Protokoll:
15085

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 85

  • date_rangeDatum: 14. Januar 2004

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:41 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/85 Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Humme SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Gradistanac SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Dörflinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hannelore Roedel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Griese SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7447 D 7449 A 7447 D 7450 A 7450 B 7450 C 7450 D 7451 B 7451 C 7454 B 7454 C 7454 D 7455 B 7455 C 7455 D 7456 A Deutscher B Stenografisc 85. Sit Berlin, Mittwoch, de I n h a Bestimmung des Abgeordneten Jörg van Essen als ordentliches Mitglied des Vermitt- lungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Men- schen (Drucksache 15/2318) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Lokale Bündnisse für Familie . . . . . . . . . . . . . . . 7447 B 7447 B 7447 C Rita Pawelski CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7451 D 7451 D undestag her Bericht zung n 14. Januar 2004 l t : Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner CDU/CSU . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Scheuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 7452 B 7452 B 7452 C 7452 C 7453 A 7453 B 7453 C 7453 D 7454 A Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksache 15/2317) . . . . . . . . . . . . . . . 7456 B II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Januar 2004 Personalabbau beim Marinedepot 1 Laboe MdlAnfr 1 Helmut Lamp CDU/CSU Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg . . ZusFr Helmut Lamp CDU/CSU . . . . . . . . . . Zukunft des Marinedepots 1 Laboe MdlAnfr 2 Helmut Lamp CDU/CSU Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg . . Auswirkungen der vorgesehenen Schienen- verbindung Dijon–Müllheim auf das zu er- wartende Schienenverkehrsaufkommen auf der Rheintalbahnstrecke zwischen Basel und Karlsruhe MdlAnfr 3 Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw PStSekr Achim Großmann BMVBW . . ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU Unterschied zwischen geplanten Eliteuniver- sitäten und bestehenden Hochschulen MdlAnfr 6 Michael Kretschmer CDU/CSU Antw PStSekr Christoph Matschie BMBF . . . ZusFr Michael Kretschmer CDU/CSU . . . . . ZusFr Dr. Christoph Bergner CDU/CSU . . . ZusFr Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . ZusFr Jens Spahn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . ZusFr Uwe Schummer CDU/CSU . . . . . . . . ZusFr Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZusFr Andreas Scheuer CDU/CSU . . . . . . . . ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . ZusFr Helmut Lamp CDU/CSU. . . . . . . . . . . Auswirkungen der Haltung der Bundesregie- rung zur Durchführung des „Bundespresse- gipfels“ in Berlin auf die Entscheidung zum Projekt durch die Berliner Senatsverwaltung MdlAnfr 7 Dirk Niebel FDP Antw Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründung neuer EU-Agenturen MdlAnfr 8 Michael Kretschmer CDU/CSU 7456 C 7456 C 7457 A 7457 B 7457 C 7458 A 7458 B 7458 D 7459 A 7459 D 7460 B 7460 C 7461 A 7461 B 7461 D 7462 A 7462 C 7462 D Antw StMin für Europa Hans Martin Bury . . ZusFr Michael Kretschmer CDU/CSU . . . . . Benachteiligung behinderter Menschen durch die Risikoprüfung für private Krankengeld- versicherungen bzw. private Krankenversi- cherungen MdlAnfr 9 Tanja Gönner CDU/CSU Antw PStSekr Alfred Hartenbach BMJ . . . . . ZusFr Tanja Gönner CDU/CSU . . . . . . . . . . Umsetzung der nach dem Transplantationsge- setz vorgeschriebenen Meldung jedes Hirnto- ten als möglichen Organspender MdlAnfr 10 Jens Spahn CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZusFr Jens Spahn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Fehlen eines Einheitlichen Bewertungsmaß- stabes für den kalkulatorischen Arztlohn (EBM 2000 Plus) für Kinder- und Jugend- ärzte MdlAnfr 11 Jens Spahn CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZusFr Jens Spahn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Durchschnittliche monatliche finanzielle Be- lastung eines Krebspatienten; Kriterien für die Einstufung eines Krebspatienten als chronisch krank MdlAnfr 12 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . ZusFr Jens Spahn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . Private Abrechnung der Verschreibung einer Sehhilfe durch Augenärzte MdlAnfr 13 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . 7463 B 7463 C 7464 A 7464 B 7464 D 7465 A 7465 D 7466 B 7467 A 7467 B 7468 B 7468 C 7469 B 7469 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Januar 2004 III Zahl der bei der Patientenbeauftragten der Bundesregierung eingegangenen Anfragen und Beschwerden bezüglich des GKV-Moder- nisierungsgesetzes MdlAnfr 14 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . ZusFr Jens Spahn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . Zahl der antisemitischen Straftaten sowie de- ren Opfer im dritten Quartal 2003 MdlAnfr 21 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . Eventuelle Verlegung der Eröffnungsfeier der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Berlin MdlAnfr 22 Ernst Hinsken CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . ZusFr Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . ZusFr Hannelore Roedel CDU/CSU . . . . . . . ZusFr Gerlinde Kaupa CDU/CSU . . . . . . . . . Kosten einer eventuellen Verlegung der Eröff- nungsfeier der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Berlin MdlAnfr 23 Ernst Hinsken CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . ZusFr Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . ZusFr Gerlinde Kaupa CDU/CSU . . . . . . . . . Dienstwagenfahrten für Auszubildende der Agenturen für Arbeit zu Seminaren MdlAnfr 24 Hannelore Roedel CDU/CSU Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . ZusFr Hannelore Roedel CDU/CSU . . . . . . . Kosten für öffentliche Verkehrsmittel bzw. Dienstwagen bei Fahrten für Auszubildende der Agenturen für Arbeit zu Seminaren MdlAnfr 25 Hannelore Roedel CDU/CSU Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 7470 A 7470 D 7471 C 7471 D 7472 C 7472 D 7473 A 7473 C 7474 A 7474 B 7474 C 7475 A 7475 A 7475 D 7476 B 7476 C 7476 D Kosten der aktuellen Ausschreibungen der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Landesar- beitsämter zur Durchführung von Maßnah- men nach § 37 a bzw. § 48 SGB III MdlAnfr 26 Dr. Christoph Bergner CDU/CSU Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . ZusFr Dr. Christoph Bergner CDU/CSU . . . Gesetzeskonformität der Ausschreibungen im Bereich des Landesarbeitsamtes Sachsen-An- halt/Thüringen, etwa hinsichtlich der „Mittel- standsklausel“ des § 5 Nr. 1 der Verdingungs- ordnung für Leistungen, Teil A MdlAnfr 27 Dr. Christoph Bergner CDU/CSU Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . ZusFr Dr. Christoph Bergner CDU/CSU . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Frak- tion der CDU/CSU: Haltung der Bundes- regierung zu dem von Bundesminister Schily verkündeten Umzug des Bundes- kriminalamtes (BKA) zur Zentralisie- rung aller operativen Einheiten des BKA in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . Frank Hofmann (Volkach) SPD . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kristina Köhler (Wiesbaden) CDU/CSU . . . Gerold Reichenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Pinkwart FDP . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) SPD . . . Ralf Göbel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Merten SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Bouffier, Staatsminister (Hessen) . . . Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch CDU/CSU . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7477 A 7477 B 7477 C 7477 D 7478 B 7478 C 7479 B 7480 C 7481 C 7482 C 7483 D 7485 A 7486 A 7487 A 7488 C 7489 C 7490 C 7491 C 7493 A 7495 B 7496 B 7497 B 7498 B IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Januar 2004 Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Ort und Kosten des Empfangs des BMU an- lässlich des Abschaltens des Kernkraftwerkes Stade MdlAnfr 4, 5 Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU Antw PStSekr’in Simone Probst BMU . . . . . Anlage 3 Soziale Belastungen sowie Ausgleichs- und Übergangsregelungen für die Mitarbeiter des BKA im Zuge der geplanten Verlegung zen- des Umzugs; eventuelle Verlegung des Bun- desamtes für Verfassungsschutz von Köln nach Berlin MdlAnfr 17, 18 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . Anlage 5 Auflösung des Standortes Meckenheim so- wie teilweise Auflösung des Standortes Wies- baden des Bundeskriminalamtes und Umzug nach Berlin; Kosten MdlAnfr 19, 20 Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . Anlage 6 Erklärung des Abgeordneten Johannes 7499 B 7500 D 7501 A 7501 C 7502 B 7502 C traler Bereiche des BKA von Wiesbaden nach Berlin MdlAnfr 15, 16 Kristina Köhler (Wiesbaden) CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . Anlage 4 Auswirkungen des geplanten Umzugs von Organisationseinheiten des BKA auf die Ar- beitsfähigkeit des BKA sowie Finanzierung 7501 D Singhammer (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermitt- lungsausschusses zu dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeits- markt (Tagesordnungspunkt 7) . . . . . . . . . . . Anlage 7 Ergänzung zur Antwort des Parlamentari- schen Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage Nr. 21 der Abgeordneten Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7502 D 7503 A, B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Januar 2004 7447 (A) (C) (B) (D) 85. Sit Berlin, Mittwoch, de Beginn: 1
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    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Januar 2004 7501 (A) (C) (B) (D) chen Fragen auf Bundestagsdrucksache 15/2272), und nach welchen Kriterien wurden die über 200 Personen eingeladen? Aufgaben des BKA am Standort Berlin sind allein poli- zeifachliche und organisatorische Gesichtspunkte Rainer Baake, vom 16. Dezember 2003, auf meine schriftli- Für die Frage einer Konzentration der operativen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Simone Probst auf die Fragen des Abgeordneten Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/ CSU) (Drucksache 15/2317, Fragen 4 und 5): Wo genau hat die Veranstaltung, zu der die Bundesregie- rung aus Anlass der Abschaltung des Atomkraftwerkes Stade mit Vertretern von Medien, Politik und Gesellschaft eingela- den hat, um über die „sich vollziehende Energiewende, das heißt den Ausstieg aus der Atomkraft und den Einstieg in eine zukunftsträchtige Energieversorgung“ zu informieren, stattge- funden (vergleiche Antwort des Staatssekretärs im Bundesmi- nisterium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 14.01.2004 Göppel, Josef CDU/CSU 14.01.2004 Götz, Peter CDU/CSU 14.01.2004 Hartnagel, Anke SPD 14.01.2004 Lehder, Christine SPD 14.01.2004 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.01.2004 Müller (Düsseldorf), Michael SPD 14.01.2004 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 14.01.2004 Rachel, Thomas CDU/CSU 14.01.2004 Ronsöhr, Heinrich- Wilhelm CDU/CSU 14.01.2004 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.01.2004 Sauer, Thomas SPD 14.01.2004 Scharping, Rudolf SPD 14.01.2004 Stübgen, Michael CDU/CSU 14.01.2004 Wanderwitz, Marko CDU/CSU 14.01.2004 Welt, Jochen SPD 14.01.2004 Anlagen zum Stenografischen Bericht Wie rechtfertigt die Bundesregierung den Sachverhalt, dass bei einer solchen „Informationsveranstaltung“ nach ihren Angaben 12 500 Euro für Künstlerhonorare und Technik, 1 760,54 Euro für Reisekosten sowie 8 520,03 Euro an Hono- raren für Agentur, Personal, Raummiete und sonstige Technik entstanden sind (vergleiche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- sicherheit, Rainer Baake, vom 16. Dezember 2003, auf meine schriftlichen Fragen auf Bundestagsdrucksache 15/2272)? Zu Frage 4: Die Veranstaltung am 14. November 2003, zu der Bun- desumweltminister Jürgen Trittin eingeladen hat, fand im „Hamburger Bahnhof“, Berlin, Invalidenstr. 50/51, statt. Zu Frage 5: Eingeladen wurden neben Vertretern von Medien ins- besondere Personen, die mit Fragen der Energiepolitik und des Atomausstiegs politisch und fachlich befasst waren bzw. befasst sind, sowie Personen, die sich per- sönlich sowie gesellschaftlich in hohem Maße für diese Fragen engagieren. Trotz einer sehr kurzen Einladungs- frist haben sich zum Beispiel der Künstler Manfred Krug und Band bereit erklärt, an der Veranstaltung mitzuwir- ken. Die Resonanz in den Medien war erheblich. Nach Schätzungen wurden etwa 10 Millionen Leserinnen und Leser bundesweit durch redaktionelle Berichterstattung in den Medien erreicht. Die Kosten der Veranstaltung entsprechen etwa den Kosten für eine einzige Anzeige in einer überregionalen Tageszeitung. Das Anliegen der Bundesregierung, aus Anlass der Abschaltung des AKW Stade auf die sich vollziehende Energiewende und die inzwischen erreichte weltweite Spitzenposition beim Ausbau der erneuerbaren Energien aufmerksam zu ma- chen, ist mit vergleichsweise geringem Kostenaufwand erreicht worden. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra- gen der Abgeordneten Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU) (Drucksache 15/2317, Fragen 15 und 16): Wie schätzt die Bundesregierung die sozialen Belastungen ein, die die vom Bundesminister des Innern, Otto Schily, an- gekündigte Verlegung zentraler Bereiche des Bundeskriminal- amts (BKA) von Wiesbaden nach Berlin für die betroffenen Mitarbeiter bedeutet, und welche Rolle haben soziale Ge- sichtspunkte bei der Entscheidung für eine Verlegung ge- spielt? Welche Ausgleichs- und Übergangsregelungen plant die Bundesregierung für die Mitarbeiter und ihre Familien, die im Zuge der geplanten Verlegung zentraler Bereiche des BKA von Wiesbaden nach Berlin umziehen müssen, und wie sollen entsprechende Maßnahmen finanziert werden? Zu Frage 15: 7502 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Januar 2004 (A) (C) (B) (D) maßgebend. Zu diesen Fragen wird nunmehr ein Fein- konzept erstellt. Die Belange der Mitarbeiter werden im Rahmen der konkreten Personalentscheidungen berücksichtigt wer- den. Soziale Gesichtspunkte werden im Einzelfall – wie bei allen personalwirtschaftlichen Entscheidungen – An- Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra- gen des Abgeordneten Dr. Norbert Röttgen (CDU/ CSU) (Drucksache 15/2317, Fragen 19 und 20) wendung finden. Zu Frage 16: Die Frage, welche Ausgleichs- und Übergangsrege- lungen in Betracht gezogen werden müssen, ist erst nach Vorliegen des polizeifachlichen und organisatorischen Feinkonzeptes zu beantworten. Es wird jedenfalls eine Gleichbehandlung der Mitarbeiter des BND und des BKA in dieser grundsätzlichen Frage angestrebt. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra- gen des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) Drucksache 15/2317, Fragen 17 und 18): Ist der am 7. Januar 2004 vom Bundesministerium des In- nern (BMI) verkündete Umzug nach Berlin für die Zusam- menfassung aller operativen und ermittlungsgestützten Orga- nisationseinheiten des BKA die kostengünstigste Lösung mit der geringstmöglichen Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des BKA, und wird die Bundesregierung dauerhaft an zwei BKA-Standorten festhalten? Ist – etwa durch verlässliche Vereinbarung mit dem Bun- desminister der Finanzen – sichergestellt, dass der am 7. Ja- nuar 2004 vom BMI verkündete Umzug des BKA durch Auf- stockung der Mittel für das BKA, nicht aber im Rahmen der bisherigen Finanzausstattung und damit zu Lasten der Sicher- heitsarbeit des BKA finanziert wird, und plant die Bundesre- gierung zudem eine Verlegung des Bundesamtes für Verfas- sungsschutz von Köln in die Bundeshauptstadt? Zur Frage 17: Für die Frage einer Konzentration der operativen Aufgaben des BKA können zunächst nur polizeifachli- che und organisatorische Gesichtspunkte maßgebend sein. Bei der Erarbeitung des zu erstellenden Feinkon- zeptes werden alle zu berücksichtigenden Belange abge- wogen. Zu Frage 18: Die Planungen für den Umzug stehen noch ganz am Anfang, wobei zwischen den Ressort Einvernehmen da- rüber besteht, dass der Umzug zu keiner Zeit zu Einbu- ßen bei der Gewährleistung der Sicherheit für die Bun- desrepublik Deutschland führen wird. Eine Verlegung des Bundesamtes für Verfassungsschutz von Köln nach Berlin ist in einem größeren Umfang als bisher erfolgt nicht beabsichtigt. Welche konkreten Unzulänglichkeiten und Mängel in der Arbeit des BKA führen mehr als zwei Jahre nach dem 11. September 2001 dazu, dass die Schließung des Standortes Meckenheim und der Umzug nach Berlin trotz der damit ver- bundenen immensen Kosten und der gravierenden negativen Auswirkungen auf die Beschäftigten und ihre Familien sowie die Stadt Meckenheim und das Umland als grundsätzlich not- wendig und zudem so dringend erachtet wird, dass sogar ein doppelter Umzug (vorläufige Unterbringung in Berlin bis die endgültige Liegenschaft zur Verfügung steht) in Kauf genom- men wird? Wie hoch sind die Kosten der geplanten Schließung des Standortes Meckenheim und der Teilschließung des Standor- tes Wiesbaden des BKA unter Berücksichtigung des Bezuges der angekündigten vorläufigen Unterbringung in Berlin, der Errichtung der geplanten Gesamtunterbringung sowie des Umzuges der Einrichtung und der Mitarbeiter mit ihren Fami- lien? Zu Frage 19: Die anhaltende Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus erfordern vom BKA eine zeitnahe und fach- lich kompetente Reaktion. Insoweit geht es auch nicht um die Frage von so genannten Unzulänglichkeiten, die nicht gegeben sind, sondern um die Frage, ob die bishe- rige national und international anerkannte Arbeit des BKA weiter optimiert werden kann und muss. In dem zu bearbeitenden Feinkonzept werden alle zu berücksichti- genden Belange abgewogen. Zu Frage 20: Die Frage kann derzeit leider nicht beantwortet wer- den. Erst mit dem polizeifachlichen und organisatori- schen Feinkonzept können Aussagen hierzu getroffen werden. Anlage 6 Erklärung des Abgeordneten Johannes Singhammer (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Vermittlungsausschus- ses zu dem Vierten Gesetz für moderne Dienst- leistungen am Arbeitsmarkt (84. Sitzung, Tagesordnungspunkt 7) In der Abstimmungsliste ist mein Name nicht aufge- führt. Mein Votum lautet Ja. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Januar 2004 7503 (A) (C) (B) (D) Anlage 7 Ergänzung zur Antwort des Parl. Staatsekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage der Abgeordneten Petra Pau (fraktionslos) (Drucksache 15/2317, Frage 21). Verteilung – Politisch motivierte Kriminalität – rechts mit antisemitischen Hintergrund III. Quartal 2003 Bundesland Gewalt-taten Sonstige Straf-taten Verletzte Perso-nen Brandenburg 2 20 1 Berlin 0 32 0 Baden-Württemberg 0 29 0 Bayern 0 35 0 Bremen 0 0 0 Hessen 0 19 0 Hamburg 1 4 0 Mecklenburg-Vorpommern 0 6 0 Niedersachsen 1 22 2 Nordrhein-Westfahlen 3 33 3 Rheinland-Pfalz 0 7 0 Schleswig-Holstein 0 8 0 Saarland 0 4 0 Sachsen 0 7 0 Sachsen-Anhalt 0 5 0 Thüringen 0 15 0 Summe 7 246 6 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344 85. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 14. Januar 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508500000

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-

zung ist eröffnet.
Ich wünsche Ihnen nachträglich alles Gute zum neuen

Jahr und eine erfolgreiche Arbeit in diesem Hause.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Gleichfalls!)

Vor Eintritt in die Tagesordnung ist folgende amtliche

Mitteilung bekannt zu geben: Die Fraktion der FDP hat
mitgeteilt, dass der Kollege Dr. Guido Westerwelle als
ordentliches Mitglied aus dem Vermittlungsausschuss
ausscheidet.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist ja schade!)


Als Nachfolger wird der Kollege Jörg van Essen vorge-
schlagen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr bedauerlich! – Zuruf von der FDP: Hervorragende Idee!)


Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offenkundig der
Fall. Dann ist der Kollege Jörg van Essen als ordentli-
ches Mitglied des Vermittlungsausschusses bestimmt.

Rede
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förde-
rung der Ausbildung und Beschäftigung
schwerbehinderter Menschen
– Drucksache 15/2318 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

Interfraktionell ist vereinbart, dass keine
erfolgen soll. – Ich sehe, dass Sie damit e
sind.
zung

n 14. Januar 2004

3.00 Uhr

Damit kommen wir gleich zur Überweisung. Inter-
fraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf
Drucksache 15/2318 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige
Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Über-
weisung so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Lokale Bündnisse für Fa-
milie.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, Renate Schmidt.

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren
und Damen Abgeordnete! Ich habe heute im Kabinett
die Initiative meines Ministeriums zu den lokalen Bünd-
nissen für Familie vorgestellt. Sie wissen, dass sich die
meisten jungen Menschen Familie wünschen, dass sich
aber keine ausreichend große Zahl diesen Wunsch er-

text
füllt. Auch in der Wirtschaft wächst die Erkenntnis, dass
Familienfreundlichkeit betriebswirtschaftlich und volks-
wirtschaftlich gesehen Gewinn bringt.

Familie ist nicht nur in meinen Augen, sondern, wie
ich glaube, auch in den Augen vieler Menschen in allen
Bereichen ein Zukunftsthema. Auch Kommunen profi-
tieren wie die gesamte Volkswirtschaft materiell von
mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit, weil dadurch
der Mut, Kinder zu haben, wächst. Durch die Studien,
die wir im letzten Jahr vorgelegt haben, haben wir dies
nachgewiesen.

Diese Erkenntnisse nützen als abstraktes Wissen we-
sen nutzbringend zugunsten von Kindern,
r gesamten Gesellschaft umgesetzt werden.
trittig; denn bei der Geburtenrate liegt
heute im weltweiten Vergleich von
Aussprache
inverstanden

nig. Sie müs
Eltern und de
Dies ist uns
Deutschland

207 Ländern auf Platz 185. Die meisten Menschen






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Renate Schmidt

wünschen sich Kinder. Aber viele erfüllen sich diesen
Wunsch nicht, weil es um die Familienfreundlichkeit in
unserem Land nicht ausreichend gut bestellt ist.

Niedrige Geburtenraten sind aber kein unveränderba-
res Schicksal, auch nicht in Deutschland. Hier möchte
ich ein Beispiel erwähnen: In der Stadt Laer im Münster-
land wurde erreicht, dass die Geburtenrate – verglichen
mit durchschnittlich 8,7 Geburten in Deutschland – auf
13,5 gestiegen ist. – Ich sehe an Ihrem Lächeln, dass
manche meinen, der Bürgermeister hätte sich persönlich
bemüht.


(Heiterkeit)

Nein, das ist nicht der Fall gewesen.


(Dr. Christoph Bergner [CDU/CSU]: Es könnten ja Stadträte gewesen sein!)


Er hat sich zwar bemüht, aber in einem anderen Sinne,
Herr Bergner. Dort sind nämlich wirklich exzellente Be-
treuungsmöglichkeiten geschaffen worden. Die ganze
Kommune hat an ihrer Familienfreundlichkeit gearbei-
tet.

Dieses Beispiel zeigt: Wir können etwas bewirken,
und zwar dort, wo die Familien leben und wo die Väter
und Mütter arbeiten, nämlich in den Kommunen, die das
Lebens- und Wohnumfeld gestalten, und in den Unter-
nehmen, die die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz
schaffen. Vor Ort können die passenden Lösungen für
Probleme des Alltags gefunden werden. Die Familien
und die Akteure wissen selbst am besten, wo der Schuh
drückt.

Deshalb habe ich das Projekt „Lokale Bündnisse für
Familie“ ins Leben gerufen. Die Zielsetzung dieses
Bündnisses ist die Schaffung von familienfreundlichen
Arbeitszeiten in mehr Betrieben, von mehr familien-
freundlichen Betreuungsmöglichkeiten und von fami-
lienfreundlicheren Rahmenbedingungen. Dazu sollen
vor Ort konkrete Verabredungen getroffen werden. Da-
durch entsteht ein größerer Mut, Kinder zu haben.

Besonders wichtig ist mir die gute Zusammenarbeit
von Bund und prominenten Repräsentanten der Kommu-
nen. Auf der lokalen Ebene soll die Allianz für Familie,
die ich auf Bundesebene ins Leben gerufen habe, ihre
Fortsetzung finden. Deshalb habe ich zusammen mit
starken Partnern aus Gesellschaft und Wirtschaft die Ini-
tiative „Lokale Bündnisse für Familie“ begründet. In
diesen lokalen Bündnissen schließen sich die Partner zu-
sammen, die die Rahmenbedingungen für Familie ge-
stalten. Neben Kommunen und Unternehmen sind dies
Vereine, Gewerkschaften, Verbände, Kirchen, freie
Wohlfahrtsträger und natürlich die Familien selbst.

In einigen Kommunen wurden bereits solche Initiati-
ven für Familie gegründet. Sie tragen unterschiedliche
Namen, haben aber meistens die gleichen Zielsetzungen.
Ich möchte zwei dieser Initiativen als Beispiele nennen:
In meiner Heimatstadt Nürnberg hat der Stadtrat die
Kommune mit der Stadtverwaltung, den Stadtratsfraktio-
nen, den Kirchen, Kammern, Gewerkschaften und freien
Trägern vernetzt. Mit diesem Bündnis soll ein familien-
freundliches Bewusstsein und ein positives Klima für
Kinder geschaffen werden. Nur eine von vielen Maßnah-
men, die bereits umgesetzt werden konnte: Mit familien-
gerechten Angeboten und günstigen Preisen wird die
Teilnahme von Familien am kulturellen Leben erleich-
tert.

Damit man nicht immer Beispiele aus Großstädten er-
wähnt, nun ein zweites Beispiel aus Ostfriesland. Zwei
Landkreise und eine Stadt werden zusammen mit
120 kleinen und mittelständischen Betrieben in einem
kommunen- und betriebsübergreifenden Bündnis tätig.
Eine solche überbetriebliche Verbindung von Firmen
fördert erfolgreich die Berufstätigkeit und Qualifizie-
rung von Frauen mit Kindern durch gezielte Beratung
und Schulung.

Unsere Initiative „Lokale Bündnisse für Familie“
knüpft an solche Beispiele an. Wir wollen bestehende
Bündnisansätze bekannt machen. Sie sollen zur Nachah-
mung anregen und zeigen, was möglich ist – gemeinsam
und zum gegenseitigen Vorteil. Außerdem unterstützen
wir die Gründung neuer Bündnisse. Unser Ziel ist es,
dass in einem ersten Schritt mindestens 100 solcher
Bündnisse gegründet werden und sich etablieren. Viele
Einzelinitiativen sollen konkrete Verbesserungen vor Ort
herbeiführen und so zu einem familienfreundlicheren
Klima in unserem Land beitragen.

Die wichtigsten Bausteine dieser Initiative sind das
neu gegründete Servicebüro in Berlin und das Online-
Handbuch „Lokale Bündnisse für Familie“.

Bis Ende 2006 bietet das Servicebüro kostenlose Be-
ratung beim Aufbau eines Bündnisses und bei der Ver-
besserung bestehender Bündnisse an. In Workshops wer-
den die Grundlagen erfolgreicher Bündnisarbeit
vermittelt, damit der Start gelingt. Mitarbeiter des Ser-
vicebüros helfen bei der Moderation der Auftaktveran-
staltung. Akteure vor Ort erhalten eine Einführung in
Pressearbeit. Ich könnte noch vieles andere nennen. Ent-
scheidend sind immer die jeweiligen Anforderungen der
lokalen Bündnisse. Insofern steht auch das Leistungs-
spektrum des Servicebüros noch nicht endgültig fest. Es
wird sich parallel zu dieser Initiative entwickeln.

Eine weitere Unterstützung bieten wir mit dem On-
line-Handbuch „Lokale Bündnisse für Familie“, das man
auf der Homepage der Initiative finden kann. Darin ste-
hen Ideen für ein familienfreundliches Wohnumfeld, An-
sätze zur Verbesserung der Kinderbetreuung, Maßnah-
men für eine Balance zwischen Beruf und Familie sowie
weitere Anregungen.

Fachlich und wissenschaftlich begleitet wird die Initia-
tive vom Deutschen Jugendinstitut. Die Initiative steht
auch in Kooperation mit der Gemeinnützigen Hertie-
Stiftung und der Bertelsmann-Stiftung, die auch über das
Jahr 2006 hinaus an der Verwirklichung des Ziels von
mehr Familienfreundlichkeit arbeiten werden. Die Euro-
päische Union unterstützt das Projekt finanziell.

Die Zusammenarbeit verschiedener Partner macht
den besonderen Charakter dieser Initiative aus. Die Art
und Weise, in der alle an einem Strang ziehen – jeder en-
gagiert sich und steuert seinen Teil zum Ganzen bei –, ist
eine Form der Politik, die hoffentlich weite Kreise zieht.






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Renate Schmidt

Die Bundesregierung will aus dem Trend zur Familie

einen Trend zu mehr Kindern machen. Gemeinsam rufen
wir dazu auf, überall in Deutschland solche lokalen
Bündnisse für Familie zu gründen. Wer familienfreund-
lich handelt, ist ein Trendsetter. Meine Bitte an Sie, die
Abgeordneten: Helfen Sie mit und werben auch Sie für
diese Initiative! Dadurch kann das Ganze nämlich nur
noch erfolgreicher werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508500100

Ich bitte, zunächst Fragen zu diesem Themenbereich

zu stellen. – Ich habe bereits eine Reihe von Wortmel-
dungen vorliegen. Zunächst hatte sich die Kollegin
Maria Eichhorn von der CDU/CSU-Fraktion gemeldet.


Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1508500200

Frau Ministerin, bereits 1992 hat die unionsgeführte

Bundesregierung die erste Auflage des Buches „Örtliche
und regionale Familienpolitik“ herausgegeben und den
Wettbewerb „Kinder- und familienfreundliche Ge-
meinde“ ausgelobt.

Es gibt Gott sei Dank etliche lokale Bündnisse. Die
einen nennen es „runder Tisch“ und die anderen „Bünd-
nis für Familie“. Das haben wir, die Unionsfraktion, vor
zwei, drei Jahren in unserem Familienkonzept auch noch
einmal dargestellt. Es ist sicherlich gut, dass diese Initia-
tive vonseiten der Bundesregierung, also von Ihnen, nun
fortgeführt und ausgebaut wird. Man kann sicher einiges
tun, ohne dass es Geld kostet. Ganz ohne finanzielle Un-
terstützung wird es aber nicht gehen. Das zeigt sich auch
an vielen Initiativen und Projekten in Bayern, die finan-
ziell unterstützt werden. Es gibt aber auch runde Tische,
die bereits seit Jahren ohne finanzielle Unterstützung ar-
beiten.

Sie haben in Ihrer Presseerklärung gesagt, als Ergeb-
nis könnten Sie sich längere Öffnungszeiten der Kinder-
gärten vorstellen, da es um verbesserte Kinderbetreu-
ungsmöglichkeiten gehe. Das kostet aber Geld, Frau
Schmidt. Darum stelle ich folgende Fragen: Was wollen
Sie tun, damit diese Vorhaben für die Verbesserung der
Kinderbetreuung angesichts der knappen – besser ge-
sagt: der zum Teil katastrophalen – finanziellen Ausstat-
tung der Kommunen tatsächlich zu verwirklichen sind?
Was wollen Sie grundsätzlich tun – zum Beispiel durch
eine kommunale Finanzreform –, um eine Verbesserung
der kommunalen Finanzen zu erreichen?

Sie haben gerade auch noch die Beratung angespro-
chen. Auch die Beratung kostet Geld.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch keine Frage! – Christel Humme [SPD]: Eine Frage!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508500300

Frau Kollegin Eichhorn, ich bitte, nur eine Frage zu

diesem Themenkomplex zu stellen.


Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1508500400

Ja. – Es gibt bundeszentrale Träger, wie zum Beispiel

die Arbeitsgemeinschaft der Familienbildungsstätten.
Was haben Sie vorgesehen, damit diese finanziell besser
ausgestattet werden, sodass diese Arbeit vor Ort geleistet
werden kann?

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Frau Eichhorn, zunächst zum ersten Teil.
Ich glaube, wir wären hier und heute überfordert, wenn
wir die Diskussion zu den Kommunalfinanzen, die zu-
letzt im Vermittlungsausschuss des Deutschen Bundesta-
ges und des Bundesrates geführt worden ist, noch einmal
führen würden. Es wäre schön gewesen, wenn be-
stimmte weitere Vorschläge von uns zur besseren Fi-
nanzausstattung der Kommunen nicht abgelehnt worden
wären. Wir brauchen jetzt nicht mehr nachzukarten, aber
die Konzepte lagen auf dem Tisch.


(Beifall bei der SPD)

Wir sind uns darüber einig, dass natürlich die Mög-

lichkeit bestehen muss, dass die Kommunen tatsächlich
tätig werden. Die Kommunen sind aber nicht alleine ver-
antwortlich. Ich will gerne ein Stück weiter ausholen.
Wie Sie wissen, wollen wir die Kommunen mit den Mit-
teln, die durch die Verwirklichung des Hartz-Konzeptes
eingespart werden, ab dem Jahr 2005 mit 1,5 Milliarden
Euro jährlich in die Lage versetzen, ihren gesetzlichen
Auftrag zu erfüllen – dieser liegt nun einmal bei den
Kommunen –, die Betreuung für die unter Dreijährigen
bedarfsgerecht auszubauen und mehr Ganztagsplätze in
den Kindertagesstätten einzurichten.

Darüber hinaus muss aber auch die Wirtschaft versu-
chen, hier ihre Aufgaben zu erfüllen. Wir wissen – Sie ha-
ben darauf hingewiesen –, dass es bereits solche kommu-
nalen Bündnisse gibt – bundesweit sind es insge-
samt 40 –, die die unterschiedlichsten Namen tragen und
unterschiedlich konzeptioniert sind. Das ist noch zu we-
nig. Deshalb wollen wir dies ausbauen. Im Rahmen sol-
cher Bündnisse – aber auch darüber hinaus – gibt es Ini-
tiativen. Ich nenne zum Beispiel die Initiativen von
kleinen und mittelständischen Unternehmen, die in einer
Kommune eine bestimmte Zahl von Ganztagsplätzen für
die Kinder ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und,
wenn sie von ihnen nicht wahrgenommen werden, auch
für die Kinder anderer Menschen in dieser Kommune be-
reitstellen.

Ich möchte die Kommunen auch durch Beratung un-
terstützen. Das Servicebüro ist nicht kostenlos, sondern
wird uns bis zum Jahr 2006 insgesamt 4 Millionen Euro
kosten, ungefähr zur Hälfte durch den Europäischen
Sozialfonds finanziert. Ich möchte aber eines nicht tun:
Ich möchte dadurch nicht die Aufgabenstellung der
unterschiedlichen Gebietskörperschaften in der Bundes-
republik Deutschland verändern. Es gibt Bundeszustän-
digkeiten, Länderzuständigkeiten und kommunale Zu-
ständigkeiten. Wir werden nicht versuchen, über lokale
Bündnisse für Familie diese Zuständigkeiten in irgendei-
ner Art und Weise zu vermischen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist auch schon etwas!)







(A) (C)



(B) (D)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508500500

Die nächste Frage hat die Kollegin Ina Lenke von der

FDP-Fraktion.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1508500600

Frau Ministerin, was Sie hier als sehr großen Erfolg

verkaufen, ist ganz normale Ministeriumsarbeit. Ich
möchte deshalb etwas anderes ansprechen. In Ministe-
rien muss konzeptionell und ordnungspolitisch gedacht
werden. Da Sie gesagt haben, dass mehr für die Familie
und die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit
getan werden muss, möchte ich Sie auf unser neues
Steuerkonzept verweisen. Wir sind hier Trendsetter;
denn wir fordern die Abschaffung der Steuerklasse V.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das entlarvt sich auch noch!)


Jeder, der einmal in Steuerklasse V gearbeitet hat, weiß,
dass diese Steuerklasse gestrichen werden muss. Davon
würden Frauen profitieren. Ich würde mich freuen, wenn
Sie uns da unterstützen könnten.

Meine Frage: Wie sieht eigentlich das Konzept zur
Betreuung der unter Dreijährigen aus? Sie haben
versprochen, den Kommunen ab 2004 jährlich
1,5 Milliarden Euro dafür zu geben. Dies haben Sie auf
2005 verschoben. Ich habe heute bisher von Ihnen noch
kein ordentliches Konzept für Kinderbetreuung gehört,
zum Beispiel bei den Tagesmüttern. Sie wissen, dass in
diesem Bereich sehr viel schwarzgearbeitet wird. Noch
einmal: Wie genau ist Ihr Konzept zur Betreuung von
Kindern unter drei Jahren? Wie wollen Sie da ordnungs-
politisch und konzeptionell vorgehen?

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Frau Lenke, ich bin gerne bereit, auch über die Frage
der Steuerklasse V zu diskutieren. Ich glaube aber, dass
dies weniger mit den lokalen Bündnissen zu tun hat.
Über dieses Problem sollten wir uns einmal im Aus-
schuss unterhalten. Ich bin mit Ihnen einig, dass die
Einkommensteuerklasse V für manche Frauen eine Be-
nachteiligung darstellt. Das gilt insbesondere für diejeni-
gen, die durchgängig erwerbstätig sind und nicht nur ge-
legentliche Aushilfstätigkeiten ausüben.

Ich habe dem Finanzministerium vorgeschlagen, dies
im Zusammenhang mit der Abschaffung der Lohnsteuer-
klassen insgesamt zu machen, die unmittelbar be-
vorsteht. Mit der Umstellung auf eine elektronische
Bearbeitung können die Einkommen – je nach Größen-
ordnung – entsprechend besteuert werden. In dieser
schwierigen Angelegenheit stehen wir in engem Kontakt
mit dem Finanzministerium.

Zu Ihrer Frage, die nicht unmittelbar mit den lokalen
Bündnissen für Familie zu tun hat: Ich habe Ihnen im
Ausschuss angekündigt und wiederhole es hier, dass es
im Jahr 2004 ein Gesetzgebungsverfahren zum Kinder-
und Jugendhilferecht in enger Abstimmung mit den
Kommunen und den Ländern geben wird. Auch wenn
dieses Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist, wollen wir
ihre Zustimmung erreichen. Wir wollen dafür sorgen,
dass in diesem Gesetz Qualität und Bildungsziele, wie
sie in der Nationalen Qualitätsinitiative festgehalten
sind, die Behandlung der Tagespflege sowie der Bedarf
für die Betreuung der unter Dreijährigen so definiert
werden, dass die Kommunen Spielräume haben, um sich
auf den konkreten Bedarf vor Ort einzurichten. Wir wer-
den aber sicherstellen, dass die 1,5 Milliarden Euro, die
wir zur Verfügung stellen, für diesen Zweck ausgegeben
werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508500700

Die nächste Frage hat die Kollegin Christel Humme.


Christel Humme (SPD):
Rede ID: ID1508500800

Frau Ministerin, zunächst einmal herzlichen Dank für

die Darstellung des Projekts „Lokale Bündnisse für Fa-
milie“. Sie haben uns gerade aufgefordert, dieses Projekt
nach allen Kräften zu unterstützen. Ich denke, dies ist
eine der kommenden Aufgaben der Abgeordneten. Von
daher kann ich für uns sagen, dass wir dies mit Sicher-
heit tun werden.

Ich glaube, das, was auch schon gesagt hat, ist richtig,
nämlich dass es schon einige runde Tische und Aktivitä-
ten gibt, aber nicht flächendeckend. Daher ist zu begrü-
ßen, dass das Ministerium eine Servicestelle einrichten
will, um die Aktivitäten, die vorhanden sind, zu unter-
stützen und weitere Aktivitäten zu entwickeln.

Wir brauchen in der Tat in den Kommunen und vor
Ort ein stärkeres Bewusstsein für Familie. Da haben wir
noch eine Menge zu tun. Wenn Sie, Frau Ministerin,
vielleicht einmal darstellen könnten, welche Vorteile
– es geht darum, zu transportieren, welche Vorteile die
Unternehmen und die Kommunen haben – dieses Projekt
hat, wäre ich sehr dankbar.

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Frau Humme, wir haben im letzten Jahr
eine Vielzahl von Studien in Auftrag gegeben und die
Ergebnisse vorstellen können. Die Studien erhärten die
These, dass es Vorteile bringt, wenn wir zu einer besse-
ren Vereinbarkeit von Kindererziehung und Erwerbstä-
tigkeit beitragen. Das ist gut für die Kinder selbst, aber
auch für die Volkswirtschaft insgesamt, insbesondere die
Unternehmen und die Kommunen.

Die DIW-Studie hat deutlich gemacht, dass der Aus-
bau der Kinderbetreuung einen volkswirtschaftlichen
Vorteil auf allen Ebenen bedeutet. Nun mache ich mir
keine Illusion. Das findet nicht nach dem Motto statt: Ich
investiere und am nächsten Tag habe ich schon die Vor-
teile. Die Vorteile hat man erst mit einer gewissen Zeit-
verzögerung. Insgesamt wird aber deutlich, dass mehr
Mütter erwerbstätig sein können, was sie in einem hohen
Ausmaß wollen. Das bedeutet, dass sie unter Umständen
von Sozialhilfeempfängerinnen zu Erwerbstätigen wer-
den, Steuern und Sozialabgaben zahlen und dadurch die
Sozialleistungen, die aufzuwenden sind, gemindert wer-
den.






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Renate Schmidt

Es wurde durch eine zweite Studie, die der Prognos

AG bei mittelständischen Unternehmen, deutlich, dass
die Kinderbetreuung und familienfreundliche Arbeitsbe-
dingungen – dafür sind an erster Stelle die Unternehmen
zuständig – betriebswirtschaftliche Vorteile bringen.
Alle diese Studien sind in unserem Ministerium abruf-
bar. Ich nenne hier nur eine Zahl: Jeder eingesetzte Euro
bringt eine Rendite von mindestens 25 Prozent. Wenn
alle Investitionen in einem Unternehmen eine solche
Rendite hätten, wären die Unternehmen wahrscheinlich
sehr froh.

Wir haben noch eine dritte Studie, nämlich die Studie
von Herrn Rürup zur nachhaltigen Familienpolitik.
Darin wurde noch einmal deutlich, welchen zentralen
Stellenwert für unsere Volkswirtschaft, für unser Brutto-
sozialprodukt und unser wirtschaftliches Wachstum
der Ausbau der Kinderbetreuung hat. Durch den zu-
sammen mit den Arbeitgeberorganisationen durchge-
führten Monitor Familienfreundlichkeit bei insgesamt
10 000 Unternehmen wurde deutlich, dass erstens in ei-
nem gewissen Ausmaß ein Umdenken stattfindet, aber
zweitens in 70 Prozent der Unternehmen noch kein Pro-
blembewusstsein vorhanden ist.

Das wissen wir jetzt alles. Ich konnte das nur schlag-
lichtartig beleuchten. Da uns Wissen allein nicht vor-
wärts bringt, müssen wir schauen, dass wir das Wissen
konkret umsetzen. Dazu dienen gesetzliche Maßnahmen
über diejenigen hinaus, die ich Frau Lenke genannt habe,
nur in begrenztem Ausmaß. Wir haben den Anspruch auf
Teilzeitarbeit und wir haben eine flexible Elternzeit. An
gesetzlichen Maßnahmen wurde in diesem Zusammen-
hang nahezu alles getan. Trotzdem wird zu wenig umge-
setzt. Zu dieser Umsetzung sollen die lokalen Bündnisse
für Familie dienen. Ich sage noch einmal: Das würde
auch zu unserer wirtschaftlichen Prosperität beitragen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508500900

Ich habe eine größere Zahl von Wortmeldungen.

Wenn Sie sich bei den Fragen wie bei den Antworten
kürzer fassen würden, könnten wir sie alle aufrufen.
Denn wir haben jetzt nur noch 16 Minuten Zeit.

Die nächste Frage hat die Kollegin Renate
Gradistanac.


Renate Gradistanac (SPD):
Rede ID: ID1508501000

Frau Familienministerin, ich freue mich sehr, dass Sie

daraus eine Kampagne machen und die Diskussion vor
Ort fördern wollen. Ich glaube, dass sich das von der
letzten Kampagne entscheidet. Ich weiß, dass es einzelne
Bündnisse gibt, allerdings sind sie, glaube ich, in Baden-
Württemberg besonders spärlich. Sie sagen, dass
70 Prozent der Unternehmen keine entsprechende Sensi-
bilität besitzen. Das trifft zumindest für Baden-Württem-
berg zu. Ich komme aus dem Schwarzwald. Dort haben
die Unternehmen noch viel Nachholbedarf.

Sie haben sich mit diesem Thema auch an die Wirt-
schaft herangewagt. Wie ich höre, sind Sie da sehr er-
folgreich. Könnten Sie uns die Partner in der Wirtschaft
und in der Gesellschaft nennen? Ich denke, dass Sie es
geschafft haben, das Engagement in den lokalen Bünd-
nissen vor Ort zu einer Verpflichtung zu machen. Mich
interessiert besonders, ob auch Baden-Württemberg da-
ran beteiligt ist.

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Wir führen eine bundesweite Kampagne durch, die
ich initiiert habe. Ich kann übrigens nicht bestätigen,
dass sich in Baden-Württemberg flächendeckend nichts
tut. Angefangen bei den Firmen Weleda und Rösch in
Tübingen könnte ich Ihnen eine ganze Reihe von Unter-
nehmen nennen, die dort bereits heute viel tun. Von der
IHK Heilbronn-Franken ist mir bekannt, dass sie dazu
beitragen will, diese Region zur familienfreundlichsten
Region in Deutschland zu machen. Es freut mich, wenn
solche Wettbewerbe zustande kommen.

Für unser Kuratorium, das die lokalen Bündnisse für
Familie begleitet, haben wir uns auf die Bundesrepräsen-
tanz verständigt. Zu den Beteiligten gehören der Präsi-
dent des Deutschen Industrie- und Handelskammertages,
Herr Braun, der Präsident des Zentralverbands des Deut-
schen Handwerks, Herr Philipp, der Bundesvorsitzende
des DGB, Michael Sommer, und die Hertie-Stiftung.
Besonders wichtig ist mir, dass sehr viele Kommunal-
politiker und -politikerinnen beteiligt sind. Was Baden-
Württemberg angeht, ist meines Wissens auch die Ober-
bürgermeisterin von Heidelberg, Frau Weber, vertreten.
Ich betone aber noch einmal, dass es sich nicht aus-
schließlich um SPD-Oberbürgermeister und -bürger-
meisterinnen handelt; ich habe vielmehr Wert darauf
gelegt, dass die Beteiligung parteiübergreifend erfolgt.
Denn ich möchte, dass sich alle Seiten daran beteiligen.
Es sollte in der Tat ein Wettbewerb zustande kommen,
aber dies im besten Sinne.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508501100

Die nächste Frage hat die Kollegin Rita Pawelski von

der CDU/CSU-Fraktion.


Rita Pawelski (CDU):
Rede ID: ID1508501200

Frau Ministerin, die Bundesregierung hat schon vor

Jahren mit den Wirtschaftsverbänden eine Vereinbarung
getroffen mit dem Ziel, die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf in den Betrieben zu verbessern. Inwieweit be-
teiligt sich der Staat als Arbeitgeber an dieser Zielset-
zung und inwieweit beteiligt sich der Staat als Arbeitge-
ber an den lokalen Bündnissen? Denn bei einem lokalen
Bündnis zum Beispiel in Berlin, spielt der Staat als Ar-
beitgeber eine wichtige Rolle.

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Es ist sicherlich richtig – deshalb lege ich auch Wert
darauf –, dass sich vor Ort die Kommunen beteiligen
und in den Bündnissen vertreten sein müssen. Wenn die






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Renate Schmidt

Kommunen als staatliche Organe nicht vertreten sind, ist
meiner Ansicht nach das gesamte Vorhaben zum Schei-
tern verurteilt. Wenn die staatlichen Organe außen vor
blieben, können sie nur Vorschläge machen, die aber si-
cherlich nicht umgesetzt würden. Ich glaube, dass sich
alle gemeinsam in die Pflicht nehmen lassen müssen.

Wenn ich es richtig verstanden habe, haben Sie da-
nach gefragt, welchen Beitrag der Bund leistet.


(Rita Pawelski [CDU/CSU]: Ja!)

In meinem Ministerium wie auch in anderen Ministerien
sind viele Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von
Kindern und Erwerbstätigkeit, angefangen bei variablen
und flexiblen Arbeitszeitsystemen bis hin zu besseren
Kinderbetreuungsmöglichkeiten, in Angriff genommen
worden. Ich hatte erst kürzlich mit einem strittigen Fall
im Zusammenhang mit einem Betriebskindergarten in
Bonn zu tun, den mein noch dort ansässiges Ministerium
auch für andere Ministerien dort betreibt.

Es gibt bereits eine ganze Reihe von Initiativen. Was
mein Ministerium betrifft, können wir sicherlich sogar
ein Stück weit als Vorbild dienen. Ob das allerdings für
alle gleichermaßen zutrifft, wage ich zu bezweifeln. In
diesem Punkt gebe ich Ihnen Recht. Eine Aktion, wie
wir sie durchführen wollen, kann hier zu einem besseren
Drive führen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508501300

Die nächste Frage hat die Kollegin Ingrid Fischbach.


Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1508501400

Frau Ministerin, ich möchte Ihnen zunächst einmal

für die gute Idee danken, die Betriebe, den Mittelstand
und die Industrie in die Familienpolitik einzubeziehen,
die übrigens seinerzeit schon von der Ministerin Nolte
verfolgt wurde. Sie hat bereits in den 90er-Jahren Wett-
bewerbe wie die Wahl des familienfreundlichsten Be-
triebs ausgelobt. Frau Kollegin Gradistanac hätte sich
besser informieren sollen: Diesen Wettbewerb haben
baden-württembergische Betriebe gewonnen. Denn sie
haben diese Idee auf wunderbare Weise aufgegriffen und
deutlich gemacht, dass sich Familienfreundlichkeit für
die Betriebe lohnt und rechnet.

Frau Ministerin, Sie haben gegen Ende Ihrer Ausfüh-
rungen gesagt, der Trend zur Familie soll ein Trend zu
mehr Kindern werden; dieses würde familienfreund-
liches Handeln bedingen. Kann ich daraus ableiten, dass
Sie zukünftig bei allen Gesetzgebungsverfahren, die auf
Bundesebene erfolgen, eine Familienfreundlichkeitsprü-
fung durchführen werden?

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Frau Kollegin, ob das eine formale Prüfung sein
muss, stelle ich infrage. Aber dass mein Ministerium,
das unter anderem für Familien und Kinder zuständig ist,
die Gesetzentwürfe der Bundesregierung und des Parla-
ments daraufhin zu überprüfen hat, wie sie sich auf Kin-
der, Jugendliche und die Familien insgesamt auswirken,
versteht sich in meinen Augen von selbst. Dazu fühle ich
mich regelmäßig aufgefordert. Gerade im letzten Jahr
hatten wir damit nicht gerade wenig Arbeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508501500

Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt die Kollegin

Michaela Noll.

Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1508501600

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich freue mich natürlich

über das Engagement für lokale Bündnisse. Ich habe
aber eine konkrete Frage. Wir alle wissen: „Ohne Moos
nix los!“ Wir wissen außerdem, wie es in den Kommu-
nen aussieht und dass es 40 000 Insolvenzen gibt. In der
Pressemitteilung der Bundesregierung vom 8. Januar
2004 steht: „Sie bezuschusst die Ganztagsbetreuung von
Kindern in Unternehmen.“ – Ich hätte gern dazu eine
Auskunft, wie das in der Praxis aussehen soll; denn ohne
eine entsprechende Finanzierung wird es relativ schwie-
rig sein, die Unternehmen dazu zu bewegen, dass sie
mehr Ganztagsbetreuung für Kinder anbieten.

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Das stimmt nicht, Frau Kollegin. Es ist nicht daran
gedacht, dass der Bund das Engagement einzelner Un-
ternehmen bezuschusst. Ich bin aber sehr offen für Vor-
schläge – teilweise sind sie schon vorhanden, teilweise
müssen sie noch verifiziert werden –, die dazu dienen,
den Großbetrieben zu helfen, die beispielsweise wie
MTU in München Kinderbetreuung in Eigenregie durch-
führen wollen – für kleine und mittlere Betriebe lohnt
sich so etwas nicht – und die dabei feststellen, dass sie
eine Vielzahl von bürokratischen Hindernissen zu über-
winden haben. Wenn sich hier Notwendigkeiten für eine
Gesetzesänderung ergeben, dann sind wir gerne bereit,
diese in Angriff zu nehmen. Das Ganze hat sich aber
noch nicht genügend erhärtet.

Wir denken, wie gesagt, nicht an Zuschüsse durch den
Bund. Ich sage noch einmal: Für Kinderbetreuung und
deren Finanzierung gibt es eine verfassungsmäßig fest-
gelegte Zuständigkeit. Diese liegt bei den Kommunen
und nicht beim Bund. Dass wir dabei helfen, weil wir
das für die Modernisierung unseres Landes für dringend
notwendig halten, ist in meinen Augen schon außerge-
wöhnlich. Aber vor dem Hintergrund, dass Deutschland
in dieser Beziehung Schlusslicht in Europa ist, versteht
sich das meines Erachtens von selbst. Deshalb werden
wir das tun.

Ich glaube, solche Anstöße wie die lokalen Bündnisse
können dazu dienen, dass Unternehmen einsehen, dass
es in ihrem eigenen Interesse ist, hier etwas zu tun. Ich
betone noch einmal: Die Unternehmen, die selber Kin-
derbetreuungseinrichtungen betreiben, sagen, dass sich
diese Investitionen für sie lohnten; denn unter dem
Strich rechneten sich solche Investitionen dadurch, dass






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Renate Schmidt

man an anderen Stellen einen Gewinn habe, zum Bei-
spiel durch geringere Personalbeschaffungskosten und
geringere Krankenstände.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508501700

Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt der Kollege

Dr. Christoph Bergner.


Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1508501800

Frau Ministerin, Sie haben – wie ich meine: aus gu-

tem Grund – die bedrückende Geburtenstatistik zum
Ausgangspunkt Ihrer Ausführungen gemacht. Die nega-
tive Geburtenentwicklung hat den Nebeneffekt, dass Fa-
milien mit Kindern in unserer Bevölkerung immer mehr
in eine Minderheitenposition geraten. Ich denke insbe-
sondere an großstädtische Siedlungsgebiete, in denen
das bereits gegenwärtig in gravierendem Maße der Fall
ist. Dies hat zur Konsequenz, dass die Interessen von
Familien mit Kindern im demokratischen Willensbil-
dungsprozess eigentlich kaum noch angemessen wahr-
genommen werden können, gerade wenn es um Interes-
senkonflikte geht, in deren Mittelpunkt Kinder stehen.
Jedenfalls besteht die Gefahr, dass die Vertreter dieser
Interessen überstimmt werden.

Frau Ministerin, Sie wissen, dass sich Kolleginnen
und Kollegen dieses Hauses um eine Wahlrechtsände-
rung bemühen. Auch wenn ich diesen Weg für falsch
halte, denke ich, dass das Problem wichtig ist. Deshalb
frage ich Sie: Zeigen Sie mit Ihrer Initiative auch Wege
auf, mit denen man die Mitwirkungsmöglichkeiten von
Familien mit Kindern im demokratischen Willensbil-
dungsprozess in den Regionen verstärken und verbes-
sern kann?

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Herr Kollege Bergner, die lokalen Bündnisse sind ge-
nau ein solches Instrument. Vielleicht entwickeln sich
daraus weitere Instrumente. Sie kennen meine Position
zu dem von Ihnen erwähnten Antrag, der in das Parla-
ment eingebracht worden ist. Sie wissen auch, dass das
nicht die Position der Bundesregierung ist. Ich erhoffe
mir aber allein durch eine breite Diskussion über eine
eventuelle Änderung des Wahlrechtes Bewusstseinsver-
änderungen in der Gesellschaft, die dazu beitragen kön-
nen, dass man Familien mehr einbezieht.

Für mich ist ein lokales Bündnis für Familien erst
dann vollständig, wenn die Familien selbst und ihre Ver-
tretungen, also Elternbeiräte in Kindertagesstätten, in
Schulen, Familienorganisationen, daran beteiligt sind.
Diejenigen lokalen Bündnisse, die bisher erfolgreich wa-
ren, weisen genau das auf: Nicht nur die Fachleute, die
Kinder- und Jugendhilfepolitiker und Vertreter von
Kammern und Ähnlichem, reden dort miteinander, viel-
mehr werden die Familien einbezogen.

Ich habe in meinem einführenden Referat gesagt, dass
die Familien am besten wissen, wo sie der Schuh drückt.
Es wäre in meinen Augen falsch, ihre Erfahrungen nicht
einzubeziehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508501900

Wenn es keine Fragen außerhalb dieses Themenbe-

reichs gibt, dann können wir die letzten fünf Minuten
nutzen, um die vorliegenden Wortmeldungen abzuwi-
ckeln. – Das scheint der Fall zu sein.

Der Kollege Klaus Haupt hat das Wort.


Klaus Haupt (FDP):
Rede ID: ID1508502000

Frau Ministerin, ich begrüße ausdrücklich jede Initia-

tive, die dazu beiträgt, dass Deutschland familien- und
kinderfreundlicher wird. Ich glaube, wir sind uns einig:
Familienfreundlichkeit und Kinderfreundlichkeit kann
man nicht trennen; das eine bedingt das andere.

Das zeigen auch einige Beispiele, die Sie hier an-
geführt haben. Eine kinderfreundliche Kommune ist
einfach lebens- und liebenswerter. Ich habe bei den Ini-
tiatoren – Stichwort Wohnumfeld – einen Mangel fest-
gestellt. Daraus resultiert meine Frage. Ich schließe da-
mit an das an, wonach Herr Bergner gefragt hat. Es ging
ihm um den Einfluss und die Mitentscheidungsrechte
von Familien. Wir beide wissen, dass Kinder laut UN-
Kinderrechtskonvention das Recht haben, bei allen Din-
gen, die sie betreffen – das umfasst auch das Wohnum-
feld –, mitzubestimmen.

Ich frage ganz konkret: Wie kann die Partizipation
von Kindern – darüber wird auch in Ihrem Hause disku-
tiert – mit der von Ihnen vorgestellten Bewegung ver-
netzt und gekoppelt werden? Ich frage, weil ganz ent-
scheidend sein wird, dass die betroffenen Kinder dort ein
Mitspracherecht bekommen, wo sie mitentscheiden dür-
fen.

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Herr Kollege Haupt, ich bedanke mich ausdrücklich
für diese noch einmal geäußerte Anregung. Wir haben
den lokalen Bündnissen natürlich nicht im Einzelnen
vorgeschrieben, wie es abzulaufen hat. Ich habe in mei-
nen Eingangsbemerkungen deutlich gemacht: Ich
möchte, dass sich die unterschiedlichsten Formen und
Strukturen etablieren.

Das Servicebüro wird Anregungen wie die von Ihnen
gerade gemachte in die lokalen Bündnisse einspeisen.
Wir werden dort, wo das nicht geschieht, darauf auf-
merksam machen, dass Kinder – auch nach der
UN-Kinderrechtskonvention – das Recht haben, die sie
betreffenden Angelegenheiten mitzugestalten. Wir wer-
den dort, wo das nicht von selbst geschieht, den gebote-
nen Einfluss ausüben, um das umzusetzen, was Sie hier
richtigerweise geäußert haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508502100

Die nächste Frage stellt der Kollege Andreas Scheuer.






(A) (C)



(B) (D)



Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1508502200

Frau Ministerin, ich mache eine Vorbemerkung, weil

Sie gesagt haben, dass Sie im Bereich der Kinder- und Ju-
gendhilfe etwas erarbeiten wollen. Wenn Sie der Bundes-
ratsinitiative, die momentan beraten wird, zustimmen
würden, dann könnten wir uns diese Arbeit sparen, weil
sie in enger Abstimmung mit der Praxis und den Kommu-
nen – das hat die Anhörung gezeigt – entwickelt wurde.

Zur Politik von Rot-Grün könnte man sagen: Für alles
eine schöne Kampagne, aber wenig Taten. – So einfach
möchte ich es mir jedoch nicht machen. Trotzdem müs-
sen wir am Image arbeiten. Ich bedanke mich für diese
Initiative. Wir wollen einmal sehen, welche Werbeagen-
tur diese Kampagne durchführen soll! Wir werden auch
auf die Evaluierungskosten, die bei dieser Kampagne an-
fallen, schauen, damit es nicht wieder eine Selbstbe-
schäftigung im eigenen Haus wird.


(Christel Humme [SPD]: „Wieder?“ War das denn bei Frau Nolte so?)


Wie teilen sich die Kosten für das Servicebüro Berlin
in Höhe von 4 Millionen Euro – Sie haben diese Zahl ge-
nannt – auf? Sie haben vom Online-Handbuch „Lokale
Bündnisse für Familie“ und von der Homepage dieser
Initiative geredet. Können Sie das einmal genau auf-
schlüsseln? Für die Information wäre ich Ihnen dankbar.
Wird ein zusätzliches Gebäude angemietet oder läuft das
im Ministerium ab? Wie hat man sich das Servicebüro in
operativer Hinsicht vorzustellen?

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Das Servicebüro hat seinen Sitz in Bonn. Insgesamt
ist ein Finanzvolumen von 4,231 Millionen Euro not-
wendig. Davon zahlt der Europäische Sozialfonds
2,001 Millionen Euro. Wir werden für das Online-Hand-
buch insgesamt 85 000 Euro ausgeben. Dem Deutschen
Jugendinstitut, das das ganze Vorhaben begleitet und
damit auch evaluiert, werden dafür insgesamt
296 000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Die große
Masse des Geldes geht also in die konkrete Beratung und
Unterstützung der lokalen Initiativen. Wir haben weder
irgendeine Werbeagentur noch sonst jemanden beauf-
tragt, sondern wir wollen versuchen, das Projekt erfolg-
reich durchzuführen und möglichst viele solcher lokalen
Bündnisse zu installieren.

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auch noch
einmal auf das eingehen, was einige Ihrer Kolleginnen
schon gesagt haben. Ja, es stimmt; so eine Idee ist natür-
lich schon da gewesen. Ich habe mich darüber gefreut.
Man kann doch voneinander lernen. Es ist um Himmels
willen nicht so, dass die Weisheit immer nur auf einer
Seite des Hauses ist. Wenn etwas gut begonnen hat, aber
leider Gottes irgendwo stecken geblieben ist – bundes-
weit sind es insgesamt nur, meine ich, 40 solcher Initiati-
ven –, dann ist es in meinen Augen an der Zeit, weiterzu-
helfen. Ich glaube, dass auf freiwilliger Basis manchmal
Besseres entsteht als durch gesetzliche Vorschriften.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508502300

Die Zeit für die Befragung der Bundesregierung ist

eigentlich abgelaufen. Mir liegen noch drei Wortmeldun-
gen vor. Wenn Sie einverstanden sind, rufe ich die noch
auf; das ginge dann auf Kosten der Zeit für die Frage-
stunde. Aber die Zahl der Fragen ist heute ohnehin nicht
so groß. – Dann verfahren wir so.

Die nächste Frage hat der Kollege Thomas
Dörflinger.


Thomas Dörflinger (CDU):
Rede ID: ID1508502400

Frau Ministerin, um der Gefahr vorzubeugen, die der

Kollege Scheuer eben beschrieben hat, nämlich dass das
Ganze ein Selbstbefassungsprogramm für PR-Agenturen
oder auch für Ihr Haus wird,


(Jörg Tauss [SPD]: Das Gegenteil ist der Fall!)

muss natürlich ein bisschen „Butter bei die Fische.“

Sie haben von einem Leitfaden für Pressearbeit ge-
sprochen. In einem lokalen Bündnis für Familie, in dem
professionelle Kräfte aus der öffentlichen Verwaltung
und aus Unternehmen sitzen, braucht meines Erachtens
niemand einen Leitfaden für Pressearbeit. Die Leute
wissen, wie das geht. Sogar ein Privatmann kriegt es auf
die Reihe, einen Zeitungsartikel zu schreiben oder ein
Rundfunkinterview zu führen;


(Jörg Tauss [SPD]: Das habe ich bei Ihnen anders erfahren!)


das wird ja ordentlich zusammengeschnitten.
Mir geht es aber noch um etwas ganz anderes, was Sie

eben auch angedeutet haben. Ist denn sichergestellt,
dass, wenn sich aus diesen lokalen Bündnissen für Fami-
lie Handlungsbedarf ergibt, der über den eigentlichen
Zuständigkeitsbereich der Kommunen deutlich hinaus-
geht, der politische Handlungsbedarf, der sich daraus
beispielsweise auf der Bundesebene ergibt, nicht nur do-
kumentiert, sondern anschließend auch in die Tat umge-
setzt wird?

Beispiel: Es wird sich relativ schnell herausstellen,
dass die Betreuungsfrage, die jetzt diskutiert wird, nicht
allein durch die Schaffung von Ganztagseinrichtungen
gelöst werden kann, weil zum Beispiel Kindergärten
sowohl in Unternehmen als auch in der öffentlichen Ver-
waltung nur ab einer bestimmten Größe möglich sind.
Alles das, was darunter liegt, beispielsweise im ländli-
chen Raum Gemeinden mit 1 000, 2 000 oder 3 000 Ein-
wohnern, fällt durch den Rost.

Ist also sichergestellt, dass das in der Weise evaluiert
wird und anschließend auch die politischen Konsequen-
zen daraus gezogen werden?

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Herr Kollege Dörflinger, es ist so, wie ich vorhin ge-
sagt habe, nämlich dass wir das bis zum Jahr 2006 aus-
gelegt haben. Mein hohes Interesse richtet sich darauf,
dann wirklich zu wissen: Erstens. Was hat sich auf der
kommunalen Ebene tatsächlich getan? Das ist der eine






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Renate Schmidt

wichtige Aspekt. Zweitens. Welchen Handlungsbedarf
gibt es über die kommunale Ebene hinaus, wie Sie es ge-
rade geschildert haben, auf anderen Ebenen – das kön-
nen die Länder sein, das kann der Bund sein –, der erfüllt
werden muss, um Verbesserungen für Familien zu errei-
chen? Daraus müssen dann die Konsequenzen gezogen
werden. Ich bitte um Verständnis dafür, dass das am
Ende und nicht am Anfang geschieht. Wir fangen ja ge-
rade erst mit diesen lokalen Bündnissen an.

Sie haben außerdem gesagt, dass ich von einem Leit-
faden für Pressearbeit gesprochen hätte. Das haben Sie
wahrscheinlich falsch verstanden; vielleicht habe ich
mich auch versprochen. Ich habe jedenfalls gemeint:
Wenn es vor Ort gewünscht wird, werden wir unter Um-
ständen auch bei der Presse- und Medienarbeit helfen.
Ich möchte mit diesem Büro vor allem auf die Bedürf-
nisse der Kommunen und dieser lokalen Bündnisse ab-
stellen und ihnen nichts vorschreiben. Nur wenn wir so
verfahren, wird etwas Vernünftiges daraus.


(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist es nicht geplant, einen Leitfaden für Presse-
arbeit zu erstellen, vielmehr wird es ein Handbuch für
Unternehmen geben, in dem dargestellt wird, wie fami-
lienfreundliche Unternehmenspolitik gemacht werden
kann. Das wird gemeinsam mit der IHK erarbeitet; wir
befinden uns da im Moment kurz vor dem Abschluss
und werden es Ihnen dann auch zur Verfügung stellen.
Ich glaube, daraus kann dann wirklich etwas Vernünf-
tiges werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Daran sieht man: Wer Fragen stellt, lernt was! – Gegenruf des Abg. Dirk Niebel [FDP]: Ich sehe den Tauss zwar nicht, aber ich höre ihn! Jetzt sehe ich ihn! Gutes neues Jahr! – Heiterkeit)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508502500

Die nächste Frage hat die Kollegin Hannelore Roedel.


Hannelore Roedel (CSU):
Rede ID: ID1508502600

Frau Ministerin, Sie haben in einer Ihrer Presseerklä-

rungen bemerkt, dass es Ihnen gelungen sei, die Wirt-
schaft miteinzubeziehen; im gleichen Atemzug haben
Sie die Schuld für das familienfeindliche Klima in unse-
rem Land eindeutig der Wirtschaft zugewiesen. Das liegt
mir schriftlich vor. Sie können es ja klarstellen, wenn Sie
es anders sehen. Ist es nicht eher so, dass es die falsche
Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung
den Unternehmen unmöglich macht, irgendwo Geld lo-
cker zu machen, das nötig wäre, um für familienfreund-
lichere Regelungen zu sorgen?

Sehen Sie es nicht auch so, dass Frauen keine Motiva-
tion haben, Kinder zu bekommen, weil sie nicht wissen,
wie es später mit der Rückkehr in den erlernten Beruf
aussieht, sie also um ihren Arbeitsplatz fürchten?
Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend:

Es gibt – das betone ich ausdrücklich – keine fami-
lienfeindliche Wirtschaft. Ich habe wirklich sehr engen
Kontakt und gutes Einvernehmen sowohl mit den Prä-
sidenten des BDA, des BDI, des DIHK als auch des
Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Wir führen
kontinuierliche Arbeitsgespräche und unterstützen uns
gegenseitig. Herr Hundt und ich haben gemeinsam – er
war bei dieser Pressekonferenz dabei – den Monitor
Familienfreundlichkeit vorgestellt. Erstmals werden
10 000 Wirtschaftsunternehmen anhand eines Fragebo-
gens mit über 40 Fragen gefragt, wie sie es mit der Fa-
milienfreundlichkeit halten, wo sie Hinderungsgründe
sehen usw.

Ihr Zitat bezieht sich wahrscheinlich darauf, dass sich
zwar auf der einen Seite eine zunehmende Zahl von Un-
ternehmen Gedanken über familienfreundliche Arbeits-
zeiten macht, aber bei immerhin rund 70 Prozent der Un-
ternehmen – darauf dürfte sich wahrscheinlich das Zitat
beziehen; das hat nichts mit der aktuellen wirtschaftli-
chen Situation zu tun – kein Bewusstsein dafür vorhan-
den ist, dass es auch ihre Aufgabe ist, Familienpolitik zu
betreiben. Herr Hundt und ich sehen unsere gemeinsame
Aufgabe darin, dieses Bewusstsein zu wecken. Dazu tra-
gen auch die lokalen Bündnisse bei. Wir werden den Fa-
milienmonitor gemeinsam fortschreiben und in regelmä-
ßigen Abständen von zwei bis drei Jahren vorlegen,
damit wir erkennen, ob sich in diesem Bereich etwas ge-
ändert hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508502700

Die letzte Frage hat die Kollegin Kerstin Griese.

Kerstin Griese (SPD):
Rede ID: ID1508502800

Vielen Dank. – Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Wir sprechen über die lokalen Bündnisse
für Familie. Ich bin immer noch ganz erschüttert, dass
der Kollege Scheuer meint, mit dem Streichen der Hilfen
für seelisch behinderte Jugendliche, Kinder und junge
Erwachsene könne man mehr Kinder- und Familien-
freundlichkeit erreichen. Unsere Anhörung hat ja das
Gegenteil bewiesen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Eine Frage an Sie, Frau Ministerin, zu den lokalen
Bündnissen. Ich finde es gut – das ist ja auch gut gelun-
gen –, dass Sie auf breiter Grundlage eingeladen und
verschiedene Träger wie die Kammern, die Kirchen und
die Wohlfahrtsverbände einbezogen haben. Der Kollege
Tauss ruft dann ja immer von hinten, dass es sich hierbei
auch um ein Männerthema handele. Auch das ist richtig,
sie müssen bei den lokalen Bündnissen für Familie mit-
machen. Deshalb beglückwünsche ich Sie zunächst zu
dem guten Auftakt und frage: Wie geht es weiter? Was
haben Sie vor? Was sind die weiteren Schritte nach
diesem Auftakt? Wir alle hoffen und werden sicherlich
gerne dazu beitragen, dass möglichst viele solcher






(A) (C)



(B) (D)


Kerstin Griese

lokalen Bündnisse gegründet werden. Was planen Sie
also, um dem noch weiteren Nachdruck zu verleihen?

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend:

Jetzt müssen natürlich erst einmal weitere entstehen.
Wir werden außerdem mit der geplanten Handreichung
den Unternehmen – das habe ich ja gerade gesagt –
Wege aufzeigen, wie sie eine familienfreundliche Unter-
nehmenspolitik gestalten können, und ihnen Antwort auf
die Frage geben, was eigentlich dazu gehört. Am
11. Mai 2004, also noch in der ersten Hälfte dieses Jah-
res, wird in der Dortmunder Westfalen-Halle eine Fach-
tagung stattfinden, auf der positive Beispiele für Bünd-
nisse, die es bis dahin gibt, aufgezeigt werden. Das
Interesse daran ist, wie sich jetzt schon abzeichnet, groß.
Das wird hoffentlich dazu führen, dass manche Kommu-
nalvertreter – und ich hoffe, auch manche Abgeordnete –
ihren Stadtrat, ihre Gemeindegremien fragen: Warum
haben wir eigentlich so etwas noch nicht? Warum macht
nicht auch ihr das?

Ich habe die Vorstellung, dass das einen Schneeball-
effekt bewirken wird, dass sich weitere etablieren wer-
den, auch über das Jahr 2006 hinaus. Wir beabsichtigen
nicht, das ad infinitum weiterzuführen, sondern hoffen,
dass sich dann andere in diesem Bereich von selber eta-
blieren. Außerdem haben uns die Bertelsmann- und die
Hertie-Stiftung, die beide daran beteiligt sind, zugesagt,
sich auch über das Jahr 2006 hinaus zu engagieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508502900

Vielen Dank, Frau Bundesministerin, für Ihre Bereit-

schaft zu einer ausführlichen Antwort. Die Befragung
der Bundesregierung ist damit beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
– Drucksache 15/2317 –

Die Fragestunde beginnt diesmal mit dem Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Hans Georg Wagner zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 1 des Kollegen Helmut Lamp:
Wie ist zu erklären, dass einerseits der Staatssekretär im

Bundesministerium der Verteidigung Klaus-Günther Biederbick
in einer Mitteilung vom November 2003 zum Konzept zur
Neuordnung der ortsfesten logistischen Einrichtungen, OLE,
den Personalstärkeabbau mit 31 Bundeswehrangehörigen und
186 Zivilbediensteten des Marinedepots 1 Laboe bekannt ge-
geben hat, dass mir andererseits aber bei einem Informations-
besuch vor Ort die heutige Personalstärke mit insgesamt deut-
lich weniger als 200 Personen mitgeteilt wurde, und trifft es
weiterhin zu, dass entgegen der in der oben bezeichneten Mit-
teilung dargestellten „signifikanten Reduzierung“ damit eine
„moderate Anpassung“ beabsichtigt ist?
H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1508503000


Herr Kollege Lamp, die Personalzahlen des
Marinemunitionsdepots 1 in Laboe beruhen auf der zur-
zeit gültigen Stärke- und Ausrüstungsnachweisung, der
so genannten STAN, von circa 290 Dienstposten. Dies
muss nicht der aktuellen Tagesdienststärke im Depot
entsprechen. Für die Zielstruktur waren zunächst die
Planzahlen für die jeweiligen Stärken in der zukünftigen
Depotorganisation gesetzt worden. Nachdem über das
Konzept zur Neuordnung der ortsfesten logistischen Ein-
richtungen der Streitkräfte entschieden ist, wird nunmehr
der endgültige Personalumfang des Marinemunitionsde-
pots erarbeitet. Sie können allerdings davon ausgehen,
dass die derzeitige Planzahl für Laboe von 70 militä-
rischen und zivilen Dienstposten, einschließlich der
Feuerwehr, einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad an Ge-
nauigkeit hat. Dies bedeutet, bezogen auf die bis jetzt
gültige STAN, nach derzeitigen Planungen einen Abbau
von circa 220 Dienstposten. Damit handelt es sich nach
unserer Definition um eine signifikante Reduzierung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508503100

Zusatzfragen, Kollege Lamp?


Helmut Lamp (CDU):
Rede ID: ID1508503200

Die Mitteilung aus dem Verteidigungsministerium,

die auch in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist,
musste so verstanden werden, dass das Verteidigungs-
ministerium im Munitionsdepot Laboe 220 Arbeitsplätze
abbauen wollte, obwohl dort nur 185 Leute beschäftigt
sind. Das hat in der Region zu großer Verwirrung ge-
führt. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass die
Grundlagen für die Berechnung aus der Vergangenheit
stammten. Können für die zukünftigen Planungen der
Bundeswehr insgesamt solche missverständlichen Äuße-
rungen, die in einzelnen Regionen zur großer Aufregung
führen können, ausgeschlossen werden?

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1508503300


Herr Kollege, wenn ich das ausschließen wollte, dann
würde ich die menschlichen Schwächen nicht berück-
sichtigen. So etwas kann immer einmal passieren. In die-
sem konkreten Fall ist es so, dass die Iststärke, die Sie
bei Ihrem Besuch vor Ort angetroffen haben, nicht mit
der Sollzahl in Höhe von circa 290 Dienstposten, die wir
zugrunde gelegt hatten, übereinstimmt. Krankheitsfälle
und Abwesenheit durch Urlaub werden in diese Zahl
nicht einbezogen und dadurch entsteht eine solche Diffe-
renz. Tatsache ist, dass nach der endgültigen Ausplanung
70 Dienstposten verbleiben werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508503400

Weitere Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Frage 2 des Kollegen Lamp:

Welche konkreten Planungen hat die Bundesregierung zur
mittelfristigen – bis zum Jahr 2020 – Verwendung und zum
weiteren Ausbau des Marinedepots 1 Laboe?






(A) (C)



(B) (D)


Ha
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1508503500

Lieber Herr Kollege Lamp, das Marinemunitions-

depot 1 in Laboe wird zum 1. April 2004 in „Muni-
tionsdepot Laboe“ umbenannt und mit einer neuen
Stärke- und Ausrüstungsnachweisung in eine neue
Organisationsstruktur umgegliedert. Zum gleichen Zeit-
punkt werden dem Munitionsdepot Laboe die Muniti-
onslager Boostedt, Enge-Sande, Kropp, Süderlügum
und Löwen-stedt unterstellt. Hauptauftrag wird zukünf-
tig die Lagerung und Instandhaltung von marineeigen-
tümlicher Munition und die Auf- und Abmunitionie-
rung von schwimmenden Einheiten sein. Darüber
hinausgehende Aussagen bis zum Jahre 2020 sind nicht
möglich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508503600

Keine Zusatzfrage? – Vielen Dank, Herr Staatssekre-

tär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-

nisteriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Achim Großmann zur Verfügung.


(Emmendingen)


Welche Auswirkungen wird nach Erkenntnissen der Bun-
desregierung die im Rahmen der von der Europäischen Kom-
mission vorgelegten Europäischen Wachstumsinitiative
– KOM(2003) 690 endgültig – zur Stärkung der Transeuro-
päischen Verkehrsnetze vorgesehene Baumaßnahme der
Schienenverbindung Dijon–Mulhouse–Müllheim auf das zu
erwartende Schienenverkehrsaufkommen auf der Rheintal-
bahnstrecke zwischen Basel und Karlsruhe haben?

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1508503700


Herr Kollege Weiß, belastbare Aussagen zur Verände-
rung des zu erwartenden Schienenverkehrsaufkommens
auf der Eisenbahnstrecke zwischen Basel und Karlsruhe
durch den Bau der Strecke Dijon–Mulhouse–Müllheim
sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, da diese ent-
scheidend vom bisher nicht bekannten künftigen Be-
triebskonzept der beteiligten Bahnen, also der Société
Nationale des Chemins de Fer Français und der Deut-
schen Bahn AG, abhängen.


(Jörg Tauss [SPD]: Es werden ganz viele Züge fahren, Herr Weiß! Unheimlich viele! – Gegenruf des Abg. Dirk Niebel [FDP]: Habt ihr nicht eine Aufgabe für den Herrn Tauss, dass der irgendwo arbeiten kann? – Gegenruf des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Lassen Sie ihn doch! Er muntert das ganze Geschäft auf! – Jörg Tauss [SPD]: Ich bin solidarisch mit meinem Geschäftsführer! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Er reizt Sie sogar zu entsprechenden Aktivitäten!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508503800

Zusatzfrage, Herr Kollege Weiß.

Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1508503900

Herr
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1508504000
Halten Sie es
unter diesen Umständen nicht doch für gerechtfertigt
und notwendig, dass im Rahmen dieser Planungen unter-
sucht wird, wie sich das Vorhaben „Transeuropäische
Netze“, das auf EU-Ebene verabredet worden ist, auf
diese Strecke auswirkt? Damit könnte man den Planern,
aber vor allen Dingen auch den betroffenen Städten und
Gemeinden sowie den Bürgerinnen und Bürgern eine ei-
nigermaßen verlässliche Perspektive geben, sodass sie
wissen, was auf sie zukommt.


(Jörg Tauss [SPD]: Mehdorn fragen!)


A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1508504100


Herr Kollege Weiß, diese verlässliche Perspektive ist
ja vorhanden. Das Verfahren ist normalerweise so, dass
sich zunächst einmal die Regierungen dazu bereit erklä-
ren, Investitionen in die Schieneninfrastruktur zu leisten.
Die betroffenen Unternehmen – im Falle der SNCF han-
delt es sich um ein staatliches Unternehmen und im Falle
der DB AG handelt es sich um ein privatisiertes Unter-
nehmen – müssen dann Kriterien aufstellen.

Zurzeit wird in Frankreich das öffentliche Interesse
am Bau des Ostastes für den TGV Rhein–Rhone ermit-
telt. Nach dem, was wir von den französischen Freunden
hören, soll das Projekt im Jahre 2006 begonnen werden.
Mit einer Fertigstellung ist im Jahre 2012 zu rechnen.
Sie wissen, wie lang die Vorlaufzeiten sind. Wenn der
TGV-Verkehr aufgenommen wird, kommt es – das wissen
auch Sie; das ist von anderen TGV-Strecken bekannt – nur
zu einer überschaubaren Zahl von neuen Verbindungen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508504200

Weitere Zusatzfrage? – Bitte.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1508504300

Herr Staatssekretär, nach der Ankündigung des Vor-

standsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Herrn Meh-
dorn, wird die DB AG aufgrund der mangelhaften Mit-
telzuweisung durch den Bund frühestens ab dem Jahre
2008 in der Lage sein, die Ausbaumaßnahmen auf der
Rheinstrecke zwischen Karlsruhe und Basel in Angriff
zu nehmen. Ist es richtig, dass daher auch für den Pla-
nungsprozess eine Verzögerung wahrscheinlich ist? Es
könnte also möglich sein, dass die nach Ihrer Aussage
noch zu erhebenden und zu bewertenden Zahlen in das
Planverfahren zum Ausbau des dritten und vierten Glei-
ses einbezogen werden.

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1508504400


Herr Kollege Weiß, Sie haben gestern eine entspre-
chende Frage schriftlich eingereicht. Wir geben uns im
Ministerium große Mühe, diese Fragen fundiert zu be-
antworten. Ich glaube, dass das, was ich Ihnen gerade






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Achim Großmann

gesagt habe, zutrifft, nämlich dass wir bei der TGV-Stre-
cke Rhein–Rhone eine sehr lange Vorlaufzeit haben wer-
den. Wenn diese Strecke in Betrieb sein wird, wird die
Zahl der neuen Verbindungen nur sehr begrenzt sein.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die Frage wird vorher schriftlich beantwortet! – Heiterkeit)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508504500

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-

teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
– das sind die Fragen 4 und 5 – sollen schriftlich beant-
wortet werden.

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beant-
wortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Christoph Matschie zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Michael
Kretschmer auf:

Wie unterscheidet sich nach Ansicht der Bundesregierung
eine geplante Eliteuniversität von einer bereits heute beste-
henden Hochschule?

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508504600


Herr Kollege Kretschmer, Ihre Frage nach dem Unter-
schied zwischen Eliteuniversitäten und den bereits heute
bestehenden Hochschulen will ich wie folgt beantwor-
ten: Hochschulen und außeruniversitäre Forschungsein-
richtungen erbringen auch heute überall in Deutschland
in vielen Disziplinen exzellente Leistungen in Wissen-
schaft und Forschung. Aus Sicht der Bundesregierung
müssen wir auf diese Leistungen aufbauen, damit unsere
Hochschulen mit ihren Spitzenleistungen künftig mit
Universitäten wie Harvard, Stanford, Oxford oder Cam-
bridge Schritt halten können. Solche Spitzenleistungen
können nur im Wettbewerb der stärksten Einrichtungen
entstehen. Die Hochschulen brauchen dafür eine ent-
sprechende Ausstattung und leistungsfördernde Rah-
menbedingungen.

Elite misst sich am Output; sie entsteht nur durch
Leistung. Der Maßstab ist eindeutig: Weltspitze in der
Forschung. In der Ausbildung muss eine solche Spitzen-
einrichtung in der Lage sein, Spitzennachwuchskräfte
aus dem Ausland anzuziehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508504700

Zusatzfrage? – Bitte schön.


Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1508504800

Herr Staatssekretär, Sie haben die Ihrer Meinung nach

mangelhaften Rahmenbedingungen und Ausstattungen
der Universitäten angesprochen und haben ausgeführt,
dass das bei Eliteuniversitäten anders sein soll. Ich hätte
die Frage: Welche Rahmenbedingungen müssen nach Ih-
rer Vorstellung geändert werden und warum gilt dies nur
für Eliteuniversitäten?
C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508504900


Herr Kollege Kretschmer, ich habe nicht gesagt, dass
veränderte Rahmenbedingungen nur für Eliteuniversitä-
ten gelten sollen. Wir wollen vielmehr den Wettbewerb
zwischen den Universitäten, den Hochschulen, verstär-
ken. Dazu gehört es, dass sich die Rahmenbedingungen
aller Universitäten ändern. Was das im Einzelnen bedeu-
tet, darüber muss mit den Ländern diskutiert werden, die
in dieser Frage eine wichtige Entscheidungskompetenz
haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508505000

Zweite Zusatzfrage, bitte schön.


Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1508505100

Ich möchte noch einmal nachfragen, Herr Staatssek-

retär: Es gibt eine ganze Reihe von Rahmenbedingun-
gen, die Sie als Bund selbst ändern können. Dieses
Thema ist sehr hochgekocht worden; Sie selbst haben
sich daran beteiligt. Daher können Sie uns vielleicht sa-
gen, welche Rahmenbedingungen vonseiten des Bundes
Ihrer Meinung nach umgehend geändert werden sollten.

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508505200


Wir stehen im Moment ganz am Anfang der Debatte
über die Weiterentwicklung unserer Universitätsland-
schaft. Diese Debatte muss gemeinsam mit den Ländern
geführt werden.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja!)

In den letzten Tagen ist deutlich gemacht worden, dass
die Universitäten mehr Flexibilität und mehr Spielräume
für eigenständige Entscheidungen brauchen. Dazu ge-
hört eine leistungsbezogene Vergütung, für die ja in der
Bundesrahmengesetzgebung Voraussetzungen geschaf-
fen worden sind. Ich hoffe, dass dies in möglichst vielen
Bundesländern aufgegriffen wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508505300

Ich habe dazu eine ganze Reihe von Wortmel-

dungen. – Zunächst der Kollege Dr. Christoph Bergner.


Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1508505400

Herr Staatssekretär, Kollege Kretschmer hat nach den

Rahmenbedingungen gefragt. Ich möchte mich über die
Berücksichtigung der Ausgangsbedingungen im Rahmen
des Projektes „Eliteuniversität“ erkundigen, wozu mei-
nes Erachtens bisher überhaupt keine Auskunft gegeben
wurde. Sie wissen, wir haben in Deutschland erstens eine
Eliteförderung durch die Wissenschaftsorganisationen
Max-Planck-Institut und Deutsche Forschungsgemein-
schaft. Sie wissen, wir haben zweitens ein funktional dif-
ferenziertes Hochschulwesen, das aus Fachhochschulen
und Universitäten besteht. Sie kennen drittens die Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Berufs-
freiheit gemäß Art. 12 des Grundgesetzes, nach der der
Hochschulzugang prinzipiell offen gehalten werden
muss.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Christoph Bergner

Ich möchte Sie fragen: Wie sind diese drei Gesichts-

punkte bei der Idee der Schaffung von Eliteuniversitäten
und der entsprechenden Konzeption berücksichtigt wor-
den?

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508505500


Herr Kollege, es gibt bisher keine fertigen Konzeptio-
nen. Wir haben vielmehr einen Diskussionsprozess da-
rüber begonnen, wie wir die Rahmenbedingungen der
Hochschulen so weiterentwickeln, dass mehr Wettbe-
werb entstehen kann und beispielsweise eine stärker leis-
tungsbezogene Vergütung möglich ist. Letztendlich wird
nur in Zusammenarbeit mit den Ländern zu entscheiden
sein, wie sich die Rahmenbedingungen konkret weiter-
entwickeln lassen. Deshalb halte ich es für falsch, von
vornherein Festlegungen zu treffen, ohne dass über diese
Fragen mit den Ländern ausreichend diskutiert worden
ist.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508505600

Die nächste Frage hat der Kollege Axel Fischer.

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, Sie stün-

den am Anfang der Debatte. Dafür, dass Sie am Anfang
der Debatte stehen, haben Sie – so muss ich feststellen –
schon sehr viel Wind im Zusammenhang mit diesem
Thema gemacht. Man hat fast den Eindruck, es gehe ei-
gentlich gar nicht um Elitehochschulen in Deutschland,
sondern mehr darum, mit welchem Thema man von der
aktuellen katastrophalen Lage ablenken kann, wie man
die Reform der Bundeswehr, über die diskutiert wird,
und die Steuerpolitik zur Seite schieben kann, wie man
im Prinzip von den wichtigen Themen


(Zuruf von der CDU/CSU: Arbeitslosigkeit!)

– genau, zum Beispiel von der Arbeitslosigkeit; man
könnte beliebig viele Punkte nennen; das will ich aber
nicht; ich will vielmehr eine konkrete Frage stellen –


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, bitte!)

ablenken kann.

Man hat den Eindruck, dass es vor allem ein Ver-
suchsballon ist. Aber ich versuche trotzdem, eine Frage
zu stellen. Vielleicht haben Sie zu dem einen oder ande-
ren Punkt doch eine Idee oder können bereits mitteilen,
wie Sie sich das vorstellen.

Zum einen möchte ich wissen, welchen Einfluss staat-
liche Behörden dann auf die Auswahl der Studierenden
haben sollen und ob das überhaupt geplant ist. Zum
zweiten möchte ich wissen, wie Sie in diesem Zusam-
menhang über Studiengebühren denken.

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508505700


Zunächst einmal zur Debatte: Wer sie in den letzten
Tagen aufmerksam verfolgt hat, der weiß, dass es eine
ganze Menge wichtiger Stimmen aus der Wissenschaft
gibt, die sagen: Wir brauchen eine Diskussion über mehr
Spitzenleistung und mehr Spitzenuniversitäten und de-
ren Entwicklung in Deutschland. Wir haben ein starkes
Wissenschaftssystem, aber wir müssen es weiterent-
wickeln. Gerade in der Spitze müssen wir mehr Sicht-
barkeit erzeugen.

Deshalb ist es eine notwendige Debatte. Ich verstehe
nicht, warum man etwas Falsches daran finden kann,
wenn wir in diesem Land darüber reden, wie wir mehr
Spitzenqualität erzeugen können. Das ist auch für unsere
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit notwendig.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr gut!)


Zur Auswahl der Studierenden will ich Ihnen sagen,
dass wir seit einiger Zeit in Gesprächen mit den Ländern
sind, um eine Regelung zu finden, wie die Universitäten
in Zukunft ihre Studierenden vermehrt selbst aussuchen
können. Ich glaube, dass auch das eine notwendige Vo-
raussetzung für die Weiterentwicklung des Hochschul-
systems ist.

Zur Gebührenfrage gibt es eine gesetzliche Regelung
im Hochschulrahmengesetz. Dazu gibt es keine neue
Auffassung im Bundesministerium für Bildung und For-
schung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508505800

Die nächste Frage hat der Kollege Dirk Niebel.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1508505900

Herr Staatssekretär, als der Abgeordnete des Wahl-

kreises Heidelberg, der schon mit einer Eliteuniversität
hinreichend ausgestattet ist, freue ich mich, dass die
deutsche Sozialdemokratie mittlerweile erkannt hat, dass
wir auch außerhalb des Spitzensportes Spitzenleistungen
in Wirtschaft und Wissenschaft benötigen. Insofern ist
dies ein Lob von mir dafür, dass diese Erkenntnis ge-
wonnen wurde.

Aufgrund Ihrer Antworten habe ich allerdings das Ge-
fühl, dass Sie noch gar nicht so genau wissen, was Sie
machen wollen. Sie haben richtig festgestellt: Elite bildet
sich durch Wettbewerb. Das heißt, die Politik kann Elite
nicht verordnen. Wettbewerb bildet sich aber auch nur
durch Freiheit der Bildungseinrichtungen und durch
Freiheit der Studierenden. Deswegen frage ich ganz kon-
kret: Sind Sie bereit, die Zentrale Vergabestelle für Stu-
dienplätze als Studentenlandverschickung abzuschaffen,
den Universitäten das Recht auf freie Auswahl ihrer Stu-
dierenden zu geben und auf der anderen Seite den Studie-
renden das Recht auf freie Auswahl ihrer Hochschule?
Sind Sie bereit anzuerkennen, dass die Hochschulen
dann, wenn sie diese Elitebildung im Wettbewerb mit an-
deren Einrichtungen erreichen wollen, die Freiheit haben
müssen, im Wettbewerb mit anderen Einrichtungen auch
ihre Gebührenstrukturen so zu organisieren, wie es für
richtig gehalten wird? Zu Deutsch: Zum Beispiel sollte
im Rahmen nachlaufender Studiengebühren, wenn je-
mand aufgrund einer hervorragenden Qualifikation auch
ein hervorragendes Gehalt bezieht, die Bildungseinrich-
tung, die diese Qualifikation vermittelt hat, mit einem
Rückfluss von Geldern versehen werden.






(A) (C)



(B) (D)


Ch
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508506000

Herr Kollege, das war gleich ein ganzes Bündel von

Fragen. Ich will Ihnen insofern eine Antwort geben, als
ich sage: Sie haben Recht, wir brauchen mehr Entschei-
dungsfreiheit der Hochschulen. Was die Entwicklung
von Spitzenuniversitäten angeht, habe ich eingangs deut-
lich gemacht, dass wir schon über eine ganze Reihe von
Spitzenleistungen in Deutschland verfügen.

Aber es ist auch klar, dass wir in den internationalen
Rankings mit unseren Hochschulen bisher keine entspre-
chende Rolle spielen. Deshalb müssen wir unser Leis-
tungspotenzial weiterentwickeln. Dazu gehört für mich
die bessere Zusammenarbeit von Universitäten und au-
ßeruniversitären Forschungseinrichtungen. In diesem
Bereich müssen wir organisationsübergreifend zu besse-
rer Zusammenarbeit in der Wissenschafts- und For-
schungslandschaft kommen.

Mein Eindruck ist, dass wir jetzt das Gespräch mit
den Ländern brauchen, um die Rahmenbedingungen ge-
meinsam genau zu beschreiben. Diese kann und will der
Bund nicht allein festlegen. Die Hochschulen fallen zu
einem erheblichen Teil in die Kompetenz der Länder.
Deshalb wird es ohne die Länder nicht gehen.

Ich will Ihnen auch Recht geben in der Aussage: Poli-
tik kann nicht darüber entscheiden, was Spitzenleistung
oder Elite ist. Das muss sich im Wettbewerb herausbil-
den. – Für diesen Wettbewerb wollen wir sorgen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508506100

Die nächste Frage hat der Kollege Jens Spahn.

(Jörg Tauss [SPD]: Das mit der ZVS müssen wir separat klären! Das ist eine andere Geschichte! – Gegenruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie haben jetzt keine Fragestunde, Herr Tauss!)



Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1508506200

Herr Staatssekretär, nach dem, was Sie gerade zu der

einen oder anderen Bestimmung des Hochschulrahmen-
gesetzes gesagt haben, könnte man sich fragen, warum
es denn eigentlich eines auf Bundesebene gibt, wenn
doch immer alles in Länderhand liegt.

Meine Frage: Welches Betreuungsverhältnis zwi-
schen Studenten und Lehrern an Hochschulen gibt es
heute und welches Betreuungsverhältnis ist angedacht?
Es muss wohl ein anderes angedacht sein, sonst bräuch-
ten wir die ganze Debatte nicht. Wie wollen Sie Ihre
Pläne vor den vielen Tausend Studenten rechtfertigen,
die an den bereits bestehenden Hochschulen eingeschrie-
ben sind?

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508506300


Herr Kollege, Sie wissen wahrscheinlich genauso gut
wie ich, dass das Betreuungsverhältnis von Hochschule
zu Hochschule, aber auch von Fach zu Fach sehr unter-
schiedlich ist. Ich glaube, dass wir auch daran arbeiten
müssen, im Durchschnitt ein besseres Betreuungsver-
hältnis zu bekommen. Die jetzt stattfindenden Studieren-
denproteste haben einen ganz realen Hintergrund, näm-
lich dass die Studienbedingungen nicht in allen Fällen
als ausreichend empfunden werden, weil es in verschie-
denen Einrichtungen an entsprechend guten Betreuungs-
relationen fehlt.

Deshalb halte ich es für notwendig, an dieser Stelle
den Wettbewerb zwischen den Hochschulen zu verstär-
ken, damit auf diesem Wege insgesamt bessere Studien-
bedingungen entstehen. Spitze entwickelt sich dann aus
diesem Wettbewerb. Ich bin sicher, dass von diesem
Wettbewerb, der dann entsteht, alle Hochschulen etwas
haben werden, weil sie sich in diesem Wettbewerb wei-
terentwickeln können.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508506400

Die nächste Frage hat der Kollege Uwe Schummer.


Uwe Schummer (CDU):
Rede ID: ID1508506500

Herr S
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1508506600
Sehen Sie einen direk-
ten Zusammenhang zwischen der Zahl der Stipendiaten
und den Studiengebühren in den USA sowie der verbes-
serten Selbstfinanzierung, die dort entsprechend organi-
siert ist? Wären Sie auch bereit, im Zusammenhang mit
der Schaffung von Eliteuniversitäten das Verbot der Er-
hebung von Studiengebühren in Deutschland aufzuhe-
ben?


(Jörg Tauss [SPD]: Eine Intelligenzabgabe, bitte! – Gegenruf des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU]: Aber nicht bei Ihnen, Herr Tauss!)


C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508506700


Herr Kollege, Sie haben die Situation in den USA an-
gesprochen. Sie wissen wahrscheinlich auch, dass der
Anteil der Studiengebühren an der Gesamtfinanzierung
der Hochschulen dort sehr unterschiedlich hoch ist. Bei
einer ganzen Reihe von Hochschulen spielen die Gebüh-
ren bei der Gesamtfinanzierung der Hochschulen eine
eher untergeordnete Rolle. Ich sage hier noch einmal: Es
gibt zu Studiengebühren eine Regelung im Hochschul-
rahmengesetz und die Position unseres Ministeriums
dazu hat sich nicht geändert.

Wir sind der Auffassung, dass wir mehr Geld für das
Wissenschafts- und Forschungssystem in Deutschland
brauchen. In Weimar ist die Zielstellung klar beschrie-
ben worden, nämlich im Laufe dieses Jahrzehnts dazu zu
kommen, 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Be-
reiche Forschung und Entwicklung zu lenken. Das ist
eine Herausforderung für die öffentliche Hand, aber
auch für die Industrie, die auch heute zwei Drittel dieser
Ausgaben trägt.






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508506800

Die nächste Frage hat der Kollege Jörg Tauss.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1508506900

Lieber Kollege Niebel, ich will jetzt nicht lokalpatrio-

tisch auf die Spitzenuniversität Karlsruhe zu sprechen
kommen, nachdem Sie Heidelberg angesprochen haben.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist immer noch ein kleiner Quantensprung!)


Ich will aber immerhin meiner Freude darüber Ausdruck
verleihen, dass die Innovationsoffensive der Bundesre-
gierung und der Koalition bei Ihnen so viel Kreativität
und Interesse auslöst. Ich würde mich freuen, wenn Sie
dort, wo Sie mitregieren, mitziehen und die Rahmenbe-
dingungen verbessern würden. Das wäre sicherlich sinn-
voll.

Eines aber – darauf bezieht sich meine Frage – erfüllt
mich gerade unter diesem Gesichtspunkt mit großer
Sorge, gerade wenn ich in den Süden zu den so genann-
ten reichen Bundesländern schaue: Herr Staatssekretär,
wir sind uns sicher darüber einig, dass der bayerische
Weg, an den Hochschulen und Universitäten nach der
Rasenmähermethode in der Breite massiv Geld einzu-
sparen und dies in wenige Spitzenförderungen zu ste-
cken, nichts mit dem zu tun hat, was wir wollen,


(Dr. Christoph Bergner [CDU/CSU]: Das ist nicht nur in Bayern so!)


nämlich tatsächlich zu einer Verbesserung in der Breite
zu kommen und dadurch auch mehr Spitze zu gewinnen.
Das muss der deutsche Weg sein. Stimmen Sie mir da
zu?


(Dr. Christoph Bergner [CDU/CSU]: Was sagen Sie denn zum Berliner Weg, Herr Tauss? – Jörg Tauss [SPD]: Genau dieselbe Katastrophe!)


C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508507000


Herr Kollege Tauss, ich gebe Ihnen in dieser Frage
Recht. Es kann nicht nur darum gehen, die Spitze stärker
zu fördern. Wir brauchen insgesamt mehr Mittel für das
Hochschulsystem. Das ist auch in den vielen Auseinan-
dersetzungen der letzten Wochen deutlich geworden.
Spitzenforschung braucht übrigens auch in der Breite
eine gute Fundierung, damit sie sich weiterentwickeln
und aus einem möglichst großen Reservoir schöpfen
kann.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508507100

Die nächste Frage hat der Kollege Andreas Scheuer.

Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1508507200

Herr Staatssekretär, in der Geschichte war der Begriff

„Elite“ im Weltbild von SPD und Bündnis 90/Die Grü-
nen immer ein Pfuiwort. Daher wundert mich jetzt dieser
Schwenk. Ihre Äußerungen zeigen mir, dass man aufsei-
ten der Bundesregierung vielleicht erst hätte nachdenken
und dann den Begriff kreieren bzw. reden sollen.
Meine Frage lautet: Ist vor der Erstellung dieses Kon-
zeptes bzw. der Wahl dieses Begriffes – denn von einem
„Konzept“ kann man bei dem, was Sie uns hier sagen,
eigentlich nicht reden; daher möchte ich nur von der
Klärung des Begriffes sprechen – eine Analyse der gro-
ßen Finanzbudgets von US-Eliteuniversitäten wie Har-
vard durchgeführt worden? Hat die Bundesregierung
Vorstellungen davon, welches Finanzbudget eine Elite-
universität braucht?


(Jörg Tauss [SPD]: Das sage ich Ihnen morgens um zwei, wenn Sie wollen!)


C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508507300


Herr Kollege, natürlich kennen wir die Finanzdaten
von Spitzenuniversitäten, auch die von Harvard, Stan-
ford oder anderen Universitäten. Ich will hier deutlich
machen: Unser Weg ist nicht einfach eine Kopie dessen,
was in anderen Staaten gemacht worden ist. Wir wollen
vielmehr die Bedingungen für die Hochschulen so ver-
ändern, dass sich hier stärker Spitzenleistungen heraus-
kristallisieren und dass sich einzelne Hochschulen zu
solchen Spitzenuniversitäten weiterentwickeln können.
Das halte ich für den richtigen Weg. An dieser Stelle
brauchen wir mehr Sichtbarkeit, auch um international
die besten Köpfe anwerben zu können. Das brauchen wir
nicht nur für unsere weitere wissenschaftliche, sondern
auch für unsere wirtschaftliche Entwicklung.


(Jörg Tauss [SPD]: Das Ausländerrecht!)

Deshalb ist es gut, dass wir diese Diskussion jetzt füh-
ren.

Herr Kollege, was den Elitebegriff angeht, möchte ich
Ihnen nur sagen, dass sich die Mitglieder der SPD und
wahrscheinlich auch die der Grünen schon immer auch
als Elite empfunden haben.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: So ist es! Vorne dran! Die Spitze der Bewegung! Herr Scheuer, jetzt sind Sie fertig, was?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508507400

Die nächste Frage hat der Kollege Eckart von

Klaeden.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1508507500

Herr Staatssekretär, dieses Empfinden will ich gar

nicht infrage stellen. Allerdings stellt sich die Frage, in-
wieweit es mit der Realität übereinstimmt. Aber auch
das ist ein anderes Thema.

In Ihrer vorletzten Antwort haben Sie selbst die Ta-
gung Ihrer Partei in Weimar erwähnt. Dort hat sich Ihre
Staatssekretärskollegin Frau Vogt für die Lenkungswir-
kung von Studiengebühren ausgesprochen. Auch von
dem so genannten Netzwerk Ihrer Partei, dem Sie ange-
hören, wurde ein entsprechendes Papier verfasst. Nam-
hafte Hochschulpolitiker wie der frühere niedersächsi-
sche Hochschulminister Thomas Oppermann haben sich
für die Lenkungswirkung von Studiengebühren ausge-
sprochen.






(A) (C)



(B) (D)


Eckart von Klaeden

Hier interessiert mich einmal Ihre persönliche Mei-

nung, Herr Staatssekretär.

(Dr. Christoph Bergner [CDU/CSU]: Treten Sie den Elitebeweis an!)

Vertreten Sie persönlich die Position, die in dem Netz-
werk-Papier von einer Reihe jüngerer SPD-Abgeordne-
ter eingenommen wird, oder sind Sie der Ansicht Ihres
Hauses?

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508507600


Herr Kollege, es ist kein Geheimnis, dass über diese
Frage mit unterschiedlichen Akzenten diskutiert wird
und dass es auch Befürworter von Gebühren gibt. An
dieser Stelle sage ich: In unserem Hause gibt es keine
veränderte Position zu dem, was im Hochschulrahmen-
gesetz festgelegt ist.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ist das auch Ihre persönliche Ansicht?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508507700

Die vorerst letzte Frage zu diesem Komplex hat der

Kollege Helmut Lamp.

Helmut Lamp (CDU):
Rede ID: ID1508507800

Herr Staatssekretär, Ihre Antworten sind in vielen Be-

reichen sehr vage. Sie selbst sagen, dass wir ganz am
Anfang der Diskussion stehen. Meine Frage lautet: Hat
es vorab in irgendeiner Form – es drängt sich der Ver-
dacht auf, dass dies nicht der Fall gewesen ist – zwi-
schen dem Bundeskanzler und den zuständigen Fachbe-
reichen der Regierung, und wenn ja, wann, eine
Abstimmung gegeben? Oder ist die Regierung von die-
sem Schwenk genauso überrascht gewesen wie die Re-
gierungsparteien?

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1508507900


Herr Kollege Lamp, vielleicht wissen Sie, dass die
Diskussion darüber, wie wir auch Spitzenleistungen stär-
ker fördern und sichtbar machen können, schon seit ei-
ner Weile geführt wird. Auch in unserem Hause wird
schon seit längerem über solche Fragen nachgedacht und
diskutiert. Deshalb hat es an dieser Stelle auch keine
Überraschung gegeben. Das, was im Rahmen dieser
Klausurtagung öffentlich gemacht worden ist, entspricht
den Vorstellungen, die auch in unserem Hause entwi-
ckelt werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508508000

Das war die letzte Frage zu diesem Komplex. Vielen

Dank, Herr Staatssekretär Matschie.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanz-

lers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung
steht der Staatsminister Rolf Schwanitz zur Verfügung.

Ich rufe Frage 7 des Kollegen Dirk Niebel auf:
Wie rechtfertigt die Bundesregierung ihre ablehnende Hal-

tung zur Durchführung des „Bundespressegipfels“ – Ski-
rampe in der Nähe des Bundeskanzleramtes zwischen der
Schweizer Botschaft und der Spree –, der Fortsetzung der im
Sommer sehr erfolgreichen Ich-AG „Bundespressestrand“, für
die notwendige Investitionen bereits getätigt wurden, und
trifft es zu, dass die Haltung der Bundesregierung ausschlag-
gebend für die Absage des Projekts durch die Senatsverwal-
tung gewesen ist?


Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1508508100

Herr Kollege Niebel, die Antwort lautet wie folgt:

Nach Angaben der Betreiberin handelt es sich um eine
Winterwelt mit Tannenbäumen, Ski- und Schlittenberg,
Après-Ski-Bar und Holzhäusern. Der für die Genehmi-
gung zuständige Berliner Senat hat dieses Projekt abge-
lehnt. Er hat es aus Gründen des Protokolls, aus sicher-
heitstechnischen Überlegungen sowie aufgrund der
Angemessenheit des Ortes als nicht genehmigungsfähig
bewertet.

Im Vorfeld dieser Entscheidung hatte der Senat den
Anliegern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. In
dem von ihm mit Vertretern der Verwaltung des Deut-
schen Bundestages, der Schweizerischen Botschaft, der
Berliner Polizei und des Bundeskanzleramtes geführten
Gespräch wurden diese Aspekte zur Sprache gebracht.
Dazu gehörten auch Aspekte der Sicherheit und des Pro-
tokolls, die die Bundesregierung betrafen. Welche der
auch vonseiten der verschiedenen Anlieger diskutierten
Aspekte für die Entscheidung des Senats ausschlagge-
bend waren, entzieht sich der Kenntnis der Bundesregie-
rung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508508200

Zusatzfrage, Kollege Niebel.

Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1508508300

Herr Staatsminister, die „Berliner Zeitung“ hat dieses

Thema am 7. Januar mit der Überschrift „Regierungs-
viertel bleibt Ski- und rodelfrei“ aufgegriffen. Laut dieses
Artikels waren die Bedenken des Bundeskanzleramtes
Grund für die ablehnende Haltung des Senats – ursprüng-
lich hatte die Genehmigung der Berliner Senatsverwal-
tung schon vorgelegen und die Schweizerische Botschaft
und der Deutsche Bundestag hatten keine Probleme ange-
meldet –, dass Lärm von der Skipiste bei Staatsempfän-
gen, beispielsweise wenn die Nationalhymnen gespielt
würden, die protokollarischen Abwicklungen stören
könne. Dies soll der ausschlaggebende Grund dafür sein,
dass für dieses Projekt keine Genehmigung erteilt wurde,
obwohl es im Vorfeld genehmigt wurde und dafür immer-
hin über 200 000 Euro Sponsorengelder eingeworben
wurden. Ist es richtig, was die „Berliner Zeitung“
schreibt?


Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1508508400

Herr Kollege Niebel, Sie wissen, dass die Bundesre-

gierung Pressemeldungen grundsätzlich nicht kommen-
tieren oder bewerten kann. Ich habe mich im Vorfeld der
Beantwortung Ihrer Frage mit dem Vertreter des Bundes-
kanzleramtes in Verbindung gesetzt und ihn befragt; das
ist in meiner Antwort ja angeklungen. Nicht nur das
Bundeskanzleramt hat im Rahmen seiner Stellungnahme
entsprechende Anmerkungen gemacht. Vier verschie-
dene Stellen – ich habe sie genannt –, deren Argumente






(A) (C)



(B) (D)


Staatsminister Rolf Schwanitz

etwa gleich viel zählen, haben ihre Positionen einge-
bracht. Insofern will ich das gern korrigieren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508508500

Zweite Zusatzfrage.

Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1508508600

Würde die Bundesregierung zur Kenntnis nehmen und

mir den Widerspruch erklären, der darin besteht, dass das
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in diesem
Sommer mit dem „Bundespressestrand“ als bemerkens-
werte Ich-AG geworben hat, dass aber die gleiche Ich-
AG durch Einwendung des Bundeskanzleramtes, die sie
an der Fortsetzung, dem „Bundespressegipfel“, hindert,
in den Ruin getrieben wird?


Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1508508700

Kollege Niebel, Ihre Bewertung, die Sie gerade vor-

genommen haben, halte ich nicht für sachgerecht. Dass
die Bundesregierung Ich-AGs fördert, liegt in der Natur
der Sache. Sie wissen, dass es dazu groß angelegte Initia-
tiven insbesondere des BMWA gibt.

In diesem Fall kenne ich den Förderstatus der Betrei-
berin nicht. Insofern kann ich die These, dass es sich um
eine Ich-AG gehandelt hat, nicht bestätigen.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist die gleiche Betreiberin!)


Ich will aber ausdrücklich sagen, dass man die Beteili-
gungsrechte von Anliegern nicht deshalb konterkarieren
oder sogar infrage stellen kann, nur weil es sich um eine
Ich-AG handelt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508508800

Vielen Dank, Herr Staatsminister.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär-

tigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Staatsminister
Hans Martin Bury zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Michael
Kretschmer auf:

Welche EU-Agenturen sind derzeit neben den neuen auf
dem Europäischen Rat von Brüssel – 12./13. Dezember 2003 –
beschlossenen zur Gründung in der Diskussion?


Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1508508900

Herr Kollege Kretschmer, über den Ihrer Frage zu-

grunde liegenden Beschluss des Europäischen Rates in
Brüssel hinaus besteht über die Einrichtung von zwei
weiteren Behörden politischer Konsens. Dabei handelt
es sich um die Agentur zum Schutz der Außengrenzen
und um die Rüstungsagentur.

Daneben gibt es Vorschläge für die Einrichtung weite-
rer Agenturen, zu deren Einrichtung bisher noch kein
Konsens besteht. Dazu gehören eine Agentur für den
Katastrophenschutz, eine Beobachtungsstelle für Wande-
rungsbewegungen, ein EU-Gleichstellungsinstitut, eine
europäische Enforcementstelle zur Durchsetzung der
Rechnungslegungsvorschriften und das europäische Kol-
leg für Sicherheit und Verteidigung.
Generell möchte ich betonen, dass in jedem Einzelfall
zunächst geprüft werden muss, ob eine europäische
Agentur einen Mehrwert bringt. Dabei sind insbesondere
auch Subsidiaritätsgesichtspunkte zu berücksichtigen.
Gerade unter Subsidiaritätsgesichtspunkten ist es aus
Sicht der Bundesregierung nicht erstrebenswert, eine eu-
ropäische Katastrophenschutzbehörde einzurichten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508509000

Zusatzfrage, Kollege Kretschmer.


Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1508509100

Herr Staatssekretär, ich stimme Ihnen ohne Frage zu,

dass es eine dringende Notwendigkeit geben muss, um
eine EU-Agentur einzurichten. Für den Fall, dass sie ge-
geben ist, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung
der Meinung ist, dass zur Unterstützung der EU-Erwei-
terung, in deren Rahmen Probleme im Grenzgebiet zu
erwarten sind, die Ansiedlung in den Grenzregionen
sinnvoll ist, und ob die Bundesregierung entsprechende
Pläne verfolgt.


Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1508509200

Der Europäische Rat in Brüssel hat einen Grundsatz-

beschluss gefasst, Herr Kollege Kretschmer, neue Agen-
turen prioritär in den neuen Mitgliedstaaten anzusiedeln.
Ich denke, das trägt Ihrem Anliegen Rechnung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508509300

Zweite Zusatzfrage.


Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1508509400

Wir haben die Erkenntnis, dass sich die Bundesregie-

rung für die Ansiedlung weiterer Agenturen, beispiels-
weise der Europäischen Polizeiakademie mit Sitz in
Münster, beworben hat. Können Sie uns dazu etwas sa-
gen?


Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1508509500

Kollege Kretschmer, die Polizeiakademie war Be-

standteil des Sitzpaketes, über das auf dem ER in Brüs-
sel entschieden worden ist. Wir hatten unsere Priorität
auf die Luftsicherheitsbehörde mit dem Standort Köln
gelegt und haben uns durchsetzen können. Es ist nach-
vollziehbar, dass ein zweiter deutscher Sitz im Rahmen
dieses Paketes nicht zu realisieren war. Insgesamt kön-
nen wir mit dem Ergebnis zufrieden sein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508509600

Vielen Dank, Herr Staatsminister Bury. – Wir kom-

men zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der
Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische
Staatssekretär Alfred Hartenbach zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 9 der Kollegin Tanja Gönner auf:
Sieht die Bundesregierung durch die Risikoprüfung für

private Krankengeldversicherungen bzw. private Krankenver-
sicherungen eine Benachteiligung für behinderte Menschen,
und wenn ja, wie könnte hier Abhilfe geschaffen werden?






(A) (C)



(B) (D)


Al
Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1508509700

Frau Kollegin Gönner, ich darf Ihnen zunächst einmal

herzlich danken, dass Sie diese im Moment in der Öf-
fentlichkeit ebenfalls diskutierte wichtige Frage gestellt
haben.

Ich gebe Ihnen folgende Antwort auf Ihre Frage:
Dass private Versicherungen vor Abschluss eines Ver-

trages eine Risikoprüfung durchführen, ist sachgemäß.
Dies gilt auch für die in der Frage angesprochenen Versi-
cherungen. Für die Krankenversicherung ist die Risiko-
prüfung in § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes aus-
drücklich vorgeschrieben.

Die Tatsache allein, dass das Risiko geprüft wird, und
zwar auch dann, wenn sich behinderte Menschen versi-
chern wollen, stellt keine Benachteiligung dar. Eine Be-
nachteiligung kann sich indes ergeben, wenn nach einer
Risikoprüfung gleiche Sachverhalte ungleich behandelt
werden. Vor dem Abschluss der in der Frage genannten
Versicherungen wird die Versicherung insbesondere das
Erkrankungsrisiko prüfen. Ob ein höheres Erkrankungs-
risiko besteht, ist eine Frage des Einzelfalls, die insbe-
sondere unter medizinischen Gesichtspunkten zu beant-
worten ist.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508509800

Zusatzfrage, Frau Kollegin Gönner.


Tanja Gönner (CDU):
Rede ID: ID1508509900

Ich habe eine Nachfrage, bei der ich mir insbesondere

vor dem Hintergrund der letzten Ausführungen nicht si-
cher bin, ob sie in Ihr Ressort gehört: Wie sieht die Risi-
koprüfung bei Behinderten bezogen auf die Dinge aus
– ich denke hierbei insbesondere an den Zahnersatz –,
die aus dem Leistungskatalog für die Pflichtversicherten
in der GKV herausgenommen wurden und von den Ver-
sicherten somit extra zu versichern sind?

A
Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1508510000


Ich kann nur auf meine Antwort von eben verweisen.
Dabei wird es sich um den gleichen Weg handeln.

Ich kann Ihnen allerdings dazu sagen, dass unser
Haus derzeit prüft, wie man Menschen mit Behinderun-
gen in diesen Fällen gegebenenfalls entgegenkommen
kann.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508510100

Zweite Zusatzfrage.


Tanja Gönner (CDU):
Rede ID: ID1508510200

Ich weiß nicht so recht, wie ich mit einem Lob der

Bundesregierung dafür umgehen soll, dass ich eine
Frage stelle, die die Menschen bewegt. – Warum wurde
dieses Thema nicht bereits von der Bundesregierung
vorab aufgenommen, da es ja die Menschen bewegt?
A
Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1508510300


Ich habe Sie für Ihre Frage gelobt, verehrte Frau Kol-
legin, nachdem die Frage an Herrn Staatsminister
Schwanitz für meine Begriffe nicht unbedingt in dieses
Hohe Haus passte, Ihre Frage hingegen sehr wohl.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Herr Präsident, diese Bewertung steht der Bundesregierung nicht zu!)


Das von Ihnen angesprochene Problem ist in vielfälti-
ger Art und Weise aufgetreten. Wir prüfen die Sachlage
schon seit längerer Zeit. In der Bundesrepublik Deutsch-
land mit ihrem austarierten Rechtssystem ist es sehr
schwierig, in das Prinzip der Vertragsfreiheit im Privat-
recht einzugreifen. Das wird mir Herr Hinsken als lang-
jährig tätiger Selbstständiger sicherlich zugestehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508510400

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Herr Kollege

Schockenhoff, dem Präsidenten steht keine inhaltliche
Bewertung von Fragen und Antworten zu. Er ist nur für
den fairen Ablauf zuständig.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur
Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretä-
rin Marion Caspers-Merk zur Verfügung.

Wir beginnen mit der Frage 10 des Kollegen Jens
Spahn:

In welchem Umfang kommen nach Kenntnis der Bundes-
regierung die Kliniken der Verpflichtung nach dem Transplan-
tationsgesetz nach, jeden Hirntoten, der als potenzieller Or-
ganspender infrage kommt, an die zuständigen Stellen zu
melden, und wie bewertet die Bundesregierung die derzeitige
Meldepraxis?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508510500


Herr Kollege Spahn, Sie haben nach der tatsächlichen
Praxis bei Organspenden und der Umsetzung der Melde-
pflicht nach dem Transplantationsgesetz gefragt. Im
Jahre 2002 – die Zahlen für 2003 liegen uns Anfang Ja-
nuar 2004 noch nicht vor – haben nach Angabe der Ko-
ordinierungsstelle Deutsche Stiftung Organtransplanta-
tion von den 1 400 Krankenhäusern mit Intensiv- oder
Beatmungsbetten in Deutschland 42 Prozent Mitteilung
über verstorbene Patienten, die nach ärztlicher Beurtei-
lung als postmortale Organspender in Betracht kommen,
gemacht. Bundesweit lässt sich dabei eine positive Ent-
wicklung gegenüber den Jahren 1995 bis 1999 feststel-
len, als die Beteiligungsquote bei durchschnittlich
34 Prozent lag.

Hierbei handelt es sich um die von den Kliniken und
Krankhäusern gemeldeten Zahlen. Für uns entscheiden-
der ist die Zahl der tatsächlich postmortalen Organspen-
der, die nach Klärung der medizinischen und rechtlichen
Voraussetzungen für eine Organspende verbleiben.
Diese Zahl hat sich nach den vorläufigen Zahlen im ver-
gangenen Jahr positiv entwickelt. Sie betrug 1 140 und
lag damit um 10,8 Prozent höher als im Jahre 2002 und
um 6,9 Prozent höher als im Durchschnitt der Jahre 1995






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk

bis 1999. Insoweit können wir hier eine positive Bilanz
ziehen. Richtig ist: Es könnte besser sein. Aber der
Anstieg der Zahl der Organspenden stimmt uns hoff-
nungsvoll; denn viele Menschen sind auf Organspenden
angewiesen. Deswegen ist es wichtig, die Spendenbe-
reitschaft in der Bevölkerung zu fördern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508510600

Zusatzfrage, Kollege Spahn.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1508510700

Frau Staatssekretärin, danke für die Antwort. – Ich

habe eine Frage zu den Sanktionsmöglichkeiten. Mir
liegt ein Zeitungsartikel vor, in dem eine Sprecherin des
Düsseldorfer Gesundheitsministeriums erklärt, dass das
Transplantationsgesetz ein Bundesgesetz sei und keine
Sanktionsmöglichkeiten vorsehe. Das Ganze sei ein po-
litischer Kompromiss: Die Kliniken seien zwar zur Mel-
dung verpflichtet, Sanktionen gebe es aber keine. Wie
bewertet die Bundesregierung diese Aussage und die
Situation, wenn sie denn so ist? Gibt es aus Sicht der
Bundesregierung Handlungsbedarf?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508510800


Das Problem ist, dass in unserem föderalen Staat das
Transplantationsgesetz ein Bundesgesetz ist und eine
Meldepflicht umfasst, aber die Länder für die Durchfüh-
rungspraxis zuständig sind. Die Frage ist, ob man sofort
mit Sanktionen drohen muss oder ob man durch auf-
sichtsrechtliche Maßnahmen in Form eines Gesprächs,
einer Beratung oder eines Hinweises auf die Melde-
pflicht nicht mehr erreicht.

In Vorbereitung auf die Beantwortung Ihrer Frage war
es für uns interessant, in unserem Haus nachzuforschen,
ob es regionale Besonderheiten gibt. Wichtig ist, durch
gezielte Maßnahmen und Gespräche mit den Ländern
darauf hinzuwirken, dass die Länder ihre Kliniken – egal
ob Universitätskliniken, Kliniken in privater, kommuna-
ler oder Landesträgerschaft – auf die Meldepflicht hin-
weisen.

Es ist ganz interessant, dass wir zwei Spitzenreiter bei
der Beteiligung haben, und zwar einmal Bayern mit
49 Prozent und die Region Nord – Bremen, Hamburg,
Niedersachsen und Schleswig-Holstein – mit 47 Prozent.
Wir haben in der Region Ost eine Beteiligung von
33 Prozent. Die Beteiligung ist dort am niedrigsten. Das
zeigt, dass wir einen Aufklärungs- und Handlungsbedarf
in den Ländern haben.

Wir werden Ihre Frage zum Anlass nehmen, in den
Bund-Länder-Koordinierungsgremien – wir haben regel-
mäßig Treffen – auch dieses Thema anzusprechen. Es
muss mehr auf die Meldepflicht hingewiesen werden.
Die Länder haben eine Mitwirkungspflicht und müssen
von sich aus die betroffenen Kliniken darauf hinweisen,
dass es ein wichtiges Anliegen ist, die Zahl der poten-
ziellen Spender durch die Meldepflicht überhaupt einmal
zu erfassen. Man sieht, dass, wenn die Zahl der Meldun-
gen zunimmt, auch die Zahl der Organspender zunimmt.
Dieser Zusammenhang muss noch einmal klar gemacht
werden.

Ich glaube, Sanktionen sind ein ungeeignetes Mittel.
Wir müssen mit den Bund-Länder-Koordinierungsgre-
mien darauf hinwirken, dass die Länder aktiv für die
Meldungen werben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508510900

Weitere Zusatzfrage? – Bitte schön.

Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1508511000

Dann stimmen Sie abschließend mit mir überein, dass

es, wenn keine Verbesserung aufgrund dieser Gespräche
erreicht wird, zu Sanktionen kommen muss? Denn Sie
kennen genauso gut wie ich viele Fälle, in denen Men-
schen, auch Kinder, auf Organspenden warten und in de-
nen eine Nichteinhaltung der Meldepflicht mehr als är-
gerlich ist.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508511100


Herr Kollege Spahn, ich stimme Ihnen ausdrücklich
zu. Wir brauchen in Deutschland ein anderes gesell-
schaftliches Klima. Es muss klar werden, dass die Organ-
spende notwendig ist und wir sie brauchen, weil viele
Menschen, die auf ein Spenderorgan angewiesen sind,
auf Wartelisten stehen. Wir müssen auch darauf hinwir-
ken, dass das, was wir mit der Meldepflicht wollten, um-
gesetzt wird. Es handelt sich um ein Umsetzungspro-
blem. Ich hoffe, dass sich nach den Gesprächen mit den
Ländern die Zahl der Meldungen erhöht. Wir müssen se-
hen, wie sich das Ganze entwickelt. Aber die Zahl von
knapp über 40 Prozent ist für uns nicht ausreichend.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508511200

Dann kommen wir zur Frage 11 des Kollegen Spahn:

Trifft es zu, dass der erweiterte Bewertungsausschuss der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenver-
bände der Krankenkassen, der im Dezember 2003 den neuen
Einheitlichen Bewertungsmaßstab, EBM, für den kalkulatori-
schen Arztlohn – EBM 2000 Plus – verabschiedet hat, keinen
eigenen EBM für Kinder- und Jugendärzte vorgesehen hat,
und, wenn ja, was gedenkt die Bundesregierung zu unterneh-
men?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508511300


Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kas-
senärztliche Bundesvereinigung haben sich im
Dezember 2003 auf die zukünftige allgemeine Struktur
des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs, EBM, geeinigt.
Unter anderem ist vorgesehen, dass die im Einheitlichen
Bewertungsmaßstab aufgeführten ärztlichen Leistungen
nach einzelnen Arztgruppen untergliedert werden. Insge-
samt sind im Einheitlichen Bewertungsmaßstab neben
einem Hausarztkapitel diverse Facharztkapitel, so zum
Beispiel ein EBM „Innere Medizin“ und ein EBM „Or-
thopädie“, vorgesehen.

Für die Kinderärzte ist kein eigenes Kapitel vorgese-
hen, sondern für diese gilt das Hausärztekapitel des
Einheitlichen Bewertungsmaßstabs. Die grundsätzlich






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk

nur von Kinderärzten, nicht von den übrigen Hausärzten
abrechenbaren Leistungen, zum Beispiel Untersuchun-
gen und Beurteilungen der Entwicklung von Säuglingen,
des Kleinkindes oder von Kindern bis zum vollendeten
sechsten Lebensjahr, sind dabei in zwei gesonderten Un-
terabschnitten des Hausärztekapitels aufgeführt. Nach
Auffassung der Bundesregierung bestehen keine grund-
sätzlichen Einwände gegen eine solche EBM-Systema-
tik. Insofern besteht gegenwärtig kein Handlungsbedarf.

Ich will in diesem Zusammenhang darauf hinweisen,
dass es sich hier nicht um gesetzgeberisches Handeln
handelt, sondern die Selbstverwaltung ihrem Auftrag
nachkommt, Vorschläge zu entwickeln. Wenn wir kein
staatliches Gesundheitssystem wollen, dann muss die
gemeinsame Selbstverwaltung Arbeitsaufgaben über-
nehmen. Wenn die Ergebnisse der Arbeitsaufgaben so
ausfallen, wie sie ausfallen, dann steht es uns nicht zu,
daran etwas zu ändern, wenn wir keine rechtlichen Ein-
wände haben.

Ich finde es ganz interessant, dass immer dann, wenn
jemandem Detailregelungen der Selbstverwaltung nicht
gefallen, staatliches Handeln eingefordert wird. Wenn
wir sagen, dass das Bundesgesundheitsministerium ge-
setzgeberisch tätig werden muss, kommt von Ihrer Seite
der Vorwurf der Staatsmedizin.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Wilhelm Schmidt [Salzgitter)

Jörg Tauss [SPD]: Das sind die Widersprü-
che!)

Man muss sich schon auf eine Richtung einigen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508511400

Zusatzfrage, Kollege Spahn.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1508511500

Frau Staatssekretärin, ich bin ein großer Verfechter

der Selbstverwaltung und stelle diese nicht infrage.
Gleichwohl machen wir auch Gesetze. In § 73 SGB V
steht, dass Kinderärzte auch an der fachärztlichen Ver-
sorgung teilnehmen können. Das heißt letztlich, dass im
neuen EBM spezielle Maßnahmen für Kinder- und Ju-
gendärzte – über die zwei derzeit geltenden kleineren
Regelungen hinaus – notwendig sind. Ähnlich haben Sie
sich – zumindest im Grundsatz – auch in einer Antwort
auf eine zu einem früheren Zeitpunkt von mir gestellte
Frage bezüglich eines Beschlusses des Deutschen Bun-
destages hinsichtlich der Kinder- und Jugendmedizin ge-
äußert. Von daher beharre ich darauf. Ich würde auch
gerne Ihre Meinung zu der Möglichkeit der Beanstan-
dung hören, durch die seitens des Ministeriums darauf
hingewirkt werden kann, dass die Kinder- und Jugend-
ärzte in den Katalog aufgenommen werden, zumal der-
zeit auch die Fachausbildung installiert wird und die
Maßnahme insofern sozusagen ein Pendant hätte.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508511600


Wenn wir Zuständigkeiten an die gemeinsame Selbst-
verwaltung von Krankenkassen und Ärzten delegieren,
die eine Regelung treffen, die unseres Erachtens durch-
aus eine sinnvolle Möglichkeit darstellt – auch wenn si-
cherlich eine andere Lösung möglich gewesen wäre –,
dann sehen wir nicht die Notwendigkeit einer Beanstan-
dung. Es kann nicht angehen, dass immer dann, wenn ei-
nem Teil der Leistungserbringergruppe die Arbeitsergeb-
nisse der gesamten Leistungserbringergruppe nicht
zusagen, der Gesetzgeber handeln soll.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508511700

Die zweite Zusatzfrage, bitte.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1508511800

Stimmen Sie mir zu, dass es gleichwohl bei dem mehr

als unangenehmen Zustand bleibt, dass der relativ gerin-
gen Zahl von Kinder- und Jugendärzten durch eine an-
ders geartete Mehrheit in der Selbstverwaltung einmal
mehr keine angemessenen Möglichkeiten eingeräumt
werden? Das gilt auch hinsichtlich der im Gesundheits-
wesen entstehenden Kosten. Denn beispielsweise ist
eine Darmspiegelung beim Kleinkind anders und auch
aufwendiger durchzuführen als beim Erwachsenen. Es
würde auch zu einer dauerhaften Kostensenkung beitra-
gen, wenn eine vernünftige Behandlung honoriert
würde. Stimmen Sie mir zu, dass die bestehenden Rege-
lungen sehr unbefriedigend sind und dass in allen Fragen
der Selbstverwaltung Handlungsbedarf besteht?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508511900


Angesichts der durchschnittlichen Einkommen der
unterschiedlichen Arztgruppen stimme ich Ihnen zu,
dass sie ein sehr deutliches Ungleichgewicht aufwei-
sen, da zum Beispiel die Kinder- und Jugendärzte am
Ende der Tabelle stehen, obwohl sie eine sehr wichtige
und auch im Sinne der Prävention notwendige Arbeit
leisten.

Es ist klar – das haben wir auch immer betont –, dass
sich innerhalb der Ärzteschaft etwas bewegen muss.
Aber das Beispiel macht deutlich, dass innerhalb der
Selbstverwaltung, in der in der Regel Konsens und
Kompromisse gesucht werden, nicht immer jedes Ein-
zelinteresse zum Zuge kommt. Die Selbstverwaltung
würde jedoch ad absurdum geführt, wenn sie zunächst
aufgefordert würde, Regelungen zu finden, aber immer
dann, wenn es ihr nicht möglich ist, allen Einzelinteres-
sen Rechnung zu tragen, der Gesetzgeber tätig würde.
Ich kann nur die Kinder- und Jugendärzte auffordern,
sich stärker in den Gremien der Selbstverwaltung zu be-
teiligen. Vielleicht würde sich dadurch einiges ändern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508512000

Wir kommen jetzt zur Frage 12 der Kollegin

Dr. Gesine Lötzsch:
Wie hoch ist die durchschnittliche monatliche finanzielle

Belastung eines Krebspatienten, der sich einer ambulanten
Chemotherapie unterziehen muss und der nicht als chronisch
krank gilt, und welches Krankheitsstadium muss ein Krebspa-
tient erreichen, damit er als chronisch krank eingestuft wird?






(A) (C)



(B) (D)


Ma
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508512100

Frau Kollegin, Sie haben nach den finanziellen Belas-

tungen eines Krebspatienten unter ambulanter Chemo-
therapie und nach den Bedingungen gefragt, unter denen
ein Krebspatient als chronisch krank eingestuft wird.

Auch dafür gilt – das will ich grundsätzlich festhal-
ten –, dass der Selbstverwaltung auferlegt wurde, klar zu
definieren, wer chronisch krank ist. Denn die im GKV-
Modernisierungsgesetz enthaltenen Zuzahlungsregelun-
gen setzen mit der Deckelung in Höhe von 1 Prozent für
chronisch Kranke und 2 Prozent für alle anderen voraus,
dass hinsichtlich der chronisch Kranken eine klare Rege-
lung besteht.

Die Selbstverwaltung hat uns einen Richtlinienvor-
schlag für chronisch Kranke vorgelegt, den wir in der Tat
ablehnen mussten. Er muss überarbeitet werden, weil
nach dem in der Richtlinie vorgesehenen Krankheitsbe-
griff nur diejenigen als chronisch krank gelten würden,
die in die Pflegestufe 2 oder 3 eingestuft sind und für die
mindestens zweimal im Jahr ein Krankenhausaufenthalt
erforderlich war. Das bildet meines Erachtens die tat-
sächliche Situation von chronisch Kranken nicht ab.

Wir haben im Fachausschuss über dieses Thema ge-
sprochen. Der neue Gemeinsame Bundesausschuss ist
aufgefordert, uns bis zum 31. Januar verbindliche Richt-
linien vorzulegen, in denen definiert wird, wer als chro-
nisch krank gilt.

Generell verschlechtert sich für die Versicherten die
Situation bis dahin nicht, weil zu hohe Zuzahlungen von
den Kassen zurückzuerstatten sind. Das heißt, dass zu
viel gezahltes Geld auf keinen Fall verloren ist. Die ge-
meinsamen Organe der Selbstverwaltung wissen, was
auf sie zukommt. Für uns ist wichtig, dass Klarheit
herrscht.

Aber auch hier gilt: In Deutschland gibt es kein staat-
liches Gesundheitssystem – wenn es das gäbe, dann
könnten wir alles selbst regeln –, sondern Selbstverwal-
tungsorgane, in denen die Vertreter der fachlichen Seite,
also der Ärzte, der Krankenkassen, die alles finanzieren,
und der Patientenverbände – das ist eine Neuerung; diese
sind seit dem 1. Januar 2004 mit einer vollen dritten
Bank in den Selbstverwaltungsorganen vertreten – ge-
meinsam definieren, wer als chronisch krank zu gelten
hat. Ich bin mir sicher, dass es hier zu einer Klarstellung
im Interesse der Patientinnen und Patienten kommen
wird. Auch mir gefällt die Verunsicherung nicht, die da-
durch entstanden ist, dass die Selbstverwaltung nicht
umfassend und rechtzeitig gehandelt hat.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508512200

Erste Zusatzfrage der Kollegin Lötzsch.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508512300

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,

das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ist ja nicht erst
gestern, sondern – im Gegensatz zu den anderen Geset-
zen, die auf der von Ihnen hochgelobten und von uns
stark kritisierten Agenda 2010 basieren – bereits kurz
nach der Sommerpause beschlossen worden. Wieso
tauchen jetzt so viele Probleme auf? Wieso ist das Mi-
nisterium nicht seiner Pflicht nachgekommen, zu kon-
trollieren, ob die Gesetze, insbesondere das Gesund-
heitsmodernisierungsgesetz, so umgesetzt werden, dass
keine Verunsicherung und Probleme für die Patienten
auftreten?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508512400


Hierzu sage ich ganz klar: Unmittelbar nachdem das
GKV-Modernisierungsgesetz im Deutschen Bundestag
am 17. Oktober letzten Jahres verabschiedet worden ist,
haben wir die gemeinsamen Gremien der Selbstverwal-
tung aufgefordert, die Richtlinien zu erarbeiten. Wenn
man genau hinschaut, dann stellt man fest, dass es im
Moment zwei Richtlinien gibt, die zu den meisten Nach-
fragen Anlass geben, weil hier vieles noch nicht geklärt
ist. Die eine betrifft die Fahrtkosten – auch das haben Sie
in Ihrer Frage angesprochen – und die andere betrifft die
Frage, wer als chronisch krank zu gelten hat. Die Gre-
mien der Selbstverwaltung haben gewusst, was sie zu
tun haben. Wir haben immer auf eine zügige und recht-
zeitige Umsetzung der Richtlinien im Jahr 2003 hinge-
wirkt.

Beide Richtlinienentwürfe sind dem BMGS erst Mitte
Dezember letzten Jahres zugeleitet worden. Wir haben
dann im Interesse der Patientinnen und Patienten Verbes-
serungen und Klarstellungen gefordert. Wenn wir also
gehandelt haben, dann im Interesse der Patientinnen und
Patienten. Verzögerungen haben wir nicht zu vertreten
und zu verantworten. Wir drücken sehr stark auf das
Tempo. Aber auch hier weise ich noch einmal darauf
hin, dass es in Deutschland kein staatliches Gesundheits-
system gibt. Wir mussten uns aber immer vor der Oppo-
sition rechtfertigen. Wenn wir gesagt haben, dass wir das
gesetzlich regeln wollten, dann hieß es immer, dass es
ein föderales System und eine Selbstverwaltung gebe.
Wenn dem so ist, dann muss man auch die jetzigen Pro-
bleme in Kauf nehmen und die Kritik dort anbringen,
wohin sie gehört. Die Gremien der Selbstverwaltung, in
denen die Ärzte und die Krankenkassen vertreten sind,
haben nicht, wie von Ihnen gefordert, die Richtlinien
rechtzeitig und umfassend vorgelegt. Die Selbstverwal-
tung steht vor der Bewährung. Wir gehen davon aus,
dass bis Ende Januar dieses Jahres die beiden Richtlinien
vorliegen werden, dass sie nachvollziehbar sind und
Rechtsklarheit bringen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508512500

Zweite Zusatzfrage der Kollegin Lötzsch.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508512600

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,

ich habe in meiner schriftlich eingereichten Frage kon-
kret nach den Kosten für eine ambulante Krebstherapie
gefragt. Bei einer solchen Therapie wird ein ganzer
Cocktail an Medikamenten benötigt, der zum einen aus
verschreibungspflichtigen Medikamenten, die von der
Kasse erstattet werden, und nicht verschreibungspflichti-
gen Medikamenten besteht, die nach dem neuen Gesetz






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Gesine Lötzsch

nicht mehr erstattet werden. Ist die Bundesregierung der
Meinung, dass Patienten, die sich einer ambulanten Che-
motherapie unterziehen, einzelne Bestandteile des Medi-
kamentencocktails extra bezahlen müssen oder nicht?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508512700


Generell gilt, dass niemand durch Zuzahlungen über-
fordert werden soll. Dem dient die Regelung, dass
höchstens 2 Prozent des Jahresbruttohaushaltseinkom-
mens an Zuzahlungen zu leisten sind und nicht mehr.
Deswegen ist die Frage, wie viel im Einzelfall zu ent-
richten ist, nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr
– das ist schon jetzt klar –, dass die Summe des Ganzen
bei nicht mehr als 2 Prozent liegen darf. Wenn jemand
nach der neuen Richtlinie als chronisch krank eingestuft
wird, dann liegt die Obergrenze bei 1 Prozent.

Zusätzlich will ich noch zu dem Bereich „OTC, nicht
verschreibungspflichtige Medikamente“ – Sie haben
dies hier angesprochen – Stellung nehmen. Frau Kolle-
gin, das Gesetz enthält in der Tat eine klare Übergangs-
regelung: Bis zum 31. März dürfen OTC-Präparate zu-
lasten der GKV verschrieben werden, wenn sie
Bestandteil einer Behandlung sind. Für die Zeit danach
erwarten wir – auch das ist dem Bundesausschuss be-
kannt – eine klare Vorgabe. Wenn OTC-Präparate für
eine leitliniengerechte Behandlung einer schweren Er-
krankung notwendig sind – das sind sie in Ihrem Bei-
spiel –, dann können sie nach wie vor verschrieben wer-
den. Hierbei sind wir allerdings auf eine Liste der
Krankheiten und der zu deren Heilung notwendigen Me-
dikamente angewiesen.

Ich fasse zusammen: Bis zum 31. März gibt es im
Prinzip keine Änderung; danach gibt es eine Änderung
im Hinblick darauf, was als schwerwiegende Krankheit
eingestuft wird. Generell gilt die Überforderungsklausel
von 2 Prozent.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508512800

Jetzt stellt der Kollege Jens Spahn eine weitere Frage.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1508512900

Frau Staatssekretärin, darf ich feststellen, dass zwi-

schen Ihrer eben auf die Frage der Kollegin Lötzsch ge-
gebenen Antwort, dass Sie in die Selbstverwaltung ein-
gegriffen haben bzw. etwas beanstandet haben, weil es
Ergebnisse gab, die Sie nicht zufrieden gestellt haben,
und der mir gegebenen Antwort, dass das die Selbstver-
waltung macht und dass die Ergebnisse am Ende egal
sind, eine Diskrepanz besteht?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508513000


Herr Kollege Spahn, im Protokoll werden Sie keine
Formulierung von mir finden, die besagt, dass uns das
egal ist. Ich habe vielmehr gesagt: Man braucht gute
Gründe, um eine Richtlinie, die die Selbstverwaltung
vorlegt, zu beanstanden. Wenn die Ärzte, die von dem
Einheitlichen Bewertungsmaßstab unmittelbar betroffen
sind, den Gremien angehören und einen Katalog vorle-
gen, der plausibel erscheint, dann sehen wir keinen
Grund zur Beanstandung.

Wir haben aber Grund, eine Richtlinie zu beanstan-
den, die von einem Bundesausschuss alten Rechts, in
dem auf der einen Seite nur die Kassen und auf der ande-
ren nur die Ärzte vertreten waren, vorgelegt wurde,
wenn, wie wir meinen, im Sinne der Patienten nicht aus-
reichend definiert wird, wer chronisch krank ist. Hierbei
müssen wir als Treuhänder der Patienten handeln. –
Wenn eine Leistungserbringergruppe betroffen ist, dann
hat sie über ein Engagement in der Selbstverwaltung
selbst die Chance, auf die Besserung ihrer Lage hinzu-
wirken. Das ist ein fundamentaler Unterschied.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508513100

Eine weitere Frage stellt die Kollegin Petra Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508513200

Frau Staatssekretärin, Sie haben auf die Möglichkeit

der Erstattung nach Überschreiten der 1- oder 2-Prozent-
Grenze mehrfach hingewiesen. Was soll aber beispiels-
weise ein Sozialhilfeempfänger machen, der, wie wir in-
zwischen hinreichend wissen, genau diese Grenze mit
der Zuzahlung von 71 Euro schon überschritten hat, der
aufgrund einer bisher als chronisch eingestuften Erkran-
kung und einer entsprechenden Behandlung vielleicht
schon jetzt, also in der ersten Hälfte des Januars, 50 Euro
bezahlen musste, ohne die er für den Rest des Monats
seinen Lebensunterhalt bestreiten muss?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508513300


Frau Kollegin, wir sind der Auffassung, dass Sozial-
hilfeempfänger in doppeltem Sinne gleichgestellt sind.
Sie erinnern sich an die Diskussion in diesem Hause, in
der beklagt wurde, dass Sozialhilfeempfänger anders als
Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung behan-
delt werden.


(Jörg Tauss [SPD]: Besser behandelt sogar!)

– Der Vorwurf lautete: Sie werden besser behandelt.

Wir haben mittlerweile dafür gesorgt, dass Sozialhil-
feempfänger gleichgestellt werden; sie werden jetzt wie
alle anderen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversi-
cherung behandelt. Das heißt, die Struktur ihrer Behand-
lung ist gleich. Angesichts dessen kann man erwarten,
dass Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfän-
ger im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit Behandlungs-
kosten übernehmen, wie es alle anderen auch tun müs-
sen.

Wir haben festgelegt – ich halte das für eine faire Re-
gelung –, dass dabei nicht das Gesamtfamilieneinkom-
men, sondern das Einkommen des Haushaltsvorstands,
also die Transferleistungen, die ein Sozialhilfeempfän-
ger bekommt, zugrunde gelegt wird. Bei chronisch
Kranken handelt es sich um eine Größenordnung von
3,50 Euro pro Monat. Wenn die reguläre Zuzahlungs-
regelung gilt, dann sind es 7 Euro pro Monat. Ich glaube,
dass das niemanden überfordert; schließlich stehen






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk

damit sämtliche Leistungen, die allen anderen gesetzlich
Versicherten angeboten werden, zur Verfügung.

Die Aufsummierung in einem Monat ist ein Problem,
das die Träger der Sozialhilfe und die Kassen lösen müs-
sen. Wir haben Vorschläge dazu erarbeitet. Der Bund ist
aber, wie Sie wissen, nicht der Träger der Sozialhilfe. In
einzelnen Fällen gibt es pragmatische Lösungen, bei de-
nen auch auf die Überforderungsgrenze Rücksicht ge-
nommen wird, sodass nicht in einem Monat alles auf
einmal anfällt.

Die kommunalen Spitzenverbände und die Spitzen-
gremien der Kassen sind in einem Schreiben von uns
ausdrücklich auf diese Problematik hingewiesen wor-
den. Beide Seiten müssen praxisnahe Lösungen vorse-
hen.

Angesichts dessen, dass man die Sozialhilfeempfän-
ger mit den anderen gesetzlich Versicherten gleich be-
handelt, sowohl was die Rechte als auch was die Pflich-
ten angeht, halte ich das nicht für eine Überforderung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508513400

Vielen Dank.
Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch

auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsposition von

Augenärzten, die die Verschreibung einer Sehhilfe – Brille
oder Kontaktlinsen – privat abrechnen wollen?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508513500


Frau Kollegin Lötzsch, Sie wissen, dass sich dazu
auch Ministerin Ulla Schmidt öffentlich geäußert hat.
Wir haben klargestellt, dass dies eine rechtswidrige Pra-
xis der Augenärzte ist, dass die Ermittlung der Seh-
schärfe weiterhin Kassenleistung bleibt, dass es also ein
Vorgehen der Augenärzte ist, das weder durch das Ge-
setz gedeckt noch ethisch zu verantworten ist.

Gerade weil wir in dieser Woche eine Aktuelle
Stunde unter anderem zum Thema Praxisgebühr haben
werden, möchte ich dazu noch eine Bemerkung ma-
chen. Eine Argumentation in diesem Zusammenhang
finde ich merkwürdig: Ärztevertreter sagen uns, dass es
das Arzt-Patient-Verhältnis negativ beeinflusst, wenn
man eine Praxisgebühr von 10 Euro verlangt. Gleich-
zeitig werden ungeniert 25 Euro verlangt, auf die kein
Anspruch besteht. Da muss man bitte schön doch bei
einer Linie bleiben. Es war meines Erachtens unvertret-
bar, dass versucht wurde, auf kaltem Weg ein Zu-
satzentgelt für eine Arztgruppe zu erschleichen. Das
war gesetzlich nicht gedeckt. Das ist von uns auch klar-
gestellt worden.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Völlig richtig! – Peter Dreßen [SPD]: Sehr gut!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508513600

Zusatzfrage, Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508513700

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,

gestern ist bekannt geworden, dass die Kassen im Ge-
gensatz zu den früheren Gepflogenheiten künftig nur
noch die Sehstärkenbestimmung beim Augenarzt, aber
nicht mehr beim Augenoptiker übernehmen wollen. Wie
steht die Bundesregierung zu dieser Haltung der Kassen,
und ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung,
dass eine derartige Praxis eher zur Kostenerhöhung als
zur Kostensenkung im Gesundheitswesen führen würde?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508513800


Ich kann dies nicht erkennen. Für uns war entschei-
dend, dass die ärztliche Leistung nach wie vor erbracht
wird. Bislang ist das Vorgehen der Optiker sehr unein-
heitlich. Manche verlangen eine Gebühr, manche verlan-
gen keine. Es gibt keine einheitliche Praxis.

Die Optiker haben diese Leistung früher erbracht, um
Kunden an sich zu binden. Insofern ist jeder Versicherte
aufgefordert, bei seinem Optiker nachzufragen, unter
welchen Bedingungen er diese Leistung erbringt. Uns
liegen keine Erkenntnisse darüber, dass es einen einheit-
lichen Satz gibt, den die Optiker fordern. Der Markt wird
entscheiden, ob sich eine Gebühr überhaupt durchsetzt.

Für uns ist wichtig, dass es dabei bleibt: Bei der Leis-
tung durch den Arzt handelt es sich um eine Kassenleis-
tung. – Vielfach ist es auch notwendig, dass der Arzt
diese Leistung erbringt. Wenn Optiker eine solche Leis-
tung zusätzlich anbieten, gehört das zum Marktgesche-
hen. Da muss jeder selbst entscheiden, ob er bereit ist,
dafür etwas auszugeben. Der Wettbewerb wird dazu füh-
ren, dass von überzogenen Forderungen, von denen auch
ich gehört habe, Abstand genommen wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508513900

Zweite Zusatzfrage, bitte schön.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508514000

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,

die Fragestellung war eigentlich ein bisschen anders. Ich
habe auf Folgendes hingewiesen: Die Krankenkassen
haben bekannt gegeben, dass sie anders als früher, vor
In-Kraft-Treten der Neuregelung, die Kosten für die
Sehstärkenbestimmung beim Optiker nicht mehr über-
nehmen wollen, also nur noch für eine entsprechende au-
genärztliche Leistung zahlen wollen. Meine Frage war,
wie Sie diese neue Praxis, die sich von der vorhergehen-
den Praxis eben unterscheidet, einschätzen.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508514100


Frau Kollegin, ich kann Ihnen nur sagen: Es war so
nicht. Es gibt eine neue Rechtssituation. Früher ist für
die Sehhilfe von der Kasse ein Anteil erstattet worden.
Von den Optikern wird jetzt gesagt: Darin war auch ein
Teil für die Ermittlung der Sehschärfe enthalten. – Die
Kassen sehen dies anders. Die Optiker versuchen, eine
Zusatzleistung anzubieten und dafür von den Patientin-
nen und Patienten eine Gebühr zu erhalten.






(A) (C)



(B) (D)


Pa
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1508514200
Die Bestimmung der

Sehschärfe durch den Arzt gehört zu den Leistungen, auf
die gesetzlich Versicherte Anspruch haben. Niemand
muss eine Gebühr für eine Leistung entrichten, die er gar
nicht will. Die Optiker fordern eine Gebühr für eine
Leistung, die früher schon keine Kassenleistung gewe-
sen ist; diese Leistung wird auch zukünftig nicht von den
Kassen übernommen werden. Noch einmal: Der Markt
wird mit Sicherheit zu einer Änderung dieser Praxis füh-
ren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508514300

Damit kommen wir Frage 14 der Kollegin Petra Pau:

Wie viele Anfragen und Beschwerden sind bei der Patien-
tenbeauftragten der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel,
bezüglich des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung eingegangen und auf welche konkreten
Problemstellungen bezogen sich diese?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508514400


Frau Kollegin Pau, Sie fragen nach der Zahl der An-
fragen und Beschwerden bei der Patientenbeauftragten
und danach, auf welche Bereiche sich diese Beschwer-
den konzentrieren.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

Als Vorbemerkung möchte ich dazu sagen, dass das

Gesundheits- und Sozialministerium schon vor In-Kraft-
Treten dieses Gesetzes reagiert hat, indem es beispiels-
weise im Internet die wichtigsten Neuregelungen darge-
stellt hat. Dieses Internetangebot wurde täglich aktuali-
siert. Hier wurden auch Fragen und Antworten auf der
Basis von Anfragen der Patientinnen und Patienten wie-
dergegeben. Diese Internetseite wurde täglich 30 000-
mal aufgerufen, also sehr rege genutzt. Darüber hinaus
haben wir eine Hotline mit einer einheitlichen kostenlo-
sen Telefonnummer eingerichtet, unter der das BMGS
Auskünfte erteilt hat.

Die Einsetzung einer Patientenbeauftragten der Bun-
desregierung hat selbstverständlich dazu geführt, dass
zusätzlich auch bei ihr eine Vielzahl von Beschwerden
und Anfragen einging. Die Patientenbeauftragte ist seit
dem 2. Januar im Amt. Es gab täglich mehrere hundert
Anrufe und Faxanfragen; ebenso gingen unzählige E-Mails
ein. All diese werden jetzt von zehn Mitarbeitern – wir
haben die Zahl hausintern aufgestockt, damit die Fragen
schnell bearbeitet werden – beantwortet.

Insgesamt summiert sich das auf einige tausend ver-
schiedene Fragestellungen. Es ist also klar, dass all das
nicht von heute auf morgen abgearbeitet werden kann;
die Anfragen werden vielmehr in der Reihenfolge des
Eingangs beantwortet. Mein Eindruck ist, dass derzeit
die Anzahl der Anfragen tendenziell geringer wird, unter
anderem deswegen, weil jetzt endlich auch die Kranken-
kassen ihrer Pflicht nachkommen, ihre Versicherten ord-
nungsgemäß zu informieren.

Es gab im Vorfeld große Probleme, weil einige Kas-
sen falsch, unvollständig oder gar nicht informiert ha-
ben. Für uns ist interessant, dass die Spitzenverbände of-
fensichtlich nicht dafür gesorgt haben, dass die
Informationen, wie uns ursprünglich zugesagt, an jede
Geschäftsstelle weitergeleitet wurden. Nur so ist die Dis-
kussion zu erklären, wie wir sie beispielsweise über die
Feiertage erlebten, dass die Barmer Ersatzkasse keine
Sozialhilfeempfänger mehr aufnehme. Es hat sich ja hin-
terher herausgestellt, dass das so nicht zutrifft und es
sich dabei um eine Einzelmeinung handelte, die recht-
lich nicht gedeckt war.

Ich habe die Patientenbeauftragte gefragt, zu welchen
Komplexen die meisten Fragen kommen. Es kristallisie-
ren sich dabei – das sehen wir auch an unserer Hotline –
drei große Fragenkomplexe heraus: erstens die Chroni-
kerregelungen – ich habe eben noch einmal darauf hin-
gewiesen, dass wir diesbezüglich vom Gemeinsamen
Bundesausschuss bis 31. Januar Klarstellungen einfor-
dern –, zweitens die Fahrtkostenregelungen und drittens
die Praxisgebühr. Bezüglich der Fahrtkostenregelung
wird ebenfalls bis 31. Januar eine Richtlinie vorgelegt.
Bei der Praxisgebühr hat die KBV, die für die Umset-
zung ja auch Verantwortung trägt, reagiert, indem sie die
Detailregelungen auf ihrer Homepage veröffentlicht hat,
sodass auch hier die Zahl der Anfragen abnimmt.

Wenn uns eine rechtswidrige Praxis gemeldet wird
– so haben zum Beispiel einzelne Ärzte statt 10 Euro
12 Euro Praxisgebühr verlangt und das mit internen Ver-
waltungskosten gerechtfertigt –, gehen wir jedem Ein-
zelfall nach.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508514500

Zusatzfrage, Frau Kollegin Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508514600

Frau Staatssekretärin, Sie haben schon dargestellt, wo

die Schwerpunkte der Anfragen lagen und in welchen
Bereichen das Informationsbedürfnis am höchsten war.
Zeichnet sich ab, dass die Patientenbeauftragte der Bun-
desregierung eventuell zum Monatsende Vorschläge un-
terbreiten wird, wo Nachbesserungs- oder Regelungsbe-
darf besteht? Wir hören ja im Moment, dass die Frau
Bundesministerin ankündigt, zum Beispiel im Bereich
der gynäkologischen Versorgung, beim Nachfolgerezept
für die Pille, eine Klarstellung vorzunehmen. Zeichnen
sich im Zuge der Tätigkeit der Patientenbeauftragten
weitere Komplexe ab, bei denen dringend nachgebessert
oder etwas klargestellt werden muss?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508514700


Frau Kollegin, ich will noch einmal ausdrücklich sa-
gen, dass wir keinen Nachbesserungsbedarf sehen. Sol-
cher ist auch von der Ministerin nicht angekündigt wor-
den. Hier hat sich ein Duktus eingeschlichen, der den
Eindruck erweckt, dass der Gesetzgeber nicht in der
Lage sei, ordnungsgemäß Gesetze zu machen. Dabei ist
es doch so, dass Aufgaben, die wir untergesetzlich an die
Selbstverwaltung delegieren, von dieser nicht wahrge-
nommen werden. Es gibt keinen Nachbesserungsbedarf,
es gibt einen Umsetzungs- und Klarstellungsbedarf; die
Selbstverwaltung muss endlich ihre Arbeit tun. Dies ha-
ben wir eingefordert.






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk

Die Klarstellungen wird es geben. Wo zum Beispiel

Dinge rechtswidrig passieren, muss jemand sagen: Das
ist rechtswidrig! Das haben wir bei den Augenärzten ge-
tan, ebenso dort, wo Praxisgebühren ungerechtfertigt er-
hoben wurden. Dort werden wir tätig und weisen klar
auf die Gesetzeslage hin. Mir ist nicht bekannt, dass die
Patientenbeauftragte die Forderung nach einer Nachbes-
serung erhoben hätte. Ich halte diese Begrifflichkeit
nicht für angemessen.

Unser Problem liegt darin, dass in einem Gesund-
heitswesen, das so komplex ist wie das unsere – mit der
Verantwortung für die Fachaufsicht teilweise bei den
Ländern, mit der Verantwortung der Beteiligten in der
Selbstverwaltung –, die Umsetzungsprobleme enorm
sind. Ich bin zwar neu im Feld der Gesundheitspolitik.
Aber ich habe mir von Erfahrenen wie zum Beispiel
Herrn Seehofer, der sich dazu ja heute Morgen im „Mor-
genmagazin“ auch öffentlich äußerte, sagen lassen:
Diese Umsetzungsprobleme gab es jedes Mal. Sie sind
ärgerlich; aber man muss die Verantwortung dort ansie-
deln, wohin sie gehört.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508514800

Weitere Zusatzfrage, Frau Pau?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508514900

Frau Staatssekretärin, jenseits unserer offensichtli-

chen Meinungsverschiedenheiten zum Inhalt des Geset-
zes komme ich auf den Komplex der Zuzahlungen und
Härteregelungen zurück. Welchen Rat würde die Pati-
entenbeauftragte oder würden auch Sie einem Rat su-
chenden Patienten geben, der in folgender konkreter
Lebenssituation ist: Er bezieht Arbeitslosenhilfe, hat
nach Abzug aller feststehenden Kosten für den Lebens-
unterhalt noch 100 Euro übrig, hat bis zum heutigen
Tag schon 50 Euro für Medikamente ausgegeben, die er
zur Versorgung seiner chronischen Krankheit braucht,
zahlt für weitere Hilfsmittel und entrichtet die Praxisge-
bühr. Wovon soll er den Rest des Monats und bis zur
eventuellen Erstattung am Ende des Quartals leben?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508515000


Frau Kollegin, ich habe eben schon einmal darauf
hingewiesen, dass die Möglichkeit der Befreiung schon
jetzt besteht, wenn jemand überfordert ist. Hier ist natür-
lich jeweils der Träger der Arbeitslosenhilfe oder der So-
zialhilfe aufgefordert, an Lösungen mitzuarbeiten. Das
ist jederzeit bereits möglich; man muss nicht ein ganzes
Jahr Zuzahlungen leisten – das suggerieren Sie ja –, be-
vor man etwas einreichen und zurückbekommen kann.
Sobald man in die Größenordnung der Überforderung
– 2 Prozent des Bruttoeinkommens – kommt, kann man
sofort zur Kasse gehen und wird für den Rest des Jahres
befreit.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508515100

Zusatzfrage, Herr Kollege Spahn.

Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1508515200

Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade schon ange-

deutet, wie viele Mitarbeiter zurzeit im Ministerium für
die Patientenbeauftragte arbeiten; das resultiert ja jetzt
eher vorübergehend aus dem großen Bauch an Anfragen,
der sich mit dem Jahreswechsel ergeben hat. Wie soll die
Personalausstattung der Patientenbeauftragten in Zu-
kunft aussehen, wie die sachliche Ausstattung? Insbe-
sondere höre ich immer etwas munkeln von Dienstwa-
gen und Chauffeur. Gehört das tatsächlich zur
Ausstattung?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508515300


Herr Kollege Spahn, für uns ist entscheidend, dass
wir eine arbeitsfähige Struktur herstellen. Insofern – das
finde ich wichtig – braucht die Patientenbeauftragte
qualifizierte Mitarbeiter. Sie stimmen mir sicher zu, dass
die Patientenbeauftragte eine tragfähige Ausstattung
braucht. Wenn ich mich richtig erinnere, ist ausweislich
des Haushaltsplans vorgesehen, dass die Patientenbeauf-
tragte – wie im Übrigen andere Beauftragte auch; ich als
Drogenbeauftragte habe ebenfalls einen solchen Mitar-
beiterstab – sechs Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter zur
Verfügung hat. Klar ist, dass in solchen Leistungsspitzen
wie jetzt ausgeholfen wird und man sich im Interesse der
Patientinnen und Patienten flexibel zeigt.

Ich halte es für ein Riesenproblem, wenn man auf der
einen Seite vorgibt die Funktion solle mit Leben erfüllt
werden, und auf der anderen Seite kritisiert, wenn ent-
sprechende Sachmittel und Personalmittel zu etatisieren
sind. Es ist doch klar: Wenn eine solche Funktion ge-
schaffen wird, muss sie arbeitsfähig sein. Die Erwartung
der Menschen ist: Wenn ich dort anrufe, nimmt jemand
meinen Anruf an und beantwortet kompetent meine Fra-
gen. Deswegen halte ich es für vertretbar, dass die Patien-
tenbeauftragte einen Mitarbeiterstab im Ministerium hat.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508515400

Frau Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508515500

Frau Staatssekretärin, ich möchte an die Fragen mei-

ner Kollegin Petra Pau und an die Fragen nach den
sozialen Härten anknüpfen.

Sie haben bereits vorhin gesagt, Sie erwarten, dass
zwischen den Kassen und den Trägern der Sozialhilfe
Vereinbarungen getroffen werden. Vom Standpunkt der
Regierung ist das eine naheliegende Erwartung. Aber
der betroffene Bürger oder Sozialhilfeempfänger, der nur
wenig Geld hat, ist in den ersten Wochen dieses Monats
mit der Tatsache konfrontiert, dass in vielen Fällen diese
Vereinbarung zwischen den Kassen und den Trägern der
Sozialhilfe offenbar nicht getroffen worden ist. Können
Sie sagen, ob es entsprechende Vereinbarungen zwi-
schen den Trägern der Sozialhilfe und den Kassen gibt?

Ich möchte ferner wissen, ob diese Vereinbarungen
dazu beitragen, dass es erstens nicht zu sozialen Härten
für die Bürger kommt und dass zweitens die Bürger von
den zuständigen Stellen informiert werden und dieses
Durcheinander aufhört.






(A) (C)



(B) (D)


Ma
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1508515600

Frau Kollegin, ich erinnere mich an einen Dankesbrief

Ihrer Kollegin Frau Pau für das Zusenden des Informa-
tionspakets zum Gesundheitssystemmodernisierungsge-
setz, das die Bundesregierung allen Abgeordneten zu-
kommen ließ, um sie rechtzeitig und umfassend zu
informieren. Unser Ministerium hat darüber hinaus
– auch das habe ich vorhin gesagt – eine aktuelle Seite
ins Internet gestellt und eine Hotline eingerichtet. Ich
glaube daher, dass wir unserer Informationspflicht um-
fassend nachgekommen sind.

Die Ministerin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
unseres Hauses und auch ich selbst als Parlamentari-
sche Staatssekretärin haben mehrere öffentliche Veran-
staltungen zu diesem Thema durchgeführt. Ich stand
mindestens drei Zeitungen für die Beantwortung von
Bürgerfragen mehrere Stunden lang zur Verfügung. Wir
haben also versucht, umfassend zu informieren. Aber
diese Information kann nicht nur vonseiten der Bundes-
regierung erfolgen. Auch die Kassen, die Ärzte und die
Leistungserbringer haben eine Informationspflicht. Das
gilt auch für die Länder, die an diesem Gesetz mitge-
wirkt haben. Ich meine, dass die notwendigen Informa-
tionen geflossen sind. Zur Verunsicherung hat teilweise
beigetragen, dass sie nicht rechtzeitig geflossen sind.
Ich habe vorhin schon das genannt, was noch zu ver-
bessern ist.

Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass jede
Ebene ihre Aufgabe zu erfüllen hat. Es kann nicht ange-
hen, dass einzelne Teile der Selbstverwaltung bestimmte
Aufgaben nicht erledigen oder Maßnahmen blockieren.
Wir haben jetzt zum Beispiel die unbefriedigende Situa-
tion, dass es noch einen Streit zwischen den Sozialhilfe-
trägern und den Kassen gibt. Wir haben die Beteiligten
aufgefordert, die offenen Punkte im Sinne der Patientin-
nen und Patienten zu regeln. Wir gehen davon aus, dass
dies geschehen wird.

Abschließend will ich sagen: Diese Operation fällt
niemandem leicht, auch uns nicht. Denn wir wissen, dass
die Patientinnen und Patienten belastet werden. Es ist
ebenfalls klar, dass diese Regelungen für viel Unmut
sorgen. Aber man muss sich einmal anschauen, was die
Alternative gewesen wäre. Angesichts der Verschul-
dungssituation der Kassen wären die Alternative Bei-
tragssatzanhebungen gewesen. Das hätte eine Flucht
derjenigen aus der gesetzlichen Krankenversicherung
bewirkt, die zu einer privaten Krankenversicherung
wechseln können.

Wer die Entsolidarisierung und einen Anstieg der
Lohnnebenkosten nicht will, muss den Mut zu Ausga-
benbegrenzungen haben. Auch wenn es unbequem ist,
müssen diese Maßnahmen vertreten werden. Natürlich
haben Sie es einfacher, jedem alles zu versprechen, weil
Sie nicht sagen müssen, woher die gesetzlichen Kran-
kenkassen das Geld nehmen sollen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508515700

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Par-
lamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur
Verfügung.

Die Fragen 15 und 16 der Kollegin Kristina Köhler

(Wiesbaden), die Fragen 17 und 18 des Kollegen

Hartmut Koschyk sowie die Fragen 19 und 20 des Kolle-
gen Dr. Nobert Röttgen werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe nun die Frage 21 der Kollegin Petra Pau auf:
Wie viele antisemitische Straftaten wurden im dritten

Quartal 2003 in der Bundesrepublik Deutschland begangen
und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508515800


Frau Kollegin Pau, im dritten Quartal 2003 wurden
insgesamt 253 antisemitische Straftaten, die dem Phäno-
menbereich „politisch motivierte Kriminalität rechts“
zugeordnet wurden, gemeldet. Darunter befanden sich
46 so genannte Propagandadelikte und sieben Gewaltde-
likte. Bei letzteren handelt es sich um fünf Körperverlet-
zungs- und zwei Widerstandsdelikte. Im dritten Quartal
2003 wurden dabei sechs Personen verletzt. Todesfälle
waren nicht zu verzeichnen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508515900

Zusatzfrage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508516000

Ich gehe sicherlich recht in der Annahme, Herr

Staatssekretär, dass Sie auch auf meine Zusatzfrage wie
immer umfassend vorbereitet sind: Können Sie mir diese
Statistik nach Ländern getrennt vortragen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508516100


Nach Bundesländern?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508516200

Ja, nach Bundesländern.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508516300


Ich werde meinem Ruf, dass ich hervorragend vorbe-
reitet bin, wieder gerecht und könnte das jetzt im Einzel-
nen tun. Aber um das Verfahren ein bisschen abzukür-
zen, bekommen Sie diese Information schriftlich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Pau, ich möchte jedoch so viel dazu sagen, dass

aus der statistischen Erfassung keine besonderen
Schwerpunkte in Bezug auf einzelne Bundesländer her-
auszulesen sind. Das werden auch Sie sehen, wenn Sie
sich diese Zahlen zu Gemüte führen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508516400

Weitere Zusatzfrage?






(A) (C)



(B) (D)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508516500

Ich möchte keine Zusatzfrage stellen, wenn wir, das

Präsidium, der Herr Staatssekretär und ich, darin über-
einstimmen, dass diese nachgereichte Information Be-
standteil des Stenografischen Berichts wird und nicht
nur zwischen uns beiden ausgetauscht wird.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508516600


Wenn das möglich ist, ist das kein Problem.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508516700

Es war bisher einmal möglich und einmal nicht. Des-

halb möchte ich das klargestellt wissen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508516800

Ich sehe überhaupt keine Probleme, schon gar nicht

dann, wenn alle darin übereinstimmen, dass es sinnvoll
wäre, diese Information allen zugänglich zu machen.1)

Ich rufe jetzt die Frage 22 des Kollegen Ernst
Hinsken auf:

Aus welchen Gründen will der Bundesminister des Innern,
Otto Schily, die Eröffnungsfeier der Fußballweltmeisterschaft
2006 nach Berlin verlegen, obwohl das Eröffnungsspiel in
München ausgetragen wird – vergleiche „Süddeutsche Zei-
tung“ vom 20./21. Dezember 2003 –, und wie hoch sind die
dadurch entstehenden Kosten?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508516900


Herr Kollege Hinsken, ich darf Ihre Frage wie folgt
beantworten: Der Deutsche Fußball-Bund hat als Aus-
richter der WM 2006 gegenüber dem Veranstalter FIFA
zugesagt, unmittelbar vor dem Eröffnungsspiel im Sta-
dion im üblichen Rahmen eine Eröffnungszeremonie zu
veranstalten. Diese Zusage steht nicht infrage.

Ganz unabhängig davon wird darüber nachgedacht,
ob sich Deutschland nicht der Welt wie beispielsweise
nach dem Vorbild der Olympischen Spiele 2000 in Syd-
ney und der Fußball-WM 1998 in Frankreich einen Tag
vor dem Eröffnungsspiel mit einer ansprechenden Feier
als weltoffenes, gastfreundliches und interessantes Gast-
geberland präsentieren sollte. Insofern geht es nicht da-
rum, eine Feier von München nach Berlin zu verlegen,
sondern um die Frage, ob es neben der Eröffnungszere-
monie vor dem Eröffnungsspiel im Stadion eine zusätzli-
che Veranstaltung geben soll, um die herausragende
Chance zu nutzen, dass die Welt auf unser Land blickt.

Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass es überhaupt
keinen Anlass zu Streit geben muss und dass die Verant-
wortlichen bzw. die Entscheidungsträger diese Konzep-
tion mittragen und befürworten. Dies sind im Übrigen
Konzeptionen, wie wir sie bei den Beispielen, die ich Ih-
nen genannt habe, erlebt haben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508517000

Zusatzfrage, Herr Kollege Hinsken.

1) Anlage 7

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1508517100

Herr Staatssekretär Körper, was hat den Bundesinnen-

minister Schily überhaupt bewogen, zu sagen, dass die
Eröffnungsfeier der Fußballweltmeisterschaft 2006 hier
in Berlin stattfinden soll, und ist Ihnen und Herrn Schily
bewusst, dass es viel Verdruss gegeben hat, dass man
sich ärgert und dass hiermit ein Novum eingeführt wer-
den würde, wie wir es bei einer Fußballweltmeister-
schaft noch nie gehabt haben?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508517200


Herr Hinsken, es kommt immer darauf an, ob man je-
manden wie beispielsweise den Herrn Bundesinnen-
minister Otto Schily richtig verstehen will oder ob man
ihn vielleicht bewusst falsch verstehen will, um ein Kon-
fliktthema in die Welt zu setzen. Es ging ihm bei seinen
Überlegungen lediglich darum, ob wir beispielsweise
nach dem Vorbild der Olympischen Spiele in Sydney
oder nach dem Vorbild der Fußballweltmeisterschaft
1998 in Frankreich eine besondere, von dem Eröff-
nungsspiel losgelöste Einstiegsfeier vorsehen sollten.
Dazu hat er den Gedanken geäußert – im Übrigen auch
wieder an dem Beispiel der Fußballweltmeisterschaft in
Frankreich orientiert –, diese Feierlichkeit in der Haupt-
stadt, also hier in Berlin, stattfinden zu lassen. Ich
glaube, wer die Entwicklung dieser Dinge kennt, kann
nicht gut nachvollziehen, dass darüber irgendein Streit
entsteht.


(Gerlinde Kaupa [CDU/CSU]: Sehr schön!)

– Nein, der Streit ist überhaupt nicht vorhanden. Viel-
leicht bei Herrn Hinsken, aber ansonsten nicht.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508517300

Das wird sich durch die weitere Zusatzfrage des Kol-

legen Hinsken klären.
Fr
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508517400

Das glaube ich auch.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1508517500

So ist es, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, was,

meinen Sie, könnten wir unternehmen, sodass auch der
Oberbürgermeister von München, Herr Ude, in der Lage
ist, Herrn Schily richtig zu deuten, und sich nicht sorgen-
voll an die FIFA und an Herrn Blatter wenden muss,
weil er nicht bereit ist, ohne weiteres hinzunehmen, was
hier vom Zaun gebrochen wird? Wann ist im Übrigen
das erste Gespräch zwischen Herrn Schily und Herrn
Blatter geführt worden?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508517600


Herr Hinsken, es gibt einen alten Grundsatz: Es ist
besser, miteinander zu reden als übereinander. Es ist
schlecht, wenn man miteinander über Pressemeldungen
verkehrt. Ich denke, es ist wichtig, dass man die Dinge
anspricht. Es ist ganz aktuell und vielleicht auch Ihnen
bekannt, dass Herr Blatter und Herr Beckenbauer an






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

Herrn Ude geschrieben und entsprechend klargestellt ha-
ben, worum es geht. Ich bin sicher, wenn die Fakten so
zur Kenntnis genommen werden, hat auch der Oberbür-
germeister von München keinerlei Einwendungen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508517700

Zusatzfrage, Frau Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508517800

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,

ich knüpfe gleich an Ihren guten Rat, lieber miteinander
als übereinander zu sprechen, an und frage Sie, ob Sie
mit mir der Meinung sind, dass es im Interesse aller Mit-
glieder des Deutschen Bundestages – auch der bayeri-
schen – sein müsste, dass möglichst viele bedeutende
Veranstaltungen in Berlin – immerhin Hauptstadt der
Bundesrepublik Deutschland – stattfinden sollten?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508517900


Liebe Frau Kollegin, wissen Sie, die Betrachtungs-
weisen sind unterschiedlich und immer besonders davon
motiviert, wo jemand seinen Wohnsitz und sein Arbeits-
umfeld hat. Ich habe damit Erfahrung. Insbesondere be-
ziehe ich mich dabei auch auf die nachher anstehende
Aktuelle Stunde, deren Thema sich nicht vom Sachkon-
zept ableiten lässt, sondern eher dadurch bestimmt wird:
Wer kommt woher? Ich denke, das ist keine objektive
Herangehensweise.


(Zuruf des Parl. Staatssekretärs Rezzo Schlauch)


– Habe ich etwas Falsches gesagt?

(Zuruf des Parl. Staatssekretärs Rezzo Schlauch)

– Ja, es wird auch davon bestimmt, wer wohin kommt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508518000

Zusatzfrage, Frau Kollegin Roedel.

Hannelore Roedel (CSU):
Rede ID: ID1508518100

Herr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1508518200

Wie ist denn die Finanzierung dieses Ereignisses, das
vor der Eröffnungsfeier stattfinden soll, geplant? Da-
rüber hat sich Ihr Minister sicherlich schon Gedanken
gemacht.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508518300


Frau Kollegin, das ist übrigens die nächste Frage, die
mir der Abgeordnete Hinsken gestellt hat. Hinsichtlich
der Finanzierungsfrage muss man step by step vorgehen.
Es war bisher überhaupt nicht klar, ob die FIFA, die
letztendlich Entscheidung zu treffen hat und auch die
Verantwortung dafür zu tragen hat, so ein Konzept – eine
solche besondere Veranstaltung zur Eröffnung dieses
sportlichen Großereignisses in Berlin – umsetzen will.
Wenn wir diese Entscheidung kennen und dieses Kon-
zept steht, dann werden wir auch für die entsprechende
Finanzierung sorgen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508518400

Frau Kollegin Kaupa.

Gerlinde Kaupa (CSU):
Rede ID: ID1508518500

Her
Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1508518600
Wer zahlt, schafft an. Sie haben sich
jetzt nicht festgelegt, wo das Geld herkommt. In der Zei-
tung stand, dass Sie es durch den Münzverkauf finanzie-
ren wollen. Von den Mitteln aus dem Münzverkauf sind
dem Sport 30 000 Euro zugesagt worden. Alles, was zu-
sätzlich eingenommen wird, bleibt insgesamt im Staats-
säckel.

Es gibt auch ein Gremium von Abgeordneten, das
über diese Gelder bestimmt. Dabei geht es um kulturelle
Veranstaltungen. Handelt es sich hierbei um eine kultu-
relle Veranstaltung? Für wen ist sie? Für eine Elite? Für
besondere Leute, die ihren Arbeitsplatz – wie vorhin an-
gesprochen – nicht in München, sondern in Berlin haben
und vielleicht nicht nach München fahren wollen? Die
Eröffnungsfeier ist eigentlich für diejenigen gedacht, die
den Start der Fußball-EM erleben wollen.

Noch allgemein gefragt: Welche weiteren zentralisti-
schen Ideen hat die Bundesregierung im Bereich des
Sports, um das föderale System der Bundesrepublik wei-
ter auszuhöhlen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508518700


Liebe Frau Kollegin, jetzt könnte ich eigentlich mit
Franz Beckenbauer antworten: Schau’n wir mal, wie es
weitergeht. Ihr Redebeitrag jedoch veranlasst mich, ein
paar Bemerkungen zu diesem Thema zu machen. Ich
glaube, dass die Frage, wie unser Land beispielsweise
ein sportliches Großereignis organisiert und sich in die-
sem Zusammenhang auch entsprechend präsentiert, ganz
wesentliche Rückschlüsse darüber zulässt, wie wir die-
ses Ereignis angehen. Ich denke, dass dieses Land, dass
die Menschen in Deutschland und dass auch diese Bun-
desregierung voll hinter dieser Fußballweltmeisterschaft
stehen und dass wir dieses Ereignis entsprechend organi-
sieren wollen.

Ich halte den Zungenschlag, den Sie mit Ihrer Frage
an die Bundesregierung hinsichtlich mehr Zentralismus
in die Debatte gebracht haben, nicht für gut. Ich denke,
wir haben ein paar ganz gute Vorbilder. Ich nenne hier
insbesondere Frankreich, das uns 1998 gezeigt hat, wie
man eine Eröffnungszeremonie direkt vor dem Eröff-
nungsspiel durchführt. Eine schöne Eröffnungsfeier bei-
spielsweise einen Tag vor dem Eröffnungsspiel stünde
diesem Ereignis gut zu Gesicht. In Frankreich gab es
beispielsweise keine Debatte darüber, ob diese Feier in
Paris stattfinden sollte oder nicht. Ich glaube, auch wir
sollten eine solche Debatte nicht führen. Diese Art von
Einstieg in dieses fußballerische Ereignis hier in Berlin
halte ich für überhaupt kein Problem.






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

Zur Frage der Finanzierung habe ich meine Meinung

gesagt. Das werden wir in einem weiteren Schritt ent-
sprechend festlegen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508518800

Nun rufe ich die Frage 23 des Abgeordneten Ernst

Hinsken auf:
Aus welchen Haushaltstiteln will die Bundesregierung,

falls die Eröffnungsfeier in Berlin stattfindet, diese finanziell
unterstützen?

Vielleicht ist den angedeuteten Überlegungen zur Fi-
nanzierung ja noch etwas hinzuzufügen.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508518900


Herr Präsident, nein, dem ist nichts hinzuzufügen. Ich
hatte die Antwort schriftlich wie folgt fixiert: Die Frage
des erforderlichen Aufwandes ist im Hinblick auf
Frage 22 noch nicht abschließend geklärt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508519000

Herr Kollege Hinsken.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1508519100

Herr Staatssekretär, Sie wurden vorhin dafür so ge-

lobt, dass Sie immer so gut vorbereitet sind.

(Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär: Ja!)


Halten Sie es denn für angemessen, mit Aussagen an die
Öffentlichkeit zu treten, ohne zu überlegen, was das
Ganze kostet? Ist Ihnen denn überhaupt bewusst, dass
der kleine Mann überhaupt keine finanziellen Möglich-
keiten hat, um von der Eröffnungsfeier zur Fußballwelt-
meisterschaft hier in Berlin zum Eröffnungsspiel nach
München und dann wieder zurück zu fahren? Wir aber
wollen alle Menschen mit dabeihaben. Das soll ein gro-
ßes Highlight des Jahres 2006 werden.

Deshalb würde mich interessieren, wo der Haushalts-
ansatz ist. Aus welchen Töpfen wollen Sie diese Eröff-
nungsfeier hier finanzieren? Ich rufe noch einmal ins
Gedächtnis, dass Franz Beckenbauer gesagt hat: Wer
zahlt, schafft an. Wenn die Bundesregierung das will, an-
schafft und auch bezahlt, sollte sie auch – so weit irgend
möglich – meinem Wunsch nachkommen.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508519200


Lieber Herr Kollege Hinsken, ich glaube, dass jeder
die Entscheidung treffen kann, ob er zur Eröffnungszere-
monie vor dem Eröffnungsspiel nach München oder zur
Eröffnungsfeier nach Berlin, zu beidem oder vielleicht
zu einem WM-Spiel in Kaiserslautern geht. Das muss
man sich dann überlegen. Herr Kollege Kelber, das sage
ich deshalb, weil ich dorthin den kürzesten Anfahrtsweg
habe.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508519300

Sie sollten schon darauf achten, alle Austragungsorte

vollständig zu nennen; sonst entstehen die nächsten
Missverständnisse.
F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508519400


Herr Vizepräsident, da ich neben dem Austragungsort
für das Eröffnungsspiel und dem für das Endspiel nur
noch einen weiteren genannt habe, hoffe ich auf Ihr Ver-
ständnis.

Langer Rede kurzer Sinn: Herr Hinsken, ich glaube,
dass die Konzeption richtig ist. Die Verantwortlichen ha-
ben sich so entschieden. Das ist auch gut so. Jetzt wer-
den wir für die Durchführung dieses Konzeptes organi-
satorisch und finanziell sorgen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508519500

Zweite Zusatzfrage.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1508519600

Herr Staatssekretär, ist denn die Bundesregierung be-

reit, das, was sie in finanzieller Hinsicht für Berlin in
Aussicht gestellt hat, auch für München in Aussicht zu
stellen, nachdem jetzt doch die Konzentration auf Mün-
chen vorgenommen wird? Das kostet einige Millionen.
Ist die Bundesregierung in der Lage und auch bereit, die
Mittel zur Verfügung zu stellen und hier keinen Unter-
schied zwischen München und Berlin zu machen?


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Und den Titelgewinn sicherzustellen!)


F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508519700


Das, was jetzt durch den Zwischenruf des Kollegen
Bosbach deutlich geworden ist, ist die viel wichtigere
Frage. Hinsichtlich des Titelgewinns jedoch lassen wir
uns überraschen.

Herr Hinsken, ich gehe davon aus, dass es zu einer
objektiven und sachgerechten Umsetzung dieses Kon-
zepts sowohl in organisatorischer als auch in finanzieller
Hinsicht kommen wird.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508519800

Die letzte Frage hat Frau Kollegin Kaupa.

Gerlinde Kaupa (CSU):
Rede ID: ID1508519900

Stimmt der Ablauf der Entscheidungsfindung, wo-

nach das WM-OK und das Bundesinnenministerium
miteinander einen Beschluss fassen müssen, der dann
aber von der FIFA abgesegnet werden muss, dass sie
also das letzte Wort hat? Wird es denn, wenn die FIFA
Nein sagt, nicht gemacht?

Wenn Sie sich Gedanken machen, was Sie vorhaben,
dann müssen Sie doch auch geplant haben, was es kosten
wird. Man kann doch nicht ins Blaue hinein planen. Ir-
gendwann wird man doch auch einmal eine Rechnung
aufstellen. Ihnen werden doch Zahlen vorliegen. Wenn
Sie sie haben, legen Sie sie uns bitte vor.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508520000


Frau Kollegin, das letzte Wort hat die FIFA. Sie ent-
scheidet darüber, ob diese Konzeption realisiert wird.






(A) (C)



(B) (D)


Pa
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1508520100
Wenn diese Konzeption auf dem Tisch
liegt, wird auch finanziell für ihre Durchführung gesorgt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508520200

Herr Kollege Körper, nachdem nun nahezu alle Fra-

gen zu den Rahmenbedingungen des Eröffnungsspiels
mindestens angesprochen, wenn nicht geklärt sind,
bleibt nur die Frage nach dem Ergebnis dieses Spiels.
Ich gehe davon aus, dass uns die Bundesregierung recht-
zeitig unterrichtet, sobald dazu eine Vereinbarung ge-
troffen worden ist.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1508520300


Das werden wir tun, Herr Präsident.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508520400

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-

riums für Wirtschaft und Arbeit auf. Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Rezzo
Schlauch zur Verfügung.

Ich rufe Frage 24 der Kollegin Roedel auf:
Trifft es zu, dass Auszubildende der deutschen Agenturen

für Arbeit mit Billigung der Bundesagentur für Arbeit, BA,
regelmäßig mit einem Dienstwagen zu ihren Seminaren ge-
bracht werden, um Kosten zu sparen, und, wenn ja, wurden in
die Vergleichsberechnung zwischen Dienstwagennutzung und
der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch die Personal-
kosten für die Fahrer eingerechnet?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508520500


Sehr geehrte Frau Kollegin Roedel, ich beantworte
Ihre Frage wie folgt: Es trifft nicht zu, dass Auszubil-
dende zu ihren Seminaren regelmäßig mit einem Dienst-
wagen gebracht werden. Nach Auskunft der Bundes-
agentur für Arbeit sind ihre Dienststellen gehalten, für
die erforderlichen Dienstreisen ihrer Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter zu Aus- und Fortbildungsveranstaltun-
gen die insgesamt kostengünstigste Variante einzuset-
zen. Dabei sind nicht nur die unmittelbaren Kosten zu
berücksichtigen, sondern auch mittelbare Faktoren wie
die Anbindung an Netze des ÖPNV oder die zeitliche
Lage der Veranstaltung.

Diese Grundsätze gelten auch für die Teilnahme von
Auszubildenden an Aus- und Fortbildungsveranstaltun-
gen. Stets ist eine Prüfung, bezogen auf die jeweilige
Veranstaltung, vorzunehmen. Diese einzelfallbezogene
Prüfung erfasst sinnvollerweise nur die zusätzlich anfal-
lenden Kosten. Die Nutzung eines Dienstwagens mit
Fahrer ist dabei auch dann günstiger, wenn andere Fahr-
ten nicht durchzuführen sind, der Kraftfahrer also nur in
Bereitschaft steht und das Fahrzeug ansonsten ungenutzt
bleiben würde. Die Bundesagentur strebt einen mög-
lichst hohen Auslastungsgrad vorhandener Ressourcen
an. Kosten wie die Fixkosten des ansonsten nicht ge-
nutzten Fahrzeuges oder die anfallenden Personalkosten
des Fahrers werden beim Kostenvergleich mit öffentli-
chen Verkehrsmitteln daher nicht in die Berechnung ein-
bezogen.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508520600

Ihre Zusatzfrage, Frau Roedel.

Hannelore Roedel (CSU):
Rede ID: ID1508520700

Dann stimmt also die Aussage eines Arbeitsamtdirek-

tors, dass gerade Behörden mit großem Einzugsbereich
auf ihren Fuhrpark zurückgreifen? Hier kommt es dann
wohl im Einzelnen auf die Berechnungen an. Denn erst
haben Sie mir erklärt, so würde grundsätzlich nicht ver-
fahren. Dann haben Sie Stellung dazu genommen, wel-
che Berechnungen angestellt werden. Das habe ich nicht
ganz verstanden.

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508520800


Ihre Frage lautete, ob es zutreffe, dass Auszubildende
regelmäßig zu Fortbildungsveranstaltungen chauffiert
würden. Dazu habe ich gesagt, dass das nicht zutrifft.
Vielmehr werden Einzelfallprüfungen durchgeführt. Im
Einzelfall kann das günstiger oder angemessen sein.
Diese Möglichkeit wird deshalb nach Bedarf wahrge-
nommen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508520900

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich Frage 25,

ebenfalls von Frau Roedel, auf:
Wie hoch sind die Kosten, die für öffentliche Verkehrsmit-

tel bzw. Dienstwagen inklusive der Kosten für die Fahrer auf-
gewendet werden müssen?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508521000


Sie fragen nach den Vergleichskosten einerseits bei
Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und andererseits bei
Nutzung von Dienstwagen. Hierzu teilt die Bundesagen-
tur Folgendes mit – deshalb beantworte ich Ihre Frage
auch in diesem Sinne –: Ein bundesweiter Vergleich der
Kosten, die für öffentliche Verkehrsmittel bzw. für
Dienstwagen mit Fahrer anfallen, ist nicht möglich. Für
Dienstfahrten liegen die direkten und indirekten Kosten
pro Fahrzeug und Kilometer bei 0,31 Euro, und zwar auf
der Basis von 21 615 844 Kilometern Fuhrparkgesamt-
fahrleistung im Jahr 2002, unabhängig von der Anzahl
der zu befördernden Personen. Hierin sind die Kosten
für Kauf, Leasing, Unterhalt sowie die Personalkosten
für die Disposition des Fuhrparks enthalten. Nicht ent-
halten sind jedoch die Personalkosten der Berufskraft-
fahrer, da die Dienstfahrzeuge sowohl von den Berufs-
kraftfahrern als auch von den Dienstreisenden selbst
gefahren werden.

Bei Bahnreisen wendet die Bundesagentur unter Be-
rücksichtigung von Rabatten 0,15 Euro pro Kilometer
und Person in der zweiten Klasse auf.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508521100

Da niemand eine weitere Zusatzfrage stellen möchte,

rufe ich die Frage 26 des Kollegen Dr. Christoph
Bergner auf:

Welche Kosten verursachen die aktuellen Ausschreibun-
gen der BA bzw. der Landesarbeitsämter zur Durchfüh-
rung von Maßnahmen nach § 37 a bzw. § 48 Drittes Buch






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

Sozialgesetzbuch, zum Beispiel durch Abordnung von Mit-
arbeitern aller Agenturen für Arbeit zur Auswertung der An-
gebote, Anmietung von gesonderten Räumlichkeiten für diese
Auswertung, Versendung aller notwendigen Unterlagen, Be-
arbeitung der Bieteranfragen?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508521200


Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Bergner, Ihre Frage
beantworte ich wie folgt: Für die Verwaltungskosten zur
Durchführung der Ausschreibungen zur Beauftragung
von Dritten mit der Vermittlung sowie der Ausschrei-
bungen von Trainingsmaßnahmen auf regionaler bzw.
zentraler Basis wurden keine Erhebungen und separaten
Erfassungen vorgenommen. Zusammenfassend kann je-
doch davon ausgegangen werden, dass im Vergleich zu
den bislang in den Arbeitsämtern abgewickelten Verfah-
ren keine zusätzlichen Kosten entstanden sind und ent-
stehen werden. Zusätzliche Räumlichkeiten zur Auswer-
tung der Angebote wurden nicht angemietet. Durch die
Vielzahl der eingegangenen Angebote und Anfragen der
Bieter sind lediglich zu vernachlässigende Mehrkosten
bei Versandabfertigung und Porto entstanden.

Zurzeit werden die Angebote ausgewertet. Die Ertei-
lung von Zuschlägen wird bis Ende Januar vorbereitet.
Bereits jetzt kann festgestellt werden, dass es durch Bün-
delung und bessere Standardisierung bei mindestens ver-
gleichbarem Qualitätsstandard im Vergleich zu den bis-
her von den Agenturen für Arbeit in Auftrag gegebenen
Maßnahmen zu § 48 SGB III Einsparpotenziale in zwei-
stelliger Millionenhöhe gibt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508521300

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Bergner.


Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1508521400

Herr Staatssekretär, leider können wir nun nicht über

Zahlen sprechen. Es stellt sich aber die Frage nach der
Effizienz des gewählten Verfahrens. Die Landesagen-
turen bzw. Landesarbeitsämter – um beim alten Termi-
nus zu bleiben – sind angehalten, die Ausschreibung un-
ter dem Kriterium vorzunehmen, den billigsten Anbieter
auszuwählen. Die örtlichen Arbeitsämter, die diese Auf-
gabe bisher wahrgenommen haben, werden anschließend
daran gemessen, welche Effizienz sie in der Vermitt-
lungsarbeit erreichen. Damit führen Sie einen Interes-
senkonflikt herbei. Halten Sie es für wirklich für einen
geeigneten Weg, die Zuständigkeiten so zu entkoppeln,
dass das Kriterium der Effizienz bei der Vermittlung
nachrangig ist?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508521500


Das Kriterium der Effizienz bei der Vermittlung wird
nicht als nachrangig behandelt. Wir fragen selbstver-
ständlich nach, wie erfolgreich die Vermittlung ist und
welche Kosten dabei anfallen. Mehr Details hierzu bein-
haltet aber meine Antwort auf Ihre zweite Frage. In die-
ser werde ich nämlich aufzeigen, welches Instrumen-
tarium diejenigen, die sich bewerben, anwenden wollen,
um die Vermittlung möglichst effizient durchzuführen.

Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1508521600

In diesem Fall bin ich auf die Antwort auf meine

zweite Frage gespannt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508521700

Dann rufe ich die Frage 27 des Kollegen Bergner auf:

Inwiefern hält die Bundesregierung die Ausschreibungen
im Bereich des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt/Thürin-
gen angesichts der jeweiligen gewählten Losgrößen für geset-
zeskonform, etwa hinsichtlich der „Mittelstandsklausel“ des
§ 5 Nr. 1 der Verdingungsordnung für Leistungen/Teil A?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508521800


Diese Frage hat das Thema Effizienz zum Inhalt. Ich
beantworte sie daher wie folgt: Die Größe der Lose bei
den zurzeit laufenden Ausschreibungen wurde nicht sta-
tisch festgelegt. Ihre Festlegung wurde vielmehr sowohl
von inhaltlichen und wirtschaftlichen Überlegungen als
auch von regionalen Gesichtspunkten beeinflusst. Es
wird also auch das Kriterium der Regionalität berück-
sichtigt. Mit Vertretern der jeweiligen Regionaldirektio-
nen wurde gemeinsam die Losbildung auch unter Beach-
tung der vom Gesetzgeber in § 97 Abs. 3 des Gesetzes
gegen Wettbewerbsbeschränkungen festgeschriebenen
Interessen des Mittelstands vorgenommen. Mehrere
Agenturen für Arbeit wurden nur in Ballungsräumen
bzw. regional definierten Wirtschaftsräumen im Losver-
bund zusammengefasst. Fachlich-inhaltliche Aspekte
wurden ebenso berücksichtigt.

Für kleine Anbieter – jetzt komme ich zur Effizienz
der Anbieterseite – sind Bietergemeinschaften der Weg,
um Lose zu erhalten. Vielerorts bestehen vorwiegend im
Bereich der beruflichen Weiterbildung bereits Trägerver-
bünde und andere Bildungsnetzwerke. Es kann somit da-
von ausgegangen werden, dass entsprechende Kommu-
nikationsstrukturen bei den Trägern vor Ort vorhanden
sind und genutzt werden. Rückmeldungen zu den laufen-
den Ausschreibungen zeigen, dass Angebote auf die
Lose in ausreichender Anzahl eingehen und die Ange-
bote in erheblichem Umfang durch Bietergemeinschaf-
ten eingereicht wurden.

Im Bezirk der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/
Thüringen wurden zu § 37 a des Dritten Buches Sozial-
gesetzbuch 34 Lose gebildet. Daraufhin wurden ins-
gesamt 227 Angebote, an denen die Bietergemeinschaf-
ten einen Anteil von 80 Prozent hatten, abgegeben. Zu
§ 48 SGB III wurden 21 Lose gebildet, auf die
228 Angebote, an denen die Bietergemeinschaften einen
40-prozentigen Anteil hatten, eingegangen sind.

Durch diese Zahlen wird bestätigt, dass die Vergabe
nach Losen berücksichtigt und diese Vorgehensweise
vom Wettbewerb angenommen wurde.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508521900

Eine Zusatzfrage, bitte schön.


Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1508522000

Herr Staatssekretär, damit wir wissen, über welche

Größenordnung wir bei dieser Ausschreibung sprechen,






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Christoph Bergner

möchte ich bezüglich der Ausschreibung zu
§ 37 a SGB III gern den Umfang eines Loses nennen.
Bei Los 7 handelt es sich um 84 Maßnahmen für
1 344 Teilnehmer in mindestens 13 Standorten in Sach-
sen-Anhalt und Thüringen.

Es stellt sich nun tatsächlich die Frage, wie mittel-
ständisch organisierte Bieter hiermit zurechtkommen.
Sie verweisen auf die Bietergemeinschaften. Ich möchte
Sie fragen, ob Sie es wirklich für die hohe Schule des
Vergaberechts halten, wenn mittelständische Bildungs-
träger mit Konkurrenten der gleichen Branche – das
schließt diese spezielle Branche ein – eine Bietergemein-
schaft unter Offenlegung ihrer Kalkulationsgrößen und
Bildungskonzepte bilden müssen.

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508522100


Ich kann Ihnen nicht beantworten, was die hohe
Schule des Vergaberechts ist. Ich kann Ihnen nur sagen
– darauf rekurrieren Sie ja –, dass die Vergabekammer
für dieses Verfahren gerügt worden ist. Die Vorgehens-
weise wurde vom Bundeskartellamt aber legitimiert, das
heißt, die Vergaberichtlinien wurden eingehalten.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Richtig!)

Ich glaube, wenn 80 Prozent der Angebote durch Bie-

tergemeinschaften eingereicht werden, dann kann man
davon sprechen, dass sich das Verfahren bei den Anbie-
tern durchgesetzt hat. Somit ist es marktkonform und
sinnvoll.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508522200

Eine weitere Zusatzfrage.


Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1508522300

Nur zur Verständigung bezüglich der Bietergemein-

schaften: Sind Sie bereit, zu akzeptieren, dass die Bieter-
gemeinschaften unter den gegebenen Bedingungen Not-
gemeinschaften sind?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508522400


Ich glaube nicht, dass es Notgemeinschaften sind. Ich
denke, es ist sinnvoll, dass sich Anbieter, die verschie-
dene Angebote haben, zusammenschließen und ein ge-
meinsames Angebot abgeben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508522500

Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Ich rufe nun Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Stunde
Haltung der Bundesregierung zu dem von
Bundesminister Schily verkündeten Umzug
des Bundeskriminalamtes (BKA) zur Zentrali-
sierung aller operativen Einheiten des BKA in
Berlin

Diese Aktuelle Stunde wurde von der Fraktion der
CDU/CSU verlangt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Wolfgang Bosbach, CDU/CSU-
Fraktion.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1508522600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/

CSU-Bundestagsfraktion lehnt die Absicht des Innenmi-
nisters, die bewährte dezentrale Organisation des BKA
zu zerschlagen und das Bundeskriminalamt in Berlin zu
zentralisieren, entschieden ab.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Ulrich Kelber [SPD] – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Herr Kelber klatscht!)


Das gilt sowohl für die komplette Schließung des Stand-
ortes Meckenheim als auch für die geplante Verlagerung
verschiedener Abteilungen der BKA-Zentrale von Wies-
baden nach Berlin.

Es mag sein, Herr Minister, dass es den einen oder an-
deren vernünftigen Grund für eine Verlagerung be-
stimmter Abteilungen und Aufgaben des BKA nach Ber-
lin gibt.


(Zuruf von der SPD: Ach nein!)

Aber aus polizeifachlicher Sicht gibt es überhaupt keine
Notwendigkeit, das BKA überwiegend nach Berlin zu
verlagern; denn bei der notwendigen Abwägung aller
maßgeblichen Gesichtspunkte sprechen wesentlich mehr
Argumente gegen als für die geplante Zentralisierung in
Berlin.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Darüber hinaus widersprechen die Pläne des Herrn

Schily nicht nur Sinn und Zweck des Berlin/Bonn-Ge-
setzes. Sie sind auch ein Schlag ins Gesicht aller Betrof-
fenen, die den Standortgarantien geglaubt und sich hie-
rauf auch in ihrer persönlichen Lebensplanung verlassen
haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die Art und Weise, wie der Innenminister mit den be-
troffenen Mitarbeitern umgeht, wie er sie vor gut einer
Woche Knall auf Fall vor vollendete Tatsachen gestellt
hat, ist unerträglich. Das ist Politik nach Gutsherrenart,
mit der man Mitarbeiter nicht motiviert, sondern völlig
demoralisiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Genau das ist das Letzte, was wir uns in dieser höchst

angespannten Sicherheitslage erlauben können. Wenn
Herr Schily glaubt, mit Umzügen quer durch die Repu-
blik und einer Zentralisierung in Berlin mehr Sicherheit
produzieren zu können, dann irrt er. Die Investitionen am
neuen Standort, die Umzüge selber, aber auch die not-
wendigen Sozialpläne werden viele Hundert Millionen
Euro verschlingen. Angesichts der desolaten Finanzlage
des Bundes ist das ein völlig unverantwortliches Vorha-
ben. Dieses Geld sollten wir lieber in eine optimale Aus-
und Fortbildung der Mitarbeiter und in modernste Tech-
nik zur Verbrechensbekämpfung investieren. Dann hät-
ten wir tatsächlich einen Sicherheitsgewinn.






(A) (C)



(B) (D)


Wolfgang Bosbach


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Pläne des Innenministers führen nicht zu mehr Si-
cherheit, sondern zu mehr Verunsicherung gerade derje-
nigen, auf deren Engagement wir in ganz besonderer
Weise angewiesen sind. Wir brauchen keine verstärkte
politische Einflussnahme auf die Arbeit unserer Sicher-
heitsbehörden. Sie allerdings – das muss ich zugeben –
wäre in Berlin leichter möglich als an den Standorten
Wiesbaden oder Meckenheim.


(Zuruf von der SPD: Aha!)

Aber gerade das spricht nicht für, sondern ebenfalls ge-
gen die geplante Zentralisierung.

Mir kann keiner erklären, wieso es in einem Zeitalter
modernster Informations- und Kommunikationstechni-
ken nicht möglich sein soll, die jetzige dezentrale und
auch der föderalen Struktur unserer Bundesrepublik ent-
sprechende Standortverteilung beizubehalten. In einem
Zeitalter, wo Informationen, Meinungen, Zahlen, Daten
und Fakten in Sekundenbruchteilen rund um den ganzen
Globus gehen, soll es angeblich nicht mehr möglich sein,
die dezentrale Struktur aufrechtzuerhalten. Stattdessen
soll es nunmehr notwendig sein, die Sicherheitsbehörden
hier in Berlin zu zentralisieren.

Eine effiziente Sicherheitspolitik, Herr Minister, ist
nicht in erster Linie eine Frage des Standortes einer Be-
hörde, sondern die Folge richtiger politischer Entschei-
dungen. Deshalb fordern wir den Innenminister auf,
seine fatale Fehlentscheidung zu korrigieren und seine
Umzugs- und Zentralisierungspläne umgehend aufzuge-
ben.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Ulrich Kelber [SPD])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508522700

Das Wort hat nun der Kollege Frank Hofmann, SPD-

Fraktion.

(Zurufe von der CDU/CSU: Kommt nun Frau Wieczorek-Zeul? – Sie könnte dazu auch sprechen!)



Frank Hofmann (SPD):
Rede ID: ID1508522800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ehe-

maliger Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes möchte
ich an dieser Stelle dem Bundeskriminalamt meinen
Dank abstatten. Der hohe Stellenwert, den das Bundes-
kriminalamt in der nationalen und internationalen Krimi-
nalitätsbekämpfung hat, hat zu einem entsprechend gu-
ten Ruf geführt. Dies hat seine Ursachen in der
Kompetenz aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die-
sen hohen Stellenwert hätte es nicht gehabt, wenn sie
immer nur Dienst nach Vorschrift gemacht hätten. Viel-
mehr haben sie immer Dienst nach Sicherheitsbelangen
gemacht. Die Zahl der Überstunden, die jedes Jahr dort
geleistet werden, geht an die 200 000. Das zeigt, das
Amt ist motiviert.
Die jeweilige Sicherheitslage stellt an die Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter besondere Herausforderungen,
die sie immer gemeistert haben. Sie haben sie auch im-
mer bei Umzügen gemeistert. Sie wissen genau, dass die
Abteilung Terrorismus in den 70er-Jahren neu entstan-
den und das Bundeskriminalamt mit dieser ausgebaut
worden ist, dass ein Umzug stattgefunden hat


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Zur Sache!)


und dass das Bundeskriminalamt immer wieder gute Ar-
beit geleistet hat. Die wird es auch künftig leisten kön-
nen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Dem sollten wir jetzt Rechnung tragen!)


Die dienstlichen Notwendigkeiten, verstärkt in Berlin
tätig zu werden, stehen außer Zweifel. Die Gewerkschaft
der Polizei spricht von einigen Bereichen, die von
besonderer politischer Bedeutung sind. Das heißt nicht
Politikberatung, sondern Unterstützung durch Politik,
damit man international Fälle lösen kann, an denen
Deutsche beteiligt sind. Ich erinnere an den Fall in der
Wüste von Algerien. Dazu ist es notwendig, dass man in
Berlin arbeitet. Ich halte es für wichtig, das einzubezie-
hen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Da war der Frankfurter Flughafen wichtiger als die Regierung!)


Es kann nicht alles beim Alten bleiben. Man muss auf
die Sicherheitslage, die Kosten und auch die sozialen
Belange achten. Herr Bosbach,


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Also Sie sind dafür?)


Sie haben immer eine neue Sicherheitsarchitektur gefor-
dert. Im Innenausschuss wird ständig davon gesprochen,
ein Amt für Homeland Security möglicherweise auch in
Deutschland einzurichten. Da ist alles unter einem Dach.
Jetzt aber sagen Sie, alles müsse dezentral bleiben.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das stimmt überhaupt nicht!)


Sie betreiben Populismus. So kann es nicht gehen.

(Beifall bei der SPD)


Den Zentralisierungswahn betreiben Sie mit dieser Si-
cherheitsphilosophie. Wir versuchen, eine sachgerechte
Politik zu machen. Das gilt für auch unseren Minister.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Sie haben nichts verstanden!)


Das Innenministerium hat in der Folge des
11. September 2001 die Notwendigkeiten kriminalpoli-
zeilicher Art aufgezeigt und besonnen reagiert. Diese be-
sonnene Kriminal- und Sicherheitspolitik werden wir
fortführen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Also Sie sind dafür?)







(A) (C)



(B) (D)


Frank Hofmann (Volkach)


Für uns war die Kommunikation zwischen dem Ministe-
rium und dem Bundestag schwierig. Es wäre sinnvoll
und hilfreich für uns gewesen, wenn eine bessere Kom-
munikation bestanden hätte. Nachher sind wir aber alle
schlauer.

Wir stimmen dem Minister zu,

(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das wollten wir hören!)

– Sie können überhaupt nicht zuhören –, dass es eine er-
gebnisoffene Diskussion über die beste Antwort auf die
Sicherheitslage geben muss.


(Beifall bei der SPD und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)


Dies ist Aufgabe der Führung des Bundeskriminalamtes
gemeinsam mit der Personalvertretung unter besonderer
Berücksichtigung der föderalen, finanziellen und sozia-
len Aspekte.

Verwunderung möchte ich gegenüber der Position der
FDP zum Ausdruck bringen. In ihrem Antrag heißt es:

Eine räumliche Umstrukturierung des Bundeskri-
minalamtes zu diesem Zeitpunkt ist denkbar unge-
eignet.

Wenn Sie in den Plenarsaal schauen, dann stellen Sie
fest, dass die FDP vor allem durch Abgeordnete aus
NRW und weniger durch Innenpolitiker vertreten ist.
Die sitzen etwas weiter hinten.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ist es eine Schande, aus NRW zu sein? – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Dagegen spricht der Akzent von Stadler!)


Ich frage Sie: Wenn nicht jetzt, wann muss denn darüber
nachgedacht werden? Soll man erst warten, bis es zu ei-
nem Anschlag in Deutschland kommt? Wir alle wissen,
dann wird mit heißer Nadel gestrickt. Schnelligkeit geht
dann oftmals vor Sorgfalt. Nein, so geht es nicht.

Heute können wir ergebnisoffen, ohne Sicherheitsein-
bußen das Richtige tun. Das hat der Minister erkannt. Ich
sehe es als gemeinsame Aufgabe des BMI, der Innenpo-
litiker und der Fachleute im BKA an, alles zu tun, das
Bundeskriminalamt so zu organisieren, dass auch künf-
tig angesichts der sicherheitspolitischen Herausforderun-
gen eine gute Arbeit zum Schutz der Bevölkerung, zum
Schutz der Bürgerinnen und Bürger geleistet werden
kann. Dazu bedarf es der Loyalität der Angehörigen des
Bundeskriminalamtes und der Fürsorgepflicht des
Dienstherrn. Darauf werden wir achten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508522900

Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Kollegen

Dr. Max Stadler das Wort.

Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1508523000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! An meinem Tonfall werden Sie bemerken, dass ich
aus Bayern komme und nicht aus Nordrhein-Westfalen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Trotzdem sage ich: Das Bundeskriminalamt hat bisher
hervorragende Arbeit geleistet. Das kann und soll so
bleiben an den Standorten Meckenheim, Wiesbaden und
Berlin.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Auch als Oppositionspartei hat die FDP die Politik

des Ministers Schily immer konstruktiv begleitet. Erst
diese Woche haben wir Ihnen zugestimmt, Herr Schily,
und Ihnen Unterstützung für Ihre Pläne zur Modernisie-
rung des öffentlichen Dienstes zugesagt. Die Unterstüt-
zung kann sich aber nur auf vernünftige Entscheidungen
beziehen. Was den Umzug und die Zentralisierung des
Bundeskriminalamts anbelangt, melden wir entschiede-
nen Widerspruch an.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Unser Widerspruch bezieht sich sowohl auf das Ver-

fahren, wie die Entscheidung getroffen worden ist, als
auch auf den Inhalt der Entscheidung. Das Verfahren
war ein Dekret von oben herab. Dieser Stil, ohne mit den
Betreffenden zu sprechen und ohne sich mit dem Parla-
ment ins Benehmen zu setzen, ist nicht akzeptabel, auch
wenn es sich um eine Exekutiventscheidung des Minis-
ters handelt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wer die besseren Argumente hat, kann von Anfang an
offen informieren und diskutieren. Das ist aber in diesem
Fall nicht geschehen.

Herr Minister Schily, gestatten Sie mir eine kleine Po-
lemik. Ihnen haftet seit vielen Jahren das Etikett der Tos-
kanafraktion an;


(Hans-Peter Kemper [SPD]: Keine Diffamierungen!)


ob zu Recht oder zu Unrecht, weiß ich nicht. Ich glaube,
mit diesem Verfahren sind Sie leider – wenn auch zu Un-
recht – auf dem besten Weg, noch einer anderen Assozi-
ation Vorschub zu leisten, nämlich der Erinnerung an
Niccolò Machiavelli, den Theoretiker der Machtpolitik
aus der Renaissance. Ich glaube, eine solche Assoziation
ist nicht das, was Sie erstreben. Ich habe Sie bisher eher
so verstanden, dass Sie sich gerne als ein Förderer der
Künste und Wissenschaften wie Cosimo de’ Medici se-
hen, der als Pater Patriae – Vater des Vaterlands – be-
zeichnet wurde. Aber patriarchalische Entscheidungen
passen eben nicht mehr in die Moderne.


(Beifall bei der FDP – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das war jetzt Bildung, wegen der Eliten und so! – Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU – Gegenruf von der SPD: Die FDP hat nur ein Schmalspurprogramm!)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Max Stadler

Ich komme zum Inhaltlichen: Wenn Sie die besseren

Argumente gehabt hätten, dann hätten Sie, wie gesagt,
offen über Ihr Vorhaben informieren können. Aber was
die Arbeit des Bundeskriminalamts angeht, hat die Pra-
xis auch nach dem 11. September gezeigt, dass die sich
durch die schwieriger gewordene Sicherheitslage erge-
benden Herausforderungen gemeistert worden sind. In-
folgedessen trägt derjenige, der für eine Verlegung des
Bundeskriminalamts nach Berlin plädiert, die Beweislast
dafür, dass dieser Umzug und die damit verbundene
Zentralisierung notwendig sind.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


Wir sind schließlich nicht in der Situation, dass diese
Behörde neu zu schaffen und zunächst über ihren künfti-
gen Standort zu entscheiden wäre. In diesem Fall hätte
die Behörde ihren Sitz durchaus in Berlin bekommen
können. Aber die Behörde existiert bereits und sie arbei-
tet erfolgreich. Wer ihren Sitz verlegen will, muss be-
gründen, warum das zwingend erforderlich ist. Eine sol-
che zwingende Notwendigkeit sehen wir nicht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Darin liegt auch ein Unterschied zum Umzug des

Bundesnachrichtendienstes. Bei diesem konnte man
durchaus anderer Meinung sein. Aber – das wissen
wahrscheinlich viele nicht – ein Großteil der Arbeit des
Bundeskriminalamts besteht nicht in der Beratung der
Bundesregierung, die vor Ort erfolgen muss. Vielmehr
besteht ein Großteil der Arbeit aus reiner Ermittlungstä-
tigkeit und der Zusammenarbeit mit den Landespoli-
zeien und mit Europol, die von jedem Standort in der
Bundesrepublik – das heißt, auch in Meckenheim oder in
Wiesbaden – mit demselben Erfolg geleistet werden
kann.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Begriff der Staatssicherheit, die nach Berlin kom-
men soll, verleitet viele dazu, zu glauben, es gehe dabei
um die Bewachung von Gebäuden, Regierungsbehörden
und Ähnlichem. Dabei handelt es sich aber um nichts an-
deres als die Aufklärung von terroristischen Aktivitäten
und den Schutz vor terroristisch Anschlägen, die zur po-
lizeilichen Ermittlungsarbeit gehören und auch in der
Zuständigkeit der Polizeien bleiben sollen.

Ich möchte einen letzten Gesichtspunkt erwähnen.
Zurzeit gibt es eine Föderalismuskommission, in der wir
gemeinsam darüber diskutieren, welche zusätzlichen
Kompetenzen den Ländern eingeräumt werden sollen.
Es bildet einen Widerspruch dazu, wenn eine dezentral
arbeitende, bewährte Behörde – wenn auch eine Bundes-
behörde – nach Berlin geholt werden soll. Dafür gibt es
keine Notwendigkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508523100

Das Wort hat nun die Kollegin Silke Stokar von

Neuforn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Mal gucken, ob sie so mutig ist wie Herr Beck!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe
großes Verständnis für die Proteste der BKA-Bedienste-
ten, die es in den vergangenen Tagen auf Betriebsver-
sammlungen und öffentlichen Demonstrationen gegeben
hat. Ich wünsche von dieser Stelle aus viel Mut und viel
Erfolg für die am Samstag geplanten Demonstrationen
an den Standorten. Wir, die Fraktion der Grünen, werden
das Unsrige dazu beitragen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Oh!)

– Es ist doch schön, dass ich dem BKA einmal viel Er-
folg für eine Demonstration wünsche; das hat doch auch
etwas.

So, wie die Umzugspläne für das BKA entwickelt
wurden und wie sie den Bediensteten zur Kenntnis gege-
ben wurden, kann man mit Menschen nicht umgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist insbesondere dieser Politikstil, den ich hier angrei-
fen möchte. Wir, das Parlament, geben dem öffentlichen
Dienst sonst andere Botschaften. Wir sind der Meinung:
Demokratie lebt von Beteiligung und einen modernen
Staat kann man nur mit kreativen und kritischen Bürge-
rinnen und Bürgern schaffen. Wir wollen den öffentli-
chen Dienst modernisieren und reformieren. Dies ist nur
mit offenen Diskussionen und offenen Konzepten mög-
lich. Veränderungen dürfen in einem modernen Staat
nicht von oben verordnet werden, sondern sie sollten ge-
meinsam mit den betroffenen Mitarbeitern vorgenom-
men werden. So stellen wir uns die Reform des öffent-
lichen Dienstes vor. Ich verstehe deshalb sehr gut, dass
erwachsene Menschen, die erst aus der Presse von den
Umzugsplänen erfahren haben – der Umzug würde ei-
nen tiefen Eingriff in ihre persönliche Lebensplanung
bedeuten – und die eine hoch qualifizierte Arbeit leisten,
auf den Betriebsversammlungen deutlich gemacht ha-
ben: So lassen wir mit uns nicht umspringen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Von dem Geheimplan „Umzug des BKA nach Berlin“
haben auch wir, das Parlament, erst aus den Medien er-
fahren. Die erste Überschrift, die ich im Flugzeug in ei-
ner deutschen Zeitung gelesen habe, lautete: BKA zieht
für 500 Millionen Euro nach Berlin um.


(Zuruf von der FDP: Ist ja unglaublich! – Zuruf von der CDU/CSU: Nicht einmal der Koalitionspartner wird informiert!)


Welche politischen Botschaften sind das eigentlich, die
im neuen Jahr vermittelt werden sollen? Wie soll ich
denn die Sparpolitik, die ich in meinem Wahlkreis tapfer
verteidigt habe und die ich auch für richtig gehalten






(A) (C)



(B) (D)


Silke Stokar von Neuforn

habe – ich habe den Menschen gesagt, dass die öffentli-
chen Kassen leer sind und dass wir kein Geld mehr für
die Erfüllung wichtiger Bildungsaufgaben und sozialer
Aufgaben haben –,


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Na, was ist denn das?)

weiterhin glaubwürdig vertreten, wenn man über die
Medien erfährt, dass offensichtlich 500 Millionen Euro
übrig sind und ohne Beteiligung des Parlamentes einfach
ausgegeben werden sollen? Auch wir, die Fraktion der
Grünen, lassen mit uns so nicht umspringen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Weitermachen! Nicht aufhören! Mehr Redezeit! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Redezeitverlängerung! – Zuruf von der CDU/CSU: Zugabe!)


Wir halten das einen Tag vor der Sitzung des Innen-
ausschusses vorgelegte Konzept für nicht hinreichend
begründet. Es hat keine Priorität. Wir kennen aus vielen
anderen Ressorts nachvollziehbare Argumente für ge-
wünschte Umzüge nach Berlin, die Ministerien betref-
fen. Ich wünsche mir – auch das gehört zur Teamarbeit
im Kabinett dazu –, dass wir ein Gesamtkonzept erarbei-
ten. Für mich jedenfalls ist der Umzug von Teilen der
Ministerien, die zwei Dienstsitze haben, nach Berlin ver-
nünftig


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Jetzt fallen Sie aber stark ab!)


und hat Priorität vor dem Umzug von Bundesämtern in
die Hauptstadt.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Jetzt lassen Sie stark nach!)


Für mich ist das, was jetzt vorgeschlagen worden ist,
ein verfehlter Start in das neue Jahr.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Ich kann den Innenminister nur bitten und auffordern,
Folgendes zu beherzigen: Ergebnisoffen heißt für uns,
von vorne zu beginnen und den Diskurs mit den Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern zu suchen. Ich habe bereits
mit einigen BKA-Bediensteten über das vorliegende
Konzept gesprochen und bin zu dem Schluss gekom-
men, dass die sachlichen Einwendungen nachvollziehbar
sind. Natürlich hat die Exekutive bestimmte Aufgaben
zu erfüllen. Aber die Bereitstellung von Haushaltsmit-
teln ist Aufgabe des Parlaments. Ohne parlamentarische
Beteiligung und ohne den Neubeginn einer Konzeptent-
wicklung – vielleicht reicht es ja aus, wenn eine kleine
Einheit von zusätzlich etwa 100 BKA-Bediensteten nach
Berlin zieht – wird es keinen offenen Diskurs geben. Er-
gebnisoffen heißt für mich aber nicht: Wir beruhigen
jetzt die Gemüter, um später doch das zu machen, was
wir in der Schublade haben.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508523200

Bevor ich der Kollegin Kristina Köhler für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort erteile, weise ich darauf hin,
dass die Redezeit von Mitgliedern des Hauses nach den
Bestimmungen unserer Geschäftsordnung weder durch
die Aufforderung „Aufhören!“ verkürzt noch durch die
Aufforderung „Zugabe!“ verlängert werden kann.


(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bitte schön, Frau Köhler.


Dr. Kristina Köhler (CDU):
Rede ID: ID1508523300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! „In meinem Ministerium darf jeder das tun, was
ich will.“ So tönte laut „Spiegel“ unser Bundesinnen-
minister am vergangenen Montag in Bad Kissingen.


(Zuruf von der FDP: Hört! Hört! – Zuruf von der SPD: Ist doch schön!)


Mit derselben Selbstverständlichkeit eines absolutisti-
schen Herrschers verfahren Sie auch mit den Beamten
des BKA, frei nach der Devise: Das BKA bin ich.

Noch nicht einmal Ihre eigene Kabinettskollegin, die
Wiesbadener Abgeordnete Heidemarie Wieczorek-Zeul,
zu informieren hielten Sie für nötig, geschweige denn
die örtlichen MdBs, andere Abgeordnete oder die Innen-
politiker der eigenen Partei, der SPD. Ich frage mich, ob
die Tatsache, dass der Herr Wiefelspütz mittlerweile bei
den Grünen sitzt, schon eine erste Konsequenz daraus
ist.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das ist Klimapflege! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der versucht, uns zu disziplinieren, aber das geht nicht! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Herr Ströbele braucht dauernd Aufsicht!)


Politischer Stil ist offensichtlich keine Stärke unseres
Bundesinnenministers. Was aber viel schwerer wiegt, ist,
dass die getroffene Entscheidung einer Kosten-Nutzen-
Analyse nicht standhält und dass der Bundesinnenminis-
ter zu einer solchen Kosten-Nutzen-Analyse – zumindest
bisher – offensichtlich auch nicht bereit war. In Ihren
Stellungnahmen, Herr Bundesinnenminister, gehen Sie
nämlich ausschließlich auf den vermeintlichen Nutzen
ein. Man muss aber, wenn man eine Entscheidung trifft,
immer Nutzen und Kosten bedenken und man darf nur
dann handeln, wenn der Nutzen die Höhe der Kosten
übersteigt; ansonsten ist eine solche Veranstaltung nicht
zu rechtfertigen.

Zum Nutzen möchte ich nur Folgendes sagen – Herr
Bosbach hat dazu schon einiges ausgeführt –: Sie glau-
ben, dass die Bündelung mehrerer Behörden in einer
Stadt zu einer effizienteren Zusammenarbeit führt. Das
mag vor 20 Jahren ein gewichtiges Argument gewe-
sen sein. In einer Zeit aber, in der es schneller geht,
eine E-Mail von Meckenheim nach Berlin zu schicken,
als vom ersten in den zweiten Stock zu laufen, gilt ein






(A) (C)



(B) (D)


Kristina Köhler (Wiesbaden)


solches Argument nur noch sehr begrenzt, Herr Innen-
minister.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Per E-Mail kann keiner herrschen! Das geht nicht!)


So viel zu dem Nutzen.
Kommen wir nun zu den Kosten, von denen bei Ihnen

keine Rede ist.
Erstens. Die Höhe der direkten finanziellen Kosten

liegt bei 600 Millionen Euro. Diese Summe würde zur
Terrorismusbekämpfung wesentlich mehr beitragen,
wenn man sie beispielsweise in die dringend benötigte
Ausstattung der Polizei mit digitalen Kommunikations-
mitteln und nicht in einen Umzug investierte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Sprechen Sie mit Herrn Bouffier!)


Zweitens. In eine Kosten-Nutzen-Analyse einfließen
müssen selbstverständlich auch die sozialen Kosten.
2 000 Mitarbeiter und ihre Familien müssen ihr soziales
Umfeld verlassen und nach Berlin ziehen. Pikant ist bei-
spielsweise, dass in Wiesbaden noch vor zwei Jahren
BKA-eigene Wohnungen privatisiert und den BKA-Mit-
arbeitern zum Kauf wärmstens empfohlen wurden. Jetzt,
zwei Jahre später, heißt es eben: Ab nach Berlin!

Fast alle Mitarbeiter sind darüber verzweifelt. Ich lese
mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur zwei Sätze aus
den zahlreichen Briefen vor, die mich in den letzten Ta-
gen erreicht haben:

Die Stimmung in dieser Behörde ist kaum zu be-
schreiben. Gestandenen Kriminalbeamten treibt es
bei diesem Thema die Tränen in die Augen.

Herr Bundesinnenminister, wie motiviert werden diese
Mitarbeiter in den nächsten Jahren sein?


(Widerspruch bei der SPD – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Überheblichkeit bei der SPD!)


Drittens – dieser Punkt gehört ebenfalls auf die Kos-
tenseite –: der Verlust an Motivation und Kompetenz.
Vor allen Dingen ältere und erfahrene Mitarbeiter wer-
den über Härtefallregelungen einen Umzug nach Berlin
vermeiden können. Unsere BKA-Beamten sind so gut,
dass sich die freie Wirtschaft sehr um sie bemühen wird.
Von heute auf morgen werden dem BKA also eine
Menge hochkompetenter Kräfte verloren gehen. Herr
Minister, auch das können wir uns zurzeit nicht leisten.

Viertens: die sicherheitspolitischen Kosten. Durch ei-
nen Umzug wird die Sicherheit in Deutschland bis 2008
schwer beeinträchtigt.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Bauen Sie doch nicht wieder so einen Popanz auf! Brauchen Sie das, um sich daran zu reiben? – Gegenruf des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Herr Küster, machen Sie doch die junge Dame nicht so an!)


– Ist ja gut!

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Statt islamische Terroristen aufzuspüren oder die or-
ganisierte Kriminalität zu bekämpfen werden die Mitar-
beiter damit beschäftigt sein, Umzugskisten ein- und
auszupacken, neue Mitarbeiter einzuarbeiten und sich
mit den neuen Strukturen vertraut zu machen. Auch das
können wir nicht verantworten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Dann hätte der Bundestag auch nicht nach Berlin ziehen dürfen!)


Um eines klarzustellen: Niemand verschließt sich
notwendigen strukturellen und organisatorischen Verän-
derungen


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ihre Scheinheiligkeit!)


– wenn Sie das scheinheilig finden, ist das Ihre Sache;
die 2 000 Mitarbeiter finden das, glaube ich, nicht
scheinheilig –, aber ein Umzug, der 600 Millionen Euro
kostet, der den Umzug von 2 000 Mitarbeitern und Fa-
milien bedeutet, der die Arbeit des BKA beeinträchtigen
wird und der mit einem kaum verkraftbaren Kompetenz-
verlust verbunden sein wird, ist eindeutig überdimensio-
niert. Die Kosten stehen in keinem vernünftigen Verhält-
nis zu dem Nutzen. Deswegen appelliere ich an Sie, Herr
Bundesinnenminister: Nehmen Sie diese unsinnige Ent-
scheidung zurück!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508523400

Das Wort hat nun der Kollege Gerold Reichenbach,

SPD-Fraktion.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Wann kommt denn Frau Wieczorek-Zeul?)



Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1508523500

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Köhler, es fehlt meines Erachtens ein biss-
chen an Glaubwürdigkeit,


(Zuruf von der CDU/CSU: Bei Ihnen vielleicht!)


wenn die Szenarien, die Sie eben zu Recht beschrieben
haben, nun ausgerechnet aus einer Fraktion kommen, die
bei jeder Talkshow immer mehr Flexibilität von Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern einfordert. Es sind
nicht Sozialdemokraten, die dies so tun.


(Beifall bei der SPD)

Ich gestehe Ihnen zu: Grundlage muss eine ausführ-

liche Kosten-Nutzen-Analyse sein. Aber genau das, was
Sie dem Minister vorwerfen, haben Sie gemacht. Sie ha-
ben sozusagen per Schreiben einer Rede Ihre Kosten-
Nutzen-Analyse auf die Größe von Umzugskartons und
auf die Behauptung reduziert, dass so komplizierte Dinge
wie Organisation von Fahndung und Kommunikation in






(A) (C)



(B) (D)


Gerold Reichenbach

einem schwierigen Erkenntnisgewinnungs- und Fahn-
dungsprozess auf E-Mail-Format zu reduzieren wären.
Das ist nicht so und das wissen auch alle.

Es ist unbestritten, übrigens auch beim Personalrat,
dass es einer stärkeren Verzahnung am Standort Berlin
bedarf. Es ist unbestritten, übrigens auch in Ihren Rei-
hen, Herr Bosbach, jedenfalls immer dann, wenn es um
die Theorie geht, dass es aufgrund der veränderten Si-
cherheitslage – das ist keine Kritik an den bestehenden
funktionierenden Strukturen; es geht darum, dass wir
uns an geänderte Bedingungen anpassen müssen – einer
stärkeren Verzahnung bedarf.


(Beifall bei der SPD)

Nun wird dieser Prüfungsprozess eingeleitet. Auch

mir wäre es lieber gewesen, wenn die Art und Weise der
Information eine andere gewesen wäre; da spreche ich
auch für meine hessischen Kollegen. Wenn Sie sich hier
aber hinstellen und kritisieren – hier sitzt auch der Innen-
minister Bouffier –, dann muss ich Ihnen sagen: Ich
hätte mir gewünscht, dass Sie und Ihre hessischen Kolle-
gen die Maßstäbe, die Sie hier propagiert haben, bei der
Umstrukturierung der hessischen Ämter – dabei geht es
ebenfalls um Tausende von Beschäftigten; da werden
6 000 Plätze abgebaut –


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Aber die sollen nicht alle nach Berlin!)


an sich selber angelegt hätten.

(Beifall bei der SPD)


Dort verteidigen Sie die Gutsherrnart des Innenminis-
ters. Viele Betroffene haben es morgens aus dem Internet
oder per E-Mail erfahren oder wurden von der Presse an-
gerufen.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir wollten besser sein!)


Ihre Worte in allen Ehren, aber die Glaubwürdigkeit
fehlt; denn dort, wo Sie selbst den Innenminister stellen,
praktizieren Sie genau das Gegenteil.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Jetzt wissen wir nicht, ob Sie dafür oder dagegen sind!)


– Herr Bosbach, hören Sie doch mit dem Dazwischenru-
fen auf! Das dürfen Sie bei Frau Christiansen. Da be-
kommen Sie mehr Aufmerksamkeit. Das geht hier im
Parlament nicht.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das ist eine Landtagsrede! – Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Sie müssen in den Landtag!)


– Wenn Sie auf dem Niveau agieren, dann haben Sie
schlechte Argumente.

Es ist unbestritten, dass bei solchen Umstrukturie-
rungsprozessen aus sozialpolitischen Gründen eine Für-
sorgepflicht gegenüber dem Personal besteht. Darauf
werden wir als Sozialdemokraten auch achten. Es gibt
Familien, die da gebunden sind. Es gibt Menschen, die
Häuser haben. Es gibt Partnerschaften und Ehen, in de-
nen auch der Partner beruflich eingebunden ist, sodass
man nicht so einfach verlagern kann. Davon unberührt
bleibt die Tatsache, dass es eine Residenzpflicht gibt.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Wer darf in Meckenheim bleiben?)


Auf der anderen Seite müssen wir aber auch die fach-
liche Seite in die Abwägung einbeziehen. Auch wenn
man mit sicherheitsfachlichen Aspekten argumentiert,
muss bei einem Umstrukturierungsprozess, wenn er
denn nötig ist, auch darauf geachtet werden – da haben
Sie Recht –, ob wirklich jeder Arbeitsplatz aus Sicher-
heitsgründen verlagert oder anders vernetzt werden muss
oder ob nach der Kosten-Nutzen-Analyse auch im Sinne
dessen, was hier gesagt worden ist – Motivation, Rei-
bungsverluste – die Entscheidung umgekehrt ausfallen
muss. Das gestehen wir zu. Aber in diesen Prozess muss
eingetreten werden. Der Minister hat ausdrücklich zuge-
sagt, dass er diesen Prozess einleitet und von Anfang an
durchführt.

In diesem Sinne werden auch wir um jeden Arbeits-
platz kämpfen und nachhaken, ob es wirklich notwendig
ist, ihn zu verlagern. In diesem Sinne werden wir dafür
kämpfen, dass möglichst viele Arbeitsplätze in Wiesba-
den bleiben. Wir stellen uns aber nicht hier hin und beur-
teilen dies schon anhand der Größe von Umzugskartons
und der Menge der E-Mails.

Die außerdem aus Wiesbaden zu hörende Argumenta-
tion – der hessische Innenminister hat dies ja auch ge-
sagt –, dass dies nur der Einstieg in den Ausstieg sei und
eine Gesamtverlagerung stattfinde, entbehrt jeglicher
Grundlage. Am Standort Wiesbaden wird nicht gerüttelt
werden. Das können Sie allein daran sehen, dass für
70 Millionen Euro ein Neubau für die kriminaltechni-
sche Abteilung am Standort Wiesbaden errichtet wird.
Das heißt, dass Wiesbaden auch weiterhin ein wichtiger
Standort des Bundeskriminalamtes bleiben wird.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Natürlich!)

Wir sind dankbar, dass der Minister dies deutlich ge-
macht hat.

Wir werden den weiteren Prozess mit den Personal-
vertretungen und mit anderen begleiten und fachlich ge-
nau die Abwägung treffen, die Sie eingefordert, aber of-
fensichtlich schon längst auf einer weniger fachlichen
Ebene getroffen haben.


(Beifall bei der SPD)

Das mag politisch legitim sein. Ich sage Ihnen nicht nur
aus Gründen der Fürsorgepflicht, sondern auch aus
Gründen der Sicherheit dieses Vorgehen zu. Ich kann
Ihnen versichern, dass meine Kollegin Heidemarie
Wieczorek-Zeul und die anderen hessischen Kollegen
– Sie fragten ja danach – natürlich auch mit den hessi-
schen Landtagskollegen dafür kämpfen und sich weiter-
hin dafür einsetzen werden, dass der Hauptsitz in Wies-
baden bleibt. Das sind wir unserem Selbstverständnis als
hessische Wahlkreisabgeordnete auch schuldig. Für uns
gibt es hier aber nicht wie für Sie nur ein alles oder
nichts, sondern wir wollen ernsthaft, ehrlich und ergeb-
nisoffen prüfen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Gerold Reichenbach

Ergebnisoffenheit muss vor diesem Hintergrund für uns
alle gelten. Das heißt natürlich auch, dass wir in diesen
Prozess die Interessen des Standortes einbringen. Das
gilt sowohl für mich wie auch für Heidemarie
Wieczorek-Zeul. Da können Sie sicher sein, Frau
Köhler.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508523600

Das Wort hat nun der Kollege Professor Pinkwart,

FDP-Fraktion.


Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Rede ID: ID1508523700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion spricht sich gegen
den von Bundesinnenminister Otto Schily geplanten
Umzug des Bundeskriminalamtes von Wiesbaden und
Meckenheim nach Berlin aus. Die Planungen, meine Da-
men und Herren – das haben die Redebeiträge ja ein-
drucksvoll gezeigt –, wurden dilettantisch vorbereitet,
sind sachlich nicht geboten, finanziell untragbar, demoti-
vierend für die Mitarbeiter und mit dem Prinzip der de-
zentralen Aufgabenwahrnehmung in unserem föderalen
Gemeinwesen nicht vereinbar.


(Beifall bei der FDP, bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


Meine Damen und Herren, innere Sicherheit ist ge-
rade in Zeiten weltumspannenden Terrorismus ein hohes
Gut.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das stimmt!)

Wesentlicher Erfolgsfaktor für Sicherheit sind motivierte
Sicherheitskräfte. Voraussetzung für Motivation ist das
Vertrauen der Bediensteten in die Führung. Herr Schily,
Ihr Haus hat mit den Geheimplänen zur Verlagerung des
BKA ohne Not genau dieses Vertrauen der Beamtinnen
und Beamten grob fahrlässig aufs Spiel gesetzt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich zitiere hierzu Herrn Zachert, Ex-BKA-Chef:

Jetzt wird aber ohne angemessene Rückkopplung
mit der Belegschaft, quasi in einer Hauruck-Aktion,
nach Berlin gestartet, die Verwerfungen und be-
triebsinterne Störungen zum Beispiel im dienstli-
chen Arbeitsablauf nach sich ziehen wird. Und dies
in einer höchst sicherheitsempfindlichen Zeit.

Ich darf in dem Zitat fortfahren:
Wer das Amt kennt, weiß, dass eine Mannschaft,
die mit existenziellen Sorgen und familiären Pro-
blemen zu tun hat, den Kopf für einen bedingungs-
losen Einsatz bei der Terrorismusbekämpfung nicht
frei hat.

Damit ist doch klar – das wurde gerade auch im Haus-
haltsausschuss deutlich, in dessen Sitzung Herr Schily
freundlicherweise einige Antworten gegeben hat –: Si-
cherheitsfragen gehen vor Standortfragen. Aber dann
muss eben auch der klare Beweis erbracht werden, dass
ein derartiger Umzug, wie er hier offensichtlich im Hau-
ruck-Verfahren geplant wird, mehr Sicherheit bringt, als
wir sie gegenwärtig – in der bisherigen Struktur – in die-
sem Lande vorfinden. Genau diesen Beweis haben Sie
nicht vorgelegt, Herr Schily, auch nicht im Haushalts-
ausschuss.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


Wir wissen, dass die überwiegende Mehrzahl der Mit-
arbeiter – rund 80 Prozent – an den genannten Standor-
ten, auch in Meckenheim, bundesweit flächendeckende
Ermittlungsarbeiten durchführen. Das heißt, sie können
sie von allen Standorten aus durchführen. Das Entschei-
dende ist, dass eine hinreichende Koordination aller für
Sicherheitsfragen zuständigen Institutionen in diesem
Land sichergestellt ist. Dabei geht es nicht nur um das
BMI. Es geht auch und insbesondere, wie Herr Zachert
dargelegt hat, um den Generalbundesanwalt und andere
Einrichtungen der inneren Sicherheit. Auch andere Län-
der, die sehr zentral organisiert sind, haben in den letzten
Jahren keinen zwingenden Beweis dafür geliefert, dass
die Zentralität von Einrichtungen mehr Sicherheit bringt.


(Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/ CSU])


Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die Bundesregie-
rung, unterstützt durch die Opposition, hat in den letzten
Jahren für sich in Anspruch genommen – ich denke, zu
Recht –, dass in Deutschland alles für die innere Sicher-
heit geleistet worden ist, dank der hochmotivierten Mit-
arbeiter auch mit großem Erfolg.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Das muss ins Protokoll!)


Herr Schily, Sie haben für Ihr Vorhaben auch im
Haushaltsausschuss in keiner Weise Kosten konkretisie-
ren können, obwohl schon ein halbes Jahr an allen Be-
troffenen vorbei geplant worden ist. Ich sage hier: Wenn
Sie nach einer halbjährigen Planung weder den Nutzen
hinreichend präzisieren können noch die Kosten quanti-
fizieren können, dann handelt es sich hier nicht nur um
einen Geheimplan, sondern letztlich nur um eine unaus-
gegorene Planung. Diese unausgegorene Planung hat nur
eines, was für sie spricht: Man kann sie ganz schnell
wieder in die Schublade legen, Herr Schily.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Nicht in die Schublade, sondern in den Papierkorb!)


Dazu fordern wir Sie hiermit auf. Denn es gibt weder ei-
nen klar belegten Nutzen noch sind die Kosten geklärt
noch ist klar, wie die Mitarbeiter bei einem solchen Um-
zug, der sich über einen langen Zeitraum hinzieht, moti-
viert für Sicherheit in diesem Land sorgen sollen.

Nehmen Sie diese Pläne vom Tisch! Hören Sie auf
das, was von allen Fraktionen hier gesagt worden ist!
Tragen Sie weiterhin dazu bei, vernünftig für Sicherheit
in diesem Land zu sorgen!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508523800

Ich erteile das Wort dem Kollegen Reinhard Loske,

Bündnis 90/Die Grünen.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Wann kommt denn Frau Wieczorek-Zeul?)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Einstweilen müssen Sie noch mit mir vorlieb nehmen,
lieber Kollege.

Herr Präsident! Ich spreche hier natürlich für mich;
das ist vollkommen klar. Aber ich gebe zu – um die Kar-
ten offen auf den Tisch zu legen –: Ich komme aus Nord-
rhein-Westfalen und Meckenheim ist von dem Ort, an
dem ich lebe, nicht mehr als 15 Kilometer entfernt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Keine Schande!)

– Keine Schande; das finde ich allerdings auch.

Ich möchte in meiner Rede drei Fragen aufwerfen und
versuchen, sie auf der Basis unseres heutigen Kenntnis-
standes zu beantworten: Ist der BKA-Umzug sachlich
geboten? Ist er finanziell vertretbar, ist also die Kosten-
Nutzen-Analyse, von der schon so viel die Rede war,
ausgewogen? Ist der Umzug mit dem Prinzip der Dezen-
tralität – oder, wie es gerade hieß, mit dem Prinzip der
dezentralen Aufgabenwahrnehmung – von Bundesbe-
hörden vereinbar? Das sind die drei Fragen, die uns inte-
ressieren sollten.

Bevor ich zu diesen Fragen im Einzelnen komme,
will ich ein paar Worte zum Verfahren sagen und eine
deutliche Kritik zum Ausdruck bringen. Es ist für uns als
Parlamentarier nicht akzeptabel, von derart weitreichen-
den Entscheidungen aus der Zeitung zu erfahren. Da
hätte ich mir vom Innenminister schon mehr Offenheit
erwartet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Obwohl ich mir nicht anmaßen will, für die BKA-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sprechen – wie
käme ich dazu? –, bin ich doch der Meinung, dass BKA-
Präsident Kersten gut daran getan hätte, mit den Perso-
nalräten vorher darüber zu sprechen statt nachher. So,
wie es geschehen ist, ist das kein besonders guter Stil;
das muss man einmal ganz klar sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


Zu den Fragen im Einzelnen: Ist der BKA-Umzug von
der Sache her geboten? Ist er finanziell vertretbar? Ist er
mit dem Prinzip der dezentralen Aufgabenwahrnehmung
vereinbar? Vom BMI wird argumentiert – das werden wir
gleich vom Herrn Minister selber noch hören –, die Kon-
zentration der drei Standorte auf einen, nämlich Berlin,
sei im Wesentlichen geboten, um den Abstimmungsauf-
wand zu reduzieren und personalwirtschaftliche Hand-
lungsspielräume zu gewinnen. Das habe ich jedenfalls so
gelesen.
Die Frage ist, ob diese Argumente wirklich stichhaltig
sind. Wir meinen: nein. Das BKA arbeitet mit dem Bun-
desinnenministerium in Berlin und in Bonn, mit dem
Generalbundesanwalt in Karlsruhe und mit den Polizei-
behörden der Länder zusammen. Wiesbaden und
Meckenheim liegen da ziemlich genau in der Mitte. Aus
geographischen Gründen und aus Gründen der Koopera-
tion – das gilt erst recht im Zeitalter des Internets – ist
nicht zwingend nachvollziehbar, warum ein Komplett-
umzug stattfinden soll.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Es ist kein Komplettumzug! – Gegenruf des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Seien Sie mal ganz ruhig!)


Im Gegenteil: Man kann sogar argumentieren, dass eine
gewisse Distanz zum Machtzentrum Berlin höchst ver-
nünftig ist.

Darüber, ob die aktuelle Bedrohungslage einen Um-
zug nach Berlin nahe legt oder eher die volle Konzentra-
tion auf die anstehenden Aufgaben sinnvoll ist, kann
man sicherlich unterschiedlicher Meinung sein. Aber die
Lebenserfahrung zeigt, dass bei einem Umzug die Kraft
und die Aufmerksamkeit mehr auf den Umzug als auf
andere Dinge gelenkt wird. Wer auf der Umzugskiste
sitzt, der kann sich kaum auf seine Arbeit konzentrieren.
Das ist eigentlich eine triviale Feststellung.


(Beifall der Abg. Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU])


In Meckenheim und in Wiesbaden wird gut gearbeitet.
Ein Umzug wäre daher – das kann man ohne weiteres sa-
gen – nicht unbedingt motivationsfördernd. Das sehen
nicht nur die Personalräte und die Gewerkschaft der Po-
lizei so, sondern auch wir.

Bleibt die dritte und letzte Frage, nämlich die Frage
nach den Kosten. Exakte Zahlen sind bislang nicht be-
kannt. Das Innenministerium hat, soweit ich weiß, keine
eigenen Zahlen präsentiert. Der Presse war zu entneh-
men, die Kosten würden sich auf etwa eine halbe Mil-
liarde Euro belaufen. Das ist eine Menge Holz. Man
muss sich schon fragen, wofür man das Geld in diesen
Zeiten ausgibt. Uns fallen in der Tat andere Dinge ein,
zum Beispiel die Integration von Zuwanderern. In Berlin
– das ist ein weiteres Beispiel – streiken die Studenten,
weil den Berliner Universitäten jedes Jahr 70 Millionen
Euro fehlen. Mit dieser halben Milliarde Euro könnten
wir sieben Jahre lang diese Defizite ausgleichen. Das
wäre doch auch ein schönes Ziel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich fasse meine Argumente zusammen. Uns leuchtet
der Komplettumzug des BKA nach Berlin nicht ein.
Zwingende Gründe für diesen Umzug können wir nicht
erkennen. Im Gegenteil: Wir sehen in dem geplanten
Umzug eher Nachteile, vor allen Dingen Nachteile für
die betroffenen Regionen. Wir fordern den Bundesin-
nenminister deshalb auf, die Planung entweder zurück-
zunehmen oder bessere Argumente vorzulegen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Reinhard Loske


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das sieht aber gar nicht gut aus! Das Wort hat der Kollege Nobert Röttgen, CDU/ CSU-Fraktion. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Wo bleibt jetzt Frau Wieczorek-Zeul?)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508523900

Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1508524000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Herr Minister, Sie haben eine ergebnisoffene Prü-
fung zugesagt.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Genau!)

Wir nehmen Sie beim Wort und nehmen Ihre Ankündi-
gung ernst.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es keine Nie-
derlage ist, wenn man sich korrigiert und durch Argu-
mente zu einer anderen Einsicht und Meinung kommt.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Aber eine Premiere für ihn! – Heiterkeit)


– Es wäre etwas Neues. Aber es würde von meiner Seite
keine Häme geben. Im Dienste der Sache setzen wir da-
rauf, dass Sie Argumenten zugänglich sind.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das würde ich auch tun!)


Auch wenn es schwer fällt – man muss sich diszipli-
nieren –, will ich in den fünf Minuten meiner Rede in
dieser Debatte meine Argumente ohne Schärfe vortra-
gen. Darin liegt die Chance, eine andere Entscheidung
im Innenministerium zu bewirken.

Ich möchte zunächst über den Maßstab der Entschei-
dung sprechen; es sind diesbezüglich schon viele Ge-
sichtspunkte angeführt worden. Ich finde, der Maßstab
dieser Entscheidung sind die Sicherheitserfordernisse
der Bundesrepublik Deutschland.


(Zurufe von der SPD: Sehr richtig!)

Das ist der Maßstab, mit dem die Entscheidung beurteilt
werden muss.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Allerdings wird diese Frage nicht abstrakt „Wenn es
noch kein Bundeskriminalamt gäbe, wären wir dann der
Auffassung, dass der richtige Standort Meckenheim,
Wiesbaden oder Berlin wäre?“ gestellt. Aus föderalen
und funktionellen Gründen wäre ich der Auffassung,
dass eine Zentralisierung falsch wäre. Aber das ist eine
theoretisch-abstrakte Frage und nicht die konkrete
Frage, die Sie zu beantworten haben.

Wir haben, wie Sie, Herr Bundesinnenminister, selbst
sagen, ein exzellent funktionierendes Bundeskriminal-
amt. Es stellt sich also nicht die abstrakte Frage „Wenn
es noch kein Bundeskriminalamt gäbe, wo würden wir
es ansiedeln?“, sondern die konkrete Frage „Was bringt
der Umzug, mit dem eine Zentralisierung verbunden ist,
und was bedeutet er für die Aufgabenerfüllung des Bun-
deskriminalamts?“. Dabei muss man die Situation be-
rücksichtigen, die nicht nur durch die Entscheidung
selbst, sondern auch durch den Stil der Entscheidungs-
findung und der Entscheidungsverkündung hervorgeru-
fen wurde. Meine These ist, dass dieser Umzug – nach
meiner Ansicht kann man das auf diesen Punkt reduzie-
ren – eine Schwächung des Bundeskriminalamtes und
damit eine Schwächung der inneren Sicherheit in
Deutschland bedeuten würde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Ulrich Kelber [SPD] – Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sollten Friseur werden! Dann könnten Sie mehr an den Haaren ziehen!)


Ich möchte dafür einige Gründe nennen:

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sollten Friseur werden, dann können Sie mehr an den Haaren ziehen!)


Es wird beim Bundeskriminalamt – dort arbeiten kompe-
tente Experten – einen Aderlass geben.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie wären ein sehr guter Friseur!)


Viele von ihnen – gerade die besten – aus den wirt-
schaftsstarken Regionen Köln/Bonn und Rhein-Main
werden diesen Umzug nicht mitmachen. Sie werden in
diesen Regionen eine andere berufliche Perspektive fin-
den.

Sie werden Jahre brauchen – das sage ich Ihnen aus
der Erfahrung mit Umzügen auch in die andere Rich-
tung –, bis Sie das Expertenwissen, die Fähigkeiten und
die Kompetenz dieser erfahrenen Polizisten wieder bei
neuen Kräfte aufgebaut haben. Sie werden das Bundes-
kriminalamt über Jahre schwächen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


Die jetzige Entscheidung und deren Stil haben die
Motivation im Bundeskriminalamt auf den Nullpunkt
gebracht. Darüber werden sicherlich auch Sie sich nicht
freuen. Ich glaube, auch Sie werden in Ihrer bisherigen
Amtszeit und darüber hinaus nicht erlebt haben, dass der
Amtsleitung einer Behörde – hier einer Sicherheitsbe-
hörde – in der Breite sowie drastisch und eindeutig arti-
kuliert von der Belegschaft das Vertrauen entzogen wor-
den ist.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das ist wirklich unglaublich!)


Es ist ein einzigartiger Fall, wenn Polizisten, Experten
und Beamte, die alle ihre Pflichten kennen, in der Öf-
fentlichkeit erklären: Wir entziehen der Amtsleitung des
Bundeskriminalamtes das Vertrauen. – Dieses Desaster
haben Sie angerichtet.

Wenn Sie in dieser konkreten Situation – ich spreche
nicht von abstrakten Fragestellungen – mit dem Kopf
durch die Wand wollen, dann werden Sie die angerichtete






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Norbert Röttgen

Demotivierung ebenfalls über Jahre hinweg fortsetzen
bzw. perpetuieren. Dies ist eine Schwächung des Bun-
deskriminalamtes in einer angespannten Sicherheits- und
Bedrohungslage. Das ist nicht zu verantworten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ein weiteres Argument stimmt: Wenn es zu einem

Umzug von 2 000 Beschäftigten kommt – bei Einzelnen
fallen die Belastungen des Umzuges nicht auf –, dann
wird sich dies ebenfalls auf die Funktionsfähigkeit des
Amtes auswirken. Wenn eine so hohe Zahl von Beschäf-
tigten nicht den Kopf frei hat, sondern mit dem Umzug,
dem Hausverkauf, dem Schulwechsel der Kinder und
dem Berufswechsel des Ehepartners beschäftigt ist,
wenn das also ein Massenphänomen ist, schwächt das
die Funktionsfähigkeit.


(Zuruf der Abg. Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD])


– Ich spreche gerade von Erfahrungen aus Behördenum-
zügen in die andere Richtung. Nehmen wir diese Erfah-
rungen doch auf! – Auch das ist also eine Belastung im
Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Bundeskrimi-
nalamtes.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Hat der Bonn-Berlin-Umzug nicht geklappt?)


Ich komme zum letzten Punkt – er ist schon häufiger
genannt worden –: Der Umzug kostet rund eine halbe
Milliarde Euro. Das sind über 1 Milliarde DM; dieser
Betrag ist für die Menschen noch immer plastischer. Sie
können dieses Geld nicht durch Verschuldung aufbrin-
gen, sondern nur dadurch, dass Sie es aus der Investition
in die materielle Sicherheit abzweigen. Das ist nicht ver-
antwortbar im Hinblick auf die materielle Sicherheit und
den überschuldeten Haushalt und nicht veranwortbar ge-
genüber den Beamten und der Bevölkerung. Den Beam-
ten wird das Weihnachtsgeld gekürzt und das Urlaubs-
geld gestrichen; auch bei den Bürgern werden
Leistungen gekürzt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508524100

Herr Kollege!

Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1508524200

Ich komme zum Schluss –

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508524300

Das müsste er eigentlich sein.

Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1508524400

– er ist es auch –: Herr Minister Schily, Sie haben

schriftlich geantwortet. Das Bundeskriminalamt mit sei-
nen mehr als 5 000 Mitarbeitern gehört zu den effektivs-
ten Sicherheitsbehörden. Als Teil der Bundespolizei ge-
nießt es national und international hohe Anerkennung.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Er wird es bleiben, Herr Röttgen!)


Wir sind der Auffassung – das ist die tragende Begrün-
dung –: Nur wenn dieser Umzug unterbleibt, wird das
BKA das bleiben, was es ist: eine effektive Sicherheits-
behörde mit internationaler Anerkennung. Darum sollten
Sie Ihre Haltung korrigieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508524500

Ich erteile das Wort dem Kollegen Michael

Hartmann, SPD-Fraktion.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Noch nicht Frau Wieczorek-Zeul? – Gegenruf des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Deren Stimme ist heute belegt!)



Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1508524600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Nach diesem Weltuntergangsszenario, das uns Kol-
lege Röttgen eben an die Wand gemalt hat, ist es viel-
leicht gut und richtig, deutlich darauf hinzuweisen, dass
das Bundeskriminalamt mit seinen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern in schwierigen Lagen und auch in der Situ-
ation eines Umzugs einen hervorragenden und engagier-
ten Dienst für die innere Sicherheit leistet. Sie können
doch nicht unterstellen, dass deren Motivation ver-
schwunden ist, nur weil ein Umzug stattfindet. Dafür
sind die Leute dort viel zu gut!


(Beifall bei der SPD – Clemens Binninger [CDU/ CSU]: Gehen Sie einmal vor Ort!)


Die Belastungen sind nach dem 11. September 2001
noch größer geworden. Die Situation ist nicht einfacher
und die Arbeit der Menschen dort ist auch nicht unge-
fährlicher geworden. Deshalb haben wir, den Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeitern des Bundeskriminalamtes zu-
nächst einmal Dank zu sagen. Ich hoffe, dass uns das bei
allem Streit, den wir heute führen, eint.

Wenn wir diesen Dank aussprechen, müssen wir uns
bewusst machen, dass jede Entscheidung, die getroffen
wird, – das geht an beide Seiten des Hauses – sehr sorg-
fältig abgewogen werden muss und dass wir pfleglich
mit dem Vertrauen umgehen müssen, das uns übertragen
wurde. Deshalb war es vielleicht vonseiten der Opposi-
tion nicht immer glücklich und richtig, so zu argumen-
tieren, wie es geschehen ist. Es ist nicht verantwortungs-
voll, in einer zweifelsohne schwierigen Situation Öl ins
Feuer zu gießen, statt eine sachliche Debatte zu führen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Kabarett!)


Wir haben sauber und klar abzuwägen. Das bedeutet,
dass ein Zitat von Ihnen, Herr Kollege Stadler, richtig
war. Machiavelli ist mit Recht ein höchst umstrittener
politischer Philosoph. Aber er hat gesagt, dass zur Siche-
rung und Gewährung des innergesellschaftlichen Frie-
dens ein funktionierender Staat mit einer funktionieren-
den Polizei notwendig ist. Diese Motivation treibt den
Innenminister bei seiner Entscheidung an, die er jetzt aus
seiner Organisationshoheit heraus getroffen hat.

Wir haben natürlich auf der einen Seite genau zu ge-
wichten, wie es den Menschen geht, die im Bundeskri-
minalamt beschäftigt sind, deren Familien in der Region






(A) (C)



(B) (D)


Michael Hartmann (Wackernheim)


wohnen – ob nun in Meckenheim oder in Wiesbaden –,
die ihr Häuschen gebaut haben, die dort in Vereinen en-
gagiert sind, die dort ihre Kinder in die Schule schicken
etc. Das muss geschehen. Aber auf der anderen Seite ist
in Rechnung zu stellen, welchen Status dies hat in einer
Situation, in der die Herausforderung durch den interna-
tionalen Terrorismus, durch die organisierte Kriminalität
und vieles andere mehr so groß ist wie noch nie. Vor die-
sem Hintergrund kommen wir zu dem Ergebnis, dass so
viel Umzug wie nötig erfolgen muss und dass so viel an
den Standorten bleiben muss, wie möglich ist. Das ist
unsere Devise.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Was heißt das denn konkret?)


– Das heißt – ich beantworte das gern, Herr Bosbach –,
dass kein Mensch gesagt hat – der Bundesinnenminister
nicht, die SPD-Fraktion nicht, lokale Kolleginnen und
Kollegen nicht –, dass der Standort Wiesbaden völlig
zerschlagen werden soll. Eine ganze Menge bleibt da.

Wenn der Bundesinnenminister gelegentlich kritisiert
wird, er sei gar keiner Argumentation und gar keinem ra-
tionalen Diskurs zugänglich, so beweist gerade das, was
in diesen Tagen geschehen ist, das Gegenteil. Denn Otto
Schily war gestern in Meckenheim und in Höchst, um
mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Wiesbaden
zu reden. Man hört ja auf Ihrer Seite gern nur das, was
man hören möchte. Ich habe heute mehrfach mit Kolle-
ginnen und Kollegen, die dort arbeiten, gesprochen. Die
haben gesagt: Otto Schily hat eine prima Figur abgege-
ben, ist auf unsere Argumente eingegangen und ist be-
reit, alles auf den Prüfstand zu stellen, was notwendig
ist, um das Ganze sozialverträglich abzufedern.


(Beifall bei der SPD)

In dieser Manier soll weiter verfahren werden.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Sie haben nicht gefragt: Wann können wir umziehen?)


Sie, Herr Bosbach haben im Übrigen angedeutet
– wenn auch nur versteckt in einem Nebensatz gleich zu
Beginn der Debatte –, dass es durchaus gute Gründe
gibt, eine Verlagerung vorzunehmen. Tatsächlich gibt es
die. So schön es auch mit E-Mail und Videokonferenzen
ist; auch in Ihren Reihen sitzen genügend Polizeiprakti-
ker und -taktiker, die genau wissen, dass man in bestim-
men Situationen durch keine Videokonferenz und durch
keine E-Mail das ersetzen kann, was notwendig ist,
wenn eine Gefahrensituation auf internationaler Ebene
abgewehrt werden muss. Dann muss man miteinander
reden, an einem Tisch sitzen und diplomatische Ver-
handlungen führen. Das geht nicht elektronisch. Das ist
moderne Kriminalpolitik!


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Doch nicht 2 000 Leute! Wo sitzen 2 000 Leute zusammen?)


Wir sollten uns darauf verständigen, dieses Feinkon-
zept, das uns der Minister vorlegen wird, genau anzuse-
hen. Wir als SPD-Fraktion wollen das engagiert und of-
fensiv begleiten.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Das ist seine Entscheidung, hat er im Haushaltsausschuss gesagt!)


Außerdem wollen wir dafür sorgen, dass die Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter anständig behandelt werden. Ich
darf in Richtung der Kollegin Wieczorek-Zeul als Main-
zer Abgeordneter sagen – die Rivalität zwischen den
Städten ist ja bekannt –: Wir wollen, dass das BKA auch
weiterhin in Wiesbaden steht.


(Beifall bei der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: War das eine Drohung?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508524700

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ralf Göbel, CDU/

CSU-Fraktion.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Danach kommt aber Frau Wieczorek-Zeul?)



Ralf Göbel (CDU):
Rede ID: ID1508524800

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Der Kollege Hartmann hat eben aus seiner
Sicht überzeugend begründet, warum der Umzug not-
wendig ist.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Wenn es überzeugend war, ist es gut!)


Ich empfehle dem Kollegen Hartmann, den gleichen
Vortrag vor dem Kabinett von Ministerpräsident Beck zu
halten, der gestern mit seinem gesamten Kabinett diesen
Umzug als völlig überflüssig bezeichnet hat. Damit
könnten Sie der Landesregierung von Rheinland-Pfalz
ein bisschen nachhelfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Herr Göbel, Sie tragen aber auch Verantwortung für ganz Deutschland!)


Der Umgang des Ministers Schily mit einem so sen-
siblen Thema wie der Verlagerung von Einheiten des
BKA und der Schließung des Standortes Meckenheim
zeugt von einem Führungsverständnis, das aus meiner
Sicht anachronistisch ist. Dass die Kollegen aus dem Ka-
binett, die Regierungskoalition und die eigene Fraktion
von ihm über diesen Plan nicht informiert wurden, zeigt
der gesamten deutschen Öffentlichkeit, welche Wert-
schätzung er diesem Personenkreis entgegenbringt. Das
soll aber nicht unser Problem sein. Das ist Ihr Problem.


(Ulrich Kelber [SPD]: Weiter im Thema!)

Dramatischer – auch in den Folgen – ist die Wirkung,

die dieses Vorgehen nach Gutsherrenart auf die Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter des BKA hat. Sie werden
vom Minister häufig – und zu Recht – für ihre Arbeit ge-
lobt, die sie für uns alle gerade in dieser schwierigen Zeit
leisten. Wenn es aber um die ureigensten Bedürfnisse der
Mitarbeiter geht, nämlich um ihre Zukunftsplanung, um
die Frage, ob sie an ihrem Wohnort bleiben können, ob
sie ihre sozialen Beziehungen verändern müssen, kurz:
um die Lebensplanung, dann werden sie auf eine Art und
Weise behandelt, die wir eigentlich in unserer Republik






(A) (C)



(B) (D)


Ralf Göbel

für nicht mehr möglich gehalten haben. Dieser Umgang
mit den Mitarbeitern ist völlig unangemessen.

Und dass ausgerechnet ein Minister der Sozialdemo-
kraten den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenar-
beit mit den Personalvertretungen so missachtet, wirft
auch ein bezeichnendes Bild darauf, welche Wertschät-
zung die Personalvertretung in diesem Ministerium ge-
nießt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das ist aber nicht so!)


Herr Reichenbach, wenn es stimmt, was Sie sagen,
dass nämlich fast alles unbestritten sei, dann frage ich
mich, wie es zu diesen Personalversammlungen und die-
sen Demonstrationen kommen konnte. Der Schaden je-
denfalls, der entstanden ist, der Vertrauensverlust gegen-
über dem Minister und der Amtsleitung sowie der
Motivationsverlust der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
ist gewaltig. Er ist – wenn man die Menschen wirklich
kennt – auch nicht einfach dadurch zu beseitigen, dass
man sagt: Jetzt drehen wir das Rad wieder zurück, fan-
gen von vorn an und tun so, als ob nichts gewesen wäre.
Der Schaden ist eingetreten und es wird ein sehr schwie-
riger Prozess werden, wenn es überhaupt gelingt, das
Vertrauen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder
zu gewinnen, indem sie in diese Umzugsplanung einge-
bunden werden.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Wir haben große Hoffnungen in unseren Innenminister!)


– Ich glaube nicht, dass es da große Hoffnung gibt.
Im Übrigen – der Kollege Röttgen hat schon darauf

hingewiesen – sind bis heute Morgen bei der rheinland-
pfälzischen Landesregierung 150 Bewerbungen von
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BKA eingegan-
gen.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Woher wissen Sie denn das?)


Das wäre für Rheinland-Pfalz sicherlich eine gute Sache.
Für das BKA ist das jedoch eine schlimme Entwicklung.
Denn das zeigt, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter, die eine hohe Kompetenz besitzen, mittlerweile
nach anderen Jobs umschauen. Das schwächt die Be-
hörde entscheidend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Noch zur fachlichen Seite: In dem Konzept, das uns

sehr kurzfristig zugegangen ist, ist davon die Rede, dass
lediglich operative und ermittlungsunterstützende Ein-
heiten nach Berlin verlagert werden, natürlich ohne ge-
nau zu sagen, was unter ermittlungsunterstützenden Ein-
heiten zu verstehen ist. Ich denke aber – damit komme
ich zu den Polizeipraktikern, die angesprochen worden
sind –, dass auf lange Sicht auch die Erkennungsdienste
und die Kriminaltechnik nach Berlin gehen werden. Es
macht wohl keinen Sinn, wenn die von den operativen
Einheiten hier in Berlin sichergestellten Asservate per
Shuttlebus nach Wiesbaden zur erkennungsdienstlichen
Behandlung und kriminaltechnischen Analyse und spä-
ter wieder zurück geschickt werden müssen. Der Polizei-
taktiker wird sehr schnell sagen, dass das völliger Un-
sinn ist und folglich auch die Erkennungsdienste und die
Kriminaltechnik nach Berlin wandern müssen. So wer-
den gewiefte Polizeitaktiker – man kennt ja seine Kolle-
gen – immer eine Begründung dafür finden, warum die
Einheiten, die zunächst in Wiesbaden verblieben sind,
nun nach Berlin müssen.

Ich sehe diesen ersten Umzugsschritt als einen Schritt
an, der am Ende dazu führen wird, dass das gesamte
Bundeskriminalamt zentral in Berlin angesiedelt sein
wird. Ich kann den Minister nur auffordern, diese unse-
lige Entscheidung zurückzunehmen und zu versuchen,
den angerichteten Schaden so weit wie möglich zu be-
grenzen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508524900

Das Wort hat nun die Kollegin Ulrike Merten, SPD-

Fraktion.


Ulrike Merten (SPD):
Rede ID: ID1508525000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

möchte nicht die Begriffe Weltuntergang und Geheim-
pläne bemühen. Allerdings ist die Entscheidung der letz-
ten Woche in Meckenheim und in Wiesbaden schon wie
eine Bombe eingeschlagen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ach was!)

Dies war auch deswegen der Fall, weil sich die Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter des BKA in der Vergangenheit,
als sie nachgefragt hatten – ich habe keinen Zweifel da-
ran, dass das so gewesen ist –, auf die Zusicherung von
Herrn Kersten verlassen haben,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es nämlich! Ganz genau! Das ist der Punkt!)


dass der Standort Wiesbaden sowieso nicht infrage ge-
stellt werde, dass aber auch der Standort Meckenheim
gesichert sei. Das, was für Meckenheim geplant war und
was sich bis zum Ende letzten Jahres durch Versetzun-
gen noch verstärkt wurde, hat durchaus für die Richtig-
keit dieser Aussagen gesprochen.

Insofern möchte ich an dieser Stelle sagen: Ich finde,
dass die Empörung und auch der Unmut der betroffenen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als verständlich
sind, sind doch weder Personalvertretungen noch Abtei-
lungsleiter in diese Überlegungen einbezogen worden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ CSU und der FDP)


Ich möchte ganz deutlich sagen: Formale Entschei-
dungskompetenz ist die eine, Fürsorgepflicht und soziale
Verantwortung des Dienstherrn gegenüber den Beschäf-
tigten die genauso wichtige, andere Seite der Medaille.


(Zuruf der CDU/CSU: Bravo!)







(A) (C)



(B) (D)


Ulrike Merten

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beschäftigten

haben ihren Protest und ihren Unmut bekundet. Aber wir
machten es uns zu leicht, wenn wir das mit der Annahme
abtäten, wir hätten es hier lediglich mit umzugsunwilli-
gen, unflexiblen Beamten bzw. Bundesbediensteten zu
tun.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ CSU und der FDP – Wolfgang Bosbach [CDU/ CSU]: Sehr gute Rede!)


Vielmehr haben wir es mit Beschäftigten zu tun, die in
teilweise jahrzehntelangem Dienst in der Ermittlungstä-
tigkeit oder im Personenschutz kreuz und quer durch
dieses Land gezogen sind. Sie haben dies auf sich ge-
nommen und wollen es auch in Zukunft tun.


(Zuruf von der FDP: Sehr wahr!)

Es ist bereits gesagt worden – ich bitte, dies nicht zu

leicht zu nehmen –, dass durch die Unsicherheit solch
umfänglicher Planungen die Konzentration nicht auf die
nötige fachliche Arbeit ausgerichtet werden kann. Das
heißt nicht, dass wir es mit Leuten zu tun haben, die
nicht willig sind. Ich glaube, dass das Argument der
Sicherstellung der bundespolizeilichen Arbeit in dieser
sicherheitspolitisch höchst schwierigen Zeit, durchaus
ernst zu nehmen ist. Hier möchte ich ausdrücklich die
Bekämpfung der Terrorismusgefahr als ein wichtiges
und anerkanntes Ziel einbeziehen.

Bei meinen Gesprächen habe ich nicht den Eindruck
gewonnen, dass es bei den Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern in Meckenheim Unverständnis geben würde,
ginge es lediglich um eine Verstärkung des Standortes
Berlin, also um Aufgaben, die wirklich an den Regie-
rungssitz bzw. an das Auswärtige Amt gebunden sind.
Aber ist es nicht so, dass Zielfahndungen zum Beispiel
im Bereich der organisierten Kriminalität nicht schwer-
punktmäßig in und um Berlin herum stattfinden,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


sondern eher im Ballungsraum von Rhein und Ruhr, also
in den Städten Düsseldorf, Köln, auch in Bonn und im
benachbarten westlichen Ausland wie zum Beispiel Bel-
gien?


(Zuruf von Bündnis 90/Die Grünen: Sie müssen auch mal nach Hannover kommen!)


Ist es nicht so – ich formuliere das als Frage und maße
mir gar nicht an, in diesem Punkt kompetent zu sein –,
dass in einem föderativen Bundesstaat, den wir alle wol-
len, auch bei der Verteilung der Dienststellen auf meh-
rere Standorte die zweifelsohne notwendige Sicherheit
mithilfe moderner Technik gewährleistet werden kann?
Ich glaube, dies sollte streng geprüft werden, und den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – ich bin Ihnen, Herr
Minister, sehr dankbar, dass Sie das gestern deutlich ge-
macht haben – sollte signalisiert werden, dass Sie bereit
sind, diese Entscheidung noch einmal ergebnisoffen zu
überdenken. Das ist nicht nur für die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes, sondern auch
für die Menschen in der Region wichtig. Sie bekommen
sonst nämlich das Gefühl, dass das Bonn-Berlin-Gesetz,
auf das sie sich verlassen haben, Stück für Stück ausge-
höhlt werden soll.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das darf nicht geschehen. Die Sicherheit des Bonn-Ber-
lin-Gesetzes hat dieser Region gut getan. Sie braucht
diese Sicherheit auch weiterhin. Wir wollen mithelfen,
dass dieser Prozess, der in den letzten Jahren positiv ge-
staltet werden konnte, auch in Zukunft einen guten Fort-
gang findet.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508525100

Ich erteile nun das Wort dem hessischen Minister des

Innern, Herrn Staatsminister Bouffier.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1508525200

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ihre

Absicht, Herr Kollege Schily, das Bundeskriminalamt in
Berlin zu zentralisieren, kam für die Länder völlig über-
raschend und ist aus unserer Sicht unverständlich. Eine
Verlagerung ist für die Länder nicht akzeptabel. Das gilt
für alle Länder und nicht nur für das Land Hessen, für
das ich spreche; darin bin ich mir sicher. Wir lehnen eine
Zentralisierung aus fachlichen Gründen und aufgrund
unserer föderalen Struktur ab.

Ich spreche hier als Innenminister eines Landes, das
durch die vorgesehene und von Ihnen verkündete Verla-
gerung wesentlicher Teile des Standortes Wiesbaden
nach Berlin besonders betroffen ist. Ich spreche aber
auch im Namen vieler, wenn nicht sogar aller meiner
Kollegen. Vielem, was in dieser Debatte gesagt wurde,
kann ich zustimmen; Frau Kollegin Merten, unter Ihren
Beitrag kann ich zum Beispiel einen Haken machen.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Ist nicht nötig!)


Eine Facette wurde in dieser Debatte bisher aber noch
nicht aufgegriffen: Wir dürfen uns nicht nur mit der
Frage der Rolle des Bundes beschäftigen. Es muss auch
um die Frage gehen – Kollege Röttgen hat das auf den
Punkt gebracht –, was erforderlich ist, um die innere Si-
cherheit in dem Maße gewährleisten zu können, dass
sich die Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen kön-
nen. Das ist die Kernfrage.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: So ist es!)

Darum kann sich nicht alleine der Bund kümmern. Im
Gesetz über das Bundeskriminalamt kommt das zum
Ausdruck. Die Überschrift dieses Gesetzes lautet:

Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zu-
sammenarbeit des Bundes und der Länder in krimi-
nalpolizeilichen Angelegenheiten.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört, hört!)







(A) (C)



(B) (D)


Staatsminister Volker Bouffier (Hessen)


Aufgrund dessen kann eine Entscheidung darüber – ich
weiß nicht, ob ein Kollege sie gekannt hat; ich habe sie
der Presse entnommen –, wie das Kernstück der krimi-
nalpolizeilichen Arbeit in der Bundesrepublik Deutsch-
land arbeitet, nicht unabhängig von der Frage gesehen
werden, wie Bund und Länder zusammenarbeiten.

Es geht um mehr als nur um die Frage, die bisher dis-
kutiert wurde. Es darf nicht um Eitelkeiten gehen. Kol-
lege Schily, es ist doch unbestritten: Es gibt Gremien, in
denen wir, gerade angesichts der aktuellen weltpoliti-
schen Lage, die nicht erst seit zwei Monaten so ist, ver-
trauensvoll sprechen und uns austauschen können, ohne
die Befürchtung zu haben, dass darüber am nächsten Tag
in der Zeitung zu lesen ist. Ich bedauere sehr, dass Sie
nicht die Gelegenheit wahrgenommen haben, diese
Frage in diesem Gremium mit den Kollegen zu ventilie-
ren und gemeinsam mit uns – auch wenn Betroffenheit
besteht – die Frage zu klären, was zwingend ist, um
diese Aufgabe zu erfüllen. Ich bedauere, dass Sie das
nicht getan haben. Dadurch haben Sie ein Stück Ver-
trauen verspielt.

Jedes einzelne Land muss warnend den Finger heben.
Es wurde das Bonn-Berlin-Gesetz genannt. Im Rahmen
dieser Debatte haben wir uns nach langen Diskussionen
einvernehmlich darauf verständigt, wie die bundesstaat-
lichen Organe und die entsprechenden Behörden in der
Bundesrepublik platziert werden sollen. Jeder hat gege-
ben, von jedem wurde genommen, aber am Schluss
wurde ein Ergebnis erreicht. Man hat sich darauf verlas-
sen, dass dies definitiv ist.

Wenn die Bundesregierung dieses Übereinkommen
nun einseitig aufkündigt, dann muss allen klar sein, dass
das nicht das Problem von Nordrhein-Westfalen, Hessen
oder Bayern alleine ist; das betrifft alle Länder. Sie wer-
den die Frage stellen, wie verlässlich die Vereinbarungen
sind, die zwischen Bund und Ländern getroffen wurden
und ob sie auch in Zukunft gelten. Diese Verlässlichkeit
wurde erschüttert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich unterstreiche alles, was hier hinsichtlich der Pro-

bleme der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesagt
wurde, aber auch vieles mehr. Es ist doch unbestritten,
dass hier in Berlin besondere Aufgaben – auch bezüglich
der Führung der Sicherheitsbehörden – angesiedelt sein
müssen. Man wird aber doch fragen dürfen, ob das den
Umzug von 2 000 Mitarbeitern erfordert. Es geht hier ja
nicht um Spezialisten, die in einer bestimmten Situation
vor Ort unmittelbar am Tisch sein müssen. Wer wollte
das bestreiten? Jeder, der ein wenig von öffentlicher Ver-
waltung versteht – das ist kein Vorwurf –, der wird nicht
widersprechen können, wenn ich sage, dass es unbestrit-
ten eine hohe Anforderung an die Sicherheitsgewährleis-
tung gibt.

Herr Kollege, mit Ihrer Verkündung sorgen Sie dafür,
dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ganz ne-
benbei auch die Bürger verunsichert sind und man sich
in dieser Behörde mit einem guten Teil seiner Kraft mit
der eigenen Zukunft und der Organisation und nicht mit
den eigentlichen Aufgaben, die das Bundeskriminalamt
leisten muss, beschäftigen wird. Das kann doch niemand
ernsthaft bestreiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Nachteile liegen auf der Hand. Was sind nun

die zwingenden Gründe, die die Nachteile so stark über-
wiegen lassen, dass man zu der Entscheidung kommen
muss eine Verlagerung vorzunehmen? Ich kann diese
zwingenden Gründe bisher nicht erkennen. Wenn es sie
gibt, dann müssen sie hier oder an anderer Stelle – dies
hier ist aber das Parlament – vorgetragen werden.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Ja, hier!)

Lassen Sie uns dann darüber diskutieren.

Ich begrüße es durchaus, dass Sie gestern in Höchst
und wohl auch in Meckenheim gesagt haben, Sie wollten
die Entscheidung ergebnisoffen prüfen. Das ist in Ord-
nung. Gestatten Sie mir aber folgende Bemerkung, Herr
Kollege: Über die Begründung bin ich schon erstaunt.
Sie haben – so war es jedenfalls in der Presse zu lesen –
polizeifachliche Fragen genannt, die Sie jetzt prüfen
wollen. Wenn es in einer solchen Situation irgendetwas
gibt, das vorher geprüft werden muss, dann sind das po-
lizeifachliche Fragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich bin in der Tat erstaunt darüber, dass Ihnen dies in ei-
ner Weise vermittelt wurde, die den Sachverhalt nicht
vollkommen trifft. Es gibt Annahmen, die man so inter-
pretieren kann. Es ist aber noch nicht zu spät.

Im Ergebnis ist doch Folgendes festzuhalten: Zwin-
gende fachliche Gründe sind bisher nicht belegt. Ihre
Änderungsabsicht beinhaltet zumindest die Gefahr, dass
sich die innere Sicherheit eher verschlechtert als verbes-
sert. Durch sie wird das föderale Strukturelement der
Bundesrepublik und – das ist mir besonders wichtig –
die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bund und
Ländern untergraben. Nach diesem Vorgang kann man
sich nicht darüber wundern, wenn dieses Vertrauen in-
frage gestellt wird. Ganz nebenbei gesagt würde es auch
eine ganze Menge Geld kosten, Geld, das wir im Bereich
der inneren Sicherheit ganz sicher für andere Dinge gut
gebrauchen könnten.

Herr Kollege, Sie haben jetzt Gelegenheit, sich zu äu-
ßern.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das wird er machen! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Großmütig!)


– Nein, das ist keine Großmut. Damit Sie das verstehen:
Die Geschäftsführer haben sich hinreichend bemüht,
festzulegen, ob nun er zuerst redet oder ich. Das war für
mich kein Thema.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind hier Gast!)

Eines möchte ich am Schluss des Debatte wirklich

deutlich machen: Es ist bereits ein beachtlicher Schaden
eingetreten. Das kann niemand ernsthaft bestreiten.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: So ist es!)







(A) (C)



(D)


Staatsminister Volker Bouffier (Hessen)


Unsere Aufgabe und die des zuständigen Bundesinnen-
ministers ist es, weiteren Schaden zu vermeiden. Tun Sie
das klug! Aus der Sicht des Landes Hessen ist diese Zen-
tralisierung in der Sache nicht begründet und sie schadet
unserem gemeinsamen Anliegen. Wir haben allen An-
lass, uns auf die gemeinsamen Sicherheitsaufgaben zu
konzentrieren, nämlich die Herausforderungen des Ter-
rorismus sowie der organisierten Kriminalität und vieles
mehr. Dies fordert unsere ganze Kraft. Meines Erachtens
geht die jahrelange Beschäftigung des zentralen Kern-
stücks kriminalpolizeilicher Arbeit in dieser Republik
mit sich selbst damit überhaupt nicht einher.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508525300

Das Wort hat nun der Bundesinnenminister Otto

Schily.

(Zuruf von der CDU/CSU: Frau Wieczorek Zeul kneift!)


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1508525400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!

Ich bin ja schon dankbar dafür, dass der Kollege Röttgen
hier einen sehr sachlichen Beitrag gehalten


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Die Kollegin Merten auch!)


und einen richtigen Satz an den Anfang gestellt hat. Es
entspricht meiner Grundauffassung, dass Standortfragen
nach Sicherheitskriterien entschieden werden und sich
nicht umgekehrt die Wahrnehmung von Sicherheitsauf-
gaben an bestehenden Standortstrukturen orientieren
darf. – Diesen Satz können wir alle unterschreiben.


(Beifall bei der SPD)

Die Frage ist, welche Konsequenzen wir daraus ziehen.

Ich will daran erinnern, dass beispielsweise der
Standort Meckenheim damals deswegen gewählt wurde,
weil die Sicherungsgruppe Bonn in der Nähe der Regie-
rung sein sollte. Das ist konsequent. Das haben wir be-
kanntlich in Berlin realisiert.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist gelungen!)

– Es ist erfreulich, dass auch Sie das als gelungen anse-
hen.

Ich will an dieser Stelle auf Folgendes hinweisen: Da
Sie hier alle Schreckensszenarien an die Wand gemalt
haben, wie schlimm es sei, wenn Umzüge stattfänden,
erinnere ich in diesem Zusammenhang daran, dass in-
zwischen 300 Polizeivollzugsbeamte umgezogen sind.
Ich wüsste nicht, dass dadurch große Sicherheitseinbu-
ßen entstanden wären und dass sich die Beamten der Si-
cherungsgruppe, deren Arbeit ich sehr zu würdigen weiß
und bei denen ich mich bedanke, nur mit Umzugsfragen
beschäftigt hätten. Dies sage ich, damit diese Schre-
ckensszenarien aus Ihren Köpfen verschwinden.

Wenn wir nicht in der Lage sind, eine wichtige Be-
hörde wenigstens in Bereichen zu verlagern, dann frage
ich: Wie ist es eigentlich mit dem Leistungsvermögen
unserer Gesellschaft bestellt? Das ist der Punkt. Dauernd
wird über Mobilität und Flexibilität gesprochen. Wenn
sich diese Frage aber einmal im öffentlichen Dienst
stellt, dann heißt es auf einmal: Das geht auf gar keinen
Fall.

Sie haben Recht, Herr Kollege Röttgen: Die Beweis-
last trägt derjenige, der eine Veränderung vornehmen
will. Darüber kann man in aller Ruhe streiten. Herr Kol-
lege Bouffier meint, ich hätte eine ergebnisoffene Prü-
fung unter dem Vorzeichen polizeifachlicher Argumente
nur deshalb in Aussicht gestellt, weil mir jetzt erst einge-
fallen sei, dass ein paar polizeifachliche Gesichtspunkte
zu berücksichtigen seien. Für so töricht, lieber Kollege
Bouffier, sollten Sie weder mich noch die Amtsleitung
des Bundeskriminalamtes halten. Die gesamte Amtslei-
tung hat in ihrer Bewertung die polizeifachlichen Ge-
sichtspunkte sehr sorgfältig geprüft. Ich habe am
6. Januar noch einmal zusammen mit allen Herren, nicht
nur mit dem Präsidium, sondern mit allen Abteilungslei-
tern, gesprochen. Alle unterstützen dieses Konzept.

Darüber hinaus kam es zu einer Diskussion mit der
Belegschaft. In der Diskussion sind aus der Mitarbeiter-
schaft des Bundeskriminalamtes durchaus beachtens-
werte polizeifachliche Gesichtspunkte zusätzlicher Art
vorgetragen worden. Ich wäre absolut schlecht beraten,
wenn ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Prü-
fung dieser polizeifachlichen Gesichtspunkte verweigern
würde. Diese ergebnisoffene Prüfung werde ich durch-
führen. Das halte ich für eine selbstverständliche Pflicht.

Wie ich sehe, läuft mir die Zeit rasend schnell davon.

(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Man kann auch schneller sprechen! – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Bis jetzt haben Sie kaum was gesagt!)


Ich kann in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht,
nicht auf alle Gesichtspunkte eingehen; das ist völlig un-
möglich. Ich versichere Ihnen, dass wir die polizeifachli-
chen Argumente mit großer Sorgfalt prüfen werden, und
zwar ergebnisoffen.

Herr Kollege Bouffier, ich möchte Ihnen Folgendes
sagen: Ich wüsste nicht, dass mir Landesregierungen
ihre Entscheidungen zu Technik und Ausrüstung mittei-
len würden, dass ich also an Entscheidungen der Landes-
regierungen beteiligt würde. In der Föderalismuskom-
mission reden wir zwar über die unterschiedliche
Zuordnung von Verantwortungen. Das Bundeskriminal-
amt jedoch fällt eindeutig in Bundesverantwortung. Bei
allem Verständnis bitte ich darum, dass es in Bundesver-
antwortung bleiben wird.

Es werden gerne Vergleiche angestellt. Ich habe wie-
der das Wort „Zentralisierungsüberlegungen“ gehört.
Dankenswerterweise hat man wenigstens das Wort
„Zentralisierungswahn“ vermieden.


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Das kommt noch!)


– Das kommt noch, wenn Sie es schon ankündigen.

(B)







(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Otto Schily

Die Debatte hier unterscheidet sich übrigens ganz au-

genfällig von der sachlichen Atmosphäre in den beiden
Ausschüssen. Das will ich auch einmal sagen. Das ist
eine Erfahrung, die man macht. Bei manchen Reden
weiß ich, wie sie wirken sollen. Die sind einer sachli-
chen Diskussion nicht unbedingt zuträglich.

Ich will Sie fragen, Herr Kollege Bouffier: Wie sieht
es denn in den Ländern aus? Wo sind denn dort die Lan-
deskriminalämter? – Die sind mit Ausnahme von Meck-
lenburg-Vorpommern und Brandenburg überall in den
Landeshauptstädten. Ein Redner hat in der Debatte das
FBI angesprochen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Wer?)

Es stimmt, dass das FBI mehrere Standorte hat. Aber
schauen Sie sich einmal den Standort des FBI in Wa-
shington an. Dann wissen Sie, wie die Größenordnungen
sind. Man muss also vorsichtig sein.

Man sollte Herrn Dr. Kersten, der wirklich ein ver-
dienstvoller Präsident ist, für dessen Leistung ich mich
herzlich bedanke – das sollte hier von uns allen gemein-
sam gewürdigt werden –, nicht unterstellen, dass er
leichtfertig solche Überlegungen anstellt.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wird der verabschiedet?)


Dies geschieht vielmehr aus der Sorge,

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Sie haben noch nicht ein Argument für den Umzug genannt!)


dass wir mit der Bedrohung der Sicherheit unseres Lan-
des durch den islamistischen Terrorismus in eine neue
Situation gekommen sind. Er sagt, dass es deshalb neue
Notwendigkeiten gibt. Man hat seinerzeit aus sehr ver-
nünftigen Überlegungen heraus in Meckenheim zu der
Sicherungsgruppe die Terrorismusbekämpfungseinhei-
ten gestellt. Kommunikationseinrichtungen gab es schon
damals, wenn auch nicht in der allermodernsten Form.
Damals hat man gesagt, dass man die unmittelbare Zu-
sammenarbeit brauche. Der jetzige Ansatz von Herrn
Dr. Kersten ist, dass die Grenzen zwischen der Bekämp-
fung der organisierten Kriminalität und der des Terroris-
mus verschwimmen und dass wir heute bei der Krimina-
litätsbekämpfung eine ganzheitliche Betrachtungsweise
haben, die es notwendig macht, operative Kompetenzen
zu bündeln und Synergieeffekte bei der Bekämpfung
moderner Kriminalitätsformen zu erzielen. Ferner müs-
sen wir eine effektive und der Lage angepasste Steue-
rung erreichen und eine personalwirtschaftlich zeitnahe
und fachlich kompetente Reaktion auf besondere Situatio-
nen ermöglichen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das geht auch in Wiesbaden!)


Dabei spielt das hohe Aufkommen von Hinweisen im
terroristischen Bereich – wir haben das im Innenaus-
schuss erörtert – eine große Rolle.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das kann man auch in Wiesbaden und Meckenheim machen!)

– Ich habe Ihnen doch auch zugehört, Herr Koschyk. Sie
können sich gleich dazu noch äußern.

Es sind nach dem 11. September 2001 24 000 Hin-
weise eingegangen. Hören Sie sich doch wenigstens ein-
mal die Argumentation von Herrn Dr. Kersten in diesem
Zusammenhang etwas ausführlicher an. Diese Fragen
müssen sehr sorgfältig durchdacht werden. Das werden
wir auch im Weiteren tun.

Wir haben zunächst einmal ein Grundkonzept vorge-
legt. Es war von vornherein – das habe ich auch dem
Personalrat gesagt – in Aussicht gestellt, in die Beratun-
gen über eine Feinplanung einzutreten. Wir haben ein
Gespräch mit dem Personalrat verabredet, in dem wir
– da bin ich zuversichtlich – zu guten Ergebnissen kom-
men.

Selbstverständlich haben Sie Recht, wenn Sie sagen
– das tat auch Herr Röttgen –, man müsse sorgfältig da-
rauf achten, dass im Zuge solcher Planungen nicht Ver-
werfungen in dem Amt entstünden, die die Motivation
beeinträchtigen könnten. Als Grundforderung stelle ich
allerdings schon, dass auch ein Beamter in der Lage sein
muss, sich auf Veränderungen einzustellen.


(Beifall bei der SPD)

Das gehört zum Beamtenverhältnis.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das haben die Beamtinnen und Beamten oft genug bewiesen!)


Man kann nicht einfach sagen: Das lehne ich ab. –
Man muss aber Verständnis dafür haben, dass es Fami-
lien gibt, die Eigentum vor Ort erworben haben, dass
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Lebenspartner haben,
die ihren Arbeitsplatz dort haben, und man muss berück-
sichtigen, dass diese minderjährige schulpflichtige Kin-
der haben. Es wäre nicht in Ordnung, wenn das von mei-
nem Ministerium oder der Amtsleitung nicht
berücksichtigt würde. Wenn man Loyalität von den Be-
amtinnen und Beamten erwartet – da nehme ich den Satz
von Frank Hofmann auf –, die vorzügliche Arbeit für die
Sicherheit unseres Landes leisten, dann muss der Staat
umgekehrt auch seine Fürsorgepflichten wahrnehmen.
Das ist meiner Ansicht nach eine pure Selbstverständ-
lichkeit.

Meine Bitte an Sie ist, keine falschen Informationen
bis hin zu übertriebenen Summen hinsichtlich der Kos-
ten in Umlauf zu bringen und nicht den Verdacht zu äu-
ßern, der mit der Realität nichts zu tun hat, nämlich es
gehe um Politikberatung oder – noch schlimmer – um
politische Beeinflussung. Ich kann Ihnen vielmehr ei-
nige Lagen darstellen – in der Kürze der zur Verfügung
stehenden Zeit vermag ich das allerdings nicht –, in de-
nen eine sehr enge Kooperation auch mit den Führungs-
spitzen der Ministerien – das beschränkt sich nicht auf
das Bundesministerium des Innern; vielmehr gehören
das Auswärtige Amt, das Bundesjustizministerium wie
auch, ganz zentral, das Bundeskriminalamt und durch
die Verlagerung des BND auch diese Einrichtung dazu –
bestanden hat.






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508525500

Herr Minister!


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1508525600

Ich weiß, Herr Präsident. Ich sehe Ihr Signal und ich

sehe auch, dass mir der Kollege von der FDP-Fraktion
nicht weiter zuhören will. Das kann ich verstehen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Ich warte nur auf den nächsten Redner!)


– Ja, ich weiß.
Weil die Zusammenhänge in einem solchen Rahmen

nur sehr unzureichend dargestellt werden können, biete
ich Ihnen an, mich Ihnen – notfalls auch in öffentlicher
Sitzung – in den Fachausschüssen zur Verfügung zu stel-
len. Dann können wir über alle diese Fragen sehr sach-
lich und mit dem gebotenen Ernst reden. Ich bin froh
darüber, dass die Personalvertretung eine faire Debatte
ermöglicht hat.

Lassen Sie mich mit Folgendem schließen: Unabhän-
gig von der Frage, wie die unterschiedlichen Größenord-
nungen der Standorte beurteilt werden oder ob ein
Standort geschlossen werden soll, ist von allen aner-
kannt worden, dass eine stärkere Präsenz des Bundeskri-
minalamtes in Berlin notwendig ist. Das ist ein erfreuli-
cher Sachverhalt, der auch aus den Beiträgen der
Kolleginnen und Kollegen des Bundeskriminalamtes in
Wiesbaden sehr deutlich geworden ist. Das ist ein guter
Ausgangspunkt, um zu vernünftigen und letztlich kon-
sensualen Ergebnissen zu kommen.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508525700

Bevor ich dem Kollegen Hartmut Koschyk das Wort

erteile, weise ich darauf hin, dass nach den Regelungen
unserer Geschäftsordnung für die Durchführung von Ak-
tuellen Stunden dann, wenn ein Mitglied der Bundesre-
gierung, des Bundesrates oder einer ihrer Beauftragten
länger als zehn Minuten sprechen, § 44 Abs. 3 unserer
Geschäftsordnung Anwendung findet, wonach auf An-
trag einer Fraktion oder 5 Prozent der Mitglieder des
Hauses dazu die allgemeine Aussprache eröffnet wird.
Diesen Antrag hat die FDP-Fraktion gerade gestellt. Ich
weise darauf hin, weil es möglicherweise auch Folgen
für die anderen Fraktionen haben könnte.

Nun erteile ich dem Kollegen Hartmut Koschyk das
Wort.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1508525800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister Schily, ich bedauere es sehr, dass Sie trotz
deutlicher Überziehung Ihrer Redezeit diese Parlaments-
debatte nicht genutzt haben, um auch nur ein überzeu-
gendes Argument für die Megaverlagerung des BKA
von den Standorten Wiesbaden und Meckenheim nach
Berlin vorzubringen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Zehn Minuten dahergeredet!)


Ich will deutlich sagen, werte Kolleginnen und Kolle-
gen: Ich habe großen Respekt vor den Reden der Frau
Kollegin Merten und der Vertreter der Grünen, weil sie
sich in dieser Frage nicht in eine falsche Koalitionsräson
einbinden lassen, sondern die begründeten Bedenken ge-
gen diese Entscheidung auch hier im Parlament artiku-
lieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Minister, die Entscheidung war hinsichtlich der
Fürsorgepflicht und des Führungsstils miserabel. Sie ist,
was die polizeifachliche Begründung angeht, auch nach
Ihrer Rede nicht stichhaltig; sie ist mehr als fragwürdig
und im Hinblick auf das in dieser Zeit erforderliche Kos-
tenbewusststein völlig unverantwortlich.

Herr Minister, damit Sie nicht meinen, in eine falsche
Richtung an uns appellieren zu müssen, versichere ich
Ihnen: Natürlich sind auch wir der Auffassung, dass Be-
amtinnen und Beamte gerade im Sicherheitsbereich mo-
bil und flexibel sein müssen. Gerade diese Beamtinnen
und Beamten haben aber auch Anspruch auf Verlässlich-
keit des Dienstherrn.

Herr Minister, nach den Informationen, die mir vor-
liegen, wurde in den Personalversammlungen an den
drei Standorten des BKA sowohl im Juni als auch im
November 2003 von der Amtsleitung bekundet, dass
diese drei Standorte in vollem Umfang erhalten bleiben
sollten. Das soll auch in der Sitzung des Hauptpersonal-
rates im BMI am 17. Dezember 2003, also kurz vor
Weihnachten, von einem Vertreter des BMI bekräftigt
worden sein.


(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

Herr Minister, so lautet die Information, die mir zuge-
gangen ist. Wir haben Sie auch in der heutigen Sitzung
des Ausschusses danach gefragt. Aber weder Sie noch
Herr Kersten haben etwas dazu gesagt. Sie sollten die
entsprechenden Vorwürfe endlich einmal ausräumen.

Herr Minister, gerade am Standort Meckenheim sind
bis in das letzte Jahr hinein Verstärkungen vorgenom-
men worden, zum Beispiel in der Abteilung Staats-
schutz. Dafür sind Kollegen aus Wiesbaden und Berlin,
aber auch aus der Ausbildung heraus für den Standort
Meckenheim angeworben worden. Des Weiteren ist dort
neues Logistikpersonal eingestellt worden. Hinzu
kommt, dass erst Ende letzten Jahres ein neues, funk-
tionsfähiges Führungs- und Lagezentrum in Mecken-
heim in Betrieb genommen worden ist. Es geht um Ver-
lässlichkeit und Berechenbarkeit. Man darf einen
solchen Megaumzug nicht in einer geheimen Arbeits-
gruppe, in der Amtsleitung und im Ministerium quasi
hintenherum planen und die Menschen erst einmal ruhig
stellen, weil man mit dem großen Schock bis nach Weih-
nachten wartet. Das ist ein unverantwortlicher Führungs-
stil. Herr Minister, ich hätte mir gewünscht, dass Sie
dazu etwas gesagt hätten.






(A) (C)



(B) (D)


Hartmut Koschyk


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dass räumliche Nähe von Entscheidungsträgern keine
Gewähr für bessere Kommunikation und Kooperation
ist, zeigt gerade diese Entscheidung. Herr Minister
Schily, die anderen Minister, die mit Ihnen am Kabi-
nettstisch sitzen, haben von dieser Entscheidung, die
auch sie betrifft, erst aus der Zeitung erfahren, ebenso
wie der Koalitionspartner. Trotz großer räumlicher Nähe
kommuniziert und kooperiert man also nicht so, wie das
notwendig wäre.

Ich möchte deutlich sagen: Wir sehen in dieser Ent-
scheidung ein Stück Methode. Herr Minister, ich möchte
nicht von Zentralisierungswahn sprechen. Aber ist es
richtig, den gesamten BND mit 5 000 Mitarbeitern nach
Berlin umziehen zu lassen und dafür 1 Milliarde Euro
aufzuwenden, jetzt 2 000 Mitarbeiter des BKA nach
Berlin zu holen und dafür 500 Millionen Euro aufzu-
wenden sowie den Führungsstab der Streitkräfte von der
Bonner Hardthöhe nach Berlin zu verlagern? Die Men-
schen haben das Recht, dass das, was Politik als An-
spruch formuliert, etwas länger gilt. Wir haben im Ber-
lin/Bonn-Gesetz den Geist der föderalen Verteilung von
Einrichtungen beschworen. Herr Minister Bouffier hat
außerdem auf die unabhängige Föderalismuskommis-
sion verwiesen. Herr Minister Schily, viele Menschen
glauben Ihnen nicht mehr, wenn Sie sagen: Aber am
Standort des Bundesamtes für Verfassungsschutz in
Köln will ich nicht rütteln.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die jet-
zige Entscheidung noch einmal auf den Prüfstand ge-
stellt wird und dass wir deutlich machen, dass wir ange-
sichts der Kommunikationsmöglichkeiten unserer Tage
auch mit dislozierten Sicherheitsbehörden in Deutsch-
land die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger hin-
reichend gewährleisten können, dass wir also keine Zen-
tralisierung von Sicherheitsbehörden in Berlin brauchen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508525900

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte gern Ihr

Einverständnis dazu feststellen, dass die Redner in der
nun beginnenden Debatte wieder nur fünf Minuten Re-
dezeit haben. – Das ist der Fall.

Ich erteile das Wort dem Kollegen Reichenbach für
die SPD-Fraktion. – Wie ich gerade sehe – ich denke,
wir alle sind hinreichend flexibel –, spricht nun der Kol-
lege Wiefelspütz für die FDP-Fraktion.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: So weit geht die Liebe nicht!)


– Entschuldigung, natürlich für die SPD-Fraktion.

Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1508526000

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr

Westerwelle, ich halte von Liberalität in der SPD sehr
viel. – Ich hätte mir gewünscht, dass wir an dieser Stelle
über andere Dinge reden. Ich hoffe sehr, dass wir zur Be-
handlung wichtiger Fragen, auch der Sicherheitspolitik,
nicht solche Anlässe brauchen. Ich bin der Auffassung,
dass in diesem Land eine ganze Menge passieren muss.
Es gibt jetzt eine Föderalismuskommission, in der ich
selbst mitwirken darf. Ich sage Ihnen: Wir müssen in
diesem Land eine ganze Menge verändern, damit wir
alle miteinander besser aufgestellt sind.

Es macht auch Sinn – wenn ich das sage, dann nehme
ich keine Ergebnisse vorweg –, darüber nachzudenken,
ob – ich sage das mit allem Respekt vor der großartigen
Leistung unserer Polizeibeamtinnen und unserer Poli-
zeibeamten, der Mitarbeiter des Bundesnachrichten-
dienstes, des Verfassungsschutzes und des Innenministe-
riums – die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik
Deutschland optimal ist. Wir müssen bereit sein, zu Ent-
scheidungen zu kommen. Ich bin der festen Auffassung,
dass das nur in einem fairen Dialog mit allen Beteiligten
möglich ist.

Das darf allerdings nicht zerredet werden und man
muss auch zu Ergebnissen kommen können. Ich sage es
einmal etwas pathetisch – ich habe den größeren Teil
meines Berufslebens im öffentlichen Dienst verbracht –:
Ich arbeite dort, wo dieser Staat, mein Land, mich
braucht und nicht dort, wo ich das Land brauche. Das
gilt jedenfalls vom Grundsatz her.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen uns selbstverständlich um die Menschen

kümmern. Das heißt, dass wir uns in erster Linie nicht
um die Führungsetage, sondern um die vielen kleineren
und mittleren Bediensteten kümmern, die in der Tat Ver-
lierer von Umzugsentscheidungen sein können.

Ich bin der festen Überzeugung, dass man das, worü-
ber wir hier heute sprechen, etwas anders hätte einstielen
können. Ich bitte um Verständnis: Ich habe den Ein-
druck, dass der Bundesinnenminister die Botschaft ver-
standen hat und – das müssen wir hier nicht großartig
vertiefen – das korrigiert hat, was er selbst für korrektur-
bedürftig hält und was auch wir für korrekturbedürftig
gehalten haben. Dass Sie versuchen, das offensiv anzu-
packen, das gehört zu der Veranstaltung, die wir parla-
mentarische Demokratie nennen. Das respektieren wir.

Jetzt muss aus dieser Sache etwas Gutes gemacht
werden. Ich betone ausdrücklich: Am Anfang und am
Ende müssen die Sicherheitsbelange der Bundesrepublik
Deutschland stehen. Wir, Rot-Grün mit diesem Bundes-
innenminister, machen einen guten Job im Bereich der
inneren Sicherheit.


(Beifall bei der SPD)

Das werden wir auch weiterhin machen.

Ich sage Ihnen, Herr Grindel: Ich kenne keinen Fach-
mann in Deutschland, der bestreitet, dass wir den Stand-
ort Berlin in Sachen BKA stärken müssen. Ich will gar
nicht vorwegnehmen, was hier noch diskutiert und ent-
schieden werden muss. Es ist eine Exekutiventschei-
dung. Wir alle miteinander wollen mitreden und wir
wollen informiert werden; das ist völlig klar. Die Bot-
schaften sind hier wechselseitig angekommen. Die Füh-
rungsetage des BKA muss hier, in Berlin, gestärkt wer-
den; das ist doch wohl völlig klar.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Dieter Wiefelspütz

Ebenso ist klar, dass zumindest ein wichtiger Teil der

operativen Seite des Bundeskriminalamtes nach Berlin
gehört. Vom Fachlichen her kann man das doch ernstlich
überhaupt nicht bestreiten. Die Mitarbeiter müssen in die
Umzugsentscheidung allerdings einbezogen werden. Es
muss in der Tat nachgewiesen werden, warum die Struk-
turen so und nicht anders verändert werden müssen. Die-
sen Prozess organisieren wir gemeinsam unter der Ver-
antwortung dieses sehr bewährten und hervorragenden
Bundesinnenministers Otto Schily. Wir werden über
diese Fragestellung hier erneut – zeitnah – zu reden ha-
ben.

Ich bitte darum, dass wir alle miteinander jede Art
von Heuchelei auf diesem Sektor unterlassen. Das Bun-
deskriminalamt ist kein Landeskriminalamt, Herr Minis-
ter Bouffier.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Und ist kein Element zur Strukturverbesserung!)


Ich halte sehr viel von der guten Zusammenarbeit, die
der Bundesinnenminister immer wieder rühmt. Sicher-
heit in Deutschland wird gemeinsam von Bund und Län-
dern, und zwar unabhängig vom Parteibuch, organisiert.
Das funktioniert im Großen und Ganzen ganz hervorra-
gend. Herr Bouffier, es ist aber unsere verdammte
Pflicht, immer wieder und aufs Neue zu fragen: Welchen
Veränderungsbedarf gibt es in dieser Gesellschaft? – Re-
formen können doch wohl nicht immer nur bei anderen
und nie bei einem selber durchgeführt werden. Auch die
Sicherheitsarchitektur ist uns anvertraut worden. Wir
müssen immer bereit sein, zu überlegen, was wir auf die-
sem Sektor besser machen können.

Allerdings ergeht die herzliche Bitte, dass die Men-
schen mitgenommen werden, ernst genommen werden
und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Das
ist das Ergebnis dieser Debatte. Das garantieren wir.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508526100

Nun erteile ich dem Kollegen Willsch, CDU/CSU-

Fraktion, das Wort.

Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1508526200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Wiefelspütz, selbstverständlich haben Sie
Recht damit, dass wir Veränderungen in unserer Gesell-
schaft brauchen. Aber der Grundsatz muss doch sein,
dass wir nur dann etwas verändern, wenn die Aussicht
besteht, dass es hinterher besser wird. Es kann doch
nicht die Veränderung um ihrer selbst willen angestrebt
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Richtig! Dem stimme ich ausdrücklich zu!)


In dieser Hinsicht, Herr Innenminister, war das, was
Sie vorgetragen haben, mehr als dürftig. Es ist kein ent-
scheidender Punkt vorgetragen worden, der dafür ge-
sprochen hätte, dass all das, was noch zum 50-jährigen
Jubiläum des BKA gesagt worden ist und was an Lob für
die erfolgreiche Arbeit des BKA ausgesprochen ist,
nicht mehr gilt und dass die Arbeit durch die einschnei-
denden Maßnahmen, die Sie vorsehen, in irgendeiner
Weise verbessert werden könnte. Weil Sie verändern
wollen, müssen Sie den Beweis dafür antreten, dass das
Neue besser sein wird als das, was wir heute haben. Wir
haben erheblichen Anlass, zu vermuten, dass es zu einer
Verschlechterung kommt, zumindest für die Übergangs-
phase, unseres Erachtens aber darüber hinaus noch sehr
viel länger. Darauf geben Sie nicht die richtigen Antwor-
ten, weder im Ausschuss noch hier.


(Sebastian Edathy [SPD]: Er war doch gar nicht im Ausschuss! – Gegenrufe von der CDU/CSU: Haushaltsausschuss!)


– Heute Mittag war er bei uns im Haushaltsausschuss.
Wir haben auch dort schon einen kleinen Strauß ausge-
fochten.

Es ist bemerkenswert, mit welcher Lässigkeit Sie über
die eher zur Nachdenklichkeit anregende Bemerkung
des hessischen Innenministers hinweggegangen sind,
dass die Arbeit des Bundeskriminalamtes die Basis der
Länderpolizeien braucht, weil es über keine Fußtruppen
verfügt. Das Bundeskriminalamt kann nur arbeiten,
wenn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den
Länderpolizeien und den entsprechenden Behörden ge-
geben ist. Dass Sie die mit der Art und Weise, in der Sie
hier vorgehen, nicht befördern, ist doch wohl augenfäl-
lig.

Ich will nur noch eine Bemerkung zu Ihrem Umgang
mit den Mitarbeitern machen; das habe ich im Ausschuss
schon kurz angesprochen. – Bis in den Dezember hinein
auf Personalversammlungen und gegenüber Personal-
räten geradezu Bestandsgarantien auszusprechen oder zu-
mindest zuzulassen, dass man so verstanden wird – ich
will nicht ausschließen, dass Sie das anders gemeint ha-
ben, die Mitarbeiter es aber dann so aufgenommen ha-
ben, wie sie es mir erzählt haben –, um ihnen dann kurz
nach Weihnachten, am 5./6. Januar, dies wie einen kalten
Lappen um die Ohren zu hauen und zu sagen: „Was ges-
tern erklärt worden ist, gilt alles nicht mehr“, das ist ein
menschenverachtender Führungsstil,


(Sebastian Edathy [SPD]: Na, na, na! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber jetzt sehr hart! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!)


den ich wirklich nur zurückweisen kann. So bin ich noch
nie, in welchem Verantwortungsbereich auch immer, mit
Mitarbeitern umgegangen.

Ich möchte einen Appell an jene aus den Koalitions-
fraktionen richten, die sich hier mutig geäußert haben
und diese Entscheidung von Schily nicht einfach exeku-
tieren wollen. Der Innenminister gibt sich jetzt ein wenig
flexibel, biegsam, aber er hat deutlich gesagt, dass er
jetzt über Feinplanungen spricht, aber die Grundent-
scheidung nicht mehr infrage stellt.






(A) (C)



(B) (D)


Klaus-Peter Willsch


(Otto Schily, Bundesminister: Habe ich nicht! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Er hat von „ergebnisoffen“ gesprochen! Ergebnisoffen heißt ergebnisoffen! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Zuhören ist eine Sekundärtugend! Daran müssen Sie fleißig arbeiten!)


– Herr Innenminister, an dem anderen Ort, an dem wir
heute miteinander gesprochen haben, nämlich im Aus-
schuss, haben Sie gesagt: nicht die Grundentscheidung,
sondern die Feinplanung. – Deshalb sage ich all denen,
die Bedenken gegen diese Entscheidung haben, auch Ih-
nen, Frau Wieczorek-Zeul, die Sie nicht den Mut hatten,
heute hier zu sprechen:


(Lachen bei der SPD – Zuruf von der SPD: Was soll das denn? – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es klein! Sie dürfen doch auch erst in der Verlängerung reden! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Quatschkopf!)


Lassen Sie sich nicht einlullen! Er will diese Entschei-
dung durchexerzieren, schon allein aus grundsätzlichen
Erwägungen. Lassen Sie sich nicht einlullen, sondern
geben Sie mit uns gemeinsam Acht! Die innere Sicher-
heit in unserem Land muss uns das wert sein.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Fingerspielchen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Lassen Sie doch die Mätzchen!)


Die Mitarbeiter an beiden Standorten, die in den vergan-
genen Jahren hervorragende Arbeit geleistet haben,


(Sebastian Edathy [SPD]: Populistik!)

haben es verdient, dass wir uns als Parlament für sie ein-
setzen


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So schweißt man die Koalition zusammen!)


und damit den Beweis dafür antreten, dass das, was wir
bei Jubiläen sagen, nicht nur schöne Worte sind, sondern
auch Konsequenzen hat. Wir als CDU/CSU-Fraktion je-
denfalls werden für die innere Sicherheit und an der
Seite der Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes stehen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das war nicht hilfreich für die Sache!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508526300

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Christian

Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.

(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Altmeister der inneren Sicherheit!)

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Willsch, auch ich gehöre zu denen, die
schon immer die Meinung vertreten haben und sich jetzt
auch in der Öffentlichkeit dahin gehend geäußert haben,
dass ein Komplettumzug des Bundeskriminalamtes nach
Berlin eine falsche Entscheidung wäre. Übrigens habe
ich mich auch bereits gegen einen Komplettumzug des
Bundesnachrichtendienstes nach Berlin gewandt. Das
habe ich immer deutlich gesagt. Das sage ich auch hier.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das ist auch nicht geplant!)


Ich halte es nicht für sinnvoll, die zusätzliche Debat-
tenzeit dazu zu nutzen, all das, was in den anderthalb
Stunden vorher schon gesagt wurde, zu wiederholen,
sondern die zusätzliche Debattenzeit sollte eigentlich
dazu dienen, auf das einzugehen und uns damit zu befas-
sen, was der Minister, dem wir die zusätzliche Debatten-
zeit zu verdanken haben, gesagt hat.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Er hat ja nichts gesagt!)


Das will ich tun. Deshalb wiederhole ich die Argumente,
die vorher schon gebracht wurden, nicht noch einmal.

Ich sehe nun ein erhebliches Entgegenkommen des
Ministers in zweifacher Hinsicht. Das sage ich jetzt nicht
nur für mich, sondern auch für diejenigen aus meiner
Fraktion, die Sie von der Opposition vorhin so gelobt ha-
ben, nämlich für die Kollegin Stokar und den Kollegen
Loske, die unsere kritischen Punkte hier vorher in aller
Deutlichkeit klar gemacht haben. Wir haben den Minis-
ter nämlich so verstanden, dass er sich hier ganz eindeu-
tig dahin gehend festgelegt hat, dass er das weitere Pro-
zedere mit den Vertretern des Personalrats erörtern und
in diesem Sinne die Fragen, die offen sind, lösen will.
Dafür sind wir ihm dankbar. Diese Anregung bzw. dieses
Versprechen nehmen wir gerne auf, weil auch wir uns
gegenüber den Leuten des Personalrats verpflichtet füh-
len, deren Rechte hier im Deutschen Bundestag zur Gel-
tung zu bringen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Für mich ist es durchaus eine außergewöhnliche Situ-
ation,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das kann man wohl sagen, Herr Ströbele!)


dass sich Vertreter des Personalrats des Bundeskriminal-
amtes – also nicht irgendeiner Behörde – mit mir in Ver-
bindung setzen, um dieses Problem zu besprechen. Ich
habe deren Anliegen nicht nur deshalb von Anfang an
ernst genommen, weil auch ich die Bedenken des Perso-
nalrats hinsichtlich des Umzugs teile – meine Bedenken
gehen noch darüber hinaus –, sondern auch deshalb, weil
es ganz wichtig ist, wie der Personalrat diese Frage sieht
und wie das Vertrauen der Beschäftigten – der Personal-
rat ist ja nur die Vertretung der Beschäftigten – in die
Amtsleitung sichergestellt werden kann, damit ein
solches Amt, das die Sicherheit in der Bundesrepublik
Deutschland mit garantieren soll, übrigens auch die
Sicherheit der einzelnen Abgeordneten und der Mitglie-
der der Bundesregierung, wirksam arbeiten kann. Um
das zu erreichen, müssen wir mit denen zusammenarbei-
ten.






(A) (C)



(B) (D)


Hans-Christian Ströbele

Weiterhin sind wir froh darüber, dass der Bundesin-

nenminister gesagt hat, dass die in der Öffentlichkeit ge-
nannten Kosten für diesen Umzug nicht die realistischen
und richtigen Zahlen sind. Somit muss bei der jetzt an-
stehenden Entscheidung seine Aussage, dass ein Umzug
nicht 500 Millionen Euro bzw., wie es der Kollege
Röttgen formuliert hat, 1 Milliarde DM kosten wird, be-
achtet werden und zugleich muss sie dann auch gemein-
sam mit dem Personalrat getroffen werden.

An Diskussionen auf dieser Grundlage wollen wir uns
beteiligen. So wollen wir erreichen, dass maßvoll und al-
lein an der Sache orientiert diskutiert und letztendlich
auch entschieden wird. Somit sind Teilumzüge, wie sie
bereits geschehen sind, möglich, aber zu einem komplet-
ten Umzug, der hier heute immer wieder als Schreckens-
bild an die Wand gemalt wurde und heute immer wieder
zu Recht kritisiert worden ist, wird es nicht kommen.

Deshalb schließe ich meine Ausführungen mit der
Aussage, dass wir dem Innenminister dankbar sind,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr dankbar!)

dass er eine sachbezogene Rede gehalten hat und nicht
eine Rede, die er aufgrund der vielen Angriffe, denen
sein Amt und auch die Leitung des Bundeskriminalam-
tes ausgesetzt waren, hier hätte halten können. Wir ge-
hen auf dieses Auf-uns-Zugehen ein und wollen die Sa-
che mit ihm gemeinsam zu einer vernünftigen Lösung
bringen. Ich bedauere, der Opposition mit dieser meiner
Rede nicht mehr gedient haben zu können – vielleicht
beim nächsten Mal wieder.

Danke sehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508526400

Als letztem Redner erteile ich dem Kollegen Guido

Westerwelle, FDP-Fraktion, das Wort.

Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1508526500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Herr Kollege Ströbele, Sie haben gesagt, was für
eine verkehrte Welt das sei, dass die Beamten des Bun-
deskriminalamtes sich genötigt gesehen hätten, sich mit
Ihnen in Verbindung zu setzen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht „genötigt“! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freiwillig haben sie das gemacht!)


– Oder sich veranlasst gesehen haben. – Wenn sich Be-
amte des Bundeskriminalamtes schon an den Grünen-
Abgeordneten Ströbele wenden, dann müssen sie sehr
verzweifelt sein; davon ist auszugehen.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Das ist doch unter Ihrem Niveau!)


Herr Minister Schily, interessant ist nicht, dass Sie ge-
sprochen haben, sondern interessant ist, dass Sie in Ihrer
– das meine ich nur auf die Länge bezogen – überzoge-
nen Rede nichts gesagt haben. Man merkt, dass auch Sie
gemerkt haben: Sie haben keine Mehrheit in diesem
Hause.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das schauen wir uns bei Gelegenheit einmal an!)


Das hat die eine Seite des Hauses klar formuliert, das ha-
ben die Grünen gleich am Anfang der Debatte klar for-
muliert und es ist Ihnen auch von der Seite der Sozialde-
mokraten durch die Blume mehr oder weniger gesagt
worden.

Was Sie jetzt angetreten haben, ist ein Rückzugsge-
fecht. Da wir nicht nur über das reden wollen, was in den
letzten ein bis anderthalb Stunden gesagt worden ist,
sondern auch über das, was jetzt auf uns zukommen
wird, will ich Ihnen Folgendes sagen: Herr Kollege
Wiefelspütz, wie immer haben Sie als braver Soldat Ih-
rer Fraktion hier gesprochen und versucht, dem eigenen
Minister eine Brücke zu bauen. Aber wenn das so zu
verstehen sein sollte, dass Sie in Wahrheit die Oppositi-
onsparteien auffordern, an der Feinplanung mitzuarbei-
ten


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: So billig machen wir das nicht! – Weiterer Zuruf von der SPD: Da soll ja was bei rauskommen!)


und die Grundsatzentscheidung nicht infrage zu stellen,
dann werden Sie sich in diesem Hause mit Sicherheit
auch weiterhin mit dieser für Sie sehr pikanten und un-
angenehmen Problematik auseinander setzen müssen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/ CSU – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ergebnis offen!)


– Das Wort „ergebnisoffen“ heißt nicht, dass es noch um
die Art und Weise und die Zeitachse des Umzugs geht,
sondern es heißt, dass die Grundsatzentscheidung, die
der Minister verkündet hat, durch dieses Haus infrage
gestellt wurde. Das ist das Ergebnis der heutigen De-
batte.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Herr Minister, es ist schon ein starkes Stück, dass Sie

hier über zehn Minuten reden und nicht ein einziges
Argument vortragen, warum Sie, wie Sie im Haushalts-
ausschuss gesagt haben, 400 Millionen Euro – Steuer-
gelder – ausgeben wollen für einen Umzug, den Sie hier
augenscheinlich gar nicht fachlich begründen wollen,
möglicherweise weil Sie es nie gekonnt haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Einen solchen Umgang mit Steuergeldern in Deutsch-
land kann man mit Sicherheit nicht akzeptieren und nicht
verantworten.

Interessant ist übrigens nicht nur, wer in dieser De-
batte gesprochen und nichts gesagt hat, sondern interes-
sant ist auch, wer in dieser Debatte nichts gesagt hat,
weil er nicht gesprochen hat.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Zu welcher Kategorie gehören Sie?)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Guido Westerwelle
Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, Sie tun einem schon
Leid.


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Ich werde mich schon äußern!)


– Ich höre Sie, aber ich hätte Sie gerne hier als Rednerin
gehört.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das ist ja ein Heldenmut, den Sie da hinten zeigen, zu-
rückgezogen auf die letzten besetzten Bänke, im Schutze
Ihrer Lieben. Das ist mit Sicherheit zu wenig.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie durften doch auch nicht in der ersten Phase reden!)



(Ulrich Kelber [SPD]: Heuchelei!)

Dieser Reflex ist unfair gegenüber Menschen, die schon
aufgrund ihrer Arbeitszeiten, ihren Arbeitsorten und der
Gefahr, die ihre Tätigkeit mit sich bringt, mehr Flexibili-
tät zeigen als die meisten, über die hier regelmäßig zu
sprechen ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Beamten des Bundeskriminalamtes sind verände-

rungsbereit. Sie arbeiten zu Zeiten, zu denen andere
Menschen nicht arbeiten, und sie setzen sich Gefahren
aus, denen sich die allermeisten Menschen niemals aus-
setzen müssen.
In der Presse die große Philippika zu starten, aber hier
nicht den Mut zu haben, die eigenen Interessen, die des
eigenen Wahlkreises, die der eigenen Region – wie Sie
es definiert haben – zu vertreten, das ist für eine Bundes-
ministerin ganz schön zurückhaltend, um andere Worte
zu vermeiden.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das war ganz schön billig! – Norbert Schindler [CDU/CSU]: Erbärmlich!)


Interessant ist übrigens auch, wer auf der Bundesrats-
bank sitzt und wer dort nicht sitzt. Das Land Hessen ist
hier vertreten. Man kann zu der Regierung stehen, wie
man will; ich stehe als Liberaler in Opposition zu dieser
Regierung.


(Zuruf von der SPD: So viel zum Thema eigenes Profil!)


Interessant ist aber auch, dass die nordrhein-westfälische
Regierung es nicht einmal für nötig hält, die Interessen
des eigenen Bundeslandes hier im Deutschen Bundestag
zu vertreten. Das ist – dies will ich als Nordrhein-West-
fale hinzufügen – schändlich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese künstliche Empörung! Das ist doch Heuchelei!)


Zum Schluss, Herr Bundesinnenminister. Es stimmt
nicht, dass Beamte keine Veränderungsbereitschaft zei-
gen würden.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Klientelpolitik!)


Denen mangelnde Veränderungsbereitschaft vorzuhalten
ist in meinen Augen schon ein starkes Stück.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht nicht um mangelnde Veränderungsbereit-
schaft. Es geht vielmehr darum, dass Sie keinen einzigen
fachlichen Grund vortragen konnten, warum
400 Millionen Euro Steuergelder ausgegeben werden
sollen. Sie sind mit Ihrem Plan gescheitert. Das ist das
Ergebnis dieser Debatte.


(Beifall bei der FDP und der CDU/ CSU – Zuruf von der SPD: Kein Satz zum Inhalt!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508526600

Ich schließe die allgemeine Aussprache im Anschluss

an die Aktuelle Stunde.
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-

nung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-

destages auf morgen, Donnerstag, den 15. Januar 2004,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.