Protokoll:
15009

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 9

  • date_rangeDatum: 13. November 2002

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:57 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung:Deutsche Beiträge zu Frieden und Wiederaufbau in Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 B Dr. Ralf Brauksiepe CDU/CSU . . . . . . . . . . . 474 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . 474 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 A Helga Daub FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 B Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 C Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . 475 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 A Christa Reichard (Dresden) CDU/CSU . . . . 476 B Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 C Siegfried Helias CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 476 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 D Sibylle Pfeiffer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 477 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 B Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . 477 B Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 C Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . 477 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 A Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 15/42) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 B Geschätzte Auswirkungen der Gesetze für mo- derne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt auf die Länder und Gemeinden MdlAnfr 1 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 478 C ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . 478 C Elemente des so genannten Acrylamid-Mini- mierungsprogramms der Bundesregierung MdlAnfr 2 Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 479 A ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 C ZusFr Ursula Heinen CDU/CSU . . . . . . . . . . 480 A Maßnahmen zur Minimierung des Acrylamid- gehalts bestimmter Lebensmittel auf nationaler Ebene und auf EU-Ebene MdlAnfr 3 Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 480 C Plenarprotokoll 15/9 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 9. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002 I n h a l t : ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 D ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . 481 C Bewertung des Acrylamidproblems MdlAnfr 4 Ursula Heinen CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 482 A ZusFr Ursula Heinen CDU/CSU . . . . . . . . . . 482 B Untersuchung von Lebensmittelproben auf Acrylamid MdlAnfr 5 Ursula Heinen CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 483 A ZusFr Ursula Heinen CDU/CSU . . . . . . . . . . 483 A Analyseergebnisse des Bundesinstituts für Risikobewertung bei Acrylamid MdlAnfr 6 Marlene Mortler CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 483 C Ergebnisse des Expertengesprächs von WHO und FAO zu Acrylamid MdlAnfr 7 Marlene Mortler CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 483 C ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 D Absprachen mit den Bundesländern und in der EU wegen Acrylamid MdlAnfr 10 Gitta Connemann CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 484 B ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . 484 C ZusFr Ursula Heinen CDU/CSU . . . . . . . . . . 485 A Europäische Regelungen betreffend Acrylamid MdlAnfr 11 Gitta Connemann CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 485 B ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . 485 C ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 B ZusFr Peter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . 487 A Studien über gesundheitsgefährdende Risiken von Acrylamid MdlAnfr 12 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 487 C ZusFr Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . 487 D ZusFr Ursula Heinen CDU/CSU . . . . . . . . . . 488 C ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . 488 D Erste Ergebnisse der Forschungen und Ana- lysen zu Acrylamid MdlAnfr 13 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 489 A ZusFr Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . 489 B ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 D ZusFr Bernhard Schulte-Drüggelte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 A Wissenschaftliche Begründung des Richtwer- tes von Acrylamid und Maßnahmen bei dessen Überschreitung MdlAnfr 14 Julia Klöckner CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 490 D ZusFr Julia Klöckner CDU/CSU . . . . . . . . . 491 A ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . 491 D ZusFr Hartwig Fischer (Göttingen) CDU/CSU 492 B ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 C Standardisierung der Analysemethoden bei Acrylamid MdlAnfr 15 Julia Klöckner CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 492 D ZusFr Julia Klöckner CDU/CSU . . . . . . . . . 493 A ZusFr Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . 493 C Daten über den Acrylamidgehalt in betroffenen Produkten MdlAnfr 16 Peter Bleser CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 494 A ZusFr Peter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . 494 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002II Anzahl der von Acrylamid betroffenen Unter- nehmen und Produkte MdlAnfr 17 Peter Bleser CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 494 C ZusFr Peter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . 494 D ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 A Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Veräußerung der GAGFAH durch die BfA MdlAnfr 21 Albrecht Feibel CDU/CSU Antw PStSekr Franz Thönnes BMGS . . . . . . . 495 B ZusFr Albrecht Feibel CDU/CSU . . . . . . . . . 495 C Auswirkungen der Veräußerung der GAGFAH auf den Beitragssatz in der gesetzlichen Ren- tenversicherung MdlAnfr 22 Albrecht Feibel CDU/CSU Antw PStSekr Franz Thönnes BMGS . . . . . . . 496 B ZusFr Albrecht Feibel CDU/CSU . . . . . . . . . 496 C Menge des straffreien Besitzes von Cannabis MdlAnfr 24 Detlef Parr FDP Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 496 D ZusFr Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 B ZusFr Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . 497 D Unterzeichnung der Finanzierungsvereinba- rung mit der Deutschen Bahn AG zum Weiter- bau der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“, Projekt der ICE-Trasse Nürnberg–Erfurt– Berlin MdlAnfr 25 Manfred Grund CDU/CSU Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 498 B ZusFr Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . 498 C ZusFr Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . 498 D ZusFr Hartwig Fischer (Göttingen) CDU/CSU 499 B ZusFr Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . 499 B Voraussichtlicher Zeitpunkt der Inbetriebnahme der ICE-Trasse Nürnberg–Erfurt–Berlin MdlAnfr 26 Manfred Grund CDU/CSU Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 499 D ZusFr Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . 500 B ZusFr Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . 500 B ZusFr Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . 500 C Finanzmittel in den Jahren 2003 und 2004 für den Bau der ICE-Trasse Nürnberg–Erfurt– Berlin MdlAnfr 29 Volkmar Uwe Vogel CDU/CSU Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . 500 D ZusFr Volkmar Uwe Vogel CDU/CSU . . . . . 501 A ZusFr Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . 501 B ZusFr Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . 501 C Baumaßnahmen in den Jahren 2003 und 2004 für die ICE-Trasse Nürnberg–Erfurt–Berlin MdlAnfr 30 Volkmar Uwe Vogel CDU/CSU Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . 501 D ZusFr Volkmar Uwe Vogel CDU/CSU . . . . . 502 A ZusFr Ernst Kranz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 502 B ZusFr Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . 502 C ZusFr Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . 502 D Steigerung des Anteils der deutschen Entwick- lungshilfeausgaben am Bruttonationaleinkom- men bis 2006 auf 0,33 Prozent MdlAnfr 31 Cornelia Mayer (Baiersbronn) CDU/CSU Antw StSekr Erich Stather BMZ . . . . . . . . . . 503 A ZusFr Cornelia Mayer (Baiersbronn) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 B Eventuelle Erhöhung des Mittelansatzes für den Einzelplan 23 (BMZ) im Nachtragshaus- halt 2002: Steigerung des Anteils der deut- schen Entwicklungshilfeausgaben am Brutto- nationaleinkommen bis 2006 auf 0,33 Prozent MdlAnfr 32, 33 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw StSekr Erich Stather BMZ . . . . . . . . . . 503 C ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 503 D Eventuelle Haftung der Bundes bei einer mög- lichen Insolvenz des Deutschen Musikrats MdlAnfr 38 Christian Freiherr von Stetten CDU/CSU Antw StMin’in Dr. Christina Weiss BK . . . . . 505 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002 III Verantwortlichkeit des Bundes für den Erhalt des Deutschen Musikrats MdlAnfr 39 Christian Freiherr von Stetten CDU/CSU Antw StMin’in Dr. Christina Weiss BK . . . . . 505 B ZusFr Christian Freiherr von Stetten CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Frak- tionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Aktuelle Vorwürfe von Verstößen gegen das Parteiengesetz durch mögliche illegale Finanzzuflüsse bei der FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 D Frank Hofmann (Volkach) SPD . . . . . . . . . . 506 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 A Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . 509 B Sebastian Edathy SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 C Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU 512 B Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 C Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU . . . . . 515 A Gabriele Fograscher SPD . . . . . . . . . . . . . . . 516 B Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 517 C Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 519 A Dorothee Mantel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 520 A Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 525 A Anlage 2 Herstellung von Pommes frites, Kartoffel- chips, Keksen und Brot ohne Acrylamid MdlAnfr 8, 9 Albert Deß CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 525 B Anlage 3 Sozialversicherungspflicht bei dreimaligem Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze (§ 8 Abs. 1 SGB IV) bis zum Ablauf eines Zeitjahres MdlAnfr 18, 19 Dr. Heinrich L. Kolb FDP Antw PStSekr Franz Thönnes BMGS . . . . . . . 525 C Anlage 4 Impfstoffvorräte im Fall eines terroristischen Angriffs mit Viren MdlAnfr 20 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr Franz Thönnes BMGS . . . . . . . 526 A Anlage 5 Geschätzte Auswirkungen der Gesetze für mo- derne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt auf die Träger der gesetzlichen Kranken- und Ren- tenversicherung MdlAnfr 23 Dr. Gesine Lötzsch franktionslos Antw PStSekr Franz Thönnes BMGS . . . . . . . 526 D Anlage 6 Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn AG zum Um- und Ausbau des Erfurter Hauptbahnhofs im Zusammenhang mit dem Ausbau der ICE-Trasse Berlin–Erfurt–Nürn- berg MdlAnfr 27, 28 Antje Tillmann CDU/CSU Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 527 A Anlage 7 Finanzielle Schwierigkeiten beim Deutschen Musikrat MdlAnfr 34, 35 Norbert Barthle CDU/CSU Antw StMin’in Dr. Christina Weiss BK . . . . . 527 B Anlage 8 Insolvenz des Deutschen Musikrates; eventuelle Gewährung eines fehlbedarfsunabhängigen Zuschusses MdlAnfr 36, 37 Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP Antw StMin’in Dr. Christina Weiss . . . . . . . . 527 D Anlage 9 Finanzielle Einsparungen bzw. Mehrkosten beim Umzug der Deutschen Welle in die ehe- malige Berliner Landesvertretung in der Wil- helmstraße MdlAnfr 40 Günter Nooke CDU/CSU Antw StMin’in Dr. Christina Weiss BK . . . . . 528 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002IV Anlage 10 Stand der europaweiten elektronischen Raster- fahndung MdlAnfr 42 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 528 C Anlage 11 Reform des Bundessicherheitsrats hinsichtlich Transparenz und Kontrollmöglichkeiten MdlAnfr 41 Petra Pau fraktionslos Antw StMin Rolf Schwanitz BK . . . . . . . . . . 528 D Anlage 12 Nichtteilnahme Deutschlands an der Antiter- rorübung der EU auf dem Militärstützpunkt Canjuers in Südfrankreich Ende Oktober 2002 MdlAnfr 43 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 528 D Anlage 13 Strafanzeigen und Schadenersatzforderungen im Zusammenhang mit Protesten gegen Cas- tortransporte MdlAnfr 44 Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 529 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002 V (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002 473 9. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002 Beginn: 13.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002 525 (C) (D) (A) (B) Bury, Hans Martin SPD 13.11.2002 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 13.11.2002 Herta Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 13.11.2002 Gradistanac, Renate SPD 13.11.2002 Grasedieck, Dieter SPD 13.11.2002 Freiherr von und zu CDU/CSU 13.11.2002 Guttenberg, Karl- Theodor Heynemann, Bernd CDU/CSU 13.11.2002 Hoffmann (Chemnitz), SPD 13.11.2002 Jelena Kubicki, Wolfgang FDP 13.11.2002 Lietz, Ursula CDU/CSU 13.11.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 13.11.2002 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 13.11.2002 DIE GRÜNEN Welt, Jochen SPD 13.11.2002 Zapf, Uta SPD 13.11.2002 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Matthias Berninger auf die Fra- gen des Abgeordneten Albert Deß (CDU/CSU) (Druck- sache 15/42, Fragen 8 und 9): Haben die Bundesregierung und/oder die Lebensmittelbehör- den im Hinblick auf mögliche gesundheitsgefährdende Risiken von Acrylamid bereits mit Herstellern von Pommes frites, Kartof- felchips, Keksen und Brot über eine Änderung der Herstellungs- methoden gesprochen? Welche Möglichkeiten zur Änderung der Herstellung gibt es, sodass die Produkte kein Acrylamid enthalten? Zu Frage 8: Ja. Weit reichende Empfehlungen lassen sich für die Industrie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geben, aber die Senkung der Frittiertemperatur hat bereits jetzt zu ei- ner deutlichen Reduzierung des Acrylamidgehaltes bei Pommes frites und Kartoffelchips geführt. Bei Getreide- produkten wird eine deutliche Reduzierung des Acryl- amidgehaltes schwieriger und vor allem zeitaufwendiger, entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenografischen Bericht da in den komplexen Rezepturen die Auswirkung der ein- zelnen Komponenten auf den Acrylamidgehalt überprüft werden muss. Zu Frage 9: Im Augenblick scheint es wenig wahrscheinlich, die Herstellungsverfahren so ändern zu können, dass die Acrylamidbildung vollständig unterbleibt, weil nach heutigem Kenntnisstand Acrylamid aus Zuckern und Aminosäuren gebildet wird, zwei elementaren Bestand- teilen dieser Lebensmittel und der menschlichen Er- nährung. Die Forschung wird sich daher zunächst darauf konzentrieren müssen, die Gehalte an Acrylamid in den Lebensmitteln durch geeignete Maßnahmen deutlich zu reduzieren. Zur Reduzierung von Acrylamidgehalten kommen nach derzeitigem Kenntnisstand insbesondere Änderun- gen der Temperatur, der Feuchtigkeit und der Erhitzungs- dauer infrage. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) (Druck- sache 15/42, Fragen 18 und 19): Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass ab dem drit- ten Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) im Sinne eines „gelegentlichen und nicht vorhersehbaren Überschreitens“ gemäß der Ziffer 3.1 der Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügig Beschäftigten der Sozialversicherungsträger vom 21. November 2001 die Sozialversicherungspflicht bis zum Ab- lauf eines Zeitjahres, unabhängig von der Höhe des Verdienstes, besteht? Wenn ja, aufgrund welcher Rechtsgrundlage oder rechtskräf- tiger Urteile vertritt die Bundesregierung diese Rechtsauf- fassung? Zu Frage 18: Die gesetzliche Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vier- ten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) bestimmt, dass geringfügig Beschäftigte maximal 325 Euro monatlich sozialversicherungsfrei verdienen können und die Be- schäftigung weniger als 15 Stunden in der Woche aus- geübt werden darf; bei Überschreiten dieser Grenzen tritt Sozialversicherungspflicht ein. Bei den in der Frage genannten Richtlinien der Spitzen- organisationen der Sozialversicherung vom 21. Novem- ber 2001 handelt es sich um eine Rechtsauslegung, die den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Sozial- gesetze obliegt. In dieser Auslegung haben sich die Spit- zenorganisationen der Sozialversicherung darauf verstän- digt, dass ein- bis zu zweimaliges und gelegentliches, nicht vorhersehbares Überschreiten der Zeit- oder Arbeits- entgeltgrenzen nicht zur generellen Versicherungspflicht führt; als gelegentlich ist dabei ein Zeitraum bis zu zwei Monaten innerhalb eines Jahres anzusehen. Mit dieser Auslegung sind die Spitzenverbände der So- zialversicherung den Bedürfnissen der Praxis entgegen- gekommen. Zu Frage 19: Aus dem Gesetz selbst lässt sich die in der Antwort zu Frage 18 dargestellte praxisorientierte Handhabung nicht unmittelbar entnehmen. Es ist auch nicht bekannt, dass die Rechtsprechung bisher die Auslegung der Spitzen- organisationen der Sozialversicherung kritisiert hätte. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Frage des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/ CSU) (Druck- sache 15/432, Frage 20): Ist nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung in Deutsch- land für den Fall eines terroristischen Angriffs mit Viren (insbe- sondere mit Pocken-Viren, aber auch Anthrax, Botulinustoxin, Aflatoxin, Mykotoxinen und Rotaviren) die Vollversorgung der Bevölkerung mit Impfstoff sichergestellt, und wenn nein, wann genau wird die Bundesregierung alles diesbezüglich zum Schutze der Bevölkerung fachlich Notwendige getan haben, also die Voll- versorgung sichergestellt sein? Finanzielle Aufwendungen zur Notfallvorsorge sind vom Bund im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Zu- ständigkeit nach Art. 73 Nr. 1 Grundgesetz, von den Län- dern im Rahmen des vorbeugenden Gesundheits- und des Katastrophenschutzes zu tragen. Die Bundesregierung hat die Länder schriftlich und mündlich mehrmals auf die Notwendigkeit einer Impfstoffbevorratung für Krisen- fälle, insbesondere zur Abwehr der Folgen nicht auszu- schließender bioterroristischer Gefährdungen mit dem Ziel einer gemeinsamen Reaktion, hingewiesen. Von den Bundesländern liegen der Bundesregierung Signale vor, dass die Problematik derzeit auf hochrangiger Ebene dis- kutiert werden soll. Die Pockenimpfung stellt die einzige realistische Maß- nahme zur Verhinderung der Pockenerkrankung bzw. zur Eindämmung einer Pockenausbreitung dar; eine andere Behandlungsform ist derzeit nicht möglich. Die Pocken- impfung kann nicht nur die Infektion verhindern, sondern auch bei Exponierten bis zum 4. Tag eine Erkrankung ver- meiden. Der Bund hat zu Beginn des letzten Quartals 2002 ei- nen Vertrag über die Beschaffung von 11,34 Millionen Pocken-Impfstoffdosen abgeschlossen. Die letzte Teillie- ferung des neu bestellten Impfstoffs soll im Frühjahr 2003 erfolgen. Weiterhin wurden spezielle Impfnadeln be- schafft. Diese so genannten Bifurkationsnadeln zeichnen sich nicht nur durch eine einfache Handhabung und die höchste Erfolgsrate aller bekannten Verfahren der Pockenimpfung aus, sie benötigen auch eine wesentlich geringere Impfstoffmenge (etwa 4fach). Daher kann der als erste Notfallreserve bereits 2001 gekaufte Pocken- impfstoffvorrat von 6 Millionen Dosen auf 24 Millionen Dosen vervierfacht werden. Unter Einbeziehung des neu bestellten Impfstoffs werden dem Bund im Frühjahr 2003 somit etwa 35 Millionen Einzeldosen Pockenimpfstoff zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung hat im Wege der Anschubfinanzierung diesen Vorrat angelegt. Zum Schutz der Bevölkerung können damit Riegelungsimp- fungen zur Eindämmung der Ausbreitung durchgeführt werden. Ohne Auftreten eines ersten Pockenfalls ist aufgrund der relativ hohen Komplikationsrate eine Massenimpfung nicht vertretbar. Von dem Fortgang der Gespräche der Länder wird es unter anderem abhängig sein, wann in den einzelnen Län- dern eine Vollbevorratung von Pockenimpfstoff erreicht sein wird. Im Gegensatz zu Pocken können die genannten Toxine nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden. Eine fortschreitende epidemische Ausbreitung wie im Falle der Pocken ist demnach nicht zu befürchten. Rotaviren kön- nen zwar übertragen werden, das durch sie ausgelöste Krankheitsbild ist jedoch weit weniger schwerwiegend. Das durch Anthrax-Bakterien ausgelöste Krankheitsbild kann schwerwiegend sein, ist aber bei frühzeitiger Erken- nung im Wesentlichen durch Antibiotika behandelbar. Für Mykotoxine und Aflatoxin (beides Pilzgifte) gibt es derzeit keine Impfstoffe. In den USA gab es einen Impfstoff gegen Rotavieren, der jedoch wieder zurückge- zogen wurde. Ein Anthrax-Impfstoff ist in Deutschland nicht zugelassen. Anthrax ist jedoch – wie gesagt – anti- biotisch behandelbar. Auch für das Botulinumtoxin ist eine Prophylaxe nicht verfügbar. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es differenzierter Strategien bedarf, die die Bundesregierung einzuschlagen hat. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) (Druck- sache 15/42, Frage 23): Wie werden von der Bundesregierung die finanziellen Aus- wirkungen des Ersten und Zweiten Gesetzes für moderne Dienst- leistungen am Arbeitsmarkt auf die Träger der gesetzlichen Kran- ken- und Rentenversicherung und die Sozialversicherung prognostiziert? Die Bundesregierung erwartet, dass die Umsetzung der Vorschläge der Kommission für moderne Dienstleistun- gen am Arbeitsmarkt zu einem nachhaltigen Abbau der Arbeitslosigkeit und einem Anstieg der Beschäftigung führt. Dies wird sich für die Sozialversicherung positiv auswirken. Daneben ergeben sich die folgenden quantifi- zierbaren finanziellen Auswirkungen: Die Gesetzliche Rentenversicherung hat im Jahr 2003 Beitragsminderein- nahmen in Höhe von circa 0,3 Milliarden Euro und im Jahr 2004 in Höhe von circa 0,6 Milliarden Euro. Die Gesetzliche Krankenversicherung hat im Jahr 2002 Beitragsmindereinnahmen in Höhe von circa 0,9 Milliarden Euro und im Jahr 2004 in Höhe von circa 1,1 Milliarden Euro. Die Soziale Pflegeversicherung hat Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002526 (C) (D) (A) (B) im Jahr 2003 Beitragsmindereinnahmen von weniger als 30 Millionen Euro und im Jahr 2004 in Höhe von circa 50 Millionen Euro. Für die Unfallversicherung ergeben sich Mehreinnahmen in nicht quantifizierbarer Höhe. Für einen Teil der Maßnahmen können die finanziellen Auswirkungen nicht quantifiziert werden, da über den Personenkreis, welcher diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wird, nur spekuliert werden kann. Dazu gehören die Entgeltsicherung für ältere Arbeitslose, das Brücken- geld, die Zuschüsse zur Ich-AG und die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung in Privathaushalten. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Maßnahmen insge- samt eher zu Beitragsmehreinnahmen in der Sozialversi- cherung führen. So erhält die Sozialversicherung für 100 000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in Pri- vathaushalten, die aus der Grauzone in legale Beschäfti- gung geholt werden, jährlich circa 50 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Fragen der Abgeordneten Antje Tillmann (CDU/CSU) (Drucksache 15/42, Fragen 27 und 28): Hat die Bundesregierung eine fortschreibende Finanzierungs- vereinbarung mit der DB AG im Zuge des Ausbaus der ICE-Trasse Berlin–Nürnberg (über Erfurt) zum Um- und Ausbau des Erfurter Hauptbahnhofs getroffen? Wenn nicht, wann ist mit dieser Finanzierungsvereinbarung zu rechnen, und welche Maßnahmen können vor dieser Unterzeich- nung durchgeführt werden? Zu Frage 27: Um- und Ausbau des Erfurter Hauptbahnhofs sind nicht Gegenstand des Projekts VDE 8.1. Vielmehr wird hierfür eine gesonderte Finanzierungsvereinbarung zum „Knoten Erfurt“ abgeschlossen. Zu Frage 28: Die Finanzierungsvereinbarung zur zweiten Baustufe im „Knoten Erfurt“ wird voraussichtlich im nächsten Jahr abgeschlossen werden. Die Bauarbeiten am Bahnhofsge- bäude haben bereits begonnen, um den verschiedenen Ab- hängigkeiten, die durch das Bauen unter Betrieb entste- hen, ohne größere Verzögerungen gerecht zu werden. Seitens des Bundes wurde der Baubeginn vor Abschluss der Finanzierungsvereinbarung durch eine Unbedenklich- keitserklärung zur Erhalt der Förderfähigkeit ermöglicht. Anlage 7 Antwort der Staatsministerin Dr. Christina Weiss auf die Fragen des Abgeordneten Norbert Barthle (CDU/CSU) (Druck- sache 15/42, Fragen 34 und 35): Seit wann sind der Bundesregierung Schwierigkeiten in der Haushaltsführung beim Deutschen Musikrat bekannt, und wel- che Maßnahmen hat sie ergriffen, um zu einer neuen Struktu- rierung beizutragen, die eine dauerhafte ordnungsgemäße Be- wirtschaftung der aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung ge- stellten institutionellen Mittel und Projektmittel gewährleisten würde? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um nach Bekanntwerden der grundsätzlichen Probleme beim Deut- schen Musikrat Vorsorge für eine zweckentsprechende Durch- führung von Programmen zur Förderung des deutschen Musik- lebens zu treffen, für die im Bundeshaushalt 2002 Mittel bereitgestellt worden waren? Zu Frage 34: Kenntnis vom tatsächlichen Ausmaß der Probleme, insbesondere der Überschuldung, hat die Bundesregie- rung erst Anfang Oktober 2002 erlangt. Allerdings ist seit längerem bekannt, dass die Haushaltsführung des Deutschen Musikrates (DMR) nicht problemlos war. Ein Grund hierfür ist die komplexe Förderstruktur. So werden die Mittel der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM) nahezu vollständig (sämtliche Projektmittel) von der Kul- turstiftung der Länder (KSL) als eigene Angelegenheit, zu einem geringen Teil vom Bundesverwaltungsamt (BVA) zugewendet und geprüft. Weitere Zuwendungsgeber sind das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie des Sekretariat der Kultusministerkonferenz der Länder. Um die hieraus re- sultierenden Probleme zu beheben, wurde für das Haus- haltsjahr 2003 zusammen mit dem DMR unter Beteili- gung des BVAund der KSL ein Gesamtfinanzierungsplan entwickelt, der die notwendige Transparenz und Flexibi- lität für eine effiziente Mittelverwendung ermöglichen sollte. Darüber hinaus hat die BKM bereits vor einiger Zeit eine Untersuchung der Organisations- und Personal- struktur des gesamten DMR veranlasst. Das Ergebnis steht noch aus. Zu Frage 35: Da die zweckentsprechende Durchführung der Pro- jekte allein Aufgabe des Deutschen Musikrates ist, hat die Bundesregierung stets versucht, die Handlungsfähigkeit des Deutschen Musikrates in einer neuen Organisations- form (zum Beispiel einer GmbH) möglichst rasch wieder herzustellen. Sollte dies in den nächsten Wochen nicht ge- lingen, müsste ein neuer Träger gesucht und mit der Durchführung der Projekte zumindest vorübergehend be- auftragt werden. Anlage 8 Antwort der Staatsministerin Dr. Christina Weiss auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) (Drucksache 15/42, Fragen 36 und 37): Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergrei- fen, um die Insolvenz des Deutschen Musikrates zu beenden und dessen Existenz zu sichern? Wie beurteilt die Bundesregierung den vom Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Thomas Rietschel, unterbreiteten Vor- schlag, die Zuwendungen des Bundes und der Länder um 10 Pro- zent zu kürzen, dafür aber als festen, also nicht mehr fehlbedarfs- abhängigen Zuschuss zu gewähren (Neue Musikzeitung vom 4. November 2002)? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002 527 (C) (D) (A) (B) Zu Frage 36: Maßnahmen zur Beseitigung der Insolvenzgründe zu ergreifen ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, sondern des rechtsfähigen Vereins „Deutscher Musikrat“ (DMR). Die Bundesregierung hat aber engen Kontakt zur Ver- einsführung und steht konstruktiven Vorschlägen zur Existenzsicherung des DMR aufgeschlossen gegenüber. Zu Frage 37: Dieser Vorschlag kann Teil einer möglichen Lösung sein, die aber darüber hinaus noch wesentlich weiter ge- henden Veränderen bedarf unter anderem in der Vereins- und Förderstruktur berücksichtigen muss. Eine absch- ließende Bewertung dieser beiden Aspekte ist daher der- zeit noch nicht möglich. Anlage 9 Antwort der Staatsministerin Dr. Christina Weiss auf die Frage des Abgeordneten Günter Nooke (CDU/CSU) (Druck- sache 15/42, Frage 40): Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung (der Deutschen Welle) für den Umzug der Deutschen Welle aus den vor zwei Jahren angemieteten Räumen für Studios und Mitarbeiter im Haus der Bundespressekonferenz in die ehemalige Berliner Lan- desvertretung in der Wilhelmstraße, und welche finanziellen Ein- sparungen beziehungsweise Mehrkosten sind damit verbunden? Die Deutsche Welle ist eine autonome Rundfunkan- stalt. Sie hat nach § 1 Abs. 2 Deutsche-Welle-Gesetz das Recht der Selbstverwaltung und unterliegt nach § 61 des Gesetzes ausdrücklich keiner staatlichen Fachaufsicht. Die Bundesregierung hat daher weder Kenntnis im Ein- zelnen noch Einfluss auf das Verwaltungshandeln der Deutschen Welle. Die Prüfungskompetenz liegt beim Bundesrechnungshof. Die Deutsche Welle hat zu dem der Anfrage zugrunde liegenden Sachverhalt wie folgt Stellung genommen: „Die Anmietung der Flächen im Haus der Bundespresse- konferenz in Berlin war mit den Erwartungen verbunden, dass sich das Gebäude – ähnlich wie das Haus der Bun- despressekonferenz in Bonn – zu einem Zentrum der Pressearbeit entwickelt und die Pflege enger und fußläu- figer Kontakte zu Politikern ermöglicht. Diese Erwartun- gen haben sich bis heute nicht erfüllt; bereits andere Medienvertreter sind aus dem Haus der Bundespresse- konferenz ausgezogen beziehungsweise werden in Kürze ausziehen. Überraschend und kurzfristig wurde mit der Wilhelm- straße 67 ein Objekt angeboten, mit dem die Deutsche Welle eine Verbesserung ihrer Situation durch Zusam- menlegung des Hörfunkstudios anstrebt und optimale Möglichkeiten einer Öffentlichkeitsarbeit hätte. Darüber hinaus beabsichtigt die Deutsche Welle, an dieser Stelle mit anderen Medienpartnern zu kooperieren und führt hierzu bereits entsprechende Gespräche. Eine abschlie- ßende Aussage zur Wirtschaftlichkeit des geplanten Um- zuges kann zurzeit noch nicht gemacht werden, weil die Konditionen noch nicht endgültig verhandelt sind und der Erfolg auch abhängig ist von den angestrebten Kooperatio- nen über die Nutzung von Raum- und Studiokapazitäten gegen Kostenerstattung. Auch die Höhe der erforderlichen Investitionen in der Wilhelmstraße steht noch nicht fest.“ Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage der Abgeordneten Petra Pau (fraktionslos) (Drucksache 15/42, Frage 42): In welchem genauen Stadium befindet sich derzeit die Planung und Entwicklung der europaweiten elektronischen Rasterfahn- dung? Die Bundesregierung hat eine Initiative zur Einführung einer europaweiten elektronischen Rasterfahndung im Rahmen der Europäischen Union eingebracht. Durch die computergestützte präventive Recherche der einzelnen Mitgliedstaaten auf der Grundlage abgestimmter Täter- profile wird sie der Auffindung potenzieller Terroristen (insbesondere so genannte Schläfer) dienen. Der Ausschuss nach Art. 36 EUV, ein Koordinations- ausschuss der polizeilichen und justiziellen Zusammenar- beit (3. Säule der Europäischen Union), hat sich am 7. No- vember 2002 mit der deutschen Initiative befasst. Auf die Bitte der dänischen Präsidentschaft wird die deutsche Delegation in den nächsten Tagen einen schrift- lichen Vorschlag für ein Ratsdokument vorlegen. Anlage 11 Antwort des Staatsministers Rolf Schwanitz auf die Frage der Ab- geordneten Petra Pau (fraktionslos) (Drucksache 15/42, Frage 41): Sieht die neue Bundesregierung Handlungsbedarf, den Bun- dessicherheitsrat im Sinne von mehr Transparenz und Kontroll- möglichkeiten zu reformieren, und wenn ja, welche Vorstellungen hat die Bundesregierung dazu entwickelt? Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf in dieser Hinsicht. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Drucksache 15/42, Frage 43): Aus welchen ganz konkreten Gründen hat nach Kenntnis der Bundesregierung Deutschland nicht an der Antiterrorübung der Europäischen Union auf dem Militärstützpunkt in Canjuers in Südfrankreich Ende Oktober 2002 teilgenommen, auf der mehr als 800 Polizisten, Soldaten und Zivilschützer aus sechs Ländern zwei Tage lang den Ernstfall probten? Am 27. Oktober und 28. Oktober 2002 fand in Süd- frankreich mit Blick auf den 11. September 2001 im Rah- men des EU-Programms „Generic CBRN lessons learned – one year after“ eine Großübung von 800 Rettungskräften Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002528 (C) (D) (A) (B) aus dem B/C-Bereich statt. Übungsszenario war eine ter- roristische Attacke mit B- und C-Waffen (unter anderem so genannte „dirty bombs“) auf öffentliche Einrichtungen mit der Folge zahlreicher Opfer. Übungsziel war die Überprüfung von Reaktionsmöglichkeiten eines von ei- nem Terrorangriff betroffenen Staates und dessen Kom- mandostränge bei den Rettungseinsätzen im Rahmen des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen EU-Gemein- schaftsverfahrens zur verstärkten Zusammenarbeit bei Katastrophenschutzeinsätzen. Das Gemeinschaftsverfah- ren sieht ein Zusammenwirken der MS durch Entsendung von vordefinierten und vorbereiteten Einsatzmodulen sowie ein eng abgestimmtes Informationsverfahren vor. Die Übung war von der Europäischen Kommission, fi- nanziert aus den für Training und Ausbildung bereitge- stellten Haushaltsmitteln zum Gemeinschaftsverfahren, öffentlich ausgeschrieben worden (Ausschreibung 2002/C 75/06 vom 26. März 2002). Den Zuschlag hat Frankreich erhalten. Mit Rücksicht auf das Budget war eine Beteiligung von 5 europäischen Teams vorgesehen. Neben Frankreich – als Ausrichter –, haben Österreich, Spanien, Italien, Griechenland und Schweden teilgenom- men. Deutschland hat sich mit 3 Beobachtern (Feuerwehr Hamburg, Technisches Hilfswerk, Zentralstelle für Zivil- schutz) beteiligt, die eng in den Übungsablauf integriert waren. Angesichts der hohen Beteiligung aus fünf Län- dern war die Einbeziehung weiterer übender Kräfte nicht möglich. Die Entsendung von Experten als Beobachter ist mit Blick auf die Vielzahl von Übungen, Workshops und Seminaren auf nationaler und internationaler Ebene ein eingespieltes und bewährtes Verfahren. So wurde auch bei dieser Übung verfahren. Die Entsendung der Beobachter und die Teilnahme an dem Auswertungsworkshop vom 19. November bis 21. November 2002 in Dänemark stellt sicher, dass aus der Übung gewonnene praktische Er- kenntnisse auch in Deutschland umgesetzt werden. Deutschland wirkt an der Umsetzung des EU-Gemein- schaftsverfahrens zum Katastrophenschutz intensiv mit und hat zum Beispiel mehrere Seminare an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz durchgeführt. Hinzu kommt, dass die EUROTOX-Übung in Frankreich sich mit der Vorbereitung einer nationalen Großübung an der AKNZ vom 27. bis 29. November 2002 überschnitten hat. Ziel dieser Großübung, an der die Bun- desländer, betroffene Bundesressorts und ein Experte der EU-Kommission teilnehmen werden, ist ein möglichst realistischer Test der Abläufe und Koordinierungsmecha- nismen im Rahmen eines gemeinsamen Krisenmanage- ments von Bund und Ländern. Übungsszenarien sind der Absturz eines Aufklärungssatelliten mit Kernreaktor und der Absturz einer Passagiermaschine auf einen Chemie- park. Diese Übung hat für Deutschland auch deshalb hohe Priorität, weil erstmalig die Bund-Länder-Koordinie- rungsrunde für großflächige Gefahrenlagen zusammen- tritt. Diese Übung bildet den Startschuss für einen künftig festen Übungszyklus von Bund und Ländern. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU) (Drucksache 15/42, Frage 44): Wurden – wie vom Bundesminister des Innern, Otto Schily, im „ARD-Morgenmagazin“ am 29. März 2001 angekündigt – im Zusammenhang mit Protesten gegen Castortransporte Straf- anzeigen/Strafanträge erstattet und Schadensersatzforderungen erhoben? Die Generalstaatsanwaltschaft Niedersachsen hat im Vorfeld der Castortransporte im Jahr 2001 entschieden, dass schienenbezogene Anschläge in zeitlichem Zusam- menhang mit den Transporten nach Gorleben wie Staats- schutzdelikte zu bearbeiten sind. Die Ermittlungszustän- digkeit für die Verfolgung dieser Delikte liegt bei dem Land Niedersachsen. Insofern können zum Stand der Ver- fahren keine Aussagen getroffen werden. Soweit dem Bundesgrenzschutz für die unmittelbare Ausführung zur Beseitigung einer Störung sowie für Sach- und Personenschäden Kosten entstanden sind, wurden die jeweiligen Verursacher zum Ersatz herangezogen. Es sind 8 Leistungsbescheide in Gesamthöhe von 9 255 Euro erlassen worden. Dies sind im Einzelnen: 5 Personen ge- samtschuldnerisch: 7 312 Euro; 2 Personen gesamtschuld- nerisch: 1 664 Euro; 1 Person: 279 Euro. Gegen alle Bescheide sind Rechtsmittel eingelegt worden, deren Ent- scheidung durch das Verwaltungsgericht Schleswig noch aussteht. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. November 2002 529 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500900000

Die Sitzung ist eröffnet.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die Entwürfe der

Koalitionsfraktionen zum Beitragssatzsicherungsgesetz
und zum Zwölften SGB-V-Änderungsgesetz nachträglich
an den Haushaltsausschuss gemäß § 96 der Geschäftsord-
nung zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Deutsche Beiträge zu Frieden
und Wiederaufbau in Afghanistan.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahr nach der his-
torischen Konferenz auf dem Petersberg und im Vorfeld
der Verlängerung des Mandats von Enduring Freedom
können wir in gewissem Umfang eine positive Zwi-
schenbilanz der Entwicklung in Afghanistan ziehen, die
aber, wie wir auch in den letzten Tagen wieder sehen, vor
Rückschlägen nicht gefeit ist. Die Taliban sind zwar weit-
gehend entmachtet, aber es gibt auch Anzeichen für Ver-
suche der Neuorganisation, die sie etwa im Gebiet zu Pa-
kistan hin unternehmen.

Der im Petersberger Abkommen vorgegebene Fahr-
plan ist von der afghanischen Regierung eingelöst wor-
den. Der von der Loya Jirga gewählte Präsident Karzai hat
mit dazu beigetragen, dass eine Rechtskommission, eine
Menschenrechtskommission und eine Verfassungskom-
mission eingesetzt wurden. Eine unabhängige Zentral-
bank ist institutionalisiert worden.

Wir als Bundesregierung werden den Terrorismus
wirksam bekämpfen. Deshalb orientieren wir uns an einer

breiten Gesamtstrategie, die terroristische Netzwerke not-
falls auch mit militärischer Gewalt zerschlägt, die aber
auch bei den politischen, sozialen und ökonomischen
Problemen ansetzt, die einen Nährboden für Terrorismus
bilden können. Wir verfolgen eine Gesamtstrategie, die
Frieden und Wiederaufbau in Afghanistan unterstützt.
Deutschland hat die Durchführung der Loya Jirga unter-
stützt. Die Regierung von Präsident Karzai muss ihre
durch die Loya Jirga erlangte politische Legitimität je-
doch auch durch die Bereitstellung von Gesundheit, Bil-
dung, Energie, Wasser und Straßen gegenüber der Bevöl-
kerung erkennbar einlösen können. Die Bevölkerung
muss und soll durch den Wiederaufbau spüren, dass es
eine konkrete Verbesserung ihrer Lebensbedingungen
gibt, dass sich Frieden und die Abwendung vom Terroris-
mus lohnen, nicht Gewalt.

Die Bundesregierung hat Wort gehalten. Wir haben un-
sere Zusagen gegenüber Afghanistan voll eingelöst. Von
den auf der internationalen Geberkonferenz zugesagten
Finanzmitteln wurden im Jahr 2002 wie angekündigt
80 Millionen Euro in konkrete Programme und Projekte
umgesetzt. Insgesamt sind im Jahr 2002 sogar 126 Milli-
onen Euro zur Verfügung gestellt worden. Daraus ist un-
ter anderem die Ausbildung der Ausbilder der regulären
Polizei finanziert worden. Es sind 34 Krankenhäuser und
andere Gesundheitseinrichtungen in Kabul instand gesetzt
und ausgerüstet worden. Die Trinkwasserversorgung ist
verbessert worden. Wir haben zusammen mit anderen,
auch nicht staatlichen Trägern, insgesamt 80 Schulen – da-
von 27 durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau und 30
durch die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit –
instand gesetzt. Durch diese Initiative und den Einsatz
deutscher Finanzmittel können jetzt rund 80 000 afgha-
nische Kinder, darunter gerade auch Mädchen, wieder
die Schule besuchen.

Die Frauen sind unter den Taliban fast völlig entrech-
tet worden. Durch unsere Entwicklungszusammenarbeit
tragen wir aktiv dazu bei, dass die Rolle der Frauen in der
Gesellschaft gestärkt wird, dass Frauen wieder in ihre Be-
rufe zurückkehren können, dass sie ihre Rechte kennen
und dass sie darin gestärkt werden, diese Rechte auch zu
nutzen. Ich werde heute Nachmittag die stellvertretende
Frauenministerin treffen und werde ihr – das ist, wie ich




Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
glaube, auch in Ihrem Sinn – die Unterstützung des
ganzen Hauses aussprechen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit insge-
samt 20 Millionen Euro an entsprechenden Fonds betei-
ligt, damit neue Lehrerinnen und Lehrer, Polizisten und
andere Bedienstete arbeiten können. Aus diesen Fonds
wurden seit Januar die Gehälter von über 450 000 Men-
schen bezahlt. Das ist wichtig, damit sie unabhängig sind,
also nicht von Personen abhängen, die mit ihren Zahlun-
gen die Durchsetzung bestimmter Interessen verbinden
könnten.

Hinter den Zahlen, die ich genannt habe, verbirgt sich
das Schicksal von Menschen, deren Lebenssituation ver-
bessert wird, die wieder hoffen und an eine friedliche Zu-
kunft glauben können. Wir wollen in Afghanistan auch in
Zukunft helfen, für die Menschen Arbeit und Einkommen
zu schaffen. Die Bundesregierung wird den Aufbau einer
nachhaltigen Energieversorgung in Zukunft noch stärker
unterstützen und wird bei Investitionsförderung und Be-
rufsbildung beraten. Wir geben direkte Hilfe für die
Schaffung von Arbeitsplätzen für Frauen und für zurück-
kehrende Flüchtlinge. Weitere Schwerpunkte sind Bil-
dung, Rechtsberatung für Frauen, Gesundheit und Was-
serversorgung.

Das deutsche Engagement reicht bereits heute weit
über Kabul hinaus. Ich möchte an dieser Stelle den Mitar-
beitern der Nichtregierungsorganisationen wie auch den
Mitarbeitern in der deutschen Entwicklungszusammenar-
beit danken, die dort ihre Arbeit leisten. Wir wollen unser
Engagement regional ausweiten. Im Rahmen der ent-
wicklungsorientierten Nothilfe fördert die Bundesregie-
rung in diesem Jahr Projekte auch in anderen Regionen.
Im Sinne einer ethnischen und regionalen Ausgewogen-
heit wollen wir künftig auch die westlichen Provinzen
Herat, Farah, Badghis und Ghor sowie die südöstlichen
Provinzen Kandahar, Zabul und Uruzgan in unsere Ent-
wicklungszusammenarbeit einbeziehen. Das ist wichtig,
damit nicht nur die Situation in Kabul stabilisiert wird,
sondern auch eine regionale Stabilisierung erfolgt. Die
militärische Sicherheit außerhalb Kabuls wird nur durch
den weiteren Aufbau der afghanischen Armee selbst und
sicher nicht durch die internationale ISAF sichergestellt
werden können. Infolgedessen ist dieser Aufbau natürlich
eine wichtige Arbeit, die aber von anderen Gebern geleis-
tet wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500900100

Vielen Dank, Frau Bundesministerin.
Wir kommen nun zu den Fragen. Ich bitte Sie,

zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, der
eben angesprochen wurde. – Als Erster hat sich der Kol-
lege Dr. Ralf Brauksiepe von der CDU/CSU-Fraktion ge-
meldet.


Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1500900200

Frau Ministerin, ich möchte auf den Punkt eingehen,

den Sie zuletzt angesprochen haben. Wir sind uns in dem
Ziel einig, dass die entwicklungspolitischen Maßnahmen
nicht nur in Kabul durchgeführt werden dürfen. Aber vor
dem Hintergrund, dass sich im Rahmen von ISAF mi-
litärische Sicherung auf Kabul konzentriert und dass
außerhalb von Kabul bisher im Wesentlichen nur NGO-
Mitarbeiter tätig sind – Sie sagten gerade, dass Sie sich
auch dort stärker engagieren wollen –, stellt sich mir die
Frage, wie es mit der Sicherheit sowohl der staatlichen als
auch der nicht staatlichen EZ-Mitarbeiter außerhalb
Kabuls aussieht. Wollen Sie sich wirklich auf die afgha-
nischen Streitkräfte und die afghanischen Sicherheitsein-
richtungen allein verlassen? Reicht Ihnen das als Sicher-
heitsgarantie für unsere staatlichen und nicht staatlichen
EZ-Mitarbeiter?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500900300

Bitte schön, Frau Bundesministerin.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Ich glaube, wir alle sind uns darin einig, dass es nicht
möglich ist – das sagen alle Beteiligten –, durch die Aus-
weitung des Einsatzgebiets der ISAF auf das gesamte Land
von der internationalen Seite her militärische Sicherheit zu
garantieren. Nach den Schätzungen würden dafür so große
Kontingente benötigt, dass das nicht möglich ist.

Im Übrigen wurde auch vereinbart, dass die afghani-
sche Armee ausgebildet wird. Dies wird von der amerika-
nischen Geberseite – allerdings in einem sehr langsamen
Prozess – durchgeführt. Das wird man voranbringen und
fördern müssen. Dass wir uns im Rahmen aller Möglich-
keiten und unter Berücksichtigung aller Vorsichtsmaß-
nahmen natürlich selbst darum bemühen, die Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen zu schützen, ist klar.

Ich weise darauf hin, dass selbst in den schweren Zei-
ten, in denen die Taliban noch an der Macht waren, Nicht-
regierungsorganisationen, unter anderem die Welthunger-
hilfe, vor Ort hervorragende Arbeit geleistet haben. Unter
den entsprechenden Sicherheits- und Rahmenbedingun-
gen, die ich eben genannt habe, ist das also möglich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500900400

Die nächste Frage kommt von dem Kollegen

Dr. Christian Ruck, CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1500900500

Frau Ministerin, wir unterstützen die Aktivitäten des

BMZ in Afghanistan ausdrücklich.
Dazu habe ich aber folgende Nachfragen, da das Son-

derprogramm – die Zuständigkeit dafür liegt bei mehre-
ren Ministerien – relativ kurzfristig aufgelegt wurde: Ist
die Planungssicherheit der Projekte unter Federführung
des BMZ – als Stichwort nenne ich die VE – in den nächs-
ten Jahren gewährleistet und wie funktioniert die Abstim-


(A)



(B)



(C)



(D)


474


(A)



(B)



(C)



(D)






mung – Deutschland ist ja nur eines der Länder, die ein
entwicklungspolitisches Engagement in Afghanistan zei-
gen – mit anderen wichtigen Gebern, zum Beispiel mit
den Vereinigten Staaten?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500900600

Frau Bundesministerin.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Die finanziellen Zusagen werden strikt eingehalten.
An dieser Stelle will ich noch einmal sagen: Bei allen

Konferenzen, aber auch, als ich vor knapp einem Jahr in
Afghanistan war – jeder von Ihnen, der dort war, wird das
bestätigen können –, stellten die Menschen immer wieder
die Frage, ob wir auch dann bei ihnen und auf ihrer Seite
bleiben, wenn die Fernsehkameras nicht mehr unmittelbar
auf ihr Schicksal gerichtet sind. Die finanzielle Unter-
stützung und die vollständige Einlösung der Versprechen
– sowohl vonseiten der Bundesregierung, wo das sicher-
gestellt ist, als auch vonseiten der internationalen Ge-
meinschaft – sind Vorbedingungen dafür, dass die Men-
schen spüren, dass es die Möglichkeit gibt, sich vom
Terrorismus loszusagen. Deshalb ist es – über den Bereich
der Erfahrungen der Menschen dort hinaus – so wichtig,
dass der demokratische, wirtschaftliche und soziale Wie-
deraufbau in Afghanistan gelingt.

Das gesagt, will ich darauf hinweisen, dass der größte
Teil der Leistungen der internationalen Gemeinschaft be-
reits geflossen ist. Ein Großteil davon wurde für huma-
nitäre Hilfe aufgewendet, woraus sich ein gewisses Pro-
blem ergibt.

Ich denke, die Zusammenarbeit der Geber vor Ort funk-
tioniert insgesamt wohl gut, wobei es natürlich immer das
eine oder andere Problem gibt. Wichtig ist vor allen Din-
gen, dass auch die Koordinierung auf der afghanischen
Seite, die ja selber die Trägerin des Prozesses ist, funktio-
niert. Um dies sicherzustellen, gibt es ein Koordinierungs-
gremium – die Afghan Assistance Coordination Agency –
unter der Leitung des Finanzministers. Dieses Gremium
nimmt die entsprechende Koordinierung vor Ort wahr und
dabei stimmen sich alle Beteiligten miteinander ab.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500900700

Das nächste Fragerecht hat die Kollegin Helga Daub

von der FDP-Fraktion.


Helga Daub (FDP):
Rede ID: ID1500900800

Frau Ministerin, Sie haben ausgeführt, was in Afgha-

nistan inzwischen schon alles passiert ist. Verglichen mit
dem, was war bzw. was eher nicht war, sind sicherlich
schon große Fortschritte erzielt worden.

Nun besteht Afghanistan nicht nur aus Kabul. Auch das
haben Sie ausgeführt. Sie wollen auch die Provinzen noch
sehr viel mehr einbinden. Damit kommt man schon auf
das Stammesverhalten und die Stammesstrukturen zu
sprechen. Wir alle wissen, dass in Afghanistan eine

Interimsadministration unter der Führung von Präsident
Karzai gewählt wurde. Gibt es schon – ich weiß, es ist sehr
kühn, dies überhaupt zu fragen – irgendwelche Hinweise,
wann denn dort eine normale, demokratisch gewählte Re-
gierung installiert werden könnte?


(Zuruf von der SPD: Gute Frage!)


Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Der Zeitplan, der festgelegt worden ist, wird eingehal-
ten. Er ist auch mit der Loya Jirga eingehalten worden.
Wichtig ist – ich denke, das sollte man deutlich machen –,
dass in der Zwischenzeit die Erfolge spürbar und sichtbar
werden. Deshalb ist die Frage der formellen Wahl nachher
die eine Sache. Die andere Sache ist, dass die Veränderun-
gen auch für die Bevölkerung deutlich spürbar werden.

Ich möchte noch zu einem Punkt Ausführungen ma-
chen, auch wenn es dazu keine Frage gab. Ich hoffte aber,
dass er angesprochen würde. Ich weiß gar nicht, ob das
möglich ist, Herr Präsident.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500900900

Machen Sie das. Bitte schön.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Ich wollte der Aktualität halber – das bezieht sich jetzt
nicht unmittelbar auf Ihre Frage – noch Folgendes sagen.
Sie haben verfolgt, dass es an der Universität in Kabul of-
fensichtlich einen Konflikt gegeben hat, in dessen Verlauf
Studierende erschossen worden sind. Auch unter anderen
Demonstranten und der Polizei gab es Verletzte. Die Bun-
desregierung hat schnelle Aufklärung dieses schreck-
lichen Vorfalls gefordert. Sie wird alles tun, um die Situa-
tion zu klären. Uns liegen bisher keine ausreichenden
Informationen vor. Aber es sieht so aus, dass Studierende
demonstriert haben, weil sie ihre Lebensbedingungen, zum
Beispiel in den Wohnheimen, für unzureichend halten.

Ich will darauf hinweisen, dass die Bereitschaftspolizei
für dieses Vorgehen verantwortlich gewesen ist. Die Be-
reitschaftspolizei ist bisher nicht durch die entsprechende
Ausbildung gegangen. Für diesen Bereich ist die ameri-
kanische Seite zuständig. Es ist unmittelbar ersichtlich,
dass die Ausbildung im Bereich der Bereitschaftspolizei
eine Notwendigkeit darstellt. Das ist aber nicht der Bereich,
für den wir als Bundesregierung zuständig sind. Zu den
Aufgaben der Bundesregierung hinsichtlich der regulären
Polizei habe ich vorhin schon ein paar Worte gesagt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500901000

Vielen Dank. Die nächste Frage hat der Kollege Peter

Weiß von der CDU/CSU-Fraktion.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1500901100

Frau Bundesministerin, drei Fragen. Erstens. Da wir uns

langsam dem Jahresende nähern: Können Sie uns präzise

Dr. Christian Ruck




PeterWeiß (Emmendingen)

Angaben dazu machen, in welchem Umfang die 80 Milli-
onen Euro, die derzeit im Haushalt 2002 für den Stabili-
tätspakt Afghanistan seitens der Bundesrepublik Deutsch-
land zur Verfügung gestellt werden, tatsächlich verausgabt
sind, also wirklich abgeflossen sind, und wie viele Mittel
noch in der Pipeline stecken, also verplant, aber noch nicht
abgeflossen sind?

Zweitens. Können Sie uns zu der bereits angesproche-
nen Kabul-Problematik sagen, wie viel Prozent dieser
Mittel im Großraum Kabul, in dem die ISAF tätig ist, ver-
ausgabt worden sind? Wie viel Prozent dieser Mittel
konnten bislang außerhalb des Großraums Kabul veraus-
gabt werden?

Drittens. Da diese Mittel von 80 Millionen Euro aus
unserem Bundeshaushalt mit nur einer geringen Summe
an Verpflichtungsermächtigungen hinterlegt sind, müssen
sie als Barmittel in diesem Jahr verausgabt werden. Kön-
nen Sie uns einen Überblick geben, für wie viele Projekt-
träger die Tatsache, dass keine Verpflichtungsermäch-
tigungen für die kommenden Jahre zugesagt werden
konnten, Anlass war, geplante Projekte nicht in Angriff zu
nehmen?

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass die
Mittel, die eingesetzt worden sind – das unterscheidet uns
von anderen Gebern –, voll zur Verfügung gestellt worden
sind. Es ist nichts mehr in der Pipeline. Das ist wichtig;
denn die Projekte und Programme sollen auch vor Ort an-
kommen.

Interessant ist vielleicht, dass von den etwa 60 Milli-
onen Euro, die das Entwicklungsministerium eingesetzt
hat, 14,2 Millionen Euro in die Not- und Nahrungsmittel-
hilfe, 8,7 Millionen Euro in den Gesundheitsbereich,
7,3Millionen Euro in die Bildung, 3Millionen Euro in die
Wiederherstellung von Straßen und je 5,4 Millionen Euro
in die Trinkwasserversorgung und in den Energiebereich
geflossen sind. 11,6 Millionen Euro sind durch Nichtre-
gierungsorganisationen und Stiftungen umgesetzt wor-
den.

Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine Organisation auf-
grund der Haushaltsregelungen ihre Arbeit hätte einstel-
len müssen. Gegebenenfalls würde ich Sie schriftlich über
einen solchen Fall informieren. Wer daran interessiert ist,
kann gerne zusätzliche Informationen über die Verwen-
dung und den Einsatz der Mittel erhalten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500901200

Die nächste Frage stellt die Kollegin Christa Reichard.


Christa Reichard (CDU):
Rede ID: ID1500901300

Frau Ministerin, Sie haben erwähnt, dass auch die

Welthungerhilfe in Afghanistan tätig ist. Das ist meines
Wissens seit 1993 der Fall. Sie sind aber in Ihrem Re-
debeitrag nicht darauf eingegangen, was in der wirt-
schaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Entwick-
lung der ländlichen Räume unternommen werden soll.

Bekanntlich hat sich der Mohnanbau in diesem Jahr
sehr gut entwickelt, sodass die landwirtschaftliche bzw.
die weiterverarbeitende Produktion und der Handel in
großen Teilen durch diesen Anbau geprägt sind. Was
können und wollen Sie auf dem Weg der Entwicklungs-
zusammenarbeit dazu beitragen, alternative Einkom-
mensquellen für die Landwirte zu schaffen?

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Ich habe an dieser Stelle schon einmal die Arbeit der
Welthungerhilfe sehr gelobt und möchte dieses Lob jetzt
wiederholen. Vorhin wurde die Frage nach der Arbeits-
teilung und der Geberkoordinierung angesprochen. Inner-
halb der Gebergemeinschaft ist Großbritannien für den
Bereich der Drogenbekämpfung zuständig. Deshalb habe
ich diesen Bereich nicht ausdrücklich angesprochen. Aber
es ist völlig klar – Sie haben das sicherlich auch in der öf-
fentlichen Debatte verfolgt –, dass den Landwirten alter-
native Formen der Produktion landwirtschaftlicher Er-
zeugnisse anzubieten sind.

Im Übrigen geht die afghanische Regierung sehr mas-
siv gegen Landwirte vor, die versuchen, Drogen anzu-
bauen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir auch eine
Zusammenarbeit auf regionaler Ebene vereinbart haben.
Der Iran, der befürchten muss, dass ein Großteil der Pro-
duktion in sein Land fließt, hat ein großes Interesse an der
regionalen Kooperation, die von uns auch entsprechend
genutzt wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500901400

Die nächste Frage stellt der Kollege Siegfried Helias

von der CDU/CSU-Fraktion.


Siegfried Helias (CDU):
Rede ID: ID1500901500

Frau Ministerin, Sie haben die Menschenrechte ange-

sprochen. Kenner des Landes gehen davon aus, dass Men-
schenrechtsverletzungen unter den Taliban zentral ange-
ordnet worden sind und heute in die Hoheit einzelner
Warlords fallen. Nach wie vor dramatisch ist die Situation
der Frauen in Afghanistan. Human Rights Watch spricht
von einer undemokratischen Ansammlung von Fürsten-
tümern.

Wie beurteilen Sie, Frau Ministerin, die Entlassung
der Richterin Marsia Basir aus dem Obersten Gericht vor
dem Hintergrund, dass sie auf einem Foto mit Präsident
Bush ohne Kopftuch abgebildet war, und welche konkre-
ten Maßnahmen sind mit den Mitteln der Entwicklungs-
hilfe möglich, um die Rolle der Frauen in Afghanistan zu
stärken und sie insbesondere vor Verfolgung zu schüt-
zen?

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Zur Frage der Menschenrechtsverletzungen gegen
Frauen habe ich schon zu Beginn einiges gesagt. Es wird
vor allem darum gehen, ein Umdenken zustande zu brin-
gen. Es geht auch darum, in der Zusammenarbeit mit
dem afghanischen Frauenministerium Frauennetzwerke


(A)



(B)



(C)



(D)


476


(A)



(B)



(C)



(D)






zu unterstützen und zu finanzieren. Es geht ferner darum,
beim Aufbau eines unabhängigen Rechtssystems sicher-
zustellen, dass kein Rückfall hin zur Scharia und derglei-
chen erfolgt, sondern dass wirklich sichergestellt wird,
was in der afghanischen Verfassung in den 60er-Jahren
schon garantiert war und was bei der Petersberg-Konfe-
renz auch international zugesagt worden ist. Daran halten
wir die afghanische Regierung fest.

Wie ich schon sagte, habe ich heute Nachmittag einen
Termin mit der stellvertretenden Frauenministerin und
werde mit ihr gemeinsam noch einmal das weitere Vor-
gehen, auch in Bezug auf die Situation, die Sie angespro-
chen haben, diskutieren. Ich werde mich nach dem Ge-
spräch, möglicherweise auch gemeinsam mit ihr, noch
einmal äußern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500901600

Das Fragerecht hat jetzt die Kollegin Sibylle Pfeiffer

von der CDU/CSU-Fraktion.


Sibylle Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1500901700

Frau Ministerin, meine Frage schließt eigentlich direkt

daran an. Obwohl Sie schon etwas dazu gesagt haben und
auch dieses Gespräch heute Nachmittag in Aussicht ha-
ben, möchte ich das noch etwas konkretisiert wissen.

Meine Frage lautet: Welche konkreten Informationen
hat die Bundesregierung über die Einführung der Scharia
in Afghanistan?

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Es geht um die Frage, welches unabhängige Rechts-
system aufgebaut wird. Am Rande der Loya Jirga hat es
einmal solche Äußerungen gegeben. Die internationale
Gemeinschaft – das habe ich und haben wir alle von der
Bundesregierung auch gegenüber der afghanischen Re-
gierung immer wieder deutlich gemacht – legt Wert da-
rauf, dass die Verpflichtungen, die von der afghanischen
Seite auf dem Petersberg eingegangen worden sind, ein-
gehalten werden, nämlich dass es eine die Menschen-
rechte, die Frauenrechte und Gleichberechtigung ga-
rantierende Verfassung in Afghanistan geben wird.
Infolgedessen engagieren wir uns in dieser Richtung. Das
gilt – das kann ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen –
für alle Geber.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500901800

Nächste Frage, Eckart von Klaeden.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1500901900

Frau Ministerin, Sie persönlich haben vor einem Jahr

die Zukunft Afghanistans für den Fall eines Militär-
schlags gegen das Taliban-Regime in düsteren Farben ge-
zeichnet. Sind Sie denn heute bereit, anzuerkennen, dass
Voraussetzung für die Fortschritte, die man erreicht hat
und deren Sie sich auch zu Recht rühmen, genau dieser
Militärschlag war?

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Ich weiß jetzt nicht genau, worauf Sie sich bei Ihrer
Frage beziehen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Da gibt es einiges! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Auf Ihre Äußerung!)


Ich kann an der Stelle nur sagen: Ausweislich aller De-
batten im Deutschen Bundestag


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Nicht nur im Bundestag!)


habe ich immer klar gesagt – das habe ich heute zu An-
fang auch noch einmal erklärt –, dass es gegenüber terro-
ristischen Netzwerken eine unmittelbare Reaktion bis hin
zu einer militärischen Reaktion geben muss. Gegenüber
solchen Netzwerken muss notfalls auch gewaltsam agiert
und reagiert werden, damit sie zerschlagen werden. – Das
ist das eine.

Das Zweite ist aber doch – deshalb gibt es auch die eine
oder andere öffentliche Diskussion –, dass auf Dauer dem
Terrorismus und der terroristischen Agitation der Boden
dadurch entzogen werden muss, dass den Menschen in
allen Regionen der Welt Hoffnungslosigkeit und Ohn-
machtsgefühle genommen werden. Deshalb muss auch
der Armut entgegengearbeitet werden. Darauf muss die
internationale Gemeinschaft die Finanzmittel konzentrie-
ren. Sie muss dazu beitragen, dass dem Terrorismus auf
diese Art und Weise der Agitationsboden entzogen wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese beiden Elemente sind wichtig. Meine Sorge ist
ein bisschen, dass angesichts anderer aktueller Fragen die-
ses Ziel nicht mehr in dem Maße verfolgt wird. Die Bun-
desregierung – das ist absolut klar – verfolgt dieses Ziel.
Der Erfolg dieser Strategie wird – ich sage das noch ein-
mal – davon abhängig sein, ob man in Afghanistan selbst
spürt: Frieden lohnt sich und Gewalt lohnt sich nicht
mehr. Diese wichtige Botschaft muss von Afghanistan in
die Welt ausgehen.


(Beifall bei der SPD – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Mit vielen Worten die Frage nicht beantwortet! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Das war eine sehr gute Antwort! Besagt alles! – Gegenruf des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Insbesondere über die Amnesie der Regierung!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500902000

Die nächste Frage stellt der Kollege Peter Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1500902100

Frau Ministerin, Ihr Vorteil ist: Sie dürfen antworten, wie

Sie möchten; Sie müssen nicht auf die Fragen antworten, die
gestellt werden. Ich möchte zwei Fragen wiederholen.

Die Frage des Kollegen von Klaeden war – darauf kann
man schlicht und einfach mit Ja oder Nein antworten –,

Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul




PeterWeiß (Emmendingen)

ob Sie es heute im Nachhinein richtig finden, dass die
Wende in Afghanistan durch einen militärischen Einsatz
herbeigeführt worden ist. Sie haben diesen Weg öffentlich
infrage gestellt, bevor im Bundestag darüber entschieden
wurde, ob deutsche Soldaten an diesem militärischen Ein-
satz teilnehmen.

Sie haben auch meine Frage nach den Finanzen nicht
beantwortet; denn Sie haben nur etwas zur sektoralen
Aufteilung der Mittel vorgetragen. Können Sie einmal
präzise sagen, was von den 80 Millionen Euro konkret
verausgabt worden ist?


(Jörg Tauss [SPD]: Das hat sie vorgelesen! – Gegenruf des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein, das hat sie nicht vorgelesen!)


Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Zur ersten Frage: Sie gehen von einer falschen An-
nahme aus; denn ich habe mich ausweislich jeder Diskus-
sion nicht nur nachträglich zur Strategie der zwei Seiten,
die ich genannt habe, bekannt, sondern auch vorher, und
das zu Zeiten, in denen das vielleicht nicht immer so ganz
einfach war. Ich wiederhole: Sie gehen von einer falschen
Annahme aus.

Zu Ihrer zweiten Frage: Ich habe ausdrücklich gesagt,
dass es keine Mittel mehr „in der Pipeline“ gibt. Das
heißt: Die zugesagten Mittel sind den entsprechenden
Projekten und Programmen zugute gekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Hat sie gesagt! Zuhören! PISA!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500902200

Ich beende jetzt die Behandlung des Themenbereichs

der heutigen Kabinettssitzung.
Gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung, die

über diesen Themenbereich hinausgehen? –

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Bei dem Mangel an Erinnerungsvermögen besser nicht!)


Das ist offenkundig nicht der Fall. Dann beende ich die
Befragung der Bundesregierung.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 15/42 –

Wir beginnen die Fragestunde mit den Fragen zum Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Arbeit. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische
Staatssekretär Rezzo Schlauch zur Verfügung.

Ich rufe Frage 1 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch auf:
Wie werden von der Bundesregierung die finanziellen Aus-

wirkungen des Ersten und des Zweiten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt auf die Länder und Kommunen
prognostiziert, und werden signifikante Unterschiede zwischen
den alten und den neuen Ländern erwartet?*

Ich bitte um die Beantwortung der Frage, Herr Staats-
sekretär.

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500902300


Frau Kollegin Dr. Lötzsch, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Die Bundesregierung erwartet, dass die zügige
Umsetzung der Empfehlungen der Kommission „Mo-
derne Dienstleistung am Arbeitsmarkt“, kurz Hartz-Kom-
mission genannt, zum Abbau der Arbeitslosigkeit führt
und insofern positive Auswirkungen hat. Aussagen zu den
finanziellen Auswirkungen des Ersten und des Zweiten
Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
im Einzelnen enthalten im Übrigen die Gesetzentwürfe
der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-
nen. Dazu muss man sagen, dass diese Aussagen auf
Schätzgrößen beruhen, dass die Zahlen also nicht durch-
gerechnet worden sind.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500902400

Frau Lötzsch, möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? –

Bitte schön.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1500902500

Sehen Sie – das ist eigentlich gar keine Zusatzfrage,

sondern war Bestandteil der eingereichten Frage – signi-
fikante Unterschiede zwischen den ostdeutschen und den
westdeutschen Bundesländern? Wenn ja, welche?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500902600


Da es keine detaillierten Berechnungen für die ver-
schiedenen Ebenen, Länder und Kommunen, gibt, gibt es
auch keine konkreten Berechnungen bezüglich möglicher
Unterschiede zwischen den westdeutschen und den ost-
deutschen Ländern. Ich muss Ihre Frage also mit Nein be-
antworten: Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass si-
gnifikante Unterschiede bestehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500902700

Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte schön, Frau Lötzsch.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1500902800

Der Bundesregierung ist aber sicherlich nicht unbe-

kannt, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den ost-
deutschen und in den westdeutschen Ländern sehr unter-
schiedlich ist. Ich möchte gerne wissen, wie Sie jenseits
von konkreten Berechnungen die Auswirkungen dieser
Gesetze im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit von Ost-
deutschland und Westdeutschland einschätzen.

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500902900


Sie wissen, dass es Diskussionen und auch verschie-
dene Auffassungen darüber gibt, inwieweit aus dem Kon-
zept der Hartz-Kommission unterschiedliche Konsequen-


(A)



(B)



(C)



(D)


478

* siehe hierzu auch Frage 23


(A)



(B)



(C)



(D)






zen für Ost und West gezogen werden müssen. Hierbei
handelt es sich allerdings um Meinungen oder – besser ge-
sagt – um Spekulationen, da hierfür keine konkreten Be-
rechnungen angestellt wurden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500903000

Gibt es weitere Fragen zu diesem Komplex? – Das ist

nicht der Fall. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbe-
reichs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-
schaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische
Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.

Zunächst zur Frage 2 des Abgeordneten Peter
Carstensen:

Welche Elemente enthält das so genannte Acrylamid-Mini-
mierungsprogramm der Bundesregierung?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500903100


Herr Kollege, für die Bundesregierung beantworte ich
die Frage nach dem Minimierungsprogramm der Bundes-
regierung wie folgt:

Wir folgen dem Grundsatz „as low as reasonably
achievable“, was hier heißt: so wenig Acrylamid wie
möglich in den Lebensmitteln. Die internationale Abkür-
zung hierfür heißt ALARA. Das Minimierungskonzept
wird unter der Federführung des Bundesamtes für Ver-
braucherschutz und Lebensmittelsicherheit realisiert und
hat folgende Aufgaben: Zunächst werden die Daten über
Acrylamid-Gehalte in Lebensmitteln gesammelt. Dann
werden die Lebensmittel nach verschiedenen Produkt-
gruppen klassifiziert. Als Drittes wird ein Signalwert er-
mittelt; dieser zeigt an, ab welchem Wert in einer Pro-
duktgruppe die 10 Prozent höchstbelasteten Produkte
anzusiedeln sind. Ein Maximalwert von 1 000 Mikro-
gramm pro Kilogramm darf dabei in keinem Fall über-
schritten werden. Diese so ermittelten Daten werden an
die Länder weitergeleitet, die dann mit den Herstellern
Kontakt aufnehmen, diese Werte erörtern und darüber hi-
naus konkrete Maßnahmen zur Minimierung der Acryl-
amid-Gehalte innerhalb der technischen Herstellungsver-
fahren erarbeiten.

Diese Überprüfung der Betriebe und der technologi-
schen Änderungsmöglichkeiten durch die Länder ist in
einen dynamischen Prozess eingebunden, da alle sechs
bis acht Wochen die Signalwerte neu ermittelt werden
und die in der Regel neuen niedrigeren Werte dazu
führen, dass weitere Betriebe angehalten werden, die
Acrylamid-Konzentrationen in ihren Produkten zu ver-
ringern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500903200

Zusatzfrage.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1500903300

Herr Staatssekretär, wie man auch aus Ihrer Antwort

heraushören konnte, ist eine Zusammenarbeit mit der Le-
bensmittelindustrie in diesem Bereich nötig. Können Sie
bestätigen, dass die Zusammenarbeit in dieser Frage im
Moment sehr gut ist, vielleicht auch deshalb, weil man
nicht ohne weiteres einen Schuldigen finden kann und sich
die Lebensmittelindustrie selbst aktiv einbringen kann?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500903400


Zunächst einmal kann ich in der Tat bestätigen, dass die
Kooperation nicht nur mit der Industrie, sondern auch mit
den Lebensmittelbehörden der Länder sehr gut ist. Wir ar-
beiten hier eng zusammen. Es muss aber auch klar gesagt
werden, dass wir eine Reihe von Produkten und Produkt-
gruppen mit sehr hohen Acrylamid-Werten haben. Es ist
für die betroffenen Unternehmen rein technisch nicht
ohne weiteres möglich, diese Acrylamid-Konzentrationen
zu verringern. Das heißt, es gibt eine Reihe von Unter-
nehmen, die mit unserem Minimierungskonzept nicht
sehr glücklich sind, weil es erhebliche Veränderungen an
ihren zum Teil auch von den Verbrauchern lieb gewonne-
nen Produkten zur Folge hat. Im Großen und Ganzen aber
ist die Kooperation aller Beteiligten der Schwierigkeit des
Problems, wie ich glaube, sehr angemessen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500903500

Weitere Zusatzfrage.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1500903600

Von einem Unternehmen, das mit Ihrem Minimie-

rungskonzept nicht so zufrieden ist, ist ja gestern im Mit-
teldeutschen Rundfunk berichtet worden. Können Sie mir
bitte sagen, warum es bis jetzt nicht möglich gewesen ist,
die Bundesanstalt – schon vom Namen her wäre sie dafür
prädestiniert; sie heißt ja Bundesanstalt für Getreide-,
Kartoffel- und Fettforschung – mit genügend Mitteln aus-
zustatten, um Minimierungskonzepte und -verfahren zu
entwickeln, die von der Industrie – hier insbesondere
einem Knäckebrothersteller in den neuen Bundesländern –
übernommen werden könnten? So etwas ist in Schweden
bezüglich der Knäckebrotindustrie ja schon lange üblich.

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500903700


Unsere Bundesanstalt verfügt über eine Reihe von For-
schungseinrichtungen, die sehr produktiv arbeiten. Wir
haben zum Beispiel eine hochmoderne Fertigungsstrecke
für Kartoffelchips. Wir werden aber nicht sämtliche Fer-
tigungsstrecken von Getreidefabriken – hierbei handelt es
sich um hochmoderne Anlagen – in unseren Forschungs-
anstalten nachbilden können.

Gerade deshalb stehen wir und die dafür zuständigen
Bundesländer auf diesem Feld in sehr enger Kooperation
mit der Industrie, die bezüglich der Produktionsanlagen in

Parl. Staatssekretär Rezzo Schlauch




Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
ihren Reihen immer auf dem neuesten Stand ist. Gleich-
wohl ist die Unabhängigkeit gewährleistet, da wir über das
Minimierungskonzept mit einer ganz klaren Zielrichtung
mit den Unternehmen kooperieren. Bei den Unternehmen,
die den Signalwert überschreiten, geht die Kooperation in
die Richtung, dass Produktionsverfahren geändert werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500903800

Eine Zusatzfrage der Kollegin Ursula Heinen.


Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1500903900

Welche konkreten Unterstützungen geben Sie insbe-

sondere kleinen und mittleren Unternehmen? Die großen
Hersteller, die auch große Forschungsabteilungen haben,
haben sicherlich weniger Probleme, sich untereinander
auszutauschen, als die kleineren Hersteller. Helfen Sie de-
nen zum Beispiel über die Bundesanstalt, neue Herstel-
lungsmethoden zu entwickeln, oder gibt es entsprechende
finanzielle Unterstützungen?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500904000


Frau Heinen, im Zuge der Ermittlung der Daten be-
kommen wir einen hochinteressanten Überblick. Wir wis-
sen zum Beispiel, dass bei gleichen Produktgruppen zum
Teil eine Varianz der Acrylamid-Konzentrationen von
30 Mikrogramm pro Kilogramm bis zu 1 500 Mikro-
gramm pro Kilogramm besteht. Anhand dieser Daten
können wir eine Best Practice entwickeln. Das heißt, wir
haben am Ende einen Überblick darüber, welche Produk-
tionsverfahren am ehesten geeignet sind, die Entstehung
von Acrylamid zu vermeiden oder nur sehr niedrige
Acrylamid-Konzentrationen zu verursachen.

Das ist natürlich für große wie für kleine Hersteller
eine ganz wichtige Hilfe; denn so können sie sehen, mit
welchen Produktionsverfahren, mit welchem Handling
der Rohstoffe und mit welchen Ausgangsstoffen sie zu
besseren Ergebnissen kommen. Gut ist, dass die niedrigen
und die hohen Werte zwischen großen und kleinen Unter-
nehmen variieren, sodass wir auch für die kleinen Unter-
nehmen spezifische Lösungen finden werden.

Vielleicht ein einfaches praktisches Beispiel. Es hat
sich herausgestellt, dass die Acrylamid-Konzentration
bei Pommes frites dann niedriger ist, wenn man darauf
verzichtet, beim Frittierfett Zusätze hinzuzugeben, zum
Beispiel Silicon, die für einen niedrigen Wassergehalt sor-
gen sollen, damit das Fett nicht so spritzt. Das heißt, es
geht nicht immer um hochkomplizierte oder sehr teure In-
vestitionen, sondern manchmal gibt es auch einfache
praktische Tipps. Hier arbeiten wir sehr eng mit allen Un-
ternehmen zusammen, unabhängig von der Unterneh-
mensgröße, mit der Zielsetzung, eine optimale Minimie-
rung von Acrylamid für die Verbraucher zu erreichen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500904100

Damit kommen wir zur Frage 3 des Kollegen Carstensen:

Welche Maßnahmen zur Minimierung des Acrylamid-Gehal-
tes bestimmter Lebensmittel plant die Bundesregierung auf natio-
naler und EU-Ebene und ist insbesondere die Standardisierung des
Herstellungsverfahrens bei von Acrylamid betroffenen Lebens-
mitteln geplant?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500904200


Wir haben mit dem Minimierungsprogramm auf natio-
naler Ebene einen wichtigen Schritt gemacht. Der zweite
wichtige Punkt ist die Erforschung der konkreten Ge-
sundheitsgefährdung von Acrylamid. Hier haben wir eine
Reihe von Daten. Wir denken aber, dass es sinnvoll ist, die
Kenntnisse noch zu vertiefen.

Es gibt darüber hinaus intensive Gespräche auf euro-
päischer Ebene; die letzten fanden am 15. und 16. Okto-
ber in Brüssel statt. Das Interessante ist, dass, während
wir auf nationaler Ebene mit den Ländern eine sehr gute
Kooperation erreicht haben, auf europäischer Ebene das
Stadium des Handelns noch nicht erreicht ist. Dort sam-
melt man noch Daten und holt Informationen ein. Deshalb
hat man mit großem Interesse unsere Maßnahmen zur Sen-
kung der Acrylamid-Konzentrationen zur Kenntnis genom-
men. Vergleichbare Strategien zur Acrylamid-Minimierung
sind in unseren Nachbarländern noch nicht vorzufinden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500904300

Zusatzfrage, bitte.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1500904400

Herr Staatssekretär, wir diskutieren über Acrylamid im

Parlament seit Anfang Juni, nachdem die CDU/CSU-
Fraktion dieses Thema in den Ausschuss gebracht hat. Im
Mai gab es die ersten Aktivitäten des Ministeriums. Kön-
nen Sie mir sagen, ob das Thema Acrylamid schon bei Mi-
nisterratssitzungen eine Rolle gespielt hat und, wenn nein,
warum das nicht vonseiten der Bundesregierung auf die
Tagesordnung gesetzt worden ist?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500904500


Acrylamid ist ein Thema seit der Schnellwarnung
durch die EU-Kommission; diese erfolgte am 24. April.
Seit 25. April hat die Bundesregierung gemeinsam mit der
nachgeordneten Einrichtung, dem damaligen BgVV, ge-
handelt und über alle Schritte die Öffentlichkeit infor-
miert. Das Thema ist also nicht etwa dadurch, dass es im
Ausschuss behandelt worden ist, sondern durch die Akti-
vitäten der Bundesregierung auf die Tagesordnung ge-
kommen. Ich bin aber sehr froh, dass sich das Parlament
für dieses ernste Problem gleichermaßen interessiert.

Wir haben, da es sich um ein globales Problem handelt,
bisher die Strategie gewählt, dieses Thema auf WHO- und
auf EU-Ebene im Kreis der Fachleute zu diskutieren, bis
wir konkrete Daten haben. Diese konkreten Daten gehen
bei uns seit Sommer dieses Jahres ein. Wir haben jetzt die
zweite Runde der Probenahmen der Länder, deren Ergeb-


(A)



(B)



(C)



(D)


480


(A)



(B)



(C)



(D)






nisse Ende dieser Woche bei uns abschließend eingehen
müssen und uns dann – nach einer kurzen Ausarbeitungs-
zeit – die nötige Information geben. Ich denke, dass wir
danach ein Stadium der Informationsdichte auch über die
Wirkungszusammenhänge erreicht haben, das es ermög-
licht, das Thema dann auf politischer Ebene in Brüssel zu
diskutieren.

Unser Ziel war zunächst einmal nur, bevor wir es in
Brüssel zum Thema machen, eine konkrete Handlungs-
option zu entwickeln. Das Problem lediglich unter den
Ministern zu diskutieren wäre Aktionismus, wenn man
die Fachleute nicht in gleichem Maße einbinden würde.
Das haben wir in den letzten Monaten getan. Wenn ich
vergleiche, welche Informationen wir bei der Ausschuss-
sitzung damals hatten und welche Informationen wir bei
der heutigen Ausschusssitzung haben, dann stelle ich fest,
dass ein Fortschritt hinsichtlich der damals unklaren Fra-
gen deutlich erkennbar ist.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500904600

Zweite Zusatzfrage, bitte schön.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1500904700

Herr Staatssekretär, ich gebe Ihnen Recht, dass wir

nicht genügend Informationen haben. Deswegen meine
zweite Frage: Können Sie mir ganz konkret sagen, wel-
chen Auftrag im Bereich Acrylamid die Bundesanstalt für
Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung von der Bundes-
regierung bekommen hat, wie die Mittelausstattung ist
und wann dieser Auftrag an die Bundesforschungsanstalt
gegangen ist?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500904800


Die Bundesanstalt für Fettforschung ist, wie verschie-
dene andere Einrichtungen, an der Minimierungsstrategie
beteiligt; das hatten wir im Ausschuss schon besprochen,
dort ging es um die verschiedenen Forschungsvorhaben.
Ich kann Ihnen an dieser Stelle nicht sagen, mit welchem
Datum welche Aufträge von wem an die Forschungsan-
stalt gegangen sind. Ich kann Ihnen aber versichern, dass
die Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettfor-
schung in Detmold, ähnlich wie eine ganze Reihe weite-
rer Einrichtungen, intensiv an diesem Thema arbeitet.

Ein praktisches Beispiel: Wir wissen, dass Acrylamid
aufgrund des Vorkommens bestimmter reduzierender
Zucker und von Asparaginsäure in Kartoffeln besonders
häufig entsteht. Es gibt Sorten, die wir künftig empfehlen
werden, die geringere Konzentrationen haben. An der Er-
arbeitung einer Vorschlagsliste werden wir natürlich auch
unsere Kartoffel- und Fettforschung in Detmold beteili-
gen.

Das ist nur eines von vielen Beispielen, wo wir den
nachgeordneten Forschungsbereich des Ministeriums in-
tensiv mit einbinden. Die Federführung für die Minimie-
rung von Acrylamid hat das neue Bundesamt für Verbrau-
cherschutz und Lebensmittelsicherheit. Dieses geht mit

den Experten von Bund und Ländern und auch mit unab-
hängigen Experten gemeinsam vor.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500904900

Eine weitere Frage der Kollegin Gitta Connemann.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1500905000

Wird im Rahmen der Acrylamid-Minimierung auch an

die Einführung verpflichtender Grenzwerte gedacht, wie
es zum Beispiel beim Trinkwasser üblich ist?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500905100


Frau Connemann, das ist für unsere Strategie, wie wir
mit dem Problem umgehen, im Moment eine entschei-
dende Frage. Es gibt ernst zu nehmende Wissenschaftler,
die sagen, dass die Gefahr von Acrylamid vergleichbar
mit der von Benzpyren ist. Bei Benzpyren gibt es heute
verschiedene Verordnungen, zum Beispiel die Aromen-
verordnung, die Grenzwerte in der Größenordnung von
30 Mikrogramm pro Kilogramm vorschreibt. Ob man
gleich den Wert des Trinkwassers von 1 Mikrogramm pro
Kilogramm nehmen muss, der vor allem dazu dient, prak-
tisch auszuschließen, dass Acrylamid im Trinkwasser vor-
kommt, ist eine offene Frage. Es muss aber klar sein, dass
dieser Weg, sollten wir ihn einschlagen, ganz erheblich
in die Konsumgewohnheiten der Menschen und auch in
die Produktionsgewohnheiten einschneidet. Die besten
Knäckebrote etwa haben Acrylamid-Werte, die im Bereich
von 30 oder etwas mehr Mikrogramm pro Kilogramm
liegen.

Das heißt, über dieses Konzept denken wir alternativ
nach. Wir brauchen aber, um einen solchen Grenzwert
festzulegen, wissenschaftlich fundierte Daten, zum Bei-
spiel darüber, ob Acrylamid von Anfang an schädlich ist
oder erst ab einem bestimmten Schwellenwert. Dies wird
zurzeit in Versuchen mit Zellkulturen ermittelt. Erste Da-
ten bekommen wir Mitte nächsten Jahres; darauf wird in
einer anderen Frage auch noch eingegangen. Wie wir im
Einzelnen mit diesen Daten umgehen werden, erörtern
wir dann nicht nur mit Ihnen, sondern auch mit allen an-
deren Beteiligten. Im Kern aber haben wir heute nicht die
validen und verlässlichen Daten, die wir benötigen, um ei-
nen Grenzwert zu bestimmen. Das ginge nur Pi mal Dau-
men. Deswegen gehen wir pragmatisch vor und sagen:
Auch ohne diesen Grenzwert wollen wir alles dafür tun,
den Eintrag von Acrylamid in die Ernährung zu minimie-
ren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500905200

Wir kommen dann zur Frage 4 der Kollegin Ursula

Heinen:
Trifft die Aussage der Sprecherin des Bundesinstitutes für

Risikobewertung in der „Bild“ vom 2. November 2002 zu, dass
Acrylamid mit Abstand das größte Problem ist, das wir in den letz-
ten Jahren hatten?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Parl. Staatssekretär Matthias Berninger





Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500905300


Frau Kollegin Heinen, ein Problem, das sich auf Kartof-
feln, Kekse, Brot – sei es Toastbrot, sei es Knäckebrot –,
Kartoffelchips, Pommes frites und auf alle möglichen
Produkte ausdehnt, die wir täglich zu uns nehmen, ist in
der Tat ein sehr großes und ernst zu nehmendes Problem.
Dabei handelt es sich um ein Problem neuen Typs, weil
noch Anfang dieses Jahres seriöse Wissenschaftler den
Kopf geschüttelt haben, als die These aufgestellt wurde,
Acrylamid entstehe bei der Erhitzung von Stärkeproduk-
ten in Abwesenheit von Wasser. Niemand hat damit ge-
rechnet, dass Acrylamid bei diesem Prozess entsteht. Es
ist, wie gesagt, ein sehr ernst zu nehmendes Problem.

Ich habe in den letzten anderthalb Jahren meiner Amts-
zeit eine Reihe von Lebensmittelskandalen und Proble-
men im Lebensmittelbereich erlebt. Ich kann aber nicht
sagen, ob das Problem bezüglich Acrylamid größer oder
kleiner als das BSE-Problem ist.

Wir haben mit der zuständigen Mitarbeiterin des Bun-
desinstituts gesprochen. Sie hat uns gesagt, dass es sich in
der „Bild“ um eine verkürzte Darstellung handele. Es gibt
hier aber nichts zu beschönigen. Es handelt sich bei
Acrylamid – so haben wir es schon am Anfang des Som-
mers im Ausschuss dargestellt – um ein sehr ernst zu neh-
mendes Problem. Auf der Ebene der WHO redet man von
einem Problem von Major Concern, das heißt einem Pro-
blem von größter Besorgnis. Daher arbeiten wir mit
Hochdruck an Lösungen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500905400

Zusatzfrage, Frau Kollegin Heinen.


Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1500905500

Nicht nur die Sprecherin des Bundesinstitutes, sondern

auch seriöse Wissenschaftler sprechen davon – Sie haben
es gerade selber erwähnt –, dass es sich um ein sehr großes
Problem handelt. Die Frage ist: Ist dieses Problem größer
als das Problem, das wir in der Vergangenheit mit Nitro-
fen hatten? Wie sieht Ihre Beurteilung aus?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500905600


Bei dem Nitrofen-Skandal handelte es sich um den
Eintrag einer Chemikalie in das Getreide. Das Problem
war lokal eingrenzbar. Wir wussten am Ende ziemlich ge-
nau – das hat auch die Genese des Skandals gezeigt –, wo-
hin die einzelnen Getreidepartien geliefert wurden. Wir
konnten also die lokale Verbreitung verfolgen.

Bei Acrylamid handelt es sich um ein Problem, das wir
wahrscheinlich schon seit mehreren tausend Jahren ha-
ben. Denn immer dann, wenn Stärkeprodukte erhitzt wer-
den, entsteht Acrylamid. Dieses Problem lässt sich nicht
auf die industrielle Fertigung beschränken. Acrylamid
entsteht ebenso in der Küche, wenn Kartoffeln gekocht
oder Weihnachtsplätzchen gebacken werden. Das Pro-

blem ist also omnipräsent. Deshalb ist es mit dem Nitro-
fen-Skandal überhaupt nicht vergleichbar. Seine Auswir-
kungen sind weitreichender.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500905700

Zweite Zusatzfrage, bitte schön.


Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1500905800

Herr Staatssekretär, Sie sprachen gerade an, dass

Acrylamid beim Kochen und Erhitzen entsteht. Sind Ihnen
Untersuchungen bekannt, die belegen, dass in den ge-
nannten Lebensmitteln – zum Beispiel in Brot – aufgrund
desselben Prozesses ein Stoff entsteht, der bewirkt, dass
Entgiftungsenzyme freigesetzt werden? Das heißt, es kön-
nen Stoffe entwickelt und freigesetzt werden, die positiv
auf den Körper wirken. Welche Erkenntnisse haben Sie da-
rüber?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500905900


Es gibt eine ganze Reihe von chemischen Prozessen,
die beim Kochen ablaufen. Ich kann Ihnen aber keine De-
tails nennen, schon gar nicht zu den Prozessen, die posi-
tive Auswirkungen haben. Ich bitte das zu entschuldigen.
Wir werden leider immer mit den Prozessen konfrontiert,
die negative Auswirkungen haben. Es ist aber sehr klar,
dass wir hinsichtlich des Acrylamid handeln müssen.

Ich will auf einen ähnlichen Vorgang verweisen: Beim
Grillen entstehen Benzpyrene. Das hat man akzeptiert,
weil das Gegrillte besser schmeckt. Dennoch hat die Öf-
fentlichkeit ein Anrecht darauf, über die Gesundheitsrisi-
ken informiert zu werden.

Es gibt sehr praktikable Wege, um hohe Konzentratio-
nen von Acrylamid zu vermeiden. Diese muss man den
Menschen mitteilen. Man kann beispielsweise mit den
Fritteusenherstellern reden, Geräte zu entwickeln, die bei
niedrigerer Temperatur arbeiten. Die Backfrites, die im
Ofen gebacken werden, könnten zukünftig bei niedrigerer
Temperatur erhitzt werden. Es gibt eine Untersuchung
– wir werden die Verbraucher ausführlich darüber infor-
mieren, sobald die Ergebnisse vollständig vorliegen; das
kann über das Internet geschehen –, die zeigt, dass man
geringere Konzentrationen von Acrylamid erreichen kann,
wenn man das Backblech nicht halbvoll, sondern voll mit
Pommes frites belegt. Ein letztes Beispiel aus der Küche:
Wenn Sie Bratkartoffeln mit vorgekochten Kartoffeln ma-
chen, dann sind die Acrylamid-Werte deutlich niedriger,
als wenn man rohe Kartoffeln verwenden würde.

Es gibt also eine Reihe von Maßnahmen, die Acrylamid-
Werte zu reduzieren. Inwieweit dadurch auch positive Ef-
fekte beeinflusst werden, haben wir nicht untersucht.


(Monika Griefahn [SPD]: Wir bedanken uns für die Kochrezepte, Herr Staatssekretär!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500906000

Wir kommen dann zur Frage 5 der Kollegin Heinen:


(A)



(B)



(C)



(D)


482


(A)



(B)



(C)



(D)






Trifft es zu, dass im ganzen Land Lebensmittelkontrolleure
unterwegs sind und Proben entnehmen, wie dies aus einer Äuße-
rung einer Vertreterin des Bundesministeriums für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft in der „Bild“ vom 2. No-
vember 2002 hervorgeht, und wenn ja, mit welcher Struktur ist die
Untersuchung angelegt?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500906100


Frau Kollegin Heinen, es trifft zu, dass im ganzen Land
Lebensmittelkontrolleure unterwegs sind, um sich mit
dieser Frage auseinander zu setzen. Die Grundlage für die
Minimierungsstrategie ist ja, dass wir überall dort, wo be-
troffene Produktgruppen aufzufinden sind, entsprechende
Untersuchungen in Auftrag gegeben haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500906200

Ihre Zusatzfrage, bitte schön.


Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1500906300

Eine kurze Zusatzfrage: Bis wann rechnen Sie mit end-

gültigen Forschungsergebnissen?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500906400


Es gibt verschiedene Forschungsergebnisse. Zum ei-
nen ist es so, dass wir, als wir uns im Juni zum ersten Mal
mit der Frage, warum und wie Acrylamid entsteht, be-
schäftigt haben, noch ziemlich im Dunkeln getappt sind.
Wir wissen heute sehr genau: Die Voraussetzungen sind
das Vorhandensein von reduzierenden Zuckern und Aspa-
raginsäure sowie eine Erhitzung von mehr als 170 Grad
unter Abwesenheit von Wasser. Wenn all das zusammen-
kommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Acrylamid ent-
steht, entsprechend hoch. Es gibt noch ein paar andere
Faktoren; aber das sind die wesentlichen.

Das heißt, es kommen ständig Forschungsergebnisse
hinzu. Darüber hinaus sind wir auf internationaler Ebene
mit allen, die an diesem Thema forschen, vernetzt.

Die wichtigste Frage wird sicherlich die toxikologi-
sche Bewertung des Stoffes Acrylamid sein. Wenn wir
diese Frage abschließend geklärt haben, werden wir über
Maßnahmen, die über die Minimierungsstrategie hinaus-
gehen, sprechen müssen. Ich hatte eben gesagt, dass wir
uns vom Bundesinstitut für Risikobewertung im Frühjahr
nächsten Jahres erste Ergebnisse auf diesem Feld – das ist
für uns eine der drängendsten Fragen – erhoffen. Bei ei-
nem solchen Problem, gerade wenn es um die Frage geht,
ob etwas krebserregend ist oder nicht, weiß man aber lei-
der nie auf den Tag genau, wann die Forscher zu einem
endgültigen Ergebnis kommen. Denn dies ist doch ein
sehr komplexer Bereich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500906500

Damit kommen wir zur Frage 6 der Kollegin Marlene

Mortler von der CDU/CSU-Fraktion:

Welche Analyseergebnisse des Bundesinstituts für Risikobe-
wertung bei Acrylamid sind bislang ausgewertet worden?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500906600


Frau Kollegin Mortler, ich möchte auf die soeben beant-
wortete Frage verweisen. Das Bundesinstitut für Risikobe-
wertung arbeitet hauptsächlich daran, uns eine unabhän-
gige Abschätzung zu geben, wie gefährlich Acrylamid ist.

Die anderen Fragen, zum Beispiel der Umgang mit Ana-
lyseergebnissen, werden im Grunde vom Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit beantwor-
tet, das, wie ich auf die erste Frage des Kollegen Carstensen
geantwortet habe, die Aufgabe hat, die Minimierungsstra-
tegie bundesweit zu bündeln, und damit alle Informationen
zur Hand hat, vor allem die sensiblen über die Hersteller,
bei denen zu hohe Acrylamid-Werte zu verzeichnen sind.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500906700

Zusatzfrage, Frau Kollegin Mortler? – Nein.
Dann kommen wir zur Frage 7 der Kollegin Mortler:

Welche Ergebnisse hat das Expertengespräch der Weltgesund-
heitsorganisation, WHO, und der Ernährungs- und Landwirtschafts-
organisation der Vereinten Nationen, FAO, Ende Juni 2002 erbracht?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500906800


Ich hatte auf diese Ergebnisse bereits hingewiesen. Die
Expertengruppe hat im Juni dieses Jahres getagt. Wir hat-
ten den Vorteil, dass mit Herrn Arnold einer der großen
Experten auf dem Gebiet Acrylamid anwesend war. Er
führte den Vorsitz dieser Arbeitsgruppe. Wir hatten also
eine sehr gute Informationsbasis.

Man hat sich auf WHO-Ebene überrascht gezeigt, wie
groß dieses Problem ist, und hat es zu einem Major Con-
cern, das heißt zu einem sehr ernst zu nehmenden Pro-
blem, erklärt. Die einzelnen Ergebnisse haben wir im In-
ternet veröffentlicht. Sie finden einen Hinweis auf der
Startseite der Homepage unseres Ministeriums und kön-
nen sich dann entsprechend informieren.

Das wichtigste Ergebnis ist natürlich: Es besteht wei-
terer Forschungsbedarf. Wir haben dies dadurch ergänzt,
dass wir neben der Forschungsarbeit konkrete Hand-
lungsschritte im Rahmen der Minimierungsstrategie un-
ternommen haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500906900

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Nein.
Dann eine weitere Frage des Kollegen Carstensen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1500907000

Herr Staatssekretär, haben Sie Erkenntnisse darüber,

wie das Thema Acrylamid in anderen Ländern außerhalb

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms




Peter H. Carstensen (Nordstrand)

der EU, also nicht in Schweden, sondern zum Beispiel in
den Vereinigten Staaten und in solchen Ländern, in denen
in großem Umfang Pommes frites verzehrt werden und
Bratfett benutzt wird, behandelt wird?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500907100


Herr Kollege Carstensen, ich bitte um Verständnis: Ich
habe keinen Gesamtüberblick über die Diskussion in den
einzelnen Ländern. Ich würde es Ihnen gern schriftlich
nachreichen, falls wir dazu weitergehende Informationen
haben.

Ich weiß, dass in Europa, seitdem es diese Warnungen
im Rahmen des europäischen Schnellwarnsystems gege-
ben hat, eine sehr intensive Fachdebatte zu diesem Thema
in den verschiedenen Facheinrichtungen geführt wird.
Zum Beispiel die holländischen Kollegen forschen in die-
sem Bereich sehr intensiv.

Zweifellos ist hier zu erörtern, dass etwa ab dem Jahr
2000 auf wissenschaftlicher Ebene Informationen über
das Problem Acrylamid veröffentlicht wurden, aber nir-
gends in der Welt richtig wahrgenommen worden sind.
Erst durch die Veröffentlichungen der schwedischen Behör-
den im April dieses Jahres wurde der Stein ins Rollen ge-
bracht. Das heißt, glücklicherweise wird auch in anderen
Ländern an diesem Problem gearbeitet. Wir sind nicht die
Einzigen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500907200

Die Fragen 8 und 9 des Kollegen Albert Deß sollen

bitte schriftlich beantwortet werden.
Damit kommen wir zur Frage 10 der Kollegin Gitta

Connemann:
Hat die Bundesregierung wegen Acrylamid mit den Bundes-

ländern und in der Europäischen Union Absprachen getroffen,
wenn ja, welche?

Herr Staatssekretär, bitte schön.

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500907300


Wie ich schon angedeutet habe, ist die Minimierungs-
strategie nur dann erfolgreich, wenn wir Hand in Hand mit
den Bundesländern arbeiten. Diese haben über die Le-
bensmittelbehörden den konkreten Zugriff auf die Unter-
nehmen. Die Zusammenarbeit mit den Bundesländern
und deren Lebensmittelbehörden ist durchweg konstruk-
tiv, wenngleich es einige Schwierigkeiten mit den Labor-
kapazitäten gibt, weil die Acrylamid-Untersuchungen in
denselben Labors stattfinden müssen wie zum Beispiel
die Untersuchungen von Nitrofuran – ein Problem, das
Geflügelfleisch betrifft. Aber auch das werden die Bun-
desländer Schritt für Schritt in den Griff bekommen. Das
zumindest sagen uns die Experten. Wir haben eine Art
Poollösung angeboten, das heißt, dass die Bundesländer
ihre Laborkapazitäten allen anderen zur Verfügung stel-
len. Das scheint aber nicht nötig zu sein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500907400

Zusatzfrage? – Bitte schön.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1500907500

Trifft es zu, dass bei der Ermittlung von Signalwerten

durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebens-
mittelsicherheit bisher keine europäischen Daten einbe-
zogen worden sind und, wenn ja, wann ist im Sinne einer
umfassenden Verbraucheraufklärung damit zu rechnen?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500907600


Vielleicht darf ich noch einmal auf die Frage eingehen,
die Sie davor gestellt haben, nämlich ab welchem Wert
Acrylamid als gefährlich anzusehen ist: Einen solchen
Wert müssten wir bei 30, vielleicht 50 Mikrogramm pro
Kilogramm Lebensmittel ansetzen. Es wird ein Aktions-
wert empfohlen, der bei 1 000 Mikrogramm Acrylamid
pro Kilogramm Lebensmittel liegt, also weit über dem,
was bei vergleichbaren Substanzen heute als Grenzwert in
Lebensmittelverordnungen existiert. Dieser zunächst ein-
mal gegriffene Wert ist als solcher, so glaube ich, nicht zu
kritisieren. Man kann also nicht von Panikmache oder
Ähnlichem sprechen.

Die Vorgehensweisen in anderen europäischen Län-
dern sind nicht vergleichbar. Eine europäische Diskus-
sion gibt es aber natürlich insofern, als alle Hersteller
betroffen sind, die für den deutschen Markt produzieren,
aber ihre Produkte nicht hierzulande herstellen. Ich habe
mir sagen lassen, Knäckebrot komme häufig aus Schwe-
den.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das hätte ich Ihnen auch sagen können! Aber sonst habe ich keine Ahnung von dem, was Sie da erzählen!)


– Danke, Ecki!
Natürlich diskutieren wir möglichst oft mit den Kolle-

gen aus den anderen Ländern. Wenn wir die Daten aus der
zweiten Runde bekommen, werden sich, so denke ich,
zwei Ergebnisse ergeben: Erstens wird es gelingen, durch
die Kooperation mit den Beteiligten, also den Ländern
und den Unternehmen, die Acrylamid-Werte deutlich zu
senken, zum Teil durch ganz einfache Maßnahmen. Zwei-
tens wird es trotz einer solchen dynamisch angelegten Mi-
nimierungsstrategie Produkte geben, bei denen die
Acrylamid-Werte unakzeptabel hoch sind.

Sobald wir das wissen, werden wir unser Vorgehen auf
europäischer Ebene vorstellen. Dies wird dann natürlich
zu diskutieren sein. Ich hoffe, dass sich unser Vorgehen
auf die anderen europäischen Länder übertragen lässt. Auf
jeden Fall werden wir das für alle Produkte, die auf dem
deutschen Markt sind, anwenden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500907700

Eine zweite Zusatzfrage? – Nein. Dann eine Frage der

Kollegin Ursula Heinen.


(A)



(B)



(C)



(D)


484


(A)



(B)



(C)



(D)







Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1500907800

Sie hatten die Frage von Herrn Carstensen eben dahin

gehend beantwortet, dass sich der Ministerrat noch nicht
damit befasst hat. Jetzt haben Sie auf die Frage der Kolle-
gin Connemann gesagt, dass europäische Daten bislang
noch nicht einbezogen wurden, dies aber zukünftig ge-
schehen soll. Wir meinen, dass es angesichts dessen an der
Zeit wäre, dieses Thema auf die Agenda des nächsten Mi-
nisterrates zu setzen, und erwarten schon, dass Deutsch-
land, dass die deutsche Verbraucherschutzministerin das
besonders vorantreibt. Wird das der Fall sein?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500907900


Frau Kollegin Heinen, ich denke, dass an meinen Ant-
worten deutlich geworden ist: Wir treiben dieses Thema
voran und sind mit den Aktionen, die wir in Gang gesetzt
haben, europaweit konkurrenzlos. Es gab am 15. und
16. Oktober eine Expertentagung; ich habe bereits darauf
hingewiesen. Die Experten haben sich zu einer zweiten
Tagung verabredet, die im Dezember dieses Jahres statt-
finden soll. Ich denke, dass das Ergebnis dieser Experten-
tagung uns wichtige Hinweise geben wird, ob und zu wel-
chem Zeitpunkt wir das zu einem politischen Thema auf
europäischer Ebene machen können. Klar ist aber auch,
dass wir unabhängig davon unsere Minimierungsstrategie
in Deutschland weiter voranbringen werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500908000

Damit kommen wir zur Frage 11 der Kollegin

Connemann:
Sind wegen Acrylamid europäische Regelungen geplant und,

wenn ja, welche?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500908100


Frau Kollegin, die Beantwortung ergibt sich aus den
bisherigen Antworten: Es gibt zurzeit noch keine europa-
weiten Aktivitäten, deren Planungsstadium so weit fort-
geschritten wäre, dass ich sie hier nennen könnte. Ziel der
Bundesregierung ist es, eine generelle Regelung im Sinne
des europäischen Binnenmarktes zu erreichen. Man stelle
sich die Situation eines Herstellers vor, der bei den Pro-
dukten für den deutschen Markt handeln muss, aber bei
denen für den Export nach Frankreich oder Italien nichts
weiter unternehmen muss. Für die deutschen Verbraucher
gilt zwar, dass das Vorkommen von Acrylamid in den Pro-
dukten, die sie in Deutschland kaufen, minimiert ist. Aber
natürlich macht es Sinn, wenn Strategien der Acrylamid-
Minimierung überall stattfinden, sodass auch die Ver-
braucher im europäischen Ausland so wenig Acrylamid
wie möglich in den Lebensmitteln vorfinden.

Wir sind also dran. Aber alles geht nur Schritt für
Schritt und wir wollen mit dem, was wir machen, auf der
sicheren Seite sein. Daher warten wir auf die Untersu-
chungsergebnisse der zweite Runde, bevor wir die Pferde
auf europäischer Ebene ein wenig scheuer machen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500908200

Zusatzfrage, bitte schön.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1500908300

Sie sagen, dass Bestrebungen, das Risiko zu minimie-

ren, im Gange sind. In welchem Zeitraum können wir
denn mit sichtbaren Erfolgen bei den Minimierungs-
bemühungen rechnen? Vielleicht bis Ende November
oder Ende Dezember?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500908400


Die gute Nachricht ist: Ja, das können wir anhand der
Daten, die wir bisher vorliegen haben. Diese geben nur
eine grobe Übersicht, weil – wie gesagt – erst Ende der
Woche die nächste Runde abgeschlossen wird. Die Daten
besagen, dass wir vom Sommer bis zum Spätherbst dieses
Jahres bei vielen Produkten durchaus eine Verringerung
von Acrylamid-Werten verzeichnen können; das ist die
gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist: Bei einigen
Herstellern und einigen Produkten klappt dies nicht. Das
wird natürlich eine sehr ernste Diskussion mit diesen Her-
stellern nach sich ziehen müssen.

Ich denke, dass die Minimierungsstrategie in jedem
Fall einen Erfolg bringt. Diese ist aber nur ein Bestandteil
unserer Strategie. Die Feststellung der Toxizität des Stof-
fes ist der zweite Bestandteil. Denn es kann sich am Ende
herausstellen, dass dieser Stoff so toxisch ist, dass wir ins-
gesamt in die Produktions- und in die Konsumweise ein-
greifen müssen.

Darüber hinaus wollen wir die Verzehrgewohnheiten
von Kindern untersuchen. Man kann sich vorstellen, dass
Kinder proportional mehr Pommes frites, Kekse und ver-
schiedene andere Gebäcke zu sich nehmen als Erwach-
sene. Diese besondere Verzehrstudie ist im Sommer in
Auftrag gegeben worden und wird uns jetzt erste Ergeb-
nisse bringen, sodass wir mit dem Bündel von Informa-
tionen, das wir dann haben, konkrete Hinweise für die
Verbraucher und die Hersteller geben können.

Ich habe auch die Hoffnung, dass wir bei der An-
hörung, die der Ausschuss für Januar beschlossen hat, in
der Lage sein werden, Ihnen weitere Fortschritte mitteilen
zu können. Denn bis dahin haben wir noch ein paar Wo-
chen Zeit. Das ist ein sehr dynamisches Thema. Ich gehe
davon aus, dass wir dem Ausschuss in der öffentlichen
Anhörung weitere zur Sicherheit der Verbraucher beitra-
gende Informationen mitteilen können. Dann haben wir
auch die Gelegenheit, in der Öffentlichkeit mit den be-
troffenen Herstellern und deren Verbänden über dieses
Problem zu diskutieren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500908500

Zweite Zusatzfrage.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1500908600

Sie sagen, das Minimierungsprogramm wird wahr-

scheinlich zum Teil zunächst nicht greifen. Es gibt, wie Sie




Gitta Connemann
dargestellt haben, keine abschließenden rechtlichen Rege-
lungen. Das Gefahrenpotenzial scheint immens zu sein.
Was wird die Bundesregierung tun, um den Verbraucher
über die offensichtlich doch sehr großen Risiken und auch
darüber, wie er sie vermeiden kann, zu informieren?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500908700


Zunächst einmal werden wir unsere Politik der absolu-
ten Transparenz fortsetzen. Wir haben die Öffentlichkeit
über jeden Schritt informiert. Es gibt eine Reihe von Pres-
severöffentlichungen und Veröffentlichungen im Internet.
Das halten wir für wichtig. Hier ist absolute Transparenz
geboten. Ich sage Ihnen auch: Wir wären gern noch ein
bisschen transparenter. Das ist allerdings damals an der
Union gescheitert, die das Verbraucherinformationsgesetz
im Bundesrat abgelehnt hat.


(Monika Griefahn [SPD]: Hört! Hört! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Da war doch was!)


Dieses Gesetz taugt in meinen Augen nicht für eine
wahlkampfbedingte politische Auseinandersetzung und
Blockade. Mit dem Verbraucherinformationsgesetz hätten
wir ein wirksames Instrument in der Hand, das es uns er-
möglichen würde, die Verbraucher viel stärker über kon-
krete Produkte zu informieren. Das würde auch den Druck
auf die Hersteller, ihre Herstellungsverfahren zu verän-
dern, beträchtlich erhöhen.

Wir gehen jetzt einen anderen Weg, von dem ich
glaube, dass er zu Verbesserungen führt. Deswegen teile
ich die Grundeinschätzung, die in Ihrer Frage zum Aus-
druck kommt, dass wir gar nicht vorankommen würden
oder dass wir keine guten Nachrichten hätten, nicht. Wir
haben in vielen Bereichen wirklich gute Nachrichten. Es
reichen zum Teil schon der Austausch einer Kartoffelsorte
oder die Veränderung der Lagertemperatur von Kartof-
felsorten, um dieses Problem einigermaßen in den Griff
zu bekommen. Aber leider können wir das nicht in allen
Fällen mit Sicherheit sagen. Deswegen können wir auch
keinerlei Entwarnung geben. Wir kommen bei manchen
Problemen voran und bei anderen nicht. Wir werden die
Verbraucher vor allem darüber informieren, was sie prak-
tisch tun können. Ich erinnere noch einmal an den Tipp,
nur ein volles Backblech mit Pommes frites in den Ofen
zu schieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Monika Griefahn [SPD]: Dieser Hinweis war besonders wichtig!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500908800

Eine weitere Frage des Kollegen Carstensen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1500908900

Herr Staatssekretär, nun könnte man die Presseer-

klärung der Vorsitzenden der Verbraucherzentrale Bundes-
verband zu diesem Thema anführen. Darin stand nämlich,
die Bundesregierung brauche dieses Verbraucherinforma-
tionsgesetz nicht.

Ihre Antworten von vorhin geben mir Anlass, zu fra-
gen, ob es nicht dringend notwendig wäre, dieses Thema
mit auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Minis-
terrates zu nehmen. Es kann nämlich nicht ausreichen,
dass wir Minimierungsstrategien fahren. Sie machen sich
zwar Sorgen wegen der Firmen, die hier minimieren müs-
sen, aber auch ins Ausland liefern. Ich jedoch mache mir
viel mehr Sorgen wegen der ausländischen Firmen, die
nicht am nationalen Minimierungsprogramm teilnehmen,
aber auf unseren Markt liefern.

Können Sie mir bitte sagen, welche rechtlichen Vo-
raussetzungen geschaffen werden müssen oder welche
Analyseergebnisse oder welche wissenschaftlichen Er-
gebnisse vorliegen müssen, damit Sie unterbinden kön-
nen, dass zwar bei uns minimiert wird, aber anschließend
die Pommes frites, die Kartoffelchips oder was auch im-
mer aus dem europäischen Ausland bei uns auf den Markt
kommen?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500909000


Herr Carstensen, auf Ihre beiden Fragen kann ich Ih-
nen gerne eine Antwort geben.

Erstens. Es ist zweifellos so, dass auch die ausländi-
schen Hersteller, die auf den deutschen Markt liefern, in
die Minimierungsstrategie eingebunden sind. Auch mit
diesen Unternehmen wird Kontakt aufgenommen. Sollten
die Produkte dieser Unternehmen die Signalwerte errei-
chen, müssen diese genauso minimieren wie die Herstel-
ler auf nationaler Ebene.

Ich habe im Rahmen meiner Antwort auf eine andere
Frage darauf hingewiesen, dass der optimale Zustand
zunächst einmal dann erreicht ist, wenn sich diese Strate-
gie auf dem gesamten europäischen Binnenmarkt durch-
setzen könnte und vielleicht auch Bestandteil einer abge-
stimmten WHO-Politik würde. Dies ist sicher auch unser
Ziel, aber es geht alles Schritt für Schritt.

Ich halte es für sinnvoll, dass wir, wenn wir einen der-
art neuen Weg der Bekämpfung eines Risikos für die Ver-
braucher gehen, auf nationaler Ebene auf der sicheren
Seite sein sollten, bevor wir auf europäischer Ebene ein-
steigen. Die Probleme werden nicht ganz ohne Ärger mit
den Unternehmen lösbar sein. Diese Prognose kann ich
heute ziemlich sicher wagen.

Zweitens. Sie hatten auf die Forderung der Verbrau-
cherzentrale Bundesverband abgehoben. Diese zielt da-
rauf ab, ob man nicht aufgrund des Urteils des Bundes-
verfassungsgerichts Ross und Reiter nennen darf. Wir
haben diese Frage geprüft. Dieses Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts hat einen großen Vorteil: Es stärkt die
Position der Bundesregierung, dass wir ein Verbraucher-
informationsgesetz brauchen. Es hat gerade anhand des
Glykolfalles die Informationspflicht des Bundesministe-
riums für Verbraucherschutz noch einmal unterstrichen.
Das Urteil erstreckt sich aber leider nur auf solche Pro-
dukte, die nicht mehr verkehrsfähig sind. Das Urteil be-
schäftigt sich also mit einem Produkt, das schon vom
Markt genommen worden ist.


(A)



(B)



(C)



(D)


486


(A)



(B)



(C)



(D)






Die Produkte, von denen ich hier rede, können die Ver-
braucher jeden Tag im Lebensmitteleinzelhandel, beim
Bäcker oder bei der Pommesbude um die Ecke erwerben.
Deshalb gibt es uns leider keine Handhabe, um hier Ross
und Reiter zu nennen. Wir bedauern dies und verbinden
dies mit der Bitte an Sie, dass Sie Ihre Blockade im Bun-
desrat aufgeben mögen und wir ein Verbraucherinforma-
tionsgesetz bekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Aber ein vernünftiges!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500909100

Eine weitere Frage des Kollegen Peter Bleser.

Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1500909200

Herr Staatssekretär, auf welcher Rechtsgrundlage ver-

weigern Sie die Bekanntgabe der Namen jener Unterneh-
men, deren Produkte eine erhöhte Acrylamid-Belastung
haben, und zwar vor dem Hintergrund, dass in der Ver-
gangenheit des Öfteren solche Unternehmen genannt
worden sind, die diese Produkte in Verkehr gebracht ha-
ben? – Hier ist offensichtlich eine Gesundheitsgefährdung
vorhanden, Sie jedoch verweigern den Verbrauchern die
entsprechende Information.

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500909300


Herr Kollege Bleser, mit Verlaub, aber dies schlägt
dem Fass den Boden aus. Wir wollten ein Verbraucherin-
formationsgesetz auf den Weg bringen, welches uns recht-
lich auf die sichere Seite bringen würde. Ich würde mich
hier wirklich um Kopf und Kragen reden, wenn ich die
Namen bestimmter Hersteller nennen würde. Ich kom-
mentiere auch nicht diejenigen Namen, die aufgrund an-
derer Testverfahren an die Öffentlichkeit gelangt sind,
weil dies für das betreffende Unternehmen mit einem er-
heblichen Risiko verbunden wäre. Dies allein könnte ich
noch verschmerzen, aber dieses Unternehmen könnte sich
dann auf das Birkel-Urteil sowie auf andere Urteile beru-
fen und die Bundesregierung wegen geschäftsschädigen-
den Verhaltens des Herrn Parlamentarischen Staatsse-
kretärs in der Fragestunde – das wäre mit erheblichen
Kosten für den Steuerzahler verbunden – verklagen. Dies
kann nicht der richtige Weg sein.

Das Verfahren in dem Verbraucherinformationsgesetz,
so wie wir es angelegt haben, hätte wie folgt funktioniert:
Wir hätten mit den Herstellern Kontakt aufgenommen,
hätten ihnen die Gelegenheit gegeben, selber an die Öf-
fentlichkeit zu gehen und dieses bekannt zu geben. Wenn
sie davon abgesehen hätten, hätten wir auf fachlicher
Ebene entscheiden können, ob das Problem so groß ist,
dass es gerechtfertigt ist, den einzelnen Hersteller zu nen-
nen oder nicht. Nach diesem – wie ich finde – sehr ver-
nünftigen, subsidiären Vorgehen wären wir auch schon in
diesem Fall liebend gern vorgegangen. Sie haben aber im
Sommer dieses Jahres die Verabschiedung der dafür not-
wendigen rechtlichen Möglichkeiten im Bundesrat
blockiert.

Noch einmal: Wir werden mit dem Verbraucherinfor-
mationsgesetz Risiken wie das angesprochene für die Ver-
braucher effektiver bekämpfen können. Deswegen taugt
dieses Gesetz nicht für einen parteipolitischen Streit. Ich
lasse mir aber nicht vorwerfen, dass wir nicht so handelten,
als gäbe es schon ein Verbraucherinformationsgesetz, um
mir hinterher den Vorwurf von Ihnen gefallen zu lassen,
dass wir in erheblichem Maße schadenersatzpflichtig seien.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500909400

Wir kommen jetzt zu Frage 12 des Kollegen Helmut

Heiderich:
Welche Studien befassen sich gezielt mit den gesundheitsge-

fährdenden Risiken von Acrylamid und dessen Krebs erregenden
Wirkungen vor dem Hintergrund, dass das Bundesinstitut für
Risikobewertung mitgeteilt hat, dass das zusätzliche Krebsrisiko
der Bevölkerung durch die Aufnahme von Acrylamid über
Lebensmittel derzeit noch nicht abzuschätzen sei?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500909500


Herr Kollege Heiderich, wir haben schon in der Aus-
schusssitzung über diese Frage diskutiert. Ich habe der
Kollegin Heinen angeboten, dass wir dem Ausschuss die
Liste all derjenigen Studien, die sich mit der von Ihnen ge-
stellten Frage beschäftigen, zukommen lassen. Ich kann
Ihnen diese Liste aber auch gleich im Anschluss an die
Fragestunde überreichen.

Es ist klar, dass hier erheblicher Forschungsbedarf jen-
seits vorhandener Studien und solcher, die jetzt von Drit-
ten in Auftrag gegeben werden, vorhanden ist. Deshalb
haben wir – das habe ich schon bei der Beantwortung an-
derer Fragen angedeutet – das Bundesinstitut für Risiko-
bewertung gebeten, mit verstärkten Forschungsanstren-
gungen die gesundheitsgefährdende Wirkung und das
Krebs erregende Potenzial von Acrylamid zu ermitteln.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500909600

Eine Zusatzfrage, bitte schön.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1500909700

Herr Staatssekretär, Sie hatten vorhin erwähnt, dass es

auch auf internationaler Ebene Bedenken gebe. Ich
glaube, Sie hatten die WHO angesprochen. Gibt es von-
seiten der Bundesregierung Bestrebungen, zusammen mit
anderen Ländern entsprechende Studien auf internationa-
ler Ebene in Auftrag zu geben, oder befinden sich solche
Studien schon in Vorbereitung? Welche Position hat die
Bundesregierung zu diesem Thema?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500909800


Im Juni dieses Jahres haben Experten aller Länder auf
einer FAO/WHO-Tagung über diese Frage diskutiert.

Parl. Staatssekretär Matthias Berninger




Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
Selbstverständlich sind auch in anderen Ländern solche
Studien in Vorbereitung.

Ich hatte schon bei der Beantwortung einer anderen
Frage darauf hingewiesen, dass wir an einer Vernetzung
der Arbeit sehr interessiert sind. Wir haben in unsere For-
schungsarbeiten auch Kollegen aus Nachbarländern ein-
bezogen. Diese können bei Veranstaltungen der uns nach-
geordneten Einrichtungen hospitieren und entsprechende
Erfahrungen sammeln. Wir sähen es gerne, wenn sie uns
in gleichem Maße ihre Erfahrungen mitteilen würden.
Das geschieht – das möchte ich nur am Rande sagen – lei-
der nicht immer. Ich glaube, im Kern ist das Problem so
groß, dass die Gemeinschaft der Wissenschaftler schon an
einer Effektivierung der Forschung arbeitet.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500909900

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1500910000

Herr Staatssekretär, Sie haben ja vorhin in besonderem

Maße haushaltstechnische Erfahrungen durchblicken
lassen. Wenn es um Backbleche und ähnliche Dinge geht,
könnte ich Ihnen gerne meine Erfahrungen mitteilen.
Aber ich glaube, die hatten Sie eben nicht gemeint.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das kann nicht schaden!)


Ich möchte gerne noch einmal auf die Frage nach der
internationalen Zusammenarbeit zurückkommen. Gibt es
nach Ihrem Kenntnisstand andere Länder, die bereits
Maßnahmen eingeleitet haben, die Verbraucherinforma-
tionen geben und Verhaltensregeln empfehlen, so wie Sie
sie vorhin vorgetragen haben?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500910100


Es gibt eine Reihe positiver Beispiele für Rechte der
Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen. Ich denke,
dass das Vorgehen in den Vereinigten Staaten für uns alle
beispielhaft ist; denn dort hat man einen erheblich besse-
ren Zugang zu den Informationen der Behörden, als das
bei uns der Fall ist. Die Rechtslage bei uns ist deshalb so
unerquicklich, weil wir zwar ein Umweltinformations-
recht haben, das jedem die Möglichkeit einräumt, bei-
spielsweise die Inhaltsstoffe des örtlichen Klärschlamms
zu erfahren, wir uns aber bisher nicht dazu durchgerungen
haben, im Bereich der Lebensmittel vergleichbare Infor-
mationsrechte zu schaffen. Dieser Widerspruch sollte
nicht dauerhaft in Deutschland bestehen bleiben.

Darüber hinaus enthalten die Vorschläge der Europä-
ischen Union, zum Beispiel in der Produktsicherheits-
richtlinie, Passagen, die darauf hinauslaufen, dass die
Verbraucher bessere Rechte auf Zugang zu Informationen
der öffentlichen Verwaltung haben werden. Ich erinnere in
diesem Zusammenhang auch an die Koalitionsvereinba-
rung. Hier haben die Koalitionsfraktionen festgelegt, dass
sie gemeinsam mit der Wirtschaft daran arbeiten wollen,

dass die Wirtschaft ihrerseits Informationen bereitstellt.
Sollte sie kooperativ sein, dann muss der Gesetzgeber den
Bereich der Wirtschaft nicht regeln. Sollte sie nicht ko-
operativ sein, dann ist die Sache natürlich ganz anders ge-
lagert.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500910200

Danke schön. – Eine weitere Zusatzfrage, Ursula

Heinen.


Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1500910300

Gibt es Studien, die sich auch mit den Auswirkungen

von Acrylamid auf schwangere Frauen bzw. auf Neuge-
borene beschäftigen? Sind bereits Schädigungen be-
kannt?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500910400


Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Uns liegen bisher
keine Ergebnisse vor. Ich weiß nicht, inwieweit Schwan-
gere in die von uns in Auftrag gegebene Verzehrstudie
einbezogen sind, die sich vor allem mit Kindern und Ju-
gendlichen befasst. Da wir es zum Teil aber mit Produk-
ten zu tun haben, die Kinder schon in sehr frühem Alter zu
sich nehmen, gehe ich davon aus, dass die Experten dies
berücksichtigen und wir darüber Auskünfte bekommen
werden.

Klar ist, dass es sich um einen Stoff handelt, der sowohl
Krebs erregend als auch erbgutschädigend ist und der des-
wegen in besonderer Weise für Schwangere ein Problem
darstellen kann. Niemand hat damit gerechnet, dass der
Stoff Acrylamid bei der Zubereitung von Lebensmitteln
zum Beispiel samstags abends in der Bratpfanne entsteht.
Das ist aber leider der Fall.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500910500

Eine weitere Frage der Kollegin Gitta Connemann.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1500910600

Wird erwogen, besonders hohe Anforderungen hin-

sichtlich der Acrylamid-Belastung bei der Herstellung
von Babynahrung zu stellen?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500910700


Hohe Anforderungen wird man sicherlich an die Pro-
dukte im Bereich der Babynahrung stellen müssen, die be-
troffen sind. Da ist vor allem Gebäck zu nennen. Im klas-
sischen Baby-Gläschen wird man diesen Stoff eher nicht
finden. Auch Pommes frites sind nicht Bestandteil von
Babynahrung. Kleine Kinder bekommen aber häufig
Kekse und Ähnliches zwischendurch zu essen. Darum
müssen wir uns intensiv kümmern, weil sie besonders viel
– bezogen auf das Kilogramm Körpergewicht – konsu-


(A)



(B)



(C)



(D)


488


(A)



(B)



(C)



(D)






mieren. Das ist meine Feststellung als Vater; ich denke
aber, dass das auch die Studien als Ergebnis ermitteln wer-
den.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Können Sie sagen, dass ich ungefährdet bin?)


– Das will ich nicht sagen. Aber Sie, Herr Kollege, haben
ein größeres Körpergewicht. Deswegen können Sie mehr
zu sich nehmen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500910800

Wir kommen zu Frage 13 des Kollegen Helmut

Heiderich:
Wann werden die Forschungen und Analysen abgeschlossen

sein und wann rechnet die Bundesregierung mit ersten Ergebnis-
sen?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500910900


Ich habe schon darauf hingewiesen, dass es schwierig
ist, Prognosen darüber abzugeben, wann Wissenschaftler
Forschungsergebnisse vorlegen werden. Wir hoffen, dass
wir, da wir glücklicherweise nicht mit Tierversuchen, son-
dern mit Zellkulturversuchen arbeiten, im nächsten Jahr
vom Bundesinstitut für Risikobewertung erste Ergebnisse
über die Gefährlichkeit des Stoffes Acrylamid bekommen
werden. Darüber hinaus erhalten wir von anderer Stelle
laufend neue Forschungsergebnisse. Ich bin sehr froh da-
rüber, dass im Herbst dieses Jahres Veröffentlichungen
uns darüber, wie Acrylamid entsteht, sehr klare Informa-
tionen gegeben haben. Es ist aber noch immer nicht klar,
wie der Reaktionsmechanismus bei der Entstehung von
Acrylamid abläuft. Das ist klassische organische Chemie.
An sich müsste diese Frage einfach zu klären sein. Aber
im Lebensmittelbereich ist es sehr kompliziert und es ist
nicht leicht, zu Ergebnissen zu kommen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500911000

Eine Zusatzfrage? – Bitte.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1500911100

Herr Staatssekretär, fühlt sich die Bundesregierung

veranlasst, in der Zwischenzeit, solange diese Ergebnisse
noch nicht vorliegen, die Grenzwerte vorsorglich zu sen-
ken? Aus meiner Sicht ist das Körpergewicht in diesem
Fall nicht entscheidend, weil ich davon ausgehe, dass
Menschen mit einem größeren Körpergewicht auch
größere Mengen verzehren.

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500911200


Herr Kollege Heiderich, das Konzept des „acceptable
daily intake“, ADI, geht davon aus, wie viel Gramm eines
Stoffes pro Kilogramm Körpergewicht man zu sich nimmt.

Wenn ich die Menge an Butterkeksen, die ein kleines Kind
in sich reinstopfen kann, auf das Körpergewicht von mir,
von Herrn Kollegen Carstensen oder von sonst jemandem
unter uns hochrechne, dann komme ich zu dem Ergebnis:
Wir müssten einen Berg an Butterkeksen essen. Es ist
nicht realistisch, dass jemand von uns eine vergleichbare
Menge zu sich nimmt wie ein Kind. Deswegen ist es an-
geraten, dass wir uns speziell um die Verzehrgewohnhei-
ten von Kindern kümmern.

Sehen Sie sich einmal an, wie viele Kinder wöchent-
lich beispielsweise Fast-Food-Ketten aufsuchen und dort
Pommes frites zu sich nehmen. Wir müssen einen spezi-
ellen Blick auf die Gruppe von Verbraucherinnen und Ver-
brauchern richten, die diese Verzehrgewohnheiten haben,
weil gerade sie besonders schutzbedürftig sind.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500911300

Ihre zweite Zusatzfrage.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1500911400

He
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500911500
Könnten sich
aus Ihrer Sicht Rückwirkungen auf Regelungen im Haf-
tungsrecht ergeben?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500911600


Ich bin leider kein Jurist. Grundsätzlich wird in unse-
ren Gesetzen natürlich davon ausgegangen, dass die Her-
steller nur solche Produkte auf den Markt bringen können,
die die Gesundheit nicht gefährden. Ausgehend von die-
sem Grundsatz – unabhängig von der Frage, wie teuer ein
Lebensmittel ist –, dass wir es mit Mitteln zum Leben zu
tun haben müssen, die keine Gefährdung nach sich zie-
hen, werden wir natürlich mit den einzelnen Herstellern
über Minimierungsstrategien sprechen. Darüber, inwie-
weit das Haftungsrecht und andere Rechtskreise berührt
sind, kann ich nur spekulieren. Ich denke, dass wir darü-
ber in den nächsten Monaten, nachdem wir uns mit dieser
Frage näher beschäftigt haben, noch einmal reden müs-
sen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500911700

Zusatzfrage, Kollege Carstensen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1500911800

Herr Staatssekretär, wenn ich richtig informiert bin, hat

es insbesondere in Schweden Minimierungsstrategien
und -erfolge gegeben. Haben Sie das Gefühl, dass Sie
über die schwedischen Ergebnisse, Verfahren, Forschun-
gen und Analysen genügend unterrichtet sind?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500911900


Parl. Staatssekretär Matthias Berninger




Parl. Staatssekretär Matthias Berninger

Zumindest habe ich vonseiten der bei uns dafür Ver-
antwortlichen keine Klagen gehört. Ich weiß auch nicht,
ob mein Gefühl hier ausschlaggebend ist.

Ich denke, dass die Kooperation in diesem Bereich sehr
gut läuft. Wir haben die Hinweise der schwedischen
Behörden nicht erst hinterfragt und wir haben auch nicht
gesagt, dass wir erst einmal abwarten sollten, sondern wir
haben unsere Behörden gleich am nächsten Tag damit be-
fasst, um dieses Problem in Kooperation mit den Schwe-
den – diese sind uns insoweit voraus, als sie als Erste auf
das Problem hingewiesen haben – zu bearbeiten.

Ich glaube, letztlich wird das ein Problem von globaler
Bedeutung sein. Es ist für kein Land und kein Forschungs-
team angezeigt, seine Informationen für sich zu behalten.
Zu einer schnellen Lösung werden wir nur unter der Vo-
raussetzung kommen, dass die Kooperationsbereitschaft
der einzelnen Länder und der einzelnen Unternehmen
groß ist. Vor allem bezogen auf die Unternehmen hoffe ich
sehr, dass die Wettbewerber untereinander ihre Informa-
tionen fair austauschen werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500912000

Herr Kollege Schulte-Drüggelte hat eine Zusatzfrage.

– Bitte schön.


Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU):
Rede ID: ID1500912100

Sind die Untersuchungsmethoden in den einzelnen

Bundesländern miteinander abgestimmt? Gibt es unter-
schiedliche Ergebnisse bei diesen Untersuchungen? Gibt
es schon – Sie sprachen die Gefährlichkeit an – gesicherte
Erkenntnisse darüber, ab welcher Schwelle es wirklich
gefährlich wird?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500912200


Es gibt verschiedene Untersuchungsmethoden. Anfang
des Sommers kam die Frage auf, ob die einzelnen Unter-
suchungsmethoden alle zu einem gültigen Ergebnis
führen.

Aufgrund der Erfahrung ist es natürlich leicht, Acryl-
amid nachzuweisen. Bisher hat man es aber nur im Was-
ser gesucht. Das Problem ist also weniger die Analyse-
methode, mit der man Acrylamid nachweist, sondern eher,
wie man den Ausgangsstoff – in dem Fall also Lebens-
mittel, zum Beispiel Knäckebrot oder was auch immer –
so behandelt, dass man eine Acrylamid-Konzentration
nachweisen kann. Hierfür gibt es eine Vielzahl von Ver-
fahren. Die Überprüfung der verschiedenen Verfahren hat
ergeben, dass man, auch wenn unterschiedliche Ansätze
in der Aufbereitung der Proben zugrunde gelegt, also zum
Beispiel unterschiedliche Lösemittel verwendet werden,
in der Regel zu validen und entsprechend gültigen Nach-
weisen kommt, sodass wir glücklicherweise kein Problem
mit der Analyse haben. Das ist die Voraussetzung dafür,
dass massenhaft Proben genommen werden können, so-
dass die ermittelten Ergebnisse in die Minimierungsstra-
tegie eingebaut werden können.

Die Frage, ab welcher Konzentration Acrylamid ge-
fährlich ist, habe ich bereits mehrfach beantwortet. Ich
will es noch einmal versuchen:

Wir verfügen noch nicht über eine abschließend valide
Datenbasis darüber, ab wann er gefährlich ist. Wir sind
uns nicht hundertprozentig sicher, ob Acrylamid erst ab
einem Schwellenwert gefährlich ist oder ob schon bei ei-
ner geringsten Konzentration eine Krebs erregende und
erbgutschädigende Wirkung gegeben ist. Es gibt Wissen-
schaftler, die das behaupten und die Vergleiche zu Stoffen
wie 3,4-Benzpyren ziehen. Aufgrund der mir heute vor-
liegenden Datenlage bin ich mir aber nicht so sicher, dass
ich es Ihnen verbindlich sagen könnte. Das ist der Grund,
weshalb wir intensiv daran forschen.

Unabhängig davon gebietet es der vorsorgende Ver-
braucherschutz, dass wir schon jetzt tätig werden und ver-
suchen, diesen Stoff, der im Essen nichts zu suchen hat,
zu eliminieren. Dass er gefährlich ist, steht außer Frage,
auch wenn man den genauen Grenzwert noch nicht er-
mittelt hat.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500912300

Damit kommen wir zur Frage 14 der Kollegin Julia

Klöckner:
Wie ist der seinerzeit vom Bundesamt für gesundheitlichen

Verbraucherschutz und Veterinärmedizin vorgeschlagene Ak-
tionswert von 1 000 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm wis-
senschaftlich begründet und welche Maßnahmen sind bei Über-
schreitung dieses Wertes vorgesehen?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500912400


Frau Klöckner, im Grunde kann ich bei der Beantwor-
tung der Frage 14 direkt an die Antwort zur eben gestell-
ten Frage anschließen. Man kann sicher davon ausgehen,
dass der ursprüngliche Aktionswert von 1 000 Mikro-
gramm Acrylamid pro Kilogramm – diesen haben wir dort
gesetzt – unerwünscht ist.

Man hätte ihn vielleicht etwas niedriger setzen können.
Darüber, welcher Wert zunächst angesetzt wird, lassen
wir unsere Experten wie immer unabhängig entscheiden.
Aufgrund der Minimierungsstrategie und der Daten, die
uns heute vorliegen, wissen wir, dass wir auch bei den be-
sonders belasteten Produktgruppen deutlich unter diese
1 000 Mikrogramm pro Kilogramm kommen werden, so-
dass im Laufe der nächsten Monate auch darüber zu reden
sein wird, inwieweit dieser Aktionswert von 1 000 Mi-
krogramm pro Kilogramm überhaupt noch Bestand hat.

Wir sind aber aufgrund der eben genannten Daten nicht
in Aktionismus verfallen und haben nicht irgendeinen
Wert Pi mal Daumen halbiert. Um das Prinzip des Mini-
mierungsprogramms noch einmal zu erörtern: Bei einer
Produktgruppe, in der der höchste Wert bei 500 Mikro-
gramm liegt, müssen wir dafür sorgen, dass dieser Wert
abgesenkt wird. Wir gehen an jedes Produkt mit der Ziel-
setzung der Absenkung heran. Es mag Produktgruppen
mit einem Signalwert von 800 Mikrogramm geben. Bei
anderen mag er deutlich niedriger liegen. Wir wollen bei


(A)



(B)



(C)



(D)


490


(A)



(B)



(C)



(D)






allen Produktgruppen die Werte absenken. Das Prinzip ist
eben, so wenig Acrylamid wie möglich auf den Tisch
kommen zu lassen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500912500

Eine Zusatzfrage, Frau Klöckner.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1500912600

Herr Staatssekretär, was geschieht mit den Lebensmit-

teln, deren Wert signifikant über dem Signalwert liegt?
Ich denke, sie werden aus dem Handel genommen. Sie
werden hoffentlich nicht zu Tierfutter verarbeitet.

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500912700


Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass man diese Produkte
nicht zu Tierfutter weiterverarbeiten kann. Das wird in der
Regel aber nicht passieren. Wir sind jetzt darüber in der
Auseinandersetzung mit der Wirtschaft. Einzelne Pro-
dukte, die sehr hohe Werte aufwiesen, sind inzwischen
aus den Regalen verschwunden.

Insgesamt glaube ich, dass wir gemeinsam mit der
Wirtschaft die unangenehmen Entscheidungen – dafür
brauche ich die Rückendeckung des Parlaments – durch-
setzen müssen. Das heißt, Herstellern, deren Produkte ei-
nen zu hohen Wert aufweisen, muss dann, wenn sie es
nicht freiwillig tun wollen, gesagt werden: Das Produkt
muss vom Markt genommen werden. Dies muss auch
dann geschehen, solange wir noch keine Konzentration
festgesetzt haben, ab der Acrylamid gefährlich ist. Einige
Hersteller könnten darauf pochen, ihre Produkte, solange
noch keine Grenzwerte festgelegt sind, weiter verkaufen
zu können. Wir überprüfen die rechtliche Handhabe. Wir
glauben, gemeinsam mit den Ländern – das haben wir
heute im Ausschuss erörtert – eine rechtliche Handhabe
zu besitzen, um diese Unternehmen im Zweifel zu zwin-
gen, diese Produkte aus den Regalen zu nehmen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500912800

Eine weitere Zusatzfrage.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1500912900

Ich habe noch eine Zusatzfrage zum Verbraucher-

schutz bzw. zur Aufklärung. Sie sagten: Solange die Pro-
dukte im Handel sind, dürfen die Hersteller nicht genannt
werden. Wenn sich aber jemand konkret an Sie wendet
und wissen möchte, ob das Produkt, das er zu Hause hat,
gefährlich ist, und zwar nicht öffentlich, sondern über
das Forum Ihrer viel genannten Website www.was-wir-
essen.de – Voraussetzung ist, dass man sie findet –, ant-
worten Sie dann oder lassen Sie diesen Menschen mit sei-
nem Problem alleine?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500913000


Ich empfehle den Verbrauchern, sich direkt an die Her-
steller zu wenden.


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: An welche?)

Die Hersteller selber sind nicht verpflichtet, die ge-
wünschte Auskunft zu geben. Aber ich denke, im Sinne ei-
ner verbraucherorientierten Marktwirtschaft sind die Her-
steller gut beraten, dies zu tun. Darüber hinaus gibt es eine
Reihe von Veröffentlichungen. Wir können in einem sol-
chen Forum für die Hausfrauen der Bundesrepublik das
Verbraucherinformationsgesetz nicht durch die Hintertür
einführen, weil sich sonst das komplette journalistische
Corps in Berlin als Hausfrau tarnen würde, um sich diese
Informationen zu besorgen.


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sie bieten es aber doch an!)


Wir hätten dann wieder den juristischen Ärger.
Ich sage es noch einmal: Die einfachste Lösung des

Problems wäre es – das können wir sehr schnell machen –,
wenn wir, Opposition und Regierung, uns darauf einigen,
in den nächsten Monaten ein Verbraucherinformations-
gesetz in Bundestag und Bundesrat zu verabschieden.
Dieses Verbraucherinformationsgesetz würde uns das Le-
ben bei diesen und bei kommenden Problemen leichter
machen.

Warum sage ich „kommende Probleme“?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich habe „kommende Probleme“ deshalb gesagt, weil die
EU in den nächsten Jahren die Altwirkstoffe im Chemi-
kalienbereich überprüfen wird. Ohne Kenntnis über ein-
zelne Altwirkstoffe zu haben, mit denen wir heute schon
Probleme haben, gehe ich davon aus, dass die eine oder
andere Chemikalie, die wir bisher als eher unbedenklich
angesehen haben und die sich in Lebensmitteln oder Kin-
derspielzeug findet, doch bedenklich ist. Je mehr Infor-
mationsmöglichkeiten wir haben, desto schneller können
diese Missstände beseitigt werden, weil weder die Unter-
nehmen noch die Verwaltung noch sonst irgendjemand
ein Interesse daran haben kann, dass solche Produkte wei-
terhin am Markt käuflich erhältlich sind.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500913100

Kollegin Connemann.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1500913200

Finden Sie Ihre Reaktion, den Verbraucher in diesen

Fällen an den Hersteller zu verweisen, vor dem Hinter-
grund angemessen, dass zum Beispiel die Ministerin für
diesen Bereich beim kleinsten Verdacht auf Vorliegen von
Hormonen in Milch oder Fleisch, der sich hinterher nicht
bestätigt hat, sofort öffentlich dazu aufgerufen hat, be-
sagte Lebensmittel zu boykottieren?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500913300


Parl. Staatssekretär Matthias Berninger




Parl. Staatssekretär Matthias Berninger

Zunächst einmal, Frau Kollegin, hat sie das so nicht ge-
tan, um den Ausgangspunkt Ihrer Frage deutlich zu ver-
neinen. Richtig ist, dass wir im Zusammenhang mit den
fortwährenden Problemen im Futtermittelbereich darauf
hingewiesen haben, dass es nicht so weitergehen kann und
dass schärfere Regelungen nötig sind, wie wir sie im Ko-
alitionsvertrag vereinbart haben. Wir werden Ihnen diese
Regelungen demnächst vorstellen und sie – hoffentlich
mit Ihrer Unterstützung – auch möglichst schnell umsetzen.

Ich bin, dass wir uns nicht missverstehen, mit diesem
Zustand nicht glücklich. Ich würde liebend gerne über den
einen oder anderen Hersteller das Verbraucherinteresse an
Information erfüllen. Ich hätte Ihnen heute Morgen im
Ausschuss viel dazu vortragen können. Aber Sie haben
uns mit Ihrer Gestaltungsmehrheit im Bundesrat in dieser
Frage die Hände gebunden. Deswegen würde ich, wenn
ich dies dürfte, Herr Präsident, mit einer Gegenfrage ant-
worten. Ich gehe allerdings davon aus, dass Sie wissen,
welche Gegenfrage ich meine.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500913400

Sie dürfen keine Fragen stellen, sondern nur Fragen be-

antworten.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Oppositionsbefragung! Man findet etwas heraus! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Deswegen bitte ich jetzt den Kollegen Hartwig Fischer,
seine Zusatzfrage zu stellen.


Hartwig Fischer (CDU):
Rede ID: ID1500913500

Herr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500913600
Vor welchem Fall bzw. vor wel-
chem Grenzwert soll denn der Hersteller warnen?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500913700


Die Minimierungsstrategie hat einen wesentlichen
Vorteil: Wir bekommen einen Gesamtüberblick über die
Werte, die zum Beispiel bei dem Produkt Knäckebrot be-
stehen, und die Varianz, das heißt über die Frage, wo die
Werte besonders hoch und wo sie besonders niedrig sind.
Auch die Hersteller bekommen diesen Überblick und
können ihrerseits die Verbraucher entsprechend infor-
mieren.

Ich gehe im Übrigen davon aus, dass diejenigen Un-
ternehmer, deren Produkte besonders niedrige Werte auf-
weisen, Maßnahmen ergreifen werden, um die Verbrau-
cher darüber zu informieren. Ich gehe aber nicht davon
aus, dass sich für diejenigen, bei denen es Probleme gibt,
die Strategie empfiehlt, die Probleme zu verheimlichen.
Insofern gehe ich davon aus, dass Verbraucher, die sich an
die Unternehmen wenden, von den Unternehmen, die ver-
antwortungsvoll mit dieser Frage umgehen, die entspre-
chenden Informationen bekommen werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500913800

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Carstensen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1500913900

Herr Staatssekretär, Ihnen ist sicherlich bekannt, dass

die Sendung „plusminus“ im Internet Hersteller, von de-
nen Lebensmittelproben im NAFU-Labor auf Acrylamid
untersucht worden sind, genannt und die Ergebnisse der
Analysen aufgeführt hat. Ihnen ist sicherlich auch be-
kannt, dass darunter auch verschiedene ausländische
Firmen sind. Können Sie bestätigen, dass nach dem von
Ihnen vorgelegten Verbraucherinformationsgesetz den
Verbrauchern zum Beispiel keine Informationen über die
im Ausland hergestellten Produkte hätten gegeben werden
können, die bei uns auf den Markt kommen?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500914000


Das kann ich überhaupt nicht bestätigen, weil alle In-
formationen, die den Behörden bzw. uns vorliegen, in den
Geltungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes
fallen. Dazu gehören auch Informationen über auslän-
dische Hersteller. Das heißt, wenn eine Behörde – zum
Beispiel das Bundesamt für Verbraucherschutz und Le-
bensmittelsicherheit – über eine Information verfügt,
wäre sie nach dem Verbraucherinformationsgesetz in der
Lage, als Servicedienstleistung den Verbrauchern diese
Information in angemessener Form zur Verfügung zu
stellen. Auch hierbei gilt der zeitliche Vorlauf, mit dem
zunächst dem Unternehmen selbst die Möglichkeit ein-
geräumt wird, diese Information weiterzugeben, was sich
in der Regel als der bessere Weg herausgestellt hat. Im Zu-
sammenhang mit der Nitrofen-Belastung von Lebensmit-
teln haben wir die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen,
die versuchen, ein Problem mit stillen Rückrufaktionen zu
lösen, mit dieser Verfahrensweise auf Dauer nicht beson-
ders glücklich sind, weil sie zu Recht das Misstrauen des
Verbrauchers nach sich zieht.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Allein das wäre schon ein Grund, dem Gesetz zuzustimmen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500914100

Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Julia Klöckner auf.

Sind die ermittelten Acrylamid-Belastungen angesichts un-
terschiedlicher Analysemethoden – insbesondere unter Berück-
sichtigung unterschiedlicher Lösungsmittel – zwischen den Bun-
desländern vergleichbar, und wenn nicht, ab wann wird die
Analysemethodik standardisiert sein?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500914200


Frau Kollegin, ich habe diese Frage bereits vorhin auf
Nachfrage eines Kollegen beantwortet. Es gibt eine Reihe
von Analysemethoden, die sich zwar in der Methodik,
aber nicht in der Validität der Aussagen unterscheiden.


(A)



(B)



(C)



(D)


492


(A)



(B)



(C)



(D)






Das heißt, es gibt ein ganzes Spektrum von Labors, die
wir einsetzen können. Das ist die Voraussetzung für eine
erfolgreiche Minimierungsstrategie.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500914300

Eine Zusatzfrage von Frau Klöckner, bitte schön.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1500914400

Herr Staatssekretär, vielleicht liegt es daran, dass ich

noch nicht die entsprechende Parlamentserfahrung habe,
um die Antworten zwischen den Zeilen zu verstehen. Sie
haben mir vorhin keine klare Antwort auf die Frage gege-
ben, was mit den Produkten geschieht, die als signifikant
gefährlich erkannt wurden. Können Sie wirklich garantie-
ren, dass sie nicht in irgendeinem Kreislauf wieder auf-
tauchen? Wird darüber Rechenschaft abgelegt und wer-
den die Angaben überprüft?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500914500


Ich kann Ihnen zu der Frage, wie mit einem Produkt
vorgegangen wird, das aus dem Regal genommen wird, in
dieser Fragestunde keine konkrete Antwort geben, weil
mir der Überblick über all diese Verfahren fehlt.


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist ungünstig!)


Sie bemerken sicherlich, dass ich sehr auskunftsfreudig
bin, und ich würde Ihnen auch diese Frage beantworten.
Ich habe diese Informationen nicht. Zurückgerufene Le-
bensmittel können aber sicherlich nicht Bestandteil von
Futtermitteln sein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500914600

Weitere Zusatzfrage, bitte.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1500914700

Gerade Jugendliche oder auch Kinder – das haben wir

vorhin schon kurz angesprochen – sind gefährdet, weil sie
etwa Chips oder Pommes frites präferiert konsumieren.
Haben Sie ein besonderes Konzept oder eine so genannte
Task Force – von so etwas wird ja gerne gesprochen –, um
gerade an Schulen oder auch an Kindergärten Aufklärung
zu leisten?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500914800


In der Tat ist „Kinder und Ernährung“ einer der
Schwerpunkte unserer Arbeit. Es gibt eine ganze Reihe
von Maßnahmen im Bereich der allgemeinen Ernäh-
rungsaufklärung. Ich möchte in diesem Zusammenhang
an Folgendes erinnern: Allein der Umstand, dass etwa
40 Prozent aller 10-Jährigen in Deutschland adipös, das
heißt zu Deutsch: zu fett, sind, ist Anlass zur Sorge. Selbst
die gesunden Lebensmittel nehmen die Kinder also häu-

fig in einer Art und Weise zu sich, die nicht besonders ge-
sund ist. Insofern müssen wir über die Werbung zu Pro-
dukten und auch über Verzehrgewohnheiten reden.

Es gibt aber auch eine Reihe von Chancen. Etwa im
Zusammenhang mit der Schaffung von Ganztagsschulen
können wir mit für eine ausgewogene Ernährung der Kin-
der sorgen.

In diesem speziellen Fall war eine unserer ersten Maß-
nahmen, eine besondere Verzehrstudie in Auftrag zu ge-
ben, die die vorgenannten Produkte und die entsprechen-
den Konsumgewohnheiten der Kinder zum Inhalt hat.
Klares Ziel ist natürlich, besondere Tipps und Hand-
lungsweisen für Kinder und Jugendliche zu erarbeiten, die
wir dann in geeigneter Form den Kindern und Jugendli-
chen, aber natürlich auch deren Eltern nahe bringen wol-
len. Aufgrund eigener Erfahrungen mache ich mir da aber
überhaupt keine Illusionen. Überzeugen Sie einmal ein
Kind davon, an einer Pommesbude vorbeizugehen! Das
ist nicht sonderlich leicht.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500914900

Kollege Heiderich, noch eine weitere Frage dazu.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1500915000

Herr Staatssekretär, noch einmal zu der Behandlung

der eventuell gefährdenden Lebensmittel. Sie haben vor-
hin mehrfach deutlich gemacht, dass die Gefährdung im
Wesentlichen davon abhängt, wie man diese Lebensmit-
tel behandelt. Dabei haben Sie durchaus haushaltstechni-
sche Kenntnisse offenbart, nämlich darüber, wie man das
in der Bratpfanne oder in der Friteuse oder wie auch im-
mer behandelt. Gibt es irgendeine besondere Form der
Behandlung oder Entsorgung von Lebensmitteln, die auf
diese Weise entstanden sind? Wie soll dieses Problem
gelöst werden?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500915100


Wir haben es hier zum Glück nicht mit einem akut le-
bensgefährdenden Vorgang zu tun. Die Acrylamid-Kon-
zentrationen, von denen wir hier reden, die beim Braten
einer Bratkartoffel entstehen, sind sicherlich gesundheits-
gefährdend, aber damit sind die Bratkartoffeln noch kein
Sondermüll.

Generell ist unser Ziel, möglichst praktische Hinweise
zu geben. Dabei ist es wichtig, dies in einer Art und Weise
zu tun, dass die breite Öffentlichkeit informiert ist. Ich
habe ein paar praktische Hinweise genannt. Ich glaube
auch, dass diejenigen, die Backöfen oder Friteusen her-
stellen, sehr gute Partner sein können, wenn es darum
geht, solche Informationen zur Verfügung zu stellen. Auf
den Verpackungen könnten die Rezepte geändert werden,
beispielsweise in der Hinsicht, dass man für die Zuberei-
tung von Pommes frites im Backofen nicht zu hohe Tem-
peraturen wählt.

Ein ganz wichtiger Punkt scheint auch zu sein, dafür
Sorge zu tragen, dass solche Rohstoffe, die besonders viel

Parl. Staatssekretär Matthias Berninger




Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
Acrylamid erzeugende Ausgangsbestandteile haben, bei
der industriellen Fertigung nicht mehr präferiert werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500915200

Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Peter Bleser auf:

Liegen über die im „Acrylamidforum“ der Internetseiten
„www.was-wir-essen.de“ zum Acrylamid-Gehalt von Zwieback-
proben und Butterkeksen wiedergegebenen Informationen hinaus
weitere Daten für betroffene Produkte vor?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500915300


Herr Kollege Bleser, wir haben anonymisierte Daten
an verschiedenen Stellen bereitgestellt. Daten über das
Spektrum der Belastung von Produkten können wir
in anonymisierter Form bereitstellen. Leider können wir
nicht Ross und Reiter nennen. Infolgedessen liegen Da-
ten über die auf den von Ihnen genannten und sehr zu
empfehlenden Internetseiten, zum Beispiel „www.was-
wir-essen.de“, gegebenen Informationen hinaus nicht
vor.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500915400

Eine Zusatzfrage.


Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1500915500

Herr Staatssekretär, welche Maßnahmen wollen Sie er-

greifen, um die Bevölkerung darüber zu informieren, wel-
che Acrylamid minimierenden Zubereitungsmethoden es
gibt? Welche Haushaltsmittel und in welcher Größenord-
nung wollen Sie hierfür zur Verfügung stellen? Sind Sie
bereit, dafür aus den 25 Millionen Euro, die Sie im Haus-
halt für die Verbreitung ökologisch erzeugter Nahrungs-
mittel einsetzen wollen, umzuschichten?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500915600


Herr Kollege, sobald wir aufgrund der Datenlage eine
solide Information über das Ausmaß des Problems ha-
ben, werden wir die Öffentlichkeit in angemessener
Form informieren und auch entsprechende Mittel zur
Verfügung stellen. Ich gehe aber davon aus, dass wir das
nicht allein machen können, sondern dass hierbei insbe-
sondere auch die Wirtschaft mit in der Verantwortung
ist, um das Thema breit bekannt zu machen. Wir geben
etwa 3 Cent pro Person und Jahr für Informationen im
Lebensmittelbereich aus, während 13,50 Euro pro Per-
son und Jahr in die Werbung für Lebensmittel fließen.
Wir werden in der Wirtschaft sicherlich eine Reihe von
verantwortungsbewussten Partnern finden, die an einer
sachlichen Information der Verbraucher ebenfalls ein In-
teresse haben.

Es ist jetzt zu früh, darüber zu spekulieren, wie wir die-
ses Vorhaben finanzieren; aber eines kann ich Ihnen ver-
sichern: Wir werden sicherlich nicht diejenigen Mittel

antasten, die dazu dienen, über den Ökolandbau zu infor-
mieren. Um dafür Mittel aufzubringen, werden wir auf
andere schöne Haushaltstitel zurückgreifen, worüber Sie
sich dann allerdings ärgern werden. Insofern freue ich
mich schon auf die dann folgende Diskussion.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500915700

Herr Kollege Bleser, möchten Sie eine weitere Zusatz-

frage stellen? – Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Bleser auf:

Wie viele Unternehmen und wie viele Produkte sind von
Acrylamid betroffen?

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500915800


Ich habe ganz am Anfang gesagt, dass Pommes frites,
Chips, Knäckebrot, Toastbrot, Weihnachtsgebäck, Ge-
bäck aller Art, zu Hause zubereitete Waren aus Rohstof-
fen wie Kartoffeln und alles Mögliche einen hohen
Acrylamidgehalt haben können. Daraus folgt, dass wir
mit einem großen Teil der Unternehmen des Lebensmit-
telsektors im Dialog zu stehen haben und dass sehr viele
Unternehmen dazu bereit sein müssen, sich zu verän-
dern.

Ich bin nicht in der Lage, Ihnen heute hier die Zahl der
betroffenen Unternehmen zu nennen. Wir wollen mit un-
serem Konzept möglichst viele Unternehmen untersu-
chen, um so sichere branchenspezifische Daten darüber
zu erhalten, wo die höchsten und wo die geringsten Kon-
zentrationen von Acrylamid sind. Wir haben die betroffe-
nen Produkte in weit über 60 Gruppen unterteilt. Anhand
dieses Hinweises kann man sich, salopp gesagt, zusam-
menreimen, wie groß die Anzahl der betroffenen Produkte
sein wird. Wie gravierend dieses Problem für die Ver-
braucher allein von der Menge her ist, ist auch aus diesem
Spektrum ersichtlich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500915900

Herr Bleser, möchten Sie eine Zusatzfrage stellen?


Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1500916000

Ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500916100

Bitte schön.


Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1500916200

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, dass die Bun-

desregierung diejenigen, die Lebensmittel industriell her-
stellen, anders behandelt als diejenigen, die Lebensmittel
landwirtschaftlich herstellen?


(A)



(B)



(C)



(D)


494


(A)



(B)



(C)



(D)






Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500916300


Nein.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500916400

Der Herr Kollege Carstensen möchte eine weitere Zu-

satzfrage stellen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1500916500

Das ist eine ganz wichtige Frage. Die Bundesverbrau-

cherschutzministerin hat den Ausschuss für den 4. Dezem-
ber zu einem Weihnachtsessen eingeladen. Herr Staatsse-
kretär, können Sie uns sagen, was es da zu essen gibt?


(Heiterkeit)


Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500916600


Herr Carstensen, wir sollten es nicht zu laut sagen: wie
immer viel und „bio“, natürlich.


(Heiterkeit)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500916700

Nach dieser Fragestunde sind Sie nur dann auf der

sicheren Seite, wenn Sie ganz aufs Essen verzichten.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-

ministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung. Zur
Beantwortung stehen zunächst einmal der Parlamentari-
sche Staatssekretär Franz Thönnes und später die Parla-
mentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk zur
Verfügung.

Die Fragen 18, 19 und 20 werden schriftlich beant-
wortet.

Wir kommen zur Frage 21 des Kollegen Albrecht
Feibel:

In welcher Weise und in welchem Zeitraum beabsichtigt die
Bundesregierung, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
dazu anzuhalten, die gesetzlich vorgeschriebene Veräußerung der
Gemeinnützigen Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstät-
ten, GAGFAH, umzusetzen?

Herr Staatssekretär, bitte schön.

F
Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1500916800


Herr Kollege Feibel, zunächst ist darauf hinzuweisen,
dass gemäß § 293 Abs. 4 SGB VI die Erfüllung der ge-
setzlichen Veräußerungspflicht vorrangig von der Bun-
desversicherungsanstalt für Angestellte zu bewirken ist.
Insbesondere im Interesse der Beitragszahler beinhaltet
der Gesetzesauftrag die Forderung, den Verkauf wirt-

schaftlich zu gestalten. Ein Veräußerungsverfahren sollte
nur dann eingeleitet werden, wenn wirtschaftlich ange-
messene Rahmenbedingungen auf den Immobilienmärk-
ten zu erwarten sind.

Vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel in den Ländern
Nordrhein-Westfalen und Berlin – dort befinden sich zwei
Drittel der GAGFAH-Wohnungen, nach denen Sie fragen –
bereits große Wohnungsbestände auf dem Markt zum Ver-
kauf angeboten werden, hat der Vorstand der Bundesversi-
cherungsanstalt für Angestellte beschlossen, ein neutrales
Gutachten zur Analyse der Marktchancen einzuholen. Das
Gutachten soll die Ermittlung der wertbeeinflussenden
Faktoren und die sich daraus ableitenden Verwertungs-
chancen in einem neuen Bieterverfahren umfassen.

Das Gutachten wird nach Auskunft der Bundesversi-
cherungsanstalt für Angestellte in Kürze vorliegen. Erst
auf der Grundlage der Ergebnisse des Gutachtens kann
dann entschieden werden, ob die Einleitung eines neuen
Bieterverfahrens erfolgversprechend ist.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500916900

Eine Zusatzfrage, bitte schön.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1500917000

Welche Kriterien, Herr Staatssekretär, sind für Ihre

Feststellung ausschlaggebend, dass die Immobilien im-
mer mehr und nicht immer weniger wert werden? Eigent-
lich wurde schon im März dieses Jahres vom Bundes-
rechnungshof angemahnt, dafür Sorge zu tragen, dass
diese Immobilien veräußert werden.

F
Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1500917100


Herr Kollege Feibel, es hat im April dieses Jahres im
Haushaltsausschuss auf der Basis von Anträgen Ihrer
Fraktion und der Koalitionsfraktionen eine Diskussion
um den Verkauf der GAGFAH gegeben. Man hat sich ein-
vernehmlich darauf verständigt, dass die Bundesversiche-
rungsanstalt für Angestellte gebeten werden sollte,
schnellstmöglich wieder ein Bieterverfahren einzuleiten.
Man war sich auch darüber einig, dass man die vorhande-
nen Werte nicht einfach so auf dem Markt verkaufen
sollte, sondern dafür auch ein anständiger und vernünfti-
ger Gegenwert geboten werden müsste.

Ich habe in der Antwort auf Ihre Frage vorhin darzu-
stellen versucht, dass man natürlich auch die Marktbedin-
gungen in den jeweiligen Regionen einschätzen muss. Sie
wissen, wie sich die Marktbedingungen in Berlin und
Nordrhein-Westfalen insbesondere vor dem Hintergrund
von Wohnungsleerständen entwickelt haben. Derartige
Kriterien sollen jetzt von einem Dienstleistungsanbieter
abgefragt werden, der dann ein entsprechendes Gutachten
als Voraussetzung für ein vernünftiges Bieterverfahren
der BfA vorlegen wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500917200

Weitere Zusatzfrage? – Bitte.






Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1500917300

Angesichts der demographischen Entwicklung wird

sich die Situation wahrscheinlich nicht, wie Sie es erwar-
ten, bessern, sondern eher verschlechtern. Glauben Sie,
dass Sie trotzdem noch weiter zuwarten können? Immer-
hin sollten die Immobilien gemäß der Forderung des Bun-
desrechnungshofes schon im März neu ausgeschrieben
werden. Jetzt haben Sie zugewartet und es ist schon No-
vember; es sind also acht Monate ins Land gegangen.
Glauben Sie, dass ein weiteres Zuwarten die Lage ver-
bessert? Oder sind Sie nicht vielmehr mit mir der Mei-
nung, dass sich die Erlössituation eher verschlechtern
wird?

F
Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1500917400


Ich teile Ihre pessimistische Sichtweise nicht. Viel-
mehr richte ich mein Augenmerk darauf, dass der Haus-
haltsausschuss im April – Sie sprechen immer von März –
beschlossen hat, den Bericht des Bundesrechnungshofes
zur Kenntnis zu nehmen und die Bundesregierung und die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aufzufordern,
ihrer gesetzlichen Pflicht zur Veräußerung der GAGFAH
nachzukommen, die Vorbereitungen für ein neues Bieter-
verfahren zu treffen und – das war der dritte Punkt – dazu
Stellung zu nehmen, ob eine Erhöhung der Bruttodivi-
dende möglich ist.

Im April ist also dieser Auftrag erfolgt; im August hat
die BfA den Auftrag an einen Dienstleister gegeben, ein
Gutachten als Basis für die Ausschreibung zu erstellen,
und in Kürze – ich gehe von Ende des Jahres aus – wird
dieses, wie ich Ihnen gerade gesagt habe, vorliegen. Da-
nach kann man zu den Kriterien Stellung nehmen und auf
dieser Basis Einschätzungen vornehmen. Wir sehen das
zurzeit nicht so negativ wie Sie und wollen erst einmal ab-
warten, was im Gutachten stehen wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500917500

Wir kommen damit zur Frage 22 des Kollegen Feibel:

Um welchen Prozentsatz niedriger könnte die Anhebung der
Beiträge für die Rentenversicherung ausfallen, wenn die Bundes-
versicherungsanstalt für Angestellte die GAGFAH veräußert und
damit der gutachterlich festgestellte Ertragswert von rund 3,2 Mil-
liarden DM – 1,7 Milliarden Euro – realisiert wird und zur Entlas-
tung dieses Sozialversicherungsträgers beiträgt?

F
Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1500917600


Die Veräußerung der GAGFAH zu einem gutachterlich
festgestellten Ertragswert von 1,6 Milliarden Euro hätte
keine Auswirkung auf den Beitragssatz der Rentenversi-
cherung, da der Wert der Gesellschaft bereits in der
Schwankungsreserve enthalten ist und damit bei der Be-
rechnung des Beitragssatzes berücksichtigt wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500917700

Bitte schön.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1500917800

Der Bundesrechnungshof geht nicht davon aus, dass

dieser Wert in die Schwankungsreserve Eingang gefun-
den hat. Sie müssten mir Ihre Information schon näher er-
läutern und begründen, woraus Sie dies folgern.

F
Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1500917900


Der Wert der GAGFAH ist in der Schwankungsreserve,
die sich in einen liquiden und einen nicht liquiden Teil
aufgliedert, enthalten. Wir haben gestern eine sehr um-
fangreiche Anhörung im Ausschuss für Gesundheit und
soziale Sicherung des Deutschen Bundestages gehabt, in
der wir uns mit den Vorhaben der Bundesregierung zur
Änderung und zur Stabilisierung der Rentenbeitragssätze
befasst haben. Mir ist ausdrücklich von den Sachverstän-
digen, aber auch von der BfAund vom Verband Deutscher
Rentenversicherungsträger bestätigt worden, dass dieser
Komplex in der Schwankungsreserve enthalten ist.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500918000

Zweite Zusatzfrage, bitte.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1500918100

Wenn der Erlös dieser Veräußerung der BfA zugeführt

würde, in welchem Umfang hätte dann – auch das war Be-
standteil der Frage – auf eine Erhöhung des Rentenbeitrages
verzichtet werden können? Können Sie dazu etwas sagen?


(Erika Lotz [SPD]: Hat der Blüm doch schon einmal versucht! Ging aber nicht!)


F
Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1500918200


Ich habe gerade deutlich gemacht, dass, wenn die
GAGFAH zu dem Wert, zu dem sie zurzeit in der Liqui-
ditätsreserve enthalten ist, verkauft werden würde, dies
keine Auswirkungen auf den Beitragssatz hätte, den wir
nun neu festlegen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500918300

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Frage 23 soll schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 24 des Abgeordneten Detlef

Parr, FDP:
Wie steht die Bundesregierung dazu, den Besitz von

10 Gramm Cannabis freizustellen, während die Berliner Justizse-
natorin Karin Schubert in der „Berliner Morgenpost“ vom 6. No-
vember 2002 15 Gramm vorschlägt, und auf welchen
wissenschaftlichen oder anderen Grundlagen stehen diese unter-
schiedlichen Bewertungen?

Frau Kollegin Caspers-Merk steht zur Beantwortung
zur Verfügung.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1500918400



(A)



(B)



(C)



(D)


496


(A)



(B)



(C)



(D)






Herr Kollege Parr, die Bundesregierung beabsichtigt
nicht, den Besitz von 10 Gramm Cannabis freizustellen.
Ich habe als Drogenbeauftragte der Bundesregierung le-
diglich darauf hingewiesen, dass laut einer Studie, die das
Bundesgesundheitsministerium bereits im Jahre 1997 in
Auftrag gegeben hat, nach der gegenwärtigen Rechtspra-
xis die geringe Menge, die zu einer Einstellung des Ver-
fahrens geführt hat, im Durchschnitt in über 80 Prozent
der Fälle bei höchstens 6 Gramm und in mehr als 90 Pro-
zent der Fälle bei höchstens 10 Gramm liegt. Die Praxis
hat also gezeigt, dass sich das Ganze in der Größenord-
nung von 6 bis 10 Gramm einpendelt.

Dies sind aber Zahlen von 1997. Deswegen hat die
Bundesregierung in Abstimmung zwischen dem Bundes-
justizministerium und dem Bundesministerium für Ge-
sundheit und soziale Sicherung nun einen neuen Anlauf
genommen und noch für den November eine Abfrage bei
den Ländern dazu veranlasst, wie die jetzige Einstel-
lungspraxis aussieht und ob gegebenenfalls, wenn diese
Praxis sehr unterschiedlich sein sollte, Handlungsbedarf
besteht. Wir gehen davon aus, dass uns die Ergebnisse
spätestens im Oktober 2004 vorliegen werden. Es ist eine
sehr umfangreiche Studie, weil wir auch nach den Konse-
quenzen der strafrechtlichen Praxis für die Prävalenzzah-
len und für die aktuellen Konsumtrends unter Jugendli-
chen fragen. Mit dieser Studie ist das Max-Planck-Institut
für ausländisches und internationales Strafrecht in Frei-
burg beauftragt worden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1500918500

Zusatzfrage, Herr Kollege Parr.


Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1500918600

Frau Staatssekretärin, wie ich einem „Länderspiegel“-

Beitrag entnehmen konnte, gibt es jetzt Doppeltestgeräte,
mit denen man Drogenschnelltests durchführen kann.
Außer in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpom-
mern sind diese Geräte bundesweit im Einsatz. Sind Ihnen
Erfahrungen mit diesen Testgeräten und hinsichtlich des
damit verbundenen Umgangs mit den Ergebnissen be-
kannt? Wir sind uns einig in der Frage der bundeseinheit-
lichen Festlegung der Mengen, die eine einheitliche
Rechtsprechung ermöglicht.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1500918700


Herr Kollege Parr, Sie sprechen jetzt einen anderen
Sachverhalt an, nämlich die Fahrerlaubnis-Verordnung
und die Rechtspraxis beim Autofahren. Wir haben hier un-
terschiedliche Kontrolldichten bei den Landespolizeien.
Einige der Landespolizeien arbeiten mit diesen neuen
Testgeräten, mit denen man Drogentests auf sehr schnel-
lem Wege durchführen kann.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

Die Federführung in diesem Bereich liegt, soweit sie das
Thema Fahrerlaubnis-Verordnung betrifft, natürlich beim
Infrastruktur- und Verkehrsministerium, nicht bei uns. Ich
habe aber angeregt, dazu eine Expertenrunde einzuladen,
um sich die Sicherheit der neuen Drogenschnelltestmög-

lichkeiten darlegen zu lassen und vielleicht auch zu über-
legen, welche Konsequenzen diese für die Fahrerlaubnis-
Verordnung haben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500918800

Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege? – Bitte schön.


Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1500918900

Ich frage ergänzend, Frau Staatssekretärin, ob die Bun-

desregierung in Bezug auf den Einsatz der Testverfahren,
die jetzt möglich sind und in den Ländern offensichtlich, un-
terschiedlich intensiv, eingesetzt werden, beabsichtigt, mit
Blick auf die Vorbeugung etwas Druck zu machen. Denn ich
denke, wenn junge Leute wissen, dass, wenn sie in den Mor-
genstunden die Diskothek verlassen, ihr Ecstasy- oder
Cannabiskonsum sehr schnell durch die Polizei festgestellt
werden kann, kann dies eine abschreckende Wirkung haben.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1500919000


Herr Kollege Parr, ich bin sehr dankbar für diese Zu-
satzfrage, denn sie gibt mir Gelegenheit, darzulegen, dass
wir in dem Punkt Frühintervention und Aufklärung
viel machen. Es gibt ein Bundesmodellprojekt zur Früh-
intervention erstauffälliger Drogenkonsumenten – FRED
heißt das abgekürzt –, in dem wir alle erfassen, die das
erste Mal mit Drogen in Kontakt kommen und bei der Po-
lizei auffällig werden. Wenn ermittelt wird und sich he-
rausstellt, dass es sich nur um eine geringe Menge Drogen
zum Eigenkonsum handelt, werden in aller Regel die Er-
mittlungen eingestellt.

In dieser Phase der Unsicherheit bieten wir speziell
diesen Jugendlichen ein Seminar an, in dem ein Gruppen-
gespräch geführt wird. Für uns ist sehr interessant, dass
diese Jugendlichen oft noch keine Risikodiskussionen ge-
führt haben. Das wird in der Gruppe nachgeholt. Erstens
wird sehr intensiv über das Thema Risiken im Straßen-
verkehr diskutiert. Zweitens wird über die Folgen des
Ecstasy-Konsums aufgeklärt. Sie wissen, dass es hier ein
großes Informationsdefizit gibt, weil viele meinen: Früher
habe ich eine Pille gegen Kopfschmerzen genommen,
heute nehme ich eine, um glücklich zu sein – was ist der
Unterschied, wo liegt das Risiko? Auch über die langfris-
tigen Folgen – es gibt ja neue Erkenntnisse zum Thema
Parkinson – wird geredet.

Über all diese Fragen wird also eine sehr intensive
Risikodebatte geführt. Acht Bundesländer haben sich an
diesem Modellprojekt beteiligt. Wir werden die Ergeb-
nisse dieses Projekts im Frühjahr nächsten Jahres auswer-
ten und dann gegebenenfalls überlegen, wie wir unsere
Präventionsanstrengungen verbessern können.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500919100

Zusatzfrage, Herr Kollege van Essen.


Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1500919200

Frau Staatssekretärin, ich habe mit Interesse gehört, dass

das Max-Planck-Institut in Freiburg beauftragt werden soll.

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk




Jörg van Essen
Vor dem Hintergrund, dass ein Gutachten zur Frage des
Abhörens von Telefonaten, das bei diesem Institut in Auf-
trag gegeben wurde, inzwischen mehrjährig verspätet ist,
frage ich, ob es nicht sinnvoll wäre, einen neuen Auftrag an
dieses Institut erst dann zu vergeben, wenn frühere Auf-
träge endlich erledigt sind? Die Bundesregierung und der
Rechtsausschuss warten nämlich dringend auf das Ergeb-
nis dieses früheren Gutachtens.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1500919300


Herr Kollege, Sie erwischen eine südbadische Abge-
ordnete bei dieser Frage natürlich voll. Ich kann Ihnen nur
zustimmen. Wir werden dafür Sorge tragen, dass das bei
diesem neuen Gutachten nicht passiert. Es handelt sich
um eine andere Fachabteilung, die diesmal das Gutachten
erstellt, die auch Vorerfahrungen hat. Diese Abteilung hat
bereits zwei Gutachten abgeliefert, zum Beispiel eine in-
ternationale Studie zu den neuen Drogenrouten, die sich
über den ganzen Bereich der ehemaligen Sowjetunion
entwickelt haben; beim Drogenkonsum in diesen südost-
europäischen Staaten haben sich ja neue Strukturen he-
rausgebildet. Mit den Ergebnissen dieser Studie waren wir
sehr zufrieden. Deswegen erfolgte vor diesem Hinter-
grund die Vergabe. Ich danke Ihnen aber für den Hinweis
und werde mich persönlich darum kümmern, dass die Er-
gebnisse rechtzeitig vorliegen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500919400

Weitere Fragen liegen hierzu nicht vor. Vielen Dank,

Frau Staatssekretärin.
Wir kommen als nächstes zum Geschäftsbereich des

Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Gleicke zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Grund auf:
Wann wird die Bundesregierung die Finanzierungsverein-

barung mit der Deutschen Bahn AG, DB AG, aktualisieren, in der
der Weiterbau der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“, hier Pro-
jekt 8.1 und 8.2 ICE-Trasse Nürnberg–Erfurt–Berlin, in Thürin-
gen festgeschrieben wird, und welche Maßnahmen können vor
dieser Unterzeichnung durchgeführt werden?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500919500


Herr Abgeordneter Grund, zum Projekt VDE 8.1 be-
steht eine Finanzierungsvereinbarung, auf deren Grund-
lage die weitergehenden Baumaßnahmen finanziert wer-
den können. Daher hat die Anpassung des Bauzeiten- und
Finanzierungsplanes an die verlängerte Bauzeit für die
Fortführung der Bauarbeiten keine Auswirkungen.

Zum VDE 8.2 wird derzeit eine Finanzierungsverein-
barung für den Abschnitt Gröbers–Erfurt erarbeitet. Mit
der Unterzeichnung der Vereinbarung ist im Jahre 2003 zu
rechnen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500919600

Zusatzfrage?


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1500919700

Zunächst, Frau Kollegin Gleicke, wünsche ich Ihnen

alles Gute für Ihre Aufgabe in Ihrem neuen Amt im Bun-
desministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.

Unser gemeinsames Heimatland Thüringen, in der
Mitte Deutschlands liegend, ist natürlich auf eine gute In-
frastruktur angewiesen. Die ICE-Trasse gehört mit dazu.
Ich entnehme Ihren Worten, dass die Bundesregierung
nicht beabsichtigt, wie 1998 leider geschehen, diese Maß-
nahme des Infrastrukturprojekts auf den Prüfstand zu stel-
len, sondern an einer zügigen Realisierung interessiert ist.
Was steht eigentlich dem Abschluss der Finanzierungs-
vereinbarung für das VDE-Projekt 8.2 im Wege? Ich frage
deshalb noch einmal nach, weil uns mehrfach in Aussicht
gestellt wurde, dass der Abschluss im Sommer, spätestens
aber im Oktober erfolgt. Gibt es hier Probleme seitens der
Deutschen Bahn AG oder der Bundesregierung? Woher
kommt die Verzögerung?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500919800


Die Verzögerung resultiert aus noch nicht abgeschlos-
senen Detailplanungen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500919900

Weitere Zusatzfrage.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1500920000

Ein Beschluss des Vorstandes der Deutschen Bahn AG,

der die Finanzierung der Projekte 8.1 und 8.2 betrifft, be-
inhaltet möglicherweise nicht mehr die flexible Disponie-
rung von Mitteln, wie sie bisher bei Infrastrukturprojek-
ten mit hoher Priorität zu finden waren. Kann es also sein,
dass die Beschlusslage der Deutschen Bahn AG Probleme
macht?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500920100


Ich will auf folgenden Punkt hinweisen: Für das Pro-
jekt 8.1 gibt es eine Finanzierungsvereinbarung. Sie muss
nur an die geänderten Zeitabläufe angepasst werden. Be-
zogen auf das Projekt 8.2 kann ich sagen, dass die Strecke
zwischen Leipzig und Gröbers im nächsten Jahr fertig ge-
stellt sein wird. Die Bahn arbeitet an einer Vereinbarung,
damit der Bau der Strecke zwischen Gröbers und Erfurt
sichergestellt ist. Nachdem der Bundeskanzler die Ent-
scheidung zum Weiterbau bekannt gegeben hat, betreibt
die Bahn selbstverständlich die Fortführung dieser Maß-
nahme.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500920200

Zusatzfrage, Frau Kollegin Blank.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1500920300

Frau Staatssekretärin, der Bundeskanzler hat zwar die

Zusage gegeben, dass die Trasse zwischen Nürnberg und


(A)



(B)



(C)



(D)


498


(A)



(B)



(C)



(D)






Erfurt gebaut wird. Könnte es aber nicht sein, dass die Fi-
nanzierungsvereinbarung noch weiter hinausgeschoben
wird? Es ist ja bekannt, dass die Grünen im Deutschen
Bundestag und auch die bayerische SPD dieses Projekt
nicht wollen. Dies ist vielleicht der Grund, warum das
Projekt immer weiter hinausgeschoben wird.

Da wir uns nicht weiter vertrösten lassen wollen, frage
ich Sie: Könnten Sie etwas mehr ins Detail gehen und uns
mitteilen, was die Verzögerung – ursprünglich war vom
Sommer und dann vom Oktober 2002 die Rede; nun spre-
chen Sie vom Jahr 2003 – hervorgerufen hat? Könnten Sie
eine detailliertere Auskunft geben, warum es diese wei-
tere Verzögerung gibt?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500920400


Frau Kollegin Blank, ich bitte Sie, zur Kenntnis zu neh-
men, dass es bei einem derartigen Bauvorhaben mit einer
nicht ganz unkomplizierten Topographie – Sie wissen,
dass die Strecke über ehemalige Bergbaugebiete und über
den Kammzug des Thüringer Waldes führt – zu Pla-
nungsverzögerungen kommen kann. Damit sind auch die
Schwierigkeiten der Bahn zu erklären, die Finanzierungs-
vereinbarung vollständig zu erarbeiten. Darin liegt der
Grund für die Verzögerung. Das bedeutet aber nicht – das
steht fest –, dass das Projekt nicht vorangetrieben und zu
Ende gebracht wird.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500920500

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.


Hartwig Fischer (CDU):
Rede ID: ID1500920600

Bestehen die Probleme in der Detailplanung aufgrund

technischer Schwierigkeiten, die von der DB AG zu ver-
antworten sind, oder aufgrund finanzieller Fragen, in de-
nen man sich mit der DB AG nicht einig ist?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500920700


Die Deutsche Bahn AG ist ein privates Unternehmen.
Das heißt, sie plant dieses Projekt in eigener Verantwor-
tung und beantragt beim Bund die Geldmittel. Der Bund
wird im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung die
Mittel auf Antrag der DB AG ordnen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500920800

Nächste Zusatzfrage, Frau Nolte, bitte.


Claudia Nolte (CDU):
Rede ID: ID1500920900

Frau Staatssekretärin, vor dem Hintergrund der Be-

merkungen von Mitgliedern der Koalitionsfraktionen ver-
stehen Sie sicherlich unsere Skepsis, was das Verkehrs-
projekt „Deutsche Einheit“ 8.2 anbelangt. Ich habe
deshalb die Bitte, dass Sie einmal konkret sagen, wann Sie
mit einer abschließenden Finanzierungsvereinbarung
rechnen. Könnte es sein, dass aufgrund der neuen Steuer-

schätzungen, die heute veröffentlicht wurden, wiederum
Verzögerungen mit längeren Zeitabläufen entstehen oder
dass die Fertigstellung des Projekts vielleicht auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500921000


Frau Kollegin Nolte, ich kann verstehen, dass Sie nach-
fragen. Noch im Herbst hatte ich die Information, dass die
Vereinbarung abgeschlossen werden kann. Ich gebe ehr-
lich zu, dass die Verzögerung nicht schön ist. Wir können
es aber im Moment nicht ändern. Diese Verzögerung wird
allerdings nicht dazu führen, dass es zu Verzögerungen
beim Baufortschritt kommt. Wie Sie wissen, ist mit dem
Bau der Strecke schon vorzeitig begonnen worden.


(Abg. Claudia Nolte [CDU/CSU] meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500921100

Man kann nur eine Zusatzfrage stellen, wenn man nicht

selber eine Frage eingereicht hat.

(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Das war keine Beantwortung! Ich wollte den Zeitpunkt hören!)


– Es liegt in der Kunst nicht nur der Fragestellung, son-
dern auch der Beantwortung, das so oder so zu handha-
ben. Ich will mich möglichst eng an die Bestimmungen
unserer Geschäftsordnung halten. Bei der nächsten Frage
gibt es ja neue Möglichkeiten.

Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Manfred Grund auf,
die sich erkennbar dem gleichen Gegenstand widmet:

An welchen Streckenabschnitten der oben beschriebenen Ver-
kehrsprojekte wird zurzeit gearbeitet und wann rechnet die Bun-
desregierung mit der Inbetriebnahme des durchgängigen Ver-
kehrs?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500921200


Herr Abgeordneter Grund, beim Verkehrsprojekt
„Deutsche Einheit“ 8.1 wurde vor kurzem mit den Bauar-
beiten zur Westeinfahrt Erfurt begonnen. Beim VDE 8.2
ist, wie ich schon erwähnt hatte, der Abschnitt Leip-
zig–Gröbers kurz vor der Fertigstellung. Nach den aktu-
ellen Einschätzungen soll eine durchgängige Realisierung
bis 2015 erfolgen. Soweit möglich, wird seitens des Bun-
des eine frühere Fertigstellung angestrebt, was jedoch
vom erreichbaren Baufortschritt abhängt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500921300

Herr Kollege Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1500921400

Frau Staatssekretärin, bis 2015 ist ein langer Zeitraum.

Es war schon einmal 2012 im Gespräch; auch das ist weit
hin. Unsere Lebensentwürfe sind endlich. Sie werden

Renate Blank




Manfred Grund
verstehen, dass wir darauf drängen, dass diese Maßnahme,
die für die Infrastruktur Thüringens wichtig ist, möglichst
zügig abgearbeitet wird.

Wenn ich Sie richtig verstehe, ist beim VDE-Projekt
8.1 sowohl das Baurecht gegeben als auch eine gültige Fi-
nanzierungsvereinbarung getroffen worden, sodass an
diesem Abschnitt bis zur Westeinfahrt am Bahnhof Erfurt
zügig gebaut werden könnte. Der gesamte Baufortgang
der letzten vier Jahre ist nur eine Abarbeitung dessen ge-
wesen, was bis 1998 begonnen worden ist. Es ist nichts
Neues hinzugekommen. Warum wird am Abschnitt 8.1,
für den zum einen Baurecht besteht und dessen Finanzie-
rung zum anderen geklärt ist, nicht zügig weitergearbeitet?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500921500


Herr Abgeordneter Grund, es wird, wie Sie wissen, am
Abschnitt 8.1 gebaut. Seit dem 16. April 1996 wird der
Abschnitt Erfurt–Ilmenau – das ist entlang der Bünde-
lungstrasse – gebaut. Die Fertigstellung ist bis 2006
geplant. Es gibt außerdem Maßnahmen im Abschnitt
Ilmenau–Ebensfeld, die besonders dringlich sind – Sie
sprachen das an – und wofür Baurecht besteht. Hier wird
zügig weitergeplant, damit das Baurecht erhalten bleibt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500921600

Weitere Zusatzfrage?


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1500921700

Eine Nachfrage hätte ich noch; denn ich würde gern ei-

nen Vergleich zu der ICE-Trasse ziehen, die zwischen
Frankfurt und Köln gebaut worden ist. Diese Strecke ist
bei einer Verdoppelung der Baukosten zügig gebaut wor-
den. Ausgerechnet der Bau der Trasse, die durch Thürin-
gen, durch die neuen Bundesländer, führt und die nicht
nur für die Infrastruktur Thüringens, sondern auch für die
Anbindung an Berlin wichtig ist, wird regelrecht ver-
schleppt. Gibt es dafür vonseiten der Bundesregierung
eine Erklärung?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500921800


Die Strecke des ICE-Projektes 8.1 und 8.2 wird wei-
tergeplant und soll zügig gebaut werden. Ich habe dazu
entsprechende Ausführungen gemacht. Von Verschlep-
pung kann man hier nicht sprechen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500921900

Eine Zusatzfrage der Kollegin Blank.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1500922000

Frau Staatssekretärin, wenn dieses Projekt aus Sicht

der Bundesregierung jetzt nun doch eine große Wichtig-
keit und Bedeutung erhält, können Sie mir dann sagen,
warum für die ICE-Trasse Nürnberg–Erfurt im entspre-
chenden Investitionsprogramm damals nur 5 Millio-

nen DM vorgesehen worden sind und diese Maßnahme
weder im Anti-Stau-Programm noch im Programm
„Bauen-jetzt – Investitionen beschleunigen“ enthalten
ist? Denn wie wollen Sie den Bau dieser Trasse bis 2012
bzw. 2015 beenden, wenn in der nächsten Zeit in den
dafür infrage kommenden Programmen kein Geld vorge-
sehen wird?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500922100


Frau Abgeordnete Blank, ich habe vorhin darauf auf-
merksam gemacht, dass der Bund die Mittel natürlich zu-
ordnen muss. Warum diese Maßnahme nicht im Anti-
Stau-Programm enthalten ist, das wissen Sie. Da geht es
um Lückenschlüsse, um Engpassbeseitigungen. Wir wer-
den all das uns Mögliche tun, um im weiteren Fortschritt
die einzelnen Finanzanteile den einzelnen Jahren zuzu-
ordnen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500922200

Nun kann Frau Kollegin Nolte die Zusatzfrage stellen,

die sie schon vorhin gerne stellen wollte.


Claudia Nolte (CDU):
Rede ID: ID1500922300

Herr Präsident, um es zu umgehen, wieder eine solche

Antwort zu bekommen, werde ich eine andere Frage stel-
len.

Frau Staatssekretärin, Sie sprachen die Bündelungs-
strecke zwischen Erfurt und Ilmenau an. Haben Sie ei-
gentlich Zahlen greifbar, was der dreijährige Baustopp an
Zusatzkosten verursacht hat?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500922400


Nein, im Moment nicht. Ich kann Ihnen das aber gerne
nachliefern.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500922500

Die Fragen 27 und 28 der Kollegin Tillmann werden

schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich jetzt die Frage 29 des Kollegen Vogel

auf:
Welche Mittel stellt die Bundesregierung in den Jahren 2003

und 2004 für Baumaßnahmen an den Verkehrsprojekten „Deut-
sche Einheit“, hier Projekt 8.1 und 8.2 ICE-Trasse Nürnberg–Er-
furt–Berlin, zur Verfügung?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500922600


Herr Abgeordneter Vogel, für das Projekt VDE 8.1 sind
für das Jahr 2003 104,8 Millionen Euro und für das Jahr
2004 114Millionen Euro vorgesehen. Für das Projekt 8.2,
Abschnitt Leipzig–Gröbers, sind aufgrund der bevorste-
henden Fertigstellung in 2003 lediglich noch 2,9 Millio-
nen Euro vorgesehen. Zum Neubauabschnitt Gröbers–Er-
furt können derzeit noch keine Angaben gemacht werden,


(A)



(B)



(C)



(D)


500


(A)



(B)



(C)



(D)






da die Deutsche Bahn AG noch an der Finanzierungsver-
einbarung mit einem entsprechenden Finanzierungsplan
arbeitet.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500922700

Herr Kollege Vogel, eine Zusatzfrage.


Volkmar Uwe Vogel (CDU):
Rede ID: ID1500922800

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Wir hatten ja be-

reits heute Morgen im Ausschuss Gelegenheit, uns als
Thüringer begrüßen zu dürfen. Gestatten Sie mir eine
Nachfrage: Bei der Beantwortung der Fragen sind Sie
schon darauf eingegangen, dass es sich um sehr kompli-
zierte Planungsleistungen und Genehmigungsverfahren
handelt. Ist es, wenn diese Probleme abschließend gelöst
sind, gegebenenfalls möglich, dass die Bundesregierung
zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt, um die Realisie-
rung des Gesamtvorhabens schnell voranzubringen – und,
wenn ja, in welcher Höhe?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500922900


Herr Abgeordneter Vogel, Frau Kollegin Nolte hat vor-
hin selber darauf hingewiesen, wie schwierig die Haus-
haltslage ist. Ich halte nichts davon, Versprechungen zu
machen, deren Einhaltung ungewiss ist. Wir sollten vor-
rangig bemüht sein, die Realisierung dieses Bauvorha-
bens so schnell wie möglich abzuschließen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500923000

Herr Kollege Vogel, haben Sie noch eine weitere Zu-

satzfrage? – Gerne.


Volkmar Uwe Vogel (CDU):
Rede ID: ID1500923100

Wie Sie selbst sagen, ist die finanzielle Situation

schwierig und die Bewältigung des Gesamtvorhabens
technisch sehr anspruchsvoll. Deswegen die Frage: Wie
oft informiert sich die Bundesregierung über den Bau-
fortschritt des Gesamtvorhabens und über die entstande-
nen bzw. zu erwartenden Kosten?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500923200


Herr Kollege Vogel, natürlich informieren wir uns re-
gelmäßig über den Baufortschritt. Glauben Sie es mir: Ich
als Thüringerin schaue des Öfteren selber nach, was an
dieser Strecke passiert.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500923300

Zusatzfrage des Kollegen Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1500923400

Fr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500923500
Welche Summe ist bisher

verbaut worden und von welchen noch anstehenden Kos-
ten gehen Bundesregierung und Deutsche Bahn AG aus,
bis das Projekt im Jahre 2015 realisiert ist?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500923600


Ich habe hier lediglich eine Gesamtkostenaufstellung
vorliegen, Herr Kollege Grund. Ich kann das jetzt so
schnell nicht zusammenrechnen. Vielleicht können wir
das, wenn Sie einverstanden sind, gleich bilateral klären.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Einverstanden!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500923700

Nächste Zusatzfrage, Frau Kollegin Blank.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1500923800

Frau Staatssekretärin, da diese ICE-Trasse Nürnberg–Er-

furt nicht nur für Thüringen, sondern natürlich auch für
Bayern und für ganz Deutschland von Bedeutung ist


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Weltweit!)

– zumindest europaweit, Kollege Grund –, erlaube ich mir
noch eine Detailfrage: Die Bundesregierung hat in der
letzten Legislaturperiode das S-Bahn-Projekt Nürn-
berg–Forchheim vom Neubau der ICE-Trasse abgekop-
pelt. Dieses S-Bahn-Projekt ist jetzt im Grunde genom-
men auf Eis gelegt. Meine Frage: Ist die Bundesregierung
nach wie vor dazu bereit, das S-Bahn-Projekt Nürn-
berg–Forchheim abgekoppelt vom Bau der ICE-Trasse
Nürnberg–Erfurt – der, wie wir gehört haben, noch etwas
dauern wird – zu sehen und seine Finanzierung weiter im
Programm zu belassen?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500923900


Frau Abgeordnete Blank, auf der Ausbaustrecke Nürn-
berg–Ebensfeld – das ist der Abschnitt Nürnberg–Forch-
heim – wird mit den Mitteln aus dem Anti-Stau-
Programm in Höhe von rund 204 Millionen Euro sicher-
gestellt, dass die Realisierung der notwendigen Zusam-
menhangsmaßnahmen, insbesondere der viergleisige
Ausbau zwischen Nürnberg und Fürth und der Ausbau der
S-Bahn-Strecke Nürnberg–Forchheim, ab 2003 finanziert
werden kann. Die Finanzierungsvereinbarung hierzu be-
findet sich auch in der Vorbereitung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500924000

Nun rufe ich die Frage 30, die ebenfalls vom Kollegen

Vogel stammt, auf:
Welche Vorhaben plant die Bundesregierung in den Jahren

2003 und 2004 als Baumaßnahmen für die Verkehrsprojekte
„Deutsche Einheit“ 8.1 und 8.2 und handelt es sich dabei um
punktuelle baurechtserhaltende Maßnahmen oder um den fakti-
schen Weiterbau?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500924100


Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke




Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke

Herr Abgeordneter Vogel, die Bundesregierung finan-
ziert die Investitionen in das Schienennetz des Bundes.
Die konkrete Umsetzung obliegt der Deutschen Bahn AG
im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit ausgerich-
tet an den konkreten Notwendigkeiten vor Ort. Die Bun-
desregierung geht entsprechend ihrer Entscheidung zum
Weiterbau davon aus, dass nunmehr der vollständige
Ausbau erfolgt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500924200

Zusatzfrage, Herr Kollege Vogel.


Volkmar Uwe Vogel (CDU):
Rede ID: ID1500924300

Frau Staatssekretärin, können Sie als Bundesregierung

damit ausschließen, dass die Bahn nur bestimmte Maß-
nahmen fortführt, damit das Baurecht oder andere Ge-
nehmigungen nicht verloren gehen?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500924400


Herr Kollege Vogel, ich habe das vorhin schon einmal
gesagt: Es gibt vorzeitige Baubeginne an den Stellen, an
denen das Baurecht erhalten wird. Aber wir gehen selbst-
verständlich davon aus, dass die Bahn selbst ein Interesse
daran hat, die Strecke insgesamt zu Ende zu bauen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500924500

Gibt es eine weitere Zusatzfrage?


Volkmar Uwe Vogel (CDU):
Rede ID: ID1500924600

Ja. – Sehen Sie die Bahn aus jetzigem Kenntnisstand –

es klingt ja recht deutlich, dass die Bahn in der Lage ist,
das Gesamtvorhaben tatsächlich zu Ende zu bringen – mit
ihren finanziellen Mitteln in der Lage, das Ganze tatsäch-
lich zum Abschluss zu bringen, oder muss hier nachge-
schossen werden?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500924700


Ich sehe die Bahn sehr wohl in der Lage, das zu Ende
zu bringen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500924800

Herr Kollege Kranz, ich bitte um Nachsicht, dass ich

Sie vorhin offenkundig übersehen habe. Falls sich Ihre
Zusatzfrage auf die vorherige Frage beziehen sollte, wer-
den wir das selbstverständlich großzügig handhaben.


Ernst Kranz (SPD):
Rede ID: ID1500924900

Danke, Herr Vorsitzender. – Da sich die CDU Thürin-

gen ja sehr für die Erweiterung des Schienennetzes be-
sonders in Thüringen interessiert, möchte ich betonen,
dass auch wir als SPD uns dafür einsetzen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Er meint, das sei eine Frage!)


Frau Staatssekretärin, könnten Sie einmal, da die
Schienenverbindung, um die es gerade ging, also Ber-
lin–Erfurt, besonders wichtig für uns ist, darstellen, wie
sie sich in das gesamte Netzausbauprogramm der
Bahn AG eingliedert?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500925000


Der Bundeskanzler hat am 10. März 2002 öffentlich
verkündet, dass die Strecke 8.1 weitergebaut wird. Die
Deutsche Bahn AG hat diesen Ausbau begrüßt und be-
treibt die Planung und den Weiterbau auch in Bezug auf
die Finanzierung. Dieses Vorhaben in Thüringen ist ein
sehr großes und teures Projekt, das sich natürlich in die
Planungen der Deutschen Bahn AG in Thüringen, was das
Schienennetz betrifft, einzuordnen hat.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500925100

Herr Kollege Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1500925200

Wir freuen uns im Interesse nicht nur des Landes

Thüringen, sondern auch der Bahnkunden natürlich über
jeden Verbündeten, wenn es darum geht, diese Strecke zu
realisieren. Wir freuen uns ferner über jeden, der, auch
wenn er in den letzten vier Jahren etwas abseits stand, jetzt
dabei ist, wenn es darum geht, das Projekt voranzubringen.

Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, dass die Deut-
sche Bahn AG ein Interesse am zügigen Weiterbau dieser
Strecke hat. Wie lässt sich denn die Bundesregierung von
der Bahn unterrichten bzw. wie unterrichtet die Deutsche
Bahn AG die Bundesregierung über den Fortgang der
Baumaßnahmen?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500925300


Sie wissen, dass ein beamteter Staatssekretär des Ver-
kehrsministeriums im Aufsichtsrat der Bahn sitzt. Die re-
gelmäßigen Informationen laufen ganz normal über die
Abteilungen des Hauses.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500925400

Frau Kollegin Nolte.


Claudia Nolte (CDU):
Rede ID: ID1500925500

Bei der Inaussichtstellung, dass bereits im Jahre 2015

Züge dort entlangrollen können, ist für mich die Frage in-
teressant, was die Bundesregierung tun wird, um die
ganze Zeit über Baurecht sicherzustellen, also um zu ver-
hindern, dass es verfällt und nicht mehr gültig ist.

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1500925600


Es ist sichergestellt, dass das Baurecht dort, wo es
schon vorhanden ist, nicht verfallen wird, indem gebaut


(A)



(B)



(C)



(D)


502


(A)



(B)



(C)



(D)






wird. Ich gehe davon aus, dass das auch im Zuge des wei-
teren Verlaufs der Maßnahme so erfolgt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500925700

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor-

tung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministe-

riums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung auf. Für die Beantwortung der Fragen steht Staatsse-
kretär Stather zur Verfügung.

Zunächst rufe ich Frage 31 der Kollegin Mayer auf:
Welche durchschnittliche jährliche Steigerungsrate des Mittel-

ansatzes im Einzelplan 23, Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, setzt die Bundesregierung
nach gegenwärtiger Kalkulation bis zum Jahre 2006 an, um die
Verpflichtung aus der Vereinbarung mit den EU-Mitgliedstaaten
vom Barcelona-Gipfel und aus der Koalitionsvereinbarung von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu erfüllen, den Anteil der deut-
schen Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen, BNE,
auf 0,33 Prozent zu steigern?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500925800


Sehr verehrte Frau Abgeordnete, im Rahmen des Eu-
ropäischen Rates am 15. und 16. März 2002 haben die
Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Blick auf die
Konferenz in Monterrey beschlossen, dass sie bis zum
Jahre 2006 die durchschnittliche ODA-Quote auf 0,39 Pro-
zent anheben wollen. Die Bundesregierung hat sich ver-
pflichtet, den Anteil der deutschen Entwicklungshilfeaus-
gaben am Bruttonationaleinkommen bis zum Jahre 2006
auf 0,33 Prozent anzuheben. Dies spiegelt sich in der Ko-
alitionsvereinbarung, in der Regierungserklärung des
Bundeskanzlers sowie in der Finanzplanung des Bundes-
kabinetts, die noch in der alten Legislaturperiode be-
schlossen wurde, wider. Nach der jetzigen Finanzplanung
wird unser Anteil – ausgehend von 3,8Milliarden Euro im
Jahre 2003 – bis zum Jahre 2006 auf 4 Milliarden Euro im
Einzelplan 23 steigen.

Man muss jedoch wissen, dass die ODA-Quote ein Ge-
samtkunstwerk ist. Sie besteht aus den Leistungen des
Einzelplanes 23, sie besteht in erheblichem Umfang aus
den deutschen Leistungen an die Europäische Union, sie
besteht aus Anteilen anderer Ressorts, aus Anteilen der
Bundesländer und vor allen Dingen – und in den kom-
menden Jahren besonders verstärkt – aus der Entschul-
dungsinitiative und den daraus anfallenden Anteilen der
jeweiligen Haushalte. Auf der Basis der Finanzplanung
und der genannten Faktoren, die zum großen Teil Steige-
rungsraten vorsehen, gehen wir davon aus, dass wir die-
ses Ziel bis zum Jahre 2006 erreichen können.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500925900

Zusatzfragen, bitte schön.


Dr. Conny Mayer (CDU):
Rede ID: ID1500926000

Ich frage einmal ganz konkret nach: Wird die Bundes-

regierung in der kommenden Woche mit der Verabschie-
dung einer neuen Haushaltsvorlage eine mittelfristige

Finanzplanung beschließen, die gewährleistet, dass die
deutschen Entwicklungshilfeausgaben bis zum Jahre
2006 auf 0,33 Prozent steigen können?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500926100


Ich habe die beschlossene Finanzplanung bereits ange-
sprochen. Das Bundeskabinett wird am 20. November den
Haushalt für das Jahr 2003 beschließen, den der Finanzmi-
nister vorlegen wird. Ich möchte dem Finanzminister und
auch den Beratungen durch die Bundesregierung nicht vor-
greifen, gehe aber davon aus, dass die Finanzplanung Be-
stand hat.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500926200

Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Peter Weiß auf:

Hat die Festlegung in der Koalitionsvereinbarung von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen, bis zum Jahr 2006 den Anteil der
deutschen Entwicklungshilfeausgaben am BNE auf 0,33 Prozent
zu steigern, zur Folge, dass der Mittelansatz für den Einzelplan 23
im Entwurf für den Nachtragshaushalt 2002 gegenüber dem der-
zeit geltenden Bundeshaushalt 2002 gesteigert wird?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500926300


Die Fragen 32 und 33 gehören zusammen. Ich würde
sie gern zusammen beantworten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500926400

Dann rufe ich auch die Frage 33 des Abgeordneten

Peter Weiß auf:
Hat die Festlegung in der Koalitionsvereinbarung von SPD

und Bündnis 90/Die Grünen, bis zum Jahr 2006 den Anteil der
deutschen Entwicklungshilfeausgaben am BNE auf 0,33 Prozent
zu steigern, zur Folge, dass der Mittelansatz für den Einzelplan 23
im neuen Entwurf für den Bundeshaushalt 2003 gegenüber dem
Mittelansatz im bisherigen Entwurf für den Bundeshaushalt 2003,
Bundestagsdrucksache 14/9750, gesteigert wird?

Er
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500926500


Ich beantworte die erste Frage mit Nein und die zweite
Frage mit Nein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500926600

Jetzt gibt es gleich viermal die Möglichkeit, diesen

außergewöhnlich präzisen Antworten Nachfragen entge-
genzusetzen, bitte schön.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1500926700

Herr Staatssekretär, obwohl Sie vorhin dargestellt ha-

ben, wie sich die ODA-Quote zusammensetzt, müssen Sie
doch zugeben, dass mit der mittelfristigen Finanzplanung
bis zum Jahre 2006, da der Entwicklungshilfehaushalt auf
3 960 Millionen Euro ansteigen soll, die ODA-Quote von
0,33 Prozent keinesfalls erreicht werden kann.

Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke




PeterWeiß (Emmendingen)


Die anderen großen Blöcke, die Sie genannt haben, wie
zum Beispiel der EU-Entwicklungshilfehaushalt, steigen
nach den Planungen, die die EU vorgelegt hat, nicht be-
sonders an, sondern bleiben etwa gleich, sodass die ande-
ren Argumente, die Sie zum Erreichen der Quote von
0,33 Prozent brauchen, nicht ziehen. Sie müssen doch zu-
geben, dass das 0,33-Prozent-Ziel nur zu erreichen ist,
wenn der deutsche Beitrag zur Entwicklungshilfe, nämlich
der Einzelplan 23, über das Maß hinaus gesteigert wird, das
derzeit in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen ist.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500926800


Es gibt immer unterschiedliche Interpretationen. Ich
weiß nicht, welche Zahlen Ihnen vorliegen, aber die mir
vorliegenden Prognosen für den EU-Haushalt sagen ein-
deutig, dass eine Steigerung zu erwarten ist. Allein vom
Jahre 2001 auf das Jahr 2002 liegt eine Steigerung von
etwa 800 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden Euro vor, um
eine konkrete Zahl zu nennen.

Die Anteile der Ressorts sowie die Anteile am Ge-
samtvolumen der Entschuldungsmaßnahmen sind auch
deutlich steigend. Das Gesamtvolumen beträgt etwa
6 Milliarden Euro, die die Bundesrepublik den Entwick-
lungsländern erlassen hat. Dies wird in den nächsten Jah-
ren deutlich spürbar werden. Diese können auf die ODA-
Quote voll angerechnet werden und werden zu einem
deutlichen Anstieg unserer ODA-Quote führen.

Ich kann Ihnen nur sagen: Aufgrund unserer Kalkula-
tionen und Berechnungen, die wir auch zusammen mit an-
deren erstellen, sind wir unter Berücksichtigung verschie-
dener Unsicherheitsfaktoren wie des Anstiegs des
Bruttosozialprodukts bzw. der Wachstumsraten auf der
Basis unseres Haushaltes und des Einzelplans 23 der Auf-
fassung, dass dieses Ziel erreichbar ist. Aber sicher kann
es passieren, dass wir in den einzelnen Haushaltsjahren
– wir reden über die Finanzplanung – Nachjustierungen
vornehmen müssen. Dazu hat sich der Bundeskanzler be-
kannt und dazu bekennt sich die Koalitionsvereinbarung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500926900

Nächste Zusatzfrage, bitte schön.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1500927000

Herr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500927100
Geht die Bundesregierung davon aus, dass das
Bruttonationaleinkommen in den nächsten Jahren insbe-
sondere aufgrund der Maßnahmen, die derzeit im Bun-
destag diskutiert werden, sinkt und damit die Quote von
0,33 Prozent erreicht wird?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500927200


Nein, davon geht die Bundesregierung nicht aus. Ich
sagte Ihnen ja bereits, dass die jetzige Finanzplanung auf

dem Haushalt basiert, der noch vor der Bundestagswahl
verabschiedet worden ist. Sie haben wahrscheinlich Recht
– man müsste einmal nachrechnen –, wenn Sie sagen, dass
das 0,33-Prozent-Ziel leichter zu erreichen sein werde,
wenn das Wachstum zurückgehe, als wenn es deutlich
steige.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500927300

Eine Zusatzfrage, Herr Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1500927400

Herr Staatssekretär, genauso ist es. Deswegen war eine

solche Frage nicht scherzhaft, sondern ernsthaft gemeint.
Sie haben behauptet, dass Sie auf der Grundlage der

derzeitigen mittelfristigen Finanzplanung im Jahr 2006
einen Entwicklungshilfehaushalt in Höhe von 3,96 Milli-
arden Euro erreichen wollen. Das ist übrigens, wenn ich
das nebenbei bemerken darf, weniger als das, was 1998
im letzten von der CDU/CSU-FDP-Regierung zu verant-
wortenden Bundeshaushalt für die Entwicklungshilfe vor-
gesehen war.

Können Sie darlegen, welche Elemente – deutscher
Beitrag aus dem BMZ-Haushalt, deutscher Beitrag zum
EU-Haushalt und Entschuldungsmaßnahmen – nach
Ihren Berechnungen in welcher Höhe dazu beitragen, dass
2006 das 0,33-Prozent-Ziel erreicht werden wird?

Er
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500927500


Herr Abgeordneter, der Ansatz für 2006 liegt bei 4 Mil-
liarden Euro. Es hilft nichts, ihn auf 3,96 Milliarden Euro
herunterzurechnen.

Wir gehen nach gegenwärtiger Einschätzung – wie ge-
sagt, bis 2006 müssen wir noch viele Faktoren beachten –
davon aus, dass wir ein Volumen von roundabout 7 Milli-
arden Euro benötigen. Wenn ich davon ausgehe, dass der
deutsche Beitrag aus dem BMZ-Haushalt bei 4Milliarden
Euro und der deutsche Beitrag zum EU-Haushalt bei etwa
1,2 Milliarden bis 1,5 Milliarden Euro – gegenwärtig be-
trägt er schon 1,2 Milliarden Euro – liegt, dass die Ent-
schuldung etwa 1,5 Milliarden bis 2 Milliarden Euro
bringt und dass der gesamte Beitrag der einzelnen Res-
sorts, der gegenwärtig bei 600 Millionen Euro liegt, auf
bis zu 800 Millionen bis 900 Millionen Euro gesteigert
wird, dann stelle ich fest – das ist eine Milchmädchen-
rechnung –, dass wir schon bei gut 7 Milliarden Euro an-
gelangt sind.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500927600

Eine letzte Zusatzfrage? – Herr Kollege Weiß verzich-

tet. Dann sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung.

Wir kommen nun noch zum Geschäftsbereich des Bun-
deskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Frau Staatsmi-
nisterin Dr. Weiss zur Verfügung.


(A)



(B)



(C)



(D)


504


(A)



(B)



(C)



(D)






Die Fragen 34 und 35 des Kollegen Barthle werden ge-
nauso schriftlich beantwortet wie die Fragen 36 und 37
des Kollegen Otto (Frankfurt).

Ich rufe die Frage 38 des Kollegen von Stetten auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten darauf, dass

in Anbetracht ihres bestimmenden Einflusses auf den Deutschen
Musikrat Projektträger und andere Gläubiger des Deutschen Mu-
sikrates den Bund selbst unter dem Gesichtspunkt der insolvenz-
rechtlichen Durchgriffshaftung in Anspruch nehmen werden?

D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500927700


Herr Abgeordneter von Stetten, ein bestimmender Ein-
fluss des Bundes auf den Zuwendungsempfänger Deut-
scher Musikrat ist nicht gegeben, sodass eine direkte In-
anspruchnahme der Bundesregierung durch Gläubiger
des Deutschen Musikrates nicht möglich ist.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500927800

Eine Zusatzfrage? – Herr von Stetten hat keine.
Dann rufe ich die Frage 39 des Abgeordneten von

Stetten auf:
Wie sinnvoll erscheint es der Bundesregierung, unter Abwä-

gung der letztlich auf sie zurückfallenden Verantwortlichkeiten,
mit allen damit verbundenen Nachteilen für die betroffenen Mu-
siker und musikalischen Einrichtungen im Lande sowie für die
Durchführung der haushaltsgesetzlich vorgegebenen Programme
ein Insolvenzverfahren zu betreiben, und welche Möglichkeiten
sieht sie, den Deutschen Musikrat auf eine andere Weise so zu
strukturieren, dass er künftig weiter und mit größerer Transparenz
und Effizienz die Aufgaben eines zentralen Mittlers im deutschen
Musikleben wahrnehmen kann?

D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500927900


Herr Abgeordneter von Stetten, nicht die Bundesregie-
rung betreibt das Insolvenzverfahren. Vielmehr ist nach
den gesetzlichen Vorschriften der betroffene Rechtsträger
für die Prüfung verantwortlich, ob die Eröffnung eines In-
solvenzverfahrens zu beantragen ist. Er muss, wenn die
Prüfung positiv ausfällt, die entsprechenden Schritte ein-
leiten. Zwischenzeitlich wurde ein Insolvenzantrag ge-
stellt. Die Entwicklung einer neuen Struktur, die eine
größere Transparenz und vor allem auch Effizienz bei der
Aufgabenerfüllung und damit die Wahrnehmung der Auf-
gabe eines zentralen Mittlers im deutschen Musikleben
ermöglichen soll, ist daher die ureigene Aufgabe des
rechtlich selbstständigen Vereins.

Die Bundesregierung ist aber nicht nur für konstruktive
Vorschläge offen. Sie beteiligt sich vielmehr seit längerem
auch an den Planungen einer völligen Neustrukturierung
des Deutschen Musikrates. So hat sie zusammen mit dem
Deutschen Musikrat einen Gesamtfinanzierungsplan für
das Haushaltsjahr 2003 entwickelt, der die notwendige
Transparenz und Flexibilität für eine effiziente Mittelver-
wendung ermöglichen sollte.

Darüber hinaus hat die Beauftragte für Kultur und Me-
dien eine Untersuchung der Organisations- und Personal-
struktur des gesamten Deutschen Musikrates veranlasst,
deren Ergebnis noch aussteht. Aber die Prüfung läuft schon.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500928000

Herr von Stetten.

Frhr. Christian von Stetten (CDU):
Rede ID: ID1500928100

Frau Staatsministerin, in der Frage des Kollegen Barthle,

die schriftlich beantwortet wird, ist bereits ein bisschen von
dem enthalten, wonach ich fragen möchte. Da aber gleich
eine Sitzung des Kulturausschusses stattfindet, möchte ich
nur noch eben fragen, seit wann der Bundesregierung die
Probleme beim Deutschen Musikrat bekannt waren.

D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1500928200


Die Probleme beim Deutschen Musikrat, insbesondere
das Problem der Überschuldung, hat die Bundesregierung
erst Anfang Oktober 2002 zur Kenntnis erhalten.

Es war allerdings seit längerem bekannt, dass die
Haushaltsführung des Deutschen Musikrates nicht pro-
blemlos war. Ein Grund dafür ist die sehr komplexe För-
derstruktur. Zur Vereinfachung arbeiten wir an einer Or-
ganisationsneustruktur. So werden im Moment zum
Beispiel die Mittel der BKM nahezu vollständig von der
Kulturstiftung der Länder, da sie das als eigene Angele-
genheit ansehen, und nur zu einem geringen Teil vom
Bundesverwaltungsamt zugewendet und geprüft. Weitere
Zuwendungsgeber – auch das zeigt, wie kompliziert das
System bei den Geldzuwendungen ist – sind das Auswär-
tige Amt, das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend sowie das Sekretariat der Kultusmi-
nisterkonferenz der Länder.

Um die hieraus resultierenden Probleme zu beheben,
wurde – das habe ich schon gesagt – für das Haushalts-
jahr 2003 zusammen mit dem Deutschen Musikrat unter
Beteiligung der Kulturstiftung der Länder und des BVA
eine Prüfung eingeleitet. Ein Gesamtfinanzierungsplan
soll entwickelt werden, der die notwendige Transparenz
der Mittelverwendung herstellen und die Mittelverwen-
dung flexibler machen wird.

Die Prüfung der Organisationsstruktur und der Perso-
nalstruktur habe ich ebenfalls schon erwähnt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500928300

Vielen Dank, Frau Weiss.
Die Zeit für die Fragestunde ist schon überschritten.

Ich habe Ihnen fairerweise aber noch die Gelegenheit zu
einer Nachfrage gegeben.

Die übrigen Fragen werden nach den Regeln unserer
Geschäftsordnung schriftlich beantwortet. Wir sind am
Ende der Fragestunde.

Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Aktuelle Vorwürfe von Verstößen gegen das
Parteiengesetz durch mögliche illegale Finanz-
zuflüsse bei der FDP

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert




Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

Als erster Redner hat der Kollege Hofmann von der
SPD-Fraktion das Wort.


Frank Hofmann (SPD):
Rede ID: ID1500928400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol-

leginnen und Kollegen! Im Juli hatten wir im Deutschen
Bundestag eine Debatte anlässlich der Vorlage des Ab-
schlussberichts des Untersuchungsausschusses zu Helmut
Kohl und zur CDU-Spendenaffäre. Ich denke, wir alle ha-
ben uns gewünscht, dass damit dieses Thema beendet sei.

Jetzt werden Verstöße gegen das neue Parteiengesetz
bekannt.


(Zurufe von der CDU/CSU: Machen Sie keinen Sprung! – Scheinheilig!)


– Ich mache keinen Sprung und es war auch nicht schein-
heilig, Herr Kollege. Auch wir hatten in Köln einen Par-
teispendenskandal; das ist keine Frage.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Leverkusen!)


Aber im Mittelpunkt stand die CDU und deren Partei-
spendenskandal.

Mir stellt sich die Frage, ob Herr Möllemann und an-
dere weitergemacht haben, obwohl es ein neues Parteien-
gesetz gegeben hat und obwohl man Ende 1999 gesehen
hat, wie alleine Helmut Kohl dastand und welche Bedeu-
tung das alles für die CDU hatte. Wenn Personen in der
FDP trotzdem weitergemacht haben, dann, finde ich, ist
das eine besondere Dreistigkeit.

Seit Wochen steht nun das Finanzgebaren der FDP in
Nordrhein-Westfalen im Blickpunkt. Seit Wochen lädt die
FDP alle Schuld bei Möllemann ab. Für mich steht fest:
Es handelt sich dabei nicht um eine „Affäre Möllemann“;
denn es gab Mitwisser, Mitläufer und Personen, die mit-
gemacht haben.

Die Aufklärungsbemühungen von Herrn Rexrodt ge-
hen aus meiner Sicht in die richtige Richtung. Sie greifen
allerdings zu kurz. Richtig ist, dass man Auskunft ver-
langt und Schadenersatz einfordert. Diesen Weg geht auch
die SPD in Köln. Das ist richtig so, wir unterstützen das.

Die FDP muss allerdings gründlicher vorgehen. Sie
darf nicht erst dann mit Prüfungen beginnen, wenn die
Presse neue Unregelmäßigkeiten aufdeckt. Die Auf-
klärung muss umfassend sein und muss deshalb bis in die
90er-Jahre zurückgehen, bis zum Panzerdeal mit den
Fuchs-Spürpanzern und den Schmiergeldzahlungen von
Thyssen. Es ging immerhin – das wissen Sie alle – um
Schmiergeldzahlungen in Höhe von 220 Millionen DM.
Der Anteil des langjährigen Weggefährten und Geschäfts-
partners von Herrn Möllemann Rolf Wegener als Treu-
händer der Briefkastenfirma Great Aziz belief sich dabei
auf 8,93 Millionen. Dieses politisch heikle Panzergeschäft
mit Saudi-Arabien aus dem Jahr 1991 hat uns im Unter-
suchungsausschuss lange Zeit beschäftigt. Es beschäftigt
heute noch Justiz und Fiskus.

Sehr geehrte Damen und Herren, es geht um eine mög-
liche Bestechung in Millionenhöhe und einen neuen,
schwerwiegenden Verdacht: Möllemann, der einstige bun-

desdeutsche Vizekanzler, könnte an dem Geschäft mit-
verdient und zwei FDP-Wahlkämpfe mit ebendiesen
Schmiergeldern bezahlt haben.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Unglaublich!)

Fahnder des Düsseldorfer Finanzamtes gehen diesem Ver-
dacht nach. – So die Presse. Wenn das stimmt, hätte die
FDP-Affäre Kohl-Niveau erreicht. Falls sich der Ver-
dacht, dass der Ex-Bundeswirtschaftsminister über einen
Strohmann an dem Panzerdeal mitverdiente, erhärtet,
wäre das einer der größten politischen Skandale der Nach-
kriegszeit. Es ginge dann nicht mehr nur um politische
Korruption – Herr Stadler, über diesen Begriff haben wir
gestritten –, sondern damit wäre der Nachweis gelungen,
dass die schwarz-gelbe Regierung genau das war, was
FDP und Union bis heute wortreich bestreiten, nämlich
bestechlich. Das hat eine andere Dimension.

Das lässt sich nicht mehr auf den Fall Möllemann ein-
grenzen, wie es der FDP-Parteivorsitzende gerne tut. Hier
ist die FDP gefordert, im wahrsten Sinne des Wortes auf-
zuklären. Herr Westerwelle schiebt die Verantwortung auf
die Staatsanwaltschaft. Ich sage: Für den Saustall der FDP
ist Herr Westerwelle und nicht die Staatsanwaltschaft ver-
antwortlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Das ist kein parlamentarischer Begriff!)


Es ist seine Aufgabe, den Saustall aufzuräumen. Der FDP-
Bundesvorsitzende sieht sich selbst fest im Sattel. Hat er
aber auch die Zügel in der Hand? Bestimmt er auch die
Richtung oder sitzt er lediglich auf einem Schaukelpferd?


(Sebastian Edathy [SPD]: Wo ist denn Ihr Parteivorsitzender?)


Dass es den FDP-Parteichefs an Einfluss auf ihre Partei
mangelt, ist nicht neu. Schon unter Herrn Gerhardt hat die
Bundes-FDP gezeigt, wie schwach ihr Einfluss zum Bei-
spiel auf die hessische Landesfürstin Ruth Wagner war.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Und was ist mit Ihrem Einfluss in Nordrhein-Westfalen?)


Das hat man damals der Person Gerhardt angelastet. Der
Einfluss von Herrn Westerwelle auf die FDP in NRW ist
offenbar nicht größer. Es scheint also nicht unbedingt al-
lein an der Person zu liegen; es ist ein politisches Problem
der FDP. Es hat mit politischer Beliebigkeit, mangelnder
Ehrlichkeit, mangelnder Glaubwürdigkeit, mangelndem
Aufklärungswillen und mit Machterhalt zu tun.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Was?)

Ruth Wagner klebt an Roland Koch,


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

obwohl er im Zusammenhang mit dem hessischen Honig-
topf im Süden mehrmals gelogen und aktiv an der Ver-
schleierung mitgewirkt hat. So steht es im Abschluss-
bericht des Untersuchungsausschusses.

Bei Möllemann liegen die Interessen von Ruth Wagner
anders. Ihn fordert sie auf, aus der FDP auszutreten. Hier
wird das falsche Spiel der hessischen FDP aktuell noch


(A)



(B)



(C)



(D)


506


(A)



(B)



(C)



(D)






einmal deutlich. Es ist Ausdruck einer Doppelmoral, dass
sich Ruth Wagner und die hessische FDP nun gegen
Möllemann und seine Mitwisser, Mitmacher und Mit-
läufer wenden. Das macht sie vollends unglaubwürdig.


(Beifall des Abg. Sebastian Edathy [SPD] – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Jetzt müssen Sie noch was zu George Bush sagen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500928500

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.


Frank Hofmann (SPD):
Rede ID: ID1500928600

Ja. – Der Aufklärungswille der FDPmuss sich erkenn-

bar zeigen. Die bisherigen Prämissen, unter denen Herr
Westerwelle die Aufklärung betreiben lässt, lauten: nicht
in die Tiefe gehen, nicht in die 90er-Jahre zurückgehen
und nicht andere beschädigen. Ich sage: Die FDPmuss die
Kraft aufbringen, alles schnell, gründlich – und ohne auf
das Ansehen der Personen zu achten – aufzudecken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500928700

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Stadler das

Wort.


Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1500928800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Lieber Kollege Hofmann, nach meiner Erinnerung
haben wir hier im Juli in der Tat über Spendenskandale,
nämlich den der CDU, aber auch den der SPD in Nord-
rhein-Westfalen, debattiert. – So viel einleitend zur Klar-
stellung.

Wir haben auch über ein neues Parteiengesetz, das die
FDP mitgetragen hat, diskutiert. Niemand von uns aber
hat geahnt, dass wir uns jetzt schon wieder damit befas-
sen müssen.


(Beifall bei der FDP)

Wir bedauern es sehr, dass der Anlass hierzu aus den Rei-
hen der FDP gekommen ist. Verstöße gegen das Parteien-
gesetz können wir in keiner Weise akzeptieren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Am selben Tag, da diese Aktuelle Stunde beantragt
worden ist, tauchten bei der CDU in Leverkusen fast
137 000 Euro auf, deren Herkunft ungeklärt ist.


(Sebastian Edathy [SPD]: Hört! Hört! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Kann passieren! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es nicht besser!)


Einen Tag zuvor konnte ein CSU-Landtagsabgeordneter
in München nicht erklären, warum er Spendenquittungen

ausgestellt hat, obwohl gar keine entsprechenden Spen-
dengelder bei seiner Partei eingegangen waren.

Die Vorgänge sind natürlich nicht miteinander ver-
gleichbar. Ich nenne sie auch nicht, um von den Vorgän-
gen in der FDP abzulenken.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Warum denn dann, Herr Stadler?)


Aber es zeigt sich eines, Herr Wiefelspütz: Bei der De-
batte über das neue Parteiengesetz haben manche Skepti-
ker hier an diesem Rednerpult Folgendes formuliert – sie
scheinen leider Recht zu behalten –: Das beste Gesetz
nützt dann nichts, wenn Einzelne mit krimineller Energie
bewusst dagegen verstoßen.


(Beifall bei der FDP – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das stimmt wohl!)


Wenn dies passiert, dann hat eine Partei eine Pflicht: Sie
muss sofort von sich aus umfassend aufklären.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Und dabei erfolgreich sein!)


Genau das tut die FDP und genau das tut Herr Rexrodt.

(Beifall bei der FDP – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wie weit sind wir denn!)

Es werden allerdings auch Vorwürfe erhoben, die un-

zutreffend sind und die wir zurückweisen müssen. Heute
gibt es eine Presseberichterstattung über angeblich
schwarze Fraktionskassen der FDP. Daran ist nichts Zu-
treffendes. Herr Gerhardt und Herr Hahn haben dies heute
deutlich zurückgewiesen. Darauf beziehe ich mich.


(Beifall bei der FDP)

Herr Hofmann hat in Zweifel gezogen, dass durch die

FDP hinreichende Aufklärungsarbeit geleistet würde. Der
umstrittene Flyer, um dessen Finanzierung es zunächst
geht – nicht nur, aber auch – ist am Ende des Wahlkamp-
fes aufgetaucht. Unmittelbar nach dem Wahltag ist von
der FDP auf der Arbeitsebene mit dem Bundestagspräsi-
dium und dem damaligen Geschäftsführer der FDP in
Nordrhein-Westfalen Kontakt aufgenommen worden, um
zu klären, ob gegen die Veröffentlichungspflicht bei einer
Großspende verstoßen worden ist. Am 2. Oktober hat
Herr Rexrodt Herrn Möllemann geschrieben und hat ihm
eine Frist bis zum 4. Oktober gesetzt, um den Vorgang
aufzuklären. Wirtschaftsprüfer und die Innenrevision sind
beauftragt worden. Es gab interne Nachforschungen. Ich
will Ihnen die Details ersparen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was zählt, sind die Ergebnisse! – Sebastian Edathy [SPD]: Das Flugblatt an sich war ein Skandal, Herr Kollege!)


Wichtig ist eines: Am 30. Oktober hat die FDP Aus-
kunftsklage gegen Herrn Möllemann wegen der Herkunft
der Spende erhoben – ein Verfahren, das wir der CDU im-
mer wieder angeraten haben, das aber bei der CDU im Ge-
gensatz zur FDP nicht praktiziert worden ist.


(Sebastian Edathy [SPD]: Ist er immer noch in Ihrer Fraktion, Herr Kollege?)


Frank Hofmann (Volkach)





Dr. Max Stadler
Von der FDP wird zeitnah aufgeklärt. Die Aufklärungs-
arbeit läuft.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Wie weit geht das zurück?)


Die Schlussberichte werden demnächst vorgelegt werden.
Ich sage Ihnen noch eines: In dem Untersuchungsaus-

schuss, in dem wir mit den Vorgängen der CDU und der
SPD befasst waren, haben wir es von der FDP bewusst
vermieden, mit irgendeiner besserwisserischen Attitüde
auf Vorfälle in den anderen Parteien einzugehen.


(Sebastian Edathy [SPD]: Da habe ich aber anderes in Erinnerung!)


Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir das, was dort
verhandelt worden ist, objektiv bewertet haben. Die deut-
sche Öffentlichkeit erwartet von Ihnen, dass Sie die Auf-
klärungsarbeit der FDP ähnlich fair bewerten. Das ist
mein Wunsch am Ende dieser Ausführungen.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500928900

Nächster Redner ist der Kollege Volker Beck, Bünd-

nis 90/Die Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500929000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Täglich

neue Meldungen über den Verdacht von finanziellen Un-
regelmäßigkeiten und illegalen Praktiken bei der FDP bis
hin zum Verdacht der Bestechlichkeit. Es stellen sich im-
mer mehr Fragen nach Verantwortung, Hintergründen,
Mitwisser- und Mittäterschaft. Mehr Fragen als Antwor-
ten hat die bisherige Aufklärungsarbeit der FDP ergeben.

Herr Westerwelle hat sich im Mai 2001 vor den FDP-
Parteitag mit dem Anspruch gestellt, das Schiff der FDP
zu steuern: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt,
gibt’s einen, der die Sache regelt – und das bin ich.“


(Sebastian Edathy [SPD]: Das ist Möllemann gewesen! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Und das sind Sie?)


Die letzten Monate haben gezeigt: Der Kapitän war unter
Deck; auf der Brücke führte der Klabautermann das Kom-
mando.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der FDP-Skandal hat zwei Dimensionen – nur eine da-
von haben Sie überhaupt erörtert, Herr Kollege Stadler –:
Es geht zum einen um das Dulden einer antisemitischen
Kampagne durch den Parteivorsitzenden


(Sebastian Edathy [SPD]: Wohl wahr!)

und zum anderen um die damit im Zusammenhang ste-
henden illegalen Finanzierungspraktiken insbesondere
im Umfeld des nordrhein-westfälischen Landesverban-
des.

Man muss nicht so streng sein wie der Kollege
Rexrodt, der die Meinung vertreten hat, ein Büroleiter

sei auch für das Versagen seiner Mitarbeiter verantwort-
lich,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Vergiftetes Lob! Herr Rexrodt, seien Sie vorsichtig!)


um an dieser Stelle festzustellen, dass es sich auch um
eine Affäre Westerwelle handelt. Im Frühjahr, als
Möllemann in einem Interview mit der „taz“ Selbstmord-
attentate gerechtfertigt


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Quatsch!)

und antisemitische Ausfälle gegen Michel Friedman ge-
macht hat, hat der FDP-Vorsitzende seinen Stellvertreter
verteidigt, man müsse doch auch einmal Israel kritisieren
dürfen, und hat dadurch selbst mit einem antisemitischen
Topos das Handeln seines Vize zu decken versucht.
Westerwelle erinnerte damit sehr stark an den Kapitän der
Titanic.


(Widerspruch bei der FDP)

Wie dieser die Gefahr der Eisberge ignorierte, übersah je-
ner geflissentlich die antisemitischen Umtriebe seines
Stellvertreters. Die Affäre Möllemann ist die Quittung für
die Mutlosigkeit bei der politischen Führung und sie ist
deshalb auch eine Affäre Westerwelle.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der Kapitän Westerwelle hat sich als Leichtmatrose er-
wiesen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wohl wahr!)

Er hat den „Spiegel“ zu Hilfe gerufen, um die FDP bei der
Aufklärung der illegalen Praktiken bei der Parteienfinan-
zierung zu unterstützen. Wir kommen diesen Aufklä-
rungsbemühungen heute mit der Aktuellen Stunde ent-
gegen.


(Lachen bei der FDP – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das war ein wichtiger Beitrag!)


Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion,
wenn Sie uns herzlich bitten, werden wir Ihnen auch noch
mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss
unterstützend zur Seite springen. Denn es gibt eine Reihe
von Fragen, die bis heute nicht beantwortet wurden und zu
denen ich auch von Ihnen, Herr Stadler, nichts gehört habe:

Wer hat an der Finanzierung des antisemitischen Fly-
ers mitgewirkt? Wer hat wann davon gewusst und wer hat
wann dazu geschwiegen? Wer hat nichts dagegen getan?
Welche Summen sind von wem für welche Wahlkämpfe
der FDP illegal in die Kassen geflossen? Wer wollte mit
welchen Interessen und welchen Hintergedanken womög-
lich politisch stärkend auf bestimmte Personen in der FDP
Einfluss nehmen?

Düsseldorfer Steuerbeamte sind im Oktober bei einer
Betriebsprüfung von Möllemanns Firma Web/Tec auf
Hinweise gestoßen, dass Möllemann zwei Wahlkämpfe
mit Geldern aus Liechtenstein geführt haben könnte. Zwi-
schen 1995 und 1999 seien in fünf Tranchen insgesamt
5,2 Millionen DM von einer Briefkastenfirma namens
Curl AG in Vaduz auf ein Web/Tec-Konto transferiert


(A)



(B)



(C)



(D)


508


(A)



(B)



(C)



(D)






worden. Woher kommt dieses Geld, dessen Herkunft und
Begründbarkeit von den Steuerbeamten nicht festgestellt
werden konnte?


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wissen Sie es denn? Wenn Sie es wissen, teilen Sie es uns mit!)


Auch sind angeblich zwischen 1996 und 1997 rund
510 000 Euro aus Monaco auf einem Web/Tec-Konto ein-
gegangen. Welche Funktion hat in diesem Zusammenhang
der ominöse Möllemann-Freund, Herr Rolf Wegener? Wel-
che Zusammenhänge bestehen mit der Tatsache, dass We-
geners Briefkastenfirma Great Aziz Corp. von 1991 bis
1994 für die Vermittlung der Lieferung der Fuchs-Panzer
durch Thyssen nach Saudi-Arabien 8,93MillionenDM Pro-
vision erhalten hat? Ist ein Teil des Geldes über Web/Tec an
Möllemann und am Ende an die FDP geflossen?


(Helga Daub [FDP]: Wir wissen es doch auch nicht!)


Das alles sind Fragen, die wir klären müssen.
Neben den strafrechtlich relevanten Fragen, die sich in

diesem Zusammenhang stellen und die womöglich die
Staatsanwaltschaften zu klären haben, hat sicherlich auch
die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf, die Hinter-
gründe zu erfahren. Denn die Staatsanwälte und Straf-
richter müssen sich allein mit der Frage befassen, ob ein
strafbares Delikt vorliegt. Wir aber wollen auch wissen,
welche Interessen dahinter standen, welche Zusammen-
hänge es gab und wer für diese Vorgänge die politische
Verantwortung übernehmen muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500929100

Ich erteile dem Kollegen Dr. Röttgen, CDU/CSU-

Fraktion, das Wort.

(Zuruf von der SPD: Der Aufklärer kommt!)



Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1500929200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Jede Finanzaffäre, jede Spendenaffäre und jede Kor-
ruptionsaffäre im Bereich der politischen Parteien
schwächt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in
die Parteien, in uns alle, die politische Verantwortung tra-
gen, und insofern auch in das Parlament. Wenn diese Ent-
täuschung begleitet wird von der Enttäuschung über die
Unfähigkeit einer gerade erst gewählten Regierung, mit
den Problemen dieses Landes fertig zu werden


(Zuruf von der SPD: Na, na, na!)

– ich sage es bewusst ganz ruhig, ernst und besorgt –,


(Sebastian Edathy [SPD]: Ja, ganz besorgt! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was für Umwege machen Sie eigentlich? Sie verschleiern! Das ist unredlich, was Sie machen!)


dann kommen wir in die Gefahr, dass wir das Vertrauen in
die Parteiendemokratie, in ihre Seriosität und in ihre Pro-

blemlösungskompetenz erschüttern und dass wir die Ak-
zeptanz verlieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sebastian Edathy [SPD]: Das ist keine seriöse Rede!)


Wenn das zusammenkommt, wenn der Zweifel an der In-
tegrität der handelnden Personen


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das war Ihr Wunschkoalitionspartner!)


verbunden wird mit dem Zweifel an der Fähigkeit, der
Pflicht nachzukommen, Probleme zu lösen, dann kann
sich das zu einem Problem unserer Parteiendemokratie
auswachsen.

Ich möchte drei Anmerkungen zum Umgang mit die-
sen Affären machen.


(Sebastian Edathy [SPD]: Sprechen Sie lieber zur Sache, statt Anmerkungen zu machen!)


– Reden wir doch vernünftig miteinander über ein ernst-
haftes Problem!

Erstens. Niemand von uns kann eine Garantie dafür
übernehmen, dass es in Zukunft nicht mehr zu Gesetzes-
verletzungen kommt. Wir haben gerade erst ein neues Ge-
setz beschlossen. Dafür, dass in einem Kreisverband, in
einem Landesverband oder auch in einem Bundesverband
Verantwortliche nicht erneut gegen Gesetze verstoßen,
kann niemand eine Garantie übernehmen. Darum ist es
das Entscheidende, wie diejenigen, wie wir, die wir Ver-
antwortung tragen, wie auch die Parteien, in deren Ver-
antwortungsbereich Gesetzesverletzungen vorkommen,
mit solchen Verstößen umgehen. Es ist entscheidend, ob
sie aufklären oder ob sie vertuschen wollen, ob sie die
Wahrheit sprechen oder nicht. Ich muss sagen, dass ich
keine Versäumnisse der FDP feststellen kann, was die
Aufklärung angeht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das sollte für andere durchaus vorbildlich sein.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Auf ewig verbündet! Das ist es!)

Das gilt auch in anderen Bereichen, was etwa die SPD in
Köln anbelangt. Es geht also um den Umgang mit Ver-
stößen, wenn denn Verstöße festgestellt worden sind.
Dann dürfen sich auch die Konkurrenten mahnend zu
Wort melden.

Zweitens. Wir haben gerade ein neues Parteiengesetz
beschlossen. Die Parteien haben Verantwortung für
ihren eigenen Bereich. Aber wir als Parlament haben die
Verantwortung dafür, dass die rechtlichen Vorausset-
zungen, die Rahmenbedingungen so sind, dass der An-
spruch der Bürger auf Transparenz und Kontrolle auch
erfüllt werden kann. Darum haben wir ein neues Partei-
engesetz beschlossen, das mehr Transparenz ermög-
licht, mehr Kontrolle bedeutet und mehr Sanktionen
vorsieht.

Es ist ein Teil der Wahrheit, die wir hier doch ruhig aus-
sprechen sollten, dass diese Affären, so schlimm sie sind,

Volker Beck (Köln)





Dr. Norbert Röttgen
auch immer ein Gutes haben, weil sie nämlich einen Rei-
nigungsprozess im Parlament initiieren.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Herr Möllemann ist immer noch Mitglied des Bundestags! Sie leiden an Realitätsverlust! Das ist ja unglaublich!)


– Empören Sie sich doch nicht so künstlich, verehrter Herr
Wiefelspütz! – Es ist ein Teil der Wahrheit, dass wir ohne
die CDU-Spendenaffäre die Gesetzesinitiativen der letzten
Legislaturperiode wahrscheinlich nicht ergriffen hätten.


(Lachen bei der SPD – Sebastian Edathy [SPD]: Vielen Dank dafür! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So können Sie an allem was Gutes finden!)


Es ist ein zweiter Teil der Wahrheit, dass Sie von der
SPD-Fraktion uns nicht so weit entgegengekommen
wären, wenn Sie nicht Ihre Affären in Köln und Wuppertal
gehabt hätten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

So ist doch die Wahrheit. Das weiß jeder. Bestreiten Sie
nicht das, was jeder weiß, meine Damen und Herren!


(Ulrich Kelber [SPD]: Heute ist der 13., nicht der 11.11.!)


Das Dritte, für mich Wichtigste und eigentlich Ent-
scheidende ist meine und unsere Bitte, ist mein und unser
Appell als CDU/CSU-Fraktion an das Parlament: Hören
wir damit auf, die jeweilige Affäre des politischen Kon-
kurrenten zum vermeintlichen eigenen Vorteil zu instru-
mentalisieren! Hören wir mit dieser Haltung auf! Hören
wir damit auf, schon deshalb, weil es unter den Parteien
keine Gewinner gibt! Wir alle sind die Verlierer, wenn wir
versuchen, aus Verstößen, die beim politischen Gegner
vorkommen, für uns politisches Kapital zu schlagen. Wir
alle sind die Verlierer, weil die Bevölkerung dann sagt: Ihr
seid alle gleich. – Darum ist es unsere Aufgabe, Konse-
quenzen zu ziehen. Suchen wir nicht den kleinen politi-
schen Vorteil aus Verstößen, die das Vertrauen in die par-
lamentarische Demokratie erschüttern, sondern ziehen
wir Konsequenzen!

Darum müssen wir fragen, ob wir mit dieser Aktuellen
Stunde dieser Verantwortung gerecht werden.


(Sebastian Edathy [SPD]: Sie vielleicht nicht! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie hätten nicht reden müssen!)


Wenn diese Aktuelle Stunde vorbei ist, sollten wir einmal
überlegen, ob es eine gute Stunde war. Sie sind der Anfor-
derung, Konsequenzen zu ziehen, nicht gerecht geworden.
Schon der Titel dieser Aktuellen Stunde ist verräterisch.
Sie beantragen eine Aktuelle Stunde über mögliche Finanz-
zuflüsse. Sie rühren die Themen Finanzzuflüsse, Spekula-
tionen, Berichterstattungen und Antisemitismus zusam-
men.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist in der Tat eine brisante FDP-Soße!)


Sie beleidigen und machen mit dem Instrument der Spe-
kulationen Vorwürfe.

Die Informationen, die wir haben, kommen größten-
teils von der FDP selbst. Sie spekulieren, Sie reden über
Zeitungsartikel und Sie erheben Vorwürfe, ohne dass wir
den Sachverhalt überhaupt kennen. Die Angeklagten von
gestern schwingen sich heute als Ankläger auf, ohne dass
der Sachverhalt überhaupt schon feststeht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500929300

Herr Kollege Röttgen, kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1500929400

Sie haben heute keinen guten Beitrag dazu geleistet,

das Vertrauen in unsere Parteiendemokratie zu stärken.
Ich bedauere sehr, dass Sie diese Aktuelle Stunde bean-
tragt und wie Sie sie bislang gestaltet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500929500

Nächster Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kol-

lege Edathy, SPD-Fraktion.


Sebastian Edathy (SPD):
Rede ID: ID1500929600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-

lege Röttgen, es wäre sicherlich begrüßenswert gewesen,
wenn Sie zur Sache gesprochen hätten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Angelegenheit ist nämlich sehr gravierend. Die
FDP-Affäre, die die Republik seit Wochen beschäftigt, ist
zum einen – Herr Kollege Hofmann hat das deutlich ge-
macht – eine Frage des Brechens von Gesetzen. Sie of-
fenbart aber zum anderen etwas, was uns Demokraten
mindestens ebenso große Sorgen machen muss: Eine Par-
tei, die für das politische Spektrum der Bundesrepublik
von nicht geringer Bedeutung ist, die in zwölf von
15 Wahlperioden an der Bundesregierung beteiligt gewe-
sen ist, die aktuell in sechs Landesregierungen sitzt, eine
solche Partei, nämlich die FDP, hat in den letzten Jahren ei-
nen Weg eingeschlagen, der mit dem Begriff Beliebigkeit
keineswegs verkürzt, sondern hinreichend beschrieben ist.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Achjemine!)


Wenn eine gestandene liberale Politikerin wie unsere
frühere Kollegin Hildegard Hamm-Brücher erklärt – dies
ist jüngst geschehen –, die FDP sei nicht mehr ihre politi-
sche Heimat, dann unterstreicht dies: Jenseits einer ver-
bandsorientierten Wirtschaftspolitik verfügt die FDP über
keine inhaltliche Orientierung mehr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Gott sei Dank hat die Bundesregierung Orientierung in allen Fragen!)


Erst der Verlust an politischer Substanz, einhergehend
mit dem Verlust des bürgerrechtlichen Flügels der FDP,


(A)



(B)



(C)



(D)


510


(A)



(B)



(C)



(D)






konnte dazu führen, dass Ihre Partei, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der rechten Seite des Hauses, in eine Si-
tuation geraten ist, in der ein skrupelloser Populist wie
Jürgen Möllemann eine derartig zentrale Machtposition
erlangen konnte. Es mag ja so sein – Sie argumentieren
auch so –, dass Herr Möllemann die FDP zum Teil miss-
braucht hat. Aber – das muss man einmal öffentlich fest-
halten – diese FDP hat sich gerne missbrauchen lassen,
weil sie ihren inneren Kompass längst verloren hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Weil das so ist, haben wir es nicht mit einer
Möllemann-Affäre, sondern mit einer FDP-Affäre zu tun.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 18 Prozent sind teuer!)


Man wird erinnern dürfen: Dem Versuch von Herrn
Möllemann, antisemitische Befindlichkeiten zum Zwecke
des Gewinns von Wählerstimmen zu instrumentalisieren,
ist von der FDP-Führung lange Zeit nicht entschieden ent-
gegengetreten worden. Es wurde stattdessen beschwich-
tigt, verharmlost und bagatellisiert. Man muss sich das vor
Augen halten: Eine Partei, der Menschen wie Burkhard
Hirsch und Gerhart Baum angehören, eine Partei, der ein
Mensch wie Ignatz Bubis angehört hat, eine Partei, die sich
traditionell dem Ziel gewidmet hat, das Feuer des Antise-
mitismus, das Feuer der Intoleranz, das Feuer der Frem-
denfeindlichkeit zu löschen, hat es zumindest hingenom-
men und gebilligt, dass mit diesem Feuer gespielt wird,


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Eben nicht!)

weil das Ziel des Wahlerfolgs in ihren Augen offenkundig
alle Mittel zu rechtfertigen schien.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In dieser Angelegenheit haben die gesamte FDP und vor
allem ihr schwacher Vorsitzender versagt.

Zur Beliebigkeit der FDP gehört auch – ich ziehe das
nicht an den Haaren herbei –, sich in Hamburg an einer
Regierung unter Einschluss des Rechtspopulisten Ronald
Schill zu beteiligen.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ihr regiert doch mit der PDS!)


Man muss nicht dabei gewesen sein, als Herr Schill vor
der Bundestagswahl hier, im Bundestag, gesprochen hat,
um behaupten zu können: Die Tatsache, dass CDU und
FDP dafür sorgen, dass Herr Schill in Hamburg Regie-
rungsverantwortung tragen kann, ist ein Skandal für sich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dass die aktuelle Affäre nicht nur eine Möllemann-Af-
färe ist, zeigt auch ein Blick nach Hessen, wo Frau
Wagner, FDP-Landesvorsitzende, stellvertretende Minis-
terpräsidentin, Ministerin im Kabinett Koch, jüngst er-
klärt hat, Herr Möllemann müsse aus der FDP ausge-
schlossen werden, weil es offenkundig so ist, dass der
Landtagswahlkampf der FDP in Nordrhein-Westfalen aus
schwarzen Kassen finanziert worden ist.


(Zuruf von der FDP: Machen Sie sich da keine Sorgen!)


Dieselbe Frau Wagner hat allerdings keine Bedenken
gehabt, mit Roland Koch in Hessen eine Koalition einzu-
gehen, mit einem Mann, dessen Wahlkampf ebenfalls aus
schwarzen Kassen finanziert worden ist und der oben-
drein auch noch einen fremdenfeindlichen Wahlkampf
geführt hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das macht deutlich: Es tut sich bei einer Partei ein be-
fremdliches Rechtsstaatsverständnis auf, die sich selber
immer als Rechtsstaatspartei definiert hat und, wie ich
glaube, in der Vergangenheit auch nicht ganz zu Unrecht.

Lassen Sie es mich klar sagen, meine Damen und Her-
ren: Das Streben nach Regierungsverantwortung kann
man keiner Partei zum Vorwurf machen.


(Lachen bei der FDP – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Jetzt ein Wort zu RheinlandPfalz!)


Der Vorwurf, den sich die FDP gefallen lassen muss, ist
ein anderer, nämlich, dass sie offenkundig, um in Regie-
rungsverantwortung zu gelangen und zu bleiben, zu je-
dem beliebigen Mittel greift,


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

dass sie gewissermaßen auf dem Schiff des Herrn
Westerwelle den Kompass über Bord geworfen, das
Steuerrad abgebaut hat und sich nur noch vom Wind trei-
ben lässt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was machen denn Sie?)


Dazu kann man nur sagen: Wer sich als Partei nur noch
vom Wind des Populismus treiben lässt, kommt vielleicht
vorwärts, aber nicht mehr ans Ziel.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich abschließend sagen: Ich habe in den
letzten Wochen


(Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: Mit Herrn Trienekens nichts zu tun gehabt!)


sehr aufmerksam die Debatten hier im Bundestag ver-
folgt. Ich habe auch verfolgt, mit welcher Besserwisserei,
Häme und Verbissenheit die FDP diese Regierung kri-
tisiert hat.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist ihr Recht als Opposition!)


Wenn die FDP am 22. September wirklich die Wahl ge-
wonnen hätte, dann wäre die Situation dieses Landes, das
sich aufgrund der wirtschaftlichen Lage in einer schwie-
rigen Situation befindet, wirklich problematisch, denn
dann hätten wir jetzt eine massive Regierungskrise.


(Zuruf von der FDP: Die kriegen wir so auch! – Zuruf von der CDU/CSU: So haben wir Chaos!)


Sebastian Edathy




Sebastian Edathy
Es ist gut, dass uns dies erspart geblieben ist.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Oberlehrer!)

Die FDP sollte die Chance nutzen, sich in der Opposition
inhaltlich und personell zu erneuern und wieder zu politi-
scher Handlungsfähigkeit zu finden.

Lassen Sie mich abschließend feststellen: Ich habe
nicht die Sorge, dass der politische Liberalismus –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500929700

Herr Kollege, das ist jetzt die zweite abschließende

Feststellung von Ihnen, die wie die erste deutlich nach
Ende der Redezeit erfolgt.


Sebastian Edathy (SPD):
Rede ID: ID1500929800

– ein Satz – in Deutschland keine Zukunft mehr hat, ich

bezweifele aber, dass dessen Heimat in Zukunft die FDP
ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500929900

Bevor ich dem Kollegen Dr. Friedrich für die

CDU/CSU-Fraktion das Wort gebe, möchte ich noch ein-
mal darauf hinweisen, dass die Redezeit in Aktuellen
Stunden präzise fünf Minuten beträgt.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was fünf Minuten sind, bestimmt der Präsident!)



Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1500930000

Ich werde mich daran halten.Herr Präsident! Meine

Damen und Herren! Lieber Kollege Edathy, die Botschaft
ist angekommen: Jeder, der Ihre unfähige rot-grüne Re-
gierung kritisiert, wird mit rüpelhaftem Verhalten und Po-
lemik überzogen. Das haben wir alle verstanden. Das ist
unglaublich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD)


Sie haben das Koalitionsverhalten anderer Parteien
nicht zu kritisieren, weil Sie selber mit Kommunisten pak-
tieren. Das sollten Sie sich immer vor Augen halten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dirk Manzewski [SPD]: Was glauben Sie denn, was die Ost-CDU war?)


Gestatten Sie mir, dass ich mit einem Kompliment be-
ginne. Als vor vier Wochen die ersten Meldungen in der
Presse zu lesen waren – wo hat Möllemann das Geld für
sein Flugblatt her, steckt ein neuer Spendenskandal da-
hinter? –, da hatten viele, die den Möllemann vielleicht
nicht leiden können oder ihm alles Mögliche zutrauen, die
Unterstellung, dass da vielleicht doch etwas dran sein
könnte, für etwas starken Tobak gehalten. Mein Kompli-
ment an die Damen und Herren von der Presse, die hart-
näckig an der Sache drangeblieben sind: Sie haben sich in

den letzten vier Wochen dadurch, dass sie immer wieder
Fragen gestellt und nicht locker gelassen haben,


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das hat die Presse aufgeklärt, nicht die FDP!)


auch ein Stück weit um die Hygiene unseres politischen
Systems verdient gemacht. Das verdient, wie ich denke,
allergrößten Respekt.

Dass für solche Fragen inzwischen Sensibilität in un-
serem politischen System vorhanden ist, ist, wie ich
glaube, positiv. Wir haben das bei der CDU-Spendenaf-
färe, bei den Fällen von Korruptionsverdacht bei der SPD
und – in jüngster Zeit – auch bei der Bonusmeilenaffäre
kurz vor der Wahl gespürt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der CSU! Zimmermann!)


Auch wenn die Dinge sicherlich unterschiedlich zu ge-
wichten sind, gibt es hier doch eine Gemeinsamkeit. Die
Botschaft heißt nämlich: Nicht der Ehrliche ist der
Dumme, sondern der, der sich nicht an die Spielregeln und
an Gesetz und Recht hält, ist am Schluss der Dumme.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Der Schlauch sitzt aber auf der Regierungsbank!)


Ich finde, das ist ein positiver Aspekt, den man der ganzen
Sache auch abgewinnen sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Was einen aufregt, ärgert und nervt – dazu haben Sie,

lieber Kollege Hofmann, wieder beigetragen –, ist diese
unglaubliche Heuchelei, mit der jetzt versucht wird, diese
Affäre hochzuziehen und parteipolitisch zu instrumenta-
lisieren. Wer wie Sie so tief im Schlamassel sitzt – ich darf
noch einmal an Nordrhein-Westfalen, an Wuppertal und
Köln, erinnern –, der darf nicht mit dem Finger auf andere
zeigen, wahrlich nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich kann mich noch erinnern, Frau Wettig-Danielmeier,

Herr Neumann, dass das Prüfprotokoll der Revisoren der
SPD in Wuppertal, das bereits im Oktober 2000 vorlag,
Herrn Müntefering, der inzwischen Fraktionsvorsitzender
ist, ein Jahr später nicht davon abgehalten hat, sich in bo-
denloser Heuchelei moralisch über die CDU zu erheben.
Das ist Ihnen dann hinterher gewaltig um die Ohren ge-
flogen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Der hätte heute mal reden sollen!)


Beim Thema Möllemann stellt, wenn ich das der Zei-
tung richtig entnehme, die Staatsanwaltschaft kritische
Fragen,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ach, die Staatsanwaltschaft stellt Fragen? Seit wann ist es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Fragen zu stellen? Sie sind ein Verharmloser! Unglaublich!)


ermittelt der „Kommissar“ Rexrodt, wenn ich das Ihrem
neuen Titel so entnehmen darf, ist eine Auskunftsklage er-
hoben worden. Es wird also eigentlich alles getan, um die
Aufklärung voranzutreiben. Wenn Sie jetzt sagen, dabei


(A)



(B)



(C)



(D)


512


(A)



(B)



(C)



(D)






müsse noch weiter zurückgegangen werden, bis in die
90er- und die 80er-Jahre, dann frage ich Sie, Herr
Hofmann: Sind wir denn zurückgegangen bis zu Herrn
Nau und zu Herrn Halstenberg? Soll ich Ihnen die Proto-
kolle der Anhörung von Herrn von Brauchitsch vom Juni
2000 einmal vorlesen?


(Beifall bei der FDP)

Wollen wir aufgrund dessen einmal zurückgehen bei der
SPD?


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Haben Sie die Unterlagen?)


Dann viel Vergnügen! Frau Wettig-Danielmeier wird
schon ganz blass.

Worum geht es denn heute wirklich? Es gibt verschie-
dene Möglichkeiten. Vielleicht versucht ja Herr Beck,
eine neue Spielwiese für Herrn Ströbele zu finden, nach
dem Motto: Dann hat er was zu tun, dann stört er unsere
Kreise nicht mehr,


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Noch lieber wäre Herrn Beck, Herr Ströbele wäre gar nicht hier!)


dann stört er nicht mehr den unaufhaltsamen Selbstkas-
trationsprozess der Grünen.

Oder aber war es die Idee der SPD, diese Aktuelle
Stunde zu beantragen? Dann können wir über Nordrhein-
Westfalen, über Köln, über Trienekens, über Steinmüller
reden, dann kommen wir vielleicht auch in die Nähe Ihres
neuen Superministers. Wir können in diesem Zusammen-
hang über viele Dinge reden.

Oder aber geht es um etwas ganz anderes? Das habe ich
ein bisschen bei Ihnen gedacht, Herr Edathy, als Sie Frau
Wagner genannt haben und in ein anderes Bundesland,
nämlich Hessen, abgelenkt haben. Vielleicht versuchen
Sie ja, von der Unfähigkeit dieser Regierung, das Land
anständig und ordentlich zu regieren, abzulenken. Das
steckt vermutlich dahinter.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sebastian Edathy [SPD]: Sie können die Sachverhalte nicht auseinander halten! Das ist das Problem, Herr Kollege!)


Ich sage Ihnen: Es wird Ihnen kein zweites Mal gelin-
gen, monatelang den Schleier über Ihre Unfähigkeit zu le-
gen und in der Öffentlichkeit davon abzulenken, dass Sie
dieses Land in Grund und Boden regieren.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie sind eine peinliche Veranstaltung, Herr Friedrich! Worüber reden Sie eigentlich?)


Da können Sie mit einem Untersuchungsausschuss und
Aktuellen Stunden drohen, das wird Ihnen trotzdem nicht
gelingen.

Ich fordere an dieser Stelle

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Die FDP in Ruhe zu lassen, genau!)

die FDP auf, ihren Aufklärungskurs fortzusetzen und sich
nicht beirren zu lassen. Die Koalition fordere ich auf, bei

der nächsten Aktuellen Stunde über die wirklich aktuel-
len, wichtigen Probleme, die die Menschen im Land an-
gehen und betreffen, zu diskutieren, statt das Parlament
mit solchen Veranstaltungen aufzuhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500930100

Das Einhalten der Redezeit wird vielleicht etwas er-

leichtert, wenn sich die Anzahl der Zwischenrufe in über-
schaubaren Grenzen hält.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Die Leidenschaft muss ausbrechen können, Herr Präsident!)


– Dem will ich in keiner Weise im Wege stehen. Aber es
schadet ja nichts, wenn zwischen den Zwischenrufen die
Redner auch noch zu Wort kommen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nun hat der Kollege Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen,

das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/ CSU: Oh!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Herr Friedrich, Sie haben die Presse gelobt; dem kann ich
mich anschließen. Warum haben Sie dann aber nicht zum
Thema geredet


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Jawohl!)

und etwas darüber erzählt, wo eigentlich die Spenden-
blocks Ihres Kollegen Thomas Zimmermann in München
geblieben sind und welche Spenden er quittiert hat, die gar
nicht gegeben worden sind? Das hätte uns interessiert.
Ebenso hätte der Kollege Röttgen ein paar Sätze über
Leverkusen verlieren können und über die 130 000 Euro,
die dort jetzt in einer Kasse aufgetaucht sind und von de-
nen keiner weiß, woher sie kommen. Dafür treffen wir uns
hier und heute doch: damit wir der Öffentlichkeit und der
Bevölkerung diese Fragen beantworten. Dazu haben Sie
nichts beigetragen. Sie haben sich vielmehr wieder in ei-
ner Debatte verloren, die Sie selber immer wieder kriti-
siert haben.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Noch ein Zimmermann! Lauter Zimmermänner!)


Ich frage mich: Wo ist der Bundestagsabgeordnete
Möllemann eigentlich?


(Sebastian Edathy [SPD]: Westerwelle ist auch nicht da! – Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Herr Müntefering ist auch nicht da!)


– Der Kollege Westerwelle ist auch nicht da. – Ich be-
dauere außerordentlich, dass die Geschäftsordnung uns

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)





Hans-Christian Ströbele
keine Möglichkeit gibt, auch Bundestagsabgeordnete her-
beizuzitieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es wäre doch einmal etwas Hervorragendes, dass sie hier-
her kommen, wenn es um ihre Machenschaften geht, und
hier, vor dem deutschen Parlament, Rede und Antwort ste-
hen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Der Kollege Möllemann!)


– Ja, der Kollege Möllemann.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Mitglied des Deutschen Bundestages! Mitglied Ihrer Fraktion, Herr Gerhardt!)


– Herr Wiefelspütz, jetzt bin ich dran. Sie dürfen gleich.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Am 2. Dezember 1999, vor fast drei Jahren, habe ich

hier schon einmal gestanden. Das war zu dem Zeitpunkt,
als Herr Kollege Schäuble ein Geständnis abgelegt hat –
jedenfalls ein Teilgeständnis. Da habe ich meine Rede da-
mit angefangen, dass ich gesagt habe: Ich verstehe nicht,
wieso sich die FDP – damals vertreten durch Herrn
Koppelin – so auf die Seite der CDU stellt, warum sie sich
so schützend davor stellt. Des Weiteren habe ich gesagt,
dass ich am selben Tag im „Stern“ gelesen habe, dass auch
der Kollege Möllemann und noch ein anderer Geld be-
kommen haben sollen. Da ist Herr Westerwelle, der ja
heute leider nicht anwesend ist, aufgesprungen und hat
eine Zwischenfrage gestellt. In zwei Sätzen kam dreimal
das Wort Unverschämtheit vor, die er mir damals vorge-
worfen hat.

Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie damals das, was
der „Stern“ geschrieben hat und was ich im Deutschen
Bundestag erklärt habe, ernst genommen hätten, dann hät-
ten Sie sich schon damals hingesetzt und hätten angefan-
gen, die Affäre Möllemann aufzuklären. Dann wäre uns
und dem deutschen Volk viel erspart geblieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP])


– Wenn Sie es immer noch nicht gelesen haben: Da steht,
dass Herr Möllemann seinerzeit nicht nur den Panzerdeal
mit Saudi-Arabien gefördert hat und die Firma Thyssen
damals so lange mit dem Panzerdeal gewartet hat, bis
Möllemann Wirtschaftsminister geworden ist, sondern
dass auch die FDP in Nordrhein-Westfalen damals über
300 000 DM bekommen haben soll, und zwar nicht in den
80er-Jahren, sondern 1994 im Zusammenhang mit diesem
Panzerdeal. Wären Sie doch einmal dieser Sache nachge-
gangen! Aber das haben Sie nicht gemacht.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Sie haben doch verzichtet, ihn als Zeugen zu holen!)


Jetzt versuchen Sie aufzuklären und alle loben den
Kollegen Rexrodt. Ich sage ganz ungeschützt im Deut-
schen Bundestag: Herr Kollege Rexrodt, ich habe auch

bei Ihnen Zweifel, ob Sie der geeignete Mann sind, eine
solche Affäre aufzuklären.


(Widerspruch bei der FDP – Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)


Denn ich weiß, Herr Kollege Rexrodt, dass Sie im Jahre
1995, unter der Regierung Kohl – da waren Sie Minister –,
mit nach Kanada gefahren sind und sich bei der damali-
gen Regierung vehement für das Panzerprojekt von Herrn
Schreiber, das Bearhead-Projekt, eingesetzt haben.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: So ein Quatsch!)

Ich frage mich: Was haben die Zahlungen an die FDP in
den Jahren darauf – gerade auch an den Landesverband in
Nordrhein-Westfalen, wo wir jetzt nicht wissen, aus wel-
chen Mitteln der letzte Landtagswahlkampf finanziert
worden ist – mit diesen Unterstützungshandlungen etwa
des Kollegen Rexrodt zu tun?


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Mein Gott! – Weitere Zurufe von der FDP)


Die Affäre des Kollegen Möllemann ist genauso wenig
eine Affäre nur des Kollegen Möllemann, wie das System
Kohl nur ein System des ehemaligen Abgeordneten und
Bundeskanzlers Kohl war. Vielmehr ist die Affäre des
Kollegen Möllemann eine Affäre der FDP.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das kann nicht Herr Möllemann alleine gewesen sein, der
in 158 Bankfilialen erschienen ist und dort Geld einge-
zahlt hat. Da waren noch mehr Leute am Werk. Es ist rich-
tig und wichtig, dass Sie ihn verklagen. Aber warum las-
sen Sie die anderen alle außen vor?


(Ina Lenke [FDP]: Welche anderen?)

Dieses System stinkt weiter. Dieses System stinkt auch

in die Vergangenheit. Es hat sich nicht nur ausgewirkt
etwa bei dem Flugblatt kurz vor der letzten Bundestags-
wahl, sondern, wie wir inzwischen wissen, wahrschein-
lich auch im Jahr der Landtagswahl in Nordrhein-West-
falen, als sich Herr Möllemann seinerzeit den glorreichen
Sieg auf seine Fahnen geschrieben hat.

Wir wollen von Ihnen wissen: Woher kommt dieses
Geld? Es gibt den dringenden Verdacht, dass dieses Geld
aus arabischen Quellen gekommen ist.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Kommen Sie doch mal mit Infos!)


Das haben nicht nur Zeitungen berichtet, sondern das er-
gibt sich möglicherweise – auch ich weiß nichts Näheres –


(Lachen bei der FDP – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das ist der Punkt!)


aus den engen Connections des Kollegen Möllemann und
der FDPhin in den arabischen Raum. Schließlich war Herr
Möllemann derjenige, der bereits Anfang der 90er-Jahre
arabischen Wünschen etwa nach Waffenlieferungen im
großen Umfang entsprochen hat.

Solange Herr Möllemann nicht sagt, woher er das Geld
hat, ist jede Spekulation, auch in diese Richtung, begrün-
det. Wenn sein antisemitisches Flugblatt mit arabischen


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Geldern finanziert worden ist, dann ist der Skandal voll-
ständig.


(Zurufe von der CDU/CSU: Was haben Sie in Israel gesagt, Herr Ströbele? Sie haben es gerade nötig! – Heuchler!)


Deshalb: Es muss sofort und vollständig aufgeklärt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500930200

Das Wort hat der Kollege Thomas Strobl, CDU/CSU-

Fraktion.


Thomas Strobl (CDU):
Rede ID: ID1500930300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Lassen Sie mich in aller Ruhe drei Bemerkungen ma-
chen.

Erstens. Die Geschehnisse um den FDP-Politiker
Möllemann sind äußerst bedauerlich, nicht nur für die
FDP, sondern für die Demokratie und ihre Institutionen
insgesamt. Wieder einmal nimmt die Politik Schaden und
es besteht die Gefahr, dass das Vertrauen der Bevölkerung
insgesamt Schaden nimmt.

Zweitens. Die FDP-Führung hat freilich zugesagt,
möglichst alles aufzuklären. Ich habe derzeit durchaus
den Eindruck, dass dies ernst gemeint ist und dass sie wil-
lens ist, eine entsprechende Auskunft sogar gerichtlich
einzuklagen.

Drittens. Natürlich muss die Staatsanwaltschaft ihre
Pflicht tun. Sie hat mögliche strafrechtliche Verfehlungen
zu untersuchen und gegebenenfalls anzuklagen. Ich habe
auch hier keinen Zweifel, dass die Staatsanwaltschaft ihre
Aufgabe erfüllt. Ich weiß nicht, was es hierzu in einer Ak-
tuellen Stunde zu debattieren gäbe.


(Sebastian Edathy [SPD]: Ist ja interessant! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das gehört also nicht ins Parlament? Wir reden darüber gar nicht?)


– Eine Aktuelle Stunde sollte eine Aussprache über ein
Thema von allgemeinem aktuellen Interesse sein, Herr
Wiefelspütz.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was denn sonst?)


Die Frage ist daher, ob das heutige Thema von allgemei-
nem Interesse ist – der eine oder andere Debattenbeitrag
hat diesbezüglich zu Zweifeln Anlass gegeben – oder ob
es sich um ein sehr durchsichtiges Manöver handelt, um
von den wahren Problemen in unserem Land und von der
tiefen Krise, in der sich unser Land befindet, abzulenken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sebastian Edathy [SPD]: Ach so, wir haben das erfunden?)


Offensichtlich geht es der SPD darum – Ihnen verdan-
ken wir ja die Aktuelle Stunde –,


(Sebastian Edathy [SPD]: Bitte schön!)


vom kompletten Chaos der ersten rot-grünen Regierungs-
wochen in Ihrer zweiten Legislaturperiode abzulenken.
Draußen demonstrieren die Menschen, die durch die ka-
tastrophale Politik der Bundesregierung in Bedrängnis
geraten sind,


(Sebastian Edathy [SPD]: Zur Sache, bitte!)

für den Fortbestand ihrer nackten Existenz und gegen die
rot-grüne Politik für höhere Steuern und höhere Abgaben.
Aber die SPD eröffnet wieder einmal einen Nebenkriegs-
schauplatz, indem sie diese Aktuelle Stunde beantragt hat,
die in keiner Weise auf Erkenntnisgewinn zielt, sondern
lediglich dazu geeignet ist, von den wahren Problemen
dieses Landes und der Unfähigkeit von Rot-Grün, sie zu
lösen, abzulenken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD,

wenn Sie schon mit einem so hohen moralischen An-
spruch auf andere herabsehen, dann sollten Sie diese mo-
ralische Messlatte an sich selbst anlegen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

nach dem Motto: Ein jeder kehr’ vor seiner Tür und sau-
ber ist das Stadtquartier.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber bei der CDU liegt immer noch etwas!)


Übrigens: Gegen wie viele Oberbürgermeister aus den
Reihen der SPD laufen eigentlich gerade Ermittlungsver-
fahren wegen Betruges, wegen Untreue und wegen Be-
stechlichkeit?


(Sebastian Edathy [SPD]: Können wir von Ihnen noch etwas zur Sache hören?)


Wo sind denn die Aufklärer in der SPD, wenn es um den
Genossenfilz in Nordrhein-Westfalen, in Bremen, in
Schleswig-Holstein oder wo auch immer geht?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch des Abg. Sebastian Edathy [SPD])


Wer im Glashaus sitzt, verehrter Herr Kollege Edathy, der
sollte nicht mit Steinen werfen, schon gar nicht, wenn er
wie Sie in die Nähe von Felsbrocken geraten ist.


(Sebastian Edathy [SPD]: Ach du meine Güte!)


In Köln ist die SPD in einen Korruptions- und Spen-
denskandal verwickelt.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum reden Sie nicht über die FDP? Das mit Möllemann interessiert Sie gar nicht!)


Namhafte Vertreter der SPD sollen über Scheinfirmen
Schmiergelder in Millionenhöhe erhalten haben. Gegen
38 Kölner SPD-Politiker ermittelt die Staatsanwaltschaft
wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, der Un-
treue, der Beihilfe zum Betrug usw.

Als weitere Beispiele nenne ich den Saarbrücker Ober-
bürgermeister Hajo Hoffmann von der SPD, der wegen

Hans-Christian Ströbele




Thomas Strobl (Heilbronn)

Untreue in zwei Fällen vom Amtsgericht Saarbrücken zu
einer Geldstrafe verurteilt worden ist, der aber immer
noch im Amt ist, und weiter die Korruptionsaffäre der
Landesregierung in Schleswig-Holstein, bei der es eben-
falls um Kreditbetrug, Steuerhinterziehung, Bestechlich-
keit usw. geht. Es gibt weitere Affären in Gladbeck, Reck-
linghausen und Mülheim. Sie alle aufzuführen, dazu
reicht die Zeit nicht.


(Sebastian Edathy [SPD]: Wovon reden Sie eigentlich?)


Bei Matthäus steht geschrieben: „Was siehst du aber
den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht ge-
wahr des Balkens in deinem Auge.“


(Sebastian Edathy [SPD]: Sie sehen gar nichts mehr!)


Ich kann Ihnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, nur raten: Hören Sie auf, ständig
Fehler bei anderen zu suchen und anzuprangern, solange
Sie nicht bereit sind, eigene Fehler einzuräumen!


(Sebastian Edathy [SPD]: Das ist ja nicht zu glauben! Eine Bagatellisierung ersten Grades!)


Hören Sie auf, ständig den Versuch zu unternehmen, von
den wahren Problemen dieses Landes abzulenken!


(Sebastian Edathy [SPD]: Frechheit!)

Produzieren Sie keine Scheindebatten und Nebenkriegs-
schauplätze!


(Sebastian Edathy [SPD]: Scheindebatte, interessant!)


Wenden Sie sich vielmehr den Problemen dieses Landes,
der Arbeitslosigkeit, der steigenden Staatsverschuldung,
dem mangelnden Wirtschaftswachstum und der Bedro-
hung der inneren Sicherheit, zu! Tragen Sie damit dazu
bei, dass die Bürgerinnen und Bürger insgesamt wieder
mehr Vertrauen in die Politik gewinnen! Wenn jeder bei
sich selbst anfängt, wenn jeder seine Aufgaben wahr-
nimmt,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie mal Ihre! – Sebastian Edathy [SPD]: Ihre Aufgabe wäre es eigentlich, zum Thema zu sprechen!)


dann – aber auch nur dann – kann uns das gemeinsam
glaubhaft gelingen.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500930400

Nächste Rednerin ist die Kollegin Fograscher, SPD-

Fraktion.


Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1500930500

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Fast drei Jahre lang hat sich der Untersuchungsaus-
schuss der vergangenen Legislaturperiode mit illegalen

Parteispenden und der möglichen Beeinflussung staat-
lichen Handelns durch finanzielle Zuwendungen an
Amtsträger, Parteien oder Institutionen befasst. Zwar
wurde der Abschlussbericht des Untersuchungsausschus-
ses noch vorgelegt; doch war uns allen klar, dass die Auf-
klärung nicht zu Ende ist. Zu viele Fragen blieben offen.
Es ist und bleibt natürlich von aktuellem Interesse, diesen
Fragen weiterhin nachzugehen.

Dazu haben Sie, Herr Röttgen, Herr Friedrich und Herr
Strobl, nichts gesagt. Woher kam denn das Geld, das sich
in den schwarzen Kassen von Helmut Kohl befand?


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Sagen Sie doch etwas dazu!)


Zu welchem Zweck wurde es gezahlt? Von wem kam es
und wie wurde es verwendet?


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das sind ja ganz neue Fragen!)


Schien die Flugblattaffäre um Jürgen Möllemann
zunächst eine regional begrenzte und auf den FDP-Lan-
deschef beschränkte Affäre zu sein, zieht das Ganze in-
zwischen weitere Kreise. Obwohl Herr Rexrodt und Herr
Westerwelle angeblich alles zur Aufklärung tun, fühlen
wir uns stark an die Machenschaften von Kohl, Kiep und
Co erinnert.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Besonders aktueller Beitrag!)


„Spur nach Liechtenstein“ – so der „Spiegel“ in seiner ak-
tuellen Ausgabe. Er bringt ebenso wie die Steuerfahndung
in Düsseldorf Altbekanntes in Verbindung mit
Möllemann. Sie bleiben mit Ihrer Aufklärung im Jahre
2000 stecken. Sie müssen aber weiter zurückgehen: Sie
müssen den Deal mit den Fuchs-Spürpanzern und
Möllemanns Kontakte nach Saudi-Arabien untersuchen
und Sie müssen nachschauen, was er mit der Briefkasten-
firma Great Aziz zu tun hat.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: So ist es!)

Auch der Umgang mit ominösen Geldern ist altbe-

kannt. Zunächst werden die Geldgeber verschleiert oder
nicht genannt – Helmut Kohl lässt grüßen.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Köln lässt grüßen!)


Dann wird das Geld für zweideutige Kampagnen im
Wahlkampf genutzt – Roland Koch lässt grüßen – und in
Hessen tut die FDP alles, um an der Macht zu bleiben, und
wenig dazu, um aufzuklären.

Es gibt noch mehr Parallelen: Jürgen Möllemann ent-
wickelt sich immer mehr zum nordrhein-westfälischen
Helmut Kohl unter einem angeblich liberalen Deckmän-
telchen.


(Ina Lenke [FDP]: Jetzt reicht es aber!)

Möllemann hat die FDP zu seiner eigenen Profilierung
ebenso instrumentalisiert, wie Helmut Kohl es mit der
CDU getan hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



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Die FDPhat Möllemann viel zu lange gewähren lassen, so
wie es auch die CDU mit Helmut Kohl getan hat.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Möllemann ist die FDP! – Zuruf von der CDU/CSU: Müntefering!)


Die FDP versucht, diese Affäre als Einmannstück darzu-
stellen. Dies hat sie von der CDU gelernt.

Es ist wahr: Kein noch so gutes und strafbewehrtes Par-
teiengesetz kann verhindern, dass Einzelne mit entspre-
chender krimineller Energie Vorschriften zu umgehen
versuchen. Aber differenzieren sollte man schon, wenn
man sich die einzelnen Affären anschaut. Es macht zwar
strafrechtlich keinen Unterschied, ob ein Bundeskanzler
während seiner Amtszeit, ob ein Jürgen W. Möllemann als
amtierender Landes- und Fraktionsvorsitzender und
Landtags- und Bundestagsabgeordneter oder ob ein Kom-
munalpolitiker gegen das Parteiengesetz verstößt.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jetzt meint sie die Kölner!)


Aber politisch ist das auf keinen Fall gleichzusetzen. Herr
Strobl, Herr Friedrich, mit Ihrem andauernden Versuch ei-
ner Gleichsetzung


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das gefällt Ihnen nicht, das ist schon klar!)


drücken Sie sich vor Ihrer politischen Verantwortung. Das
haben Sie im Untersuchungsausschuss stets getan.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Nehmen Sie doch einmal Ihre Verantwortung wahr!)


Es macht auch einen Unterschied, ob mit Geldern du-
bioser Herkunft eine Kommunalwahl oder eine Landtags-
oder gar Bundestagswahl beeinflusst werden soll.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Den Unterschied müssen Sie uns mal erklären!)


„Transparenz gegen politische Korruption“ – unter dieser
Überschrift zitiert der Abschlussbericht des Parteispen-
den-Untersuchungsausschusses den Bericht des Flick-Un-
tersuchungsausschusses.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jetzt sind wir ganz aktuell!)


Ich zitiere:
Politische Parteien und deren Repräsentanten, insbe-
sondere wenn sie in politischen Spitzenämtern Verant-
wortung tragen, wirken in der auf Rechtstaatlichkeit
gründenden parlamentarischen Demokratie prägend
auf den Umgang mit Verfassung und Gesetzen.

Weiter heißt es: Sie tragen
besondere Verantwortung dafür, dass die Bürgerin-
nen und Bürger hinlängliche Sicherheit für korrektes
staatliches Handeln haben.

Sorgen Sie von Union und FDP für Aufklärung und
Transparenz! Ziehen Sie endlich die Konsequenzen, an-
statt sie nur anzukündigen!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500930600

Ich erteile das Wort dem Kollegen Günter Rexrodt für

die FDP-Fraktion.


Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1500930700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich

möchte die Vorgänge um die Spendenpraxis in Nord-
rhein-Westfalen – wenn man es genau betrachtet: im un-
mittelbaren Umfeld von Jürgen Möllemann – hier in kei-
ner Weise bagatellisieren. Ich möchte sie auch gar nicht
relativieren,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Aber?)

etwa unter Hinweis auf die Vorgänge in anderen Par-
teien. Aber ich möchte, wenn das erlaubt ist, an diesem
Pult ein Stück Betroffenheit über die Kolleginnen und
Kollegen von der SPD äußern. Die stellen sich hier hin
und schlagen um sich: Sie hauen auf die Union und auf
die FDP ein – mit Vorgängen, die man politisch beim Na-
men nennen muss, die man auch geißeln kann und auf-
arbeiten muss –, haben dann aber nicht die Fairness und
die Kraft,


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Auch nicht den Anstand!)


vor ihrer eigenen Tür zu kehren, ja, vermeiden es, ihre ei-
genen Verfehlungen und Skandale überhaupt nur zu er-
wähnen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Sebastian Edathy [SPD]: Ich dachte, Sie wollen nicht relativieren, Herr Kollege!)


Das macht mich fassungslos. Wie kann ein Abgeordneter,
wie eine Abgeordnete des Deutschen Bundestages auf die
beiden genannten Parteien losprügeln und gleichzeitig so
tun, als sei in den eigenen Reihen überhaupt nichts pas-
siert? Sie legen hier eine Chuzpe an den Tag und eine
Schamlosigkeit, die verwundert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich möchte für meine Partei und für meine Person

mit Entschiedenheit das zurückweisen, was Sie, Herr
Hofmann, am Anfang gesagt haben, nämlich dass es am
Willen fehle, diese Dinge gründlich aufzuarbeiten.


(Sebastian Edathy [SPD]: Frau Flach zum Beispiel konnte sich erst sehr spät erinnern!)


– Herr Edathy, dass Sie mit langer Vorbereitungszeit da-
ran gearbeitet haben, heute eine Rede zu halten, in der Sie
sich auch persönlich profilieren können,


(Sebastian Edathy [SPD]: Was Ihnen ja völlig fremd ist!)


haben wir alle gemerkt.

(Sebastian Edathy [SPD]: Ach du meine Güte!)

Es ist Ihnen ja auch bedingt gelungen.

Ich sage mit aller Deutlichkeit: Wir sind nie getrieben
worden. Wir waren es, die über die Spendenvorgänge in-
formiert haben und an die Öffentlichkeit gegangen sind,

Gabriele Fograscher




Dr. Günter Rexrodt
ohne von einer Staatsanwaltschaft dazu gezwungen oder
von Journalisten dazu gedrängt worden zu sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind diejenigen gewesen, die von sich aus den Bun-
destagspräsidenten informiert haben. Wir sind an die Presse
gegangen und haben immer wieder Daten, Fakten, rele-
vante Erkenntnisse an die Öffentlichkeit gebracht,


(Zuruf von der SPD: Wie war das mit dem Flugblatt?)


weil wir der Meinung sind, dass der Bundestagspräsident,
das Parlament, die Menschen ein Anrecht haben, um diese
Vorgänge zu wissen und sie aufbereitet zu bekommen.
Eine solche Gründlichkeit, eine solche Offenheit – ich
sage auch: eine solche Ehrlichkeit – hat es bisher bei kei-
ner anderen Partei gegeben.


(Beifall bei der FDP – Sebastian Edathy [SPD]: Sehr bescheiden, Herr Rexrodt!)


Ich habe in dieser Angelegenheit – zusammen mit mei-
nen Kollegen, die das vor Ort in Düsseldorf bearbeiten –
hier und anderswo alles gesagt, was ich weiß.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Können Sie auf den Teppich zurückkehren, Herr Rexrodt?)


Wenn es relevante Tatbestände gäbe, die zu wissen sich
lohnt, dann werde ich sie der Öffentlichkeit zur Kenntnis
bringen. Bei uns ist ein Aufklärungswille vorhanden, der
in anderen Parteien seinesgleichen sucht.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Und wo ist das Ergebnis?)


– Das Ergebnis haben wir noch nicht.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wann?)


Wenn Sie – damit komme ich zum zweiten Punkt – Er-
kenntnisse haben, die hilfreich sind, um die Spender zu
finden und die Hintergründe aufzuklären, dann teilen Sie
das mit.


(Zuruf von der FDP: Ja, sagen Sie sie doch!)

Der Weltmeister in diesen Dingen ist Herr Ströbele mit

Verdächten und der großen Keule. Im Hintergrund waren
Panzer und dieses und jenes.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, waren sie auch!)


Herr Ströbele, das haben Sie ja drauf und wir brauchen im
Parlament auch solche Leute.


(Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht zu viele! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist aber großzügig!)


Aber nur mit Verdächten zu arbeiten und nur Begriffe in
den Raum zu stellen, ohne etwas zu wissen und ohne Er-
kenntnisse zu haben – wenn Sie diese hätten und uns nicht
mitteilten, dann wäre das ein Versäumnis, Herr Ströbele –,
ist eine billige Methode der parlamentarischen Auseinan-
dersetzung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nähren Sie keine Verdächte!
Dann stellt sich Herr Ströbele auch noch hin und sagt:

Der Kollege Rexrodt ist nicht der Richtige, um das auf-
zuklären, weil er 1995 in Kanada über den Panzer ver-
handelt hat.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Was war denn in Kanada?)


Herr Ströbele, mit Kanada und anderen Verbündeten ver-
handelt Ihre Regierung jeden Tag über wehrtechnischen
Austausch, über Exporte und Importe.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht über schreibersche Panzer!)


Nun möchte ich Ihnen eins sagen, Herr Ströbele:

(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Hören Sie doch einmal zu! – Ich habe bei dieser Reise
nie ein Wort oder eine Bemerkung oder auch nur ein Au-
genzwinkern darauf verwendet, über dieses Projekt, das
Sie ansprechen, in Kanada zu verhandeln.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht aber im Bericht von Herrn Kohl!)


Nehmen Sie das zur Kenntnis oder prüfen Sie es nach!
Kommen Sie nicht dauernd mit Verdächten! Kommen Sie
mit Fakten! Helfen Sie uns aufzuklären!


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Nun zum letzten Punkt: Ich komme zum schäbigen

Versuch von Herrn Beck und in besonders persönlich pro-
filierter Form von Ihnen, Herr Edathy, unsere Partei nun
in die Ecke zu stellen als eine Partei, die über diese Affäre
ihre Seele verloren und ihre Programmatik aufgegeben
hat. Als ob die Menschen draußen Ihnen das abnehmen
würden! Das ist ein unverzeihlicher und über alle Maßen
bedauerlicher Vorgang. Aber von diesem Vorgang haben
wir uns als gesamte Partei durch entschlossenes Auftreten
und durch unseren Wahlkampf immer distanziert. Wir
sind eine Partei der Weltoffenheit.


(Zuruf von der SPD: Genau!)

Wir sind eine Partei der Toleranz. Wir sind kosmopoli-
tisch und offen.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Wer schreit, ist im Unrecht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als ob Sie nicht wüssten, dass wir eine andere Partei

sind als die, zu der Sie uns durch diese Affäre machen wol-
len! Die Affäre ist schlimm genug; aber unsere liberale
Partei, die FDP, war und bleibt das, was sie immer war.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Ahnungslos wie immer!)



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Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500930800

Nächster Redner ist der Kollege Montag für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1500930900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie, Herr

Rexrodt, versuchen, eine Spendenaffäre in Ihrer Partei
aufzuklären. Ich werfe Ihnen, solange ich keine Beweise
habe, nicht vor, dass Sie das nicht richtig und nicht voll-
ständig machen würden. Aber es ist etwas scheinheilig,
wenn man so tut, als ob man einen Anlass gebraucht hätte
– über den Anlass werde ich noch reden –, um sich über-
haupt Gedanken über die Spenden an die FDP zu ma-
chen.

Im Rückblick auf die Bundestagswahl sage ich Ihnen:
Der Bundestagswahlkampf der FDP war mit dem Geld
der FDP nie zu finanzieren. Das weiß ich deswegen, weil
ich als Landesvorsitzender der bayerischen Grünen – die
Größenordnungen sind hierbei ungefähr gleich – selber
für einen Bundestagswahlkampf politisch und auch fi-
nanziell verantwortlich war. Deswegen weiß ich, was man
mit dem Geld, das man offiziell hat, machen kann und was
nicht. Mir jedenfalls war klar, dass Ihr Wahlkampf von
Ihrem Geld nicht zu finanzieren war. Das konnte nur
durch Schulden oder Spenden geschehen.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist nichts Verbotenes!)


Diese Millionenspenden – die haben Sie in Nordrhein-
Westfalen augenzwinkernd eingesteckt und sich gedacht,
Herr Möllemann sei so ein toller Spendeneintreiber –
wären für Sie Anlass gewesen, sich von Anfang an inner-
parteilich um Ihr Spendenwesen zu kümmern. Hätten Sie
das getan, bräuchten Sie jetzt nicht in den Einwohner-
meldeämtern in Nordrhein-Westfalen mühsam nach ir-
gendwelchen Scheinadressen zu suchen, dann hätten Sie
das von vornherein klären können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will zu diesem Anlass – es fängt immer mit einer
kleinen Sache an und wird dann zu einer Lawine – nur
Folgendes sagen: Die Deutsche Post hat einen Fehler ge-
macht und hat von einem falschen Konto ein paar Milli-
onen Mark abgezogen.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Quatsch!)

– Genau so ist es gewesen. Herr Möllemann hat dann
plötzlich gemerkt, dass es von seinem Privatkonto abgeht.
Damit ist die ganze Lawine überhaupt erst ins Rollen ge-
kommen.

Aber schon nach einigen Tagen erkennen wir – ver-
schließen Sie als Wirtschaftspartei doch nicht die Augen
vor folgenden Fakten –: Es wird nur ein paar Tage lang
untersucht und schon tauchen auf: Liechtenstein, Konten
von Treuhändern, Firmen, die nur Briefkastenfirmen sind.
Der Name eines Great Aziz taucht auf. Es gibt ein Schar-
nier zwischen diesen Fakten, die wir alle kennen, und
dem, was in einem anderen Untersuchungsausschuss
schon besprochen worden ist, nämlich Herrn Schreiber.

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass dieses Scharnier
besteht.

Vielleicht interessiert dies die Staatsanwaltschaft nicht,
aber uns im Parlament interessiert schon, welche Verbin-
dungen es über dieses Scharnier zwischen dem Waffen-
handel bis in den arabischen Raum hinein und Ihrer Par-
tei mit Herrn Möllemann gegeben hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sie sprechen aber von Fakten?)


– Diese wenigen Fakten, die wir haben,

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Welche haben Sie denn?)

reichen schon aus, um sich Gedanken zu machen. Die
sollten Sie sich machen.

Herr Rexrodt, ich will zum Inhalt des Flugblattes
zurückkommen,


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Erst einmal die Fakten!)


das Ausgangspunkt der ganzen Geschichte gewesen ist.
Auch dies interessiert die Öffentlichkeit und interessiert
uns. In diesem Flugblatt sind zwei Menschen abgebildet
worden, Herr Scharon und Herr Friedman, ein Israeli
und ein Deutscher. Beide haben mit dem Bundestags-
wahlkampf der FDP überhaupt nichts zu tun gehabt


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Vielleicht doch!)


und wurden benutzt – ich sage: sie wurden missbraucht –,

(Sebastian Edathy [SPD]: Allerdings!)


um mit diesem Flugblatt zwei Topoi, zwei Idiome zu be-
dienen. Das erste Idiom ist: Man muss in Deutschland
endlich wieder einmal etwas sagen dürfen; als ob dies in
Deutschland nicht möglich wäre. Das zweite ist vorder-
gründig angeblich eine Kritik an der israelischen Regie-
rung. Geht man aber tiefer, stellt man fest: Es ist sozusa-
gen das Idiom dafür, dass man Juden in Deutschland nicht
kritisieren dürfe, und dies sollte man endlich wieder tun
dürfen.

Dafür haben Sie bei der Bundestagswahl ein respek-
tables Ergebnis bekommen. Ich hätte Ihnen ein schlechte-
res Ergebnis gewünscht. Sie haben dieses Ergebnis er-
zielt, weil Sie den rechten Rand bedient haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deswegen liegt für mich über die Spendenaffäre hinaus
der tiefere Sinn einer solchen Stunde und einer solchen
Debatte darin zu erkennen, dass die FDP radikal nach
rechts in eine antisemitische Ecke gerutscht ist. Deswe-
gen ist Frau Hamm-Brücher aus Ihrer Partei ausge-
treten, und deswegen sage ich zum Schluss: Wir sollten
darüber aufklären, wo diese Partei, die einst für Rechts-
staatsliberalismus gestanden hat, heute angekommen
ist, nämlich am rechten Eck der Gesellschaft, weil
Sie Herrn Möllemann allzu lange haben gewähren las-
sen.




Jerzy Montag

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500931000

Letzte Rednerin in der Aktuellen Stunde ist die Kolle-

gin Dorothee Mantel. – Nein? Entschuldigung, es spricht
danach noch der Kollege Wend. Dies wäre mir wegen des
virtuosen Umgangs des Kollegen Wiefelspütz mit seiner
angemeldeten Rede fast entgangen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wiefelspütz traut sich nicht! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Seien Sie doch froh, dass ich Ihnen erspart geblieben bin!)


Gleichwohl hat zunächst die Kollegin Mantel das Wort.
Bitte schön.


Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1500931100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten

Sie mir zunächst ein persönliches Wort, bevor ich mit
meiner Rede beginne. Dies ist meine erste Rede im Deut-
schen Bundestag. Es ist für mich keine Selbstverständ-
lichkeit, heute hier zu stehen. Es macht mich unheimlich
stolz und ich freue mich sehr, dass ich heute hier sein darf.
Ich hätte es mir allerdings gewünscht, zu einem anderen
Thema sprechen zu können, aber dies kann man sich lei-
der nicht aussuchen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf von der SPD: Sie Arme!)


Ich bin etwas verwundert, dass die alte und leider auch
neue Koalition mit dieser Debatte ganz offensichtlich von
den wirklich wichtigen Fragen in unserem Land ablenken
will.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ist es!)


Ich habe ursprünglich gedacht, dass sich der Deutsche
Bundestag mit der Lösung der wirklich wichtigen Pro-
bleme unseres Landes beschäftigt. Ich habe heute in der
„FAZ“ die Prognose eines Wirtschaftsforschers gelesen,
dass allein durch den Anstieg der Beiträge zur Rentenver-
sicherung und zur Krankenversicherung 100 000 Stellen
verloren gingen.


(Zuruf von der SPD: Nun sprechen Sie doch zu einem anderen Thema, als Sie sollten!)


Diese Nachricht ist kein Zufall, sondern symptomatisch
für jeden Tag der letzten Wochen. Die Probleme in
Deutschland sind die Rentenversicherung, der Arbeits-
markt, das Gesundheitssystem, die Konjunktur und der
Haushalt. Meine Generation verlangt in diesen Bereichen
nach Antworten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Da reicht es nicht, wenn Sie die mehr als berechtigten

Proteste in Ihren eigenen Reihen beseitigen, indem Sie die

hundertste Kommission zur Besänftigung beschäftigen.
Die Generationengerechtigkeit ist ein Thema, über das
wir hier und heute debattieren sollten.


(Sebastian Edathy [SPD]: Das machen wir aber nicht!)


Sie nutzen jede noch so kleine Gelegenheit, um von den
richtigen Problemen abzulenken. Da greifen Sie nach je-
dem Strohhalm.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)


– Ich habe von Kollegen aller Fraktionen einmal gehört,
dass es üblich sei, bei der ersten Rede eines neuen Kolle-
gen nicht dazwischenzurufen.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die haben halt keinen Anstand!)


Das war wohl früher einmal so, als wir noch an der Re-
gierung waren. Jetzt scheint der Umgang miteinander an-
ders geworden zu sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich

habe kein Verständnis für Gesetzesverstöße. Ich bin froh,
dass das Parteiengesetz in der vergangenen Wahlperiode
gemeinsam auf eine neue Basis gestellt wurde. Es steht
also außer Frage, dass nach Aufklärung der Tatsachen
auch in dem jetzigen Fall entsprechende Konsequenzen
gezogen werden müssen. Aber dies hat die FDP in aller
Deutlichkeit getan. Sie hat uns alles erklärt. Ich wünsche
mir also, dass wir hier jetzt andere Sachen besprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aus meinen Gesprächen mit Bürgern vor Ort weiß ich,

dass solche Vorgänge wie der jetzt zur Debatte stehende
das Vertrauen zwischen den Wählern und uns, den Ge-
wählten, zerstören und zu Politikverdrossenheit führen.
Ich weiß aber auch, dass es richtig ist, sich in Parteien und
Parlamenten für das Gemeinwohl einzusetzen. Ich lasse
mir mein persönliches Engagement in der Politik durch
solche Affären nicht kaputtmachen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber am nachhaltigsten wird Politikverdrossenheit durch
eine ungerechte Regierungspolitik hervorgerufen; denn
die Wähler beurteilen die Vergehen Einzelner anders als
ein verwerfliches Handeln, das der Politik ganz allgemein
zuzuschreiben ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich nenne Ihnen als Beispiel einen ehemaligen Kollegen
aus Ihrer Koalition. Ihr ehemaliger Kollege Metzger, der
ja nicht irgendwer, sondern haushaltspolitischer Sprecher
der Fraktion der Grünen war, hat gestern Abend in „Fron-
tal 21“ gesagt:


(Sebastian Edathy [SPD]: Hat er was zu Möllemann gesagt?)


In einem Abwägungsprozess – wollen wir weiter re-
gieren? – hat sich die SPD und die Bundesregierung
und auch der Bundeskanzler fürs Weiterregieren ent-
schieden


(A)



(B)



(C)



(D)


520


(A)



(B)



(C)



(D)






– jetzt kommt es –
und gegen die Ehrlichkeit.

So etwas nenne ich verwerfliches Handeln, das zu Politik-
verdrossenheit führt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sebastian Edathy [SPD]: Am Thema vorbei, Frau Kollegin!)


Denn hier geht es nicht um Verfehlungen Einzelner. Es
geht vielmehr um eine bewusste Wählertäuschung, um
das Haushaltsloch bis nach der Bundestagswahl zu ver-
schweigen. So etwas zerstört Vertrauen und ist unverzeih-
lich. So etwas führt zu Politikverdrossenheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das gilt für die Frage des Haushalts, aber auch für viele
weitere Versprechen. Ich finde es nicht in Ordnung, dass
Sie mit der heutigen Aktuellen Stunde von den eigentli-
chen Problemen unseres Landes ablenken wollen.


(Sebastian Edathy [SPD]: Kann man sich bei der ersten Rede das Thema eigentlich aussuchen?)


– Ich muss ganz ehrlich sagen, auch wenn es verboten ist:
Das Nicken auf der Zuschauertribüne gibt mir Recht, das
alles in meiner Rede anzusprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gerade Sie sollten sich bei Ihrer Selbstgerechtigkeit

überlegen, wo noch Nachholbedarf besteht. Dieser be-
steht – mein Kollege Friedrich hat schon darauf hinge-
wiesen – zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Korrup-
tionsaffären werden von den Wählern noch ganz anders
eingestuft als Parteispendenaffären. Ich verweise bei-
spielsweise auf Wuppertal.

Ich möchte Ihnen noch ein aktuelles Beispiel aus mei-
nem Bundesland geben. Bei der „Coburger Neuen
Presse“, der „Frankenpost“ oder dem „Nordbayerischen
Kurier“ – das sind alles Zeitungen aus meiner nächsten
Nähe – hat die SPD mit einer Beteiligung von 30 Prozent
faktisch eine beherrschende Stellung.


(Sebastian Edathy [SPD]: Genau, und das in Bayern!)


Ihre Schatzmeisterin sagt:
Auch dort, wo wir nur 30 oder 40 Prozent haben,
kann in der Regel nichts ohne uns passieren.

Erzählen Sie mir also bitte nicht, dass dies ohne Auswir-
kungen auf die Schwerpunktsetzung bei der Bericht-
erstattung bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)


– Ich habe dort schon gearbeitet. Ich glaube nicht, dass Sie
die Berichterstattung besser beurteilen können als ich.


(Sebastian Edathy [SPD]: Dann gucken wir uns mal den Bayerischen Rundfunk an!)


Ich komme zum Schluss. Eine Debatte wie die heutige
bietet schon genug Stoff für diese Zeitungen und lenkt

wieder einmal von den wirklichen Problemen unseres
Landes ab, weil Ihre hoch bezahlten Tageszeitungen – das
sind diejenigen, die wirklich Macht in unserem Staat ha-
ben – das anders kommentieren werden. Transparenz tut
also auch bei Ihnen Not!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500931200

Frau Kollegin Mantel, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ers-

ten Rede im Deutschen Bundestag,

(Beifall)


die Sie sich allerdings zu einem anderen Thema und ohne
Zwischenrufe gewünscht hätten. Da die meisten Reden in
diesem Parlament mit Zwischenrufen angereichert werden,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Gewürzt werden!)


sind Sie auf die nächste Rede, die Sie hoffentlich zu einem
Thema halten, das Sie sich noch mehr wünschen, bestens
vorbereitet.

Als letzter Redner hat nun der Kollege Rainer Wend für
die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1500931300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich richte

ein Wort an die Kollegin, die gerade gesprochen hat. Sie
hat sich gewünscht, dass sie zu einem anderen Thema
hätte sprechen können. Den Wunsch hat sie sich selber er-
füllt; denn sie hat zu dem Thema, das auf der Tagesord-
nung steht, nichts gesagt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gestatten Sie mir, dass ich versuche, die Gräben, die
sich zwischen SPD und Grünen einerseits und CDU/CSU
und FDP andererseits aufgetan haben, etwas anders be-
leuchte. Ich möchte – Herr Stadler, bitte fassen Sie das
nicht als belehrend auf – zwei Dinge positiv bewerten.
Das eine ist die starke Präsenz Ihrer Fraktion; damit meine
ich nicht Herrn Westerwelle, der seine Gründe dafür ha-
ben wird, dass er nicht da ist. Dadurch zeigt Ihre Fraktion,
dass sie sich der Verantwortung stellt und sich damit aus-
einander setzt. Das war bei den Kolleginnen und Kollegen
von der CDU nicht immer so, wenn wir über diese The-
men gesprochen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Ich glaube, bei einem Teil der Aufklärung

liegen die Gräben nicht zwischen Rot-Grün einerseits und
CDU/CSU und FDP andererseits, sondern zwischen Rot-
Grün und FDP auf der einen Seite und CDU/CSU auf der
anderen Seite.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wie bitte?)

Was will ich damit sagen? Alle Parteien mit Ausnahme der
Grünen, ob die Sozialdemokraten in Köln, die CDU wegen

Dorothee Mantel




Dr. RainerWend
Helmut Kohl oder jetzt die FDP wegen Möllemann, ha-
ben – das ist mehrfach gesagt worden – beträchtliche Pro-
bleme. Bei der Aufklärung dieser Probleme bestehen so-
wohl Parallelen wie auch Unterschiede. Ich kann zum
Beispiel folgenden Unterschied feststellen: Im Untersu-
chungsausschuss hatten wir das Problem, dass sich Kohl,
Weyrauch und wie sie alle hießen am Ende, als es um die
Beantwortung der Frage ging, wer die Spender waren, auf
ihr Schweigerecht berufen und nichts gesagt haben. Damit
waren uns alle Wege versperrt. Wir kamen an der Stelle
nicht weiter; Herr Stadler, Sie erinnern sich daran.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wie hoch ist euer Kapitalvermögen?)


Wir haben immer gefordert, gegen die Leute, die für il-
legale Spenden verantwortlich sind, Auskunftsklage zu
erheben, um zivilrechtlich aus ihnen herauszubekommen,
wer die Spender sind. Als wir im Untersuchungsausschuss
nicht weiterkamen, haben wir gefordert, dass Auskunfts-
klagen erhoben werden. Wir selber haben zum Beispiel in
Köln eine solche Auskunftsklage erhoben. Sie von der
FDP strengen eine solche bei Möllemann an. Ich hoffe,
Sie halten das bis zum Ende durch. Die CDU/CSU hat bis
heute keine Auskunftsklage erhoben. Merkel deckt bis
heute den Mantel des Schweigens über den Skandal von
Helmut Kohl.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In Köln wurden die verantwortlichen Sozialdemokra-
ten aus der Partei ausgeschlossen. Das werden Sie bei
Möllemann auch tun, wenn er nicht selbst austritt; da bin
ich mir sicher. Bei uns ist ebenso wie bei Ihnen von der
FDP eine Auskunftsklage angestrengt worden. Doch
Helmut Kohl ist bis heute Ehrenvorsitzender der CDU.
Wie können Sie damit überhaupt leben?


(Beifall bei der SPD – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ihr habt doch keine Ahnung!)


Das Mädchen – wie Helmut Kohl von Angela Merkel
sprach – deckt den Schleier des Vergessens darüber.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


Ich lese in der Zeitung, dass sich Frau Merkel mit
Herrn Koch darüber streitet, wer in Zukunft die Führung
bei der CDU übernimmt. Frau Merkel ist diejenige – ich
wiederhole das –, die über die politische Korruption von
Helmut Kohl den Mantel des Schweigens deckt. Herr
Koch ist jemand, der mit Geldern aus illegalen Kassen
Ministerpräsident geworden ist.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jetzt wird es aber langsam unverschämt!)


Wenn sich zwei solche Menschen in meiner Partei um die
Spitze bewerben würden, ich würde depressiv und
schwermütig und nicht so aggressiv, wie Sie in dieser De-
batte sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Da ich zwei positive Dinge zur FDP gesagt habe, ge-
statten Sie mir auch zwei Bitten.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Eigentlich reicht es jetzt schon!)


Erste Bitte. Das System Möllemann umfasst nach mei-
ner Wahrnehmung drei Dinge: Das Erste sind schwarze
Kassen und eine illegale Finanzierung. Das Zweite ist ein
im weitesten Sinne populistischer brauner Sumpf mit dem
Ziel, Stimmen an sich zu binden, um neue Mehrheiten zu
organisieren.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Das Wort „brauner“ können Sie streichen!)


Das Dritte ist ein gewisser Größenwahn – ich nenne die
Stichworte 18 Prozent und Kanzlerkandidat.


(Zuruf von der CDU/CSU: Und ihr habt das Volk ein halbes Jahr lang belogen!)


Meiner Meinung nach haben Sie sich ein Stück zu
weit – halb gezogen, halb getrieben – auf das System
Möllemann eingelassen. Nicht nur aufgrund des Geldes,
sondern auch aufgrund der inhaltlichen Verfehlungen die-
ser Person – und auch der Personengruppe – kann ich an
dieser Stelle nur die Bitte an Sie richten – das ist wirklich
nicht scheinheilig gemeint –, einen klaren Trennungs-
strich zu ziehen.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist sehr scheinheilig! Die ganze Rede ist eine einzige Heuchelei!)


Das sind Sie sich und auch der deutschen Demokratie
schuldig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bei meiner zweiten Bitte nenne ich das Stichwort
Hessen. In den Zeitungen wird schon jetzt teilweise ge-
schrieben: Na gut, der Möllemann ist am Ende, deswegen
hauen die Liberalen drauf und machen es sich leicht. Ich
finde es richtig, dass Sie das auch weiterhin tun. Wenn Sie
das aber mit gutem Gewissen tun wollen, dürfen Sie in
Hessen nicht anders operieren. Möllemann wollte mit ille-
galem Geld an die Macht kommen. Herr Koch ist mit ille-
galem Geld an die Macht gekommen und die FDPhält ihm
noch die Treue.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jetzt ist klar: Es geht um die Landtagswahl! Es geht schon die ganze Stunde um die Landtagswahl, um nichts anderes! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind durch Lug und Betrug an die Macht gekommen! Sie haben das deutsche Volk belogen!)


Wenn Sie die Trennung konsequent zu Ende bringen wol-
len, müssen Sie auch in Hessen sagen: Mit Geld, das uns
rechtsstaatlich nicht gehört, wollen wir nicht regieren.
Diesen Trennungsstrich müssen Sie ziehen, um bei der
Aufklärung glaubwürdig zu werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



(A)



(B)



(C)



(D)


522


(A) (C)







Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1500931400

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Ak-

tuellen Stunde und damit zugleich am Ende unserer heu-
tigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundesta-
ges auf morgen, Donnerstag, den 14. November, 9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.