Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deut-
scher Streitkräfte zur Unterstützung der Über-
wachungsmission AMIS der Afrikanischen
Union in der Region Darfur/Sudan auf
Grundlage der Resolutionen 1556 und
1564 des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen vom 30. Juli 2004 und 18. September
2004
– Drucksache 16/3652 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Eine Aussprache ist dafür heute nicht vorgesehen.
Wir kommen daher gleich zur Überweisung.
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Redet
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/3652 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Stellungnahme der Bundes-
regierung zum ersten Nationalen Bildungsbericht
„Bildung in Deutschland“.
Das Wort für den einleitenden fünfminütig
hat die Bundesministerin für Bildung und
Frau Dr. Annette Schavan. – Bitte.
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)
Herzlichen Dank, Frau Ministerin.
Ich bitte nun, zunächst Fragen zu dem Themenbereich
u stellen, über den soeben berichtet wurde. Die erste
rage hat die Kollegin Hirsch.
Besten Dank. – Frau Ministerin, meine Frage geht in
olgende Richtung: Sie haben zu Recht darauf hingewie-
en, dass eine der zentralen Erkenntnisse aus dem Bil-
ungsbericht die Notwendigkeit der Entkoppelung von
ildungserfolg und sozialer Herkunft ist. Es soll sicher-
estellt sein, dass aus diesem Bericht politische Konse-
uenzen gezogen werden. Doch man fragt sich, ob Sie
icht durch die gerade erfolgte Föderalismusreform die
azu notwendigen Instrumente aus der Hand gegeben
aben. Ich verweise darauf, dass Sie gerade als ersten
unkt das Ganztagsschulprogramm und ehemalige
LK-Programme wie das Förderprogramm für Migran-
innen und Migranten erwähnt haben. Sie wissen ge-
auso gut wie ich, dass solche Programme zukünftig
icht mehr aufgelegt werden können. Meine Frage lau-
et: Wie sollen gerade vor diesem Hintergrund Bildungs-
rfolg und soziale Herkunft entkoppelt und politische
onsequenzen gezogen werden? Hiermit meine ich
icht nur allgemeine Absichtserklärungen, man wolle
as jetzt aufbrechen und zu einer Verbesserung kommen.
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
ung und Forschung:
Internationale Vergleichsstudien haben gezeigt, dass
er Schlüssel für bessere Integration der Schülerinnen
nd Schüler aus Migrantenfamilien die deutsche Sprache
st. Deshalb ist es ganz klar Aufgabe der 16 Länder,
orge dafür zu tragen, dass alle Kinder vor ihrem ersten
chultag altersgerecht mit der deutschen Sprache umge-
en. Entsprechende Schritte wurden unternommen, und
war nicht nur auf dem Papier. Die Aufgabe wurde
chon in vielen Teilen Deutschlands umgesetzt. Damit
urden bereits viele Schlussfolgerungen aus der PISA-
tudie, die letztlich auch Grundlage für den Nationalen
ildungsbericht war, gezogen.
Der zweite Punkt. Wir verabschieden uns nicht von un-
erer Verantwortung, sondern wir nehmen eine neue Auf-
abenverteilung vor: Dabei geht es um die Unterstützung
es Bildungssystems durch Forschung und Entwick-
ungsarbeit, etwa im Rahmen didaktischer Weiterent-
icklungen. Es gibt eine Reihe von Forschungsinstituten
auch von außeruniversitären –, die sich mit Methoden
ndividualisierter Lernformen beschäftigen. Diese Auf-
abe übernimmt der Bund.
Zum Auftrag der Länder gehört – dieses Thema ist ei-
es der Herzstücke der Landespolitik –, den Schulen
inreichende Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Auch
ier sind Fortentwicklungen festzustellen. Auf der einen
eite ist zum Beispiel im Hinblick auf die Grundschulen
ie Ermöglichung unterschiedlicher Lernzeiten zu er-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7163
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Bundesministerin Dr. Annette Schavan
wähnen. Dies kann zur Folge haben, dass auch das fünfte
Schuljahr noch in der Grundschule absolviert werden
kann. Auf der anderen Seite müssen aber auch Möglich-
keiten zur Verkürzung der Lernzeiten geschaffen und
mehr individuelle Hilfe angeboten werden. Dazu tragen
viele ganztätige Angebote der Schulen bei, und zwar
unabhängig von ihrem Bauprogramm; auch das hat ge-
holfen. Wichtig ist, dass an den Schulen neben dem re-
gulären Unterricht zusätzliche Hilfe bei der Hausaufga-
benbetreuung und zur Verbesserung der Sprachfähigkeit
angeboten wird.
Der dritte entscheidende Aspekt betrifft die Nahtstelle
zwischen Schule und Beschäftigung. Wir müssen die Ju-
gendlichen bei ihrer Suche nach einer Ausbildungsstelle
begleiten. Diesem Zweck dienen verschiedene Verbin-
dungen zu Unternehmen und Patenschaften zwischen
Schulen und Unternehmen. Die Bundesregierung hat da-
für gesorgt, dass 7 500 Ausbildungsplätze für Migranten
zur Verfügung gestellt wurden. Die 40 000 Angebote für
Einstiegsqualifikationen sind zum Teil sehr gut für dieje-
nigen geeignet, die noch nicht über hinreichende Ausbil-
dungsreife verfügen.
Wir haben das Stadium der Analyse und der allgemei-
nen Erklärungen längst verlassen. Wir tätigen Investitio-
nen und statten unsere Programme gut aus. Es wird inte-
ressant sein, die folgenden nationalen Bildungsberichte
daraufhin zu untersuchen, durch welche Maßnahmen
welche Fortschritte erzielt werden konnten. Hierbei
denke ich vor allem an die gezielte Reduzierung des An-
teils derer, die keinen Schulabschluss machen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Tauss.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Mit Ihrer
Erlaubnis möchte ich in dieser vorweihnachtlichen Zeit
meiner Freude Ausdruck verleihen, dass auf der Besu-
chertribüne so viele derer sitzen, über deren Situation
wir gerade reden. Herzlich willkommen!
Frau Ministerin, meine Frage schließt unmittelbar an
den Punkt an, von dem Sie gerade gesprochen haben
– dabei handelt es sich um einen Aspekt, der uns mit
größter Sorge erfüllt –: Diejenigen, die keinen Schulab-
schluss haben, haben auf dem Arbeitsmarkt und auf dem
Ausbildungsstellenmarkt in der Tat die schlechtesten
Chancen. Dieser Gruppe wird im Bildungsbericht große
Bedeutung beigemessen.
Meine Frage lautet: Inwieweit ist es möglich, insbe-
sondere diesen Personenkreis zu einem Schwerpunkt der
Gespräche, die der Bund mit den Ländern führt, zu ma-
chen? Der Bund setzt schließlich in erheblichem Um-
fang Mittel ein und unternimmt große Anstrengungen,
um Jugendlichen ohne Schulabschluss durch Maßnah-
men der Bundesagentur für Arbeit zu helfen. Vielleicht
wäre es sinnvoll, bereits früher mit der Förderung zu be-
ginnen. Könnte das ein konzeptioneller Ansatz sein, um
der Lösung dieses Problems näher zu kommen? Ich
denke, die entsprechenden Stichworte werden im Bil-
dungsbericht geliefert.
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Auch ich möchte an diesen Punkt anknüpfen. Im
ationalen Bildungsbericht wurde festgestellt, dass
0 Prozent aller Schulabgänger im so genannten Über-
angssystem landen, also keine ordentliche Ausbildung
eginnen. Darunter befinden sich insbesondere Schulab-
recher, aber auch Schüler mit schwachen Leistungen
nd sehr viele Migranten. Welche Initiative haben Sie
ach Erscheinen des Bildungsberichts ganz konkret er-
riffen, um dieses Problem zu lösen?
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
ung und Forschung:
Wir haben unmittelbar nach Erscheinen des Bildungs-
erichtes dreierlei getan: Erstens. Wir haben die Mög-
ichkeiten für Einstiegsqualifikationen erhöht; das ist die
nitiative des Bundesarbeitsministeriums. Das heißt,
ass in diesem Jahr wirklich jedem Jugendlichen ein An-
ebot gemacht werden kann. Wenn Sie sich die Zahlen
on heute ansehen, dann stellen Sie fest, dass von den
0 000 Bewerbern, die Ende September noch unversorgt
aren, mittlerweile 21 000 vermittelt sind. Die Vermitt-
ung geht bis Mitte Januar weiter, sodass wir hier tat-
ächlich eine gute Prognose haben. Übrigens ist die Si-
uation besser als in vielen Jahren zuvor. Die
instiegsqualifikation ist ein neues Konzept. Es gibt
icht, wie üblich, eine Übergangsphase, die nicht anre-
henbar ist, sondern die Jugendlichen erhalten die Mög-
ichkeit, sich die erworbenen Kompetenzen anrechnen
u lassen, wenn sie später bei einem Unternehmen eine
uale Berufsausbildung beginnen.
Zweitens. Im Hinblick auf Migranten gibt es ein zu-
ätzliches, von uns finanziertes Angebot, das 7 500 Aus-
ildungsplätze umfasst.
Drittens haben wir Bildungsbausteine entwickelt, die
um Schuljahr 2007 in einigen Berufen eingeführt wer-
en sollen. Denn wir haben in den letzten Jahren feststel-
en müssen, dass Jugendliche beschult werden, ohne zu
issen, was für eine Perspektive mit dieser erneuten
7164 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
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Bundesministerin Dr. Annette Schavan
Schulzeit verbunden ist. Ausbildungsbausteine – in An-
lehnung an und aufbauend auf Erfahrungen mit Ein-
stiegsqualifikationen und gestuften Ausbildungen – be-
deuten, dass wiederum Ausbildung im Betrieb stattfindet
und auf dieser Grundlage weitere Bausteine erworben
werden. Sie wissen, dass im Moment eine heftige De-
batte darüber stattfindet und viele sagen: Wir müssen
aufpassen, dass wir damit nicht das duale System insge-
samt aufweichen. Deshalb will ich noch einmal betonen:
Natürlich wird es keine völlige Veränderung der dualen
Ausbildung geben; es ist mit Blick auf die Berufsbilder
wichtig, genügend Ausbildungsplätze zu haben. Aber
der Übergang zwischen Schule und Ausbildung muss
und wird so gestaltet werden, dass das, was angeboten
wird, auf weitere Bildung, Qualifikation und Abschluss
angerechnet wird. Damit würde übrigens umgesetzt wer-
den, was bei der letzten Modernisierung des Berufsbil-
dungsgesetzes vorgesehen war: die bessere Verbindung
von dualer Ausbildung und beruflicher Vollzeitschule.
Die nächste Frage stellt der Kollege Weinberg aus der
Unionsfraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, der
Bildungsbericht – das ist deutlich geworden – konzen-
triert sich auf die Fragen: Wird es uns gelingen, insbe-
sondere Migrantinnen und Migranten bei der Bildung
besser zu platzieren? Welche Maßnahmen müssen wir
dafür ergreifen? Diese Fragen werden querschnittartig
durch alle Bildungsbereiche – frühkindliche Bildung,
vorschulische Bildung, schulische Bildung bis hin zur
Berufsbildung, Hochschule etc. – durchleuchtet. Wenn
man die Ergebnisse bündelt und sich überlegt, welche
Prozesse eingeleitet werden müssen, stellt man fest: Es
sind mehrere Kompetenzen betroffen. Zum einen sind
die Kompetenzen der Länder betroffen, zum anderen
Kompetenzen des Bundes. Nun gab es auch in diesem
Haus den einen oder anderen Kritiker, der gemeint hat,
dass eine solche nationale Bildungsaufgabe nicht zu lö-
sen sei.
Vor diesem Hintergrund stelle ich die Frage: Welchen
Stellenwert hat der Bildungsbericht nach dieser Födera-
lismusreform und was wird getan, um Länder und Bund
auf einen gemeinsamen Weg zu bringen, um die Aufga-
ben zu bewältigen?
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Der Nationale Bildungsbericht ist eines von drei
neuen Instrumenten der – ich sage einmal – modernen
Steuerung des Bildungssystems. Das zweite wird das
Bildungspanel sein, das dritte die Bildungsforschung,
nicht nur in einem abstrakt-theoretischen Sinne, sondern
auch im Sinne von angewandter Forschung, die sich auf
die Entwicklung von Lernkultur in den Schulen und im
gesamten Bildungssystem bezieht. Der Nationale Bil-
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– „Nationaler Bildungsbericht“.
Ich halte es für wichtig, dass alle Empfehlungen, die
wir abgeben, gemeinsame Empfehlungen von Bund und
Ländern sind, weil es nicht darum geht, nur etwas zu Pa-
pier zu bringen, sondern weil damit auch Strategien der
Handelnden verbunden sind.
Deshalb wird die eine oder andere Seite immer auch
Themen ins Gespräch bringen – etwa Fragen der Bil-
dungsforschung –, die unser eigenes Handeln betreffen.
Sobald aber ein gemeinsames Handeln oder das Handeln
der anderen gefragt ist, müssen die Empfehlung und die
Strategie gemeinsam vereinbart werden, damit es wirk-
lich zu diesem Handeln kommt.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Pieper.
Frau Ministerin, meine Frage passt ganz gut zu der
von Herrn Dr. Rossmann.
Sie selbst haben immer betont – auch bei der Debatte
zur Föderalismusreform –, wie wichtig Ihnen unabhängig
von der Kompetenz der Länder in den Fragen der Bildung
eine gesamtgesellschaftliche Strategie, also eine natio-
nale Bildungsstrategie, ist. Dies wurde in dem Bildungs-
bericht mit „Bildung im Lebenslauf“ auch klar beschrie-
ben. Im Grunde genommen wurde dort das gesamte
Bildungskonzept, angefangen von der frühkindlichen
Bildung bis hin zur Weiterbildung und Erwachsenenbil-
dung, aufgezeigt.
Wenn das aber so ist und man nicht bei der Analyse
stehen bleibt, dann muss es ein Gremium aus Bund und
Ländern geben, welches die entsprechenden Handlungs-
empfehlungen herausgibt, die jeweiligen Schlussfolge-
rungen zieht und diese in einem nationalen Konzept um-
setzt. Welches Gremium hat nach Ihrer Auffassung diese
Schlussfolgerung zu ziehen und wie sieht nach Ihrer
Auffassung die notwendige parlamentarische Begleitung
auf Bundesebene für eine nationale Bildungsstrategie
aus?
Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass in dem
Bildungsbericht bewusst Themen behandelt werden, die
auch von Erziehungswissenschaftlern und Neurowissen-
schaftlern als immanent wichtig bezeichnet werden und
eine Schlüsselfunktion – das betrifft zum Beispiel den
Bereich der frühkindlichen Bildung – für Chancenge-
rechtigkeit und für die individuelle Begabtenförderung
haben. Diese Themen sollten nicht nur ein einziges Bun-
desland beschäftigen; das Gremium fordert vielmehr
eine nationale Exzellenzinitiative für frühkindliche Bil-
dung.
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Herr Kollege Wieland, kann ich beide Fragen – ei-
entlich sind es ja vier – hintereinander beantworten
der möchten Sie eine Einzelbeantwortung?
Sie können sie hintereinander beantworten.
Dann rufe ich auch die dringliche Frage 2 des Kolle-
en Wieland auf:
Wann wurde nach Kenntnis der Bundesregierung am Bun-
desgerichtshof oder an sonstigen Gerichten jeweils über On-
linedurchsuchungen entschieden – bitte Daten auflisten – und
wann gab es zum ersten Mal Zweifel, ob diese Maßnahme
rechtlich gestattet ist?
A
Ich danke Ihnen. – Zur Frage 1 a: Es trifft zu, dass ein
rmittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss
om 25. November 2006 den Antrag des Generalbundes-
nwalts auf Durchsuchung eines vom Beschuldigten be-
utzten Personalcomputers im Wege einer Onlinedurch-
uchung abgelehnt hat, weil er hierfür keine tragfähige
echtsgrundlage in der Strafprozessordnung sah.
7170 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
)
)
P
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Bundeskriminalamt hat nach § 2
Abs. 6 Nr. 3 des Bundeskriminalamtgesetzes als Zentral-
stelle zur Unterstützung der Polizeien des Bundes und
der Länder polizeiliche Methoden und Arbeitsweisen der
Kriminalitätsbekämpfung zu erforschen und zu entwi-
ckeln. Dies setzt voraus, dass das Bundeskriminalamt
auch neue technische Verfahren im Hinblick auf ihre
Eignung als Ermittlungsinstrumente der Strafverfolgung
prüft und bewertet, unabhängig davon, ob die Durchfüh-
rung entsprechender Maßnahmen unmittelbar bevor-
steht. Hierfür benötigt das Bundeskriminalamt entspre-
chende Haushaltsmittel.
Nun zur Frage 2 a: Der Bundesregierung sind bisher
vier gerichtliche Entscheidungen bekannt, die sich mit
der Thematik einer heimlichen Onlinedurchsuchung in
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren befassen: erstens
ein Beschluss des Ermittlungsrichters am Amtsgericht in
Bonn vom 7. Februar 2006, zweitens ein Beschluss des
Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 21. Fe-
bruar 2006, drittens ein Beschluss des Ermittlungsrich-
ters am Amtsgericht in Bonn vom 8. November 2006
und viertens ein Beschluss des Ermittlungsrichters des
Bundesgerichtshofs vom 25. November 2006. Allein in
der letztgenannten Entscheidung wurde ein Antrag auf
Anordnung einer heimlichen Onlinedurchsuchung zu-
rückgewiesen. Gegen diesen ablehnenden Beschluss hat
der Generalbundesanwalt Beschwerde beim Bundesge-
richtshof eingelegt. Ein Termin für die Bekanntgabe der
Beschwerdeentscheidung steht noch aus.
Frage 2 b: Der Bundesregierung ist nicht bekannt, bei
wem oder welcher Stelle es zum ersten Mal Zweifel an
der rechtlichen Zulässigkeit einer heimlichen Online-
durchsuchung gegeben hat. Die Thematik wird in der Li-
teratur seit einiger Zeit diskutiert. Ich nenne hier den
Beitrag von Hofmann in der „Neuen Zeitschrift für
Strafrecht“, 2005, ab Seite 121, mit dem Titel „Die On-
line-Durchsuchung – staatliches ‚Hacken’ oder zulässige
Ermittlungsmaßnahme?“
In der Rechtsprechung sind durchgreifende Zweifel
an der Zulässigkeit einer solchen Maßnahme erstmals
mit dem zitierten Beschluss des Ermittlungsrichters des
Bundesgerichtshofs, also einem Richterspruch, vom
25. November 2006 dokumentiert worden.
Kollege Wieland, Sie haben zu Ihren beiden Fragen
jeweils zwei Nachfragemöglichkeiten.
Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, da Sie es vermie-
den haben, eine eigene rechtliche Einschätzung abzuge-
ben, möchte ich nachfragen: Hat der Generalbundesan-
walt Ihnen mitgeteilt, dass er – es war das erste Mal in
der bundesrepublikanischen Rechtsgeschichte – einen
solchen Antrag gestellt hat, und haben Sie daraufhin
oder zu einem späteren Zeitpunkt in Ihrem Haus eine
Prüfung vorgenommen? Es handelt sich immerhin um
ein neues Instrument, das sehr stark bis in den privaten
Bereich eines PC-Nutzers hineinwirkt. Die Fragen, die
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nd sich damit demnächst auch der Landtag befassen
ird. Es steht mir nicht zu, dies in irgendeiner Form zu
ommentieren.
Zu ihrer ersten Teilfrage: Ich habe keine derartigen
rkenntnisse. Mir ist auch nicht mitgeteilt worden, in
elcher Form sich die „Dienste“, wie Sie sich auszudrü-
ken pflegen, damit befassen.
Verzeihung, wie lautete Ihre andere Teilfrage noch
inmal?
Darf ich, Frau Präsidentin?
Ja, aber ganz kurz.
Ganz kurz und präzise: Wenn ein Bundesland es
chon für nötig hält, ein Gesetz zu ändern, damit die
ienste in diesem Land solche Verfahren anwenden kön-
en, liegt es dann nicht sehr nahe, sich zu fragen, ob das
icht im Rahmen der Strafverfolgung erst recht gesetz-
ich geregelt sein müsste?
A
Ich will dies gerne beantworten. Wir sollten weiterhin
ehr darauf achten, dass die Länder in eigener Verant-
ortung das regeln, was sie zu regeln haben, und dass
ir das in eigener Verantwortung regeln, was wir zu re-
eln haben. Wenn es etwas zu regeln gibt, Herr Kollege
ieland, werden wir dies sicherlich auch tun.
Der Kollege Montag hat noch eine Nachfrage.
Danke, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Staats-
ekretär, lieber Kollege Hartenbach, wir sind auf dieses
hema aufmerksam geworden, weil in den Nachtrags-
aushalt des Bundesinnenministeriums plötzlich ein
7172 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
)
)
Jerzy Montag
Geldbetrag für die Entwicklung einer Hackersoftware
eingestellt worden ist. Für die verfassungsrechtliche Be-
wertung des Gesamtvorgangs spielt es doch eine große
Rolle, ob der Bundesinnenminister Geld für einen elek-
tronischen Schlüsseldienst oder Geld für ein elektroni-
sches Einbruchswerkzeug haben will.
Ich möchte von Ihnen auch gar keine eingehende Prü-
fung – diese haben Sie für den jetzigen Zeitpunkt bereits
abgelehnt –, sondern eine einfache und schlichte, aber
der Verfassung gemäße Einschätzung des Bundesjustiz-
ministeriums: Eine völlig neue Maßnahme, die eigentlich
dem Eindringen in Ihre Wohnung gleichkommt – wenn
es Sie beträfe –, von der Sie aber nichts wissen, kann
doch keine Hausdurchsuchung nach § 102 StPO – –
Kollege Montag, versuchen Sie einmal, Ihre Frage
mit einem Fragezeichen abzuschließen.
Das Fragezeichen kommt zum Schluss, Frau Präsi-
dentin.
Mit diesem Eindringen in Ihre Wohnung würde zwei-
tens Ihre Telekommunikation überwacht – soweit sie
über das Internet läuft – und drittens wäre Intimstes aus
Ihrer privaten Lebenssphäre, etwa Tagebuchaufzeich-
nungen, betroffen. Es handelt sich also um eine Mi-
schung der Sachverhalte in den § § 100 a, 100 c und
102 StPO. Halten Sie das nicht für einen Eingriff in die
Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, der eine ge-
setzliche Grundlage braucht?
A
Ich will darauf genauso ausführlich antworten, wie
Sie gefragt haben. Ihre Frage, die sich auf die Verfassung
bezog, beantworte ich zum Schluss.
Herr Kollege Montag, offensichtlich nehmen Sie – was
Ihr gutes Recht ist – Einzelentscheidungen, wie vor kur-
zem eine Entscheidung des Landgerichts Stuttgart zu der
Verwendung angeblich verfassungsfeindlicher Symbole,
immer wieder zum Anlass, ein angeblich verfassungs-
widriges Verhalten anzuprangern oder neue Gesetze an-
zumahnen. Uns liegt eine Entscheidung vor. Zu diesem
Thema ist die Meinung in der Literatur diffus, aber nicht
ablehnend. Es gibt darüber hinaus den Beschluss eines
Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof, der klipp und
klar sagt – ich darf zitieren, Frau Präsidentin, ohne dass
ich mich hier der Preisgabe von Dienstgeheimnissen
schuldig mache; der Beschluss ist ja bekannt –:
Die Durchsuchung des PC-Datenbestandes des Be-
schuldigten ohne sein Wissen ist durch die Befug-
nisnorm des § 102 StPO gedeckt.
Das sagt immerhin ein Ermittlungsrichter am Bundesge-
richtshof. Dies war bis vor drei Wochen Stand bei den
Urteilen der Richter und bei der Rechtsprechung.
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Herr Wieland, Sie berufen sich jetzt auf eine abwei-
hende Meinung eines Ermittlungsrichters am Bundes-
erichtshof,
ie bisher noch nicht rechtskräftig ist.
Natürlich gebe ich Ihnen Recht und sage: Jeder Ein-
riff in die Privatsphäre bedarf einer gesetzlichen
rundlage. Wir hatten – ich will noch einmal auf den
ollegen Wieland zurückkommen – bisher überhaupt
eine Veranlassung, von Dienst- oder Aufsichtsrechten
egenüber dem Generalbundesanwalt Gebrauch zu ma-
hen, weil wir eine klare Regelung für die Ermittlungs-
ichter am Bundesgerichtshof hatten. Lassen Sie uns
och abwarten, wie der Dritte Strafsenat, der sich sicher-
ich nicht allzu lange Zeit lassen wird, entscheidet. Wenn
er Dritte Strafsenat sagt, dass der erste Beschluss, den
ch gerade zitiert habe, korrekt ist und wir ihn weiterhin
ur Grundlage für die Verfahren bei den Ermittlungsrich-
ern am Bundesgerichtshof machen können, dann haben
ir kein Bedürfnis, diese Rechtsgrundlage zu ändern
Sie vielleicht schon –, und könnten uns weiterhin auf
ie einschlägige Norm in der Strafprozessordnung ver-
assen.
Sie können aber sicher sein, dass das Bundesministe-
ium der Justiz in Zusammenarbeit mit dem Bundes-
inisterium des Innern – weil ja dieser neue Beschluss
ie Frage der präventiven Maßnahmen angesprochen,
ie aber offen gelassen hat – sofort reagieren wird. Ge-
auso sicher können Sie sein, dass zumindest vonseiten
es Generalbundesanwalts ein solcher Antrag zunächst
icht mehr gestellt werden wird.
Die Kollegin Silke Stokar von Neuforn hat noch eine
achfrage.
Sicherlich liegt der Bundesregierung – auch wenn er
och nicht veröffentlicht worden ist – der neuere Be-
chluss des Bundesgerichtshofes vor. Ich will daraus
etzt nicht zitieren. Meine Frage an Sie ist: Stimmen Sie
it mir überein, dass es im Zusammenhang mit § 102
tPO – Durchsuchung – auch Schutzrechte für die Be-
roffenen gibt, dass aber alle Schutzrechte im Falle eines
eimlichen Eindringens in einen PC unwirksam wer-
en?^Ich gehe nicht davon aus, dass der virtuelle Polizist
ei mir am PC klingelt, mir einen richterlichen Be-
chluss per E-Mail übersendet, mir hinterher ein Proto-
oll der Durchsuchung aushändigt oder gar – welches
ein Schutzrecht bei einer Wohnungsdurchsuchung
äre – virtuelle Zeugen anwesend sind. Bei einem sol-
hen Ablauf könnte ich eine Analogie zur Durchsuchung
och nachvollziehen. Können Sie mir bitte erläutern,
elche Schutzrechte noch gegeben sind, wenn in den
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7173
)
)
Silke Stokar von Neuforn
Kernbereich meines Privatlebens auf dieser vermeintli-
chen Rechtsgrundlage heimlich eingegriffen wird?
A
Frau Kollegin, ich werde diese Frage gerne mit Ihnen
eingehend und öffentlich diskutieren, wenn die Entschei-
dung des dritten Strafsenats vorliegt. Ich glaube, Sie ha-
ben eben nicht zugehört. Ich habe gesagt: Ich werde
mich hier nicht hinstellen und irgendetwas kommentie-
ren. Ich werde auch nichts präjudizieren. Damit müssen
Sie sich jetzt zufrieden geben. Egal, ob ich Ihnen jetzt
sagen würde „Sie haben Recht“ oder „Sie haben nicht
Recht“, könnte man das als Vorwegnahme der Entschei-
dung des 3. Strafsenats des BGH auslegen.
Ich glaube, ich habe deutlich gemacht, dass ich diesen
„Onlinehackerangriff“ –, ich setze dies mal in Anfüh-
rungszeichen
– Herr Wieland, nun bleiben Sie doch gelassen –, auch,
wenn er gerichtlich genehmigt ist, als einen tief greifen-
den Eingriff ansehe, wie ich auch jede andere heimliche
Ermittlungsmaßnahme als einen tief greifenden Eingriff
ansehe: Dies gilt für die so genannte Wohnraumüberwa-
chung, welches der härteste Eingriff ist, genauso wie für
die ganz normale Hausdurchsuchung, bei der der Betrof-
fene anwesend sein kann, oder die Telefonüberwachung
und die Briefkontrolle. Für alles muss es eine gesetzliche
Grundlage geben.
Ich habe Ihnen eben den ersten Beschluss vom Februar
2006 zitiert. Darin ist die gesetzliche Grundlage nor-
miert. Nun warten wir doch ab, was der 3. Strafsenat
sagt! Ich sage es noch einmal: Wie auch immer dies aus-
geht, Sie werden uns auf dem Posten finden.
Eine weitere Frage können Sie nicht stellen, Frau
Stokar.
– Nein, nein. Frau Stokar hat bereits eine Zusatzfrage zu
der Frage des Kollegen Wieland gestellt.
Im Übrigen ist zunächst der Kollege Kauder mit einer
Zusatzfrage an der Reihe.
Bitte schön.
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Herr Staatssekretär, können wir uns darauf verständi-
en – Herr Kollege Montag, ich meine damit auch Sie –,
ass die strafprozessualen Vorschriften der §§ 102 und
03 der Strafprozessordnung aus dem Jahre 1879 stam-
en? Damals gab es noch keinen PC. Können wir uns
eiter darauf verständigen, dass das Analogieverbot des
rt. 103 des Grundgesetzes für strafprozessuale Maß-
ahmen genau nicht gilt? Deswegen hat der Bundesge-
ichtshof in der zitierten Entscheidung vom 21. Februar
006 – ich glaube, auch da können wir Einigkeit erzie-
en – die Vorschriften der § § 102 und 103 der Strafpro-
essordnung eben nicht unmittelbar, sondern nur analog
ngewendet. Damit haben wir eine Gesetzesgrundlage.
ie Frage ist nur, ob sie trägt und wie die abweichende
echtsprechung entschieden wird. Können wir uns da-
auf einigen, Kollege Montag, dass wir abwarten, bis die
ntscheidung des Bundesgerichtshofs auf die Beschwerde
in vorliegt? Dann wissen wir mehr.
A
Ich könnte natürlich alle Fragen einfach mit Ja beant-
orten. Selbstverständlich ist es so – und darauf bezie-
en sich die Kollegen Wieland, Montag und Stokar von
euforn –, dass der BGH in dem letzten Beschluss sagt:
ir wollen die Vorschriften auch nicht analog anwen-
en. Was Sie sagen, ist genau richtig: Wir warten die Be-
chwerdeentscheidung des 3. Strafsenats des BGH ab.
ann werden wir weitersehen.
Da ich ein großzügiger Mensch bin, habe ich vorhin
chon mindestens drei Fragen der Kollegin Stokar von
euforn zugelassen; dennoch ist es formal richtig, dass
ie zur zweiten Frage des Kollegen Wieland eine weitere
achfrage stellen darf. Ich bitte aber darum, dass Sie tat-
ächlich eine Frage stellen.
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen. – Ich akzeptiere es
atürlich nicht, dass die Bundesregierung zu einer bun-
esweit öffentlich diskutierten Rechtsfrage nicht Posi-
ion bezieht. Mir liegt der Beschluss des Bundesgerichts-
ofs vom November vor. Teilen Sie die Auffassung, dass
as heimliche Eindringen in einen privaten PC das glei-
he Gewicht und die gleiche Schwere hat wie der große
auschangriff? Teilen Sie auch meine Auffassung, dass
as Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum großen
auschangriff in diesem Zusammenhang Gültigkeit hat
nd daher zur Anwendung kommen müsste?
7174 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
)
)
A
Verehrte Frau Kollegin, ich habe, so glaube ich, mehr-
fach deutlich gemacht, dass ich dies als heimliche Er-
mittlungsmaßnahme ansehe. Wir können bisher davon
ausgehen, dass sie durch die analoge Anwendung der
§§ 102 und 103 StPO gedeckt ist. Jede heimliche Ermitt-
lungsmaßnahme, egal welcher Art, ist ein tief greifender
Eingriff in die persönlichen Rechte eines Betroffenen
und bedarf einer gesetzlichen Regelung.
Zu der zweiten Frage werde ich mich weiterhin nicht
äußern, weil ich dadurch möglicherweise ein Präjudiz
schaffen würde. Diese Frage ist nämlich Grundlage für
die Entscheidung des Senats.
Zur Geschäftsordnung hat der Kollege Volker Beck
das Wort.
Namens der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen
beantrage ich zu diesem Themenkomplex nach § 106
unserer Geschäftsordnung in Verbindung mit Anlage 5,
Nrn. 1 b, und 2 a, eine Aktuelle Stunde zu diesem
Thema.
Wir meinen, dass das Thema „Lizenz zum Hacken“
hier geklärt werden muss. Die Fragestunde hat deutlich
gemacht, dass die Bundesregierung nicht verstanden hat,
dass das Grundrechtsschutzkonzept, das wir in der Off-
linewelt haben, auf die Onlinewelt übertragen werden
muss. Die Bundesregierung wartet ab und stellt gleich-
zeitig Gelder bereit, um den Einbruch in Computer zu
ermöglichen. Das passt nicht zusammen. Darüber muss
im Hohen Hause ausgiebig diskutiert werden.
Zuallererst danke ich dem Herrn Staatssekretär für
seine Bemühungen bei der Beantwortung der Fragen.
Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat zu
den dringlichen Fragen des Abgeordneten Wolfgang
Wieland eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht
Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Das
heißt, die Aussprache findet im Anschluss an die Frage-
stunde statt.
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung werden gemäß Nr. 15 der Richtlinien
für die Fragestunde die schriftlichen Fragen des Abge-
ordneten Dr. Norman Paech auf Drucksache 16/3782
aufgerufen:
Ist das Kommando Spezialkräfte, KSK, der Bundeswehr
derzeit im Rahmen des Mandats für die Operation „Enduring
Freedom“ in Afghanistan im Einsatz?
Ist das Kommando Spezialkräfte, KSK, der Bundeswehr
derzeit im Rahmen des Mandats für die Internationale Sicher-
heitsunterstützungstruppe, ISAF, in Afghanistan im Einsatz?
Da die Fragen inzwischen schriftlich beantwortet
sind, kann der Fragesteller gemäß Nr. 15 Abs. 3 unserer
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Herr Kollege Paech, das Thema bleibt dasselbe. Ich
habe Ihnen die Antwort schon zweimal gegeben.
Ich gebe sie Ihnen auch gerne ein drittes und viertes Mal.
Das verlängert allerdings die Beantwortung und wir sind
doch für effizientes Arbeiten.
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Sie haben die Möglichkeit, eine vierte Nachfrage zur
ristüberschreitung zu stellen.
Ja, und dann werde ich Sie erlösen. – Ich weiß, dass
m Bundesverteidigungsministerium gewisse Probleme
ufgetaucht sind, weil der Bundesverteidigungsminister
ffensichtlich ein Tabu gebrochen hat, indem er, anders
ls bisher, über den Einsatz von KSK-Kräften gespro-
hen hat. Das ist sein Problem, nicht unseres. Ich frage
ie: Könnte es sein, dass Sie vielleicht deshalb so lange
ür Ihre Antwort gebraucht haben, weil Sie darüber
achgedacht haben, Ihre Informationspolitik insgesamt
u öffnen und uns einfache Abgeordnete in Zukunft bes-
er als bisher zu informieren?
C
Herr Kollege, es bleibt bei dem, was ich bereits ein-
angs gesagt habe. Diese Aussage unterstreiche ich. Al-
erdings ist mir daran gelegen – das geht eigentlich über
ie Grenze Ihrer Frage hinaus –, Sie darauf hinzuweisen,
ass die Praxis, über Einsätze, auch über solche des
ommandos Spezialkräfte, zu unterrichten, bereits in
7176 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
)
)
Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
der Vergangenheit gepflegt worden ist. Herr Kollege, das
sage ich Ihnen als jemand, der zum damaligen Zeitpunkt
ein Informationsbedürfnis gegenüber der vorherigen
Bundesregierung angemeldet hat. Dieses Informations-
bedürfnis ist auch damals befriedigt worden. Ich bin
froh, dass wir uns jetzt auf Wege verständigt haben,
durch die das noch mehr präzisiert wird.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Jetzt rufe ich die Fragen auf Drucksache 16/3773 in
der üblichen Reihenfolge auf.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwor-
tung steht der Parlamentarische Staatssekretär Andreas
Storm zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Cornelia Hirsch auf:
Welche Schritte hat die Bundesregierung bisher zur Opti-
mierung der Bildungsberatung unternommen, die im Koali-
tionsvertrag von CDU, CSU und SPD vereinbart wurde, und
wie sehen ihre weiteren Planungen in dieser Frage aus?
A
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Frage der Abge-
ordneten Hirsch nach der Optimierung der Bildungsbe-
ratung beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung
unterstützt insbesondere die Zielsetzung, durch eine Ver-
netzung der am Beratungsgeschehen Beteiligten zu einer
Weiterentwicklung der Beratung in Bildung, Beruf und
Beschäftigung beizutragen. So wurde am 27. Septem-
ber 2006 das „Nationale Forum Beratung für Bildung,
Beruf und Beschäftigung“ gegründet. Dieses Forum hat
sich zum Ziel gesetzt, die Beratungsangebote für die
Bürger transparenter und besser zugänglich zu machen
und die Qualität der Beratungsangebote zu steigern so-
wie eine fachgerechte Ausbildung von Beratungsfach-
kräften und die Forschung in diesen Bereichen zu för-
dern.
Das BMBF hat in diesem Zusammenhang ein Projekt
zur Bestandsaufnahme der Bildungs-, Berufs- und Be-
schäftigungsberatungsangebote sowie zur Entwicklung
grundlegender Standards hierfür vergeben. Es soll einen
Überblick über die vielfältigen Akteure und Beratungs-
angebote in Deutschland geben und es soll ein Bera-
tungsatlas, der dies zusammenfasst, erstellt werden. Zu
einer verbesserten Beratung tragen auch die Agenturen
für Arbeit bei. Die Bundesagentur für Arbeit hat ein „In-
formationssystem Bildung und Beruf“ eingerichtet, das
aktuelle und detaillierte Berufs- und Bildungsinforma-
tionen zur Verfügung stellt.
Ihre erste Nachfrage, Kollegin Hirsch.
Meine erste Nachfrage wäre: Welchen Anteil hatte die
Bundesregierung konkret an der Gründung des von Ih-
nen erwähnten Forums, wie hat sie sich da eingebracht?
Könnten Sie in diesem Zusammenhang aus Ihrer Sicht
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Bitte, Herr Staatssekretär.
A
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich beantworte die
zweite Frage der Kollegin Hirsch zum Hochschulpakt
wie folgt: Die Einigung zwischen den Wissenschaftsmi-
nistern von Bund und Ländern über die Eckpunkte der
Ausgestaltung des Hochschulpaktes enthält im Hinblick
auf die erste Säule – die Kapazitätsfrage – eine Ver-
pflichtung der Länder, bis zum Jahr 2010 90 000 zusätz-
liche Studienanfänger aufzunehmen und hierfür die Ge-
samtfinanzierung sicherzustellen. Ziel der ersten Säule
des Hochschulpaktes ist es, einer steigenden Zahl von
Studienberechtigten ein qualitativ hochwertiges Hoch-
schulstudium zu ermöglichen. Die Bundesregierung hat
keinerlei Anlass, anzunehmen, dass die Länder ihren
Beitrag zur Erreichung dieses Zieles nicht leisten wür-
den.
Die Bundesmittel sind unmittelbar an die tatsächlich
aufgenommenen zusätzlichen Studienanfänger gekoppelt
und werden spitz abgerechnet. Damit ist eine strenge und
enge Erfolgskontrolle gewährleistet.
Ihre erste Nachfrage.
Wir haben heute Morgen im Bildungsausschuss über
dieses Thema diskutiert. Zu diesem Zeitpunkt wussten
wir noch nicht, dass es eine Einigung geben würde – sie
ist inzwischen erfolgt – und die Länder einstimmig das
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Wir kommen zur Frage 10 der Kollegin Cornelia
ehm:
Inwieweit ist eine Verlängerung der Gültigkeit des Plan-
feststellungsbeschlusses für den Ausbau der Kleinmachnower
Schleuse – Brandenburg – vor dem Hintergrund der Anbin-
dung Berlins an das geplante europäische Wasserstraßennetz
über das Jahr 2007 hinaus vorgesehen und wie bewertet die
Bundesregierung die Gültigkeit des Planfeststellungsbe-
schlusses vor dem Hintergrund der für 2007 angekündigten
Bauarbeiten?
K
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Behm, aus Sicher-
eitsgründen muss im Jahr 2007 im Vorhafenbereich der
chleuse Kleinmachnow eine beschädigte Uferwand er-
etzt werden. Um für den mittelfristig vorgesehenen Er-
atz der Schleuse Kleinmachnow zusätzlichen Aufwand
u vermeiden, erfolgt die unaufschiebbare Ersatzmaß-
ahme entsprechend der Planfeststellung; das macht ja
inn. Mit Beginn der Durchführung des Plans entfällt
in Außer-Kraft-Treten des Planfeststellungsbeschlus-
es. Für eine zukunftsorientierte Anbindung Berlins und
randenburgs über den Hafen Königs Wusterhausen an
ie europäischen Wasserstraßennetze spielt die Schleuse
leinmachnow eine wichtige Rolle.
Frau Kollegin, bitte sehr.
Ich habe zwei Nachfragen. Sie beziehen sich darauf,
ass Anfang des Monats Dezember eine ganze Reihe
ressemitteilungen, die einander widersprachen und die
ich vielleicht nicht immer auf gut unterrichtete Quellen
estützt haben, zu lesen waren. Auf der einen Seite war
u lesen, dass der Ausbau der Schleuse und des Kanals
ür Europaschiffe nicht mehr vorgesehen ist. Auf der an-
eren Seite war zu lesen, dass – was Sie eben auch mit
hrer Antwort bestätigt haben – im Frühjahr 2007 der
usbau der Schleuse, quasi orientiert am Planfeststel-
ungsbeschluss, auf 190 Meter beginnt. Es ist aber auch
avon die Rede, und zwar in demselben Zeitungsbericht,
ass möglicherweise nicht ein Ausbau der Nordkammer
er Schleuse erfolgt, sondern erst ihr Zustand geprüft
erden muss, um entscheiden zu können, ob an dieser
telle nicht ein Neubau zu errichten ist.
Wegen dieser vielen einander widersprechenden Mel-
ungen frage ich Sie: Ist von dem Planfeststellungsbe-
chluss, wie wir ihn jetzt haben, sowohl der Ausbau der
lten Schleuse als auch ein Neubau gedeckt bzw. ist es
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7183
)
)
Cornelia Behm
zwangsweise erforderlich, die Schleuse, wie im Planfest-
stellungsbeschluss vorgesehen, auf 190 Meter aus-
zubauen, oder könnte sie auch auf eine kürzere Länge
ausgebaut werden, und wenn nicht, welche planungs-
rechtlichen Voraussetzungen würde ein Ausbau der
Schleuse auf eine kürzere Länge erfordern?
K
Kollegin Behm, es ist sicher nicht ganz einfach, vor
Ort die verschiedenen Interpretationen zu erklären; das
verstehe ich gut. Aber es geht darum, dass der Ausbau
der Schleuse auf 190 Meter planfestgestellt ist, und da-
bei bleibt es auch. – Das ist das Erste.
Zweitens habe ich Ihnen gerade erklärt, dass es bei
den Arbeiten 2007 um eine beschädigte Uferwand geht;
es geht also nicht um den Ausbau der Schleuse. Aber
entscheidend ist, dass – das ist vielleicht das Wichtige
für Sie – das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen
ist und der Planfeststellungsbeschluss weiterhin besteht;
der Ausbau erfolgt aber im Moment nicht.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Meine Frage ist nicht beantwortet worden. Ich habe
gefragt, ob der Planfeststellungsbeschluss sowohl einen
Ausbau der Schleuse wie vorgesehen als möglicherweise
auch einen Neubau deckt, wenn nämlich die Schleuse in
einem so schlechten Zustand ist, dass sie nicht mehr aus-
gebaut werden kann. Außerdem habe ich gefragt, ob von
dem Beschluss auch gedeckt wäre, die Schleuse auf eine
kürzere Länge auszubauen.
Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.
K
Erstens ist in dem Planfeststellungsbeschluss ein Aus-
bau der Schleuse auf 190 Meter vorgesehen. Zweitens
beabsichtigen wir nicht, eine kürzere Schleuse zu bauen,
als im Planfeststellungsbeschluss vorgesehen ist, weil
wir möchten, dass vor dem Hintergrund der Anbindung
an das europäische Wasserstraßennetz gerade die
Schleuse Kleinmachnow so ausgebaut wird, dass, wie es
absehbar ist, große europäische Schiffe in die Schleuse
einfahren können.
Wir sind also nicht diejenigen, die meinen, dass wir
eine Länge von unter 190 Meter brauchen. Es bleibt bei
dem Planfeststellungsbeschluss, der eine Länge von
190 Meter vorsieht. Wir haben kein Interesse an einer
Verkürzung.
Frau Staatssekretärin, ich danke Ihnen für die Beant-
wortung.
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Herr Kollege Seifert, am 31. Dezember 2005 waren
ach der Statistik „Rentenbestand der Deutschen Ren-
enversicherung Bund“ rund 567 000 Renten von insge-
amt 1 650 000 Renten wegen verminderter Erwerbsfä-
igkeit mit Abschlägen belegt.
Ihre Nachfrage bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie so verstehen, dass Sie
iese Abschläge in jedem Fall als sachgerecht empfin-
en, obwohl das Bundessozialgericht zumindest in ei-
em Fall festgestellt hat, dass dem nicht so sei?
F
Wir halten das für sachgerecht. In einem Fall hat ein
enat des Bundessozialgerichtes eine andere Auffassung
eäußert. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die
m Zuge der Reform der Erwerbsminderungsrenten im
ahre 2001 in den Gesetzentwurf aufgenommene Be-
ründung. Sie lautet wie folgt:
… wird die Höhe der Erwerbsminderungsrenten an
die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen
Altersrenten in der Weise angeglichen, dass diese
Renten mit einem Abschlag von höchstens
10,8 Prozent versehen werden. Die Auswirkungen
einer solchen Regelung werden dadurch abgemil-
dert, dass die Zeit zwischen dem vollendeten
55. und 60. Lebensjahr statt wie im geltenden Recht
zu einem Drittel künftig voll als Zurechnungszeit
angerechnet wird. Der Versicherte wird damit so
gestellt, als ob er entsprechend der Bewertung sei-
ner Zurechnungszeit bis zum 60. Lebensjahr weiter
gearbeitet hätte. Bei Inanspruchnahme einer Alters-
rente zu diesem Zeitpunkt müsste er einen Abschlag
von 18 Prozent hinnehmen. Bei Inanspruchnahme
einer Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich
jedoch bei einem Eckrentner eine gegenüber dem
um maximal 10,8 Prozent (Rentenfall bei dem Le-
bensalter 60 Jahre) niedrigere Rente.
Ich will damit sagen: Durch die Besserstellung bei der
urechnungszeit zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr
7184 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
)
)
Parl. Staatssekretär Franz Thönnes
ist ein Abschlag unter Bezugnahme auf das Referenzal-
ter 63 Jahre in Höhe von 10,8 Prozent durchaus gerecht-
fertigt. Der Wille des Gesetzgebers zum damaligen Zeit-
punkt ist damit deutlich zum Ausdruck gekommen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, wenn ich
mich recht erinnere – Sie waren bei den Gesprächen ge-
nauso wie ich dabei –, spielte diese Frage in der Debatte
um die Rentenanpassung seinerzeit keine Rolle. Denn
alle gingen davon aus, dass die Erwerbsminderungsrent-
ner besser gestellt werden als die anderen Rentner. Sie
haben es ja gerade vorgelesen. Die Besserstellung stellt
sich aber jetzt nur in der Form dar – daran ändert auch
Ihre verklausulierte Aussage nichts –, dass die Ab-
schläge für die Erwerbsminderungsrentner geringer aus-
fallen.
Nun hat aber ein Senat des Bundessozialgerichts fest-
gestellt – das muss man respektieren –, dass diese Ab-
schläge zumindest in einem Fall nicht gerechtfertigt wa-
ren. Fast immer ist es so: Wenn ein höchstrichterlicher
Beschluss zu einem Einzelfall gefasst wird, wird festge-
stellt, dass er allgemeinverbindlich ist. Sie aber stellen
sich auf einen anderen Standpunkt. Das ist ein Wider-
spruch, der viele Menschen verunsichert und der viele
Menschen vielleicht um ihr Geld bringt.
F
Herr Kollege Seifert, man muss von dem Willen des
Gesetzgebers ausgehen. Das Gericht hat darauf keinen
Bezug genommen. Es handelt sich um eine Einzelfall-
entscheidung.
Deswegen gibt es keine Notwendigkeit, gleich wieder
eine Gesetzesänderung herbeizuführen oder sich anders
zu verhalten. Es kann durchaus sein, dass andere Ge-
richte in weiteren Fällen anders entscheiden.
Nun rufe ich die Frage 12 des Kollegen Dr. Seifert
auf:
Bei wie vielen Einzelfällen könnten nach Auffassung der
Bundesregierung die Sozialgerichte zu ähnlichen Urteilen
kommen wie der 4. Senat des Bundessozialgerichtes mit sei-
nem Urteil zum Revisionsverfahren ?
F
Herr Kollege Dr. Seifert, das kann man nicht bezif-
fern; denn es hängt vom Verhalten der Empfänger von
Erwerbsminderungsrenten ab, also davon, ob sie klagen.
Wenn Sie von daher die Frage nach der Bezifferung der
Einzelfälle stellen, kann ich Ihnen diese nicht beantwor-
ten.
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Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beant-
wortung der Fragen und rufe den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Justiz auf. Zur Beantwortung
der Fragen steht Herr Staatssekretär Alfred Hartenbach
zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Dr. Anton
Hofreiter auf:
Wie sind vor dem Hintergrund, dass im Bericht der Bun-
desregierung an den Deutschen Bundestag „Qualitätsoffen-
sive im öffentlichen Personenverkehr – Verbraucherschutz
und Kundenrechte stärken“ die Lücken im Verbraucherschutz
klar und deutlich herausgearbeitet und Lösungsvorschläge un-
terbreitet worden sind, Medienberichte zu verstehen, dass der-
zeit die auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD
enthaltenen Pläne für verbesserte Kundenrechte im Bahnver-
kehr und im allgemeinen öffentlichen Personenverkehr auf
Eis liegen, und welche Umstände sind nach Auffassung der
Bundesregierung für das offensichtliche Stocken des Verfah-
rens zur Verbesserung der Kundenrechte maßgebend?
A
Herr Kollege Hofreiter, die Medienberichte sind nicht
zutreffend. Das Bundesministerium der Justiz hat zu
dem Thema „Fahrgastrechte im öffentlichen Personen-
verkehr“ eine Bund/Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt,
die ihre Arbeiten abgeschlossen hat und in allernächster
Zeit einen Abschlussbericht vorlegen wird. Auf der
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Ja. – Wie schaut es mit dem Zeithorizont aus?
A
Der Abschlussbericht wird demnächst, möglicher-
eise noch in diesem Monat, den Teilnehmern der
und-Länder-Arbeitsgruppe zur Abstimmung vorgelegt
nd sodann den Justizministerinnen und Justizministern
ugeleitet. Auf der Grundlage des Berichts soll anschlie-
end der Gesetzentwurf erstellt werden. Parallel hierzu
erden unter deutscher Ratspräsidentschaft im ersten
albjahr 2007 die Verhandlungen über eine EU-Verord-
ung über Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenz-
berschreitenden Eisenbahnverkehr fortgeführt, deren
rgebnisse bei einem nationalen Gesetzgebungsverfah-
en zu berücksichtigen sind. Ziel ist es, unter deutscher
räsidentschaft eine Einigung mit dem Europäischen
arlament herbeizuführen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja. – Die Verhandlungen über das dritte Eisenbahnpa-
et sind mir bekannt. Deshalb die konkrete Nachfrage:
önnen wir im ersten oder zweiten Halbjahr 2007 mit
inem Gesetzentwurf rechnen?
A
Herr Kollege Hofreiter, da das nicht allein von uns,
ondern auch von anderen abhängt – Sie wissen, wie ein
ationales Gesetzgebungsverfahren abläuft; wir werden
nseren Entwurf dem Bundesrat vorlegen und auch an-
ere Verbände beteiligen müssen –, kann ich Ihnen auf
hre Frage nicht konkret antworten. Ich kann Ihnen aller-
ings sagen, dass wir bemüht sind, möglichst beides
arallel zu einem guten Ende zu bringen.
Nun rufe ich die Frage 15 des Kollegen Dr. Anton
ofreiter auf:
Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass in ein
und denselben Zügen, die sowohl dem nationalen wie auch
dem internationalen Personenverkehr dienen, hinsichtlich der
Kundenrechte nicht unterschiedliche Rechtsansprüche auf-
grund divergierender Rechtsetzungsakte auf europäischer und
deutscher Ebene geltend gemacht werden können, und welche
Position vertritt die Bundesregierung im Hinblick auf den Er-
lass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des
Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenz-
überschreitenden Eisenbahnverkehr?
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7187
)
)
A
Herr Kollege Hofreiter, auf Ihre Frage antwortet die
Bundesregierung wie folgt: Zur Vermeidung von Wer-
tungswidersprüchen soll sich ein Gesetzentwurf über die
Haftung für Verspätungen und Ausfälle von öffentlichen
Verkehrsmitteln für den nationalen Personenverkehr in-
haltlich an dem Vorschlag einer EU-Verordnung über
Rechte und Pflichten im grenzüberschreitenden Eisen-
bahnverkehr orientieren. Der Rat hat am 24. Juli 2006
einen gemeinsamen Standpunkt zu diesem EU-Verord-
nungsvorschlag beschlossen. Die Bundesregierung hat
dem gemeinsamen Standpunkt des Rates zugestimmt
und setzt sich für eine zügige Verabschiedung des Ver-
ordnungsvorschlags auf der Grundlage des gemeinsa-
men Standpunktes ein.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege?
Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie sich um ein
nationales Gesetz bemühen, das dem EU-Recht ange-
passt ist, sodass es nicht dazu kommt – um bei einem
konkreten Beispiel zu bleiben –, dass jemand, der von
Berlin nach Karlsruhe fährt, andere Rechte hat als je-
mand, der von Berlin nach Frankreich fährt?
A
Wir können als Beispiel einen Intercity Express neh-
men, der fahrplanmäßig von Berlin nach Basel fährt. Das
von Ihnen erwähnte Karlsruhe liegt auf der Strecke.
Es ist unser Bemühen, dass es nicht zu einer unterschied-
lichen Behandlung der Passagiere kommt.
– Ich bedanke mich für diese Frage, Herr Hofreiter.
Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Die Frage 16 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch sowie
die Fragen 17 und 18 der Kollegin Grietje Bettin werden
schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
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ir werden in Zukunft nicht mehr nur vom großen
auschangriff, sondern auch vom staatlichen Hacken re-
en, auch wenn Sie wieder, wie beim großen Lauschan-
riff, semantische Bemühungen aufbringen. Damals ha-
en Sie versucht, den großen Lauschangriff hinter
egriffen wie akustische Wohnraumüberwachung ver-
chwinden zu lassen.
Dieser Eingriff erfolgte heimlich. Das Bundesminis-
erium der Justiz ist heute noch nicht in der Lage, klare
7188 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
)
)
Wolfgang Wieland
Aussagen zu machen, sondern lässt nur Bedenken durch-
scheinen.
– Für den Staatssekretär mag das eine bedeutsame Äuße-
rung gewesen sein. Lieber Kollege Benneter, wenn erst-
mals in der Geschichte der Bundesrepublik diese Maß-
nahme von staatlichen Organen ergriffen wird, erwarte
ich, dass das BMJ vorher informiert sowie nach seiner
Meinung gefragt wird
und dass es eine Meinung hat, die es äußern kann. Das
fehlt bis heute.
Dann sagt Kollege Kauder: Nun regt euch doch nicht
auf, die Strafprozessordnung ist von 1877 und da gab es
noch keine Hacker. So weit hat er Recht.
– Der Herr Staatssekretär hat es – die Amtssprache ist
Deutsch – eingedeutscht.
Sie dürfen die englische Aussprache des Begriffs Hacker
verwenden, aber ich bleibe bei der deutschen. Hacker
gab es 1877 wirklich noch nicht.
Es gab jedoch strenge Formvorschriften für Durchsu-
chungen. Nichts ist so öffentlich in unserer Rechtsord-
nung wie die Durchsuchung.
Nachbarn oder Hausgenossen sind hinzuzuziehen; so
lautet es in der StPO.
Der Wohnungsinhaber oder der Inhaber der Sache ist so-
fort zu benachrichtigen. Die Polizeibeamten dürfen Un-
terlagen nicht einmal einsehen. Sie haben sie in einen
versiegelten Umschlag zu legen und den Staatsanwälten
zu übergeben. Das heißt, nichts ist zu Recht von der
Form her so streng geregelt wie eine Durchsuchung.
Sie gehen nun hin und pusten das alles weg. Sie sa-
gen: In Analogie machen wir das alles jetzt heimlich. Sie
schaffen damit alle Verfahrenssicherungen ab und wol-
len uns erklären, dass dies immer noch eine zulässige
Analogie sei. Das kann doch nicht wahr sein.
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Dies ist eine dreifach verfassungswidrige Packung. Es
ibt eine Telekommunikationsüberwachung, ohne dass
ie gesetzlichen Grundlagen dafür vorliegen. Es gibt
ine Durchsuchung, ohne dass die gesetzlichen Grundla-
en dafür vorliegen. Es kann sogar noch als Drittes,
enn eine so genannte Webcam
das ist eine Kamera, die den Raum aufnimmt – und ein
ikrofon aktiviert werden, ein großer Lauschangriff
ein. Das ist eine dreifach verfassungswidrige Packung,
ie uns als Normalzustand verkauft wird. Das kann ja
ohl nicht wahr sein.
Es geht um den Schutz im Bereich der privaten Le-
ensgestaltung. Es geht um die Unverletzlichkeit der
ohnung. Es geht auch um den Schutz dessen, was man
nsonsten immer deutlich unter staatlichen Schutz stellt,
um Beispiel ein Tagebuch, also Privates.
Herr Kollege, ich muss Sie an Ihre Redezeit erinnern.
Abschließend: Wir sind von dieser Regierung einiges
haos gewohnt. Aber es ist doch etwas anderes, wenn
nsere Strafverfolgungsorgane nun so handeln wie der
haos Computer Club. Das wollen wir nicht. Es gibt
chärfsten Protest von unserer Seite.
Das Wort hat nun die Kollegin Daniela Raab für die
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ch freue mich wirklich sehr für die Fraktion der Grünen,
ass Sie nach monatelangem Suchen nun endlich wieder
in Thema gefunden haben, und zwar eines Ihrer Lieb-
ingsthemen: Abhör- und Überwachungsmaßnahmen.
etzt sind Sie mit einer Verve auf die Überwachungs-
alme gestiegen und ich hoffe, dass Sie nicht herunter-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7189
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Daniela Raab
fallen, sondern sie ordnungsgemäß wieder verlassen
können.
Worum geht es eigentlich? Es geht um Onlineuntersu-
chungen – vornehmlich durch das Bundeskriminalamt –
auf Computern von Verdächtigen. Sprich: Der Rechner
einer Zielperson wird mittels eines verdeckt installierten
Programms auf verfahrensrelevante Daten durchsucht.
So weit, so gut.
Nun hat es bislang noch keine – der Herr Staatssekretär
hat es vorhin, wie ich finde, glasklar ausgeführt – derar-
tigen Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt ge-
geben. Aha!
Es gibt einen Beschluss eines BGH-Ermittlungsrich-
ters vom Februar dieses Jahres, nach dem solche Maß-
nahmen zulässig sind. In der Zwischenzeit gab es noch
zwei Beschlüsse des Amtsgerichts Bonn. Jetzt gibt es ei-
nen gegenteiligen Beschluss des BGH, gegen den die
Generalbundesanwaltschaft Beschwerde eingelegt hat.
Über diese Beschwerde ist bis heute nicht entschieden.
Aha! Dann haben sich die Grünen auf ihrer Überwa-
chungspalme überlegt:
Es wäre doch prima, sozusagen im vorauseilenden Ge-
horsam über dieses Thema im Plenum zu debattieren.
Wen interessiert schon Gewaltenteilung?
Halten wir einmal fest, was Fakt ist: Die Entwicklung
dieser so genannten Onlineuntersuchungen
– Herr Ströbele, beruhigen Sie sich und hören Sie mir
zu; dann können Sie noch etwas lernen –
befindet sich noch in den Kinderschuhen. Die techni-
schen Voraussetzungen dafür sind noch lange nicht ge-
geben. Auch wenn Sie hier Chaos verbreiten wollen,
muss ich Ihnen sagen: Es ist beileibe keine generelle und
wahllose Nutzung dieser Maßnahmen geplant, sondern
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at in seiner Pressemitteilung vom 19. Oktober dieses
ahres mitgeteilt:
„Wer die Überprüfung von Daten auf Rechnern po-
tenzieller Terroristen für einen Einbruch in den
grundgesetzlich geschützten Wohnraum hält, hat
das Wesen des Internets nicht verstanden.“ …
Der Nutzer befinde sich weltweit online
das Wort „weltweit“ ist in der Abkürzung www übri-
ens enthalten; so viel zum Thema Englischkenntnisse –
und verlasse damit bewusst und zielgerichtet die
geschützte häusliche Sphäre. „Der Standort des
Computers ist dabei völlig unerheblich. Es findet
zudem keinerlei Überwachung der Vorgänge in der
Wohnung selbst statt,“ …
So viel zum Gerücht in Bezug auf die Nutzung einer
ebcam. – So weit die Ausführungen Ihres Kollegen
us NRW.
Fest steht außerdem, dass wir unsere Polizei in die
age versetzen müssen, im Hinblick auf die bestehenden
echnischen Möglichkeiten, die immer weiter fortschrei-
en, mithalten zu können. Dabei geht es um den Grund-
echtsschutz. Wir haben diese Diskussionen schon oft
eführt. Ich denke, ich muss nicht extra betonen, dass
ir uns in diesem Punkt sehr einig sind.
Dass der Grundrechtsschutz und natürlich auch die
echtmäßigkeit der Maßnahmen eine immens große
olle spielen müssen, ist völlig klar. Dass bei der Durch-
ührung solcher Maßnahmen vonseiten der Justiz und
onseiten der Polizei auch bisher ausgesprochen sensibel
mgegangen wurde und dass sie immer das letzte Mittel
aren, das nur dann zum Einsatz kam, wenn man bei
7190 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
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Daniela Raab
den Ermittlungen nicht mehr vorankam, ist nichts Neues,
ist hinlänglich bekannt und wird von uns befürwortet.
Für mich und für meine gesamte Fraktion kann ich fest-
stellen: Wir haben vollstes Vertrauen
in unsere Polizei und im Übrigen auch in unsere Justiz.
Terrorbekämpfung – darum handelt es sich hier –
muss effektiv sein. Sie funktioniert nur dann, wenn wir
die Polizei in technischer Hinsicht auf Augenhöhe mit
den Terrorverdächtigen ermitteln lassen. Alles andere
wäre zwecklos. Deswegen müssen wir uns gut überle-
gen, wie wir reagieren. Jetzt sollten wir uns erst einmal
beruhigen.
Der eine oder andere sollte von seiner Überwachungs-
palme herabsteigen. Wir sollten die Entscheidung über
die Beschwerde, die nach wie vor beim BGH anhängig
und noch nicht terminiert ist, abwarten. Dann können
wir uns gerne wieder über dieses Thema unterhalten.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Jörg van Essen für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich muss gestehen, dass ich ein bisschen Probleme damit
habe, zu diesem Thema zu reden, weil ich als Angehöri-
ger der Justiz
sehr darauf achte, dass sich der Bundestag nicht in einen
schwebenden Rechtsstreit einmischt.
Um einen solchen schwebenden Rechtsstreit handelt es
sich allerdings, und zwar zwischen der Generalbundes-
anwältin und dem Ermittlungsrichter am Bundesge-
richtshof.
– Herr Wiefelspütz, das brauchen Sie mich gar nicht zu
fragen.
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as Auftreten, das Sie gerade wieder präsentieren,
enne ich aus unserem Wahlkreis: Immer dann, wenn
ie besonders schlechte Argumente haben, sind Sie be-
onders laut.
s ist schön, dass Sie dieses Verhalten auch im Bundes-
ag vorführen. Aber es wird dadurch nicht besser. Es
ird auch nicht dadurch besser, wenn man Sie immer so
m Wahlkreis erlebt.
Da dieses Thema heute auf der Tagesordnung steht,
ollte dazu auch etwas gesagt werden, insbesondere des-
alb, weil es zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen Über-
egungen gibt, die in die gleiche Richtung gehen. Das
aben Sie, Frau Kollegin Raab, zu Recht gesagt. Aber es
esteht ein großer Unterschied zu dem, worüber wir
eute diskutieren.
Genau so ist es. Dort wird für eine einwandfreie ge-
etzliche Grundlage gesorgt.
arüber können wir, wie ich meine, sehr wohl diskutie-
en. Denn es ist die ureigene Aufgabe des Parlaments,
ich dann, wenn sich bestimmte Fragen stellen, Gedan-
en darüber zu machen, wie die gesetzliche Grundlage
ussehen sollte.
azu muss auch die heutige Debatte dienen.
Ich will die Position der FDP zu diesem Thema klar
nd deutlich formulieren. Da ich selber in einer Staats-
chutzabteilung in der Strafverfolgung tätig war, weiß
ch – das will ich ganz deutlich sagen –, dass es solche
allgestaltungen geben kann.
Aber dann ist es für mich vollkommen klar in einem
echtsstaat, dass wir dafür eine einwandfreie rechtliche
rundlage brauchen,
nd zwar eine einwandfreie rechtliche Grundlage, die
uch zu einer vernünftigen Abwägung der Interessen
ührt, wo beispielsweise der Verdacht abgewägt wird ge-
en den Eingriff, der im Einzelfall erfolgt. Ich finde das,
as der Ermittlungsrichter in dem Streit, den ich am An-
ang angesprochen habe, an Überlegungen angeführt hat,
ehr nachdenkenswert.
Frau Kollegin Raab, es ist nämlich nach meiner Auf-
assung bei der Durchsuchung eines Computers nicht der
all, dass man in bestehende Internetverbindungen ein-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7191
)
)
Jörg van Essen
greift, sondern die Durchsuchung eines Computers soll
sich doch auch auf Dinge erstrecken, die man abgespei-
chert hat, die mit Internet und Kommunikation mögli-
cherweise überhaupt nichts zu tun haben: eigene Noti-
zen, sehr intime Dinge möglicherweise, die man sich auf
seinen Computer geladen hat, Fotos, die man selbst ge-
macht hat, und tausend andere Dinge. Deshalb ist doch
vollkommen klar, dass die Bestimmungen, die für die
Telekommunikation gelten, hier nicht greifen können.
Bei der Schwere des Eingriffs, der dort zu gewärtigen
ist, ist doch auch zu sehen, dass eine Analogie, die im
Strafrecht ohnehin nicht möglich ist, nicht herbeigeführt
werden kann.
– Das brauchen Sie mir nicht zu sagen! – In diesem Fall
halte ich eine Analogie nicht für zulässig; das ist doch
ganz selbstverständlich.
Deshalb ist die Botschaft dieser Diskussion aus mei-
ner Sicht – das ist angesichts der Dinge, die wir gerade
in diesen Tagen diskutieren, auch meine herzliche Bitte
an die Koalition –, dass wir unsere Rechtsordnung ernst
nehmen und dass wir uns den Anforderungen stellen und
dass wir das machen, was der Bürger zu Recht von uns
erwartet: Gesetze, die die Prüfung – sei es durch den
Bundespräsidenten, sei es durch das Bundesverfassungs-
gericht – unbeanstandet durchlaufen. Ich denke, dass es
uns allen dient, wenn wir so vorgehen. Das ist jedenfalls
das, was wir als FDP wollen, und dazu bieten wir auch
Gespräche an. Aber, wie gesagt, wir kommen um eine
vernünftige gesetzliche Grundlage nicht herum.
Vielen Dank.
Für die Bundesregierung erteile ich nun das Wort dem
Parlamentarischen Staatssekretär Alfred Hartenbach.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
gen! Lieber Kollege Wieland! Ich danke den Kollegen
ausdrücklich dafür, dass sie diese Aktuelle Stunde bean-
tragt haben, bietet sie mir doch die Gelegenheit zu eini-
gen Klarstellungen, die mir dringend geboten erschei-
nen, wenn ich an die Welle parlamentarischer Vorgänge
denke, die die Debatte über die so genannte Online-
durchsuchung in den letzten Tagen ausgelöst hat.
Im Kern geht es um die Frage, ob – und gegebenen-
falls: unter welchen Voraussetzungen – Ermittlungsbe-
hörden via Internet auf private Computer zugreifen dür-
fen, um dort nach verfahrensrelevanten Inhalten zu
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Auch Hanning hat Ihnen nur geschrieben: „angeord-
et“; lesen Sie einmal die Briefe, die Sie bekommen, ge-
au durch!
In einem weiteren Beschluss aus dem letzten Monat
at der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof
unmehr – unter Abkehr von seiner früheren Rechtsauf-
assung – die Ansicht vertreten, dass eine Onlinedurch-
uchung auf der Grundlage des geltenden Strafverfah-
ensrechts unzulässig sei. So ist das nun einmal.
Aus diesem Grund hat er die beantragte Anordnung
bgelehnt. Die Sache liegt jetzt dem zuständigen
. Strafsenat zur Entscheidung vor. Bitte haben Sie daher
erständnis dafür, dass ich mich hier mit einer rechtli-
hen Bewertung der beantragten Maßnahme zurückhal-
en werde, um gar nicht erst den Eindruck aufkommen
u lassen, ich wollte Einfluss auf die Entscheidungsfin-
ung des Senats ausüben. Wir alle werden dessen Ent-
cheidung zunächst abwarten müssen.
Ganz allgemein möchte ich aber für das Bundes-
inisterium der Justiz Folgendes deutlich machen: Eine
nlinedurchsuchung stellt einen tief greifenden Eingriff
n die Grundrechte des Betroffenen dar
nd kann, wenn überhaupt, nur in sehr begrenzten Aus-
ahmefällen unter strengster Beachtung der Verhältnis-
äßigkeit in Betracht kommen. Sollte der Senat den Be-
chluss des Ermittlungsrichters bestätigen und die
nlinedurchsuchung für unvereinbar mit dem geltenden
trafverfahrensrecht erklären, wird innerhalb der Bun-
esregierung sehr gründlich zu diskutieren sein, ob – und
7192 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
)
)
Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach
jetzt hören Sie bitte zu – überhaupt ein nennenswerter ge-
setzgeberischer Handlungsbedarf besteht.
Hier wird es insbesondere Aufgabe der Ermittlungsbe-
hörden sein, tragfähig darzulegen, worin der unverzicht-
bare Mehrwert dieser Maßnahme gegenüber dem vor-
handenen Ermittlungsinstrumentarium besteht.
Ich möchte Sie daher zum Schluss darum bitten, nicht
vorschnell – so machen es die Grünen in letzter Zeit
gerne – in eine hitzige Debatte über staatliches Hacking
einzutreten.
– Können Sie überhaupt einen Computer bedienen, Herr
Ströbele? –
Wir sollten zunächst die Entscheidung des 3. Senats des
Bundesgerichtshofes abwarten und auf dieser Grundlage
sachlich darüber diskutieren, ob und wie wir eine effek-
tive Strafverfolgung in Zeiten des Internets sicherstellen
wollen.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Jan Korte für die Frak-
tion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir sind auch heute wieder hier zusammengekommen,
um über den Abbau von Grundrechten zu reden, so wie
wir das schon in den letzten Wochen getan haben. Es ist
die politische Dimension des Ganzen, dass Sie solche
Maßnahmen hier im Wochenrhythmus durchführen. Ak-
tuell lautet das Motto: Erst ausspionieren und dann die
Rechtsgrundlage prüfen. Das ist mittlerweile gang und
gäbe.
Ich will Sie darauf aufmerksam machen, dass wir
beim Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit, das
Sie hier auch mal eben in einem Hauruckverfahren
durchgepowert haben, bereits auf das Thema Online-
durchsuchung aufmerksam gemacht und das kritisiert
haben.
Was aber soll die Grundlage für das staatliche Ha-
cking sein? Die Regelungen zur Telekommunikations-
überwachung greifen wohl eher nicht, weil kein Kom-
munikationsvorgang überwacht wird; denn dieser ist bei
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iese Regelung kann dementsprechend auch nicht grei-
en. Ich denke, dass das BMI jetzt versuchen wird, im
chnelldurchlauf irgendeine Regelung zu finden, die im
weifel vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden
ird, wie das bei Ihren Vorhaben mittlerweile üblich ist.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Wenn
ich Schäubles Chaoscomputerpolizei in einen Compu-
er einhackt, hat sie nicht nur Zugriff auf E-Mails, was
chon schlimm genug wäre, sondern – das ist hier heute
chon zu Recht angesprochen worden – natürlich auch
uf alle denkbaren privaten und intimsten Daten eines
enschen.
as ist völlig inakzeptabel.
Eben hat die Kollegin Raab besonders bizarr argu-
entiert. Sie hat in etwa gesagt, wer ins Internet gehe,
abe sein System, also das, was er im Internet macht,
elbst so weit geöffnet, dass die Behörden Zugriff neh-
en könnten. Man würde sich eh schon bloßstellen.
Der ist in dieser Frage offensichtlich besonders inkom-
etent. –
as haben Sie hier vorgestellt. Das ist eine tolle Logik.
ch will das an einem Beispiel verdeutlichen: Das wäre
o, als würde ich zum Lüften das Fenster aufmachen und
eder dürfte reinklettern. Das ist Ihre Logik.
o funktioniert das nicht.
Ja, das ist Ihre Logik. Ich finde sie ja auch absurd, aber
ch kann es nicht ändern, dass Sie so etwas erzählen.
Besser wäre es gewesen, die Rechtsgrundlage im Vor-
eld zu überprüfen. Heute bringen Sie wieder dieselbe
rgumentation wie immer. In Zeiten des Internets und
es internationalen Terrorismus werden die Prävention
nd die Grundrechte weiter geschwächt und nach hinten
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7193
)
)
Jan Korte
gelagert, was völlig inakzeptabel ist. Ich möchte auch
noch einmal sagen: Das ist wiederum eine Maßnahme in
dem Gesamtkontext Antiterrordatei, Terrorismusbe-
kämpfungsergänzungsgesetz usw. usf.
Jede Woche gibt es hier eine neue Maßnahme, die von
den Bürgerinnen und Bürgern im Einzelfall vielleicht als
nicht besonders schlimm empfunden wird, in der
Summe gehen Sie mittlerweile aber an die Substanz ei-
ner freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das tun
Sie hier heute schon wieder.
Deswegen ist es richtig, darüber zu diskutieren und das
abzulehnen.
Nun erteile ich dem Kollegen Siegfried Kauder für
die Fraktion der CDU/CSU das Wort.
Siegfried Kauder (CDU/
CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
gen! Die Strafprozessordnung ist aus dem Jahre 1879.
Deswegen wird es immer wieder Sachverhalte geben,
die nach modernen Gesichtspunkten nicht problemlos
unter das Prozessrecht zu ordnen sind. Müssen wir die
Strafprozessordnung deshalb bei fortschreitender Tech-
nologisierung jedes Jahr neu erfinden oder sollten wir
nicht versuchen, diese Sachverhalte durch Analogie-
schlüsse unter ein bestehendes Prozessrecht zu subsu-
mieren?
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen vom Bünd-
nis 90/Die Grünen, wo waren Sie eigentlich im
Jahre 1979?
Ich korrigiere: 1997 wurde die hier diskutierte Thematik
zum ersten Mal angesprochen. Dies ist in der BGH-Ent-
scheidung nachzulesen, die in NJW 1997, Seiten 1934 ff.
abgedruckt ist. Es ging dort um das Abhören und Durch-
forsten einer Mailbox. Genau dort wurde zum ersten Mal
darüber debattiert, ob das eine Telekommunikationsüber-
wachung oder etwas anderes ist. Das war der Einstieg in
eine juristische Debatte. Hierzu hätte man auch die FDP
sehr schön einladen können. Es hat also wenig Sinn, den
schwarzen Peter jetzt an denjenigen zu schieben, der ge-
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Eines sollten wir auch beachten: Wir müssen zwi-
chen präventiv-polizeilichen Maßnahmen und repressi-
en Maßnahmen gemäß der Strafprozessordnung unter-
cheiden. Ich empfehle jedem, den vorletzten Satz der
ntscheidung des Ermittlungsrichters am Bundesge-
ichtshof vom 25. November 2006 zu lesen. Dort wird
ehr schön ausgeführt: Präventiv-polizeiliche Maßnah-
en sind von dieser Entscheidung nicht berührt.
ir werden uns also erst einmal diesen polizeilichen
ereich vornehmen und uns fragen müssen, ob diese
nlinedurchsuchung gemäß der Gesetzeslage zulässig
st oder nicht.
Dann kommen wir zum strafprozessualen Teil. Ich
mpfehle jedem – es rentiert sich tatsächlich –, den Auf-
atz des Oberstaatsanwalts beim Bundesgerichtshof
ofmann in der NStZ 2005, Seite 121 ff. zu lesen. Er hat
ie gesamte rechtliche Situation sehr detailliert analysiert
nd ist zu einem überraschenden Ergebnis gekommen,
as heute noch niemand vorgetragen hat: Die Online-
urchforstung eines PCs ist weder eine Hausdurchsu-
hung noch eine Telekommunikationsüberwachung.
s ist ein Institut sui generis. Darüber müssen wir uns
inmal klar werden.
Durch keine der bestehenden strafprozessualen Vor-
chriften ist dieser Sachverhalt unmittelbar abgedeckt.
etzt müssen wir weiter prüfen, ob eine Analogie mit be-
tehenden prozessualen Vorschriften möglich ist oder
icht. Wir alle wissen: Das Analogieverbot in Art. 103
bs. 2 Grundgesetz wirkt bei strafprozessualen Vor-
chriften nicht. Dieses Verbot besteht also nicht. Wir
üssen jetzt genau überlegen, ob dieser Sachverhalt
urch bestehende strafprozessuale Vorschriften in analo-
er Anwendung abgedeckt wird oder nicht.
Der Gesetzgeber darf sich dabei sehr wohl nach den
ntscheidungen des Bundesgerichtshofes richten. Für uns
ar nun einmal die Entscheidung vom 21. Februar 2006
aßgeblich, in der der Ermittlungsrichter des Bundesge-
ichtshofes gesagt hat: Dieser Sachverhalt wird durch die
7194 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
)
)
Siegfried Kauder
analoge Anwendung von § 102 und § 103 Strafprozess-
ordnung abgedeckt.
Das war die damalige Rechtslage.
Die Rechtslage hat sich durch den bereits zitierten
Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 25. November
2006 geändert. Ein Ermittlungsrichter des Bundesge-
richtshofes sah die Sachlage auf einmal anders. Wenn
sich aber zwei Entscheidungen gegenüberstehen, ist es
doch sinnvoll, erst einmal abzuwarten, wie der Bundes-
gerichtshof über die Beschwerde entscheidet.
Ich verhehle es aber nicht: Diese Entscheidung des
Bundesgerichtshofes könnte uns Anlass geben, festzu-
stellen, dass uns die analoge Anwendung zu wenig ist
und dass wir über eine gesetzlich fundierte Grundlage
nachdenken müssen. Dazu sind Sie alle eingeladen. Wir
müssen dann auch prüfen, welche Rechtsmittelmöglich-
keiten und Informationsmöglichkeiten bestehen.
Meines Erachtens lässt sich das Vorhaben durchaus
von den gesetzlichen Regelungen abdecken, weil nach
den Vorschriften der §§ 105 bis 107 der Strafprozessord-
nung der von der Durchsuchung Betroffene nur dann zu
informieren ist, wenn die Möglichkeit dazu besteht. Be-
steht die Möglichkeit aufgrund der technischen Gege-
benheiten nicht, dann greifen diese Vorschriften also
nicht.
Fazit: Wir müssen abwarten, bis die Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vorliegt,
und dann völlig unaufgeregt prüfen,
ob die Gesetzeslage ausreicht, und sie gegebenenfalls
korrigieren.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Silke Stokar von
Neuforn für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erin-
ere mich an Zeiten, als eine Justizministerin, vor der ich
och heute Hochachtung habe, zurückgetreten ist, weil
ie keine gesetzliche Ermächtigung für den großen
auschangriff schaffen wollte. Heute diskutieren wir
hauptsächlich unter den Juristen des Hauses – die An-
endung einer Maßnahme, die – das geht aus dem
üngsten Beschluss des Bundesgerichtshofes hervor –
enauso schwer wiegt wie der große Lauschangriff.
Das BKA hat bereits versucht, diese Maßnahme anzu-
enden, und zwar ohne gesetzliche Grundlage in einer
rauzone nach dem Motto: Versuchen wir erst einmal,
ie Onlinedurchsuchung von PCs durchzuführen; ir-
endein Jurist wird schon eine gesetzliche Grundlage da-
ür finden. Der Haushaltsausschuss und der Innenaus-
chuss sollen dann die Bereitstellung von Mitteln für
ntsprechende Investitionen beschließen. Sie aber als
esetzgeber im Bundestag schlagen dazu vor, erst ein-
al abzuwarten, ob die – zum Glück eingegangenen –
eschwerden dagegen Erfolg haben und wie die Richter
ntscheiden. Was ist das für ein Verständnis vom Parla-
ent als Gesetzgeber?
Ich möchte Ihnen in einfachen Worten den Unter-
chied zwischen einer Wohnungsdurchsuchung und dem
eimlichen Eindringen in einen Computer erläutern. Die
ackerbeamten des BKA werden sich nicht per E-Mail
ei mir anmelden, sozusagen an meiner PC-Tür klingeln.
ie werden mir auch keinen richterlichen Durchsu-
hungsbeschluss per Internet vorlegen. Sie werden mir
icht mitteilen, wogegen sich die Maßnahme richtet und
elche meiner vielen Daten im PC sie beschlagnahmen
ollen. Sie werden auch nicht zulassen, dass ich Zeugen
inzuziehe, die die Rechtmäßigkeit der Beschlagnah-
ung mit überprüfen, und hinterher werde ich kein Pro-
okoll erhalten. Sie wollen ohne gesetzliche Grundlage
ulassen – es wird sich zeigen, ob wir tatsächlich eine
inden –, dass der Staat in meinen PC eindringt – an der
telle ist der Ausdruck Hacker genau richtig – und in
ein Onlinebanking Einblick nimmt.
Wofür haben wir denn hier diskutiert und entschie-
en, dass die Sicherheitsbehörden allerhöchstens auf die
tammdaten der Banken Zugriff bekommen dürfen? Sie
önnen sonst mein Onlinebanking nachvollziehen und
rkennen, ob ich private Mails austausche. Das gilt nicht
ur für den Zeitpunkt des Austausches. Ich bin nicht in
er Lage, die Mails zu löschen. In meiner Wohnung
ann ich von Zeit zu Zeit etwas wegwerfen; das ist dann
uch weg. Auf einer Festplatte ist das anders. Selbst
enn ich mit dem Befehl „Papierkorb leeren“ etwas lö-
che, ist es nicht wirklich weg. Die BKA-Hacker können
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7195
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Silke Stokar von Neuforn
auf der Festplatte all das rekonstruieren, was ich mir gar
nicht mehr zu Eigen mache.
Sie haben mit dem Versuch des Vergleichs zwischen
einer Hausdurchsuchung und dem heimlichen Eindrin-
gen in einen PC gezeigt, dass Sie offensichtlich die vir-
tuelle Welt der PCs nicht begreifen.
Der PC bzw. das Gehäuse des PCs ist mehr als meine ei-
genen vier Wände. Hier haben meine Seele und meine
Gedanken einen Platz. Hier findet mein komplettes Pri-
vatleben statt.
Meine Damen und Herren von der FDP, ich bedauere
es sehr, dass Sie nicht darüber nachdenken, ob Sie das
wollen. Ihr Innenminister Wolf in NRW schafft die ge-
setzliche Grundlage. Das heißt, Sie wollen es. Für die
Fraktion der Grünen kann ich nur sagen: Wir wollen es
nicht.
Für uns gilt das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum
großen Lauschangriff, das den Kernbereich des persönli-
chen Lebens schützt. Aber das wurde von Ihnen gar
nicht angesprochen. Sie missachten andauernd Bundes-
verfassungsgerichtsurteile, hier insbesondere das zum
großen Lauschangriff, weil Sie meinen, dass die Terro-
rismusbekämpfung – Sie benutzen dieses Wort auch in
anderen Fällen – rechtfertigt, dass der Staat über mich
alles wissen darf, dass nichts, aber auch gar nichts im
Verborgenen bleiben darf. Das ist die Mentalität, die ein
Überwachungsstaat zeigt.
Aber der Rechtsstaat setzt Grenzen. Eine der Grenzen
zeigt zum Beispiel das Urteil des Bundesverfassungsge-
richts zum großen Lauschangriff auf.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Mein letzter Satz: Sie sollten zugeben, dass das Bun-
deskriminalamt in alter Manier versucht hat – das erin-
nert mich an die 70er-Jahre; zum Glück ist es öffentlich
geworden –, eine neue Ermittlungsmethode auszupro-
bieren, die zwar in der Strafverfolgung vermutlich gar
keine Rolle spielt,
wohl aber im präventiven Bereich für die Nachrichten-
dienste. Sie wollen nicht nur den öffentlichen Raum
überwachen, sondern auch auf alle Daten der persönli-
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Das Wort hat nun der Kollege Klaus Uwe Benneter
ür die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolle-
in Stokar, richtig ist: Der Rechtsstaat setzt Grenzen.
iese sind hier eingehalten. Aber davon sprechen Sie
icht. Wenn man Sie hört, dann denkt man, dass das
KA wild geworden ist
nd irgendwelche PC-Durchsuchungen online durchge-
ührt hat. Tatsächlich lagen jeweils richterliche Be-
chlüsse zugrunde. Das ist das Entscheidende. Das ist
as, was den Rechtsstaat auszeichnet.
Die Richter sind bislang davon ausgegangen, dass
an die bestehenden Möglichkeiten nach der Strafpro-
essordnung hier entsprechend anwenden kann. Nun
ibt es zum ersten Mal einen Ermittlungsrichter beim
GH, der das anders sieht. Es soll ja vorkommen, dass
ichter unterschiedlicher Meinung darüber sind, wie der
echtsstaat am besten funktioniert.
Herr Kollege Wieland, aber was ist denn daran aktu-
ll? Das Problem kennen sicherlich alle, die den Aufsatz
es Oberstaatsanwalts Hofmann vom März 2005 zur
enntnis genommen haben. Das Problem ist altbekannt.
atsache ist, dass uns heute bekannt ist, dass es in die-
em Jahr schon mehrfach gemacht wurde, und zwar mit
ntsprechender richterlicher Anordnung. Das ist das Ent-
cheidende, was den Rechtsstaat ausmacht.
Insofern ist es nicht in Ordnung, wenn Sie von BKA-
ackern sprechen.
7196 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
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Klaus Uwe Benneter
Vielmehr hat das Justizministerium Recht, in seiner Zu-
ständigkeit zu sagen: Wir warten die Beschwerdeent-
scheidung in Karlsruhe ab.
Das wird eine BGH-Entscheidung, eine höchstrichterli-
che Entscheidung sein.
Die wird uns sicher einen Fingerzeig geben, wie die
BGH-Richter das sehen.
Unabhängig davon – insofern ist es sicher richtig –
sind auch wir als Abgeordnete aufgefordert, selbst da-
rüber nachzudenken, ob hier Handlungsbedarf besteht.
Ich sehe, Herr Kollege Montag, hier sehr wohl Hand-
lungsbedarf.
Die Erörterungen des Oberstaatsanwalts Hofmann haben
mich jedenfalls nicht überzeugt;
denn er hat alles durchgeprüft, was bisher in der Straf-
prozessordnung dazu steht, und er ist zur Auffassung ge-
langt, dass die Bestimmungen nur entsprechend ange-
wandt werden könnten. Ich halte es durchaus für
relevant, wenn hier darauf hingewiesen wird, dass das
ein sehr tiefer Eingriff in Persönlichkeitsrechte ist oder
jedenfalls sein kann.
Das ist von Kollegen Hartenbach zugestanden worden.
Man sollte überlegen, ob das Instrumentarium, das wir
dazu in der Strafprozessordnung haben, ausreicht.
Insofern bin ich durchaus dankbar, dass dieses Pro-
blem in der Fragestunde angesprochen wurde. Aber wir
brauchen doch dazu keine Aktuelle Stunde. Denken Sie
sich etwas aus, womit Sie den neuen Informationstechni-
ken ein Netzwerk der Sicherheit entgegensetzen können!
Ihren Zwischenrufen – nicht Ihren Ausführungen –
habe ich entnommen, dass Sie generell etwas gegen
diese Maßnahme haben,
dass Sie es generell nicht für wünschenswert und zuläs-
sig halten, dass man auf diese Art und Weise zu Erkennt-
nissen kommt.
Herr Kollege Wieland, genau da – das muss ich Ihnen
agen – liegt der Unterschied zwischen uns. Ich denke,
ir müssen in der Lage sein, dem Netzwerk des Terro-
ismus und der schwersten Kriminalität ein Netzwerk
er Sicherheit und des rechtsstaatlichen Vorgehens ent-
egenzusetzen.
Natürlich muss der Kernbereich der privaten Lebens-
estaltung gesichert sein.
ir wissen, dass private Daten auf einem PC gespeichert
ein können und dass man online darauf zugreifen
önnte. Dann muss klar sein, dass bei einem Zugriff sol-
he Daten und Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden,
ie es in der Strafprozessordnung bei der akustischen
nd optischen Wohnraumüberwachung im Hinblick auf
ie verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geregelt ist.
as werden wir auch in diesem Bereich machen müssen.
ir werden klarstellen müssen, dass der Kernbereich der
rivaten Lebensgestaltung außen vor bleibt. Insofern
ind wir hier auf einem richtigen Weg.
ir als Regierung brauchen von der Opposition nicht
arauf hingewiesen zu werden.
Danke schön.
Nun erteile ich dem Kollegen Helmut Brandt für die
DU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und
ollegen! Jeder Eingriff in das Recht auf informatio-
elle Selbstbestimmung ist schwerwiegend und bedarf
aher gründlicher Prüfung. Dabei ist erstens immer da-
auf zu achten, ob ein solcher Eingriff überhaupt not-
endig ist und hinreichende Gründe dafür vorliegen.
ie zweite Frage ist, ob eine Rechtsgrundlage für einen
olchen Eingriff besteht.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7197
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Helmut Brandt
– Herr Kollege Wieland, Sie folgen mir. – Es stellt sich
mithin erstens die Frage, ob die so genannte Online-
durchsuchung bei bestimmten Fallkonstellationen für die
Ermittlungsbehörden notwendig ist, und, falls man das
bejaht – das haben wir gerade getan –, stellt sich zwei-
tens die weitere Frage, aufgrund welcher Rechtsgrund-
lage der Eingriff geschieht.
Bei vorliegenden Verdachtsmomenten der Gründung
einer terroristischen Vereinigung beispielsweise im
Sinne des § 129 a StGB oder bei vergleichbaren anderen
Verdachtsfällen kann sich aus nachvollziehbaren – ich
meine, man muss sagen: offenkundigen – Gründen die
Notwendigkeit ergeben, die Ermittlungen verdeckt und
ohne Kenntnis des Verdächtigen zu führen. Erfolgver-
sprechend können solche Ermittlungen in bestimmten
Fällen nur dann sein, wenn auch der Zugriff auf den
Computer eines Verdächtigen erfolgen kann.
Es ist allgemein bekannt, dass sich Terroristen in be-
sonderer Weise moderner Technik bedienen und Abspra-
chen zu schweren Verbrechen sowie die Vorbereitung
und die Anleitung zur Durchführung von Verbrechen
heute über die modernen Medien vermittelt und durch-
geführt werden.
Die Ermittlungsbehörden müssen daher zur Erfüllung
ihrer Aufgaben im präventiven wie auch im repressiven
Bereich nicht nur die notwendigen technischen Möglich-
keiten erhalten, sondern sich auch auf einer sicheren
rechtlichen Grundlage bewegen.
Ich bin bis heute davon ausgegangen, dass dies im gan-
zen Haus konsensfähig ist. Bei Ihnen, Herr Wieland,
habe ich inzwischen Zweifel.
Ich bejahe also die erste Frage.
Als nächstes stellt sich die Frage nach der Rechts-
grundlage bei Eingriffen in das Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung. Soweit mir bekannt, gibt es
zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofes
– sie sind eben schon genannt worden –, allerdings
– auch das ist mehrfach gesagt worden – noch keine Se-
natsentscheidung. Eine solche ist aber zu erwarten. Auch
nach meiner Auffassung hätte es der Debatte gut getan,
wenn wir diese Entscheidung abgewartet hätten.
Herr Kollege Wieland, Sie können mir auch nicht er-
zählen, dass Sie arglos sind; ich habe den Eindruck, dass
Sie noch nie arglos waren.
Sie können mir auch nicht erzählen, dass die jetzt provo-
zierte Debatte mehr darstellt als Aktionismus.
Mit der Entscheidung vom 21. Februar hat der Richter
am Bundesgerichtshof, gestützt auf die Vorschriften der
§§ 102 ff. StPO, die Onlinedurchsuchung angeordnet
und für rechtmäßig erklärt. Erlauben Sie mir, dass ich
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Ich meine, das müsste Gemeingut sein. Ich füge noch
inzu, Herr Wieland: Um gerade in diesem Bereich er-
olgreich ermitteln zu können, setzen die Ermittlungs-
aßnahmen Heimlichkeit voraus.
Bei der jüngsten Entscheidung vom 25. November
urde vom Ermittlungsrichter eine gegenteilige Auffas-
ung dargestellt. Er hat die Auffassung vertreten, dass
ie notwendige gesetzliche Grundlage fehle.
Diesen juristischen Streit werden wir heute nicht klä-
en können. Ich sagte es bereits: Abzuwarten ist zu-
ächst die Senatsentscheidung.
Wichtig ist aber für mich folgende Feststellung: Auf-
rund der Eingriffsqualität hat in beiden, also in allen
islang bekannt gewordenen Fällen, die Ermittlungsbe-
örde den Richtervorbehalt eingehalten und sich mithin
echtmäßig verhalten. In diesem Zusammenhang von
BKA-Hackern“ zu sprechen, halte ich für eine Zumu-
ung. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen.
Dabei ist noch zu erwähnen – das ist auch schon ge-
agt worden –, dass es trotz des positiven Beschlusses
om Februar dieses Jahres im ersten Fall gar keine On-
inedurchsuchung gegeben hat.
err Wieland, auch das wissen Sie und haben eben das
egenteil bekundet. Es hat keine Onlinedurchsuchung
egeben.
7198 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
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Helmut Brandt
Deshalb bedarf es auch keiner Offenbarung. Viel Aufre-
gung um nichts.
Wir wollen – Herr Wieland, offensichtlich im Gegen-
satz zu Ihnen –, dass die Ermittlungsbehörden in der
Lage sind, die vom internationalen Terrorismus ausge-
henden Gefahren effektiv zu bekämpfen. Bislang hatten
wir neben Erfolgen auch viel Glück, dass es noch keine
schwerwiegenden Anschläge in Deutschland gegeben
hat. Auf Glück wollen wir die Sicherheit in Deutschland
aber nicht bauen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.
Sollte es sich daher als notwendig erweisen
– das ist keineswegs populistisch –, für eine Online-
durchsuchung eine weitere gesetzliche Grundlage zu
schaffen, so wird sich der Gesetzgeber, also wir, hiermit
beschäftigen müssen. Wir werden dann, soweit sich das
als notwendig erweist, auch tätig werden.
Ich danke Ihnen.
Nun hat das Wort der Kollege Dr. Dieter Wiefelspütz
für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zur Frage der Zulässigkeit der Onlinedurchsu-
chung gibt es unterschiedliche Auffassungen. Insoweit
ist es nicht angemessen, dieses Thema zu skandalisieren.
Ich habe auch Verständnis dafür, dass sich die Bundes-
regierung vor dem Hintergrund einer noch ausstehenden
Senatsentscheidung zurückhält. Aber wir alle miteinan-
der sind frei gewählte Abgeordnete des deutschen Vol-
kes; wir dürfen selber darüber nachdenken.
– Das gilt sogar für Sie, Herr Wieland.
Ich muss Ihnen freimütig sagen, dass mich die Ent-
scheidung des Ermittlungsrichters am Bundesgerichts-
hof, Herrn Hebenstreit, sehr überzeugt hat. Der Mann
hat sich nach meiner Überzeugung um den Rechtsstaat
verdient gemacht.
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as ist Rechtsstaat, nichts anderes.
Ich will Ihnen freimütig sagen – man kann ja an die-
er Stelle anderer Auffassung sein, zum Beispiel, das al-
es reiche –: Die heimliche Onlinedurchsuchung ist – bei
llem Respekt, Herr Kauder – ein schwerwiegender
rundrechtseingriff.
ass der Rechtsstaat heimlich tätig wird, kann in be-
timmten Fällen unausweichlich sein. Aber die Messlat-
en für Normenklarheit, für Rechtssicherheit, für Absi-
herungen im Hinblick auf Grundrechtsschutz müssen
n dieser Stelle besonders hoch sein.
arüber kann es keinen Streit geben. Deswegen müssen
ir uns an dieser Stelle besonders viel Mühe geben.
Ich sage das jetzt ohne Hochmut und ohne Besserwis-
erei, Herr Kauder: Wenn ich auf diesem sensiblen Ge-
ände jemanden von Analogien oder von sui generis re-
en höre, bekomme ich – ich sage es einmal etwas
lapsig – sofort Frostbeulen. Der Rechtsstaat erlaubt
icht, dass wir da mit Analogien oder mit der Rechtsfi-
ur sui generis arbeiten.
Wir Juristen kennen ja alle viele Argumentationsmus-
er. Ich sage das ohne Vorwurf. Es gibt unterschiedliche
ntscheidungen, unterschiedliche Literatur dazu. Für
kandalisierung gibt es keinen Grund. Aber ich bin
chon der Auffassung, dass der Deutsche Bundestag als
esetzgeber den Auftrag hat, sich das sehr genau anzu-
chauen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7199
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)
Dr. Dieter Wiefelspütz
Meine Meinung muss nicht die allein maßgebliche
sein. Aber ich habe den Eindruck, dass wir das Phäno-
men Internet auch vor dem Hintergrund der Veränderung
unserer Verhaltensweisen, auch der intimen Bereiche
– was ist Menschenwürde, was ist Privatheit an dieser
Stelle? –, noch nicht wirklich ausgemessen haben. Ich
rate sehr dazu, die Diskussion auszuweiten. Wir reden
heute ja „nur“ über einen strafprozessualen Zugriff.
Was ist denn mit dem Verfassungsschutz? Was ist mit
Jugendschutz? Was ist mit Terrorismusbekämpfung im
Internet?
Wir wissen alle, dass das Internet auch eine Heraus-
forderung ist. Es ist ein wunderbarer neuer Freiheits-
raum, ein Raum freier Kommunikation über die Konti-
nente hinweg. Es ist etwas zutiefst Demokratisches und
gleichzeitig ein explodierender Wirtschaftsraum. Es ist
aber auch ein Raum schwerster und schlimmster Verbre-
chen.
Auch darauf muss man vorbereitet sein. Sind wir das ei-
gentlich? Sind wir mit unserer Rechtsordnung an dieser
Stelle optimal aufgestellt? Haben wir wirklich abgebil-
det, was sich dort verändert hat?
Ich sage das ohne Vorwurf. Unsere Aufgabe ist, kriti-
scher an diese neue Entwicklung heranzugehen
mit dem legitimen Anspruch, die Grundrechte zu schüt-
zen, wobei wir die legitimen Ansprüche der Strafverfol-
gung, auch zum Schutz unseres Staates, nicht naiver-
weise ausblenden dürfen; denn es ist auch Realität, dass
uns aus dem Internet schlimmste Verbrechen bedrohen,
die eine große Herausforderung für Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit bedeuten.
Vor diesem Hintergrund rate ich uns, nicht nur diesen
Punkt zu vertiefen, sondern in den kommenden Wochen
und Monaten auch eine anspruchsvolle Debatte über In-
ternet, Grundrechte und Strafverfolgung zu führen.
Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Klaus Riegert
für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Lieber Herr Kollege Korte, ich habe mehrfach er-
lebt, dass Sie als Schutzpatron der freiheitlich-demokra-
tischen Grundordnung auftreten. Als Mitglied der
Nachfolgepartei der SED wäre ich an Ihrer Stelle mit
Vorwürfen an unseren Rechtsstaat aber sehr vorsichtig.
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Extremisten von links wie von rechts und die organi-
ierte Kriminalität nutzen das Internet immer stärker.
enken Sie nur an Menschenhandel und Kinderporno-
rafie. Das Internet bietet ebenso Terroristen ein mächti-
es und kaum zerstörbares Forum zur Vorbereitung, zur
rganisation wie auch zur propagandistischen Verbrei-
ung ihrer Terrorakte.
s ist für Terroristen Kommunikationsplattform, Werbe-
räger, Fernuniversität, Traningscamp und Thinktank in
inem. Auch wenn es keine hundertprozentige Sicher-
eit gibt, bedeutet das natürlich nicht, dass man nicht in
er Vorsorge das Menschenmögliche tun muss, um so
iel wie möglich an Sicherheit zu gewährleisten.
Es ist ein wesentlicher Auftrag unseres Rechtsstaates,
nsbesondere schwere Straftaten auch bei schwieriger
eweislage aufzuklären. Bei der so genannten Online-
urchsuchung geht es dabei nicht um die willkürliche
ushöhlung von Bürgerrechten, um staatlich organisier-
en Hausfriedensbruch, wie heute gelegentlich zu hören
nd zu lesen ist. Wir wollen den Bürgern doch nicht flä-
hendeckend beim Surfen über die Schulter schauen. Es
eht darum, dass wir bei Hinweisen auf eine schwere
traftat erkennen können, was jemand plant.
Es geht um eine Ermittlungsmaßnahme, die es den
trafverfolgungsbehörden auf rechtsstaatlich einwand-
reie Weise erlaubt, den Rechner einer Zielperson ohne
eren Wissen und ohne am Standort des Rechners anwe-
end zu sein auf verfahrensrelevante Daten wie E-Mails,
asswörter und Textdateien zu durchsuchen. Über die
rage der rechtlichen Zulässigkeit dieses schweren Ein-
riffs, der unterschiedlich beurteilt wird, haben sich
chon eine Reihe von Kollegen geäußert.
Mögliche Tatvorbereitungen müssen im Vorhinein er-
annt und verhindert werden. Unsere Strafverfolgungs-
ehörden sind darauf angewiesen, in bestimmten Fällen
uf Informationen, die sich auf dem Rechner des Be-
chuldigten befinden, zugreifen zu können, ohne dass
ieser hiervon Kenntnis erlangt. Als früherer Polizeibe-
mter darf ich feststellen: Für die Durchführung einer
nlinedurchsuchung besteht auch ein polizeipraktisches
edürfnis.
Ebenso muss das BKA organisatorisch und technisch
n die Lage versetzt werden, im Falle einer gerichtlichen
nordnung einer solchen Maßnahme diese auch umset-
en zu können. Hierfür sind im Programm zur Stärkung
er inneren Sicherheit entsprechende Mittel vorgesehen.
ch begrüße deshalb, dass das BMI beabsichtigt, die For-
erung nach Schaffung entsprechender Rechtsgrundla-
en im Rahmen der Ressortabstimmung vorzutragen.
ir brauchen rechtsstaatlich unbedenkliche Ermächti-
ungsgrundlagen für die Onlinedurchsuchung.
7200 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006
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)
Klaus Riegert
Ob die geltenden Bestimmungen ausreichen, werden
wir nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes
über die Beschwerde des Generalbundesanwaltes wis-
sen. Dann werden wir darauf gemeinsam reagieren.
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege
Dr. Carl-Christian Dressel für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kryp-
tisch – um das Wort des Kollegen Wieland aus dem ers-
ten Redebeitrag zur Aktuellen Stunde zu verwenden –
ist die Zielrichtung unserer heutigen Aktuellen Stunde.
Sie ist daher kryptisch, weil Sie zunächst an das Bundes-
ministerium der Justiz sinngemäß folgende Frage gerich-
tet hatten: Treffen Presseberichte zu – das ist eine häufig
sehr berechtigte Frage;
sie ist auch von durchaus philosophischem Interesse –,
dass der Ermittlungsrichter beim BGH eine bestimmte
Entscheidung getroffen hat?
Aus dieser Frage entwickeln Sie eine Aktuelle Stunde
– ich würde sie durchaus mit der neuen Bezeichnung
„akademische Runde“ versehen –, in der wir uns ab-
strakt und, wie ich meine, teilweise zur Unzeit über die
Frage gewisser Ermächtigungsgrundlagen unterhalten.
Warum zur Unzeit? Es gibt ein aktuelles Ermittlungs-
verfahren, in dem eine Entscheidung durch einen Ermitt-
lungsrichter – Kollege Wiefelspütz hat seinen Namen
schon genannt – getroffen wurde; nun liegt dem zustän-
digen 3. Strafsenat eine Beschwerde dagegen vor.
Ich darf mir die Frage erlauben, Kollege Wieland:
Wollen wir künftig ständig aufgrund eines Ermittlungs-
verfahrens und einer ergangenen Entscheidung eine Ak-
tuelle Stunde auf die Tagesordnung setzen?
Damit habe ich deutliche Probleme, auch vor dem Hin-
tergrund der Gewaltenteilung. – Das ist ein neues Wort
für Sie, Herr Korte; das sollten Sie sich gleich einmal
aufschreiben.
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Als Gesetzgeber muss es doch unsere Zielrichtung
ein, abzuwarten, bis letztinstanzlich das zuständige Ge-
icht – in diesem Fall der Bundesgerichtshof – festge-
tellt hat, was nach seiner Ansicht Inhalt der einmal vom
eutschen Bundestag bzw. vom Schöpfer der StPO ver-
bschiedeten Regelung ist und was wir als Gesetzgeber
it dieser Regelung machen wollen oder, wie Sie, Frau
ollegin Stokar von Neuforn, richtig fragten, was ge-
ollt wird. Nur: Die Frage, was wir wollen, stellt sich
ann, wenn wir die Beschwerdeentscheidung auf dem
isch haben, nicht jetzt.
Nach Ihrem Beitrag komme ich zu dem Ergebnis,
ass Sie erstens der Auffassung sind, es werde schon
etzt eifrig in Daten gegrast und auf fremde Computer
ugriff genommen.
weitens wissen Sie wohl nicht, dass auch der Zugriff
uf den Computer unter Richtervorbehalt steht und dass
iemand ungeschützt Objekt strafrechtlicher Ermitt-
ungsmaßnahmen im Rahmen einer Onlinedurchsuchung
ein wird.
Daher ist es unsere Aufgabe, jetzt abzuwarten, was
ns der 3. Strafsenat in seiner Beschwerdeentscheidung
uf den Tisch legen wird, um danach gesetzgeberisch tä-
ig werden zu können. Sollten wir der Meinung des
errn Hebenstreit aus dem jüngst ergangenen Beschluss
olgen
nd sagen: „§ 102 StPO reicht nicht aus“, dann müssen
ir eine Ermächtigungsgrundlage schaffen, sofern wir
as wollen. Ich gehe davon aus: Wir wollen das.
ies entspräche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Sollte der Bundesgerichtshof allerdings der Ansicht
es Ermittlungsrichters aus der Entscheidung im Februar
olgen, so müssten wir uns überlegen, ob wir einen sol-
hen weiten Inhalt und ein solches weites Verständnis
es § 102 StPO überhaupt wollen oder ob wir im Rah-
en der Verhältnismäßigkeit nicht nur auf den Einzelfall
bstellen lassen wollen, sondern eventuell im Rahmen
iner Spezialvorschrift gesetzgeberisch einschränkend
ätig werden.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember 2006 7201
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(D)
Dr. Carl-Christian Dressel
Dies ist unsere Aufgabe: abwarten
und erst dann handeln, statt den Textbaustein vom Ab-
bau der Grundrechte, wie das von Ihnen, Herr Korte,
stets zu hören ist, aus der argumentativen Mottenkiste
herauszuholen.
Genauso werden wir es zusammen auch machen.
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 14. Dezember
2006, 9 Uhr, ein.
Ich schließe die Sitzung.