Gesamtes Protokol
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist er-öffnet. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag und uns einegute und konzentrierte Beratung.Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zurÄnderung des Erneuerbare-Energien-Geset-zes– Drucksache 15/1067 –Überweisungsvorschlag:A. f. Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
A. f. Wirtschaft und ArbeitInterfraktionell ist vereinbart worden, dass eine Aus-sprache dazu nicht erfolgen soll. – Ich stelle fest, dassSie damit einverstanden sind.Wir kommen damit gleich zur Überweisung diesesGesetzentwurfes. Interfraktionell wird vorgeschlagen,den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/1067 an die in derTagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen.Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist offen-kundig nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so be-schlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:zddEbdvubugegwtdugiWkDWwRedetBefragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Weltweit aktiv – Außenwirt-schaftsoffensive der Bundesregierung für mehrWachstum und Beschäftigung.Für den einleitenden fünfminütigen Bericht erteile ichdem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit,Wolfgang Clement, das Wort.Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftund Arbeit:Das Kabinett hat sich heute mit dem Themwirtschaftsoffensive der Bundesregierung“ bIn der gegenwärtigen weltwirtschaftlichenkommt der Außenwirtschaft eine erhebliche
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3914 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Herr Minister, meine letzte Frage: Bei der Messeför-
derung gibt es zwei Dinge neben der Tatsache, dass man
sie ausweiten sollte, wenn es sinnvoll ist. Zum einen
wird immer wieder geklagt, dass Gemeinschaftsstände
gar nicht zustande kommen, wenn weniger als zehn Un-
ternehmen beteiligt sind. Sollte man das nicht sinnvol-
lerweise flexibler handhaben und nicht eine solche starre
Grenze einführen?
Meine zweite Teilfrage geht dahin, dass die Europäi-
sche Union einmal angemahnt hat, dass eine zweite För-
derung desselben Unternehmens unter Beihilfegesichts-
punkten fragwürdig sei. Ist das abgewehrt oder können
da Probleme entstehen? Denn wir wissen, dass viele Un-
ternehmen mit einem Auftritt auf einer Messe noch nicht
im Weltmarkt verankert sind.
Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit:
Was das Verhältnis zu den Ländern angeht, so habe
ich da – ich bitte um Verständnis – eine andere Ansicht.
Ich bin zwar für mehr Klarheit und für eine Koordination.
Ich bin aber schon dafür, dass die Länder ihre Aktivitäten
entwickeln können. Um es ganz offen zu sagen – da bin
ich nicht verdächtig –: Wenn Sie den Auslandsauftritt
Bayerns erleben und den Ruf Bayerns in Amerika be-
trachten, dann wissen Sie, dass das ein Wert an sich ist.
Warum sollen wir den zurücknehmen? Ich könnte das
auch für Nordrhein-Westfalen sagen. Aber Bayern hat
nun einmal einen hervorragenden internationalen Ruf,
Baden-Württemberg ebenfalls. Ich will jetzt nicht alle
Länder aufzählen.
Das würde ich nicht unterschätzen. Ich glaube, dass
es klug ist, wenn wir das besser koordinieren. Man kann
den Messeauftritt auch optisch besser als bisher gestal-
ten. Aber ich finde, dass sich die Länder dort stark enga-
gieren und dies auch weiterhin tun sollten. Ich könnte
auch nichts anbieten, Herr Kollege. Ich kann nicht anbie-
ten, dass der Bund mehr Geld ausgibt. Das wäre die na-
türliche Folge, wenn ich den Ländern nahe legen würde,
sich etwas zurückzuziehen. Das würde der Finanzminis-
ter nicht mitmachen.
Über das IIC haben wir mit den Wirtschaftsministern
der ostdeutschen Länder gesprochen. Da gibt es jetzt,
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Die kenne ich, offen gesagt, nicht. Mir ist das bisher
icht bekannt. Ich hielte es aber für abwegig, wenn es
ur einen einzigen Messeauftritt geben dürfte. Ein Mes-
eauftritt allein ist keine Förderung, sondern Unterhal-
ung, also Entertainment.
Ich glaube, dass wir eine gewisse Kontinuität hinbe-
ommen müssen. Daran haben wir ein sehr starkes Inte-
esse, weil es für kleine und mittlere Unternehmen sonst
aum eine Chance gibt, auf internationaler Ebene tätig
u werden. Bisher sind unsere kleinen und mittleren Un-
ernehmen auf internationaler Ebene zu wenig vertreten.
eshalb ist diese Förderung sehr wichtig. Ich sehe auch
icht, dass sie in irgendeiner Weise einen Beihilfecha-
akter annimmt.
Gibt es weitere Fragen zu dem Bericht des Bundes-irtschaftsministers? – Das scheint nicht der Fall zuein. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigenabinettssitzung oder sonstige Fragen an die Bundesre-ierung über die schriftlich eingereichten Frageninaus? – Letztere gibt es viele; sie sollen aber offenkun-ig heute nicht öffentlich vorgetragen werden.Dann darf ich mich herzlich bei Ihnen bedanken, Herrinister, und schließe damit die Befragung der Bundes-egierung ab.Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:Fragestunde– Drucksache 15/1077 –Die Geschäftsbereiche werden in der Reihenfolgeufgerufen, die Ihnen auf Drucksache 15/1077 mitgeteiltorden ist.Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3917
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammertder Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär HansGeorg Wagner zur Verfügung.Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Dr. Gesine Lötzschauf:Trifft es zu, dass Kriegsschiffe der ehemaligen NVA-Flotteder DDR – die Anfang der 90er-Jahre mit Genehmigung derBundesregierung an Indonesien unter der Auflage verkauftwurden, dass diese Schiffe nur für den Küstenschutz, für dieSicherung der Seewege gegen Piraterie und gegen den Dro-genschmuggel eingesetzt werden; unter anderem die TelukGilimanuk, die früher den Namen Hoyerswerda trug – offen-kundig vertragswidrig bei einer vom indonesischen Präsiden-ten angeordneten Militäroffensive gegen die Unabhängig-keitsbewegung in Aceh eingesetzt wurden, und, wenn ja, washat die Bundesregierung gegen diese Vertragsverletzung un-ternommen?H
Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Lötzsch, mit Vertrag
vom 24. November 1992 hat der Bundesminister der
Verteidigung Ex-NVA-Schiffe an Indonesien verkauft.
Die Zweckbestimmung der Schiffe bezieht sich vertrags-
gemäß auf den Küstenschutz, die Sicherung der Seewege
sowie die Bekämpfung der Piraterie, insbesondere im
Bereich des Drogenhandels. Die genannten Einsatzzwe-
cke haben für Indonesien mit seinen mehr als 14 000 In-
seln erhebliche Bedeutung.
Nach ersten Erkenntnissen sind bei der Aceh-Operation
circa 20 indonesische Schiffe im Einsatz, darunter auch
Ex-NVA-Schiffe. Dabei werden die genannten 20 Schiffe
dem Anschein nach unter anderem für Mannschafts-
transporte, aber auch für den Transport von Lebensmit-
teln für die Bevölkerung von Aceh eingesetzt.
Der Bundesregierung ist der konkrete Einsatz von Ex-
NVA-Schiffen zurzeit nicht hinreichend bekannt, um
eine abschließende sachliche und rechtliche Bewertung
vornehmen zu können.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Wie und auf welchem
Weg hat die Bundesregierung davon erfahren, dass die
Schiffe auch zum Transport von Truppen verwendet
werden, und wie gedenkt die Bundesregierung zu einer
„abschließenden Bewertung“ – wie Sie es ausgedrückt
haben, Herr Staatssekretär – dieses Vorgangs zu kom-
men?
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Die Frage, in welchem Umfang die Schiffe auch zum
Transport von Truppen eingesetzt werden, ist zunächst
einmal hypothetisch, weil das der Bundesregierung nicht
hinreichend bekannt ist. Die Sach- und die Rechtsfrage,
die Sie angesprochen haben, müssen noch abschließend
geklärt werden.
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Herr Kollege Marschewski, wenn Sie Ihr Einzugs-
empo noch ein klein wenig beschleunigen könnten,
ann bestünde die Möglichkeit, die beinahe schon zur
chriftlichen Beantwortung überwiesenen Fragen noch
ündlich zu beantworten.
Wir kommen zu Frage 4 des Kollegen Erwin
arschewski:
Inwieweit stimmt die Bundesregierung der Rechtsauffas-
sung zu, wonach Art. 49 Abs. 1 des Vertrages über die Euro-
päische Union, EUV, für die Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Union bindend ist, dem Beitrittsgesuchen eines Staates
nur zuzustimmen, wenn dieser die in Art. 6 Abs. 1 EUV fest-
geschriebenen Grundsätze achtet, und welche eigenen Prüfun-
gen hat die Bundesregierung unternommen, um die Einhal-
tung der in Art. 6 Abs. 1 EUV genannten Grundsätze in
Bezug auf die Beitrittskandidaten zu überprüfen?
Herr Staatsminister Bury, bitte.
Herr Präsident, ich hatte schon vermutet, dass derollege Marschewski in der Zwischenzeit die Gelegen-eit wahrgenommen hat, meine Antwort auf die Kleine
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3918 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Staatsminister Hans Martin BuryAnfrage der Abgeordneten Bosbach, Marschewski undanderer vom 8. April zu lesen; denn in dieser KleinenAnfrage sind die gleichen Fragen gestellt, die heute er-neut eingereicht worden sind. Wenn Herr Marschewskiin der Zwischenzeit die Gelegenheit zum Lesen meinerAntwort nicht gehabt haben sollte, möchte ich gernenoch einmal auf die gestellten Fragen antworten.Nach Art. 49 Abs. 1 des EU-Vertrags ist die Achtungder in Art. 6 Abs. 1 des EU-Vertrags genannten Grund-sätze eine Voraussetzung für die Beitrittsfähigkeit neuerMitgliedstaaten. Der Beitrittsantrag wird an den Rat alsOrgan der EU gestellt. Dieser beschließt einstimmignach Anhörung der Kommission, das heißt, er stützt sichunter anderem auf deren Bewertung, und nach Zustim-mung des Europäischen Parlaments. Nur wenn der Rateinstimmig zu der Überzeugung gelangt ist, dass einBeitrittskandidat die Voraussetzungen für den Beitritt er-füllt, fasst er einen positiven Beschluss über dessen Bei-trittsantrag. Die daraufhin erforderliche Anpassung derVerträge wird durch einen Vertrag geregelt, der von denMitgliedstaaten und den Beitrittsländern ratifiziert wer-den muss. Den Entscheidungen über den Beitritt liegenjeweils die Analysen der Europäischen Kommission undauch deren Fortschrittsberichte zugrunde. Diese wurdenvon der Bundesregierung sorgfältig geprüft und mit ei-genen Erkenntnissen einschließlich der Berichterstattungder deutschen Auslandsvertretungen abgeglichen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Marschewski.
Herr Präsident! Herr Staatsminister, ich habe natür-
lich Ihre Antwort gelesen. Weil diese Antwort unvoll-
ständig und oberflächlich ist und weil ich meine, dass
das Fragerecht des Parlaments missachtet worden ist,
habe ich die betreffenden Fragen erneut gestellt. Sie ha-
ben nur auf Verfahrensfragen und nicht auf das geant-
wortet, wonach ich gefragt habe. Ich frage deshalb noch
einmal: Was hat die Bundesregierung genau unternom-
men, wenn sie schon der Auffassung ist, dass Art. 49
und Art. 6 des EU-Vertrags Gültigkeit haben? Ich
möchte wissen, welche konkreten Handlungsschritte die
Bundesregierung in Bezug auf die Verträge unternom-
men hat.
Herr Kollege Marschewski, ich habe Ihnen gerade
eben – ebenso wie in meiner Antwort auf Ihre Kleine
Anfrage – das Verfahren präzise beschrieben und auch
gesagt, auf welche Erkenntnisse sich die Bewertung
stützt.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, das Verfahren kenne ich natür-
lich. Ich habe aber gefragt, was die Bundesregierung
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Wie bewertet die Bundesregierung die fortdauernde Gel-
tung des als „Straffreistellungsgesetz“ bezeichneten, in der
Tschechoslowakei verabschiedeten, Gesetzes Nr. 115 aus dem
Jahre 1946 vor dem Hintergrund der sich aus Art. 49 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EUV ergebenden Verpflichtung
und was gedenkt die Bundesregierung vor diesem Hinter-
grund zu unternehmen?
Hinsichtlich des so genannten Straffreistellungsgeset-
es, Gesetz Nr. 115, gilt für die Bundesregierung die
eutsch-tschechische Erklärung von 1997, in der die
schechische Seite die im Zusammenhang mit der Ver-
reibung stehenden „Exzesse, die im Widerspruch zu ele-
entaren humanitären Grundsätzen“ stehen, bedauert.
ie bedauert ebenfalls, dass es „aufgrund des Gesetzes
r. 115 vom 8. Mai 1946 ermöglicht wurde, diese Ex-
esse als nicht widerrechtlich anzusehen, und dass infol-
edessen diese Täter nicht bestraft wurden“.
Eine Zusatzfrage.
Herr Präsident! Herr Staatsminister, natürlich kenne
ch die Erklärung von 1997, in der die Exzesse bedauert
erden. Da ich aber auch weiß, dass Herr Spidla, der
eue Ministerpräsident, gesagt hat, die betreffenden De-
rete und das Straffreistellungsgesetz, das Verbrechen an
ngarn und Deutschen für nicht rechtswidrig erklärt,
eien gültig und werden weiter gültig sein, frage ich:
as tut die Bundesregierung, um eine Änderung zu er-
eichen?
Herr Kollege Marschewski, die jetzige Bundesregie-ung – das gilt im Übrigen auch für alle vorherigen Bun-esregierungen – hat die entschädigungslose Enteignungnd Ausbürgerung Deutscher aus der ehemaligen Tsche-hoslowakei auf der Grundlage der Benes-Dekrete im-er für völkerrechtswidrig gehalten. Die deutscheechtsauffassung ist der Tschechischen Republik be-annt. In einer Resolution vom 24. April 2002 erklärtas tschechische Parlament einstimmig, dass die Benes-ekrete konsumiert sind und auf ihrer Grundlage heuteeine neuen rechtlichen Verhältnisse mehr entstehen
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3919
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Staatsminister Hans Martin Burykönnen. Auf die Deutsch-Tschechische Erklärung von1997 habe ich bereits in der vorangegangenen Antworthingewiesen.Wichtig ist mir Folgendes: Gegenstand dieserDeutsch-Tschechischen Erklärung ist auch die gemein-same Auffassung, dass beide Seiten ihre Beziehungenzukunftsgerichtet weiterentwickeln und nicht mit aus derVergangenheit herrührenden politischen und rechtlichenFragen belasten wollen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Marschewski.
Herr Staatsminister, sind Sie mit mir einer Meinung,
dass zukunftsgerichtete Politik auch beinhaltet, sich mit
der Vergangenheit auseinander zu setzen? Ich verstehe
deshalb nicht, dass Herr Spidla einfach sagen kann, diese
Straffreistellungsgesetze zum Beispiel seien gültig, wür-
den weiter gültig sein, möglicherweise mit Konsequen-
zen, und ich bitte Sie, etwas dagegen zu unternehmen.
Herr Kollege Marschewski, ich stimme Ihnen darin
zu, dass sich zukunftsgerichtete Politik mit der Vergan-
genheit auseinander setzen muss. Ganz im Geist der
Deutsch-Tschechischen Erklärung will ich Ihnen aber
sagen, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangen-
heit nicht den Blick auf die gemeinsame Zukunft verstel-
len darf.
Zusatzfrage, Herr Koschyk.
Herr Staatsminister, hat denn die Bundesregierung ge-
prüft, ob dieses Straffreistellungsgesetz, das Gesetz
Nr. 115, noch bis heute Wirkungen entfaltet, und, wenn
ja, ob diese mit Art. 49 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6
Abs. 1 des EU-Vertrages in Einklang stehen?
Herr Kollege Koschyk, auch Ihnen muss ich jetzt mit
dem Verweis auf das bereits vorher dargestellte Verfah-
ren antworten. Auch jenseits dieses Verfahrens liegen
uns keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Grundsätze
in den Ländern, die zum 1. Mai 2004 der EU beitreten
werden, nicht eingehalten würden.
Zusatzfrage, Herr Kollege Rose.
Herr Staatsminister, ist Ihnen die Erklärung des Euro-
päischen Parlaments bekannt, in der es heißt, dass nach
dem Beitritt der Tschechischen Republik alle Bürger der
Europäischen Union auf dem Gebiet des Landes die glei-
chen Rechte haben, dass In-absentia-Urteile außer Kraft
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Herr Staatsminister, wir führen keine wechselseitige
efragung durch. Aufgerufen ist die Fragestunde.
a bleibt es Ihnen natürlich völlig unbenommen, zu ent-
cheiden, ob überhaupt und, wenn ja, wie Sie eine ge-
tellte Frage beantworten wollen.
Ich kann nur verweisen auf die Antworten auf die be-
eits mehrfach angesprochene Kleine Anfrage, die sich
it dem exakt gleichen Sachverhalt und mit den teil-
eise wörtlich gleichen Fragen befasst, und auf die zu-
or auf die Fragen der Kollegen gegebenen Antworten.
Weitere Zusatzfragen zu diesem Komplex liegen
icht vor.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
esministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beant-
ortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
r. Staffelt zur Verfügung.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich bitte darum, dass ich zu Beginn eine kurzeinführung zu den Fragen 6 bis 11 der Abgeordnetenr. Pfeiffer, Hochbaum und Dr. Kues voranstellen darf.Im Rahmen der so genannten Länderexamen ist es einbliches Verfahren, dass ein vom OECD-Sekretariat er-tellter Länderberichtsentwurf nach der Diskussion imänderprüfungsausschuss, in dem alle OECD-Länderertreten sind, nachträglichen Änderungen unterzogenird. Diese dienen der sachlichen Richtigstellung vonatbeständen. Änderungen am Berichtsentwurf könnenabei sowohl vom geprüften Land selbst als auch vonen übrigen im EDRC vertretenen Ländern vorgebrachterden. Gegebenenfalls gewünschte Berichtsänderun-en werden vom OECD-Sekretariat in den Berichtsent-urf eingearbeitet und abschließend noch einmal allenändern zur Einsicht- und Stellungnahme vorgelegt.uch jetzt sind noch Änderungen am Bericht möglich.Erst nach Zustimmung aller dort vertretenen Länderu dem Berichtsentwurf ist die OECD zur Publikation
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3920 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffeltautorisiert. Dieses Verfahren lag auch der Erstellung desDeutschlandberichts zugrunde, auf den sich Ihre Fragenbeziehen. Insoweit treffen die in Ihren Fragen geäußer-ten Behauptungen, dass Passagen dieses Berichts „aufWunsch der Bundesregierung“ gestrichen oder geändertwurden, nicht zu. Dieser Bericht gibt die Meinung derOECD wieder. Diese entspricht keineswegs immer auchder Auffassung der Bundesregierung.
Ich rufe nun die Frage 6 des Abgeordneten
Dr. Joachim Pfeiffer auf:
Teilt die Bundesregierung die Meinung, dass neben der
Steigerung der Flexibilität auch grundlegende Schritte zur
„Senkung der Arbeitskosten“ erforderlich sind?
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Herr Präsident, ich möchte die Fragen 6 und 7 gern
gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 7 des Abgeordneten
Pfeiffer auf:
Wenn ja, warum ist diese Passage aus dem Entwurf des
Wirtschaftsberichts Deutschland Januar 2003 der Organisa-
tion für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
OECD, auf deutschen Wunsch hin – vergleiche „Handels-
blatt“ vom 28. Mai 2003 – gestrichen worden?
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Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass neben
der Steigerung der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt
grundlegende Schritte zur Senkung der Arbeitskosten
notwendig sind. Der Deutschlandbericht der OECD
weist an mehreren Stellen darauf hin, dass zur Stärkung
der Wachstumskräfte in Deutschland unter anderem
grundlegende Reformschritte auf dem Arbeitsmarkt not-
wendig sind. Dazu gehört laut OECD vor allem die Er-
höhung der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt.
Die von der Bundesregierung bereits umgesetzten wie
auch die geplanten Strukturreformen – Agenda 2010 –
tragen zu mehr Wachstum und Beschäftigung bei. Mit
den in der Agenda 2010 vorgesehen Maßnahmen werden
die Arbeitsmärkte durch strukturelle Reformen flexibili-
siert, die Lohnnebenkosten gesenkt und die Anreize zur
Aufnahme einer regulären Beschäftigung verbessert. Die
von der Bundesregierung eingeleiteten Reformschritte
werden von der OECD nachdrücklich begrüßt.
Da Herr Staffelt beide Fragen zusammen beantwortet
hat, haben Sie, Herr Pfeiffer, bis zu vier Zusatzfragen.
Herr Kollege Pfeiffer, bitte schön.
Herr Staatssekretär, Sie haben darauf hingewiesen,
dass es offensichtlich sachlich unterschiedliche Bewer-
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Ich glaube, dass sie damit ganz in der Kontinuität allerundesregierungen steht. Als Sie noch regierten, hatan vielleicht gar nicht gemerkt, dass die OECD etwasemacht hat, da man „herumgeschnarcht“ hat.Wir jedenfalls haben uns mit den Fragestellungen iminzelnen auseinander gesetzt. Ich will Ihnen ein Bei-piel nennen: die Bewertung der besonderen Lasten, dieie Bundesrepublik Deutschland durch die Vereinigungu tragen hat. Dieses Thema wird in internationalen Gre-ien sicherlich anders bewertet als bei uns. Ich will Ih-en an diesem Punkte nur noch einmal deutlich machen:ierbei hat niemand versucht, zu tricksen; vielmehr sindnterschiedliche Standpunkte ausgetauscht worden. Esleibt der OECD die Möglichkeit, den aus ihrer Sichtichtigen und zutreffenden Bericht zur Beschreibung der
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3921
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Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffeltökonomischen Lage in Deutschland dann zu veröffentli-chen.
Zusatzfrage.
Da auch Sie gerade ein Beispiel genannt haben, darf
ich noch einmal zitieren, was die OECD in Bezug auf
die neuen Bundesländer zu berichten vorschlägt:
Das Wachstum in den neuen Bundesländern sta-
gniert derzeit auf niedrigem Niveau und die wirt-
schaftliche Konvergenz mit den alten Bundeslän-
dern ist zum Stillstand gekommen.
Da wir damit jetzt in eine wissenschaftliche Diskussion
eingestiegen sind, sollten wir den Diskurs durchaus wei-
ter pflegen; denn Sie haben daraus gemacht:
Das gesamtwirtschaftliche Wachstum in den neuen
Bundesländern stagniert derzeit auf niedrigem Ni-
veau, und die wirtschaftliche Konvergenz mit den
alten Bundesländern
– jetzt kommt der Höhenflug –
ist trotz einiger Hochwachstumsnischen im Indus-
triesektor zum Stillstand gekommen.
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Ich meine, das trifft wirklich zu. Mehr kann ich zu
dem Thema nicht sagen. Schauen Sie sich einmal ganz
bestimmte Industriezweige in Ostdeutschland an: Die
leisten nicht nur Hervorragendes, sondern die sind inter-
national vernetzt und behaupten sich im internationalen
Wettbewerb. Gleichzeitig haben wir – das muss man ein-
fach sehen – ein paar Kilometer weiter große Probleme
mit der Arbeitslosigkeit. Das bestreitet niemand, viel-
mehr beschreibt das die Lage richtig.
Eine nur negative Beschreibung der Verhältnisse in
Ostdeutschland wäre schlicht und einfach undifferen-
ziert. Wir alle zusammen müssen Wert darauf legen, dass
wir nicht all das nur negativ beschreiben, was übrigens
die alte Bundesregierung und auch diese Bundesregie-
rung in den letzten zwölf Jahren in Ostdeutschland zu-
wege gebracht haben.
Dritte Zusatzfrage.
Teilt der Herr Staatssekretär die Auffassung, dass
solche Lyrik, die durchaus in manchen Bereichen posi-
tive Zeichen zum Ausdruck bringen kann, vielleicht
auch dazu führen kann, dass die Wahrnehmung der Be-
völkerung oder maßgeblicher Kräfte in Deutschland ge-
trübt wird? Ein Beispiel dafür ist ja jetzt der Streik für
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3922 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Weitere Zusatzfrage? – Nein.
Dann rufe ich Frage 10 des Abgeordneten
Dr. Hermann Kues auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Arbeits-
losigkeit in Deutschland einen hohen strukturellen Anteil auf-
weist?
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Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hin-
weisen, dass wir sehr wohl den wissenschaftlichen Rat
ernst nehmen, uns aber auch erlauben, ihn kritisch zu
hinterfragen.
Zweite Zusatzfrage.
Eine kurze Bemerkung zu Ihrer Antwort: Es ist ja so,
dass Herr Hartz es total ablehnt – dazu gibt es eindeutige
Äußerungen von ihm –, dass dieses Konzept mit seinem
Namen verbunden wird.
Nun zu meiner Frage. Nach meinen Informationen
wird in OECD-Kreisen gesagt, Veränderungen an Be-
richten habe es immer gegeben, aber noch nie in dem
Ausmaß, wie das derzeit der Fall sei.
Ich will einmal Bert Rürup zitieren, der bei Ihnen in
den unterschiedlichsten Funktionen tätig ist und der häu-
fig Erklärungen abgibt. Zu dem deutschen Redigiereifer
sagt er Folgendes:
Kritik aus internationalen Organisationen ist für
eine Regierung besonders schmerzhaft.
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ass man das aber – zumindest partiell – getan hat,
pricht wohl dafür, dass auch von der Sache her an den
rgumenten etwas drangewesen sein muss.
Weitere Zusatzfrage.
Wie passt dazu die Rede des Bundeskanzlers, die ernlässlich der 40-Jahr-Feier des Sachverständigenratesm 6. Mai, also nach Bekanntgabe der Agenda 2010, ge-alten hat? Er hat gesagt:Wir brauchen gerade in Zeiten, in denen es schwie-riger wird, wirtschafts- und finanzpolitische Maß-nahmen durchzusetzen, das stimmt –eher mehr Beratung durch unabhängige Gremienals weniger.r sagt weiter:
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3924 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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)
Dr. Hermann KuesBeratung durch kompetente Dritte ist für jeden han-delnden Politiker eine wertvolle Unterstützung. Dasgilt auch dann, wenn einem die Gutachten nicht inden Kram passen.Wie passt das zu Ihrer Stellungnahme?D
Ich finde, das ist wieder einmal eine der richtungswei-
senden Äußerungen des Bundeskanzlers. Er hat das völ-
lig richtig beschrieben. Fast alle von Ihnen sind wissen-
schaftlich geschult. Sie wissen doch, wie das geht – das
lernt man doch an den Universitäten –: Die Professoren
A, B, C und D vertreten unterschiedliche Standpunkte,
haben unterschiedliche Sichtweisen, kommen aus ande-
ren Wissenschaftsschulen. Auseinander setzen darf man
sich. Dass es das gibt, ist wichtig. Dass man sich damit
auseinander setzt, ist wichtig. Aber man muss sich nicht
jedem Professor anschließen, der irgendetwas zur Öko-
nomie in Deutschland, in Europa oder in der Welt sagt.
Darin sollten wir eigentlich übereinstimmen. Das könnte
auch Ihnen irgendwann einmal wieder passieren.
Eine letzte Zusatzfrage? – Keine mehr.
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt wenig Trial, aber ziemlich viel Error.
Wir haben erleben dürfen, dass der Bundesfinanzminis-
ter für 2004 angekündigt hat, einen nahezu ausgegliche-
nen Haushalt vorzulegen. Jetzt hat der Bundeskanzler
am Rande des G-8-Gipfels in Evian erklärt, man werde
wahrscheinlich auch im Jahre 2004 die Maastricht-Krite-
rien verletzen.
Ich habe dazu zwei Fragen. Die erste Frage ist: Mei-
nen Sie nicht, dass wir in der Haushaltspolitik weiter wä-
ren, wenn die Bundesregierung den Analysen der OECD
folgen und nicht versuchen würde, sie umzuinterpretie-
ren? Meine zweite Frage ist: Ist es nicht auch Ihre An-
sicht, dass der Deutsche Bundestag für eine solche Mit-
teilung das richtige Gremium gewesen wäre?
Da gerade zwei Fragen gemeinsam beantwortet wor-
den sind, besteht zu jeder dieser beiden Fragen die Mög-
lichkeit einer Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3925
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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3926 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3927
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Herr Kollege Lensing, dann können Sie Ihrer Freude
in Form einer Zusatzfrage Ausdruck verleihen.
Herr Präsident, meine Freude wäre besonders groß,
wenn ich zwei Zwischenfragen stellen dürfte.
Ja, aber bitte der Reihe nach.
Wir wollen das Auffassungsvermögen der Regierung
auch nicht überstrapazieren.
Herr Staatssekretär, mit der Schaffung der „fachkun-
digen Stelle“ erhofft man sich einen Einfluss auf den
Weiterbildungsmarkt. Daher frage ich Sie: Wer wird ei-
gentlich die „fachkundige Stelle“ überwachen, um Miss-
brauch bei der Zertifizierung zu verhindern?
D
Ich gehe davon aus, dass Missbrauch dadurch verhin-
dert wird, dass sich die entsprechenden Arbeitsämter ge-
nau anschauen, wer beauftragt wird und wie die Beauf-
tragung im Einzelnen ablaufen wird. Darüber wird es
Erfahrungsberichte und dementsprechend eine Fortset-
zung der Beauftragung oder gegebenenfalls Korrekturen
geben.
Zweite Zusatzfrage.
Ich habe im Vorfeld gehört, dass man sich darum be-
müht, dass diese „fachkundige Stelle“, die insgesamt et-
was unklar definiert ist, kostenneutral arbeitet. Ich kann
mir das aber nicht vorstellen. Daher ergibt sich für mich
die Frage, ob die entstehenden Kosten auf die Weiterbil-
dungsträger abgewälzt werden sollen oder ob man auf
andere vorhandene Strukturen zurückgreifen möchte.
D
Ich gehe davon aus, dass man im Zuge der Umstruk-
turierung der Bundesanstalt für Arbeit und der entspre-
chenden Arbeitsämter auf andere vorhandene Strukturen
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Das lässt sich jetzt durch Zusatzfragen sicherlich prü-
en. – Herr Kollege Spahn.
Das war durchaus ziemlich ausführlich; so habe ich es
ir natürlich auch gewünscht.
Was sagen Sie jedem verantwortungsbewussten Ge-
undheitspolitiker, der die Ankündigungen von Frau Ge-
undheitsministerin Schmidt, die Tabaksteuer zu erhö-
en, so verstanden hat – so hat es sich auch angedeutet –,
ass dies geschieht, um Anreize zu setzen, in Zukunft
icht mehr zu rauchen? Man muss sich in diesem Ansin-
en jetzt ein wenig konterkariert fühlen, weil Sie ganz
ffen sagen – auch gerade noch einmal –, dass Sie die
abaksteuer stückweise erhöhen wollen, um die Men-
chen letzten Endes nur abzuschröpfen. Sie wollen dort
ar keine gesundheitspolitische Wirkung erzielen.
D
Ich muss hier natürlich darauf hinweisen, dass dierundüberlegungen zu den gesundheitspolitischen Fra-en noch nicht im Wirtschaftsministerium formuliert
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3930 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffeltwerden. Vor diesem Hintergrund haben wir uns insbe-sondere mit den Auswirkungen auf die Industrie be-schäftigt. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dasseine moderate Anhebung in mehreren Schritten verträg-lich ist und von der Zigarettenindustrie inzwischen auchals vertretbar im weitesten Sinne – so möchte ich es be-zeichnen – angesehen wird.Sie können von mir jetzt also nur eine Antwort ausder Sicht des Wirtschaftsministeriums erhalten. Ichdenke aber, dass à la longue auch der Preis eine Auswir-kung hat. Es gibt aber, da will ich ganz offen und ehrlichsein, sicherlich sehr unterschiedliche Meinungen darü-ber, inwieweit man über den Preis eine solche Angele-genheit – eine solche Sucht – regeln kann.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich bin nicht dafür verantwortlich, welches Ressort
auf meine Frage antwortet. Letzten Endes sprechen Sie
für die gesamte Bundesregierung, wenn Sie mir antwor-
ten.
Ich will noch einmal dezidiert nachfragen: Ihre Ent-
scheidung, die Tabaksteuer schrittweise zu erhöhen, ist
vornehmlich aus finanzpolitischen und wirtschaftspoliti-
schen Gründen gefällt worden, weil Sie der Zigarettenin-
dustrie entgegenkommen wollten, und weniger bis gar
nicht aus gesundheitspolitischen Gründen? Habe ich Sie
richtig verstanden?
D
Nein, ich habe den Standpunkt des Wirtschaftministe-
riums zum Ausdruck gebracht. Sicherlich gibt es auch
eine ganze Reihe von gesundheitspolitischen Erwägun-
gen. Bitte vergessen Sie nicht, dass insbesondere das Zi-
garettenrauchen zu einer ganz erheblichen Belastung der
Gesundheitssysteme in unserem Lande führt, sowohl
durch Krankheiten des Bronchialsystems als auch durch
Krankheiten im Koronarbereich. Dass an einer solchen
Stelle angesetzt wird, ist zunächst einmal eine gesund-
heitspolitische Überlegung, die aber auch in den anderen
Politikfeldern umgesetzt werden musste. Vor diesem
Hintergrund haben wir uns als Wirtschaftsministerium
mit dieser Frage auseinander setzen müssen.
Frau Kollegin Kopp.
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Ich rauche nicht.
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Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Straubinger.
Herr Staatssekretär, ich wohne circa 60 Kilometer
on der tschechischen Grenze entfernt. Tschechien wird
um 1. Mai des nächsten Jahres in die EU aufgenom-
en. Glauben Sie nicht auch, dass im Zuge des kleinen
renzverkehrs bzw. über Internethandel vermehrt tsche-
hische Zigaretten auf den deutschen Markt gelangen?
enken Sie daran, möglicherweise Päckchen zu über-
rüfen, wenn der Verdacht besteht, dass auf diese Weise
schechische Zigaretten nach Deutschland gelangen?
D
Ich will an dieser Stelle Ihre Frage erweitern, weil sieinen ernsten Hintergrund hat.
Man muss die Zusammenhänge kennen. Es ist so, dassie polnische Regierung im Zusammenhang mit dem EU-eitritt erreicht hat, dass die EU-Steuersätze und -richtli-ien für Tabak neun Jahre außer Kraft gesetzt sind. Daseißt, für diesen Zeitraum werden die heutigen Preise – inuro umgerechnet –, die weit unter den Preisen der hierngebotenen Zigaretten liegen, im Wesentlichen Geltungaben. Da mit dem Beitritt sozusagen die normalenichtlinien – ich nannte vorhin die Begrenzung auf viertangen, gleich 800 Zigaretten – gelten würden, müssenir dafür sorgen, dass hier keine Schieflage entsteht.Die Republik Österreich hat mit Tschechien eine Re-elung gefunden. Für die nächsten neun Jahre – das ister gleiche Fall wie mit Polen – ist von Tschechien nachsterreich die Mitnahme von nur einer Schachtel er-aubt. Wir müssen uns also mit dieser Frage befassen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3931
)
)Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar StaffeltDas Wirtschaftsministerium ist gerade dabei, zu prüfen,was das für uns bedeutet.
Es gibt hierzu eine Frage des Kollegen Beck.
– Viele wollen fragen, aber die Geschäftsordnung lässt
jeweils nur eine Zusatzfrage zu.
– Das kommt in der Fragestunde leider häufiger vor.
Dr
Wir können über Ihre Frage in einem persönlichen
Gespräch gerne noch einmal reden. Ich sage Ihnen an
dieser Stelle: Diese Frage wird noch ein Thema sein.
Aber schon heute – das wissen Sie am allerbesten – be-
stehen bei Benzin und anderen Artikeln im grenznahen
Bereich erhebliche Probleme. Diese gab es aber auch im
Westen unseres Landes, zum Beispiel zwischen
Deutschland und Luxemburg oder zwischen Deutsch-
land und Holland. Wir können nicht alles regeln. Das ist
nicht möglich und auch nicht im Sinne des Erfinders.
Nun Herr Kollege Beck.
Ich bin zu meiner Zwischenfrage gekommen, weil die
Stichwörter Widersprüchlichkeit und Glaubwürdigkeit
fielen. Ich frage die Bundesregierung, wie sie die Kritik
aus der Unionsfraktion an der Erhöhung der Tabaksteuer
vor dem Hintergrund beurteilt, dass allein in den letzten
drei bis vier Monaten zwei Presseerklärungen von der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion abgegeben wurden, in
denen eine Erhöhung der Tabaksteuer gefordert wurde.
Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang Glaubwürdig-
keit und Widersprüchlichkeit?
D
Ich darf nicht mehr so polemisch sein wie auf den Ab-
geordnetenbänken, sonst würde ich etwas anderes sagen.
Ich bedaure diese Form der Unglaubwürdigkeit der Op-
position
und würde sie bitten, ihre Haltung zu ändern.
Ich hoffe, Herr Staatssekretär, dass Sie trotz Ihrer of-
fensichtlichen Erschütterung noch in der Lage sind, die
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odass die Möglichkeit besteht, sich zu informieren.
Das war nur eine Anregung. Vielleicht kann man die
edenken. Danke schön.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Antwort. Sie
aben erst einmal verneint, um dann doch zu bejahen. Ist
ie Lieferung der Ersatzteile im Wert von über 20 Millio-
en Euro, von denen Sie gesprochen haben, an be-
timmte Bedingungen gebunden? Ist in den Lieferverträ-
en festgelegt, dass diese Ersatzteile nicht in Kriegs-
chiffe eingebaut werden dürfen?
D
Ich darf Ihnen sagen, dass die Bundesregierung An-ang der 90er-Jahre 39 Schiffe der Nationalen Volksma-ine an Indonesien geliefert hat und dass wir in diesemereich selbstverständlich auch für Ersatzteillieferungenorgen. Sie wissen, dass diese Bundesregierung die Ex-ortbestimmungen für Kriegswaffen und Dual-Use-Güter
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3932 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffeltin besonderer Weise verschärft hat und alle Auslieferun-gen einer besonderen Überprüfung unterzogen werden.Insoweit gibt es natürlich Bedingungen, an die die Liefe-rung von bestimmten Produkten gebunden ist.
Weitere Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ich hatte in meiner ersten Frage
auf den Vorgang, den Sie eben wiederholt haben, Bezug
genommen. Sind nach Meinung der Bundesregierung
Waffenlieferungen gleich welcher Art nach Indonesien
überhaupt zu rechtfertigen, solange dort nicht ein grund-
legender Wandel der politischen Verhältnisse stattgefun-
den hat und solange sich dort nicht die Rolle des Militärs
grundlegend geändert hat?
D
Sie wissen, dass diese Entscheidungen vom Bundes-
sicherheitsrat bzw. vom interministeriellen Ausschuss
unter Beteiligung des Bundesministers des Auswärtigen,
der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenar-
beit, des Bundeswirtschaftsministers, des Bundesfinanz-
ministers und des Bundeskanzleramtes gefällt werden
und dass vor diesem Hintergrund jedes Land, das nicht
der NATO angehört oder der NATO in Bezug auf seine
innere Struktur gleichzusetzen ist, besonderer Prüfung
unterliegt und dorthin vom Grunde her nicht ausgeliefert
wird, sondern nur nach besonders sorgfältiger Prüfung.
Ich bitte Sie, den Bericht der Bundesregierung zu diesem
Thema zu lesen.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger zur
Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 19 der Kollegin Mortler
auf:
Wie viele osteuropäische Regierungspraktikanten wurden
nach Kenntnis der Bundesregierung 2002 in der deutschen
Landwirtschaft betreut?
Ma
Frau Kollegin Mortler, ich beantworte die Frage wie
folgt: Das Bundesministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft hat im Jahr 2002 Weiter-
bildungsmaßnahmen für 158 junge Nachwuchskräfte im
Agrarbereich aus der Russischen Föderation, der Ukraine
und Weißrussland gefördert. Im Zuständigkeitsbereich des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
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Meine Zusatzfrage lautet: Wie bewerten Sie, Herr
taatssekretär, bzw. die Bundesregierung den Einsatz der
egierungspraktikanten in der deutschen Landwirt-
chaft?
Ma
Die Praktikantenprogramme sind mit dem Ziel ins
eben gerufen worden, den Kontakt zwischen der Land-
irtschaft der Herkunftsländer und der europäischen
andwirtschaft zu intensivieren. Wir sind nicht das ein-
ige Land, das in diesem Bereich tätig ist. Grundsätzlich
egrüßen wir die Programme, weil sie die Zusammenar-
eit der betreffenden Staaten mit den europäischen Län-
ern intensivieren.
Bekanntlich ist es nicht nur in der ehemaligen DDR,
ondern auch in Osteuropa und in der ehemaligen GUS
u erheblichen Umbrüchen in der Landwirtschaft ge-
ommen. Wir erhoffen uns von den Praktikantenpro-
rammen auch einen Beitrag dazu, die Landwirtschaft in
iesen Ländern auf gesunde Füße zu stellen.
Gibt es weitere Zusatzfragen?
Nein.
Dann rufe ich Frage 20 auf:
Zu welchen Bedingungen kann ein osteuropäischer Regie-
rungspraktikant von einem Landwirt beschäftigt werden?
Ma
Die vom Bundesministerium für Verbraucherschutz,rnährung und Landwirtschaft geförderten Praktikantenerden auf der Grundlage eines Auswahlverfahrens imeimatland ermittelt. Mit den Bewerbern werden Aus-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3933
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Parl. Staatssekretär Matthias Berningerwahlgespräche geführt. Wichtigste Auswahlkriteriensind zum einen ausreichende Deutschkenntnisse sowiedie fachliche und persönliche Eignung; zum anderen istfür uns die Motivation potenzieller Teilnehmerinnen undTeilnehmer besonders wichtig.Während des Aufenthalts in Deutschland erhalten dieTeilnehmer außer der freien Unterkunft und Verpflegungein monatliches Taschengeld in Höhe von mindestens200 Euro. Darüber hinaus sind für die PraktikantenKranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen abzu-schließen.Neben der praktischen Tätigkeit legen wir besonderenWert darauf, dass die Lehrgänge von Exkursionen undanderen Maßnahmen begleitet werden, durch die auchentsprechende theoretische Kenntnisse vermittelt wer-den können. In arbeitsrechtlicher Hinsicht erfolgt dieAbwicklung in Zusammenarbeit mit der Bundesanstaltfür Arbeit und der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung.
Zusatzfrage?
Nein, danke.
Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Pau auf:
Welche Erwartungen hat die Bundesregierung an die Lan-
desregierung Brandenburg, um den Erhalt des Standortes
Wusterhausen der Bundesforschungsanstalt für Viruskrank-
heiten der Tiere, BFAV, durch geeignete Vereinbarungen über
die langfristige Nutzung der Liegenschaft zu ermöglichen?
Ma
Frau Kollegin, die Bundesregierung macht die Ent-
scheidung über die Zukunft der Bundesforschungsanstalt
für Viruskrankheiten der Tiere in Wusterhausen von ei-
ner sinnvollen Konzeption dieses gesamten nachgeord-
neten Forschungsbereichs abhängig. Die Bundesfor-
schungsanstalt ist an drei Standorten vertreten, und zwar
in Jena, auf der Insel Riems und in Wusterhausen. Hinzu
kommt der ehemalige Standort Tübingen, der sich in
Abwicklung befindet.
Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter unter fachlichen Gesichtspunkten
an den optimalen Stellen arbeiten. Vor diesem Hinter-
grund geht es uns nicht in erster Linie darum, mit dem
Land Brandenburg über vernünftige Standortbedingun-
gen in Wusterhausen zu verhandeln, sondern darum, mit
den Fachleuten an den drei Standorten ein für die Wis-
senschaft optimales Konzept auszuarbeiten.
Die Bedeutung der Arbeit der Virusforschung ist in
den vergangenen Tagen noch einmal unterstrichen wor-
den, als die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Wus-
terhausen bei dem Auftreten der Geflügelpest in Nord-
rhein-Westfalen hervorragende Arbeit geleistet – das
wurde auch von allen Parteien im zuständigen Fachaus-
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mung gegeben – auch schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich die Frage 29 des Kollegen Klaus
Hofbauer auf:
Werden die im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans
2003 genannten Projekte „EU-Osterweiterung“ noch ergänzt
bzw. ausgedehnt?
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3938 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Sie können das einfach nicht vergleichen. Unsere Kli-
aschutzpolitik ist um ein Vielfaches anspruchsvoller.
ie beschränkt sich nicht allein auf ein Segment. Ich
abe vorhin Ausführungen zur Klimaschädlichkeit in an-
eren Bereichen gemacht. Wenn wir es schaffen, Russ-
and dazu zu bewegen, das Kioto-Protokoll zu ratifizie-
en, kommen wir beim Klimaschutz einen großen Schritt
eiter. Auf der anderen Seite muss man das System, das
ir jetzt haben, sehen. Sie sprachen von den Zielen. Ich
enke, man muss die gesamte Klimaschutzpolitik be-
rachten. Das Programm, das wir jetzt haben, wird mit
einer Vielfalt und der Implikation bezüglich der Indus-
rie international als vorbildlich angesehen. Es hat in den
etzten Jahren sehr große Fortschritte gegeben, auch
ank des Konsenses im Deutschen Bundestag.
Deshalb sage ich: Für uns ist Kioto maßgeblich. Sie
issen, dass die Bundesregierung und die Koalitions-
raktionen als Fortführung dieses Zieles vereinbart ha-
en, sofern die EU bereit ist, ihre Treibhausgase bis
020 um 30 Prozent zu reduzieren, ein Reduktionsziel
on 40 Prozent anzustreben.
Das ist mir bekannt. Aber wenn Sie sagen, dass das
limaschutzziel der Bundesregierung sehr viel weit ge-
ender sei, da es qualitativ anders sei, dann können Sie
och auch sagen, dass das kohlsche Ziel für Sie somit
icht mehr maßgeblich ist.
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Wir haben eine völlig andere Situation. Bundeskanz-
er Kohl hat auf einer Konferenz eine politische Ab-
ichtserklärung abgegeben, die ich gar nicht hoch genug
ewerten kann. Wir sind dank dieses politischen Zwi-
chenschritts dahin gekommen, völkerrechtsverbindli-
he Klimaschutzziele zu vereinbaren. Diese Ziele verfol-
en wir weiter. Das ist ein Maßstab, den wir von
undestag und Bundesrat gemeinsam geschaffen haben.
Die Fragen 35 und 36 des Kollegen Ernst Hinskenerden schriftlich beantwortet.Damit schließe ich den Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-herheit. Ich bedanke mich, Frau Staatssekretärin, fürie Beantwortung der Fragen.Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-anzlers und des Bundeskanzleramts. Zur Beantwortungteht Herr Staatsminister Rolf Schwanitz zur Verfügung.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3939
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerIch rufe die Frage 37 des Kollegen Eckart vonKlaeden auf:Aus welchem Grund behauptet die Bundesregierung in derFragestunde am 21. Mai 2003 – Plenarprotokoll 15/45, Seite3741 C – bezüglich der dort genannten Leuna/Minol-Akten,weder die Originale noch Kopien zu haben, obwohl das Bun-deskanzleramt bzw. das Bundesministerium der Finanzen– Bundestagsdrucksache 14/9300, Seiten 812, 821 – dem1. Untersuchungsausschuss der 14. Wahlperiode mindestens19 Ordner solcher Akten – eventuell als Kopie – zur Verfü-gung gestellt haben?
Herr von Klaeden, ich bitte um Verständnis, dass auf-grund der Komplexität der Frage und des Themas meineAntwort etwas länger ausfällt.Ich hatte schon darauf hingewiesen – ich tue das hierund heute gerne noch einmal –, dass die Originalaktenbis zum Abschluss des Privatisierungshauptvertragesund zur nachträglichen Genehmigung desselben fehlen.Für den Zeitraum bis 1992/93 sind heute nur sechs re-konstruierte Kopienbände vorhanden. Diese Kopien-bände sind chronologisch chaotisch zusammenkopiertund enthalten überwiegend minderwertiges Schriftgut.Sie beziehen sich zu jeweils drei Bänden auf die Akten-reihen Tr 3 NA 4 und Tr 3 NA 5.Zum Hintergrund dieses Befundes muss ich etwasweiter ausholen, damit Sie mich nicht wieder missver-stehen, Herr von Klaeden. Die Akten Tr 3 NA 4 „LeunaMinol“ und Tr 3 NA 5 „Elf Aquitaine“ wurden am28. Dezember 1993 bzw. am 1. Februar 1994 aus der ur-sprünglichen Akte Tr 3 NA 1 „Leuna Minol“ ausgegrün-det. Dies geschah erst nach Bildung des Treuhandunter-suchungsausschusses der 12. Legislaturperiode.
Es ist nicht mehr feststellbar, auf wessen Anweisungdie Ausgründungen erfolgten und welchen Umfang dieursprüngliche Akte Tr 3 NA 1 hatte. Die Akte Tr 3 NA 1wurde bei Ausgründung in „Chemische Industrie“ um-benannt. Sie enthält heute kein Leuna-Schriftgut mehr,sondern befasst sich allgemein mit der Lage der Groß-chemie in den neuen Ländern.Die ursprüngliche Stellkarte der Akte Tr 3 NA 1, dieüber den Umfang der Akte hätte Aufschluss geben kön-nen, ist nicht mehr vorhanden. Dies ist ein beispielloserVorgang. Die Karte konnte trotz umfangreicher und auf-wendiger Suche nicht wiedergefunden werden. Es ent-spricht auch nicht dem üblichen Vorgehen bei der Be-gleitung Parlamentarischer Untersuchungsausschüsse,Vorgänge aus- oder umzugründen.Die jeweils ersten drei Bände der ausgegründeten Ak-tenreihe Tr 3 NA 4 und Tr 3 NA 5 wurden im Sommer1994 an den Untersuchungsausschuss übersandt. Diesesechs Bände betrafen den Zeitraum bis zum Abschlussund zur Genehmigung des Hauptvertrages. Diese demUntersuchungsausschuss „Treuhand“ in der 12. Legisla-turperiode im Original vorgelegten sechs Bände der sogenannten Leuna-Akten „Leuna Minol“ und „Elf Aqui-taine“ im Original – also Tr 3 NA 4 und Tr 3 NA 5, je-wvSriKuficddBRdssgks1rvd„11bswmciZUrlndDTuefEshc
Der Umfang des nicht mehr vorhandenen und auch994 dem Untersuchungsausschuss der 12. Legislaturpe-iode nicht übersandten Aktenmaterials lässt sich nurermuten. In Vermerken aus der Zeit 1993/1994 überen Umfang der Leuna-Akten ist von „15 m“ und von59 Aktenordnern“ und einige Zeit später von „mehr als00 AB“ die Rede. 100 Aktenbände würden in etwa5 Metern entsprechen. Diese sicherlich interpretations-edürftigen Indizien lassen in ihrer Gesamtheit ein re-pektables Leuna-Konvolut des Bundeskanzleramtes er-arten und nicht nur sechs unstrukturierte Kopienbändeit fast durchgängig minderwertigem Schriftgut.Ich möchte ergänzen, dass das Kanzleramt die entspre-henden Untersuchungsausschüsse in der 12. und auchn der 13. Legislaturperiode regelwidrig nicht auf dieurückhaltung von Akten hingewiesen hat. Auch diemgründungen und der Aktenverlust bzw. der damit kor-espondierende Rekonstruktionsversuch in der 13. Legis-aturperiode wurden vor dem Parlament verborgen.Über den möglichen Sinn der Ausgründungen gibt esur Mutmaßungen. Die zuständigen Beamten erklärtenazu übereinstimmend, sie hielten auch rückblickend dieifferenzierung in zwei Aktenreihen Tr 3 NA 4 undr 3 NA 5, also für Leuna/Minol und Elf Aquitaine, fürnschlüssig, zumal in der Folgezeit die Zuordnung derinzelnen Vorgänge zu der einen oder anderen Akte zu-ällig gewesen sei.
in sachlicher Grund für die Ausgründung ist nicht er-ichtlich. Sie entspricht auch nicht dem üblichen Vorge-en bei der Begleitung Parlamentarischer Untersu-hungsausschüsse.
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3940 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Staatsminister Rolf SchwanitzDie weiteren Bände der ausgegründeten VorgängeTr 3 NA 4 und Tr 3 NA 5, also ab Band 4, sind ebenfallsunvollständig: Die Akte „Leuna-Minol“, also Tr 3 NA 4,hat erhebliche Zeitlücken. Zwischen Band 5 und Band 6dieser Akte besteht eine zeitliche Lücke von Juni 1996bis Februar 1997, die nicht nachvollzogen werden kann.Die Akte weist heute zusätzlich zu den drei geschilder-ten Kopienbänden sechs weitere Bände im Original auf.Sie läuft bis in das Jahr 2000.Von der Akte „Elf Aquitaine“, also Tr 3 NA 5, istBand 5 verschwunden. Anscheinend wurden dieBände 4 und 5 verändert und zusammengeheftet. Derverbliebene Band 4 enthält eine Lücke vom 26. Mai1994 bis zum 4. August 1995 und endet am 6. Mai 1996.Der Zeitraum von Juni 1996 bis Februar 1997 ist also inbeiden Akten nicht dokumentiert.Die Originalakten weiterer sieben Privatisierungsvor-gänge, die dem Untersuchungsausschuss gleichzeitig mitden Leuna-Akten im Original vorgelegt worden waren,sind verschwunden. Dies betrifft die Vorgänge Bagger-,Bugsier- und Bergungsreederei, Grimmener Hähnchen,Baukombinate ELBO, Deutsche Seereederei Rostock,Interhotel, Motorradwerke Zschopau und MitteldeutscheKali. Von diesen Akten sind lediglich Kopien vorhan-den, die im Kanzleramt vor Abgabe an den Untersu-chungsausschuss hergestellt worden waren. Bei keinemder im Kanzleramt heute vorhandenen Kopienbände istgesichert, dass sie den ursprünglichen Akteninhalt voll-ständig enthalten.Abschließend kann ich zu Ihrer Frage, also zu den19 Aktenbänden, die dem Untersuchungsausschuss der14. Legislaturperiode vorlagen, feststellen: zwölf Bändesind rekonstruierte Kopienbände in doppelter Ausferti-gung, davon jeweils sechs identische Bände aus demBundeskanzleramt und sechs aus dem BMF. SechsBände sind fortlaufende Bände aus der Reihe Tr 3 NA 4.Ein Band ist ein fortlaufender Band aus der ReiheTr 3 NA 5.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, insbesondere der Vorgang „Grim-
mener Hähnchen“ ist wirklich ein unglaublicher Skan-
dal. – Scherz beiseite.
Versichern Sie, dass Ihre hier vorgetragene umfang-
reiche Darstellung, detailliert und abschließend ist? Ha-
ben Sie diese Darstellung der Staatsanwaltschaft mitge-
teilt?
Herr von Klaeden, Sie können sicher sein, dass das,
was ich Ihnen hier mitgeteilt habe, selbstverständlich
Gegenstand unserer Mitteilung an die Staatsanwaltschaft
sein wird und insbesondere Gegenstand der Stellung-
nahme sein wird, die in Kürze fertig gestellt sein wird
und übergeben wird.
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)
)
Ich habe nicht über die Art und Weise der Einleitung der
Disziplinarverfahren gesprochen, sondern in diesem Zu-
sammenhang lediglich die Durchführung und die Ermitt-
lungen erwähnt.
Zum Zweiten will ich noch einmal darauf hinweisen
– ich habe das bei der Beantwortung der Frage bereits
getan –, dass es Bundesminister a. D. Hombach auf-
grund des Ablaufs der Ereignisse – Löschung der Daten
vor Antritt der neuen Hausleitung des Bundeskanzleram-
tes auf der einen Seite und Bekanntwerden eines solchen
Vorganges nach Abschluss seiner Amtstätigkeit auf der
anderen Seite – nicht möglich war, von den Ereignissen
persönlich Kenntnis zu nehmen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
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)
)
– Es bestand kein Bedarf, diese Protokolle abermals zu
prüfen, weil sie bereits im Vorfeld dieser Frage geprüft
worden waren.
Ich rufe die Frage 40 der Kollegin Andrea Voßhoff
auf:
Billigt die Bundesregierung die Widerstände des Vorermitt-
lers Dr. Burkhard Hirsch gegen die Anwesenheit des Rechts-
anwalts, der den zur Zeugenvernehmung von Dr. Burkhard
Hirsch geladenen Rainer Ohler als Zeugenbeistand begleitete
– vergleiche Leserbrief von R. O., „Frankfurter Allgemeine
Zeitung“ vom 20. Mai 2003 – und gegebenenfalls weshalb ist
der insoweit für die Aufsicht zuständige Chef des Bundeskanz-
leramtes, Staatssekretär Dr. Frank-Walter Steinmeier, nicht
eingeschritten?
Frau Voßhoff, Widerstände von Bundestagsvizepräsi-
dent a. D. Dr. Burkhard Hirsch gegen die Anwesenheit
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3943
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– Herr Kollege Spahn, ich habe Ihre Frage 43 aufgeru-fen.
Herr Staatssekretär, bitte schön.F
Frau Präsidentin, ich beantworte die Frage wie folgt:
Europols Haushalt für das Jahr 2003 ist mit
55 Millionen Euro veranschlagt. Diese Kosten werden
durch Haushaltsbeiträge der Mitgliedstaaten gedeckt.
Der durch den Bund zu leistende deutsche Anteil liegt
bei 23,82 Prozent. Das sind in absoluten Zahlen
13,2 Millionen Euro.
Die Zahl der bei Europol beschäftigten Bediensteten
wuchs auf mittlerweile 311 Mitarbeiter an, das heißt, das
ist im Haushalt 2003 festgelegt. Der deutsche Personal-
anteil beläuft sich auf 27 Europol-Bedienstete und drei
nationale Experten. Damit hat Deutschland einen Anteil
von circa 9 Prozent des gesamten Europol-Personals und
liegt mit anderen großen EU-Mitgliedstaaten gleichauf.
Um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Frankreich liegt bei
8 Prozent, Italien bei 7 Prozent, Großbritannien bei
11 Prozent und Spanien bei 6 Prozent.
Dessen ungeachtet setzt sich die Bundesregierung da-
für ein, die Zahl und Qualifikation der deutschen Bewer-
berinnen und Bewerber zu erhöhen. Vorgesehen ist unter
anderem eine enge Zusammenarbeit mit den Bundeslän-
dern.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Ich entschuldige mich für meine Unaufmerksamkeit.
Herr Staatssekretär, ist es so, wie mir von einigen
deutschen Mitarbeitern von Europol geschildert wurde,
dass es für eine spätere Karriere oder eine weitere Ver-
wendung dieser Beamten in Deutschland eher hinderlich
denn förderlich ist, dass sie Dienstzeiten bei Europol ge-
habt haben? Stellt sich damit nicht die Frage, ob wir es
nicht vielmehr – wie zum Beispiel in Frankreich – eher
zu einer Art Pflicht oder Karrierevorbedingung machen
müssten, dass Beamte auch in internationalen Organisa-
tionen gedient haben?
F
Es wäre schade, wenn es so wäre, wie Sie es aus Ge-
sprächen erfahren haben. Dass die Stellenbesetzungen
auf EU-Ebene aus deutscher Sicht sehr wichtig sind, hat
die Bundesregierung unterstrichen, indem sie sich dieses
Themas deutlich angenommen hat. Es darf nicht dazu
kommen, dass beispielsweise ein Einsatz auf EU-Ebene
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3944 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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haben in der letzten Woche verlangt, unsere Forderungengegenüber Partnerländern einzutreiben und auf Schul-denerlasse auch gegenüber den ärmsten Entwicklungs-ländern zu verzichten.alEGFWiadfdnassAPcddndidSgdttta
Ich finde das ein unerträgliches und im Übrigen auchbsolut unchristliches Verhalten, das allen internationa-en Vereinbarungen ins Gesicht schlägt.
s widerspricht auch den erneuten Vereinbarungen des-8-Gipfels in Evian. Wir würden uns, wenn wir dieseorderungen umsetzten, international absolut isolieren.ir stehen zu den Verpflichtungen der Entschuldungs-nitiative. Das möchte ich genauso betonen, wie diesuch der Bundeskanzler auf dem Kirchentag getan hat.
Schwerer noch: Wer die Entschuldungsinitiative fürie ärmsten, hoch verschuldeten Entwicklungsländer in-rage stellt, nimmt in Kauf, dass in den Entwicklungslän-ern die Bekämpfung der Armut wieder zurückgeht, we-iger Kinder in die Schule gehen können, mehr Kindern verdorbenem Trinkwasser sterben und die Mütter-terblichkeit zunimmt.
Ich frage: Wollen Sie das verantworten? Schämen Sieich nicht?
uf dem Kirchentag hat der Kardinal aus Honduras, derräsident der lateinamerikanischen katholischen Kir-hen, Deutschland für diese Solidarität ausdrücklich ge-ankt. Deshalb sage ich: Wer so etwas fordert und meint,amit in populistischer Weise billig Stimmungen bedie-en zu können,
em muss eine klare Absage erteilt werden.
Die Entschuldungsinitiative ist eine Gemeinschafts-nitiative zwischen den Industrie- und Entwicklungslän-ern, der Zivilgesellschaft und vor allem der Kirchen.ie ist ein Beispiel – so hat es damals Bischof Kamphausenannt – für die Globalisierung von Solidarität. Sie hateutlich zur Verbesserung der Lebenssituation Hundert-ausender von Menschen in Entwicklungsländern beige-ragen. Die durch die Entschuldung frei werdenden Mit-el werden zur Armutsbekämpfung eingesetzt.Die vorliegende Zwischenbilanz, bei allen Problemenngesichts der weltwirtschaftlichen Entwicklung, spricht)
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeuleine deutliche Sprache. Insgesamt ist der Anteil von In-vestitionen in Bildung und Gesundheit am Bruttoin-landsprodukt bei den ärmsten hoch verschuldeten Ent-wicklungsländern von 5,9 Prozent im Jahr 1999 auf9,3 Prozent im Jahr 2003 gestiegen.
Das bedeutet konkret, dass für eine große Zahl von Men-schen die Gesundheitsversorgung und die Nahrungsmit-telversorgung verbessert wurden und für Tausende vonKindern der Zugang zur Schule erleichtert wurde. Daswerden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von derCDU/CSU, doch nicht ernsthaft rückgängig machenwollen. Wir stehen zu unserer Verantwortung.
Darüber hinaus haben wir mit der Entschuldungsinitia-tive und mit der Verpflichtung der betroffenen Länder,die frei werdenden Mittel zur Armutsbekämpfung einzu-setzen, auch wichtige Demokratisierungsprozesse inGang gesetzt. Durch die Beteiligung der Zivilgesell-schaft bei der Erarbeitung der nationalen Armutsbe-kämpfungspläne haben diese Gruppen in vielen Länderneine vollkommen neue gesellschaftliche Stellung undmitgestaltende Rolle bekommen. Damit leisten sie einenBeitrag zur Demokratie in ihren Ländern. Das ist extremwichtig.
Genauso wichtig, fast noch wichtiger, ist, dass wir es mitder erweiterten Entschuldungsinitiative geschafft haben,die Strukturanpassungsprogramme des IWF endlich zustoppen, die in früheren Jahren aus Mitteln der Entwick-lungspolitik, vor 1998 aus dem Haushalt dieses Ministe-riums, finanziert worden sind und mit ihren absurdenRatschlägen dazu beigetragen haben, die Entwicklungs-länder ärmer zu machen. Wir haben das beendet und dasist gut. Deshalb werden wir die Entschuldungsinitiativefortsetzen.
Es geht im Übrigen nicht nur um arme hoch verschuldeteEntwicklungsländer. Was würde eigentlich passieren,wenn wir von Brasilien, wo Präsident Lula momentanalle Anstrengungen zur Bekämpfung des Hungers unter-nimmt, verlangen würden, auf einen Schlag die Schul-den an uns zurückzuzahlen?
Das wäre im Übrigen auch ökonomisch absurd.
Denn ein exportorientiertes Land wie Deutschland hatschließlich ein Interesse daran, dass weltweit Kaufkraftexistiert, damit Menschen Produkte auch aus Deutsch-lagdvadbtehlakedmIgssdmDdnswdrbdhvzdhdatasdIgfFgn
ch würde mich schämen, wenn ich das nicht damals mitroßem Engagement durchgesetzt hätte. Denn ange-ichts der Hypothek der aus der Diktatur Milosevicstammenden Schulden war klar, dass die Bevölkerungieses Landes sonst auf dem Weg zur Demokratie dra-atische Enttäuschungen erleben würde.Im Übrigen möchte ich daran erinnern, dass aucheutschland – vor 50 Jahren durch das Londoner Schul-enabkommen – durch eine Entschuldung von der inter-ationalen Gemeinschaft Unterstützung erhielt, die un-erem Land half, auf die Beine zu kommen. Wie könnenir da anderen Ländern diese Chance verweigern?Angesichts der Tatsache, wie sehr die Menschen inen Entwicklungsländern von der Entschuldung profitie-en, kann das Fazit nur lauten: Die Entschuldung warisher ein Erfolg und muss im Interesse der Menschen inen Entwicklungsländern fortgeführt werden. Denn wiraben vielen Menschen neue Hoffnung und Perspekti-en gegeben.Wer jetzt fordert, einen Schritt zurückzugehen – undwar hinter den breiten gesellschaftlichen Konsens, der aufem Kirchentag immer wieder deutlich geworden ist –,andelt unchristlich und lädt gegenüber den Menschen inen Entwicklungsländern Schuld auf sich.
Lassen Sie mich zum Schluss eines betonen – wie esuch der Bundeskanzler bei der Eröffnung des Kirchen-ges in der vergangenen Woche getan hat –: Die Verbes-erung der Lebensbedingungen in den Entwicklungslän-ern und deren Entschuldung liegen auch in unseremnteresse, weil sie zu unserer eigenen Sicherheit beitra-en. Denn wie Willy Brandt vor vielen Jahren zu Rechtestgestellt hat: Auch wir werden auf Dauer nicht inrieden leben können, wenn es Regionen in der Weltibt, in denen Menschen in tiefster Armut leben.Deshalb fordere ich Sie auf: Nehmen Sie diese unsin-igen Vorschläge zurück und tragen Sie dazu bei, dass
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeulder in unserem Land und auch in diesem Parlament be-stehende Konsens in der Entschuldungsinitiative erhal-ten bleibt.Vielen Dank.
Herr Kollege Weiß, Sie haben bei der Rede der Minis-
terin meines Erachtens einen sehr üblen Ausdruck ver-
wendet, der nicht dem parlamentarischen Sprachge-
brauch entspricht.
Ich bitte Sie sehr herzlich, ihn zurückzunehmen und sich
bei der Ministerin dafür zu entschuldigen.
Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege
Matthias Wissmann, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieFrau Ministerin Wieczorek-Zeul hat bewusst versucht –ich weiß nicht, welche Taktiken sich dahinter verber-gen –, Äußerungen einiger unserer Kollegen falsch wie-derzugeben. Ich zitiere wörtlich, was ich gesagt habe:Natürlich ist zu berücksichtigen, dass es vielenLändern schlechter geht als der Bundesrepublik.Aber nicht jeder der zahlreichen Schuldnerstaatenist ein Entwicklungsland. Gerade in der Wirt-schaftskrise hat die Bundesregierung die Pflicht,auf die pünktliche Rückzahlung von Schulden zuachten.
Ich stehe zu jedem Wort. Wir befinden uns zurzeit– das haben Sie sicherlich heute Morgen in Ihrem Chef-gespräch mit dem Bundesfinanzminister über den Haus-halt gehört – in der schwierigsten Finanz- und Wirt-schaftskrise der Nachkriegsgeschichte.
Wir müssen jeden Euro dreimal umdrehen. Wir müs-sen mit dem Bürger über die Frage reden, was wir unsnoch leisten können. Deswegen meine ich, dass wir ineiner solchen Lage Fall für Fall und Staat für Staat prü-fen müssen, worin unsere zwingenden entwicklungspoli-tischen Ziele vor allem zugunsten der Ärmsten der Ar-men – zu denen ich mich bekenne – bestehen und anwelcher Stelle wir bei der Durchsetzung der Interessender Bundesrepublik Deutschland und auch der Steuer-zahler konsequenter sein müssen.
Frau Ministerin, bei diesem Thema bleiben auch Ih-nen Korrekturen Ihres bisherigen Handelns nicht erspart.Ich will nur ein Beispiel nennen. Wir haben im vergan-genen Jahr Bolivien Schulden in Höhe von 335 Millio-nkidnlSsddJznunsanmowbBfbSrmnEIdWsdsüzttadzdgWdg
Sollten wir angesichts der Tatsache, dass in diesemahr eine Neuverschuldung von über 40 Milliarden Eurou erwarten ist – die Zahlen werden wöchentlich höher –,icht ganz genau überlegen, an welcher Stelle wir mitnserer Entschuldungsstrategie ansetzen? Sollten wiricht ganz genau überlegen, wo Schuldenerlasse gebotenind und wo nicht?So sehr ich – wie Sie alle – für eine enge Zusammen-rbeit mit Russland bin, muss ich doch fragen – es waricht die Union, sondern es waren viele kritische Kom-entatoren, die zuerst diese Frage aufgeworfen haben –,b der Erlass der Forderungen an Russland wirklich gutar. Die Forderungen an Russland aus dem Transferru-el betrugen umgerechnet 15 Milliarden DM. Weil derundesfinanzminister einen schnellen, kleinen Zuflussür seinen Haushalt wollte, hat sich die Bundesregierungereit erklärt, 500 Millionen als Abgeltung der gesamtenchulden zu vereinbaren. In den vorangegangenen Jah-en ging es um eine ähnliche Regelung mit anderen ehe-aligen RGW-Staaten wie Polen, Tschechien, Rumä-ien, Bulgarien und Kuba. Die Quote, die damals bei derntschuldung erreicht worden ist, war wesentlich höher.m Falle Russlands betrug sie 6,5 Prozent und im Falleer anderen ehemaligen RGW-Staaten 16,7 Prozent.enn man das umrechnet, dann stellt man fest, dass esich um 800 Millionen Unterschied handelt.Ich bitte die Bundesregierung vor diesem Hintergrundringend: Reden Sie nicht in pauschalen Theorien undcheinbar wohlklingenden moralischen Grundsätzenber dieses Thema. Entscheiden Sie vielmehr von Fallu Fall! Wir bekennen uns zur Moral einer auf die Ärms-en der Armen gerichteten sinnvollen Entwicklungspoli-ik, die Umstrukturierung beinhaltet. Wir bekennen unsber in einer Situation, in der jeder Euro zweimal umge-reht werden muss, auch dazu, das Interesse des Steuer-ahlers wahrzunehmen.
Ich glaube, das vergangene Wochenende hat gezeigt,ass wir mit unseren Anregungen gar nicht so falsch lie-en. Die Finanzminister der G-8-Staaten haben beimeltwirtschaftsgipfel nämlich ausdrücklich vereinbart,ass es in Zukunft eine stärkere Fall-zu-Fall-Betrachtungeben soll, dass man also von den Schemata der bisheri-
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Matthias Wissmanngen Entschuldungsstrategien abweichen will, um stattdes-sen stärker das jeweilige Land zu betrachten. Ich verstehedas so, dass man auch stärker auf Umstrukturierung in denbetreffenden Ländern achten muss; denn Entschuldungmacht doch nur dann Sinn, wenn im Innern eines Landeseine Neuordnung stattfindet, die dazu führt, dass das,was man gegeben hat, auf einen guten und nicht auf ei-nen schlechten Boden fällt. So muss man wirtschaftlichund entwicklungspolitisch denken.
Ich fordere die Bundesregierung auf: Machen Sie essich nicht so einfach. Gehen Sie mit dem Geld der Steu-erzahler sorgsam um. Gehen Sie Land für Land vor. Be-folgen Sie nicht irgendwelche leeren Glaubenssätze,sondern setzen Sie eine sinnvollere Entwicklungspolitikauch gegen Widerstände durch!
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Scheel,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Wissmann, die Aussagen, die Sie, Friedrich Merzund Herr Brüderle gemacht haben, finde ich richtig schä-big.
Herr Merz hat beispielsweise gesagt, Deutschland könnesich Schuldenerlasse nicht mehr leisten. Eichel solleSchulden eintreiben. Herr Brüderle hat gemeint, wir soll-ten nicht länger den großzügigen Spendieronkel spielen.
Herr Wissmann, Sie als CDU-Wirtschaftsexperte habengefordert, die Regierung solle sich anstrengen, Außen-stände einzutreiben.
Ich kann dazu nur sagen: Sie alle drei sind ziemlichtrübe Wirtschaftsexperten,
und zwar deswegen, weil man in Fachkreisen nur denKopf über Sie schüttelt.
Ich sage Ihnen auch gleich, warum. Es ist völlig klar,dass das, was Sie am Wochenende betrieben haben, po-pulistische Manöver gewesen sind. Ich frage mich: Istdas von Unwissenheit geprägt – dann haben Sie keineAhnung – oder ist das Absicht, um in der Bevölkerungden Eindruck zu vermitteln, als verschenkten die Bundes-regierung und die sie tragenden Fraktionen an die 52 Mil-liarden Euro – diese Zahl wird ja immer genannt –, die anKrediten ans Ausland vergeben worden sind? Das ist völ-liger Quatsch!IWA–aWdLmagsbVMElKsNZttDmgßIvm
Auch wir haben Wirtschaftsbeziehungen mit diesenändern, die nicht zu unterschätzen sind. Deswegenacht es Sinn, hier so vorzugehen. Was die Ministerinls neuen Weg dieser Regierung beschrieben hat – ge-enüber der alten Entwicklungspolitik von Ihnen, dieehr viele Fehllenkungen bewirkt hat –, ist völlig richtig.
Nun zu der Gespensterdebatte, die Sie ausgelöst ha-en.
on absoluter Unkenntnis zeugt ja, wie das nach Ihrereinung mit der Krediteintreiberei funktionieren soll.rstens ist es so, dass Kreditverbindlichkeiten des Aus-ands gegenüber der Bundesrepublik wie alle anderenreditverträge auch an Laufzeiten und Raten gebundenind.
ur bei einem Bruchteil ist die Laufzeit überschritten.
um Zweiten ist klar, dass der Bund solche Kredite sel-en selbst vergibt. Vielmehr wird in der Regel die KfWätig. Nur ein Minianteil ist im Bundeshaushalt.
ie Finanzierung läuft über den ganz normalen Kapital-arkt und nicht über den Bundeshaushalt.
Zum Dritten sind die Außenstände des Auslands ge-enüber dem Bund im Vergleich zu den gesamten Au-enständen des Auslands gegenüber Deutschland gering.ch nenne nur einmal das Stichwort Auslandsanleihen;ielleicht haben Sie davon schon einmal etwas gehört.
Jetzt noch zu dem Punkt, den Sie im Zusammenhangit Russland angesprochen haben.
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3948 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Christine ScheelDas ist eine Debatte, bei der deutlich wird, dass Sie sichim Vorfeld anscheinend überhaupt nicht informiert ha-ben. In irgendwelchen Sonntagszeitungen standen Zah-len, die fern jeglicher Realität sind.
Was den Schuldenerlass gegenüber der RussischenFöderation betrifft, haben wir
die klare Situation, dass die Transferrubelschulden demGrund und der Höhe nach immer bestritten waren. ZwölfJahre lang gab es keine Einigung. Zwölf Jahre lang ist– um das einmal so zu sagen – kein Rubel geflossen.
Herr Putin und Herr Schröder haben einen Schlussstrichgezogen.
Seit man sich nach zwölf Jahren Ihrer Untätigkeit in die-sem Zusammenhang endlich auf einen Betrag verstän-digt hat,
werden diese Kredite von der Russischen Föderationlaufend getilgt.
Ich muss Ihnen auch Folgendes sagen: Als wir inDeutschland das Problem mit dem Hochwasser gehabthaben, gab es aus Anlass dieser schwierigen Situationeine frühere Tilgung vonseiten dieses Landes. Sich sohinzustellen und so zu tun, als ob die Russen keinen ein-zigen Rubel herüberschöben,
ist schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit. Seit-dem sich die beiden Staatschefs geeinigt haben, wirdganz vernünftig getilgt. Hören Sie auf, solche Nebelker-zen zu werfen! Hören Sie auf, in der Bevölkerung solchefalschen Eindrücke zu vermitteln! Das schadet Deutsch-land insgesamt und nicht nur Ihnen.
Nächster Redner ist der Kollege Rainer Brüderle,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! FrauScheel, ein paar Oberschlaumeier aus den Reihen vonGrün-Rot haben gedacht: Wir machen einmal etwasOAllzmuw–IzhSrISBKnMdskDElBreEvKnh
Ich lese Ihnen einmal vor, was ich gesagt habe – ichache es ganz langsam, damit auch Sie, Frau Scheel,nd die Schlauberger aus Ihren Reihen es verstehen; ichiederhole meine Aussage –:Wenn Finanzminister Eichel schon bei der Schul-denpolitik versagt, darf er nicht auch beim Einfor-dern der deutschen Außenstände versagen. Die Re-gierung steuert auf eine Neuverschuldung von40 Milliarden Euro zu. Da kann sie beiich betone –wirtschaftlich gesunden Staaten nicht länger dengroßzügigen Spendieronkel spielen.
ch habe kein Wort zum Schuldenerlass und kein Wortu Entwicklungsländern gesagt. Wenn Sie so etwas be-aupten, dann belegen Sie das! Alles, was Sie, Fraucheel, hier gesagt haben, ist unredlich und heuchle-isch.
ch wiederhole: Ich habe von wirtschaftlich gesundentaaten gesprochen. Was Sie machen, das ist politischerunnenvergiftung.
Einigen von Ihnen fehlen offensichtlich grundlegendeulturfähigkeiten; Lesen ist nicht Ihre Stärke und Rech-en schon gar nicht. Wer zwei Jahre hintereinander dieaastricht-Kriterien verfehlt, der ist eben nicht mehr iner Lage, richtig zu rechnen. Mit dem politischen Ge-chick ist es bei Ihnen noch schlechter bestellt.Die Oberschlaumeier bei Ihnen haben noch weitereapitale Schnitzer gemacht. Ich zitiere noch einmal:Wenn ein Land perspektivisch seine Schulden be-dienen kann, dann muss es dies auch machen.iese Aussage stammt nicht von mir, sondern von Herrnichel. Er hat das am 14. April dieses Jahres in der „Ber-iner Zeitung“ wörtlich erklärt. Herr Eichel hat das mitlick auf den Irak gesagt. Er und andere sind nicht be-eit, dem Irak die Schulden zu erlassen; man hat sich aufine Stundung geeinigt. Ich will das gar nicht bewerten.ine Bewertung überlasse ich den Oberschlaumeiernon Grün-Rot. Meiner Ansicht nach erfüllt der Irak dasriterium eines wirtschaftlich gesunden Staates derzeiticht.Finanzminister Eichel hat auf die Frage, ob er ernst-aft damit rechnet, dass der Irak Deutschland die Alt-
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Rainer Brüderleschulden in Höhe von 4 Milliarden Euro zurückzahlt,wörtlich geantwortet: „Ich kriege das, und zwar kom-plett.“
Der Titel dieser Aktuellen Stunde zeigt eines: Sie fallenIhrem eigenen Finanzminister doch wieder einmal in denRücken.
Grün-Rot hat Herrn Eichel offenbar zum Abschuss frei-gegeben.Dabei spielen die laufenden Haushaltsberatungen na-türlich eine Rolle. Wir konnten heute in der Zeitung le-sen, dass der Etat von Frau Wieczorek-Zeul ordentlichgerupft werden soll. Mit dieser Aktuellen Stunde soll derangeschlagene Kollege Eichel wohl weiter demontiertwerden. Ich warte auf den nächsten Auftritt von HerrnEichel hier. Sein Abgang wird sicherlich im wahrstenSinne des Wortes „oskarreif“ sein.Sie wollen mit dieser Aktuellen Stunde von IhrerChaospolitik, von der immer höheren Arbeitslosigkeitund vom Schuldenchaos ablenken. Dieses Vorgehen istdurchsichtig und substanzlos. Sie werden die Arbeitslo-senzahlen für den Mai präsentiert bekommen.
– Morgen werden sie vorliegen. – Sie werden dann er-neut die Quittung für Ihre verheerende Politik bekom-men. Wie falsch Ihre Politik ist, werden Sie an den Zah-len ablesen können.Sie haben Ihre Regierungszeit seit der Bundestags-wahl verschwendet. Am 14. März wollte der Bundes-kanzler – so war es groß angekündigt – eine historischeRegierungserklärung abgeben. Seitdem ist kein einzigerGesetzentwurf auf den Tisch gelegt worden. Auf Regio-nalkonferenzen und Sonderparteitagen betreiben Siegrün-rote Nabelschau, statt Ihre Aufgabe zu erfüllen. Siesind gewählt worden – leider haben Sie eine Mehrheitbekommen –, um zu handeln, zu entscheiden und nicht,um Nabelschau zu betreiben, interne Diskussionen zuführen und das Land weiter in eine falsche Richtung trei-ben zu lassen.
Sie erfüllen Ihre Aufgabe nicht. Jeden Tag wird vonIhnen eine neue steuerpolitische Sau durchs Dorf getrie-ben: Frau Simonis will die Mehrwertsteuer erhöhen;Ulla Schmidt spricht von Mehreinnahmen durch eine Er-höhung der Tabaksteuer in Höhe von 4 Milliarden Euro;Herr Schreiner möchte, dass die Vermögensteuer wiedereingeführt und dass die Erbschaftsteuer erhöht wird. Sieinszenieren diese steuerpolitische Kakophonie perfekt.
Sie sorgen für eine totale Verunsicherung der Bürgerin diesem Land, die nicht mehr wissen, ob sie ihr Geldausgeben sollen oder nicht. Sie tragen die politische Ver-antwortung für die steigende Arbeitslosigkeit. Was SiehgsSSgshPgSIoW-tui„w–sHI
Erfüllen Sie endlich Ihre Aufgabe und veranstaltenie keine Show! Sie haben die Regierungsmehrheit. De-radieren Sie das Parlament nicht zu einer heuchleri-chen Quasselbude, wie Sie es durch Ihre Beiträge getanaben! Sie haben dazu beigetragen, das Ansehen desarlaments weiter zu beschädigen. Das können Sie, re-ieren können Sie nicht.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Karin Kortmann,
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch finde, es ist schon ein besonderes Lehrstück der Uni-nspolitik, was uns hier geboten wird.
ährend nämlich die Entwicklungspolitikerinnen undpolitiker der Union noch im Ausschuss über Schulden-ragfähigkeit, Finanzierungsmodelle für Entwicklungnd Auswirkungen der HIPC-Initiative diskutieren, sagthr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Merz derBild am Sonntag“, wo es langgehen soll.Da Sie heute so vieles von dem leugnen, was gesagturde, trage ich Ihnen einmal das Zitat vor.
Ich kenne den Unterschied zwischen FDP und Union,chaue aber freundlicherweise auch Herrn Brüderle an. –err Merz hat gesagt:Angesichts der hohen Schuldenlast ausländischerStaaten bei der Bundesrepublik Deutschland kön-nen wir uns Schuldenerlasse nicht mehr leisten. Da-für ist die Lage der deutschen Staatsfinanzen zudramatisch. Weitere Zusagen für große Kredite imAusland müssen so lange unterbleiben, bis die deut-schen Staatsfinanzen wieder konsolidiert sind.ch habe von der Union weder – –
Es muss auch geprüft werden,
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3950 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Karin Kortmannwelche Länder ihre Schulden schnell zurückzahlenkönnen.
Bis heute, Herr Kampeter, sind Sie eine Erklärung schul-dig geblieben, was damit gemeint ist. Es gibt keine Pres-semitteilung und kein Dementi. Herr Merz redet hierheute nicht und bezieht dazu auch nicht Stellung. Ichsehe nur einen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden,der an den Fachpolitikern vorbei eine Diskussion eröff-net, die uns allen unseliges Leid bringt.
– Ja, es ist doch so. Herr Merz hat wieder seine finanz-politische Kompetenz in den Sand gesetzt und Ihnen undIhrer Fraktion bezüglich globaler Verantwortung und derFähigkeit zu nachhaltiger Gestaltung ein Armutszeugnisausgestellt. Beides besitzen Sie nach wie vor nicht.Nehmen wir das Beispiel, das Herr Wissmann an-sprach, nämlich Bolivien, eines der ärmsten Länder derWelt. 1996 wurden im Rahmen von HIPC I BolivienSchulden in Höhe von 760 Millionen US-Dollar erlas-sen. Im Rahmen von HIPC II im Jahre 2001 kamen nocheinmal 1,3 Milliarden US-Dollar hinzu. Die gehen in dieArmutsbekämpfung und fördern somit ein humanes, so-ziales und auch wirtschaftliches Wachstum. Wir habeneinen konditionierten Schuldenerlass, das heißt, dasGeld zirkuliert nicht frei im Land,
sondern ist an bestimmte Programme und Aufgaben ge-bunden.
– Lesen Sie es nach! Ich habe nur wenig Zeit. Hören Siemir zu! Ich schicke Ihnen meine Rede aber selbstver-ständlich auch gerne zu.
– Machen Sie sich bitte bei den Fachpolitikern Ihrer ei-genen Fraktion sachkundig, wenn Sie es selber nichtwissen.
Die erlassenen Schulden gehen zu 70 Prozent – das istGesetzeslage in Bolivien – in die Munizipien, die Land-kreise. Sie werden dort für Schulen, Bildung, Gesund-heitsversorgung und für produktive Infrastruktur verwen-det. 20 Prozent gehen in das Bildungsministerium fürLehrer, Bau von Schulen und Lehrmaterial und 10 Pro-zent gehen an das Gesundheitsministerium. Durch dieUmwandlung von Schulden kann der bolivianische Staatdafür in den kommenden Jahren jährlich 100 MillionenUFKGPmasgnAvgufökMwbfrrdnFaolfdBwkgpKsCa
ämlich Senkung der Armutsgrenze und der extremenrmut, Steigerung der Lebenserwartung und der Schul-erweildauer. Dies kann aber nur Erfolg haben, wennleichzeitig – ich hoffe, dass Sie das wenigstens einsehennd uns da unterstützen – wirtschaftliches Wachstum ge-ördert wird – das heißt auch Öffnung der Märkte –, dieffentlichen Ausgaben auf armutswirksame Bereicheonzentriert, institutionelle Reformen eingeleitet undaßnahmen zur Dezentralisierung verstärkt werden so-ie eine Erhöhung der staatlichen Einnahmen durch Ver-esserung des Steuersystems und der Finanzkontrolle er-olgt.Drei Komponenten, nämlich die Wachstumsförde-ung, die Schuldentragfähigkeit und die Armutsreduzie-ung müssen hier Hand in Hand greifen. Das sind Ziele,ie zum Überleben von Millionen von Menschen inter-ational vereinbart wurden. Daraus ergibt sich auch dierage, ob wir uns verantwortungsvoll und glaubwürdign der sozialen Gestaltung der Globalisierung beteiligender ob wir Friedrich Merz mit seinem dumpfen Popu-ismus wie dem Rattenfänger von Hameln hinterherlau-en wollen.
Wenn Sie das nicht so sehen, dann erwarte ich, dassie Union gleich, wenn wir mit dem bolivianischenischof Abastoflor zusammensitzen, das zurücknimmt,as Friedrich Merz gesagt hat.Ich bitte Sie sehr herzlich: Schmücken Sie sich zu-ünftig nicht mit falschen Tüchern und falschen Slo-ans. Wir kämpfen für das, was mit der Erlassjahr-Kam-agne eingeleitet worden ist. Vielleicht hat Ihr Kollegeues ganz Recht: Das C wird in der Union doch wiederehr klein geschrieben.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich sageuch und gerade als Entwicklungspolitiker: Bei 4,5 Mil-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3951
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Dr. Christian Rucklionen Arbeitslosen, einer dramatischen Wirtschafts-krise, einem außer Rand und Band geratenen Bundes-haushalt, einer Rekordnettoneuverschuldung, auf die wirzutreiben, und 52 Milliarden Euro Außenständen ist,Frau Kortmann, die Frage nicht nur legitim, sondernauch berechtigt: Wie können wir durch eine Verbesse-rung unseres Schuldenmanagements auch zu einer Ver-besserung der eigenen miserablen Wirtschaftslage inDeutschland beitragen? Diese Frage ist nicht etwa un-christlich, sondern unchristlich und unkollegial ist, wieSie hier mit Kollegen aus unserer Partei und aus der FDPumgehen. Dafür sollten Sie sich schämen und nicht wir.
Es ist traurig, dass diese entscheidenden Fragen vonder Opposition gestellt werden und nicht von den Regie-rungsparteien. Es ist auch traurig, dass Sie, Frau Scheel– wir haben die Aktuelle Stunde nicht beantragt, sondernSie –, mit einem Sturm im Wasserglas und dieser Phan-tomdebatte davon ablenken wollen, dass Sie den Bun-deshaushalt an die Wand fahren, dass auch die entwick-lungspolitischen Ziele dadurch gefährdet sind, dass derBMZ-Haushalt Jahr für Jahr reduziert wird und dassauch Ihre Entschuldungsinitiative mit schweren Män-geln behaftet ist.
– Danke für den Hinweis.Die entwicklungspolitische Komponente, die Sie hierhochziehen, ist doch wirklich ein Popanz; denn weitmehr als die Hälfte der Schulden, um die es geht, sindnicht Schulden der Entwicklungsländer. Ein großer Teilder verbliebenen Schulden sind Schulden der Schwellen-länder, von Ländern, die von sich selbst behaupten, dasssie großartige Zukunftsperspektiven haben, und zwar zuRecht, wie China und Brasilien. Bei diesen Ländernmuss man doch, wie Herr Wissmann völlig zu Recht an-geschnitten hat, von Fall zu Fall entscheiden, ob Schul-den erlassen werden und wie Schuldenmanagement be-trieben wird.Der klassische Fall ist der Irak. Jeder von uns weißdoch, dass wir den Leuten im Irak helfen müssen. Aberdas heißt noch lange nicht, dass wir dem Irak als zweit-größtem potenziellen Erdölexporteur der Welt die Schul-den erlassen müssen,
sondern wir brauchen ein vernünftiges Schuldenmanage-ment, durch das wir unser Geld wiederbekommen undder Irak auf die Beine kommt.
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nd zwar in einer Situation, in der den Kommunen dasasser bis zum Hals steht und viele Bürger in unseremande sparen. Sie tun auch der Entwicklungspolitik kei-en Gefallen, Frau Ministerin, sondern bringen sie inisskredit, wenn Sie den Eindruck erwecken, dass wiricht behutsam, engagiert und effizient mit dem uns an-ertrauten Geld umgehen.Das gilt auch für HIPC. Wir haben die Initiativen derirchen doch gemeinsam unterstützt. Wir haben gesagt,ass auch wir eine Entschuldung in vielen Fällen als einert Neuanfang für notwendig halten. Aber das war ganzezielt kein Blankoscheck für weitere Misswirtschaft,ondern wir haben Bedingungen daran geknüpft, zumeispiel ein Mehr an guter Regierungsführung oder einehr an Mitteln für die Armutsbekämpfung. Es ist völ-ig evident, dass es gerade in diesem Bereich Schwierig-eiten gibt. Das sagt doch nicht nur die Opposition. Fra-en Sie zum Beispiel Misereor oder fragen Sie Bischofbastoflor, der heute hier ist und der über die Lage Boli-iens sehr engagiert und sehr kompetent Auskunft gebenann. Auch er wird Ihnen sagen, dass vieles von dem,as wir eigentlich wollten, nicht eingetreten ist, weil dieonditionierung eben nicht gestimmt hat.Aber es gibt noch andere Fälle, die viel problemati-cher sind. Ich nenne beispielsweise Ruanda, Ugandand Burkina Faso, die auch zu dem Kreis der Länder ge-ören, die entschuldet werden. Angesichts der äußerstubiosen Rolle dieser drei Länder muss man sich wirk-ich fragen, ob hier die Konditionierung gegriffen oderomplett versagt hat.
iese Fragen muss man stellen dürfen. Man muss jedesand einzeln betrachten und dann von Fall zu Fall ent-cheiden, was geschehen soll.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Ja. Ich plädiere dafür, dass Sie sich an die eigene Naseassen und dass Sie nicht von Ihrem nochmals schlechtererdenden Haushalt ablenken. Greifen Sie unsere Vor-chläge auf und arbeiten Sie konstruktiv daran mit, daschuldenmanagement und die Lage der Bevölkerung iner Dritten Welt zu verbessern!
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Nächster Redner ist der Kollege Thilo Hoppe vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Kollegin Kortmann hat bereits ihren Schal gezeigt.Ich möchte am liebsten einen Kochtopf auspacken, einengroßen Kochlöffel nehmen und damit Krach schlagen
– in alle Richtungen –, wie das 5 000 Menschen auf demÖkumenischen Kirchentag im Rahmen der Erlassjahr-Kampagne getan haben. Sie sind nicht nur von OscarRodriguez, dem Bischof aus Honduras, der schon er-wähnt wurde, unterstützt worden, sondern auch vonMargot Käßmann, der Bischöfin der größten evangeli-schen Landeskirche Deutschlands. Ich möchte gerne mitKrach schlagen, nicht für weniger, sondern für deutlichmehr Schuldenerlass. Zum Glück weiß ich, dass man mitden Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU undvon der FDP im AWZ über dieses Thema seriös disku-tieren kann und dass sie sich nicht zu populistischen Äu-ßerungen hinreißen lassen.Schulden im Ausland einzutreiben klingt populär undist nicht von vornherein ein absurder Gedanke.
Aber wir müssen fragen, wie es in den Ländern aussieht,die davon betroffen sind.
Sie haben gesagt, dass Sie nicht die Entwicklungsländermeinen, sondern Länder wie Russland, die in der Lagesind, ihre Schulden zurückzuzahlen. Aber als Beispielhaben Sie Länder wie Bolivien, Uganda und Ruanda ge-nannt.
Sie müssen an dieser Stelle ganz klar und deutlich sagen,welche Länder Sie wirklich meinen.Die Frage muss doch erlaubt sein, wie diese Schuldenzustande gekommen sind. Es wird der Eindruck erweckt,die Länder hätten über ihre Verhältnisse gelebt, seien mitdem Geld verschwenderisch umgegangen und könntennicht wirtschaften.
Wenn man die Situation in vielen dieser Länder genauanalysiert, dann wird man feststellen, dass auch falscheRezepte von außen – ich nenne Strukturanpassungsmaß-nahmen des IWF –, zum Teil fehlgeleitete Entwick-lungshilfe sowie dubiose Bankengeschäfte zu dieser Si-tuation beigetragen haben. Die Länder des Westenshaben sozusagen daran mitgedreht und von der Schul-denfalle kräftig profitiert.lspfh–Wgd3dpzLutdnfshqLFVadtcWIgsatfUa
Würden wir jetzt aussteigen und weniger Schuldener-ass gewähren, dann würde das – die Ministerin hatchon ausdrücklich darauf hingewiesen – zu katastro-halen Folgen führen. Es würde beispielsweise dazuühren, dass mehr Kinder erkranken und mehr Menschenungern würden.
Das ist nicht zynisch, sondern in vielen Ländern derelt Realität.Ich will daran erinnern, dass Deutschland selber vomroßzügigen Schuldenerlass profitiert hat. Im Rahmenes Londoner Schuldenabkommens wurden Deutschland0 Milliarden DM Schulden erlassen. Die Schulden-ienstquote wurde damals auf 1 bis 3,4 Prozent der Ex-orterlöse reduziert. Das war eine wichtige Vorausset-ung für den Neuanfang, für die Stabilisierung unseresandes und für die Stabilisierung der Demokratie.Wenn wir einen wirksamen Beitrag für mehr Friedennd Stabilität in der einen Welt leisten wollen, dann soll-en wir uns für eine deutliche Ausweitung der Entschul-ungsinitiative einsetzen. Dass HIPC in einigen Fällenicht erfolgreich war, lag daran, dass die Schuldentrag-ähigkeit der betroffenen Länder teilweise falsch einge-chätzt wurde und die verbliebenen Restschulden zuoch waren. Es ist zu fordern, dass die Schuldendienst-uote auf 5 Prozent gesenkt wird. Nur so haben dieseänder eine Chance, sich aus diesem Kreislauf, dieseralle überhaupt zu befreien.Natürlich müssen wir über die Konditionierung, übereränderungen nachdenken,
ber nicht über ein stärkeres, heftigeres Eintreiben. Wirürfen dort nicht heftiger als die Gerichtsvollzieher auf-reten. Wir müssen vielmehr realistisch beurteilen, wel-he Restschulden diese Länder aufgrund der verändertenirtschaftsbedingungen überhaupt tragen können.
Diese Maßnahmen müssen von einem internationalennsolvenzrecht flankiert werden. Auf der Frühjahrsta-ung der Weltbank und des IWF hat es leider keine Fort-chritte gegeben. Das lag nicht an Deutschland, sondernn der Blockadehaltung der USA. Wir brauchen ein in-ernationales Insolvenzrecht, und zwar im Sinne einesairen und transparenten Schiedsverfahrens.
nsere Forderung geht in die Richtung, dass dort nichtllein der IWF als Hauptgläubiger das Sagen haben darf,
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Thilo Hoppesondern dass es ein wirklich faires und transparentesSchiedsverfahren zu sein hat.Nur Forderungen, die in diese Richtung weisen, füh-ren weiter. Dabei geht es nicht um Großzügigkeit oderum Mitmenschlichkeit, sondern um gleiche Chancen,gleiche Rechte, gleiche Lebensperspektiven für alle undauch um bessere Chancen für unsere Wirtschaft. Wennwir Weltmeister im Exportieren sein und bleiben wollen,dann brauchen wir Kunden, die wir fair behandeln undmit denen wir fair handeln können.Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Lothar Binding,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, das Motivfür die Forderungen aus den Reihen der CDU/CSU istdas schlechte Gewissen.
– Ich zitiere diese Forderungen gleich. – Denn wir sindja Schuldnerland im eigenen Land. Angenommen, wirhätten die Schulden, die bis 1998 aufgelaufen sind, nichtzu bedienen: Kann sich jemand vorstellen, was heute indiesem Land los wäre, wenn wir diese Zinslast nicht zubedienen hätten?
– Das ist eine völlig alte Kamelle. – Das Problem dabeiist nur, dass die Verantwortlichen heute operativ nichtmehr greifbar sind. Darin liegt das eigentliche Problem.
Es gibt außer denjenigen, die hier sitzen, nur einen,der sich wirklich kümmert: Das ist Hans Eichel. Dafürsollten Sie ihm dankbar sein.
Kollege Wissmann sagt, nicht alle Schuldnerländerseien Entwicklungsländer. Das stimmt. Aber ist es nichtgerade deshalb umso wichtiger, sich international mitKrediten und Risikoabschirmungen zu engagieren? HerrMerz sagt, Schuldenerlasse könnten wir uns nicht mehrleisten.
– Nicht aber! – Die Frage ist natürlich, ob wir uns dieForderungen von Herrn Merz, die sich daraus ableitenlassen, noch leisten können.VzlebtuStpwFREtuRudteglKAsUkSa1eAd
u ethisch-moralischen Gesichtspunkten sowie zu sozia-n, kulturellen und humanitären internationalen Aufga-en sagen. Mir ist aber im Haushaltsausschuss ein An-rag von der CDU/CSU in die Hände gefallen, der sichnter anderem so zitieren lässt:Entwicklungspolitik ist jedoch genauso ein wichti-ges Instrument zur Förderung der Stellung Deutsch-lands in der Welt. Sie befördert den fruchtbarenKulturaustausch, stimuliert die Hochschul- undWissenschaftskooperation, intensiviert die wirt-schaftlichen Beziehungen und stärkt so auch unsereWirtschaft auf wichtigen Zukunftsmärkten.
Um wie viel stärker gilt das für Länder, die ihrechuldendienste korrekt bedienen? Was würden die in-ernationalen Handelsvertretungen sagen, wenn wirlötzlich Ihrem Vorschlag nachkommen würden? Dasäre international in vielfältiger Hinsicht ein absolutesiasko.
Aber die CDU/CSU präzisiert sogar. Sie fordert dieegierung zu etwas auf. Ich zitiere erneut:Dieser Herausforderung muss die deutsche Politikgerecht werden, indem sie den Bereich … mit mehrfinanziellen Mitteln und qualitativ mit mehr Effizi-enz und Kohärenz stärkt.igentlich hat uns genau das dazu veranlasst, diese Ak-elle Stunde zu beantragen. Wir wollen zeigen, dass dieichtung Ihrer Ideen falsch ist. Es gibt nämlich keinengebundenen Kredite, keine nicht konditionierten Kre-ite und keine direkten Kredite.Wie funktioniert das eigentlich? – Ein deutsches Un-rnehmen bietet Produkte an oder realisiert internationalroße Projekte. Der Käufer oder Abnehmer – gelegent-ich sind das Staaten – bezahlt den Auftrag mit einemredit, den eine deutsche Hausbank organisiert. Dieufgabe des Staates ist die Risikoabschirmung für einenolchen Kredit. Jetzt frage ich mich: Was würden dienternehmen denken, wenn wir Ihrem Vorschlag nach-ämen? – Das würde international einen ökonomischenchaden anrichten, den Sie, auch aus der Opposition her-us, gegenüber Deutschland nicht verantworten könnten.Wir haben aktuell einen Ermächtigungsrahmen von etwa30 Milliarden Euro und ein Entschädigungsrisiko – das istine rein rechnerische Größe – von 75 Milliarden Euro.lle wissen, dass dieses Risiko nicht eintreten wird;enn wir müssen drei Fälle unterscheiden:
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Lothar Binding
Erstens. Die Kredite werden mit Zins und Tilgung be-dient. Man muss sich fragen, warum ein KreditgeberKredite kündigen sollte, die mit Zins und Tilgung be-dient werden und international große wirtschaftliche Dy-namik erzeugen, was für die deutsche Volkswirtschaft,die international stark verflochten ist, von großer Bedeu-tung ist.Zweitens. Bei Liquiditätsproblemen gab und gibt esdie Möglichkeit der Umschuldung in langfristige Kre-dite. Dies geschah – das ist ein sehr gutes Beispiel – An-fang der 90er-Jahre bei den Krediten Russlands. Seitherbedient Russland die Kredite mit Zins und Tilgung sehrkorrekt. Dadurch werden Handelsbeziehungen aufrecht-erhalten. Russland ist übrigens einer der größten Ener-gielieferanten Deutschlands. Diese Lieferungen sind fürdie deutsche Wirtschaft essenziell.Drittens. Es gibt Länder – das stimmt –, die in die ab-solute Zahlungsunfähigkeit geraten.In allen drei Fällen macht selbst die Überprüfunglangfristiger Kredite keinen Sinn, weil sie ökonomischschädlich wäre. Damit würden wir einen Vertrauensver-lust in ein Exportland erzeugen, den keiner in diesemRaum wirklich verantworten kann.Wie verfahren wir? Ich will es technisch beschreiben:Wir verfahren nach den Konditionen des Pariser Clubs.Bei hoch verschuldeten Ländern verfahren wir nach denHouston-Konditionen, bei stark verschuldeten Ländernnach den Neapel-Konditionen sowie bei hoch verschul-deten und ärmsten Ländern nach den Köln-Konditionen.Dieses Verfahren ist human, international verantwor-tungsbewusst, ökonomisch sinnvoll und gut für Deutsch-land.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Conny Mayer,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Auch und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zei-ten, also in Zeiten, in denen wir uns zurzeit befinden,muss es erlaubt sein, die Ausgaben auf den Prüfstand zustellen und kritisch zu hinterfragen, wie wir unsere Steu-ergelder ausgeben.
Ich freue mich deshalb, dass ein Presseartikel zumThema Auslandsschulden zum Anlass genommen wird,den Schuldenerlass kritisch zu diskutieren. Ich wunderemich aber, dass der Opposition vorgeworfen wird, siewerfe mit Nebelkerzen. Sie sagen, wir sollten uns schä-men. Im Grundsatz sind wir uns doch in Sachen Ent-schuldung einig. Es muss aber legitim sein, zu überle-gen, wie das Thema Entschuldung richtig angegangenwddümFgrEFlkmaubesl–vnWdÜmisErddnedlrwAsd
Eine große deutsche Sonntagszeitung verweist unterer Überschrift „So viel schuldet uns das Ausland“ aufber 52 Milliarden Euro und untermalt das sehr plastischit Grafiken. Ich frage mich, warum Sie versuchen, dieinanz- und Entwicklungspolitiker der Opposition ge-eneinander auszuspielen, anstatt sich als Bundesregie-ung zu fragen, welchen Beitrag Sie für eine nachhaltigentwicklungspolitik und Entschuldung leisten können.
ragen Sie sich, welchen Beitrag die Bundesregierungeisten kann, um den Menschen besser als bisher zu er-lären, dass wir schon aus Eigeninteresse entschuldenüssen!Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Weltbank hatufgezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen Armutnd Bürgerkriegen besteht. Politische Instabilität in denetroffenen Ländern kann auch für uns in Deutschlandine Bedrohung unserer Sicherheit und unserer wirt-chaftlichen Interessen bedeuten. Auch Entwicklungs-änder sind potenzielle Wirtschaftspartner.
Es freut mich ja, dass auf Ihrer Seite geklatscht wird.Was ist denn das Ziel von Entschuldung, meine sehrerehrten Damen und Herren? Das Ziel ist, die am we-igsten entwickelten Länder, die ärmsten Länder dieserelt – von denen sprechen wir jetzt bei der Entschul-ung – zu unterstützen und aus dem Teufelskreis vonberschuldung, Schuldentilgung, Zinszahlungen und im-er weiterer Verschuldung herauszuholen und um – dast entscheidend – die Mittel frei zu haben für nachhaltigentwicklung, für Armutsbekämpfung, für eine Verbesse-ung der Situation bei Bildung und Gesundheit und füren Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.Entschuldung muss ein Dreiklang sein: erstens Kon-itionierung, zweitens Kontrolle und drittens die Frageach den Konsequenzen, wenn es nicht funktioniert.
Konditionierung: Welche Bedingungen gibt es, umntschuldet zu werden? Wie wird erreicht, dass Schul-enerlass nicht die eigenen Anstrengungen der Entwick-ungsländer unterläuft, sondern im Gegenteil einen An-eiz für eigene Anstrengungen in dem Bereich bietet?Kontrolle: Wie werden Entschuldungsprozesse über-acht? Wie wird gewährleistet, dass Geld wirklich zurrmutsbekämpfung eingesetzt wird und nicht zur Unter-tützung der verfehlten Politik von Regierungen? Auchas gibt es.
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Conny Mayer
Wie wird die Beteiligung der Zivilgesellschaft bei derErarbeitung der Armutsbekämpfungspläne gewährleis-tet?Der dritte Punkt ist die Frage nach den Konsequen-zen: Welche Sanktionsmöglichkeiten haben wir denn beiVerstößen gegen die Armutsbekämpfungspläne und bei-spielsweise bei der Nichtbeachtung von Good Gover-nance?Nur dann, wenn die Bundesregierung Antworten aufall diese Fragen hat, dient Entschuldung dem von mireingangs beschriebenen Ziel.Lassen Sie mich noch eine Schlussbemerkung ma-chen. Ich wünsche mir, dass wir in diesem Hohen Hausenicht versuchen, Entwicklungspolitiker und Finanzpoli-tiker gegeneinander auszuspielen. Das ließe sich, überFraktionsgrenzen hinweg, auch machen mit Entwick-lungs- versus Gesundheits- und Forschungspolitikernoder Agrarpolitikern. Ich wünsche mir, dass wir uns hierim Hohen Hause konstruktiv mit dem Thema „Entschul-dung und Entwicklungspolitik“ auseinander setzen.Vielen Dank.
Frau Kollegin Mayer, ich gratuliere Ihnen recht herz-
lich zu Ihrer ersten Rede hier in diesem Hohen Hause.
Ich wünsche Ihnen persönlich und politisch alles Gute.
Nächster Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kol-
lege Jörg-Otto Spiller, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Frau Kollegin Mayer, auch ich gratuliere Ihnenzu Ihrer ersten Rede im Plenum des Deutschen Bundes-tages. Ich darf Ihnen bestätigen: Sie haben den sach-lichsten Beitrag aus Ihrer Fraktion geliefert.
Alles andere, was bisher von Ihrer Fraktion gekommenist, war leider Schaumschlägerei.
Frau Mayer, Sie haben auf den Artikel hingewiesen,der kürzlich in der „Bild“-Zeitung erschienen ist und indem Zitate von Herrn Merz, Herrn Wissmann und HerrnBrüderle gebracht worden sind. In diesem Artikel wur-den die 52 Milliarden Euro an Auslandsforderungen dar-gestellt, die Deutschland hat. Dann kommt natürlich, wieHerr Brüderle vorhin noch einmal klargestellt hat, dieUnterstellung, die Bundesregierung gehe lax damit um,verteile großzügig und verzichte zulasten der deutschenSteuerzahler. Herr Brüderle drückte das so aus, dass dieBundesregierung den großen Spendieronkel spiele.SuSi9dksRicddmrinDndlDRngIlkgrFJlt–rdeembirod
52 Milliarden Euro: Der größte Posten in dieserumme sind Forderungen, die Deutschland an Russlandnd andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion hat. Derchuldenerlass für diese Länder – ich finde, man kannhn aus politischer Sicht rechtfertigen – ist damals, 1989/0 und in den Folgejahren, sehr großzügig gewährt wor-en. Es ist damals auch sehr viel in Form von Geschen-en an die Sowjetunion gegangen. Deutschland hat bei-pielsweise zu einem großen Teil den Rückzug deroten Armee aus Deutschland finanziert; das beanstandeh überhaupt nicht. Die damals rund 100 Milliarden DM,ie der Sowjetunion bzw. deren Nachfolgestaaten als Kre-ite gewährt worden sind, sind Forderungen zu durchausarktüblichen Konditionen. Allerdings hat sich dann he-ausgestellt, dass Russland in der Folgezeit nicht immer der Lage war, die Zahlungen fristgemäß zu leisten.eswegen hat es bezüglich des Löwenanteils – internatio-al abgesprochen – Schuldenstreckungen und Umschul-ungen insbesondere vom Pariser Club gegeben.Herr Wissman hat noch auf eine besondere Verbind-ichkeit der Sowjetunion hingewiesen, die zwischeneutschland und Russland immer strittig war, weil Ihreegierung, Herr Wissmann, es zwischen 1989 und 1998icht fertig gebracht hat, den Charakter dieser Forderun-en zu klären und eine Verständigung herbeizuführen.ch spreche von den so genannten Transferrubelverbind-ichkeiten der Sowjetunion gegenüber der DDR. Umge-ehrt gab es die Position der Sowjetunion, die Forderun-en an die DDR hatte und diese verrechnen wollte. Jetztechnen Sie einmal in Transferrubel bewertete strittigeorderungen in Euro um! Viel Vergnügen!
edenfalls ist Ihnen das in Ihrer Regierungszeit nie ge-ungen. Sie haben auch keinen ernsthaften Versuch un-ernommen.
Da gab es aber D-Mark und andere konvertible Wäh-ungen.
Herr Wissman hat sich jetzt hingestellt und gesagt: Daiese Bundesregierung mit Russland vereinbart hat, hierinen Schlussstrich zu ziehen,
twas, was zwischen Gläubigern und Schuldnern ge-acht werden muss, wenn es offensichtlich keine voneiden Seiten akzeptierte Klarheit gibt, müsse man sichgendwie verständigen. Russland hat dann eine Größen-rdnung von einer halben Milliarde Euro akzeptiert undiesen Betrag ganz überwiegend bezahlt.
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Jörg-Otto Spiller– Was heißt „6 Prozent“? Sagen Sie mir doch einmal,wie viel die strittigen 6,5 Milliarden Transferrubel inEuro wert sind!.
Sie haben diese Verständigung zwischen 1990 und 1998nicht geschafft. Spielen Sie also jetzt nicht den Schlau-meier.
Ich finde, alles Übrige muss man davon trennen. Das,was im Rahmen der Entschuldung von besonders hochverschuldeten armen Entwicklungsländern geschehenist, ist nie bilateral, sondern immer gemeinsam mit ande-ren Industrieländern gemacht worden. Wir haben im Üb-rigen nur Kredite solcher Länder einbezogen, die seitlängerer Zeit notleidend sind.
Herr Kollege Spiller, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Banken machen in solchen Situationen etwas anderes.
Sie streichen den Kredit und nennen das Wertberichti-
gung, und zwar in sehr viel größerem Stil. Wir haben
eine sehr korrekte Verfahrensweise gewählt und haben
uns nichts vorzuwerfen.
Die Bevölkerung ist besser informiert, als Sie glauben.
Auf solche Tricksereien wie die, die Sie über die „Bild“-
Zeitung verbreiten, werden die deutschen Bürgerinnen
und Bürger nicht reinfallen.
Nächster Redner ist der Kollege Steffen Kampeter,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Als ich vorhin den Redebeitrag von FrauWieczorek-Zeul gehört habe, habe ich gedacht, dass siedie Gutmütigkeit der Regierung etwas losgelöst von denwirtschaftlichen Realitäten beschreibt.Aber lassen Sie uns in unser Land blicken. Wir nä-hern uns in diesem Jahr mit 40 Milliarden Euro derhöchsten Neuverschuldung seit der Wiedervereinigung.Dies beruht vor allen Dingen auf erheblichen Steueraus-fällen durch die falsche und verfehlte Regierungspolitik,aber auch auf Mehrausgaben wegen der hohen Arbeits-losigkeit. Allein bei der Bundesanstalt für Arbeit sind esibvwmslaBxwtnSsadsbjtCsvSmFn4EesskNChdmzdSTs
Alle Schätzungen, die zum gegenwärtigen Zeitpunktorgenommen werden, scheinen offensichtlich noch vonirtschaftlichem Optimismus und Wachstumsannah-en von einem drei viertel Prozentpunkt geprägt zuein. In dieser weltwirtschaftlich wie national wirtschaft-ich schwierigen Zeit kann es doch nur sinnvoll sein, inllen Bereichen dafür zu sorgen, das Geld, das uns dieürgerinnen und Bürger anvertraut haben, mit dem Ma-imum an Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu ver-enden. Selbstverständlich müssen wir in dieser Situa-ion unserer Verantwortung für Deutschlandachkommen und die Frage stellen, warum wir diechulden, auf deren Rückzahlung wir einen Rechtsan-pruch haben, deren dazugehörigen Vertragslaufzeitenbgelaufen sind und die zur Rückerstattung an die Bun-esrepublik Deutschland anstehen, nicht einfordern. Dasind wir der Bevölkerung schuldig.
Das, was Sie, Frau Bundesministerin, hier gesagt ha-en, nämlich dass wir Verträge kündigen wollen, ist bareder Realität. Das ist eine üble Verleumdung der Posi-ion, die die Herren Merz und Wissmann für die CDU/SU in dem Artikel dargelegt haben.
Es ist eine Tatsache, dass fällige Schuldenaußen-tände in einem Umfang von rund 3,2 Milliarden Euroon der Bundesregierung nicht eingetrieben werden. Dertaatssekretär aus dem Finanzministerium, Herr Diller,uss uns gleich Rede und Antwort stehen, warum dasinanzministerium, das für die höchste Nettokreditauf-ahme nach der Wiedervereinigung in Höhe von knapp0 Milliarden Euro verantwortlich ist, 3,2 Milliardenuro an ausstehenden Schulden nicht einfordert, wie wirs vorgeschlagen haben.
Wie wichtig uns dieses Thema ist, können Sie daranehen, dass wir extra die Sitzung des Haushaltsausschus-es unterbrochen haben, um dieser Debatte folgen zuönnen. Das zeigt: Wir haben Interesse an dieser Politik.ahezu die gesamte Haushaltsarbeitsgruppe der CDU/SU ist anwesend. Die nur vereinzelt anwesenden Haus-älter der Sozialdemokraten machen deutlich, dass füras Geld der Steuerzahler bei CDU/CSU offensichtlichehr Interesse besteht als bei der Regierungskoalition.
Ein Wort zu Russland. Der Kollege Spiller hat sehrutreffend die Situation hinsichtlich des Transferrubelsargelegt. Tatsache ist: Es war ein politisch motivierterchuldenerlass ohne Gegenleistung. Sie haben beimransferrubel eine Vergleichsquote für Russland ange-etzt, die sich von den Quoten der übrigen ehemaligen
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Steffen KampeterRGW-Staaten unterschied. Sie haben Russland ohne Notpolitisch bevorteilt, und zwar zulasten des Steuerzahlers.Was noch viel schlimmer ist: Sie haben keine Gegenleis-tung gefordert. Auch aus der SPD-Fraktion sind kriti-sche Fragen gekommen, zum Beispiel, warum Sie dieKlärung der Beutekunstfrage nicht mit der Transferru-belfrage verbunden haben. Sie hatten nicht die Kraftdazu. Sie wollten einfach Schulden ausbuchen und sichals der gute Mensch aus dem Kanzleramt darstellen. Dasist eine Politik, die nicht im nationalen Interesse derBundesrepublik Deutschland liegt.
Einige Worte zu Bolivien. Wir haben Sie, Frau Minis-terin, in der vergangenen Woche im Haushaltsausschussanderthalb Stunden befragt, warum Sie knapp 300 Mil-lionen Euro unkonditioniert nach Bolivien gegeben ha-ben. Es geht nicht darum, dass wir prinzipiell gegen ei-nen Schuldenerlass seien. Aber wir fragen uns, ob wiruns einen unkonditionierten Schuldenerlass leisten kön-nen.Es gibt in der bolivianischen Gesellschaft über diesenunkonditionierten Schuldenerlass derzeit eine große Dis-kussion. Die Bolivianer wollen Ihr Geld eigentlich garnicht, weil es zur Abdeckung der Haushaltskrise in Boli-vien dient. Dieses Geld wird Ihrem Entwicklungshilfe-etat gutgeschrieben, aber in Bolivien versickert es, weilSie schlampig verhandelt und keine Konditionen an die-sen Schuldenerlass geknüpft haben. Jetzt steht die boli-vianische Gesellschaft Kopf und Sie verkaufen das auchnoch als eine Wohltat dieser rot-grünen Bundesregie-rung. Das nenne ich zynisch, Frau Bundesministerin.Das kann man so nicht stehen lassen.
Unsere Grundposition ist klar: In wirtschaftlichschwieriger Lage muss man jeden Cent zweimal umdre-hen. Man darf nicht schlampig verhandeln. Man musszusehen, dass man mit dem Geld der Bürger sorgsamund sparsam umgeht und dass man Außenstände ein-treibt. Das ist die Position der Entwicklungspolitiker, derHaushaltspolitiker und der CDU/CSU insgesamt. Darinlassen wir uns von niemandem überbieten.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Sascha Raabe, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kampeter, auch mit Verweis auf die angeb-lich hohe Anzahl Ihrer Haushaltskollegen sage ich Ih-nen: Ihre Rede beweist, dass Quantität keine Qualität er-setzt und Lautstärke keine Argumente.vaFdusdzisdlHsftsdsEZsMdSS–mAsdIegsgnUiswdnd
Wir haben heute schon ein paar sachliche Beiträgeon Ihrer Seite gehört, nämlich von Ihren Kolleginnenus dem Entwicklungshilfeausschuss, zum Beispiel vonrau Mayer. Ich glaube, wir sind uns durchaus einig,ass es in einer fachlichen und sachlichen Diskussionnd in einem solchen Kontext ganz normal ist, dass manich über die Frage unterhält, wie die Entschuldung kon-itioniert vonstatten gehen und man die Entwicklungs-iele im Auge behalten kann.Aber Herr Brüderle, Herr Wissmann und Herr Merz – ert jetzt leider nicht da – kommen als erfahrene Politiker iner Öffentlichkeit mit platten Sprüchen daher und erzäh-en etwas vom „Spendieronkel“. Darüber hinaus sagterr Merz, dass die Schuldenerlasse gestoppt werdenollen – dies in einer Phase, da wir beim Kirchentag öf-entlich darüber diskutiert haben, was das für die Ärms-en dieser Welt bedeuten würde. Das ist kein missver-tandener Beitrag, wie Sie es so gerne mit Empörungarstellen wollen nach dem Motto, Sie hätten das nichto gemeint.
s ist so ähnlich, wie Sie es auch innenpolitisch in deruwanderungsdebatte immer wieder machen. Hierchieben Sie den ausländischen Mitbürgerinnen unditbürger oft und gerne eine gewisse Verantwortung fürie hohe Arbeitslosigkeit zu. Aber immer dann, wennie auf gewisse Redebeiträge festgenagelt werden, sagenie, dass das alles nicht so gemeint gewesen sei.
Herr Brüderle, wenn Sie zuhören würden, würden Sieehr verstehen.
Ich bin beunruhigt, wenn Schulklassen, die mich alsbgeordneten besuchen, fragen, warum wir als Deut-che armen Ländern Kredite geben sollen, obwohl wiroch selbst so hoch verschuldet sind. Das zeigt mir, dasshre Rhetorik hier schon wirkt. Ich glaube, wir müssenndlich einmal erkennen, dass wir als Industrieland eineroße Verantwortung dafür tragen, dass es zu dieser Ver-chuldung gekommen ist.
Sie reden immer von der Notwendigkeit, mit Steuer-eldern sorgfältig umzugehen. Ich möchte daran erin-ern, dass die Industrieländer mehr als 300 MilliardenS-Dollar im Jahr für Agrarsubventionen ausgeben. Dast das Sechsfache dessen, was sie an öffentlicher Ent-icklungshilfe zur Verfügung stellen. Durch die Zölle,ie wir den Entwicklungsländern auferlegen, gehen ih-en doppelt so viele Einnahmen verloren, wie sie durchie öffentliche Entwicklungszusammenarbeit erhalten.
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Dr. Sascha RaabeAn diesem Punkt möchte ich die Kollegen von derUnion einmal an die Diskussion eines Antrages hier imBundestag erinnern, bei dem es um Agrarsubventionenging. Sie haben das blockiert. Deswegen kann ich Sienur auffordern, mit Steuergeldern richtig umzugehen.Die Agrarsubventionen müssen zurückgefahren werden,damit die ärmsten Länder ihre Lebensgrundlage wiederselbstständig erwirtschaften können.
Aus meiner Sicht ist es daher unabdingbar, dass wirnicht mit dem Finger auf die Ärmsten der Armen zeigen.
– Das haben Sie getan. Sie haben diesen Eindruck in derÖffentlichkeit vermittelt und es auch nicht richtig ge-stellt.
– Ich bin kein Verdreher. – Hier steht, dass wir uns dieSchuldenerlasse nicht mehr leisten können. Wir werdenuns nicht, wie Herr Kampeter sagt, aus Verpflichtungenzurückziehen. Auch im Rahmen der HIPC-Initiative sindwir multilaterale Verpflichtungen eingegangen. HerrMerz sagt, dass wir uns davon verabschieden müssen.Das würde einen Ausstieg aus deutschen Verpflichtun-gen bedeuten. Das können und dürfen wir nicht tun, weilwir eine Verantwortung für diese eine Welt haben.
In diesem Sinne kann ich nur noch einmal an Sie ap-pellieren: Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dassdie Welthandelsbedingungen für die Entwicklungsländerso verbessert werden, dass diese nicht mehr von Almo-sen abhängig sind! Sie werden langfristig keine Kreditemehr von uns brauchen, wenn wir ihnen faire Chancenauf dem Weltmarkt bieten. Ich glaube, darauf sollten wirunsere Anstrengungen richten.Wir sollten keinen dumpfen Populismus bedienen,nach dem Motto: Deutschland geht es schlecht, weil wirden Ärmsten der Armen Schulden erlassen. Das wäre si-cherlich eine Art und Weise, die der Debatte nicht ge-recht würde.
– Sie sollten vielleicht einmal Ihre eigenen Zitate über-denken – in der „Bild“-Zeitung stand das so – und HerrnMerz, der heute nicht da ist, fragen; er hat das nicht rich-tig gestellt. Ansonsten glauben Sie doch auch immer al-les, was in der „Bild“-Zeitung steht.Vielen Dank.
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Wir wollen, dass das geändert wird.
Zweitens. Jeder sieht ein, dass es unsinnig ist, einemder ärmsten Länder der Welt Entwicklungshilfegelderzur Verfügung zu stellen und ihm gleichzeitig per Zins-und Tilgungszahlungen die gleiche Summe wieder weg-zunehmen. Deswegen braucht richtig gemachte Ent-wicklungshilfe Entschuldung. Doch was Rot-Grün jetztmacht,
ist nicht mehr Entwicklungshilfe und Entschuldung, son-dern Entschuldung statt Entwicklungshilfe.
Ich will Ihnen die von der Bundesregierung bekanntgegebenen Zahlen vorlesen: Bei der Berechnung der of-fiziellen deutschen Entwicklungshilfe, der so genanntenODA-Quote, ist der Beitrag der deutschen Entwick-lungszusammenarbeit von 3,32 Milliarden Euro in 2001auf 2,78 Milliarden Euro in 2002 gesunken.
Der Beitrag Deutschlands zur EU-Entwicklungshilfe istvon 985 Millionen Euro auf 956 Millionen Euro gefal-len. Die so genannte ODA-Quote von ohnehin nur lä-cherlichen 0,27 Prozent des Bruttonationaleinkommenskonnte nur gehalten werden, weil man den Erlass vonHandelskrediten binnen eines Jahres von 23 MillionenEuro auf 630 Millionen Euro und den Erlass von Kredi-ten aus der finanziellen Zusammenarbeit von 171 Millio-nen Euro auf 455 Millionen Euro steigerte. Damit hatman in der Statistik den deutschen Beitrag zum Scheinhochgerechnet, aber bei den ärmsten Ländern der Welt,bei den an Hunger und Armut leidenden Familienkommt aus Deutschland weniger denn je an.
Beim Kölner G-7-Gipfel hat diese Bundesregierungversprochen, Schulden zu erlassen und die Entwick-lungshilfe zu erhöhen. Dieses Versprechen hat sie gebro-chen. Schulden statt Entwicklungshilfe – das ist genaudas Gegenteil von dem, was die Kirchen auf dem Kir-chentag gefordert haben, was die Erlassjahr-Kampagneund viele Menschen bei uns und in den Ländern des Sü-dens zu Recht fordern.Wir fordern Sie auf: Hören Sie auf, im DeutschenBundestag Scheindebatten zu führen.HzßvdtSOdurfsEdnEtrdws–zHssegSs
ich ein Thema auszusuchen, mit dem er für die großexportnation Deutschland nur Schaden anrichten kann,as frage ich mich. Ich vermute, er ist aus Feigheit heuteicht hier.
r hat sich – und das nach dem Ökumenischen Kirchen-ag – in diesem Artikel erdreistet – ich komme noch da-auf zurück –, die weitere Rückführung der Verschul-ung ärmerer Länder als negativ zu bezeichnen. Esaren diese Regierung und diese Ministerin, die die Ent-chuldung an Bedingungen geknüpft haben.
Sicher stimmt das. Herr Kampeter, ich komme gleichu Ihnen. Wir kommen gleich auf die Arbeitsgruppeaushalt zu sprechen. Darauf können Sie sich verlas-en.Natürlich müssen wir mit dem Geld der Steuerzahlerorgfältig umgehen und auf jeden Fall dafür sorgen, dasss nicht rausgeschmissen wird. Wer aber die Verarmungroßer Bevölkerungsgruppen in hoch verschuldetentaaten der Dritten Welt noch verstärkt, der straft sichelbst. Denn wenn diese Länder noch mehr destabilisiert
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3960 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003
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Brigitte Schulte
werden, werden wir am Ende noch mehr Geld zur Verfü-gung stellen müssen.
Angesichts dessen, was Sie sich heute hier geleistet ha-ben, kann man es nicht anders verstehen.
Die G-8-Staaten haben am Wochenende den Interna-tionalen Währungsfonds aufgefordert, früher auf inter-nationale Finanzkrisen zu achten. Dem stimme ich aus-drücklich zu.
– Das sind doch nicht wir. Es ist den Leuten doch erzähltworden, wie unkonditioniert das getan worden ist.Der Internationale Währungsfonds muss aber nochstärker angepasst an die jeweilige Situation eines Landesagieren. Er muss die Staaten besser betreuen, damit sienicht in die Misere geraten. Denn dann kostet uns dasnoch mehr Geld. Die Forderung nach einer besserenÜberwachung und einer Fortsetzung der Entschuldungteile ich.Nun komme ich zur CDU/CSU. Es liegt dem Haus-haltsausschuss des Deutschen Bundestages seit wenigenTagen eine Drucksache vor, die er jedes Jahr bekommt.Das ist der Jahresbericht 2002 nach §§ 10 bis 14 desHaushaltsgesetzes 2002 über die vorgenommenen Ge-währleistungen an den Haushaltsausschuss des Bundes-tages.
– Ich bin doch nicht so blöde wie Sie. Das nehme ich zu-rück. Ich entschuldige mich bei Steffen Kampeter in derSache.Der Bericht ist VS-Vertraulich. Herr Merz oder einervon Ihnen muss ihn in der Hand gehabt haben, denn einSozialdemokrat oder ein Grüner wird nicht zitiert. Weiler oberflächlich ist, hat er nur eine Zahl herausgenom-men, die ich jetzt auch nicht vorlese. In dem Bericht der„Bild am Sonntag“ stehen Zahlen, die beweisen, dass dieBundesrepublik Deutschland gegenüber dem Jahr 2001noch behutsamer mit bestimmten Krediten umgegangenist.Die gesamten Zahlen stimmen nicht. Sie sollten demKollegen vielleicht bei der Lektüre behilflich sein, HerrAustermann. Die Zahlen sind willkürlich ausgewähltworden. Richtig ist vielmehr das Gegenteil: Die Bundes-republik Deutschland geht – das muss man ihr lassen –mit dem Geld der Steuerzahler vorsichtig um.Der Kollege Merz sollte angesichts der Tatsache, dasser aus einer Drucksache hat zitieren lassen – oder dassSie diese weitergegeben haben –, die den Zusatz „VS-Vertraulich“ trägt, rote Ohren bekommen. Vielleichtkommen wir anschließend in der Ausschusssitzung, diewzBfsflnhiwslzsIFWstSdgnsüdJndWdKdH
Letzter Redner ist der Parlamentarische Staatssekretär
arl Diller.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Es war schon beeindruckend für mich, zu erle-
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Parl. Staatssekretär Karl Dillerben, was von den Finanzpolitikern und den Wirtschafts-politikern vorgetragen wurde. Die Entwicklungshilfepo-litiker der FDP sind gar nicht erst angetreten, weil ihnendie Äußerungen von Herrn Brüderle hoch peinlich sind.
Seitens der CDU/CSU war es beeindruckend, dasssich die Entwicklungshilfepolitikerin Frau Mayer völliganders geäußert hat als Herr Wissmann und andere.
Ich möchte eines betonen, Herr Brüderle und HerrWissmann: Lautstärke im Parlament und persönlicheVerunglimpfungen politisch Andersdenkender, die Siesich seit neuestem angewöhnen,
sind nicht geeignet, eine gewisse Kultur zu ersetzen. Siesind sicherlich nicht für das verantwortlich, was die„Bild“-Redaktion an dem besagten Sonntag im Zusam-menhang mit Ihren Zitaten publiziert hat. Aber ich hättegerne von Ihnen gehört, dass Sie sich von dem, was die„Bild“-Zeitung aus Ihren Zitaten gemacht hat, deutlichdistanzieren.
Denn die „Bild“-Zeitung hat eine einfache Schluss-folgerung gezogen: Die zusätzlichen Kredite, die in die-sem Haushaltsjahr aufgenommen werden müssen, könn-ten wir uns doch schenken, wenn wir einfach unsereAußenstände in anderen Ländern eintreiben würden.
Eine solche Politik sollte eigentlich weit unter Ihrem undHerrn Wissmanns Niveau liegen, Herr Kollege Brüderle.
Die Bundesregierung steht zu dem von ihr gewährtenSchuldenerlass gegenüber ausländischen Staaten. Denndiese Schuldenerlasse betreffen fast ausschließlich die sogenannten HIPC-Länder. Dabei handelt es sich um hochverschuldete arme Länder überwiegend in Afrika.Auf die besondere Situation in diesen Ländern habendie im so genannten Pariser Club zusammengeschlosse-nen Gläubigerländer mit der auf dem Weltwirtschafts-gipfel in Köln im Jahre 1999 entwickelten Schuldenini-tiative der G-7-Staaten reagiert. 90 Prozent der Schuldender insgesamt 42 HIPC-Länder werden erlassen.Deutschland und andere Gläubigerländer stocken dengewährten Schuldenerlass auf 100 Prozent auf. Dies be-dbNdatsbWtbudIg –Di–dRltSslBwaldnenmkW
Die Schuldenpolitik ist international in hohem Maßebgestimmt. Deutschland könnte sich aus einem interna-ional gefundenen Konsens auch gar nicht lösen. In die-em Zusammenhang ist ebenfalls erwähnenswert, dassereits beim G-7-Gipfel von Lyon, Herr Kollegeissmann von der Union, als Vorläufer der HIPC-Initia-ive ein Schuldenerlass in Höhe von 80 Prozent verein-art wurde. Damals hieß der Bundeskanzler Kohl.Einen Schuldenerlass gibt es – das ist besonders zunterstreichen – auch nicht willkürlich, sondern nur nachen Vorgaben und Bestimmungen des Haushaltsrechts.ch möchte einen Blick auf die Allgemeinen Bewilligun-en in Kapitel 23 02 werfen. Dort heißt es:Die Bundesregierung vom Parlament beschlossen –wird ermächtigt, sich ... am Schuldenerlass zuguns-ten von hoch verschuldeten armen Entwicklungs-ländern zu beteiligen und auf Forderungender Finanziellen Zusammenarbeit zu verzichten ...es Weiteren ist die Bundesregierung ermächtigt – dasst Ziffer 1.3 –, sich amVerzicht auf Forderungen aus der Finanziellen Zu-sammenarbeit in Höhe von insgesamt bis zu100 Millionen Euro nach Prüfung im Einzelfall zubeteiligen, wenn das Schuldnerland dadurch freiwerdende Mittel in Abstimmung mit der Bundesre-gierung für Vorhaben zum Schutz und zur Erhal-tung der Umwelt, zur Armutsbekämpfung sowie fürBildungsmaßnahmen einsetzt.
„Konditioniert“ macht die heutige Bundesregierung esurch Vereinbarungen im IWF, während Ihre damaligeegierung – Herr Kampeter, das ist Ihnen eine Stundeang in der Sitzung des Haushaltsausschusses in der letz-en Sitzungswoche erklärt worden – unkonditioniertchuldenerlass betrieben hat. Das muss hier deutlich ge-agt werden.Soweit die Aussicht auf Wiederherstellung der Zah-ungsfähigkeit bei einem Staat gegeben ist, gewährt dieundesregierung übrigens keinen Schuldenerlass. Dasar entgegen manchen anders lautenden Behauptungenuch im Falle Russlands so. Nun möchte sich der Kol-ege Weiß von den Kollegen Brüderle und Wissmann da-urch unterscheiden, dass er ein Land nennt, bei dem wiroch in diesem Jahr die Schulden möglichst schlagartigintreiben sollen. Herr Wissmann hat gar kein Land ge-annt. Er hat uns lediglich aufgefordert: Überlegt ein-al, ob es Länder gibt, bei denen ihr Schulden eintreibenönnt! Herr Brüderle hat dazu gar nichts gesagt. Herreiß hat auf Russland verwiesen. Herr Weiß, ich darf
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Parl. Staatssekretär Karl DillerIhnen mitteilen, dass ich in der letzten Wahlperiode so-wohl im Haushaltsausschuss als auch im Ausschuss fürdie neuen Bundesländer ausführlich über die Verhand-lungspositionen der russischen Regierung und der Bun-desregierung und auch darüber berichtet habe, dass dieseziemlich weit auseinander lagen und dass ein großesProblem für die heutige Bundesregierung bei den dama-ligen Verhandlungen mit Russland darin bestand, dassdie Bundesregierung unter Helmut Kohl mit der Sowjet-union einen Vertrag über die Transferrubelregelung inder Weise geschlossen hatte, dass der Schuldner Russ-land von sich aus überhaupt keinen Anlass hatte, sich indieser Frage auch nur einen Millimeter zu bewegen.
Wer damals einen solchen Vertrag abgeschlossen undgebilligt hat, der darf sich heute nicht aufspielen und sa-gen, dass wir das schlecht gehandhabt hätten.
Mit Russland ist kein Schuldenerlass, sondern sindausschließlich Streckungen der Rückzahlungsfristen fürdie so genannten Altschulden vereinbart worden. Dassind Schulden aus bundesgedeckten Forderungen, dieRussland von der ehemaligen Sowjetunion übernommenhat. Diese Schulden sind im Wesentlichen bis 2016 zu-rückzuzahlen und bis dahin, meine Damen und Herrenvon der Union und der FDP, marktüblich zu verzinsen.Russland bedient diese Schulden, wie in den Umschul-Deswegen sage ich Ihnen: All das, was Sie an einemWochenende angerichtet haben, war ein verheerenderEindruck Ihrer eigenen Konzeptionslosigkeit in der hierzur Diskussion stehenden Frage.
Deswegen wäre es mannhaft gewesen, sich heute imDeutschen Bundestag für diese Veranstaltung vom Wo-chenende zu entschuldigen.
Stattdessen haben Sie rumgeeiert, aber so sind Sie halt.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 5. Juni 2003,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
dungsabkommen vereinbart. Letztes Jahr hat es sogar
vorzeitig Schulden getilgt.
(D