Protokoll:
14232

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 232

  • date_rangeDatum: 24. April 2002

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:00 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Berufs- und Einkommenssituation bei Frauen und Männern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23059 A Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23059 B Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23061 A Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23061 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23061 B Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23061 C Renate Gradistanac SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23061 D Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23062 A Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23062 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23062 D Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23063 A Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23063 B Hanna Wolf (München) SPD . . . . . . . . . . . . 23063 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23063 D Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23064 B Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23064 C Kerstin Griese SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23064 D Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23065 A Antje Blumenthal CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23065 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23065 D Marlene Rupprecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23066 B Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23066 C Christine Lehder SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23066 D Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23066 D Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23067 A Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23067 B Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23067 C Hans Martin Bury, Staatsminister BK . . . . . . 23067 C Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 14/8828) . . . . . . . . . . . . . . . 23067 D Rahmendaten für das geschätzte gesamtstaat- liche Defizit der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2002 MdlAnfr 2 Andreas Storm CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 23068 A ZusFr Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . 23068 A Anteil des Sektors „Sozialversicherungen am gesamtstaatlichen Defizit der Bundesrepublik Deutschlands Plenarprotokoll 14/232 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 232. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 24. April 2002 I n h a l t : MdlAnfr 3 Andreas Storm CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 23068 B ZusFr Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . 23068 B ZusFr Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . 23068 C Fördermaßnahmen zur Herstellung der Wett- bewerbsgleichheit für Firmenstandorte in Deutschland MdlAnfr 4 Hans Michelbach CDU/CSU Antw PStSekr’in Margareta Wolf BMWI . . . 23069 A ZusFr Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . 23069 C Abstimmung des Verhaltens von SPD-Gene- ralsekretär Müntefering und SPD-Schatzmeis- terin Wettig-Danielmeier vor dem 1. Untersu- chungsausschuss mit Bundeskanzler Schröder MdlAnfr 10, 11 Eckart von Klaeden CDU/CSU Antw StMin Hans Martin Bury BK . . . . . . . . 23070 B ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 23070 B ZusFr Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . 23070 D ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23070 D Anteil deutscher Schüler an deutschen Aus- landsschulen MdlAnfr 13 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Christoph Zöpel AA . . . . . . . 23071 B ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 23071 C Äußerung des Bundesaußenministers bezüg- lich Geben von Interviews MdlAnfr 12 Sylvia Bonitz CDU/CSU Antw StMin Dr. Christoph Zöpel AA . . . . . . . 23072 C ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 23072 C Novellierung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) MdlAnfr 14 Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 23073 A ZusFr Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . 23073 A Eventuelle Verknüpfung der Novellierung der Bundesgebührenordnung (BRAGO) mit der Novellierung des Gerichtskostengesetzes (GKG) MdlAnfr 15 Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 23073 C ZusFr Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . 23073 C Aufnahme der Vorschläge der Arbeitsgruppe Gebührenrecht der Bundesrechtsanwaltskam- mer in den Entwurf des Rechtsanwaltsver- gütungsgesetzes MdlAnfr 18 Volker Kauder CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 23074 A ZusFr Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . 23074 A Zeitplan für eine Novellierung der BRAGO MdlAnfr 19 Volker Kauder CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 23074 C ZusFr Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . 23074 C Zeitpunkt der Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht MdlAnfr 20 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 23074 D ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 23075 A ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 23075 C ZusFr Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . . 23075 C Unterschiedliche Zulassung des Pflanzen- schutzmittels Lebaycid in Frankreich und Deutschland MdlAnfr 21 Peter Dreßen SPD Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 23075 D ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23076 A ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 23076 D ZusFr Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . 23077 B ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 23077 C ZusFr Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU 23078 A Auswirkungen des Verbots des Pflanzen- schutzmittels Lebaycid und dem Versprühen des Ersatzmittels Dimethoat auf die Kir- schenanbauer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 232. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. April 2002II MdlAnfr 22 Peter Dreßen SPD Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 23078 B ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23078 C ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 23079 A ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 23079 C ZusFr Joachim Tappe SPD . . . . . . . . . . . . . . . 23079 D Ausnahmegenehmigung für das Pflanzen- schutzmittel Lebaycid MdlAnfr 23 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 23080 B ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 23080 B ZusFr Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU 23081 A ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23081 B ZusFr Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . 23081 D ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 23081 D Auswirkungen der Mittelkürzungen im ABM- Bereich auf die neuen Bundesländer MdlAnfr 24 Wolfgang Dehnel CDU/CSU Antw PStSekr’in Ulrike Mascher BMA . . . . 23082 C ZusFr Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . 23082 D Forderungen nach Erhöhung bzw. unterblei- bender Kürzung von Arbeitsbeschaffungsmaß- nahmen MdlAnfr 25 Wolfgang Dehnel CDU/CSU Antw PStSekr’in Ulrike Mascher BMA . . . . 23083 B ZusFr Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . 23083 C ZusFr Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . 23083 D Baubeginn des Autobahnteilstücks Leine- felde–Heiligenstadt im Zuge der A 38 von Göttingen nach Halle MdlAnfr 30 Manfred Grund CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 23084 B ZusFr Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . 23084 C Eventueller sofortiger Baubeginn des Auto- bahnteilstücks Leinefelde–Heiligenstadt im Zuge der A 38 von Göttingen nach Halle MdlAnfr 31 Manfred Grund CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 23085 A ZusFr Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . 23085 A Finanzierungsbasis für das im Investionsbericht Infrastruktur angekündigte 90-Milliarden- Euro-Investitionsprogramm für die Moderni- sierung der Verkehrswege sowie Investi- onsschwerpunkte in den neuen Bundesländern MdlAnfr 33 Dr. Michael Luther CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 23085 C ZusFr Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . 23085 C ZusFr Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . 23085 D Auswahlkriterien für den beschleunigten Bau von etwa 300 Ortsumgehungen MdlAnfr 34 Dr. Michael Luther CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 23086 B ZusFr Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . 23086 B ZusFr Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . 23086 C ZusFr Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . 23086 D ZusFr Heinz Schemken CDU/CSU . . . . . . . . 23087 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zu aktuellen Vorschlägen, in derGKVdie Lohnfortzahlung zu kür- zen und die Vorleistungspflicht der Krankenversicherten einzuführen . . . . 23087 C Hildegard Wester SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23087 C Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . 23089 A Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23090 B Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 23091 D Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23093 B Ulla Schmidt, Bundesministerin BMG . . . . . 23094 D Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23096 D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23097 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . 23099 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 23100 A Dr. Margrit Spielmann SPD . . . . . . . . . . . . . 23101 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 23101 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 232. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. April 2002 III Walter Hoffmann (Darmstadt) SPD . . . . . . . 23103 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . 23104 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23105 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 23107 A Anlage 2 Definition des im Zuwanderungsrecht enthal- tenen Begriffs „Beherrschen der deutschen Sprache“ MdlAnfr 1 Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 23107 D Anlage 3 Dauer der Auswertungsphase des Vergabever- fahrens für das neue Bekeidungsmanagement der Bundeswehr MdlAnfr 5, 6 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVG . . . 23108 A Anlage 4 Honorarsituation der Ärzte im Rahmen der Darmkrebsvorsorge; Auswirkungen MdlAnfr 7, 8 Wolfgang Zöller CDU/CSU Antw PStSekr’in Gudrun Schaich-Walch BMG 23108 C Anlage 5 Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Novellie- rung der Bundesgebührenordnung für Rechts- anwälte; Änderungen gegenüber dem Entwurf eines Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes MdlAnfr 16, 17 Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU Antw PStSekr Eckhart Pick BMJ . . . . . . . . . 23109 A Anlage 6 Kontrolle der Verwendung der von der Bun- desanstalt für Arbeit an die von der Agentur für Struktur- und Personalentwicklung GmbH, Bremen, betreuten Auffanggesellschaften überwiesenen Mittel MdlAnfr 26 Dietrich Austermann CDU/CSU Antw PStSekr’in Ulrike Mascher BMA . . . . . 23109 A Anlage 7 Mittelfristige Finanzentwicklung in der gesetz- lichen Rentenversicherung sowie Höhe der Schwankungsreserve im Jahr 2002, Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen der Bundesan- stalt für Arbeit MdlAnfr 27, 28 Johannes Singhammer CDU/CSU Antw PStSekr’in Ulrike Mascher BMA . . . . . 23109 C Anlage 8 Finanzierungszusagen für die ICE-Strecke Nürnberg–Coburg–Erfurt MdlAnfr 29 Hans Michelbach CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 23110 A Anlage 9 Fertigstellung des sechsstreifigen Ausbaus der A 8 zwischen Dachau und Palsweis trotz ver- minderter Mittelzuweisungen durch den Bund MdlAnfr 32 Gerda Hasselfeldt CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 23110 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 232. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. April 2002IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 232. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. April 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 232. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. April 2002 Hans-Eberhard Urbaniak 23105 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 232. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. April 2002 23107 (C) (D) (A) (B) Adam, Ulrich CDU/CSU 24.04.2002* Balt, Monika PDS 24.04.2002 Behrendt, Wolfgang SPD 24.04.2002* Bindig, Rudolf SPD 24.04.2002* Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 24.04.2002* Klaus Eich, Ludwig SPD 24.04.2002 Erler, Gernot SPD 24.04.2002 Friedrich (Altenburg), SPD 24.04.2002 Peter Haack (Extertal), SPD 24.04.2002* Karl-Hermann Hiller (Lübeck), SPD 24.04.2002 Reinhold Hofbauer, Klaus CDU/CSU 24.04.2002 Hoffmann (Chemnitz), SPD 24.04.2002* Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 24.04.2002* Karl-Heinz Hornung, Siegfried CDU/CSU 24.04.2002* Irmer, Ulrich FDP 24.04.2002 Jäger, Renate SPD 24.04.2002* Jünger, Sabine PDS 24.04.2002 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 24.04.2002 Lintner, Eduard CDU/CSU 24.04.2002* Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 90/ 24.04.2002* DIE GRÜNEN Lörcher, Christa fraktionslos 24.04.2002* Dr. Lucyga, Christine SPD 24.04.2002* Michels, Meinolf CDU/CSU 24.04.2002* Müller (Berlin), PDS 24.04.2002* Manfred Neumann (Gotha), SPD 24.04.2002* Gerhard Nietan, Dietmar SPD 24.04.2002 Onur, Leyla SPD 24.04.2002* Ostrowski, Christine PDS 24.04.2002 Palis, Kurt SPD 24.04.2002* Philipp, Beatrix CDU/CSU 24.04.2002 Reiche, Katherina CDU/CSU 24.04.2002 Roos, Gudrun SPD 24.04.2002 Rühe, Volker CDU/CSU 24.04.2002 Schily, Otto SPD 24.04.2002 Schlee, Dietmar CDU/CSU 24.04.2002 Schloten, Dieter SPD 24.04.2002* Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 24.04.2002 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 24.04.2002* Seehofer, Horst CDU/CSU 24.04.2002 Siemann, Werner CDU/CSU 24.04.2002 Thönnes, Franz SPD 24.04.2002 Welt, Jochen SPD 24.04.2002 Willsch, Klaus-Peter CDU/CSU 24.04.2002 Zierer, Benno CDU/CSU 24.04.2002* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage des Abgeordneten Erwin Marschewski (Recklinghau- sen) (CDU/CSU) (Drucksache 14/8828, Frage 1): Was versteht die Bundesregierung im Zuwanderungsrecht un-ter „Beherrschen“, „ausreichenden Kenntnissen“ und „vorhande-nen Kenntnissen“ der deutschen Sprache? Die „Beherrschung der deutschen Sprache“ ist nach der Allgemeinen Vewaltungsvorschrift zum Ausländer- gesetz beispielsweise anzunehmen, wenn der Ausländer aus einem deutschsprachigen Land oder Elternhaus stammt oder eine deutschsprachige Schule besucht hat (Nr. 20.4.1.1 AuslG-VwV vom 28. Juni 2000, veröffent- licht im Bundesanzeiger Nr. 188a vom 6. Oktober 2000). „Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache“ lie- gen nach Nr. 86.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvor- schrift zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 13. Dezem- ber 2001 vor, wenn sich der Einbürgerungsbewerber im entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich zu- rechtzufinden vermag und mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden kann. Dazu gehört auch, dass der Einbürgerungsbewerber einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens le- sen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 21a vom 31. Januar 2001). Der Begriff „Vorhandene Kenntnisse der deutschen Sprache“ ist bisher in der Verwaltungspraxis nicht in ei- nem feststehenden Sinne etabliert. Vor dem Hintergrund, dass nach § 32 Abs. 4 AufenthG die vorhandenen Kennt- nisse der deutschen Sprache die Erwartung stützen kön- nen, dass der Ausländer fähig sein wird, sich in Deutsch- land zu integrieren, kommt es hinsichtlich des Umfangs der Sprachkenntnisse darauf an, ob sie im Einzelfall, gegebenenfalls unter Berücksichtigung weiterer Umstän- de, zum erwarteten Integrationserfolg beitragen können. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Werner Siemann (CDU/CSU) (Drucksache 14/8828, Fragen 5 und 6): Ist es zutreffend, dass die Auswertungsphase des Vergabever- fahrens für das neue Bekleidungsmanagement der Bundeswehr nur 12 Tage betragen soll, und falls ja, hält die Bundesregierung einen solchen kurzen Zeitraum für angemessen, um ein Projekt im Wert von circa 2 Milliarden Euro ausreichend prüfen und bewer- ten zu können? Ist eine so kurze Frist von 12 Tagen zur Prüfung bei der Ver- gabe des Bekleidungsmanagements bei der Bundeswehr im Ver- gleich zur Prüfdauer von anderen Privatisierungsprojekten der Bundeswehr wie zum Beispiel HERKULES oder bei der Heeres- instandsetzungslogistik überhaupt angemessen, und wenn ja, warum ist ein so hoher Zeitdruck aus Sicht der Bundesregierung gerechtfertigt? Zu Frage 5: Das Vergabeverfahren zum Neuen Bekleidungsmanage- ment wird in mehreren Schritten durchgeführt. Es wurde im Juni 2001 mit einem europaweiten Teilnahmewettbe- werb gestartet. Dem haben sich zahlreiche Bieterge- spräche angeschlossen, in denen den Bietern die amts- seitig geforderte Leistung verdeutlicht wurde. Für die Auswertungsphase wurde ein detaillierter Bewertungs- maßstab zur Auswertung der Angebote vorab erarbeitet, der eine zügige Auswertung ermöglicht. Zu Frage 6: Bei den Projekten Neues Bekleidungsmanagement, IT-Projekt HERKULES und die Heeresinstandsetzungs- logistik handelt es sich um drei vom Inhalt und von der Komplexität her nicht vergleichbare Projekte – die über- dies einen unterschiedlichen Bearbeitungsstand wieder- geben. Der im Neuen Bekleidungsmanagement gewählte Zeitrahmen stellt die Entscheidungsfindung innerhalb der Angebotsbindungsfrist sicher. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch auf die Fragen des Abgeordneten Wolfgang Zöller (CDU/CSU) (Drucksache 14/8828, Fragen 7 und 8): Hat sich die Bundesregierung vor Auftakt der Werbekampagnedes Bundesministeriums für Gesundheit zur Darmkrebs-Vorsorgebei niedergelassenen Magen-Darm-Spezialisten informiert, wiederen Honorarsituation zur Behandlung ihrer Patienten aussieht,und wenn ja, zu welchen Ergebnissen hat dies geführt? Treffen Berichte (vergleiche Leserbrief in der „FrankfurterAllgemeinen Zeitung“ vom 4. April 2002) zu, dass die Behand-lung von Darmkrebs-Patienten unterfinanziert ist mit der Folge,dass Patienten mit akuten Beschwerden, bei denen Darmkrebsnicht ausgeschlossen werden kann, häufig wochenlang auf eineDarmspiegelung warten müssen, und wenn ja, was wird dieBundesregierung dagegen unternehmen? Zu Frage 7: Es gibt keine Werbekampagne des Bundesministeri- ums für Gesundheit zur Darmkrebs-Vorsorge. Vielmehr hat sich das Bundesministerium für Gesundheit in Kooperation mit Partnern des „Netzwerks gegen Darm- krebs“ dafür eingesetzt, dass die Versicherten das beste- hende und über die Krankenkassen finanzierte Krebs- früherkennungsprogramm, das ab dem 45. Lebensjahr auch für die Früherkennung des Darmkrebses mittels ei- nes Tests auf verborgenes Blut im Stuhl umfasst, in größe- rem Umfang als bisher in Anspruch nehmen. Dieses Krebsfrüherkennungsprogramm wird in der Regel derzeit auch in seinem Anteil Darmkrebsfrüherkennung nicht von Gastroenterologen durchgeführt, zumal es sich bei dem Test auf verborgenes Blut im Stuhl um einen einfa- chen, zu Hause durchzuführenden Test handelt. Die Darmspiegelung als Screening-Maßnahme gehört derzeit nicht zum Krebsfrüherkennungsprogramm. Insoweit ist die Honorarsituation bei Magen-Darm-Spezialisten nicht berührt. Zu Frage 8: Der Bundesregierung liegen keine Hinweise über spe- zifische Probleme einer „Unterfinanzierung“ im Bereich der gastroenterologischen Versorgung vor. Mit den so genannten Gesamtvergütungen bezahlen die Krankenkassen vorab alle zu vergütenden vertrags- ärztlichen Leistungen zur Versorgung ihrer Versicherten, also grundsätzlich auch die gastroenterologischen Leis- tungen. Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) für die ambulante ärztliche Behandlung sind in den vergangenen Jahren stets gestiegen. Im Jahr 2000 lagen sie bei 42,22 Milliarden DM. Nach den vorläufigen Finanzergebnissen des Jahres 2001 sind sie gegenüber den entsprechenden Vorjahreswerten um 1,6 vom Hundert gestiegen, dies entspricht einem Zu- wachs von rund 680 Millionen DM bzw. 347 Millionen Euro. Unabhängig davon ist festzustellen, dass ein Arzt, der eine medizinisch notwendige Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht oder nicht zeitge- recht erbringt, gegen seine vertragsärztlichen Pflichten verstoßen würde. Wartelisten in der ambulanten Versor- gung für Darmspiegelungen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 232. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. April 200223108 (C) (D) (A) (B) Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Eckhart Pick auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) (Druck- sache 14/8828, Fragen 16 und 17): Beabsichtigt die Bundesregierung, noch in dieser Legislatur-periode einen Gesetzentwurf zur Novellierung der BRAGO ein-zubringen, und wenn nein, warum nicht? Wird ein etwaiger Gesetzentwurf der Bundesregierung zurNovellierung der BRAGO gegenüber dem von der Experten-kommission „BRAGO-Strukturreform“ im Auftrag der Bundes-regierung erarbeiteten Entwurf eines Rechtsanwaltsvergütungs-gesetzes (RVG-E) wesentliche Änderungen enthalten, und wennja, inwieweit? Zu Frage 16: Ja. Die Bundesregierung hat diese Absicht. Zu Frage 17: Der von der Expertenkommission „BRAGO-Struk- turreform“ erarbeitete Entwurf eines Rechtsanwaltsver- gütungsgesetzes stellt eine wichtige Vorarbeit für die angestrebte Reform dar. Er bedarf jedoch der Fortschrei- bung im Hinblick auf die eingegangenen Stellungnahmen der Länder und Verbände. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher auf die Frage des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/CSU) (Drucksache 14/8828, Frage 26): Wie wird die Verausgabung von durch die Bundesanstalt fürArbeit (BA) zugewiesenen Mitteln (Kurzarbeitergeld, ESF-Mittelunter anderen) an die von der AgS (Agentur für Struktur- und Per-sonalentwicklung GmbH, Bremen) betreuten Auffanggesellschaf-ten (Gesellschaften nach § 175 Drittes Buch Sozialgesetzbuch –SGB III) bzw. deren Mitarbeiter kontrolliert? Unter den Voraussetzungen des § 175 SGB III wird in Fällen eines nicht nur vorübergehenden Arbeitsausfalles zur Vermeidung von anzeigepflichtigen Entlassungen gemäß § 17 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes Kurz- arbeitergeld an die von dem Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer gezahlt. Bei Vorliegen der gesetzlichen Tat- bestandsvoraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf diese Leistung. Gemäß § 7 der Richtlinien des Bundes für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte zu- sätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des Bundes können darüber hinaus ESF-Mittel für Quali- fizierungsmaßnahmen während des Bezuges von Kurz- arbeitergeld eingesetzt werden. Im Rahmen der verfüg- baren Haushaltsmittel kann die Bundesanstalt für Arbeit hier notwendige Lehrgangskosten erstatten; in besonders begründeten Einzelfällen können für die Dauer der Qua- lifizierungsmaßnahme auch die Arbeitgeberanteile zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ganz oder teil- weise erstattet werden. Soweit die nach § 175 SGB III einzurichtende be- triebsorganisatorisch eigenständige Einheit nicht beim bisherigen Betrieb, sondern bei einer Transfer- bzw. Auf- fanggesellschaft gebildet wird, werden die hierbei anfal- lenden Kosten von der Bundesanstalt für Arbeit nicht übernommen. Deshalb hat die Bundesanstalt für Arbeit auch keine Mittel zur Finanzierung der Firma AgS erbracht. Da die Firma AgS bundesweit tätig ist und die von ihr betreuten Transfer- bzw. Auffanggesellschaften unter unterschied- lichem Namen tätig sind, ist der Bundesregierung nicht im Einzelnen bekannt, in welchem Arbeitsamtsbezirk die AgS selbst oder über eine Tochter- bzw. Beteiligungs- gesellschaft tätig ist. Die Arbeitsämter prüfen aber sowohl im Rahmen der Gewährung von Kurzarbeitergeld nach § 175 SGB III als auch beim Einsatz von ESF-Mitteln die zweckentspre- chende Verwendung der Leistungen. Zu diesem Zweck findet beim Kurzarbeitergeld regelmäßig vor der Zahlbar- machung des ersten Abrechnungsmonats eine örtliche Listenprüfung statt. Die ordnungsgemäße Verwendung der ESF-Mittel wird insbesondere durch Vorlage der Trä- gerunterlagen, vor allem der Teilnehmerbescheinigung nach Abschluss des Qualifizierungsmoduls bzw. über die Schlussrechnung mit den entsprechenden Teilnehmer- listen und Weiterbildungsinhalten kontrolliert. Die Kon- trolle gegenüber der Firma AgS bzw. von ihr betreuter Auffanggesellschaften unterscheidet sich insoweit nicht von dem Verfahren in vergleichbaren anderen Fällen. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher auf die Fragen des Abgeordneten Johannes Singhammer (CDU/CSU) (Drucksache 14/8828, Fragen 27 und 28): Von welcher mittelfristigen Finanzentwicklung in der gesetz-lichen Rentenversicherung geht die Bundesregierung aus, und fürwie hoch erachtet sie die Schwankungsreserve in den kommendenMonaten (monatliche Einzeldarstellung) des Jahres 2002? Wie beurteilt die Bundesregierung die in einem Bericht derZeitung „DER TAGESSPIEGEL“ vom 18. April 2002 als „Flop“bezeichnete Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen der BA, undwelche Ursachen macht sie dafür verantwortlich? Zu Frage 27: Ende März betrug die Schwankungsreserve der ArV/ AnV11,5Milliarden Euro. Dies entspricht 0,75Monatsaus- gaben. Davon waren 10,1 Milliarden Euro (entsprechend 0,66 Monatsausgaben) liquide. Die liquiden Mittel werden voraussichtlich bis zum finanzschwächsten Monat Oktober kontinuierlich auf 6,6 Milliarden Euro (entsprechend 0,43Monatsausgaben) zurückgehenunddanachbisDezem- ber auf 10,5 Milliarden Euro (entsprechend 0,68 Monats- ausgaben) ansteigen. Die Schwankungsreserve wird Ende 2002 voraussichtlich 12,1 Milliarden Euro (entsprechend 0,79 Monatsausgaben) betragen. Für die Einschätzung der mittelfristigen Finanzent- wicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist für die Bundesregierung allein der Rentenversicherungs- bericht ausschlaggebend. Nach der Mittelfristrechnung des Rentenversicherungsberichts 2001 wird für die Jahre 2001 bis 2002 ein Beitragssatz zur ArV/AnV in Höhe von 19,1 vom Hundert und für die Jahre 2004 und 2005 ein Beitragssatz von 19,0 vom Hundert eingeschätzt. Wie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 232. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. April 2002 23109 (C) (D) (A) (B) jedes Jahr wird diese Einschätzung für die konkrete Fest- setzung des Beitragssatzes im Folgejahr und die Einschät- zung der künftigen mittelfristigen Finanzentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung im Oktober des Jah- res mit dem dann vorhandenen Datenmaterial aktualisiert. Zu Frage 28: Die Bundesregierung hält es für verfrüht, schon jetzt Aussagen zu Erfolg oder Misserfolg des Vermittlungsgut- scheins zu machen. Dieser ist erst durch ein am 27. März 2002 in Kraft getretenes Gesetz eingeführt worden. Da es sich hierbei um eine neue Leistung handelt, ist auch für eine erste Bewertung ein gewisser Zeitraum erforderlich, in dem das neue arbeitsmarktpolitische Instrument ange- wandt wird. Ein Beobachtungszeitraum von vier Wochen reicht nicht aus. Die Regelung zum Vermittlungsgut- schein ist im Übrigen bis zum 31. Dezember 2004 befris- tet. Die Befristung wurde vom Deutschen Bundestag be- schlossen, um nach einer Erprobung endgültig über das neue Instrument auf der Grundlage gesicherter Erkennt- nisse entscheiden zu können. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stephan Hilsberg auf die Frage des Abgeordneten Hans Michelbach (CDU/CSU) (Druck- sache 14/8828, Frage 29): Wann wird die Bundesregierung die konkreten Finanzierungs-zusagen für die ICE-Strecke Nürnberg–Coburg–Erfurt geben? Grundsätzlich erfolgen konkrete Finanzierungszusagen entsprechend der Regelungen des Bundesschienenwege- ausbaugesetzes durch Abschluss einer Finanzierungsver- einbarung zwischen Bund und der Deutschen Bahn Netz AG. Hinsichtlich des Projektes VDE 8.1 steht der Bund derzeit mit der DB Netz AG in Abstimmungsgesprächen, um den konkreten jährlichen Finanzbedarf für das Gesamtvorhaben zu bestimmen. Nach Abschluss die- ser Arbeiten wird die schon bestehende Finanzierungs- vereinbarung für den Abschnitt der Neubaustrecke Erfurt–Ebensfeld angepasst. Für den Abschnitt der Aus- baustrecke Ebensfeld–Nürnberg wird im Zusammenhang mit der S-Bahn Nürnberg–Forchheim eine Finanzierungs- vereinbarung vorbereitet. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stephan Hilsberg auf die Frage der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) (Drucksache 14/8828, Frage 32): Werden trotz der deutlich verminderten Mittelzuweisun- gen des Bundes an die Länder im Bundesfernstraßenbau für Bedarfsplanmaßnahmen und der bisher fehlenden zusätz- lichen Mittel für das „Zukunftsprogramm Mobilität“ und das „Anti-Stau-Programm“ die Projekte in den Ländern wie geplant realisiert und so beispielsweise auch die begonnene Baumaßnahme zum sechsstreifigen Ausbau der Bundes- autobahn A 8 zwischen Dachau und Palsweis im Jahr 2002 fertig gestellt, nachdem dort die Brückenbauwerke in- zwischen vollendet sind und die Vergabeentscheidung geneh- migt ist? Die in den von der Bundesregierung verabschiedeten Programmen – Investitionsprogramm 1999 bis 2002, Zukunftsinvestionsprogramm 2001 bis 2003 und Anti- Stau-Programm 2003 bis 2007 – enthaltenen Bundesfern- straßenprojekte werden wie vorgesehen realisiert. Pro- jektspezifische Voraussetzungen dafür sind Baurecht und Finanzierung. Die Beschaffung des Baurechts ist Aufgabe der Auftragsverwaltungen. Die Finanzierung erfolgt innerhalb der vom Deutschen Bundestag verab- schiedeten Bundeshaushalte. Diesen Regelungen ent- sprechend sind zum Beispiel in Bayern bislang von den 34 diesen Programmen zugehörigen – mit einer Aus- nahme, die 2002 beginnen soll – alle 22 baureifen Pro- jekte in Bau gegangen und werden im Bundeshaushalt 2002 finanziert, dessen Ansatz für den Bundesfern- straßenbau mit rund 5 519 Millionen Euro nahezu iden- tisch ist mit dem des Vorjahres. Bei dem sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 8 im knapp 4 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Anschluss Dachau und Palseis handelt es sich nicht um ein Projekt aus den verabschiedeten Programmen, sondern um ein zusätzliches „Pilotprojekt für einen kostengünstigen sechsstreifigen Ausbau einer vierstreifi- genAutobahnbetriebsstrecke mit weitgehender Beibehal- tung der bestehenden Bausubstanz“, mit dem zugleich eine Entzerrung des Verkehrs an der derzeit überlasteten Anschlussstelle Dachau erreicht wird. Angesichts der hierfür bis 2003 andauernden Bauausführung hat die bayerische Straßenbauverwaltung vor dem Hintergrund der noch offenen abschließenden Entscheidung der Bun- desregierung zum Bundeshaushalt 2003 und zur Finanz- planung sowie weiterer, noch 2002 zu beginnender Pro- jekte aus den oben angeführten Programmen und unter Berücksichtigung der beiden Schwerpunkte im Auto- bahnausbau in 2002 an der Bundesautobahn A 8 bei Günzburg und an der Bundesautobahn A 92 zum Flug- hafen München, die vorbereitete und vom Baulastträger bestätigte Vergabe der restlichen Bauleistungen für die- sen sechsstreifigen Ausbau bei Palsweis im Umfang von rund 10 Millionen Euro zunächst bis Ende Juni zurück- gestellt. Es handelt sich hier also um eine Entscheidung der Auftragsverwaltung entsprechend ihren Prioritäten unter Berücksichtigung der derzeitigen Finanzierungs- grundlagen für den Bundesfernstraßenbau in den Jahren 2002 und 2003. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 232. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. April 200223110 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423200000
Schönen
guten Tag! Die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Bericht der Bundesregierung
zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen
und Männern.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, die Kollegin Dr. Christine Bergmann.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!
Das Kabinett hat sich heute mit dem Bericht zur Berufs-
und Einkommenssituation von Frauen und Männern und
der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Be-
richt befasst. Dieser Bericht ist Teil unseres Programms
„Frau und Beruf“, das wir 1999 beschlossen haben, weil
wir ausgiebige Daten über die Einkommenssituation von
Frauen und Männern im Erwerbsleben haben wollten.
Etwa zeitgleich hat auch der Deutsche Bundestag einen
solchen Bericht eingefordert.

Dieser Bericht wurde von einem wissenschaftlichen
Team unter Leitung des Wirtschafts- und Sozialwissen-
schaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung er-
stellt. Er informiert sehr detailliert über die Entwicklung
der Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und
Männern. Er analysiert Ursachen für Ungleichheiten und
gibt Hinweise auf konkrete Handlungsmöglichkeiten.
Auch hat er – das finde ich bemerkenswert – interessante
Ost-West-Vergleiche angestellt.

Ich will Ihnen einige Ergebnisse präsentieren: Positive
Entwicklungen gibt es im Bereich der Ausbildung. Hier
haben Frauen gegenüber Männern beträchtlich aufgeholt
und sie sogar überholt. Im Jahr 2000 machten 27 Prozent
der Schülerinnen und 21 Prozent der Schüler Abitur.

Im Bereich der Erwerbsbeteiligung von Frauen hat es
im langfristigen Trend eine positive Entwicklung gege-
ben. Frauen stellen mit rund 43 Prozent einen be-
trächtlichen Teil der Erwerbstätigen in Deutschland. Al-
lerdings müssen wir sehen, dass das Arbeitsvolumen der
Frauen insgesamt in der gleichen Zeit eher gesunken ist.
Das heißt, immer mehr Frauen teilen sich dieses Arbeits-
volumen.

Der Anteil der Frauen, die teilzeitbeschäftigt sind, ist
groß. Hier besteht ein großer Unterschied zwischen Ost
und West. In den alten Bundesländern sind es 42 Prozent
gegenüber 23 Prozent in den neuen Bundesländern. Auch
bei der Frauenerwerbsquote gibt es zwischen West und
Ost drastische Unterschiede. Sie hat in den alten Bundes-
ländern enorm zugenommen und im Jahr 2000 mit unge-
fähr 62 Prozent ihren höchsten Stand erreicht. Demgegen-
über beträgt die Erwerbsquote von Frauen in den neuen
Bundesländern 72 Prozent. Sie hat sich, wie wir wissen,
seit 1990 rückläufig entwickelt.

Das leidige Thema „Frauen in Führungspositionen“
wird durch Zahlen deutlich untermalt. Auch hier will ich
Ihnen den Vergleich zwischen Ost und West präsentieren:
In den alten Bundesländern waren im Jahr 2000 nahezu
doppelt so viele Männer wie Frauen in Führungspositio-
nen tätig, wobei der Begriff der Führungsposition sehr
niedrig angesetzt wurde. Das füge ich hinzu, weil wir
hierzu auch andere Zahlen haben. Im Westen sind also
20 Prozent der Männer gegenüber 10 Prozent der Frauen
in Führungspositionen beschäftigt. Im Osten lagen die
Zahlen insgesamt auf niedrigerem Niveau, dafür aber sehr
viel näher beieinander. Was uns nicht überrascht und deut-
lich belegt wurde: Während bislang für Männer die Kar-
rierechancen mit zunehmendem Alter steigen, nehmen sie
für Frauen mit zunehmendem Alter ab.

Noch einige Zahlen zur Einkommenssituation, aufge-
schlüsselt zwischen Ost und West: 1997 erreichten Frauen
in den alten Bundesländern im Schnitt 75 Prozent des
durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommens von Män-
nern. In den neuen Bundesländern waren es 94 Prozent.
Das spielte sich, wie wir alle wissen, auf einem niedrige-
ren Niveau ab. Aber das gilt für Männer und Frauen in den
neuen Bundesländern in gleichem Maße. Hier gibt es also

23059


(C)



(D)



(A)



(B)


232. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 24. April 2002

Beginn: 13.00 Uhr

beträchtliche Unterschiede. Dazu sage ich noch etwas,
wenn ich auf die Ursachen zu sprechen komme.

Die Situation ist bei den sehr jungen Frauen, den 20-
bis 24-Jährigen, anders. In dieser Gruppe liegen die Ein-
kommen von Frauen und Männern sehr nah beieinander.
Aber die Einkommen entwickeln sich im Laufe des
Erwerbslebens immer mehr auseinander. Interessant ist
auch: Je höher das Ausbildungsniveau ist, desto größer
fällt der geschlechtsspezifische Einkommensabstand aus.
Das heißt also, Frauen ohne Qualifikation verdienen etwa
durchschnittlich 82 Prozent des Einkommens der Männer,
während Frauen mit Fachhochschulabschluss nur 69 Pro-
zent verdienen. Höhere Qualifikation bedeutet für die
Frauen zwar höhere Einkommen. Gleichzeitig wird aber
der geschlechtsspezifische Einkommensabstand größer.
Daraus kann man deutlich ableiten, dass die Unter-
schiede, die sich nachher bei den Renten niederschlagen,
sehr groß sind; denn die Rente ist ja an die Erwerbsarbeit
gekoppelt. Die Renten der Frauen in den alten Bundes-
ländern liegen durchschnittlich bei 50 Prozent der Renten,
die die Männer aufgrund ihrer eigenen Erwerbsarbeit er-
halten. Die Renten der Frauen in den neuen Bundeslän-
dern liegen trotz ihrer anderen Erwerbsbiografien bei
etwa 60 Prozent.

Zur Situation bei der Aufteilung der Familien- und
Hausarbeit möchte ich nicht viele Worte verlieren. Sie ist
so, wie sie ist. Hier hat sich nicht viel verändert. Der über-
wiegende Anteil der Familien- und Hausarbeit wird von
Frauen geleistet. Dafür gibt es vier Hauptursachen:

Die traditionellen Geschlechterrollen wirken nach wie
vor sehr hartnäckig fort. Dies zeigt sich auch in der ge-
schlechtsspezifischen Arbeitsteilung, also wenn es um die
Fragen geht, wer für die Familien-, Erziehungs- und Pfle-
gearbeit zuständig ist, wer die Erwerbsarbeit reduzieren
soll und wer auf die berufliche Karriere verzichten soll.

Des Weiteren lassen Arbeitsabläufe und betriebliche
Organisationsstrukturen Beruf und Familie sehr schlecht
miteinander vereinbaren. Es gibt aber auch noch andere
Faktoren, zum Beispiel das Berufswahlverhalten der jun-
gen Frauen, wenn es also um die Frage geht, ob Frauen
eher einen Beruf wählen, der gut bezahlt ist, oder ob sie
die traditionellen Berufe bevorzugen. Wir wissen, wie die
Situation aussieht.

Auch das Einstellungsverhalten der Betriebe trägt mit
zu den geschilderten Lohn- und Einkommensdifferenzen
bei.

Zudem spielen die sozialen Sicherungssysteme hierbei
eine Rolle. Das macht der Bericht sehr deutlich. Es ist
auch das nach wie vor völlig unbefriedigende Angebot an
Kinderbetreuungseinrichtungen vor allem in den alten
Bundesländern zu erwähnen, wenn es um die Vereinbar-
keit von Beruf und Familie geht.

Ich möchte noch hervorheben, dass der Bericht die
Richtung unserer Gleichstellungspolitik bestätigt. Wir ha-
ben ja sofort begonnen, an all den Punkten anzusetzen, die
ich als Ursache für die Ungleichbehandlung von Frauen
und Männern angeführt habe. Schließlich sind sie nicht
mehr neu. Der Bericht hat diese Punkte lediglich noch ein-
mal deutlich gemacht. Wir kennen ja die Themen „Be-

rufswahlverhalten“ und „Vereinbarkeit von Beruf und Fa-
milie“. Wir haben massive Anstrengungen unternommen,
um junge Frauen bei ihrer Berufswahl zu motivieren, in
die Bereiche hineinzugehen, in denen man von vornherein
besser bezahlt wird und in denen gute Aufstiegsmöglich-
keiten bestehen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern,
dass morgen der „Girls’ Day“ stattfindet. Ich hoffe, dass
sich viele daran beteiligen werden. Wir versuchen ge-
meinsam mit den Unternehmen und der D-21-Initiative,
Mädchen Schnupperkurse anzubieten und Multiplikato-
ren in die Schulen zu schicken, um sie für Berufe zu be-
geistern, die sie bisher bei ihrer Berufswahl nicht so sehr
berücksichtigt haben. Wir wollen so die Berufswahl jun-
ger Mädchen auf eine breitere Grundlage stellen; denn
Mädchen können in den technischen Bereichen durchaus
das Gleiche leisten wie junge Männer.

Wir haben, wie Sie wissen, im Bereich der Vereinbar-
keit von Beruf und Familie mit dem Elternzeitgesetz und
mit dem Gesetz zur Regelung des Teilzeitanspruchs Be-
dingungen geschaffen, die es in sehr viel besserem Maße
ermöglichen, Arbeitszeiten zu reduzieren. Wir haben auch
versucht, das Geschlechterverhalten zu verändern. Wir
haben darauf aufmerksam gemacht, dass die Vereinbar-
keit von Beruf und Familie nicht nur ein Thema für Müt-
ter und Frauen, sondern in gleicher Weise auch eines für
Väter ist. Wir haben das durch entsprechende Kampagnen
begleitet. Wir sind nach wie vor mit den Unternehmen im
Gespräch und haben Modelle entwickelt, um das Thema
Familienfreundlichkeit besser in den Unternehmen zu
verankern. Einige Unternehmen haben in dieser Hinsicht
schon gute Fortschritte gemacht, und zwar im eigenen In-
teresse: So langsam begreifen auch die Unternehmen,
dass sie auf gut qualifizierte Frauen gar nicht verzichten
können.

Wir haben mit unserer Rentenreform wichtige Schritte
gemacht, um die Ungleichheiten, die sich aus der unglei-
chen Verteilung der Familienarbeit ergeben, zu beseitigen.
Darauf zielte auch unser Zweites Gesetz zur Familienför-
derung ab. Das, was wir hier auf den Weg gebracht haben,
kann sich sehen lassen.

Der letzte Punkt: Der Bericht thematisiert auch mittel-
bare Diskriminierung durch Tarifgestaltung. Diesen Be-
reich werden wir uns in den nächsten Jahren sehr genau
angucken müssen. Hier ist nicht nur die Politik gefragt;
das geht auch die Tarifpartner an, die überprüfen müssen,
inwieweit die Tarifverträge geschlechtsspezifisch neutral
sind. Die Bundesregierung wird dies im Hinblick auf den
öffentlichen Dienst tun; das BMI arbeitet bereits daran.
Es handelt sich um eines der Projekte im Rahmen des
Gender Mainstream, bei dem es auch darum geht, ob sich
Bewertungskriterien für Männer und Frauen unterschied-
lich auswirken und welche Konsequenzen daraus gezo-
gen werden müssen. Vor diesem Thema darf man jetzt
nicht zurückschrecken.

Alles in allem zeigt dieser interessante Bericht, dass
wir auf dem richtigen Weg sind. Wir wissen aber auch,
dass wir noch eine beträchtliche Wegstrecke vor uns
haben. Damit, dass wir in der nächsten Legislaturperiode
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gezielt fördern




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
23060


(C)



(D)



(A)



(B)


wollen – auch dadurch, dass der Bund Finanzmittel für die
Ganztagsbetreuung aufwendet –, haben wir deutlich ge-
macht, wie wir weiterarbeiten wollen.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423200100
Es gibt ei-
nige Fragen zu diesem Bericht der Frau Bundesministe-
rin. Zunächst gebe ich der Kollegin Fischbach das Wort.


Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1423200200
Frau Ministerin, Sie
haben in Ihrem Bericht die sozialen Sicherungssysteme
und in diesem Zusammenhang die Renten der Frauen an-
gesprochen. Hier spielt auch die betriebliche Altersvor-
sorge eine Rolle. In einer Pressemeldung der „Süddeut-
schen Zeitung“ von gestern stellt nicht nur die CDU/CSU,
sondern auch die Finanzexpertin der Grünen, Frau Scheel,
fest, dass bei der betrieblichen Altersvorsorge vor allem
die Frauen schlechter gestellt sind und es hier einen drin-
genden Nachbesserungsbedarf gibt. Sehen auch Sie die-
sen Nachbesserungsbedarf und, wenn ja, wie wollen Sie
ihm Rechnung tragen? Im Vermittlungsausschuss ist
schon thematisiert worden, dass die Frauen in diesem Be-
reich schlechter gestellt werden; dennoch ist von Ihren
Kollegen Eichel und Riester abgeblockt worden. Wie se-
hen Sie dieses Thema und welche Möglichkeiten haben
Sie als Familienministerin, dieser Schlechterstellung ent-
gegenzuwirken?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete
Fischbach, dort, wo wir bei der Rentenreform eigene Ak-
zente setzen konnten, haben wir es zugunsten von Frauen
getan. Im Hinblick auf Teilzeitarbeit haben wir mit der
Rente nach Mindesteinkommen und der Aufstockung von
Beträgen einen gewissen Ausgleich geschaffen. Auch ha-
ben wir bei der privaten Säule sehr darauf geachtet, dass
sie den Frauen und insbesondere den Kinder erziehenden
Müttern zugute kommt. Allerdings befinden wir uns hier
zum Teil auch auf dem Gebiet des Tarifvertragsrechts;
dies fällt unter den von mir zuletzt genannten Punkt. Die
Tarifvertragsparteien müssen die Tarifverträge daraufhin
überprüfen, wie sich die Regelungen auswirken und wo
unter Umständen Änderungen erforderlich sind. Ich bin
zuversichtlich, dass es hierfür zumindest von der Ge-
werkschaftsseite her Unterstützung geben wird.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423200300
Frau
Schewe-Gerigk.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

fest, dass es sehr positiv ist, dass sich die Einkommens-
situation der Frauen in den neuen Ländern sehr viel ge-
rechter als in den alten Bundesländern darstellt. Das In-
stitut der deutschen Wirtschaft hat vor kurzem berechnet,
dass es noch 86 Jahre dauern wird, bis Frauen das Gleiche
wie Männer verdienen, wenn die Lohnangleichung zwi-

schen Männern und Frauen mit der bisherigen Geschwin-
digkeit fortschreitet. Ich nehme an, dass Sie mit mir einer
Meinung sind, dass wir so lange nicht warten wollen. Da-
her frage ich Sie, welche Mittel es gibt, um diesen Prozess
abzukürzen. Bei den Gewerkschaften gibt es zwischen-
zeitlich zum Beispiel die Möglichkeit, die Arbeit anders
zu bewerten. Was halten Sie von solchen neuen analy-
tischen Verfahren, die dazu führen sollen, dass von Frauen
ausgeübte Tätigkeiten nicht schlechter als überwiegend
von Männern ausgeübte Tätigkeiten bewertet werden?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete
Schewe-Gerigk, ich bin mit Ihnen der Meinung, dass wir
nicht mehr 86 Jahre warten wollen, bis wir auf diesem Ge-
biet mehr Gerechtigkeit hergestellt haben werden. Die Ur-
sachen dafür, dass sich die Einkommenssituation in den
neuen Ländern gerechter darstellt, sind klar: In der Regel
waren Frauen dort vollzeitbeschäftigt und ohne größere
Unterbrechungen erwerbstätig und auch mehr in den Be-
reichen zu Hause, die eher von Männern dominiert sind.
Leider ist dies bei den jungen Frauen heute nicht mehr so
ausgeprägt.

Sie haben auch die Tarifvertragsgestaltung angespro-
chen: Hierzu enthält dieser Bericht sehr interessante und
ausführliche Darstellungen bestimmter Untersuchungen.
Es geht darum, dass wir EU-Recht umzusetzen haben,
nach dem die Gleichwertigkeit von Tätigkeiten zu berück-
sichtigen ist: Gleiche Tätigkeiten müssen gleich bezahlt
werden. Dies gilt bei uns in aller Regel bereits. Unmittel-
bare Diskriminierungen sind kaum noch festzustellen, je-
doch mittelbare.

Ich nenne ein Beispiel dafür: In der Altenpflege wird
körperliche Arbeit nicht als Bewertungskriterium heran-
gezogen, während sie aber im Metallbereich ein ganz ent-
scheidendes Kriterium für die Einstufung von Tätigkeiten
ist. Daran wird deutlich, worauf wir bei der Bewertung
achten müssen. Das ist ein Thema, das uns in der nächs-
ten Zeit sehr beschäftigen wird, natürlich in erster Linie
dort, wo wir selbst Arbeitgeber sind. Es gibt aber auch
Bemühungen auf europäischer Ebene. Wir werden im
Juni hier in Berlin mit Unterstützung der EU eine Konfe-
renz durchführen, bei der es darum geht, solche Bewer-
tungskriterien der Länder miteinander zu vergleichen und
zu analysieren, wo es Veränderungen geben muss, sowie
darum, die Bewertungskriterien auf den Prüfstand zu stel-
len, also das Thema einmal richtig in Angriff zu nehmen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423200400
Frau Kolle-
gin Gradistanac.


Renate Gradistanac (SPD):
Rede ID: ID1423200500
Frau Ministerin, zunächst
einen zweifachen Dank: zum einen für Ihren mündlichen
Bericht, zum anderen aber vor allem für den schriftlichen
Bericht. Es war schon ein bisschen unzureichend, sich in
der Vergangenheit nur auf die so genannten Leichtlohn-
gruppen zu konzentrieren. Dieser Bericht trifft qualitativ
eine ganz andere Aussage, aus der wir Handlungsemp-
fehlungen ableiten können.

In der letzten Woche hatten wir eine ausführliche
familienpolitische Debatte. Eines war klar: Wenn die




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

23061


(C)



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(A)



(B)


Voraussetzungen für Frauen nicht gegeben sind, Familie
und Erwerbsarbeit zu vereinbaren, wird es in Zukunft
ganz schwierig. Ich frage Sie: Was hat die Bundesregie-
rung getan und was haben Sie noch vor?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete
Gradistanac, Sie haben Recht: Wir können lange über die
Einkommenssituation reden, wenn wir nicht die Voraus-
setzungen dafür schaffen, dass es für Männer und Frauen
möglich ist, Erwerbsarbeit mit Familienarbeit in Überein-
stimmung zu bringen. Ich weise aber noch einmal darauf
hin, dass wir in der Hinsicht in dieser Legislaturperiode
viele Steine aus dem Weg geräumt haben.

Genannt sei das Elternzeitgesetz, nach dem es jetzt
möglich ist, dass beide Elternteile zur gleichen Zeit El-
ternzeit nehmen und die Reduzierung der Arbeitszeit
nicht immer nur bei den Müttern hängen bleibt. Wir alle
wünschen uns viele Väter, die davon Gebrauch machen,
auch deshalb, weil es für die Familie, für die Kinder und
für das Zusammenleben gut ist. Das Teilzeitgesetz setzt
diese Bemühungen in ganz erheblichem Umfange fort.

Kinderbetreuung muss sehr dringlich und gemeinsam
mit allen Partnern – mit den Kommunen, den Ländern und
dem Bund – ausgebaut werden. Der Bund muss das zwar
nicht tun, weil es verfassungsgemäß nicht seine Aufgabe
ist. Obwohl wir schon gescholten worden sind, wir
mischten uns unzulässig in die Kompetenz der Länder
ein, kenne ich viele, die froh sind, wenn sie ein Stück weit
unterstützt werden. Ich will erst einmal sehen, ob Länder
sagen, sie wollten kein Geld vom Bund.

Gleichzeitig haben hier auch die Unternehmen eine
Verpflichtung. Es gibt bereits Unternehmen, die sich auf
diesem Gebiet engagieren. So bietet zum Beispiel die
Telekom Unterstützung in Form von Kinderbetreuung für
die berühmten Brückentage an. Es ist ja eine Unsitte, dass
es keine Kinderbetreuung gibt, wenn zwischen einem
freien Tag und einem Wochenende nur ein Arbeitstag
liegt. Was macht dann eine alleinerziehende Mutter, wenn
niemand in der Nähe ist, der ihr das Problem der Kinder-
betreuung abnehmen kann? Es gibt auch Unternehmen,
die einen Familienservice anbieten oder Kinderbetreu-
ungsmöglichkeiten in der Kommune mitfinanzieren.

Die angesprochenen Unterschiede im Einkommen
zwischen Ost und West zeigen deutlich: Das Vorhanden-
sein von Kinderbetreuung führt dazu, dass Frauen in sehr
viel größerem Umfang erwerbstätig sein können. Dieser
Bericht besagt ebenso wie andere Studien, die auf unse-
rem Tisch liegen: Die meisten Mütter wollen erwerbstätig
sein. Sie wollen zum großen Teil mehr Stunden pro Wo-
che erwerbstätig sein, als es jetzt möglich ist. Das Pro-
blem ist: Wenn die Kita mittags schließt, haben die
Mütter eben Pech gehabt, ebenso, wenn es dort kein Mit-
tagessen gibt und sie noch kochen müssen.

Die Verbesserung der Kinderbetreuung ist ein ganz we-
sentlicher Schritt, der in der Folge zur Verbesserung der
Einkommenssituation beitragen und berufliche Karrieren
ermöglichen wird. Aber wir müssen ebenfalls um die Auf-
wertung der Familienarbeit bemüht sein sowie darum,
von der vollen Verfügbarkeit als Grundlage für berufliche

Karrieren wegzukommen; auch bei reduzierter Arbeits-
zeit sollen berufliche Karrieren und Führungspositionen
infrage kommen.

Wir haben mit dem Gleichstellungsdurchsetzungs-
gesetz einen Anfang für den öffentlichen Dienst gemacht.
Darin ist auch festgelegt, dass es bei Bewerbungen keine
Benachteiligungen geben darf. Auch Männer – manchmal
bewerben sich Väter – kommen in diesen Genuss; die ent-
sprechende Formulierung ist geschlechtsneutral. Bei Be-
werbungen dürfen Ausfälle wegen Kinderbetreuung oder
wegen Pflege nicht als Nachteil gewertet werden. Das ist
ein ganz wichtiger Punkt. Da muss sich auch in den Köp-
fen noch viel verändern.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423200600
Mein Vor-
schlag lautet: kurze Fragen, kurze Antworten. Sonst
schaffen wir unser Pensum nicht.

Frau Kollegin Bläss, bitte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423200700
Frau Ministerin, Sie haben das
Stichwort „Europäische Union“ bereits genannt. Es gibt
klare Vorgaben in Form von Richtlinien, was das Vor-
gehen gegen unmittelbare und mittelbare Entgeltdiskri-
minierungen betrifft. Erste Frage: Inwieweit sehen Sie
sich auch als Frauenministerin im Kabinett jetzt gestärkt,
auf diesem Gebiet offensiver vorzugehen, und wie sehen
Sie die nächsten strategischen Schritte, diese EU-Richt-
linien konsequent umzusetzen?

Meine nächste Frage betrifft die europäischen Erfah-
rungen der 90er-Jahre. Insbesondere die Analysen und
Initiativen Norwegens und des Nordischen Rates sind die
weitestgehenden gewesen. Es liegen also entsprechende
Ergebnisse auf dem Tisch. Inwieweit sehen Sie Möglich-
keiten, aus diesen Erfahrungen unmittelbar zu schöpfen? –
Sie haben bereits etwas zu Möglichkeiten und Grenzen,
in der Tarifpolitik Pflöcke zu setzen, gesagt. Ich fand den
Ansatz, „Gender“ als Prüfungskriterium zu verwenden,
sehr interessant. Inwiefern sehen Sie darin eine neue Qua-
lität dafür, dass Politik Rahmenbedingungen für Tarifver-
handlungen setzen kann?

Letzte Frage: Sprechen die klaren Ergebnisse, die Sie
in Ihrem Vortrag genannt haben, nicht doch dafür, dass es
auch in der Privatwirtschaft gesetzliche Regelungen zur
Frauenförderung geben muss?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete
Bläss, das waren mehrere Fragen.

Ich will auf den europäischen Aspekt eingehen. Ich
muss klar sagen, dass es kein europäisches Land gibt,
in dem es eine hundertprozentige Einkommensgleichheit
gibt. Auch in den von uns immer wieder hochgelobten
nordischen Ländern, die uns wirklich in vielem eine Na-
senlänge voraus sind, gibt es noch ein Stück Ungleichheit
beim Einkommen und eine geschlechtsspezifische Seg-
mentierung des Arbeitsmarktes.

Natürlich sind die Aussagen des Berichts – zusätzlich
zu dem, was es im europäischen Bereich gibt – sehr hilf-
reich. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir im




Renate Gradistanac
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Juni – alle sind herzlich eingeladen – eine Konferenz ver-
anstalten, auf der die Bewertungskriterien auf dem Gebiet
der Tarifverträge ein Thema sein werden. Auf dieser Kon-
ferenz werden wir hören, wie weit die anderen Länder
sind. Auch in Schweden arbeitet man an der Beantwor-
tung der Frage: Wie kann man dort, wo Tarifautonomie
herrscht, politische Zeichen setzen?

Dieser Punkt spielt eine Rolle. Das hat sich auch in
dem Kriterienkatalog, der unsere Vereinbarungen mit den
Spitzenverbänden der Wirtschaft enthält, niedergeschla-
gen. Bei der Behandlung des Themas Chancengleichheit
geht es auch um Lohngleichheit. In den entsprechenden
Gremien wird man sich zusammensetzen müssen, um zu
klären, wie eine Gender-gemäße Prüfung von Tarifver-
trägen erfolgen sollte. Eine solche Prüfung wird – wie es
so ist im Leben – an der einen Stelle schneller gehen als
an der anderen.

Wir sollten mit gutem Beispiel vorangehen und erst
einmal den BAT entsprechend überprüfen. Das wäre ganz
wichtig. Wir werden uns die Partner suchen, mit denen
wir schrittweise vorangehen können. Einiges liegt schon
auf dem Tisch. Auch Verdi hat bereits etwas vorgelegt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423200800
Herr Kol-
lege Dehnel, bitte.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1423200900
Frau Ministerin, Sie
haben gesagt, dass auch Frauen in führenden Positionen
praktisch immer benachteiligt sind; Sie haben eine Pro-
zentzahl genannt. Glauben Sie persönlich daran, dass es
vielfach an den Frauen selbst liegt – ich denke an die Art,
wie sie in den politischen Parteien oder in anderen Insti-
tutionen um ihre Rechte kämpfen –, ob sie Führungsposi-
tionen bekommen? Sollten Frauen Ihrer Meinung nach
ihre eigenen Interessen nicht viel stärker wahrnehmen?
Ich meine, dass Frauen auch in den Spitzenpositionen des
parlamentarischen Geschehens – ich denke auch an das
Amt des Bundespräsidenten – stärker vertreten sein sollten
und dass sie ihre Rechte dort stärker wahrnehmen sollten.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich sage dazu nur:
Kanzlerkandidatin.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Dehnel [CDU/CSU]: Ich habe das jetzt wohlweislich ausgelassen!)


Auch das ist so ein Punkt.
Die Parteien müssen Rahmenbedingungen setzen, und

zwar sehr unterschiedliche. Ich glaube, wir von der So-
zialdemokratischen Partei sind da nicht schlecht aufge-
stellt. Auch im Kabinett gibt es immerhin sechs Ministe-
rinnen; das sind gut 40 Prozent. Das ist nicht so schlecht.


(Clemens Schwalbe [CDU/CSU]: Kennt keiner!)


Wenn wir uns das Verhältnis bei den Mitgliedern des
Bundestages und den Parlamentarischen anschauen, dann

glaube ich feststellen zu können, dass die Probleme nicht
auf unserer Seite liegen, sondern auf der anderen Seite.

Ich würde den schwarzen Peter aber nicht den Frauen in
die Schuhe schieben. Auch Männer sind dafür verantwort-
lich, dass der Verfassungsgrundsatz der Gleichberechti-
gung von Mann und Frau in der Gesellschaft umgesetzt
wird. Dafür muss man Rahmenbedingungen schaffen;
aber man muss auch Frauen ermutigen, damit diese genau
wissen, dass sie es schaffen können. Das haben wir mit un-
serer Quotenregelung erreicht. Dass wir jetzt im Gleich-
stellungsdurchsetzungsgesetz des Bundes für den öffent-
lichen Dienst wieder eine einzelfallbezogene Quote haben,
halte ich für sehr wichtig. Vor diesem Hintergrund wissen
Frauen genau, dass sie es schaffen können, wenn sie sich
für einen Job qualifiziert haben; denn die Quote ist ja im-
mer auf gleiche Qualifikation bezogen.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423201000
Frau Kolle-
gin Wolf.


Hanna Wolf (SPD):
Rede ID: ID1423201100
Frau Ministerin, ich
finde es immer spannend, wenn die CDU/CSU-Fraktion
das Thema Quote anspricht und entsprechende Fragen
stellt. Sie hat erstens keine und zweitens hat sie in ihren Rei-
hen weniger Frauen als in der letzten Legislaturperiode.


(Clemens Schwalbe [CDU/CSU]: Bei euch steht sie auf dem Papier, bei uns wird sie gemacht!)


Ich habe eine Frage zu Ihrem Bericht: Für mich ist es
nicht überraschend, dass es immer noch Lohnungleich-
heiten gibt. Das Überraschende für mich ist, dass die bes-
ser Qualifizierten eigentlich schlechter wegkommen als
die weniger Qualifizierten. Die Ursachen dafür muss man
natürlich analysieren. Mich würde interessieren, welche
Maßnahmen Sie schon ergriffen haben und welche Maß-
nahmen Sie vorhaben. Gerade angesichts der Tatsache,
dass die Wirtschaft Hochqualifizierte braucht und wir die
bestqualifizierte Frauengeneration haben, muss es doch
endlich einmal zu einer Gleichbehandlung bei der Bezah-
lung kommen. Was macht die Bundesregierung in diesem
Bereich und was hat sie in Zukunft vor?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Wir verfolgen vor al-
len Dingen zwei Strategien.

Die eine ist, junge Frauen zu werben und zu überzeugen,
auch in die gut bezahlten Bereiche hineinzugehen, in denen
Fachkräftemangel herrscht. Denken wir an den Bereich der
Informationstechnologien. Dort sucht man nach wie vor
händeringend Fachkräfte. Wir sagen dabei nicht nur:
„Mädchen, macht das einmal, das ist doch was für euch und
schaut euch das einmal an“, sondern kooperieren wirklich
mit den Unternehmen. Wichtig ist ja, dass auch die Unter-
nehmen sagen: Wir wollen euch und bieten euch Auf-
stiegsmöglichkeiten; ihr habt bei uns gute Chancen.

Ich weise noch einmal auf den morgigen „Girls’ Day“
hin. Gerade einige Unternehmen aus der D-21-Initiative




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

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werfen sich da richtig ins Zeug, nicht nur, weil sie
Mädchen so furchtbar nett finden, sondern weil sie ein-
fach wissen, dass sie diese jungen Frauen brauchen. Wenn
sie einmal junge Frauen eingestellt haben, wissen sie, dass
diese so gut und so überzeugend sind, dass – das sagen sie
mir dann auch –, wenn sie die nicht hätten, es schlecht bei
ihnen aussähe. Das hat sich zwar noch nicht allgemein
herumgesprochen; aber beispielsweise habe ich gerade
vom Handwerksverband eine Mitteilung bekommen, dass
sich da langsam die Nachwuchsfrage stelle. Man handelt
also nicht, weil man endlich Art. 3 der Verfassung gerecht
werden will, sondern weil man sich fragt, woher man an-
gesichts geburtenschwacher Jahrgänge gute Leute be-
kommen kann, und wirbt dann noch einmal verstärkt um
Mädchen.

Das heißt zum Beispiel auch, dass man ihnen ordent-
liche und nicht irgendwelche Positionen anbietet. Denn
wenn man sich die verschiedenen Branchen anschaut,
stellt man fest, dass in einigen relativ gut bezahlt wird
– das sind eher Männer-Branchen – und in anderen
schlecht bzw. im Niedriglohnbereich bezahlt wird; in die-
sen findet man fast durchgehend Frauen. Man muss jetzt
die Frauen fragen, warum sie sich für diese Branchen ent-
scheiden, und sie auffordern, sich doch einmal zu über-
legen, ob es nicht woanders genauso spannend für sie
wäre. Man muss sie auch ermutigen und ihnen sagen, dass
sie das auch können.

Zum anderen setzen wir wie bei der Vereinbarung da-
rauf, dass man die Unternehmen auffordert, sich selber
Gedanken zu machen und es nicht dem Selbstlauf zu
überlassen. Wir fragen, was sie machen wollen, um
Mädchen zu gewinnen, wie für Ausbildungsplätze ge-
worben wird, was gemacht wird, um Frauen in Führungs-
positionen zu bekommen, und was zur besseren Verein-
barkeit von Beruf und Familie getan wird. Da sind wir
jetzt dran. 2003 gibt es, wie Sie wissen, eine Bestands-
analyse. Bis dahin werden Daten ermittelt, erfasst und
analysiert, was nicht ganz einfach ist. Wenn anhand der
Bestandsanalyse 2003 festgestellt wird, dass diese Me-
chanismen nichts bringen, werden – diese klare Aussage
steht im Raum – gesetzliche Maßnahmen gemäß der
zweiten Stufe des Gesetzes ergriffen. Zurzeit greift noch
die erste Stufe des Gesetzes, wo allen überlassen ist, was
sie tun wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423201200
Herr Kol-
lege Koppelin.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1423201300
Frau Ministerin, Sie haben
auch über die Einkommenssituation von Frauen und Män-
nern gesprochen. Nun haben Sie ja bei einem bestimmten
Klientel, nämlich bei den Alleinerziehenden, ein be-
stimmtes Image. Sie haben sich gegenüber Minister
Eichel damals nicht durchsetzen können, als im Zusam-
menhang mit der Kindergelderhöhung auch die Freibe-
träge bei den Alleinerziehenden gestrichen worden sind.
Können Sie uns sagen, warum Sie sich damals nicht ha-
ben durchsetzen können? Wie wollen Sie sich denn bei
dem, was Sie heute hier vortragen, durchsetzen, wenn Sie

sich schon bei solch einfachen Dingen nicht durchsetzen
konnten?


(Renate Gradistanac [SPD]: Sie haben Versäumnisse in Ihrer Regierungszeit, wir nicht! Sie müssen schon dabei bleiben!)


Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Koppelin, es
geht hier nicht um durchsetzen oder nicht durchsetzen.
Wir haben Beschlüsse von Karlsruhe; das muss sich doch
langsam in diesem Hause herumgesprochen haben.


(Beifall bei der SPD – Peter Dreßen [SPD], zur CDU/CSU und FDP gewandt: Das war eine Ohrfeige für euch!)


Nach den Karlsruher Beschlüssen ist es nicht zulässig,
den Haushaltsfreibetrag in dieser Form zu gewähren und
die Alleinerziehenden besser zu stellen, obwohl das ja
einmal bewusst getan wurde als Ausgleich für das Split-
ting bei den Ehepaaren. Diese Beschlüsse mussten wir
umsetzen. Daran war niemand interessiert, das wollten
wir eigentlich gar nicht, aber das mussten wir machen.
Wir haben mit dem Abschmelzen eine Form gewählt,
durch die das einigermaßen verträglich geschah. Gleich-
zeitig haben wir die Möglichkeit geschaffen, Kinderbe-
treuungskosten von der Steuer abzusetzen, und wir haben
die Freibeträge erhöht. Dadurch haben wir versucht, einen
Ausgleich zu schaffen.

Sie wissen, dass wir uns auch weiterhin fragen: Was
können wir noch tun? Können wir die Grenzen verbes-
sern? Sind in dem Bereich weitere Verbesserungen mög-
lich? Dazu gibt es noch Beratungen. Wir werden zu einem
vernünftigen Ergebnis kommen, das ist ganz klar.

Bei den Punkten, auf die dieser Bericht hinweist, sind
wir schon wirklich an die Ursachen herangegangen. Ich
nenne hier nur die Themen Berufswahlverhalten, Verein-
barkeit von Beruf und Familie oder die Bemühungen,
Frauen in Führungspositionen zu bringen. Da haben wir
eine ganze Menge auf den Weg gebracht. Wir können aber
in drei Jahren nicht alles aufarbeiten, was Sie in den 16 Jah-
ren vorher nicht getan haben. Das ist leider nicht möglich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit dieser Strategie werden wir weitermachen; da sind
wir uns einig. Sie haben die Regierungserklärung des
Kanzlers hier gehört. Wir geben Geld in die Kinderbe-
treuung, das hat für uns Priorität. Wir setzen auf die guten,
qualifizierten Frauen. Wir wollen die Möglichkeiten
schaffen, damit sich jeder in seiner Familie so einrichten
kann, wie er das gern möchte, und nicht Frauen aufgrund
mangelnder Betreuung gezwungen werden, auf Erwerbs-
tätigkeit zu verzichten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423201400
Frau Kolle-
gin Griese hat das Wort.


Kerstin Griese (SPD):
Rede ID: ID1423201500
Frau Ministerin, Sie haben
schon auf die positive Entwicklung bei der Ausbildung




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
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(B)


von Mädchen und jungen Frauen hingewiesen, die ja
durch die Bank bessere Schulabschlüsse machen. Nichts-
destotrotz gibt es noch Unterschiede im Berufswahlver-
halten. Mädchen streben immer noch sehr viel stärker in
bestimmte Ausbildungsberufe, die später schlechter be-
zahlt werden. Hier muss man an der Wurzel ansetzen.
Deshalb meine Frage: Was tut die Bundesregierung, um
diesen indirekten Einkommensunterschieden schon da-
durch vorzubeugen, dass auch Mädchen motiviert wer-
den, in ihrem Berufswahlverhalten stärker auf Berufe zu
setzen, die zumindest gleiche Einkommenschancen bie-
ten wie die, die hauptsächlich von jungen Männern er-
griffen werden, sodass dadurch mit dazu beigetragen wer-
den kann, dass dort die Einkommensunterschiede
verringert werden?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Das Thema Berufs-
wahlverhalten liegt mir sehr am Herzen. Ich sehe auf der
einen Seite diese guten, kompetenten jungen Frauen und
auf der anderen Seite sehe ich, dass die meisten
Mädchen in zehn Berufe – darunter ist kein technischer
Beruf, auch die neuen Berufe sind nicht darunter – ge-
hen, obwohl sie anderes durchaus könnten. Nun wollen
wir nicht alle zwingen, in die Informatik zu gehen. Aber
wir wollen vor allen Dingen die Mädchen auch mit den
neuen Berufen vertraut machen und ihnen klar machen:
Ihr könnt das. – Man sollte ihnen zum Beispiel Schnup-
perkurse anbieten.

Wir haben in den letzten Monaten viele Veranstaltun-
gen unter anderem mit den Industrie- und Handelskam-
mern durchgeführt. In Berlin haben wir ganze Schulklas-
sen und Unternehmen eingeladen. Die Schülerinnen und
Schüler konnten sehen, was in den Unternehmen passiert,
sie konnten am Computer spielen oder haben Termine ge-
nannt bekommen, zu denen sie in die Unternehmen gehen
können – das, was wir eben auch morgen mit dem „Girls’
Day“ machen. Die Schülerinnen und Schüler gehen in die
Betriebe, um zu erfahren, was sich hinter diesem oder je-
nem Beruf, der manchmal wenig anschaulich klingt oder
wenig Anreiz hat, verbirgt.

Wir merken aber auch, dass in dem gesamten Umfeld
der Jugendlichen immer noch traditionelle Rollenbilder
vermittelt werden. In einem Seminar bei Siemens, in dem
es darum ging, Mädchen auch für technische Berufe zu
begeistern, sagte mir eine Schülerin, in der Schule sei ihr
von ihrer Koordinatorin, als sie Physik als Wahlfach neh-
men wollte, gesagt worden: Ach, lass das mal. Nach ei-
nem halben Jahr kommst du sowieso wieder und es gefällt
dir nicht. – Das wurde der Schülerin gesagt, obwohl sie
Physik studieren wollte. Wenn ich so etwas höre, ver-
zweifle ich.

Wir sagen immer: Auch in den neuen Berufen muss
man nicht unbedingt in Mathematik eine Eins haben. Die
haben die jungen Männer, die in diese Berufe gehen, näm-
lich auch nicht alle. Wir müssen den Mädchen sagen: Ihr
könnt das. Guckt euch da um. Macht das.

Die Wissenschaftsministerin wirbt für Ingenieurbe-
rufe, macht also Gleiches. – Wir haben da wirklich ein
breites Netz geknüpft.

Viel passiert auch vor Ort bei den Regionalstellen, dort,
wo sich die Länder ebenfalls darum kümmern. Wir müs-
sen jetzt sehen, dass das wirkt.

Ich habe von der Bildungsministerin gehört, dass es im
Bereich der Informatik jetzt wieder eine Aufwärtsbewe-
gung gibt. Da bewerben sich wieder mehr junge Frauen.
Ich hoffe, dass die vereinten Bemühungen doch langsam
zum Tragen kommen. Auch die Arbeitsämter haben die
Aufgabe, sich in diesem Bereich kräftig mit um junge
Frauen zu kümmern.

Was die Arbeitsmarktprogramme angeht, so führen wir
gezielt dort Projekte bzw. Modelle durch, wo Mädchen
unterrepräsentiert sind, insbesondere im technischen Be-
reich. Es gibt viele Möglichkeiten. Aber es müssen auch
viele mitziehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423201600
Frau
Blumenthal.


Antje Blumenthal (CDU):
Rede ID: ID1423201700
Frau Ministerin, Sie
haben vorhin in einer Ihrer Antworten sowohl auf den An-
spruch auf Elternzeit als auch auf das Recht auf Teilzeit
hingewiesen. Welche Entwicklungen gibt es bei dem An-
spruch auf Elternzeit? Liegt die Zahl der Väter, die das
Recht in Anspruch nehmen, weiterhin bei unter 2 Prozent?
Sie verfügen jetzt über einen Erfahrungszeitraum von
mehr als einem Jahr.

Welche Entwicklungen haben Sie bei dem Recht auf
Teilzeit festgestellt, zumal die Wirtschaft sagt, dass damit
beschäftigungshemmende Effekte verbunden sind?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Was die Frage nach
der Elternzeit angeht, so haben wir noch keine neuen sta-
tistischen Daten. Das Gesetz gibt es erst seit einem Jahr.
Ich weiß nicht genau, wann wir die erste Statistik bekom-
men. Das kann am Ende des Jahres oder erst im nächsten
Jahr der Fall sein.

Grundsätzlich muss man Folgendes sagen: Wir haben
noch nicht alle Väter, die das könnten, dazu gebracht, dies
in Anspruch zu nehmen. Wir wissen, dass es sich um ei-
nen Prozess der Überzeugung handelt, bei dem wir auch
viel Unterstützung durch die Unternehmen brauchen.

Ich war im Zusammenhang mit der Väterkampagne in
vielen kleinen und großen Unternehmen. Ich habe festge-
stellt, dass es dort, wo die Unternehmensleitung das mit
unterstützt, wo sie es zu ihrer Aufgabe macht und es nicht
nur bei der Gleichstellungsbeauftragten ablädt und sagt:
„Sie soll sich einmal darum kümmern“, wo auch die Be-
triebsräte mitmachen und sagen: „Wie kriegen wir das
jetzt hin? Wie kriegen wir familienfreundliche Arbeits-
zeiten und Arbeitsbedingungen? Wie bringen wir das
Thema den Vätern nahe? Wie signalisieren wir, dass
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die davon Gebrauch
machen, nicht als solche betrachtet werden, die an be-
ruflicher Karriere nicht interessiert sind?“, positive




Kerstin Griese

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Erfahrungen gibt. Auch in diesen Unternehmen sind es
noch nicht 50 Prozent der Väter, die das in Anspruch neh-
men. Aber es gibt dort Väter, die sagen: Ja, ich mache das.

VW zum Beispiel veranstaltet Elternseminare, in de-
nen Väter und Mütter gemeinsam über die vorhandenen
Möglichkeiten beraten werden. Ich bin schon optimis-
tisch, dass sich da einiges tun wird; denn wir wissen, dass
20 Prozent der Väter das gerne möchten. Sie möchten
mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Sie möchten
nicht nur am Rande der Familie wahrgenommen werden.
Diese wollen wir natürlich zuerst erreichen.

Zu dem Teilzeitgesetz gibt es noch keine statistischen
Daten.

Eines muss man auch sagen – Sie haben das angespro-
chen –: Es wird immer so getan, als sei das furchtbar für
Unternehmen. Die Unternehmen, die sich auf Elternzeit,
Teilzeit, familienfreundliche Arbeitzeiten, Telearbeit
– was auch immer – einlassen, sagen, dass es sich für sie
lohnt. Es macht mehr Arbeit und ist mit mehr Organisa-
tion verbunden. Aber sie haben motivierte Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter und sie halten ihre qualifizierten Be-
schäftigten. Das wird immer mehr ein Faktor, der im
betrieblichen Wettbewerb eine Rolle spielen wird, und
zwar ein positiver; davon bin ich überzeugt. Wer sich da
schneller auf den Weg macht, hat einen Vorteil.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423201800
Frau Kolle-
gin Rupprecht, darf ich Ihr Gespräch für die von Ihnen an-
gemeldete Frage einmal kurz unterbrechen?


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1423201900
Das ist eine Kollegin, die
man sonst nicht sieht; Entschuldigung.


(Wolfgang Dehnel [CDU/CSU]: Sind Sie so selten im Plenum? – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Die Fraktionssitzungen bei der SPD sind nur noch Befehlsausgaben!)


– Nein, wir sehen uns so selten, weil unsere Räumlich-
keiten so weit voneinander entfernt sind. Aber darum ging
es in meiner Frage nicht.

Frau Ministerin, es gibt mehrere Untersuchungen zur
Entlohnung und Bezahlung von Frauen in der freien Wirt-
schaft. Unter anderem gibt es eine Untersuchung der Uni-
versität Hohenheim, die zu dem Ergebnis kommt, dass die
Bereitschaft der Unternehmen, junge Frauen, die Füh-
rungspositionen anstreben, genauso zu behandeln wie
junge Männer in derselben Situation, die die gleiche Qua-
lifikation und die gleichen Voraussetzungen haben, schon
bei der Einstellung nicht vorhanden ist. Es wurde errech-
net, dass Frauen, die sich bei gleicher Qualifikation und
gleichem Können beruflich gleich entwickeln, im Laufe
ihres Erwerbslebens etwa 350 000 DM – bzw. die Hälfte
in Euro – weniger als Männer bekommen. Wenn sie sich
entscheiden, Mutter zu werden, haben sie ungefähr
800 000 bis 850 000 DM Einkommenseinbußen, nur auf-
grund des Geschlechts. Das ist das so genannte Gender
Gap. Was können die Arbeitgeber da tatsächlich tun und

wie können wir die Arbeitgeber motivieren, dass sie sich
im Bereich der Führungskräfte bei gleicher Qualifikation
den Frauen gegenüber anders verhalten? Solche Unter-
schiede darf es nicht geben, wenn wir unsere Rolle darin
sehen, auch in der Wirtschaft Anreize für Gleichstellung
zu schaffen.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete
Rupprecht, der Bericht bringt zum Ausdruck, dass die Un-
terschiede zu Beginn des Berufslebens – allerdings ist das
die Gruppe der 20- bis 24-Jährigen, da ist man in der Re-
gel noch nicht in der obersten Führungsetage angekom-
men – relativ gering sind, im Osten noch geringer als im
Westen – das kann ich mir gar nicht erklären –, dass sie
aber im Laufe des Berufslebens, je weiter jemand im Be-
trieb aufsteigt, immer größer werden. Ich erwähnte be-
reits, dass Männer mit zunehmendem Alter eher in
Führungspositionen gelangen als Frauen. Wenn man nach
der Familienphase wieder einsteigt, fängt man meistens
wieder ganz unten an.

Da gibt es natürlich auch für die Arbeitgeber einen
großen Handlungsbedarf. Dabei geht es unter anderem
um das Thema Vereinbarkeit. Es geht darum, die Zeiten
außerhalb der Erwerbsarbeit relativ gering zu halten. Es
ist wichtig, auch während der Elternzeit im Betrieb wei-
ter qualifiziert zu werden, mitzulaufen, um den Wissens-
verlust einzugrenzen. Hier ist viel Handlungsspielraum;
dafür gibt es das eine oder andere gute Beispiel.

Ich will Ihnen aber noch eine erschütternde Zahl nen-
nen: Wenn man sich bei den über 60-Jährigen anschaut,
wie sich die Einkommensverluste im Laufe eines Berufs-
lebens auswirken, stellt man fest, dass Frauen ein kumu-
liertes Erwerbseinkommen haben, das im Durchschnitt
nur 42 Prozent des Männereinkommens beträgt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423202000
Frau Kolle-
gin Lehder.


Christine Lehder (SPD):
Rede ID: ID1423202100
Danke schön, Herr Präsi-
dent, dass Sie mir diese Frage trotz der zeitlichen Enge
noch gestatten. – Frau Ministerin, der vorliegende Bericht
zeigt, dass die Einkommensunterschiede zwischen
Frauen und Männern in Ost und West sehr verschieden
sind. In Ostdeutschland ist die Differenz zwischen den
Einkommen von Frauen und Männern weitaus geringer
als in Westdeutschland. Wodurch lassen sich diese Unter-
schiede Ihrer Meinung nach begründen?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete
Lehder, das hängt zum einen mit der kontinuierlichen Er-
werbsarbeit zusammen. Die Erwerbsbiografien in Ost und
West sind unterschiedlich. Es handelt sich hierbei ja um
Längsschnittstudien. Verdienstvoll an dem Bericht ist,
dass Daten über 22 Jahre ausgewertet werden. Man kann
feststellen, dass die unterschiedlichen Zahlen mit der an-
deren Akzeptanz der Erwerbsarbeit in den neuen Bundes-
ländern zusammenhängen, die traditionellerweise besteht
und entsprechend gelebt wird. Das führt dazu, dass




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
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(C)



(D)



(A)



(B)


Frauen im Osten weniger Unterbrechungen haben und
weniger Teilzeit arbeiten. Voraussetzung dafür ist natür-
lich, dass für die Kinderbetreuung gesorgt wird. Sonst
wäre das nicht möglich.

Der zweite Faktor ist, dass die Frauen im Osten, je-
denfalls in unserer Generation, sehr viel stärker in den
Männerbranchen vertreten sind. Es gibt sehr viel mehr In-
genieurinnen, zum Beispiel Bauingenieurinnen, als in den
alten Bundesländern. Hinzu kommt, dass die Erwerbsar-
beit von Frauen immer auf Eigenständigkeit ausgerichtet
war und es auch jetzt noch ist. Sie werden nicht als Zu-
verdienerinnen gesehen. Was eine Zuverdienerin ist, habe
ich erst nach 1990 gelernt; ich weiß nicht, wie es Ihnen
geht. Der Bericht sagt ganz klar, dass das ostdeutsche Mo-
dell gleichberechtigte erwerbstätige Partner vorzieht,
während es in den alten Bundesländern eher das Modell
der Hauptverdiener und Zuverdiener gibt. Aber das ändert
sich jetzt. Die jungen Frauen wollen das so nicht mehr.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423202200
Die letzte
Frage zum Bericht aus der Kabinettssitzung hat die Kol-
legin Fischbach.


Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1423202300
Frau Ministerin, ich
möchte nachfragen. Der Sachverständigenrat zur Begut-
achtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat fest-
gestellt, dass der Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit eher
beschäftigungshemmend ist und dass dem Bedürfnis der
Eltern nach Teilzeit dadurch nicht Rechnung getragen
wird. Ich frage Sie daher, ob Sie diese Einschätzung tei-
len. Wenn diese Einschätzung des Sachverständigenrates
zutrifft: Welche Maßnahmen müssten Sie in Angriff neh-
men, um dafür zu sorgen, dass der Anspruch auf Teilzeit-
arbeit nicht beschäftigungshemmend ist und dass mehr
Teilzeitarbeitsplätze angeboten werden? Wäre es nicht
sinnvoll, diesen Rechtsanspruch zurückzunehmen?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich höre immer wie-
der die gerade von Ihnen vertretene Meinung. Ich kann sie
nach meinem Kenntnisstand nicht teilen. Wir sollten uns
einmal die Situation in den Nachbarländern anschauen,
die uns ansonsten als Vorbild dienen. Ich nenne zum Bei-
spiel die Niederlande, die sowohl bei Männern als auch
bei Frauen einen hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigten
haben. Es ist ja nicht so, dass die Niederlande wirtschaft-
lich sehr schlecht dastehen würden.

Sie wissen auch, wie dieser Teilzeitanspruch ausge-
stattet ist. Es besteht die Möglichkeit, dass dieser An-
spruch – wie übrigens auch beim Elternzeitgesetz – aus
betrieblichen Gründen nicht erfüllt werden muss. Nach
meinen Erfahrungen ist es aber so, dass eher darüber ge-
klagt wird, dass versucht wird, den Beschäftigten diesen
Anspruch nicht zu erfüllen, obwohl keine betrieblichen
Gründe dagegen sprechen.

Nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wol-
len nur noch 50, 60 oder 70 Prozent arbeiten. Wenn keine
betrieblichen Gründe dagegen sprechen, ist Teilzeitarbeit
aus meiner Sicht leistbar.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423202400
Ich danke
Ihnen, Frau Bundesministerin.

Es liegt noch eine so genannte sonstige Frage an die
Bundesregierung vor. Bitte, Herr Kollege Koppelin.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1423202500
Nach der Wahl in Sachsen-
Anhalt, bei der die Koalitionsparteien zusammen nur
23 Prozent erhalten haben, hat der Bundeskanzler erklärt,
die Koalition müsse nun dichter zusammenrücken. Ich
habe immer gedacht, diese Parteien seien schon ganz
dicht zusammen und die Grünen seien fast erdrückt durch
das bisherige Zusammenrücken. Hat der Bundeskanzler
im Kabinett diese Aussage wiederholt? Hat er auch er-
klärt, was er mit dem dichteren Zusammenrücken der Ko-
alitionsparteien meint?


(Zuruf von der SPD: Null Substanz!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423202600
Der Staats-
minister im Kanzleramt, Herr Kollege Bury, wird darauf
antworten.

H
Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1423202700
Es bestand kein Anlass, diese Aussage im Kabinett zu
wiederholen, da die Bundesregierung eng, vertrauensvoll,
gut und erfolgreich zusammenarbeitet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei der CDU/CSU – Wolfgang Dehnel [CDU/CSU]: Mit einem Schmunzeln vorgetragen!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423202800
Es gibt also
wenigsten einen, der sich an meinen Vorschlag „kurze
Frage, kurze Antwort“ hält.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Es waren zwei!)

– Ja.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/8828 –

Ich weise vorweg darauf hin, dass die Fragen aus den
Geschäftsbereichen des Bundesministeriums des Innern,
der Verteidigung, für Gesundheit und für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung schriftlich beantwortet
werden. Es handelt sich um die Frage 1 des Kollegen
Erwin Marschewski, um die Fragen 5 und 6 des Kollegen
Werner Siemann, um die Fragen 7 und 8 des Kollegen
Wolfgang Zöller und um die Frage 9 des Kollegen Dirk
Niebel.1

Somit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara
Hendricks zur Verfügung.




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

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(C)



(D)



(A)



(B)


1 Die Antwort zu Frage 9 lag bei Redaktionsschluss nicht vor und wird
zu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt.

Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Andreas Storm auf:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die ge-

samtwirtschaftlichen Rahmendaten vor, die die EU-Kommission
ihrer Schätzung zugrunde gelegt hat, nach der für das Jahr 2002
ein gesamtstaatliches Defizit der Bundesrepublik Deutschland in
Höhe von 2,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwartet wird?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1423202900
Herr Kollege Storm, die
EU-Kommission stellt heute ihre Frühjahrsprognose der
Öffentlichkeit vor. Sie schätzt das gesamtwirtschaftliche
Wachstum in Deutschland für 2002 auf 0,8 Prozent. Dies
entspricht der Jahresprojektion der Bundesregierung. Die
Kommission geht wie nahezu alle Prognostiker – und
auch wie die Bundesregierung – von einer Überwindung
der weltwirtschaftlichen Schwäche zu Beginn dieses Jah-
res aus. Zudem trägt sie mit ihrer Prognose den günstigen
Konjunkturindikatoren in Deutschland Rechnung, wie
zum Beispiel dem günstigen Ifo-Geschäftsklimaindex,
den steigenden Auftragseingängen sowie den kräftig zu-
nehmenden Produktionsplänen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423203000
Zusatzfrage.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1423203100
Frau Staatssekretärin,
treffen nach Ihrem Kenntnisstand die heutigen Pressebe-
richte zu, wonach die EU-Kommission ihre Defizitschät-
zung für die Bundesrepublik Deutschland auf 2,8 Prozent
nach oben revidiert hat?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1423203200
Ich habe die heutigen Pres-
seberichte noch nicht zur Kenntnis nehmen können, weil
ich den ganzen Morgen im Parlament war. Es ist aber
denkbar, dass die EU-Kommission die Defizitschätzung
auf 2,8 Prozent angehoben hat. Die Bundesregierung ist
jedoch weiterhin der Auffassung, dass ihre Schätzung von
2,5 Prozent des BIP zutreffend ist.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423203300
Ich rufe die
Frage 3 des Kollegen Andreas Storm auf:

Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor,
wie hoch die EU-Kommission bei der Schätzung des gesamt-
staatlichen Defizits der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr
2002 das anteilige Defizit des Sektors „Sozialversicherungen“ an-
gesetzt hat?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1423203400
Die Europäische Kommis-
sion nimmt keine Einzelbetrachtung von Teilsektoren vor,
sondern schätzt die Entwicklung der relevanten Einnah-
men- und Ausgabenkomponenten lediglich für den Sektor
Staat insgesamt. Insofern ist keine Aussage über die An-
nahmen zur Entwicklung der Sozialversicherungsfinan-
zen in der Kommissionsprojektion möglich.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423203500
Zusatzfrage.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1423203600
Frau Staatssekretärin,
beim Vergleich der Defizitentwicklung, die nach Meinung

der EU-Kommission eintreten wird, mit der Defizitschät-
zung der Bundesregierung ist von besonderem Interesse,
inwieweit sich die Steuerausfälle im ersten Quartal auf die
Defizitentwicklung auswirken. Beabsichtigt die Bundes-
regierung vor diesem Hintergrund, in den nächsten Wo-
chen ihre Defizitschätzung zu verändern und, wenn ja, in
welcher Größenordnung?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1423203700
Die Bundesregierung hat
schon im Stabilitätsprogramm 2001 deutlich gemacht,
dass sich das Defizit in Deutschland bei einem Wachstum
von dreiviertel Prozent etwa auf dem Niveau des Vorjah-
res bewegen wird. In dieser Projektion sind konjunkturbe-
dingte Steuerausfälle gegenüber der letzten Finanzplanung
bereits berücksichtigt. Für genaue Daten müssen aller-
dings die Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Projek-
tion Ende April – wir werden sie in einer Woche vorle-
gen – und der Steuerschätzung im Mai abgewartet werden.

Unter Berücksichtigung aller derzeit verfügbaren In-
formationen gehen wir für 2002 allerdings weiterhin von
einem Staatsdefizit von 2,5 Prozent des Bruttoinlandspro-
dukts aus.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423203800
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Hans Michelbach.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1423203900
Frau Staatssekretä-
rin, können Sie mir die Veröffentlichungen bestätigen,
wonach die Steuereinnahmen, die für das gesamtstaatli-
che Defizit eine große Rolle spielen, gegenüber der Pro-
gnose für das Jahr 2002 um etwa 10 Prozent zurückge-
gangen sind? Wie wollen Sie in diesem Zusammenhang
einen ausgeglichen Haushalt erreichen, wenn Sie dem
Parlament keinen Nachtragshaushalt vorlegen bzw. keine
wesentlichen Sparmaßnahmen für den Haushalt 2003
vorschlagen wollen?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1423204000
Herr Kollege Michelbach,
die Fragen des Herrn Kollegen Storm richteten sich auf
die Defizitquote des Jahres 2002.

Wir haben die Steuern, die bis zum Ende des Monats
März zu entrichten waren, eingenommen. Auf diese wirk-
ten sich Sondereinflüsse aus, sodass keine endgültigen
Voraussagen bis zum Jahresende gemacht werden kön-
nen. Wir sind zuversichtlich, dass sich die Steuereinnah-
men im Jahresverlauf erholen werden. Ich kann Ihre An-
nahme, dass die Steuereinnahmen im Vergleich zu den
Schätzungen um 10 Prozent zurückgegangen sind, nicht
bestätigen. Allerdings sind sie bis jetzt – bis zum ersten
Quartal – unbefriedigend.

Wir sind aber weiterhin zuversichtlich – ich sagte es
gerade schon –, dass die Defizitquote des Gesamtstaates
weiterhin – bis zum Jahresende – 2,5 Prozent des BIP be-
tragen wird. Wir gehen nicht davon aus, dass die Not-
wendigkeit besteht, einen Nachtragshaushalt vorzulegen
oder weitere besondere Sparanstrengungen vorzuneh-
men; denn dieser Bundeshaushalt beruht auf den schon




Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
23068


(C)



(D)



(A)



(B)


seit 1999 mit aller Anstrengung durch die rot-grüne Bun-
desregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien
vorgenommenen Konsolidierungsanstrengungen, die
selbstverständlich auch in dieses Jahr hinein fortwirken.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423204100
Ich danke
Ihnen, Frau Staatssekretärin.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Wirtschaft und Technologie. Ich rufe die
Frage 4 des Kollegen Michelbach, die durch die Parla-
m
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423204200


Was gedenkt die Bundesregierung an Fördermaßnahmen zur
Wettbewerbsgleichheit vor dem Hintergrund der neuesten Studie
des Deutschen Industrie- und Handelskammertages für Fir-
menstandorte in Deutschland, die hohe Defizite für die struktur-
schwächeren Räume zeigt, zu veranlassen?

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423204300
Herzlichen
Dank, Herr Präsident. – Herr Michelbach, Sie wissen,
dass zugunsten von strukturschwachen Regionen bereits
ein breites regionalpolitisches Förderinstrumentarium
von Bund und Ländern, aber auch der EU zur Verfügung
steht. Die Bundesregierung unterstützt die wirtschaftliche
Entwicklung in strukturschwachen Gebieten insbeson-
dere mit der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der re-
gionalen Wirtschaftsstruktur“. Die Förderung von Inves-
titionen der gewerblichen Wirtschaft zielt darauf ab,
Standortnachteile von Betrieben in den Fördergebieten
abzubauen und so die Wettbewerbsfähigkeit der Unter-
nehmen zu verbessern.

Der Schwerpunkt der Förderung – das werden Sie wis-
sen – liegt weiterhin in den neuen Ländern, damit dort der
wirtschaftliche Aufholprozess fortgesetzt und eine mo-
derne wettbewerbsfähige Wirtschaftsstruktur geschaffen
werden können. Wir sind sehr erfreut, dass fünf Institute
festgestellt haben, dass dieser Aufholprozess langsam an
Fahrt gewinnt.

Kleine und mittlere Unternehmen erhalten deutliche
Förderpräferenzen. Darüber hinaus können kleine und
mittlere Unternehmen das ergänzende GA-Förderangebot
für nicht investive Unternehmensaktivitäten zur Stärkung
der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft in An-
spruch nehmen. Dabei handelt es sich um die Förderung
von Beratungs- und Schulungsmaßnahmen, aber auch
von Humankapitalbildung und angewandter Forschung
und Entwicklung.

Wie Sie wissen, werden diese Instrumente in regel-
mäßigen Abständen, in der Regel in einem Rhythmus von
drei bis vier Jahren, überprüft und den strukturellen Ver-
änderungen angepasst. Folgende Indikatoren der einzel-
nen Arbeitsmarktregionen werden verglichen: Das ist
zum Ersten die durchschnittliche Arbeitslosen- respektive
Unterbeschäftigungsquote; das ist zum Zweiten das Ein-
kommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
pro Kopf und zum Dritten eine Erwerbstätigenprognose
sowie eine Infrastrukturprognose.

Herr Kollege Michelbach, wenn ich vielleicht noch ei-
nen Zusatz machen darf: In dem Gutachten, das Herr

Wansleben am 12. April 2002 vorgestellt hat, spielt die
Forderung an die Kommunen seitens der beteiligten
20 000 Unternehmen eine zentrale Rolle. Hier wird ge-
sagt, man müsse von den hohen Abgaben und Gebühren
herunter, die Verwaltung müsse schlanker werden und die
Behörden müssten schneller entscheiden.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf das
Gutachten der Institute, das heute vorgelegt worden ist,
kommen: Ich bin ausgesprochen erfreut – das entspricht
dem Statement von Herrn Wansleben –, dass die Institute
empfehlen, dass die Abgabenerhöhungen der Städte und
Gemeinden sowie der Länder auf 1 Prozent zu begrenzen
sind. Ich bin des Weiteren darüber erfreut, dass es mit dem
Landkreistag und dem Deutschen Städtetag vonseiten
meines Hauses regelmäßige Treffen zu dem Thema gibt,
dass nicht nur 80 Prozent der Kommunen im Netz präsent
sind, sondern dass sie auch ihre Verwaltungsanforderun-
gen über das Netz abwickeln. Ich kann Ihnen mitteilen,
dass wir in diesem Zusammenhang einen Wettbewerb
durchführen. Er heißt „Media@com“ und hat das Ziel,
bürokratische Anforderungen der Verwaltungen der Kom-
munen zu reduzieren. Ich freue mich insbesondere, dass
das Land Bayern bereit ist, den Modellversuch „Einheit-
liche Unternehmensnummer“ zusammen mit uns zu rea-
lisieren.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423204400
Zusatzfrage.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1423204500
Frau Staatssekretä-
rin, ich freue mich, dass Sie über meine Frage erfreut sind.
Aber ich bin mit Ihren Antworten nicht sehr einverstan-
den. Sie sind sehr global.

Deswegen eine Zusatzfrage: Sehen Sie nicht, dass es
spezielle Förderinstrumente geben muss und dass die
diesbezüglich vorhandenen Förderinstrumente im Mo-
ment nicht ausreichen, insbesondere vor dem Hinter-
grund, dass von 69 in der genannten DIHK-Umfrage er-
folgten Bewertungen zum Beispiel der oberfränkische
Firmenstandort Coburg auf Platz 55 und Bayreuth auf
Platz 62 liegen, das heißt am Schluss zu finden sind, und
es nur noch in den neuen Bundesländern schlechtere
Standorte gibt? Ist hier nicht dringend ein zielgenaues
Maßnahmenbündel notwendig, damit die Attraktivität des
Wirtschaftsstandortes der Region Oberfranken verbessert
werden kann?

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423204600
Sehr geehrter
Herr Kollege Michelbach, ich weiß nicht, ob es die Auf-
gabe der Bundesregierung ist, den Wettbewerb zwischen
den IHK-Bezirken tatsächlich auch monetär zu fördern.
Ich bin Herrn Wansleben allerdings ausgesprochen dank-
bar dafür, dass er sagt, es gebe einen Lichtblick, nämlich
eine Stärkung des Wettbewerbs zwischen den IHK-Bezir-
ken. Gerade auch deshalb hat der DHIK in der vorgeleg-
ten Studie ein Ranking eingeführt. Dort ist zum Beispiel
ausgewiesen, dass Frankfurt auf Platz eins und Aschaf-
fenburg – das ja bekanntlich in Bayern liegt – auf Platz
zwei kam. Vielleicht sollten Sie Ihrerseits in Gesprächen
gegenüber den dortigen IHK-Bezirken tätig werden. Ich




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

23069


(C)



(D)



(A)



(B)


werde das auch machen. Vielleicht müssen sich diese dort
auch mehr als Dienstleister verstehen, um die Attraktivität
der Standorte zu fördern.

Sie können in diesem Kontext darauf aufmerksam ma-
chen, dass wir mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe auch
Maßnahmen wie die Erschließung von Industrie- und Ge-
werbegelände fördern, dass wir den Ausbau und die An-
bindung von Verkehrsnetzen fördern, dass wir die Errich-
tung von Abwasser- und Abfallanlagen fördern, dass wir
zur Verbesserung der Infrastruktur für Tourismus beitragen
und dass wir durchaus bereit sind, bei der Errichtung von
Zentren der beruflichen Bildung und von Gründungszen-
tren unterstützend unter die Arme zu greifen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423204700
Ich danke
Ihnen, Frau Staatssekretärin.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramts
a
Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1423204800


Hat Bundeskanzler Gerhard Schröder mit SPD-Generalse-
kretär Franz Müntefering dessen Verhalten gegenüber dem 1. Un-
tersuchungsausschuss besprochen bzw. war das Verhalten von
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering gegenüber dem 1. Un-
tersuchungsausschuss mit Bundeskanzler Gerhard Schröder sogar
abgestimmt?

Hat Bundeskanzler Gerhard Schröder mit SPD-Schatzmeiste-
rin Inge Wettig-Danielmeier deren Verhalten gegenüber dem
1. Untersuchungsausschuss besprochen bzw. war das Verhalten
von SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier gegenüber
dem 1. Untersuchungsausschuss mit Bundeskanzler Gerhard
Schröder sogar abgestimmt?

H
Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1423204900
Herr Kollege von Klaeden, Ihre Fragen beziehen sich
nicht auf Bereiche, für die die Bundesregierung mittelbar
oder unmittelbar verantwortlich ist. Deshalb erübrigt sich
an sich die Antwort in der Sache.

Nun kann ich grundsätzlich nicht ausschließen, dass
der Zweck einer Frage nicht darin besteht, eine Antwort
zu erhalten. Um hier nicht Raum für Spekulationen zu las-
sen, füge ich deshalb hinzu: Der Bundeskanzler hat weder
mit dem Generalsekretär noch mit der Schatzmeisterin
der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands deren Ver-
halten im 1. Untersuchungsausschuss abgestimmt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423205000
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen von Klaeden.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1423205100
Herr Staatsminis-
ter, billigt denn der Bundeskanzler das Verhalten zum Bei-
spiel des Generalsekretärs Müntefering am 21. März bei
seiner Vernehmung, angeblich eine Liste von Spendern
nicht gekannt zu haben, die dem Willy-Brandt-Haus be-
reits am 14. März per Einschreiben mit Rückschein zuge-
gangen ist?

H
Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1423205200
Herr Kollege von Klaeden, ich darf Sie noch einmal
darauf hinweisen, dass Voraussetzung für die Zulässigkeit
von Fragen ist, dass diese sich auf Bereiche beziehen, für

die die Bundesregierung unmittelbar oder mittelbar ver-
antwortlich ist. Das ist beim vorliegenden Sachverhalt er-
kennbar nicht der Fall.

Allenfalls könnte sich bei Bundesminister a. D. Franz
Müntefering durch seine ehemalige Zugehörigkeit zur
Bundesregierung ein Bezug zur Verantwortlichkeit der
Bundesregierung ergeben. Bei der von Ihnen angespro-
chenen Aussage des Kollegen Müntefering vor dem
1. Untersuchungsausschuss liegt ein solcher Bezug je-
doch nicht vor. Aus diesem Grunde war das Bundeskabi-
nett auch nicht mit der Frage einer Aussagegenehmigung
für Herrn Bundesminister a. D. Müntefering befasst.

Die Abgeordnete Wettig-Danielmeier hingegen hat der
Bundesregierung niemals angehört. Ein Bezug zur Ver-
antwortlichkeit der Bundesregierung ist auch hier in kei-
ner Weise ersichtlich.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423205300
Eine zweite
Zusatzfrage.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1423205400
Ist es denn richtig,
Herr Staatsminister, dass der Bundeskanzler im Zusam-
menhang mit der Kölner SPD-Spendenaffäre angekündigt
hat, alles zu unternehmen, um für eine rasche und gründ-
liche Aufklärung zu sorgen?


(Zurufe von der SPD: Ja!)


H
Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1423205500
Richtig ist, dass der Parteivorsitzende der SPD an-
gekündigt hat, dass die Vorgänge in Köln konsequent auf-
geklärt und die Konsequenzen gezogen werden. Aber
auch dies liegt nicht in der mittelbaren oder unmittelbaren
Verantwortung der Bundesregierung und ist somit nicht
Gegenstand dessen, worauf sich Fragen in der Frage-
stunde des Bundestages beziehen können.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423205600
Eine Zusatz-
frage des Kollegen Koppelin.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1423205700
Herr Staatsminister, hat es
mit dem Bundeskanzler zusammen im Bundeskanzleramt
Gespräche mit Herrn Müntefering oder anderen Personen
der SPD über die Spendenaffäre in Köln gegeben?

H
Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1423205800
Herr Kollege Koppelin, ich verweise auf die bereits ge-
gebene Antwort auf die Frage des Kollegen von Klaeden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423205900
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Carstensen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1423206000
Herr
Staatsminister, ich weiß nicht, ob ich richtig zugehört
habe, aber ich kann nicht erkennen, dass Sie die Frage des
Kollegen Koppelin im Nachgang zu der Frage des Kolle-
gen von Klaeden beantwortet haben. Hier wurde gefragt,
ob es Gespräche im Bundeskanzleramt gegeben hat. Kön-
nen Sie dies mit Ja oder Nein beantworten?




Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf
23070


(C)



(D)



(A)



(B)


H
Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1423206100
Herr Kollege, ich habe in der Antwort auf die Frage
des Kollegen von Klaeden bereits klargestellt, dass es
keine Abstimmung des Verhaltens des Generalsekretärs
oder der Schatzmeisterin im 1. Untersuchungsausschuss
mit dem Bundeskanzler gegeben hat. Sie können mich
auch fragen, wie die Bundesregierung die programmati-
schen Kontroversen innerhalb der Union oder die inner-
parteiliche Kritik am CSU/CDU-Kandidaten bewertet.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Fragen wir aber nicht! Die gibt es ja nicht!)


Auch das sind allerdings Fragen, die nicht Gegenstand der
Befragung der Bundesregierung oder der Fragestunde des
Deutschen Bundestages sind bzw. dort nicht von der Bun-
desregierung zu kommentieren sind.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423206200
Es gibt
keine weiteren Fragen. Herr Staatsminister, ich danke
Ihnen.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes
auf. Zur Beantwortung steht Staatsminister Dr. Christoph
Zöpel zur Verfügung.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Moment! Was ist mit meiner zweiten Frage?)


– Ich habe beide Fragen gemeinsam aufgerufen und sie
sind auch gemeinsam beantwortet worden. Es ist kein Wi-
derspruch erfolgt. Es tut mir Leid. Ich habe beide Fragen
aufgerufen. Der Staatsminister hat beide Fragen gemein-
sam beantwortet.

Wir sind also im Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Die Frage 12 der Abgeordneten Sylvia Bonitz
kann nicht beantwortet werden, weil die Kollegin nicht
anwesend ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäfts-
ordnung vorgesehen.

Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Hartmut
Koschyk auf:

Wie hat sich der Anteil deutscher Schüler an den deutschen
Auslandsschulen in den letzten Jahren entwickelt und wie bewer-
tet die Bundesregierung Presseberichte – „Frankfurter Rund-
schau“ vom 11. April 2002 –, wonach die aufgrund der Mittelkür-
zungen gestiegenen Schulgebühren für den Besuch einer
deutschen Schule im Ausland zu einem Rückgang bei den deut-
schen Schülerzahlen geführt haben?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1423206300
Herr Präsident! Herr Kollege, im Rahmen der
auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik fördert das
Auswärtige Amt 117 Auslandsschulen. Davon sind
44 deutschsprachige Schulen, 48 Begegnungsschulen und
25 landessprachliche Schulen mit verstärktem Deutsch-
unterricht. Die Gesamtschülerzahl ist in den vergangenen
zehn Jahren mit rund 70 000 konstant geblieben. Gleiches
gilt für den Anteil deutscher Schülerinnen und Schüler bei
einer Schwankungsbreite zwischen circa 16 500 und
17 500 Schülern. Die Größe einzelner Schulen bzw. ihre
Schülerzahl variiert lokal sehr stark.

So stieg die Anzahl der Schüler an der deutschen
Schule in Peking von 113 Schülern 1995/96 auf
230 Schüler 2001/02 und an der deutschen Schule in

Schanghai in dem gleichen Jahresvergleich von elf auf
140 Schülern stark an. Aufgrund wirtschaftlicher und po-
litischer Probleme sind die Zahlen für den Vergleichszeit-
raum beispielsweise in Lagos rückläufig. Dort ging die
Anzahl der Schüler von 152 auf 77 zurück.

An Standorten mit schwierigeren Lebensumständen ist
tendenziell erkennbar, dass die Exportwirtschaft zuneh-
mend weniger Mitarbeiter aus Deutschland oder ihre Mit-
arbeiter nur vorübergehend bzw. ohne Familie entsendet,
was sich unmittelbar auf die Schülerzahl auswirkt.

Die Auslandsschulen bleiben von der Haushaltskonso-
lidierung nicht ausgenommen. Interne Umstrukturierun-
gen sichern gleichzeitig Qualität und Leistungsvermögen
der Schulen. Auf ergänzende Finanzierungsmöglichkei-
ten, beispielsweise erhöhte Schulgelder oder Sponsoring,
sind die Schulen gleichwohl verstärkt angewiesen. Ein
Zusammenhang zwischen Schulgelderhöhungen und dem
Rückgang von Schülerzahlen ist allerdings nicht nach-
weisbar.

Für viele Eltern sind andere internationale Schulen
keine Alternative, da sie an einer an deutschen Normen
orientierten Ausbildung interessiert sind. Hinzu kommt,
dass die deutschen Auslandsschulen im Vergleich zu bri-
tischen oder amerikanischen Schulen weiterhin ver-
gleichsweise günstige Schulgelder erheben.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423206400
Zusatzfrage.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423206500
Herr Staatsminister,
die Frage bezieht sich auf einen Pressebericht in der
„Frankfurter Rundschau“ vom 11. April 2002. In diesem
Pressebericht wird über den ersten Weltkongress der deut-
schen Auslandsschulen in Mexiko City berichtet und
Klage über die erheblichen Mittelkürzungen im Etat des
Auswärtigen Amtes für die deutschen Auslandsschulen
geführt. Das Auswärtige Amt war auf diesem Kongress
vertreten. Konnte die Bundesregierung den Vertretern der
deutschen Auslandsschulen in Aussicht stellen, dass im
Haushalt des nächsten Jahres eventuell eine Erhöhung der
Fördermittel für die deutschen Auslandsschulen vorgese-
hen wird? Denn der Rückgang hat ja inzwischen zu qua-
litativen Einbußen – bis hin zur Frage hinsichtlich der an
deutschen Auslandsschulen tätigen Lehrkräfte – geführt.

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1423206600
Herr Kollege, das Auswärtige Amt hat so etwas –
mit guten Gründen – nicht in Aussicht gestellt. Es gibt gar
keinen Zweifel daran, dass die Konsolidierungspolitik
fortgeführt werden muss, schon allein, um im Einklang
mit den entsprechenden Rahmenbedingungen der Euro-
päischen Union zu bleiben. Das ist allgemein bekannt.
Davon kann kein Ressort ausgenommen werden.

Ich wiederhole einen Hinweis, den ich für wesentlich
halte und der eine Grundlage des deutschen Systems in
diesem Zusammenhang ist: Amerikanische und britische
Schulen erheben vergleichsweise höhere Schulgelder. Ich
glaube, dies ist eine der notwendigen und auch gewollten
Folgen der Reduzierung von Transferzahlungen in Haus-
halten hoch entwickelter Staaten.






(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423206700
Eine zweite
Zusatzfrage.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423206800
Herr Staatsminister,
folglich scheinen Angehörige deutscher Unternehmen im
Ausland andere Erfahrungen zu haben, als sie die Bun-
desregierung für sich in Anspruch nimmt. In dem zitierten
Presseartikel heißt es wörtlich:

Eine wachsende Zahl von Eltern, die aus beruflichen
Gründen ins Ausland geschickt wurden, kann sich den
Besuch einer deutschen Schule nicht mehr leisten.

Dies geht zurück auf Aussagen, die bei dem Kongress der
deutschen Auslandsschulen getätigt worden sind.

Ich frage erneut, ob sich das Auswärtige Amt nicht
doch noch einmal überlegt, die Förderung der deutschen
Auslandsschulen zu verstärken. Denn auch die deutsche
Wirtschaft – es gibt eine entsprechende Entschließung der
Konferenz der Wirtschaftsminister des Bundes und der
Länder – beklagt einen Substanzverlust bei den deutschen
Schulen im Ausland und fürchtet, dass der Anreiz für
junge Familien mit Kindern, für deutsche Unternehmen
ins Ausland zu gehen und somit den Wirtschaftsstandort
Deutschland im Ausland zu stärken, Schaden nimmt,
wenn hier nicht ein Kurswechsel erfolgt.

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1423206900
Herr Kollege, das Auswärtige Amt trägt die notwen-
dige Konsolidierungspolitik voll mit. Ich glaube, gerade in
den von Ihnen wiedergegebenen Berichten wird die
grundsätzliche gesellschaftliche Problematik der notwen-
digen Haushaltskonsolidierung und der damit verbunde-
nen steuerlichen Entlastung von Unternehmen deutlich.

Für den größten Teil der infrage kommenden Fälle
– soziale Härten kann man nie ausschließen; mit denen
sollte man sich individuell beschäftigen – wird die Frage,
wie von Unternehmen ins Ausland entsandte Mitarbeiter
ihre Kinder beschulen, Vertragsbestandteil zwischen die-
sen Mitarbeitern und den Unternehmen sein. Dies ent-
spricht auch der gesellschaftspolitischen Philosophie,
welche der entsprechenden Haushaltskonsolidierung und
Steuerentlastung zugrunde liegt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423207000
Herr Staats-
minister, wir sind schon bei Frage 13. Es liegt an Ihnen,
ob Sie bereit sind – die Kollegin Bonitz ist gerade einge-
troffen –, die Frage 12 jetzt noch zu beantworten.

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1423207100
Ich bin immer bereit, alles das zu tun, was dem Par-
lamentarismus angemessen ist.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423207200
Können Sie
uns das schriftlich geben?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1423207300
Das gebe ich Ihnen gerne schriftlich. Das ist eine
meiner ethischen Überzeugungen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423207400
Dann rufe
ich die Frage 12 auf:

Ist die in der „Wirtschaftswoche“ vom 21. März 2002 zitierte
Äußerung des Bundesministers des Auswärtigen, Joseph Fischer,
„Wissen Sie, ich kann Interviews geben, wem ich will – Sie müs-
sen sich dafür immer erniedrigen“ gegenüber der ARD-Korres-
pondentin Hanni Hüsch korrekt wiedergegeben worden, und falls
ja, was versteht der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, ganz konkret unter der zitierten „Erniedrigung“?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1423207500
Frau Kollegin, Herr Bundesaußenminister Fischer
pflegt einen engen und vertrauensvollen Umgang mit den
Medien. Dies können Sie auch daran feststellen, dass viel
über ihn geschrieben wird. Auf Ihre Frage kann ich Ihnen
nur eine grundsätzliche und alternativlose Antwort geben:
Die Bundesregierung sieht grundsätzlich keine Veranlas-
sung, nicht öffentliche vermeintliche oder tatsächliche
Äußerungen von Bundesministern zu kommentieren.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423207600
Zusatzfrage.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1423207700
Herr Staatsminister,
zunächst ganz herzlichen Dank, dass Sie die Frage noch
beantworten. Es geht hier aber nicht darum, dass Sie die
Äußerung kommentieren, sondern darum, dass Sie sagen,
ob dieser Ausspruch von Herrn Fischer gegenüber einer
ARD-Korrespondentin überhaupt zutreffend wiedergege-
ben ist. Ich nenne das Zitat noch einmal: „Wissen Sie, ich
kann Interviews geben, wem ich will – Sie müssen sich
dafür immer erniedrigen.“

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1423207800
Frau Kollegin, die Bundesregierung – Sie fragen die
Bundesregierung – untersucht grundsätzlich nicht die un-
endliche Vielfalt von angeblichen, tatsächlichen, richtig,
modifiziert dargestellten Äußerungen von Bundesminis-
tern. Ich glaube, wenn sie es tun würde, würde das Parla-
ment die Bundesregierung zu Recht kritisieren, weil es
wichtigere Aufgaben gibt als diese.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423207900
Eine weitere
Zusatzfrage.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1423208000
Es ist schon bemerkens-
wert, dass man als Parlamentarier keine Auskunft darüber
erhält, ob eine angebliche Aussage eines Ministers stimmt
oder nicht. Sieht die Bundesregierung denn einen Zusam-
menhang zu einer früheren Äußerung von Herrn Fischer,
die so auch bestätigt worden ist, als er Journalisten als
– ich zitiere – „Fünf-Mark-Huren“ bezeichnet hat? Dies
passt in den Zusammenhang.


Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1423208100
Frau Kollegin, Sie wer-
den mir nicht verübeln, dass ich die Frage zwingend ge-
nauso wie die davor beantworte. Es gibt keine Stelle in der
Bundesregierung, die die unübersehbare Fülle von Bun-
desministern zugeschriebenen Äußerungen – das findet
täglich statt – daraufhin überprüft, ob es sie gibt und ob
sie richtig sind. Ich füge hinzu: Es ist sehr vernünftig, dass
es eine solche Stelle nicht gibt.






(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423208200
Damit sind
wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs. Herr Staatsminis-
ter, ich danke Ihnen.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Justiz auf. Die Fragen beantwortet der Parlamentari-
sche Staatssekretär, Professor Dr. Eckhart Pick.

Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Dr. Norbert Röttgen
auf:

Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung für
oder gegen eine Novellierung der Bundesgebührenordnung für
Rechtsanwälte, BRAGO, und in welchem Zeitraum müsste eine
solche Novellierung aus Sicht der Bundesregierung erfolgen?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423208300
Herr Präsident! Herr Kollege
Dr. Röttgen, das neue Vergütungsrecht der Rechtsanwälte
soll transparenter, anwenderfreundlicher und aufwands-
orientierter werden sowie den veränderten Strukturen der
Anwaltskanzlei Rechnung tragen. Im Hinblick darauf,
dass die Gebührensätze der Rechtsanwälte bekanntlich
seit 1994 nicht mehr angepasst worden sind, soll im Zuge
der Strukturreform eine Angleichung der Einkommen der
Anwaltschaft an die Einkommensentwicklung in anderen
Bereichen erfolgen. Daran arbeitet die Bundesregierung
mit Nachdruck.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423208400
Zusatzfrage.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1423208500
Sehr geehrter Herr
Staatssekretär Professor Pick, allen Interessierten stellt
sich die Frage, zu welchem Ergebnis dieser Nachdruck
führt. Im letzten Sommer hat die Expertenkommission
das Gutachten vorgelegt. Die Verbände haben dazu Stel-
lung bezogen. Sie haben die Bedeutung dieses Vorhabens
gerade unterstrichen und betont, dass es Anlass gibt.

Die Legislaturperiode ist in fünf Monaten zu Ende. Ich
möchte Sie fragen: Wollen Sie noch in dieser Legislatur-
periode zu einem Ergebnis kommen? Anders gefragt: Was
sind die Gründe für die Schneckenhaftigkeit der Gesetz-
gebungsarbeit, die in diesem Bereich betrieben wird?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423208600
Herr Kollege Röttgen, ich weise den
Ausdruck „Schneckenhaftigkeit“ – natürlich mit der ge-
bührenden Empörung – zurück. Sie können aus der Tatsa-
che, dass die Strukturkommission am12.April dieses Jahres
erneut getagt und sich mit der Fortschreibung des Berichtes
und der Vorschläge beschäftigt hat, ersehen, dass wir mitten
in den Beratungen sind. Insofern hoffen wir, dass wir dieses
Unternehmen möglichst bald abschließen können.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423208700
Eine weitere
Zusatzfrage.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1423208800
Um es noch ein-
mal auf den Punkt zu bringen: Wird es noch in dieser Le-
gislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf der
Bundesregierung geben?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423208900
Herr Kollege, die Bundesregierung
unternimmt alle Anstrengungen, um noch in dieser Legis-
laturperiode einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423209000
Ich rufe die
Frage 15 des Abgeordneten Röttgen auf:

Mit welchen anderen rechtspolitischen Projekten wie zum
Beispiel der Novellierung des Gerichtskostengesetzes, GKG, be-
absichtigt die Bundesregierung eine etwaige Novellierung der
BRAGO gegebenenfalls zu verknüpfen und warum?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423209100
Herr Kollege Dr. Röttgen, mit den
Ländern und den Repräsentanten der Anwaltschaft ist sich
die Bundesregierung darin einig, dass die Reform des an-
waltschaftlichen Gebührenrechts aus Gründen strukturel-
ler Abhängigkeiten und finanzieller Auswirkungen auf
die Länderjustizhaushalte in die Gesamtreform des Ge-
richtskostenrechts eingebettet sein muss.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423209200
Zusatzfrage.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1423209300
Ist sich die Bun-
desregierung bewusst, dass durch die Verklammerung
beider Bereiche, anwaltliches Gebührenrecht und Ge-
richtskostengesetz, eine enorme Verzögerung im gesam-
ten Vorhaben bewirkt wird, was eine inhaltliche Bremse
bedeutet, ohne dass ein zwingender sachlicher Zusam-
menhang zwischen beiden Bereichen besteht? Nimmt die
Bundesregierung damit nicht in Kauf, dass aus dem Pro-
jekt nichts wird, sondern in die Rubrik Ankündigungs-
projekt einzugruppieren ist?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423209400
Herr Dr. Röttgen, es gibt keinen
Zweifel – darin war sich die Kommission, die die Bun-
desministerin der Justiz eingesetzt hat, einig –, dass es ei-
nen strukturellen Zusammenhang zwischen der Änderung
der Struktur der Gebührenordnung für Anwälte und dem
Gerichtskostenrecht gibt. Es war von Anfang an ein Ziel
dieser Kommission, zum Beispiel die Frage der Vergü-
tung von Sachverständigen, Zeugen sowie ehrenamtli-
chen Richterinnen und Richtern in diesem Zusammen-
hang mit einzubringen. Das ist die Vorbemerkung.

Sie werden verstehen, dass insbesondere die Länder
mit Argusaugen darauf achten, dass sie bei dieser Reform
aus ihrer Sicht nicht unter die Räder kommen. Insofern
muss es natürlich einen einigermaßen austarierten Aus-
gleich zwischen den Belangen der Anwälte, die wir alle
unterstützen – darin bin ich mit Ihnen einer Meinung –,
und den Interessen der Länder geben. Darüber hinaus gibt
es noch andere Beteiligte bei diesem Vorhaben, nämlich
die so genannten Konsumenten, diejenigen, die diese
Kosten letztlich tragen müssen. Dazu gehören sicherlich
auch Teile der Versicherungswirtschaft.

Die Struktur dieses Vorhabens ist also grundsätzlich
gerechtfertigt. Die Frage, ob es möglich ist, die Bundes-
gebührenordnung für Rechtsanwälte aus dem Konzept






(C)



(D)



(A)



(B)


herauszulösen, ist noch nicht geklärt. Wir überlegen noch.
Nur so viel ist klar: Insgesamt muss jedes Konzept mit der
Struktur des Gerichtskostenrechts abgestimmt sein und
geklärt sein, was das bringt. Wir brauchen dazu keine aus-
formulierte Gebührenordnung. Wir arbeiten an diesem
Thema. Ich hoffe, dass es uns bald gelingt, einen Refe-
rentenentwurf in die Gremien einzubringen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423209500
Die Fra-
gen 16 und 17 des Kollegen Dr. Jürgen Gehb werden
schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Volker Kauder auf:
Wird die Bundesregierung die von der Arbeitsgruppe Ge-

bührenrecht der Bundesrechtsanwaltskammer, BRAK, erarbeite-
ten Anregungen im Hinblick auf den von der Expertenkommis-
sion BRAGO-Strukturreform vorgelegten Entwurf eines RVG-E
aufgreifen und wenn nein, warum nicht?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423209600
Herr Kollege Kauder, die Stellung-
nahme der Bundesrechtsanwaltskammer wird wie auch
die Stellungnahmen der anderen Verbände – dazu gehört
auch die des Deutschen Anwalt-Vereins – im Bundesmi-
nisterium der Justiz geprüft und bewertet.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1423209700
Herr Parlamentarischer
Staatssekretär, können Sie uns mitteilen, wie viel Zeit
diese Prüfung noch in Anspruch nehmen wird? Die Fak-
ten liegen ja schon eine Zeit lang auf dem Tisch.

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423209800
Wir sind auch mit der von Ihnen an-
gesprochenen Bundesrechtsanwaltskammer im Ge-
spräch. Das letzte Gespräch hat am 27. März dieses Jahres
in unserem Haus stattgefunden. Wir haben die Bundes-
rechtsanwaltskammer gebeten, sich noch einmal mit der
Versicherungswirtschaft in Verbindung zu setzen, weil es
offensichtlich unterschiedliche Einschätzungen gibt. Wir
haben gebeten, uns über das Ergebnis der Gespräche
– auch wir haben bereits mit der Versicherungswirtschaft
Gespräche geführt – in Kenntnis zu setzen. Das ist bisher
noch nicht erfolgt.

Im Übrigen habe ich bei der Beantwortung der Fragen
des Kollegen Dr. Röttgen schon darauf hingewiesen, dass
wir im Moment im Lichte der Stellungnahmen und mit-
hilfe der Kommission den Entwurf überarbeiten. Sobald
er einen gewissen Stand erreicht hat, wird er als Referen-
tenentwurf eingebracht werden.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1423209900
Herr Parlamentarischer
Staatssekretär, vielleicht kann ich Sie doch noch dazu
bringen, eine genauere Aussage im Namen der Bundesre-
gierung zu machen: Teilen Sie die Auffassung des rechts-
politischen Sprechers der Grünen, der die Novellierung
noch in dieser Legislaturperiode gefordert hat?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423210000
Es gibt keinen Zweifel, dass die An-
hebung der Gebühren wichtig ist. Aus unserer Sicht ist die
Strukturreform der Bundesgebührenordnung für Rechts-

anwälte genauso wichtig. Das ist eine vordringliche Auf-
gabe; denn wir sehen hier Nachholbedarf. Das Bundes-
ministerium der Justiz ist bemüht. Sie erkennen auch an
den Terminen, die es in der letzten Zeit gegeben hat, dass
diese Reform von uns nach wie vor als ein wichtiges Vor-
haben angesehen wird.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423210100
Ich rufe die
Frage 19 des Kollegen Volker Kauder auf:

Entspricht der Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonn-
tagszeitung“ vom 24. März 2002, nach dem Bundeskanzler
Gerhard Schröder das Vorhaben der Bundesministerin der Justiz,
Dr. Herta Däubler-Gmelin, zur besseren Vergütung von Rechtsan-
wälten im Kabinett gestoppt haben soll, den Tatsachen und wenn
ja, wie wirkt sich dies auf den Zeitplan für eine Novellierung der
BRAGO aus?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423210200
Herr Kollege Kauder, aus meinen
bisherigen Antworten dürfte sich bereits ergeben haben,
dass der Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntags-
zeitung“ nicht den Tatsachen entsprechen kann; denn das
Bundesministerium der Justiz arbeitet nach wie vor mit
Nachdruck an dem Entwurf.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1423210300
Herr Parlamentarischer
Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob aus Ihrem Hause ein
entsprechender Vermerk an das Bundeskanzleramt gege-
ben wurde, aus dem hervorgeht, wie sich der Bundes-
kanzler vielleicht in den nächsten Tagen bei der einen oder
anderen Veranstaltung äußern will?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423210400
Das Bundesministerium der Justiz
hat keinen Anlass, dem Herrn Bundeskanzler irgendwel-
che Vorgaben zu machen.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1423210500
Haben Sie solche Vorga-
ben denn gemacht?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423210600
Wir haben keine solchen Vorgaben
gemacht.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423210700
Ich rufe die
Frage 20 des Kollegen Peter Weiß (Emmendingen) auf:

Trifft es zu, dass die Bundesregierung beabsichtigt, den von
der Bundesministerin der Justiz, Dr. Herta Däubler-Gmelin, erar-
beiteten Entwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Diskrimi-
nierungen im Zivilrecht nicht mehr in dieser Legislaturperiode in
den Deutschen Bundestag einzubringen?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423210800
Herr Kollege Weiß, der in Ihrer
Frage unterstellte Sachverhalt trifft nicht zu. Vielmehr
wird angestrebt, Regelungen zur Verhinderungen von
Diskriminierungen im Zivilrecht noch in dieser Legisla-
turperiode zu verwirklichen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423210900
Zusatzfrage.




Parl. Staatssekretär Dr. Eckhart Pick
23074


(C)



(D)



(A)



(B)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1423211000
Herr
Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass Berichte zum
Beispiel im „Focus“, dass der Bundeskanzler der Bundes-
justizministerin mitgeteilt habe, dass er diesen Entwurf
auf keinen Fall als Regierungsentwurf einbringen wolle,
und Meldungen wie die im „Tagesspiegel“ von heute, wo-
nach feststehe, dass es zu keinem Regierungsentwurf
kommen, sondern allenfalls einen Entwurf der beiden Ko-
alitionsfraktionen geben werde und dass der rechtspoliti-
sche Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen festgestellt
habe, es gebe „bei der SPD ... starke Absetzbewegungen“,
den Gesetzentwurf als Entwurf der Koalitionsfraktionen
einzubringen, zutreffen? Wird es also zu keinem Regie-
rungsentwurf mehr kommen und wird damit die Bundes-
regierung ihr Versprechen brechen, das sie anlässlich der
Beratungen des Gleichstellungsgesetzes insbesondere
den Behindertenverbänden gegeben hat?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423211100
Der letzte Teil Ihrer Ausführungen
war wohl keine Frage, sondern schon eine vorwegge-
nommene Bewertung. Ich kann nur sagen, dass die Bun-
desregierung nach wie vor an dem Entwurf arbeitet. Wir
befinden uns in der Abstimmung mit den Ressorts. Inso-
fern handelt es sich hier um einen ganz normalen Vorgang.
Wir sind auch weiterhin bemüht – das habe ich bereits in
der letzten Woche auf entsprechende Fragen von Herrn
Dr. Seifert gesagt –, diesen Entwurf, in welcher Form
auch immer, noch in die Gremien zu bringen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423211200
Zweite Zu-
satzfrage.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1423211300
Herr
Staatssekretär, da mir das Thema Gleichstellung Behin-
derter besonders am Herzen liegt, frage ich Sie, ob es
nicht klüger gewesen wäre, die Bundesregierung hätte da-
ran festgehalten – das war ursprünglich geplant gewe-
sen –, im Gleichstellungsgesetz auch die Fragen der zivil-
rechtlichen Gleichstellung von Behinderten zu regeln,
statt diesen Teil herauszunehmen und jetzt in einen offen-
sichtlich eher dilettantisch zusammengestrickten und in
der Bundesregierung höchst umstrittenen Entwurf eines
Antidiskriminierungsgesetzes aufzunehmen? Im Übrigen
erinnere ich daran, dass das Bundesjustizministerium den
Referentenentwurf erst herausgerückt hat, nachdem die
Behindertenverbände angekündigt hatten, am 3. Dezem-
ber vergangenen Jahres hier in Berlin zu demonstrieren.

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423211400
Das Konzept der Bundesregierung
beinhaltet, dass es zu einem zivilrechtlichen Antidiskri-
minierungsgesetz kommt. Insofern handelt es sich hier
um eine klare Entscheidung. Wie Sie vielleicht wissen,
haben wir auch schon zivilrechtliche Regelungen dort, wo
es sinnvoll war, aufgenommen, beispielsweise in das neue
Mietrecht. Dort ist im Einvernehmen mit den Verbänden
zum ersten Mal die Barrierefreiheit aufgenommen wor-
den. Wir haben uns also auch schon bei unseren bisheri-
gen Projekten bemüht, entsprechende Regelungen einzu-
bringen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423211500
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen von Klaeden.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1423211600
Herr Staatssekre-
tär, wird das Antidiskriminierungsgesetz zustimmungsbe-
dürftig sein und können Sie mir den Zeitplan erläutern,
nach dem dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode
verwirklicht werden soll?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423211700
Herr von Klaeden, ob das Gesetz zu-
stimmungsbedürftig ist, hängt von der Regelungsmaterie
ab, wie Sie als besonderer Kenner des Rechts natürlich
wissen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Eben!)

Den zweiten Teil Ihrer Frage beanworte ich wie folgt:

Sie sind auch erfahren genug, um zu wissen, dass es un-
terschiedlichste Möglichkeiten gibt, um ein Projekt noch
vor Ende der Legislaturperiode durch die Gremien zu
bringen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Manchmal kann man aber nicht glauben, dass er erfahren ist!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423211800
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Claudia Nolte.


Claudia Nolte (CDU):
Rede ID: ID1423211900
Herr Staatssekretär, da
Zeitungsmeldungen doch relativ selten ganz und gar un-
wahr sind und ohne jeglichen Anlass erscheinen, frage ich
ausdrücklich nach: Sind die Berichte darüber, dass die
Bundesregierung nicht mehr beabsichtige, den Entwurf
eines Antidiskriminierungsgesetzes einzubringen, wahr
oder falsch?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1423212000
Diese Berichte sind falsch.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423212100
Ich danke
Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentari-
sche Staatssekretär, Dr. Gerald Thalheim, zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Peter Dreßen
auf:

Welche Gründe gibt es dafür, dass das Pflanzenschutzmittel
Lebaycid in Frankreich bis zehn Tage vor der Ernte gespritzt wer-
den darf, in Deutschland jedoch verboten ist, und wird dadurch
nach Ansicht der Bundesregierung nicht gegen den Gleichheits-
grundsatz in der Europäischen Union verstoßen?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423212200
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr-
ter Kollege Dreßen! Das Pflanzenschutzmittel Lebaycid,
Wirkstoff Fenthion, wurde in Deutschland letztmals im






(C)



(D)



(A)



(B)


Jahre 1993 zugelassen. Schon aufgrund der damals nach-
zuweisenden Zulassungsvoraussetzungen konnte das
Pflanzenschutzmittel wegen seiner möglichen Auswir-
kungen auf den Naturhaushalt nur nach einer Vertretbar-
keitsabwägung zugelassen werden, und zwar befristet auf
fünf Jahre. Mit dem nachfolgenden Antrag auf erneute
Zulassung konnten die schon früher bestehenden Beden-
ken nicht ausgeräumt werden.

Der Wirkstoff Fenthion wurde in der ersten Stufe der
europäischen Überprüfung von Altwirkstoffen geprüft.
Bis heute konnte noch keine Entscheidung über die
Aufnahme dieses Wirkstoffes in Anhang I der Richt-
linie 91/414/EWG getroffen werden. Es steht jedoch fest,
dass man nach heutigem Stand der Bewertung höchstens
gewillt ist, einer Köderanwendung zuzustimmen. Eine
Flächenanwendung mit deutlich höherem Mittelaufwand
wie beim Einsatz zur Kirschfruchtfliegenbekämpfung ist
jedoch abzulehnen.

Deutschland konnte aufgrund der Datenlage keine
sichere, durch Daten belegte Anwendung identifizieren
und spricht sich demzufolge gegen eine Aufnahme des
Wirkstoffes in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG aus.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423212300
Zusatzfrage.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1423212400
Herr Staatssekretär, ich habe
eigentlich danach gefragt, warum dieses Mittel in
Frankreich zugelassen ist.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Auch in Südtirol!)


Mein Wahlkreis liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zur
französischen Grenze. Das heißt also, fünf Kilometer
westlich meines Wahlkreises darf Lebaycid verspritzt
werden, die Kirschen dürfen geerntet und anschließend
nach Deutschland eingeführt werden. Sehen Sie darin
nicht eine Ungerechtigkeit gegenüber den deutschen
Kirschbauern? Diese Landwirte haben jetzt tatsächlich
Existenzängste und Existenznöte, weil sie befürchten,
dass ihre Kirschen von Maden befallen sind, wenn sie die-
ses Mittel nicht mehr spritzen können.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423212500
In der Tat, Lebaycid ist ein Präparat, das
in Frankreich noch zugelassen ist. Die Zulassung in
Frankreich geht auf frühere Entscheidungen zurück.

Das Ziel der Bundesregierung ist eine Harmonisierung
im Pflanzenschutzrecht; es wurde auch in der von mir zi-
tierten Richtlinie 91/414/EWG festgelegt. Die von mir
ebenfalls angesprochene Aufnahme in Anhang I der ge-
nannten Richtlinie entspricht praktisch einer gemein-
schaftlichen europäischen Zulassung. Solange die Ent-
scheidung über die einzelnen Präparate in diesem Bereich
nicht erfolgt ist, gelten nach wie vor die alten Zulassun-
gen und damit die unterschiedliche Bewertung in den ein-
zelnen Mitgliedsländern.

Entscheidend für die Ablehnung in Deutschland war
die Umwelttoxikologie und in Übereinstimmung damit
das 1986 im Deutschen Bundestag erlassene Gesetz, das

dem Vorsorgegedanken sowohl im Umweltbereich als
auch im Bereich des Verbraucherschutzes Vorrang vor al-
len anderen wirtschaftlichen Überlegungen einräumt.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1423212600
Herr Staatssekretär, das, was Sie
jetzt sagen, hilft den Landwirten natürlich sehr wenig. Sie
waren schon einmal so weit zu sagen, dass im Falle einer
Gefahr im Verzuge nach einer Lösung gesucht werden
muss.

Ich kann Ihnen versichern: Die Existenz einiger Be-
triebe steht auf dem Spiel. Sie sehen natürlich nicht ein,
dass fünf Kilometer weiter die Kirschen mit dem Mittel
gespritzt, nach Deutschland eingeführt und hier verkauft
werden dürfen, während unsere Kirschen nicht damit be-
handelt werden dürfen. Das ist unverständlich. Können
Sie mir deutlich machen, warum die Lage so ist? Wird in
den nächsten Tagen nicht doch noch einmal versucht wer-
den, eine Lösung herbeizuführen?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423212700
In der Tat habe ich vor einigen Wochen
hier in der Fragestunde die im Pflanzenschutzgesetz vor-
handene Möglichkeit angesprochen, Präparate mit dem
Hinweis „Gefahr im Verzug“ zuzulassen. Die Erwartun-
gen, die damit verbunden waren, hatten eine reale Grund-
lage, nämlich ein Gespräch mit dem Umweltbundesamt.
In diesem Gespräch ist seitens des Umweltbundesamtes
angedeutet worden, das einer Ausnahmegenehmigung
nichts entgegenstehe.

Die Biologische Bundesanstalt – sie ist bei Zulassun-
gen nach § 11 des Pflanzenschutzgesetzes einzig ent-
scheidend – ist zu einem anderen Ergebnis gekommen,
weil mit dem Wirkstoff Dimethoat eine Alternative zur
Verfügung steht. Ich möchte es folgendermaßen auf den
Punkt bringen: Wir haben keine beste Lösung, sondern
zwei zweitbeste Lösungen: Die eine ist die Anwendung
von Dimethoat – seine Zulassung besteht nur für begrenzte
Zeit –, die andere ist die Anwendung von Fenthion, mit
dem umwelttoxikologische Probleme einhergehen.

Wir geben dem Dimethoat den Vorzug; zumal sich in
der Zeit, die seit meiner Antwort im Deutschen Bundestag
vergangen ist, die Bewertung des Wirkstoffs Dimethoat in
der Europäischen Union geändert hat. Das heißt, der
Wirkstoff wird nach heutiger Kenntnis für die nächsten
drei Jahre zur Verfügung stehen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423212800
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423212900
Herr Staatssekretär,
es überrascht mich jetzt doch, dass Sie heute auf einmal
auf den anderen Wirkstoff – Sie können seinen schönen
Namen besser als ich aussprechen – verweisen. Sie haben
nämlich in der Fragestunde am 13. März 2000 auf meine
Nachfrage hin gesagt:

Gefahr im Verzuge besteht insofern, als wir außer
diesem einen Präparat Lebaycid über keine anwend-
baren Alternativen verfügen.




Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim
23076


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie haben damals darauf hingewiesen, dass bei Gefahr im
Verzuge, eine Ausnahmegenehmigung für den Einsatz
von Lebaycid gewährt werden kann und dass keine Alter-
native besteht. Jetzt verweisen Sie auf eine angebliche
Alternative, die vor allem die Praktiker in den Kirschan-
baugebieten ablehnen.

Ich wäre dafür dankbar, wenn sich die Bundesregie-
rung nicht hinter der Alleinzuständigkeit einer Behörde
verschanzen, sondern im Interesse der Existenz von vie-
len Kirschanbaubetrieben – es gibt zahlreiche Kirsch-
anbauregionen in Deutschland – nach einer praktikablen
Lösung suchen würde; zumal – der Kollege Dreßen hat
darauf hingewiesen – eine Ungleichbehandlung gegen-
über den französischen Kirschanbauern besteht. Herr
Staatssekretär, nach meiner Kenntnis bestehen gegenwär-
tig vonseiten der EU keine rechtlichen Hürden für eine
weitere Ausnahmeregelung in Deutschland.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423213000
Herr Kollege Koschyk, die Bun-
desregierung ist nicht die für die Zulassung von Pflan-
zenschutzmitteln zuständige Behörde. Die Pflanzen-
schutzmittelzulassung geschieht auf der Basis des Pflan-
zenschutzgesetzes. Ich habe in meiner Antwort auf die
vorangegangene Frage schon deutlich gemacht: Die
Pflanzenschutzmittelzulassung beruht auf einer Gesetzes-
regelung aus dem Jahre 1986. Damals wurde in diesem
Gesetz dem Vorsorgegedanken sowohl im Hinblick auf
die menschliche Gesundheit als auch auf die Umwelt ab-
soluter Vorrang eingeräumt. Aufgrund dieser Regelung
musste die Biologische Bundesanstalt eine Abwägung
treffen. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die An-
wendung von Dimethoat letztendlich der bessere Weg ist.

Der Grund für den Widerspruch zu meiner Antwort vor
einigen Wochen, den Sie angemerkt haben, liegt darin,
dass auf europäischer Ebene mittlerweile eine andere Be-
wertung von Dimethoat vorliegt. Auch in Deutschland hat
es in der Vergangenheit Versuche gegeben, die Kirsch-
fruchtfliege mit Dimethoat zu bekämpfen. Diese Versu-
che sind zwar nicht optimal verlaufen, hatten aber zumin-
dest ein praktikables Ergebnis – auch in Bayern. Insofern
sehen wir in der Anwendung von Dimethoat zur Kirsch-
fruchtfliegenbekämpfung eine durchaus machbare Lö-
sung für die Betriebe.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423213100
Herr Kol-
lege Urbaniak, bitte.


Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1423213200
Herr Staatssekre-
tär, es ist für mich völlig unbefriedigend, dass die Existenz
der deutschen Bauern im Grenzbereich gefährdet ist,
während auf der anderen Seite der Grenze kräftig produ-
ziert werden kann, die Waren von dort auf den Märkten,
die bisher die in ihrer Existenz gefährdeten Bauern be-
dienten, abgesetzt werden und damit eine Ungleichbe-
handlung innerhalb der EU stattfindet. Wir haben das
auch in anderen Bereichen: So fordern wir andere Staaten
auf, in der Energiepolitik gleiche Regelungen wie bei uns
anzuwenden. Ist denn vonseiten der Bundesergierung
beabsichtigt, Initiativen zu unternehmen, um diesen un-
haltbaren Zustand im Südwesten der Republik zu beenden?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423213300
Es ist das Ziel der Bundesregierung, eine
Harmonisierung in diesem wichtigen Bereich zu errei-
chen. Ich durfte hier schon vortragen, dass ein Kernpunkt
der Harmonisierung eine europaweite Zulassung durch
Aufnahme in den so genannten Anhang I ist. Auf diesem
Gebiet sind wir in den letzten Jahren deutlich vorange-
kommen, aber noch nicht so weit, wie wir uns das wün-
schen.

Fenthion ist einer der Wirkstoffe, der in Frankreich
noch aufgrund einer früheren Zulassung angewandt wer-
den darf; diese Zulassung wird aber auch dort im nächs-
ten Jahr auslaufen. Wir sind auf dem Weg der Harmoni-
sierung, mit all den Problemen, die aus der Vergangenheit
herrühren. Allerdings sehen wir eine existenzbedrohende
Situation für die deutschen Kirschanbauer nicht, weil hier,
wie von mir dargestellt, mit dem Wirkstoff Dimethoat
eine Lösung, wenn auch keine optimale, zur Verfügung
steht.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423213400
Herr Kol-
lege Weiß, Emmendingen.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1423213500
Herr Parla-
mentarischer Staatssekretär Dr. Thalheim, ist dem Bun-
desverbraucherministerium ein wenig die deutsche Wet-
terkarte bekannt? Können Sie vielleicht zugestehen, dass
der Wirkstoff Adimethoat, der nur mit einer Wartezeit von
21 Tagen verwandt werden darf, für den Kirschanbau in
Süddeutschland, insbesondere im Kaiserstuhl, vollkom-
men unbrauchbar ist, weil die Kirschen bei uns bei einer
Wartezeit von 21 Tagen nicht nur reif, sondern überreif
sind


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das gilt auch für die Fränkische Schweiz!)


und sich folglich für die Ernte, für den Verkauf und für das
Inverkehrbringen nicht mehr eignen? Von daher sind die
Feststellungen der Biologischen Bundesanstalt falsch.
Deswegen müsste es die von Ihnen aus § 11 des Pflanzen-
schutzgesetzes zitierte Regelung von Gefahr im Verzuge
in der Tat nahe legen, endlich grünes Licht dafür zu ge-
ben, dass in diesem Jahr ausnahmsweise noch einmal
Lebaycid angewandt werden kann.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423213600
Die Biologische Bundesanstalt als zu-
ständige Zulassungsbehörde ist unter Abwägung der Ge-
sichtspunkte zu dem Ergebnis gekommen, dass Fenthion
nicht zugelassen werden kann. In der Tat müssen Dime-
thoat-Präparate zu einem sehr frühen Zeitpunkt ange-
wandt werden. Trotzdem sind wir der Auffassung, dass
die Wartezeit von 21 Tagen eingehalten werden kann. Ein
anderes Vorgehen der Bundesregierung – auch Sie spra-
chen vom Verbraucherschutz – würde Sie möglicherweise
in einigen Wochen zu Fragen danach provozieren, warum
die Bundesregierung ihre hochgesteckten Ziele im Ver-
braucherschutz nicht erfüllt. Insofern sind wir unter




Hartmut Koschyk

23077


(C)



(D)



(A)



(B)


Abwägung der Widersprüche, die ich eben beschrieben
habe, der Meinung: Mit Dimethoat ist die Bekämpfung
von Kirschfruchtfliegen in Deutschland möglich, ohne
den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und des Ver-
braucherschutzes zu widersprechen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sollen wir denn aus Gründen des Verbraucherschutzes die Kirschen aus Frankreich essen?)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423213700
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Schockenhoff.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1423213800
Herr
Staatssekretär, nachdem Sie dem Kollegen Koschyk ge-
antwortet haben, die Bundesregierung sei nicht die Zulas-
sungsbehörde für Pflanzenschutzmittel, möchte ich Sie
fragen: Wem untersteht die Biologische Bundesanstalt?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423213900
Die Biologische Bundesanstalt untersteht
der Bundesministerin Frau Künast.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

– Sie können ruhig murmeln. – Die Pflanzenschutzmittel-
zulassung ist zum Glück keine politische Entscheidung.
Ich kann mich während der Zeit meiner Zugehörigkeit
zum Bundestag auch an politisch begründete Anträge er-
innern, nach denen Pflanzenschutzmittel verboten werden
sollten. Wir haben hier deshalb klare gesetzliche Rege-
lungen, nach denen die Zulassung erfolgt. Das sind im
Übrigen Gesetze, die dieses Hohe Haus erlassen hat.
Wenn es zu anderen Regeln kommen soll, dann muss der
Gesetzgeber tätig werden. Das ist die ganz klare Argu-
mentation der Biologischen Bundesanstalt.

Ich darf noch einmal darauf verweisen: Der absolute
Vorrang des Vorsorgegedankens in Bezug auf Umwelt
und Verbraucher ist 1986 in das Pflanzenschutzgesetz ge-
schrieben worden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423214000
Wir bleiben
beim Thema. Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Dreßen
auf:

Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass durch das
Verbot des Pflanzenschutzmittels Lebaycid und das Versprühen
des Ersatzmittels Dimethoat bis maximal 21 Tage vor der Ernte
viele Kirschenanbauer in ihrer Existenz gefährdet sind, und wel-
che Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Existenz der
Kirschenanbauer zu erhalten?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423214100
Herr Kollege Dreßen, die Biologische
Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft hat im No-
vember 2001 ein Expertenkolloquium unter Beteiligung
des Berufsstandes zur Frage der Kirschfruchtfliegen-
bekämpfung durchgeführt. Die Experten kamen zu dem
Ergebnis, dass Dimethoat für die Kirschfruchtfliegen-
bekämpfung geeignet ist. Die Bestimmung des Einsatzter-
mines ist wegen der Wartezeit von 21 Tagen jedoch nicht

ganz einfach, aufgrund der Erfahrungen in der Schweiz, in
Österreich und insbesondere in der DDR aber durchaus
möglich.

Die Pflanzenschutzberatung der Länder hat dies aufge-
griffen. Um den Süßkirschenanbau in Deutschland mittel-
und langfristig zu sichern, muss jedoch nach weiteren
Wirkstoffen und Verfahren gesucht werden. Für die hierzu
notwendige Forschung führt das Bundesministerium für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft regel-
mäßig Abstimmungsgespräche mit den Ländern durch.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1423214200
Herr Staatssekretär, der Kollege
Weiß hat gerade sehr aufgeregt auf eine Problematik hin-
gewiesen, die natürlich ihre Berechtigung hat. Ich möchte
Ihnen das Problem in aller Ruhe noch einmal darlegen.
Bei uns beträgt die Reifezeit höchstens 14 Tage. Wenn Di-
methoat 21 Tage vor der Ernte gespritzt werden muss,
dann reicht es eben nicht. Zu diesem Zeitpunkt ist die Kir-
sche noch sehr grün. Ein paar Tage später kommt dann
eben diese Fliege und setzt die Maden. Deswegen sagen
die Landwirte und die Kirschbauern mit Recht, dass Di-
methoat bei uns eben nicht die Wirkung haben kann.

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass der Kaiserstuhl
die wärmste Region in Deutschland ist. Deshalb ist hier
die Reifezeit auch am kürzesten. Das mag in der Lüne-
burger Heide etwas anders sein, aber am Kaiserstuhl ist
das Problem so, wie ich versucht habe, es Ihnen zu be-
schreiben. Wenn die Kirsche noch gelb ist und gerade
anfängt, sich rot zu färben, dann muss das Mittel ge-
spritzt werden. Aber dann dauert es höchstens noch zehn
Tage bis zur Reife. Wenn Sie früher spritzen, ist alles
hinfällig, wenn nur ein Regenwetter kommt. Sie wissen,
dass die Kirschen, die mit Maden versehen sind, weder
in den Handel gebracht noch sonst verwendet werden
dürfen.

Die Biologische Bundesanstalt sagt selbst, dass es in
manchen Regionen problematisch ist. Sie haben es vorge-
lesen:

Die Bestimmung des Einsatztermines ist wegen der
Wartezeit von 21 Tagen jedoch nicht ganz einfach.

Am Kaiserstuhl ist es sehr gefährlich und sehr schwierig.
Deswegen stellt sich die Frage, ob man hier nicht zumin-
dest regional eine Ausnahmegenehmigung dafür erhalten
kann, das alte Mittel noch einmal zu verwenden. Oder was
muss getan werden, um die Not der Kirschbauern in ir-
gendeiner Form zu lindern?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423214300
Ich habe in der Beantwortung der voran-
gegangenen Fragen deutlich gemacht: Dimethoat ist die
zweitbeste Lösung, insbesondere weil es zu einem sehr
frühen Zeitpunkt angewandt werden muss. Aber die Er-
fahrungen – aus der Schweiz und aus Österreich, in denen
es vor allem um den Bodenseeraum mit klimatisch nicht
so sehr anderen Verhältnissen geht – haben gezeigt, dass
dieser Wirkstoff eingesetzt werden kann. Ich gehe davon
aus, dass die Biologische Bundesanstalt bei der Bewer-
tung dieses Antrags für eine Zulassung auf der Basis von




Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim
23078


(C)



(D)



(A)



(B)


§ 11 des Pflanzenschutzgesetzes auch die Argumente ge-
prüft und gewürdigt hat, die Sie eben vorgetragen haben.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1423214400
Herr Staatssekretär, eine letzte
Frage: Ist die Regierung vielleicht bereit, den Schaden in
irgendeiner Form auszugleichen, der dadurch entsteht,
dass 21 Tage vor der Ernte mit Dimethoat gespritzt wird
und es dann eben keinen Wert mehr haben wird?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423214500
Eine gesetzliche Grundlage, auf der ein
Schadensersatzausgleich erfolgen könnte, existiert nicht.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423214600
Herr Kol-
lege Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423214700
Herr Staatssekretär,
ist denn die Bundesregierung bereit, mit der Biologischen
Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in dieser An-
gelegenheit noch einmal zu sprechen? Mir liegt ein
Schreiben der Landesanstalt für Pflanzenbau und Pflan-
zenschutz des Landes Rheinland-Pfalz vor, also einer
Landesbehörde, die den Antrag des Herstellers auf Aus-
nahmegenehmigung für Lebaycid durch eine Stellung-
nahme unterstützt. Die Landesanstalt für Pflanzenbau und
Pflanzenschutz des Landes Rheinland-Pfalz kommt in
dieser Stellungnahme vom 4. April 2002 zu dem Ergeb-
nis, dass Dimethoat eben nicht eine wirksame Alternative
ist, und befürwortet den Antrag des Herstellers auf Aus-
nahmegenehmigung für Lebaycid ganz ausdrücklich.

Wenn es eine Landesbehörde gibt, die in dieser Frage
zu einem völlig anderen Ergebnis kommt als die Bundes-
anstalt, dann muss die Bundesregierung doch bereit sein,
ein Fachgespräch zwischen der Landesbehörde und der
Bundesbehörde zu moderieren. Sich einfach dahinter zu
verstecken, Herr Staatssekretär, dass eine Bundesbehörde
das alleinige Zulassungsrecht hat, ist angesichts der exis-
tenziell schwierigen Situation der Kirschanbaubetriebe
nach meiner Überzeugung nicht gerechtfertigt.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423214800
Herr Kollege Koschyk, ich bin gern be-
reit, ein solches Gespräch zu moderieren. Interpretieren
Sie aber bitte meine Antworten in der Fragestunde vom
13. März als Nachweis der Bemühungen der Bundes-
regierung im Hinblick auf die Entscheidung der Biologi-
schen Bundesanstalt, hier wirklich alle Gesichtspunkte zu
prüfen. Ich wiederhole jedoch: Die Biologische Bundes-
anstalt lässt bei der Zulassung nach § 11 des Pflanzen-
schutzgesetzes Pflanzenschutzmittel auf der Basis des
geltenden Pflanzenschutzgesetzes zu. Ich sage noch ein-
mal: Der Vorsorgegesichtspunkt ist dort der maßgebliche.
Er ist 1986 mit gutem Grund in das Gesetz geschrieben
worden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423214900
Kollege
Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1423215000
Herr Parla-
mentarischer Staatssekretär Dr. Thalheim, wenn die Bun-
desregierung aufgrund der Stellungnahme der Biologi-
schen Bundesanstalt unbedingt daran festhalten will, dass
Lebaycid keinesfalls mehr zum Einsatz kommen darf,
frage ich Sie: Warum wird dann nicht für den Einsatz von
Adimethoat in den Gebieten, in denen das von den klima-
tischen Bedingungen her geboten erscheint, wegen Ge-
fahr im Verzuge, also unter Anwendung von § 11 des
Pflanzenschutzgesetzes, eine verkürzte Wartezeit von
zum Beispiel zehn, zwölf oder vierzehn Tagen gestattet,
damit für den Kirschanbau tatsächlich ein sinnvoller
Pflanzenschutz möglich ist?

Wenn Sie dies in Ihrer Anwort ebenfalls ausschließen
wollen, dann frage ich Sie: Wird die Bundesregierung an-
dererseits den Import von Kirschen aus Frankreich, den
Niederlanden und anderen Staaten, in denen Adimethoat
mit einer kürzeren Wartezeit als 21 Tage eingesetzt wer-
den kann oder in denen Lebaycid angewendet werden
kann, verbieten und, falls Sie dieses Verbot nicht aus-
sprechen, welche inhaltliche Konzeption haben der
Verbraucherschutz und der Gesundheitsschutz dieser
Bundesregierung, wenn ich in Deutschland ohne jede Ein-
schränkung in diesem Jahr Kirschen zum Beispiel aus
Frankreich kaufen kann, die mit Lebaycid oder Adime-
thoat mit einer Wartezeit von zehn Tagen behandelt wor-
den sind, die deutschen Kirschen aber nicht in Verkehr ge-
bracht werden dürfen?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423215100
Herr Kollege, egal, aus welchem Land
und aus welcher Produktion Kirschen nach Deutschland
importiert werden oder hier angeboten werden, sie müs-
sen alle – ich betone: ausnahmslos alle – die gleichen
Rückstandswerte einhalten. Bei Dimethoat sind das
1 mg/kg, wobei zu dem Dimethoat der Wirkstoff Ome-
thoat, ein Anabolit des Dimethoats, dazuzurechnen ist.
Dieses Abbauprodukt hat eine zehnmal so hohe Toxizität
als der ursprüngliche Wirkstoff. – Sie lächeln. Wir sind
genau bei diesem Punkt. – Auch Kirschen, die aus Frank-
reich importiert werden, müssen diesem Rückstands-
höchstwert entsprechen. Das Problem ist – hier kommen
wir wieder zu dem Vorsorgegedanken –, dass es natürlich
leichter ist, diesen Rückstandshöchstwert bei einer Warte-
zeit von 21 Tagen einzuhalten – so ist die zustande ge-
kommen –, im Vergleich zu Frankreich mit den sieben Ta-
gen. Die Frage des Rückstandshöchstwerts hat nichts mit
der Entscheidung nach § 11 des Pflanzenschutzgesetzes,
der Zulassung, zu tun, sondern sie ist bundesrechtlich in
der Rückstandshöchstmengenverordnung geregelt. Das
heißt, diese Entscheidung ist nicht zu korrigieren.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423215200
Herr Kol-
lege Tappe.


Joachim Tappe (SPD):
Rede ID: ID1423215300
Herr Staatssekretär, ich
komme aus einer Gegend, wo zurzeit etwa 160000 Kirsch-
bäume in voller Blüte stehen. Dort gibt es viele, über 2 000,
Kirschenanbauer, die unter der Not des Befalls durch die
Kirschfruchtfliege leiden. Nun haben Sie eben gesagt, dass




Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

23079


(C)



(D)



(A)



(B)


die Bundesregierung nicht regresspflichtig ist für Ausfälle,
die sich durch das nicht so wirksame Mittel Dimethoat er-
geben. Ist es dann eventuell die Zulassungsstelle, nämlich
in diesem Fall die Biologische Bundesanstalt, die für Scha-
densersatzleistungen in Anspruch genommen werden
könnte?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423215400
Herr Kollege Tappe, in Hessen, speziell
in Nordhessen, in dem Bundesland, aus dem Sie kommen,
dürften die Argumente, die insbesondere gegen Dime-
thoat vorgetragen wurden, vor allem die 21 Tage Karenz-
zeit, nicht in dem Maße zutreffen wie in den wärmsten
Gebieten, also am Kaiserstuhl. Das heißt, gerade in Hes-
sen dürfte, wie auch die Erfahrungen aus Franken bele-
gen, mit dem Wirkstoff Dimethoat eine erfolgreiche
Bekämpfung der Kirschfruchtfliege möglich sein.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1423215500
Ich rufe die
Frage 23 des Kollegen Hartmut Koschyk auf:

Warum hat die Biologische Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft, BBA, auf den Antrag des Herstellers auf Ertei-
lung einer Ausnahmegenehmigung für das Pflanzenschutzmittel
Lebaycid vom 10. April 2002 hin bereits zu erkennen gegeben,
den Antrag ablehnen zu wollen, nachdem der Parlamentarische
Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Gerald Thalheim, in der Fra-
gestunde des Deutschen Bundestages vom 13. März 2002 die Er-
teilung einer solchen Ausnahmegenehmigung für möglich gehal-
ten hat, und ist seitens der BBA sichergestellt, dass der einzige
weitere zur Bekämpfung der Kirschfruchtfliege zugelassene
Wirkstoff Dimethoat bezüglich seiner Umwelteigenschaften dem-
selben hohen Standard genügt, an dem derzeit Lebaycid gemessen
wird?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423215600
Herr Kollege Koschyk, vor dem Hinter-
grund der aktuellen Diskussionen habe ich die Biologi-
sche Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, die als
zuständige Behörde die Entscheidungen über Zulassun-
gen oder Genehmigungen für Pflanzenschutzmittel zu
treffen hat, nochmals persönlich um erneute Prüfung der
Angelegenheit gebeten. Sie hat daraufhin mitgeteilt, dass
das bisher angewandte Pflanzenschutzmittel Lebaycid
mit dem Wirkstoff Fenthion in Deutschland seit 1998 we-
gen der gemeinsam von Biologischer Bundesanstalt für
Land- und Forstwirtschaft und Umweltbundesamt als un-
vertretbar bewerteten Auswirkungen auf den Naturhaus-
halt nicht mehr zugelassen ist. Eine Möglichkeit zur Er-
teilung einer Genehmigung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
des Pflanzenschutzgesetzes – Gefahr im Verzuge – sieht
sie daher auch nach erneuter Prüfung nicht.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423215700
Herr Staatssekretär,
Sie haben uns vorhin freundlicherweise gesagt, dass das
Umweltbundesamt, das nach Ihrer Aussage für eine sol-
che Entscheidung mit herangezogen worden ist, zu einem
anderen Ergebnis kommt als die Biologische Bundesan-
stalt für Land- und Forstwirtschaft. Ich habe gerade die
Stellungnahme der Landesanstalt für Pflanzenbau und
Pflanzenschutz des Landes Rheinland-Pfalz zitiert. Ich

bitte Sie wirklich noch einmal eindringlich, Folgendes zu
beachten: Niemand in Deutschland versteht, dass sich die
Bundesregierung hinter der alleinigen Zuständigkeit einer
Behörde verschanzt, wenn eine andere im Benehmen mit
zu hörende Behörde wie das Umweltbundesamt hier eine
Ausnahmeregelung weiter für möglich hält und eine Lan-
desbehörde – ich bin sicher, es gibt auch andere Landes-
behörden, die das so sehen; ich habe jetzt aber nur die
Stellungnahme von Rheinland-Pfalz – ebenfalls fachlich
zu einer anderen Auffassung kommt. Da kann sich doch
die Bundesregierung nicht zurücklehnen und sich auf eine
Behörde mit alleinigem Zulassungsrecht stützen. Ich wäre
Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie dem Haus hier heute
zusichern könnten, dass die Bundesregierung in dieser Sa-
che noch einmal entsprechende Aktivitäten unternimmt.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423215800
Die Antwort in der Fragestunde vom
13. März basierte auf den Bemühungen, die ich seinerzeit
unternommen hatte. Meine Antwort hat heute das Ergeb-
nis der speziell auch von mir persönlich initiierten Prü-
fungen der Biologischen Bundesanstalt dargelegt. Ich
habe darüber hinaus keinerlei Spielraum, auf die Biologi-
sche Bundesanstalt einzuwirken, da es, wie gesagt, nicht
in die politische Entscheidung gestellt ist, welche Pflan-
zenschutzmittel in Deutschland zugelassen werden.

Zu der Frage nach den Auskünften des Umweltbun-
desamtes, die Sie gestellt haben. Es handelte sich hier um
ein informelles Gespräch mit dem zuständigen Referats-
leiter, nicht um eine offizielle Stellungnahme. Aber das in-
formelle Gespräch hat mich motiviert, noch einmal auf
die Biologische Bundesanstalt zuzugehen. Das Ergebnis
ist bekannt.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423215900
Herr Staatssekretär,
liegt die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forst-
wirtschaft in Ihrem Zuständigkeitsbereich?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423216000
Ja, die Biologische Bundesanstalt für
Land- und Forstwirtschaft ist eine Anstalt unseres Hauses.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423216100
Sehen Sie wirklich
keine Möglichkeit mehr, dass Ihr Haus noch einmal auf
die Biologische Bundesanstalt einwirkt?


(V o r s i t z : Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423216200
Die Biologische Bundesanstalt muss Zu-
lassungen von Pflanzenschutzmitteln nach dem Pflanzen-
schutzgesetz vornehmen. Dort ist im Detail geregelt, nach
welchen Verfahren und unter welchen Abwägungs-
gesichtspunkten eine Zulassung zu erfolgen hat. Insbe-
sondere muss sich die Biologische Bundesanstalt bei




Joachim Tappe
23080


(C)



(D)



(A)



(B)


Zulassungen an den mehrmals von mir erwähnten Vorsor-
gegedanken nach § 11 des Pflanzenschutzgesetzes halten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423216300
Jetzt hat
sich der Kollege Schockenhoff zu einer Zusatzfrage ge-
meldet.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1423216400
Herr Staats-
sekretär, warum hat die Biologische Bundesanstalt den Ein-
satz des Pflanzenschutzmittels Plantomycin in der vergan-
genen Woche nur für Versuchszwecke genehmigt und
damit den Anträgen der Pflanzenschutzämter der akut von
Feuerbrand bedrohten Regionen nur sehr eingeschränkt
entsprochen, nachdem doch der Bundeskanzler in einem
Schriftwechsel mit dem Oberbürgermeister von Friedrichs-
hafen mitgeteilt hatte, im Falle eines akuten Feuerbrandri-
sikos werde die zurzeit ruhende Zulassung von Plantomy-
cin für alle betroffenen Obstbauern modifiziert?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423216500
Die Zulassungen von Plantomycin und
Lebaycid sind in keiner Weise zu vergleichen. Bei der Zu-
lassung von Lebaycid hat der Gesichtspunkt der Umwelt-
toxikologie, also der Auswirkungen auf den Naturhaus-
halt, zur Ablehnung geführt. Im Falle von Plantomycin
waren Gesichtspunkte der Humantoxikologie maßgeb-
lich, also der Auswirkungen auf den Menschen, insbeson-
dere der Auswirkungen aufgrund von Rückständen im
Honig.

Die Sonderzulassung, die jetzt zu Versuchszwecken er-
folgt ist und die beinhaltet, dass jedes Bundesland die not-
wendigen Mengen an Plantomycin mit den entsprechen-
den Landesbehörden vereinbaren kann, hat das Ziel, den
Obstbauern die Bekämpfung der Schädlinge zu ermögli-
chen. Auf der anderen Seite soll aber sichergestellt sein,
dass der enge Grenzwert für Rückstandswerte im Honig
von 0,02 Milligramm pro Kilogramm eingehalten wird.
Das heißt, wir bewegen uns bei der Sonderzulassung des
Plantomycin eindeutig im Rechtsrahmen des Pflanzen-
schutzgesetzes. Bei der Zulassung von Lebaycid würden
wir diesen verlassen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423216600
Jetzt hat
der Kollege Dreßen das Fragerecht.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1423216700
Herr Staatssekretär, die Tatsa-
che, dass es in dieser Frage eine große Koalition in die-
sem Hause gibt – ich weise auf die Frage des Kollegen
Koschyk hin –, müsste Ihnen zeigen, dass hier ein ernstes
Problem vorliegt. Deswegen frage ich Sie: Besteht die
Möglichkeit, dass Sie mit dem Präsidenten der Biologi-
schen Bundesanstalt in den nächsten Tagen noch einmal
ein Gespräch führen, um zu einer befriedigenden Lösung
zu kommen?

Die jetzige Lösung ist nach Auffassung der Kirschbau-
ern nicht ausreichend. Sie haben die große Sorge, dass sie
die ganze Ernte vernichten müssen. Sollte daher in den
nächsten Tagen nicht ein Gespräch angestoßen werden, in

dem man noch einmal über die Probleme spricht? Ich
würde mich bereit erklären, daran teilzunehmen. Ich bin
mir sicher, dass auch andere Kollegen dazu bereit wären.
Denn das Ganze ist ja nicht nur ein Problem meines Wahl-
kreises. Drei oder vier Nachbarwahlkreise haben dasselbe
Problem.

Halten Sie ein Gespräch in den nächsten Tagen nicht
für dringend notwendig? Ich halte es für wichtig, dass
man ein solches Gespräch führt und dass man den Versuch
unternimmt, eine Ausnahmeregelung zu finden, die die
Kirschbauern in geeigneter Weise zufrieden stellt.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423216800
Herr Kollege Dreßen, meine Antwort auf
die Frage des Kollegen Koschyk hat eine solche Zusage
enthalten. Ich kann mir aber – das ist meine ganz persön-
liche Bewertung – die Erörterung dieser Frage lediglich
für Gebiete wie dem Kaiserstuhl vorstellen, wo eine be-
sondere klimatische Situation vorliegt. In den anderen
Kirschanbaugebieten Deutschlands – das betrifft insbe-
sondere Franken, Hessen und Ostdeutschland – ist mit
Präparaten auf der Wirkstoffbasis Dimethoat eine erfolg-
reiche Kirschfruchtfliegenbekämpfung – das haben Erfah-
rungen in der Vergangenheit gezeigt – möglich. Die Zu-
sage für ein Gespräch kann ich von dieser Stelle aus geben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423216900
Die
nächste Frage hat der Kollege Kauder.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1423217000
Herr Parlamentarischer
Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Po-
sition der Biologischen Bundesanstalt in Bezug auf den
Einsatz von Plantomycin vor dem Hintergrund der Aus-
sagen Ihres Hauses, dass außer Plantomycin derzeit kein
vergleichbarer wirksamer Stoff zur Bekämpfung des Feu-
erbrandes zur Verfügung steht? Wie will die Bundesre-
gierung angesichts der für das kommende Wochenende
ausgesprochenen Feuerbrandwarnung der für den deut-
schen Erwerbsobstbau nachteiligen Wettbewerbssituation
im Hinblick auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
begegnen?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423217100
Herr Kollege, wenn Sie meine bisherigen
Antworten verfolgt hätten, wäre Ihnen deutlich gewor-
den, dass eine Genehmigung, also eine Zulassung, für die
Feuerbrandbekämpfung mit Plantomycin ausgesprochen
worden ist. Mit den jeweiligen Landesbehörden wurden
sogar Wirkstoffmengen vereinbart. In diesen Bundeslän-
dern ist die Feuerbrandbekämpfung geregelt. Es kann also
nicht die Rede davon sein, dass die Obstbauern in Gefahr
seien.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423217200
Kollege
Weiß hat eine Frage.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1423217300
Herr Parla-
mentarischer Staatssekretär Dr. Thalheim, können Sie uns




Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

23081


(C)



(D)



(A)



(B)


Abgeordneten des Deutschen Bundestages und den Obst-
bauern in Deutschland erklären, wie sich diese bezüglich
ihrer Erzeugnisse in diesem Jahr konkret verhalten sollen,
da erstens nach der Ausnahmeregelung, die Sie jetzt er-
lassen haben, der Einsatz von Plantomycin auf höchstens
einem Achtel der Anbaufläche möglich ist – im weit über-
wiegenden Teil des Erwerbsobstbaus ist dies also nicht
der Fall –


(Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


und zweitens, wie soeben erörtert, für die Bekämpfung
der Kirschfruchtfliege sowohl der Einsatz von Lebaycid
als auch der Einsatz von Adimethoat – mit einer dem Rei-
fungsprozess der Kirschen angemessenen Wartezeit – von
der Bundesregierung nicht ermöglicht werden soll? Sie
haben vorhin erwähnt, dass Sie bei der Anwendung von
Pflanzenschutzmitteln die Höchstrückstandsmengen
– diese gelten natürlich auch für importierte Waren – be-
grenzen wollen. Da Sie etwas für den Verbraucherschutz
tun wollen, möchte ich Sie konkret fragen: Durch wen
wird jede einzelne nach Deutschland importierte Kirsche
auf eventuelle Rückstände geprüft?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1423217400
Herr Kollege, ich beginne mit der letzten
Frage. Die Untersuchung der Rückstände von Pflanzen-
schutzmitteln erfolgt durch die zuständigen Landesbehör-
den. Diese entscheiden auch darüber, wie hoch die Kon-
trolldichte ist. Wir können konstatieren – Herr Weiß, Sie
brauchen nicht zu lachen –, dass die Kontrollen in den
letzten Jahren intensiviert worden sind. In weniger als
1 Prozent der Proben wurden Pflanzenschutzmittel nach-
gewiesen. Soweit zu dem Teil der Frage, mit dem Sie da-
nach gefragt haben, was die Bundesregierung ganz kon-
kret macht.

Es ist nicht zutreffend, dass die Mengen an Plantomy-
cin nur für ein Achtel der Obstflächen reichen würden.
Verwendet man Plantomycin, ist unter Umständen eine
zweifache Behandlung notwendig. Insofern ist das der
eingrenzende Faktor. Aufgrund der Witterung in den letz-
ten Wochen muss in den stark befallenen Gebieten nicht
die gesamte Fläche behandelt werden. Das heißt, es wird
nur eine punktuelle Behandlung notwendig sein. Dafür
steht ausreichend Plantomycin zur Verfügung, wobei die
Bundesländer mit der Biologischen Bundesanstalt verein-
bart haben, dass diese Mengen gegebenenfalls noch er-
höht werden.

Bezüglich der Einhaltung der Rückstandswerte geht es
in dem ganz konkreten Fall um den Honig. Die Landes-
behörden, allen voran diejenige von Baden-Württemberg,
haben gemeinsam mit den Imkern und Obstbauern ver-
einbart, dass der Honig auf Rückstände untersucht wird.
Sollten die Grenzwerte überschritten werden, wird der
Honig nicht für den Verzehr durch Menschen freigegeben,
sondern vernichtet.

Ich denke, dies ist eine vernünftige Regelung. Es
wurde Vorsorge dafür getroffen, dass auf der einen Seite
den Erfordernissen des Obstbaus Rechnung getragen wird
und auf der anderen Seite keine Gefährdung der Verbrau-
cher eintritt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423217500
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär. Wir sind am Ende der Befra-
gung zu Ihrem Geschäftsbereich.

Ich komme jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwor-
tung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike
Mascher zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Wolfgang
Dehnel auf:

Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass von den er-
heblichen Mittelkürzungen im Bereich der Arbeitsbeschaffungs-
maßnahmen, ABM, insbesondere die neuen Bundesländer betrof-
fen sind und die Kürzungen dort teilweise dramatische
Auswirkungen haben?

U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1423217600
Herr Kollege
Dehnel, die Bundesregierung teilt nicht Ihre Auffassung,
dass von den erheblichen Mittelkürzungen im Bereich der
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen insbesondere die neuen
Bundesländer betroffen sind. Der von der Bundesregie-
rung genehmigte Haushaltsplan der Bundesanstalt für
Arbeit für das laufende Haushaltsjahr 2002 weist den Ar-
beitsämtern im Eingliederungstitel bundesweit 14,2 Mil-
liarden Euro zu. Das sind rund 200 Millionen Euro mehr,
als 2001 verausgabt wurden. Den Arbeitsämtern in den
neuen Bundesländern wurden für das laufende Haushalts-
jahr im Eingliederungstitel rund 6,9 Milliarden Euro und
damit 200Millionen Euro mehr zugewiesen, als 2001 ver-
ausgabt wurden. Die Bundesregierung teilt daher nicht die
Einschätzung, dass insbesondere die neuen Bundesländer
von erheblichen Mittelkürzungen betroffen sind.

Für die Bewilligung von Arbeitsbeschaffungsmaßnah-
men sind die Arbeitsämter vor Ort zuständig. Diese erhal-
ten in einem so genannten Eingliederungstitel Mittel, die
sie für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und andere Er-
messensleistungen der aktiven Arbeitsförderung einset-
zen. Spezielle Arbeitsbeschaffungsmaßnahmenmittel
wurden den Arbeitsämtern letztmals im Haushaltsjahr
1997 zugewiesen. Bei der Zuweisung der Mittel im Rah-
men des Eingliederungstitels sind insbesondere die regio-
nale Entwicklung der Beschäftigung, die Nachfrage nach
Arbeitskräften, Art und Umfang der Arbeitslosigkeit so-
wie die jeweilige Ausgabenentwicklung im abgelaufenen
Haushaltsjahr zu berücksichtigen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423217700
Zusatz-
frage, Herr Kollege Dehnel.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1423217800
Frau Staatssekretä-
rin, wie erklären Sie sich dann, dass in den letzten zwei
Monaten allein mir circa 20 Eingaben bzw. Briefe zuge-
gangen sind, in denen sich Verbände und Vereine, aber
auch Landratsämter und indirekt Arbeitsämter – denn in
den Anfragen der Vereine waren Arbeitsämter genannt –
darüber beklagen, dass entsprechende Mittel gekürzt und
Maßnahmen, die bisher gang und gäbe gewesen sind, zum
Beispiel Unterstützung von Sportverbänden sowie ande-
ren Verbänden und Vereinen, nicht mehr gefördert
werden?




PeterWeiß
23082


(C)



(D)



(A)



(B)


U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1423217900
Herr Abgeordne-
ter Dehnel, ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir
im Rahmen des Eingliederungstitels keinen Rückgang bei
den Mittelzuweisungen zu verzeichnen haben und dass
die Arbeitsämter vor Ort entscheiden, wie sie die vorhan-
denen Mittel des Eingliederungstitels auf Arbeitsbeschaf-
fungsmaßnahmen oder auf andere Maßnahmen verteilen.
Daher ist die Frage zu stellen: Welche Entscheidungen ha-
ben die einzelnen Arbeitsämter bzw. die Verwaltungsaus-
schüsse, in denen die Tarifvertragsparteien, die Gewerk-
schaften und die Arbeitgeber, sowie die jeweilige
Kommune vertreten sind, getroffen?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423218000
Eine wei-
tere Zusatzfrage.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1423218100
Einige Kolleginnen
von Ihnen aus der SPD-Fraktion haben mir berichtet, dass
sie ähnlich viele Schreiben über die Situation vor Ort be-
kommen haben. Hat auch die Bundesregierung solche
Schreiben bekommen? Ich kann mir das gut vorstellen,
weil teilweise erwähnt worden ist, dass Duplikate dieser
Briefe an die Bundesregierung geschickt worden sind.
Können Sie dem zustimmen?

U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1423218200
Auch wir haben
solche Briefe bekommen. Nur, meine Antwort bleibt
gleich: Die Entscheidung liegt nicht bei der Bundesregie-
rung und auch nicht bei der Bundesanstalt für Arbeit. Viel-
mehr bekommen die örtlichen Arbeitsämter nach dem von
mir dargestellten Schlüssel – ich habe versucht, Ihnen an
einigen Punkten deutlich zu machen, woran sich dieser
Schlüssel bemisst – Mittel des Eingliederungstitels. Die
Arbeitsämter vor Ort entscheiden zusammen mit den Ver-
waltungsausschüssen, wie diese Mittel auf die unter-
schiedlichen Maßnahmen verteilt werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423218300
Dann
kommen wir zur Frage 25 des Kollegen Dehnel:

Wie steht die Bundesregierung zu den Forderungen aus den
Kommunen, Landkreisen und Verbänden bzw. Vereinen, die
ABM-Mittel wieder zu erhöhen bzw. nicht weiter zu kürzen?

U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1423218400
Ich habe versucht,
Ihnen deutlich zu machen, dass der Umfang des Einsatzes
von Mitteln für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht
von der Bundesregierung, sondern von den örtlichen Ar-
beitsämtern und Verwaltungsausschüssen festgelegt wird.
In den Verwaltungsausschüssen entscheiden neben den
Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern auch die Kom-
munen darüber, wie hoch der Mitteleinsatz für Arbeitsbe-
schaffungsmaßnahmen im jeweiligen Haushaltsjahr sein
soll.

Darüber hinaus muss man auch immer sehen: Die För-
derung im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
ist ein zeitlich befristetes Instrument der individuellen

Förderung von Arbeitslosen. Damit werden also nicht In-
stitutionen oder Projekte gefördert, sondern es wird der
Arbeitslose X, also Meier, Müller, Schulze, gefördert. Das
bitte ich dabei immer zu berücksichtigen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423218500
Zusatz-
frage, Kollege Dehnel.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1423218600
Aber sind Sie mit mir
einer Meinung, dass diese ABM große Unterstützung ge-
rade im Bereich des Sports und im sozialen Bereich in den
neuen, aber auch in den alten Bundesländern geleistet ha-
ben? Es sind insbesondere Maßnahmen unterstützt wor-
den, um Jugendliche und Kinder von der Straße wegzu-
holen.

U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1423218700
Herr Dehnel, ich
sehe es ganz genauso, dass die Arbeitsbeschaffungsmaß-
nahmen in der Tat wichtige Maßnahmen sind, wobei in
der Vergangenheit insbesondere in den neuen Bundes-
ländern viele Einrichtungen der sozialen Infrastruktur
zunächst über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanziert
worden sind und es den Kommunen offensichtlich noch
nicht in ausreichendem Maße gelingt, solche Einrichtun-
gen ausschließlich aus eigenen Mitteln zu finanzieren.
Aber das ist nicht der eigentliche Sinn von Arbeits-
beschaffungsmaßnahmen. Der eigentliche Sinn von Ar-
beitsbeschaffungsmaßnahmen ist vielmehr, Menschen
eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu bauen. Ich
möchte jedoch nicht irgendwelche Grundsätze hochhal-
ten, da ich weiß, welche Bedeutung Arbeitsbeschaffungs-
maßnahmen in den neuen Bundesländern haben. Des-
wegen haben wir auch keine Kürzung dieser Mittel
vorgenommen. Sie müssten also jeweils im Einzelfall bei
den Arbeitsämtern bzw. bei den Verwaltungsausschüssen
nachfragen, warum hier Mittel nicht mehr für Arbeits-
maßnahmen, sondern für Lohnkostenzuschüsse ausgege-
ben werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423218800
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Urbaniak.


Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1423218900
Frau Staatssekre-
tärin, es ist sehr erfreulich, dass Sie feststellen, dass die
Mittel nicht gekürzt worden sind. Wir haben immer Wert
darauf gelegt, dass genügend – ich formuliere es einmal
volkstümlich – Pulver in den Arbeitsämtern vorhanden
ist.

Welche Erfahrungen liegen der Bundesregierung vor,
dass dies, nachdem jetzt die Arbeitsbeschaffungsmaßnah-
men vor Ort unmittelbar vergeben werden, also sozusagen
basisorientiert, weitaus besser funktioniert, als das in
früheren Zeiten der Fall war?

U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1423219000
Ich meine, dass
die Politik der Bundesregierung, die Mittel für Eingliede-
rungsmaßnahmen zu verstetigen, wichtig gewesen ist.






(C)



(D)



(A)



(B)


Wir sind gegen hektische Ausschläge: Zunächst Dürre-
jahre und dann im Jahr vor einer Bundestagswahl steigen
die Mittel erheblich an.


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Das haben wir alles gehabt! – Gegenruf des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: Daran kann ich mich gar nicht erinnern!)


Aber in der Tat stellen wir im Moment fest, dass in den
neuen Bundesländern im Jahr 2002 nur noch 1,7 Mil-
liarden Euro für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einge-
setzt werden, während es im Jahr 2001 2,1 Milliarden
Euro waren. Aber ich bitte, hier nicht mit dem Finger
auf die Bundesregierung zu zeigen. Die Entscheidung
liegt bei den Arbeitsämtern vor Ort, bei den Verwal-
tungsausschüssen – die Kommunen sind in den Verwal-
tungsausschüssen –, wie viel Geld für Arbeitsbeschaf-
fungsmaßnahmen und wie viel Geld für andere Einglie-
derungsmaßnahmen ausgegeben wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423219100
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin. Die Fragen der Kollegen
Austermann und Singhammer werden schriftlich beant-
wortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Be-
antwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staats-
sekretär Stephan Hilsberg zur Verfügung.

Die Frage 29 des Kollegen Michelbach soll schriftlich
beantwortet werden.

Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Grund auf:
Wann ist mit dem Baubeginn des Autobahnteilstücks

Leinefelde–Heiligenstadt im Zuge der Bundesautobahn A 38 von
Göttingen nach Halle zu rechnen, nachdem der vorgesehene Ter-
min schon um ein halbes Jahr überschritten wurde, und wie will
die Bundesregierung sicherstellen, dass es zu keinen weiteren Ver-
zögerungen kommt?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423219200
Sehr
geehrter Herr Präsident, für die Bundesautobahn A 38
Göttingen–Halle zwischen den Anschlussstellen Heilbad
Heiligenstadt und Leinefelde wird derzeit das Planfest-
stellungsverfahren durchgeführt. Auf der Basis von Plan-
genehmigungen wurde auf dem genannten Streckenab-
schnitt mit dem Bau der Steinbachtalbrücke am 4. Mai
2000 und mit dem Bau der Etzelsbachtalbrücke am
28. September 2000 begonnen.

Die Überfahrbarkeit der Etzelsbachtalbrücke ist Vo-
raussetzung für den Baubeginn des Streckenloses. Die
Bedingung für diesen Baubeginn ist jedoch ein rechts-
kräftiger Planfeststellungsbeschluss. Nach derzeitigem
Stand des Planfeststellungsverfahrens – der Erörterungs-
termin wurde ja bereits durchgeführt – ist mit dem Erd-
und Deckenbau nicht vor dem ersten Quartal des Jah-
res 2003 auszugehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423219300
Zusatz-
frage, Kollege Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1423219400
Herr Staatssekretär, wir
sind ja in zeitlichem Verzug. Der Bau dieses Streckenab-
schnittes hätte schon vor einem halben Jahr beginnen sol-
len. Wenn jetzt in diesem Bereich zum ersten Quar-
tal 2003 mit dem Baubeginn zu rechnen ist, wie wird denn
gewährleistet, dass das Ende der Baumaßnahmen, also die
durchgängige Befahrbarkeit der A 38, so wie seit Jahren
geplant, im Jahre 2005 realisiert werden kann?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423219500
Herr
Grund, diese Frage steht nicht in Zusammenhang mit dem
Verlauf, mit dem wir es gegenwärtig zu tun haben. Wie Sie
wissen, muss das Planfeststellungsverfahren ordentlich ab-
gearbeitet werden. Wir haben, wie das nach den rechtlichen
Rahmenbedingungen richtigerweise der Fall ist, keinen
Einfluss hierauf. Die Durchführung des Planfeststellungs-
verfahrens obliegt der Verwaltung des Freistaats Thürin-
gen. Diese muss das nach Recht und Gesetz abwickeln und
ist Herrin des Verfahrens. Der sachliche Zusammenhang,
wie er sich darstellt und wie ich ihn geschildert habe, führt
dazu, dass mit dem Bau erst im Jahre 2003 begonnen wird.
Das liegt nicht etwa an mangelndem Willen, das liegt auch
nicht an den Finanzen. So die Bauarbeiten zügig abge-
wickelt werden können, kann mit einem rechtzeitigen Fer-
tigstellen der A 38 gerechnet werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423219600
Nach-
frage, Kollege Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1423219700
Beim Bauabschnitt
Breitenworbis–Leinefelde haben es die Ausschreibungs-
unterlagen ermöglicht, dass ortsansässige mittelständi-
sche Unternehmer, die sich in einer Bietergemeinschaft
zusammengeschlossen haben, bei der Bauausführung ha-
ben zum Zuge kommen können, was sehr wichtig ist, auch
angesichts der regionalen Arbeitsmarktlage. Würde das
Ministerium Einfluss nehmen, dass auch die Ausschrei-
bungsunterlagen für den Abschnitt Leinefelde–Heiligen-
stadt so ausgestellt werden, dass wiederum eine orts-
ansässige Bietergemeinschaft zum Zuge kommen bzw.
sich bewerben könnte?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423219800
Dies,
Herr Grund, ist eine Frage, die einen völlig neuen The-
menbereich aufmacht. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur
zusichern: An uns wird es nicht liegen. Wir sind gerne
bereit, die hierfür erforderlichen unterstützenden Maß-
nahmen zu ergreifen. Im Übrigen gehört es sowieso zu
den Rahmenbedingungen der Auftragsverwaltung, so
weit wie möglich ortsansässige Firmen an den Aufträgen
zu beteiligen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423219900
Nun kom-
men wir zur Frage 31 des Kollegen Grund:

Was spricht dagegen, bereits jetzt mit dem Trassenbau und
dem Bau weiterer Brückenbauwerke zu beginnen, auch wenn
letzte Entscheidungen zur Fahrbahnentwässerung noch zu treffen
sind?




Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher
23084


(C)



(D)



(A)



(B)


S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423220000
Sehr ge-
ehrter Herr Grund, mit dem Trassenbau kann derzeit auf-
grund des noch laufenden Planfeststellungsverfahrens, in
dem von der Planfeststellungsbehörde auch eine Ent-
scheidung zur Entwässerungsproblematik getroffen wird,
nicht begonnen werden. Mit dem Bau weiterer Brücken
im oben genannten Streckenabschnitt kann, wenn im
Planfeststellungsverfahren keine Einwände gegen die
Trassenführung der Bundesautobahn A 38 erhoben wer-
den, mittels Plangenehmigung, sofern diese von der Plan-
feststellungsbehörde erteilt wird, vor Baurechtschaffung
für den Streckenbau begonnen werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423220100
Zusatz-
frage, Kollege Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1423220200
Die Fahrbahnentwäs-
serung kollidiert ja mit den Trinkwasserschutzzonen 1
und 2, durch die die Trasse der A 38 führt. Zurzeit werden
Bohrungen durchgeführt, um die Trinkwasserschutz-
zonen so zu verändern, dass Brunnen, die in diesem Be-
reich liegen, vielleicht entbehrlich werden. Die Sorge vor
Ort, insbesondere des zuständigen Trinkwasserverbandes,
ist, dass sich ein Teil des Problems auf den Trinkwasser-
verband verlagert, indem Quellen angeboten werden, die
vielleicht von der Qualität und von der Quantität her nicht
in der Lage sind, das jetzige Dargebot zu ersetzen. Ich
bitte Sie, mit dafür Sorge zu getragen, dass die vorhan-
denen Befürchtungen und Ängste zerstreut werden und
dass nicht ein Teil des Problems auf die Trinkwasserver-
bände verlagert wird.

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423220300
Sehr ge-
ehrter Herr Grund, das war keine Frage, sondern eine
Bitte. Wie Sie wissen, ist das ein komplexes Problem, das
schon einige Jahre besteht. In vielen umfangreichen Ge-
sprächen, an denen unter anderen Sie selbst beteiligt wa-
ren, ist dies zu einer Lösung gebracht worden. Dies steht
kurz vor dem Abschluss. Ich bin sicher, dass auch die be-
teiligten Trinkwasserverbände in das Lösungsverfahren
mit einbezogen sind und dass keine Entscheidung erfolgt,
die eine unzumutbare Belastung des Trinkwasserhaushal-
tes in der dortigen Gegend nach sich zöge.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423220400
Die Fra-
ge 32 der Kollegin Gerda Hasselfeldt soll schriftlich be-
antwortet werden.

Damit kommen wir zur Frage 33 des Kollegen
Dr. Michael Luther:

Auf welcher Finanzierungsbasis ermittelte die Bundesregie-
rung die Gesamthöhe der Investitionen des im Investitionsbericht
Infrastruktur angekündigten langfristigen 90-Milliarden-Euro-In-
vestitionsprogramms für die Modernisierung, den Ausbau und die
bessere Vernetzung der Verkehrswege, und wie ist es beabsichtigt,
in den neuen Bundesländern einen Investitionsschwerpunkt zu
setzen?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423220500
Sehr ge-
ehrter Herr Luther, die Bundesregierung hat trotz der not-

wendigen und unstrittigen Haushaltskonsolidierung den
Infrastrukturinvestitionen Vorrang eingeräumt. Der Inves-
titionsanteil des Bau- und Verkehrshaushaltes konnte des-
halb von 45 Prozent im Jahre 1998 auf über 51 Prozent in
diesem Jahr erhöht werden. Dabei sind die Investitionen
der Bundesregierung in den neuen Ländern gemessen an
Bevölkerung und Fläche überproportional hoch.

Die Bundesregierung wird die bisherige Finanzie-
rungslinie fortsetzen. Bestandteile sind die Nutzung der
Spielräume, die sich aus der Konsolidierung des Bundes-
haushalts ergeben, die Mobilisierung privaten Kapitals
zum Beispiel mit privaten Betreibermodellen im Auto-
bahnausbau sowie die Reinvestition der Einnahmen aus
der LKW-Maut in die Verkehrsinfrastruktur. Mit dieser
Finanzierungslinie wird die Bundesregierung auf Basis
des neuen Bundesverkehrswegeplans ein 90-Milliarden-
Euro-Investitionsprogramm erarbeiten.

Mit dem Investitionsbericht vom 6. März dieses Jahres
hat die Bundesregierung zugleich festgelegt, dass einer
der Schwerpunkte des Zukunftsprogramms Mobilität die
weitere Stärkung der Verkehrsinfrastruktur in den neuen
Ländern ist.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423220600
Zusatz-
frage, Kollege Luther.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1423220700
Sehr geehrter Herr
Staatssekretär, ich habe eine Frage: Der Investitions-
bericht spricht von 90 Milliarden Euro. Für welchen Zeit-
raum sind diese vorgesehen?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423220800
In erster
Linie umreißt der Investitionsbericht mit dem Zukunfts-
programm Mobilität den Inhalt der Zukunftsaufgaben. Ich
kann Ihnen darüber hinaus aber sagen, dass es sich um
Maßnahmen handelt, die noch im Laufe dieses Jahrzehnts
abgearbeitet werden sollen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423220900
Zusatz-
frage des Kollegen Dehnel.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1423221000
Herr Staatssekretär,
Sie haben gerade den Bundesverkehrswegeplan erwähnt.
Wie kommt es, dass Ihnen die Erstellung Ihres Bundes-
verkehrswegeplans bis Ende des Jahres 2002 nicht ge-
lingt, während die Bundesregierung unter Helmut Kohl
einen Bundesverkehrswegeplan innerhalb von zwei Jah-
ren – also in sehr viel kürzerer Zeit und unter sehr viel
schwierigeren Problemen – vorgelegt hat, und zwar den
von 1991/1992? Wieso dauert die Ausarbeitung des Bun-
desverkehrswegeplans bei Ihnen so lange?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423221100
Sehr ge-
ehrter Herr Dehnel, Ihre Frage hat mit der Fragestellung
von Herrn Luther in keiner Weise etwas zu tun. Ich bin
dennoch gerne bereit, Sie darauf hinzuweisen, dass der
Bundesverkehrswegeplan 1991/1992 seinerzeit unter






(C)



(D)



(A)



(B)


ganz anderen Rahmenbedingungen und unter einem ganz
anderen Zeitdruck erstellt wurde und es darin in erster
Linie um die Verknüpfung der ost- und westdeutschen
Infrastruktur ging.

Heute haben wir umfangreiche Modernisierungsaufga-
ben zu erfüllen und müssen verkehrsträgerübergreifende
Verkehrskonzepte verwirklichen. Wir sind eng am Zeit-
plan und werden diesen neuen Bundesverkehrswegeplan
zu Beginn der neuen Legislaturperiode im Jahre 2003 ver-
abschieden können.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423221200
Vielen
Dank.

Wir kommen nun zur Frage 34 des Kollegen Luther:
Nach welchen konkreten Gesichtspunkten wählte die Bundes-

regierung die Einzelprojekte für den „beschleunigten Bau von
etwa 300 Ortsumgehungen“ aus und wie viele dieser Ortsum-
gehungen befinden sich jeweils in den einzelnen Bundesländern?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423221300
Sehr ge-
ehrter Herr Luther, das Zukunftsprogramm Mobilität wird
2003 auf der Grundlage eines neuen Bundesverkehrswe-
geplans erarbeitet. Darin wird auch die Konkretisierung
des beschleunigten Baues von etwa 300 Ortsumgehungen
erfolgen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423221400
Nach-
frage, Kollege Luther.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1423221500
300 Ortsumgehun-
gen sind eine ganze Menge. Über die Wahrnehmung als
Wahlkampfthema hinaus interessiert die Menschen vor
Ort natürlich, welche 300 Ortsumgehungen dies sein sol-
len. Gibt es konkrete Überlegungen, welche 300 Ortsum-
gehungen gemeint sind?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423221600
Sehr ge-
ehrter Herr Luther, mit dem Zukunftsprogramm Mobilität
haben wir unsere verkehrspolitische Strategie für die
nächsten Jahre festgelegt, wie dies unsere Pflicht ist. Dies
wurde aufgrund der neu geschaffenen Finanzierungs-
spielräume ermöglicht, die bereits jetzt ihre segensreiche
Wirkung für die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen ent-
faltet haben. Man muss Planungssicherheit schaffen. Das
bedeutet aber nicht, dass alle konkreten Projekte bereits
jetzt in einem solchen Stadium sind, dass eine Entschei-
dung bekannt gegeben werden kann. Es gibt gegenwärtig
auch noch keine Möglichkeit, eine solche Entscheidung
zu treffen, weil die Untersuchungsergebnisse in Vorberei-
tung des Bundesverkehrswegeplans noch nicht in Gänze
vorliegen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423221700
Weitere
Zusatzfrage, Kollege Luther, bitte.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1423221800
Ich habe noch eine
weitere Zusatzfrage. Einen Teil der zweiten Frage haben
Sie nicht beantwortet. Deswegen will ich noch einmal

konkret nachfragen. Sie haben von einem Investitions-
schwerpunkt für die neuen Bundesländer gesprochen.
Welcher Anteil von diesen 90 Milliarden Euro bzw. von
diesen 300 Ortsumgehungen kann in den neuen Bundes-
ländern in etwa erwartet werden? Wie viel entfällt – das
war die Frage – auf die einzelnen Bundesländer? Mich in-
teressiert hier konkret der Freistaat Sachsen.

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423221900

Herr Luther, die Frage ist zwar verständlich. Ich weise
aber darauf hin, dass allein mit den drei Projekten, für
die bereits eine Entscheidung getroffen wurde, für Ost-
deutschland milliardenschwere Investitionen festgelegt
wurden. Als Beispiele nenne ich den Bau der Hochge-
schwindigkeitsstrecke von Leipzig über Erfurt nach
Nürnberg, für die allein 10 Milliarden DM zu investie-
ren sind, den Bau der A 14 zwischen Magdeburg, Lüne-
burg und Ludwigslust und den Bau der A 72, der einzig
und allein Ihrem hoch verehrten Bundesland Sachsen
zugute kommen wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423222000
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Dehnel.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1423222100
Herr Staatssekretär,
Sie sprachen gerade von der segensreichen Wirkung des
Investitionsplans. Stimmen Sie mir zu, dass der Bundes-
verkehrswegeplan noch unter der Kohl-Regierung ausge-
arbeitet wurde und die gesamten Maßnahmen bereits be-
inhaltete, die Sie in Ihren Investitionsplan eingearbeitet
haben und nun umsetzen, sodass dieser Segen also von
uns vorbereitet worden ist?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423222200
Ich
stimme Ihnen dahin gehend zu, dass die Planung für die
von Ihnen genannten Verkehrsprojekte „Deutsche Ein-
heit“ – ich nehme an, dass Sie davon sprechen – selbst-
verständlich in den 90er-Jahren erfolgt ist. Ich darf aber
gleichzeitig darauf hinweisen, dass sich die zur Verfügung
gestellten Mittel in der Zeit unserer Regierungsverant-
wortung zum Teil verdoppelt haben. Das führte dazu, dass
wir im Haushalt beispielsweise für den Straßenbau im
Jahr 2001 einen Investitionsanteil von fast 60 Prozent hat-
ten, der einzig und allein in die neuen Bundesländer ge-
flossen ist. Das war unter der alten Regierung nicht zu be-
obachten.


(Wolfgang Dehnel [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)


– Das stimmt exakt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423222300
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Urbaniak.


Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1423222400
Herr Staatssekre-
tär, in der Frage 34 wird im Zusammenhang mit Ortsum-
gehungen die Zahl 300 genannt. Kann man davon ausge-
hen, dass sowohl der finanzielle Rahmen als auch jener




Parl. Staatssekretär Stephan Hilsberg
23086


(C)



(D)



(A)



(B)


der Planfeststellungen so übereinstimmen, dass man die
Maßnahmen koordinieren und durchführen kann?

Erfahrungsgemäß ist es immer so: Hast du eine Plan-
feststellung, hast du kein Geld. Hast du Geld, hast du
keine Planfeststellung. Wie sieht das bei diesem Projekt
aus? Beides muss in Übereinstimmung gebracht werden.

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423222500
Sehr ge-
ehrter Herr Urbaniak, ich bin Ihnen für diese Frage dank-
bar. Das war einer der Gründe dafür, dass wir mit der
Erarbeitung eines neuen Bundesverkehrswegeplans vor-
fristig begonnen haben; denn der alte Bundesverkehrs-
wegeplan hat in keiner Weise mehr Planungssicherheit
ermöglicht. Die Umsetzung der dort enthaltenen Maß-
nahmen hätte angesichts des damals vorhandenen Finan-
zierungsspielraums zehn Jahre länger gedauert, als ur-
sprünglich gedacht war. Wir tragen dafür Sorge, dass die
bestehende Planungssicherheit, wie sie im Investitions-
programm geschaffen wurde, auch im neuen Bundes-
verkehrswegeplan die Grundlage unserer Verkehrsinfra-
strukturpolitik sein wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423222600
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Schemken.


Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1423222700
Herr Staatssekretär,
ich möchte die Frage von Herrn Urbaniak vertiefen. Sie
haben darauf nur eine halbe Antwort gegeben. Nach Ihrer
Aussage haben Sie die Prioritäten verändert oder zumin-
dest stärker auf die Finanzen abgestellt. Aber Herr
Urbaniak hat zu Recht gesagt: Wenn du Geld hast, hast du
keine Planung; wenn die Planung da ist, ist kein Geld da.

Wenn der vordringliche Plan im Vorhinein sehr eng ab-
gesteckt wird, dann gibt es kaum die Möglichkeit, mit ei-
ner vorhandenen Planfeststellung und dem dafür nötigen
Geld vor Ort zum Zuge zu kommen und anderen Maß-
nahmen, die nicht im Planfeststellungsverfahren enthal-
ten sind, Rechnung zu tragen. Sehen Sie darin nicht ein
Problem?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1423222800
Sehr
geehrter Herr Schemken, ich möchte zuerst darauf hin-
weisen, dass wir den Finanzierungsspielraum für Ver-
kehrsinfrastrukturmaßnahmen im letzten Jahr im Zusam-
menhang mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm um
3 Milliarden DM verbessert haben. Das heißt, pro Jahr
stehen 3 Milliarden DM mehr zur Verfügung, als dies zu
Ihrer Regierungszeit der Fall gewesen ist.

Auch vor diesem Hintergrund ist die Lösung eines sol-
chen Problems, wie es Herr Urbaniak angesprochen hat
und wie es leider vorgekommen ist, heutzutage lange
nicht mehr so dringlich, wie das noch vor einigen Jahren
der Fall gewesen ist. Im Zusammenhang damit möchte ich
Ihnen Folgendes deutlich machen: Das Investitionspro-
gramm, das für den Zeitraum von 1999 bis 2002 gilt, ent-
hält keine einzige Maßnahme, die an den notwendigen Fi-
nanzierungsspielräumen gescheitert ist. Wir können und

konnten die geplanten Maßnahmen fast zu 100 Prozent
realisieren. Wir sind bei der Realisierung der Bedarfs-
planvorhaben im Plan.

Wir wollen uns gerne daran messen lassen, ob wir al-
les, was wir in einem Programm festgelegt haben, auch
realisiert haben. Das ist die Qualitätsrichtschnur für un-
sere Politik auch in den kommenden Jahren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423222900
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.

Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich schließe diese.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Haltung derBundesregierung zu aktuellen Vor-
schlägen, in der GKV die Lohnfortzahlung zu
kürzen und die Vorleistungspflicht der Kran-
kenversicherten einzuführen.

Das Wort zur Begründung hat als erste Rednerin die
Kollegin Hildegard Wester von der SPD-Fraktion.


Hildegard Wester (SPD):
Rede ID: ID1423223000
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! CDU und CSU verfügen nach wie vor
über kein schlüssiges Konzept zur Weiterentwicklung des
Gesundheitswesens. Diese Konzeptlosigkeit hat sich in
den jüngsten Äußerungen verschiedener Spitzenpolitiker
der CDU/CSU gezeigt. Das gibt Anlass, heute darüber zu
diskutieren, wie die Gesundheitspolitik aussehen wird,
wenn Sie Gelegenheit haben sollten – das werden wir zu
verhindern wissen –, Politik zu gestalten.

Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz
hat davon gesprochen, dass die Patientinnen und Patien-
ten eine Vollkaskomentalität hätten, die es abzuschaffen
gelte.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das sagen Sie doch auch!)


Offensichtlich hat Herr Merz nicht verstanden, dass ein
großer Teil der Behandlungskosten in der Krankenversi-
cherung bei der Behandlung von chronisch Kranken so-
wie älteren Bürgerinnen und Bürgern entsteht. Deswegen
müssen wir fragen: Wo stellen Sie bei diesen Menschen
eigentlich eine Vollkaskomentalität fest? Wo wollen Sie
diesen Kranken,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Denen Sie Leistungen vorenthalten!)


die in hohem Maße Kosten verursachen, eine Teilkasko-
versicherung anbieten? Welche Bereiche der medizinisch
notwendigen Versorgung wollen Sie denn diesen Men-
schen wegnehmen? Wie sollen chronisch Kranke die in
Ihrem Teilkaskomodell ausgeschlossene medizinische
Versorgung bezahlen? Oder unterstellen Sie etwa dem
Großteil der Kranken, sie gingen ohne Grund zum Arzt,
sie nähmen also ohne Not Leistungen in Anspruch, die die
Gemeinschaft der Versicherten erbringt?




Hans-Eberhard Urbaniak

23087


(C)



(D)



(A)



(B)


Wer den Patientinnen und Patienten unterstellt, sie näh-
men wegen jedes Zipperleins die Krankenversicherung in
Anspruch, ignoriert die Sorgen und Nöte der Menschen.
Das muss hier ganz klar herausgestellt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das hat nichts, aber auch gar nichts mit der von Ihnen viel
gepriesenen Mündigkeit der Patientinnen und Patienten
zu tun. Ihnen geht es nicht darum, den mühsamen und
konfliktreichen Weg der Verbesserung der Qualität und
der medizinischen Behandlungsabläufe zu gehen. Ihre
Reformvorstellungen bezüglich des Gesundheitswesens
sind die gleichen wie schon am Ende der letzten Legisla-
turperiode, in der Sie die Verantwortung getragen haben.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Seitdem Sie dran sind, ist alles schlechter geworden! Das müssen Sie doch zugeben!)


Es geht Ihnen vor allem darum, Patientinnen und Patien-
ten stärker zu belasten, Teile der Gesundheitsversorgung
zu privatisieren und Lasten zuungunsten der Kranken zu
verschieben.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Blanker Unsinn!)


So sollen Kranke und nicht etwa Gesunde demnächst
500 Euro jährlich mehr zahlen,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Auch blanker Unsinn!)


wohlgemerkt für die gleiche medizinische Versorgung,
wie sie sie jetzt haben.

All dies geschieht unter dem Deckmantel der Stärkung
der Eigenverantwortung der Versicherten. Eigenverant-
wortung wollen die Menschen gerne übernehmen. Das
haben wir in den letzten Jahren erfahren. Aber wer Ei-
genverantwortung so definiert wie Sie, der wird auch
zukünftig weitere Lasten zuungunsten der Kranken ver-
schieben, der wird Leistungen aus der Krankenversiche-
rung ausgliedern wollen, die medizinisch notwendig sind.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Davon ist keine Rede! Nirgendwo!)


Zusätzlich wollen Sie von der Union die Entgeltfort-
zahlung im Krankheitsfall wieder begrenzen.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wer will das?)


– Es gab einige entsprechende Stimmen, auch wenn das
Hauptzitat zugegebenermaßen von Rexrodt stammt. Aber
es gab auch aus Ihren Reihen Stimmen, dass man die Ent-
geltfortzahlung überprüfen müsse.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wer?)

– Es sind keine Spitzenpolitiker. Die Namen kann ich Ihnen
gleich noch nennen. Sie wissen das genauso gut wie ich.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Man sollte schon wissen, welche Anwürfe man erhebt, wenn man ans Rednerpult geht! – Gegenruf der Abg. Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Kennen Sie Herrn Rexrodt nicht?)


– Sie kennen bei uns auch nicht jeden Politiker und jede
Politikerin, der bzw. die irgendwann einmal ein Interview
gegeben hat.

Deutlich wird damit auf jeden Fall, dass Sie in Ihrer
Konzeptionslosigkeit sogar zu den Mitteln zurückgreifen,
die Ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit – ich will nicht
sagen: mit Sicherheit – eingehandelt haben, dass Sie 1998
von der Regierung abgewählt worden sind:


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Von der Regierung nicht!)


die einseitige Abkassiererei bei den Erwerbstätigen und
Beitragszahlern.


(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Wer heute abzockt, haben wir schriftlich!)


Wir haben diesen unsozialen Einschnitt der Kürzung
der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gleich zu Beginn
unserer Regierungsverantwortung zurückgenommen. Wir
haben auch die Zuzahlungen der Patientinnen und Patien-
ten zurückgeführt


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Um eine Mark!)


und Leistungsausgrenzungen wieder rückgängig ge-
macht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Jetzt bekommen sie keine Leistungen mehr!)


Wenn jetzt Ihr Kanzlerkandidat Stoiber eine Absage an
die „Jahrzehnte gewachsene Versicherungs- und Versor-
gungsmentalität“ fordert, ist dies ein weiteres klares Be-
kenntnis dazu, dass er sich aus der Solidarität in der Kran-
kenversicherung verabschieden will. Mit der Klage
Bayerns und anderer unionsregierter Länder gegen den
Risikostrukturausgleich hat Stoiber auch deutlich ge-
macht,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das ist doch letztes Mal schon widerlegt worden! Kommen Sie doch jetzt nicht mit so alten Kamellen!)


dass er das Eigeninteresse vor das Gemeininteresse setzt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423223100
Frau Kol-
legin Wester, kommen Sie bitte zum Schluss.


Hildegard Wester (SPD):
Rede ID: ID1423223200
Ich komme sofort zum
Schluss. – Es gäbe zu diesem Punkt noch vieles zu sagen.
Gott sei Dank reden noch Rednerinnen und Redner der
Koalition nach mir.

Eines muss deutlich werden: Wir werden uns nicht auf
diesen Weg begeben.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Weiter so wie bisher! Mit dem bekannten Ergebnis!)


Wir werden all unsere Kräfte, die wir aufgrund des
Wählervotums mobilisieren können, nutzen, um zu ver-




Hildegard Wester
23088


(C)



(D)



(A)



(B)


hindern, dass ein Weg beschritten wird, der aus der Soli-
darität und Parität hinausführt.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Guckt euch mal die Rentenversicherung an!)


Wir werden unser Gesundheitssystem stabilisieren.
Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423223300
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Annette Widmann-Mauz von der
CDU/CSU-Fraktion.


Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1423223400
Herr Präsi-
dent! Meine lieben Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau
Wester, was Sie und die SPD heute hier wieder zu insze-
nieren versuchen, ist so einfältig und durchsichtig, dass es
Ihnen die Menschen wirklich nicht mehr abnehmen. Sie
haben den Menschen so viel versprochen und dann haben
Sie alle Versprechen gebrochen.


(Lachen bei der SPD – Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Welche? Heraus damit!)


Jetzt bekommen Sie kalte Füße und meinen, Sie könnten
uns ein bisschen Feuer machen. Das passt doch nicht zu-
sammen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn es überhaupt einen Grund gibt, warum wir heute

Nachmittag in einer Aktuellen Stunde über die Gesund-
heitspolitik diskutieren müssen, dann ist es doch wohl der,
dass diese Bundesregierung in der Sozialpolitik auf der
ganzen Linie versagt hat und nichts tut, dass wir aber ganz
dringend Reformen gerade in der Gesundheitspolitik
brauchen. Wie sieht denn Ihre Bilanz nach drei Jahren
aus? – Katastrophal! Die Lage der Krankenversicherung
ist desolat, die Versorgung der Patienten und Pflegebe-
dürftigen verliert immer mehr an Qualität, die Ärzte und
das Pflegepersonal sind vielfach überlastet und die Kran-
kenversicherungsbeiträge steigen landauf, landab.


(Zurufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: So ist es! Das können Sie doch nicht bestreiten!)

Noch nie mussten die Menschen durch eine verfehlte

Gesundheitspolitik so viele Hiobsbotschaften gleichzeitig
schlucken. Die gesetzliche Krankenversicherung ist aus
den Fugen geraten. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann
glauben Sie es doch einfach einmal dem Vorsitzenden der
Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten,
Herrn Bahlo.


(Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Wer hat Ihnen das denn eigentlich aufgeschrieben? – Gegenruf des Abg. Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das sind einfach Tatsachen! Das können Sie doch nicht bestreiten, Herr Schmidbauer!)


Er hat erklärt, die Versorgungssituation in der gesetzlichen
Krankenversicherung werde von Ihnen schöngeredet. Er
sagt, Eigenlob habe die notwendige kritische Analyse er-

setzt. Recht hat er! Sie würden kein Wort über die schwe-
ren Missstände in der Versorgung kranker Menschen, kein
Wort über die zum Teil verheerenden Zustände in der
Pflege und kein Wort über die längst praktizierte Zwei-
klassenmedizin verlieren. Recht hat Herr Bahlo! Hören Sie
endlich auf die Menschen; sie sagen es Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Hinzu kommen die Entwicklung der Altersstruktur und

all die in der Medizin vorhandenen Fortschritte. Mit dem
„Weiter so“, das Sie heute Nachmittag wieder propagiert
haben, werden die Beitragssätze mittelfristig auf 20 Pro-
zent steigen. Sie tun überhaupt nichts dagegen. Ich frage
Sie: Wie lange wollen Sie das den Menschen in unserem
Land eigentlich noch zumuten?

Ich will Ihnen eines sagen: Eine Politik ist dann unso-
zial, wenn die Menschen immer mehr bezahlen müssen
und immer weniger dafür bekommen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Angesichts Ihrer Politik ist es kein Wunder, wenn die
Menschen Sie – wie am vergangenen Sonntag in Sachsen-
Anhalt – aus der Regierungsverantwortung jagen.


(Widerspruch bei der SPD)

Sie wissen doch überhaupt nicht mehr, was es für die
Menschen bedeutet, Monat für Monat weniger in der Ta-
sche zu haben, weil die Krankenversicherungsbeiträge
immer höher werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie schon keinen Kontakt mehr zu den Men-

schen in unserem Land haben, vielleicht hören Sie dann
noch auf die Demoskopen. Auch sie sagen Ihnen: Nur
4 Prozent der Bevölkerung haben den Eindruck, dass sich
die Gesundheitsversorgung unter Rot-Grün verbessert
hat. 37 Prozent sehen für die letzten drei Jahre eine Ver-
schlechterung. 70 Prozent sehen Deutschland auf dem
Weg in die Zweiklassenmedizin.

Je mehr persönliche Erfahrungen die Menschen mit
dem Gesundheitswesen unter Rot-Grün haben, desto kri-
tischer fällt ihre Bilanz aus. Nur noch 37 Prozent der
ernsthaft kranken Menschen halten das System für gut.
Gesunde wie Kranke sind gleichermaßen davon über-
zeugt, dass die Versorgung weiter reduziert werden wird.
50 Prozent der Bevölkerung machen sich bereits Sorgen,
nicht ausreichend versorgt zu werden.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Sie regieren an den Menschen vorbei!)


43 Prozent der Patienten haben in den letzten zwei Jahren
aufgrund der von Ihnen veränderten gesetzlichen Vor-
schriften auf Leistungen verzichten müssen. Das alles
wollen Sie nicht wahrhaben.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Ja!)


Ich kann Ihnen nur eines sagen: Sie haben ein gesun-
des System mit Überschüssen und mit Rücklagen über-
nommen.


(Hildegard Wester [SPD]: Was?)





Hildegard Wester

23089


(C)



(D)



(A)



(B)


– Mit milliardenschweren Rücklagen. Darüber haben wir
hier vor Wochen diskutiert. Lesen Sie es nach; in den Pro-
tokollen finden Sie es schwarz auf weiß. Davon ist nichts
übrig geblieben.


(Zuruf von der CDU/CSU: 1 Milliarde! Lesen Sie mal nach!)


Das, was wir Ihnen übergeben haben, war das Ergebnis ei-
ner erfolgreichen Politik. Sie hat einen Namen, nämlich
Horst Seehofer.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Was Andrea Fischer angerichtet hat, ist hinlänglich be-
kannt: Rationierung, Budgetierung, Zweiklassenmedizin.
Auch das, was Sie abgeliefert haben, Frau Schmidt, ist
nicht besser. Sie haben es mit Beruhigungspillen versucht.


(Zurufe von der SPD)

Ich finde, die „Frankfurter Rundschau“ hat absolut Recht,
wenn sie schreibt, dass bei den Beratungen am runden
Tisch, mit dem Sie zwei Dutzend Verbände und das halbe
Gesundheitsministerium über Wochen lahm gelegt haben,
ein Papier herausgekommen ist, das „die Grenze zur Sa-
tire streift“. Das Ganze sei „eine Beschäftigungstherapie
für die Lobbyisten des Gesundheitswesens“. – Ich zitiere
weiter:

Der runde Tisch taugt nicht einmal mehr als Placebo.
Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ihre Gesundheitspolitik geht immer mehr in Richtung
Bürokratie statt menschlicher Zuwendung, immer häufi-
ger in Richtung Gängelung der Patienten statt freier Arzt-
wahl, in Richtung Staats- und Listenmedizin statt Thera-
piefreiheit. Statt den Wettbewerb auszubauen, werden die
Weichen in Richtung Einheitsversicherung gestellt. Das
Wahlprogramm der SPD verheißt hierzu nichts Gutes.
Besserung ist nicht in Sicht.

Was wollen denn die Menschen in unserem Land? Sie
wollen mehr Wahlfreiheit, mehr Transparenz und mehr
Information.


(Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Und nicht abgezockt werden!)


Das werden wir den Menschen anbieten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423223500
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Katrin Göring-Eckardt von Bünd-
nis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

gen! Frau Widmann-Mauz, Sie können so viele Statisti-
ken vorlesen, wie Sie wollen: Wir werden die Probleme,
die das deutsche Gesundheitswesen hat, nicht wegdisku-
tieren, auch nicht anhand von Statistiken, sondern wir
werden sie lösen.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Aber wann denn? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dazu haben Sie nicht mehr viel Zeit, Frau GöringEckardt!)


– In dieser Hinsicht können Sie ganz beruhigt sein,

(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das hat Sachsen-Anhalt gezeigt, dass wir beruhigt sein können!)


weil wir auf einem guten Weg sind, weil wir viele wich-
tige und unverzichtbare Dinge angepackt haben. Wir
mussten im Sinne der Versicherten und Patienten eine
Reihe von Regelungen dringend zurücknehmen, die Sie in
Ihrer Regierungszeit auf den Weg gebracht hatten. Wir
mussten sie zurücknehmen, weil das System, das Sie hin-
terlassen haben, vor allen Dingen eines war: unsozial.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Nein, weil Sie es versprochen haben, nicht weil Sie es mussten!)

Sie haben jetzt aber die Katze aus dem Sack gelassen.


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Widmann-Mauz, Sie haben gerade gesagt, Sie woll-
ten den Patientinnen und Patienten, den Versicherten
Wahlfreiheit, Transparenz und Information bieten. Ich
sage Ihnen: Die Versicherten würden in Ihrem System
zwischen schlechter und ganz schlechter Versorgung
wählen können.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: So ein Unsinn! Das glaubt Ihnen kein Mensch!)


Sie würden in Ihrem System wissen, wie schlecht die Ver-
sorgung ist. Die Beiträge würden weiter steigen. Sie wol-
len keine wirkliche Reform des Systems.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das ist ja interessant! Diejenigen, die die Beitragssteigerungen verantworten, erzählen uns jetzt, dass bei uns die Beiträge steigen würden!)

Ihnen geht es nicht um Gesundheit und auch nicht um

eine Reform des Systems, sondern ganz klar um die Ab-
schaffung der Gerechtigkeit. Sie haben sich wieder ein-
mal von der zentralen Frage der Gerechtigkeit im Gesund-
heitssystem verabschiedet.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Kennen Sie eine allgemein gültige Formulierung für Gerechtigkeit?)


Ich will Ihnen auch sagen, woran man das erkennt: Das
erkennt man unter anderem an der Tonlage, mit der Ihr
Fraktionsvorsitzender die Versicherten und Patienten be-
handelt. Wenn man sagt: „Wir wollen keine Vollkas-
koversicherung mehr für jedes Zipperlein vorschreiben“,
dann ist man nicht in der Realität der Patienten, der Pati-
entinnen und der Versicherten in diesem Land; dann ist
man vielmehr in der Realität von Leuten, denen es gut
geht, die nicht krank sind und die genug Geld haben, für
Gesundheit zu bezahlen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Und von Leuten, die schuften von morgens bis abends!)





Annette Widmann-Mauz
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(C)



(D)



(A)



(B)


Jedes Zipperlein wird in dieser Republik schon lange
nicht mehr versichert. Wenn man von „jedes Zipperlein“
redet, dann weiß man nicht, wovon man redet. Jedenfalls
redet man nicht von chronisch Kranken und von Leuten,
die dringend eine qualitativ gute Versorgung brauchen.
Zurzeit bekommen sie sie tatsächlich. Wir lehnen Ihre
Pläne ab, weil sie ungerecht sind. Ihre Pläne machen sehr
deutlich, wohin Sie eigentlich wollen. Sie wollen die
Abkehr von der sozialen Gerechtigkeit.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Wenn Sie meinen, Sie könnten mit solchen Lügen Wahlen gewinnen, dann irren Sie!)

Sie wollen eine Kostenerstattung. Dies soll ungefähr

folgendermaßen funktionieren: Man geht als AOK-Ver-
sicherter, dessen Portemonnaie möglicherweise nicht so
voll wie das des Herrn Merz ist, zum Arzt und an-
schließend bekommt man eine Rechnung – man kennt
deren Höhe vorher nicht –,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das frage ich mich nicht hinterher, sondern vorher, weil ich vorher gewählt habe! Wenn ich es nicht gewählt habe, passiert überhaupt nichts!)


die man bezahlen muss, ohne zu wissen, wie. Geht man
angesichts dieser so genannten Wahlfreiheit wirklich zum
Arzt?

Insbesondere die FDP will die Reduzierung auf das
medizinisch unbedingt Notwendige. Was ist medizinisch
unbedingt notwendig? Ist es das, wodurch man gesund
wird, oder ist es vielleicht das, wodurch man gerade ein-
mal überleben kann? Ich befürchte „medizinisch unbe-
dingt notwendig“ heißt eher das Letztere.

Sie haben die Idee der Selbstbeteiligung aufgenom-
men. Die Selbstbeteiligung soll 500 Euro im Jahr betra-
gen. Man kann sich dann überlegen, ob man es sich leis-
ten kann, krank zu werden oder nicht. Ich sage Ihnen:
Menschen sind keine Autos.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das ist jetzt aber was ganz Neues!)


Insbesondere kranke Menschen sind keine Autos. Wir leh-
nen diese Idee ab, weil sie nichts mit der Realität der
Kranken, weil sie nichts mit der Realität der Menschen in
diesem Land zu tun hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich komme auf das Thema Lohnfortzahlung zu
sprechen. Herr Laumann, Sie haben dazu am 22. April
eine Presseerklärung veröffentlicht, wofür es irgendeinen
Grund gegeben haben muss. Sie haben in dieser
Presseerklärung festgestellt, dass Sie die Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall, so wie sie ist, beibehalten wollen. Sie
haben gesagt: Forderungen nach Einschränkungen
machen wenig Sinn. Ich kenne weder bei der SPD noch
bei den Grünen jemanden, der gefordert hat, die Lohn-
fortzahlung im Krankheitsfall einzuschränken. Vielmehr
taten dies die Herren Wadephul und Eckhoff. Beide sind
in der Union.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Wer ist das?)


–Wer das ist, müssen Sie besser wissen; denn es sind Mit-
glieder Ihrer Partei.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Der Landeschef von Schleswig-Holstein und der Fraktionsvorsitzende aus Bremen! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wir haben Hunderttausende von Mitgliedern! Ich kenne sie nicht alle!)


Es sind auch nicht irgendwelche Mitglieder. Der eine ist
Fraktionschef in Bremen und der andere ist ein Kollege
aus Schleswig-Holstein. Ihre Frage: „Wer ist das?“ dürfte
damit beantwortet sein, Herr Lohmann. Außerdem sind
die Aussagen dieser Politiker der Grund für Ihre Presse-
mitteilung, Herr Laumann.

Ich sage Ihnen zum Schluss: Sie stellen die
Gerechtigkeitsfrage neu. Sie wollen Gerechtigkeit auf
Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und
zwar dadurch, dass Sie einerseits zwar den Arbeitgeber-
anteil festschreiben, andererseits aber den Arbeitnehmer-
anteil zur Disposition stellen, dadurch, dass die Arbeits-
losen die Familienleistungen bezahlen sollen, dadurch,
dass die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht mehr
ganz so wichtig sein soll und dadurch, dass – nach dem
Motto: Patienten sind wie Autos – der Selbstbehalt erhöht
werden soll.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Da wird ein Popanz aufgebaut und anschließend wird draufgeschlagen!)

Ich kann Ihnen sagen: Weder die Menschen in diesem

Land noch Rot und Grün in diesem Parlament werden Ih-
nen Ihre Behandlung der Gerechtigkeitsfrage so durchge-
hen lassen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423223600
Das Wort
hat jetzt der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der FDP-
Fraktion.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1423223700
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wie tief muss der Schreck
von Sachsen-Anhalt in Ihre Glieder gefahren sein, dass
Sie heute mit einem derart durchsichtigem Manöver, wie
dieser Aktuellen Stunde, einen Entlastungsangriff versu-
chen!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: 18 Zentimeter tief!)


Der Öffentlichkeit soll vorgegaukelt werden, bei einem
Regierungswechsel im September drohe eine arbeitneh-
merfeindliche Politik.


(Zurufe von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das verfängt nicht mehr.
Sie sollten wirklich zur Kenntnis genommen haben, dass
am letzten Wochenende in Sachsen-Anhalt ebenso viele




Katrin Göring-Eckardt

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(C)



(D)



(A)



(B)


Arbeitnehmer und Arbeitslose FDP wie SPD gewählt
haben.


(Beifall bei der FDP – Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Da stand die Gesundheitsreform nicht zur Debatte!)


– Da standen Arbeitsplätze zur Debatte, Frau Fuchs. Da-
rüber reden wir hier. –


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Das ist Ihre Illusion!)

Das heißt: Die Menschen in unserem Lande haben mitt-
lerweile sehr klare Vorstellungen davon, welche Konzepte
und welcher Politikansatz im Ergebnis zu mehr Arbeits-
plätzen führen wird.


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Hochmut kommt vor dem Fall!)


Rot-Grün hat in den letzten drei Jahren auch und ge-
rade in den Bereichen Arbeitsrechts-, Arbeitsmarkt- und
Gesundheitspolitik nichts, aber auch absolut nichts
dazugelernt.


(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen glauben Sie auch, hier weiter die Schlachten
der Vergangenheit führen zu müssen, und diskutieren über
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Gängelung von
Patienten. Wir von der FDP hingegen haben die Zeit ge-
nutzt und neue Konzepte entwickelt, die für die Menschen
in unserem Lande, gerade auch die Arbeitslosen, neue
Chancen eröffnen.


(Beifall bei der FDP)

Die Positionen der FDP zu den vordringlichen Fragen

der Arbeitsrechts-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik
sind ganz klar.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Sagen Sie einmal die Wahrheit!)


Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, in den Entwurf
unseres Wahlprogramms zu sehen, bräuchten wir diese
Debatte hier heute eigentlich gar nicht zu führen.

Schon am 11. April hat die Generalsekretärin der FDP,
meine Kollegin Cornelia Pieper, der deutschen Öf-
fentlichkeit das Wahlprogramm der FDP vorgestellt. Wir
haben damit als erste Partei auf Bundesebene klar und
deutlich und detailliert auf 82 Seiten – anders etwa als das
SPD-Programm – gesagt, was wir ab dem 22. September
in Deutschland verändern wollen.


(Beifall bei der FDP)

Schon ab Seite 4 listen wir unter der Überschrift „Arbeits-
plätze schaffen statt Arbeitslosigkeit verwalten“ und auf
Seite 9 unter der Überschrift „Für eine Leistungsfähige
und bezahlbare Gesundheitsversorgung“ auf, wie wir den
Arbeitsmarkt aufbrechen und wieder mehr Menschen in
Arbeit und Brot bringen wollen. Ich nenne hier nur die
wichtigsten Punkte:

Wir wollen, dass betriebliche Bündnisse für Arbeit
auch ohne Zustimmung der Tarifverbände möglich wer-
den, weil die Menschen in den Betrieben – Arbeitnehmer
und Arbeitgeber gleichermaßen – am besten wissen, was

noch geht und wo die Grenze der Leistungsfähigkeit über-
schritten wird.


(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Wir vertrauen hier eher den Menschen im Betrieb und
misstrauen den Funktionären. Deswegen muss das Tarif-
vertragsrecht ebenso geändert werden wie das Günstig-
keitsprinzip.


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Wir lehnen das ab! – Weitere Zurufe von der SPD)


Wir wollen eine Beseitigung der Restriktion bei der
Befristung von Arbeitsverhältnissen. Das neue Befris-
tungsrecht hat beschäftigungshemmende Wirkung. Das
sagt auch Ihr Sachverständigenrat.

Wir wollen die Erleichterung und Entbürokratisierung
von Zeitarbeit. Lernen wir von unseren Nachbarn und
stärken wir diese Brücke in den ersten Arbeitsmarkt.


(Beifall bei der FDP)

Wir wollen keinen Rechtsanspruch auf Teilzeit, son-

dern stattdessen die Förderung der Teilzeitarbeit auf frei-
williger Basis.

Wir wollen eine Reform des Kündigungsschutzes, und
zwar ein Optionsmodell, welches Arbeitgebern und Ar-
beitnehmern erlaubt, auszuhandeln, ob der gesetzliche
Kündigungsschutz oder eine Abfindung oder eine Quali-
fizierungsverpflichtung des Arbeitgebers gelten soll.

Wir wollen eine mittelstandsfreundliche Reform der
betrieblichen Mitbestimmung, die die kleinen Betriebe
von Kosten und Bürokratie entlastet, ohne die Arbeit-
nehmer in ihren Rechten einzuschränken.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Er hat das Thema verfehlt!)


Das sind Eckpunkte unserer modernen, zukunftsfähi-
gen Arbeitsmarktpolitik.


(Beifall bei der FDP)

Das sind Reformkonzepte für mehr Arbeitsplätze und
Wachstum in der Bundesrepublik Deutschland.

EineKürzung der Lohnfortzahlung nach demVorbild der
Reform von 1996 findet sich in unserem Programm nicht;
das will ich hier sehr deutlich sagen. Ich sage Ihnen auch
warum: Eine Veränderung der Lohnfortzahlung würde ers-
tens kurz- und mittelfristig gar keine Entlastung der Un-
ternehmen bringen; zweitens würde ein solcher Vorschlag
eine Win-loose-Situation schaffen. Das heißt, es wird dem
einengenommen,umdemanderenzugeben.Das ist aber ein
Konzept von gestern. Wir wollen mit unserem neuen struk-
turellen Reformen am Arbeitsmarkt Win-win-Situationen
schaffen. Es sind Veränderungen möglich, von denen alle
profitieren,Arbeitnehmer undArbeitgeber gleichermaßen.


(Beifall bei der FDP)

Das zeichnet eine moderne Arbeitsmarktpolitik aus.

Wir Liberale haben als einzige politische Kraft in
Deutschland bisher wirkliche Reformkonzepte auf den
Tisch gelegt,


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Aha!)





Dr. Heinrich L. Kolb
23092


(C)



(D)



(A)



(B)


die nicht auf Einschränkung von Leistungen setzen, son-
dern auf neue, innovative und standortstärkende Elemente
zum Wohle der Unternehmen und Betriebe und auch der
Arbeitnehmer. Die Menschen beginnen, das zu honorie-
ren, siehe Sachsen-Anhalt. Das war, glaube ich, deutlich.


(Beifall bei der FDP)

Immer mehr Menschen verstehen: Ein Arbeitsplatz im

Rahmen eines Zeitarbeitsvertrages oder ein befristeter Ar-
beitsvertrag ist eben besser als kein Arbeitsplatz. Immer
mehr in Arbeit stehende Menschen verstehen, dass es bes-
ser ist, im Rahmen eines betrieblichen Bündnisses für Ar-
beit einen sicheren Arbeitsplatz zu behalten, als die Pleite
des Arbeitgebers sehendes Auges herbeizuführen.


(Beifall bei der FDP)

Immer mehr Menschen verstehen, dass nur die FDP für
eine Politik eintritt, die hierfür die Rahmenbedingungen
schafft.


(Lachen bei der SPD)

Deswegen sehen wir mit Interesse den nächsten Monaten
und auch dem September dieses Jahres entgegen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423223800
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Dr. Ruth Fuchs von der PDS-Frak-
tion.


Dr. Ruth Fuchs (PDS):
Rede ID: ID1423223900
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Wie Kollegin Wester ausgeführt hat, sind An-
lass der Aktuellen Stunde ein Interview von Herrn Merz
in der „Bild am Sonntag“ sowie ein Vorschlag von CDU-
und FDP-Politikern – Herr Rexrodt müsste Ihnen bekannt
sein –, die die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wieder
abschaffen wollen, falls Sie nach dem 22. September an
die Regierung kommen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben nicht zugehört, Frau Fuchs! Was habe ich denn gerade gesagt?)


Liebe Kollegin Widmann-Mauz, Herr Merz ist kein No-
body.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das ist wahr!)


Er ist Ihr Fraktionsvorsitzender. Herr Merz und Sie müs-
sen wissen: Wenn er etwas sagt, wird das gleichgesetzt
mit den Zukunftsvorstellungen der CDU/CSU in der Ge-
sundheitspolitik,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Ich habe zur Lohnfortzahlung nichts gesagt! Kein Wort!)


ob das nun in einem Konzept aufgeschrieben ist oder
nicht. Das ist einfach so.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Genauso ist es! Er hat zu früh geredet! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben den falschen Sprechzettel erwischt!)


Trotzdem oder gerade deshalb, meine Damen und Her-
ren von der CDU/CSU, frage ich mich nach den Ankün-
digungen Ihres Fraktionsvorsitzenden wirklich: Wo leben
Sie? Und vor allem: Wo sind Sie und Ihr Herr Fraktions-
vorsitzender eigentlich krankenversichert? Ganz sicher
nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung; denn nach
meinen Erfahrungen – ich bin nämlich noch gesetzlich
krankenversichert – gibt es schon seit langer Zeit in der
gesetzlichen Krankenversicherung keine Vollkaskoversi-
cherung mehr. Eigenbeteiligung und Zuzahlung, vor al-
lem durch Ihre Politik in die gesetzliche Krankenversi-
cherung hereingebracht, sind doch schon lange gang und
gäbe.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Warum hat die Koalition denn die Zuzahlungen nicht ganz abgeschafft, sondern nur eine Mark zurückgenommen?)


Abgesehen davon, lieber Kollege Lohmann, dass Ihr
Fraktionsvorsitzender und auch Sie den Menschen wirk-
lich erst einmal erklären müssen, welche Krankheit Sie
dem Begriff Zipperlein zuordnen, sage ich Ihnen: Sie wol-
len ganz etwas anderes:


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Genau das ist es!)


Es geht Ihnen um die Wiedereinführung von Elementen
der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Kran-
kenversicherung, so wie es Herr Seehofer schon einmal
versucht hat. Sie wollen die Probleme im Gesundheitswe-
sen, die niemand leugnet, auf Kosten der Versicherten lö-
sen, weil Sie zu feige sind, Reformen durchzuführen, um
die tatsächlichen Ursachen anzugehen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: So wie Sie das anscheinend machen!)


– Ja, wie wir. –

(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Wo denn?)

Sie wollen durch Abwahl bzw. Zuwahl von Leistungen,
durch Selbstbehalte und Kostenerstattungen in der gesetz-
lichen Krankenversicherung diese Probleme lösen, und
zwar nach dem Motto: Der Versicherte ist das schwächste
Glied in der Kette; er ist am besten zu verführen.

Durch Kostenerstattung sollen den Versicherten Regel-
und Wahlleistungen schmackhaft gemacht werden. Genau
das ist Ihr Ziel. Das Ganze verkaufen Sie den Versicher-
ten unter dem verführerischen Deckmantel der höchstper-
sönlichen freien Entscheidung,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das kann ein Sozialist nicht verstehen, dass freie Entscheidung das Höchste ist!)


das heißt, ohne Druck des Gesetzgebers allein über die
Höhe ihres Beitrages zu entscheiden. Aber vorher bitte
schön erst einmal ein Obulus von 500 Euro auf den Tisch,
damit bis zu dem Betrag die Beteiligung an den eigenen
Krankheitskosten selbst getragen wird. Das ist natürlich
ein verführerisches Angebot. Aber für wen denn? Doch
nur für junge und gesunde Versicherte. Die sparen Geld,
das ist wahr. Aber verheerend ist es für Kranke und




Dr. Heinrich L. Kolb

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(A)



(B)


chronisch Kranke, die ständig auf medizinische Versor-
gung angewiesen sind.

Verheerend ist es vor allem für eine solidarische Kran-
kenversicherung, deren Sinn damit völlig auf den Kopf
gestellt wird. Wenn das Ihre Absicht ist – es hat ja keiner
etwas dagegen –, dann sagen Sie das den Menschen auch.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das ist doch nicht der Fall! Das könnte euch so passen, etwas zu sagen, was keiner will!)


Haben Sie den Mut zu sagen, dass der Wert Solidarität für
Sie out ist, dass Entsolidarisierung, weiterer Verlust an
Menschlichkeit in der Medizin und zunehmende Diskri-
minierung sozial schwacher, älterer und behinderter Men-
schen Ihr Gesundheitskonzept für die Zukunft sind.

Es gibt ein fantastisches Buch mit dem Titel „Zeit, das
Visier zu öffnen“. Es wurde 1998 nach Ihrer Wahlnieder-
lage geschrieben. Der Autor heißt Heiner Geißler; den ken-
nen Sie alle sehr gut. Was ist in dem Buch unter anderem
zu lesen? Den folgenden Satz sollten Sie sich wirklich hin-
ter die Ohren schreiben: „Mit einer Gesundheitsreform
kann man zwar keine Wahl gewinnen, aber verlieren.“
Bitte denken Sie darüber noch einmal intensiv nach.


(Beifall der Abg. Monika Knoche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Manfred Grund [CDU/CSU]: Deswegen machen die auch keine!)


Die Menschen in der ganzen Bundesrepublik sind nicht so
dumm, dass sie nicht begreifen, dass Solidarität ein ganz
wichtiger Wert ist. Sie wollen diese Solidarität nicht auf-
geben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber wenn man den Problemen ausweicht, steigen die Beiträge immer weiter! Das ist doch die Ernte von RotGrün in dieser Legislaturperiode!)


Lieber Kollege Kolb, der Vorschlag von CDU/CSU
und FDP, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wieder
aufzuheben, ist doch nur ein weiteres Beispiel dafür, dass
Solidarität für Sie out ist.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das ist einfach nicht wahr!)


Er ist zudem realitätsfern. Der Krankenstand in Deutsch-
land ist – das konnten wir erst vor wenigen Wochen lesen –
noch nie so niedrig gewesen wie jetzt: bei den Betriebs-
krankenkassen gut 3 Prozent. Anfang der 90er-Jahre war
er doppelt so hoch.

Was ich Ihnen jetzt sage, sind keine Erkenntnisse aus
staatlicher Gesundheitsvorsorge: Sozialpolitiker und Ar-
beitsmarktpolitiker sagen, dass nach arbeitsmedizini-
schen Erfahrungswerten ein Krankenstand von unter
4 Prozent aus gesundheitlicher Sicht eher Anlass zur
Sorge bietet. Das bedeutet nämlich, dass eine zuneh-
mende Anzahl von Beschäftigten am Arbeitsplatz ist, die
eigentlich – –


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Die sich schwer krank zum Arbeitsplatz schleppt!)


– Gehen Sie doch einmal in die Betriebe! Gehen Sie doch
einmal in die Praxen in den neuen Bundesländern! Unter-
halten Sie sich doch einmal mit den Patienten!


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die haben sich in der DDR kaputtgemacht!)


– Hören Sie auf, Mensch! Sie sind jetzt schon zwölf Jahre
an der Regierung.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Haben Sie etwas von Altlasten in der Gesundheitspolitik gehört?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423224000
Frau Kol-
legin Fuchs, kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Ruth Fuchs (PDS):
Rede ID: ID1423224100
Mit einer so primitiven Argu-
mentation gewinnen Sie keine Wahl. Hören Sie doch auf!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident: Wenn Sie
glauben, dass Sie mit solchen Methoden die Leute hinters
Licht führen können, dann irren Sie sich. So dumm sind
sie nicht – trotz PISA-Studie.


(Beifall bei der PDS – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Haben Sie gerade zum Präsidenten „Hören Sie doch auf!“ gesagt?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423224200
Für die
Bundesregierung spricht jetzt die Bundesministerin Ulla
Schmidt.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1423224300
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen von der CDU/CSU und der FDP, ich glaube
schon, dass das, was am Wochenende erneut von führen-
den Vertretern der CDU, der CSU und auch der FDP in In-
terviews im Hinblick auf die Reformen in der gesetzli-
chen Krankenversicherung geäußert wurde, diese
Aktuelle Stunde rechtfertigt.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Sie wollen von Sachsen-Anhalt ablenken! – Gegenruf der Abg. Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Wir reden nicht über Sachsen-Anhalt! – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Liebe Ulla, was hast du denn zu bieten?)


Denn wir müssen uns darüber unterhalten, ob auch in Zu-
kunft das gilt, was in Deutschland in der Sozialversiche-
rung gewachsen ist: dass jeder und jede ohne Ansehen der
Person und des Einkommens die medizinische Leistung
erhält, die er oder sie braucht, um gesund zu werden,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Die medizinisch notwendig ist!)


um die Schmerzen zu lindern oder um – manchmal, am
Ende des Lebens – noch ein Stück Lebensqualität zu er-
halten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Dr. Ruth Fuchs
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(B)


Ich gehöre nicht zu denen, denen man unterstellen
könnte, dass sie in all den Jahren im Bundestag reform-
unfreudig gewesen seien. Ich weiß aber den Wert dieser
gesetzlichen Krankenversicherung zu schätzen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber Ihre Regierung hat doch versprochen, die Sozialversicherungsbeiträge zu begrenzen!)


Die gesetzliche Krankenversicherung ist in meinen Au-
gen das Herzstück des Sozialstaates.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das ist doch eine Binsenweisheit! Da stimmen wir alle zu!)


Denn inwieweit der einzelne Mensch in der Lage ist, am
gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, eine Familie zu
gründen, Kinder aufzuziehen, ältere Menschen zu pflegen
oder auch durch eigene Erwerbsarbeit seinen Lebensun-
terhalt zu verdienen, ist davon abhängig, inwieweit er ge-
sundheitlich dazu in der Lage ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Das ist eine Rede an die Zuschauertribüne, aber keine zur Sache! – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Eine Wahlrede!)


– Ich werde noch auf einzelne Dinge eingehen.
Das Sozialgesetzbuch V ist eindeutig: Jeder Versi-

cherte hat Anspruch auf eine angemessene und notwen-
dige Leistung, die wirtschaftlich zu erbringen ist.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wer bestreitet das denn? Niemand! – Gegenruf der Abg. Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Ihr!)


Die Kunst der Reform besteht darin, dafür zu sorgen, dass
jeder einzelne Euro, der von Versicherten in die gesetzli-
che Krankenversicherung eingezahlt wird, optimal einge-
setzt wird,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann fangen Sie mal an!)


und Über-, Unter- und Fehlversorgungen zu beseitigen.
Wir müssen dafür sorgen, dass aufhört, was heute im

Gesundheitswesen passiert: dass der eine Arzt oft gar
nicht weiß, was die andere Ärztin macht, und dass das zu-
lasten der Patientinnen und Patienten und deren Gesund-
heit geht.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie sind seit dreieinhalb Jahren an der Regierung!)


Wir müssen die integrierte Versorgung weiter auf den Weg
bringen. Wir tun dies, Herr Kollege. Wir sind derzeit da-
bei, die Programme für eine bessere Versorgung chronisch
kranker Menschen auf den Weg zu bringen; denn die chro-
nisch kranken Menschen werden in diesem Lande nicht
optimal behandelt. Das liegt aber nicht, Kollegin Mauz,


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Widmann-Mauz! So viel Zeit muss sein!)


an der Politik, sondern daran, dass zu wenig zusammen-
gearbeitet wird, weil es zu wenig Abstimmung gibt. Das
hat etwas mit den Strukturen in unserer Selbstverwaltung
zu tun.

Deshalb folgende Frage. Wenn Sie sagen, Kollegin
Mauz, dass Leistungen nicht erbracht werden, dann passt
das doch nicht mit der Aussage vom Kollegen Merz zu-
sammen, dass jedes Zimperlein bezahlt wird. Wenn Sie
behaupten, die Menschen bekommen ihre Medikamente
nicht mehr, dann erklären Sie mir doch einmal den hohen
Anstieg der Kosten für Medikamente. Das passt doch al-
les nicht zusammen.

Im Gesundheitswesen fehlt es häufig an Abstimmung;
das beeinträchtigt die Qualität. Dadurch werden die hohen
Kosten verursacht. Deshalb müssen wir da ansetzen: die
Qualität der Versorgung verbessern


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben noch fünf Monate Zeit!)


und Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen. Aber wir
müssen auch dafür sorgen, dass dies nicht zulasten von
kranken Menschen geschieht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jetzt komme ich zu Ihren Vorschlägen. Zu den Grund-
und Wahlleistungen sagen Sie gar nichts mehr,


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Sie hören doch unseren Argumenten gar nicht mehr zu!)


weil niemand von Ihnen, weder von der FDPnoch von der
CDU/CSU, mir sagen kann, welche Leistung er nicht er-
halten möchte, wenn er krank ist.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Doch!)


– Welche Leistung? Sagen Sie es,

(Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Raus damit!)

schriftlich! Aber die CDU/CSU ist da schon vorsichtiger.

Deshalb sage ich: Wer anfängt, Leistungen auszu-
grenzen,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Die Leistungen werden nicht ausgegrenzt! Niemand grenzt Leistungen aus!)


der macht Schluss damit, dass, wie es heute der Fall ist,
die Erbringung von Leistungen allein vom medizinisch
Notwendigen her definiert wird. Das ist der Unterschied.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Grund- und Wahlleistungen oder die Schaffung von,
wie es jetzt so schön heißt, kleinen Paketchen,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: „Klein“ hat keiner gesagt!)


bei denen jeder etwas abwählen kann, wodurch er Beiträge
sparen kann, funktionieren vielleicht in der privaten




Bundesministerin Ulla Schmidt

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(B)


Versicherung; da hat jeder eine individuelle Versicherung.
Aber was passiert mit Ihren Paketen, wenn der Ernährer
der Familie – seltener ist es die Ernährerin – sagt: Ich bin
jung, brauche keine Rehabilitation, keine Hospize und
auch für bestimmte andere Dinge keine Versicherung. Er
oder sie weiß ja nicht, was vielleicht in der nächsten Mi-
nute passiert. Aber was ist mit den Kindern? Ein Kind kann
schon krank sein, ehe es das Licht der Welt erblickt hat.
Die gesetzliche Krankenkasse, wie sie heute ist, mit ihrem
umfassenden Anspruch auf das medizinisch Notwendige
für alle, hat auch dafür gesorgt, dass jedes Kind in diesem
Lande eine Versorgung erhält. Andere Länder wären froh,
wenn sie eine solche Versorgung hätten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann nicht zulassen, dass jemand aus dieser Soli-
dargemeinschaft, bei der das Familieneinkommen die
Grundlage für die Krankenversorgung der gesamten Fa-
milie ist, etwas abwählt, wodurch auch die Versorgung für
die Kinder eingeschränkt wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was wollen Sie denn jetzt ändern?)


Sie können doch nicht ernsthaft vorschlagen, dass die
Kinder davon ausgenommen werden. Das kann nicht sein.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer hat denn das vorgeschlagen? – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das ist doch naiv!)


– Sie haben vorgeschlagen, dass man Leistungen ab-
wählen kann. Gilt das nur für den, der bezahlt? Gilt das
nicht für alle, die versichert sind? Wie funktioniert denn
unser System?

Zweitens. Wer wählt denn zum Beispiel die 500 Euro
Eigenbeteiligung?


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: 500 Euro Beteiligung steht nirgendwo!)


Wählen das die älteren Menschen? – Nein. Wählen das
die kranken Menschen? – Nein. Wählen das Menschen
mit Behinderungen? – Nein. Wer wählt sie denn? Das sind
die jungen, gut verdienenden Männer! Den Kranken in
diesem Versicherungssystem fehlt hierdurch das Geld für
die Versorgung, die sie brauchen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist unsolidarisch. So funktioniert die Versicherung
nicht.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wie funktioniert sie denn jetzt? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was wollen Sie tun?)


Unter Ihrer Ägide sind die Krankenkassenbeiträge in
sechs Jahren um 1,2 Prozent gestiegen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Von 1993 bis 1998 sind sie nicht gestiegen!)


– Doch, ich kann es Ihnen nachweisen; ich kenne die maß-
geblichen Statistiken. – Unter Rot-Grün sind sie in vier
Jahren im Schnitt nur um 0,35 Prozent gestiegen.

Dritter Punkt. Wenn Sie den Weg der Kostenerstattung,
wie sie in der privaten Krankenversicherung zu finden ist,
einschlagen, dann nehmen Sie der gesetzlichen Kranken-
kasse das Instrument, das sie braucht, um eine Qualitäts-
kontrolle und eine Ausgabensteuerung durchführen zu
können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Völliger Blödsinn!)


So kann man nicht vorgehen.
Wir werden an diesem solidarischen, paritätisch finan-

zierten System festhalten, weil es das einzige System ist,
das den Menschen von der Geburt bis zu seinem Tode
davor schützt, im Krankheitsfalle alleine gelassen zu
werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Keine Ahnung vom Versicherungsprinzip!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423224400
Das Wort
hat jetzt der Kollege Ulf Fink von der CDU/CSU-Frak-
tion.


(Zurufe von der SPD: Oh Gott! – Was soll das jetzt werden?)



Ulf Fink (CDU):
Rede ID: ID1423224500
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Es waren die Christlich De-
mokratische und die Christlich-Soziale Union, die das
System der Gesundheitsversorgung in der Bundesrepu-
blik Deutschland geschaffen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben dafür gesorgt – das sagen alle internationalen
Studien –, dass in unserem Land die Menschen, unabhän-
gig von ihrem Einkommen, ihrem Alter und ihrer Stel-
lung, in den Genuss der notwendigen medizinischen Leis-
tungen kommen. Wir waren es, die dieses System
geschaffen haben, und zwar gegen zum Teil erhebliche
Widerstände der Sozialdemokraten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Wann geschaffen?)


Deshalb ist für uns die Tatsache von allergrößter Be-
deutung – sie erschreckt uns sehr –, dass in der Bundes-
republik Deutschland die Versicherten in der gesetzlichen
Krankenversicherung nach über drei Jahren rot-grüner
Regierungskoalition zu über 50 Prozent befürchten, nicht
mehr in den Genuss der notwendigen Leistungen zu kom-
men.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit!)





Bundesministerin Ulla Schmidt
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Nach Untersuchungen von Allensbach sagen 24 Prozent
der Bevölkerung, dass sie bereits die Folgen der Budgetie-
rung dadurch zu spüren bekommen haben, dass ein Arzt ein
bestimmtes Medikament oder eine Behandlung verweigern
musste, da das ihm zugebilligte Budget ausgeschöpft war.
Über dieses Thema müssen wir uns unterhalten.

Angesichts der Tatsache, dass Zuckerkranke nicht
mehr die zur Blutzuckerkontrolle notwendigen Teststrei-
fen, dass Krebskranke nicht mehr die notwendige Lymph-
drainage und dass Menschen, die an Schizophrenie er-
krankt sind, von der gesetzlichen Krankenversicherung
nicht mehr die modernen Neuroleptika bekommen, muss
ich sagen: Das ist für jeden vernünftig Denkenden ein Me-
netekel in der Gesundheitspolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Deshalb sage ich Ihnen, Frau Ministerin Schmidt:

(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Ulla, hör gar nicht hin! Der weiß sowieso nicht, worum es geht!)


Sie haben für meine Begriffe richtig gehandelt – damit
stehen Sie im Gegensatz zu Ihrer Vorgängerin –, als Sie
dafür gesorgt haben, das Arzneimittelbudget abzuschaf-
fen. Sie haben erkannt, dass das von der rot-grünen Koa-
lition beschlossene Arzeimittelbudget falsch war.

Es gibt aber noch weitere Budgets. Beispielsweise gibt
es das Budget für die Ärzte. Die Konsequenz ist, dass es
in Ostdeutschland mittlerweile eine Situation gibt, in der
die ambulante ärztliche Versorgung mit Hausärzten nicht
mehr sichergestellt ist.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Richtig!)


Über 500 Hausarztstellen in Ostdeutschland können näm-
lich nicht mehr besetzt werden: 150 Stellen in Branden-
burg, 120 Stellen in Sachsen-Anhalt, 107 Stellen in Meck-
lenburg-Vorpommern, 80 Stellen in Sachsen und über
100 Stellen in Thüringen. Das liegt doch nicht zuletzt da-
ran, dass es ein Budget gibt.


(Lachen bei der SPD – Klaus Kirschner [SPD]: Das ist doch eine gesetzliche Regelung! Das steht in § 100 SGB V! Wir haben noch nie so viele Ärzte gehabt wie jetzt!)


Die Ärzte in Ostdeutschland haben nicht einmal
75 Prozent des Verdienstes ihrer westdeutschen Kollegen.
Auf der anderen Seite müssen sie aber mehr tun, weil die
Menschen in Ostdeutschland kränker als die Menschen in
Westdeutschland sind. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage Ihnen zur Budgetierung in aller Klarheit:


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Was wollt ihr denn?)


Sie sagen – ich habe allerdings in Ihrem Regierungspro-
gramm vergeblich ein Wort zur Budgetierung gesucht –,
dass Sie die Budgetierung nicht abschaffen wollen. Daraus
kann ich nur entnehmen, dass Sie mit der Budgetierung
erst einmal fortfahren wollen. Dann muss ich Ihnen aber

sagen: Budgetierung ist die brutalste Form der Selbstbe-
teiligung, die man sich überhaupt vorstellen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Leistungen werden den Menschen vorenthalten und es
gibt keine Härtefall- und Überforderungsklauseln. Das ist
eine wahre soziale Ungerechtigkeit.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das müssen Sie Herrn Seehofer mal sagen!)


Deshalb sage ich Ihnen: Ich bin der Auffassung, dass
man den Menschen auch im System der gesetzlichen
Krankenversicherung mehr Entscheidungsfreiheit und
Selbstbestimmung geben muss. Die Transparenz muss er-
höht werden.


(Klaus Kirschner [SPD]: Nach Grundund Wahlleistungen?)


Es ist doch vernünftig, dass der Fraktionsvorsitzende
Friedrich Merz gesagt hat, dass jemandem, der nicht das
volle Leistungspaket, sondern beispielsweise etwas weni-
ger erhalten will,


(Zurufe von der SPD: Aha!)

die Ersparnis daraus – es geht nicht nur um den Arbeit-
nehmeranteil, sondern auch um den Anteil des Arbeitge-
bers – ausgezahlt werden soll.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Fritz Schösser [SPD]: Und wie sieht es mit der Solidarität aus?)


Es wäre doch gut, wenn die volle Ersparnis einer gemin-
derten und sparsameren Inanspruchnahme des Leistungs-
katalogs nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Versicher-
ten zugute kommen würde.


(Fritz Schösser [SPD]: Wer zahlt das? – Gegenruf des Abg. Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Er nimmt doch auch die Leistungen nicht in Anspruch)


Das eine sage ich Ihnen zum Schluss: Die notwendige
Solidarität muss künftig mehr und mehr mit einer größe-
ren Wahlfreiheit verbunden werden. Sie werden am
22. September Ihr Desaster erleben, weil Sie den Bürger
bevormunden; Sie bürokratisieren. Das wollen die Men-
schen nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423224600
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Monika Knoche vom Bünd-
nis 90/Die Grünen.


Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1423224700

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Fink, ich habe oftmals
das Vergnügen, nach Ihnen zu sprechen. Sind Sie ernsthaft
der Auffassung, dass Sie die Probleme, die Sie geschildert
haben, damit lösen können, dass Sie eine historische Zä-
sur machen und aus der paritätischen Finanzierung aus-
steigen?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das habt ihr bei der Rentenversicherung doch schon gemacht!)





Ulf Fink

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Nichts würde die Finanzierungsprobleme der Kranken-
kasse tiefer treffen als ein Ausstieg aus der paritätischen
Finanzierung und die Festschreibung des Arbeitgeber-
anteils.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Kommen wir zum Kern der Sache. Was hat Herrn Merz
eigentlich veranlasst, diese Bemerkungen zu machen?


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Er hatte gerade Zahnschmerzen und Zipperlein!)


Wollte er damit signalisieren, dass er sich mit den vor
kurzem von der Arbeitgeberseite wieder vorgebrachten
Forderungen konform fühlt, oder wollte er das, was die
Fachdebatten im Gesundheitsbereich im Parlament prägt,
nämlich die Finanzierungsprobleme der gesetzlichen
Krankenkassen, unterstreichen? Wenn er einen konstruk-
tiven Beitrag zur Stärkung der Finanzkraft der gesetzli-
chen Krankenkassen leisten will, muss er allerdings die
Finger davon lassen, bei der Lohnfortzahlung im Krank-
heitsfall Kürzungen vorzunehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das hat er überhaupt nicht gesagt!)


Ich weiß, es ist nicht die ganz feine Art, aber ich habe
es mir trotzdem nicht verkneifen können: Ich habe mir
eine Rede, die ich am 10. Oktober 1996 gehalten habe,
herausgesucht. Herr Seehofer hatte damals dargelegt, ge-
nau dieses in Gesetzesform gießen zu wollen.


(Zuruf von der SPD: Hört! Hört! – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Gesetzesform?)


Eine meiner Bemerkungen war damals, dass es eine Per-
vertierung des Spargedankens ist, durch die Kürzung der
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eine Beitragssatz-
stabilität erreichen zu wollen. Im Gegenteil: Nach dem
heutigen Stand würde die Umsetzung bei den gesetzlichen
Krankenkassen zu Mindereinnahmen in Höhe von
500 Millionen Euro führen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie führen die Debatte der Vergangenheit, Frau Knoche! – Gegenruf der Abg. Dr. Ruth Fuchs [PDS]: So alt kann man gar nicht werden, wie Sie heute schon aussehen!)


Erzählen Sie mir bitte, wie Sie die angesprochenen Pro-
bleme in den neuen Bundesländern gerechter lösen wol-
len. Wie wollen Sie das finanzieren?


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Kommen Sie doch nicht mit so alten Sachen! Das interessiert doch niemanden!)


Abgesehen davon sage ich ohne jede Polemik, dass ich
in dem System, das Herr Merz proklamiert hat, nicht alt
werden möchte. Das würde ich auch meinen Kindern und
der gesamten Bevölkerung nicht wünschen.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Genau! – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Dramatischer geht es nicht mehr!)


Warum nicht? – Sie haben Forderungen aufgestellt, die
den Sockel der Finanzierung und die Parität auflösen.


(Ulf Fink [CDU/CSU]: Das will doch gar keiner! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es gibt keine Alternative!)


Das heißt, wenn Sie den Arbeitgeberanteil festschreiben,
haben Sie eine frei floatende Zuzahlung aufseiten derer,
die nicht ausreichend versichert sind, aber Patientinnen
und Patient werden.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das wollten sie schon immer!)


Woher sollen sie das Geld nehmen? – Das ist die erste
Sache.

Die zweite Sache ist: Sie sagen, Personen, die sich
jung und gesund fühlen – sie können natürlich nichts von
ihrer Zukunft wissen –, können sich in geringerem Um-
fang versichern und werden dafür durch geringere Bei-
tragssätze belohnt. Was heißt denn das? Auch das ent-
zieht den gesetzlichen Krankenkassen Beiträge in
Milliardenhöhe,


(Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Eben! – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Genau!)


die sie brauchen, um eine qualitätsgesicherte Versorgung
sicherstellen zu können.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Aber Leistungen werden doch auch nicht in Anspruch genommen!)


Wenn Sie dann darüber hinaus auch noch auf die Idee
kommen, eine Kostenerstattung einzuführen – die Patien-
tinnen und Patienten sollen die entsprechenden Belege in
der Arztpraxis abholen –, dann machen Sie die Kranken-
kassen zu nichts anderem als zu einer Zahlstelle, aber
nicht zu einem Player im System, der die Interessen der
Versicherten vertritt und in der Vertragsausgestaltung für
eine auf Evidenz basierende Medizin sorgt. Das sind
grundlegende Dinge.

Ich rate Ihnen in Ihrem Interesse – eigentlich möchte
ich ja keine Wahlkampfhelferin der CDU/CSU sein –,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Grünen sind im Moment wirklich nicht in der Situation, Ratschläge geben zu können!)


dass Herr Merz einige basale und grundlegende Informa-
tionen über die gesetzliche Krankenversicherung zur
Kenntnis nimmt, bevor er eine öffentliche Auseinander-
setzung beginnt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Da er nicht weiß, dass es schon lange eine weit verbreitete
Mär ist, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung
Zipperlein bezahlt werden, muss ich sagen: Er ist nicht up
to date.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Der soll mal sagen, was ein Zipperlein ist! – Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Er ist nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung!)





Monika Knoche
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Er kennt sich nicht aus und weiß nicht, was Sache ist,
und auch nicht, dass es schon immer im eigenen Beneh-
men der Krankenversicherungen und der niederge-
lassenen Ärzteschaft lag, das in den Leistungskatalog
aufzunehmen, was für eine qualitätsgesicherte Gesund-
heitsversorgung notwendig ist. Zipperlein hatten darin
noch nie einen Platz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423224800
Das Wort
hat jetzt der Kollege Horst Schmidbauer von der SPD-
Fraktion.


Horst Schmidbauer (SPD):
Rede ID: ID1423224900
Herr Präsi-
dent! Meine Damen und Herren! Wahlleistungen sind
Zahlleistungen. Wer für das CDU/CSU-Wahlsystem op-
tiert, dem muss klar sein, dass auf der anderen Seite ein
Zahlsystem für Patienten entsteht. Die Abwahlfreiheit ist
die Doppelzahlkarte für chronisch Kranke in unserem
Lande.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Dummes Zeug! – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Bisher habe ich noch nicht gehört, was Sie machen wollen!)


Wir müssen sehen, dass derjenige, der für ein Wahlsystem
ist, zur Spaltung unserer Gesellschaft im Gesundheitswe-
sen beiträgt.


(Beifall bei der SPD)

Für den Fall, dass der Appell an die ethische Verant-

wortung nicht ausreicht, darf ich an Adam Riese erinnern.
Die Leistungen, die die Gesunden abwählen, müssen die
Kranken bei gleichen Kostenbelastungen für die Gesund-
heit in unserer Gesellschaft mit mehr Leistungen be-
zahlen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist das typische statische Denken der SPD!)


Es ist also völlig klar: Wenn abgewählt wird und gleiche
Ausgabenblöcke bestehen bleiben, muss der Kreis der
Kranken und vor allem jener der chronisch Kranken mehr
zahlen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Muss nicht!)

Wenn die Gesunden, rein mathematisch betrachtet,

ihren Gesamtbeitrag zur Krankenkasse um 4 Prozent re-
duzieren würden, hätte das zur Folge, dass der GKV-Bei-
trag der Kranken, in Euro betrachtet, um 20 Prozent er-
höht werden müsste.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: In D-Mark ist das übrigens der gleiche Prozentsatz!)


Das hängt damit zusammen – das haben die Kolleginnen
und Kollegen von der CDU/CSU noch nicht begriffen –,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das ist typisch Schmidbauer, so zu rechnen!)


dass 20 Prozent der Versicherten 80 Prozent der Kosten
bewirken. Wer das nicht nachvollziehen kann, der sollte
noch einmal die Schulbank drücken.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Aber nicht mit Ihnen!)


Aber ich möchte hier nicht für Wahlsysteme eintreten, die
in unserem Land letztendlich den Einstieg in eine Zwei-
klassenmedizin bedeuten.

Wir werden dafür sorgen, dass der Bevölkerung klar
wird, was Sie vorhaben: Dies ist eine neue Form der Ab-
zockerei. Die alte Form der Abzockerei, bei der Sie ganz
plump den Versicherten – besser gesagt: den Kranken – in
die Tasche gelangt haben, hat dazu geführt, dass die Ihnen
1998 ganz kräftig auf die Finger geklopft haben.


(Zurufe von der CDU/CSU – Gegenrufe von der SPD)


Wenn Sie nicht davon ablassen, den Versicherten in die
Brieftasche zu langen, werden Ihnen die Versicherten am
22. September genauso kräftig auf die Finger klopfen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen es ganz klar sehen: Hier wird eine ver-

steckte Form der Abkassiererei kreiert. Sie wollten ge-
wissermaßen die Dunkelkammer nutzen, um den Patien-
ten in die Tasche zu greifen. Aber wir werden dafür
sorgen, dass Ihre Vorstellungen durchschaubar, transpa-
rent werden, damit die Menschen nachvollziehen können,
was Sie mit ihnen vorhaben.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben in unserer Regierungszeit dafür gesorgt,

dass fast 1 Milliarde Euro, also fast 2 Milliarden DM, an
die Versicherten zurückgegeben worden sind, die Sie vor-
her durch Zuzahlungen abgezockt haben.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Nur nicht übertreiben, Herr Schmidbauer!)


Sie werden doch nicht glauben, dass wir zuschauen, wie
Sie das Geld, das wir den Versicherten zurückgegeben ha-
ben, wieder abkassieren. Da machen wir nicht mit!


(Beifall bei der SPD)

Viel schlimmer ist, glaube ich, dass in dieser Situation

– ich habe gedacht, ich bin auf der falschen Veranstaltung –
das, was Generationen von Menschen in diesem Lande
aufgebaut haben, nämlich Solidarität und ein solidarisches
System, von Ihnen derart madig gemacht und untergraben
wird. Ich habe den Eindruck, dass man selbst einem Kol-
legen wie Herrn Fink, den ich als Sozialpolitiker sehr ge-
schätzt habe, allmählich beibringen muss, wie Solidarität
buchstabiert wird, damit wir wenigstens sagen können:
Solidarität wird in unserem Lande groß geschrieben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Schauen Sie sich in der nächsten Zeit einmal an, was

wir Sozialdemokraten zum Thema Solidarität in unser
Wahlprogramm geschrieben haben. Wir werden es zum
22. September auf den Punkt bringen und Sie werden
dann große Augen machen.


(Beifall bei der SPD)





Monika Knoche

23099


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423225000
Das Wort
hat jetzt der Kollege Karl-Josef Laumann von der
CDU/CSU-Fraktion.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1423225100
Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mir
gut vorstellen, wie am Montag oder am Dienstagmorgen
in den Fraktionsgremien der SPD die Idee geboren wor-
den ist, diese Aktuelle Stunde zu beantragen:


(Zuruf von der SPD: Danke für Ihr Mitgefühl!)


Man steht nach dem Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt vor
dem Abgrund.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Heute sind sie einen Schritt weiter! Der Kanzler verkriecht sich!)


Man wertet alle Presseberichterstattungen des Wochenen-
des aus und sucht irgendetwas, mit dem man die
CDU/CSU und die FDP vorführen kann. Am Sonntag-
abend habe ich Ihren Generalsekretär gehört, der davon
sprach, dass Sie den Stahlhelm jetzt etwas strammer auf-
setzen wollten.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit! Das hat er nicht gesagt!)


Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn diese Aktuelle Stunde der
neue Stahlhelm sein soll, haben Sie zurzeit noch einen
Strohhut auf.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Viel mehr hat diese Aktuelle Stunde nicht an Bedeutung.
Bei dem, was heute von Lafontaine in der Zeitung zu

lesen ist, fasst man sich an den Kopf. Lafontaine sagt,
50 Prozent des Wahlergebnisses in Sachsen-Anhalt gin-
gen auf das Konto der Bundes-SPD, die einen Kurswech-
sel zu verantworten habe, bei dem Milliardengeschenke
an die Unternehmen gemacht und Renten gekürzt würden.
Lafontaine sagt, Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe und
Milliardengeschenke an die Unternehmen seien unmög-
lich; sogar Stoiber wolle die Erlöse aus Verkäufen von Be-
teiligungen an Banken, Versicherungen und Großbetrie-
ben wieder besteuern. Angesichts dessen müssen Sie hier
im Bundestag nicht einen solchen Popanz aufbauen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

wenn sich Mitglieder der CDU/CSU, die nicht dem Bun-
destag angehören, sondern nur eine regionale Bedeutung
in der Partei haben, zur Frage der Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall äußern. Ich kann Ihnen sagen, dass die
CDU/CSU-Fraktion – Sie werden es am Montag in den
Zeitungen nachlesen können, wenn unser Regierungs-
bzw. Wahlprogramm veröffentlicht wird –


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Regierungsprogramm!)


nicht vorhat, hinsichtlich der Lohnfortzahlung etwas zu
verändern.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Nehmt das doch einmal zur Kenntnis! – Dirk Niebel [FDP]: Also hat es keiner vor!)


Sehen wir uns einmal die tatsächliche Lage an: Wenn
man die Krankheitstage von einem bis drei Tagen zusam-
menzählt, so kommt man zu dem Ergebnis, dass der da-
durch bedingte Arbeitsausfall, verglichen mit den mehr
als 2 Milliarden Arbeitsstunden, die in Deutschland ins-
gesamt wegen Krankheit ausfallen, lediglich 0,1 Milliar-
den Arbeitsstunden ausmacht.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Da können Sie einmal sehen, wie schön die zurückrudern!)


Dagegen beträgt der Anteil derer, die länger als sechs Wo-
chen krank sind, alleine 0,8 Milliarden Arbeitsstunden.
Das ist im Übrigens auch das Ergebnis einer IAB-Studie
und das IAB ist ja, zumindest unter Sozialpolitikern,
durchaus als objektiv anerkannt.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Warum erzählt ihr dann so etwas?)


Das macht deutlich, dass es in diesem Bereich überhaupt
keinen Missbrauch gibt. Zudem ist – sicherlich auch auf-
grund der schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt psycho-
logisch bedingt – in den letzten Jahren ein Rückgang bei der
Zahl der Krankheitstage zu verzeichnen gewesen. Nach den
Statistiken aus der Geschichte der Bundesrepublik Deutsch-
land war es immer so: Ist die Arbeitsmarktlage schwierig,
sinkt die Zahl der Krankheitstage. Ist die Arbeitsmarktlage
nicht so schwierig, steigt die Zahl ein wenig.

Ich kann für die CDU/CSU-Fraktion eindeutig sagen
– Sie werden es am Montag auch in dem gemeinsamen
Regierungsprogramm lesen –, dass solche Überlegungen
von uns nicht verfolgt werden


(Dirk Niebel [FDP]: Von uns auch nicht!)

und wir dies auch nicht machen.


(Zurufe von SPD)

Ich sage Ihnen noch etwas: Die Veränderung bei der

Lohnfortzahlung 1996 war im Nachhinein aus mehreren
Gründen ein Fehler. Dass es mir sehr schwer gefallen ist,
zuzustimmen, wissen alle, die mich kennen. Wenn aber
die Arbeitgeber anschließend bei den ersten Tarifver-
handlungen all diese Fragen wieder aufnehmen, dann
sollte mir zumindest aus der Wirtschaft niemand mehr mit
solchen Vorschlägen kommen. Ich sage ganz klar: Diese
Frage haben die Unternehmer und die Unternehmenslei-
tungen selber verbraucht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Ihr müsst auch den Merz dazu bringen!)


Wir sind in den letzen drei bis vier Jahren in der Sozi-
alpolitik weitergegangen. Ich glaube, wir brauchen ein-
fach intelligentere Modelle, die auf der einen Seite eine
bestimmte Flexibilität, eine bestimmte Zukunftsorientie-
rung der sozialen Sicherungssysteme möglich machen
und auf der anderen Seite für die Menschen Sicherheit be-
deuten. Wie wir uns das vorstellen, werden Sie am Mon-
tag im Regierungsprogramm von CDU und CSU im Ein-
zelnen nachlesen können.

Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Bei uns schon jetzt!)







(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423225200
Das Wort
hat die Kollegin Dr. Margrit Spielmann von der SPD-
Fraktion.


Dr. Margrit Spielmann (SPD):
Rede ID: ID1423225300
Herr Präsident! Meine
lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Laumann, so ge-
stalten sich die Sonntagabende ganz anders: Als ich am
Sonntag die „Bild“-Zeitung las, habe ich gedacht: Gut,
dass von den angekündigten Plänen zu lesen war. Ich bin
auch für diese Diskussion dankbar; denn es wird wieder
einmal offensichtlich: Sie wollen die Kranken bestrafen.


(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/ CSU – Manfred Grund [CDU/CSU]: Du sollst nicht falsches Zeugnis geben!)


Sie kündigen in meinen Augen und in den Augen vieler
Menschen die Solidarität mit den Schwachen und mit den
Kranken in unserer Gesellschaft. Anders sind Ihre an-
gekündigten Pläne zur Kürzung der Fortzahlung im
Krankheitsfall – Rexrodt, Wadephul, Eckhoff und andere
haben sie benannt – nicht zu interpretieren. Sie haben of-
fenbar nicht verstanden, dass gerade die Kranken und
Schwachen in unserer Gesellschaft unsere Unterstützung
und unseren Rückhalt benötigen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Debatte ist schon weiter, Frau Spielmann!)


Wer sich so etwas ausdenkt, Herr Fink, der kennt die
Situation in den ostdeutschen Ländern nicht und scheint
sich auch nicht besonders dafür zu interessieren. Ich lebe
dort und weiß, wovon ich rede. Sie wissen alle: Wenn
diese Regelung käme, wären die ostdeutschen Länder be-
sonders hart betroffen. Bei der angespannten wirtschaftli-
chen Situation der Haushalte wäre es eine Katastrophe,
würde der Hauptverdiener krank oder ausfallen. Ich
denke, Sie haben schon des Öfteren zur Kenntnis nehmen
müssen, dass die Löhne und Gehälter im Osten in vielen
Bereichen eben noch nicht auf das Westniveau gestiegen
sind.

Sie stellen damit noch einmal die Solidarität mit den
ostdeutschen Ländern infrage. Wer Kranken die Entgelt-
fortzahlung um 20 Prozent kürzen will, setzt einseitig auf
die Belastung der Menschen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Menschen in den neuen Ländern trauen Ihnen nicht mehr!)


Übrigens passt auch die Absage des Kanzlerkandidaten
Stoiber an die über Jahrezehnte gewachsene Versiche-
rungs- und Versorgungsmentalität in dieses Bild.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Genau!)

Das ist ein weiteres Bekenntnis, dass man sich von dem
Solidaritätsprinzip in der Krankenversicherung verab-
schieden will.

Ich denke, auch mit der Verfassungsklage gegen den
Risikostrukturausgleich haben Sie nichts anderes im Sinn.
Wenn der gesamte Risikostrukturausgleich zu Fall ge-
bracht würde,


(Ulf Fink [CDU/CSU]: Das will doch gar keiner!)


bedeutete dies allein bei der AOK Ost eine Beitragssatz-
erhöhung um 7,5 Prozent. Dann hätten wir im Osten einen
Beitragssatz von 21,6 Prozent.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Genau! Ist das Solidarität?)


Der Risikostrukturausgleich ist dazu da, die Lasten-
verteilung innerhalb der GKV auszugleichen und eine
möglichst gerechte Beitragsverteilung für die Versicher-
ten zu erreichen. Er ist ein Instrument des Solidaritäts-
prinzips. Wer hierbei den Osten aussparen möchte,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das will doch keiner! Das ist längst widerlegt!)


dem geht es nicht darum – wie Stoiber immerzu sagt –,
Brücken zu bauen und Unterstützung für Ostdeutschland
zu leisten, sondern der möchte den gegenwärtigen Zu-
stand festschreiben und Ungleichheiten beibehalten.


(Beifall bei der SPD)

Als ostdeutsche Abgeordnete, die lange Zeit Gesund-

heitspolitik im Osten gemacht hat, sage ich Ihnen: Ihre an-
gekündigten Pläne sind eine Strafaktion.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das glauben Sie doch selbst nicht! Sie sind doch eigentlich zu seriös, um hier so etwas zu erzählen!)


Sie bedeuten eine Entsolidarisierung mit den Menschen
im Osten, insbesondere wenn sie krank sind.

Herr Lohmann, ich bin zutiefst enttäuscht, dass die an-
gekündigten Maßnahmen – das muss ich an dieser Stelle
einmal sagen – Ihrem und auch meinem christlichen Men-
schenbild, welches sich klar zur Solidarität bekennt, in
keiner Weise entsprechen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423225400
Das Wort
hat jetzt der Kollege Aribert Wolf von der CDU/CSU-
Fraktion.


Aribert Wolf (CSU):
Rede ID: ID1423225500
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! In einer modernen
Zivilgesellschaft geht es „um mehr Eigenverantwortung,
die zu Gemeinwohl führt“ und „ein Gesundheitswesen
ohne finanzielle, geistige und ... buchstäblich körperliche
Selbstbeteiligung der Versicherten“ ist „nicht mehr vor-
stellbar“.


(Zurufe von der SPD: Was? – Manfred Grund [CDU/CSU]: Sehr bemerkenswert!)


Dieser Satz stammt nicht von einem Unionspolitiker, wie
Sie jetzt vermuten, sondern von Gerhard Schröder höchst-
persönlich,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Da haben wir es!)







(C)



(D)



(A)



(B)


geschrieben im April 2000 in der Zeitschrift „Die Neue
Gesellschaft/Frankfurter Hefte“.


(Dirk Niebel [FDP]: Können Sie den noch einmal wiederholen? Darf ich den noch einmal hören?)


Dies zeigt, wie verlogen die Debatte derzeit von der SPD
geführt wird und wie wenig ehrlich Sie es mit Ihren
Konzepten und damit mit den Bürgern draußen im Land
meinen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Lesen Sie es doch noch einmal vor!)


Sie befinden sich in einer solch verzweifelten Situation
und in einem solchen Abwärtsstrudel, dass Sie, statt Ihre
Politik zu überprüfen und zu fragen, warum Sie nicht die
Richtung ändern, um Ihre miserable Leistungsbilanz in
der Gesundheitspolitik zu verbessern, versuchen, die
Lage schöner zu reden und unhaltbare Versprechen abzu-
geben. Zugleich versuchen Sie, Konzepte der Union zu
verdrehen und Unionspolitiker zu verleumden.

Ihr Bundeskanzler hat heute Nachmittag sein neues
Wahlprogramm vorgestellt.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Sehr gut!)

Es lohnt sich wirklich, darin manches nachzulesen. Zum
Gesundheitswesen steht dort zum Beispiel in der Einlei-
tung folgender bemerkenswerter Satz:

Wer im Gesundheitswesen die Solidarität erhalten
und die Qualität stärken will, muss zu mutigen Re-
formen bereit sein.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Davon haben wir heute aber nichts gehört!)

Rot-Grün ist seit dreieinhalb Jahren in der politischen

Verantwortung. Was haben Sie denn in den letzten drei-
einhalb Jahren an mutigen Reformen vorangebracht,
meine Damen und Herren?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nichts!)

– Nichts. Ich will nur ein einziges Beispiel nennen: Ihre
Arzneimittelpolitik.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Da waren wir sehr mutig!)


Zu Beginn führten Sie die Budgetierung ein. Diese führte
dazu, dass ein erheblicher Teil der Versicherten nicht mehr
ordentlich versorgt wurde, dass Medikamente nur noch
dann verabreicht wurden, wenn der Versicherte sie selbst
bezahlte, dass die Kosten dennoch in die Höhe schnellten.
Nach einiger Zeit merkten Sie dann, dass Sie einen Feh-
ler gemacht haben. Dann haben Sie die Budgetierung ab-
geschafft und etwas Neues eingeführt, aber nichts, um die
Kosten zu steuern. Plötzlich stellen Sie fest, dass die Arz-
neimittelkosten explodieren. Alle Kosten steigen, alles
wird teurer. Sie sagen: Schnell, schnell, wir müssen etwas
Neues machen. Ihre Lösung ist: Budgetierung weg, jetzt
machen wir ein Arzneimittelausgaben-Begrenzungsge-
setz. Dazu stellen Sie einige Überlegungen an. Dann mar-
schiert die Pharmaindustrie zum Bundeskanzler und er-

klärt: Lieber Bundeskanzler, in dem Gesetz stehen einige
Bestimmungen, die uns nicht passen. Diese sollen weg.
Dafür legen wir 400 Millionen auf den Tisch. – Brav ma-
chen das SPD und Grüne.


(Dirk Niebel [FDP]: Überzeugungstäter!)

Jetzt frage ich Sie: Ist das Gerechtigkeit? Ist das die

mutige Reformpolitik, von der Sie in Ihrem Wahlpro-
gramm schreiben? – Das ist das Gegenteil davon!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich frage Sie weiter: Ist es die Gerechtigkeit, von der
Sie hier so gerne reden, wenn Sozialhilfeempfänger in
Arztpraxen besser als der Großteil der gesetzlich Versi-
cherten versorgt werden?


(Zuruf von der SPD: Das haben Sie schon immer behauptet! Das war schon immer falsch!)


Diejenigen, die Sozialabgaben zahlen und damit die So-
zialhilfeempfänger finanzieren, bekommen eine schlech-
tere medizinische Versorgung, weil sie anders als die So-
zialhilfeempfänger von den Budgetierungszwängen
betroffen sind.

Ist es vielleicht rot-grüne Gerechtigkeit, wenn die Bun-
desbürger im Durchschnitt einen Krankenversicherungs-
beitrag von 14 Prozent bezahlen müssen? Noch nie zuvor
wurde in Deutschland so viel für die Krankenversiche-
rung ausgegeben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Leistungen sind so schlecht wie nie zuvor!)


Das ist der rot-grüne Griff in die Taschen der Bürger. Das
ist doch nicht die Gerechtigkeit, von der Sie hier immer
reden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Schauen wir uns einmal die Arbeitsbedingungen im
Krankenhaus an! Wissen Sie, unter welchen Bedingungen
Pflegekräfte heute zu arbeiten haben? Sehen wir nach Bay-
ern; das machen Sie doch so gerne. Die AOK Bayern ist
aufgrund Ihrer schlechten Gesundheitspolitik gezwungen,
für die Mutter-Kind-Kuren – das betrifft die Ärmsten in
unserer Gesellschaft, die dringend Erholung brauchen –
die Zuschüsse zu streichen. Das alles sind Folgen Ihrer
Politik.


(Fritz Schösser [SPD]: Das ist überhaupt nicht wahr!)


Ist das vielleicht Gerechtigkeit, was Rot-Grün damit auf
den Weg gebracht hat? Sind das vielleicht mutige Refor-
men? – Nein, das ist das Gegenteil. Aber Sie können hier
nur andere verleumden und einen Popanz aufbauen, weil
Sie eine miserable Leistungsbilanz aufzuweisen haben.

Schauen wir uns die Herausforderungen an, vor denen
wir jetzt stehen! Die Alterspyramide in Deutschland ent-
wickelt sich leider so, dass immer mehr Menschen Leis-
tungen nachfragen, aber immer weniger Menschen die
Beiträge für diese Leistungen bezahlen. Jetzt frage ich:
Wie will die SPD eigentlich die Versprechen halten, die




Aribert Wolf
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(C)



(D)



(A)



(B)


sie im Wahlprogramm gemacht hat? Dort steht, dass der
Leistungskatalog nicht angetastet, gleichzeitig auch auf
der Einnahmenseite nichts verändert werden soll.


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Was ist mit der Angebotsseite? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist die Quadratur des Kreises!)


Mich erinnert das fatal an etwas, was Sie gemacht ha-
ben. 1998 haben Sie vor der Bundestagswahl bei der
Rente genau das gemacht, was Sie jetzt in der Gesund-
heitspolitik versuchen. Sie wollten alles so lassen, wie es
ist. Kaum waren Sie in der Regierungsverantwortung, ha-
ben Sie den Menschen eine Rentenreform beschert,


(Fritz Schösser [SPD]: Die besser war als die von Norbert Blüm!)


die das glatte Gegenteil von dem war, was Sie vor der
Wahl immer versprochen haben, und unter der viele Men-
schen zu leiden haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Menschen erinnern sich daran! Das ist das Gute!)


Deswegen sage ich: Die rot-grüne Koalition hatte die
Chance, in der Gesundheitspolitik zu zeigen, was sie
kann. Sie hat die Chance nicht genutzt. Sie hat auf eine
Politik der ruhigen Hand gesetzt. Es ist Zeit, dass die Ver-
antwortung wieder in andere politische Hände gelegt
wird, dass die Krankenversicherung zukunftsfähig ge-
macht wird und die Menschen die Wahrheit darüber er-
fahren, was die Politiker vorhaben, die in die Regierungs-
verantwortung gewählt werden. Es darf nicht das Blaue
vom Himmel versprochen werden, was ohnehin nicht ge-
halten werden kann. Das wünsche ich mir. Ich bin über-
zeugt davon, dass die Bürger eine solche Politik mehr ho-
norieren als das, was Sie an den Tag legen.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423225600
Das Wort
hat jetzt der Kollege Walter Hoffmann von der SPD-Frak-
tion.


Walter Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID1423225700
Herr Präsi-
dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Kollege Laumann, es war am
Sonntag in der Tat eine bittere Niederlage für uns.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Weitere werden folgen!)


Daran führt kein Weg vorbei. Es ist auch nichts schönzu-
reden. Sie können gewiss sein, dass wir daraus die ent-
sprechenden Konsequenzen ziehen werden und sie bereits
ziehen.

Eine Konsequenz wird sein, dass wir den Menschen in
diesem Land klarer und deutlicher als bisher sagen wer-
den, was die anderen wollen,


(Dirk Niebel [FDP]: Sagen Sie doch mal, was Sie wollen!)


was Sie in der Gesundheitspolitik vorschlagen und wel-
che unmittelbaren Auswirkungen das für die Menschen
haben wird.


(Beifall bei der SPD – Ulf Fink [CDU/CSU]: Dann müssen Sie den Helm aber wieder etwas lockern!)


Es ist doch kein Zufall, wenn in mehreren Interviews an
diesem Wochenende praktisch zeitgleich von Politikern
der CDU aus der zweiten Reihe sowie maßgeblichen Re-
präsentanten – wohlgemerkt vor allen Dingen der FDP –
eine alte Kamelle ausgegraben wird, nämlich die Diskus-
sion um die Einschränkung der Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Kein Mensch will das! Sie haben mir nicht zugehört!)


Das ist kein Zufall, sondern dahinter steckt System. Man
schickt zuerst einmal die zweite Reihe vor, die den Boden
ein wenig vorbereitet, damit dann die anderen den Vollzug
durchführen können.


(Zurufe von der CDU/CSU)

Ich möchte daran erinnern, dass die Rücknahme der

Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
eine der ersten Maßnahmen unserer Regierung in dieser
Wahlperiode war.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für diese Entscheidung hat es gewichtige Gründe gegeben.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist Schnee von gestern!)

Die Entscheidung, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
einzuschränken, war ein Produkt sozialer Kälte und des
Misstrauens auch gegenüber den Bürgerinnen und Bür-
gern in diesem Land, Herr Kolb. Sie hat vor allen Dingen
Menschen getroffen, die schon durch ihre Krankheit stark
belastet waren. Daran möchte ich, wie gesagt, deutlich er-
innern. Diese Entscheidung machte Krankheit wieder zu
einem finanziellen und individuellen Risiko. Sie war ein
Rückschritt in alte, verstaubte und ideologisch verblen-
dete Positionen, die die Bedürfnisse der Menschen in die-
sem Land zugunsten von Anreizen ignorierte, die angeb-
lich notwendig sind, um Menschen wieder zum Arbeiten
zu bringen.

Der Krankenstand ist – die Fakten sind ja schon von
meinen Vorrednern dargestellt worden – auf dem niedrigs-
ten Stand seit 1970, wohlgemerkt seit dem Jahr, in dem die
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch eine von uns ge-
stellte Regierung gesetzgeberisch eingeführt wurde.


(Dirk Niebel [FDP]: Mit uns!)

Der Krankenstand war im Jahresdurchschnitt im Zeit-
raum von 1991 bis 1998 wesentlich höher als jetzt, da es
die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wieder gibt.

Ich möchte auch daran erinnern, dass die Lohnfortzah-
lung im Krankheitsfall – darauf ist heute noch nicht hin-
gewiesen worden – eine der großen historischen Errun-
genschaften der deutschen Arbeiterbewegung war.
14 Wochen wurde dafür in Schleswig-Holstein gestreikt.




Aribert Wolf

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(C)



(D)



(A)



(B)


Politisch betrachtet, haben wir die Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall der Union und der FDP im wahrsten Sinne
des Wortes abgetrotzt.


(Ulf Fink [CDU/CSU]: Das war 1950, nicht 1970!)


Deswegen sage ich: Wir Sozialdemokraten werden nicht
zulassen, dass Sie die Uhren auf das 19. Jahrhundert
zurückstellen. Darauf können Sie sich und – das ist noch
viel wichtiger – die Menschen in unserem Land auch in
Zukunft fest verlassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist gut, dass Sie gerade jetzt mit dieser Debatte be-
ginnen. Von der FDP habe ich persönlich nichts Besseres
erwartet. Aber auch die Union entlarvt durch die Äuße-
rungen aus der zweiten Reihe endlich, was im Grunde rea-
lisiert werden soll: Sie wollen durch eine Vielzahl von
Maßnahmen im Endeffekt die soziale Sicherung in dieser
Republik aushöhlen und die Rechte der Arbeitnehmer
einschränken, wo immer Sie nur können.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein! Wir wollen, dass alle profitieren!)


Sie wollen die Entlastung der Arbeitgeber auf Kosten der
Arbeitnehmer. Sie wollen die Stärkung des Kapitals auf
Kosten der Beschäftigten.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Immer ein bisschen Klassenkampf!)


Gute Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
muss die Interessen beider Seiten, der Arbeitgeber und der
Arbeitnehmer, berücksichtigen und ausgleichen. Wir ha-
ben das durch eine Fülle von Maßnahmen in der Tat ge-
macht.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein!)

Wir haben die Arbeitgeber durch die Steuerreform, die
Senkung des Rentenversicherungsbeitrags und die Ver-
besserung vieler anderer Rahmenbedingungen für die Un-
ternehmen spürbar entlastet, ohne die Arbeitnehmer wei-
ter zu belasten.


(Beifall der Abg. Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD])


Wir haben den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in
unserem Land wieder mehr soziale und finanzielle Si-
cherheit gegeben und wieder für eine ausgeglichene Las-
tenverteilung gesorgt.


(Beifall bei der SPD)

Die Erfolge liegen klar auf der Hand: Wir haben über

1 Million neue Arbeitsplätze entstehen lassen und die Ar-
beitslosigkeit spürbar gesenkt. Sie wird – davon bin ich
felsenfest überzeugt – weiter sinken.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben jungen Menschen, Langzeitarbeitslosen, Stu-
dierenden aus ärmeren Elternhäusern und Existenzgrün-
dern neue Perspektiven und Chancen gegeben.


(Beifall des Abg. Hans-Eberhard Urbaniak [SPD])


Wir haben die Bürgerinnen und Bürger massiv von Steu-
ern und Abgaben entlastet. Wir haben dafür gesorgt, dass
Spitzenverdiener ihren angemessenen Anteil an den Las-
ten unseres Gemeinwesens tragen müssen. Wir haben den
Menschen durch unsere Rentenreform wieder Sicherheit
im Alter gegeben und unangemessene Härten Ihrer Re-
form rückgängig gemacht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben Familien durch höheres Kindergeld und höhe-
res Wohngeld, durch die Modernisierung des Erziehungs-
urlaubs hin zur Elternzeit und durch das Recht auf Teil-
zeitarbeit erheblich gefördert. Wir haben für Recht und
Ordnung auf dem Arbeitsmarkt gesorgt sowie endlich
wirksame Maßnahmen gegen Schwarzarbeit und illegale
Beschäftigung ergriffen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423225800
Herr Kol-
lege Hoffmann, kommen Sie bitte zum Schluss.


Walter Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID1423225900
Ich denke, dass
sich diese Politik für die Arbeitnehmer sehen lassen kann.
Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir werden die Arbeits-
losigkeit weiter abbauen. Der Aufschwung hat begonnen.
Ich bin sicher, dass die Menschen in unserem Land dies
am 22. September auch honorieren werden.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Ihr seid auf dem richtigen Weg? Das haben wir ja am letzten Sonntag gesehen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423226000
Das Wort
hat jetzt der Kollege Hans Urbaniak von der SPD-Frak-
tion.


Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1423226100
Herr Präsident!
Kolleginnen und Kollegen! Ich habe hier zwei Meldun-
gen vorliegen. Die Erste ist aus der „Westfälischen
Rundschau“ vom 22. April dieses Jahres. Dort steht:
„Union will 500 Euro Selbstbeteiligung“. Das ist von Ih-
nen hier nicht dementiert worden. Ich habe eine Mel-
dung aus der „Berliner Morgenpost“, die wohl heute ver-
öffentlicht worden ist und aus der hervorgeht, was
Friedrich Merz – das ist hier schon angesprochen wor-
den – zum „Zipperlein“ gesagt hat. Er wird das sicher-
lich selber noch begründen, aber von dem Wort kommt
er nicht mehr los.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Ihr Kanzler auch nicht vom „Gedöns“! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist aber eine schreckliche Drohung!)


Was er in Bezug auf das Gesundheitswesen damit meint,
wird man ihm ständig vorwerfen müssen. Das ist eine
Diskriminierung. Wir dürfen die sozialen Grundlagen der
Krankenversicherung nicht aufgeben. Es muss so ge-
macht werden, wie es Ulla Schmidt hier gesagt hat.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sagen Sie doch noch etwas zur Fortzahlung!)





Walter Hoffmann (Darmstadt)

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(C)



(D)



(A)



(B)


– Herr Kolb, Sie brauchen mir doch nichts zur Lohnfort-
zahlung zu erzählen. Was sind Sie gegen Rexrodt? Das ist
doch ein Kaliber.


(Heiterkeit bei der SPD)

Hier steht, was er sagte: Wir müssen daran gehen; dies
muss geändert werden. Darauf haben Sie doch gar keinen
Einfluss mehr, da werden Sie doch heruntergefahren.

Wir haben in den Jahren 1955/56 in der IG Metall um
die Einführung der Gleichstellung von Arbeitern und An-
gestellten bei der Lohnfortzahlung gekämpft. Das war der
erste Schritt.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das ist doch in Ordnung!)


Wir haben dann in der großen Koalition das entspre-
chende Gesetz verabschiedet.


(Heinz Schemken [CDU/CSU]: Genau!)

– Heinz Schemken, Du darfst es jetzt nicht nach unten re-
formieren. Du musst Kurs halten. Das wäre eine vernünf-
tige Position. Aber so etwas geht aus den Meldungen nicht
hervor.

Wenn ich hier lese, was Ihr sehr verehrter Kollege
Stoiber so sagt, dann kommt mir das Grauen. Er will das
ja ändern. Ferner haben sich ein CDU-Landesvorsitzen-
der und ein CDU-Fraktionsvorsitzender – der eine
kommt aus Schleswig-Holstein, der andere aus Bremen –
dahin gehend geäußert, die Lohnfortzahlung müsse an-
gepackt und reformiert werden. Auch das ist eine
schlimme Sache.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Sie sagten doch eben, das würde heruntergebügelt!)


– Kollege Lohmann (Lüdenscheid) – –

(Lachen bei der CDU/CSU)


– Es sind doch mehrere Lohmänner im Bundestag. Haben
Sie das in den vier Jahren noch nicht begriffen?


(Beifall bei der SPD)

Ich habe den Eindruck, dass Sie einen Wahltarif ein-

führen wollen. Er würde in der Arztpraxis folgender-
maßen funktionieren: Da kommt ein Arbeitnehmer zum

Arzt und sagt: Herr Doktor, ich habe Schmaltarif, nur ab-
tasten!


(Heiterkeit bei der SPD)

Alles andere ist nicht abgedeckt und Geld habe ich auch
keines, um zusätzliche Leistungen zu bezahlen. Dann
kommt ein Zweiter mit einem gehobenen Tarif. Bei dem
ist es schon ein bisschen besser. Er sagt: Ich habe den ge-
hobenen Tarif, da müssen Sie ein bisschen mehr machen.
Der Dritte hat den höchsten Tarif und hat Anspruch auf
eine Vollversorgung.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: In euren Versammlungen könnt ihr solche Märchen erzählen, aber nicht vernünftigen Leuten!)


Das ist menschenverachtend. Die Solidargemeinschaft
muss so bleiben, wie sie jetzt ist. Davon weichen wir nicht
ab; das sage ich in aller Deutlichkeit.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Beiträge werden gesenkt! Das müssen Sie dazu sagen, Herr Urbaniak!)


Ich werde mir erlauben, den Kollegen Merz als „Mister
Zipperlein“ zu bezeichnen. Die Grundlagen der Sozialpo-
litik, insbesondere die der Krankenversicherung,


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Von der Rentenversicherung reden Sie wohl nicht mehr?)


sind bei den Sozialdemokraten gut aufgehoben. Wir wer-
den uns in der Sozialpolitik nicht überholen lassen und
wir warnen die Bevölkerung vor einem verkehrten
Schritt; denn dann würde die Demontage der Sozialpoli-
tik von Ihnen vollzogen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das glaubt im Jahr 2002 keiner mehr!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1423226200
Die Ak-
tuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss un-
serer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundesta-
ges auf morgen, Donnerstag, den 25.April 2002, 9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.