutigen Tag –, dass sie sich auf unseren vollen
Rückhalt verlassen können und unser Verständnis für
ihre schwierigen Entscheidungssituationen, in denen sie

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(C (D mmer wieder sein werden, gegeben ist. Gleichzeitig uss von unserer Seite alles Machbare getan werden, m vergleichbare Fehler – ich habe auf diese Fehler chon am 6. November hingewiesen – künftig zu vereiden. Wir haben diesbezüglich im Übrigen unmittel ar entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Ich habe im Zusammenhang mit dem Vorfall von unduz, aber auch im Zusammenhang mit dem Afghaistan-Mandat generell dem Parlament größtmögliche ffenheit und Transparenz zugesagt. So will ich das eiterhin handhaben, auch mit Blick auf den Untersu hungsausschuss. Auch ich habe ein Interesse an der ufdeckung von allem, was sich im Zuge dessen ereiget hat. Ich glaube, das ist eine Form des Umgangs, die ich gehört. Deswegen habe ich Ihnen heute an dieser telle diese Stellungnahme abgegeben. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700918600

Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Koczy von

ündnis 90/Die Grünen.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700918700

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen

nd Kollegen! Herr Minister zu Guttenberg, ich möchte
hnen meinen Respekt dafür ausdrücken, dass Sie so
lare Worte gefunden haben. Ich möchte Ihnen auch sa-
en, dass ich Ihre Einschätzung zu Oberst Klein teile.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


ch finde diese Korrektur bemerkenswert; denn wir müs-
en abwägen – darauf wurde in der Diskussion schon
ingewiesen –, wie wir mit der Situation in Afghanistan
mgehen. Daher ist es sehr dienlich und hilfreich, wenn
ir klare, offene und transparente Worte finden, um Ver-

rauen, das verloren gegangen ist, wieder entstehen zu
assen.

Wie wir alle wissen, hat sich die Situation in Afgha-
istan verschlechtert, und dies allen Anstrengungen zum
rotz. Wir müssen uns hier im Bundestag fragen, was
alsch gelaufen ist, was jetzt getan werden muss und was
ich ändern muss; denn ein Weiter-so darf es nicht ge-
en. Was aber sagt uns das zur Abstimmung stehende
andat zu ISAF dazu?


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Weiter so!)


ür mich als Entwicklungspolitikerin steht der zivile
ufbau im Vordergrund. Aus diesem Blickwinkel heraus

age ich Ihnen: Auch dieses Mal ist es der Bundesregie-
ung leider nicht gelungen, den zivilen Aufbau in den

ittelpunkt zu rücken. Es bleibt weiterhin bei einer
chräglage. Wir haben es hier mit einer Militärfixiertheit
u tun, die immer wieder dazu beiträgt, die eigentlichen
robleme zu übersehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 683


(A) )



(B) )


Ute Koczy
Wann sehen Sie ein, dass es für Afghanistan wirklich
nur ein Motto geben kann: „Zivil vor Militär“? Für den
Erfolg unseres Engagements ist der Rückhalt in der af-
ghanischen Bevölkerung entscheidend. Dieser Rückhalt
schwindet aber jeden Tag mehr, weil die Versprechen
nicht gehalten worden sind.

Es gibt aber auch Fortschritte. Ich möchte in diesem
Zusammenhang auf die Einlassungen der Linken reagie-
ren. Es gab unter den Taliban kein Gesundheitswesen, es
gab ein hohes Sterberisiko von gebärenden Frauen, de-
ren Rechte nicht anerkannt wurden. Auch das muss man
in dieser Diskussion immer wieder betonen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es gibt einen Aufbau, aber der Rückhalt schwindet trotz-
dem, weil man zu wenig auf die Bekämpfung von Armut
und Arbeitslosigkeit geachtet hat, weil die Mechanismen
der internationalen Gebergemeinschaft den Bedingun-
gen in Afghanistan nicht angepasst wurden und weil
man die Bedürfnisse der Afghaninnen und Afghanen
nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Die Frage ist: Gibt es jetzt eine Umkehr? Ist diese
Bundesregierung willens und fähig, all diese Fehler
schonungslos zu analysieren und zu bilanzieren? Wird
die Bundesregierung ausgehend von dieser Bilanzierung
einen Richtungswechsel einleiten? Keine dieser Fragen
wurde im Antrag zum Mandat beantwortet. Frau Bun-
deskanzlerin Merkel, glauben Sie wirklich, dass eine Af-
ghanistan-Konferenz, die mit so heißer Nadel gestrickt
wird, zum Dreh- und Angelpunkt neuer Überlegungen
und erfolgreicher Arbeit für die Entwicklungszusam-
menarbeit wird? Ich glaube das nicht, aber die Hoffnung
stirbt bekanntlich zuletzt. Nein, dieses Mandat, das Sie
hier vorgelegt haben, bleibt auf dem bekannten, ausge-
tretenen und bisher leider erfolglosen Pfad. So ist eine
Zustimmung eben nicht möglich.

Ich danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700918800

Das Wort hat jetzt der Kollege Ernst-Reinhard Beck

von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ernst-Reinhard Beck (CDU):
Rede ID: ID1700918900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

Kollegen! Ich möchte zunächst kurz auf die Erklärung
des Ministers eingehen und zwei seiner Bemerkungen
unterstreichen. Das Erste ist: Ich glaube, dass er hier völ-
lig richtig festgestellt hat, dass Oberst Klein in einer
schwierigen Situation zum Schutz der ihm anvertrauten
Soldaten diese Entscheidung getroffen hat und dass dies
aus seiner Sicht eine verantwortungsvolle Entscheidung
war. Das Zweite ist, dass Oberst Klein nach bestem Wis-
sen und Gewissen gehandelt hat. Es ist für uns alle, die
wir andere Informationen haben, sehr leicht, im Nach-
hinein Entscheidungen zu kritisieren. Wir müssen aber

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(C (D nerkennen, dass wir dann, wenn wir Soldaten in diese chwierige Situation schicken, auch zu Fehlern stehen üssen, die dort gemacht werden. Ich danke dem Minis er ganz ausdrücklich dafür, dass er mit seiner veränderen Bewertung nicht vor die Presse gegangen ist, sonern diese Erklärung hier vor dem Deutschen Bundestag bgegeben hat. Dies verdient unser aller Respekt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Normales Benehmen muss schon gelobt werden! Das ist auch bezeichnend! Das ist ein normales Benehmen, was an den Tag gelegt worden ist!)


Das war jetzt nicht sehr sachdienlich. Ich habe eigent-
ich noch gar nicht angefangen.

Wir reden heute über ein Mandat, das inhaltlich un-
erändert bei 4 500 Soldaten für Afghanistan liegt. Ich
laube, dass diese Debatte eine Schlagseite hatte; denn
ir sind uns auch darüber im Klaren, dass es zunächst

inmal um drei Dinge geht:

Erstens. Der zivile Aufbau Afghanistans muss erheb-
ich intensiviert werden. Die Grundbedürfnisse der Men-
chen, wie zum Beispiel die Versorgung mit Wasser und
nergie, Gesundheitsvorsorge, also die Basic Elements,
üssen dabei im Mittelpunkt stehen. Die Menschen
üssen spüren und erleben, dass sich ihre Lage tatsäch-

ich verbessert.

Zweitens. Afghanistan hat immer in einem Kampf
wischen der Zentralgewalt und dezentralen Gewalten
estanden. In einem dezentral organisierten Staatswesen
uss die Unterstützung der Zentralregierung auch durch

en regionalen Aufbau und durch regionale Strukturen,
ie demokratisch abgesichert sind, erfolgen. Warum
erden zum Beispiel die Gouverneure dort nicht ge-
ählt?

Drittens. Wenn wir über die Erfordernisse des zivilen
ufbaus Einigkeit erzielt haben, aber erst dann, sollten
ir uns gemeinsam auf zusätzliche militärische Fähig-
eiten verständigen.

Die Bundesregierung ist bereit, an diesem kooperati-
en Ansatz mitzuwirken. Die Bundeskanzlerin hat des-
alb gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien den
eneralsekretär der Vereinten Nationen gebeten, mög-

ichst zügig eine internationale Afghanistan-Konferenz
inzuberufen. Diese wird vermutlich am 28. Januar 2010
n London stattfinden.

Es müssen konkrete, realistische Zielmarken entwi-
kelt werden. Es geht nicht darum, in Afghanistan eine
emokratie westlichen Musters aufzubauen. Wer sich
ieses Ziel setzt, ist zum Scheitern verurteilt. Es geht
ielmehr darum, ein Afghanistan zu schaffen, das seine
icherheit selbst gewährleisten kann und rechtsstaatlich,
irtschaftlich und sozial eine positive Zukunft be-
ommt. Ausgehend von diesen Zielmarken können dann
eitmarken definiert werden, um in einem angemesse-
en Zeitrahmen ein Ergebnis erreichen zu können. Wir
önnen nicht weitere acht Jahre warten, bis sich grundle-

684 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)

gende Erfolge einstellen. Die Regierung Karzai ist auf-
gerufen, hier ihre Anstrengungen zu verstärken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ziel sollte es sein, noch in dieser Legislaturperiode,
das heißt bis zum Herbst 2013, die Voraussetzungen für
einen Abzug der internationalen Truppen und somit auch
der Bundeswehr zu schaffen. Ich warne aber ausdrück-
lich davor, heute Abzugstermine zu veröffentlichen oder
zu diskutieren. Dies würde den Gegnern jeder Stabilisie-
rungspolitik nur in die Hände spielen.

Wenn Ziele und Zeitmarken definiert sind, sollte die
Bundesregierung ihren zivilen und militärischen Beitrag
neu justieren. Dies kann bedeuten, für einen überschau-
baren Zeitraum eine Verstärkung des bisherigen Engage-
ments vorzunehmen. Dazu müssen wir eine Fähigkeits-
und Defizitanalyse durchführen, um Schwachstellen zu
beseitigen und unseren Ansatz zu optimieren. Dies könnte
zum Beispiel – ich glaube, dass dies sogar dringend not-
wendig ist – eine Verstärkung der Ausbildungskompo-
nente zur Folge haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700919000

Herr Kollege Beck, erlauben Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Nouripour?


Ernst-Reinhard Beck (CDU):
Rede ID: ID1700919100

Dem Kollegen Nouripour immer.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700919200

Bitte schön, Herr Nouripour.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700919300

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege

Beck, teilen Sie vor dem Hintergrund, dass Sie selbst zu
Recht mehrfach angemerkt haben, dass der zivile Auf-
bau für den Erfolg in Afghanistan lebensnotwendig ist,
meine Einschätzung, dass es nach den beiden Debatten
hier in diesem Hohen Hause – die zweite Debatte geht zu
Ende; nach Ihnen sprechen plangemäß nur noch zwei
Personen –, die intensiv waren und in denen viele Abge-
ordnete gesprochen haben, mindestens, euphemistisch
gesagt, ein Zeichen von Desinteresse, wenn nicht sogar
von Ignoranz ist, dass in diesem Zusammenhang der Mi-
nister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung hier nicht spricht?


Ernst-Reinhard Beck (CDU):
Rede ID: ID1700919400

Lieber Kollege Nouripour, diese Frage müssen Sie

dem Entwicklungsminister stellen. Ich kann dies an die-
ser Stelle nicht kommentieren. Vielleicht geben wir dem
Minister die Gelegenheit, auf Ihre Frage zu antworten.


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Zwei Minister haben gesprochen!)


– Ich möchte hinzufügen: Dass in einer Debatte zwei
Minister das Wort ergreifen, lässt sich nur noch dadurch
steigern, dass ein dritter Minister eingreift.



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(C (D (Thomas Oppermann [SPD]: Geben Sie ihm zwei Minuten ab! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben selbst gesagt: Der zivile Aufbau ist entscheidend!)


Dies ist richtig. Worüber man wenig spricht: Vor Ort
Kollege Nouripour, auch Sie waren schon vor Ort –

aben wir die zivilen Erfolge schon sehen und bewerten
önnen.

Ich möchte ein Nachdenken darüber anregen, ob wir
ilitärisch richtig aufgestellt sind, ob wir eine angemes-

ene Reaktionsfähigkeit haben, zum Beispiel bei Hub-
chraubern, zum Beispiel bei der Feldhaubitze, bei der
anzerhaubitze 2000 oder bei anderen gepanzerten
ahrzeugen. Stellen Sie sich vor, dass Oberst Klein
öglicherweise eben nur die Alternative zwischen
andfeuerwaffen und einem Luftschlag hatte; andere
eaktionsmöglichkeiten gab es eventuell gar nicht. An-
esichts dessen muss man sich in Zukunft natürlich
berlegen, ob eine angemessene militärische Reaktion
iner entsprechenden Ausformung, einer entsprechenden
ewaffnung bedarf.

Bereits heute nehmen die afghanischen Sicherheits-
räfte an der Mehrzahl der Operationen teil. Wir sollten
iese Ausbildung massiv verstärken. Wir sollten uns
uch um die Polizeiausbildung kümmern. Natürlich ist
s nicht Aufgabe der Bundeswehr, Polizisten auszubil-
en; darüber sind wir uns im Klaren. Aber es ist ebenso
öllig klar, dass unsere Feldjäger eine bestehende Lücke
usgefüllt und wertvolle Ausbildungsarbeit geleistet ha-
en. Ich möchte an dieser Stelle den 45 Feldjägern, die
tändig im Einsatz sind, um Polizisten auszubilden, herz-
ich danken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Ich meine auch, dass wir zukünftig in die Mandate
icht nur die Zahl der Soldaten und die entsprechenden
ilitärischen Sachverhalte hineinschreiben sollten, son-

ern auch die zivilen Komponenten, die hinzukommen
üssen.

Das Bundeswehrkontingent wird weiter in der Nord-
egion und in Kabul eingesetzt sein. An dieser Stelle,
eil ich oben auf der Tribüne die Kameraden sehe, ein
erzliches Dankeschön an die Soldatinnen und Soldaten
er Bundeswehr, die unter schwierigen Umständen ihren
erantwortungsvollen Dienst erfüllen. – Im Namen mei-
er Fraktion ein aufrichtiges Dankeschön!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aus aktuellem Anlass warne ich davor, das Engage-
ent unserer Soldatinnen und Soldaten hier bei uns in
eutschland durch parteipolitische Profilierung zu be-

asten. Unsere Kommandeure und Soldaten brauchen in
ieser Phase unser Vertrauen und unseren Rückhalt und
eine Verunsicherung. Dies und nichts anderes ist unsere
emeinsame Verantwortung in diesem Parlament.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 685


(A) )



(B) )


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700919500

Herr Kollege Beck, erlauben Sie eine weitere Zwi-

schenfrage, diesmal der Kollegin Buchholz von der
Fraktion Die Linke?


Ernst-Reinhard Beck (CDU):
Rede ID: ID1700919600

Ich würde jetzt gern zum Schluss kommen, Herr Prä-

sident, weil ich ja nur noch eine Minute Redezeit habe.

Bundesminister Jung hat mit seinem Rücktritt die
Konsequenzen aus den Informationspannen im Verteidi-
gungsministerium gezogen. Damit hat er sich vor die
Bundeswehr gestellt und weiteren Schaden von der
Truppe ferngehalten. Dafür gebührt ihm der Respekt un-
serer Fraktion.

Wir werden als CDU/CSU-Fraktion weiterhin alles
dafür tun, Informationsmängel im Zusammenhang mit
dem Vorfall vom 4. September in einem Untersuchungs-
ausschuss aufzudecken und künftig Abhilfe zu schaffen.
Dies ist, meine ich, auch im Interesse des ganzen Hau-
ses. Ich appelliere daher an Sie: Lassen Sie uns gemein-
sam aufklären, aber lassen Sie uns dies in fairer und an-
gemessener Weise tun!

Herr Kollege Klose, ich begrüße es ausdrücklich, dass
sich die SPD zu ihrer Verantwortung bekennt und der
Mandatsverlängerung für ISAF um ein weiteres Jahr zu-
stimmen will. Schließlich haben wir in den letzten vier
Jahren gemeinsam in der Regierungsverantwortung ge-
standen. Ich möchte auch die Kolleginnen und Kollegen
von den Grünen ermuntern, die Mandatsverlängerung zu
befürworten. Schließlich haben Sie Ende 2001 in ge-
meinsamer Regierungsverantwortung mit der SPD den
Grundstein für unser Engagement in Afghanistan gelegt.

Meine Fraktion wird dem vorliegenden Antrag der
Bundesregierung auf Drucksache 17/39 zustimmen. Die
Entschließungsanträge von SPD, vom Bündnis 90/Die
Grünen und von der Linken lehnen wir ab.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700919700

Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin

Buchholz das Wort.


Christine Buchholz (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700919800

Herr Kollege Beck, Sie haben ja über das Nachden-

ken über den Einsatz gesprochen, Sie haben berechtig-
terweise auch über die Soldatinnen und Soldaten gespro-
chen. Ich möchte Sie fragen, ob Sie in Ihre Erwägungen
auch die Meinung der Bevölkerung hier in Deutschland
mit einbeziehen. Wie ja in mehreren Umfragen deutlich
wurde, sind drei Viertel der Bevölkerung gegen diesen
Krieg in Afghanistan. Die Friedensbewegung hat in der
letzten Woche in 69 Städten eine Umfrage auf der Straße
durchgeführt und hat über 17 000 Menschen befragt.
94 Prozent der Menschen waren der Meinung, dass die
Bundeswehr aus Afghanistan abgezogen werden soll.

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(C (D Was sagen Sie dazu? Wie bewerten Sie diese Umrage in Bezug auf Ihren Antrag? (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Wissenschaftlich nicht belastbar!)


(Widerspruch bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700919900

Zur Erwiderung, Kollege Beck.


Ernst-Reinhard Beck (CDU):
Rede ID: ID1700920000

Liebe Frau Kollegin, ich könnte Ihnen ebenfalls eine

eihe von Umfragen entgegenhalten. Je nachdem, wie
ie die Frage stellen, bekommen Sie andere Ergebnisse.

Fakt ist in der Tat – da gebe ich Ihnen recht –, dass der
insatz in weiten Teilen der Bevölkerung – ich glaube,
ach den letzten Zahlen, die ich habe, liegt das bei
0 Prozent – nicht unterstützt wird, wenn man ihn als
riegseinsatz definiert. Dies ist aber de facto gar nicht
er Fall,


(Lachen bei der LINKEN)


ondern unsere Soldaten – ich sage das noch einmal in
ller Klarheit – sind dort, um einen zivilen Aufbau abzu-
ichern. Ich sage Ihnen auch deutlich: Wenn wir hier
ber die zivilen Opfer sprechen – vorhin ist eine Zahl ge-
annt worden –, muss man dazusagen, dass 80 Prozent
pfer der Taliban und nicht der Bundeswehr sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir sind dort, um einen Aufbau abzusichern. Wir ha-
en diesen Aufbau über viele Jahre hinweg geleistet.
enn Sie die zivilen Aufbauhelfer vor Ort fragen, was

ie machen würden, wenn die Bundeswehr nicht mehr
ort wäre, sagen sie, dass ihre Arbeit dann, zumindest in
en paschtunischen Gebieten des Nordens, nicht mehr
öglich wäre. Wir würden die Menschen also im Stich

assen. Das wird mit uns nicht geschehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700920100

Das Wort hat jetzt der Kollege Burkhard Lischka von

er SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1700920200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will

ines ganz deutlich sagen – das gilt, glaube ich, für alle
olleginnen und Kollegen in diesem Hause, die gleich

ustimmen werden –: Die Verlängerung des ISAF-Man-
ats und die damit verbundene militärische Präsenz in
fghanistan sind kein Selbstzweck, für niemanden hier.
ber sie sind notwendige Grundlage für die Schaffung

ines sicheren Umfeldes, in dem überhaupt so etwas wie
ntwicklung und Stabilisierung in Afghanistan stattfin-
en kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


686 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Burkhard Lischka
Aber wahr ist auch: Die Verlängerung des ISAF-Man-
dates darf nicht ein einfaches Weiter-so bedeuten. Wir
brauchen eine teilweise Neuausrichtung unserer Afgha-
nistan-Politik, eine stärkere Betonung entwicklungspoli-
tischer Ziele. Denn wenn es uns nicht gelingt, unser En-
gagement mit sichtbaren Perspektiven für die Menschen
in Afghanistan zu verbinden, dann wird dieses Engage-
ment scheitern.

Insofern beschließen wir hier heute nicht nur eine
Verlängerung des ISAF-Mandates, sondern wir verge-
wissern uns auch dessen, was wir in Zukunft wollen.
Dem dient der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion,
der Ziele und Zwischenetappen enthält. Was wir brau-
chen, ist ein klarer Zeitplan für die Umsetzung. Wir wol-
len das nicht irgendwann erreichen, sondern das muss in
dieser Legislaturperiode gelingen. Das muss Ziel unserer
Politik sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt.
Trotz des internationalen Militäreinsatzes hat sich die Si-
tuation in Afghanistan für die Bevölkerung mancherorts
verschlechtert. Die Menschen leiden unter Hunger und
Armut und unter einer sehr prekären Sicherheitslage.
Das Verhältnis von militärischen zu zivilen Ausgaben
beläuft sich derzeit auf vier zu eins. Eine dauerhafte Per-
spektive wird Afghanistan erst dann bekommen, wenn
es uns gelingt, dieses Verhältnis umzukehren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Nur durch eine konsequente, nachhaltige Armutsbe-
kämpfung und wirtschaftliche Entwicklung werden wir
erreichen, dass das westliche Engagement von der Be-
völkerung in Afghanistan akzeptiert wird.


(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber ich sage auch: Unserer Verantwortung gerade
gegenüber der Bevölkerung in Afghanistan würden wir
nicht gerecht, Herr Ströbele, wenn wir jetzt in einer
Kurzschlusshandlung Hals über Kopf das Land verlas-
sen,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will doch keiner!)


uns einen schlanken Fuß machen und die Afghaninnen
und Afghanen mit ihren riesigen Problemen alleine las-
sen würden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Vor allen Dingen müssen wir an den Zielen unserer
Entwicklungszusammenarbeit insgesamt und an der
Durchsetzung der international vereinbarten Steigerun-
gen der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit festhal-
ten. Die Bundesregierung hat sich bekanntlich dazu
verpflichtet, 2010 0,51 Prozent des Bruttonationalein-
kommens für die Entwicklungszusammenarbeit zur
Verfügung zu stellen. Dass sich ausgerechnet der zu-
ständige Minister, Herr Niebel – jetzt ist er nicht mehr

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(C (D a –, gleich zu Beginn seiner Amtszeit ganz offiziell on diesem Ziel verabschiedet hat, ist bitter. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as ist bitter für die Menschen, die Hunger leiden, aber
uch für die Entwicklungspolitiker, die sich den Millen-
iumszielen ernsthaft und nicht nur in Sonntagsreden
erpflichtet fühlen. Entwicklungspolitik muss die Her-
en der Menschen erreichen und muss bessere Lebens-
erspektiven für die Menschen vor Ort eröffnen – gerade
uch in Afghanistan.

Hier hat uns die Bombardierung des Tanklastzugs am
. September zurückgeworfen. Wenn der von einem
eutschen Oberst befohlene Angriff zivile Opfer fordert
nd Sie, Herr Verteidigungsminister zu Guttenberg, die-
en Einsatz, wie wir heute wissen, vorschnell als „ange-
essen“ tituliert haben, dann geht zunächst einmal Ver-

rauen verloren. Sie haben sich heute darum bemüht, die
laubwürdigkeit ein Stück weit wiederherzustellen. Da-

ür spreche ich Ihnen meinen Respekt aus. Wir brauchen
iese Glaubwürdigkeit für unser Engagement in Afgha-
istan, aber auch für die Akzeptanz bei uns in Deutsch-
and.

Entwicklung der Infrastruktur, Bildung, Gesundheit,
andwirtschaft, ländliche Entwicklung und nicht zuletzt
orruptionsbekämpfung sind wichtige Ziele. Aber wir
issen auch: Manche Entwicklungshilfegelder versi-

kern in Afghanistan. Zu viel von dem, was wir eigent-
ich erreichen könnten, wird nicht erreicht. Deshalb wer-
en wir dafür sorgen müssen, dass den Worten auch
aten folgen und dass es einen konkreten Fahrplan gibt,
er die weitere Zusammenarbeit mit dem afghanischen
räsidenten festlegt und der einen Einstieg in den Aus-
tieg aus dem militärischen Engagement vorzeichnet.

Einen Strategiewechsel darf man nicht nur ankündi-
en, man muss ihn auch machen. Dem dient der Ent-
chließungsantrag der SPD-Fraktion. Daran werden wir
uch die künftige Politik der Bundesregierung messen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


enn eine vage Hoffnung, dass das alles in Zukunft
chon werden wird, ist uns zu wenig. Das ist zu wenig
ür die Entwicklung in Afghanistan. Wir müssen die Per-
pektiven der Menschen stärken. Da haben wir noch jede
enge zu tun. Das müssen wir angehen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700920300

Herr Kollege Lischka, auch Ihnen gratuliere ich zu Ih-

er ersten Rede im Deutschen Bundestag. Alles Gute!


(Beifall)


Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege
lorian Hahn von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 687


(A) )



(B) )


Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1700920400

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen

und Kollegen! Die Entscheidung, die wir heute im Ho-
hen Haus zu treffen haben, ist keine leichte. Wie die De-
batte zeigt, machen wir sie uns auch nicht leicht. Es ist
letztlich ein Beschluss darüber, ob wir deutsche Soldaten
weiterhin 5 000 Kilometer von der Heimat entfernt der
Gefahr für Leib und Leben aussetzen.

Doch warum müssen und sollen wir uns weiter zu
diesem Mandat bekennen? Weil ein stabiles Afghanistan
im ureigenen Interesse Deutschlands liegt. Nur ein
afghanischer Staat, der selbstständig für Sicherheit sor-
gen kann, wird dauerhaft verhindern können, erneut
Operationsbasis für Terroristen zu werden, die es auf die
Freiheit abgesehen haben,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


die Andersdenkende nicht nur unterdrücken, sondern
auch der Folter und dem Tod preisgeben, jawohl: der
Folter und dem Tod. Da kann ich, Herr van Aken, nur sa-
gen: Das ist wahrlich keine Feuerwehrübung in Castrop-
Rauxel.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn wir heute darüber abstimmen, das ISAF-Man-
dat zu verlängern, müssen wir uns dabei klar vor Augen
führen, wie wir in Afghanistan den Weg zur Übergabe in
Verantwortung weiter beschreiten wollen. Es geht um
die Schaffung selbsttragender Sicherheitsstrukturen und
anderer funktionstüchtiger Strukturen in Afghanistan.
Hier möchte ich mich meinen Vorrednern anschließen:
Dies ist nur durch einen vernetzten Ansatz von sicher-
heitspolitischen, diplomatischen und eben auch – das ist
ganz entscheidend – entwicklungspolitischen Maßnah-
men zu erzielen.

Durch unser entwicklungspolitisches Engagement
sind in Afghanistan bis heute bereits lebenswichtige
Fortschritte zu verzeichnen: 800 000 Menschen haben
eine bessere Stromversorgung. 500 000 Buben und Mäd-
chen können eine Grundschule besuchen. 600 Kilometer
Straße und viele Brücken wurden neu gebaut. Von
100 000 vergebenen Mikrofinanzkrediten konnten Haus-
halte, Handwerker, Händler und Dienstleister profitie-
ren. Dies wäre ohne unsere Sicherheitskräfte so nicht
möglich.

Ich brauche Ihnen auch nicht zu erzählen, welche
Rolle die Frauen unter dem Talibanregime hatten. Für
die Rechte der Frauen konnte bis jetzt, auch mit unserer
Hilfe, viel erreicht werden. An dieser Stelle möchte ich
der Kollegin Beck sehr herzlich danken, die uns den Be-
richt von neun prominenten Frauen in Afghanistan zuge-
leitet hat, in dem unter anderem die Erfolge im Rahmen
der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der Frau-
enrechte dargestellt werden. Diese Frauen bitten uns ex-
plizit um eine Verlängerung des Mandats; Herr
Schockenhoff hat bereits ausführlich darauf hingewie-
sen.

Wenn wir den Einsatz jetzt beenden, haben andere,
nämlich die Taliban, die Chance, wieder an die Macht zu

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(C (D elangen und wieder ihr menschenverachtendes Regime u installieren. Wir in Deutschland müssen uns als berehenbare Freunde der afghanischen Bürgerinnen und ürger erweisen. Unsere zivilen Anstrengungen müssen och unmittelbarer bei der Bevölkerung ansetzen. Die irkung unseres Einsatzes soll noch deutlicher sichtbar erden und direkt bei den Bedürftigen ankommen. In einem Gespräch mit Vertretern aus Afghanistan urde mir gesagt, dass es nicht nur wichtig ist, die Be eiche der Landwirtschaft und der Hochschule zu förern. Ganz entscheidend ist auch die Schaffung von trukturen im Bereich von Handwerk und Mittelstand. ies ist mir ein persönliches Anliegen. Denn am Ende es Tages werden wir unsere Politik daran messen müsen, ob es den Menschen in Afghanistan dann nachhaltig esser geht als unter der Talibanherrschaft und ob sie elbstbestimmt die Zukunft ihres Landes gestalten könen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dabei können wir aktuell weder auf den Einsatz der
rauen und Männer der Bundeswehr noch auf den Ein-
atz der Polizei, des Diplomatischen Dienstes und der zi-
ilen Hilfsorganisationen verzichten. Deren Einsatz ge-
ühren unser aller Respekt und unsere Anerkennung.
ir wünschen ihnen auch in Zukunft Gottes Segen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Genau diese Leistungsträger können zu Recht von
ns erwarten, dass sie nicht zum Gegenstand von partei-
olitischem Klein-Klein werden, Herr Nouripour. Sie
rauchen vielmehr unsere volle Rückendeckung, eine
ückendeckung, die Sie im Ausschuss gegeben haben
nd heute nicht mehr geben wollen.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Unerhört!)


u dieser Rückendeckung gehört ein klares Bekenntnis
das heißt ein klares Ja oder Nein – eines jeden von uns

ier im Haus zur Verlängerung des ISAF-Mandats. In
iesem Sinne bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

Ich bedanke mich ganz herzlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700920500

Herr Kollege Hahn, auch Ihnen gratuliere ich im Na-

en des ganzen Hauses zu Ihrer ersten Rede vor dem
eutschen Bundestag.


(Beifall)


Ich schließe die Aussprache.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, gebe ich Ihnen
ekannt, dass wir 23 Erklärungen nach § 31 unserer Ge-
chäftsordnung zu Protokoll nehmen.1)

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über die Be-
chlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf

Anlagen 2 bis 4

688 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Drucksache 17/111 (neu) zu dem Antrag der Bundes-
regierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen
Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter
Führung der NATO. Der Ausschuss empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache 17/39
anzunehmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre
Plätze einzunehmen. – Haben die Schriftführer ihre
Plätze an allen Urnen eingenommen? – Das ist offenkun-
dig der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.

Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Karte
noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich
schließe den Wahlgang und bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das
Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen spä-
ter bekannt gegeben.1)

Ich bitte Sie, die Plätze wieder einzunehmen. Wir ha-
ben noch einige Abstimmungen durch Handzeichen vor-
zunehmen. So habe ich keinen Überblick.


(Glocke des Präsidenten)


Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Ent-
schließungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungs-
antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/127? Ich
bitte um Ihr Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Entschließungsantrag der SPD ist
mehrheitlich abgelehnt.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 17/128? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungs-
antrag ist ebenfalls mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/133? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs-
antrag ist ebenfalls mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der United Nations
Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf
Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom
11. August 2006 und folgender Resolutionen,
zuletzt 1884 (2009) vom 27. August 2009 des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

– Drucksachen 17/40, 17/112 (neu)

Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Rainer Stinner
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller (Köln)


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1) Ergebnis siehe Seite 690 C

(C (D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung – Drucksache 17/140 – Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Carsten Schneider Dr. h. c. Jürgen Koppelin Michael Leutert Sven Kindler Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion ündnis 90/Die Grünen vor. Über die Beschlussempfehlung werden wir später naentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wierspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so bechlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Reder das Wort dem Kollegen Hellmut Königshaus von der DP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1700920600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe,

ber das UNIFIL-Mandat wird nicht ganz so aufgeregt
iskutiert wie eben über das ISAF-Mandat. Gleichwohl
eht es hier um ein wichtiges und diffiziles Thema; denn
it diesem Mandat verbinden sich wichtige Ziele.

Unsere Marine soll zur Sicherung friedlicher Verhält-
isse in der Region beitragen und Waffenschmuggel
ber See verhindern. Dabei berücksichtigt Deutschland
atürlich auch sein besonderes Verhältnis zu Israel und
eine Verantwortung für dieses Land. Wir wollen, dass
srael und seine Nachbarn in Frieden miteinander leben
önnen. Dazu wollen wir jeden denkbaren Beitrag leis-
en.


(Beifall bei der FDP)


Die Stabilisierung des Libanon ist ein wichtiger Eck-
feiler für eine tragfähige und vor allem dauerhafte Frie-
enslösung. Deutschland hat sich in der Erwartung,
ierzu einen Beitrag leisten zu können, entschieden,
räfte der Marine als Teil der maritimen Komponente
es UNIFIL-Einsatzes beizusteuern. Ob dies ein geeig-
eter Beitrag zur Friedenssicherung war, sei dahinge-
tellt. Sie wissen, dass die FDP hier mehrheitlich
keptisch war. Die Grünen bezeichnen in ihrem Ent-
chließungsantrag das Problem der ungesicherten
renze zu Syrien – nicht das Problem der Seegrenze –

u Recht als „größte Herausforderung“. Da sind Schiffe
or der Küste natürlich keine Hilfe.

Gleichwohl müssen wir an dieser Stelle an die Solda-
innen und Soldaten denken, die an Bord der vielen
chiffe waren und dort unter zum Teil sehr schwierigen
mständen ihren Dienst getan haben. Auch ihnen sind
ir Dank schuldig.


(Beifall bei der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 689


(A) )



(B) )


Hellmut Königshaus
Dessen ungeachtet sieht sich die Koalition – damit
natürlich auch die FDP – in außenpolitischer Kontinui-
tät. Unsere internationalen Verpflichtungen, auch gegen-
über den Vereinten Nationen, halten wir selbstverständ-
lich ein. Niemand kann so tun, als gebe es den UNIFIL-
Einsatz nicht bereits; und da er nicht von heute auf mor-
gen beendet werden kann, gibt die FDP heute mehrheit-
lich ihre Zustimmung zur Verlängerung dieses Mandats.

Allerdings – auch das muss hier gesagt werden – ist
dieses Mandat zu Recht zeitlich und auch inhaltlich,
sachlich begrenzt.


(Beifall bei der FDP)


Bei jedem Mandat – und gerade bei diesem – muss im-
mer wieder von neuem geprüft werden, ob es fortgesetzt
werden muss oder ob es nunmehr beendet werden kann.
Das ist hier zu bedenken. Ziel des Einsatzes – das wissen
wir – war die Überwachung der Seegrenzen des Liba-
non, bis dieser selbst dazu in der Lage ist. Durch den
auch mit deutscher Hilfe erreichten Aufbau erweiterter
Fähigkeiten der libanesischen Marine ist das Land jetzt
selbst in der Lage, diese Aufgaben zu übernehmen.
Union und FDP wollen daher im Rahmen der Vereinten
Nationen auf eine schrittweise Reduzierung unseres Bei-
trages an UNIFIL hinwirken, und zwar, wie es im Ko-
alitionsvertrag ausdrücklich heißt, mit der Perspektive
der Beendigung.


(Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP])


Herr Trittin, das ist das Signal, das Sie vorhin an anderer
Stelle vermisst haben. Die Perspektive ist die Beendi-
gung des Einsatzes.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700920700

Herr Kollege Königshaus, erlauben Sie eine Zwi-

schenfrage des Kollegen Liebich von der Fraktion Die
Linke?


Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1700920800

Ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700920900

Bitte schön.


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700921000

Herr Königshaus, Sie haben gesagt, dass das Mandat

immer wieder inhaltlich zu überprüfen ist und die FDP-
Fraktion es deshalb begrüßt, dass dieser Einsatz auf
sechs Monate begrenzt wird. Wenn dieses Argument
nicht speziell auf UNIFIL bezogen wird, weil die FDP
ihre Position dazu geändert hat, frage ich Sie, warum Sie
das nicht genauso für den OEF- und den ISAF-Einsatz
beschlossen haben.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Herr Kollege, ich hatte gehofft, dass irgendjemand iese Frage stellt, damit ich sie hier beantworten kann. In er Öffentlichkeit werden ja verschiedentlich ulkige Arumente vorgebracht, unter anderem, wie eben von Ihen, die FDP habe ihren Standpunkt geändert. Das hat ie nicht. Wir sind heute in einer ganz anderen Situation. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, klar! Sie sind in der Regierung!)

Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1700921100

ir haben eine andere Entscheidung zu treffen, als das
m Anfang der Fall war, als über die ersten Mandate zu
ntscheiden war. Damals ging es schlichtweg um die
rage, ob das, was angestrebt wurde, auf diesem Weg
irksam erreicht werden konnte. Damals hatten wir eine

ndere Auffassung. Das kann man natürlich auch anders
ehen.

Bei den Folgemandaten ging es darum, ob das von
ns ursprünglich durchaus kritisch gesehene Mandat
nverändert fortgesetzt werden soll. Dazu sahen wir kei-
en Anlass, insbesondere weil die Perspektive einer Be-
ndigung, die nun ausdrücklich angestrebt wird, nicht
nthalten war. Damals war die Prüfkomponente nicht
nthalten, die Sie völlig zu Recht erwarten und verlan-
en. Weil diese Prüfkomponente dieses Mal enthalten
st, können wir diesem Mandat frohen Herzens zustim-

en. Ich kann Sie nur auffordern, ebenfalls Ihre Zustim-
ung zu geben.


(Beifall bei der FDP)


Die vorgesehene Beendigung unserer Beteiligung an
er maritimen Komponente des UNIFIL-Einsatzes folgt
lso nicht, wie die Grünen behaupten, sachfremden Mo-
iven, sondern einer klaren Bewertung der Fortschritte,
ie wir im Stabilisierungsprozess bereits erreicht haben
nd die wir durch eine Fortsetzung des Mandats noch
rreichen können. Alles spricht dafür, das Mandat nun
uslaufen zu lassen. Eine Reduzierung unserer Beteili-
ung hat im Übrigen bereits die Regierung der Großen
oalition vorgenommen. Unsere Marine ist jetzt nur
och mit zwei Patrouillenbooten und einer Unterstüt-
ungseinheit vor Ort präsent. Die Reduzierung des Man-
ats ist eine konsequente Folge.

Wir werden die kommenden sechs Monate, die uns
leiben, nutzen, um mit den Vereinten Nationen die kon-
reten Regelungen für die Beendigung des Mandats zu
rörtern. Der VN-Sicherheitsrat hat mit der Resolution
884 eine Überprüfung des operativen Ansatzes von
NIFIL gefordert. Diese Evaluierung läuft bereits. Die
rgebnisse werden voraussichtlich im Frühjahr vorlie-
en. Dann – und erst dann – wird die Koalition abschlie-
end darüber entscheiden, wie wir das Mandat beenden;
enn wir können dort nicht einfach abziehen.

Die FDP-Fraktion ist sich der Symbolwirkung dieses
insatzes gerade auch gegenüber Israel bewusst. Aber
ir müssen auch andere Aspekte im Auge behalten. Un-

ere Marine ist an vielen Orten der Welt gefordert. Wir
üssen Prioritäten setzen, wenn wir sie nicht überfor-

ern wollen.

690 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Hellmut Königshaus

Norbert Brackmann
Klaus Brähmig Florian HahnHolger Haibach

Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse

Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier

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r. Hermann Kues
r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
atharina Landgraf
lrich Lange
r. Max Lehmer
aul Lehrieder
r. Ursula von der Leyen

ngbert Liebing
atthias Lietz
r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak

Daniela Raab
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Michael Brand Dr. Stephan Harbarth Bettina Kudla Lucia Puttrich
Ein weiterer Aspekt darf, gl
werden. Wir dürfen nicht den
Mandate, die einmal erteilt wu
werden können, selbst dann n
sprünglich gewünschter Zwec
dernfalls wäre es noch schwier
wir zu Recht aufrechterhalten
rung Akzeptanz zu erhalten, in
tan und am Horn von Afrika.

Aus diesen Überlegungen
diesem eingeschränkten Man
Schlüsse. Ich bitte Sie um Ihre

Vielen Dank.

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 594;
davon

ja: 446
nein: 105
enthalten: 43

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach

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aube ich, nicht übersehen
Eindruck erwecken, dass
rden, nicht mehr beendet
icht, wenn sich ihr ur-

k längst erfüllt hat. An-
iger, für die Mandate, die
wollen, in der Bevölke-
sbesondere in Afghanis-

zieht die Koalition mit
dat die angemessenen

Zustimmung.

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(KarlsruheLand)

r. Maria Flachsbarth
laus-Peter Flosbach
erbert Frankenhauser
r. Hans-Peter Friedrich

(Hof)

ichael Frieser

rich G. Fritz
r. Michael Fuchs
ans-Joachim Fuchtel
lexander Funk
go Gädechens
r. Thomas Gebhart
orbert Geis
lois Gerig
berhard Gienger
osef Göppel
eter Götz
r. Wolfgang Götzer
te Granold
einhard Grindel
ermann Gröhe
ichael Grosse-Brömer
strid Grotelüschen
arkus Grübel
anfred Grund
onika Grütters
r. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
lav Gutting

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(Beifall bei der FDP sowi der CDU/C Vizepräsident Dr. Herman Bevor ich dem nächsten Red ch Ihnen das von den Schriftfü ern ermittelte Ergebnis der ung über die Beschlussempf usschusses zu dem Antrag d ortsetzung des ISAF-Manda timmen 594. Mit Ja haben ge it Nein haben gestimmt 10 eschlussempfehlung ist angen ranz-Josef Holzenkamp oachim Hörster nette Hübinger homas Jarzombek r. Dieter Jasper ndreas Jung r. Franz Josef Jung r. Egon Jüttner artholomäus Kalb teffen Kampeter lois Karl ernhard Kaster iegfried Kauder (VillingenSchwenningen)


olker Kauder
r. Stefan Kaufmann
oderich Kiesewetter
ckart von Klaeden
olkmar Klein
ürgen Klimke
ulia Klöckner
xel Knoerig

ens Koeppen
r. Kristina Köhler

(Wiesbaden)

r. Rolf Koschorrek
artmut Koschyk
homas Kossendey
ichael Kretschmer
unther Krichbaum
r. Günter Krings

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(C (D e bei Abgeordneten SU)


n Otto Solms:
ner das Wort erteile, gebe
hrerinnen und Schriftfüh-
namentlichen Abstim-
ehlung des Auswärtigen
er Bundesregierung zur

ts bekannt: abgegebene
stimmt 446 Abgeordnete,
5, Enthaltungen 43. Die
ommen.

r. Michael Luther
arin Maag
ans-Georg von der Marwitz
ndreas Mattfeldt
tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
r. Angela Merkel
aria Michalk
r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder
ietrich Monstadt
arlene Mortler

tefan Müller (Erlangen)

adine Müller (St. Wendel)

r. Gerd Müller
r. Philipp Murmann
ernd Neumann (Bremen)

ichaela Noll
r. Georg Nüßlein
ranz Obermeier
duard Oswald
enning Otte
r. Michael Paul
ita Pawelski
lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
ibylle Pfeiffer
eatrix Philipp
onald Pofalla
hristoph Poland

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 691


(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Frhr. von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

SPD

Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Hans-Peter Bartels
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase

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ernhard Brinkmann

(Hildesheim)

artin Burkert

etra Crone
artin Dörmann

lvira Drobinski-Weiß
arrelt Duin
ebastian Edathy
iegmund Ehrmann
r. h. c. Gernot Erler
etra Ernstberger
arin Evers-Meyer
lke Ferner
abriele Fograscher
r. Edgar Franke
agmar Freitag
eter Friedrich
igmar Gabriel
ichael Gerdes
is Gleicke
ünter Gloser
lrike Gottschalck
ngelika Graf (Rosenheim)

ichael Groß
ichael Groschek
ans-Joachim Hacker
ettina Hagedorn
laus Hagemann
ichael Hartmann

(Wackernheim)

ubertus Heil (Peine)

olf Hempelmann
r. Barbara Hendricks
ustav Herzog
rank Hofmann (Volkach)

r. Eva Högl
hristel Humme

osip Juratovic
liver Kaczmarek

ohannes Kahrs
r. h. c. Susanne Kastner
lrich Kelber
ars Klingbeil
ans-Ulrich Klose
r. Bärbel Kofler
ritz Rudolf Körper
nette Kramme
icolette Kressl
ngelika Krüger-Leißner
te Kumpf
hristine Lambrecht
hristian Lange (Backnang)

r. Karl Lauterbach
teffen-Claudio Lemme
urkhard Lischka
abriele Lösekrug-Möller
irsten Lühmann
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atja Mast
etra Merkel (Berlin)

llrich Meßmer
r. Matthias Miersch
ranz Müntefering
r. Rolf Mützenich
ndrea Nahles
ietmar Nietan
anfred Nink

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r. Sascha Raabe
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r. Carola Reimann
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r. Ernst Dieter Rossmann
arin Roth (Esslingen)

ichael Roth (Heringen)

arlene Rupprecht

(Tuchenbach)

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arianne Schieder

(Schwandorf)

erner Schieder (Weiden)

lla Schmidt (Aachen)

arsten Schneider (Erfurt)

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ttmar Schreiner
wen Schulz (Spandau)

wald Schurer
rank Schwabe
r. Angelica Schwall-Düren
tefan Schwartze
r. Carsten Sieling
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r. Frank-Walter Steinmeier
hristoph Strässer
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r. h. c. Wolfgang Thierse
ranz Thönnes
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eidemarie Wieczorek-Zeul
r. Dieter Wiefelspütz
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hristine Aschenberg-
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(Lausitz)


(Frankfurt)


(Lüdenscheid)


(A) )


(B) )


(Bönstrup)


(Wolmirstedt)

Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1700921200

ort. Als nächster Redner
ter Gloser von der SPD-

er SPD)

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m Einsatz wesentlich zur
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er verdient unseren Dank und

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Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck Cornelia Behm Hans-Josef Fell Priska Hinz Thomas Koenigs Omid Nouripour Krista Sager Manuel Sarrazin Nein Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth M D D K R D K S A D F D A K S H H K (Cichael Schlecht r. Herbert Schui r. Ilja Seifert athrin Senger-Schäfer aju Sharma r. Petra Sitte ersten Steinke abine Stüber lexander Süßmair r. Kirsten Tackmann rank Tempel r. Axel Troost lexander Ulrich athrin Vogler ahra Wagenknecht alina Wawzyniak arald Weinberg atrin Werner SPD Daniela Kolbe Dr. Wilhelm Priesmeier BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Birgitt Bender Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Ulrike Höfken Bärbel Höhn Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 693 Günter Gloser Es wäre aber falsch, aufgrund des guten Verlaufs der UNIFIL-Mission die Situation in der Region insgesamt nur positiv zu zeichnen. Durch die Kontrolle des Seeverkehrs wurde der Schmuggel von Waffen leider keineswegs beendet. Die Landgrenze zu Syrien ermöglicht es der Hisbollah nach wie vor, sich auf diesem Weg neue Waffen zu besorgen. Die Hisbollah brüstet sich sogar, jetzt besser ausgerüstet zu sein als vor der letzten bewaffneten Auseinandersetzung mit Israel im Sommer 2006. Ich hatte im Oktober 2008 selbst die Gelegenheit, mir auf dem Landweg von Beirut nach Damaskus einen Eindruck von den dortigen Grenzkontrollen zu verschaffen. Deshalb kann ich aus eigenem Augenschein bestätigen: Der Zoll und die Grenztruppen des Libanon brauchen intensive Unterstützung beim Ausbau der Grenzsicherung. Das geschieht bereits in Form einer deutschen Unterstützung bei der Ausbildung der Zollmitarbeiter und bei der wichtigen Vernetzung mit anderen Behörden des Landes. Dieses deutsche Engagement sollte ebenfalls fortgeführt und ausgeweitet werden; denn nur durch den Aufbau eigener Kapazitäten können die Probleme dauerhaft gelöst werden. Dieses Prinzip gilt genauso für die Seeseite, wo durch Unterstützung der Ausbildung und Ausrüstung der Marine ebenfalls bereits wertvolle Arbeit geleistet wird. Die Führung des Libanon ist sich ihrer Verantwortung bewusst. Bei meinem schon erwähnten Besuch konnte ich mich selbst davon überzeugen, dass die Regierung alles in ihrer Macht Stehende tut, um auch an der Grenze zu Syrien eine effektive Kontrolle zu errichten. Doch die Möglichkeiten dazu sind selbst beim besten politischen Willen leider begrenzt. Deshalb muss auch der Nachbar Syrien einen entsprechenden Beitrag zur Unterbindung des Schmuggels leisten. Die Rolle Syriens verdient nicht nur aus diesem Grund unser besonderes Augenmerk. Überhaupt wird es im Libanon nur dann eine positive Entwicklung geben, wenn Syrien eine konstruktive Rolle einnimmt. Ich finde, in dieser Richtung hat Damaskus bereits erste Schritte getan, zum Beispiel durch den Austausch von Botschaftern. Vor allem anderen aber muss Syrien seinen bestehenden Einfluss auf die Hisbollah geltend machen. Ich kann die Aufforderung des Kollegen Rolf Mützenich an den Außenminister in der vorangegangenen Debatte nur unterstützen: Bauen Sie die Beziehungen zu Syrien aus! Nutzen Sie diese Beziehungen intensiv, um Syrien in der Region insgesamt zu einer konstruktiven Haltung zu bewegen! Das ist, wie ich finde, ein wichtiger Punkt im Hinblick auf die auch von Ihnen, Herr Außenminister, immer wieder beschworene Kontinuität der deutschen Außenpolitik. Wir sollten diese Initiative ruhig in Angriff nehmen, auch wenn sie g w S u d s n S w b d U S v M g h g a H d M i t w n r e s v z n d t c i d s R V s g U n e g M f (C (D elegentlich zu koalitionsinternen Dissonanzen führen ird. Deutschland hat ein großes Interesse daran, dass die pannungen zwischen dem Libanon und Israel abgebaut nd die staatlichen Strukturen im Libanon gestärkt weren. Was wir nicht brauchen, sind ein erneutes militäriches Erstarken der Hisbollah, in der Folge Provokatioen gegenüber Israel und daraufhin die berechtigte orge Israels um seine Sicherheit. An diesem Szenario ird deutlich, dass es neuer Initiativen im Nahen Osten edarf, um solch einer möglichen Eskalation frühzeitig ie Grundlage zu entziehen. Noch ein weiterer Punkt muss betont werden: Die NIFIL-Mission geht direkt auf Resolutionen des icherheitsrates der Vereinten Nationen zurück. Wir sind on der UNO nachdrücklich aufgerufen worden, diese ission zu unterstützen und zum Erfolg zu führen. Es eht deshalb nicht nur um unser Interesse an der Sichereit Israels und einer friedlichen Entwicklung der Reion, sondern auch um unseren glaubwürdigen Beitrag ls aktives Mitglied der Völkergemeinschaft. Vor dem intergrund dieser Verantwortung wird die SPD-Bunestagsfraktion der vorgeschlagenen Verlängerung des andats, wie angekündigt, zustimmen. Es bleibt aber ein Punkt, der mich und uns stört – er st bereits erwähnt worden –: In keinem der Redebeiräge, auch nicht in Ihrem, Herr Kollege Königshaus, urde vonseiten eines Redners der Regierungskoalition achvollziehbar begründet, warum sich die Verlängeung nur bis zum 30. Juni 2010 erstrecken soll. Die Verinten Nationen haben das UNIFIL-Mandat mit der Reolution 1884 schließlich bis Ende August 2010 erlängert. Diese – ich muss es so sagen – willkürliche eitliche Beschränkung des deutschen Beitrags hat auch ichts mit der angekündigten Überprüfung der Mission urch den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu un, wie verschiedentlich behauptet wurde. Ich habe den Eindruck, hier geht es eher darum, siherzustellen, dass die FDP und der neue Außenminister hr Gesicht wahren können. Ich finde allerdings, die eutsche Außenpolitik darf nicht dazu dienen, Fehlentcheidungen der FDP aus ihrer Oppositionszeit jetzt in egierungsverantwortung aufleben zu lassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(A) )


(B) )


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ielmehr muss es uns darum gehen, in einer insgesamt
chwierigen Situation im Nahen Osten die richtigen Si-
nale auszusenden. Die Beteiligung Deutschlands an der
NIFIL-Mission ist ein solches richtiges Signal, ge-
auso wie die Unterstützung des Libanon beim Aufbau
iner funktionierenden Grenzsicherung an der Land-
renze zu Syrien. Mit der unnötigen Verkürzung des
andats setzt man dagegen das falsche Signal. Bisher

ehlt dafür, wie gesagt, eine schlüssige Begründung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


694 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700921300

Das Wort hat der Kollege Henning Otte von der CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Henning Otte (CDU):
Rede ID: ID1700921400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Kolleginnen und Kollegen! Vor drei Jahren haben wir
erstmals einer Beteiligung deutscher Streitkräfte an der
United Nations Interim Force in Lebanon zugestimmt.
Die Beendigung der Kampfhandlungen zwischen dem
Libanon und Israel war damals erst durch UNIFIL mög-
lich geworden.

Seit 2006 hat der UNIFIL-Flottenverband illegale
Waffenlieferungen über See in den Libanon unterbun-
den. Seit dieser Zeit wurden zusammen mit den Libane-
sen mehr als 30 000 Abfragen auf See getätigt und über
390 Schiffe überprüft. Über 21 Monate hat Deutschland
dabei Führungsverantwortung vor Ort übernommen und
diese Arbeit in hervorragender Weise geleistet. Auch in
den letzten drei Monaten hat unsere Nation wieder ein-
mal den aus vier Fregatten, drei Schnellbooten und ei-
nem Tender bestehenden Flottenverband unter der
Flagge der Vereinten Nationen befehligt und das Kom-
mando jetzt an Italien übertragen.

Der Beitrag Deutschlands umfasst weit mehr als die
erfolgreiche Verhinderung illegaler Waffenlieferungen.
Mit der Überlassung von zwei Polizeibooten, einem
Wachboot und vor allem einer Küstenradarorganisation
mit insgesamt sechs Radaranlagen sowie weiteren Aus-
bildungsaktivitäten unterstützt unser Land die libanesi-
schen Streitkräfte auf dem Weg zu einer eigenverant-
wortlichen Sicherung der seeseitigen Grenze.
Andererseits ist es unverzichtbar, dass illegale Waffen-
lieferungen an der Grenze von Syrien zum Libanon
ebenfalls unterbunden werden, und zwar von den Liba-
nesen selbst wie auch von Syrien; mein Vorredner hat
das angesprochen.

Insgesamt gesehen hat sich die innen- und außenpoli-
tische Situation des Libanon und der gesamten Region
deutlich verbessert. Libanon und Israel haben beide ein
außerordentlich großes Interesse an einer Fortführung
der Beteiligung Deutschlands an dieser Maritime Task
Force bekundet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine stabile
Lage im Nahen Osten liegt auch im Interesse Deutsch-
lands. Ich selbst konnte mir von der Arbeit unserer Trup-
pen beim UNIFIL-Einsatz ein Bild machen. Ich danke
unseren Soldatinnen und Soldaten, die durch ihren Ein-
satz einen wesentlichen Beitrag zu dieser positiven Ent-
wicklung geleistet haben.

Der UN-Sicherheitsrat hat mit der Resolution 1884
die UNIFIL-Mission bis zum 31. August 2010 verlän-
gert. Derzeit befinden sich 12 000 Soldatinnen und Sol-
daten im Einsatz. Der UN-Generalsekretär hat jüngst
noch einmal das sogenannte doppelte Mandat auf See
betont: in der Form, dass neben der seeseitigen Siche-
rung der Grenzen die libanesische Marine auch beim

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(C (D ufbau von eigenen Fähigkeiten zur Grenzsicherung unerstützt werden soll. Im kommenden Jahr wird es zu einer Evaluierung ieser Mission durch die Vereinten Nationen kommen. aher ist es richtig, dass wir dieses Mandat bis zum 0. Juni, also um ein halbes Jahr, verlängern. Diese verürzte Mandatsverlängerung erlaubt es uns, auf die Erebnisse dieser Evaluation zu reagieren. Angesichts der erfolgreichen Auftragserfüllung und er zunehmenden Befähigung der libanesischen Armee st eine Absenkung der Obergrenze für die deutsche eteiligung von 1 200 auf 800 Soldaten richtig und anemessen. Wir machen damit deutlich, dass sich die ruppenstärke an der Lage vor Ort orientiert und entprechend angepasst wird. UNIFIL ist eine wichtige und erfolgreiche Mission. er jetzt, vor der Evaluierung, für einen Abzug unserer oldaten plädiert, der gefährdet die Erfolge dieser Mision und der Arbeit der letzten drei Jahre. Ein klares otum für diese Mission ist auch ein Ausdruck der Anerennung und Wertschätzung der Leistung unserer Soldaen im Einsatz. Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Anrag der Bundesregierung daher zustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700921500

Das Wort hat jetzt die Kollegin Inge Höger von der

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700921600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soldaten

er Bundeswehr haben im Nahen Osten nichts, aber
uch gar nichts zu suchen.


(Beifall bei der LINKEN)


as hat mein Kollege Wolfgang Gehrcke bereits in der
etzten Woche sehr deutlich gemacht.

Formal diskutieren wir heute über die Verlängerung
es Einsatzes deutscher Soldaten vor dem Libanon. Fak-
isch steht wesentlich mehr auf der Tagesordnung. Es
eht um nicht mehr und nicht weniger als um die Rolle
er Bundeswehr in der deutschen Außenpolitik. Die De-
atte zwischen Herrn Mützenich von der SPD und Ver-
eidigungsminister Jung, äh, Guttenberg in der letzten

oche war da sehr aufschlussreich.


(Heiterkeit – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ja, ihr seid immer noch von gestern!)


Na ja, wir alle sind froh, dass Herr Guttenberg, äh,
err Jung die Verantwortung übernommen hat und ge-
angen ist.

Die Debatte in der letzten Woche war sehr aufschluss-
eich. Herr Guttenberg


(Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Zu Guttenberg!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 695


(A) )



(B) )


Inge Höger
forderte, mit der Selbstverständlichkeit von Auslands-
einsätzen „unverdruckst“ umzugehen. Herr Mißfelder
erklärte den UNIFIL-Einsatz gar zum „Modell für an-
dere Einsätze in der Zukunft“. Sie alle wissen: Die Linke
wird die Bundeswehr als Armee im globalen Einsatz nie-
mals als Selbstverständlichkeit hinnehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke ist die einzige Partei, die konsequent gegen
Auslandseinsätze ist.

Wenn nun Herr Mützenich behauptet, dass Auslands-
einsätze für seine Partei nie Normalität werden, dann
fragt man sich, wo er in den letzten elf Jahren war. Im-
merhin hat die SPD doch verantwortlich dafür gesorgt,
dass Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Normalität
werden konnten.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Das ist auch gut so!)


Nun zum UNIFIL-Mandat. Deutschland ist für unsäg-
liche Verbrechen gegenüber Jüdinnen und Juden verant-
wortlich. Deutschland kann in der Region des Nahen
Ostens niemals als neutraler Akteur auftreten.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Wir tun es mit Zustimmung der Länder dort!)


Was wäre zum Beispiel, wenn deutsche Schiffe ein israe-
lisches Flugzeug oder Schiff wegen Verstoßes gegen die
UN-Resolution 1701 in ein Gefecht verwickeln und es
dabei zu Opfern kommt?


(Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Israel wünscht unsere Anwesenheit dort!)


Der Wirbel um Oberst Klein wäre im Verhältnis zu dem
Wirbel bei einem solchen Vorfall eine Kleinigkeit.

Dies ist kein hypothetischer Fall. Es kam in den letz-
ten drei Jahren zu mehreren Konfrontationen zwischen
der deutschen und der israelischen Armee. Niemand
kann garantieren, dass vergleichbare Zwischenfälle auch
in der Zukunft glimpflich verlaufen werden. Die deut-
sche Verantwortung in dieser Region kann und darf sich
nicht militärisch artikulieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Darf ich an den Sommer 2006 erinnern? Damals tobte
der Krieg zwischen israelischen Streitkräften und His-
bollah-Einheiten. Welche Waffen kamen dabei zum Ein-
satz? Deutsche Waffen, und zwar auf beiden Seiten der
Front. Das darf nie wieder vorkommen.

Waffenlieferungen in den Libanon sollen angeblich
durch UNIFIL kontrolliert und verhindert werden.
Gleichzeitig werden nach wie vor offiziell Waffen aus
Deutschland nach Israel und in andere Länder der Re-
gion geliefert. Waffenlieferungen in Krisengebiete soll-
ten grundsätzlich unterbleiben.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal betonen: s darf nicht sein, dass mit dem Einsatz deutscher Solda en im Nahen Osten eine Enttabuisierung des Einsatzes er Bundeswehr in aller Welt stattfindet. Ohne einen umassenden politischen Prozess wird es keinen dauerhafen Frieden und keine Sicherheit im Nahen Osten geben, eder für die Menschen in Israel noch im Libanon noch n anderen Staaten der Region. Diesen Prozess sollten eutsche nicht durch mehr Waffen und Soldaten er chweren. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Müller von ündnis 90/Die Grünen. Kerstin Müller EN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700921700
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Der

eutsche Einsatz im Rahmen der UNIFIL-Mission, über
essen Verlängerung wir heute abstimmen, ist ein ver-
ntwortbarer und erfolgreicher Einsatz, der den Frie-
ensprozess im Libanon gestärkt hat und damit zu einer
tabilisierung der Gesamtregion beigeträgt. Genau aus
iesem Grund wird er von beiden Konfliktparteien, also
on den Libanesen und den Israelis, Frau Höger, sowie
on der UNO ausdrücklich weiter gewünscht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ihr Hauptargument, über das man nachdenken muss
nd das bei der Erteilung des Mandats eine große Rolle
espielt hat – auch hier in diesem Hause –, ist die Frage:
ürfen Deutsche in diese Region, und was ist, wenn es

u einer Konfrontation zwischen Deutschen und Israelis
ommt?

Es ist nicht zu der befürchteten Konfrontation gekom-
en.


(Inge Höger [DIE LINKE]: Aber es kann jederzeit passieren!)


or allem die Israelis sagen ganz klar, dass sie nicht nur
ie UNO-Mission wollen. Das ist übrigens die einzige
ission, bei der die Israelis dafür eintreten, dass die
NO die entscheidende Rolle spielt. Sie wünschen aus-
rücklich auch einen deutschen Beitrag.

Wenn man erkennt, dass ein Argument von der Reali-
ät überholt wird, dann muss man in der Lage sein, seine
osition zu revidieren und zu sagen: Dieser Einsatz ist
innvoll. Wir werden zustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Königshaus, meine Damen und Herren von der
DP, man könnte meinen, dass Sie Ihre Auffassung revi-
iert haben. Als Sie noch in der Opposition waren, wa-
en Sie gegen den Einsatz. Ich diffamiere nicht die Argu-
ente. Es gibt Argumente, über die man durchaus

achdenken muss. Heute waren die Gründe für die Revi-
ion aber nicht erkennbar, abgesehen von dem Grund,

696 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Kerstin Müller (Köln)

dass Sie heute nicht mehr in der Opposition, sondern in
der Regierung sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn dieser Einsatz im Grundsatz sinnvoll und erfor-
derlich ist, wenn er zum Frieden beiträgt, dann gibt es
heute keinen Grund, dieses Mandat bis Ende Juni nächs-
ten Jahres zu begrenzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ist lediglich der Gesichtswahrung der FDP geschul-
det. Das ist außenpolitisch aber nicht seriös.

Sie berufen sich auf die Evaluierung durch die UNO.
Das ist meines Erachtens ziemlich fadenscheinig, weil
Sie wissen, dass diese bei vielen Mandaten stattfindet.
Wenn das UNO-Mandat der Hintergrund gewesen wäre,
dann hätten Sie das Mandat wenigstens bis August
nächsten Jahres begrenzen müssen. Das wäre logisch ge-
wesen.

Man muss ganz klar sagen: Die Argumente sind vor-
geschoben. Die FDP plant den Einstieg in den Ausstieg.
Das steht leider auch so in Ihrem Koalitionsvertrag. Das
ist angesichts der Lage vor Ort – nur das müssen die Ar-
gumente für unsere Entscheidung sein – unverantwort-
lich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700921800

Frau Kollegin Müller, erlauben Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Königshaus?

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Ja, gern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700921900

Bitte schön, Herr Königshaus.


Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1700922000

Frau Kollegin, gilt das Argument, das der Kollege

Trittin vorhin genannt hat? Er hat nämlich bemängelt,
dass das ISAF-Mandat um ein Jahr verlängert wurde und
nicht nur um ein halbes Jahr. Dabei geht es auch um eine
Evaluierung, nämlich im Rahmen der Afghanistan-Kon-
ferenz. Können Sie uns diesen Unterschied erklären?

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Begrenzung
von Mandaten. Bei ISAF ist es aber eine Idee der deut-
schen Bundeskanzlerin, eine Konferenz zu veranstalten.
Bei UNIFIL hingegen – ich habe das Geschäft auch
lange betrieben – geht es um eine ganz normale routine-
mäßige Untersuchung bzw. Überprüfung, wie es die
UNO mit all ihren Mandaten macht, damit dem General-
sekretär in New York berichtet werden kann. Das war
für uns noch nie ein Grund, ein Mandat zu begrenzen,
auch nicht bei ISAF und auch nicht bei OEF.

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(C (D Ich möchte aus Ihrem Koalitionsvertrag zitieren, weil ch meine, dass dort der eigentliche Grund dargelegt ist. arin heißt es: Im Rahmen der Vereinten Nationen werden wir auf eine schrittweise Reduzierung unseres deutschen Beitrages zur Maritime Task Force UNIFIL mit der Perspektive der Beendigung hinwirken. as ist der Grund dafür, weshalb wir es hier mit einer egrenzung zu tun haben. Ich finde, das ist der Sache icht angemessen; das sehen auch die Konfliktparteien o. Frau Kollegin Müller, erlauben Sie eine Nachfrage es Kollegen Königshaus? Kerstin Müller EN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700922100
Ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700922200

Bitte schön, Herr Königshaus.


Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1700922300

Sind Sie bereit, zu akzeptieren, dass es für die FDP

eine einfachen Mandate gibt und dass wir selbstver-
tändlich nicht routinemäßige Überprüfungen, sondern
mmer nur ernst gemeinte Überprüfungen vornehmen?
enauso ist das in diesem Fall. Das gilt sowohl für die
fghanistan-Konferenz als auch für das Assessment von
NIFIL.

Ich möchte jetzt nicht über die Frage des politischen
nd des militärischen Nutzens des Mandats sprechen. Es
eht schlichtweg um die Frage, ob ein Mandat, das
chon läuft – das ist ja etwas anderes, als wenn ich über
in neues Mandat rede –, daraufhin überprüft werden
uss, ob es beendet werden muss bzw. ob es beendet
erden kann. Das ist doch keine Routine.

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Nein. Ich bin immer für Überprüfungen. Ich bin der
einung, dass auch der Deutsche Bundestag überprüfen

nd begrenzen muss, wenn er dies als erforderlich an-
ieht. Ich kann in diesem Fall aber nicht die wirklichen
ründe erkennen.

Ich möchte Ihren Koalitionspartner zitieren. Wo ist
enn Herr Staatssekretär Kossendey? – Dort hinten sitzt
r. Er hat am 30. des vergangenen Monats im Libanon
ie Übergabe der deutschen Mission an die Italiener vor-
enommen. Dabei hat er gesagt – offensichtlich auf-
rund seiner Gespräche mit den Israelis und den Libane-
en –, dass man sowohl in Israel als auch im Libanon
berrascht und enttäuscht über die Ausstiegspläne der
oalition war.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 697


(A) )



(B) )


Kerstin Müller (Köln)

Ich zitiere Sie aus dem Tagesspiegel: „Unser Ausstieg
wäre eine Enttäuschung.“

Das heißt, eine Überprüfung ist okay. Aber Sie wollen
aussteigen, und das finden nicht nur wir politisch falsch,
sondern auch die UNO und die Konfliktparteien. Denn
wir leisten mit diesem Einsatz einen notwendigen Bei-
trag zur Stabilisierung im Osten. Deshalb finde ich, dass
Sie klar sagen sollten, ob Sie das von der Sache her so
sehen oder nicht, statt herumzueiern und dem Parlament
gegenüber nicht ehrlich zu sein.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ich will noch etwas zur Sache sagen. Die Lage im Li-
banon ist nämlich schwierig. Der Libanon ist die Arena
regionaler Interessen und Konflikte für Syrien, Saudi-
Arabien und den Iran. Es ist völlig klar: Dieses Mandat
ist nur ein einziger Baustein. Erst wenn es gelingt, diese
Konflikte zu entschärfen, kann der Libanon langfristig
stabilisiert werden.

Es ist auf das Problem der Hisbollah hingewiesen
worden; das muss man sehr ernst nehmen. Das ist übri-
gens, finde ich, der Schwachpunkt dieses Mandates,
Herr Königshaus. Aber es gibt den Auftrag von UNIFIL
nicht, die Landgrenze zu sichern. Nach seriösen Infor-
mationen besitzt die Hisbollah jetzt dreimal mehr Waf-
fen als vor dem Krieg. Das ist ein Problem, aber deshalb,
Herr Königshaus, sehen die UNO und alle Experten dies
als einen Konflikt, der schwelt und jederzeit zu einem
heißen Konflikt werden kann. Der UNIFIL-Einsatz sorgt
mit dafür, dass das Ganze nicht zu einem heißen Kon-
flikt wird. Er sorgt dafür, dass der Konflikt zwischen Is-
raelis und Libanesen nicht wieder ausbricht.

Deshalb bin ich ganz klar der Meinung, dass der Ein-
satz sinnvoll ist und fortgeführt werden sollte. Wir müs-
sen ihn aber auch in eine Gesamtpolitik einbetten. Das
heißt, wir müssen die Öffnung zu den Syrern weiter be-
treiben, aber wir müssen dabeibleiben, damit die deut-
sche Stimme im Nahostkonflikt weiter politisches Ge-
wicht behält.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700922400

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt

erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Wolfgang Götzer
von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1700922500

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Vor gut drei Jahren hat der libanesische Premierminister
die Vereinten Nationen um Hilfe gebeten. Diese haben
sich dann aufgrund der Resolution 1701 auch an die
deutsche Bundesregierung mit der Bitte um Beteiligung
gewandt. Dies führte – Sie erinnern sich – zu großen
kontroversen Diskussionen in unserem Land. Man war
sich sehr wohl bewusst, dass es sich im Falle einer Zu-
stimmung um eine historische Entscheidung handeln

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(C (D ürde. Dabei spielte vor allem unser besonderes Verältnis zu Israel eine Rolle, das sowohl für als auch geen eine deutsche Beteiligung ins Feld geführt wurde. Heute kann man sagen: Alle Bedenken, die man vor iesem Einsatz hatte, haben sich zum Glück als unberündet herausgestellt. (Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: So ist es!)


or allem der Einwand, man könne im Nahostkonflikt
ur Partei werden, hat sich als unzutreffend erwiesen.
enn sowohl die israelische als auch die libanesische
egierung begrüßen das deutsche Engagement und wün-

chen ausdrücklich die deutsche Beteiligung.

Auch der oft geäußerte Vorwurf der Militarisierung
er Außenpolitik ist haltlos bei einem Einsatz, bei dem
s größtenteils um die Verhinderung von Waffen-
chmuggel und um Grenzsicherung geht. Zudem hat sich
it dem Fortschreiten des Einsatzes der Schwerpunkt

mmer weiter in Richtung Ausbildung der libanesischen
arine verlagert.

Der weitere Einwand, der Einsatz sei völkerrechts-
idrig, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Völkerrechtliche
rundlage für den UNIFIL-Einsatz sind die Beschlüsse
es Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.

Es gibt eine ganze Reihe guter Gründe für die Verlän-
erung des UNIFIL-Mandates und die deutsche Beteili-
ung daran. Deutschland hat nicht nur wegen seiner be-
onderen Verantwortung für Israel ein überragendes
nteresse an der Schlichtung des Nahostkonflikts und ei-
er friedlichen Perspektive für die Region. Das UNIFIL-
andat ist auch von strategischer Bedeutung. Man

pricht vom Nahen Osten, weil er direkt vor den Gren-
en Europas liegt.

Die Resolution 1701 der Vereinten Nationen wird
ach wie vor als Grundlage zur Vermeidung erneuter be-
affneter Konflikte akzeptiert. Die Mission hilft dabei,
ie Souveränität und politische Stabilität des Libanon zu
tärken. Dies spielt eine entscheidende Rolle für die Si-
herheit des Staates Israel, aber auch für die Schaffung
ines eigenen palästinensischen Staates. Beides sind
rundvoraussetzungen einer dauerhaften Friedenslö-

ung im Nahen Osten.

Der UNIFIL-Flottenverband hat in enger Zusammen-
rbeit mit der libanesischen Marine den Waffenschmug-
el auf dem Seeweg erfolgreich verhindert. Ich möchte
eshalb an dieser Stelle unseren Soldatinnen und Solda-
en für diesen Einsatz danken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und
ollegen, seit Beginn des Einsatzes haben sich die in-
en- und außenpolitische Lage des Libanon und auch die
ebensqualität dort verbessert. Der Einsatz hat dazu
eigetragen, den politischen Prozess im Libanon voran-
utreiben und demokratische Grundstrukturen aufzu-

698 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Götzer
bauen. Innenpolitische Auseinandersetzungen wurden
seit Beginn des Einsatzes weitgehend friedlich gelöst.
Allerdings müssen mittelfristig alle Milizen entwaffnet
werden. Wer in diesem Haus hätte vor drei Jahren mit
solch enormen Fortschritten gerechnet?

Wie groß im Übrigen das internationale Interesse an
der UNIFIL-Mission nach wie vor ist, zeigt die Vielzahl
der auch künftig teilnehmenden Staaten. Realistisch ge-
sehen wird es noch einige Zeit dauern, bis der Libanon
den kompletten Seeraum alleine überwachen kann. Des-
wegen wäre es falsch, sich jetzt zurückzuziehen. Exper-
ten der Bundespolizei müssen im Rahmen der UNIFIL-
Mission weiterhin die zuständigen libanesischen Behör-
den in Fragen der Grenzsicherheit beraten. In diesem
Zusammenhang möchte ich vor allem die ungesicherte
Grenze des Libanon zu Syrien ansprechen; das haben
auch schon einige Vorredner getan. So begrüßenswert
der erfolgreiche Einsatz im Rahmen des UNIFIL-Man-
dats zu Wasser ist: Die libanesisch-syrische Grenze
bleibt eine offene Flanke. Deshalb muss dafür Sorge ge-
tragen werden, dass die Waffenlieferungen dort unter-
bunden werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein Abzug zum jetzigen Zeitpunkt wäre auch deshalb
nicht sinnvoll, weil die vollständige Umsetzung der Re-
solution der Vereinten Nationen, insbesondere die
Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols, ein län-
gerfristiger Prozess sein wird, den wir auch im eigenen
Interesse begleiten sollten. Darüber hinaus bedarf es
noch immer humanitärer Hilfe in den zerstörten Flücht-
lingslagern. Wenn die humanitäre Lage in diesen proble-
matischen Gebieten des Landes verbessert wird, dann
dient das auch der politischen Stabilisierung und der
wirtschaftlichen Fortentwicklung des Libanon. Auch
dies trägt langfristig zu einem friedlichen Zusammenle-
ben bei. Deshalb soll sich der deutsche Beitrag zukünftig
verstärkt daran ausrichten.

Seit 1990 ist unser Land ein verlässlicher Bündnis-
partner der Vereinten Nationen. Auf uns soll auch in
Zukunft Verlass sein. Deshalb dürfen wir uns nicht vor-
zeitig zurückziehen. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zu-
stimmung zur Verlängerung des UNIFIL-Mandates.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1700922600

Ich schließe die Aussprache.

Ich gebe Ihnen bekannt, dass zu Tagesordnungspunkt 10
eine Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor-
liegt, die wir zu Protokoll nehmen.1)

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck-
sache 17/112 (neu) zu dem Antrag der Bundesregierung
zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher

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1) Anlage 5 2)

(C (D treitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebaon. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksahe 17/40 anzunehmen. Es ist namentliche Abstimmung erlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftfüher, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Haben an allen Urnen die Schriftführer ihren Platz ingenommen? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die bstimmung. Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmarte in die Urne geworfen? – Das ist der Fall. Ich chließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinen und Schriftführer mit der Auszählung zu beginnen. Darf ich Sie bitten, die Plätze einzunehmen, damit ich it der Abstimmung fortfahren kann? Wir haben noch ine Abstimmung mit Handzeichen vorzunehmen, und ch muss erkennen können, wofür und wogegen Sie timmen. Insbesondere rechts außen scheint der Geprächsbedarf besonders stark entwickelt zu sein. Ich bitte, den Volksauflauf rechts außen zu beenden nd die Plätze einzunehmen oder den Saal zu verlassen, amit ich abstimmen lassen kann. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlieungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf rucksache 17/134. Wer stimmt für diesen Entschlieungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der ntschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihen später bekannt gegeben.2)


(Unruhe – Glocke des Präsidenten)


Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deut-
scher Streitkräfte bei der Unterstützung der
gemeinsamen Reaktion auf terroristische An-
griffe gegen die USA auf Grundlage des Arti-
kels 51 der Satzung der Vereinten Nationen
und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags
sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373

(2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Natio-

nen

– Drucksachen 17/38, 17/110 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Rainer Stinner
Stefan Liebich
Kerstin Müller (Köln)


– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 17/141 –

Ergebnis Seite 700 D

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 699


(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Carsten Schneider (Erfurt)

Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Sven Kindler

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor. Über die Beschlussempfehlung werden
wir später namentlich abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Sind Sie da-
mit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so be-
schlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Stinner von der
FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU])



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1700922700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist kein Geheimnis, dass wir, die FDP-Fraktion, seit ge-
raumer Zeit über die Notwendigkeit und die Sinnhaftig-
keit des OEF-Mandates in dieser Form diskutieren. Das
ist ein ganz normaler Vorgang, und es ist richtig und
wichtig, dass wir so etwas tun: dass wir laufend die
Mandate und ihre Bedingungen den aktuellen Situatio-
nen anpassen. Diesem Prozess stellen wir uns als FDP-
Fraktion.

Zunächst einmal auch hier ein Wort zu den Anwürfen
unserer verehrten Kollegen von der Linksfraktion.


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Wir haben noch gar nichts gesagt!)


Sie sind mit Ihrem Antrag auch dieses Mal auf dem fal-
schen Dampfer. Wie oft muss Ihnen das Verfassungsge-
richt noch bestätigen, dass Sie falsch liegen? Verfas-
sungsrechtlich und völkerrechtlich ist an dem Mandat
OEF nichts auszusetzen.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Von wegen!)


Aber viel wichtiger ist doch, dass wir hier in diesem
Hause politisch argumentieren. Selbstverständlich hat
sich politisch, seitdem wir das Mandat erstmals be-
schlossen haben, einiges geändert. Zunächst einmal ha-
ben wir im letzten Jahr erstmals in die Mandatierung der
OEF ausdrücklich die bis dato mandatierten 100 KSK-
Kräfte in Afghanistan nicht mehr hineingenommen. Das
heißt – das müssen wir auch der Öffentlichkeit sehr deut-
lich sagen –, aus deutscher Sicht hat das Mandat OEF
mit Afghanistan nichts mehr zu tun. Wir sind daran in
Afghanistan nicht mehr beteiligt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Es hat sich seit der ersten Mandatierung etwas Weite-
res geändert. Es gibt nämlich seit dem letzten Jahr die
Mission Atalanta zur Bekämpfung von Piraterie am
Horn von Afrika. Das heißt, es gibt in dieser Region eine

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(C (D aritime Mission. Auch dieser Veränderung müssen wir it unseren Überlegungen Rechnung tragen. Die FDP-Fraktion stimmt heute diesem OEF-Mandat u. Wir verknüpfen diese Zustimmung aber, sehr verehrer Herr Kollege Gehrcke, mit der Bedingung, dass wir emeinsam die Protokollerklärung der Bundesregierung rnst nehmen, und deshalb lese ich, lieber Herr Gehrcke, iese Protokollerklärung hier noch einmal laut und deutich vor: (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ich nehme alles ernst, was die Bundesregierung sagt!)


Die Bundesregierung wird spätestens bis zum
Sommer 2010 … die Notwendigkeit der weiteren
deutschen Beteiligung an Operation Enduring Free-
dom am Horn von Afrika und gegebenenfalls eine
Überführung der bisher im Rahmen von OEF am
Horn von Afrika eingesetzten Kräfte in eine ge-
meinschaftliche Mission zur Pirateriebekämpfung
überprüfen. Die Beteiligung an Operation Active
Endeavour bleibt hiervon unberührt. … Ebenso
selbstverständlich ist, dass die Bundesregierung
den Deutschen Bundestag umgehend über das Er-
gebnis der Evaluierung unterrichten wird.

Das ist die Protokollerklärung. Diese nehmen wir sehr
rnst.

Uns geht es nicht darum, unseren internationalen Ver-
flichtungen nicht gerecht zu werden. Wir wissen, dass
nsbesondere am Horn von Afrika internationales Enga-
ement wichtig und richtig ist. Wir wissen auch, dass es
ei weitem nicht ausreicht, dorthin Marinekräfte zu schi-
ken, und dass für die Regierung am Horn von Afrika
ittel- und langfristig eine politische Lösung das Gege-

ene ist. Daran müssen wir weiter entsprechend arbeiten.


(Beifall bei der FDP)


ber wir wollen mit dem Bezug auf die Protokollerklä-
ung sehr deutlich machen: Wir stehen zu unserer Ver-
ntwortung. Wir sagen aber auch sehr deutlich: Wir ge-
en von ehrlichen Mandaten aus. Was draufsteht, muss
uch drin sein.

Deshalb ist die Zielrichtung meiner Fraktion ganz
lar: Wir wollen, dass OEF in dieser Form ausläuft, und
ir wollen – wie in der Protokollerklärung festgelegt –
ber die Zusammenlegung dieser Mission mit der Mis-
ion zur Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika ent-
cheiden. Wir werden das im Laufe der nächsten Monate
un, spätestens bis zum Sommer des nächsten Jahres.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700922800

Nächster Redner ist der Kollege Michael Groschek

ür die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


700 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) (C)



(B) )



Michael Groschek (SPD):
Rede ID: ID1700922900

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Herr Kollege, das war eher auf der Linie des Ver-

Weiter-so! bei der Mandatierung keinen Platz einräu-
men.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Beschlussvorlage
tagens, des Vernebelns und des Verarbeitskreisens auf
der Grundlage Ihres Koalitionsvertrages. Ich glaube,
dass das nicht die Perspektive der Diskussion hier sein
kann, lieber Kollege.

Ich finde, die Zeit ist reif, die Zeit ist heute reif, zu
entscheiden. Deshalb werden wir auch gleich mit Nein
zur Mandatierung von OEF entscheiden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dieses Nein zu diesem Mandat verbinden wir aller-
dings mit einem Ja zur Überführung in Atalanta. Dass
das heute nicht in einem Zug stattfinden kann, liegt nicht
an der Opposition, sondern liegt an Ihnen, der Regierung
und der Regierungskoalition.

Wir wollen mit der Entscheidung deutlich machen,
dass wir nicht weniger, sondern mehr wirksame Verant-
wortung übernehmen wollen, und begründen das mit
zwei Punkten.

Der erste Punkt ist der Logik der Einsatzentwicklung
geschuldet.

Der zweite Punkt ist die aktuelle Bedrohungslage, wie
sie uns immer und immer wieder geschildert wurde.

Zur Einsatzentwicklung muss man sagen: Von einem
ursprünglichen Maximum von 3 900 mandatierten Sol-
datinnen und Soldaten sollen wir jetzt nach diesem Man-
datsvorschlag herunter auf 700.

Wir haben im letzten Jahr mit einer breiten Mehrheit
– auch auf Initiative unserer Fraktion hin – den Ausstieg
aus dem landgestützten Einsatz beschlossen, und wir ha-
ben die Reduzierung auf eine Restkomponente von ma-
ximal einem seegehenden Einsatzschiff und einem luft-
gestützten Einsatzobjekt hinbekommen.

Zur Bedrohungslage muss man sagen, dass die Priori-
tät ganz eindeutig bei der Bekämpfung der Piraterie am
Horn von Afrika liegt und nicht beim Kampf gegen den
Terrorismus. Das macht deutlich, dass der Einsatz schon
heute ein Zwitter ist, und das macht deutlich, dass die
Soldatinnen und Soldaten ein ständiges Umflaggen und
einen ständigen Unterstellungswechsel erleben. Das ist
das Gegenteil von Klarheit und Konsequenz. Deshalb
noch einmal: Es wäre besser, wenn wir heute die Über-
führung in Atalanta beschließen könnten.


(Beifall bei der SPD)


Ich will den Dank an die Soldaten mit einer Erinne-
rung an die besondere Verpflichtung, die wir haben, ver-
binden. Jede Mandatierung muss eine Einzelfallent-
scheidung sein. Die Verlängerung darf nicht zur Routine
verkommen, und wir dürfen einer Kultur des bloßen

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(D er Bundesregierung schon als ungenügend zu bezeichen. Ich will dazu den Staatsminister Hoyer als Kroneugen bemühen. Vor genau einem Jahr hat er in diesem ohen Haus noch in anderer Funktion gerade die Opera ion Enduring Freedom als klares Übergangsmandat beeichnet, und die Protokollnotiz, die gerade zitiert urde, ist ja nicht etwa ein Lösungsansatz in der Sache, ondern ist eine Verschlimmbesserung und eine Ausede, warum Sie heute nicht entscheidungsfähig sind, as die Überführung des Mandats angeht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde, die Selbstverpflichtung, die Sie sich mit der
berprüfung bis zum Sommer auferlegt haben, ist dop-
elt fragwürdig. Entweder hätten Sie diese Überprüfung
it einer Befristung des Mandats auf ein halbes Jahr ver-

nüpfen müssen – das ist nicht geschehen –, oder aber
er Prüfauftrag, den Sie sich selbst gegeben haben, der
ür Sie ja schon seit einem Jahr im Pflichtenheft steht,
ätte bis heute beantwortet sein müssen. Heute hätte
icht die Frage gestellt werden dürfen, sondern die Ant-
ort gegeben werden müssen. Das wäre korrektes Han-
eln der Regierung bei der Erarbeitung dieser Vorlage
ewesen.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb ist es Ihr Versäumnis. Sie sind dafür zustän-
ig. Sie tragen die Verantwortung für die mangelnde
orgfalt im Bemühen um eine gemeinsame Beschluss-
assung. Wir hätten gerne in einem breiten Konsens den
mstieg von OEF auf Atalanta beschlossen. Leider ist
as mit Ihnen nicht möglich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700923000

Herr Kollege Groschek, das war Ihre erste Rede in

iesem Haus. Ich gratuliere Ihnen dazu herzlich, verbun-
en mit den besten Wünschen.


(Beifall)


Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile,
omme ich zurück zum Tagesordnungspunkt 10 und
ebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schrift-
ührern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-

ung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen
usschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur
ortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
treitkräfte an der United Nations Interim Force in Leba-
on bekannt. Abgegebene Stimmen: 592. Mit Ja haben
estimmt 500, mit Nein 82, und es gab 10 Enthaltungen.
amit ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 701


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 592;
davon

ja: 500
nein: 82
enthalten: 10

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel

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eter Götz
r. Wolfgang Götzer
te Granold
einhard Grindel
ermann Gröhe
ichael Grosse-Brömer
strid Grotelüschen
arkus Grübel
anfred Grund
onika Grütters
r. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
lav Gutting
lorian Hahn
olger Haibach
r. Stephan Harbarth

ürgen Hardt
erda Hasselfeldt
r. Matthias Heider
echthild Heil
rsula Heinen-Esser
rank Heinrich
udolf Henke
ichael Hennrich

ürgen Herrmann
nsgar Heveling
rnst Hinsken
eter Hintze
hristian Hirte
obert Hochbaum
arl Holmeier
ranz-Josef Holzenkamp
oachim Hörster
nette Hübinger
homas Jarzombek
r. Dieter Jasper
ndreas Jung (Konstanz)

r. Franz Josef Jung
r. Egon Jüttner
artholomäus Kalb
teffen Kampeter
lois Karl
ernhard Kaster

(VillingenSchwenningen)


olker Kauder
r. Stefan Kaufmann
oderich Kiesewetter
ckart von Klaeden
olkmar Klein
ürgen Klimke
ulia Klöckner
xel Knoerig

ens Koeppen
r. Kristina Köhler

(Wiesbaden)

anfred Kolbe
r. Rolf Koschorrek
artmut Koschyk
homas Kossendey
ichael Kretschmer
unther Krichbaum
r. Günter Krings
r. Martina Krogmann
üdiger Kruse
ettina Kudla
r. Hermann Kues

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r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
atharina Landgraf
lrich Lange
r. Max Lehmer
aul Lehrieder
r. Ursula von der Leyen

ngbert Liebing
atthias Lietz
r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak
r. Michael Luther
arin Maag
ans-Georg von der Marwitz
ndreas Mattfeldt
tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
r. Angela Merkel
aria Michalk
r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder
ietrich Monstadt
arlene Mortler

tefan Müller (Erlangen)

adine Müller (St. Wendel)

r. Gerd Müller
r. Philipp Murmann
ernd Neumann (Bremen)

ichaela Noll
r. Georg Nüßlein
ranz Obermeier
duard Oswald
enning Otte
r. Michael Paul
ita Pawelski
lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
ibylle Pfeiffer
eatrix Philipp
onald Pofalla
hristoph Poland
uprecht Polenz
ckhard Pols
ucia Puttrich
aniela Raab
homas Rachel
ckhardt Rehberg
atherina Reiche (Potsdam)

othar Riebsamen
osef Rief
laus Riegert
r. Heinz Riesenhuber

ohannes Röring
r. Norbert Röttgen
r. Christian Ruck
rwin Rüddel
lbert Rupprecht (Weiden)

nita Schäfer (Saalstadt)

r. Wolfgang Schäuble
r. Annette Schavan
r. Andreas Scheuer
arl Schiewerling
orbert Schindler
ankred Schipanski

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(C (D eorg Schirmbeck hristian Schmidt atrick Schnieder r. Andreas Schockenhoff r. Ole Schröder ernhard Schulte-Drüggelte we Schummer rmin Schuster (Weil am Rhein)

etlef Seif

ohannes Selle
einhold Sendker
r. Patrick Sensburg
homas Silberhorn
ohannes Singhammer
ens Spahn
arola Stauche
r. Frank Steffel
rika Steinbach
hristian Frhr. von Stetten
ieter Stier
ero Storjohann
tephan Stracke
ax Straubinger
arin Strenz
homas Strobl (Heilbronn)

ena Strothmann
ichael Stübgen
r. Peter Tauber
ntje Tillmann
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Vogel (Kleinsaara)

tefanie Vogelsang
ndrea Astrid Voßhoff
r. Johann Wadephul
arco Wanderwitz
ai Wegner
arcus Weinberg (Hamburg)


eter Weiß (Emmendingen)

abine Weiss (Wesel I)

go Wellenreuther
arl-Georg Wellmann
eter Wichtel
nnette Widmann-Mauz
laus-Peter Willsch
lisabeth Winkelmeier-
Becker
r. Matthias Zimmer
olfgang Zöller
illi Zylajew

PD

grid Arndt-Brauer
ainer Arnold
einz-Joachim Barchmann
oris Barnett
r. Hans-Peter Bartels
ören Bartol
abine Bätzing
irk Becker
we Beckmeyer
othar Binding (Heidelberg)

erd Bollmann
laus Brandner
ernhard Brinkmann

(Hildesheim)

artin Burkert

702 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf (Rosenheim)

Michael Groß
Michael Groschek
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Frank Hofmann (Volkach)

Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)

Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel (Berlin)

Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel

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ydan Özoğuz
einz Paula

oachim Poß
r. Wilhelm Priesmeier
lorian Pronold
r. Sascha Raabe
echthild Rawert
erold Reichenbach
r. Carola Reimann
ené Röspel
r. Ernst Dieter Rossmann
arin Roth (Esslingen)

ichael Roth (Heringen)

arlene Rupprecht

(Tuchenbach)

nton Schaaf
xel Schäfer (Bochum)

arianne Schieder

(Schwandorf)

erner Schieder (Weiden)

lla Schmidt (Aachen)

arsten Schneider (Erfurt)

wen Schulz (Spandau)

rank Schwabe
r. Angelica Schwall-Düren
tefan Schwartze
r. Carsten Sieling
onja Steffen
r. Frank-Walter Steinmeier
hristoph Strässer
erstin Tack
r. h. c. Wolfgang Thierse
ranz Thönnes
olfgang Tiefensee
te Vogt
r. Marlies Volkmer
ndrea Wicklein
eidemarie Wieczorek-Zeul
r. Dieter Wiefelspütz
ta Zapf
agmar Ziegler
anfred Zöllmer

DP

ens Ackermann
hristian Ahrendt
hristine Aschenberg-
Dugnus
aniel Bahr (Münster)

lorian Bernschneider
ebastian Blumenthal
laudia Bögel
icole Bracht-Bendt
laus Breil
ainer Brüderle
ngelika Brunkhorst
rnst Burgbacher
arco Buschmann

ylvia Canel
elga Daub
einer Deutschmann
r. Bijan Djir-Sarai
atrick Döring
echthild Dyckmans
ainer Erdel

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lrike Flach
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aul K. Friedhoff
r. Edmund Peter Geisen
r. Wolfgang Gerhardt
einz Golombeck
iriam Gruß

oachim Günther (Plauen)

r. Christel Happach-Kasan
einz-Peter Haustein
anuel Höferlin

lke Hoff
irgit Homburger
r. Werner Hoyer
einer Kamp
ichael Kauch
r. Lutz Knopek
ascal Kober
r. Heinrich L. Kolb
ellmut Königshaus
udrun Kopp
r. h. c. Jürgen Koppelin
ebastian Körber
atrick Kurth (Kyffhäuser)

einz Lanfermann
ibylle Laurischk
arald Leibrecht
abine Leutheusser-
Schnarrenberger

ars Lindemann
r. Martin Lindner (Berlin)

hristian Lindner
ichael Link (Heilbronn)

r. Erwin Lotter
liver Luksic
orst Meierhofer
abriele Molitor

an Mücke
etra Müller (Aachen)

urkhardt Müller-Sönksen
r. Martin Neumann

(Lausitz)

irk Niebel
ans-Joachim Otto

(Frankfurt)


ornelia Pieper
isela Piltz
r. Birgit Reinemund
r. Peter Röhlinger
r. Stefan Ruppert
jörn Sänger
rank Schäffler
hristoph Schnurr

immy Schulz
arina Schuster
r. Erik Schweickert
erner Simmling

udith Skudelny
r. Hermann Otto Solms

oachim Spatz
r. Max Stadler
orsten Staffeldt
r. Rainer Stinner
arl-Ludwig Thiele
tephan Thomae
lorian Toncar
erkan Tören
ohannes Vogel


(Lüdenscheid)

r. Daniel Volk

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(C (D r. Guido Westerwelle r. Claudia Winterstein r. Volker Wissing artfrid Wolff ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN erstin Andreae arieluise Beck ornelia Behm irgitt Bender lexander Bonde iola von Cramon-Taubadel kin Deligöz atja Dörner ans-Josef Fell r. Thomas Gambke ai Gehring ritta Haßelmann ettina Herlitzius riska Hinz lrike Höfken ärbel Höhn grid Hönlinger hilo Hoppe atja Keul emet Kilic ven Kindler aria Klein-Schmeink te Koczy homas Koenigs liver Krischer gnes Krumwiede ritz Kuhn tephan Kühn enate Künast ndine Kurth arkus Kurth icole Maisch gnes Malczak erzy Montag erstin Müller grid Nestle r. Konstantin von Notz mid Nouripour riedrich Ostendorff rigitte Pothmer abea Rößner laudia Roth rista Sager anuel Sarrazin lisabeth Scharfenberg hristine Scheel r. Gerhard Schick r. Frithjof Schmidt orothea Steiner arkus Tressel ürgen Trittin aniela Wagner olfgang Wieland r. Valerie Wilms osef Philip Winkler ein PD laus Barthel Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 703 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt OEF-Mission hat drei Ziele: erstens Versperrung des Zugangs zu den Rückzugsräumen in Ostafrika, zweitens Unterbindung der Verbindungswege zu den terroristi Es gibt aber auch eine Kontinuität der Verantwortung unseres Landes innerhalb der internationalen Missionen. schen Strukturen auf der arabi Schutz der Seepassage vor terro OEF wird gebraucht, weil de und weil die Bewegungsfreihe ren Unterstützern auch weit schränkt werden muss. – Das w Frank-Walter Steinmeier, der d ser Stelle gesagt hat. Wie virul Sie heute in den Meldungen le malia einen Terroranschlag mi Spielerei. Das gibt es nach wie Wir wissen zwar alle, Herr sich der Schwerpunkt in Richt verschiebt. Das ist klar. Aber möglich, unsere Einheiten dem terstellen. Wir wissen sehr gut, Probleme auch der Zustand Som der Tagesordnung ihrer näch glaube, in der nächsten Woche terstützung und Kräftigung Som lusion, zu glauben, dass das i brauchen die Missionen am H noch lange. schen Halbinsel, drittens ristischen Angriffen. r Terror noch virulent ist it von Terroristen und iherhin nachhaltig eingear übrigens ein Zitat von as vor einem Jahr an dieent der Terror ist, können sen. Es gab heute in Sot 19 Toten. Das ist keine vor. Kollege Groschek, dass ung Pirateriebekämpfung es ist auch heute schon Atalanta-Mandat zu un dass die Ursache für die alias ist. Die EU hat auf sten Ratssitzung – ich – ein Programm zur Unalias. Aber es ist eine Il n kurzer Zeit greift. Wir orn von Afrika vorläufig E r a H a t z O d d B u h S s ist ein politisches Signal, da ität der internationalen Staate bschieden. Insofern ist es von entsche wir, eingebunden in das B nern, zusammenstehen. Kein Beifall? Das war ein Z err Kollege Trittin, der das an ls er noch Außenminister war. Die SPD hat das in der Ver ragen. Ich kann Ihren stellvert enden Herrn Erler zitieren: Es EF-Mandat am Horn von Af en Einfluss ausüben muss. – E ass Ihre Vertreter das hier gesa (Widerspruch be is vor kurzem waren Sie noch nd Frank-Walter Steinmeier h ier vertreten. Kaum sind Sie i ie Ihre Positionen über Bord ss wir uns aus der Solidangemeinschaft nicht ver idender Bedeutung, dass ündnis mit unseren Part itat von Joschka Fischer, dieser Stelle gesagt hat, gangenheit immer mitgeretenden Fraktionsvorsit ist unumstritten, dass das rika weiter stabilisierens ist noch kein Jahr her, gt haben. i der SPD)


(A) )


(B) )


Verfechter der Mission,
at das als Außenminister
n der Opposition, werfen
Willi Brase
Marco Bülow
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Hilde Mattheis
Sönke Rix
Ottmar Schreiner
Rüdiger Veit
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)


DIE LINKE

Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich

Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze

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Nun erteile ich dem Kollegen Karl-Georg Wellmann
für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Karl-Georg Wellmann (CDU):
Rede ID: ID1700923100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

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(C (D lrich Maurer orothée Menzner iema Movassat olfgang Nešković homas Nord etra Pau ens Petermann ichard Pitterle ngrid Remmers aul Schäfer ichael Schlecht r. Herbert Schui r. Ilja Seifert athrin Senger-Schäfer aju Sharma r. Petra Sitte ersten Steinke abine Stüber lexander Süßmair r. Kirsten Tackmann rank Tempel r. Axel Troost lexander Ulrich athrin Vogler ahra Wagenknecht alina Wawzyniak arald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Monika Lazar Dr. Harald Terpe Enthalten SPD Ewald Schurer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Winfried Hermann Dr. Anton Hofreiter Uwe Kekeritz Sylvia Kotting-Uhl Beate Müller-Gemmeke Dr. Hermann Ott Lisa Paus Dr. Wolfgang Strengmann Kuhn Hans-Christian Ströbele Es ist aber vernünftig, darüber nachzudenken, ob man as Mandat nicht überführen kann. Insofern unterstützen ir die Bundesregierung. Das geht nicht Knall auf Fall. ch finde es positiv, dass bis zum nächsten Sommer evauiert werden soll, dass das ohne Hektik geprüft werden ann. Diese Möglichkeit sollten wir der Bundesregieung geben. 704 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 Karl-Georg Wellmann (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Quatsch! Wir wollten letztes Mal schon raus! Das wissen Sie doch!)


(A) )


(B) )


und machen sich davon. Das trägt nicht zu Ihrer außen-
politischen Glaubwürdigkeit bei. Wir haben den Ver-
dacht, dass dies das erste internationale Mandat ist, bei
dem Sie sich insgesamt davonmachen.


(Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Unsinn!)


Sie suchen sich jetzt sozusagen den schwächsten Punkt,
um erstmalig auszusteigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also geben Sie zu, dass das der schwächste Punkt ist?)


– Ja.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut!)


Sie hatten damals auch nie Probleme mit den Rechts-
grundlagen. Soll ich wirklich noch einmal Steinmeier
oder Erler oder Kolbow zitieren, die hier immer vehe-
ment vertreten haben, dass es dafür eine gesicherte
Rechtsgrundlage gibt? Das ist doch eine politische
Frage.


(Michael Groschek [SPD]: Ja, eben! – Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Wir wollten letztes Jahr schon raus!)


Da können Sie sich jetzt nicht mit juristischen Spitzfin-
digkeiten davonstehlen.


(Michael Groschek [SPD]: Habe ich doch gar nicht!)


Herr Ströbele, ich darf noch einmal daran erinnern,
dass es sich um ein Mandat handelt, das von Rot-Grün
beschlossen wurde.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe damals schon dagegen gestimmt!)


Sie haben sich auf die Wähler Ihres Wahlkreises bezo-
gen. Sagen Sie doch einmal Ihren Wählern, dass Sie da-
mals an diesem Beschluss mitgewirkt haben, 3 900 Sol-
daten im Zuge des OEF-Mandats einzusetzen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Sie, Herr Trittin, haben es damals im Kabinett mit be-
schlossen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Ströbele nicht! Ich ja, Ströbele nicht! Der war anständig!)


Die Anzahl der Soldaten am Horn von Afrika wurde
dann schrittweise reduziert. Diese Bundesregierung
führt eine weitere Reduktion von 700 auf nicht einmal
mehr 300 Soldaten durch.

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(C (D Die Linke holt jetzt in ihrem Antrag die alten Verchwörungstheorien hervor. Es wird behauptet, dass EF nur ein Deckmantel für irgendwelche sinistren, ilitaristisch-imperialistischen Machenschaften ist. Wir issen ja, dass Sie generell Probleme mit der interna ionalen Einbindung der Bundesrepublik Deutschland aben. Aber Sie, Herr Gehrcke, haben ein anderes Problem, ämlich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Als Sie noch tellvertretender DKP-Vorsitzender waren – Sie haben as vorhin angesprochen –, (Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


aren Sie ein glühender Verfechter des sowjetischen
insatzes in Afghanistan.


(Katrin Werner [DIE LINKE]: Es ist gut, wenn man seine Fehler erkennt! Im Gegensatz zu Ihnen!)


ie hieß es damals: im Geiste proletarischen Interna-
ionalismus. Das können Sie in den Protokollen der
KP-Parteitage nachlesen. Heute machen Sie uns den
azifisten.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Lernfortschritt! Das würde ich ihm nicht vorwerfen! Das ist doch ein Fortschritt!)


Die Tatsache, dass Sie die internationale Einbindung
er Bundesrepublik ablehnen, ist verantwortungslos.
ir stehen zu unserer Verantwortung. Deshalb stimmen
ir dem Antrag der Bundesregierung zu.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Groschek [SPD]: Ein halbes oder ein ganzes Jahr?)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700923200

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege

ehrcke.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700923300

Kleine Sünden werden immer sofort bestraft. Da

uss man nicht so lange warten. Deswegen mache ich
irekt nach der Rede des Kollegen Wellmann eine Kurz-
ntervention.

Ich war leider nicht stellvertretender DKP-Vorsitzen-
er, auch wenn ich es damals gerne gewesen wäre.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Was heißt „leider“?)


ber meine Partei wollte es nicht. Deswegen ist daraus
ichts geworden. Dass Sie mich hinterher dazu beför-
ern, ist ausgleichende Gerechtigkeit.

Zur Sache selbst. Ich verstehe nicht, warum man nicht
ereit ist, aus der Geschichte ein Stück weit zu lernen.


(Lachen bei der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 705


(A) )



(B) )


Wolfgang Gehrcke
– Da können Sie ruhig lachen und sich ein bisschen auf-
regen; das ist ganz in Ordnung. – Wer nicht bereit ist, aus
der eigenen Geschichte ein Stück weit zu lernen, dessen
Argumente werden niemals tiefgründig sein.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Dann mal zu!)


Ich habe zu meinen Fehlern, was meine Geschichte
und was Afghanistan angeht, gesprochen. Damals habe
ich bei der Rechtfertigung des Krieges der Sowjetunion
in Afghanistan die gleichen Argumente benutzt, die Sie
hier vorgebracht haben. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich
mich damit kritisch auseinandergesetzt und darüber in
der Öffentlichkeit geredet, während Sie einfach so wei-
termachen und weitermarschieren. Es geht bei OEF
nicht um Verschwörungstheorien.

Ich möchte endlich einmal wissen, wann der Krieg
gegen den Terror für beendet erklärt wird. Die Be-
schlusslage der NATO zu dieser Frage ist doch furchtbar.
Als ich damals Gerhard Schröder gefragt habe, habe ich
die Antwort erhalten: Der Krieg ist beendet, wenn es
keinen Terror mehr gibt. – Also am Sankt-Nimmerleins-
Tag.

Meine herzliche Bitte: Beteiligen Sie sich daran, aus
eigenen Fehlern zu lernen! Sie werden klüger, und es tut
der eigenen Seele ganz gut, wenn man dies leistet.

Danke sehr.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700923400

Zur Erwiderung, Herr Kollege Wellmann, bitte.


Karl-Georg Wellmann (CDU):
Rede ID: ID1700923500

Herr Kollege Gehrcke, auf Ihrer eigenen Homepage

steht, Sie waren im Präsidium der DKP. Ich will auch
nicht die Tatsache wiederholen, dass Sie längere Zeit auf
der Parteihochschule in Moskau zugebracht haben. Sie
waren DKP-mäßig schon ein richtig schwerer Junge.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Beifall bei der LINKEN)


Daran kommen Sie nicht vorbei.

Zu Ihrem zweiten Teil, Herr Kollege Gehrcke. Die
Tatsache, dass Sie die sowjetische Invasion damals in
Afghanistan mit dem heutigen Einsatz der internationa-
len Staatengemeinschaft vergleichen, zeigt in der Tat,
wie wenig Sie aus Ihrer eigenen Geschichte gelernt ha-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700923600

Das Wort hat nun der Kollege Stefan Liebich für die

Fraktion Die Linke.


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700923700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es

geht heute weder um die Kaderpolitik der DKP noch um
die Beflaggung von Schiffen, die am Horn von Afrika

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(C (D ahren. In Wirklichkeit geht es doch heute darum, dass ündnis 90/Die Grünen, die Linke und die SPD das erste al eine von der Bundesregierung vorgeschlagene Mili ärmission ablehnen. ie SPD hat das zwar anders begründet; aber im Ergebis läuft es genau darauf hinaus. Es handelt sich nicht m irgendeine Militärmission, sondern um jene – der ollege Wellmann hat darauf hingewiesen –, für die undeskanzler Gerhard Schröder die Koalitionsmehrheit ur deshalb erhalten hat, weil sie mit der Vertrauensfrage erbunden wurde. Ich möchte – denn dies war eine durchaus sehr grundätzliche Frage – auf den Anlass zu sprechen kommen. nlass war der Terroranschlag vom 11. September 2001. ie Ermordung von 2 996 Menschen in Washington und ew York City war ein grauenhaftes Verbrechen. Man ann über die Ursachen und die befördernden Momente iskutieren. Ja, aus Armut und Ungerechtigkeit erwächst er Nährboden zur Unterstützung von Gewalt. Aber der error selbst – es ist mir wichtig, das hier festzuhalten – ird von unserer Partei klipp und klar verurteilt; hier ibt es nichts zu rechtfertigen und nichts zu relativieren. Keine Macht dem Terror – Solidarität mit den Vereinigen Staaten von Amerika“, das war die Botschaft, die uns m 14. September 2001 einte, als wir mit 00 000 Berlinerinnen und Berlinern am Brandenburger or der Opfer gedacht haben. Die Frage, wie Staaten mit der terroristischen Gefahr mgehen, führt allerdings zu unterschiedlichen Antworen. Ich will an dieser Stelle daran erinnern, dass wir in er Europäischen Union, in der NATO, in der westlichen elt nicht vergessen sollten, dass eine Vielzahl von An chlägen auch Länder mit großen muslimischen Bevölerungsteilen betroffen hat. Dies ist also keine Frage des ampfs der Kulturen und erst recht keine Frage estlicher Werte, wie dies die neue Bundesregierung ieht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke meint, dass Terrorismus eine schlimme
orm von Kriminalität ist, die angesichts der Strukturen
atürlich auch international – aber mit polizeilichen und
trafverfolgungsmitteln – bekämpft werden muss. Wir
leiben dabei: Der Kampf gegen den Terrorismus kann
ewonnen werden, ein Krieg dagegen nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Präsident Bush hat die Chance der internationalen So-
idarität seinerzeit nicht genutzt. Er hat seinen War on
error allein konzipiert. Er hat die Verbündeten zu Sta-

isten und selbst die NATO zum bloßen Werkzeugkasten
egradiert. Die Ergebnisse waren der Irakkrieg, Folter in
bu Ghureib, Rechtsstaatsbruch und Menschenrechts-
erletzungen in Guantánamo. Auch die massive Ein-
chränkung von Bürger- und Freiheitsrechten in unseren

706 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Stefan Liebich
westlichen Gesellschaften war eine Folge. Dieser Weg
war falsch und muss beendet werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Die neue US-Regierung von Barack Obama hat sich der-
weil selbst vom Begriff des War on Terror stillschwei-
gend verabschiedet. Sie hat die schlimmsten Zuspitzun-
gen zurückgenommen und versucht, Guantánamo zu
überwinden und sich aus dem Irak zurückzuziehen.

Es ist doch absurd, dass wir vor diesem Hintergrund
jetzt, acht Jahre nach 9/11, einem Mandat zustimmen
sollen, das sich auf den Bündnisfall der NATO und das
Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 der Satzung der
UNO stützt. Keinerlei Informationen lassen dies begrün-
det erscheinen. Dieses Mandat folgt einer alten, überhol-
ten und falschen Strategie. Dazu sagen wir Nein.


(Beifall bei der LINKEN)


Unter der Überschrift „Terrorismusbekämpfung“ ei-
ner Blankovollmacht für militärische Einsätze zuzustim-
men, werden Sie im Ernst nicht von uns erwarten. Es ist
Zeit, dass nicht nur das deutsche Engagement für die
Operation Enduring Freedom beendet wird, sondern
dass sich die Bundesrepublik Deutschland bzw. die Bun-
desregierung in der NATO auch für die Aufhebung des
Bündnisfalls einsetzt. Die Protokollerklärung des Au-
ßenministers und das, was seitens der FDP dazu gesagt
wurde – weniger von der CDU/CSU –, deuten darauf
hin, dass eine Überprüfung und vielleicht auch Beendi-
gung des Einsatzes auch in der Bundesregierung erwo-
gen werden.

Ich finde, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Man
kann dies jetzt machen; denn es gibt andere Wege. Man
kann das gemeinsame Ziel der Bekämpfung des Terro-
rismus im Rahmen der UNO mit rechtsstaatlichen Mit-
teln und vor allem mit einer umfassenden, auf die Ursa-
chen ausgerichteten Strategie erreichen. Das verlangt
aber eine ehrliche und selbstbewusste Zusammenarbeit
Deutschlands mit seinen Partnern, insbesondere mit der
Obama-Regierung.

Am Anfang steht aber der erste Schritt, nämlich auf
einem Irrweg zu stoppen. Die Oppositionsfraktionen for-
dern die Bundesregierung heute mit ihrem Abstim-
mungsverhalten dazu auf.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700923800

Herr Kollege Liebich, das war Ihre erste Rede in die-

sem Haus. Herzlichen Glückwunsch dazu und alles
Gute.


(Beifall)


Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Keul für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

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(C (D Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin en und Kollegen! Wir haben heute über den Einsatz beaffneter Streitkräfte zur Unterstützung der gemeinsaen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA u entscheiden; so die Langbezeichnung für das, was ich hinter OEF oder Active Endeavour verbirgt. Ich will hnen in der Kürze der Zeit drei Gründe nennen, warum ir Grüne diesen Antrag ablehnen. Es stellt sich zunächst einmal die Frage nach der völerrechtlichen Legitimität dieser Einsätze. Warum ist as so wichtig? Ganz einfach: Ohne völkerrechtliche rundlage würden diese Einsätze gegen das Grundge etz verstoßen und wären damit per se nicht zustimungsfähig. Herr Kollege Stinner, da hilft es auch nicht iel, wenn man politisch diskutiert. Die Bundesregierung bezieht sich auf die Resolutioen 1368 und 1373 des Sicherheitsrates der Vereinten ationen vom September 2001. Wer diese Resolutionen iest, stellt fest, dass dort die Staaten der internationalen emeinschaft nachdrücklich und umfangreich aufgeforert werden, alle erdenklichen strafrechtlichen Maßnahen zu ergreifen, um terroristische Angriffe zu verhin ern und zu verfolgen. Was man dort nicht findet, ist eine Grundlage für irendwelche konkreten Militäreinsätze außerhalb des igenen Staatsgebietes. Deshalb bezieht sich die Bunesregierung weiterhin auf das allgemeine Selbstverteiigungsrecht aus Art. 51 der UN-Charta und den Bündisfall des Nordatlantikvertrages. Zweifelsohne sind die USA im September 2001 angeriffen worden und durften sich, auch mit unserer Untertützung, verteidigen. Dieses Recht besteht aber ausrücklich nur so lange, bis der Sicherheitsrat ntsprechend tätig geworden ist. In Art. 5 des NATOertrages heißt es wörtlich: Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, … it dem Beschluss über ISAF am 20. Dezember 2001 at der Sicherheitsrat den Rahmen für diese militärichen Maßnahmen geschaffen und den Umfang festgeetzt. Seit diesem Zeitpunkt kann das Selbstverteidiungsrecht nicht mehr als Rechtfertigung für darüber inausgehende Maßnahmen herangezogen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700923900

chon allein der Widerspruch zum geltenden Völker-
echt wäre ein zwingender Grund, diesen Antrag abzu-
ehnen.

Nun höre ich leider immer wieder Stimmen, die be-
aupten, es sei doch übertriebene Rechtsförmelei, in An-
etracht von internationalen Krisen ständig auf die Ein-
altung von Recht und Gesetz zu pochen. Ich will Ihnen
aher zwei weitere Gründe nennen, warum wir diesen
ntrag ablehnen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 707


(A) )



(B) )


Katja Keul
OEF ist nicht nur völkerrechtswidrig, sondern auch
überflüssig und kontraproduktiv.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Überflüssig ist vor allem die deutsche Beteiligung an
OEF, die sich im Wesentlichen auf die Combined Task
Force am Horn von Afrika beschränkt. Dort besteht be-
reits ein Mandat zur Bekämpfung von Piraterie im Rah-
men von Atalanta. Die Parallelität der Einsätze führt
dazu, dass die Fregatten regelmäßig umflaggen müssen,
je nachdem, ob sie unter NATO-, EU-Atalanta- oder
nationalem Kommando fahren. Von Einsatzklarheit kann
da nicht die Rede sein. Das ständige Umflaggen sollten
wir der Besatzung schlicht ersparen, da Atalanta als
Grundlage für die dortigen Anti-Piraterie-Einsätze völlig
ausreicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Als dritten Grund möchte ich noch festhalten, dass
der War on Terror zu alledem noch kontraproduktiv
wirkt. Besonders deutlich ist das in Afghanistan gewor-
den. Wo der Stabilisierungseinsatz unter ISAF erste Er-
folge erzielte und Vertrauen schaffen sollte, wurde dies
durch die rücksichtslose Jagd nach Terroristen und den
damit verbundenen vielfachen Tod von Zivilisten wieder
zunichtegemacht. Dass wir heute in Afghanistan eine
derart kritische Sicherheitslage vorfinden, ist unter ande-
rem der fehlerhaften Strategie von OEF zu verdanken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Schutz der Zivilbevölkerung ist nämlich gerade
nicht das erklärte Ziel von OEF. Es bleibt zu hoffen, dass
der jetzige Kurswechsel der Amerikaner gerade noch
rechtzeitig kommt. Sicher ist das nicht.

Kontraproduktiv an OEF ist darüber hinaus die glo-
bale Botschaft an die internationale Völkergemeinschaft.
Frieden kann es nämlich nur dort geben, wo das Recht
sich durchsetzt.


(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Wer aber selbst das Völkerrecht nicht achtet, wird dies
auch nicht glaubhaft von anderen einfordern können.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700924000

Frau Kollegin Keul, auch für Sie war dies die erste

Rede. Auch Ihnen gilt mein herzlicher Glückwunsch,
verbunden mit den Wünschen für eine erfolgreiche Ar-
beit.


(Beifall)


Nun hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion der
Kollege Thomas Silberhorn.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Wir haben uns in diesem Haus über viele Jahre inweg um breites Einvernehmen zu unserem Einsatz in fghanistan bemüht. Das hat die Union in Zeiten der pposition getan; am längsten hat das die FDP in Zeiten er Opposition getan. Ich höre mit Interesse, dass der ollege Klose heute in der Debatte über das ISAF-Manat gesagt hat: Die SPD-Fraktion steht zu der Verantwortung, die sie … übernommen hat, auch in der Opposition. Ich würde das gerne begrüßen können; aber ich muss ie fragen: Warum gilt das nicht für das OEF-Mandat? ot-Grün hat nach den Anschlägen vom 11. September 001 den Bündnisfall mit festgestellt und die Initiative ür eine militärische Bekämpfung der al-Qaida mit erriffen. Noch bei der Mandatsverlängerung im Novemer letzten Jahres hat die Bundesregierung ausgeführt ich zitiere auszugsweise –: Auch wenn es in Europa und den USA … seit mehreren Jahren keinen Anschlag der al-Qaida mehr gegeben hat …, bleibt es dennoch dabei: Die Gefahr ist in der Tat nicht gebannt. Weiter heißt es: Eine breite Zustimmung zu einer Verängerung des OEF-Mandates … wäre nicht nur ein politisches Signal, dass wir uns aus der Solidarität der internationalen Staatengemeinschaft nicht verabschieden; es wäre vor allen Dingen auch ein starkes Zeichen für unsere Soldatinnen und Soldaten, die bei ihrem Einsatz für unsere Sicherheit Leib und Leben riskieren. Wir schulden unseren Soldaten dafür nicht nur Dank; wir schulden ihnen dafür vor allen Dingen unsere volle Unterstützung. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Arnold? Ich kläre auf, von wem das Zitat stammt – es wird Ih en nicht entgangen sein –: Der Redner war der damaige Bundesaußenminister und heutige Fraktionsvoritzende der SPD, Dr. Frank-Walter Steinmeier. Das rotokoll von damals vermerkt: „Beifall bei der SPD“. arum sind Sie heute stumm geblieben? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1700924100

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700924200
Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1700924300

Die aktuelle Bedrohungslage am Horn von Afrika hat
ich nicht geändert, allenfalls die Bedrohungslage bei
er SPD. So wie es Sie bei der Bundestagswahl zerbrö-
elt hat, so zerbröselt jetzt die einst unverbrüchliche So-
idarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700924400

Herr Kollege Silberhorn, darf ich Sie unterbrechen?

708 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1700924500

Ich würde das gerne ausführen; denn ich habe nicht

allzu viel Redezeit. Sie dürfen mich aber gerne nachher
unterbrechen, um meine Redezeit zu verlängern.

Uns beunruhigt schon, dass Ihr Stimmungsum-
schwung offenbar nicht durch neue Erkenntnisse moti-
viert, sondern parteipolitischer Stimmung unterworfen
ist. Sie geben die Kontinuität Ihrer eigenen Außenpolitik
auf und werfen im Übrigen die Frage nach der Autorität
Ihres Fraktionsvorsitzenden auf, die Sie aber selbst be-
antworten mögen.

Ich will nicht verkennen, dass man ernsthaft über eine
Anpassung dieses Mandats diskutieren kann und muss.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Aha!)


Dieses Mandat wurde mehrfach angepasst und um zivile
Komponenten ergänzt. OEF ist nur ein Baustein in ei-
nem Ansatz vernetzter Sicherheit. Das Mandat wurde
mehrmals personell und geografisch reduziert: Wir
haben die Spezialkräfte des KSK abgezogen, wir sind
nicht mehr unter dem OEF-Mandat in Afghanistan prä-
sent, die Personalobergrenze – es wurde schon angespro-
chen – wurde von 1 400 auf 800 reduziert.


(Franz Thönnes [SPD]: Dann kann man ja sagen, dass sich alles verändert hat!)


Jetzt reduzieren wir die Obergrenze nochmals, und zwar
auf 700.

Das alles zeigt doch: Wir befinden uns in einem Pro-
zess der Mandatsverlängerung. Es geht hier nicht um ein
Weiter-so, sondern um eine kontinuierliche Weiterent-
wicklung, durchaus mit der Perspektive einer Reduzie-
rung und eines Ausstiegs.


(Ulrich Kelber [SPD]: Wo bleibt da das Argument?)


Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung ange-
kündigt hat, dieses Mandat weiter zu überprüfen und zu
schauen, ob es eine Integration in andere Mandate ge-
stattet.

Dieses Mandat ist bis heute auf die Satzung der Ver-
einten Nationen und auf Sicherheitsratsresolutionen ge-
stützt, von denen die letzte vom 8. Oktober dieses Jahres
stammt. Es macht keinen Sinn, in Sonntagsreden über
effektiven Multilateralismus zu schwadronieren, wenn
man sich bei erstbester Gelegenheit, ohne irgendeine
Abstimmung in der internationalen Gemeinschaft vorge-
nommen zu haben, aus einem durch den Sicherheitsrat
legitimierten Einsatz verabschiedet. Das ist nicht glaub-
würdig.

Meine Damen und Herren, Sie wissen sehr wohl, dass
dieser Einsatz für die Soldaten, die in Afghanistan unter
unserem Mandat im Einsatz sind, wenn auch nicht unter
OEF-Mandat, nicht ohne Bedeutung ist. Die amerikani-
schen Kräfte, die unter OEF-Mandat in Afghanistan ope-
rieren, sind unseren Soldatinnen und Soldaten in beson-
deren Bedrohungslagen bereits mehrfach zur Hilfe
geeilt. Diese Schutzkomponente, die wir selbst nicht er-
füllen, auf die wir aber angewiesen sind, müssen wir bei

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(C (D iesem Mandat sehr sorgfältig bedenken. Wir sind diejeigen, die die Bündnissolidarität der amerikanischen artner bereits mehrfach in Anspruch nehmen mussten. ass ausgerechnet wir uns bei dieser Gelegenheit aus er Bündnissolidarität verabschieden wollen, kann nieanden überzeugen, schon gar nicht die Soldatinnen nd Soldaten, die für uns in Afghanistan den Kopf hinalten. Deswegen sage ich sehr deutlich: Die Beteiligung an iesem Mandat liegt nach wie vor im deutschen Inteesse. Es geht nicht nur um die Sicherung der Seewege m Horn von Afrika, sondern auch um den Schutz der on uns nach Afghanistan entsandten Soldatinnen und oldaten. Daher schließe ich mit den Worten, die Frankalter Steinmeier am 4. November 2008 von dieser telle aus gesagt hat – ich zitiere –: Ich appelliere deshalb an das Hohe Haus: Bitte geben Sie den Soldatinnen und Soldaten die notwendige politische Rückendeckung! Dem habe ich nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700924600

Zu einer Kurzintervention hat das Wort der Kollege

rnold.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1700924700

Kollege Silberhorn, ich habe eine ganz andere Erinne-

ung an die Debatte vor einem Jahr. Ich erinnere mich
aran, dass wir in der Koalition – die CDU/CSU war un-
er Koalitionspartner – sehr schwierige Diskussionen
atten und Ihr Verteidigungsminister und Ihre Fraktion
s letztendlich verhindert haben, dass wir aus dem OEF-
insatz insgesamt ausgestiegen sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ir waren dem Außenminister sehr dankbar dafür, dass
r es wenigstens erreicht hat, dass wir die Landkompo-
ente des OEF-Einsatzes abgeschlossen haben.

Ein zweiter Hinweis, da Sie das Völkerrecht anfüh-
en: Alle Fachleute erkennen übereinstimmend an, dass
as Recht auf Selbstverteidigung nach der UN-Charta
rlischt, wenn die UNO selbst Maßnahmen beschließt,
nd Atalanta stellt im Auftrag der UNO am Horn von
frika Seesicherheit her. Deshalb endet auf der Zeit-

chiene irgendwann die Legitimation.


(Beifall bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700924800

Zur Erwiderung hat das Wort der Kollege Thomas

ilberhorn.


Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1700924900

Sehr geehrter Herr Kollege Arnold, das Sein trübt ge-

egentlich das Bewusstsein. Wenn Ihre Erinnerung an die
ebatte aus dem letzten Jahr getrübt ist, gebe ich Ihnen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 709


(A) )



(B) )


Thomas Silberhorn
gerne das Protokoll. Ich habe es hier. Darin können Sie
nachlesen und feststellen, dass ich richtig zitiert habe.

Ich will aber auch sehr deutlich sagen: Wir hatten eine
schwierige Debatte, in der insbesondere in Ihren Reihen
gerne zwischen dem OEF- und dem ISAF-Mandat
differenziert worden ist, und zwar mit der durchaus
schwierigen Konnotation, das ISAF-Mandat als hehre
Intervention zum Wiederaufbau der Zivilgesellschaft zu
interpretieren, während auf der anderen Seite das OEF-
Mandat in die Ecke der militärischen Bekämpfung von
Terroristen gestellt wurde, an der man sich die Finger
nicht schmutzig machen möchte. Das spiegelt sich in der
Realität in Afghanistan offenkundig nicht wider.


(Rainer Arnold [SPD]: Sicher?)


– Ich glaube nicht, dass jemand in Afghanistan unter-
scheiden kann, ob ein Soldat mit dem OEF- oder dem
ISAF-Mandat ausgestattet ist. Ich glaube nicht, dass man
im Einsatz darauf achtet, ob ein Soldat eine OEF- oder
eine ISAF-Flagge am Revers hat. Diese unterschiedliche
Interpretation von ISAF und OEF war die Grundlage für
die schwierige Debatte, die wir damals geführt haben;
sie entbehrt jedoch ihrerseits jeglicher Grundlage. Des-
wegen ist es richtig, dass wir die Fortsetzung dieses
Mandats beschlossen haben.

Wenn Sie jetzt eine andere völkerrechtliche Bewer-
tung vornehmen wollen, dann weise ich darauf hin, dass
der Einsatz auf Grundlage des Atalanta-Mandats schon
eine ganze Zeit lang läuft. Diese Frage hätten Sie nicht
erst heute, sondern schon vorher stellen müssen. Genau
das kritisiere ich: dass Sie Ihre Auffassung jetzt nach der
Bundestagswahl ändern. Das kann nicht sachlich moti-
viert sein; das ist parteipolitisch motiviert. Das ist dem
gesamten Einsatz in Afghanistan und auch dem Einsatz
am Horn von Afrika im Rahmen der OEF abträglich.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700925000

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck-
sache 17/110 zu dem Antrag der Bundesregierung zur
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit-
kräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion
auf terroristische Angriffe gegen die USA. Der Aus-
schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 17/38 an-
zunehmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre
Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen mit den Schriftfüh-
rern besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Ab-
stimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Haben jetzt alle abgege-
ben? – Jetzt haben alle ihre Stimme abgegeben.

Ich schließe die Abstimmung. Das Ergebnis wird Ih-
nen später bekannt gegeben. Ich bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, die Stimmen auszuzählen.1)

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D1) Ergebnis Seite 710 D

(C (D Jetzt führen wir noch eine Abstimmung über einen ntschließungsantrag durch. Deshalb bitte ich die Kolleinnen und Kollegen, die der Debatte weiter folgen wolen, Platz zu nehmen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsntrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/126. Wer timmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt agegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag st mit großer Mehrheit abgelehnt. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 12 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Verordnung der Bundesregierung Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV)


– Drucksachen 17/74, 17/85 Nr. 2.2, 17/135 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)

Ute Vogt
Michael Kauch
Ralph Lenkert
Dorothea Steiner

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich sehe
nd höre dazu keinen Widerspruch. Dann können wir so
erfahren.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
ollege Andreas Jung für die CDU/CSU-Fraktion das
ort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1700925100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch denke, wir alle sind froh, dass wir mit der heutigen
ebatte und der folgenden Abstimmung die Diskussion
ber die Novelle der 1. Bundes-Immissionsschutzver-
rdnung zu einem Ende bringen; die Unionsfraktion
eint, zu einem guten Ende.

Diese Novelle beinhaltet drei Botschaften. Die erste
nd aus unserer Sicht besonders wichtige Botschaft lau-
et: Heizen mit Holz hat Zukunft. Es ist wichtig, dass wir
ies in den Mittelpunkt stellen, weil der eine oder andere
orschlag, den das Ministerium in der letzten Legislatur-
eriode in dieser Diskussion gemacht hat, dazu führte,
ass es in der Frage „Ist Holz tatsächlich ein Energieträ-
er mit Zukunft?“ Verunsicherung gab.

Die zweite Botschaft lautet: Wir nehmen die Fein-
taubbelastung, die Feinstaubemissionen, die es beim
erbrennen von Holz gibt, ernst und handeln wirkungs-
oll.

Die dritte Botschaft lautet: Wir haben auch die soziale
imension dieser Frage im Blick und berücksichtigen

710 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) (C)



(B) )


Andreas Jung (Konstanz)


sie bei den Neuregelungen. Wir versuchen, diese drei
Punkte mit dieser Novelle in Einklang zu bringen.

Zunächst einmal vorweg: Warum ist es sinnvoll, mit

nen Seite das klare Signal: Wer sich einen Ofen neu ein-
baut, muss dafür Sorge tragen, dass es zu diesen negati-
ven Effekten nicht kommt; denn für neue Öfen gelten
Holz zu heizen? Wer mit Holz heizt, der leistet einen
Beitrag zum Klimaschutz, weil dabei nur das an Emis-
sionen abgegeben wird, was zuvor in einem natürlichen
Prozess aufgenommen wurde. Holz ist ein nachwachsen-
der Rohstoff. Wir erhöhen also die Quote der erneuerba-
ren Energien, wenn wir die Grundlage für das Heizen
mit Holz schaffen bzw. sie mit dieser Novelle möglicher-
weise sogar verbessern.

Kollege Fell hat in der Debatte heute früh zu Recht
auf die Notwendigkeit hingewiesen, beim Ausbau der
Nutzung erneuerbarer Energien so schnell wie möglich
voranzukommen. Im Bereich der Wärmeerzeugung aus
erneuerbaren Energien ist Holz heute der Energieträger
mit dem größten Anteil. Das sind sicherlich Gesichts-
punkte, die uns veranlassen sollten, diesen Energieträger
sehr positiv zu bewerten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der zweite Aspekt ist, dass wir durch die Stärkung
von Holz als Energieträger regionale Wertschöpfungs-
ketten und regionale Kreisläufe stärken. Wir stärken die
Wertschöpfung im ländlichen Raum. Damit tun wir auch
etwas für die Arbeitsplätze im ländlichen Raum, und das
mit einem Zusatznutzen: Wer mit Holz heizt, dessen
Energieträger hat keine langen Transportwege. Durch
kürzere Transportstrecken wird somit ein Zusatznutzen
für die Umwelt erzielt.

Ein dritter Punkt. Wir haben in Deutschland so viele
Kapazitäten an Holzvorräten, dass man mit Fug und
Recht sagen kann: Eine nachhaltige Waldbewirtschaf-
tung ist möglich. Wenn wir Holz nutzen, dann tun wir et-
was dafür, dass die erheblichen Holzvorräte, die es in
Deutschland gibt, einer effektiven, sinnvollen Nutzung
zugeführt werden. Es gibt eine neue Studie, die besagt,
dass sich in den letzten vier Jahren 3,6 Milliarden Ku-
bikmeter an Resthölzern in unseren Wäldern angesam-
melt haben. Auch aus diesem Grund kann man sagen:
Wer mit Holz heizt, tut etwas für nachhaltige Wirtschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aus all diesen Gründen ist es richtig, zu sagen: Heizen
mit Holz hat Zukunft.

Auf der anderen Seite ergeben sich angesichts der
Emissionen, die beim Verbrennen von Holz entstehen,
kritische Fragen. An erster Stelle ist die Feinstaubbelas-
tung zu nennen. Daraus ergeben sich Gesundheitsfragen.
Ferner führen Geruchsbelästigungen oftmals zu Proble-
men in der Nachbarschaft.

Deshalb war es notwendig, zu handeln und mit dieser
Novelle diese beiden Aspekte in Einklang zu bringen.
Die Regelungen, die jetzt gefunden wurden, halten wir
für einen sehr guten Kompromiss. Wir geben auf der ei-

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(D hrgeizige Grenzwerte. Auf der anderen Seite, in der Frage der Bestandsöfen, erücksichtigen wir die sozialen Fragen. Das führt hier iederum zu zwei unterschiedlichen Regelungen. Zum inen gilt der Grundsatz, dass es für Bestandsöfen lange bergangsfristen gibt, innerhalb derer der Ofen nachge üstet oder abgeschaltet werden muss. Eine Kategorie von Öfen nennen wir die Öfen mit soialem Hintergrund – sie werden unbegrenzten Betandsschutz genießen, und das halten wir auch für richig –: Das sind solche Öfen, mit denen zum Beispiel der erd betrieben wird, mit denen der Backofen betrieben ird, mit denen die Waschküche betrieben wird, aber uch solche, die die einzige Heizung in einem Raum, in iner Wohnung darstellen und bei denen es für den Beroffenen erhebliche Investitionen hervorrufen würde, en Ofen auszuwechseln. Dies betrifft im ländlichen aum oftmals kleine Wohnungen, kleine Häuser, und ein ustausch des Ofens würde die Eigentümer vor große robleme stellen. Ihnen geben wir die Botschaft, dass es ür ihre Öfen einen unbegrenzten Bestandsschutz gibt. as gilt auch für die Kategorie der offenen Kamine und ür die Kategorie der eingemauerten Kachelöfen. In der Summe ist, meinen wir, eine gute Regelung geunden worden. Wir glauben, dass damit zwei Dinge ereicht werden, nämlich zum einen eine noch höhere Akeptanz des Brennstoffs Holz und zum anderen lanungssicherheit. Ich glaube, alle Beteiligten mit ihren nterschiedlichen Auffassungen werden mir zustimmen, ass es nötig ist, dass wir in dieser Debatte einen Punkt achen und sagen: Die Politik hat jetzt entschieden, und eder kann und muss sich auf diese neuen Regelungen instellen. Damit herrscht Klarheit darüber, worum es eht. Ich wiederhole noch einmal die Botschaft vom Anang: Heizen mit Holz hat Zukunft. Wir stimmen dieser erordnung zu. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700925200

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile,

omme ich zurück zum Tagesordnungspunkt 11 und
ebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schrift-
ührern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
ung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen
usschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur
ortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit-
räfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion
uf terroristische Angriffe gegen die USA bekannt: ab-
egebene Stimmen 588. Mit Ja haben gestimmt 322, mit
ein 266, Enthaltungen gab es keine. Damit ist die Be-

chlussempfehlung angenommen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 711


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 588;
davon

ja: 322
nein: 266

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel

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ermann Gröhe
ichael Grosse-Brömer
strid Grotelüschen
arkus Grübel
anfred Grund
onika Grütters
r. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
lav Gutting
lorian Hahn
olger Haibach
r. Stephan Harbarth

ürgen Hardt
erda Hasselfeldt
r. Matthias Heider
echthild Heil
rsula Heinen-Esser
rank Heinrich
udolf Henke
ichael Hennrich

ürgen Herrmann
nsgar Heveling
rnst Hinsken
eter Hintze
hristian Hirte
obert Hochbaum
arl Holmeier
ranz-Josef Holzenkamp
oachim Hörster
nette Hübinger
homas Jarzombek
r. Dieter Jasper
ndreas Jung (Konstanz)

r. Franz Josef Jung
r. Egon Jüttner
artholomäus Kalb
teffen Kampeter
lois Karl
ernhard Kaster

(VillingenSchwenningen)


olker Kauder
r. Stefan Kaufmann
oderich Kiesewetter
ckart von Klaeden
olkmar Klein
ürgen Klimke
ulia Klöckner
xel Knoerig

ens Koeppen
r. Kristina Köhler

(Wiesbaden)

anfred Kolbe
r. Rolf Koschorrek
artmut Koschyk
homas Kossendey
ichael Kretschmer
unther Krichbaum
r. Günter Krings
r. Martina Krogmann
üdiger Kruse
ettina Kudla
r. Hermann Kues
r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
atharina Landgraf

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r. Max Lehmer
aul Lehrieder
r. Ursula von der Leyen

ngbert Liebing
atthias Lietz
r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak
r. Michael Luther
arin Maag
ans-Georg von der Marwitz
ndreas Mattfeldt
tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
r. Angela Merkel
aria Michalk
r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder
ietrich Monstadt
arlene Mortler

tefan Müller (Erlangen)

adine Müller (St. Wendel)

r. Gerd Müller
r. Philipp Murmann
ernd Neumann (Bremen)

ichaela Noll
r. Georg Nüßlein
ranz Obermeier
duard Oswald
enning Otte
r. Michael Paul
ita Pawelski
lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
ibylle Pfeiffer
eatrix Philipp
onald Pofalla
hristoph Poland
uprecht Polenz
ckhard Pols
ucia Puttrich
aniela Raab
homas Rachel
ckhardt Rehberg
atherina Reiche (Potsdam)

othar Riebsamen
osef Rief
laus Riegert
r. Heinz Riesenhuber

ohannes Röring
r. Norbert Röttgen
r. Christian Ruck
rwin Rüddel
lbert Rupprecht (Weiden)

nita Schäfer (Saalstadt)

r. Wolfgang Schäuble
r. Annette Schavan
r. Andreas Scheuer
arl Schiewerling
orbert Schindler
ankred Schipanski
eorg Schirmbeck
hristian Schmidt (Fürth)

atrick Schnieder
r. Andreas Schockenhoff
r. Ole Schröder

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(C (D ernhard Schulte-Drüggelte we Schummer rmin Schuster (Weil am Rhein)

etlef Seif

ohannes Selle
einhold Sendker
r. Patrick Sensburg
homas Silberhorn
ohannes Singhammer
ens Spahn
arola Stauche
r. Frank Steffel
rika Steinbach
hristian Frhr. von Stetten
ieter Stier
ero Storjohann
tephan Stracke
ax Straubinger
arin Strenz
homas Strobl (Heilbronn)

ena Strothmann
ichael Stübgen
r. Peter Tauber
ntje Tillmann
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Vogel (Kleinsaara)

tefanie Vogelsang
ndrea Astrid Voßhoff
r. Johann Wadephul
arco Wanderwitz
ai Wegner
arcus Weinberg (Hamburg)


eter Weiß (Emmendingen)

abine Weiss (Wesel I)

go Wellenreuther
arl-Georg Wellmann
eter Wichtel
nnette Widmann-Mauz
laus-Peter Willsch
lisabeth Winkelmeier-
Becker
r. Matthias Zimmer
olfgang Zöller
illi Zylajew

DP

ens Ackermann
hristian Ahrendt
hristine Aschenberg-
Dugnus
aniel Bahr (Münster)

lorian Bernschneider
ebastian Blumenthal
laudia Bögel
icole Bracht-Bendt
laus Breil
ainer Brüderle
ngelika Brunkhorst
rnst Burgbacher
arco Buschmann

ylvia Canel
elga Daub
einer Deutschmann
r. Bijan Djir-Sarai
atrick Döring
echthild Dyckmans

712 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger
Lars Lindemann
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Christian Lindner
Michael Link (Heilbronn)

Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Gabi Molitor
Jan Mücke
Petra Müller (Aachen)

Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann


(Lausitz)

Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto


(Frankfurt)

Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Stephan Thomae
Florian Toncar

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erkan Tören
ohannes Vogel


(Lüdenscheid)

r. Daniel Volk
r. Guido Westerwelle
r. Claudia Winterstein
r. Volker Wissing
artfrid Wolff (Rems-Murr)


ein

DU/CSU

olfgang Börnsen

(Bönstrup)

r. Peter Gauweiler

PD

grid Arndt-Brauer
ainer Arnold
einz-Joachim Barchmann
oris Barnett
r. Hans-Peter Bartels
laus Barthel
ören Bartol
abine Bätzing
irk Becker
we Beckmeyer
othar Binding (Heidelberg)

erd Bollmann
illi Brase
ernhard Brinkmann

(Hildesheim)

arco Bülow
artin Burkert

etra Crone
r. Peter Danckert
artin Dörmann

lvira Drobinski-Weiß
arrelt Duin
ebastian Edathy
iegmund Ehrmann
r. h. c. Gernot Erler
etra Ernstberger
arin Evers-Meyer
lke Ferner
abriele Fograscher
r. Edgar Franke
agmar Freitag
eter Friedrich
igmar Gabriel
ichael Gerdes
is Gleicke
ünter Gloser
lrike Gottschalck
ngelika Graf (Rosenheim)

ichael Groß
ichael Groschek
olfgang Gunkel
ans-Joachim Hacker
ettina Hagedorn
laus Hagemann
ichael Hartmann

(Wackernheim)

ubertus Heil (Peine)

olf Hempelmann
r. Barbara Hendricks
ustav Herzog

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abriele Hiller-Ohm
etra Hinz (Essen)

rank Hofmann (Volkach)

r. Eva Högl
hristel Humme

osip Juratovic
liver Kaczmarek

ohannes Kahrs
r. h. c. Susanne Kastner
lrich Kelber
ars Klingbeil
ans-Ulrich Klose
r. Bärbel Kofler
aniela Kolbe (Leipzig)

ritz Rudolf Körper
nette Kramme
icolette Kressl
ngelika Krüger-Leißner
te Kumpf
hristine Lambrecht
hristian Lange (Backnang)

teffen-Claudio Lemme
urkhard Lischka
abriele Lösekrug-Möller
irsten Lühmann
aren Marks
atja Mast
ilde Mattheis
etra Merkel (Berlin)

llrich Meßmer
r. Matthias Miersch
ranz Müntefering
r. Rolf Mützenich
ndrea Nahles
ietmar Nietan
anfred Nink

homas Oppermann
olger Ortel
ydan Özoğuz
einz Paula

oachim Poß
r. Wilhelm Priesmeier
lorian Pronold
r. Sascha Raabe
echthild Rawert
erold Reichenbach
r. Carola Reimann
ené Röspel
r. Ernst Dieter Rossmann
arin Roth (Esslingen)

arlene Rupprecht

(Tuchenbach)

nton Schaaf
xel Schäfer (Bochum)

arianne Schieder

(Schwandorf)

erner Schieder (Weiden)

lla Schmidt (Aachen)

arsten Schneider (Erfurt)

ttmar Schreiner
wen Schulz (Spandau)

wald Schurer
rank Schwabe
r. Angelica Schwall-Düren
tefan Schwartze
r. Carsten Sieling
r. Frank-Walter Steinmeier
hristoph Strässer

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(C (D erstin Tack r. h. c. Wolfgang Thierse ranz Thönnes olfgang Tiefensee üdiger Veit te Vogt r. Marlies Volkmer ndrea Wicklein eidemarie Wieczorek-Zeul r. Dieter Wiefelspütz altraud Wolff ta Zapf agmar Ziegler anfred Zöllmer IE LINKE an van Aken gnes Alpers r. Dietmar Bartsch erbert Behrens arin Binder atthias W. Birkwald eidrun Bluhm hristine Buchholz va Bulling-Schröter r. Martina Bunge oland Claus evim Dağdelen r. Diether Dehm eidrun Dittrich erner Dreibus r. Dagmar Enkelmann laus Ernst olfgang Gehrcke icole Gohlke iana Golze nnette Groth r. Gregor Gysi eike Hänsel r. Rosemarie Hein ge Höger r. Barbara Höll lla Jelpke r. Lukrezia Jochimsen atja Kipping arald Koch an Korte utta Krellmann atrin Kunert aren Lay abine Leidig alph Lenkert ichael Leutert tefan Liebich lla Lötzer r. Gesine Lötzsch homas Lutze lrich Maurer orothée Menzner iema Movassat olfgang Nešković homas Nord etra Pau ens Petermann ichard Pitterle grid Remmers aul Schäfer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 713 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt auch weitergehende Regelungen hätten vorstellen könDer Bayerische Bauernverba sidentin, ich zitiere mit Ihrer Er Die vorgeschlagenen E Bundesministeriums für U Reaktorsicherheit werden (Josef Göppel [CDU/CS überhol Damals war das Bundesminist von Sigmar Gabriel gemeint. Die CSU hat aus falsch ve über Monate hinweg das Inkraf blockiert. Das Wirtschaftsmin wirtschaftsministerium unter I hindert, dass eine vernünftige frühzeitig hätte in Kraft treten k (Beifall bei der SPD und DIE GRÜN nd hat erklärt – Frau Prälaubnis –: missionsgrenzwerte des mwelt, Naturschutz und kategorisch abgelehnt. U]: Ist doch alles t!)


(Wolmirstedt)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD)


erium unter der Führung

rstandenem Lobbyismus
ttreten dieser Verordnung
isterium und das Land-
hrer Führung haben ver-
Verordnung schon sehr
önnen.

dem BÜNDNIS 90/
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en, und Sie wissen, dass der ur
uch vorsah. Dies betrifft zum
ie man durchaus höher hätte s


(Josef Göppel [CDU/C nd dies betrifft auch die lange en Übergangsfristen für die S orhandener Anlagen. (Beifall bei der SPD sowie Fell [BÜNDNIS 90/D Wir werden dieser Verordnu n dieser Sache verhandelt hab ei Kompromissen, die man sc leinen Erfolgen zufrieden sei it dieser Verordnung erreicht ber 4,5 Millionen Anlagen nac elegt bzw. ersetzt werden müs chritt hin zur Reduzierung v urch werden die Emissionen sprüngliche Entwurf dies Beispiel die Grenzwerte, etzen können, SU]: Niedriger!)


n und zum Teil überlan-
anierung oder Stilllegung

des Abg. Hans-Josef
IE GRÜNEN])

ng zustimmen, weil wir
en und wissen, dass man
hließt, zuweilen auch mit
n muss. Der Erfolg, der
wird, ist zumindest, dass
hgerüstet oder eben still-
sen. Das ist ein wichtiger
on Feinstaub; denn da-
begrenzt. Damit ist dies
Michael Schlecht
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Jörn Wunderlich

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Kerstin Andreae

Marieluise Beck (Bremen)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz (Herborn)

Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic

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Wir setzen die Aussprache fort.

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ute Vogt für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1700925300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Als wir heute Morgen im Vorfeld der Klima-
schutzkonferenz diskutiert haben, herrschte in diesem
Hause große Einigkeit darüber, dass wir diese Konferenz
in Kopenhagen zu einem großen Erfolg führen wollen.
Durch die Historie der Verordnung, die wir heute in die-
sen Abendstunden hier verhandeln, wird aber gezeigt,
wie schwer sich einige in diesem Hause mit dem Klima-
schutz tun, wenn es konkret wird.

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Ich sage Ihnen, was herausgekommen ist: Es ist eine
erordnung herausgekommen, bei der wir uns durchaus

714 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Ute Vogt
ein Beitrag, aber eben nur ein Beitrag zur Erreichung der
Klimaschutzziele.

Ich will, dass wir uns in diesem Hause dessen bewusst
sind, dass dieser Schritt, den wir jetzt machen, aufgrund
der technischen Gegebenheiten nur der erste Schritt sein
kann. Man hätte heute schon weiter gehen müssen.
Wenn wir diese Novelle heute verabschieden, dann muss
uns klar sein, dass die nächste Novellierung mit Sicher-
heit schneller erfolgen muss als diese, weil die Entwick-
lung der Technik in großen Schritten voranschreitet.
Dies muss sich auch in unserer Gesetzgebung und in un-
serer Verordnungsgebung widerspiegeln.

Ich wünsche mir, dass die Anforderungen, die wir
heute Vormittag in allgemeiner Form von allen Seiten
gehört haben und die von allen Seiten beschworen wur-
den, in Zukunft auch dann ernst genommen werden,
wenn es konkret wird, und dass auch die CSU lernt, dass
es nicht darum geht, hier in Deutschland und im Deut-
schen Bundestag nur die Lobby für einige Holzprodu-
zenten in Bayern zu sein, sondern dass es darum geht,
dass wir die Klimalobby in diesem Hause sind. Das ist
auch die Aufgabe derer, die für solche Umweltverord-
nungen Verantwortung tragen.

Ich wünsche mir, dass wir in diesem Sinne mehr Ge-
samtverantwortung zeigen. Vielleicht gelingt das jetzt
nach dem Wahlkampf.


(Beifall bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700925400

Nächster Redner ist der Kollege Michael Kauch für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1700925500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte

nicht gedacht, dass diese Debatte an diesem späten
Abend noch Emotionen erregt. Wir besprechen eine Ver-
ordnung, die das Parlament schon einmal passiert hat. Es
geht eigentlich nur noch um kleine Änderungen durch
den Bundesrat. Frau Vogt, angesichts dessen, was Sie
gerade abgeliefert haben, habe ich mir die Frage gestellt,
ob Sie diese Verordnung jemals gelesen haben. Liebe
Frau Vogt, in dieser Verordnung geht es nicht um Klima-
schutz, sondern es geht um Luftreinhaltung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Unsinn!)


Auf den ersten beiden Seiten werden Grenzwerte für
Staub und Kohlenmonoxid festgelegt, aber nicht für
Kohlendioxid. Naturwissenschaftlich gesehen ist das et-
was anders. Auch wenn es schon spät ist, sollten wir uns
die Konzentration erhalten und nicht von Klimaschutz,
sondern von Luftreinhaltung sprechen; denn darum geht
es.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Wir sind sozusagen
von Umweltzonen umzingelt.

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(C (D Wenn wir über Luftreinhaltung und Feinstaubbeämpfung reden, dann fällt allen immer zuerst der Verehr ein und dass wir Umweltzonen einrichten müssen. as mag an der einen Stelle gut und richtig sein, an der nderen möglicherweise aber nicht. Klar ist aber, dass der Beitrag der Kleinfeuerungsnlagen zur Feinstaubbelastung mindestens so groß ist ie der Beitrag des Verkehrs. Nach der Projektion der uropäischen Kommission wird der Anteil der Feue ungsanlagen an der Feinstaubbelastung in den nächsten ahren sogar deutlich größer sein als der Anteil des Verehrs an der Feinstaubbelastung. Wenn wir Umweltschutzpolitik nicht nur als reine ymbolpolitik betreiben wollen, wenn wir nicht nur alles eim Verkehr abladen wollen, dann ist es notwendig, die renzwerte für Kleinfeuerungsanlagen zu verschärfen. ch bitte jeden um Verständnis, der solch eine Anlage zu ause betreibt. Meine Damen und Herren, als wir noch in der Oppoition waren, haben wir die Frage gestellt, weshalb keine nhörung zu dieser Verordnung stattgefunden hat. Wir ätten gern mehr über die Grenzwertsituation von Exerten erfahren. Das war nicht mehr möglich. Deshalb inde ich es wichtig und richtig, dass der Bundesrat daauf hinweist, dass die Staubgrenzwerte, die für die Zeit b 2050 avisiert werden, so ambitioniert sind, dass sie it heutiger Technik nicht zu erreichen sind, sondern eitere technische Entwicklungen notwendig sind. Spä estens im Jahr 2014 muss überprüft werden, ob dies praistauglich ist, auch mit Blick auf die Anforderungen an ie Nutzung von biogenen Brennstoffen. Es steht auf der Agenda der neuen Koalition, am Ende er Legislaturperiode noch einmal auf die Praxistaugichkeit dieser Grenzwerte zu schauen. Das werden wir uch tun. (Ulrich Kelber [SPD]: Aber kein Freifahrtsschein!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Was wir bei der Verabschiedung dieser Verordnung
rlebt haben, ist übrigens eine Never Ending Story ge-
esen. Das war ein Hin und Her zwischen Rot und
chwarz. Insbesondere Bayern spielte dabei eine be-
timmte Rolle. Nun liegt aber eine gute Verordnung auf
em Tisch, die der Bundestag verabschieden kann.

Es ist gut für die Bürgerinnen und Bürger, dass mit
ieser Verordnung beispielsweise die Prüfintervalle der
chornsteinfeger verlängert werden, sodass ein Bürokra-

ie- und ein Kostenabbau im Interesse der Bürgerinnen
nd Bürger stattfinden.

Ich habe noch zwei Minuten Redezeit. Diese Zeit
erde ich nicht ausschöpfen. Vielmehr hoffe ich, dass
ir die Debatte in kürzerer Zeit als ursprünglich geplant

ühren können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 715


(A) )



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Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700925600

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Ralph

Lenkert das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1700925700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Staubbelastungen in den Städten steigen, und die
Zahl der Atemwegserkrankungen und Hautallergien
nimmt zu. Die Verordnung zur Durchführung des Bun-
des-Immissionsschutzgesetzes regelt erstmals die zuläs-
sigen Abgas- und Feinstaubwerte für Öfen, Kamine und
Raumheizungen auf Verbrennungsbasis.

Wir begrüßen, dass nun auch Heizgeräte und kleine
Heizanlagen zur Reduzierung der Umweltbelastungen
herangezogen werden. Die vorgesehenen Übergangszei-
ten bewirken, dass in ländlichen Gebieten und insbeson-
dere in Gebieten mit niedrigem Einkommen und hoher
Arbeitslosigkeit die notwendigen Modernisierungen der
Anlagen ohne soziale Härten durchgeführt werden kön-
nen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Regierungskoalition leistet mit dieser Verordnung
einen Beitrag zum sozial verträglichen Umweltschutz.
So weit, so gut. Aber solche konstruktiven Ansätze wer-
den von Fehlern und Tatenlosigkeit auf anderen Gebie-
ten überlagert. Schon jetzt gibt es Überkapazitäten bei
der Müllverbrennung und der thermischen Verwertung
von Reststoffen. Trotzdem werden weitere überflüssige
Müllverbrennungsanlagen und Anlagen für die energeti-
sche Verwertung zugelassen und gebaut.

Wer profitiert von diesem Bauwahn? Die Bürgerinnen
und Bürger sicherlich nicht. Klar ist: Diese bezahlen die
Fehlplanung. Viele Kommunen erhöhen erneut die Müll-
und Abfallgebühren. Wir Bürgerinnen und Bürger, das
Handwerk und die produzierende Industrie müssen den
ineffektiven Betrieb nicht ausgelasteter Anlagen, den
Aufbau von Überkapazitäten sowie den notwendigen
Zukauf von Brennstoff bezahlen. Das ist ökonomischer
und ökologischer Schwachsinn.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Thema verfehlt!)


Damit neue Müllverbrennungsanlagen mehr Strom
produzieren, hat man einfach an der Filtertechnik ge-
spart. Deshalb stoßen sie jetzt die vierfache Menge an
Schadstoffen aus. Die Grenzwerte werden zwar gerade
noch so eingehalten, aber die älteren Anlagen haben
deutlich weniger Feinstaub und Umweltgifte ausgebla-
sen. Hier setzt man für ein paar Kilowatt und ein paar
Euro die Gesundheit Tausender Kinder, Frauen und
Männer aufs Spiel. Hier muss die Regierung im Inte-
resse der Gesundheit die Grenzwerte für Schadstoffe und
Feinstaub deutlich reduzieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Damit die Verbrennungsanlagen laufen können, im-
portiert Deutschland inzwischen Müll aus ganz Europa.
Trotzdem läuft zum Beispiel die Anlage in Suhl in Thü-

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(C (D ingen nur mit 50 Prozent Auslastung. Wir Bürger müsen für die ressourcenvernichtende Müllverbrennung, ür die zusätzlichen Müllmengen aus Europa und für ine höhere Schadstoffbelastung in der Umgebung der erbrennungsanlagen bezahlen. Wer profitiert davon? Planungsund Baufirmen, aber uch die privaten Betreiber der Anlagen; denn deren rofite sind vertraglich abgesichert. Das nenne ich einen kandal. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat Ihnen die falsche Rede aufgeschrieben?)


eshalb werden wir wie in Suhl jede Bürgerinitiative
nd jeden Widerstand gegen weitere Müllverbrennungs-
nlagen und ähnliche Anlagen unterstützen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn die Regierung die Fehlentwicklung bei Müll-
nd Reststoffverbrennungsanlagen mit einer vernünfti-
en Lösung wie der Bundes-Immissionsschutzverord-
ung beenden will, wird die Fraktion Die Linke ihr gern
elfen. Daher stimmen wir heute der Novellierung der
. Bundes-Immissionsschutzverordnung als einem Schritt
n die richtige Richtung zu.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700925800

Herr Kollege Lenkert, das war Ihre erste Rede im

eutschen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen herzlich. Al-
es Gute!“


(Beifall)


Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die
ollegin Dorothea Steiner das Wort.


Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1700925900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

erren! Sie haben es jetzt von fast allen Vorrednerinnen
nd Vorrednern gehört: Die vorliegende Verordnung der
undesregierung soll die Menschen vor Belastung und
efährdung der Gesundheit durch Feinstäube und poly-

yklische aromatische Kohlenwasserstoffe – kurz PAK –
us Kleinfeuerungsanlagen schützen. Das hat mit Müll-
erbrennung und Klimaschutz weniger zu tun. Darin
ebe ich Herrn Kauch tatsächlich Recht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Novelle zur 1. BImSchV aus dem Jahr 1988 war
ängst überfällig. In den Verdichtungsräumen der Städte
ragen häusliche Heizungen sogar zu einer höheren Fein-
taubbelastung der Luft bei als der Autoverkehr. Die
ommunen warten seit Jahren auf eine ambitionierte
ovellierung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, die

ber nicht kommt. Denn sie brauchen ein Instrumenta-
ium, das ihnen die Möglichkeit bietet, umwelt- und ge-
undheitsschädliche Emissionen wirksam zu reduzieren.
onst können viele Städte in Zukunft zulasten der Bür-

716 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009


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Dorothea Steiner
gerinnen und Bürger die EU-Feinstaubgrenzwerte in der
Luft nicht mehr einhalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt kommt die Verordnung zum BImSchG endlich,
nachdem sie unsinnig lange in der Bundesumlaufbahn
gekreist ist. Sie ist zudem mit derartigen Mängeln behaf-
tet, dass ihre Wirksamkeit infrage gestellt ist. Die zahl-
reichen Ausnahmen durchlöchern die Verordnung so
weit, dass ihre Wirkung schwindet. Kontrollen zur Ein-
haltung werden erschwert. Stellen Sie sich einmal den
Schornsteinfeger vor, der immer den dicken Ausnahme-
katalog unter dem Arm haben muss, wenn er oder sie
Kleinfeuerungsanlagen überprüft! Ich nenne Ihnen ein
paar Beispiele. Ausgenommen sind offene Kamine und
Feuerstellen, Badeöfen, handwerklich gesetzte Kachel-
öfen sowie „historische“ Holzheizungen. „Historisch“
bedeutet, dass die Anlage vor dem 1. Januar 1950 in Be-
trieb genommen wurde.


(Zuruf von der CDU/CSU: Schloss Neuschwanstein!)


– Das wäre vielleicht etwas. – Dazu muss man sagen:
Strengere Grenzwerte dürfen nicht nur für neue, sondern
müssen gerade auch für alte Anlagen gelten. Die vorge-
sehenen Grenzwerte sind zudem zu hoch. Moderne Feue-
rungsanlagen weisen nur noch ein Drittel des von Ihnen
festgelegten Wertes von 75 Milligramm pro Kubikmeter
auf.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So bekommen Sie den gewünschten Technologieschub
bei Neuöfen und den Austausch alter Staubschleudern
oder schrottreifer Billigöfen durch die vorliegende Ver-
ordnung höchstens unzureichend oder gar nicht hin. Ein
wesentlicher Faktor dabei sind die unerklärlich langen
Übergangsfristen; sie reichen bis 2025.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist doch, meine Damen und Herren von den Regie-
rungsfraktionen sowie von der Linken und der SPD – ich
beziehe Sie ebenfalls ein, weil Sie zustimmen wollen –,
unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes völlig kon-
traproduktiv.

Es gibt Kommunen, die nun überlegen, wie sie über
diese löcherige Regelung hinausgehen können. Beispiel
Aachen. Dort wird geschaut, wie man durch eine kom-
munale Satzung das noch hinbekommen kann, was die
Novellierung nicht bringt. Man wollte in Aachen keine
Umweltzone für Autos einrichten und hat sich entschie-
den, den ÖPNV zu fördern und gleichzeitig den Aus-
tausch alter Öfen zu forcieren, weil das eine höhere Min-
derung von Feinstäuben und PAKs verspricht. Nun sitzt
die Stadt da und überlegt, wie sie wenigstens die Über-
gangsfristen durch eine kommunale Satzung verkürzen
kann. So geht es vielen Kommunen. In Kenntnis der
konkreten Probleme wollen die Städte mehr machen.
Aber der Bund bremst sie mit seiner Gesetzgebung aus.

Wir, die Bündnis 90/Die Grünen-Fraktion, haben ei-
nen Entschließungsantrag zur Korrektur dieses Bremser-

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(C (D erhaltens bereits im Juli sowie noch einmal vorgestern m Umweltausschuss eingebracht. Er wurde eigenartierweise von allen anderen Fraktionen im Umweltauschuss abgeschmettert. Ich kann Ihnen nur sagen, werte ollegen von der Linken, der SPD, der CDU/CSU und er FDP: Wem Ausnahmen wichtiger sind als der Schutz er Menschen vor Feinstäuben und giftigen Aromaten, er hat den Zusammenhang von Umwelt und Gesundheit och nicht wirklich erkannt. Wir als Grüne jedenfalls erden diese Parodie auf den Immissionsschutz nicht innehmen und lehnen daher die Verordnung ab. Auch für Sie, Frau Kollegin Steiner, war das die erste ede in diesem Haus. Herzlichen Glückwunsch. Ich ünsche Ihnen für Ihre Arbeit alles Gute. Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege osef Göppel für die CDU/CSU-Fraktion. Meine verehrte Präsidentin! Meine lieben Kollegin en und Kollegen! Hier kann man mit Fug und Recht saen: Was lange währt, wird endlich gut. iese Verordnung ist wirklich gut. Sie ist im Übrigen ein ind der Großen Koalition; das wollen wir nicht verges en. Die Tatsache, dass sie heute noch einmal zur Abtimmung steht, ist zwei kleinen Anmerkungen der uropäischen Kommission geschuldet. Natürlich kann an sagen: Da wurde viel Rücksicht genommen. – Da ie CSU, wie Sie wissen, näher am Menschen ist, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700926000

(Beifall)

Josef Göppel (CSU):
Rede ID: ID1700926100

(Beifall bei der CDU/CSU)


aren uns die 30 Millionen Menschen, die solche Ein-
elraumfeuerungen besitzen, natürlich sehr nahe. Ich
enke, wir haben jetzt wirklich einen guten Kompromiss
efunden. Es gibt scharfe Grenzwerte für neue Öfen.

Frau Kollegin Steiner, Sie haben in Ihrer ersten Rede
ier gesagt, dass die Stadt Aachen ein eigenes Förder-
rogramm auflegt. Ich empfehle Ihnen einen Blick in
as Marktanreizprogramm des Bundesumweltministe-
iums.


(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kenne ich!)


ort werden Sie nämlich finden, dass ein neuer Scheit-
olzvergaserkessel mit 1 125 Euro und ein neuer Pellets-
essel mit sage und schreibe 2 000 Euro gefördert wer-
en. Das ist die aktuelle Förderung für Bürger, die sich
ine moderne Holzheizung anschaffen wollen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Solarbonus gibt es auch!)


In dem Fall geht es um Zukunft für Holz, Herr Kollege
elber, und Holz hat als Heizmaterial eine große Zu-
unft. – Es haben sich damals einige gefragt, ob das Um-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Dezember 2009 717


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Josef Göppel

weltministerium den Verordnungsentwurf aus Jux und
Tollerei vorgelegt hat. Dazu muss man nun doch sagen,
dass es eine große Zahl von Beschwerden von Leuten
gab, denen es aus dem Kamin des Nachbarn zu sehr ge-
qualmt hat. Da geht es in der Tat um das unmittelbare
Wohnumfeld, um die unmittelbare Lebensqualität. Des-
wegen war es richtig, für die Heizungen zwischen
15 kW und jetzt 4 kW eine solche Verordnung zu erlas-
sen. Wir haben bewusst lange Übergangszeiten festge-
setzt, bis zum Jahr – man glaubt es kaum – 2024. Wir
wollten bewusst die Akzeptanz so stark erhöhen, damit
die Leute auf der einen Seite aus eigenem Antrieb in
Verbindung mit der Förderung des Marktanreizpro-
gramms zu einem früheren Zeitpunkt ihre Öfen erneuern
und auf der anderen Seite auch am Brennstoff Holz fest-
halten.

Frau Kollegin Vogt, Sie haben die Holzerzeuger aus
Bayern karikiert. Das sind 150 000, das sind eine Menge
privater Kleinwaldbesitzer, und es muss doch auch in Ih-
rem Interesse sein, gerade im Schwabenland dieses
Holz, das sonst nicht verwertbar ist, einer vernünftigen
Verwertung zuzuführen. Die Pelletsproduktion ist tat-
sächlich eine technische Innovation, die uns hilft, Holz,
das sonst nicht mehr verwertbar wäre, als Heizquelle zu
nutzen. Holz ist natürlich ein nachwachsender Rohstoff
und daher CO2-neutral.

Ich freue mich sehr, dass wir große Zustimmung fast
vom ganzen Hause ernten. Vielleicht überlegen sich die
Grünen doch noch einmal, zuzustimmen, und geben ih-

kretes Gesetz zur Luftreinhaltung und zur Verbesserung
der Lebensqualität für die Menschen in unserem Land
bei sozialer Akzeptanz entwickelt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1700926200

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit zur Verordnung der Bundesregie-
rung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutz-
gesetzes. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/135, der Verordnung der
Bundesregierung auf Drucksache 17/74 zuzustimmen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist
dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist die Beschlussemp-
fehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der
Fraktion der SPD und der Fraktion Die Linke bei Gegen-
stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenom-
men.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destags auf morgen, Freitag, den 4. Dezember 2009,
9 Uhr, ein.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen restlichen
Abend und schließe die Sitzung.
rem Herzen einen Stoß; denn selten wurde ein so kon-
(D