Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung verein-
bart, dass wegen der Haushaltsberatungen in der Woche
vom 22. bis 26. November keine Befragung der Bundes-
regierung, keine Fragestunden und keine Aktuellen
Stunden stattfinden. Sind Sie damit einverstanden? – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass der Ältes-
tenrat auch vereinbart hat, die von der Fraktion der FDP
verlangte Aktuelle Stunde zum Thema „Haltung der
Bundesregierung zu Plänen, den 3. Oktober als National-
feiertag abzuschaffen“ heute als letzten Tagesordnungs-
punkt aufzurufen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deut-
scher Streitkräfte bei der Unterstützung der
gemeinsamen Reaktion auf terroristische An-
griffe gegen die USA auf Grundlage des
Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen
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und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie
der Resolutionen 1368 und 1373 (2001)
des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
– Drucksachen 15/4032, 15/4165 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gert Weisskirchen
Bernd Schmidbauer
Dr. Ludger Volmer
Dr. Werner Hoyer
b) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 15/4175 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Alexander Bonde
Lothar Mark
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Aus diesem Grund ist es auch richtig, die bislang nichtausgeschöpfte Obergrenze für die deutsche Beteiligungbeizubehalten.Das Spektrum der deutschen Aktivitäten im Rahmendieser Operation bleibt anspruchsvoll. Die Bundeswehrwird sich grundsätzlich weiterhin mit einer Fregatte undeinem Seefernaufklärer am Horn von Afrika beteiligen;diese Region war in der Vergangenheit mehrfach Schau-platz von Attentaten terroristischer Gruppierungen. Inder Marinelogistikbasis in Dschibuti werden weiterhinSoldaten stationiert bleiben. Durch die Zusammenfas-sung der Task Force 150 und der Task Force 151 hat sichdas Einsatzgebiet der Marine seit März 2004 auch aufdie Arabische See und den Golf von Oman ausgedehnt.Allein in den vergangenen zwölf Monaten wurdenetwa 10 500 Schiffe und Boote abgefragt und fast400 Schiffe genau untersucht. Bei Verlängerung desOEF-Mandates, die heute ansteht, wird Deutschland vo-raussichtlich ab Dezember 2004 erneut den Komman-deur für die internationale Marinestreitkraft am Hornvon Afrika stellen.Daneben wird sich die Bundeswehr weiterhin aktivam bündnisgemeinsamen Beitrag der NATO-Marinenfür den Kampf gegen den Terrorismus im Mittelmeer,der Operation Active Endeavour, beteiligen. In denvergangenen zwölf Monaten war die Bundeswehr miteiner Fregatte und zeitweise zusätzlich mit Versorgungs-einheiten, einem U-Boot und Seefernaufklärern an die-ser Operation beteiligt. Im Rahmen dieser Operationwurden im östlichen Mittelmeer rund 19 500 Schiffe ab-gefragt und 41 davon genauer untersucht. Entsprechendeinem neuen Operationsmuster werden ab dem1. Oktober 2004 schwimmende Einheiten nur noch beiBedarf eingesetzt. Wir werden die Überwachung dannim Wesentlichen durch Seefernaufklärungsflugzeugedurchführen. Daran wird sich die deutsche Marine mitmonatlich acht Flügen aus Nordholz beteiligen.Darüber hinaus hält die Bundeswehr einenAirbus A310 und eine CL-601 Challenger für die luftge-stützte medizinische Notfallversorgung in einer 24- bzw.12-Stunden-Bereitschaft zur Verfügung. Im vergangenenJahr wurden Sanitätskräfte zwar nicht im Rahmen derOperation Enduring Freedom eingesetzt, aber mehrfachaußerhalb der Operation genutzt, wie zum Beispiel beider Rückführung eines Soldaten, der bei einem Raketen-anschlag auf unser Lager in Kunduz verletzt wordenwar.Meine Damen und Herren, Deutschland und die Bun-deswehr handeln in Solidarität mit unseren Verbündetenund Partnern auf der Grundlage der Beschlüsse desSOstahOeksEüOftaksSgesFu1dWAdtskodtIZAl
Stabilisierungsaufgaben und aktive Terroristenbe-ämpfung sollten aus politischen, rechtlichen und prakti-chen Erwägungen heraus wie bisher getrennt bleiben.s geht nicht um eine Zusammenlegung, sondern darum,ber eine verstärkte Zusammenarbeit von ISAF undEF Synergieeffekte vor Ort zu erzielen, um die Er-olgsaussichten beider Operationen zu vergrößern.Deutschland und die Bundeswehr haben in Afghanis-n eine tragende und von den Menschen vor Ort aner-annte Rolle für die Sicherung des Friedens und den ge-ellschaftlichen Wiederaufbau übernommen. Ich bitteie daher, das Mandat für diese wichtige Mission mitroßer Mehrheit zu verlängern. Unsere Soldaten habeninen Anspruch darauf, dass das Parlament diesen Ein-atz mit einer breiten Mehrheit trägt.Ich danke Ihnen.
Ich erteile Kollegen Bernd Schmidbauer, CDU/CSU-
raktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Ich denke, dass es der Schock des1. September im Jahre 2001 war, der dazu geführt hat,ass die Staatengemeinschaft Enduring Freedom auf deneg gebracht hat und dass es gelungen ist, mithilfe vonrt. 51 der Charta der Vereinten Nationen und von Art. 5es Nordatlantikvertrages sowie entsprechender Resolu-ionen des Sicherheitsrates zu einer gemeinsamen An-trengung gegen den internationalen Terrorismus zuommen.Heute stellen sich die Fragen, ob dies noch aktuell ist,b sich die Bedrohungslage verändert hat und wie wiries beurteilen. Es gibt viele Stimmen. Ich will eine zi-ieren. In der „Berliner Morgenpost“ stand kürzlich einnterview mit dem Chef des Bundeskriminalamtes, Jörgiercke, der sich zum Thema Terrorismus geäußert hat.uf die Frage, wie groß die Terrorgefahr in Deutsch-and sei, sagte er:Die Gefährdung ist unverändert hoch. Wir habenzwar keine konkreten Hinweise auf Anschläge.Madrid, Casablanca, Djerba und Istanbul zeigenaber, dass es weltweit autonome Zellen des islamis-tischen Terrorismus gibt, die jederzeit zuschlagenkönnen.
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Bernd SchmidbauerDem ist nichts hinzuzufügen. Das deckt sich mit all denStellungnahmen, die derzeit abgegeben werden.Für den Fall, dass Sie noch eine Stimme aus dem in-ternationalen Bereich brauchen, sage ich Ihnen, dass derehemalige Geheimdienstchef der Schweiz auf die Frage,ob auch die Schweiz von Terrorismus bedroht sei, kürz-lich antwortete:Die Bedrohungslage hat sich seit dem Ende desKalten Krieges massiv verändert. Sie ist asymme-trisch geworden. Organisierte Kriminalität, Korrup-tion, Massenvernichtungsmittel, Informationsope-rationen und islamistischer Terrorismus heißen dieheutigen Herausforderungen.Diese Meldungen häufen sich und zeigen deutlich,wie aktuell die Bedrohung heute ist. Wir tun gut daran,in unseren Anstrengungen nicht nachzulassen.In jüngster Zeit hat der Chef der InternationalenAtomenergie-Behörde, IAEA, al-Baradei, in Sydney voreinem möglichen Terroranschlag mit nuklearem Ma-terial gewarnt und gesagt, dass die Verhinderung einesmöglichen Terroranschlags mit nuklearem Material zueinem Wettlauf gegen die Zeit zu werden drohe. Esmüssten alle Anstrengungen unternommen werden, umdem neuen Phänomen namens nuklearem Terrorismuszu begegnen.Im Übrigen darf ich erwähnen, dass dies überhauptnicht neu ist. Ich erinnere mich an die großen Debattenin den 90er-Jahren, in denen eine andere Mehrheit dieEinsetzung eines Untersuchungsausschuss verlangte,weil man meinte, der Nuklearterrorismus sei inszeniertgewesen. Schon damals war von diesem vagabundieren-den Material die Rede und wir alle hätten eigentlich se-hen müssen, dass dies der Beginn einer neuen Bedro-hung war. Das, was al-Baradei gesagt hat, ist also nichtneu.Wichtig ist auch – ich glaube, das haben all diejeni-gen erkannt, die derzeit über Veränderungen des NVVdiskutieren –, zu wissen, wie aktuell diese Dinge gewor-den sind. Der asiatisch-pazifische Wirtschaftsgipfel, derEnde November in Chile tagt, wird als eines seinerSchwerpunktthemen die Bekämpfung des Terrorismusbehandeln. Auch die BKA-Herbsttagung hat sich mitdiesen Dingen beschäftigt.Der afghanische Präsident Karzai und der pakistani-sche Staatschef Musharraf haben ein gemeinsames of-fensives Vorgehen im Kampf gegen den Terrorismus an-gekündigt. Das halte ich für sehr wichtig. Wir allekonnten uns bei dem Besuch in Pakistan und Afghanis-tan davon überzeugen, dass hier neue Ideen und Vor-schläge auf den Weg gebracht werden, die eine ver-stärkte internationale Zusammenarbeit zum Ziel haben.Wir sehen also, dass das Thema internationaler Terro-rismus ein wichtiges Thema ist. Leider nimmt die Be-drohung zu und nicht ab. Andererseits – auch das sageich – erfüllen sich Gott sei Dank nicht alle an die Wandgemalten Horrorszenarien, zum Beispiel Anschlägewährend der US-Wahlen. Was hat die Presse dazu nichtalles geschrieben! Es wurden auch Anschläge zum je-wldwsewKwuddseefägItgwWdtdEwddidmnswntsugSSdUmlEssldudh
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Heute sind wir insgesamt weiter und es muss nicht zurVertrauensfrage kommen. Ich sage das nur, um zu zei-gen, wie wichtig diese Veränderungen für uns alle sindund wie wichtig die Diskussionen waren, die dazu ge-führt haben, dass wir heute eine breite Basis für die Ope-ration Enduring Freedom haben und uns nicht darüberstreiten müssen. Wir erkennen vielmehr, dass das sehrwichtig ist. Wir sehen auch, dass nicht nur militärischeEinsätze wichtig sind, sondern dass auch zivile, politi-sche, entwicklungspolitische und polizeiliche Mittel imRahmen eines Gesamtkonzeptes erforderlich sind. Dazugehören auch – wir sind gut beraten, diese fortzuführen –die PRTs, die Provincial Reconstruction Teams, in Af-ghanistan, die eine hervorragende Arbeit leisten, neueWege gehen
und nicht nur den militärischen Teil, sondern auch denzivilen Teil betonen. Dadurch produzieren wir Sicherheitin der Fläche, leisten einen Beitrag zum Aufbau undstärken die Zentralregierung.Entscheidend ist, dass wir uns nicht nur auf die eineRegion konzentrieren, sondern den Terrorismus vomMaghreb-Gürtel über die arabische Halbinsel bis nachAsien bekämpfen. Wir müssen erkennen, dass es nichtnur einzelne Mosaiksteine gibt, um die wir uns kümmernmüssen, sondern dass wir den Terrorismus insgesamt be-kämpfen müssen.Halten wir fest: Enduring Freedom ist nicht die Ant-wort auf den internationalen Terrorismus, sondern eineAntwort auf den internationalen Terrorismus. EnduringFreedom ist ein kleiner, aber unverzichtbarer Bausteinim Kampf gegen den Terror und zeigt, dass die interna-tionale Staatengemeinschaft, dass die Vereinten Natio-nen durchaus in der Lage sind, zu kooperieren und zuhandeln, auch wenn in diesem Zusammenhang noch vie-les verbessert werden kann und muss. Enduring Free-dom zeigt auch, dass die NATO ein wichtiges Instrumentder Terrorbekämpfung ist.Ich möchte erwähnen und begrüße es sehr, dass dieVereinten Nationen ihre Zusammenarbeit im Kampf ge-gsURisfhledseRdtesdHdhhdsntdOAvmpssin
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Am Schluss war ich gerade. – Wir müssen den Men-
chen klar machen, dass wir durch das Bekämpfen und
as Ausschalten von Terrorismus in ihrer Heimat unsere
eimat schützen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort Kollegin Marianne Tritz, Fraktion
es Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wiraben in der Vergangenheit hier und in der Gesellschafteftig darüber gestritten, mit welchen Methoden manem internationalen Terrorismus den Kampf ansagenoll. Diese Diskussion war nötig geworden, weil wirach dem 11. September 2001 das erste Mal in der Situa-ion waren, dass ein Land, nämlich unser Bündnispartnerie Vereinigten Staaten von Amerika, im eigenen Landpfer eines kriegerischen Angriffs geworden ist, einesngriffs, der nicht von einem anderen Land, sondernon fanatischen Terroristen ausging.Wir alle waren uns schnell einig, dass die Eindäm-ung des internationalen Terrorismus in erster Linie einolitischer Kampf sein muss, dass wir nur mit politi-chen, wirtschaftlichen, polizeilichen und gesetzgeberi-chen Maßnahmen die Bedrohungen, die sich gegen dienternationale Gemeinschaft richten, eindämmen kön-en.
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Marianne TritzDiese Bundesregierung hat immer einen breiten undtief gehenden Ansatz bei der Bekämpfung des internatio-nalen Terrorismus verfolgt, dessen Zentrum, der grau-same Dschihad-Terrorismus, im Nahen und MittlerenOsten liegt. Es ist ein Terrorismus, der der westlichenWelt den Krieg erklärt hat, der die westliche Welt in ei-nen Krieg der Kulturen verwickeln will, in einen Kriegdes Westens gegen den Islam.Die Krise des Nahen und Mittleren Ostens ist eineModernisierungskrise der islamisch-arabischen Welt undeiner totalitären Ideologie. Es ist eine fanatische Ideolo-gie, die sich nicht nur gegen die westliche Welt, ihreWerte und ihre Zivilgesellschaften richtet, sondern auchReformen in der arabischen, der muslimischen Welt ver-hindern will. Deswegen müssen wir diesen Ländern undihren Gesellschaften ein ernstes Angebot zur Koopera-tion machen, wie wir es mit dem Konzept „WiderMiddle East“ getan haben.Die Bundesregierung hat bewiesen, dass sie imKampf gegen den internationalen Terrorismus in ersterLinie dem Primat der Politik folgt. So hat sie wichtigeBeiträge zur Terrorismusbekämpfung auf den multilate-ralen Ebenen von UN, OSZE, NATO und G 8 geleistet.Deutschland hat den Polizeiapparat in Afghanistan auf-gebaut. Es hat geholfen, wichtige Teile der PetersbergerBeschlüsse umzusetzen, und sich federführend mit ISAFin Kabul und Kunduz engagiert, um mit sichtbarenwirtschaftlichen Aufbauleistungen eine Perspektivefür das afghanische Volk aufzuzeigen. Und wir sind dergrößte Geber in Afghanistan.Obwohl wir die politischen Lösungen in den Vorder-grund stellen, bleibt doch der Einsatz militärischer Mit-tel derzeit ein unverzichtbarer Bestandteil im Kampf ge-gen den internationalen Terrorismus. Durch die Präsenzin Afghanistan konnte der geregelte Ablauf der Präsi-dentschaftswahlen gewährleistet werden. Die Menschenhaben sich getraut, sich registrieren zu lassen, und derAufbau staatlicher Institutionen schreitet voran. Das al-les lässt hoffen.Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit einemleistungsfähigen Kontingent in die multinationale Ope-ration Enduring Freedom eingebracht. Hierfür sowie fürdie Beteiligung an ISAF genießt Deutschland hohe An-erkennung in der Welt. Diese Anerkennung gilt ganz be-sonders den Peacekeeping-Fähigkeiten der Bundeswehr.Im Zuge von Enduring Freedom hat die deutsche Ma-rine einen stabilisierenden Einfluss am Horn von Afrikaund natürlich auch im Mittelmeer ausgeübt. Die See-streitkräfte haben wichtige Handelswege gegen Piraterieund Waffenschmuggel abgesichert. In keinem Fall ist esdabei zu militärischen Auseinandersetzungen gekom-men, sondern die Soldaten haben immer in Kooperationmit den Schiffsführern und den entsprechenden Eignerngehandelt.Aber der Kampf gegen den internationalen Terroris-mus ist noch lange nicht gewonnen. Der furchtbare An-schlag von Madrid im März dieses Jahres ist uns allennoch in Erinnerung. Wie grausam Terrorismus ist, wenn ersich gegen die Zivilgesellschaft richtet, haben wir vollerEfrMedtndlDFFvbshubWdlgdaHgUaUuSdgmdüw
Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hält dieortsetzung der deutschen Beteiligung an Enduringreedom für notwendig und verantwortbar. Der Umfangon 3 100 Soldaten ermöglicht ein schnelles und flexi-les Handeln. Da derzeit nur 500 Soldaten im Einsatzind und damit die Obergrenzen nicht ausgeschöpft sind,andelt es sich eher um ein „Bereitstellungsmandat“ alsm ein Einsatzmandat.Ich möchte noch etwas zum Irak anmerken. Wir ha-en den Irakkrieg abgelehnt. Dabei bleibt es auch.
ir haben uns nicht am Irakkrieg beteiligt und werdenies auch in Zukunft nicht tun, egal in welcher Konstel-ation. Das war in den letzten Tagen immer wieder Ge-enstand der Debatte. Rot-Grün ist ein Garant dafür,ass es unter dieser Bundesregierung keine Beteiligungm Irakkrieg gibt.
err Schäuble kann tausendmal fordern – ich zitiereerne aus den Protokollen –, dass wir uns im Falle einesN-Mandats nicht verweigern könnten. Wir haben diesber getan und werden es auch weiterhin tun. Das ist dernterschied: Mit uns gibt es keine Kriegsbeteiligung;nter der CDU/CSU mit Wolfgang Schäuble würdenoldaten in den Irakkrieg geschickt werden.Danke.
Ich erteile Kollegen Rainer Stinner, FDP-Fraktion,
as Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Wir begehen heute ein Jubiläum – von Feiernöchte ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen –;enn heute entscheiden wir gemeinsam zum 40. Malber den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland. Auchenn wir das schon so oft getan haben, glaube ich, dass
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Dr. Rainer Stinnerdiese Entscheidung im Deutschen Bundestag niemals zueiner reinen Routine werden darf.
Wir müssen uns auch heute zum 40. Mal folgendeFragen stellen: Dient der Einsatz der Sicherheit und denInteressen unseres Landes? Ist das Mandat, das wir denSoldaten erteilen, durchführbar? Statten wir sie mit dennotwendigen Mitteln aus, um ihr Mandat zu erfüllen?Begrenzen wir das Mandat auf das wirklich Notwendigezur Erfüllung der gemeinsamen Aufgaben?Wir als FDP haben uns diese Fragen auch zum40. Mal so deutlich gestellt. Ich darf Ihnen mitteilen,dass wir nach langer Diskussion übereingekommen sind,diesem Mandat mit großer Mehrheit zuzustimmen. Dastun wir aber nicht ohne Bedenken. Wir stimmen zu, weilwir uns sicher sind und zum Ausdruck bringen wollen,dass der Kampf gegen den Terrorismus noch nicht ge-wonnen ist, dass wir Deutsche auch eigene Sicherheits-interessen haben und durch diesen Kampf bedroht sind.Wir wollen damit ferner deutlich machen, dass wir unse-ren Beitrag zu dem Kampf gegen den Terrorismus leis-ten wollen.Die Entscheidung ist uns aber nicht leicht gefallen. Wirstellen hier die Frage nach der Effektivität und Effizienz.Effektivität heißt, die richtigen Dinge zu tun. Das machtdie Bundesregierung. Deshalb stimmen wir ihrem An-trag zu.
Effizienz heißt, die Dinge, die man tut, richtig zu tun.Hierbei bleiben, wie so häufig beim Handeln dieser Bun-desregierung, auch weiterhin Fragen offen.
Sie wollen sich heute ein Vorratsmandat geben lassen.Frau Kollegin Tritz, Sie haben einen verdächtigen neuenBegriff eingeführt, nämlich „Bereitstellungsmandat“.Diesen Begriff habe ich bisher noch nie gehört. DerParlamentsvorbehalt bezieht sich jedenfalls nicht da-rauf, Bereitstellungsmandate zu verabschieden.
Wir nennen das nicht Bereitstellungsmandat; viel-mehr meinen wir, dass Sie sich ein Vorratsmandat gebenlassen wollen. Auch das entspricht nicht dem Parla-mentsvorbehalt. Derzeit sind 500 Soldaten im Einsatz;aber das von Ihnen geforderte Mandat bezieht sich auf3 100 Soldaten. Das ist das Sechsfache und widersprichtsämtlichen Planungsreserven. Es ist nicht damit zu er-klären, dass es um die Handlungsfähigkeit der Bundesre-gierung geht.
Es handelt sich vielmehr um einen Vorratsbeschluss. Wirfragen uns in diesem Zusammenhang: Entspricht dasnoch unserem Konzept der Parlamentsarmee? Nach un-serer Auffassung bedeutet das Konzept einer Parla-mtBraBbldedhfw–hBlEcH–wachbcdljssWniFaWbgugB
Lieber Herr Nachtwei, insbesondere die Grünen sindier einen langen Weg gegangen, von Abschaffern derundeswehr zu unkritischen Durchwinkern von Aus-andseinsätzen.
in langer Lauf zu einer neuen Identität Ihrer Partei!Wir wollen gar nicht bestreiten, dass es einen natürli-hen Konflikt zwischen den Interessen der Regierung anandlungsfähigkeit und möglichst ungestörtem Handeln es ist völlig klar, dass wir, wenn wir in der Regierungären, ähnliche Interessen hätten – und den Interessenn einem Parlamentsbeteiligungsgesetz gibt. Wir brau-hen aber nach wie vor dringend ein solches Gesetz undaben dazu einen praktikablen Vorschlag vorgelegt. Ichedauere deshalb sehr, dass dieses Thema in dieser Wo-he auf Ihren Wunsch hin abgesetzt worden ist. Ich for-ere Sie auf, einem entsprechenden Gesetzentwurf end-ich zuzustimmen. Dann bräuchten Sie sich in Zukunftedenfalls nicht mehr einen sechsfachen Vorratsbe-chluss geben zu lassen.
Wenn wir trotz unserer Vorbehalte Ihrem Antrag zu-timmen, dann hat das zwei Gründe. Der erste Grund ist:ir wollen sehr deutlich machen, dass Deutschland ei-en fairen Beitrag zum gemeinsamen Kampf gegen dennternationalen Terrorismus leistet. Dazu stehen wir, dieDP. Der zweite Grund ist – wenn ich das sage, fällt mirls Oppositionspolitiker kein Zacken aus der Krone –:ir erkennen an, dass die Bundesregierung – jedenfallsisher – mit dem Mandat sehr verantwortungsvoll umge-angen ist. Herr Weisskirchen, hier sind wir völlig offennd stimmen Ihnen zu.
Wenn wir heute zustimmen, geben wir der Bundesre-ierung einen Vertrauensvorschuss. Das ist bei dieserundesregierung natürlich alles andere als einfach.
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Dr. Rainer Stinner
Wir erwarten aber, dass wir in den Ausschüssen nochmehr als bisher in die Lage versetzt werden, die jeweili-gen Einsätze zu verfolgen. Ich sage Ihnen ganz deutlich:So etwas, was beim Kosovoeinsatz geschehen ist, darfnicht noch einmal vorkommen. Wir erwarten Offenheit,Klarheit und wahrheitsgemäße Informationen. Beim Ko-sovoeinsatz haben Sie uns, das Parlament, drei Monatelang an der Nase herumgeführt. Wir verbinden unserenVertrauensvorschuss mit der Erwartung, dass so etwas inZukunft nicht mehr vorkommt.
Ich komme zum Schluss. Wir verknüpfen unsere Zu-stimmung – die haben wir uns nicht leicht gemacht, aberwir stehen zu ihr – mit der Erwartung, dass es ein Parla-mentsbeteiligungsgesetz gibt – wir haben, wie gesagt, ei-nen entsprechenden Antrag eingebracht –, das uns in Zu-kunft solche Zumutungen wie heute erspart, einenVorratsbeschluss, ein Bereitstellungsmandat, wie es dieFrau Kollegin Tritz genannt hat, zu akzeptieren.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Gert Weisskirchen,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Lieber Kollege Stinner, es tut mir
Leid – wir kennen uns ja lange genug –, aber das war
eine wirklich unangemessene Rede
zu einem Problem, das Sie im Grunde verdunkelt haben.
Es geht doch darum, dass Enduring Freedom der Rah-
men für ein Mandat ist, den Menschen in Afghanistan
– das war das auslösende Moment –, die in einer ganz
schwierigen Situation leben, in einem Land, das von Ter-
roristen regelrecht erobert worden war, eine Chance zu
geben, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. So
soll endlich eine Entwicklung eingeleitet werden, die
den Menschen in Afghanistan die historische Erfahrung
überwinden hilft, dass sie herumgestoßen worden sind
und dass ihr Schicksal von außen bestimmt wurde, und
zwar von Leuten, die versucht haben, Afghanistan zum
Spielball ihrer Machtinteressen zu machen. Aber Sie re-
den hier nur über Vorratsbeschlüsse. Hier geht es nicht
um einen Vorratsbeschluss, sondern darum, dass die
Menschen in Afghanistan Freiheit bekommen, damit sie
selbst handeln, ihr eigenes Schicksal in die Hand neh-
men und ihre Form von Demokratie entwickeln können.
Nur darum geht es, lieber Herr Kollege Stinner.
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Die Gefahr des Terrorismus ist keineswegs gebannt;
eswegen brauchen wir eine Verlängerung von Enduring
reedom.
Lieber Kollege Niebel, es mag sein, dass Sie seit dem
1. November in Karnevalsstimmung sind. Aber hier
eht es um einen sehr verantwortungsvollen Beschluss,
em die Mehrheit des Deutschen Bundestages – hoffent-
ich auch Sie – zustimmen wird. Ich bitte Sie herzlich, zu
berlegen,
evor Sie Zwischenrufe machen.
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12790 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 139. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2004
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Ja.
Bitte schön, Herr Niebel.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege
Weisskirchen, wenn es sich hier nicht um einen Vorrats-
oder, wie die Kollegin von den Grünen sagte, Bereitstel-
lungsbeschluss handelt, können Sie mir dann erklären,
aus welchem Grund die Bundesregierung einen Be-
schluss benötigt, der – derzeit sind gut 500 Soldaten im
Einsatz – die Entsendung von 3 100 Soldaten möglich
macht? Und warum soll die Bundesregierung bei räum-
lich begrenzter Tätigkeit der Bundeswehr aufgrund eines
Vorratsbeschlusses Soldaten in die halbe Welt entsenden
dürfen?
Lieber Kollege Niebel, ich bitte Sie herzlich darum,
den Antrag zu lesen, den die Bundesregierung hier ein-
gebracht hat. Wenn Sie es bisher nicht getan haben, dann
können Sie es jetzt noch nachholen. In diesem Antrag
steht alles Wort für Wort. Er enthält eine klare und ein-
deutige Begründung dafür, dass Enduring Freedom not-
wendig ist. Dort werden alle Ihre Fragen beantwortet.
Darum bitte ich Sie noch einmal, ihn zu lesen.
Der entscheidende Punkt ist, dass der Terrorismus in
der Tat nicht besiegt ist. Wenn Sie sich etwa das an-
schauen, was Ayman al-Zawahiri in seinem jüngsten
Buch, das kurz nach dem 11. September erschienen ist,
dazu geschrieben hat, dann werden Sie genau erkennen,
um welche Strategie es geht. Er hat versucht – genau das
will al-Qaida –, gegen den inneren Feind zu mobilisie-
ren. Das heißt: Die Straße in den arabischen Ländern
sollte durch die schrecklichen Anschläge in New York
und in Washington aufgestachelt werden. Das ist nicht
gelungen. Insofern ist die erste strategische Überlegung
des Terrorismus nicht von Erfolg gekrönt gewesen.
Die zweite Überlegung, die al-Qaida und andere zu
entwickeln versucht haben, sieht vor, die Länder des
Westens in einen inneren Kampf, in einen politischen
Kampf gegeneinander, zu verwickeln. Es ist deshalb
wichtig, Folgendes deutlich zu machen: An Enduring
Freedom sind nicht nur die 22 Mitgliedstaaten der
NATO beteiligt, sondern 54 Nationen. Wir brauchen
Enduring Freedom also als ein Instrument der Zusam-
menarbeit, um dem Terrorismus – jedenfalls militä-
risch – das Rückgrat zu brechen. Das ist leider notwen-
dig.
Enduring Freedom darf aber nicht das einzige Instru-
ment sein. Der Unterschied beispielsweise zwischen der
Administration von George W. Bush und uns ist an die-
sem Punkt ganz augenfällig. Wir versuchen, Enduring
Freedom als ein Instrument einzusetzen mit dem Ziel,
dass zivile Prozesse in Afghanistan vorankommen. Das
ist der klare und eindeutige Unterschied. Aus unserer ei-
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Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
ollegen Stinner, FDP-Fraktion.
Lieber Herr Kollege Weisskirchen, nachdem Sie micho freundlich bedacht haben, möchte ich doch die Gele-enheit nutzen, darauf kurz zu antworten. Ich verkneifeir, Ihre Rede zu qualifizieren; das verbietet nämlich dieöflichkeit einem Kollegen gegenüber.
Herr Kollege Weisskirchen, es ist Ihnen offensichtlichntellektuell nicht möglich gewesen, den Inhalt meinerede aufzunehmen.
ch habe nicht bezweifelt, dass wir uns im Kampf einset-en müssen und dass Bedrohungslagen bestehen. Unsing es ausschließlich um die Diskrepanz zwischen demorratsbeschluss – Ihre Koalitionskollegin Tritz hat vonereitstellungsmandat gesprochen; das war ein verräteri-cher Ausdruck – und dem aktuellen Bedarf. Herr
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Dr. Rainer StinnerWeisskirchen, ist es Ihr Konzept, dass wir hier in Zu-kunft Bereitstellungsmandate verabschieden? Das warder Punkt, den wir angesprochen haben. Es ging nichtum die grundsätzliche Argumentation, die Sie hier ange-führt haben. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen,und ich hoffe, dass Sie auch in der Lage sind, das zurKenntnis zu nehmen.Vielen Dank.
Kollege Weisskirchen, Sie haben das Wort zur Erwi-
derung.
Unabhängig davon, welches Gesetz wir dazu in der
nächsten Sitzungswoche beschließen werden, werden
wir jedes einzelne Mandat sehr sorgfältig prüfen. Hier
wird es keine Vorratsbeschlüsse geben,
sondern hier wird jedes einzelne Mandat im Detail ge-
prüft werden.
Lieber Kollege Stinner, Sie sind Mitglied des Aus-
wärtigen Ausschusses. Sie wissen seit mindestens zwei
Wochen, dass dieser Antrag in der Substanz so gestellt
wird. Nicht ein Komma, nicht ein Wort, nicht ein Satz ist
seither geändert worden. Sie haben sich mit diesem Ein-
setzungsbeschluss sehr vertraut machen können. Dabei
bleibt es. Diese Koalition wird in der Substanz von Man-
datserteilungen keinerlei Änderungen vornehmen. Sie
werden das in diesem Hause noch erkennen und erleben.
Ich erteile dem Kollegen Christian Schmidt, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Bevor wir jetzt in den weiteren professoralen Disput ein-treten, möchte ich zunächst einmal allen Soldaten derBundeswehr, die im Rahmen von Enduring Freedom ih-ren Dienst tun – ich hoffe und denke, dass ich das für dasganze Haus tun kann –, unseren Dank und unsere Aner-kennung übermitteln und aussprechen. Ich bin sicher,dass der Verteidigungsminister und der hier anwesendeGeneralinspekteur das den Soldaten in geeigneter Formzur Kenntnis bringen werden. Wir gehen hier nicht routi-nemäßig vor, sondern sind uns der vollen Verantwor-tung, wie Kollege Stinner schon gesagt hat, für das be-wusst, was wir hier zum 40. Mal beschließen. Wirfordern nämlich einen Einsatz, der eine Gefährdung vonLeib und Leben der Soldaten beinhalten kann, zugleichaber auch uns allen Schutz gibt. Dafür bedanken wir unsalle herzlich.
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Dem Kollegen Nachtwei, der in einem Zwischenrufeäußert hatte, wir würden die internen Diskussionener Grünen nicht ausreichend berücksichtigen, möchtech sagen: Angesichts der in der Tat beachtlich ge-chmeidigen grünen Politik habe ich kein großes Inte-esse daran, interne Diskussionen der Grünen nachzu-ollziehen. Ich stelle nur fest, dass manches, was mitiesem Thema zusammenhängt, sehr viel tiefer gehendiskutiert werden müsste, als es derzeit der Fall ist. Ver-äterisch ist ja vor allem, dass viel häufiger über denrak als über Afghanistan gesprochen wurde. Das zeigta, was eigentlich dahinter steckt.
ielleicht geht es in den internen Diskussion ja darum,ass man mit der Bereitstellung von sogar900 Soldaten für Enduring Freedom, wie es ursprüng-ich im Antrag vorgesehen war, verhindern möchte, dassemand auf die Idee kommt, eine Beteiligung im Irak zuordern.Kollegin Tritz – ich weiß nicht, wo sie sich gerade be-indet –
at sich bemüßigt gefühlt, den Kollegen Schäuble zu zi-ieren. Ich könnte andersherum natürlich in dem Zusam-enhang den Verteidigungsminister Struck zitieren. Ei-es ist ja klar: Wenn man die Antiterrorkoalition imahmen der Operation Enduring Freedom begrüßt, sieür richtig und dringend notwendig hält und sich bewusstst, dass wir alleine nichts bewegen können und unsereicherheit immer nur multilateral sicherzustellen ist,uss man sich schon sehr genau überlegen, wie manich bei anderen Maßnahmen der NATO verhält. Manann nicht eifrig und stolz deutsche Soldaten in die inte-rierten Stäbe der NATO schicken und zugleich sagen,ei bestimmten Aktionen möchte man von vornhereinußen vor gelassen werden. Wenn man so vorgeht, wirdas dazu führen, dass wir irgendwann weder bei politi-chen Entscheidungen noch bei konkreten Operationenabei sein werden.
Das soll heißen, damit es kein Vertun gibt: Keinensch hat die Intention, uns gegeneinander auszuspie-en nach dem Motto: Mit uns geht es in den Irak, mit dennderen nicht. Darum geht es doch überhaupt nicht.
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12792 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 139. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2004
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Christian Schmidt
Es geht darum, dass die NATO eine Ausbildungsmissionfür die irakische Polizei und Armee übernehmen soll.Zunächst einmal sollte sich jeder anhören, welche For-derungen der NATO-Generalsekretär in diesem Zusam-menhang an uns richtet. Es geht also darum, nicht jeden,der eine Uniform anhat und international tätig ist, davonabhalten zu wollen, sich an gemeinsamen, UN-sanktio-nierten und auf NATO-Ebene beschlossenen, allgemeinals friedensfördernd und gut bezeichneten Aktionen zubeteiligen. Wenn ideologische Ressentiments dazu füh-ren, dass man solche Überlegungen in den Vordergrundrückt, wird man politik- und handlungsunfähig. Aber ichhabe natürlich Verständnis dafür, dass eine vernünftigeSicht auf die Dinge zunächst einmal Nachbohren erfor-dert, vorausgesetzt, es ist überhaupt Vernunft vorhanden.
Wenn man, wie der Verteidigungsminister in seinerEinbringungsrede, um eine möglichst breite Unterstüt-zung im Hause wirbt, muss man schon sagen – –
Kollege Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Arnold?
Bitte sehr.
Herr Kollege Schmidt, um hier wirklich Klarheit zu
bekommen: Können Sie mir sagen, ob Sie der Auffas-
sung sind, dass wir dem Drängen des NATO-Generalse-
kretärs nachgeben und deutsche Soldaten zusammen mit
NATO-Kollegen zur Ausbildung von irakischen Solda-
ten in den Irak entsenden sollten, oder ob wir nicht viel-
mehr unseren Beitrag besser dadurch leisten, dass wir
irakische Soldaten und Polizisten außerhalb des Iraks
ausbilden?
Bei solchen Forderungen sollten wir schon präzise blei-
ben.
Wenn die Ausbildung von Soldaten und Polizisten
sinnvoll in anderen Ländern erfolgen kann, kann man
das durchaus tun. Wenn allerdings eine gemeinsame Ak-
tion mit Offizieren der Bundeswehr, der Briten, der
Franzosen, der Polen und anderer einen kleinen Stab in
Bagdad erfordern würde, dann kann ich nicht verstehen,
wieso wir zwar BGS-Beamte in Bagdad der Lebensge-
fahr aussetzen – es sind ja auch schon zwei zu Tode ge-
kommen –, ebenso zivile Hilfsorganisationen, aber
grundsätzlich festlegen, dass sich niemand an der Aus-
bildung beteiligen darf. Insofern bitte ich Sie, sich selber
einmal darüber klar zu werden, was Sie eigentlich wol-
len.
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Ich gestatte selbstverständlich auch die Zwischenfrage
es Kollegen Schäuble.
Ich habe Sie doch noch gar nicht gefragt!
ber bitte.
Ich bitte, das nicht als vorauseilenden Gehorsam zu
ualifizieren, sondern als Wunsch.
Vielen Dank. – Herr Kollege Schmidt, können Sie er-
lären, warum die Bundesregierung im NATO-Rat der
usbildungsmission im Irak zustimmt, wenn sie gleich-
eitig die Auffassung vertritt, dass es nicht zu verant-
orten sei, dass sich deutsche Soldaten an einer solchen
nitiative – an der alle anderen teilnehmen sollen – betei-
igen? Können Sie mir dieses widersprüchliche Verhal-
en der Bundesregierung erklären?
Herr Kollege Schäuble, jetzt stehe ich tatsächlich vorinem Problem. Ich würde die Frage gerne beantworten,ber mir fällt dazu nur ein Satz ein: Ich kann es mir nichtrklären. Das ist ein widersprüchliches Verhalten, dasie Verlässlichkeit im Bündnis infrage stellt und unsittelfristig schadet.
Ich will nun die Frage der Finanzierung und damiten Einzelplan 14 ansprechen. Es soll der Beschluss ge-asst werden, dass die Zahl der Soldaten im Einsatz imotfall ausgedehnt wird. Meine Fraktion – andere habenich angeschlossen – hat übrigens darauf gedrängt, dassei einer signifikanten Veränderung der Zahl der im Ein-atz befindlichen Soldaten und der Einsatzorte eine ent-prechende Unterrichtung des Parlaments durch dieundesregierung stattfindet. Das hat die Bundesregie-ung in einer Protokollnotiz auch zugesagt. Das ist sehrichtig, damit deutlich wird, dass das Parlament in die-er Frage nicht außen vor ist. Wenn Sie das gedanklichit einem Rückholrecht koppeln, dann zeigt das, dass esich nicht um eine bloße Formalie handelt, sondern dasarlament eine starke Position hat, wenn die Zahl von00 auf 800 oder von 800 auf 3 000 erhöht werdenollte.Das kann durchaus der Fall sein. Aber das bringtich, gerade weil wir in der übernächsten Woche denaushalt zu beraten haben, zu ganz simplen, schnöden
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Christian Schmidt
Fragen. 114 Millionen Euro sind im Einzelplan 14 fürdieses Mandat vorgesehen; so im Antrag der Bundesre-gierung nachzulesen. Ich bin der Meinung – ich denke,dass das nicht einmal den Widerspruch des Verteidi-gungsministers hervorruft –, dass eine eventuelle signifi-kante Erhöhung nicht aus dem Einzelplan 14 finanziertwerden kann. Eine solche signifikante Erhöhung wäreeine gesamtpolitische Aufgabe, die aus anderen Mittelnwie aus dem Einzelplan 60 gespeist werden muss. Wirkönnen bei der ohnehin viel zu knappen Finanzausstat-tung, bei der Rationierung der Bundeswehr, die wir ge-rade erleben, nicht alle entstehenden Kosten von einemRessort alleine tragen lassen. Hier geht es um Außen-und Sicherheitspolitik. Hier geht es um das Interesse un-seres Landes. Das heißt, wir müssen alle unseren Beitragzur Sicherstellung der Finanzierung leisten.Es ist nicht absehbar, welche Kämpfe in der nächstenZeit im Rahmen von Enduring Freedom auszustehensind. Ich hoffe, dass sie nicht so heftig werden. Trotzdemverweise ich auf das, was der Herr Kollege Schmidbauerso deutlich dargelegt hat, nämlich dass noch erheblicheGefahren bestehen.Morgen erwartet den Verteidigungsminister dienächste Front. Dann wird sich zeigen, ob er in der Lageist, in der SPD die Beibehaltung der Wehrpflicht durch-zusetzen. Ich kann ihm nur wünschen, dass ihm das ge-lingt. Sonst müsste er – unabhängig von allen grundsätz-lichen Überlegungen – feststellen, dass er diesen Einsatzund auch alle anderen künftigen Einsätze nicht mehr fi-nanzieren kann. Da kann Herr Fischer noch so große Re-den vor den Vereinten Nationen halten: Das wäre dieBankrotterklärung der deutschen Außen- und Sicher-heitspolitik.
Ich erteile das Wort dem Staatsminister Hans Martin
Bury.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wiralle haben die Anschläge vom 11. September 2001 inNew York und Washington noch deutlich vor Augen undebenso deutlich den Terroranschlag in Madrid am11. März dieses Jahres, bei dem fast 200 Menschen ihrLeben verloren und über 1 000 verletzt wurden. DieserTerroranschlag hat uns gezeigt: Die Bedrohung durchden internationalen Terrorismus hat nicht nachgelassen.Deshalb, Herr Kollege Stinner, wäre es ein zumindestmissverständliches Signal, wenn man das Mandat redu-zieren würde. Ich denke, ein verantwortungsbewusst undflexibel genutzter Rahmen – das haben Sie der Bundes-regierung ja ausdrücklich bescheinigt – ist die richtigeAntwort auf die asymmetrische Bedrohung, mit der wires beim internationalen Terrorismus zu tun haben.
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leichzeitig erwartet die Bevölkerung aber auch dieortsetzung unseres breit angelegten Engagements, da-it die Taliban nie wieder die Macht an sich reißen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der heutige Tag er-nnert auch daran, dass für die Bekämpfung desslamistischen Fundamentalismus mit seiner totalitä-en Ideologie Fortschritte bei der Lösung des Nahost-onfliktes von zentraler Bedeutung sind, zusammen miter Überwindung der tiefen Modernisierungskrise ineiten Teilen der islamisch-arabischen Welt, wie sie dieroader-Middle-East-Initiative der G-8-Staaten zumiel hat. Mit dem Tod Arafats geht eine Ära zu Ende,hne dass das Ziel eines friedlichen, demokratischen Pa-ästina Wirklichkeit werden konnte. Doch zur Zwei-taaten-Lösung gibt es weiterhin keine Alternative. Eineeue palästinensische Führung, der Disengagement-Planon Premierminister Scharon sowie die Wahl in den
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Staatsminister Hans Martin BuryUSA haben für die kommenden Monate ein neues Mo-mentum zur Erneuerung des politischen Prozesses aufder Grundlage der Roadmap geschaffen. Dieses Momen-tum gilt es im Rahmen des Nahostquartetts zu nutzen.
Von der Verlängerung des OEF-Mandates durch denDeutschen Bundestag geht ein wichtiges politisches Si-gnal an unsere Partner und an die internationale Staaten-gemeinschaft aus: Deutschland steht auch in Zukunft zuseiner internationalen Verantwortung für Frieden und dieEinhaltung der Menschenrechte.
Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Der „Stern“ hat über das Kommando Spezialkräfte,
KSK, in Afghanistan berichtet – ich zitiere –:
Seit der Operation Anaconda, an der im März und
April 2001 KSK-Kräfte teilnahmen, treten die Al-
Qaida- und Taliban-Kämpfer nicht mehr in Grup-
pen auf, die meisten sind über die Berge nach Pa-
kistan verschwunden. Das KSK will sein Kontin-
gent ebenfalls abziehen – doch es muss bleiben.
„Aus dem sinnvollen Einsatz wurde ein politischer.
Wir waren der politische Preis dafür, dass Deutsch-
land die USA im Irak nicht unterstützte“, sagt ein
Offizier.
„Unser Einsatz machte keinen Sinn mehr, solche
Aufträge hätten auch andere erledigen können. Wir
haben dort in der Wüste gehockt und Skorpione ge-
fangen.“
Die Regierung und die konservative Opposition wol-
len ein Mandat mit einem Budget von 114 Millionen
Euro für weitere zwölf Monate beschließen. Umgerech-
net auf die derzeit eingesetzten 500 Soldaten sind das
pro Tag 624 Euro pro Soldat.
Die Hilfsorganisation Misereor hat die Kampagne
„Mit 2 Euro im Monat helfen“ gestartet. Zehnmal 2 Euro
haben zum Beispiel dabei geholfen, dass der vierjährige
Alem keinen Hunger mehr leiden muss. Seine Mutter hat
im St. Mary Social Center im äthiopischen Wukro Kurse
über Gemüseanbau und Hühnerzucht besucht. Das dort
erworbene Wissen hat der Frau geholfen, für sich und ih-
ren Sohn eine bescheidene Existenz aufzubauen. Da be-
wirken 20 Euro schon verdammt viel, wenn man über-
legt, dass die Soldaten in Afghanistan am Tag 624 Euro
kosten.
Vielleicht geht es Ihnen ja auch um etwas ganz ande-
res. Vielleicht geht es nicht um demokratische Verhält-
nisse in Afghanistan, nicht um die Freundschaft zu den
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Ich erteile dem Kollegen Karl-Theodor von und zuuttenberg, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.Karl-Theodor Freiherr von und zu GuttenbergCDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Lassen Sie uns neben den Soldaten auch einmalnseren zivilen Kräften Dank sagen, die ebenfalls unterinsatz von Leib und Leben versuchen, dem Terror denoden zu entziehen. Auch sie haben unseren Dank ver-ient und den sollten wir ihnen abstatten.
Die Operation Enduring Freedom wird seit demahr 2001 von vielen weiteren Initiativen flankiert. Dieeisten dieser Initiativen zielen auf den so genanntenreiteren Mittleren Osten. So glücklich oder unglücklichiese Formulierung gewählt ist: Der Bundesaußenminis-er hat auf der Sicherheitskonferenz in München im
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Karl-Theodor Freiherr von und zu GuttenbergFebruar dieses Jahres richtigerweise ein Konzept für die-sen „Breiteren Mittleren Osten“ vorgeschlagen. Wir dür-fen uns heute im Gesamtkontext der Verfolgung des in-ternationalen Terrorismus allerdings auch einmal fragen,was aus diesem Konzept des Bundesaußenministers au-ßer wolkigen Ankündigungen geworden ist und in wel-cher Form es in die anderen Initiativen eingebundenwerden soll.Auch ist in unserem Land eine breite, tief gehendeDiskussion über diese Themenkreise, über die Regiondes Nahen und Mittleren Ostens, über die einzelnenStaaten kaum erkennbar. Auf internationaler Ebene gibtes Initiativen: die drei Gipfel im Juni dieses Jahres, auchdie Operation Enduring Freedom, zu der Deutschland,Herr Bundesminister Struck, wirklich einen gewichtigenund bemerkenswerten Beitrag leistet.Seit eineinhalb Jahren haben wir nun zwei großeSicherheitsstrategien: die National Security Strategyder Vereinigten Staaten und die Europäische Sicherheits-strategie, die sich allerdings mehr gegenüberstehen denntatsächlich komplementär miteinander verzahnt sind.
Das ist insgesamt ein Gestrüpp unterschiedlichster An-sätze, das durch lediglich nebulöse Äußerungen nichtwirklich durchdringbarer wird. Bei dem Anspruch, densich der Bundesaußenminister im Februar dieses Jahresgesetzt hat, ist es an der Bundesregierung, diese unter-schiedlichen Ansätze endlich einmal untereinander ab-zugleichen, komplementär auszugestalten und in Ein-klang zu bringen.
Im gestrigen „Stern“ lesen wir, in den nächsten Mona-ten solle ein strategischer Konsens hergestellt werden.Das ist schön. Dazu gehört aber in besonderem Maße,dass wir diesen strategischen Konsens mit unseremtransatlantischen Partner wieder herstellen, das transat-lantische Verhältnis als wesentlichen Pfeiler der Be-kämpfung des internationalen Terrorismus wieder aufgesunde Füße stellen und es als einen gewichtigen Pfei-ler unserer Arbeit betrachten.
Hier ist sicherlich auch seitens der Vereinigten Staa-ten einiges zu leisten. Aber gerade der Bundesinnenmi-nister hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass esauch mit der Regierung Bush ein freundschaftliches undzielgerichtetes Miteinander geben kann.
Es wäre begrüßenswert, wenn sich diese Erkenntnisauch auf das eine oder andere Ressort übertragen ließe,insbesondere auf die Spitze des Bundesentwicklungshil-feministeriums.
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Stichwort Vereinte Nationen: Die Debatte um eineneutschen Sitz im Sicherheitsrat mag ja erbaulich sein,ie ist aber im Gesamtkontext, auch im Rahmen der Re-orm der Vereinten Nationen, zweitrangig. Sie hat eheras Potenzial, den Blick auf die Bedrohungs- und Pro-lemlagen unserer Bevölkerung zu verschleiern dennen Blick auf die Reform der Vereinten Nationen zu ver-tärken.In diesem Zusammenhang dürfen wir auch fragen,ie es in unserem Land eigentlich um die Identifikationit dem bestellt ist, was es zu schützen gilt. Die An-chläge auf Djerba und in Madrid am 11. März diesesahres sind mittlerweile fast aus den Köpfen unserer Be-ölkerung verschwunden, ebenso das Bewusstsein, dassnterschiedliche Wertefundamente Ausgangs- und Ziel-unkt des internationalen Terrorismus sind. So absto-end das Werte- und Weltbild fundamentalistischer undlamistischer Gruppierungen ist und so gerne das Welt-ild der Amerikaner belächelt wird, so sehr müssen wirns fragen, ob nicht unser eigenes Weltbild auch unterilligung relevanter Gruppierungen immer diffuserird. Wenn wir glauben, dass wir uns am ehesten schüt-en können, indem wir den Bedrohungsszenarien mög-chst konturlos begegnen, dann haben wir den Kampfegen den internationalen Terrorismus bereits verloren.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-mpfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksa-he 15/4165 zu dem Antrag der Bundesregierung zurortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit-räfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktionuf terroristische Angriffe gegen die USA. Der Aus-chuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/4032nzunehmen.Es wird namentliche Abstimmung verlangt. Zu dieserbstimmung liegt mir eine persönliche Erklärung derollegin Leutheusser-Schnarrenberger vor.1)Anlage 2
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Präsident Wolfgang ThierseIch bitte alle Kolleginnen und Kollegen, bei derStimmabgabe sorgfältig darauf zu achten, dass die vonIhnen verwendeten Stimmkarten Ihren Namen tragen.Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, dievorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Plätze be-setzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.Also schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zubeginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnenspäter bekannt gegeben.1)Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:Beratung der Großen Anfrage der AbgeordnetenDr. Hans-Peter Uhl, Eckart von Klaeden,Matthias Sehling, weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSURichterlich geäußerter Verdacht der Förde-rung der Schleuserkriminalität durch die Bun-desregierung– Drucksachen 15/3032, 15/3670 –Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem KollegenEckart von Klaeden das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!Seit dem Regierungsantritt der rot-grünen Koalition1998 hat die Erteilung von Visa erheblich zugenommen.In den GUS-Staaten sind seit dem Jahr 20005 Millionen Visa erteilt worden, 900 000 davon alleinevon der Deutschen Botschaft in Kiew. Aber nicht nur dieErteilung von Visa hat zugenommen, sondern in erschre-ckendem Maße auch der Missbrauch von Visa, die Visa-kriminalität. Von den deutschen Botschaften ausgestellteVisa wurden und werden zur massenhaften Einschleu-sung von Schwarzarbeitern und zur Einschleusung vonZwangsprostituierten verwandt, sie werden von Terror-verdächtigen und Terroristen zur Einreise genutzt.Diese Schleuserkriminalität findet nicht nur mit derDuldung des Auswärtigen Amtes statt, sondern sie wirdvom Auswärtigen Amt auch noch gefördert.
Das hat das Landgericht Köln Anfang dieses Jahres ineinem Gerichtsurteil gegen den Kopf einer Schleuser-bande festgestellt. Der Richter hat in dem Urteil im Hin-blick auf die Führung des Auswärtigen Amtes gesagt –ich zitiere –:IdhsedsddWisDdWAdPdwDSPphzhTgMmsdGdPafdnnuedw1) Seite 12798 D
as ist bei Erlassen unüblich. Mit diesem Hinweis aufie ministerielle Autorität sollten die Bedenken und deriderspruch aus dem eigenen Apparat des Auswärtigenmtes überwunden werden.
Durch diesen so genannten Volmer-Erlass, der nachem früheren Staatsminister benannt ist, der hier vornelatz genommen hat und auf dessen Mitarbeit die Bun-esregierung in dieser Legislaturperiode verzichtet,urde die Beweislast bei der Visaerteilung umgekehrt.as bewährte Prinzip, ein Visum zu verweigern, wennicherheitsbedenken bestehen, wurde umgekehrt in dasrinzip einer falsch verstandenen Liberalität „in dubioro libertate“, also im Zweifel für die Freiheit, wobeiier die so genannte Reisefreiheit gemeint ist. Das führteum Missbrauch der Reisefreiheit; denn diese Reisefrei-eit wurde und wird von Schleusern, Terroristen underrorverdächtigen ausgenutzt und sie ist von dem Land-ericht Köln kritisiert worden.Was ist bisher alles geschehen?
assenhaft Schwarzarbeiter sind in unser Land gekom-en. In Portugal gibt es ganze Ortschaften, in denen rus-isch gesprochen wird und in denen die Mitteilungen anen Gaststätten auf Kyrillisch stehen. Es ist ein offeneseheimnis, dass all diese Menschen durch Besuchsvisaer deutschen Botschaften in den GUS-Staaten nachortugal gekommen sind.Es gibt massenhaft Beschwerden über die Zuständen den deutschen Botschaften – aus Portugal, von derranzösischen und von der spanischen Grenzpolizei, voner Europäischen Union, aber auch vom Bundeskrimi-alamt und vom BGS. Mit deutschen Besuchsvisa sindach den Informationen des russischen Geheimdienstesnd des Bundeskriminalamtes auch zwei Tschetscheneningereist, die an der Vorbereitung und Durchführunges Anschlags auf das Moskauer Musicaltheater beteiligtaren. Auch weitere terrorverdächtige Personen reisen
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Eckart von Klaedenein. Auf die Ministervorlage für den Bundesminister desInnern werde ich nachher noch eingehen.Es gibt aber auch strafrechtliche Ermittlungsverfah-ren gegen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes wegenBestechlichkeit, wegen uneidlicher Falschaussage indem von mir angesprochenen Prozess und wegen derTeilnahme an Menschenhandel und Schleusung durchUnterlassung. Es geht uns hier nicht darum, die Mitar-beiter des Auswärtigen Amtes an den Pranger zu stellen.
Wir wollen die Strukturen verändert sehen, die dieRechtsbrüche, die in dem Urteil des Landesgerichts an-gesprochen worden sind, fördern.
In diesem Zusammenhang möchte ich einmal aus derMinistervorlage zitieren, die aus diesen Wochen stammt.Dort heißt es, dass in der letzten Zeit eine Zunahme vonUnregelmäßigkeiten in der Visumerteilungspraxis desAuswärtigen Amtes zu verzeichnen sei, die Gefahren fürdie innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschlandberge. Diese Unregelmäßigkeiten beträfen die Missach-tung der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungserfor-dernisse der nationalen Sicherheitsbehörden.
Meine Damen und Herren, wenn Terrorverdächtigenach Deutschland einreisen und Terroristen vonDeutschland aus agieren können, dann ist es nur nocheine Frage der Zeit, bis es zu Anschlägen in Deutschlandoder in anderen Schengen-Staaten kommt. Es ist gelebteSicherheitspolitik, diese Einreise von Terrorverdächtigenund von Terroristen zu verhindern.
Schon heute gibt es Hinweise unserer eigenen Sicher-heitsbehörden, dass sich Terrorgruppen zunehmend derStrukturen der Schleuserkriminalität bedienen,
um ihre Aktivisten in den Schengen-Raum und in andereLänder einzuschleusen.Wir müssen alles dafür tun, mögliche Anschläge inunserem eigenen Land und in anderen Schengen-Staatenzu verhindern. Wenn es zu einem Anschlag gekommenist, ist es zu spät. Wir müssen auch alles dafür tun – ichdenke jetzt an die Niederlande –, entsprechende rassisti-sche Gegenreaktionen zu verhindern. Deutschland bleibtnur dann ein offenes, tolerantes und ausländerfreundli-ches Land, wenn wir alles tun, um illegale Einreise undKriminalität zu unterbinden.
Wir wollen, dass Studenten und Wissenschaftler nachDeutschland kommen. Wir wollen auch, dass Touristenund Kaufleute nach Deutschland kommen. Aber wirwollen, dass diejenigen, die Frauenhandel betreiben,dass Drogen- und Waffenhändler sowie Terroristen ge-fälligst dort bleiben, wo sie sind. Wir haben mit der Kri-minalität in unserem Land schon genug zu tun.tvduesDSgSbcdckudEAüMufLdwmlsdgkdtBdEtAmgl
Wir wollen Sie mit unserer parlamentarischen Initia-ive dazu zwingen, ihre Visapolitik zu ändern und sieom Kopf wieder auf die Füße zu stellen. Wir wollen,ass bei der Visaerteilung endlich wieder die Sicherheitnd die Interessen unseres eigenen Landes und nichtine falsch verstandene Reisefreiheit im Vordergrundtehen.
ie Strukturen müssen geändert werden. Auch das, wasie bisher an Maßnahmen unternommen haben, der soenannte Chrobog-Erlass, ist nicht geeignet, dietrukturen tatsächlich zu verändern. Das haben Sie sel-er gesagt; denn Sie erklären, dass an der grundsätzli-hen Ausrichtung Ihrer Visapolitik nichts geändert wer-en soll.Seitdem wir angekündigt haben, einen Untersu-hungsausschuss zu diesem Thema einzurichten, be-ommen wir vermehrt Hinweise, Anrufe und Unterlagennd auch in der Öffentlichkeit mehren sich die Berichte,ass die Probleme an der Botschaft in Kiew leider keineinzelfälle sind. Die Einreise der Terroristen, die dennschlag auf das Musicaltheater vorbereitet haben, istber Moskau erfolgt. Ebenso gibt es Missstände ininsk, Colombo, Pristina, Algier
nd auch Tirana. Die Fälle des Visamissbrauchs und deralschen Strukturen, die nicht angegangen werden, sindegion. Wir wollen die Strukturen von Grund auf verän-ern, weil der Fisch vom Kopfe her stinkt.
Wir fordern Sie auf, Ihre Visapolitik zu ändern. Wirerden den Untersuchungsausschuss nutzen, die ge-achten Fehler und die falschen Strukturen der Visapo-itik aufzudecken und über die Öffentlichkeit dafür zuorgen, dass diese Strukturen endlich geändert werden,amit die Sicherheit unseres Landes wieder im Vorder-rund steht.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile,omme ich zurück zu Tagesordnungspunkt 19 und gebeas von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermit-elte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über dieeschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zuem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung desinsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Un-erstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristischengriffe gegen die USA bekannt. Abgegebene Stim-en 560. Mit Ja haben gestimmt 550, mit Nein habenestimmt 10, Enthaltungen keine. Die Beschlussempfeh-ung ist damit angenommen.
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Präsident Wolfgang ThierseEndgültiges ErgebnisAbgegebenen Stimmen: 560davonja: 550nein: 10JaSPDDr. Lale AkgünGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst Bahr
Doris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören BartolSabine BätzingUwe BeckmeyerDr. Axel BergUte BergHans-Werner BertlPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigGerd Friedrich BollmannKlaus BrandnerWilli BraseBernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnMarco BülowUlla BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryMarion Caspers-MerkDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinKarl DillerMartin DörmannPeter DreßenElvira Drobinski-WeißDetlef DzembritzkiSebastian EdathySiegmund EhrmannHans EichelMartina EickhoffMarga ElserPetra ErnstbergerKarin Evers-MeyerAnnette FaßeElke FernerGabriele FograscherRainer FornahlGabriele FrechenDagmar FreitagIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacAngelika Graf
Dieter GrasedieckMKGAWHBKAMNHRRDGPMGGSGIrFEKCBRJKJUDHKHADDWFKRAENVDAHHUDCCCWDEGGEDDTLonika Griefahnerstin Grieseabriele Gronebergchim Großmannolfgang Grotthausans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannlfred Hartenbachichael Hartmann
ina Hauerubertus Heileinhold Hemkerolf Hempelmannr. Barbara Hendricksustav Herzogetra Heßonika Heubaumisela Hilbrechtabriele Hiller-Ohmtephan Hilsbergerd Höferis Hoffmann
rank Hofmann
ike Hovermannlaas Hübnerhristel Hummerunhilde Irberenate Jägerann-Peter Janssenlaus-Werner Jonasohannes Kahrslrich Kasparickr. h.c. Susanne Kastnerans-Peter Kemperlaus Kirschnerans-Ulrich Klosestrid Klugr. Bärbel Koflerr. Heinz Köhler
alter Kolbowritz Rudolf Körperarin Kortmannolf Kramernette Krammernst Kranzicolette Kresslolker Kröningr. Hans-Ulrich Krügerngelika Krüger-Leißnerorst Kubatschkaelga Kühn-Mengelte Kumpfr. Uwe Küsterhristine Lambrechthristian Lange
hristine Lehderaltraud Lehnr. Elke Leonhardckhart Leweringötz-Peter Lohmannabriele Lösekrug-Möllerrika Lotzr. Christine Lucygairk Manzewskiobias Marholdothar MarkCHUPUAUMCGFDVDDHHJJDFDKGDCWRRDKMOTAAGRBDSHOHUSWHCWOKFWOBRSDDREDDaren Marksilde Mattheislrike Mehletra-Evelyne Merkellrike Mertenngelika Mertensrsula Moggichael Müller
hristian Müller
esine Multhauptranz Münteferingr. Rolf Mützenicholker Neumann
ietmar Nietanr. Erika Oberolger Orteleinz Paulaohannes Pflugoachim Poßr. Wilhelm Priesmeierlorian Pronoldr. Sascha Raabearin Rehbock-Zureicherold Reichenbachr. Carola Reimannhristel Riemann-Hanewinckelalter Riestereinhold Robbeené Röspelr. Ernst Dieter Rossmannarin Roth
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rtwin Rundehomas Sauernton Schaafxel Schäfer
udrun Schaich-Walchudolf Scharpingernd Scheelenr. Hermann Scheeriegfried Schefflerorst Schildtto Schilyorst Schmidbauer
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arsten Schneideralter Schölerlaf Scholzarsten Schönfeldritz Schösserilfried Schreckttmar Schreinerrigitte Schulte
einhard Schultz
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r. Angelica Schwall-Dürenr. Martin Schwanholzolf Schwanitzrika Simmr. Sigrid Skarpelis-Sperkr. Cornelie Sonntag-WolgastWDJDLRCRDJJJDWFHRSJUDHHAPRGPDDHLInDAJDBEBDVWHUMDCUIlPADNGEVDOPCR
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Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeDr. Richard FuchsHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisRoland GewaltEberhard GiengerGeorg GirischMichael GlosRalf GöbelDr. Reinhard GöhnerJosef GöppelPeter GötzDr. Wolfgang GötzerUte GranoldKurt-Dieter GrillReinhard GrindelHermann GröheMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundKarl-Theodor Freiherr vonund zu GuttenbergOlav GuttingHolger HaibachGerda HasselfeldtKlaus-Jürgen HedrichHelmut HeiderichUSUMJBEPRKHSDDBSIrBVSGEJJKMNHRMGDDDWDHBKVWPWDPDDESDDWDDLDMHKMDHSBrsula Heineniegfried Heliasda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskeneter Hintzeobert Hochbaumlaus Hofbauerubert Hüppeusanne Jaffker. Peter Jahrr. Egon Jüttnerartholomäus Kalbteffen Kampetermgard Karwatzkiernhard Kasterolker Kauder
erlinde Kaupackart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerristina Köhler
anfred Kolbeorbert Königshofenartmut Koschykudolf Krausichael Kretschmerünther Krichbaumr. Günter Kringsr. Martina Krogmannr. Hermann Kueserner Kuhn
r. Norbert Lammertelmut Lamparbara Lanzingerarl-Josef Laumannera Lengsfelderner Lensingeter Letzgusalter Link
r. Klaus W. Lippold
atricia Lipsr. Michael Lutherorothee Mantelrwin Marschewski
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olfgang Meckelburgr. Michael Meisterr. Angela Merkelaurenz Meyer
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enry Nitzscheichaela Nolllaudia Nolteünter Nooker. Georg Nüßleinranz Obermeierelanie Oßwaldduard Oswaldita Pawelskir. Peter Pazioreklrich Petzoldr. Joachim Pfeifferibylle Pfeiffereatrix Philipponald Pofallauprecht Polenzaniela Raabhomas Rachelans Raidelr. Peter Ramsauerelmut Raubereter Rauenhrista Reichard
atherina Reicheans-Peter Repniklaus Riegertr. Heinz Riesenhuberannelore Roedelranz-Xaver Romereinrich-Wilhelm Ronsöhrr. Klaus Roser. Norbert Röttgenr. Christian Ruckolker Rühelbert Rupprecht
eter Rzepkar. Wolfgang Schäublendreas Scheuereorg Schirmbeckngela Schmidernd Schmidbauerhristian Schmidt
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r. Andreas Schockenhoffr. Ole Schröderwe Schummerilhelm Josef Sebastianorst Seehoferurt Segneratthias Sehlingeinz Seifferternd Sieberthomas Silberhornohannes Singhammerhristian von Stettenero Storjohannndreas Stormax Straubingeratthäus Streblhomas Strobl
ena Strothmannichael Stübgenntje Tillmanndeltraut Töpferr. Hans-Peter Uhlrnold Vaatzolkmar Uwe VogelAGMPGInAKMWDEWWWBDKMVCBMGAEDJFDHKAAPUTMJFRMUDAJKWCFSCKCIrRAWPUSJMDD
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 139. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2004 12801
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m die Vergabepraxis beieutschen Auslandsvertre-roße Anfrage der CDU/sich vordergründig mit mit dem reißerischen Ti-dacht der Förderung dere Bundesregierung“ da-ÜNDNIS 90/DIE“ unterstrichen!)rer Antwort von Anfangzeugend dargelegt, dassbenen Vorwürfe und Un-ind.CstgARndAdDmSU, aufgrund eigener Meritenchen im Lande zu gewinnen,ive Kampagne, von der Sie hend etwas hängen bleiben.
position, so wie es unserrbärmlich zu kennzeich-dem BÜNDNIS 90/EN) geht, das Spannungsfeld,iel komplexer, als es dielt ist nicht so simpel, wieeinung nach wären dieahams Schoß, wenn nurnach Deutschland reisen
im Verantwortungsbereich des Regierungshandelnsdurch die Kontrollmittel der parlamentarischen Demo-kratie zu hinterfragen. Wenn Ihr Zwischenruf in dieseRichtung ging, stimmen wir überein, Herr Kollege.ImlAupcdßcDbesVrA
n den Einzelfällen, in denen es in der Tat zu Unregel-äßigkeiten bei der Visaerteilung durch deutsche Aus-andsvertretungen gekommen ist, ist das Auswärtigemt diesen Vorwürfen nachgegangen, hat die Abläufend Verfahrensweisen geändert und – wo erforderlich –ersonalrechtliche Konsequenzen gezogen.Nun hat die Union angekündigt, einen Untersu-hungsausschuss einrichten zu wollen, der nochmalsen Fragen nachgehen soll, die in den Kleinen und Gro-en Anfragen sowie zahllosen schriftlichen und mündli-hen Fragen bereits erschöpfend beantwortet wurden.uktus und Wortwahl der Großen Anfrage machen da-ei dem geneigten Leser deutlich, worum es der Unionigentlich geht und weshalb der Untersuchungsaus-chuss eingerichtet werden soll. Thematisch ist dieserorgang im Verantwortungsbereich des bei der Bevölke-ung seit Jahren beliebtesten deutschen Politikers, desußenministers Joschka Fischer, angesiedelt. Da Sie es
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Detlef Dzembritzkidürften. Dieses Weltbild richtet aber außenpolitischenSchaden an und das wissen auch die klugen Außenpoliti-ker der CDU, die sich in dieser Frage erstaunlich zurück-halten.
Die eifrigen Rechts- und Innenpolitiker der Oppositionhingegen verzetteln sich in juristischen Detailfragen undverlieren sich in Spitzfindigkeiten.
Das ist ein weiterer Beweis, Kolleginnen und Kollegenvon der Opposition, insbesondere von der CDU/CSU,dass Sie immer noch nicht zu einem konstruktiven Poli-tikstil zurückgefunden haben. Mit Ihrem Verhalten wer-den Sie dem Problem, um das es hier geht, mit Sicher-heit nicht gerecht.Worum geht es eigentlich? Deutschland ist ein weltof-fenes und gastfreundliches Land, das kein Interesse da-ran hat, sich abzuschotten. Die Deutschen reisen selbstgern und oft. Als Gastgeber und Geschäftsleute habenwir natürlich ein großes Interesse am regelmäßigen per-sönlichen Austausch mit dem Ausland, sei es aus wirt-schaftlichen, kulturellen, touristischen oder familiärenGründen. Wir sind stolz auf diese offene Gesellschaft,der wir uns alle verpflichtet fühlen. Gerade diese Offen-heit macht die Attraktivität Deutschlands und auch derLänder der Europäischen Union aus. Die Länder, die derEU kürzlich beigetreten sind, wurden nicht nur durch dieHoffnung auf materielle Vorteile in diese EU gezogen,sondern auch durch die Anziehungskraft der freiheitli-chen Gesellschaft motiviert. Diese Entwicklung ist einGlücksfall für Europa, an den wir noch vor 15 Jahrennicht zu denken gewagt hätten.
Aber es gibt auch eine Kehrseite dieser glänzendenMedaille. Diese Offenheit birgt Risiken für die Sicherheitunseres Landes. Wir müssen den Bedürfnissen unsererinneren Sicherheit Rechnung tragen und den zahlreichenVersuchen der illegalen Einreise nach Deutschland undEuropa effektiv begegnen. Diese Grundproblematik hates schon immer gegeben. Nach dem 11. September 2001ist jedoch das Sicherheitsbedürfnis auch in Europa grö-ßer geworden. Abstriche an der Sicherheit der Bürgerin-nen und Bürger in unserem Lande dürfen nicht gemachtwerden. Missbrauch und Korruption im Zusammenhangmit der Erteilung von Visa müssen entschlossen be-kämpft werden. Auch für diese Ziele steht die Bundesre-gierung mit ihrer Politik ein.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Visastel-len der deutschen Botschaften und Generalkonsulate ar-beiten genau an dieser Schnittstelle, in dem Spannungs-feld von Sicherheitsbelangen auf der einen und demWunsch nach unbürokratischen Verfahren und Liberali-täVmkbnadteSgdwiswmecstuetdAwSistäzrdAswhteEtdgOwRwrH
r wird aber, sehr geehrter Herr Grindel, die Bedienste-en in den Visastellen pauschal unter Druck setzen unden Ermessensspielraum für sachgerechte Entscheidun-en einschränken.
b es der Wirtschaftsflügel der CDU wohl begrüßenird, wenn Konsularbeamte Angst haben, Bona-fide-egelungen für Geschäftsleute zu treffen? Diese Frageerden Sie beantworten müssen.
Wenn sich die Visumpolitik nach dem Amtsantritt derot-grünen Bundesregierung der Weltoffenheit undumanität verpflichtet gefühlt und dieser Grundsatz
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Detlef Dzembritzkiauch die Praxis der Ausländervertretungen geprägt hat,entspricht das einem modernen Deutschlandbild. Die in-ternationale Lage hat allerdings inzwischen eine Reiheneuer Herausforderungen für unsere Sicherheit hervor-gebracht – wir haben in der vorherigen Debatte geradeentsprechende Entscheidungen getroffen, liebe Kollegin-nen und Kollegen – und ich gehe davon aus, dass wiralle bereit sind, uns diesen neuen Herausforderungen zustellen.Selbstverständlich hat diese Situation auch Anlass ge-geben, die Praxis immer wieder zu überprüfen. Die Visa-vergabepraxis ist der Kontinuität verpflichtet und sie istimmer wandlungsfähig geblieben. Das Auswärtige Amthat vor kurzem mit einer neuen internen Regelung eineAnpassung vorgenommen. Das alles hat jedoch nichtsmit Fällen organisierter Kriminalität und illegalenSchleusertums zu tun, mit denen sich deutsche Gerichteauseinander setzen müssen. Diese Machenschaftendurch bessere europaweite Vernetzung im Schengen-Raum zu bekämpfen, muss unser gemeinsames Ziel sein.
Sicherheit und Freiheit dürfen dabei nicht als Gegensatzverstanden werden, sondern müssen gemeinsame Auf-gabe und Verpflichtung sein.Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich erteile das Wort Kollegen Ernst Burgbacher, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieVisastellen der deutschen Auslandsvertretungen sind dieAußenposten der deutschen Sicherheitspolitik und schondeshalb ist das, worüber wir heute reden, sehr wichtig.Eines ist doch völlig unstrittig: Wenn es in diesem Be-reich zu Unregelmäßigkeiten oder Affären kommt oderwenn politisch zweifelhafte Vorgaben bestehen, mussdiesen nachgegangen werden.
Wenn es nur den Verdacht von Schleuserkriminalität,wie ihn größere deutsche Magazine melden, gibt, mussauch dem nachgegangen werden.
Deshalb sind wir den Kolleginnen und Kollegen derUnion dankbar, dass sie das Thema, das wir auch im In-nenausschuss sehr ausführlich erörtert haben, in die Öf-fentlichkeit gebracht haben.Es ist keine Frage: Individuelle Verfehlungen und An-sätze zu kriminellen Handlungen müssen verfolgt undgeahndet werden. Natürlich muss aber auch gefragt wer-den: Stimmen die Voraussetzungen? Sind eigentlich dieVnDw–HacDdsmsladhdllndudEalUkddzvgRTun
azu sage ich für die FDP-Fraktion: Der Volmer-Erlassar nicht in Ordnung.
Ich habe Ihrer Großen Anfrage sehr wohl entnommen,err Koschyk, dass Sie in Bezug auf den Volmer-Erlassn jeder Stelle dazugeschrieben haben: auf ausdrückli-he Weisung des Bundesaußenministers Joseph Fischer.ass der Minister selber das zu verantworten hat, stehtoch völlig außer Frage.
Der Grundsatz „in dubio pro libertate“ war wohl tat-ächlich ein Einfallstor für Fehlentscheidungen. Manuss im Zusammenhang mit diesem Grundsatz berück-ichtigen, wie der Begriff Libertas, also Freiheit, ausge-egt wird.
Freiheit heißt nicht, etwas beliebig zu erleichtern unduf Kontrolle zu verzichten. Freiheit bedeutet vielmehr,ie Freiheit zu schützen. Das gilt auch für unsere Frei-eit hier. Deshalb sind umfassende Kontrollen notwen-ig. Das steht außer Frage. Deshalb war der Volmer-Er-ass falsch und es ist gut, dass er korrigiert wurde.
Als Reaktion auf die Kritik folgte der Chrobog-Er-ass, der das Prinzip „in dubio pro libertate“ durch Leitli-ien mit klaren Kriterien ersetzt. Das begrüßen wir aus-rücklich. Wir begrüßen, dass der Erlass geändert wurdend dass ein Visahandbuch angekündigt worden ist, mitem den Verunsicherungen in den Auslandsvertretungeninhalt geboten werden soll. Denn eines ist klar: Die Be-mten leisten in diesen Vertretungen eine unwahrschein-ich schwere Arbeit.
m diese Arbeit bewältigen zu können, müssen sie mitlaren Regelungen und Richtlinien ausgestattet sein. An-ernfalls ist das nicht zu schaffen. Im Übrigen heißt es,ass das Auswärtige Amt Schwierigkeiten hat, Beamteu finden, die bereit sind, sich in kritische Visastellenersetzen zu lassen. Dabei ist das deutsche Parlamentefordert, sich für die Erstellung von Kriterien undichtlinien einzusetzen, die den Beamten vor Ort ihreätigkeit erleichtern. Angesichts des Chrobog-Erlassesnd des angekündigten Handbuchs haben wir die Hoff-ung, dass sich einiges ändert.
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Ernst BurgbacherAllerdings warne ich davor, in das Gegenteil zu ver-fallen. Wir alle wissen: Das ist ein hoch sensibler Be-reich. Die Sicherheit im Inneren wie auch an den Gren-zen ist häufig eine Gratwanderung. Niemand in diesemParlament sollte in den Debatten versuchen, den Bürge-rinnen und Bürgern vorzugaukeln, eine Maßnahme al-leine reiche aus, um alle Probleme zu lösen.
Schließlich wird es immer wieder kritische Fälle ge-ben. Wir sollten uns dazu bekennen, dass eine offene undfreie Gesellschaft auch gewisse Risiken in Kauf nehmenmuss. Wenn eine freie Gesellschaft beginnt, einenSchutzzaun um alle Gefahrenherde zu ziehen, dann gehtdie Freiheit sehr schnell verloren. In diesem Konflikt le-ben wir. Seit dem 11. September und dem Beginn desweltweiten Terrorismus leben wir mit diesem Konfliktwesentlich bewusster.Dem müssen wir entgegensetzen, dass wir sehr vielstärker auf Weltoffenheit angewiesen sind als viele an-dere Länder. Wir sind das Land mit den stärksten wirt-schaftlichen Verflechtungen. Deshalb braucht auch un-sere Wirtschaft Offenheit. Wir wollen die kulturelleOffenheit und wir wollen den Tourismus in Deutschlandfördern. Deshalb können wir nicht einfach die Grenzenabschotten und niemanden mehr hereinlassen. Das wärefür unser Land verheerend.In diesem Konflikt leben wir. In der heutigen Debattegeht es darum, wie wir diesen Konflikt auflösen können.Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse. Wir wol-len nicht, dass – wie in den USA – die Grenzen zum Teildichtgemacht werden, mit allen Folgen, die aus den USAbekannt sind. Zum Beispiel sind große Veranstaltungenund Kongresse inzwischen abgesagt worden. Die Unter-nehmen haben Schwierigkeiten, Mitarbeiter in die USAzu entsenden, weil diese kein Visum erhalten. Das kannkeine Lösung sein.
Deshalb stellt sich die Frage: Was können wir tun?
Wir begrüßen den Chrobog-Erlass, aber wir wissenauch, dass sein Erfolg sehr stark davon abhängt, wie sichseine Umsetzung gestaltet.Damit sind wir bei der Besetzung unserer Konsulate.Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Die FDP hatte imHaushaltsausschuss mehrfach den Antrag gestellt, dieRechts- und Visaabteilungen von globalen Stellenkür-zungen auszunehmen. Dieser Antrag wurde zweimal ab-gelehnt. Erst im dritten Anlauf waren wir erfolgreich.Die erwähnten Abteilungen wurden von Stellenkürzun-gen ausgenommen. Das war sicherlich absolut notwen-dig; denn wenn man die Probleme betrachtet, kommtman zu dem Schluss, dass dort keine Stellenkürzungenvorgenommen werden dürfen. Anderenfalls könnten Sieso viel erlassen, wie Sie wollten, Sie könnten nichtsdurchsetzen.DsdAztrKDAdssDlrseEswrwdeAzbiWtsMAzsSurAp
eshalb bitte ich Sie, für klare Personalstrukturen zuorgen. Eventuell muss aber intern umgeschichtet wer-en, um die notwendige Stärke zu gewährleisten.Die Union hat vorgeschlagen, die Kompetenzen vomuswärtigen Amt zum Bundesministerium des Innernurückzuverlagern. Hierzu erkläre ich für meine Frak-ion ganz klar: Das ist der falsche Weg. Wenn ich michecht erinnere, war es Hans-Dietrich Genscher, der dieompetenzen auf das Auswärtige Amt übertragen hat.ort sind sie richtig angesiedelt; denn das Auswärtigemt ist für die Botschaften und die Konsulate zuständig.Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Sätze zuer geplanten Einsetzung eines Untersuchungsaus-chusses sagen. Herr Dzembritzki, ich finde es mutig, zuagen, ein Untersuchungsausschuss werde politischeinge verhindern und damit sei vieles nicht mehr mög-ich. Das kann es nun wirklich nicht sein. Allerdingsäume ich ein, dass wir im Augenblick noch skeptischind. Wenn überhaupt, hätte schon vor einem halben Jahrin Untersuchungsausschuss eingesetzt werden müssen.r kommt jetzt reichlich spät. Da Untersuchungsaus-chüsse die schärfste Waffe sind, die das Parlament hat,erden wir in der FDP-Bundestagsfraktion sorgsam da-über beraten, wie wir uns zu diesem Punkt verhaltenerden. Tatsache ist zwar, dass aufgeklärt werden muss,ass die Strukturen verändert werden müssen und dasss eine vernünftige Personalausstattung geben muss.ber es darf in diesem Zusammenhang nicht alles einbe-ogen und verschärft werden. Unser Land muss offenleiben. Das Motto der Fußballweltmeisterschaft 2006n Deutschland lautet: „Die Welt zu Gast bei Freunden.“ir müssen alles tun, dass wir ein weltoffenes, sympa-hisches und gastfreundliches Land bleiben. Daran las-en wir keinerlei Abstriche machen.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort der Staatsministerin Kerstin
üller.
K
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heuteur Diskussion stehende Angelegenheit beschäftigt unschon etwas länger.
eit Februar dieses Jahres versuchen Sie, meine Damennd Herren von der Union, einen Skandal zu konstruie-en. Ich sage aber sehr deutlich: Es gibt keinen Skandal.
uch heute, neun Monate später und nach vielen hundertarlamentarischen Anfragen,
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Staatsministerin Kerstin Müller
bestätigt sich, was von Anfang an galt: Die Bundesregie-rung betreibt eine verantwortungsvolle, sachgerechteund rechtsstaatliche Visumpolitik. Das haben wir in derAntwort der Bundesregierung auf Ihre Große Anfragesehr ausführlich dargelegt.
Ihre Behauptung, zwischen dem Erlass des Auswärti-gen Amtes zur Visumpraxis vom März 2000 und denkriminellen Machenschaften von Schleusern – diese be-schäftigen inzwischen in der Tat Gerichte und Staatsan-wälte – bestehe ein Zusammenhang, hat mit der Realitätnichts, aber auch gar nichts zu tun. Das ist reine Propa-ganda.
Der vorläufige Höhepunkt – ich sollte vielleicht bessersagen: Tiefpunkt – dieser Propaganda ist Ihr Beschlusszur Beantragung der Einsetzung eines Untersuchungs-ausschusses. Ich kann Ihnen nur versichern, dass wirdem sehr gelassen entgegensehen, weil wir wissen, dassan Ihren Behauptungen einfach nichts dran ist. Die Artund Weise, wie die Opposition dieses Thema behandelt,zeigt nur, in welch verzweifelter Lage sie sich befindet.Angesichts des Meinungschaos in der Union in zentralenPolitikbereichen wie zum Beispiel der Gesundheitspoli-tik – dort soll es ja bei Ihnen zu einer Einigung gekom-men sein; wir werden sehen –
suchen Sie in Ihrer Verzweiflung nach einem Thema, dasvon Ihrer schlechten Lage ablenken soll. Die „FAZ“ hatdas in den letzten Tagen sehr schön dargestellt: Zunächsthaben Sie versucht, einem Untersuchungsausschuss überdie LKW-Maut das Wort zu reden. Das Thema Kosovowar auch einmal Gegenstand der Überlegungen. Jetzthaben Sie sich eines der am umfangreichsten dokumen-tierten Themen der gesamten Legislaturperiode ausge-sucht.Was wollen Sie damit eigentlich noch aufklären? Inunzähligen Fragerunden, an denen ich selbst beteiligtwar, hat die Bundesregierung ganze Bände von Antwor-ten übermittelt. Ich erwähne noch einmal die zuletzt ge-gebene 25-seitige Antwort auf die Große Anfrage, mitder wir auf Ihre Fragen noch einmal minutiös und imDetail geantwortet haben. Wollen Sie etwa behaupten,dass diese Bände von Antworten auf Ihre Fragen nichtausreichen?
lasMötSafnaftVr–eBmDNzooRHdsddDm4tkGaPddu
it den populistischen Parolen, die Bundesregierungffne unser Land für Straftäter, Schwarzarbeiter, Prosti-uierte und Terroristen in rechtswidriger Weise, wollenie die Angst der Menschen einfach für Ihre Zweckeusnutzen.
Sie meinen, dass sich das Thema Visumverfahren da-ür eignet. Hier liegen Sie falsch. Sie vergessen dabei ei-en sehr wichtigen Punkt: Sie selbst und Abgeordneteller Fraktionen sind es, die sich in unzähligen Einzel-ragen an das Auswärtige Amt oder an die Auslandsver-retungen wenden und sich für eine „großzügigereisumerteilung“ oder für eine „nachträgliche Abände-ung einer Visumversagung“ einsetzen.
Sie brauchen gar nicht so laut zu schreien. Ich habeine der Listen mit. Dabei geht es ausschließlich um dieotschaft in Kiew. Die entsprechenden Anfragen kom-en fast nur aus Ihrer Fraktion.
iese ganze Liste ist lang und enthält viele prominenteamen. Ich kann Ihnen ein paar Beispiele geben, undwar nur in Bezug auf die Botschaft in Kiew: der Abge-rdnete Uhl, der Abgeordnete Austermann, der Abge-rdnete Manfred Carstens, der Abgeordnete Hansaidel, der werte Kollege Eduard Oswald, der Kollegeerr Hinsken, Frau Hasselfeldt, Frau Böhmer. Ich williese Namen nicht alle aufzählen. Wir haben im Unter-uchungsausschuss noch ausreichend Zeit dazu, uns mitiesen Anfragen zu beschäftigen; denn auch sie werdenann auf den Tisch des Hauses kommen.
Ich möchte hier nun noch folgendes Beispiel nennen:er Herr Kollege Hinsken hat sich beim Bundesaußen-inister Fischer sogar persönlich dafür eingesetzt, dass5 indische Bäcker, die vom Generalkonsulat Chennaieilweise kein Visum zur Einreise nach Deutschland be-ommen haben, doch noch ein solches Visum erhalten.
enerell ist das eigentlich in Ordnung. Wir haben dasuch geprüft. Herr Hinsken hat dabei aber eine eigenerüfung der Rückkehrbereitschaft angestellt und ist zuem großartigen und unzweifelhaften Schluss gelangt,ass die Rückkehrbereitschaft in allen 45 Fällen vorliegtnd dass die Visa daher entgegen der Auffassung des
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Staatsministerin Kerstin MüllerGeneralkonsulats erteilt werden müssen. Derlei Fällekann ich Ihnen viele nennen.
An dieser Stelle möchte ich auch Folgendes einmaldeutlich sagen: Ich möchte hier die vielen Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter in den Auslandsvertretungen, dieunter großem Druck und zum Teil schwierigsten Lebens-bedingungen ihren Dienst versehen, wirklich ausdrück-lich in Schutz nehmen.
– Es lässt tief blicken, dass Sie sagen: „Um die geht esdoch überhaupt nicht!“ Der Druck, dem sich die Be-diensteten ausgesetzt sehen, kommt – das muss ich lei-der sagen – zum Teil auch von Ihnen.
Ich bedauere das sehr.Ich gebe Ihnen hier noch folgendes Beispiel, das michselbst bei der Recherche ziemlich erschreckt hat. DieDeutsche Botschaft Kiew berichtete im September die-ses Jahres, dass sich ein bayerischer Kollege per Tele-fon Einfluss auf die Entscheidung der Visastelle ver-schaffen wollte. Man kann lesen, dass der Kollege derBediensteten offensichtlich damit drohte, sie „beruflichplatt zu machen“, wenn sie das von ihm gewünschte Vi-sum nicht erteilt.
– Das alles werden wir im Untersuchungsausschuss aufden Tisch legen.Das ist wirklich starker Tobak. Es steht im krassenGegensatz zu dem, was man aus Bayern sonst zur Ein-reise von Ausländern hört. Das zeigt erneut, mit welcherScheinheiligkeit Sie an die Sache herangehen.
Die deutsche Visumpolitik – das sind rund 3 Millio-nen Einzelfallentscheidungen, die unsere Bedienstetenin fast 200 Botschaften und Generalkonsulaten pro Jahrzu treffen haben. Wenn es dabei in Einzelfällen zu Feh-lern oder auch zu Missbrauch kommt – das ist nicht aus-zuschließen; das kann niemand ausschließen, auch nichtmit noch so guten Erlassen –, so gehen wir dem wie inder Vergangenheit immer und unverzüglich nach undsorgen, wenn nötig, für Abhilfe.Fakt ist: Die Fälle, mit denen wir es in der Vergangen-heit zu tun hatten, über die wir uns in den Fragestundenauseinander gesetzt haben, sind nicht auf den besagtenErlass zurückzuführen, sondern allenfalls auf das so ge-nannte Reisebüroverfahren und das Problem der Reise-schutzversicherungen. So wurde die 1995 unter derufnhbf–ngndntVgtnruAFlWtdkBlvaSgfsdsGsfIEfsdhum
Bei den Verdachtsfällen in der Botschaft Tiranadazu sind die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungenoch nicht abgeschlossen – hat die Bundesregierung um-ehend auf Missbrauchshinweise reagiert.All dies zeigt doch nur, in welch schwierigem Span-ungsfeld – der Kollege Burgbacher von der FDP hatarauf hingewiesen; auch Sie wissen es; sonst gäbe esicht so viele Anfragen von Ihnen – die Auslandsvertre-ungen und die Einzelentscheider bei der Erteilung einesisums stehen.Einerseits hat unser Land ein Interesse an regelmäßi-em Austausch – das teilen alle hier im Hause –, an kul-urellem Austausch, an wirtschaftlichem Austausch – ichenne erneut die Bäckerinnung aus Indien; ich finde esichtig, dass man in solchen Fällen noch einmal prüftnd den Dingen nachgeht –, auch in humanitären Fällen.uch dazu gibt es viele Briefe aus Ihren Fraktionen; dieälle lasse ich dann gern sehr gründlich, auch persön-ich, noch einmal überprüfen.
ir wollen im internationalen Wettbewerb um die bes-en Köpfe mithalten. Alles das teilen wir doch miteinan-er.Andererseits ist völlig klar – auch darüber haben wireinen Dissens –, dass wir den Sicherheitsbelangen derundesrepublik gerecht werden müssen. Deshalb durch-äuft jeder Visumantrag ein ganz strenges Sicherheits-erfahren, ein ganz strenges Prüfverfahren. Es gibt dieutomatisierte Registeranfrage beim AZR und beimchengen-Informationssystem, zwingende Versagungs-ründe, die wir durch die Antiterrorgesetzgebung einge-ührt haben, das strenge Prüfverfahren bei Personen auso genannten Risikostaaten. Wenn da etwas vorliegt, istas Visumverfahren sozusagen abgeschlossen; dannteigt man gar nicht mehr in die Abwägung ein.Das zeigt noch einmal Folgendes: Die rechtlichenrundlagen für die Visumentscheidungen waren undind das deutsche Ausländerrecht, das Schengen-Durch-ührungsabkommen und die Gemeinsame Konsularischenstruktion. Auch der von Ihnen immer wieder kritisierterlass vom März 2000 stellt bereits in der Einleitungest, dass das die rechtlichen Grundlagen sind und dassie verbindlich und unverrückbar sind.Das gilt auch für den neuen Erlass vom 26. Oktoberieses Jahres. Wir haben in diesem Runderlass beste-ende Regelungen zur Visumvergabe zusammengefasstnd an die veränderte Sicherheitslage angepasst – im-erhin gab es den 11. September 2001; das wurde hier
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Staatsministerin Kerstin Müllererwähnt –, wobei ich deutlich sage: Von einem Kurs-wechsel in unserer Visumpolitik kann keine Rede sein.
Bei diesem Erlass geht es darum, eine Gesamtschau derErlasse aus den letzten Monaten zu haben, eine Anpas-sung vorzunehmen,
um insbesondere der gewachsenen Terrorismusbedro-hung Rechnung zu tragen, nicht mehr und nicht weniger.
Ich sage zum Schluss noch einmal: Die zahlreichenEingaben aus allen Fraktionen zeigen, dass allen hier die-ses schwierige Spannungsfeld, in dem die Einzelentschei-der stehen, bekannt ist. Jedem, der darüber nachdenkt undVisumpolitik gestaltet – die frühere Bundesregierung ge-nauso wie unsere –, ist dieses Spannungsfeld bekanntund dementsprechend werden auch die Erlasse verfügt.Umso bedauerlicher finde ich es wirklich, dass sichdie Unionsfraktion hier nun seit neun Monaten als Groß-inquisitor geriert und eine sachbezogene Diskussion indieser Frage vermeidet. Nachdem das alles ausführlichbehandelt wurde, wäre es jetzt an der Zeit, liebe Kolle-ginnen und Kollegen,
dass Sie hier zur Politikfähigkeit in diesem Bereich zu-rückfinden, nicht zuletzt im Interesse der Bediensteten inunseren Visastellen, die wirklich unter einem großenDruck stehen. Da Sie sich für den Untersuchungsaus-schuss entschieden haben, habe ich leider den Eindruck,dass Sie einen anderen Weg gehen wollen. Ich bedaueredas und ich würde mir wirklich eine Versachlichung derAuseinandersetzung wünschen – im Interesse aller undim Interesse der Bundesrepublik.
Das Wort hat nun der Kollege Hartmut Koschyk für
die CDU/CSU.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Frau Staatsministerin Müller, ich weiß nicht, was An-
träge bzw. Briefe von Kolleginnen und Kollegen aller
Fraktionen bzw. mein Brief an die Deutsche Botschaft in
Kiew, in dem ich mich dafür eingesetzt habe, dass Ange-
hörige einer kirchlichen Einrichtung aus der Ukraine zu
einer Begegnungsveranstaltung mit einer kirchlichen
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ch möchte einmal wissen, was das eine mit dem ande-
en zu tun hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es geht nicht umie Beamtinnen und Beamten, die in den Rechts- undonsularabteilungen deutscher Botschaften und Konsu-ate eine schwierige Aufgabe zu leisten haben. Wir wer-en im Untersuchungsausschuss viele Briefe präsentie-en können, in denen sich Beamtinnen und Beamteagegen gewehrt haben, den Fischer/Volmer-Schleuser-rlass anzuwenden. Sie haben nämlich gesehen, dassieser Erlass geltendes Recht verbiegt.
iesen Beamten wollen wir Mut machen, indem wir da-ür sorgen, dass man wieder zu einer rechtmäßigen Visa-olitik in Deutschland zurückkehrt.
Frau Staatsministerin, Sie können auch durch noch soiel Reden und Vergießen von Tränen nicht davon ablen-en, dass das Visaregime, für das Außenminister Fischernd Bundesinnenminister Schily die Verantwortung tra-en, ein Sicherheitsrisiko für unser Land darstellt.
uch der angebliche neue Erlass und die vorgeblicheinladerdatei sind ein Täuschungsversuch. Die Wahrheitst: Es bleibt alles beim Alten. Keineswegs ist nämlicher Fischer/Volmer-Schleusererlass in sein Gegenteilerkehrt worden und die geplante Einladerdatei ist nichtsehr als ein botschaftsbezogener Zettelkasten. Hiermitann man organisierter Schleuserkriminalität und terro-istischen Bestrebungen nicht beikommen. Wir müssener Bevölkerung sagen, dass bis heute nicht sicherge-tellt ist, dass keine Visa mehr an terrorverdächtige Aus-änder erteilt werden.
Es geht in dieser Debatte um einen der größten aus-änderrechtlichen Skandale in der Bundesrepublikeutschland.
ass Gerichte wie das Landgericht Köln in einem hin-nglich bekannten Strafurteil aus diesem Jahr feststellenüssen, die Bundesregierung habe in bisher unbekanntem
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Hartmut KoschykAusmaß Schleuserkriminalität gefördert, und dass derRichter in seiner Urteilsbegründung von einem – ich zi-tiere – „kaltem Putsch der politischen Leitung des Aus-wärtigen Amtes gegen die bestehende Gesetzeslage“ ge-sprochen hat,
ist doch ein einmaliger Vorgang in der BundesrepublikDeutschland.
Dass Sie die Chuzpe haben, dem deutschen Volk unddem Parlament vorzugaukeln, Sie hätten die Sicherheits-probleme bei der Visaerteilung im Griff, ist bemerkens-wert. Nach außen hin vielleicht noch gut geschminkt,aber nach innen löchrig wie ein Schweizer Käse – das istdas treffende Bild für den Zustand, wie die Visaerteilungim Auswärtigen Amt geregelt ist; und das wird vomBundesinnenminister schweigend hingenommen.
Die Bundesregierung hat entgegen ihren Behauptun-gen nach dem 11. September 2001 weder ihre Visapoli-tik grundlegend geändert noch nach dem Kompromissüber das neue Zuwanderungsgesetz den Fischer/Volmer-Erlass im Kern geändert. Nach dem11. September 2001 galt dieser Erlass weiter. Auch dieneuen Sicherheitsanforderungen des Zuwanderungsge-setzes haben Sie bis heute durch Erlasse politisch nichtumgesetzt. Es stellt doch eine Minimalregelung dar,Frau Staatsministerin Müller, wenn in einem neuen Er-lass darauf hingewiesen wird, dass die Bearbeiter diegeltende Rechtslage zu prüfen und anzuwenden haben.Was sollten die denn vorher tun, wenn Sie sie jetzt auf-fordern, zur geltenden Rechtslage zurückzukehren?
Der Fischer/Volmer-Erlass ist nicht in sein Gegenteilverkehrt worden, denn es fehlt die hierfür erforderlicheAnweisung, dass bei Zweifeln an dem Vorliegen der Vo-raussetzungen für die Visumerteilung der Visumantraggrundsätzlich abzulehnen ist. Stattdessen ist die grundle-gende Zweifelsfallregelung aus dem Fischer/Volmer-Er-lass beibehalten worden. Denn auch nach der neuen Er-lasslage liegt eine „Interessengefährdung Deutschlands“dann vor, „wenn die gegen eine Visumserteilung spre-chenden Gründe die Argumente für das Erfüllen der Vi-sumserteilungsvoraussetzungen überwiegen“.Das heißt, Sie haben ganz wenig geändert; denn frü-her hat es geheißen: „wesentlich überwiegen“. Darausfolgt: Bei Gleichgewichtigkeit der Argumente für undgegen die Visumerteilung kann auch heute noch das Vi-sum erteilt werden. Das ist völlig unzureichend.
Wir braucheneduddertveddVdWsssrtsrnhdgBEdtdvdhwznndgWtfdm
in zielgenaues, nämlich Sicherheitsrisiken ausschalten-es, und zugleich auch den wirtschaftlichen Interessennseres Landes Rechnung tragendes Visaregime. Es istoch machbar – das ist eine Organisationsfrage –, dasser Wirtschaftsvertreter schnell und unbürokratisch ininem beschleunigten Verfahren sein Visum erhält, wäh-end der mutmaßliche Terrorist oder Kriminelle sorgfäl-ig überprüft und das Visum bei Sicherheitsbedenkenersagt wird.
Ich nenne Ihnen ein gutes Beispiel. Es gibt Länder mitinem großen Wirtschaftsinteresse an unserem Land, woie Außenhandelskammern Vorinterviews mit Personen,ie ein Visum möchten, führen, diese mit einer gewissenorüberprüfung aufbereiten und an das entsprechendeeutsche Konsulat zu dessen Entlastung weiterleiten.arum gibt es das nur in einzelnen Botschaften in Zu-ammenarbeit mit den Wirtschaftskammern? Sie hättenchon längst darauf kommen können, solchen guten Bei-pielen zu folgen und das flächendeckend durchzufüh-en.
Ich möchte Ihnen noch zwei weitere Vorschläge un-erbreiten, wie man das Visaregime weltoffen und wirt-chaftsfreundlich ausgestalten und zugleich Sicherheits-isiken ausschalten kann. Wir meinen, dazu ist eineationale Einlader- und Warndatei aller Ausländerbe-örden mit Recherchebefugnissen der Sicherheitsbehör-en dringend überfällig; wir haben sie schon lange vor-eschlagen. Eine Informationssammlung einer einzelnenotschaft, wie Sie jetzt vorschlagen, reicht nicht aus.ine zentrale Sammlung aller Daten und die Vernetzunger Informationen, zum Beispiel beim Bundesverwal-ungsamt in Köln, ist notwendig.Hierzu haben wir im Rahmen der Verhandlungen überas Zuwanderungsgesetz einen konkreten Gesetzentwurforgelegt. Der Bundesinnenminister hat sich darüber inen Verhandlungen anfangs noch lustig gemacht. Jetztaben er und auch der Bundeskanzler uns zugesagt, dass,enn nicht auf europäischer Ebene bis 2006 eine solcheentrale Einladerdatei eingerichtet wird, dies auf natio-aler Ebene geschieht. Dann lassen Sie uns doch jetzticht mehr länger warten. Unser Gesetzentwurf liegt aufem Tisch. Wir bieten Ihnen konstruktive Verhandlun-en an, um jetzt schnell diese zentrale Einlader- undarndatei zu schaffen.
Herr Kollege Burgbacher, wir können darüber strei-en, ob eine Übertragung der Zuständigkeit für Visa-ragen vom Auswärtigen Amt auf das Innenministeriumer richtige Weg ist. Ich bin der Meinung, das Bundes-inisterium, das für die Sicherheitsbelange unseres Lan-
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Hartmut Koschykdes zuständig ist, sollte auch eine Mitzuständigkeit beiVisafragen erhalten. Das ließe sich regeln. Dann erspa-ren wir „Spiegel“ und „Focus“ auch die – zurzeit wö-chentlich nachzulesenden – langen Berichterstattungenüber die Schriftwechsel zwischen Auswärtigem Amt undInnenministerium und die gegenseitigen Schuldzuwei-sungen, wer die Verantwortung für die größeren Pannenträgt.
Lassen Sie mich zum Schluss einen Gedanken äu-ßern, bei dem Sie von Rot-Grün vermutlich gleich wie-der an Orwell denken werden. Warum sollten wir nichtauch über ein System flächendeckender Ein- undAusreisekontrollen nachdenken? Lieber KollegeBurgbacher, da muss man nicht immer die USA als Bei-spiel zitieren. Ich nenne zwei Länder mit großen Wirt-schaftsinteressen – Korea und Japan –, in denen es einlückenloses Ein- und Ausreisekontrollsystem gibt.
Für mich ist es kein Problem, bei der Einreise in einesdieser Länder eine Karte abzugeben,
wodurch meine Einreise und ebenso meine Ausreise ineinem zentralen Computer vermerkt werden. Natürlichmuss das Schengen-kompatibel gemacht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Siestellen doch einen Bundesinnenminister, der für spekta-kuläre Vorschläge auf europäischer Ebene bekannt ist.Ich nenne zum Beispiel seinen Vorschlag, Auffanglagerfür Flüchtlinge in Afrika zu errichten.
Vielleicht macht er einmal einen weniger spektakulärenVorschlag. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei unserenNachbarn in den Niederlanden, in Frankreich und inSpanien die Sensibilität für die Sicherheitserfordernissebei der Ein- und Ausreise von Menschen gewachsen ist.Ich fordere Sie auf: Denken Sie über unsere zentraleEinladerdatei nach! Schaffen Sie sie schnell! Lassen Sieuns darüber nachdenken, wie man ein europakompati-bles, lückenloses Ein- und Ausreisesystem schaffenkann! Wir sind bereit, mit Ihnen über konstruktive Lö-sungen für die Zukunft zu sprechen.Aber eines muss in diesem Parlament noch gesche-hen: Ihre Versäumnisse in der Visapolitik der letztenJahre, durch die sich katastrophale Auswirkungen aufdie Sicherheit unseres Landes ergeben haben, müssenrestlos aufgeklärt werden.
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rau Staatsministerin hat schon darauf hingewiesen; sietand hier fast wöchentlich Rede und Antwort. Dienion hat befriedigende Antworten auf eine Kleine An-rage und jetzt auf eine Große Anfrage bekommen.
Im Gegensatz zu Ihnen lese ich die Protokolle.
Ich war anwesend. Herr Grindel, ich wusste gar nicht,ass Sie so laut sein können. Früher waren Sie ein so se-iöser und abwägender Mensch.
Bei weltweit rund 3 Millionen Visaanträgen – 2,5 Mil-onen Visa wurden erteilt –, die nach vorgegebenen Kri-erien und nach den Gesetzen zu bearbeiten sind, ist esöglich, dass den Botschaften Fehler unterlaufen. Dasürfte jedermann einsichtig sein. Auch die CDU/CSU isticherlich zu der Erkenntnis gekommen, dass man diesengelegenheiten nicht perfekt regeln kann. Wenn einangel im Verfahren erkennbar ist, dann muss er beho-en werden. Das ist geschehen, zuletzt durch den Erlassom 26. Oktober dieses Jahres. Sie haben ihn schon zi-iert.Die CDU/CSU hätte mit ihrer Großen Anfrage under vorhergehenden Diskussion sehr viel sachlicher und
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ernsthafter deutlich machen können, um was es ihr ging.Aber sie hat versucht – das ergibt sich schon aus demStil der Anfrage –, den Vorgang zu skandalisieren undvor allen Dingen zu personifizieren. Sie konnte offen-sichtlich den auf das Gleis gesetzten Zug in RichtungUntersuchungsausschuss – Herr Klaeden, ich schaue Siean – nicht mehr stoppen, obwohl inzwischen alle Ant-worten vorliegen und alle Maßnahmen getroffen wordensind, die geeignet sind, die erkennbaren Mängel zu behe-ben.
Dieser Versuch war leicht durchschaubar. Das Vorge-hen ist bei Untersuchungsausschüssen immer gleich:Schritt eins. Der Vorgang muss mit dem Namen einesmöglichst bekannten Politikers der Regierungsparteienverknüpft werden. Ludger Volmer reichte nicht aus, alsomusste Joschka Fischer her.
Niemand kann den Zusammenhang erkennen. Trotzdemverfahren Sie nach dem Motto „Augen zu und durch“; ir-gendetwas wird schon hängen bleiben.Schritt zwei. Journalisten werden mit vertraulichemMaterial aus den Ministerien versorgt.
Dabei handelt es sich übrigens um Material, das aus derZeit der Meinungsbildung innerhalb der Regierungstammt. Hinweis an den Untersuchungsausschuss: Dasentzieht sich seiner Untersuchungsmöglichkeit.
Anschließend werden die darauf basierenden Pressearti-kel zum Anlass genommen, das öffentliche Interesse zubelegen.Schritt drei. Möglichst viele Äußerungen der Bundes-regierung werden in Kleinen und Großen Anfragen ge-sammelt.Schritt vier. Es wird versucht, Widersprüche heraus-zuarbeiten.Schritt fünf. Am Ende – das ist jedem klar – kommtdabei nichts heraus.Ihnen ist es offensichtlich gleichgültig, ob der Sach-verhalt bereits aufgeklärt ist, die Mängel beseitigt unddie Einzelfälle geklärt sind. Wen wollen Sie eigentlichtreffen? Die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes und inden Botschaften, die eine schwierige Arbeit leisten müs-sen?Es kann nicht oft genug wiederholt werden – FrauMüller hat schon darauf hingewiesen –, wie die Rechts-lage bei der Visaerteilung aussieht – denn Sie wollenoffensichtlich vermischen und vernebeln –:sdzcMrDneHrimzgläedsAfwordvfsGpaafmnddglDGtbÜndmm
der keine Schengen-weit geltende Krankenversiche-ung vorliegt. Ein Versagungsgrund liegt auch vor, wennie Überprüfung des Reisezwecks und unabhängig da-on die Überprüfung der Rückkehrbereitschaft zu Zwei-eln Anlass geben. Die Überprüfung der Rückkehrbereit-chaft soll eine illegale Einwanderung oder eineefährdung der inneren Sicherheit verhindern.
Die Reiseschutzversicherung bzw. die Reiseschutz-ässe wurden schon angesprochen. Diese bot der ADACb 1995 eine Zeit lang an. Dies war aber nur eine Vor-ussetzung für die Erteilung des Visums. Die Überprü-ung des Reisezwecks und der Rückkehrbereitschaftusste dennoch erfolgen. Dieser Reiseschutzpass dienteur dazu, nachzuweisen, dass die für den Aufenthalt undie Rückreise notwendigen finanziellen Mittel vorhan-en waren. Das heißt, er diente dazu, den Sozialhilfeträ-ern, die im Zweifelsfalle eingreifen mussten, die Mög-ichkeit zu geben, sich an die Versicherung zu halten.as war ganz vernünftig; dadurch kamen die an ihreld.Weiterhin entfiel die verwaltungsaufwendige Boni-ätsprüfung bei den Ausländerbehörden. Der Einladenderauchte keine individuelle Erklärung hinsichtlich derbernahme der Kosten abzugeben. Das war eine ver-ünftige und logische Regelung. Man hat nicht daran ge-acht – das hat sich erst später herausgestellt –, dass dasissbraucht wird. Als man das herausbekommen hat, hatan sofort reagiert.
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Das Reisebüroverfahren wurde gestoppt und die Reise-schutzversicherung galt schon ab 28. Juni 2002 nichtmehr als Ersatz für den Nachweis der notwendigen fi-nanziellen Mittel. Das Ganze ist schon gestoppt worden,bevor die Ermittlungsbehörden, nämlich die Staatsan-waltschaft in Köln, eine Mitteilung an das AuswärtigeAmt gegeben haben. Das Auswärtige Amt hat also vielfrüher reagiert, als es in Ihrer Großen Anfrage dargestelltwird. Entsprechende Maßnahmen waren getroffen.Sie kritisieren auch den Erlass vom 3. März 2000.Herr Koschyk hat gesagt, er habe Briefe bekommen, indenen stand, dass sich Beamte geweigert hätten, den Er-lass anzuwenden.
– Sie kennen diese Briefe, nach denen sich Beamte ge-weigert haben,
den Erlass anzuerkennen. Wenn sie diesen Erlass nichtangewendet haben, haben sie gegen Gesetze verstoßen.Einer der ersten Sätze dieses Erlasses lautet:Das deutsche Ausländerrecht, das SchengenerDurchführungsübereinkommen und die Gemein-same Konsularische Instruktion der an den Schen-gen-Acquis gebundenen EU-Partner sind der recht-liche Rahmen für die Erteilung von Visa, an densich die Auslandsvertretungen zu halten haben.
Das heißt, all das, was rechtlich vorgegeben war,musste angewandt werden. Wenn Beamte das nicht an-wenden wollten, dann konnte allerdings das passieren,was offensichtlich auch in größerem Umfange passiertist.
Das Neue an diesem Erlass vom 3. März 2000 war– das haben Sie nicht zu kritisieren –, dass schon bei derersten Ablehnung eine Begründung gegeben werdenmusste. Beanstanden kann ich auch den bereits von Ih-nen zitierten Satz nicht, der folgendermaßen lautet:Wenn nach pflichtgemäßer Abwägung und der Ge-samtwürdigung des Einzelfalls die tatsächlichenUmstände, die für oder gegen eine Erteilung desBesuchervisums sprechen, sich die Waage halten,gilt: In dubio pro libertate.Also: Im Zweifel für die Reisefreiheit. Herr Burgbacher,ich verstehe nicht, was Sie daran zu kritisieren haben.
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ie Terroranschläge haben dazu geführt, dass immerieder überprüft wurde, ob Maßnahmen getroffen wer-en können, um die Schleuserkriminalität, vor allen Din-en aber auch die Einreise von Terroristen zu verhin-ern.
enn in Einzelfällen Missbrauch getrieben wurde, dannind, wie wir von der Regierung gehört haben, entspre-hende Maßnahmen ergriffen worden.
Ich hoffe, dass wir durch diese Debatte und durch Ihrearlamentarischen Initiativen nicht unser gemeinsamesiel zerstören, ein weltoffenes Land zu bleiben
nd gleichzeitig die berechtigten Sicherheitsinteressennserer Bürgerinnen und Bürger zu wahren. Aber viel-eicht wurde von den Initiatoren dieser Aktion nicht aus-eichend bedacht, welche Wirkung diese Debatte auf dasnsehen Deutschlands in der Welt hat.
Wie wirkt eigentlich das, was Sie betreiben, auf eineneschäftsmann, der ein Visum für Deutschland beantra-en will?
ie wirkt das auf einen Kulturschaffenden, der unserand besuchen will? Wie wirkt das auf die Menschen innserem Land, die ihre Verwandten, die im Ausland le-en, einladen und dafür ein Besuchervisum brauchen?
as sagt eigentlich die Tourismusindustrie dazu?Ich finde, wir haben ein großes Interesse an persönli-hen Kontakten und am Austausch mit Angehörigenremder Staaten,
ei es aus wirtschaftlichen, kulturellen oder rein persön-ichen Gründen. Wir wollen – und ich füge hinzu: wirönnen – uns von der Welt nicht abschotten.Unser Wohlstand und unsere Gesellschaft leben vomnternationalen Austausch. Die Mitarbeiter des Auswär-igen Amtes in den Botschaften, insbesondere in den
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Rechts- und Konsularabteilungen, haben und verdienenunser Vertrauen. Sie sind für die Menschen, die ein Vi-sum beantragen, die erste Begegnung mit Deutschland.Ich wünsche mir, dass sie auch weiterhin das Gefühl ha-ben, dass Deutschland ein weltoffenes und gastfreundli-ches Land ist.
Ich erteile dem Kollegen Hans-Peter Uhl für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Gleich nach ihrer Regierungsübernahme imJahre 1998 wollten insbesondere die Grünen ihr senti-mentales Verständnis von „Weltoffenheit“ und „Liberali-tät“ in staatlichem Handeln verankern.
Die neuen Herren im Auswärtigen Amt wollten konse-quent das Ziel einer multikulturellen Zuwanderungsge-sellschaft verfolgen,
und zwar auch mithilfe des Visarechts.Im März 2000 wurde dazu ein grundlegender, neuerErlass verfügt, der später fälschlicherweise – ich weißnicht, warum – „Volmer-Erlass“ genannt wurde, obwohlin ihm überhaupt keine Rede von Herrn Volmer ist. ImGegenteil, in diesem Erlass wurde, was völlig untypischist, sogar die Autorität des Außenministers bemüht. Soheißt es gleich zu Beginn: „Nach umfassender Überprü-fung unserer Visapraxis hat Bundesminister FischerWeisung erteilt ...“
Als hätte Minister Fischer jemals die Visapraxis über-prüft! Aber immerhin wird seine Autorität in diesem Er-lass bemüht.Ich will nicht, wie es Kollege Neumann getan hat,einzelne Passagen des Erlasses analysieren;
denn es versteht ohnehin kein Mensch, was darin ge-schrieben wurde. Als Jurist versteht man allerdings rela-tiv schnell, was gemeint ist: Es ist eine schlichte Beweis-lastumkehr.
Nicht der Ausländer muss beweisen, dass sein Vortragrichtig ist, sondern der Beamte muss ihm beweisen,dSsnHaadsDpsnSDrDasSDwld
ass er lügt.
o etwas nennt man eine Beweislastumkehr.In der Folge sahen sich die Bediensteten der deut-chen Visastellen vom Willen der Bundesregierung ge-ötigt, möglichst viele Schengen-Visa zu erteilen.
err Kollege Neumann, die Anweisung an die Beamten,us der Sie zitiert haben, kann man nur so verstehen: Be-chtet, dass alle Bestimmungen des Ausländerrechts undes Schengen-Rechts eingehalten werden, aber überprüftie ja nicht zu genau!
as war die Weisung: Beachtet alle Paragraphen, aberrüft ja nicht zu viel.Journalisten vergleichen das damit, dass man eine Ge-chichte auch zu Tode recherchieren kann. Dann ist esachher keine Geschichte mehr.
o ungefähr sollte mit den Visa umgegangen werden.
as ist keine Führung von Beamten, sondern Irrefüh-ung von Beamten.
iese politische Show erfolgte auf dem Rücken der Be-mten und das ist unanständig.Kein Wunder, dass diese neue Weisung in den Visa-tellen vieler Botschaften, vor allen Dingen in den GUS-taaten, für größte Unruhe bei den Beamten gesorgt hat.er Untersuchungsausschuss wird enthüllen,
ie diese Weisung aufgenommen wurde. Man hat natür-ich genau gemerkt, was beabsichtigt war, und dass diesas Gegenteil der früheren Praxis ist.
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Dr. Hans-Peter UhlIch bin Herrn Burgbacher sehr dankbar, dass er sehrsachlich und nüchtern herausgearbeitet hat, was dieserErlass bewirkt hat: Allein durch deutsche Visastellen inden GUS-Staaten wurden innerhalb von fünf Jahren über4 Millionen Visa erteilt.
Auf dem Höhepunkt, Herr Winkler, wurden in KiewVisa im Dreiminutentakt ausgestellt. Wer wird denn danoch von Prüfung reden und wer, Herr Neumann, nochvon Einhaltung irgendwelcher Paragraphen?
– Natürlich sind auch wir der Meinung, dass Deutsch-land ein weltoffenes Land sein muss und selbst ein gro-ßes Interesse an der Einreise von Wissenschaftlern sowiean Wirtschaftsverkehr hat. Auch müssen Verwandtenbe-suche möglich sein. Niemand will Deutschland abschot-ten, wir am allerwenigsten.
Hier wurde das Motto für die Fußball-WM zitiert:„Die Welt zu Gast bei Freunden“. Wer wollte diesemMotto widersprechen?
– Doch Kriminelle, Herr Winkler, wollen wir weder alsGast und schon gar nicht als Freund haben. Das ist un-sere Meinung.
Wir sollten ein waches Gespür für diese Situation ha-ben. Aber es soll doch keiner glauben, dass bei einemmonatlichen Durchschnittseinkommen von 100 EuroHunderttausende aus den GUS-Staaten wochenlangnach Deutschland kommen können, um hier meinetwe-gen die Burgen am Rhein zu besichtigen. Mit welchemGeld denn? Das ist doch völlig unwahrscheinlich. InWahrheit kommt auf diesem Weg auch heute noch eingroßer Teil mit deutschem Visum als Schwarzarbeiter,einige auch als Kriminelle.
Viele Frauen werden eingeschleust, um sie hier als Pros-tituierte auszubeuten.Ich habe gestern einmal einen Blick auf die Home-page der Grünen geworfen. Keine Partei tut sich auf demPapier im Kampf gegen den Menschenhandel zumZweck der sexuellen Ausbeutung der Frau mehr hervorals die Grünen.
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Sie werden es auch bald wissen. Es gibt erschütterndeerichte – wir werden das im Untersuchungsausschussoch hören – über die Art und Weise, wie diese Frauen,it deutschen Visa ausgestattet, hier in Berlin behandelterden.Das Landgericht Köln – es ist bereits zweimal zitiertorden; aber man kann es nicht oft genug sagen, weil eso ungeheuerlich ist – hat die Bundesregierung bei derburteilung eines Kriminellen mit in die Verantwortungenommen. Das ist unglaublich! In dem Gerichtsurteileißt es:Das war ein kalter Putsch der politischen Leitungdes Auswärtigen Amtes gegen die bestehende Ge-setzeslage.err Neumann, das kann man nicht oft genug wiederho-en.
Nein. Unwille, Unvermögen und ideologisch bedingtelindheit von Rot-Grün haben erst den Nährboden berei-et, auf dem der Menschenhandel in Form der organisier-en Kriminalität so richtig gedeihen konnte.
Das ist keine Unverschämtheit, Herr Winkler. Das warewiss unabgestimmt – etwas anderes habe ich nicht be-auptet –, aber ebenso sicher war es vorhersehbar. Dasehaupte ich: Es war unabgestimmt, aber vorhersehbar.Ich will die Geschichte mit dem Reiseschutzpass hiericht noch einmal erwähnen. Es ist geradezu eine Posse,ie ein mittlerweile angeklagter Unternehmer unter Zu-ilfenahme der Bundesdruckerei und hoher Beamter desuswärtigen Amtes und des Innenministeriums, die alschutzpatrone dienten, diese Reisepässe ausstellenonnte. Das ist unglaublich. Auch dies werden wir be-andeln.Was sagt die Bundesregierung zu all diesen Missstän-en, zu denen wir Hunderte detaillierte Sachfragen ge-tellt und auf die wir sowohl hier als auch im Rahmen ei-er Großen und einer Kleinen Anfrage hingewiesenaben? Immer gibt es dieselbe arrogante und stereotypentwort. Sie lautet, Deutschland müsse nun einmal eineltoffenes Land sein. Das Spannungsverhältnis zwi-chen Reisefreiheit und der Bekämpfung illegaler Mi-ration sei kompliziert. Da könnten auch einmal Fehlerassieren.Dann kommt Herr Dzembritzki daher und sagt, un-ere Fragen seien erschöpfend beantwortet worden.
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Ich glaube nicht, dass Sie die Fragen und die Antwortenjemals gelesen haben. Sonst hätten Sie zumindest roteOhren bekommen.
Selbstverständlich gibt es ein Spannungsverhältnis;es ist geradezu banal, dies hier festzuhalten. Aber dieWeisung, die Außenminister Fischer seinen Beamten er-teilte, war nur so zu verstehen: weniger prüfen, mehrVisa ausstellen.Außenminister Fischer „himself“ führt zur jetzigenLage ganz merkwürdige Erläuterungen an. Er sagt, derdamalige Erlass sei Vergangenheit, die Zeiten hätten sichgeändert. Es gebe zwei Zäsuren: den 11. September2001 und den Zuwanderungskompromiss. Darauf müssejetzt reagiert werden. Deshalb bräuchten wir einen neuenErlass.Meine Damen und Herren, schauen Sie sich die Er-lasse an und vergleichen Sie die mit dem, was nach dem11. September passiert ist! Was hat der neue Erlass mitdem Zuwanderungskompromiss zu tun? Null Kommanichts. Bitte erzählen Sie nicht solche Märchen! DerKenner spürt sofort, dass hier grober Unfug vorgetragenwird.
Gibt wenigstens der neue Erlass eine sachgerechteAntwort auf die zehntausendfachen Visamissbräuche?Die Antwort lautet: Nein. Durch geschickte Pressearbeit– Sie erinnern sich an den „Spiegel“-Artikel – soll sug-geriert werden, dass jetzt eine ganz grundlegende Kor-rektur im Bereich der Visavergabe stattfindet. Es werde,so war die Botschaft des Auswärtigen Amtes, zu einemParadigmenwechsel rot-grüner Ausländerpolitik kom-men.
– Das stand im „Spiegel“.
Dieser Show wurde dummerweise gleich der Bodenentzogen, weil der Kollege Volmer im Auswärtigen Aus-schuss sofort gesagt hat, er könne mit dem neuen Erlasssehr gut leben. Nun kann ich mir nicht so recht vorstel-len, dass Herr Volmer für einen Paradigmenwechsel rot-grüner Ausländerpolitik steht. Welche Nummer wollenSie denn nun aufführen?
Ich komme zum Schluss. Wir sind für die Reisefrei-heit. Ich finde es unanständig – die gute Frau Staatsmi-nisterin ist jetzt leider nicht da; wir werden das im Un-tersuchungsausschuss nachholen –, hier eine Liste derNamen von Abgeordneten vorzutragen, die nichts ande-res getan haben als ihre Pflicht. Ich lege Wert darauf,dass alle meine Briefe in Sachen Visaerteilung veröffent-lBdmwEeVfgtdBaacfKmhe–bids4JIgVbErWw
Danke schön.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
ollege Josef Winkler, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächstöchte ich kurz auf den Beitrag von Herrn Uhl einge-en. Herr Uhl, ich spreche Sie an. Hören Sie mir bitteinmal zu?
Er ist multitaskingfähig; das ist erstaunlich. – Sie ha-en die Grünen mehrmals angesprochen, deswegen willch persönlich auf Sie eingehen. Ich kann ja verstehen,ass Sie, der Sie aus einem Wahlkreis kommen, in demich die Wahlergebnisse für die Grünen zwischen 30 und0 Prozent bewegen und wo Sie mit der CSU seit vielenahren versuchen, auf einen grünen Zweig zu kommen,hre persönlichen Traumata hier im Bundestag bewälti-en wollen und müssen.
ielleicht kümmern Sie sich in München einmal einisschen mehr um Ihren Wahlkreis, damit die Grünen-rgebnisse dort auf das von Ihnen gewünschte Maß zu-ückgehen.
enn Sie über Weltoffenheit reden, dann ist das, alsenn ein Blinder über Farbe redet;
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Josef Philip Winklerdas hört sich für mich grässlich an. Das ist nicht Weltof-fenheit, das ist Abschottung: Der Ausländer wird unter-teilt in kriminell und nicht kriminell. Ist Ihnen schon ein-mal aufgefallen, dass in deutschen Gefängnissen ganzüberwiegend Deutsche sitzen? Das ist offensichtlich eineErfahrung, die Sie noch nicht gemacht haben.
Diese Politik, diese Art der Auseinandersetzung – dieAusländer, die Herr Uhl einlädt, das sind die guten; die,die von anderen eingeladen werden, sind die schlech-ten – machen wir nicht mit.
Ich finde die Textexegese, die Sie hier betreiben, er-staunlich: Alle Redner der Union zitieren hier aus derUrteilsbegründung des Landgerichts Köln und jeder tutdas mit zunehmendem Vergnügen. Dabei ist das dochrichterliche Freiheit: Jedem Richter bleibt es unbenom-men, seine Vermutungen
und seine Verdächtigungen in Bezug auf die Bundesre-gierung in die Urteilsbegründung aufzunehmen. Es stehtdoch im Titel Ihrer Anfrage: „Richterlich geäußerterVerdacht“. Diesen Verdacht werden Sie im Untersu-chungsausschuss nicht erhärten können; davon bin ichfest überzeugt.
Die Bundesregierung hat in ihren Antworten auf Ihrevielen, meist gleich lautenden Fragen immer wieder sehrrichtig erklärt: Es gibt Fälle, in denen Missbrauch aufge-treten ist – natürlich –, es gab kriminelle Handlungen.Aber selbstverständlich hat die Hausleitung des Auswär-tigen Amtes alle entsprechenden Maßnahmen eingelei-tet, sobald so etwas bekannt wurde. Sie versuchen hierimmer zu insinuieren, dass die angeblich zu große Of-fenheit erst durch den Volmer-Erlass – oder Fischer/Volmer-Erlass,
wie Sie ihn heute neu zu titulieren versuchen – bewirktwurde. Das stimmt aber nicht und das wissen Sie auchselbst.
Herr Burgbacher, es war ja fast schon tragikomisch,wie Sie hier heute als Liberaler begründet haben, wasSie gegen Liberalität haben.
In dem Erlass steht zwar „in dubio pro libertate“. Das istaber ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat, dennnatürlich muss vorher die „securitate“ abgeprüft sein.––lcmUdgawwbVdsHdzmpAfltsHgZABdzaSgT
Habe ich einen sprachlichen Lapsus begangen?
Dann muss ich das vielleicht einmal dem Bundeskanz-er sagen; der gibt ja immer seinen Kommentar zu sol-hen Sachen.Ich fand das jedenfalls sehr amüsant und ich freueich, Herr Burgbacher, auf die Auseinandersetzung imntersuchungsausschuss. Wir werden Sie immer wiederaran erinnern, was Sie hier vorgetragen haben: Liberaleegen Liberalität.
Ich möchte im Namen meiner Fraktion noch einmalusdrücklich klarstellen – Sie können den Erlass nennen,ie Sie wollen –: Der Kollege Volmer, der hier auch an-esend ist, ist persönlich weder unmittelbar noch mittel-ar mit irgendwelchen kriminellen Machenschaften inerbindung zu bringen, die bei der Erteilung von Visaurch die deutschen Auslandsvertretungen aufgetretenind. Er hat sich – ich sage das ganz deutlich – bei denaushaltsberatungen sogar persönlich dafür eingesetzt,ass die Visa- und Konsularstellen von den linearen Kür-ungen, die vorgenommen werden mussten, ausgenom-en worden sind. Insofern kann ich diese Rufmordkam-agne nur in aller gebotenen Schärfe zurückweisen.
Wir unterstützen die Bundesregierung und auch dasuswärtige Amt weiter darin, dem Anspruch der Weltof-enheit, den die Bundesrepublik Deutschland im Aus-and anmelden kann, weiterhin gerecht zu werden. Na-ürlich muss das immer in Abwägung mit denicherheitspolitischen Erfordernissen erfolgen.err Koschyk und Herr Hinsken – er ist nicht da –, ichestehe Ihnen zu, dass die Konsularmitarbeiter auch inukunft erst prüfen müssen, ob Zweifelsfälle vorliegen.uch wenn es indische Bäckermeister gibt, die kleinerötchen backen, wird das Auswärtige Amt unbeein-ruckt von Ihren schriftlichen Aufforderungen, Visa aus-ustellen, streng nach Recht und Gesetz prüfen. Das istuch richtig so.
Sie sollten die billige Effekthascherei unterlassen, dieie betreiben, seitdem Sie sich endlich dazu durchgerun-en hatten, einen Untersuchungsausschuss zu diesemhema und nicht etwa zur LKW-Maut, zur Spenden-
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Josef Philip Winkleraffäre der Union oder Ähnlichem zu beantragen. Sie ha-ben ja lange mit sich gerungen. Herr Koschyk hat nocham Tag nach dem Beschluss in einer Pressemitteilung ge-sagt, auch er sei inzwischen von der Notwendigkeit derEinrichtung eines Untersuchungsausschusses überzeugt;schließlich seien neue Dinge aufgetaucht und Herr Schilysei einmal nicht in den Ausschuss gekommen.
Ich muss schon sagen: Das alles zeugt nicht davon, dassSie besonders überzeugt davon sind, hier etwas heraus-finden zu können. Wir sehen der Sache wirklich ruhigund gelassen entgegen.
– Es ist klar, dass Sie sich aufregen; schließlich waren esHerr Kanther und Herr Kinkel, die seinerzeit die Reise-büroregelung aufgenommen haben.
Das wird uns im Untersuchungsausschuss noch sehr be-schäftigen müssen. Ich halte das für skandalös. Wir wa-ren überzeugt davon, dass Ihnen keine Fehler unterlau-fen sind, sodass wir das erst einmal haben weiterlaufenlassen.
Nachdem wir festgestellt hatten, dass die von Ihrer Bun-desregierung eingeführte Regelung doch nicht so brillantwar, wie Sie sich das damals gedacht haben, haben wirschnell die Notbremse gezogen und gesagt, dass das ab-geschafft werden muss. Das haben wir auch getan.
Abschließend möchte ich
in etwas ruhigerer Form noch einmal, damit Sie es end-lich verstehen, sagen, was passiert, wenn man ein Visumbeantragt. Dann geschieht jedenfalls nicht das, was Siesagen, dass nämlich der Beamte überlegt, ob er ein we-nig weltoffen sein soll oder lieber ein bisschen auf Si-cherheit bedacht. In dem Erlass steht angeblich, dassman weltoffen sein und den Terroristen reinlassen solle,wenn man Zweifel hat. – Ist das so? Glauben Sie daswirklich?
Alle, die das glauben, sollen einmal aufzeigen. – SehenSie: Es hat niemand aufgezeigt.
So wird es also nicht sein.skswkmhrdrelrDdsDmirLrmlbdMgtsFtcs
ie Terroristen kommen nicht und sagen: Hören Sie, ichöchte gerne ein Visum haben, weil ich in Deutschlandns Hintergrundfeld des internationalen Terrorismus auf-ücken möchte. – So läuft es nicht.Wir werden weiterhin dafür sorgen, dass in diesemand Sicherheit gewährleistet ist und gleichzeitig Libe-alität, Weltoffenheit und Humanität gewahrt werden.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe,uss ich darauf hinweisen, dass es in der Rede des Kol-egen Uhl einen Zwischenruf des Kollegen Edathy gege-en hat, der, wenn er so im Protokoll festgehalten wer-en sollte, von mir gerügt werden müsste.
Nach § 119 unserer Geschäftsordnung besteht dieöglichkeit, Zwischenrufe, die in die Niederschrift auf-enommen worden sind, mit Zustimmung der Beteilig-en zu streichen, wenn der amtierende Präsident dem zu-timmt.
ür den Fall, dass diese Verständigung zwischen den Be-eiligten erfolgt, würde ich meine Zustimmung zur Strei-hung erteilen. Nach meinem Eindruck ist dieser Zwi-chenruf nämlich ziemlich eindeutig neben der Sache.Nun rufe ich den Tagesordnungspunkt 21 auf:– Zweite und dritte Beratung des von den Frak-tionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünf-
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammertundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung desAbgeordnetengesetzes und eines Einund-zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Eu-ropaabgeordnetengesetzes– Drucksache 15/3942 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
und der Fraktion der FDP eingebrachten Ent-wurfs eines Gesetzes zur Änderung desGrundgesetzes
– Drucksache 15/751 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
und der Fraktion der FDP eingebrachten Ent-wurfs eines Vierundzwanzigsten Gesetzeszur Änderung des Abgeordnetengesetzes– Drucksache 15/753 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-ordnung
– Drucksache 15/4205 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Uwe KüsterEckart von KlaedenVolker Beck
Jörg van EssenDer Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-schäftsordnung hat in seine Beschlussempfehlung auchdie von der Fraktion der FDP eingebrachten Gesetzent-würfe zur Änderung des Art. 48 Abs. 3 des Grundgeset-zes sowie zur Änderung des Abgeordnetengesetzes ein-bezogen. Über diese beiden Gesetzentwürfe soll nunebenfalls abschließend beraten werden. – Ich sehe, darü-ber besteht Einverständnis. Dann ist das so beschlossen.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höreich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst dem Kollegen Wilhelm Schmidt für die SPD-Fraktion.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Ich weiß gar nicht, warum hier so viele dieFlucht ergreifen. Es geht um unsere rechtliche Stellung.Vielleicht wäre es ganz gut, wenn sich ein paar mehr Ab-geordnete hier im Plenum einfänden, um über ihrSchicksal und ihre Versorgungsbezüge zu debattierenbzw. abzustimmen. Von dieser Stelle rufe ich dazu aus-drücklich auf.GbgsÄärwbtguviliqaswdtdsaVvDbkdvivRntsernrügtsUvlmnWl
Der zweite Punkt ist: Wir passen auch die Witwen-ersorgung an. Sie wird von 60 auf 55 Prozent gekürzt.as Wichtigste, das wir mit diesem Gesetz auf den Wegringen, ist eine Anrechnungsvorschrift für private Ein-ünfte, die Versorgungsempfänger der Abgeordnetenann erzielen, wenn sie vor dem 65. Lebensjahr eine pri-ate Beschäftigung aufnehmen oder wahrnehmen. Dasst eine angemessene Gleichstellung mit den Beamten-ersorgungsempfängern und den Rentnerinnen undentnern. Nach dem 65. Lebensjahr gilt diese Anrech-ungsvorschrift natürlich nicht mehr. Aber in diesem Al-er ist es doch relativ selten, dass man zusätzliche Be-chäftigungen wahrnimmt. Aber wir finden schon, dasss eine Überversorgung bedeuten würde, wenn eine An-echnung der privaten Einkünfte vor dem 65. Lebensjahricht stattfinden würde.Dies sollte man in angemessener Weise kommunizie-en. Das hat – das will ich an dieser Stelle gleich sagen –berhaupt nichts mit dem Kürzen einer „Luxusversor-ung“ zu tun. Ich erkläre ausdrücklich für meine Frak-ion, dass Abgeordnete dieses Hauses keine Luxusver-orgung genießen. Sie erhalten vielmehr eine denmständen angemessene Versorgung: Das Wahrnehmenon Amt und Mandat bedeutet nicht selten eine unglaub-iche Belastung, vor allen Dingen deshalb – das mussan für die Öffentlichkeit hinzufügen –, weil Abgeord-ete zu einem beträchtlichen Teil in ihrer beruflicheneiterentwicklung gehemmt sind. Sie wissen das natür-ich, wenn sie ihr Abgeordnetenmandat annehmen,
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Wilhelm Schmidt
nichtsdestotrotz ist das ein Fakt, welchen man gegensich selbst gelten lassen muss. Daher kann man sie nichtmit normalen Rentnern oder normalen Beamtenversor-gungsempfängern vergleichen, sondern man sollte eherden Vergleich zu leitenden Angestellten in der Wirt-schaft oder leitenden Beamten im öffentlichen Dienstziehen.
Diese Vergleichbarkeit ist es, die uns immer wiederbeschäftigt. Deshalb gilt auch an einem solchen Tage,dass wir Abgeordnete uns nicht diskriminieren lassenwollen. Das gilt auch für die Abgeordneten in den Land-tagen und im Europaparlament. Es geht nicht an, dasswir für die Bevölkerung tätig sind, uns aber von den üb-lichen Verdächtigen immer wieder vorgerechnet wird,dass wir entweder zu hohe Versorgungsbezüge oder zuhohe Diäten erhalten. Da wird ein falscher Maßstab an-gelegt. Ich fordere die kritische Öffentlichkeit ausdrück-lich dazu auf, an dieser Stelle die Verhältnismäßigkeitbei der Bewertung des Abgeordnetenberufs – ein solcherist es ja nun einmal – zu wahren und die Abgeordnetennicht ständig zu diskriminieren.
Ich will in diesem Zusammenhang hinzufügen, dassauch die Bundesregierung die notwendigen Konsequen-zen gezogen hat. Seit Ende September liegt ein Gesetz-entwurf vor – auch diesen werden wir hier behandeln –,mit dem die Bundesregierung eine angemessene Anhe-bung der Bezüge und eine Kürzung der Versorgungsbe-züge vornehmen will. Hier wird deutlich, dass wir unsmanchmal in einer Weise Selbstbeschränkungen auferle-gen, die nicht in Ordnung sind. Wenn wir uns einmal ver-gegenwärtigen, was Unternehmenslenker in der freienWirtschaft an Einkünften und Versorgungsregelungen fürsich in Anspruch nehmen, dann ist nach meiner Einschät-zung durchaus die Aufforderung angebracht, die Maß-stäbe zurechtzurücken. Der Bundeskanzler hat weder einEinkommen noch – erst recht nicht – eine Versorgung,die mit dem Einkommen bzw. der Versorgung des Chefseines mittelständischen Unternehmens vergleichbarwäre. Das zeigt, dass in diesem Lande irgendetwas nichtganz richtig ist.
Wir bringen dieses Gesetz heute – trotz der schwieri-gen Zeit – auf den Weg und kommen damit einem Gebotnach, welches man an uns im Prinzip zu Recht gerichtethat. Aber wir werden künftig die Kirche im Dorf lassen.Wir werden kein Übermaß an Belastungen – zumindestwas die Höhe der Versorgung betrifft – gelten lassen.Dennoch müssen wir, auch das will ich zusagen, nocheine grundsätzliche Überprüfung der Versorgungsrege-lungen vornehmen. Das wird eine weitere Aufgabe fürdas nächste Jahr sein.Damit komme ich zum Gesetzentwurf der FDP.Herr Kollege van Essen, dieser Gesetzentwurf birgt dieGefahr einer „Kommissionitis“. Das wollen wir nicht. EshzanwgvSefwfsgGlEZggwlmEOsÄbGlWngwAKkzMauasdd
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns diesentscheidung treffen. Sie ist eine Entscheidung, die imuge der Entwicklung im Renten- und Beamtenversor-ungsrecht notwendig ist. Auf der einen Seite ist die Re-elung nicht übertrieben, auf der anderen Seite müssenir uns nicht selbst verleugnen. Das werden wir im Ver-auf unserer Arbeit immer wieder selbstbewusst erklärenüssen. Dazu fordere ich uns alle gemeinsam auf.Vielen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege
ckart von Klaeden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!bwohl es möglich wäre, will ich jetzt nicht jeden per-önlich begrüßen, um die Redezeit ausnutzen.Herr Kollege Schmidt, unsere Fraktion stimmt dernderung des Abgeordnetengesetzes aus den von Ihneneschriebenen Gründen zu. Ich will jetzt gar nicht alleründe, die Sie zutreffend beschrieben haben, wiederho-en, aber ich möchte die Gelegenheit nutzen, mit ein paarorten auf das einzugehen, was Sie über die Abgeord-etenversorgung insgesamt gesagt haben. Das, was Sierundsätzlich feststellen, trifft auf unsere Zustimmung,ie Sie am Applaus aus unserer Fraktion gesehen haben.llerdings fehlen uns die Taten. Ihre Fraktion bzw. dieoalition hat leider nicht den Mut, den Reden und An-ündigungen auch Taten folgen zu lassen und diese Prin-ipien umzusetzen.Nach dem vom Verfassungsgericht festgesetztenaßstab muss die Entschädigung der Abgeordneten eineusreichende Existenzgrundlage für die Abgeordnetennd ihre Familien sicherstellen. Die Versorgung mussuch der Bedeutung des Amtes Rechnung tragen undoll insbesondere die unabhängige Ausübung des Man-ats gewährleisten. Wir haben als Maßstab – ich meine,ass dies ein angemessener Maßstab ist – das Gehalt ei-
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Eckart von Klaedennes hauptamtlichen Oberbürgermeisters in einer Stadtmit mehr als 100 000 Einwohnern oder eines Abtei-lungsleiters in einem Ministerium festgelegt. Weil wirin dieser Legislaturperiode bisher nur eine Diätenerhö-hung gehabt haben, hinken wir hinter diesem selbst ge-setzten Maßstab nun mit nahezu 1 000 Euro pro Monat,exakt mit 947 Euro pro Monat, hinterher.Wenn wir für dieses Haus tatsächlich Personen mitpolitischem Talent und politischer Erfahrung finden wol-len – irgendjemanden zu finden, ist kein Problem –, dür-fen wir sie nicht deutlich schlechter bezahlen als Abtei-lungsleiter in Ministerien oder als hauptamtlicheOberbürgermeister einer nicht ganz so großen Stadt, wieich es gerade geschildert habe.
Das ständige Aussetzen der Diätenerhöhungen, wie be-sonders Sie es praktizieren, wird dazu führen – bei allenpolitischen Problemen, die wir haben und die ich garnicht bestreiten will –, dass wir nur noch sehr schwer ge-eignete Personen werden gewinnen können.Wenn sich diese Praxis weiter fortsetzt, entsteht einweiteres Problem: Nicht die Tatsache, dass Nullrundenstattfinden, ist dann eine Besonderheit, sondern wenntatsächlich einmal eine Diätenerhöhung stattfindet,wird diese als ein besonderes Ereignis in der Öffentlich-keit zur Kenntniss genommen. Das ist dann ja auch rich-tig, allerdings werden die Nullrunden vorher nicht zurKenntnis genommen.Deshalb will ich hier noch mit einer anderen Tatsacheaufwarten. Seit dem Jahr 1977 – seitdem gilt das Abge-ordnetengesetz – lag die Erhöhung der Diäten prozentualzum Teil weit unter den durchschnittlichen Erhöhungender Bezüge aller anderen Gehalts- oder Versorgungs-empfänger im öffentlichen Dienst, der Beschäftigten inder freien Wirtschaft, aber auch der Rentner. Das ist eineTatsache, die festzustellen ist.Auch die gesamten Kosten des Deutschen Bundesta-ges pro Bürger und pro Jahr sind in den letzten Jahrengesunken, und zwar auf niedrigem Niveau. Im Jahr 2001hat der gesamte Bundestag pro Bürger Kosten von12,44 DM verursacht, im Jahr 2002 waren es 6,46 Euround im Jahr 2003 noch 6,20 Euro.
– Der Kollege van Essen hat völlig Recht: Wir liegen da-mit ganz weit hinten unter allen Parlamenten. – Wennman sich diese Zahlen vor Augen führt, kann man si-cherlich den Abgeordneten keine Überversorgung vor-werfen. Auch der prozentuale Anteil des Einzelplans 02am Gesamthaushalt des Bundes ist rückläufig. Er betrug2001 0,215 Prozent, 2002 0,214 Prozent und 2003 noch0,199 Prozent.Ich sage das hier ausdrücklich als Abgeordneter derOpposition, denn wenn wir uns für eine kontinuierlichemaßvolle Diätenerhöhung einsetzen, die sich am Durch-schnitt der allgemeinen Gehaltssteigerung orientiert undunseretwegen auch gern etwas dahinter zurückbleibenkRzmdusuBzhmdgsEpwddgAdudDtgbezoÄnSGdMtkgdek
ie Entscheidung muss aber verbindlich sein. Zur Bera-ung könnte der Bundespräsident so viele Sachverständi-enkommissionen heranziehen, wie er möchte.Abschließend würde ich es begrüßen, wenn Sie unsei der Neugestaltung der Abgeordnetenversorgung mitinbeziehen würden. Über das geringe Maß der Einbe-iehung bei der jetzt vorgesehenen Änderung des Abge-rdnetengesetzes sind wir nicht erfreut; wir stimmen dernderung aber zu.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Volker Beck, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wilhelmchmidt hat schon ausführlich den Regelungsgehalt desesetzes dargestellt. Das muss ich insofern nicht wie-erholen.Mit unserem Vorhaben wollen wir das, was wir denenschen mit der Rentenreform und der Reform der Al-ersversorgung der Beamten zugemutet haben, wir-ungsgleich auf die Abgeordnetenversorgung übertra-en, ohne dass man unsere Versorgungssysteme sowieie Entschädigung und Rechtsstellung der Abgeordnetentwa mit den Beamten vergleichen oder gar gleichstellenönnte. Ich halte diesen Ansatz grundsätzlich für richtig;
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Volker Beck
denn alles andere würde von den Bürgerinnen und Bür-gern draußen im Lande zu Recht nicht verstanden.Wenn wir aber das, was wir anderen zumuten, auf unsselber übertragen wollen, dann gilt das für Plus und Mi-nus. Ich sehe ebenso wie mein Vorredner ein Problemdarin, dass wir nicht an der Tarifentwicklung der aktivenEinkommen, aber am Abschmelzen der Altersversor-gung partizipieren. Dabei gibt es eine gewisse Unwuchtin der Entwicklung, die sich in den letzten Jahren konti-nuierlich fortgesetzt hat.Ich glaube, dass wir als Parlament eine grundsätzlicheDiskussion über die Bedeutung des Parlaments, die par-lamentarische Demokratie und ihr Ansehen beginnenmüssen. Wir werden wohl auch nicht darum herumkom-men, uns mit den Ergebnissen der vor einigen Jahrendurchgeführten Parlamentsreform unter der Fragestel-lung zu befassen, welche Ansprüche damit verbundenwaren und was wir davon umgesetzt haben.Die gestrige Tagesordnung zum Beispiel, die eine De-batte bis 2 Uhr morgens vorsah, zeigt, dass einiges, waswir seinerzeit im Sinne einer stärkeren Konzentrationder Debatten beabsichtigt hatten – das hat auch mit demAnsehen des Parlaments in der Öffentlichkeit und demVerhältnis zwischen Plenums- und Ausschussarbeit so-wie der öffentlichen Darstellung der Ausschussarbeit zutun –, nicht umgesetzt worden ist. Damit sollten wir unsnoch einmal befassen.
Denn das Ansehen des Parlaments steigt dann, wennder Bevölkerung klar wird, was die Parlamentarier leis-ten, wie sie im politischen Streit immer wieder miteinan-der um die besten Lösungen ringen und dass im Parla-ment solide Arbeit geleistet wird, die aber nicht nur imPlenum, sondern auch in vielen Gremien stattfindet.Ich glaube, dass die Diskussion über die Bedeutungdes Parlaments und seine Wertschätzung auch im Hin-blick auf die Bezahlung der Abgeordneten miteinanderverknüpft werden müssen. Wir sollten in dieser Debattevereinbaren, uns dieses Projekt vorzunehmen und mitder Bevölkerung zu argumentieren, und wir sollten alsweitere Perspektive auch die Angleichung an die aktivenBezüge wieder angehen.Dass wir uns hinter dem Bundespräsidenten oder ei-ner Kommission verstecken, halte ich für keine geeig-nete Lösung.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Koppelin?
Ja, wenn ich noch einen Satz zu Ende bringen darf. –
Entweder gelingt es uns als Parlament, die Bedeutung
unserer Arbeit in der Öffentlichkeit darzustellen und für
eine gewisse Wertschätzung der Demokratie zu werben,
oder es gelingt uns nicht.
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ir können aber diese Aufgabe, diese Verantwortung
icht an andere delegieren. Wir müssen wieder den Mut
usammennehmen, aus diesen Feststellungen die ent-
prechenden Konsequenzen zu ziehen.
Herr Koppelin, Sie haben das Wort zu einer Zwi-
chenfrage.
Herr Kollege Beck, haben Sie Verständnis dafür, dass
ch Ihre Rede zum Anlass nehme, darauf hinzuweisen,
ass der Haushaltsausschuss heute Nacht bis 3 Uhr ge-
agt hat?
Ich habe Verständnis dafür und schätze die außeror-
entlich gute Arbeit der Kolleginnen und Kollegen im
aushaltsausschuss, die die Öffentlichkeit viel zu wenig
ahrnimmt. Ich sage Ihnen Dank dafür, dass Sie die
aushaltsberatungen im Ausschuss zu einem guten Er-
ebnis geführt haben und uns die Möglichkeit geben, in
er nächsten Sitzungswoche im Plenum über den Haus-
alt in allen Einzelheiten zu debattieren. Ich hoffe ange-
ichts meiner Wertschätzung Ihrer Arbeit, dass auch die
eiden Oppositionsfraktionen dem Haushalt zustimmen
erden.
Ich schließe mich dem Dank an die Haushälter für ih-
en Fleiß ausdrücklich an, wenngleich es ein bisschen
eichtfertig ist, aus der Dauer der Beratung auf deren
ualität zu schließen.
Das ist richtig. – Ich finde es schön, dass wir in die-em Hause zu einem neuen Stil kommen, der es denednern ermöglicht, mit dem Präsidenten in der Sacheu diskutieren.
a wir hier über die Amtsführung des Präsidenten nichtebattieren, möchte ich nur sagen, dass ich das für einechöne Form der Belebung der Auseinandersetzungalte.Zum Schluss: Wir sollten ernsthaft darüber reden,as wir in nächster Zeit in diesem Bereich tun werden.ch fordere die FDP auf: Wir werden nur zu einem ver-ünftigen Ergebnis kommen, wenn wir bereit sind, ge-einsam Vorschläge einzubringen und durchzusetzen.ur so können wir Perspektiven eröffnen. Wenn sichber die FDP-Fraktion mit der Begründung vom Acker
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Volker Beck
machen will, man habe mit dieser Debatte nichts zu tun,weil man ja vorgeschlagen habe, eine Kommission ein-zuberufen, dann wird es schwierig sein, gemeinsam vo-ranzukommen. In der Vergangenheit gab es immer wie-der Kolleginnen und Kollegen von Ihrer Fraktion, dienach draußen den Eindruck erweckt haben, dass sie we-niger für die Abgeordneten wollen, während sie uns in-tern hinter vorgehaltener Hand gesagt haben: Warum so?Anders käme doch viel mehr dabei heraus. Ich sage Ih-nen: Das ist nicht ganz sauber und ehrlich. Eine solcheDebatte wird uns im Ergebnis nicht weiterbringen.Schauen wir einmal, wie sich die Diskussion in dennächsten Wochen entwickeln wird.Vielen Dank.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Jörg van Essen für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DerKollege von Klaeden hat dankenswerterweise schon da-rauf hingewiesen, dass der Deutsche Bundestag dendeutschen Steuerzahler im Vergleich zu allen anderenParlamenten sehr wenig Geld kostet. Vielleicht darf ichdie heutige Debatte ebenfalls nutzen, um darauf hinzu-weisen, dass der Bundestag – im Vergleich zu allenwestlichen Demokratien – das zweitkleinste Parlamentist. Die meisten Parlamente insbesondere in der EU sindwesentlich größer, was das Verhältnis der Zahl der Ab-geordneten zu der Zahl der vertretenen Bürger anbe-langt. Auch in dieser Beziehung sind wir also zurückhal-tend. Ich denke, dass die heutige Debatte Gelegenheitbieten muss, das in der Öffentlichkeit zu sagen.Wer die Debatte verfolgt hat, dem wird aufgefallensein, wie oft die Redner den Vergleich mit der Beamten-besoldung herangezogen haben. Genau diesen Ansatzhat die FDP-Bundestagsfraktion ausdrücklich nicht ge-wählt.
Wir, die Abgeordneten von der FDP, vergleichen unsauch bei der Altersversorgung nicht mit Beamten, ob-wohl sich unsere Altersversorgung im Augenblick leidernoch an der der Beamten orientiert. Unser Vergleichs-maßstab sind vielmehr die freien Berufe; denn Freibe-rufler haben genauso wie Abgeordnete keine Vorgesetz-ten und sind nicht an Weisungen gebunden. Daher mussunser Blick, beispielsweise bei der Ausgestaltung derAltersversorgung, in diese Richtung gehen.
Wir werden den Gesetzentwurf von SPD und Bünd-nis 90/Die Grünen ablehnen, und zwar aus einem Grund,der nach meiner Auffassung sofort einleuchtet. HerrKollege Schmidt, Sie haben nicht umsonst mit einer na-mentlichen Abstimmung gedroht. Sie hatten Befürchtun-gsDgdfkRuscKsmtakhlebDHSbgdkIhnsnindgsleDsdN
iese wären durchaus berechtigt; denn die zukünftigeltenden Anrechnungsregelungen treffen insbeson-ere die Kolleginnen und Kollegen, die aus freien Beru-en kommen. Wer wie ich Beamter ist, hat eine Rück-ehrmöglichkeit. Wer sie nutzt, für den gelten die altenechte und der verdient genauso viel wie vorher, ergänztm die Gehaltserhöhungen, die die Beamten im Gegen-atz zu den Abgeordneten regelmäßig bekommen.Wer aber einen freien Beruf ausgeübt hat, hat erhebli-he Probleme, in seinen Beruf, zum Beispiel in eineanzlei, zurückzukehren; deshalb halten wir die vorge-ehene Anrechnungsregelung in Bezug auf eine ange-essene Vertretung aller Berufe im Deutschen Bundes-g für Gift.
Wir haben auch über den Vorschlag der FDP zu dis-utieren. Ich bin froh, dass wir ihn wieder eingebrachtaben. Sowohl der Kollege Schmidt als auch der Kol-ge Beck haben von dem Mut gesprochen, den wirrauchen, um bestimmte Regeln durchzusetzen. Nur:ieser Mut verlässt uns doch regelmäßig. Herr Schmidt,err Beck, Sie hat der Mut doch erst gestern verlassen.
ie stellen sich hierhin und sagen: Wir müssen Mut ha-en, beispielsweise um die Arbeitsbedingungen von Ab-eordneten zu verbessern. Ich darf mich schon wundern,ass Sie einen Tag später versuchen, das der Öffentlich-eit hier so zu verkaufen.
ch denke, unser Ansatz ist der richtige.Die Kommission spricht uns von dem Vorwurf – wirören ihn immer wieder, auch wenn er meiner Ansichtach ungerechtfertigt ist – frei, dass diejenigen, dieelbst über die Höhe ihres Einkommens bestimmen kön-en, das nicht zu ihrem Nachteil tun. Eine Kommission, der insbesondere die Kritiker, beispielsweise der Bunder Steuerzahler, vertreten sind, ist, wie ich finde, eineute und vor allen Dingen objektive Einrichtung zur Be-timmung dessen, was die Abgeordneten verdienen sol-n.
en Maßstab hat das Bundesverfassungsgericht aufge-tellt. Ich glaube, dass diese Angelegenheit beim Bun-espräsidenten richtig aufgehoben ist.Wir bitten um Zustimmung zu diesem vernünftigeneuanfang. Einige Parlamente haben ihn versucht, und
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Jörg van Essendas nicht nur mit einem negativen Ergebnis. Das Ergeb-nis war dann negativ, wenn die Parlamente – zum Bei-spiel das in Schleswig-Holstein – zunächst die Vorteileeiner Neuregelung in Kraft gesetzt, die anderen Dingeaber vergessen haben. Das spricht nicht gegen unserenVorschlag. Herr Kollege Schmidt, wir werden ihn weiterverfolgen, weil wir ihn für den einzigen wirklich nachvorne weisenden halten.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordneten-
gesetzes auf Drucksache 15/3942. Der Ausschuss für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung emp-
fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache15/4205, diesen Gesetzentwurf anzunehmen.
Mir liegt hierzu eine Erklärung zur Abstimmung
nach § 31 unserer Geschäftsordnung des Kollegen Rolf
Schwanitz vor, die wir zu Protokoll nehmen.1) Ich bitte
nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich der Stimme? – Der Gesetzentwurf ist mit der
Mehrheit des Hauses gegen die Stimmen der FDP-Frak-
tion angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von ihren Plätzen
zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich
der Stimme? – Damit ist der Gesetzentwurf ebenfalls mit
der Mehrheit des Hauses gegen die Stimmen der
FDP-Fraktion angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, Art. 48
Abs. 3, der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/751.
Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung empfiehlt unter Buchstabe b seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 15/4205, diesen Ge-
setzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Da-
mit ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt. Damit ent-
fällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Bera-
tung.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes
der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/753. Der Aus-
schuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord-
nung empfiehlt unter Buchstabe c seiner mehrfach zitier-
ten Beschlussempfehlung, auch diesen Gesetzentwurf
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j1) Anlage 3
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– Das habe ich auch schon gemerkt. Sie flüchten alle vonder Regierungsbank.Die diversen, vom Umweltminister mit öffentlichenMitteln unterstützten öffentlichkeitswirksamen Aktionengleichen eher einer Hexenjagd. Damit verunsichert dieRegierung, die jetzt gerade nicht auf der Regierungsbanksitzt, die Bürger, ohne einen wissenschaftlich fundiertenHintergrund für ihre Behauptungen zu haben.
– Jetzt kommt Herr Trittin. Dann sollte ich das vielleichtnoch einmal sagen: Das Umweltministerium hat mit öf-fentlichen Mitteln Werbung publiziert und öffentlich-keitswirksame Aktionen gestartet, die meiner Meinungnach eher einer Hexenjagd gleichen. Damit verunsichernSie, Herr Trittin, die Bürger, ohne einen wissenschaftlichfundierten Hintergrund für Ihre Behauptungen zu haben.Nichtsdestotrotz ist es die Pflicht des Umweltminis-ters, im EU-Ministerrat die wirtschaftlichen InteressenDeutschlands bei den Beratungen des neuen Chemika-lienrechts zu vertreten. Hierbei muss der Umweltminis-ter auf die gravierenden Mängel des REACH-Systemsaufmerksam machen und auf Änderungen drängen.Wie viele Verbesserungen notwendig sind, hat dieAnhörung des Umweltausschusses am Anfang dieserWoche gezeigt. Beantragt wurde sie übrigens von derCDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Regierungskoali-tion sah offensichtlich keinen Anlass, sich mit diesereinschneidenden Änderung des europäischen Rechts nä-her zu befassen. Alle zu der Anhörung eingeladenenSachverständigen waren sich einig: Der EU-Verord-nungsvorschlag in seiner jetzigen Form ist weder prakti-kabel noch liefert er einen erkennbaren Vorteil für Ar-beits-, Gesundheits- und Umweltschutz.Der Nutzen von REACH bleibt marginal, weil wir dasVollzugsdefizit, das wir im Bereich des Chemikalien-rechts schon heute haben, nur noch vergrößern und wei-tere Datenfriedhöfe anlegen. In der Anhörung wurdedeutlich, dass kleine Unternehmen mit weniger als50 Mitarbeitern die neue REACH-Verordnung aus Prakti-kabilitätsgründen schlichtweg nicht anwenden können.Kleine Unternehmen verfügen eben nicht über die not-wendigen Humanressourcen und die notwendigen Mittel,um das komplexe und komplizierte Registrierungsverfah-ren reibungslos zu durchlaufen. Das Vollzugsdefizit istalso vorprogrammiert.Ein weiteres Beispiel für weniger statt mehr Umwelt-schutz durch REACH stellt der Umgang mit Kühlwas-seradditiven dar. Solche Additive werden nur in sehrgeringen Mengen hergestellt. Die Kosten für die Regis-trierung sind aber so hoch, dass ein weiterer Vertrieb die-ser Additive ökonomisch nicht mehr sinnvoll ist. DieFolge ist, dass diese Additive auf dem europäischenMarkt nicht mehr erhältlich sind. Kühlwasser mussksewRdsRdkgAnDstnnHsPdbwdtnsffsldDgdELddIRcmfGVBucrtofbt
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Bei all Ihren Initiativen gewinne ich immer mehr denindruck, dass es Ihnen darum geht, Argumente zu sam-eln, warum REACH nicht machbar ist. Dies ist meinereinung nach viel zu kurz gesprungen. Alle, die sichit REACH beschäftigen, haben natürlich auch die Kri-ikpunkte der chemischen Industrie und deren Anliegenufgenommen. Es geht darum, REACH effizient weiter-uentwickeln.Aber wir sind nicht nur den Finanzvorständen derhemischen Industrie Rechenschaft schuldig. Wir sollteninen höheren Anspruch an uns stellen. Wir tragen ins-esondere die Verantwortung für die Verbraucherinnennd Verbraucher in unserem Land. Wir wollen, dass dieeschäftigten in der chemischen Industrie, so gut eseht, vor Gesundheitsschäden geschützt werden.
Erst wenn wir alle Ziele von REACH im Auge haben,erden wir in Europa eine adäquate Stoffpolitik hinbe-ommen. Erst dann können wir den untragbaren Zustandberwinden, dass sich Tausende von Stoffen auf demarkt befinden, über deren Gefährdungspotenzial wirinfach nicht genügend wissen.Ich habe bei der Anhörung in dieser Woche erfreutestgestellt, dass sich alle Sachverständigen, egal woherie kamen, nach wie vor zu den Zielen der neuen euro-äischen Chemiepolitik bekennen. Das gilt für die Ver-reter der Chemieindustrie, des DIHK und des Chemie-andels. Eine der wichtigsten Aussagen der Anhörungestand darin, dass REACH einen geeigneten Rahmenietet, um den Umgang mit Chemikalien in Europa neuu regeln. Es wurde zum Beispiel auch darauf hingewie-en, dass die Europäische Kommission an einigen Stel-en der Verordnung bewusst offen gelassen hat, wie dieorgaben unter Einbeziehung der betroffenen Unterneh-en praktisch ausgestaltet werden sollen. Hier existiertlso ein großer Spielraum für die Umsetzung.Genau um diese Ausgestaltung von REACH geht esegenwärtig. Es gibt dazu eine Vielzahl von Methodennd Instrumenten, um Unternehmen der chemischen In-ustrie die Umsetzung von REACH zu erleichtern.
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Heinz Schmitt
Diese Instrumente werden im Augenblick auf ihre Taug-lichkeit überprüft.Für eine Vereinfachung dieser Registrierung werdenderzeit verschiedene Wege geprüft und verfolgt. Es gehtbeispielsweise um das Prinzip „Ein Stoff – eine Regis-trierung“. Es geht ferner um die Erarbeitung von Exposi-tionskategorien und -szenarien, also darum, wie oft undwie lange Menschen und Umwelt mit bestimmten che-mischen Stoffen in Berührung kommen. Es geht auchum die Fortentwicklung bereits bestehender Sicherheits-datenblätter und um die Entwicklung von alternativenTestmethoden. All diese Ansätze sind mit REACH ver-einbar und dort vorgesehen.Es zeigt sich also, dass REACH Flexibilität bietet, dieKosten für die Industrie im Rahmen zu halten undgleichzeitig die Schutzziele zu erreichen.
Zu den Kosten ist anzumerken, dass wir das neueSystem natürlich nicht zum Nulltarif bekommen werden.Das ist jedem klar. Nach allen vorliegenden Studien– mit Ausnahme der Studie von Arthur D. Little, die derVCI in Auftrag gegeben hat – sind die Kosten tragbar.Dies hat auch ganz aktuell eine Zusammenstellung ver-fügbarer Studien zur Folgeabschätzung für REACH ge-zeigt, die im Auftrag der niederländischen Präsident-schaft erstellt wurde.Wir wissen also, dass es keine absolut zuverlässigenZahlen über die Kosten von REACH gibt, solange nichtfeststeht, welche Wege bei der Vereinfachung überhauptgegangen werden. Es ist außerdem nicht genau bekannt,welche Informationen bei der Chemieindustrie bereitsheute schon vorliegen und genutzt werden können. Eswäre daher ein großer Fortschritt und auch ein gutes Si-gnal, wenn die Unternehmen hier einmal für Klarheitsorgen und endlich ihre Karten auf den Tisch legen wür-den.
Dies wäre eine konstruktive Alternative zu den immerwieder vorgebrachten Bedenken, dass bestimmte Einzel-heiten von REACH noch nicht bis ins letzte Detail gere-gelt sind.Wir sind damit bei einem weiteren Punkt, den ich ausder Anhörung dieser Woche mitgenommen habe. UmREACH zum Erfolg zu führen, brauchen wir nicht nurgeeignete Instrumente und technische Anleitungen. Da-rüber hinaus brauchen wir auch den erkennbaren Willen,dass jeder seinen Beitrag zum Gelingen der Reform bei-steuert und dass dabei vertrauensvoll zusammengearbei-tet wird. Auch dies ist eine ganz wichtige und notwen-dige Grundlage für das Gelingen von REACH.Die Ansätze dafür, nämlich Verfahren für eine erfolg-reiche Umsetzung von REACH zu entwickeln, sind ge-geben. Jetzt ist es an der Zeit, dass alle Beteiligten dazubeitragen, REACH zu einem funktionierenden Systemfortzuentwickeln. Nur durch eine konstruktive und nachvorne gerichtete Herangehensweise kann REACH daslbEaHbMklsDidrgtCBPAfhwskb–vgWImnfvdlspcv
Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege
ichael Kauch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um eineslar vorwegzusagen: Bei der Neuordnung der Chemika-ienpolitik in Europa besteht unbestritten umweltpoliti-cher Handlungsbedarf.
ie Neuordnung der europäischen Chemikalienpolitikst deshalb gerade für Deutschland ein wichtiges Thema;enn wir sind der wichtigste Chemikalienstandort in Eu-opa.Die REACH-Verordnung wird massive Auswirkun-en haben, und zwar nicht nur auf die chemische Indus-rie, sondern vor allem auch auf die Industriezweige, diehemikalien und chemische Produkte verwenden. Dieundesregierung und der Bundestag sind deshalb in derflicht, sich im europäischen Prozess zusammen mit denrbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern nachdrücklichür eine Lösung einzusetzen.
Es geht darum, in allen europäischen Ländern einenohen Sicherheitsstandard zu erreichen. Deshalb teilenir das Ziel von REACH, Umwelt- und Gesundheits-chutz bei gleichzeitiger Erhaltung der Wettbewerbsfähig-eit der Unternehmen anzustreben. Aber trotz Detailver-esserungen gegenüber den ursprünglichen EntwürfenHerr Schmitt hat ja gesagt, dass bereits Änderungenorgenommen worden sind – reicht das, was wir vorlie-en haben, immer noch nicht aus, um dem Ziel, dieettbewerbsfähigkeit zu erhalten, gerecht zu werden.
m Augenblick drohen im Zusammenhang mit der Che-ikalienverordnung erhebliche negative Konsequenzenicht nur für die Chemiewirtschaft, sondern gerade auchür Unternehmen im Anwendungsbereich.Als Ergebnis des Planspiels, das die Landesregierungon Nordrhein-Westfalen – sie ist aus Ihrer Sicht unver-ächtig; denn dort regiert Rot-Grün – hat durchführenassen, wurde festgestellt, dass insbesondere die mittel-tändische Wirtschaft mit REACH zum jetzigen Zeit-unkt völlig überfordert sein würde. Wenn wir von derhemischen Industrie sprechen, dann sollten wir nichtergessen, dass es nicht nur große Unternehmen in
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Michael KauchLudwigshafen oder in Leverkusen gibt, sondern dass diechemische Industrie insbesondere auch mittelständischgeprägt ist. Unternehmen mit 30 oder 40 Mitarbeiternkönnen es sich eben nicht leisten, einen Mitarbeiter ganzfür die für REACH erforderliche Bürokratie abzustel-len.
Es ist zudem unsinnig, Datenfriedhöfe anzulegen,wenn die Erhebung dieser Daten für den Umwelt- undGesundheitsschutz nicht erforderlich ist.
REACH muss im Interesse des Umwelt- und Gesund-heitsschutzes einerseits und im Interesse der betroffenenUnternehmen andererseits handhabbar sein.
Durch REACH droht zudem die Innovationsfähigkeitgeschwächt zu werden; denn verhältnismäßig kleinvolu-mige Chemikalien der Spezialchemie könnten vomMarkt verschwinden – und das nicht, weil sie gefährlichsind, sondern allein deshalb, weil sich bei diesen kleinenMengen der bürokratische Aufwand für die Registrie-rung nicht lohnt. Auch hierauf haben die Sachverständi-gen in der Anhörung des Umweltausschusses amMontag dieser Woche hingewiesen.Deshalb sagt die FDP: Es kann nicht vorrangig darumgehen, an Herstellungs- und Importmengen anzusetzen.Es muss vielmehr um die Risikobewertung von Chemi-kalien und ihre Gefährlichkeit für den Menschen gehen.Da muss die Verordnung ansetzen.
Die EU-Kommission selbst beziffert die Kosten, dieim Zusammenhang mit dieser Verordnung entstehen, aufetwa 5 Milliarden Euro. Diese Kosten sind keineswegsgleichmäßig über die verschiedenen Unternehmen undStoffe verteilt. Sie treffen vielmehr vor allem jene klei-nen und mittleren Unternehmen, die Fein- und Spezial-chemikalien in relativ geringen Mengen herstellen. Da-rüber hinaus sind neben der Kostenbelastung auch einKnow-how-Verlust durch Offenlegungspflichten sowieteilweise Zeitverluste bei der Vermarktung von Spezial-chemikalien zu befürchten.Überdies ist die Wettbewerbsfähigkeit Europas – dassollte man bei dieser Diskussion immer beachten – durchzunehmenden Druck durch den Import von Erzeugnissenbedroht, die außerhalb der Europäischen Union aufgrundder dort geltenden niedrigeren Umweltstandards produ-ziert werden. Es kann nicht sein, dass wir hier Tür undTor für Produkte insbesondere aus Osteuropa und denUSA öffnen, die sich schon die Hände reiben, wenn wirbei der Verordnung, über die wir momentan diskutieren,bleiben.
Unbestritten und selbstverständlich ist es, dass bei derChemikalienpolitik in Deutschland und Europa dieGmtEgEbfshughmszEaacsAvehlgvmaRrwbRnkltVzs
Für die Bundesregierung spricht nun der Bundes-inister Jürgen Trittin.Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-chutz und Reaktorsicherheit:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die jet-ige Bundesregierung hat die neue Chemiepolitik deruropäischen Union 1999 unter ihrer Präsidentschaftngestoßen. Es ist über Jahre nicht gelungen, einen be-chtlichen Teil der 100 000 im Verkehr befindlichen Alt-hemikalien wenigstens in ihren Eigenschaften zu be-chreiben. Deswegen war es Zeit für einen Wandel.bschied von der alten Chemiepolitik heißt Abschiedon einem Zustand, in dem man erst dann Maßnahmenrgreift, nachdem – wie beim Holzschutzmittelskandal –öchstrichterlich festgestellt wurde, dass etwas schäd-ich für die Menschen ist. Neue Chemiepolitik ist vorsor-ende Chemiepolitik. Vorsorgende Chemiepolitik haton der EU-Kommission den Namen REACH bekom-en.
Künftig sollen die Eigenschaften aller Stoffe, also derlten wie der neuen Chemikalien, registriert werden. Deregistrierungsaufwand, Herr Kollege, ist übrigens nied-iger als der Anmeldeaufwand, den man betreiben muss,enn man heute eine neue Chemikalie auf den Marktringen will.
EACH macht also Schluss mit der Benachteiligungeuer, innovativer Chemikalien gegenüber alten Chemi-alien.Ich finde, wir sollten auch einmal gemeinsam feststel-en, dass sich die Kommission nicht als beratungsresis-ent erwiesen hat, sondern in ihrem Entwurf viele derorschläge berücksichtigt hat, die die Bundesregierungusammen mit der Chemiegewerkschaft und der chemi-chen Industrie eingebracht hat.
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Bundesminister Jürgen TrittinWenn wir Kenntnislücken über Chemikalien schlie-ßen, hilft das auch der Wirtschaft. Was bedeutet das fürden Anwender von Chemikalien? Das heißt, er kann sichkünftig darauf berufen, dass er Stoffe benutzt hat, derenEigenschaften bekannt sind. Damit schützt er sich auchein Stück weit vor möglichen Schadensersatzklagen undmindert sein eigenes Produkthaftungsrisiko. Für dieWirtschaft bedeutet das übrigens immense Wettbewerbs-vorteile. Das stellen Sie insbesondere fest, wenn Sie überden Atlantik blicken; dort gibt es ein Land mit ausge-prägteren Schadensersatzregelungen als hier.Selbstverständlich profitieren auch Umwelt und Ge-sundheit von REACH. Es wird gezielte Substitutionsan-reize hinsichtlich der Zahl und der Menge gefährlicherStoffverwendungen geben. Wir sind uns doch einig – je-denfalls mit der chemischen Industrie; ich vermute, auchin diesem Hause –, dass Krebs erzeugende und Erbgutverändernde Stoffe und solche, die lange Zeit im Körperverbleiben und hoch toxisch, also sehr giftig, sind, künf-tig einem Zulassungsverfahren unterliegen sollten.Damit die Regelung besser handhabbar wird, wollenwir, übrigens gemeinsam mit der Industrie, eine Erweite-rung des Datensatzes. Warum? Die Industrie verfügtüber diese Daten. Sie waren in Deutschland nämlich al-lesamt Bestandteil der Selbstverpflichtung der deutschenchemischen Industrie. Ich erwarte, dass sich künftigauch andere Hersteller in Europa daran halten werden.Sie haben zwar zu Recht von den Schwierigkeitenkleiner und mittlerer Unternehmen gesprochen. Aberwarum treten wir für das Prinzip „Ein Stoff – eine Regis-trierung“ ein? Das tun wir, weil wir den Aufwand bei derRegistrierung mindern wollen, und nicht nur, weil wirdie Anzahl von Tierversuchen möglichst gering haltenwollen. Warum soll eine Chemikalie, die auf dem Marktschon registriert ist, noch einmal geprüft werden, nurweil ein Wettbewerber sie auf den Markt bringt? MeineDamen und Herren, das macht keinen Sinn.
Wie immer, wenn sich die Rahmenbedingungen derPolitik etwas verändern, gibt es auch die Befürchtung:Ist das ökonomisch leistbar? Ich finde, wir sollten versu-chen, uns auf einen gemeinsamen Maßstab zu verständi-gen. Wenn man die wirtschaftlichen Auswirkungen einerumweltpolitischen Maßnahme prüft, dann muss derMaßstab sein: Ist die Maßnahme für die gesamte Volks-wirtschaft von Nutzen oder ist ihr Nutzen zu gering, umden Aufwand zu rechtfertigen?Hierzu gibt es sehr unterschiedliche Studien. Die Stu-die von Arthur D. Little, die hier schon erwähnt wordenist, hat mich ein bisschen an die Debatte erinnert, die wirvor 20 Jahren über Formaldehyd geführt haben. Damals– Sie können das nachlesen – wurde von einem großendeutschen Chemiebetrieb ein Papier veröffentlicht, indem es hieß: Wenn Formaldehyd verboten wird, dannwerden wir erleben, dass das Bruttosozialprodukt derBundesrepublik Deutschland um ein Drittel einbrechenwird. Meine Damen und Herren, das glaubt heute nichteinmal mehr IKEA, obwohl dort fast nur Spanplattenverkauft werden, die inzwischen allerdings kein Formal-dehyd mehr enthalten.eaws3wzvne4c1dmsdnGsUDggkcDEcEkbDmegra
iese betreibt inzwischen selbst die Industrie nichtehr. Es verbreitet sich die Erkenntnis, dass REACHine Chance für Umwelt, Verbraucher und Wirtschaftleichermaßen ist. Wir sollten REACH als Chance ge-ade für mehr Innovationen in der Chemie und natürlichls Chance für Umwelt und Gesundheit betrachten.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
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Nächster Redner ist der Kollege Kurt-Dieter Grill,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichmöchte zunächst einmal, Herr Minister, die KolleginDött gegen den Vorwurf, Fundamentalopposition betrie-ben zu haben, verteidigen. Das war gar nicht das Ansin-nen ihres Beitrages.Nach der Anhörung ist es nun unsere Aufgabe, dieFragen herauszunehmen, die man für die Zukunft derchemischen Industrie, aber auch für die Zukunft derZiele von REACH für bedeutsam hält. Lassen Sie micheines ganz deutlich sagen: Die Frage, ob Innovationengefördert oder behindert werden, betrifft nicht nur dieUnternehmen, wie das hier geschildert worden ist. Inno-vationen implizieren vielmehr Fragen, die Gesundheitund Umwelt gleichermaßen betreffen.Der Kollege Schmitt hatte eben den BDI, den VCIund die DIHK als Zeugen für seine Meinung und die sei-ner Fraktion aufgerufen. Dazu kann ich nur sagen: Inden Stellungnahmen und in der Debatte sind nach wievor die Fragen bezüglich der ökonomischen Wirkung,und zwar nicht nur auf die Volkswirtschaft, sondern auchauf die Betriebe, insbesondere auf die Betriebsgrößenbezogen, nicht endgültig beantwortet worden, auch nichtin dem Maße, wie das der Bundesumweltminister hierdargestellt hat.Deswegen halte ich es für richtig, Herr KollegeSchmitt, dass wir uns in dieser Debatte den Themen„Chemie als Faktor in der Wirtschaftspolitik“ und „Che-mie als Wettbewerbsfaktor“ zuwenden, und zwar nichtinnerhalb Europas oder zwischen Deutschland und denMitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern aufdem Weltmarkt.
– Dann lassen Sie doch bitte den Vorwurf, dass wir unsallein mit den die Wirtschaft betreffenden Fragen be-schäftigen.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat mit den vonihr gestellten Fragen und auch mit der Anhörung deut-lich machen wollen, wo möglicherweise Probleme lie-gen. Es ist doch nicht so, dass das Ergebnis der Anhö-rung unter dem Strich lautete: Im Wesentlichen gibt eskeine Probleme mehr; das Wichtigste ist positiv beant-wortet. Ganz im Gegenteil. Da wir nicht nur über Um-welt, Gesundheit und Arbeitsschutz reden, sondern imSinne der Nachhaltigkeit auch über Arbeitsplätze undÖkonomie – wenn wir die Nachhaltigkeit in dieser Drei-faltigkeit, wie man so schön zu sagen pflegt, ernst neh-men –, muss es doch gestattet sein, den vonseiten derWirtschaft erhobenen Einwänden nachzugehen.Gestern ist in diesem Hause über die Lissabon-Strate-gie geredet worden. Sie wissen, dass das Ziel, Europazum wachstumsstärksten Markt zu machen, nicht er-reicht wurde. Es geht doch nicht darum, die politischenRahmenbedingungen für den Wettbewerb im Innern zugutePpgnSHrdjDruHFdgRfsgdkRTrfvmhodtzGdacddnumgsdggd1üf
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– Wissen Sie, Sie sind nicht der Richter über den Fort-schritt, den wir machen oder nicht.
– Das ist Lob? Das habe ich anders verstanden. Ich bitteum Entschuldigung; Lob bin ich von dieser Seite garnicht gewöhnt. Dann streiche ich den heutigen Tag inmeinem Kalender mit einem roten Kreuz an oder bessermit einem rot-grünen.
– Ich soll bei schwarz bleiben? Na gut, in Ordnung.Der Umweltminister hat an dieser Stelle etwas überdas Umschalten von Nachsorge auf Vorsorge gesagt. Ichwill hier noch einmal deutlich machen: Der Umstieg aufvorsorgende Umweltpolitik, gerade auch im Chemika-lienrecht, ist mit der Regierungszeit von Helmut Kohl,insbesondere auch mit Klaus Töpfer verbunden. Deswe-gen glaube ich, dass es notwendig ist, in dieser Debattenicht nur die Ziele Verbraucherschutz, Umweltschutzund Gesundheit zu sehen; die Frage der Tierversuchehabe ich angesprochen.
Unter dem Strich sollten wir ein REACH haben, dassicherstellt, dass das andere Ziel Europas, nämlich wett-bewerbsstärkster Raum im globalen Wettbewerb zu wer-den, nicht aus den Augen verloren, sondern durchREACH unterstützt wird. Wenn das am Schluss heraus-kommt, dann ist es jede Debatte wert, auch jede kontro-verse. Wenn Sie den einen oder anderen Gesichtspunktnicht ansprechen, dann müssen wir als Opposition dastun. In diesem Sinne sind heute Morgen dank der Oppo-sition alle wesentlichen Bestandteile der REACH-Dis-kussion angesprochen worden.
Das Wort hat der Kollege Michael Müller, SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieeuropäische Chemiepolitik hat eine Geschichte. Sie istnicht vom Himmel gefallen, sie ist nicht zuletzt durchdie Ereignisse der 80er-Jahre begründet. Das eigentlicheProblem scheint mir zu sein, dass sich eine Debatte, diein den 80er-Jahren begonnen hat, erst 15 Jahre späterwirklich auswirkt. Die Anfänge, sozusagen die Geburts-stunde der Chemiepolitik, waren die Rhein-Unfälle. Icherinnere mich noch, dass damals von großen Teilen derÖffenlichkeit gesagt wurde: Chemiepolitik – was istdenn das für ein Unsinn? Im Gegenteil! Jetzt sind wirwewackweDrHkingidbosdCdtiemwmMDztnNeWshewdhrd
Ich erinnere mich auch noch an eine Aktuelle Stundem – damals Bonner – Bundestag, in der ein Kollege voner CDU, der gesprochen hat, Dioxine als ein aufge-auschtes Problem bezeichnet hat; er gehe tagtäglichhne jeden Schaden damit um. Solche Bemerkungenind im Protokoll nachzulesen. Gott sei Dank sind wir iner Umweltfrage mittlerweile sehr viel weiter.Es gab in den 80er-Jahren zwei Ansatzpunkte für diehemiepolitik: der eine kam aus der Bundesrepublik,er andere von der Europaebene. Ein Teil der EU-Poli-ik, die sehr stark auf schwedische Initiative zurückgeht,st auch ein Produkt der deutschen Diskussion. Wenn Sieinmal genau schauen, was in der Chemiepolitik ge-acht wird, dann werden Sie feststellen, dass das Ideen-erk zum großen Teil auf die Arbeit der Enquete-Kom-ission des Deutschen Bundestages „Schutz desenschen und der Umwelt“ zurückgeht.
arauf können wir übrigens stolz sein.Aber muss es denn wirklich so sein, dass die Umset-ung solcher Vorhaben immer erst möglich ist, wenn Ka-astrophen eingetreten sind? Können wir solche Erkennt-isse nicht auch einmal ohne den Druck einerotsituation umsetzen? Können wir in dieser Frage nichtinmal Vernunft regieren lassen?
arum ist das eigentlich nicht möglich? Warum sind inolchen Debatten immer nur ganz kurzfristige Ziele vor-errschend? Nein, ich glaube, es ist gut, dass wir jetztine solche Debatte führen.Ich muss auch sagen: Damals ist der Dreiklang, denir heute umzusetzen versuchen, entstanden:Erstens muss es zu einer sehr viel schnelleren Lösunger Altstoffproblematik kommen. Es ist in der Tat nichtinzunehmen, dass in zehn Jahren gerade einmal 30 derund 30 000 als kritisch einzuschätzenden Altstoffe – aufem Markt gibt es insgesamt etwa 100 000 Altstoffe –
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Michael Müller
aufgearbeitet wurden. Das kann doch nicht sein. Wo isthier die politische Verantwortung?Das zweite Prinzip, das sich seitdem durchgesetzt hat– auch das finde ich wichtig –, ist die internationale Zu-sammenarbeit. Es ist richtig: Die Chemiepolitik brauchteine europäische und eine darüber hinausgehende Flan-kierung. Wir müssen auch dafür sorgen, dass bei derWTO und ähnlichen Organisationen solche Ansätzedurchgesetzt werden. Sie können aber nur durchgesetztwerden, wenn Europa zeigt, dass es ernst damit macht.Auch das muss sein.
Als Drittes muss man den Gedanken erwähnen, wegvon der End-of-Pipe-Philosophie hin zu Stoffkreisläufenzu kommen. Wir müssen uns das einmal anschauen: Inder Diskussion ist der Gedanke der Kreislaufwirtschaftentstanden, den wir bis heute nicht wirklich ausgefüllthaben. Die Kreislaufwirtschaft ist zwar Namensgeberfür ein wichtiges Gesetz; richtig ausgefüllt wurde sieaber bis heute nicht.Ich will jetzt nicht auf das Drama mit dem GrünenPunkt eingehen. Bei den Stoffkreisläufen haben wir inder Tat noch sehr viel zu tun. Ich möchte hier explizit sa-gen: Wir nehmen die Lernprozesse zur Kenntnis, dieseitdem auch in der chemischen Industrie stattgefundenhaben. Wir nehmen aber auch zur Kenntnis, dass es seiteiniger Zeit auch in der chemischen Industrie Verständ-nis dafür gibt, dass das Jahrzehnt der Ökologie, wieSie das nennen, jetzt beendet sein müsste, weil man ge-nug getan hat. Das ist nicht unsere Position.
Im Gegenteil: Es ist und bleibt gerade beim Umgangmit Stoffen ein wichtiger Innovations- und Wirtschafts-auftrag, die Modernisierung und Qualität voranzustellen.Das werden wir auch immer unterstützen, weil die euro-päische Chemieindustrie vor allem Vorteile hat, wenndie Produktion und Dienstleistung in der Welt als risiko-arm und qualitativ hoch stehend angesehen werden. Dasist unsere Chance. Deshalb sind wir für eine Chemie-politik. Wir verfolgen keine Erfindung irgendeinerRandgruppe, sondern das zentrale ökonomische Prinzipfür eine moderne Wirtschaft.
Meine Damen und Herren, wir erkennen natürlich inder Tat, dass wir uns in einer Situation befinden, in derwir nicht alle 30 000 Stoffe mit derselben Priorität aufar-beiten können. Das ergibt sich schon aus den Baum-strukturen der Chemie. Wir wissen aber natürlich auch,dass es bestimmte Gefährdungspotenziale gibt, die sehrviel schneller aufgearbeitet werden können und müssen.Deshalb sagen wir: Wenn man von der Lissabon-Strate-gie bezüglich der Innovationen redet und wenn man vorallem will, dass die Europäer Vorreiter bei der ökologi-schen Modernisierung sind, dann dürfen wir nicht überdüCppedtsCdCKAieuSrdofewtbs1)2)
Ich schließe die Aussprache.Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines ErstenGesetzes zur Änderung des Signaturgesetzes
– Drucksache 15/3417 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Wirtschaft und Arbeit
– Drucksache 15/4172 –Berichterstattung:Abgeordneter Hubertus HeilDr. Martina Krogmann, Fritz Kuhn, Gudrun Koppnd der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ditmartaffelt haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1)Bevor wir zur Abstimmung kommen, weise ich da-auf hin, dass mir zu dieser Abstimmung eine Erklärunges Abgeordneten Jörg Tauss nach § 31 der Geschäfts-rdnung vorliegt.2)Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Der Ausschussür Wirtschaft und Arbeit empfiehlt in seiner Beschluss-mpfehlung auf Drucksache 15/4172, den Gesetzent-urf auf Drucksache 15/3417 zur Änderung des Signa-urgesetzes in der Ausschussfassung anzunehmen. Ichitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-chussfassung zustimmen wollen, um das Handzei- Anlage 5 Anlage 4
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastnerchen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit denStimmen des ganzen Hauses angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-wurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses in dritterBeratung angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Kultur und Medien
zu dem Antrag der Abgeordne-
ten Hans-Joachim Otto , RainerFunke, Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der FDPSchutz vor illegalen und jugendgefährdendenInternetinhalten – Filtern statt Sperren– Drucksachen 15/1009, 15/3409 –Berichterstattung:Abgeordnete Jörg TaussDr. Martina KrogmannGrietje BettinHans-Joachim Otto
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei dieFraktion der FDP fünf Minuten erhalten soll. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeHans-Joachim Otto, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieThematik dieses Antrages hat durchaus weit reichendeBedeutung für die Ordnungspolitik, aber auch für denInternetstandort Deutschland, also für Arbeitsplätze.Worum geht es? Das Internet eröffnet weltweiteKommunikationsmöglichkeiten mit ungeahnten Chan-cen für die Meinungs- und Informationsfreiheit und fürdie Wirtschaft. Zugleich aber birgt das Internet neue Ge-fahren, dass nämlich Kriminelle und politische Extre-misten diese Freiheiten missbrauchen und jugendgefähr-dende, volksverhetzende oder sonst illegale Inhalte insNetz stellen. Es ist unbestreitbar, dass im Internet vieleSeiten aufgerufen werden können, deren Inhalte für ei-nen demokratischen Rechtsstaat nicht akzeptabel sind.Wie gehen wir gegen diese illegalen und jugendge-fährdenden Internetinhalte vor? Eingangs muss man sa-gen: Es gibt leider kein Patentrezept. Alle Demokratiender Welt haben erkannt, dass Repression allein nicht aus-reicht, sondern nur ein Bündel von Maßnahmen zum Er-folg führt. Kern dieses Maßnahmenbündels ist eine Stär-kung internationaler Zusammenarbeit, zum Beispiel inForm der Cybercrime Convention des Europarates,um den Zugriff und die Strafverfolgung auf die UrheberimsgudbbrFeSRnKDlbsDfPwbvdasABebsbr–IIdniavpVacDmt
emgegenüber haften diejenigen, die nur Speicherplatzür fremde Inhalte bereithalten, die so genannten Hostrovider, nur insoweit, als ihnen diese Inhalte bekannterden. Eine Pflicht zum Suchen illegaler Inhalteesteht nach unserer Rechtsordnung für diese Host Pro-ider nicht. Die dritte Stufe bilden die reinen Vermittleres Zugangs zum Internet, deren Dienstleistung sich alsouf die Durchleitung fremder Inhalte beschränkt. Dasind die so genannten Access Provider.Dieses System gestufter Verantwortlichkeit, also dieusformung des Verursacherprinzips, ist durchgängigeasis der deutschen Rechtsordnung und wurde jüngstrst wieder durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertragestätigt. Wo liegt also das Problem? Dieses System ge-tufter Verantwortlichkeit droht durch einige Ordnungs-ehörden zerstört zu werden, namentlich den Regie-ungspräsidenten in Düsseldorf, der nicht prioritärdenn das ist mühsam – gegen die Urheber kriminellernhalte vorgeht, sondern gegen die Durchleiter fremdernhalte, also die Access Provider, und gegen sie flächen-eckend Sperrungsverfügungen trifft.Diese Durchbrechung des Verursacherprinzips isticht nur ordnungspolitisch verfehlt, sie droht uns auchnternational ins Abseits zu katapultieren und Providerus Deutschland zu vertreiben. Wir wissen, dass die Pro-ider in Deutschland sowieso überdurchschnittliche Ver-flichtungen haben. Ich nenne hier nur das Stichwortorratsdatenspeicherung. Der Kollege Tauss, der gleichnschließend sprechen wird, hat sehr oft das anschauli-he Beispiel genannt, dass wir doch auch nicht gegen dieeutsche Post AG vorgehen, nur weil sie Briefe mit kri-inellem Inhalt transportiert, oder gegen Autobahnbe-reiber, weil auf der Autobahn auch Straftäter fahren.
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Hans-Joachim Otto
– Sie sind zitierbar. Sie können nachher bestätigen, dassich Sie richtig zitiert habe.Die kurze Redezeit verbietet es mir, auf Details einzu-gehen. Ich verweise auf den ausführlichen Antrag.Wie Sie der Beschlussempfehlung und dem Berichtdes federführenden Ausschusses entnehmen können,stimmten alle Fraktionen dem Grundanliegen dieses An-trages voll zu. Seit Monaten haben die Kollegen vonSPD und Grünen kleinere Änderungswünsche angekün-digt, damit der Bundestag dem zentralen Anliegen desAntrages einstimmig zustimmen kann. Bisher habe ichdiese Änderungswünsche leider noch nicht erhalten. Ichappelliere daher abschließend an alle Mitglieder diesesHauses, das international bewährte System gestufterVerantwortlichkeit zu stärken und den in der Sache tat-sächlich bestehenden Konsens in dieser wichtigen Fragenicht zu verschleiern. Es muss nicht etwas falsch sein,nur weil es von der Opposition zur Sprache gebrachtworden ist.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Jörg Tauss, SPD-Fraktion.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undliebe Kollegen! Lieber Kollege Otto! Wir reden heuteMittag über ein wichtiges Thema. Es geht um dieRechtsdurchsetzung in globalen Netzwerken. Das be-trifft nicht nur den Jugendschutz, sondern auch das Straf-recht, das Produkthaftungsrecht oder auch andere Berei-che. Darin sind wir uns alle einig.Herr Kollege Otto, wir sind uns sogar darin einig,dass Sie völlig zu Recht einen in Deutschland Gott seiDank bisher singulären Vorgang kommentieren. Die da-mals zuständige Aufsichtsbehörde für NRW – übrigensist sie nicht mehr zuständig –, die Bezirksregierung inDüsseldorf, hat landesansässige Internetzugangsanbie-ter dazu verpflichtet, zwei rechtsextremistische Inter-netangebote aus den USA zu sperren. Dieser Fall ist be-kannt. Er ist vor den Gerichten anhängig. Ich willkeinesfalls in laufende Verfahren eingreifen oder diesekommentieren. Die Frage ist, ob diese Sperrungsverfü-gung verhältnismäßig ist. Sie kennen meine Meinungund haben sie korrekt zitiert. Ich werde zu der Bezirksre-gierung an anderer Stelle etwas sagen, weil ich dasGrundanliegen, die Bekämpfung des Naziunwesens indiesem Lande, egal ob es auf den Marktplätzen oder imInternet stattfindet, selbstverständlich für begrüßens-wert halte. In diesem Punkt herrscht völlige Einigkeit.Wir sind uns auch mit der FDP einig, dass dieses Vor-gehen in technischer, wirtschaftlicher und politischerHinsicht fraglich ist. Was die technische Seite betrifft– das sagen alle Fachleute –, sind die so genannten DNS-Umleitungen ineffektiv. Von einer effektiven Sperrungkann nämlich keine Rede sein, wie übrigens die Bezirks-rt–SlfSsiiUlmDImadfssuszkgeb„Brzgdmn2easdesdgn
Nein, Kollege Otto, ich komme gleich darauf. Ich lobeie noch ein Weilchen, bevor ich zu den kritischen Tei-en komme. Sie sollten das Lob jetzt noch genießen.Ob aus diesen Maßnahmen eine Zugangserschwernisür Otto Normalsurfer resultiert – ich meine jetzt nichtie, Herr Kollege Otto, sondern wirklich Otto Normal-urfer –,
st eine Frage der Verhältnismäßigkeit.Wirtschaftlich führen diese Maßnahmen – da stimmech Ihnen ebenfalls zu – zu zusätzlichen Belastungen dernternehmen, und dies bei nachgewiesenermaßen feh-ender Effizienz. Bei zwei Seiten wäre das alles nochöglich, bei 6 Millionen Seiten allerdings nicht mehr.ann müssten wir in Deutschland auf die Nutzung desnternets verzichten; denn es wäre schlichtweg verkehrs-äßig nicht mehr zu betreiben.Auch politisch ist das Vorgehen, das Sie kritisieren,us unserer Sicht abzulehnen. Wir können uns gerade beier Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremden-eindlichkeit eine rein symbolische Politik – so stellt sieich für mich dar – schlichtweg nicht leisten und wirollten uns aus diesem Grunde über andere Strategiennterhalten.Die FDP geht ebenfalls in die richtige Richtung, wennie fordert, auch die Ressourcen der Wirtschaft zu nut-en, um zu einer effektiven Gewährleistung von Selbst-ontrolle zu kommen. Es gibt dazu einige Anmerkun-en und Bemühungen der zuständigen Verbände. Ichrinnere an die FSM in Deutschland, an den Eco-Ver-and, den Verband der Internetprovider, der die StelleINHOPE“ installiert hat, sowie an verschiedene andereelege. Der Hinweis auf „INHOPE“ ist im Übrigen ge-ade im Zusammenhang mit der aufgeregten Diskussionum Thema Kinder- und Jugendschutz wichtig. Ichlaube, wir sind uns einig, dass der Missbrauch von Kin-ern eines der schlimmsten Verbrechen darstellt, diean sich vorstellen kann. Durch „INHOPE“ war vor ei-em Jahr ein Schlag gegen Kinderpornoringe mit über6 000 Tatverdächtigen – man stelle sich die Dimensioninmal vor – möglich.Über all diese Punkte und über die Wege müssen wiruch über Fraktionsgrenzen hinweg diskutieren und ent-prechende Erfolge können wir gemeinsam begrüßen.So viel zum Lob, Kollege Otto. Jetzt komme ich zuen Minuspunkten, die leider in Ihrem Antrag ebenfallsnthalten sind. Ihr Antrag ignoriert erstens die gemein-am von Bund und Ländern durchgeführte Neuordnunges Jugendmedienschutzes. Die Kollegin Bätzing wirdleich noch mehr dazu sagen. Es ist ja nicht so, dassichts passiert ist.
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Jörg Tauss
Zweitens nenne ich die Leistungsfähigkeit der so ge-nannten Inhaltebewertungssysteme wie zum Beispiel dasICRA-System, das auch Sie kennen, aber auch über-schätzen.
– Ja, das würdigen Sie unseres Erachtens aber nicht aus-reichend.
Das sind die Punkte, zu denen ich etwas sagen wollte.Wir müssen also noch über ein paar Dinge reden.
– Das ist nicht an den Haaren herbeigezogen, sondernwir wollen das ganz korrekt machen. Ich stimme Ihnenin Teilen zu; aber unsere Fachleute haben die entspre-chenden Initiativen noch nicht abschließend bewertet.Wir werden abwarten, ob von dieser Seite noch weitereHinweise kommen. Wie bereits gesagt, sind wir uns inder Sache einig.In einem Punkt sind wir uns allerdings nicht einig.Die FDP möchte, wenn ich Ihren Antrag richtig verstan-den habe, eine reine Selbstkontrolle der Wirtschaft in Ju-gendschutzfragen.
Das ist bei illegalen Inhalten nicht möglich. Deren Kon-trolle ist eine Hoheitsaufgabe und wir sollten sie nichtdurch intransparentes „Outsourcing“ an Private verwi-schen.In Ihrem Antrag fehlt ein weiterer Aspekt, nämlichder Einsatz für international verbindliche Mindeststan-dards. Hierzu wird meine Kollegin Bätzing ebenfallsnoch etwas sagen.Lieber Kollege Otto, wenn ich diesen Antrag bilan-ziere, sage ich Ihnen nochmals voll des Lobes: Es ist einsehr guter Ansatz, den man im Detail noch verbessernkann. Das ist keine Frage. Wir sollten uns auch in unse-rem Unterausschuss noch weiter über die Möglichkeitender Selbstkontrolle der Wirtschaft unterhalten. Wir soll-ten konkret über die Art und Höhe der Anforderungensprechen und wir sollten uns zu international verbindli-chen Standards im Jugendschutz noch einiges einfallenlassen, wenngleich dieses sicherlich schwierig ist.In den letzten Sekunden will ich ganz grundsätzlichnoch etwas zum Thema Filter sagen. Wir lehnen tatsäch-lich Filter für das Internet ab, nicht nur weil sie tech-nisch schwierig sind,
sondern weil es der Versuch wäre, weltweit einen ein-heitlichen Level herzustellen. Ein Filter, der bei uns gutgbwmEv–iunrzttnRz–wdRHdeAsHtdsv3nPERsmz
it denen beispielsweise Eltern, Schulen und andereinrichtungen den Zugang zu diesen Bereichen gezielterhindern können. Da funktioniert es technisch auch.
Entschuldigung, ich will ja keinen Dissens, sondernch möchte auch an dieser Stelle nochmals die Einigkeitnterstreichen, lieber Kollege Otto.Ich glaube, eine lebenswerte Gesellschaft hängt nichtur von Bits und Bytes ab. Es muss uns gelingen, unse-en Kindern ein Umfeld für eine ungestörte Entwicklungu liefern, und wir müssen etwas für die Medienkompe-enz tun. Ich glaube, die Vermittlung von Medienkompe-enz würde viel mehr bewirken als die Debatte über tech-isch unsinnige Lösungen. Diese Kritik an demegierungspräsidium teilen wir in der Tat.Frau Präsidentin, Sie signalisieren, dass meine Rede-eit zu Ende ist. Falls ich nicht mehr zu Wort kommeauch nicht per Zwischenruf –,
ünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Wir wer-en das Thema zu gegebener Zeit weiterdiskutieren.Schönen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Heinrich-Wilhelm
onsöhr, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Tauss, im Grunde genommen haben Sieem Antrag von Herrn Otto zugestimmt. Sie haben nachinigen Argumenten gesucht, um letztlich noch zu einerblehnung zu kommen. Diese war dann aber sehrchwach begründet.Ich glaube, dass es zu dem im Antrag und auch vonerrn Otto aufgezeigten Verfahren keine wirkliche Al-ernative gibt. Wir wissen, dass die Zahl jugendgefähr-ender und gewaltverherrlichender, teilweise auch ras-istischer Internetseiten gestiegen ist. In denergangenen vier Jahren war ein Zuwachs von fast00 Prozent zu verzeichnen.Dennoch glaube ich, dass die von Ihnen beschriebe-en Szenarien, Herr Otto, geeignet sind, um mit demroblem fertig zu werden. Wir müssen immer wieder dieigenverantwortung stärken und das bisher praktizierteechtssystem beibehalten, weil es nur so einen zuverläs-igen Schutz im Internet gewährleistet. Von daheröchte ich den Antrag der FDP ausdrücklich unterstüt-en. Er enthält auch hinsichtlich der Gewichtungen die
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Heinrich-Wilhelm Ronsöhrrichtigen Formulierungen. Insofern denke ich, dass eskeine Alternative zu diesem Antrag gibt. Wer Alternati-ven aufzeigen würde, würde nur Augenwischerei betrei-ben.
Ich glaube, wie gesagt, dass das bisherige Rechtssys-tem beibehalten werden muss. Insofern sind die Einlas-sungen im Zusammenhang mit Nordrhein-Westfalen ausmeiner Sicht richtig.
Eine freiheitliche Gesellschaft, die über ungeheure tech-nische Möglichkeiten, wie sie das Internet darstellt, ver-fügt, sollte diese hinlänglich nutzen. In einer freiheitli-chen Gesellschaft ist im Umgang mit solchenMöglichkeiten immer wieder die Verantwortung desEinzelnen gefordert. In diesem Zusammenhang ist auchan die Verantwortung der Industrie zu erinnern. Soweitsie Filter einbauen kann, sollte sie dies auch tun. Aberwir dürfen die Industrie nicht überfordern.Es ist richtig: Wenn wir in Bezug auf Filter einen ein-deutigen Rechtsrahmen vorgeben würden, dann würdenwir immer hinter den technischen Möglichkeiten zurück-bleiben, die sich die Industrie erarbeitet hat. Insofern istes besser, wenn die Industrie von sich aus eigenverant-wortlich handelt, statt von unserer Seite einen kleinlichgesetzten Rechtsrahmen vorzugeben.Ich glaube allerdings auch, dass die Eltern viel deut-licher auf die Probleme im Zusammenhang mit dem In-ternet hingewiesen werden müssen. Die Eltern müssenihrer Verantwortung stärker gerecht werden. Wir könnensie nicht aus dieser Verantwortung entlassen.
– Wenn Sie einmal etwas Positives machen, dann ver-breiten wir das auch. Das kommt schließlich selten ge-nug vor, Herr Tauss.
Das Thema muss auch in den Schulen viel stärkerproblematisiert werden. Letztlich muss jeder an seineeigene Verantwortung erinnert werden. Was sich im In-ternet tummelt – beispielsweise werden in den USAInternetseiten von rassistischen Heiratsvermittlungen be-trieben –, kann zwar aufgrund unserer Rechtslage inDeutschland gegebenenfalls verboten werden. Auf inter-nationaler Ebene können wir aber keine Rechtsetzungvornehmen. Deshalb gilt es, stärker auf die Verantwor-tung des Einzelnen zu setzen, als dies möglicherweisebisher der Fall gewesen ist.Insofern bleibt zu hoffen, dass es gelingt, die Eltern,die Pädagogen und auch die Kinder stärker als bisher indie Verantwortlichkeit mit einzubeziehen. Hier ist auchder Einzelne immer wieder sehr stark gefordert. Dahersollten alle den Ansatz der FDP unterstützen und wirsollten den Antrag der Liberalen einstimmig verabschie-den. Ich habe jedenfalls bei den AusschussberatungenügGWJvDlHgkbEhhetvBtFglLmFw–gwwFvszBfBgu
Das Wort hat die Kollegin Grietje Bettin, Bündnis 90/
ie Grünen.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Ich glaube, es besteht große Einigkeit in diesemause darüber, dass der Schutz vor illegalen und jugend-efährdenden Internetinhalten ein sehr wichtiges, abereinesfalls einfach zu behandelndes Thema ist. Das Pro-lem ist, dass wir im Detail doch zu unterschiedlicheninschätzungen dessen kommen, was uns letztendlichilft, effektiv gegen illegale und jugendgefährdende In-alte im Internet vorzugehen. Klar ist, dass das Internetin globales Medium ist. Klar ist aber auch, dass das In-ernet kein rechtsfreier Raum ist. Was in der Offlinewelterboten ist, ist auch im Internet nicht erlaubt.
estimmte Regeln aus der Offlinewelt gelten aber im In-ernet nicht, beispielsweise die 23-Uhr-Regelung für dasernsehen.Unsere politische Aufgabe ist, den Kinder- und Ju-endmedienschutz auch im Netz umfassend zu gewähr-eisten. Daran, ob Filtern statt Sperren immer die richtigeösung ist, habe ich als Grüne durchaus Zweifel. Filternuss nicht unbedingt effektiver als Sperren sein. Keinilterprogramm kann 100-prozentigen Schutz vor uner-ünschten Internetinhalten bieten.
Richtig, das kann auch keine Sperre. Dazu komme ichleich noch. – Durch Filterprogramme können auch er-ünschte Inhalte ausgeblendet werden und Uner-ünschtes kann durchkommen. Die Grünen und dieDP sind sich darin einig, dass das pauschale Sperrenon Websites durch Dritte erst recht keine Lösung dar-tellt. Der Vorschlag, die Verantwortung auf die Provideru übertragen, schießt weit über das Ziel hinaus.
Klar ist für uns ebenfalls: Die Sperrverfügungen derezirksregierung Düsseldorf haben zwar vor einiger Zeitür Wirbel gesorgt. Aber damit war lediglich die platteotschaft verbunden: Wir tun etwas für den Kampf ge-en den Rechtsradikalismus. Das ist natürlich richtignd wichtig. Aber man darf nicht auf die Gesetzmäßig-
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Grietje Bettinkeiten des Netzes hereinfallen. Das ist nach unserer Ein-schätzung in diesem Fall geschehen.
Die hier eingeleiteten Sperrmaßnahmen wurden inner-halb weniger Sekunden von findigen Usern umgangen.Das zeigt, dass wir Lösungen brauchen, die der Komple-xität des Mediums Internet gerecht werden. Sie habendurchaus – das gestehe ich zu – eine Vielzahl der dafürnotwendigen Bausteine angesprochen.Rot-Grün hat mit dem neuen Jugendschutzgesetzund dem entsprechenden Staatsvertrag der Länder be-reits einen wichtigen Baustein gelegt; das wurde bereitsangesprochen. Damit wurden aus unserer Sicht sehr guteVoraussetzungen dafür geschaffen, dass illegale und ju-gendgefährdende Internetinhalte schnell und effektiv er-kannt werden können und dass dagegen vorgegangenwerden kann. Die Kommission für Jugendmedien-schutz ist als zentrale Anlaufstelle eingerichtet wordenund kann entsprechende Sanktionen verhängen. Wir setzenauf das Prinzip regulierter Selbstregulierung. Darüberhinaus gibt es eine Reihe von Selbstkontrolleinrich-tungen. Stellvertretend möchte ich hier die FreiwilligeSelbstkontrolle Multimediadiensteanbieter nennen. Hierkönnen Beschwerden über problematische Internet-inhalte vorgetragen und dann auch strafrechtlich verfolgtwerden. Die Kommission für Jugendmedienschutz kannentsprechend qualifizierte Selbstkontrolleinrichtungenanerkennen. So arbeiten aus unserer Sicht User, Wirt-schaft und Gesetzgeber gemeinsam für einen möglichsteffektiven Jugendschutz.Gerade präventive Maßnahmen können weitere wich-tige Bausteine im Bereich Jugendschutz sein. Die Ver-mittlung von Medienkompetenz – ich denke dabei vorallem an die Vermittlung der Kompetenz, wie man dasInternet sinnvoll nutzen kann – ist für uns ein solcherBaustein. Dasselbe gilt für die Elternaufklärung: Elternsollten wissen, wie sie ihre Kinder am besten schützenkönnen. Teilnehmerautonome Filtersysteme halten wirdurchaus für eine sehr wichtige Hilfe dabei; denn mitdiesen Systemen können Eltern selber entscheiden, wasihre Kinder sehen dürfen und was nicht.
Klar ist aber auch, dass eine sinnvolle Kontrolle desglobalen Mediums Internet letztendlich nur auf interna-tionaler Ebene stattfinden kann. Es ist sehr schwer – auchdarüber haben wir schon häufig diskutiert –, zu gemein-samen internationalen Standards zu kommen. Die Dis-kussion darüber können wir hier jetzt nicht fortsetzen.Es bedarf eines Zusammenspiels von Selbstkontrolle,von staatlicher Regulierung und von internationalenÜbereinkünften. So können wir menschenverachtendenInternetinhalten wirklich entgegentreten. Darüber hinausist aber auch jeder Nutzer, jede Nutzerin des Internetsgefragt, entsprechend sensibel zu sein und aufzupassen.Aus unserer Sicht ist das letztendlich der beste Weg,Straftaten im Internet zu verhindern.gsrsww–gtKhSaagkbmmwFzdcddstdR
Ich hoffe, dass wir die Diskussion fortführen und dassir die Entwicklung der freiwilligen Selbstkontrolleeiterhin konstruktiv begleiten.
Da die Bundesregierung die notwendigen Schritte ein-eleitet hat,
Sie müssen aber jetzt zum Schluss kommen.
halten wir diesen Antrag für überflüssig.
Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Sabine Bätzing, SPD-Frak-
ion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Mein Kollege Jörg Tauss hat Ihnen schon vor-in die technischen Gründe dargelegt, die aus unserericht dagegen sprechen, Ihrem Antrag zuzustimmen. Ichls Jugendpolitikerin möchte noch einmal betonen, wasus unserer Sicht gegen diesen Antrag spricht.Auch wir hätten einen gemeinsamen Antrag sehr be-rüßt. Wie wir gehört haben, ist er nicht zustande ge-ommen, zum einen, weil wir einfach noch Zeit ge-raucht haben, und zum anderen, weil es wohl nichtöglich war, in diesem Antrag die Belange des Jugend-edienschutzes ausreichend zu berücksichtigen, wasir sehr bedauern.Der Antrag der FDP-Fraktion enthält vier zentraleorderungen, die wir grundsätzlich begrüßen und dieum Teil zutreffend und nachvollziehbar sind. Daher fin-en wir es aus jugendpolitischer Sicht umso bedauerli-her, dass er an der aktuellen Situation im Jugendme-ienschutz völlig vorbeigeht.Es ist erstaunlich und, wie gesagt, bedauernswert,ass Sie, Kollege Otto, die Novellierung des Jugend-chutzgesetzes und den Jugendmedienschutzstaatsver-rag in diesem Antrag nur streifen; schließlich erfolgteniese Gesetzesinitiativen genau mit dem Ziel, dieechtsordnung zu vereinfachen und den Anforderungen
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Sabine Bätzingder digitalen Welt und der globalen Netze ein Stück ge-rechter zu werden.
Lassen Sie mich wenigstens einige Aspekte hervorhe-ben, die neu eingeführt wurden und die auch eine ersteReaktion von uns auf die neuen Herausforderungen einermultimedialen Welt sind. Zum Beispiel erfolgte die ju-gendschutzrechtliche Zusammenfassung von Telediens-ten und Mediendiensten unter dem Begriff „Teleme-dien“. Es wurden eine Alterskennzeichnungspflicht fürComputerspiele und eine differenzierte Liste jugendge-fährdender Medien eingeführt. Darüber hinaus sieht derJugendmedienschutzstaatsvertrag komplementär dieEinbindung und die Stärkung der Selbstkontrolleinrich-tungen sowie die Möglichkeiten technischer Zugangs-kontrollen vor.Wie der Kollege Tauss bereits erwähnt hat, konntenwir ins Gesetz die wichtige Unterscheidung zwischennutzerautonomen und nicht nutzerautonomen Filterpro-grammen einbringen. Zwangsweise zentrale technischeFilterungen und Sperrungen gehören demnach zu denletzteren. Sie sind vom Jugendschutzgesetz insofernnicht privilegiert, als Informationen aus der Liste ju-gendgefährdender Internetangebote nur für nutzerauto-nome Filterprogramme genutzt werden dürfen.Wir sollten deshalb gemeinsam überlegen, ob nichtein Appell dahin gehen könnte, dass auf jeden neu ver-kauften PC auch ein Jugendschutzfilterprogramm mitentsprechenden Hinweisen für Käuferinnen und Käufermit Kindern aufzuspielen ist. Wenn mittlerweile schonProgramme von Onlinediensten wie T-Online und AOLzur Erstausstattung eines PC gehören, dann sollte mandies auch einmal im Blick auf Filterprogramme für Kin-der und Jugendliche überlegen. Das ist ein Appell an dieWirtschaft, eine Selbstkontrolle hinzubekommen, damitauf eine gesetzliche Regelung verzichtet werden kann.
Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass dieKommission für Jugendmedienschutz nach dem erstenJahr ihres Bestehens eine positive Bilanz gezogen hat.Sie hat generelle Verfahrensfragen geklärt. Sie hat dieEinrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle anerkannt.Sie hat Anforderungen für geschlossene Benutzergrup-pen formuliert und sie hat Eckwerte für den Einsatz vonJugendschutzprogrammen im Internet festgelegt.Wir haben in Ihrem Antrag die Forderung nach inter-nationalen Mindeststandards vermisst. Im Antragwird nicht die Notwendigkeit anerkannt, hierzu eine in-ternationale Perspektive zu entwickeln. Wie Frau Bettinschon gesagt hat, ist es sicherlich schwierig, solche Stan-dards zu entwickeln, aber es ist machbar, wenn auch nurSchritt für Schritt.Ein Aspekt ist der, den wir in unserem Antrag zumUN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft aufgegrif-fen haben, nämlich die Pflicht zur automatisiert verar-bdMsKzdCdhgPd„mMbeDelsDBDKFw2
Ja, ich komme zum Schluss. – Der Appell an alle, an
olitik, an Gesellschaft, an Schule, geht dahin, die Me-
ienkompetenz zu stärken. Wir haben mit der Kampagne
Schau hin“ und diversen Broschüren einen Anfang ge-
acht. Der Appell an uns alle geht dahin, wie gesagt, die
edienkompetenz zu stärken, weil sie immer noch der
este Beitrag zum Jugendmedienschutz ist.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-mpfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien aufrucksache 15/3409 zu dem von der Fraktion der FDPingebrachten Antrag mit dem Titel „Schutz vor illega-en und jugendgefährdenden Internetinhalten – Filterntatt Sperren“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag aufrucksache 15/1009 abzulehnen. Wer stimmt für dieseeschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –ie Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen deroalition gegen die Stimmen der CDU/CSU und derDP angenommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 25 a und 25 b so-ie die Zusatzpunkte 9 a und 9 b auf:5 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderungdienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften imHochschulbereich
– Drucksache 15/4132 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Innenausschuss
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOb) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Freigabe der Per-
– Drucksache 15/3924 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOZP 9 a)Beratung des Antrags der AbgeordnetenKatherina Reiche, Thomas Rachel, Dr. MariaBöhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder CDU/CSUFlexiblere Personalstrukturen bei Drittmittel-projekten im Hochschulbereich schaffen– Drucksache 15/4131 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschussb) Beratung des Antrags der Abgeordneten UlrikeFlach, Cornelia Pieper, Dr. Karl Addicks, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der FDPBefristungen von Beschäftigungsverhältnissenim Hochschulbereich flexibilisieren– Drucksache 15/4151 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-gin Ute Berg, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Einführung der Juniorprofessur war begleitet vonzfwztrDdturhdsWRwFartdfnsJfSntfdn1frDsh
ir schaffen mit diesem Gesetz wieder eine klareechtsgrundlage für die befristete Beschäftigung vonissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.ür Altfälle verlängern wir die Übergangsfrist von 2005uf 2008. Bis dahin werden – davon gehen wir aus – ta-ifrechtliche oder notfalls gesetzliche Regelungen ge-roffen worden sein,
ie es ermöglichen, dass Wissenschaftler nach der Quali-ikationsphase leichter weiterbeschäftigt werden kön-en.Was spricht aber nun inhaltlich für die Juniorprofes-ur? Welche Ziele wurden damit verfolgt und erreicht?unge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler könnenrüher eigenständig forschen und lehren.
o liegt das Durchschnittsalter der Juniorprofessorin-en und -professoren bei 34 Jahren, das Durchschnittsal-er von Habilitierten bei der Erstberufung auf eine Pro-essur dagegen bei circa 40 Jahren.Auch zur dringend notwendigen Internationalisierunger deutschen Hochschulen trägt die Juniorprofessurachweislich bei.
4 Prozent der berufenen Juniorprofessorinnen und -pro-essoren kamen aus dem Ausland. Viele von ihnen wa-en übrigens deutsche Rückkehrer. Das zeigt eindeutig:urch das Angebot der Juniorprofessur ist der Wissen-chaftsstandort Deutschland international konkurrenzfä-iger und attraktiver geworden.
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Ute BergEin weiterer wichtiger Aspekt: Die Juniorprofessureröffnet mehr Frauen den Weg zur Professur. Der Frau-enanteil liegt hier bei etwa 30 Prozent,
bei den Habilitierten nur bei circa 22 Prozent.Das in meinen Augen wichtigste Argument lautetaber: Durch die Juniorprofessur wird das kreative Inno-vationspotenzial von jungen Wissenschaftlerinnen undWissenschaftlern gefördert. Wenn man sich die Relationzwischen Alter und wissenschaftlicher Produktivität spe-ziell bei den Spitzenleistungen von Nobelpreisträgernanschaut, so stellt man fest, dass diese die Leistungen,für die sie später prämiert wurden, zum großen Teil injungen Jahren erbracht haben. Albert Einstein war zumBeispiel 27, als er mit seiner Relativitätstheorie hervor-trat, der Wirtschaftswissenschaftler Reinhard Selten35 Jahre, als er seine spieltheoretischen Arbeiten entwi-ckelte, und der Molekularbiologe Günter Blobel eben-falls 35 Jahre, als er seine Signalhypothese bei Proteinenvorstellte.
Es ist also ganz wichtig, dass junge Wissenschaftlermöglichst früh, jedenfalls deutlich früher als zurzeit üb-lich, unabhängig wissenschaftlich arbeiten können. Ge-nau das wollen wir mit der Juniorprofessur erreichen.Wir werden damit auch die Altersstruktur in den Wis-senschaften verändern, also verjüngen. Damit wollen wirdazu beitragen, dass stärker als bisher eingetretene Pfadeverlassen werden, neues Wissens hervorgebracht wirdund fruchtbare Forschungslandschaften entstehen.
Durch das von uns vorgelegte Gesetz kommt die Aus-gestaltung der Juniorprofessur nun wesentlich den Ländernund Universitäten zu, wie es dem Urteil des Bundesver-fassungsgerichts entspricht. Folgende vier Aspekte müs-sen dabei aber aus meiner Sicht unbedingt beachtet wer-den:Erstens. Bei der Berufung von Juniorprofessorensind wettbewerbs- und leistungsorientierte und transpa-rente Verfahren in den Berufungskommissionen notwen-dig. Die Besten müssen auch wirklich die Chance be-kommen, ihre Qualitäten zu entwickeln.
Zweitens. Der Nachwuchs muss in Berufungsverfah-ren die Möglichkeit erhalten, Stellenausstattung undDienstaufgaben eigenständig zu gestalten.Drittens. Der Karriereweg über die Juniorprofessurmuss attraktiv sein. Folglich müssen die Länder dieMöglichkeit des Tenure Tracks in ihrer Landesgesetzge-bung vorsehen.
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Abschließend ein nachdrücklicher Appell an die Län-er, aber auch an die Hochschulen und Stiftungen: Sor-en Sie unbedingt dafür, dass mehr Stellen geschaffenerden. Sonst besteht die Gefahr, dass die Juniorprofes-ur zur „Randexistenz im deutschen Hochschulwesen“erkommt.
avor warnt eine Studie des Centrums für Hochschul-ntwicklung und der Jungen Akademie.Um die Juniorprofessur zu unterstützen, hat der Bundür die sächliche Erstausstattung der ersten 3 000 Junior-rofessuren insgesamt rund 180 Millionen Euro zur Ver-ügung gestellt.
ördermittel für 933 Stellen wurden bereits bewilligt,und 600 Stellen sind inzwischen besetzt.Kurzum: Die Bundesregierung hat das Notwendige ge-n. Nun sind alle Länder gefordert, darauf aufzusetzen. Esuss gelingen, auf dem Weg über die Juniorprofessur jungeissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer kreativs-n Phase darin zu unterstützen, Spitzenleistungen zurbringen. Nur so können wir den Wissenschafts- undorschungsstandort Deutschland entscheidend voran-ringen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Staatsminister für Wissenschaft,
orschung und Kunst des Landes Bayern, Dr. Thomas
oppel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Vizepräsidentin! Hohes Haus! Ich bedankeich, dass ich Gelegenheit habe, etwas zu einem Themau sagen, das sehr viel schneller und sehr viel früher
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Dr. Thomas Goppel, Staatsminister
hätte so einvernehmlich diskutiert werden können wieheute,
wenn nicht die Blockade vonseiten der SPD gewesenwäre.
Die Frau Bundesministerin hat ausdrücklich dieHabilitation verbieten und die Juniorprofessur an ihreStelle setzen wollen.
Das war die Ausgangsposition. Nur deswegen haben wirgeklagt und deswegen haben wir gewonnen. Das stinktIhnen, Herr Tauss;
dafür habe ich Verständnis. Das ändert aber nichts daran,dass Sie trotzdem zuhören sollten.
Ich habe Ihnen schließlich auch zugehört.Die Ausgangsposition, die wir haben, macht deutlich:Wer schlampt, muss nachbessern. Dieses Nachbessernwar notwendig. Das Bundesverfassungsgericht hat am27. Juli 2004 der Bundesregierung auferlegt, sich an dieihr zugestandenen Kompetenzen zu halten und den Län-dern nicht ins Handwerk zu pfuschen. Das Gericht hatdies in einer Weise gefordert, die von den Ländern garnicht beantragt war, sondern weit über deren Vorstellun-gen hinausging. Das Bundesverfassungsgericht findet,dass die Länder in diesem Zusammenhang viel zu nach-giebig sind.
Das müssen Sie einmal ganz nüchtern registrieren.Wenn ich das mit Ihnen zusammen unter dem Strichzusammenzähle, dann kommt heraus, dass dank des ein-maligen Chaos, das wir der Bundesregierung verdanken,in zehn Ländern Gesetze in Kraft sind, die dem gelten-den Hochschulrahmengesetz widersprechen, und sich inweiteren Ländern entsprechende Gesetzentwürfe in par-lamentarischen Beratungen befinden. Infolge der Fehlerder Bundesbildungsministerin verstoßen auch diese Län-der somit gegen das Grundgesetz.Nichts anderes ist der Sachverhalt. Das, was Sie sofreundlich und beschönigend dargestellt haben, lasse ichalles gelten. Das hätte ich auch unterschrieben, bevor wirin diese Streitlage gekommen sind. Denn wenn Sie sooptimistisch und aufgeschlossen argumentiert hätten,wäre mancher Streit vermieden worden.
– Sie unterscheiden sich von mir dadurch, lieber HerrKollege Tauss, dass Ihre Ideologie Ihnen jede normalefZgeDigtregADgawiBlHs–RdmsWGfBDsbdlfsrGmohwd
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Drittens. Die durch Frau Bulmahn provozierteRechtsunsicherheit könnte durch die Länder selbst be-seitigt werden. Dazu müsste die Bundesregierung bereitsein, die Regelung der Personalstruktur gemäßArt. 125 a Abs. 2 des Grundgesetzes den Ländern zuüberlassen.
Der Bundesrat hat am 24. September 2004 eine entspre-chende Gesetzesinitiative beschlossen und im Bundestageingebracht. Wir halten es für keine gute Verfahrens-weise, dass sich die Bundesregierung gegen den Gesetz-entwurf des Bundesrates ausgesprochen hat.Viertens. Der vorliegende Gesetzentwurf verzichtetendlich darauf, die „zusätzlichen wissenschaftlichenLeistungen“ als Voraussetzung für die Berufung vonProfessoren näher zu regeln.
Frau Bulmahn und Herr Staatssekretär, ein großes Kom-pliment! Sie haben dazugelernt. Die Habilitation bleibtdamit nach Maßgabe des Landesrechts weiterhin alsQualifizierungsweg für den wissenschaftlichen Nach-wuchs erhalten. Das Alter von 50 Jahren trifft vielleichtauf Nordrhein-Westfalen zu, aber nicht auf Bayern. Wirsind inzwischen bei einem Alter von 36 Jahren ange-langt. Damit wir uns recht verstehen: Auch das ist mir zualt.Die Habilitation für die Geisteswissenschaftler ist einalternativer Weg, der nötig ist. Die Tatsache, dass Sieselbst um eine Nachbesserung bitten, weil zwei mal dreiJahre Juniorprofessor kein sicherer Weg in eine guteWissenschaftslaufbahn sind, ist der Beweis, dass Sienoch nicht genügend nachgedacht haben. Lassen Sie unsan dieser Stelle gemeinsam weitermachen!
Der Weg, den Sie bisher eingeschlagen haben, ist nichtder richtige Weg.
– Herr Tauss, wenn Sie sich weniger aufregen, bin ichschneller fertig.
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Jetzt werden die Interessen der Länder gegen Frauulmahns Begehrlichkeiten wirklich nachhaltig vertei-igt.
ch bin froh, dass wir an dieser Stelle gemeinsam an ei-em Strang ziehen. Es sollte Sie nachdenklich stimmen,ass der Kollege Zöllner auf unserer Seite steht.
An die Adresse der Bundesbildungsministerin willch sagen: Auf den Arzneimittelpackungen ist der Hin-eis zu lesen, bei Risiken und Nebenwirkungen denrzt oder Apotheker zu fragen. In diesem Fall wäre esernünftig, die Länder zu fragen. Dann braucht man sichicht an das Bundesverfassungsgericht zu wenden.
Das Wort hat die Kollegin Grietje Bettin, Bündnis 90/
ie Grünen.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Die heute zu beratende Novelle des Hochschul-ahmengesetzes wurde durch das keineswegs einstim-ige Urteil des Bundesverfassungsgerichts notwendig,err Goppel. Drei der fünf Richter
atten eine andere Rechtsauffassung. Ich muss das hieretonen, weil Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
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Grietje Bettinder Opposition, immer gerne so tun, als ob das alles vor-hersehbar gewesen wäre.
Wir tragen diese Novelle mit, weil sie schnell Rechts-sicherheit für die Betroffenen herstellt. Es ist besonderswichtig, dass die Arbeitsverträge Tausender Nachwuchs-wissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler da-mit wieder eine rechtliche Grundlage bekommen.Ich will nicht verhehlen, dass sich die Grünen gernegewünscht hätten, diese so genannte Reparaturnovelleauch für Änderungen in der Sache zu nutzen. Es war einrichtiger Schritt, die bisherige Übergangsregelung fürArbeitsverträge um drei Jahre auf Ende Februar 2008zu verlängern.Wir brauchen aber eine gründliche Fortentwicklungder so genannten Zwölfjahresregel. Als Gesetzgebermüssen wir die praktische Möglichkeit schaffen, inDeutschland in der Wissenschaft auch unterhalb der Pro-fessur dauerhaft arbeiten zu können. Am wichtigsten istfür uns dabei, dass diese Möglichkeit für die Hochschu-len auch umsetzbar ist. Eine dauerhafte Anstellung ist invielen Fällen durchaus sinnvoll, zum Beispiel bei routi-nemäßigen wissenschaftlichen Arbeiten wie der Redak-tion von Lexika. Diese Redakteure qualifizieren sichnämlich aufgrund der Art ihrer Tätigkeit in der Regelnicht weiter.Leider sind solche weiter gehenden inhaltlichenÜberlegungen Opfer der Taktiererei der unionsgeführtenBundesländer geworden.
Weil deren Ministerpräsidenten Verhandlungsmasse fürdie Föderalismuskommission aufbauen wollten, erteiltensie ihren Wissenschaftsministern zwei Monate lang ei-nen Maulkorb. Sie durften nicht mit der Bundesministe-rin verhandeln.
Dadurch konnte man sich jetzt nur in aller Eile auf denStatus quo einigen, wie er vor dem Urteil zur Juniorpro-fessur bereits bestand und den wir jetzt beschließen müs-sen, um überhaupt Rechtssicherheit herzustellen.Meine Damen und Herren, das sind Machtspielchenauf dem Rücken der betroffenen Nachwuchswissen-schaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler.
Man sollte sich nicht über den Braindrain beklagen,wenn man nach dem Motto handelt: Erst die Macht,dann die Sache!
Ihre Fraktionsanträge, liebe Kolleginnen und Kolle-gen von der Opposition, hätten Sie, wenn Sie es mit derFlexibilisierung der Befristung wirklich ernst gemeinthdDgudpDMgVsWdtäfkdmgswmsMdWWmwdAssSWrt
nd bringt uns in der Sache kein Stück weiter.Noch deutlicher als mit dem Gesetzentwurf des Bun-esrates, den wir heute beraten, kann man seine macht-olitischen Ambitionen nicht zum Ausdruck bringen.ie unionsgeführte Mehrheit im Bundesrat will dieacht über die Personalstrukturen in Länderhände le-en; Herr Goppel hat es gerade wieder betont.
or Einführung der bundeseinheitlichen Regelung, wieie jetzt im Rahmengesetz steht, gab es im damaligenestdeutschland an den Hochschulen rund 70 verschie-ene Personalkategorien. Was dies heute für die Mobili-t der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler undür die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands um dielügsten Köpfe weltweit bedeuten würde, kann sichoch jeder ausrechnen. Wenn man das verhindern will,üsste man nicht dem Bund, sondern der KMK die Auf-abe übertragen, eine bundeseinheitliche Personal-truktur sicherzustellen. Damit würde die KMK eineneiteren schweren Batzen Arbeit aufgebürdet bekom-en.Noch eine Randbemerkung zu einer in der Sache be-tehenden Ironie. Christian Wulff, der niedersächsischeinisterpräsident und härteste Kritiker der KMK, hatem Personalfreigabegesetzentwurf aus Baden-ürttemberg tatsächlich zugestimmt. Da frage ich mich:as will Herr Wulff eigentlich? Weniger KMK oderehr KMK? Womöglich gar keine Abstimmung? Wasill die CDU eigentlich in dieser Frage?
Unser zentrales politisches Ziel ist, die Attraktivitätes Hochschul- und Wissenschaftsstandorts durch guterbeitsbedingungen für Wissenschaftlerinnen und Wis-enschaftler zu erhöhen. Permanente strategische Macht-pielchen schaden der internationalen Attraktivität.timmen Sie im Interesse der Wissenschaftlerinnen undissenschaftler dem Gesetzentwurf der Bundesregie-ung zu!Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Ulrike Flach, FDP-Frak-ion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ha-
ben heute eine Vorlage auf dem Tisch, die auch BMBF-
intern als Reparaturnovelle bezeichnet wird.
Mehr ist sie nun einfach nicht. Wir müssen die Verunsi-
cherung reparieren, die an unseren Hochschulen und
Forschungsinstituten durch das Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichtes
herbeigeführt worden ist. Das betrifft 110 000 Menschen
in diesem Lande, lieber Herr Tauss.
Das geschah einzig und allein wegen eines Hickhacks
zwischen Bund und Ländern. Herr Goppel, diesen Vor-
wurf müssen Sie sich schon gefallen lassen: Die Länder
haben das Ihrige getan, um diese Menschen in die Ver-
unsicherung zu treiben.
Warum sind wir nun in diese Lage gekommen? Weil
sich einerseits die Ministerin mit der ihr eigenen Dick-
köpfigkeit
gegen jede Warnung – auch in den Debatten in diesem
Hause gab es Warnungen – durchgesetzt hat und weil an-
dererseits die Länder ihre Kompetenzbereiche trotz
Wohlwollens für die Juniorprofessur
– wir wissen ja, dass es viele Länder gibt, die sie durch-
setzen wollen – wie die Goldgräber ihre Claims hüten.
Die FDP hat sich immer für die Juniorprofessur ausge-
sprochen. Das möchte ich an dieser Stelle betonen. Da-
her sind wir bei Ihnen, wenn es darum geht, hier wieder
Rechtssicherheit zu schaffen. Aber Sie nutzen Ihre
Chance nicht, alte Fehler zu korrigieren.
Frau Bettin, in einem Punkt bin ich allerdings nicht
bei Ihnen – wir haben das immer wieder gesagt; das ist
also keine neue Botschaft von uns –:
Sie setzen den für befristete Arbeitsverträge zulässigen
Zeitrahmen von zwölf Jahren wieder in Kraft. Das ist
angesichts der Probleme, die es an unseren Hochschulen
gibt, ein Ausdruck von Hilflosigkeit.
Seit Jahren sinkt die Zahl der Dauerstellen von Pro-
fessoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern.
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e älter ein Wissenschaftler ist, desto höher ist das ent-
prechende Risiko und desto weniger Anstellungen gibt
s.
Deswegen – der FDP stehen ja nur drei Minuten Re-
ezeit zur Verfügung – müssen wir drei Probleme lösen.
rstens. Das reguläre Arbeitsrecht passt nicht zum Wis-
enschaftsbetrieb. Herr Goppel, hier appelliere ich an
ie: Bringen Sie den Wissenschaftstarifvertrag endlich
it uns gemeinsam auf den Weg und kehren Sie an den
erhandlungstisch zurück! Dann kommen wir voran.
Zweitens. Die Länder dürfen nicht weiter Stellen ab-
auen. Gerade im wissenschaftlichen Bereich gibt es ei-
en immensen Stellenabbau. Bayern ist hier vorange-
angen, Herr Goppel. So ist das.
rittens. Der Unterschied zu erfolgreichen Ländern wie
en USA und Großbritannien ist, dass man Daueranstel-
ungen dort schneller und bereits in jungen Jahren errei-
hen kann.
uch hier richte ich meinen Appell an die Länder: Las-
en Sie den Tenure Track zu! Das tun nicht alle Länder.
Den Hinweis auf diese Probleme haben wir in unse-
em Antrag durch das Thema Studenten ergänzt, denen
lötzlich die Dauer ihres Arbeitsverhältnisses angerech-
et wird, obwohl sie jobben. Das ist völlig falsch.
Diese Probleme lösen Sie mit Ihrem vorliegenden
esetzentwurf nicht. Das ist uns zu wenig. Sie reparie-
en nur. Wir wollen mehr. Deswegen sind wir nach wie
or unzufrieden, meine Damen und Herren.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
lrich Kasparick.
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Zunächst einmal spreche ich den Fraktionen von
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Parl. Staatssekretär Ulrich KasparickSPD und Grünen mein Lob aus; denn sie haben unsheute einen Gesetzentwurf vorgelegt, den wir in unse-rem Hause sehr sorgfältig studiert haben.
Der Inhalt dieses Gesetzentwurfs entspricht auch denVorstellungen, die in unserem Hause entwickelt werden.
Es handelt sich um einen guten Gesetzentwurf,
zumal er Regelungen enthält, die das Kabinett bereitsverabschiedet hat.
Deswegen freuen wir uns, dass wir in der Sache sehr zü-gig vorankommen.
Unser Ziel ist, bis Anfang nächsten Jahres Rechtssi-cherheit für die Juniorprofessorinnen und -professorenherzustellen. Ich denke, das ist in unser aller Interesse.Eben haben wir auch vonseiten der Länder ein deutlichesSignal in dieser Richtung erhalten.
Dieser Gesetzentwurf ist insbesondere im Interesse derLänder, die die Juniorprofessur einführen wollen. Ichweiß, dass das in Bayern beabsichtigt wird; das begrü-ßen wir sehr. Deshalb verzichtet der Bundesrat auf Ein-wendungen.Mittlerweile wurde die Juniorprofessur in zehn Bun-desländern eingeführt. Ihnen wollen wir wieder zuRechtssicherheit verhelfen. Deswegen spreche ich mei-nen ganz herzlichen Dank an die FDP-Fraktion aus, dieimmer deutlich signalisiert hat, dass sie bei dem zügigenProzess, den wir dringend brauchen, gerne behilflichsein will.In der Sache ist vom Bundesverfassungsgerichtglücklicherweise nicht entschieden worden. Es hat sichalso niemand gegen die Juniorprofessur ausgesprochen.Alle Fachleute wissen, dass wir für die jungen Wissen-schaftler mehr Selbstständigkeit schaffen müssen, wennwir einen Beitrag dazu leisten wollen, sie, wenn sie imAusland sind, dazu zu bewegen, zurückkommen. Wirbrauchen also mehr Selbstständigkeit in der Nachwuchs-wissenschaft.Dem soll die Gesetzesnovelle dienen, die von den bei-den Fraktionen vorgelegt worden ist. Ein gleich lauten-der Text ist bereits vom Kabinett verabschiedet worden.Wir freuen uns, dass der Bundesrat auf Einwendungenverzichten will.kSdtaTMrhgHDwHvhllswrpedddnsdQdfrfd
Wir bekommen jetzt einen Reparaturvorschlag vorge-egt, mit dem Gesetzeslücken geschlossen werden sol-en. Dies ist auch dringend erforderlich; denn die Verun-icherung an den Hochschulen ist enorm. Derissenschaftliche Nachwuchs verlangt Klarheit über dieechtlichen Rahmenbedingungen für seine Karriere.Zunächst möchte ich begrüßen, dass die Junior-rofessur zwar wieder in das Hochschulrahmengesetzingeführt worden ist,
iese aber nicht mehr zu einer Regelvoraussetzung fürie Berufung als ordentlicher Professor wird. Damit istem Anliegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Rech-ung getragen worden, dass einerseits die Juniorprofes-ur rechtlich abgesichert wird, andererseits aber endlichie Wahlfreiheit beim Nachweis der wissenschaftlichenualifikation gewährleistet wird.
Damit hat das Bundesverfassungsgericht dem Irrweger Ministerin Bulmahn, die die bewährte Habilitationaktisch verbieten wollte, Einhalt geboten. Dies war eineichtige Entscheidung. Endlich bekommen wir die Wahl-reiheit in den Qualifizierungswegen, die wir als Christ-emokraten immer gefordert haben.
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12844 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 139. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2004
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Thomas RachelMisslungen ist die Reparaturnovelle allerdings im Be-reich der Befristungsregelungen für wissenschaftlicheMitarbeiter und Doktoranden. Trotz massiver Kritik ausder Wissenschaft will die Regierung wieder die Befris-tungsregeln aus der fünften HRG-Novelle aufleben las-sen. Danach dürfen Arbeitsverträge für wissenschaftli-che Mitarbeiter bis zu einer Höchstdauer von sechsJahren befristet werden, nach einer Promotion ebenfallsauf maximal sechs Jahre. Das Ministerium begründetdiese Fristen damit, dass dieser Zeitbedarf dem Erforder-nis der Nachwuchsqualifizierung angemessen sei.In Wirklichkeit kommen junge Wissenschaftler ineine erhebliche Klemme. Wenn es ihnen nach diesenzwölf Jahren nicht unmittelbar gelingt, einen Ruf als or-dentlicher Professor zu erhalten, sind sie unter Umstän-den mit Mitte 30 auf der Straße ihrer Möglichkeiten amEnde und haben nicht die Chance, in dem Bereich zu ar-beiten, in dem sie sich in jahrelanger Arbeit qualifizierthaben.
Die Karriereplanung für angehende Professoren kenntbei Ihnen nach wie vor nur die Farben Schwarz undWeiß. Diese Regelung hat sich aber eben nicht bewährt.Deshalb hat auch der Präsident des Deutschen Hoch-schulverbandes, Kempen, erklärt: Dieses Gesetz ist pra-xisfern.
Noch dramatischer ist allerdings die Frist für die wis-senschaftlichen Mitarbeiter auf Stellen, die durch Dritt-mittel finanziert werden. Drittmitteleinwerbung istwichtig. Darüber sind wir uns hoffentlich einig. Wennaber ein Mitarbeiter eines solchen Projekts an die Zwölf-jahresgrenze stößt, besteht die Gefahr, dass er das Pro-jekt verlassen muss
und die konkreten Forschungsmaßnahmen infrage ge-stellt werden.Dies widerspricht völlig den Interessen der Wissen-schaftsorganisationen und den Interessen der betroffenenMenschen. Nicht umsonst, Herr Tauss, verlangen allegroßen deutschen Forschungsorganisationen zusammenmit der Hochschulrektorenkonferenz und dem Wissen-schaftsrat in ihrem Aufruf vom 29. September diesesJahres – ich zitiere –:Für Drittmittelbeschäftigte, deren Finanzierung ge-sichert ist, muss eine befristete Beschäftigung überdie für die Nachwuchskräfte geltende Zwölfjahres-regelung hinaus möglich werden.Recht haben die Wissenschaftsorganisationen.
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ir plädieren dafür, es Universitäten künftig zu ermögli-hen, befristete Arbeitsverträge auch außerhalb der star-en Grenzen abzuschließen. Voraussetzung dafür ist,ass die Mitarbeiter überwiegend aus Mitteln Dritterergütet
nd der Zweckbestimmung entsprechend beschäftigterden. Damit wird das Argument der Regierung wider-egt, dass eine Ausweitung der Befristungsregelung eineügige wissenschaftliche Qualifizierung behindere; dennie Weiterbeschäftigung auf einer drittmittelfinanziertentelle ist eben keine typische Qualifizierung mehr, son-ern eine erste berufliche Stelle. Das ist der entschei-ende Unterschied.Meine Damen und Herren, was Sie anbieten, stellt fürie Menschen, die davon betroffen sind, keine Perspek-ive dar. Deshalb fordern wir Sie auf: Lockern Sie dietarren Befristungsregeln und räumen Sie den Hoch-chulen größere Flexibilität ein! Folgen Sie dem Antrager Fraktion der CDU/CSU! Die Wissenschaft ineutschland hat es verdient, von der Regierung endlichrnst genommen zu werden.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Gesetzent-ürfe auf den Drucksachen 15/4132 und 15/3924 zur fe-erführenden Beratung an den Ausschuss für Bildung,orschung und Technikfolgenabschätzung und zur Mit-eratung an den Innenausschuss, den Rechtsausschuss,en Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, den Verteidi-ungsausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren,rauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit undoziale Sicherung sowie an den Haushaltsausschuss ge-äß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Die Vor-agen auf den Drucksachen 15/4131 und 15/4151, Zu-atzpunkte 9 a und 9 b, sollen an dieselben Ausschüsseowie an den Haushaltsausschuss überwiesen werden,edoch nicht an den Verteidigungsausschuss und nicht anen Haushaltsausschuss gemäß § 96 der Geschäftsord-ung. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das isticht der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-chlossen.
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerIch rufe den Zusatzpunkt 10 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion der FDPHaltung der Bundesregierung zu Plänen, den3. Oktober als Nationalfeiertag abzuschaffenIch eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeDr. Guido Westerwelle, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Es ist schon bezeichnend, dass diejenigen, diediesen Mist angerichtet haben, jetzt den Saal verlassen.Das ist wirklich faszinierend.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Bundesre-gierung, wie in der letzten Woche geschehen, vorschlägt,den 3. Oktober, der aus unserer Sicht ein Tag der Freudeist, als Feiertag zu streichen, dann ist es schlechterdingsunmöglich, dass sich der Deutsche Bundestag mit die-sem Vorschlag nicht auseinander setzt.
Der 3. Oktober ist kein Tag der Regierung, er ist ein Tagdes Volkes und wir vertreten hier das Volk. Wir sind derÜberzeugung, dass sich die Deutschen diesen Tag in ei-ner friedlichen Revolution als Feiertag erkämpft haben.Wir sind stolz auf diesen Tag unserer Geschichte; er istein Freiheitstag. Wir wollen diesen Tag verteidigen, auchgegen eine Bundesregierung, die sich in diesen Tagendramatisch geschichtsunbewusst gezeigt hat.
Bezeichnend ist übrigens auch, dass sich derjenige,der als Erster den Vorschlag gemacht hat, den 3. Oktoberals Feiertag abzuschaffen, nämlich der Bundesfinanzmi-nister, traut, in der heutigen Debatte zu fehlen.
Man kann es nur damit erklären, dass er seinen Vor-schlag mittlerweile voller Scham bereut.
Ich will an dieser Stelle feststellen, dass es nicht ohnePikanterie ist, dass sich genau diejenigen, die damals wieHerr Schröder und Herr Eichel als Ministerpräsidentengegen die Währungsunion gestimmt haben, jetzt amThema „3. Oktober“ abarbeiten,
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Es ist übrigens nicht nur unpatriotisch und verdeut-icht eine geschichtsunbewusste Haltung, sondern stelltuch, was den Umgang unter Verfassungsorganen an-eht, einen sehr interessanten Vorgang dar, dass demundespräsidenten, der sich nicht aufgrund des Vor-chlags von Herrn Eichel, sondern bereits als erste Ge-üchte darüber aufgetaucht sind, öffentlich dazu geäußertat, aus Regierungskreisen die Berechtigung abgespro-hen worden ist, sich in die öffentliche Debatte über den. Oktober einzumischen. Damit kommt zum Ausdruck,ass die Regierung offensichtlich ein ungewöhnlich ar-ogantes Verständnis von Verfassung hat. Wir sind dereinung, ein Bundespräsident hat nicht nur das Recht,r hat die Pflicht, sich bei Fragen der nationalen Identitätu Wort zu melden. Wir als Abgeordnete der Oppositionanken dem Bundespräsidenten.
Dieser Vorschlag wurde allen Ernstes mit dem Argu-ent verteidigt, man wolle damit ein Haushaltslochtopfen.
us unserer Sicht ist der Vorschlag dafür völlig untaug-ich. Denn ökonomisch macht das herzlich wenig Sinn.
orüber wir in Deutschland reden müssen, ist nicht dietreichung des 3. Oktobers, des einzigen Nationalfeier-ages, den wir Deutschen haben. Worüber wir redenüssen, ist eine flexiblere und besser organisierte Wo-henarbeitszeit.
as ist die Diskussion, die wir brauchen: über eine Ver-ängerung der Wochenarbeitszeit. Jeder weiß, dass wirur mit mehr Fleiß und mehr Leistungsbereitschaft ge-innen können.Nachdem dieser absurde Vorschlag Gott sei Dankom Tisch ist, auch aufgrund der Intervention führenderstdeutscher Abgeordneter aus der Regierungskoalition das soll ausdrücklich anerkannt werden –, stellt sicher Bundesfinanzminister hin und fordert, jetzt müsseber erklärt werden, wie wir denn das Haushaltsloch, dasadurch entstehe, dass wir den Feiertag nicht streichenollten, stopfen wollten. Meine sehr geehrten Damennd Herren, die Fraktion der Freien Demokratischenartei hat 350 Anträge gestellt, wie im Haushalt gesparterden kann. Jeden dieser Anträge haben Sie abgelehnt.ie haben kein Recht, von uns weitere Sparvorschlägeu verlangen.
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Dr. Guido WesterwelleIch will zum Schluss sagen: In meinen Augen brauchtjedes Land ein gesundes Maß an Verfassungspatriotis-mus. Der 3. Oktober gehört dazu. Ein französischerFinanzminister, der den 14. Juli streichen wollte,
oder ein amerikanischer Finanzminister, der den 4. Julistreichen wollte, wäre nicht mehr im Amt. Es wäre dasBeste, wenn auch Herr Eichel nach einem solchen De-saster nicht mehr im Amt wäre, in Mittäterschaft mitdem Bundeskanzler.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Cornelie Sonntag-
Wolgast, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!Herr Westerwelle, das Thema verlangt Sachlichkeit undRuhe und nicht das Geschrei, das Sie soeben wieder an-gestimmt haben.„Anleitung zum Glücklichsein“ überschrieb der „Ta-gesspiegel“ Anfang dieser Woche einen Leitartikel. Nunwar das auf den 9. November bezogen, diesen Schick-salstag der Deutschen, der mit schändlichen wie auchmit stolzen Ereignissen verbunden ist. Der 3. Oktober– da haben Sie völlig Recht – steht für die ungeteilteFreude an der deutschen Einheit, unabhängig von denvielen Enttäuschungen, der Skepsis und den Zukunfts-ängsten, die gerade in diesen Wochen und Monaten spür-bar sind. Dennoch gibt es diese ungeteilte Freude und sieverlangt tatsächlich, gewürdigt und ausgelebt zu wer-den – auch mit der Magie eines bestimmten Datums,nämlich des 3. Oktobers.Das ist vielen von uns – ich gestehe: auch mir – wäh-rend der kurzen, heftigen Debatte der vergangenen Tageklarer geworden. Die Geschichte der deutschen Einheitist von der Willensbildung des Volkes geprägt, von derWillensbildung von unten.
Das kennzeichnet die Stimmungslage.Ich begrüße es sehr, dass über Gedenktage ein Disput,eine Diskussion in Gang gekommen ist.
Viele von uns haben es in den Diskussionen mit den Bür-gern, in Telefonaten, an Briefen und E-Mails gemerkt.
Wie gesagt, ich finde den Disput gut und richtig.
Das Signal ist deutlich: Der 3. Oktober bleibt. Des-halb ist unter die Überlegungen, den Tag der DeutschenEinheit auf den ersten Oktobersonntag zu verlegen, einkAsnCggRnDeJgWddssbDdagb–rpsMdkCW
chon gar nicht dieses merkwürdige, verunglückte Ma-över, das Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von derDU/CSU, am Mittwoch – aus Ihrer Sicht: leider ver-eblich – zu veranstalten versucht haben.
Ich begrüße den schnellen Abschluss dieser Überle-ungen. Jeder – auch die Bundesregierung – hat dasecht, aus der Intensität öffentlicher Reaktionen zu ler-en.
araus die Konsequenzen zu ziehen ist glaubwürdig undhrlich.Nun aber zur parlamentarischen Auseinandersetzung.eder Oppositionspolitiker hat das Recht auf kräftige Ge-enargumente; das muss so sein. Er sollte aber bei derahrheit bleiben. Es stimmt einfach nicht, dass der Tager Deutschen Einheit abgeschafft oder gestrichen wer-en sollte, wie Sie das heute wieder behaupten. Estimmt allerdings, dass der CSU-Vorsitzende und bayeri-che Ministerpräsident, der heute vom wichtigsten Sym-ol für die nationale Identität und den Zusammenhalt dereutschen spricht, vor zehn Jahren auch die Verlagerunges Festtages ins Gespräch gebracht hat,
ls es um die Finanzierung der Pflegeversicherunging. – Frau Kollegin Mantel, können Sie bitte warten,is ich den Satz zu Ende geführt habe?
Es ging damals um den Vorschlag zur Pflegeversiche-ung. Liebe Kollegin, jetzt ging es um Wachstumsim-ulse und finanzielle Entlastungen in wirtschaftlich sehrchwierigen Zeiten. Beides sind keine unehrenhaftenotive.
Herr Kollege Westerwelle, die Opposition hat bis aufen heutigen Tag sinnvolle Maßnahmen zur Haushalts-onsolidierung wie den Subventionsabbau blockiert.
DU/CSU und FDP gefallen sich stattdessen in einemirrwarr aus Vorschlägen und Pseudoalternativen. Ich
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Dr. Cornelie Sonntag-Wolgastnenne Christi Himmelfahrt und den 1. Mai – das warenquasi Retourkutschen –
sowie die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche als Frontal-angriff gegen Arbeitnehmer und Gewerkschaften.
Hier wird dann auch klar, wer den Beschäftigten wirk-lich deutlich mehr Arbeit zumuten möchte. Wenn ich mirdiesen Wirrwarr ansehe, dann merke ich, dass das nichtsonderlich ernst zu nehmen ist.
Etwas ganz anderes ist allerdings ernst zu nehmen,nämlich die Verleumdung des Bundeskanzlers als Vater-landsverräter. Diese Wortwahl erweckt düstere Erinne-rungen, zum Beispiel an die Kampagne gegen WillyBrandt in den 50er- und 60er-Jahren.
Herr Kollege Nooke, deswegen appelliere ich mit allemNachdruck an Sie, diese Verunglimpfung sofort, am bes-ten noch heute Nachmittag, zurückzunehmen. Das wäreein guter Akt.
Nächster Redner ist der Kollege Arnold Vaatz, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! FrauKollegin Sonntag-Wolgast, wenn ich richtig unterrichtetbin, dann stammt der Ausdruck Vaterlandsverräter vonIhrem Kollegen Carsten Schneider. Soviel ich weiß, lau-tete das in der „taz“ veröffentlichte Zitat korrekt: „Jetztkönnen Sie uns wieder Vaterlandsverräter nennen.“
– Ich weiß nicht, ob Sie das Nächste auch ironisch ge-meint haben. Sie haben nämlich unfreiwillig gesagt, dassSie einen gewissen Lernprozess durchlaufen und festge-stellt haben, dass der 3. Oktober der Willensbildung desVolkes entsprungen ist und ihr dient. Da können Sie ein-mal sehen, wie wenig die Kreise, in denen Sie Ihre Wil-lensbildung betreiben, mit dem Volk in Deutschlandnoch gemein haben.
Das beginnt mit dem Datum, an dem Sie mit diesemAnsinnen an die Öffentlichkeit getreten sind. Wir warengerade dabei, den 15. Jahrestag des Herbstes 1989 zu be-gsIagswkoebdndgwnzengImmcDhd
Nun nutzen Sie den 15. Jahrestag dieses Herbstesazu, den Endpunkt dieser Entwicklung – genau das istämlich die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober,ie von Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher mitroßer politischer Souveränität betrieben und vollendetorden ist –
ach Möglichkeit aus dem Gedächtnis der Ostdeutschenu streichen, weil Sie ihn als Datum abschaffen und aufinen beliebigen Sonntag verlegen wollen, der überhauptichts mehr mit dem Tag der deutschen Wiedervereini-ung zu tun haben muss. Das ist Ihr wirkliches Ziel.
Die Frage, Frau Sonntag-Wolgast, wie Sie auf diesedee kommen konnten, erklärt sich ganz schnell. Ichöchte Ihnen dazu ein Zitat vorlesen. Der Oberbürger-eister von Kassel hat in einem hessischen SPD-Blätt-hen noch im November 1989 Folgendes geschrieben:Die deutsche Frage steht derzeit als akute Frage derWiedervereinigung entgegen aller Demagogie auchvonseiten rechter CDU/CSU-Kreise … nicht aufder weltpolitischen Tagesordnung. Diejenigen, diederzeit von Wiedervereinigung daherreden, habenaus der Geschichte nichts gelernt und darum auchkeine vernünftige realitätsnahe Perspektive. Zusätz-lich unterminiert das Wiedervereinigungsgetösealle Ansätze einer vernünftigen deutsch-deutschenPolitik und geht … am Selbstbestimmungsrecht derMenschen hüben wie drüben vorbei.
as ist Originalton Hans Eichel im Herbst 1989.
Der niedersächsische SPD-Spitzenkandidat Schröderat im Mai 1989 gesagt, er könne sich eine Einheit, dieie Wiederherstellung des Nationalstaates zum Ziel
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Arnold Vaatzhätte, nicht vorstellen. Dies hat unser heutiger Bundes-kanzler Gerhard Schröder gesagt. Diese Worte beweisen,dass Sie, die Sozialdemokraten, die Wiedervereinigungentweder überhaupt nicht oder nur partiell gewollt ha-ben.
Diesen Worten haben Sie Taten folgen lassen. Es sindder Ministerpräsident Lafontaine und der Ministerpräsi-dent Schröder gewesen, die schließlich dem Einigungs-vertrag die Zustimmung versagt haben, weil sie die deut-sche Einheit nicht wollten.
Frau Sonntag-Wolgast, weil Sie dieser 3. OktoberJahr für Jahr an Ihr kollektives intellektuelles Versagenund Ihre Geschichtslosigkeit erinnert, mögen Sie diesenTag nicht und möchten ihn aus dem Gedächtnis derDeutschen streichen.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Werner Schulz,Bündnis 90/Die Grünen.
– Ich bitte die Anwesenden auf der Regierungsbank, ru-hig zu sein und sich auch nicht in dieser Lautstärke zuunterhalten.Werner Schulz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was wirhier erleben, ist eine verspätete Debatte zu einem eigent-lich längst erledigten Thema, und zwar an einem Freitag-nachmittag, wodurch es eher zu einer Feierabend- alsFeiertagsdebatte wird.
– Ich weiß nicht, was Sie danach machen, aber das Ple-num ist hiernach auf jeden Fall zu Ende.
Ich sehe durchaus ein, dass wir über dieses Themaeine längere Debatte hätten führen können. Offensicht-lich hat der Kollege Vaatz diese ausstehende Patriotis-musdebatte, die Sie nach dem Fall Hohmann innerpartei-lvdWSwDKS–saenighvhPs–it3J3Nuwmb7dk3SvwSb
Ich möchte diesem Thema gar nicht ausweichen, weilie Idee, den 3. Oktober als kalendarischen nationalenandertag zu veranstalten, sicherlich im doppelteninne eine fixe Idee war. Sie war so fix verschwunden,ie sie aufgetaucht war.
er Feiertag an sich sollte nicht abgeschafft werden,ollege Westerwelle, sondern nur dauerhaft auf einenonntag verlegt werden.
Ich verstehe Ihre Heiterkeit. Möglicherweise ist erstpät aufgefallen, dass der Nationalfeiertag irgendwannuf den 7. Oktober gefallen wäre. Das hätte vielleicht zuinem Potpourri sämtlicher Nationalhymnen und zu ei-em Freudenfest der Fans von Egon Krenz geführt. Dasst den Ideengebern wahrscheinlich erst später bewussteworden.
Ich will über die tieferen Ursachen, wie man über-aupt darauf kommen kann, einen solchen Feiertag zuerschieben, reden. Das ist eine ernsthafte Debatte. Wiraben eigentlich keinen Nationalfeiertag. Das ist dasroblem. Der 3. Oktober ist nie in den Herzen der Men-chen angekommen.
Nein. – Wir haben ihn als Ersatz für den 17. Juni kre-ert, den Tag, an dem immer die Reden zur Lage der Na-ion gehalten worden sind. Heute reden wir am. Oktober zum Thema „Stand der deutschen Einheit“.eder, der wie ich in der Volkskammer erlebt hat, wie der. Oktober zustande gekommen ist – der Kollege Günterooke wird sich noch daran erinnern; wir hatten beidenser Problem mit dem 3. Oktober,
aren in derselben Fraktion und hatten dieselben Argu-ente –, kann sich erinnern, dass man im September fie-erhaft nach einem Datum gesucht hat, das vor dem. Oktober liegt, um die dahinsiechende DDR nicht nochen 41. Jahrestag erleben zu lassen. Es fand sich aberein historisches Datum. Deshalb hat man den. Oktober genommen, den Todestag von Franz Joseftrauß. Da hat sich eher eine alte Männerfreundschafterwirklicht, als dass damit etwas Nationales geschehenäre.Der eigentliche nationale Feiertag, Gedenktag,chicksalstag wäre der 9. November – das ist uns allenewusst –,
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Werner Schulz
weil sich in diesem Datum 150 Jahre Demokratie undFreiheitsgeschichte, die schlimmsten und die schönstenSeiten der deutschen Geschichte treffen. Das wäre daseigentliche Datum. Es gäbe eigentlich viele gute Gründe,über die Verschiebung des Nationalfeiertages zu reden.
Ich persönlich halte aber nichts von einer feiertagsberei-nigten Berechnung des Bruttoinlandsprodukts, um dasgleich zu sagen. Das bringt nichts. Es sind absurde Vor-stellungen ins Kraut geschossen. Jeder durfte einmal sei-nen Lieblingsfeiertag nennen, den er abschaffen wollte.Ich finde, das ist eine absurde Diskussion, die wir füh-ren.
Vielleicht korrespondiert unsere momentane man-gelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit der Unfä-higkeit zu feiern. Die Chinesen beispielsweise – wir fah-ren bald nach China und schauen uns das chinesischeWirtschaftswunder an – feiern die Gründung der Volks-republik China fünf Tage lang. Man kann also durchausan einem Feiertag Nationalbewusstsein zeigen.
Ich halte nichts von der Debatte, die Arbeitszeiten aus-zuweiten. Unser Problem ist nicht, dass zu wenig gear-beitet wird, sondern dass es zu wenige Arbeitsplätzegibt.
Diese Debatte ist glücklicherweise beendet. Wir soll-ten sie nicht weiterführen.
Das kostet Kraft und Energie. Wir sollten vor allen Din-gen nicht mit Riesenkanonen oder der Dicken Berta aufSpatzen oder längst zerzauste kleine Vögelchen schie-ßen.
Das würde ich jedenfalls allen dabei raten.
Der nächste Redner ist der Kollege Joachim Günther,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!In dieser Woche vor 15 Jahren strömten Tausende DDR-Bürger über die Grenze. Die Bilder der Berliner MaueriutF3ROBtglFEdvdaossthhjhsnhsAwijdkhslsdbsb
Am 3. Oktober 1990 konnten wir eines der schlimms-en Kapitel der deutschen Geschichte – ich ziehe den Bo-en von der braunen Diktatur bis zur Spaltung Deutsch-ands – erfolgreich beenden. Die deutsche Einheit inrieden und Freiheit wurde begeistert aufgenommen.ine Nation, die so viele Tiefen durchleben musste undie schließlich eine friedliche und unblutige Revolutionollbrachte, hat endlich ein Symbol, mit dem sie sich iner Welt wieder sehen lassen kann.
Heute, 15 Jahre später, kommt die Bundesregierunguf die Idee, dieses Symbol ökonomischen Zwängen zupfern. Sie müssen sich heute schon fragen lassen: Wiechlimm ist es um diese Bundesregierung bestellt, wennie für ein paar Millionen Euro einen feststehenden Na-ionalfeiertag verändern will?
Im Finanzministerium scheint das blanke Chaos zuerrschen. Der Herr der Löcher – er ist anscheinendeute wieder in einem verschwunden – greift nahezu zuedem Strohhalm, um angebliches Wirtschaftswachstumerbeizubringen. Wer dieser Ideologie unterliegt, werolche Berater hat, die selbst vor dem deutschen Natio-alfeiertag nicht zurückschrecken, der muss sich ernst-aft fragen lassen, ob er seinem Eid, dem Wohl des deut-chen Volkes zu dienen, voll gerecht wird.
ls ein Parlamentarier, der aus Sachsen kommt, der be-usst und aktiv die deutsche Einheit mitgestaltet hat, binch deshalb mehr als froh – und deswegen können Sieetzt ganz ruhig sein –,
ass diese abstruse Idee selbst in Ihrer eigenen Koalitioneine Mehrheit gefunden hat.Dass wir Reformen brauchen, ist unumstritten; vieleaben darauf hingewiesen. Aber vor allem den Men-chen in den neuen Bundesländern kann man nicht feh-ende Flexibilität vorwerfen. Die Menschen musstenich mehrfach auf neue Realitäten einstellen und habenas zum Teil mit bewundernswertem Mut getan. Sie ha-en häufig schneller als andere erkannt, dass zum Bei-piel geringerer Lohn und längere Arbeitszeiten ihre Ar-eitsplätze mit sichern. In Sachsen sind zum Beispiel die
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Joachim Günther
Metallarbeiter nicht dem Ruf der Gewerkschaftsfunktio-näre aus Frankfurt am Main gefolgt und haben für die35-Stunden-Woche gestreikt.
Heute wundern sich einige, dass die Arbeitsplätze in derAutomobilzulieferindustrie und in der Automobilindus-trie im Osten Deutschlands nicht angegriffen werden,während woanders Arbeitsplätze abgebaut werden.Wir brauchen eine zukunftsorientierte Politik, an diedie Menschen wieder glauben. Unser Problem ist die sta-gnierende Wirtschaftssituation, aber auch der stagnie-rende private Konsum. Die Bürger haben eben kein Ver-trauen. Wir Deutschen setzen unsere Zukunft aufs Spiel,und zwar nicht – das will ich bewusst sagen –, weil wirverschwenderisch leben, sondern weil wir zu wenig indie Zukunft investieren und zu unsicher mit dem Sozial-staat umgehen. Dort sind treffsicherere und rationaleEntscheidungen dringend notwendig.Hier schließt sich der Kreis zur Feiertagsdebatte. Na-türlich ist es an einigen Stellen sinnvoll, länger zu arbei-ten, aber wir dürfen eben nicht pauschal die 40-Stunden-Woche oder die Abschaffung von Feiertagen fordern.Wir müssen den Betrieben die Möglichkeit geben, flexi-bel im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
Überlassen wir es also mehr den Tarifpartnern, vor allemden Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor Ort, denn diewissen am besten, was für ihren Betrieb und für ihren ei-genen Arbeitsplatz gut ist.Die Ministerien sollten gefälligst Schnellschüsse un-terlassen, die, wie in diesem Fall, viele Menschen verär-gern und nichts voranbringen.Zum Abschluss: Ein kleiner Blick in diesen Saal ge-nügt meines Erachtens, um zu sehen, welche Parteien fürdie deutsche Einheit stehen. Schauen Sie sich einmalum.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Peter Danckert, SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich weiß nicht, ob diese Art von Debatte, in der wir unsgegenseitig aus einem solchen Anlass das Verständnisfür die deutsche Einheit und für Gesamtdeutschland umdie Ohren hauen, die Menschen draußen erfreut.
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öchte ich nun auch etwas sagen, obwohl ich mir das ei-entlich verkneifen wollte, lieber Herr Günther: Wir alsarlament haben gemeinsam mit den Ländern am. Oktober in Erfurt den Tag der Deutschen Einheit ge-eiert. Ich will Ihnen nun einmal sagen, wer an diesemreignis, zu dem wir gerufen waren, teilgenommen hat.
ch zähle nicht die Namen auf, nenne aber ein paar Zah-en: Von der SPD waren 15 Abgeordnete da, von derDU 6, von der CSU 2, von der FDP 4, von der PDS 2nd von den Grünen 2.
abei hätten wir eigentlich von Amts wegen vor Ort seinüssen, lieber Kollege Günther; denn das Parlamentollte an diesem Tag zusammentreffen. Wir warenchließlich alle eingeladen. Angesichts Ihrer mickrigeneteiligung an diesem Ereignis, lieber Herr Westerwelle,uss ich allerdings feststellen: Das wäre für mich auchin Maßstab. Lassen Sie uns nicht solche Argumenteorbringen. Das ist doch unter Niveau.
Damit Sie erfahren, wer an der Veranstaltung am. Oktober in Erfurt teilgenommen hat, habe ich die Zah-en und die Namen der Vertreter Ihrer Partei mitge-racht.
Ich frage ja auch nicht. Sie müssen keine Rechenschaftarüber ablegen, wo Sie an diesem Tag waren. Ich hoffeber, dass Sie nicht zu Hause geblieben sind und sich dieeier im Fernsehen angesehen haben.Jedenfalls haben sehr wenige unserer Kollegen an dereier zum Tag der Deutschen Einheit in Erfurt teilge-ommen. In Magdeburg war es nicht viel besser; auchort waren Sie sehr schlecht vertreten. Das sollten Sieur Kenntnis nehmen.Über die Idee, den 3. Oktober als Feiertag zu strei-hen, kann man durchaus streiten. Der Kollege Schulzat von einer fixen Idee gesprochen. Sie ist sehr schnellieder zu den Akten gelegt worden. Das ist auch in Ord-ung. Das Vorhaben hatte aber den Vorteil, dass wir ge-einsam darüber diskutieren, wie es sich mit dem. Oktober als Feiertag verhält.Ich erinnere daran, dass die Diskussion um den. November herum begann. Ich persönlich war emotio-al sehr bewegt, als am 8., 9. und 10. November in denedien dieser Tage und der Nacht gedacht wurde, alsie Mauer fiel. Viele werden sich daran erinnern undich gefragt haben, wo sie selber an diesem Abend wa-en und wie sie das empfunden haben. Einige Kollegen
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Dr. Peter Danckertwaren im Gegensatz zu mir möglicherweise schon da-mals im Bundestag; andere verbinden vielleicht ihr eige-nes persönliches Erlebnis damit. Jeder von uns war emo-tional berührt, glücklich und dankbar. Der eine oderandere hat auch Tränen vergossen. Das war der9. November. Man kann mit Fug und Recht sagen, dassdieser Tag – in diesem Zusammenhang könnte man auchdie Demonstrationen in Leipzig erwähnen – den ent-scheidenden Anstoß gegeben hat. Wir haben uns abernicht dazu entschlossen, diesen Tag zum Feiertag zu ma-chen. Stattdessen haben wir den 3. Oktober gewählt. Dashalte ich auch für richtig.Ich finde es in Ordnung, dass diese Idee gleich wiederzu den Akten gelegt worden ist. Aber seien wir doch ehr-lich: Was die gegenseitigen Verletzungen angeht, habenSie sich anlässlich dieser Debatte richtig hervorgetan,Herr Vaatz.
Ich finde es nicht in Ordnung, einen solchen Anlass zubenutzen, um den einen oder anderen verächtlich zu ma-chen.
Lassen Sie Ihr Temperament zu Hause! Schreiben Sieihnen einen Brief, wenn Ihnen etwas nicht passt! Es gehtaber nicht an, im Plenum so fetzige Worte zu wählen.
Ich persönlich kann mir vorstellen, dass man mit der-selben Überzeugung am Vorabend des 3. Oktobers die-ses Feiertags gedenkt und feiert wie am 4. Oktober. Dasist an den Tagen um den 9. November herum nicht an-ders.
Es ist schlicht absurd, das nach dem Motto „Ihr seid we-niger für Deutschland als wir; wir sind die guten Deut-schen und ihr seid die schlechten“ zur Kardinalsfrage zuerklären.
Alle hier im Parlament stehen zu diesem Deutschlandund sind froh darüber, dass Deutschland wiedervereinigtist.Wir sollten uns in diesem Zusammenhang keine so lä-cherliche Debatte gönnen.
Wir sollten vielmehr das hervorheben, was uns in dieserFrage vereint, nämlich dass wir zu Deutschland stehen
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Das Wort hat jetzt der Kollege Günter Nooke von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle-en! Herr Danckert, erlauben Sie mir eine Bemerkung,eil wir eine sachliche Debatte führen wollen. DieDU/CSU ist in vielen Städten und Kommunen die ein-ige Partei, die am 3. Oktober Veranstaltungen organi-iert, an denen wir auch häufig als Redner teilnehmen.eshalb sind wir bei der zentralen Veranstaltung in ge-ingerer Zahl vertreten.
Ich wollte mit einer positiven Nachricht beginnen, umie Debatte zu versachlichen. Die gute Nachricht lautet:s hat nur 48 Stunden gedauert, bis Bundesregierungnd Koalition das absurde Vorhaben,
en Tag der Deutschen Einheit abzuschaffen, selbst be-rdigten und diesen untauglichen Versuch zur Erhöhunger Wirtschaftskraft in Deutschland ad acta legten. Dasollen wir einfach festhalten. Natürlich hat es erst desinspruchs des Bundespräsidenten bedurft. Seinen Ein-pruch halte ich übrigens für völlig angemessen und not-endig.
ber welch eine Regierung hat Deutschland, wenn sieberhaupt auf den Gedanken kommen kann, den einzi-en Nationalfeiertag der Deutschen abzuschaffen?Das ist die schlechte Nachricht: Bundeskanzlererhard Schröder und Finanzminister Eichel zeigenicht nur mangelnde Wirtschaftskompetenz, sondernräsentieren sich auch als Politiker ohne Sinn und Ver-tand sowie ohne Gespür für das Zusammengehörig-eitsgefühl der Deutschen. Statt den 9. November 1989nd den 3. Oktober 1990 – kurz vor dem jährlichen Ge-enken an diese Tage ist die Debatte losgetreten wor-en –, als glücklichste Momente deutscher Geschichtem Bewusstsein aller Deutschen zu verankern, weil siels Teil der friedlichen Revolution vom Herbst 1989 deneg zur staatlichen Wiedervereinigung am 3. Oktober990 ermöglichten, will die Bundesregierung diesen Teilnserer nationalen Geschichte offenbar vergessen ma-hen.
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12852 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 139. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2004
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Günter Nooke
Die friedliche Revolution vom Herbst 1989, die einzigerfolgreiche Freiheitsrevolution in Deutschland, und diestaatliche Wiedervereinigung von Ost und West stehenganz oben auf der Habenseite deutscher Geschichte.Darüber sind wir uns hoffentlich einig.
Im September 1949 beklagte der damalige Bundes-präsident Theodor Heuss in seiner Antrittsrede, dass De-mokratie „nicht von den Deutschen erkämpft“, sondernquasi immer nur „als letzte, als einzige Möglichkeitkam“, wenn „der Staat in Katastrophen und Kriegen zu-sammengebrochen war“. Wer sich dieser Aktiva deut-scher Geschichte nicht mehr erinnern will, verrät in derTat 15 Jahre später die deutsche Einheit noch einmal.
Schröder und Eichel waren 1989, ja sogar noch 1990gegen die Wiedervereinigung. Das wollen wir Ihnenheute nicht anlasten. Aber Sie selbst haben mit IhremVorschlag zur Abschaffung des Tages der DeutschenEinheit, diesem Fauxpas,
an Ihren eigenen historischen Irrtum erinnert und demVerdacht Nahrung gegeben, dass Sie noch immer einProblem mit der deutschen Einheit haben.
Es liegt sogar der Verdacht nahe, Sie seien noch immernicht im wiedervereinigten Deutschland angekommen.Was vielen Ostdeutschen manchmal vorgeworfen wird,das trifft auf den Bundeskanzler der BundesrepublikDeutschland zu: fremd im eigenen Land. Statt für dieübergroße Mehrheit der Deutschen zu sprechen, beschäf-tigt er sich mit den Fehlern der eigenen Biographie.1989/90 ging eine weltweite Blockkonfrontation vonAtommächten und ein schreckliches, menschenverach-tendes Grenz- und Unrechtsregime mitten in Europafriedlich zu Ende. Von deutschem Boden ist nicht nurkein Krieg ausgegangen, sondern sogar die friedlicheWiedervereinigung Europas. Es gibt nicht den gerings-ten Zweifel – das Ausland schaut fassungslos auf dieBundesregierung –, dass uns Deutschen diese Ge-schichte einen arbeitsfreien Tag im Jahr wert sein sollte.Es gibt nicht nur ökonomische Probleme und Haus-haltsprobleme in Deutschland. Unsere Situation, überdie wir hier oft diskutieren, hat auch mit der Misere zutun, dass das Gesellschaftsbild nicht stimmt, weil Stolzauf das eigene Land diffamiert, das Vaterland nicht ge-liebt und die Kulturnation nicht geachtet werden darf.Patriotismus heißt Vaterlandsliebe. Wir müssen auchünzGll„ndrksswdDlSisse4dWsd–ctlndsdH
was viele von Eichel und Kanzler Gerhard Schröderdenken: „Vaterlandsverräter“.
Darf ich noch zu Ende sprechen?Ich will Ihnen zum Schluss noch ein Angebot ma-hen. Ich gebe gern zu, dass das nicht der differenzier-este Beitrag zur Debatte war. Wir sollten gemeinsam al-es dafür tun, dass dieses Wort in Zukunft nicht mehrötig ist und dass der 3. Oktober als nationaler Feiertagauerhaft erhalten bleibt. Einverstanden?
Für die Bundesregierung hat jetzt der Parlamentari-
che Staatssekretär Ditmar Staffelt das Wort.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Zunächst möchte ich ein kurzes Wort an Herrn
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Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar StaffeltVaatz richten. Sie sollten sich einmal mit der Frage aus-einander setzen, ob diese Form der ehrabschneidendenDiskussion geeignet ist, um Deutschland weiterzubrin-gen.
Wir haben die Verantwortung, dieses Land zu versöhnenund nicht zu spalten.
Ich jedenfalls als Berliner Sozialdemokrat lasse mirvon Ihnen nicht einreden, dass die deutsche Sozialdemo-kratie in ihrer Geschichte nicht immer für die Einheit un-seres Landes eingestanden ist.
Viele Sozialdemokraten haben ihr Leben lassen müssen,weil sie für Freiheit und Demokratie, weil sie für dieEinheit dieses Landes eingetreten sind. Bitte beschmut-zen Sie diese aufrechten Demokraten durch derartigeReden nicht länger! Jedenfalls verbitte ich mir das fürdie gesamte deutsche Sozialdemokratie.
Ich erinnere Sie darüber hinaus an die Tatsache, dassalle sozialdemokratischen Bundeskanzler in besondererWeise –
– Sie sagen gerade „Egon Bahr“; das passt mir gut in denKram. Sie kennen vielleicht den Brief zur deutschenEinheit von Willy Brandt im Zusammenhang mit demMoskauer Vertrag. In diesem Brief wird ausdrücklichdarauf verwiesen, dass dieser Vertrag in gar keiner Weisedas Ziel der deutschen Politik, Deutschland wiederzu-vereinen und die Einheit unseres Landes wiederherzu-stellen, aufgibt.
Hier gibt es eine Kontinuität sozialdemokratischerDeutschlandpolitik.
– Hören Sie bitte bloß auf! – Ich jedenfalls empfindediese Form der Diskussion als beleidigend. Ich glaubeim Übrigen, dass sie in der Sache gar nicht weiterführt.Ich habe schon früher nichts von Diskussionen nachdem Motto „Hier die Blockflöten und da die anderen“gehalten.–uGuvdlJnWfdn3mIgsnngFwrTgaDgmdzsmDmmolrW
Ja, in der Emotion. Ich habe auf das reagiert, was Siens um die Ohren gehauen haben.
erade in einer so schwierigen politischen Lage wie dernseres Landes nach dem Zweiten Weltkrieg ist die indi-iduelle Betrachtung eines jeden Einzelnen und eines je-en einzelnen Schicksals die einzige Bemessungsgrund-age für ein Urteil.
ede generelle Schelte, jede Verallgemeinerung führenur dazu, dass die Menschen nicht zueinander kommen.ir haben allen Grund, auf dem Gebiet des Zueinander-indens noch vieles zu tun.Da stimme ich im Übrigen mit denjenigen überein,ie sagen: Ja, wir dürfen die Tradition der Wiederverei-igung oder die Tradition des 9. November und auch des. Oktober nicht aufgeben. Das wollte aber auch nie-and.
ch meine sogar, dass es auch für uns Parlamentarier eineute Aufgabe wäre, uns mit der Frage auseinander zuetzen, wie wir die „Termine“ der deutschen Geschichteoch besser gestalten können, wie wir an die Menschenäher herankommen können. Das ist eigentlich die Auf-abe, der wir uns stellen müssen.
Über die Frage „Beibehaltung des 3. Oktober alseiertag – ja oder nein?“ kann man trefflich streiten; dasill ich hier gar nicht infrage stellen. In den letzten Jah-en hat es aber auch viele andere Diskussionen um dashema Arbeitszeit und um das Thema Feiertage – wohl-emerkt: andere Feiertage – gegeben. Das hat natürlichuch etwas mit ökonomischen Hintergründen zu tun.as hat etwas damit zu tun, dass wir allesamt die Auf-abe haben, uns mit unserer Wettbewerbsfähigkeit undit der Frage auseinander zu setzen: Wie viel muss iniesem Lande gearbeitet werden? Wie man das im Ein-elnen gestaltet, muss in der politischen und gesell-chaftlichen Diskussion, der wir uns insgesamt stellenüssen, geklärt werden.
ass zum Beispiel der bayerische Ministerpräsident im-er wieder mit neuen Vorschlägen auf uns zukommt, isteines Erachtens in Ordnung. Das kann man wollender verwerfen oder problematisieren; alles das ist mög-ich.Lassen Sie uns aber bitte zur Sachlichkeit zurückkeh-en! Der Kern der Sache besteht für mich in der Frage:ie können wir im ökonomischen Bereich selbst in die)
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Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar StaffeltOffensive kommen? Was können wir tun, um gegenüberden Herausforderern anderenorts – in den USA, inJapan, in Europa, in China, in Indien, in Thailand, inBrasilien oder in anderen Staaten dieser Welt – weiterauf einem wettbewerbsfähigen Niveau zu verbleiben?
– Entschuldigen Sie bitte! Ich winde mich hier überhauptnicht! Ich habe gar keinen Grund, mich herauszuwinden.Das ist ein Teil des Themas. Dieses Thema haben Siealle hier angesprochen. Ich will mich ausdrücklich dazubekennen, dass wir an dieser Stelle etwas tun wollen.
Ich persönlich neige dazu, dass wir vor allem mehrFlexibilität benötigen. Was die Arbeitszeit betrifft, müs-sen wir dahin kommen, dass da, wo mehr gearbeitet wer-den muss, auch mehr gearbeitet wird – und umgekehrt –,dass es da, wo der Zustand, der heute besteht, ausrei-chend ist, halt so bleiben soll. Also: hohe Flexibilität.
Ich wiederhole: Die Diskussion um den 3. Oktoberist, glaube ich, nun letztlich beendet.
– Wir haben doch vom Bundeskanzler gehört,
dass dieser Vorschlag nicht mehr zur Debatte steht. Dasist ein Faktum.
Nun können wir natürlich weiter über diese Frage pole-misieren; ich meine aber, dass das wenig nutzbringendist.Ich sage Ihnen noch eines: Weder das Vokabular vonEnde der 60er-/Anfang der 70er-Jahre zu den deutschenOstverträgen noch eine Spaltung des Landes in jene, dieBefürworter oder Protagonisten der Einheit sind, undjene, die das Ganze gegen ihren Willen haben über sichergehen lassen, wird Ihnen helfen. Das ist nicht nur un-historisch, das entspricht nicht nur nicht der Wahrheit, eswird Ihnen in der politischen Debatte auch keinerlei Vor-teile bringen. Deshalb sollten Sie diese Form der Pole-mik ein für alle Mal einstellen.
Das Wort hat die Kollegin Dorothee Mantel von der
CDU/CSU-Fraktion.
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Es tut mir Leid, dass ich angesichts all der Unwahr-eiten, die von der SPD im Vorfeld verzapft wurden, zueginn der fünf Minuten hier erst einmal ein bisschenufräumen muss.
rau Sonntag-Wolgast, ich freue mich immer, wennein Ministerpräsident hier im Hohen Hause Erwäh-ung findet,
ber ich muss hier feststellen, dass er das nicht so gesagtat, wie Sie es ihm unterstellen.Zum einen hat er in dieser Woche gesagt: Feiertageind das kulturelle Tafelsilber unseres Landes. Wer daranüttelt, setzt den Zusammenhalt unserer Gesellschaftufs Spiel.
um anderen hat er schon vor zehn Jahren, Frau Sonntag-olgast
Sie müssen zuhören, um das Zitat auch wirklich ver-tehen zu können –, gesagt:
Ich bin nicht bereit, in einer Zeit, in der wir denVerfall vieler Werte beklagen, gewachsene traditio-nelle Werte in Bayern in irgendeiner Weise infragezu stellen.
Erst einmal zuhören und ruhig bleiben; dann verstehtan es auch.Ich sehe da gar keine Notwendigkeit im Moment.Ich meine, das ist eine Zuständigkeit des Bayeri-schen Landtages, Feiertage zu streichen oder nichtzu streichen. Das ist nicht eine Zuständigkeit desBundes. Wenn dem Bund … so sehr daran gelegenist, dann stelle ich anheim, soll eben er als Bundes-tagsabgeordneter gemeint ist Herr Geißler –
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Dorothee Mantelden Antrag stellen, den Tag der Deutschen Einheitals Feiertag aufzugeben oder ihn auf einen Sonntagzu verlegen.
Das war ein wörtliches Zitat von Edmund Stoiber. Es istnicht seine Meinung, den Feiertag abzuschaffen.
– Herr Kollege Danckert, auf Ihre Vorwürfe, die völligaus der Luft gegriffen sind, entgegne ich: Wir sind am3. Oktober bei den Menschen vor Ort. Ich selber kommeaus einem Wahlkreis im ehemaligen Zonenrandgebiet ander Grenze zu Thüringen.
Da sprechen wir mit den Menschen, die direkt vomMauerfall betroffen waren.
Ich nenne einmal ein Beispiel, das uns wirklich wichtigist.
Vielleicht sagt Ihnen der Ort Mödlareuth in Oberfrankenetwas. In Mödlareuth feiern jedes Jahr zwischen 5 000und 10 000 Menschen aus Thüringen, Sachsen und Bay-ern gemeinsam den Tag der Deutschen Einheit.
Als Helmut Kohl da war, haben 30 000 Menschen ausOst und West gemeinsam gefeiert.
Diese Menschen draußen werden wir nicht enttäuschen,indem wir Ihren unsinnigen Vorschlägen zustimmen.
Der Tag der Deutschen Einheit ist für uns ein freudi-ger Anlass. Es ist ein Feiertag und er muss für uns auchein Feiertag bleiben. Man hat es doch heuer schon ge-merkt, als der 3. Oktober auf einen Sonntag fiel. Da warbei vielen gar nicht mehr das Bewusstsein vorhanden,dass es sich um einen Feiertag handelt. In vielen Berei-chen bekam man gar nichts vom Feiertag mit. Deshalbmuss es weiterhin bei der Regelung bleiben, die es zur-zeit gibt.Ich bin der FDP und dem Herrn Westerwelle wirklichdankbar, dass sie diesen Punkt heute noch einmal auf dieTagesordnung gesetzt haben.
Im Gegensatz zu den Grünen ist uns dieser Tag nämlichwichtig. Wir würden nicht nur am Freitagnachmittag,sehgs1uwdsT–WfesaedHdedhzbwmWtDTFdgd
Kein Kommentar. – Wir müssen das Auflösen vonerten und Bindungen abwenden. Mir ist es ganz ein-ach wichtig, dass wir unsere gemeinsamen Werte nichtinfach wegen eines Haushaltslochs wegschmeißen.Hier an dieser Stelle hat unser Bundespräsident ge-tanden und gesagt: Ich liebe unser Land. – Ich tue dasuch und kämpfe wie ein Tier dafür, dass dieser Feiertagrhalten bleibt.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Jörg-Otto Spiller von
er SPD.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Die deutsche Einheit, die 1990 glücklich wie-ererlangt wurde, beruht auf zwei großen Säulen. Zuminen war es der Kampf der Ostdeutschen um Freiheit,ie die Voraussetzung für die Wiedererlangung der Ein-eit war. Zum anderen war es die gefestigte, über Jahr-ehnte gewachsene Demokratie in der alten Bundesrepu-lik, die unseren Nachbarn ein vertrauensvoller Partnerar. Gefestigt heißt auch, dass politischer Streit in ange-essener Form ausgetragen wird und dass der politischeettbewerber, der politische Gegner nicht als Feind be-rachtet wird.
Meine Damen und Herren, ich habe bei der heutigenebatte und bei einigen Wortbeiträgen der vergangenenage mit Entsetzen festgestellt, dass dieses gute alteundament unserer Demokratie gefährdet scheint.Mir hat schon 1994 nicht gefallen, dass über den Tager Deutschen Einheit im Zusammenhang mit der Pfle-eversicherung diskutiert wurde. Damals gab es einige,arunter auch Edmund Stoiber, die sich hätten vorstellen
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Jörg-Otto Spillerkönnen, dass man den Tag der Deutschen Einheit andersbegeht denn als arbeitsfreien Tag.
– Das war so. Ich verrate auch kein Geheimnis, wenn ichsage, dass dieser Vorschlag, wenn die Bundesregierungihn in die SPD-Bundestagsfraktion eingebracht hätte,dort strittig gewesen wäre, genauso wie bei unserem Ko-alitionspartner.
Aber, Herr Nooke, Sie haben heute einen sehr vor-sichtigen Rückzieher gemacht. Er hätte deutlicher seinkönnen.
Sie haben leider eine Sprache gebraucht,
die zu Ihrer Partei, die eine der Säulen unserer Demokra-tie ist – die CDU ist eine verlässliche Säule der Demo-kratie, eine der großen Volksparteien –, nicht passt. Siesprechen von Landesverrätern oder Vaterlandsverrätern,wenn Ihnen eine Meinung nicht passt.
Das ist die Sprache, Herr Nooke, die vor 80 Jahren indiesem Saal auf der rechten Seite des Hauses gebrauchtwurde. Da saßen damals nicht die Liberalen,
sondern die antidemokratischen Hetzer, die gegenMatthias Erzberger genauso gehetzt haben wie gegenWalther Rathenau, Friedrich Ebert und GustavStresemann. Diese Sprache gehört nicht in dieses Haus.
Ich sage Ihnen noch einmal, worum es ging: Der Bun-desfinanzminister hat zu erwägen gegeben, dass manden Tag der Deutschen Einheit künftig nicht mehr am3. Oktober, sondern am ersten Sonntag im Oktober be-geht. Das hätte nicht die Abschaffung des Feiertages be-deutet,
sondern lediglich eine andere Form, die deutsche Einheitzu feiern.Übermorgen wird in Deutschland der Volkstrauertagbegangen, wie an jedem vorletzten Sonntag des Kirchen-jaVfdNWSgncdnIPsDW1iWaDdue
Aber was mir am wichtigsten ist: Gefährden Sie dasicht durch eine Sprache, die keine demokratische Spra-he ist,
ie nicht die Sprache Ihrer Partei ist und eigentlich auchicht zu Ihnen, Herr Nooke, als Person passt!
ch warne Sie: Bleiben Sie bei dem demokratischenrinzip einer Grundachtung zwischen den Parteien die-es Hauses.
as ist genauso die Basis unseres Gemeinwesens wie dieiedererlangung der Freiheit und Einheit im November989.
Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alsch von dieser Absicht hörte, war mein erster Gedanke:as haben sich die Jungs eigentlich dabei gedacht,
usgerechnet den Tag der Einheit verbannen zu wollen?ann habe ich einmal genauer nachgeschaut. Sie habenie Antwort gleich mitgeliefert: Die Wirtschaft würdem 0,1 Prozent belebt, so glaubten Sie. 0,1 Prozent istxakt 1 Promille. Es war also schlicht eine Schnapsidee.
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Petra PauAber wie so oft gilt: In vino veritas. Tatsächlichsteckte in diesem Vorschlag ein Fünkchen Wahrheit.Denn würde der Tag der Deutschen Einheit künftig im-mer sonntags begangen, dann wären die vielen Einheits-ansprachen auch erkennbar das, was sie zumeist – nichtalle – sind, nämlich Sonntagsreden und folgenlos.Übrigens zeigt mir die Anwesenheit im Plenum, wiewir zu diesem Thema stehen. Gestern haben sich nur dieHälfte der jetzt anwesenden Kolleginnen und Kollegenmit dem tatsächlichen Stand der deutschen Einheit undden damit verbundenen nicht gelösten Problemen zuspäter Stunde in diesem Haus befasst.
Der Alltag sieht ohnehin anders aus als in den Fest-tagsreden. Nehmen wir nur Hartz IV und das Arbeits-losengeld II. Ossis bekommen per Gesetz weniger alsWessis – und das im Jahre 15 der Einheit. Einen ver-nünftigen Grund gibt es dafür nicht – außer man hat einegeistige Mauer in den Köpfen.
Nun dachte ich, dieser Schröder/Eichel-Fauxpas seinicht zu überbieten. Wie gesagt: dachte ich. Aber ichwurde in dieser Woche eines Besseren belehrt. Ausge-rechnet ein Sprachrohr des Ostens im gesamtdeutschenAmte kam auf die Idee: Wessis mögen künftig genausolange arbeiten wie Ossis, damit die Einheit gelinge. Sobringt man den Aufbau Ost als Alibi für den Abbau Westin Stellung.Die erneut entflammte Feiertagsdebatte rund um den3. Oktober zielt aus meiner Sicht ohnehin in die falscheRichtung. Denn wäre die Zahl der Feiertage ein Indika-tor für Faulheit oder Schwäche, dann müssten Bayernund Baden-Württemberg komplett am Boden liegen.Das tun sie aber offenbar nicht. Deshalb schütteln auchalle Ökonomen, die nicht börsenverpflichtet sind, son-dern sozialstaatlich denken, den Kopf. Denn sie haltendie gesamte Kampagne für längere Arbeitszeiten fürgrundsätzlich daneben.Die PDS im Bundestag findet das auch. VerlängerteArbeitszeiten wären gesellschaftlich ein Rückschritt. MitBlick auf den Binnenmarkt und die Arbeitslosigkeit wä-ren sie sogar kontraproduktiv. Zu Recht sprach der DGBdieser Tage von Voodoo-Ökonomie. Oder um sprachlichim Eingangsbild zu bleiben: Es ist eine Schnapsidee, diewir ganz nüchtern ablehnen.
Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenKolleginnen und Kollegen! Diese unsägliche und wirk-lich beschämende Forderung, den Nationalfeiertag abzu-spnRnPDihfuSVgdesDgwEedIRuSMDmBnd
enn sie ist nicht nur geschichtsvergessen, sondern auchnstinktlos.Die Forderung, den Nationalfeiertag abzuschaffen,at uns zum anderen vor Augen geführt: Wir könnenroh sein, dass zur Zeit der Wende 1989/90 Helmut Kohlnd nicht Oskar Lafontaine oder vielleicht Gerhardchröder Bundeskanzler war.
Es ist unsäglich, dass gerade zu einer Zeit, in der daserhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland ohnehinroße Schwierigkeiten bereitet und es die Tendenz gibt,ass die beiden Landesteile – vor allem in den Köpfen –her auseinander driften denn zusammenwachsen, eineolche Forderung auf den Tisch gelegt wurde.
ie Medienberichterstattung gerade der letzten Tage hatezeigt, wie schön dieses Ereignis war und wie glücklichir aufgrund dieses Ereignisses sein konnten.
s gibt in der langen deutschen Geschichte wenige Er-ignisse, über die wir so glücklich sein können wie überiesen 3. Oktober.
n der heutigen Zeit eine derartige Forderung in denaum zu stellen halte ich für geschichtsvergessen undnwürdig.
Feiertage sind identitäts- und sinnstiftend. Herrpiller, ich könnte noch einmal das Zitat des bayerischeninisterpräsidenten, Dr. Edmund Stoiber, vortragen.as didaktische Instrument der Wiederholung soll jaanchmal durchaus zu Erfolg führen.
ei Ihnen, so muss ich offen sagen, glaube ich aber we-iger daran. Es gibt nämlich kein anderes Bundesland, inem es so viele Feiertage gibt wie in Bayern.
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Stephan Mayer
Gleichwohl ist in Bayern im Vergleich zu den anderenBundesländern die Wirtschaftskraft pro Einwohner amhöchsten und die Arbeitslosigkeit am niedrigsten.
Ein zweiter Aspekt, weswegen ich froh bin, dassdiese Diskussion geführt wurde, ist der, dass nunmehr,nachdem diese Diskussion hoffentlich ein für alle Malbeendet wurde, eines klar ist: dass eine Verlängerung derArbeitszeit die Wirtschaftskraft insgesamt fördert. DieMär der Gewerkschaften, dass man die vorhandene Ar-beit nur auf mehr Schultern verteilen müsse, muss spä-testens nach dieser Diskussion für immer beendet sein.Es ist sogar sinnvoll, die Arbeitszeit zu erhöhen.Wenn Sie darüber debattieren, welcher Feiertag mög-licherweise gestrichen werden soll, fällt mir schon einerein. Es war Reichskanzler Adolf Hitler, der am 10. April1933 aus propagandistischen Gründen den Tag der Ar-beit ins Leben gerufen hat. Über die Streichung diesesFeiertages kann man also durchaus sprechen.Ich möchte aber gar nicht so weit gehen, zu fordern,Feiertage abzuschaffen. Wir müssen uns allerdings ver-stärkt mit dem Thema auseinander setzen, wie wir esverhindern können, dass nicht nur vermehrt KapitalDeutschland verlässt – Kapital ist ein flüchtiges Reh –,sondern dass vor allem auch vermehrt ArbeitsplätzeDeutschland verlassen. Jeden Tag verlieren wir inDeutschland 1 000 Arbeitsplätze.
Es ist nicht lange her, da hat Gerhard Schröder dieUnternehmer, die teilweise betriebsbedingt Teile ihresBetriebes ins Ausland verlagern mussten, als vaterlands-lose Gesellen bezeichnet. Nach der Diskussion um den3. Oktober ist klar, wer hier wirklich der vaterlandsloseGeselle ist.
Wir müssen uns mit dem Thema auseinander setzen,die Arbeitszeit insgesamt zu erhöhen. Im Durchschnittliegt Deutschland im Jahresverlauf um 300 Stunden hin-ter allen anderen Industrienationen. Es gibt keine Indus-trienation auf der Welt, in der so wenig gearbeitet wirdwie in Deutschland. Wenn man die Arbeitszeit beispiels-weise nur um zwei Stunden in der Woche erhöhenwürde, dann würde dies im Jahr zu ungefähr zwölf Ar-beitstagen mehr führen. Man muss also gar nicht an dasHeiligste gehen, daran, Feiertage abzuschaffen. Esreicht, in der Woche eine oder zwei Stunden mehr zu ar-beiten. Dazu muss ich offen sagen: Das schadet letztend-lich keinem.uSGdweISncfgIbdlSdglEEhlgms–sdgV
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
rteile ich das Wort dem Kollegen Eckart von Klaeden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!ch möchte den Redner der Bundesregierung, Herrntaatssekretär Staffelt, ansprechen. Als Sie an das Red-erpult getreten sind und den Kollegen Vaatz angespro-hen haben, hatte ich eigentlich erwartet, dass Sie sichür Ihren Zuruf „Blockflöte“, den Sie nach seiner Redeemacht haben, entschuldigen.
ch bedaure, dass Sie diese Gelegenheit nicht genutzt ha-en; denn der Kollege Vaatz gehört wie einige andere iniesem Hause – in Ihrer Fraktion unter anderem der Kol-ege Hilsberg, bei den Grünen der Kollege Wernerchulz – zu denjenigen, die sich zur Zeit der Wende, alsie Möglichkeit bestand, gegen das DDR-Regime vorzu-ehen, mutig für Freiheit und Demokratie in Deutsch-and eingesetzt haben.
r ist einer derjenigen gewesen, die in Dresden an derrstürmung der Stasizentrale beteiligt gewesen sind. Da-er würde ich mich freuen, wenn Sie wenigstens persön-ich die Gelegenheit wahrnehmen würden, das, was Sieesagt haben, zurückzunehmen. Ich jedenfalls freueich, dass diese Kolleginnen und Kollegen heute in die-em Hause in unseren Fraktionen mitarbeiten.
Herr Kollege Edathy, ehrlich gesagt, finde ich, dass Sieich diesen Zwischenruf hätten sparen sollen;
enn Kollege Hilsberg hat das Verkehrsministerium ausanz bestimmten Gründen verlassen, als Herr Stolpeerkehrsminister geworden ist.
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Eckart von KlaedenEin nächster Punkt. Herr Staffelt, Sie haben sich starkechauffiert, weil Kollege Vaatz das Erbe der Sozialde-mokratinnen und Sozialdemokraten, die für Demokratieund Einheit ihr Leben gelassen haben, beschmutzt habe.Wir achten diese Kolleginnen und Kollegen aus der So-zialdemokratischen Partei ebenso wie die aus unsererPartei. Aber ich will darauf hinweisen, dass die Be-schmutzung, von der Sie gesprochen haben, ausschließ-lich in Form von Zitaten von Sozialdemokraten stattge-funden hat.
Es ist schon bemerkenswert, dass Sie meinen, mankönne das Erbe von Sozialdemokraten, die für die Ein-heit gestorben sind, mit Zitaten von Sozialdemokraten,die heute auf der Regierungsbank Platz nehmen, be-schmutzen.
Eine weitere Bemerkung – denn eines finde ich gera-dezu bedauerlich –: Obwohl die verrückte Idee – von ei-ner Schnapsidee möchte man gar nicht sprechen; daswäre ja, wie Helmut Kohl zu Recht gesagt hat, eine Be-leidigung des Wortes Schnaps –,
den 3. Oktober nicht an diesem Datum, sondern am ers-ten Sonntag im Oktober zu feiern, wieder zurückgezo-gen wurde, halten Sie immer noch an diesem Vorschlagfest, versuchen, ihn zu begründen, oder halten ihn sogarfür richtig.
Ich finde es bemerkenswert – dazu habe ich einiges lesenund leider auch hören müssen –, wie schlecht in IhrenReihen über den 3. Oktober gesprochen wird.
Der eben bereits in einem bestimmten Zusammen-hang erwähnte Bundesminister Stolpe hat zum Beispielerklärt, dass es sich beim 3. Oktober schon immer umein „willkürliches Datum“ gehandelt habe. Dieser Aus-sage will ich gegenüberstellen, was Richard vonWeizsäcker, als er noch Bundespräsident war, am3. Oktober 1990 dazu gesagt hat:Der Tag ist gekommen, an dem zum ersten Mal inder Geschichte das ganze Deutschland seinen dau-erhaften Platz im Kreis der westlichen Demokratienfindet.Von diesem Tag als einem „willkürlichen Datum“ zusprechen, das finde ich geradezu abwegig.
Herr Kollege Spiller, Sie mögen Ihren Geburtstag amersten Sonntag des entsprechenden Monats feiern, weilSie meinen, dadurch 0,1 Prozent sparen zu können,addAvdGJD3tebbSFaWwhaode
ber ich finde, dass dieser Tag der Geburtstag des wie-ervereinten und freien Deutschlands im Westen ist undass wir ihn auch an diesem Datum feiern sollten.
Ich will noch ein Zitat anführen:Der 3. Oktober – kein Zweifel – ist für die Deut-schen ein Tag der Freude. Wir freuen uns über diewiedererlangte Freiheit, die Voraussetzung für einestaatliche Einheit war. Wir freuen uns darüber, dassder 3. Oktober auch immer der Tag sein wird, andem wir uns an den Mut erinnern, mit dem dieDeutschen in der damaligen DDR die Mauer zumEinsturz gebracht und ein diktatorisches Regimebeseitigt haben.n dieser Stelle müssten Sie, meine Damen und Herrenon den Koalitionsfraktionen, eigentlich klatschen, dennas war der Anfangsabsatz der Rede, die Bundeskanzlererhard Schröder am Tag der Deutschen Einheit desahres 2003 in Magdeburg gehalten hat.
amals hat er noch davon gesprochen, dass wir uns am. Oktober jedes Jahres erinnern sollen; nur ein Jahr spä-r war er der Ansicht, dass der erste Sonntag im Okto-er dafür ausreichend sei.
Zum Schluss darf ich mir den Hinweis darauf erlau-en, dass Sie in einer gewissen Tradition stehen, wennie meinen, Feiertage abschaffen zu müssen. Die DDR-ührung hat den Pfingstmontag und Christi Himmelfahrtbgeschafft.
o das geendet hat, hat man gesehen. Das Wirtschafts-achstum, das man sich damals davon versprochen hat,at man jedenfalls nicht erreicht. Genauso dämlich istuch Ihr Vorschlag gewesen.Vielen Dank.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Dienstag, den 23. November 2004, 10 Uhr,
in.
Die Sitzung ist geschlossen.