Protokoll:
14197

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 197

  • date_rangeDatum: 7. November 2001

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:50 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einführung und Verwendung eines Kennzeichens für Erzeugnisse des ökolo- gischen Landbaus (Öko-Kennzeichen- gesetz) (Drucksache 14/7254) . . . . . . . . . . . . . . . 19231 A Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: 1. Entwurf eines Gesetzes zur Bekämp- fung des internationalen Terrorismus 19231 B Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19231 B Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19232 B Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19232 B Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19233 D Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19234 A Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 19235 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19235 B Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19235 C Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19235 C Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . . 19235 D Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19235 D Karl-Heinz Scherhag CDU/CSU . . . . . . . . . . 19236 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19236 B Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19236 C Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19236 D Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU . . . . . . . . . . 19237 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19237 B Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 19237 C Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19237 C 2. Freihändige Auftragsvergabe durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19238 A Hans Martin Bury, Staatsminister BK . . . . . . 19238 B Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksache 14/7265) . . . . . . . . . . . . . . . 19238 B Finanzielle Einbußen der Städte und Gemein- den im 3. Quartal 2001 durch Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen MdlAnfr 1 Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 19238 B ZusFr Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU 19238 C ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 19239 A Rücknahme der Erhöhung der Gewehrbesteuer- umlage MdlAnfr 2 Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 19239 C ZusFr Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU 19239 D ZusFr Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19240 D Plenarprotokoll 14/197 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 197. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 7. November 2001 I n h a l t : Menge des in der ehemaligen DDR abgebauten und in die Sowjetunion verbrachten Urans; heutiger Verkaufswert MdlAnfr 3 Martin Hohmann CDU/CSU Antw PStSekr’in Margareta Wolf BMWi . . . . 19241 B ZusFr Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . 19241 C Schlussfolgerungen aus den Untersuchungs- ergebnissen zu Schäden im Bergwald MdlAnfr 4 Ulrich Heinrich FDP Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 19241 D ZusFr Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . 19242 A Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Unter- suchungsergebnisse zu Schäden im Bergwald MdlAnfr 5 Ulrich Heinrich FDP Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 19242 C ZusFr Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . 19242 D Anstieg der Beitragssätze der Berufsgenossen- schaft Bau MdlAnfr 6 Dr. Michael Luther CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 19243 B ZusFr Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . 19243 D Pflichtversicherung für Gebäudereiniger in der Bauberufsgenossenschaft MdlAnfr 7 Dr. Michael Luther CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 19244 B Vereinbarungen mit ehemals in bundeseigener Verwaltung geführten Unternehmen zur Durch- setzung der Gleichstellung von Männern und Frauen MdlAnfr 8 Ina Lenke FDP Antw PStSekr’in Dr. Edith Niehuis BMFSFJ 19244 D ZusFr Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19244 D Einführung einer erweiterten gesetzliche Kran- kenversicherungspflicht für Sozialhilfeemp- fänger MdlAnfr 9 Wolfgang Meckelburg CDU/CSU Antw PStSekr’in Gudrun Schaich-Walch BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19245 C ZusFr Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . 19246 A Bisherige Praxis der Abschiebung ausgewiese- ner Ausländer im Hinblick auf die Umsetzung der UN-Resolutionen Nrn. 1368 und 1373 vom September 2001; geplante Änderungen MdlAnfr 10 Sylvia Bonitz CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 19246 C ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19247 A Maßnahmen für den Katastrophenschutz-Fach- dienst bzw. -Fachbereich Sanitätsdienst für die Kommunen, insbesondere für die Landeshaupt- stadt München MdlAnfr 11 Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 19247 C ZusFr Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . 19248 A Kosten für Umzüge, Trennungsgelder, Dienst- reisen der militärgeographischen Dienststelle im Wehrbereich VII MdlAnfr 19 Georg Janovsky CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19248 D ZusFr Georg Janovsky CDU/CSU . . . . . . . . . 19248 D Erhalt der Außenstelle Leipzig der militärgeo- graphischen Dienststelle im Wehrbereich VII MdlAnfr 20 Georg Janovsky CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19249 B ZusFr Georg Janovsky CDU/CSU . . . . . . . . . 19249 B Auflösung des Luftwaffenausbildungsbatail- lons in Bayreuth MdlAnfr 21 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19249 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 19250 A Auslastung der Markgrafenkaserne in Bayreuth MdlAnfr 22 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19250 B ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 19250 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2001II Rückzug Italiens aus dem europäische Be- schaffungsprojekt des militärischen Transport- flugzeugs A 400 M MdlAnfr 24 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19251 C ZusFr Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . 19251 D Bestellung des militärischen Transportflug- zeugs A 400 M durch die Bundesregierung MdlAnfr 25 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19252 B ZusFr Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . 19252 C Änderung des Gelöbnis- und Eidesformel für die Soldatinnen und Soldaten MdlAnfr 26 Martin Hohmann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19253 A ZusFr Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . 19253 B Aktuelle Sicherheitslage in Mazedonien, ins- besondere für die deutschen Soldaten MdlAnfr 30 Sylvia Bonitz CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19253 C ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19253 D Änderung der Vorschriften für den Einsatz von Spezialisten der Bundeswehr im Inland, insbe- sondere von ABC-Zügen, angesichts der An- thrax-Anschläge in den USA MdlAnfr 31 Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19254 B ZusFr Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . 19254 C Stand des Friedensprozesses in Kolumbien MdlAnfr 35 Wolfgang Gehrcke PDS Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 19255 C ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . 19255 D Vorhaben der US-Regierung bezüglich Auslie- ferung der Guerilla-Anführer in Kolumbien MdlAnfr 36 Wolfgang Gehrcke PDS Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 19256 B ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 19256 C Zusatzpunkt 1: Aktuelle Stunde betr. Anspruch des Bun- deskanzlers, die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent senken zu wollen, angesichts derWirklichkeit steigender Beiträge 19257 A Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19257 B Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 19258 B Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 19260 B Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19261 C Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . 19262 D Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19264 A Thomas Sauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19265 C Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 19267 B Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19268 C Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 19270 A Doris Barnett SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19271 C Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 19273 B Fritz Schösser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19274 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19275 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 19277 A Anlage 2 Haltung des BMI zu den vom BKA vorgeleg- ten Erkenntnissen über die von Osama Bin Laden geführte Organisation al-Qaida und der hierzu ergangenen Entscheidung des General- bundesanwaltes MdlAnfr 12, 13 Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU Antw StSekr Dr. Hansjörg Geiger BMJ . . . . . 19277 B Anlage 3 Beantwortung der Kleinen Anfrage „Differen- zen zwischen Bundeskriminalamt und Gene- ralbundesanwalt“ (Drucksache 14/7117) betr. die Anwendung der §§ 129, 129 a StGB; Ab- lehnung der Einleitung eines Ermittlungsver- fahrens gegen die von Osama Bin Laden ge- führte Organisation al-Qaida MdlAnfr 14, 15 Norbert Geis CDU/CSU Antw StSekr Dr. Hansjörg Geiger BMJ . . . . . 19277 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2001 III Anlage 4 Differenzen zwischen Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt bezüglich der Zustän- digkeiten bei den Ermittlungen zu der von Osama Bin Laden geführten terroristischen Or- ganisation al-Qaida MdlAnfr 16, 17 Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU Antw StSekr Dr. Hansjörg Geiger BMJ . . . . . 19278 B Anlage 5 Beantragung der Aufhebung des Haftbefehls gegen das am 17. Oktober 2001 in Frankfurt am Main festgenommene Führungsmitglied des Kaplan-Verbandes durch den Generalbun- desanwalt MdlAnfr 18 Bernd Wilz CDU/CSU Antw StSekr Dr. Hansjörg Geiger BMJ . . . . . 19278 C Anlage 6 Herabsetzung der bereits reduzierten und von der NATO geforderten Zahl von Mindestflug- stunden für Bundeswehrpiloten MdlAnfr 23 Hildebrecht Braun (Augsburg) FDP Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19279 A Anlage 7 Kosten für im Rahmen der Asienreise durchge- führte Ausflüge des Verteidigungsministers Scharping mit der Flugbereitschaft nach Jaipur und Agra MdlAnfr 27 Dietrich Austermann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19279 B Anlage 8 Verzögerungen bei der Übertragung von bisher durch die Bundeswehr wahrgenommenen Auf- gabenbereichen auf Dritte; Vertragsverhand- lung zum Liegenschafts-, Bekleidungs- und Flottenmanagement der Bundeswehr mit nicht staatlichen Unternehmen MdlAnfr 28, 29 Günther Friedrich Nolting FDP Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 19279 C Anlage 9 Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kom- mission wegen Nichtumsetzung der EU-Richt- linie 1999/35/EG betr. Überprüfungen hin- sichtlich des sicheren Betriebs von Fahrgast- schiffen im Linienverkehr MdlAnfr 32, 33 Hans-Michael Goldmann FDP Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW . . . 19280 A Anlage 10 Flugschneisen über deutschem Staatsgebiet zum Flughafen Zürich-Kloten; Sicherheit der in diesem Gebiet befindlichen kerntechnischen Anlagen MdlAnfr 34 Thomas Dörflinger CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW . . . 19280 B Anlage 11 Kontakte zwischen CIAund Osama Bin Laden in Dubai im Juli 2001; Verwendung von Clus- terbomben des Typs „CBU-89 Gator“ in Af- ghanistan durch die US-Luftwaffe MdlAnfr 37, 38 Carsten Hübner PDS Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 19280 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2001IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2001 Fritz Schösser 19275 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2001 19277 (C) (D) (A) (B) Behrendt, Wolfgang SPD 7.11.2001* Bierwirth, Petra SPD 7.11.2001 Brinkmann (Detmold), SPD 7.11.2001 Rainer Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 7.11.2001** Klaus Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 7.11.2001 Frick, Gisela FDP 7.11.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 7.11.2001 Peter Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 7.11.2001 Göllner, Uwe SPD 7.11.2001 Gröhe, Hermann CDU/CSU 7.11.2001 Kortmann, Karin SPD 7.11.2001 Lippmann, Heidi PDS 7.11.2001 Lörcher, Christa SPD 7.11.2001* Maaß (Herne), Dieter SPD 7.11.2001 Moosbauer, Christoph SPD 7.11.2001 Opel, Manfred SPD 7.11.2001 Reichard (Dresden), CDU/CSU 7.11.2001 Christa Schenk, Christina PDS 7.11.2001 Schily, Otto SPD 7.11.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 7.11.2001 Simm, Erika SPD 7.11.2001 Dr. Spielmann, Margrit SPD 7.11.2001 Sterzing, Christian BÜNDNIS 90/ 7.11.2001 DIE GRÜNEN Straubinger, Max CDU/CSU 7.11.2001 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 7.11.2001 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 7.11.2001 DIE GRÜNEN Welt, Jochen SPD 7.11.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 7.11.2001* entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Hat sich das Bundesministerium des Innern, nachdem es durch das Bundeskriminalamt (BKA) mit Bericht vom 20. April 2000 über die in Deutschland vorhandenen Erkenntnisse zu der von Osama Bin Laden geführten Organisation „al-Qaida“ und die hierzu ergangene Entscheidung des Generalbundesanwaltes un- terrichtet worden war, der Annahme eines strafrechtlich relevan- ten Anfangsverdachts angeschlossen, und weshalb ist die Bun- desregierung insoweit eine Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU „Differenzen zwischen Bundeskriminal- amt und Generalbundesanwalt“ (Bundestagsdrucksachen 14/7117 und 14/7247, Frage 6) schuldig geblieben? Ist der Bundesregierung bekannt, dass der Sprecher des BKA in der am 2. Oktober 2001 aufgezeichneten ARD-Sendung „Kon- traste“ – über die Antwort der Bundesregierung zu Frage 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU „Differenzen zwi- schen Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt“ (Bundes- tagsdrucksachen 14/7117 und 14/7247) hinaus – erklärt hat, dass es aufgrund der Erkenntnisse (über die von Osama Bin Laden ge- führte terroristische Organisation) aus Sicht des BKA „angezeigt (war), dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird“, und falls ja, sieht sie darin etwas anderes als die Annahme eines Anfangs- verdachts durch das BKA? Zu Frage 12: Die Bundesregierung hat bereits in der Antwort auf Frage 6 der von Ihnen zitierten Kleinen Anfrage darge- legt, dass das BKA das BMI über seine Erkenntnisse und die Entscheidung des GBAunterrichtet hat. Ich will diese Antwort gerne um die Bemerkung ergänzen, dass die Ent- scheidung darüber, ob ein Anfangsverdacht für die Ein- leitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vor- liegt, ausschließlich durch den GBA getroffen wird. Zu Frage 13: Auch zu dieser Frage darf ich zunächst auf die Beant- wortung der von Ihnen genannten Kleinen Anfrage durch die Bundesregierung hinweisen. Sodann darf ich an meine vorherige Antwort hier anknüpfen: Die entsprechende Entscheidung obliegt allein dem GBA, und in der Antwort auf Frage 5 der Kleinen Anfrage hat die Bundesregierung bereits ausgeführt, dass mit den von Ihnen zitierten Hin- weisen aus dem BKA keine Bewertung dieser Entschei- dung verbunden war. Anlage 3 Antwort des Staatssekretärs Dr. Hansjörg Geiger auf die Fragen des Abgeordneten Norbert Geis (CDU/CSU) (Druck- sache 14/7265), Fragen 14 und 15): Wann hat die Bundesregierung das BKA einerseits sowie den Generalbundesanwalt andererseits um Stellungnahmen zur Er- weiterung des Anwendungsbereichs der §§ 129, 129 a des Straf- gesetzbuches (StGB) gebeten, und weshalb ist die Bundesregie- rung insoweit eine Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU „Differenzen zwischen Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt“ (Bundestagsdrucksachen 14/7117 und 14/7247, Frage 11) schuldig geblieben? Hat der Generalbundesanwalt die Ablehnung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auf der Grundlage der Berichte des BKA vom 20. Januar 2000 und vom 8. Juni 2000 über die in Deutschland vorhandenen Erkenntnisse zu der von Osama Bin Anlage 2 Antwort des Staatssekretärs Dr. Hansjörg Geiger auf die Fragen des Abgeordneten Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU) (Drucksache 14/7265, Fragen 12 und 13): Laden geführten Organisation „al-Qaida“ auch damit begründet, dass die Strafbarkeit gemäß §§ 129, 129 a StGB nach geltendem Recht voraussetzt, dass die betreffende kriminelle oder terroristi- sche Vereinigung zumindest in Form einer Teilorganisation im Bundesgebiet besteht, und falls ja, weshalb hat sich die Bundes- regierung erst nach dem 11. September 2001 veranlasst gesehen, eine entsprechende Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen? Zu Frage 14: Das BMI hat das BKAum Stellungnahme gebeten. Das BKAhat sich für eine Erweiterung im Sinne des Wortlauts des neuen § 129 b StGB (aktueller Entwurf der Bundes- regierung) ausgesprochen. Das BMJ hat den GBA am 19. April 1999 zur Erweiterung der §§ 129, 129 a StGB auf den Bereich der EU förmlich beteiligt. Der GBA hat diese Erweiterung mit Stellungnahme vom 30. Juli 1999 befürwortet. Eine förmliche Beteiligung des Generalbun- desanwalts zur weltweiten Ausdehnung der genannten Vorschriften ist schon allein deshalb unterblieben, weil der Bundesregierung die insoweit befürwortende Haltung bekannt war. Zu Frage 15: Der Generalbundesanwalt hat auch die von Ihnen ge- nannte Begründung herangezogen; daneben stützte sich seine Ablehnung darauf, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Aufnahme von Ermittlungen vor- liegen müssen. Wie die Bundesregierung bereits in der Antwort auf vorige Frage der von Ihnen zitierten Kleinen Anfrage ausgeführt hat, ändert sich an dieser ganz grundsätzlichen Voraussetzung auch durch den Entwurf des § 129 b StGB nichts. Anlage 4 Antwort des Staatssekretärs Dr. Hansjörg Geiger auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) (Druck- sache 14/7265, Fragen 16 und 17): Haben die Berichte des BKA vom 20. Januar 2000 und vom 8. Juni 2000 einen Anfangsverdacht für Straftaten außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Generalbundesanwalts begründet, und falls ja, wie ist insoweit dem Legalitätsprinzip im Allgemei- nen und den Vorschriften der § 152 Abs. 2, § 163 Abs. 2 der Straf- prozessordnung im Besonderen Rechnung getragen worden? Welchen Wahrheitsgehalt hat die Meldung der Nachrichten- agentur „dpa“ vom 8. Oktober 2001, wonach der Bundesminister des Innern, Otto Schily, sowie der Chef des Bundeskanzleramtes, Dr. Frank-Walter Steinmeier, dem Generalbundesanwalt nahe ge- legt hätten, die Ermittlungen engagierter voranzutreiben, und weshalb ist die Bundesregierung insoweit eine Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU „Differenzen zwi- schen Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt“ (Bundes- tagsdrucksachen 14/7117 und 14/7247, Frage 17) schuldig ge- blieben? Zu Frage 16: Die von Ihnen genannten Berichte dienten naturgemäß der Überprüfung eines Anfangsverdachts nach § 129 a StGB. Wie bereis in der Antwort zu Frage 1 der hier in Ih- rer zweiten Frage zitierten Kleinen Anfrage dargelegt, hat der Generalbundesanwalt seinerzeit festgestellt, dass die in den Berichten mitgeteilten Erkenntnisse keinen ent- sprechenden Anfangsverdacht begründen. In der Antwort auf die Frage 3 der Kleinen Anfrage ist indessen weiter ausgeführt, dass der GBA im Lichte neuer Erkenntnisse inzwischen Ermittlungsverfahren eingleitet hat, die auch einen Teil der in den Berichten des BKAgenannten Kom- plexe umfassen. Vor dem Hintergrund dieser laufenden Verfahren darf ich um Ihr Verständnis bitten, wenn ich in- soweit nicht weiter auf Details eingehe. Zu Frage 17: Ich darf die Antwort auf Frage 17 der von Ihnen ge- nannten Kleinen Anfrage wiederholen und wörtlich zitie- ren: „Die Bundesrgierung erwartet von allen mit der Er- mittlung und Verfolgung des Terrorismus beauftragten Behörden volles Engagement und den Einsatz aller ver- fügbaren Kräfte bei der Aufklärung der Terroranschläge. Sie haben dabei die uneingeschränkte Unterstützung der Bundesregierung.“ Anlage 5 Antwort des Staatssekretärs Dr. Hansjörg Geiger auf die Frage des Abgeordneten Bernd Wilz (CDU/CSU) (Drucksache 14/7265, Frage 18): Trifft es zu, dass der Generalbundesanwalt die Aufhebung des Haftbefehls gegen das am 17. Oktober 2001 in Frankfurt am Main festgenommene Führungsmitglied des Kaplan-Verbandes bean- tragen musste, nachdem sich ein vermeintlicher ABC-Schutzan- zug als harmloses Regencape, ein vermeintlicher Abschiedsbrief als bloßer Liebesbrief und vermeintliche Materialien zur Herstel- lung eines Sprengsatzzünders als „Glücksbringer“ entpuppt haben sollen (vergleiche unter anderem „Süddeutsche Zeitung“ vom 2. November 2001), und wenn ja, wie kamen der Generalbundes- anwalt, der Bundesgrenzschutz sowie das BKA zu den ursprüng- lichen Annahmen? Ihre Frage greife ich gerne auf, auch wegen einiger Un- klarheiten und Unvollständigkeiten in der von Ihnen zi- tierten Presseberichterstattung, soweit es um den tatsäch- lichen Ablauf der Geschehnisse geht. Es trifft zu, dass der Generalbundesanwalt die Aufhebung des Haftbefehls gegen das in Ihrer Frage genannte Mitglied des Kaplan- Verbandes beantragt und die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes am 30. Oktober antragsgemäß ent- schieden hat. Vorausgegangen war Folgendes: Nach seiner Fest- nahme auf dem Flughafen Frankfurt am Main war das Mitglied des Kaplan-Verbandes der zuständigen Ermitt- lungsrichterin des Amtsgerichts Frankfurt am Main durch die dortige Staatanwaltschaft vorgeführt worden. Auf der Basis der Bewertung der vorgefundenen Gegenstände durch die Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums Frankfurt erließ die Ermittlungsrichterin des Amtsge- richts Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts – ich zitiere – „der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereini- gung (§ 129 StGB)“ und anderer Straftaten. Die Tatsa- chen, die das Amtsgericht in seinem Haftbefehl aufge- führt hatte, sowie ihre Bewertungen zeigten jedoch, dass Gegenstand des Haftbefehls tatsächlich der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a StGB) war. Für derartige Verfahren ist allein der General- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 200119278 (C) (D) (A) (B) bundesanwalt zuständig, der deshalb auch dieses Verfah- ren von der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main über- nehmen musste. Da die Auswertung der Asservate durch das Bundeskriminalamt ergab, dass sich der dringende Tatverdacht nicht aufrechterhalten ließ, der Vorausset- zung für die Fortdauer der Untersuchungshaft war, hat der Generalbundesanwalt die Aufhebung des Haftbefehls be- antragt und nach der antragsgemäßen Entscheidung un- verzüglich die Freilassung des Beschuldigten angeordnet. Ich habe bewusst betont, dass sich der dringende Tatver- dacht nicht aufrechterhalten ließ und deshalb natürlich die Freilassung des Beschuldigten erfolgen musste. Davon unberührt bleibt der Anfangsverdacht, der nach wie vor besteht und weitere Ermittlungen nach sich ziehen muss. Diese Ermittlungen des Generalbundesanwalts dauern an. Ich muss Sie deshalb um Verständnis dafür bitten, dass ich Ihre Frage zur Bewertung der sichergestellten Gegen- stände aus ermittlungstaktischen Gründen nicht beant- worten kann. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage des Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg) (FDP) (Drucksache 14/7265, Frage 23): Trifft es zu, dass die für die Bundeswehr verbindlichen 150 Min- destflugstunden pro Jahr bereits um ein Sechstel unter den von der NATO geforderten 180 Mindeststunden liegen und die Bundes- wehrführung gegenwärtig ernsthaft darüber nachdenkt, die für die Sicherheit der Flugbesatzungen außerordentlich wichtige Min- destflugstundenzeit aus finanziellen Gründen trotz der keines- wegs unwahrscheinlichen Einsätze angesichts der unsicheren Lage in der Welt auf 120 Flugstunden herabzusetzen? Die NATO fordert seit vielen Jahren als Standard für die Luftfahrzeugbesatzungen von Kampfflugzeugen 180 Flugstunden pro Jahr. Von der Luftwaffe waren bis- her circa 150 Flugstunden für Kampfflugzeugbesat- zungen auf dem System Tornado realisierbar, dies gilt für die 80er- wie für die 90er-Jahre. Minister Scharping hat die Anhebung der jährlichen Flugstunden für die Einsatz- Luftfahrzeugbesatzungen auf den von der NATO gefor- derten Wert von 180 Flugstunden gebilligt, um den Aus- bildungsstand noch zu erhöhen. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/CSU) (Drucksache 14/7265, Frage 27): Trifft es zu, dass anlässlich der dienstlichen Asienreise des Bundesministers der Verteidigung, Rudolf Scharping, hohe zu- sätzliche Kosten durch Ausflüge mit der Flugbereitschaft nach Jaipur zum „Palast der Winde“ und Agra (Taj Mahal) verursacht wurden? Bundesminister Scharping war vom 17. bis 26. Februar 2001 auf Einladung der jeweiligen Regierungen zu politi- schen Gesprächen in China und Indien. Dabei führte er am Donnerstag und Freitag, den 22. und 23. Februar 2001, politische Gespräche in New Delhi, die am 26. Februar 2001 fortgesetzt wurden. Minister Scharping traf am Montag den indischen Premierminister, den Innenmi- nister, die Oppositionsführerin, Frau Gandhi, und die In- spekteure der Teilstreitkräfte. Am Wochenende besuchte er auf Einladung der indischen Regierung Jaipur und Agra. Dort waren Treffen mit Regionalpolitikern und Me- dienvertretern sowie Kulturprogramme Bestandteile des offiziellen Besuchsprogramms. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting (FDP) (Drucksache 14/7265, Fragen 28 und 29): In welchen Tätigkeitsfeldern kann die Bundesregierung den Zeitplan für die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb zur Übertragung von bisher durch die Bundeswehr wahr- genommenen Aufgabenbereichen auf Dritte einhalten, und wo- durch sind eventuelle Verzögerungen verursacht worden? Mit welchen nicht-staatlichen Unternehmen befindet sich die Bundeswehr auf den Tätigkeitsfeldern Liegenschafts-, Beklei- dungs- und Flottenmanagement zurzeit in konkreten Vertragsver- handlungen, und wann erwartet die Bundesregierung erste, bezif- ferbare Effizienzgewinne aus diesen Verträgen? Zu Frage 28: Beim Liegenschafts-, Bekleidungs- und Flottenmana- gement sind die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen in den Regierungsentwurf des Einzelplans 14/2002 einge- stellt oder sollen im Rahmen der abschließenden par- lamentarischen Beratungen noch eingebracht werden. Gleiches gilt für das Informationstechnikprojekt „HERKULES“. Die Aufnahme der Geschäftstätigkeit durch zu gründende Gesellschaften in den Tätigkeitsfel- dern Liegenschafts- und Flottenmanagement wie auch des Bekleidungsmanagements ist abhängig von der Zu- stimmung des Bundesministers der Finanzen zur Gesell- schaftsgründung nach § 65 der Bundeshaushaltsordnung. Eine Aufnahme der Geschäftstätigkeit ist für 2002 vorge- sehen. Zu Frage 29: In den Tätigkeitsfeldern Bekleidungs- und Liegen- schaftsmanagement befindet sich die Bundeswehr mit keinem nicht staatlichen Unternehmen in Vertragsver- handlungen. Im Bereich des Flottenmanagements führt die GEBB Verhandlungen zur Gründung einer Gesell- schaft. Absicht ist es, durch Reduzierung den Bestand der Bundeswehr an ungepanzerten Radfahrzeugen an die neue Struktur anzupassen, darüber hinaus den Fahrzeug- park zu verringern und dadurch Investitionsmittelbedarf zur Beschaffung von Radfahrzeugen zu reduzieren, die jährlichen Fahrleistungen der kleineren Fahrzeugflotte durch Pool-Bildung und moderne Managementmethoden zu erhöhen und die Truppe von der Verantwortung für nicht im täglichen Ausbildungsbetrieb benötigte Fahr- zeuge zu entlasten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 2001 19279 (C) (D) (A) (B) Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stephan Hilsberg auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Michael Goldmann (FDP) (Drucksache 14/7265, Fragen 32 und 33): Ist der Bundesregierung bekannt, ob die EU-Kommission ge- gen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsver- fahren wegen der Nichtumsetzung der Richtlinie 1999/35/EG des Rates vom 29. April 1999 über ein System verbindlicher Über- prüfungen im Hinblick auf den sicheren Betrieb von Ro-Ro-Fahr- gastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen im Linienverkehr eingeleitet hat? Wenn ja, wie und wann wurde die Bundesregierung von der EU-Kommission davon in Kenntnis gesetzt? Zu Frage 32: Die Bundesregierung hat die entsprechende Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP (Drucksache 14/6406) über das Seeunfalluntersuchungsgesetz wie folgt beantwortet (Drucksache 14/6678 vom 10. Juli 2001): „Die Kommission hat sich davon überzeugt, dass mit der frühzeitigen Vorbereitung und zügigen Zuleitung des Entwurfs des Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetzes durch die Bundesregierung an die gesetzgebenden Kör- perschaften die notwendigen Schritte zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie 1999/35/EG eingeleitet worden sind, sodass sie in der Erwartung, dass das Gesetz jetzt in kürzester Frist beschlossen wird, von ultimativen weite- ren Schritten vorerst abgesehen hat.“ Da der Bundes- regierung bisher kein Schreiben über die Einleitung eines Vertragsverstoßverfahrens vorliegt, geht sie davon aus, dass der in ihrer Antwort dargestellte Sachverstand wei- terhin zutrifft. Zu Frage 33: Die Bundesregierung wurde, wie aus der soeben erteil- ten Antwort zur Frage 6 hervorgeht, von der EU-Kom- mission nicht von der Erhebung eines Vertragsverlet- zungsverfahrens in Kenntnis gesetzt. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stephan Hilsberg auf die Frage des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/CSU) (Drucksache 14/7265, Frage 34): Ist der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesministe- rium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, bekannt, dass die im deutsch-schweizerischen Staatsvertrag betreffend die An- und Abflüge beim Flughafen Zürich-Kloten über deutsches Staatsgebiet festgelegten An- und Abflugschneisen über ein Ge- biet führen, in dem sich mit Leibstadt, Beznau I, Beznau II, Gösgen und Würenlingen mehrere kerntechnische Anlagen befin-den, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Tatsache untersicherheitstechnischen Vorzeichen? Bei der Beurteilung des Überfluges von kerntechni- schen Anlagen der Schweiz durch zivile Luftfahrzeuge geht die Bundesregierung von den gleichen Grundsätzen aus, wie sie in Deutschland Anwendung finden: Durch derartige Anlagen wird der Luftverkehr grundsätzlich nicht beschränkt. Lediglich für die in der ehemaligen DDR liegenden kerntechnischen Anlagen in Greifswald, Rheinsberg und Rossendorf sowie die Kernforschungs- zentren Karlsruhe oder Jülich sind Gebiete mit Flugbe- schränkungen im Umkreis von 2 nautischen Meilen von Grund bis 2 300 Fuß (circa 700 Meter) über Grund ein- gerichtet. Weiterhin gilt bei Flügen nach Sichtflugregeln nach § 6 Abs. 3 der Luftverkehrsordnung die Einhaltung einer Überlandflughöhe von mindestens 600 Meter (2 000 Fuß) über Grund. Für Flüge nach Instrumenten- flugregeln sind weit höhere Mindestflughöhen vor- geschrieben. Der Überflug des kontrollierten Luftver- kehrs im deutschschweizerischen Grenzbereich findet zum Beispiel in einer Mindesthöhe von 6 000 Fuß (circa 1 830 Meter) über NN statt. Anlage 11 Antwort des Staatsministers Dr. Ludger Volmer auf die Fragen des Abgeordneten Carsten Hübner (PDS) (Drucksache 14/7265, Fragen 37 und 38): Kann die Bundesregierung anhand eigener Informationen denBericht der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ vom 31. Ok-tober 2001 bestätigen, nach dem es im Juli 2001 Kontakte zwi-schen der CIA (Central Intelligence Agency) und Osama Bin Laden in Dubai gegeben haben soll und dabei auch mögliche An-schläge thematisiert worden sein sollen? Kann die Bundesregierung Informationen der US-amerika-nischen Tageszeitung „New York Times“ vom 11. Oktober 2001bestätigen, nach denen die US-Luftwaffe bei ihren Militärak-tionen in Afghanistan auch Clusterbomben des Typs „CBU-89Gator“ verwenden, in denen sich neben 72 Antifahrzeugminenauch jeweils 22 Antipersonenminen befinden, deren Einsatz nachdem Abkommen von Ottawa geächtet ist? Zu Frage 37: Zu einer möglichen Begegnung zwischen der CIA und Osama Bin Laden in Dubai liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Zu Frage 38: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse da- rüber vor, ob die US-Luftwaffe im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ Streubomben des Typs „CBU-89 Gator“ eingesetzt hat. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. November 200119280 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419700000
Guten Tag, liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein-
führung und Verwendung eines Kennzeichens für

(ÖkoKennzeichengesetz – ÖkoKennzG –)

– Drucksache 14/7254 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
wirtschaft (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Interfraktionell ist vereinbart worden, dass eine Aus-
sprache nicht erfolgen soll. – Ich sehe, Sie sind alle damit
einverstanden. Wir kommen damit sofort zur Überwei-
sung.

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 14/7254 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es ander-
weitige Vorschläge? – Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Bekämpfung des internationalen Terrorismus.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister des Innern, Otto Schily.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419700100
Frau Präsi-
dentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Wir stehen
noch immer unter dem Eindruck der schrecklichen Ereig-
nisse des 11. September 2001 in New York und Washing-
ton. Für alle ist auf diese Weise erkennbar geworden, wel-
che tiefen Dimensionen die Gefahr aus dem Bereich des
internationalen Terrorismus gewonnen hat.

Aus diesem Grunde ist es erforderlich, dass der Staat
seine Verantwortung wahrnimmt und die Möglichkeiten
der Sicherheitsbehörden in unserem Lande und selbstver-
ständlich auch im internationalen Verbund zur Früherken-
nung von Strukturen des internationalen Terrorismus und
auch zur Sicherung von Maßnahmen verbessert. Es ist
notwendig, Personen, die in diese Netzwerke verstrickt
sind, den Zugang zum Territorium der Bundesrepublik
Deutschland zu verweigern. Für den Fall, dass sich solche
Personen schon hier aufhalten und wir darüber Erkennt-
nisse erhalten, ist es ebenfalls notwendig, sie des Landes
zu verweisen.

Ich will mich bei dem Deutschen Bundestag noch ein-
mal dafür bedanken, dass die Maßnahmen in dem so ge-
nannten ersten Sicherheitspaket im großen Einvernehmen
beschlossen werden konnten. Dazu gehören die Neu-
regelung in § 129 b des Strafgesetzbuches und die Besei-
tigung des so genannten Religionsprivilegs im Vereins-
recht.

Das heute im Kabinett beschlossene so genannte
zweite Sicherheitspaket enthält weitere wichtige Neu-
regelungen, durch die beispielsweise den Sicherheits-
behörden, also dem Verfassungsschutz, dem Militäri-
schen Abschirmdienst und dem Bundesnachrichtendienst,
die Möglichkeit gegeben wird, Informationen über die
Struktur des Terrorismus zu gewinnen, insbesondere über
die Strukturen finanzieller Transaktionen und über Reise-
bewegungen. Man muss sich einmal vergegenwärtigen,
welche Erkenntnisse wir aus dem in Gang befindlichen
Ermittlungsverfahren gegen Atta und andere erhalten.
Dies unterstützt nachdrücklich unsere Forderung nach
einem besseren Zugang zu solchen Informationen. Sie er-
lauben nämlich die Erstellung eines Profils, aufgrund des-
sen eine Früherkennung terroristischer Vorbereitungs-
maßnahmen ermöglicht wird.

Wir haben auch die im Passgesetz und im Personalaus-
weisgesetz bestehende Sperre für die Einfügung biome-
trischer Merkmale in Ausweispapiere aufgehoben. Wir
haben gleichfalls in dem Gesetzespaket vorgesehen, dass
der Bundestag entscheiden soll, welche Möglichkeiten
der Umsetzung bestehen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt
ist es wichtiger, bei Visaanträgen und Aufenthaltstiteln die

19231


(C)



(D)



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(B)


197. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 7. November 2001

Beginn: 13.00 Uhr

Möglichkeit für biometrische Maßnahmen zur Identitäts-
sicherung zu schaffen. Das wird durch das beabsichtigte
Gesetzeswerk ermöglicht.

Wir haben in dem Gesetzespaket ferner vorgesehen,
dass in sensiblen Bereichen der Infrastruktur Sicher-
heitsüberprüfungen vorgenommen werden. Sie wissen
vielleicht, dass ich systematisch mit den Leitungen aller
Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, Gespräche
geführt habe. Ein wesentlicher Teil meiner Bemühungen
zielt darauf ab, das Personal auf seine Zuverlässigkeit hin
zu überprüfen.

Wir haben ebenfalls Möglichkeiten eines besseren Da-
tenaustausches zwischen Ausländerbehörden und Aus-
landsvertretungen auf der einen Seite und Polizeibehör-
den auf der anderen Seite geschaffen. Wir haben den
Bundesgrenzschutz mit besseren Befugnissen ausgestat-
tet. Unter anderem haben wir gesetzlich die Möglichkeit
eröffnet, eine spezielle Einheit für die Flugbegleitung
aufzustellen. Schließlich haben wir ihm ermöglicht, seine
Kontrollfunktion besser wahrzunehmen.

Als Letztes will ich erwähnen, dass wir über die Ab-
schaffung des Religionsprivilegs hinaus verbesserte Mög-
lichkeiten schaffen, extremistische Vereinigungen, die
sich meistens in der Nachbarschaft zum Terrorismus be-
finden, zu verbieten. Auch das gehört in den Bereich der
Maßnahmen, die wir mit diesem Kabinettsentwurf be-
schlossen haben.

Frau Präsidentin, ich denke, das mag als Einführung
genügen.

Vielen Dank.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419700200
Danke, Herr Minister.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem aufgerufenen The-

menkomplex zu stellen, und bitte um Wortmeldungen. –
Ich erteile Herrn Kollegen Eckart von Klaeden das Wort.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1419700300
Herr Minister,
zunächst herzlichen Dank für Ihren Bericht.

Ich habe zwei Fragen, und zwar zunächst eine rechtli-
che Frage: Es gibt ja Streit darüber, wie ein dem Anschlag
auf das World Trade Center vergleichbarer Fall in
Deutschland verfassungsrechtlich zu fassen wäre. Also:
Wie kann ein Angriff mit einem zivilen Flugobjekt auf ein
ziviles Ziel verhindert werden? Das ist meine erste Frage.

Meine zweite Frage bezieht sich auf die Regelanfrage
beim Verfassungsschutz bei Einbürgerungen oder bei der
Erteilung eines längeren Aufenthaltstitels. Wird es diese
Regelanfrage geben oder nicht?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419700400
Vielleicht
darf ich zunächst Ihre zweite Frage beantworten: Sie wis-
sen, dass wir imRahmen der Reform des Staatsangehörig-
keitsrechts eine Verschärfung vorgesehen haben. Ich will
mich auch noch einmal dafür bedanken, dass Herr Kollege
von Klaeden dieses Vorhaben positiv begleitet hat.

Ich glaube, es ist notwendig, Ausländern nur unter der
Voraussetzung, dass sie eine klare Loyalität zu unserem

Grundgesetz, zu unserer Verfassung, unter Beweis stellen,
den Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft zu ermög-
lichen. In diesem Zusammenhang haben wir mehrere
Maßnahmen vorgesehen: eine Loyalitätserklärung und
zugleich eine Überprüfung, ob die Verfassungstreue ge-
währleistet ist. Wir haben es den Ländern überlassen, in
welcher Form sie das bewerkstelligen wollen. Viele Län-
der haben eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor-
genommen. Inzwischen ist das praktisch ausnahmslos der
Fall, und zwar aufgrund einer Verabredung im Kreise der
Innenminister. Eine Ausnahme bilden die Länder, bei de-
nen eine gesetzliche Regelung fehlt. Zu diesen Ländern
gehört beispielsweise Sachsen. Aber Sachsen hat in-
zwischen diese gesetzliche Lücke geschlossen und wird
aufgrund einer gesetzlichen Neuregelung die Regelan-
frage beim Verfassungsschutz einführen.

Zu Ihrer ersten Frage: Ich weiß nicht, welches ver-
fassungsrechtliche Problem Sie meinen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Der Einsatz der Bundeswehr ist der Hintergrund der öffentlichen Debatte!)


– Sie meinen das also unter dem Gesichtspunkt des Ein-
satzes der Bundeswehr.

Ich glaube nicht, dass wir über das Thema der Terro-
rismusbekämpfung unter diesem Gesichtspunkt diskutie-
ren sollten. Wir sollten – das habe ich mehrfach öffentlich
gesagt – unsere Bemühungen nicht darauf konzentrieren,
was zu tun ist, wenn sich ein Zivilflugzeug einem Hoch-
haus bedrohlich nähert. Meine persönliche Auffassung
ist: Dann ist es zu spät. Wir sollten unsere Bemühungen,
wie gesagt, nicht auf diesen Fall konzentrieren.

Ich möchte die Bundeswehrleitung nicht in die schwie-
rige Situation hineinmanövrieren, in der sie entscheiden
muss, ob sie ein entführtes Flugzeug abschießen soll oder
nicht; denn die Erfahrung zeigt: Viele Entführungsfälle
sind glimpflich abgelaufen. Nicht auszudenken wäre es,
wenn ein entführtes Flugzeug abgeschossen würde und
man hinterher feststellen müsste, dass man den Entführer
hätte entwaffnen können. Ich glaube, die Diskussion über
die Möglichkeit, entführte Flugzeuge abzuschießen, führt
uns auf den falschen Weg.

Wir sollten unsere gesamten Bemühungen auf die Ver-
hinderung von Flugzeugentführungen konzentrieren.
Deshalb ist es richtig, wenn wir uns sehr intensiv um die
Beantwortung der Frage bemühen: Wie kann ein tief ge-
staffeltes Sicherheitssystem im Flugverkehr funktionie-
ren? Wir können uns in Deutschland rühmen, dass wir im
internationalen Vergleich mit das beste Sicherheitssystem
haben. Trotzdem reicht uns das natürlich nicht. Wir müs-
sen einen internationalen Verbund zustande bringen, da-
mit die Sicherheitsstandards, die in unserem Land gelten
und die wir noch weiter entwickeln werden, im gesamten
internationalen Flugverkehr zur Regel werden.

Tief gestaffeltes Sicherheitssystem heißt, dass wir Re-
dundanz schaffen, Herr von Klaeden. Ich wähle in diesem
Zusammenhang immer gerne den Vergleich mit einem
Kernkraftwerk: Wenn das erste Kühlsystem ausfällt, dann
muss sich ein zweites einschalten. Wenn auch das zweite
ausfällt, muss es ein drittes geben. Es ist eine Frage des




Bundesminister Otto Schily
19232


(C)



(D)



(A)



(B)


Sachverstandes und der Wahrscheinlichkeitsrechnung,
wie viele Kühlsysteme hintereinander geschaltet werden
müssen, um den höchsten Sicherheitsgrad, der gewähr-
leistet werden kann, zu erreichen.

Ähnliches gilt auch für den Flugverkehr. Deshalb ha-
ben wir mehrere Maßnahmen auf den Weg gebracht, und
zwar schon bevor ich dieses Sicherheitspaket vorgelegt
habe: Das Personal auf den Flughäfen wird gründlich und
sorgfältig überprüft. Die Gepäckkontrollen sind ver-
schärft worden. Es werden bereits jetzt im Rahmen des-
sen, was rechtlich möglich ist, Flugbegleiter eingesetzt,
ohne dass natürlich vorher bekannt gegeben wird, auf
welchen Flügen sie eingesetzt werden. Wir haben auch
dafür gesorgt, dass das Fluggerät – für Fragen der Tech-
nik ist eher der Kollege Bodewig zuständig – technisch
ertüchtigt wird. Es geht hierbei zum Beispiel um die Ka-
binentür. Des Weiteren sollen beim Transponder Vorkeh-
rungen getroffen werden, die verhindern, dass ein ent-
führtes Flugzeug den Radarbereich verlassen kann.

Manche technischen Neuerungen, die jetzt vorgeschla-
gen werden, halte ich persönlich für nicht nützlich, bei-
spielsweise dass durch einen Automatismus, der nur noch
von der Bodenkontrolle gestoppt werden kann, ein Flug-
zeug auf den Geradeausflug zurückgeführt wird. Alle
Sachverständigen, mit denen ich gesprochen habe – da-
runter waren auch Piloten –, waren der Meinung, dass ein
solcher Automatismus nur die Gefährdung vergrößern
würde.

Ich glaube, dass diese Maßnahmen eher geeignet sind
als beispielsweise das Aufstellen von Flak neben dem
Potsdamer Platz oder die Bereithaltung eines Geschwa-
ders von Jagdflugzeugen für den Fall, dass sich ein ent-
führtes Flugzeug nähert.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419700500
Herr von Klaeden hat
das Wort für eine kurze Nachfrage. Ich muss aber auf die
Uhr gucken, weil es eine Reihe von Wortmeldungen gibt.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1419700600
Ohne dass ich hier
öffentlich Anregungen geben möchte, will ich nur fest-
stellen: Eine solche Gefährdungssituation kann natürlich
auch eintreten, ohne dass eine Flugzeugentführung statt-
findet, und dann sind die Sicherungsmaßnahmen, die Sie
genannt haben, zum großen Teil nicht wirksam.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419700700
Nur damit
wir uns jetzt richtig verstehen, Herr von Klaeden: Meinen
Sie eine Gefährdung für Hochhäuser allgemein?


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1419700800
Es müssen nicht
unbedingt Hochhäuser sein, es können auch andere be-
sonders gefährdete Einrichtungen sein. Es muss auch
nicht unbedingt ein großes Passagierflugzeug sein, das
dazu verwandt wird.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419700900
Wenn es sich
zum Beispiel um einen Bomber handelt,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Oder eine kleine Maschine!)


dann stellt sich natürlich die Frage: Wie ist die Überwa-
chung des Flugverkehrs? In einem solchen Fall hat die
Bundeswehr meiner Meinung nach bereits nach gelten-
dem Recht die Möglichkeit, einzugreifen. – Wenn es da
Unklarheiten geben sollte, bin ich gern bereit, darüber zu
reden; wir haben darüber im Bundestag auch schon de-
battiert.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Da sind wir einer Meinung!)


Das, was wir an Sicherheitsstrukturen aufbauen, müs-
sen wir so ordnen, dass der Gefahr damit am ehesten be-
gegnet werden kann. Darüber, dass wir nicht in der Lage
sind, nun jedes Gebäude mit einem Sicherheitsschirm,
vielleicht einem Raketenschirm oder etwas Ähnlichem
– was immer man sich da ausdenkt –, zu versehen, be-
steht, glaube ich, Übereinstimmung. Wir tun alles, was
möglich ist, übrigens auch unter Einbeziehung der Bun-
deswehr, um heute sicherheitsgefährdete Bereiche, auch
Gebäudekomplexe, zu schützen.

Die Polizeien des Bundes und der Länder – das darf ich
an dieser Stelle einmal sagen – leisten in dieser Situation
wirklich hervorragende Arbeit, und zwar unter Anspan-
nung aller Kräfte. Man muss in dem Bereich auch sehr auf
der Hut sein: Was den Einsatz unserer Sicherheitskräfte
angeht, können wir nicht immer sozusagen das Gaspedal
ganz durchtreten, sondern wir müssen sehen, dass wir ei-
nen Zustand gewisser Normalität erreichen – obwohl die
Zeiten alles andere als normal sind –, damit nicht nachher
eine Ermüdungstendenz eintritt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419701000
Die nächste Fragestel-
lerin ist die Kollegin Petra Pau.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419701100
Herr Minister, ich gebe Ihnen natür-
lich Recht darin, dass wir alle nach dem 11. September vor
der Frage stehen, ob die bisherigen gesetzlichen Regelun-
gen ausreichen, um mit der Herausforderung des Terro-
rismus umzugehen, Schuldige zu erkennen oder, noch
besser, präventiv tätig zu werden und Schuldige, sofern
sie erkannt werden, auch zu bestrafen. Sobald uns das,
was Sie heute beraten haben, vorliegt, werden wir es des-
halb daraufhin überprüfen, inwieweit es zweckmäßig und
inwieweit es bürgerrechtsverträglich ist, inwieweit es also
geeignet ist, die Freiheit zu sichern. In diesem Zusam-
menhang habe ich drei Fragen.

Erstens. Sie sprachen von den Kontrollen des Perso-
nals. Ich gehe sicherlich recht in der Annahme, dass Sie
damit nicht nur das Personal im Flugwesen meinen, son-
dern auch das in Infrastrukturbereichen, die ganz konkret
bedroht sein könnten. Deshalb möchte ich gern wissen,
welcher Personenkreis in den von Ihnen geplanten ge-
setzlichen Maßnahmen ganz konkret vorgesehen ist und
welche konkreten Regelungen Sie zur Absicherung dieser
Kontrollen beabsichtigen.

Ein Zweites. Sie sprachen von Kompetenzen der Diens-
te in Bezug auf die Kontrolle oder Beobachtung von Fi-
nanztransaktionen. Im Allgemeinen wird das in der Öf-
fentlichkeit unter dem Stichwort „Bankgeheimnis“
debattiert, ohne dass in der Öffentlichkeit so richtig




Bundesminister Otto Schily

19233


(C)



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(A)



(B)


darüber aufgeklärt wird, was hier konkret vorgesehen ist.
Ich möchte gern wissen, wie Sie mit diesen Dingen um-
gehen wollen.

Der dritte Komplex. Sie sprachen über die Möglichkeit
der Aufnahme von weiteren biometrischen Merkmalen in
Pässe und Ausweise; ich meine jetzt nicht den Finger-
abdruck, der ja schon in der allgemeinen Debatte ist. Auch
wenn Sie das in die Kompetenz des Bundestages gegeben
haben, möchte ich gern wissen, welche Merkmale Ihres
Erachtens zweckmäßigerweise aufgenommen werden
sollten. Außerdem möchte ich gern wissen, auf welche Art
und Weise Sie mit diesen Daten umgehen wollen. Hier
stellt sich wieder die Frage der Zweckmäßigkeit. Ich habe
nichts von der Einrichtung einer entsprechenden Sammel-
und Vergleichsdatei gehört. Solche Dateien wären, denke
ich, auch nicht verfassungskonform.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist nicht mehr normal hier!)


– Herr Kollege, ich weiß gar nicht, warum Sie sich so auf-
regen. Auch Ihr Kollege durfte ausführlich fragen. – Wie
wollen Sie einen entsprechenden Vergleich vornehmen?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419701200
Frau Kolle-
gin Pau, Sie wollten in Ihrer Eingangsbemerkung den Ge-
gensatz zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten heraus-
arbeiten. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die
bürgerlichen Freiheitsrechte am stärksten durch den inter-
nationalen Terrorismus bedroht sind. Diejenigen, die im
World Trade Center ihr Leben eingebüßt haben, haben ihr
wichtigstes Recht – auch das Grundgesetz garantiert es –
verloren. Gleiches gilt für Opfer von Geiselnahmen und
Ähnlichem. Deshalb sehe ich den von Ihnen angespro-
chenen Gegensatz nicht. Ein Staat, der die Rechte der
Bürgerinnen und Bürger schützt, tut etwas für und nicht
gegen die Freiheitsrechte der Bürger.


(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Wer etwas anderes behauptet, der führt die Öffentlichkeit
in die Irre.

Im Hinblick auf die Sicherheitsüberprüfung möchte
ich darauf verweisen, dass die Kernkraftwerke natürlich
einen sehr empfindlichen Bereich darstellen. Wir müssen
dafür sorgen, dass sich auf diesem Gebiet keine Personen
Zugang verschaffen, die nichts Gutes im Schilde führen.
Diesen Anspruch erheben auch die Kernkraftbetreiber.
Wir müssen dafür sorgen, dass der entsprechende Perso-
nenkreis sicherheitsüberprüft wird. Es ist eine Ermes-
sensfrage, zu entscheiden, wie weit man diesen Kreis
zieht. Man muss zum Beispiel entscheiden, ob auch die
Reinigungskräfte oder ob nur Personen, die Zugang zu
Steuerungselementen oder Ähnlichem haben, in die Si-
cherheitsüberprüfung einbezogen werden. Die Praxis
wird zeigen, was zu tun ist.

Sie haben auch nach dem Bankgeheimnis gefragt. Das
Bankgeheimnis wird selbstverständlich gewahrt. Man
wird keinen unmittelbaren Einblick in die Kontenbewe-
gungen selbst nehmen können. Es geht vielmehr bei-
spielsweise darum, festzustellen, wer welche Konten
eröffnet. Eine solche Beobachtung der finanziellen Be-

wegungen ist notwendig. Wenn strafrechtliche Ermittlun-
gen es erforderlich machen, dann kann es sich im Einzel-
fall ergeben, dass der Zugang zu kontenspezifischen Da-
ten möglich ist.

Die Vorstellung, dass das Bankgeheimnis strafrecht-
liche Ermittlungen behindert, ist falsch. Selbstverständ-
lich hat eine ermittelnde Staatsanwaltschaft die Möglich-
keit, Bankkonten zu überprüfen. Meistens gibt es dabei
mit den jeweiligen Banken gar keine Probleme.

Die dritte Frage bezog sich auf die biometrischen Da-
ten. Ich persönlich bin der Meinung, dass Fingerabdrücke
– auch unter praktischen Gesichtspunkten – am tauglichs-
ten sind. Mir erscheinen die anderen Möglichkeiten noch
nicht ausgereift. Die Tauglichkeit in der Praxis sollte da-
rüber entscheiden, welches biometrische Merkmal wir
wählen.

Wir wissen – ich habe das im Deutschen Bundestag
schon einmal vorgetragen –, dass entsprechende Verfah-
ren in anderen Ländern bereits praktiziert werden. Ich er-
innere mich, dem Hohen Haus schon einmal einen Aus-
weis gezeigt zu haben, nämlich die „resident alien card“.
In Amerika ist es üblich, dass Personen, die dort eine Ar-
beit aufnehmen, eine solche Karte haben. Das gilt für alle
Personen aus dem Ausland – Geschäftsleute, abhängig
Beschäftigte, wer auch immer –, die in Amerika eine Ar-
beitserlaubnis erhalten. Eine solche Karte enthält ganz
selbstverständlich einen Fingerabdruck. Ich habe bislang
noch nie gehört, dass sich irgendjemand deswegen über
die Verletzung seiner Menschenwürde beklagt hat.

Mir leuchtet auch nicht ein, warum der Abdruck eines
Fingers schützenswerter als das Bild eines Gesichtes sein
soll und daher dem besonderen Schutz durch Art. 1 des
Grundgesetzes unterliegt. Ich kann diese Haltung zwar
emotional nachvollziehen; denn wir sind daran gewöhnt,
dass Fingerabdrücke im Rahmen eines Ermittlungsver-
fahrens – die Kriminalpolizei spricht vom so genannten
Klavierspielen – abgegeben werden. Aber diese emotio-
nale Schwelle müssen wir allmählich überwinden und uns
an neue Verhältnisse gewöhnen.

Im Übrigen werden in Spanien – das ist eine Informa-
tion, die ich erst in jüngster Zeit bei den deutsch-spani-
schen Konsultationen bekommen habe; ich wusste das
vorher auch nicht – bei Gewährung von längerfristigem
Aufenthalt generell Fingerabdrücke von den entsprechen-
den Personen genommen, um die Identität zu sichern. Es
kann ja niemand etwas dagegen haben, dass wir uns ver-
gewissern, wenn jemand in unser Land hinein möchte,
wen wir wirklich vor uns haben, damit nicht, wie wir es
leider im Fall Atta und in anderen Fällen erlebt haben, mit
mehreren Identitäten gearbeitet wird und wir in den
entsprechenden Dateien nicht einmal entdecken, dass je-
mand mit verschiedenen Namen operiert und sich damit
in Deutschland bewegt.

Den Abgleich kann man ähnlich wie beim Foto durch-
aus mit dezentralen Dateien vornehmen. Die Frage der
zentralen Dateien muss man sicherlich diskutieren, weil
manche Bedenken haben und meinen, dass hier Probleme
entstehen könnten, die über die Frage der Identitätssi-
cherung hinausreichen. Diese Frage ist noch nicht end-
gültig zu beantworten.




Petra Pau
19234


(C)



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(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419701300
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, angesichts der Brisanz des Themas ist es
erklärlich, dass es eine Vielzahl von Fragen gibt. Im Inte-
resse der sieben Kolleginnen und Kollegen, die noch Fra-
gen angemeldet haben, bitte ich sowohl die Fragestelle-
rinnen und -steller als auch den Minister um etwas kürzere
Beiträge. Wir müssen uns eventuell interfraktionell ver-
ständigen, ob es ausnahmsweise eine Verlängerung geben
kann.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419701400
Frau Präsi-
dentin, ich verstehe, dass Sie kurze Antworten wünschen.
Ich kann Ihnen aber nur im Rahmen der vorgesehenen
Zeit zur Verfügung stehen, weil ich noch zur Innen-
ministerkonferenz muss, bei der ich ohnehin zu spät ein-
treffen werde. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die
Befragung auf die vorgesehene Zeit begrenzen könnten.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419701500
Jetzt ist der Kollege
Dehnel dran.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1419701600
Herr Minister, Sie
haben viel davon gesprochen, wie Sie in Zukunft verhin-
dern wollen, dass verdächtige Personen ins Land hinein-
kommen. Mich interessiert nun, wie Sie mit Personen ver-
fahren wollen, die hier offensichtlich in religiösen
Vereinigungen oder auch in Moscheen Hass gegenüber
Christen und Juden predigen und damit Leute anstiften,
Taten, wie wir sie erlebt haben, zu begehen. Wie wird mit
diesen Personen in Zukunft verfahren werden?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419701700
Wir haben in
unserem Entwurf eine Regelung vorgesehen, die es uns
ermöglicht, die Ausweisungstatbestände auf diesen Per-
sonenkreis zu erweitern und eine Regelausweisung ein-
zuleiten. Diese Regelung stimmt in etwa mit der in dem
Antrag der Länder Niedersachsen und Bayern vorgesehe-
nen überein, die im Bundesrat eine entsprechende Initia-
tive eingebracht haben.

Um Äußerungen, die, wie von Ihnen angesprochen, in
Moscheen oder ähnlichem Kontext getätigt werden, ahn-
den zu können, müssen zunächst einmal die entsprechen-
den Erkenntnisse gewonnen werden. Nicht immer ist das
möglich. Wir erfahren davon zwar zum Teil aus den Be-
richten unserer Verfassungsschutzbehörden, aber nicht
immer sind die von diesen gewonnenen Erkenntnisse
ohne weiteres verwertbar. Es ist also notwendig, diese
Erkenntnisse auf eine beweiskräftige Grundlage zu stel-
len. Es ist zunächst einmal eine praktische Frage, die sich
hier stellt.

Das Nächste ist – auch das bitte ich immer zu beach-
ten, Herr Kollege –, dass eine Ausweisungsverfügung die
eine Seite der Medaille ist, deren Vollzug aber eine an-
dere. Größere Schwierigkeiten gibt es in vielen Fällen
beim Vollzug der Abschiebung. Wir und auch die Länder,
die ja in erster Linie dafür zuständig sind, haben da einige
Probleme – das will ich Ihnen gar nicht verschweigen –,
in Kooperation mit dem Herkunftsland eine solche Verfü-
gung auch umzusetzen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419701800
Jetzt kommt die Frage
des Kollegen Siemann.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1419701900
Herr Minister, auch
die Geheimdienste sind Gegenstand in dem von Ihnen
vorgestellten Gesetzentwurf. Ist es vor diesem Hinter-
grund zutreffend, dass auf Betreiben von Bündnis 90/Die
Grünen sehr kurzfristig der MAD, der ursprünglich im
Gesetzentwurf erwähnt wurde, davon ausgenommen
wurde? Wenn ja, warum ist das geschehen?

Ist es weiterhin richtig, dass aufgrund allein dieser Tat-
sache das Verteidigungsministerium dem Regierungsent-
wurf im Rahmen der Ressortabstimmung nicht zuge-
stimmt hat?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419702000
Das ist
schlichtweg falsch. Der Militärische Abschirmdienst ist in
dem Gesetzentwurf enthalten. Ich weiß nicht, welche
Gerüchte zu Ihnen gedrungen sind. Man sollte solchen
Gerüchte nicht trauen.


(Werner Siemann [CDU/CSU]: Deshalb habe ich Sie ja gefragt!)


– Ja. Ich bedanke mich für die Frage und habe die Gele-
genheit wahrgenommen, sie Ihnen zu beantworten. Das
Gerücht ist aber falsch.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419702100
Der nächste Fragestel-
ler ist der Kollege Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1419702200
Herr Mi-
nister, hat sich das Kabinett heute auch etwas umfassen-
der mit dem Thema Terrorismusbekämpfung beschäftigt,
also nicht nur mit den Fragen, die wir im Inland zu regeln
haben? Ich denke zum Beispiel daran, was wir tun kön-
nen, um den florierenden Drogenhandel aus Afghanistan
unter Kontrolle zu bringen und um den illegalen Diaman-
tenschmuggel, mit dem sich al-Qaida derzeit munter fi-
nanziert, zu unterbinden.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419702300
Herr Kol-
lege, wir haben uns heute auf die Fragen konzentriert, die
ich Ihnen vorgetragen habe. Die Fragen, die Sie aufwer-
fen, sind nicht erst mit dem 11. September aktuell gewor-
den. Der internationale Drogenhandel ist ein Thema, das
uns über Jahre hinweg begleitet, übrigens auch schon die
alte Regierung.

Dass es gerade bei Afghanistan gar nicht so einfach ist,
den internationalen Drogenhandel unter Kontrolle zu be-
kommen, ist eine Tatsache, die ich gar nicht bestreiten
kann. Das gilt aber für andere Regionen in der Welt auch.
Es könnte ein – wenn Sie so wollen – positiver Spin-off
der jetzigen Militäraktionen gegen das Netzwerk al-Qaida
und die Taliban, die dort quasi als Gastgeber fungieren,
sein, dass wir jetzt auch diesen Drogenhandel bekämpfen.

Herr Kollege, Sie wissen im Übrigen, dass es, gerade
bezogen auf die finanziellen Transaktionen – dazu gehört
auch der Diamantenhandel –, eine Financial Action Task






(C)



(D)



(A)



(B)


Force auf internationaler Ebene gibt, die sich mit diesen
Themen beschäftigt. Wir werden unsere Bemühungen in
Deutschland auf diesem Gebiet verstärken. Deshalb wird
auch die Financial Investigation Unit beim BKA weiter
ausgebaut. Sie können darauf vertrauen, dass die Bundes-
regierung alles tut, um ihre Erkenntnisse auf diesem Ge-
biet zu verbessern.

Das ist auch ein Thema, das in den Bereich der Aktio-
nen gehört, die die UNO-Sicherheitsratsresolution 1373
vorsieht. Zu deren Zustandekommen haben auch wir
beigetragen. Ich habe kürzlich Gelegenheit gehabt,
mit dem britischen Botschafter bei den Vereinten Natio-
nen, der diese Kommission leitet, über die UNO-
Sicherheitsratsresolution 1373 und deren Verwirklichung
zu sprechen.

Ich glaube, dass wir zu den Ländern gehören, die sich
am aktivsten an den Bemühungen beteiligen, solche Fi-
nanzströme trockenzulegen und eine Finanzierung des
Terrors zu verhindern.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419702400
Die nächste Frage
kommt vom Kollegen Scherhag.


Karl-Heinz Scherhag (CDU):
Rede ID: ID1419702500
Herr Minister,
Sie sprachen von der Sicherheit in den Flugzeugen und
auf den Flughäfen sowie von den Kontrollen. In der letz-
ten Woche ist mir bei einer Kontrolle auf dem Frankfurter
Flughafen die Nagelschere abgenommen worden. Diese
wurde vernichtet. Anschließend wurden im Flugzeug
Stahlmesser und Stahlgabeln verteilt. Meine Frage lautet:
Wo bleibt da die Sicherheit der Passagiere?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419702600
Ich höre
natürlich immer wieder von solchen Fällen. Man muss
diesen Fragen nachgehen. Geben Sie mir bitte die Details.
Ich weiß nicht, um welche Fluggesellschaft es sich ge-
handelt hat.


(Karl-Heinz Scherhag [CDU/CSU]: Die Lufthansa!)


Im Bundeswehrflugzeug Challenger, mit dem ich
manchmal unterwegs bin,wird nurPlastikbesteckverwen-
det, wahrscheinlich weil ich so besonders gefährlich bin.


(Heiterkeit bei der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Selbstverletzung!)


Sie sehen, dass wir bei diesem Thema sehr konsequent
sind. Sie haben aber Recht: Wir müssen dafür sorgen, dass
Metallbesteck nicht mehr verwendet wird. Nennen Sie
mir dazu die Details, dann werden wir der Sache nach-
gehen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419702700
Sie haben noch eine
ganz kurze Nachfrage? Ich bitte Rücksicht auf die Kolle-
gen zu nehmen, die noch eine Frage stellen wollen.


Karl-Heinz Scherhag (CDU):
Rede ID: ID1419702800
Ja. – Herr Minis-
ter, es war die Lufthansa. Es ist offiziell. Es passiert auf
den Flügen nach und von Italien und es waren viele Gäste

in dem Flugzeug. Ich habe mich schon darüber gewun-
dert, dass man in einer Zeit, in der wir über Sicherheit
sprechen, in solcher Weise vorgeht.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419702900
Ich nehme
diese Feststellung entgegen. Ich möchte aber darauf
hinweisen, dass es gerade mit der Lufthansa eine sehr
enge Kooperation gibt. Die Lufthansa nimmt die
Sicherheitsvorkehrungen sehr ernst. Ich darf daran erin-
nern, dass es bei bestimmten Flugverbindungen doppelte
Gepäckkontrollen gibt, die unser aller Sicherheit dienen.

Ich bin ja bereit, solche Kritik entgegenzunehmen. Wir
sollten aber keinen Sport daraus machen, einzelne Vor-
kommnisse ins Lächerliche zu ziehen, die auf die große
Anspannung zurückzuführen sind, unter der alles getan
wird, um die Sicherheit der Passagiere zu gewährleisten.
Ich will auch dick unterstreichen, dass diese Anstrengun-
gen mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden
sind. Ich bin deshalb Herrn Weber, dem Vorstandsvorsit-
zenden der Deutschen Lufthansa, und allen Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern der Lufthansa dafür sehr dankbar,
wie ernst sie die Sicherheitsaufgaben nehmen und wie
sorgfältig sie sie durchführen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419703000
Frau Bonitz, bitte.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1419703100
Herr Minister, ich habe
zwei kurze Fragen. Die erste Frage: Beabsichtigt die Bun-
desregierung angesichts einer neuen Gefährdungsab-
schätzung nach den Terroranschlägen, von ihrem Konzept
zur Errichtung dezentraler Zwischenlager an Atomkraft-
werksstandorten Abstand zu nehmen?

Zweite Frage: Soweit ich informiert bin, gibt es inzwi-
schen im Bundesinnenministerium Bestrebungen, zumin-
dest die Computereinheiten der Krisenstäbe mit einer
zweiten Einheit abzusichern. Wird diese Sicherheitsein-
heit unabhängig von dem zentralen Server sein? Was pas-
siert, wenn eine Cyber-Attacke stattfinden sollte?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419703200
Frau Bonitz,
wir bemühen uns selbstverständlich um die Sicherheit der
Kommunikationsnetze. Das ist eine pure Selbstverständ-
lichkeit. Auch im Informationsverbund soll eine
Redundanz herbeigeführt werden. Wie sie im Einzelnen
aussehen wird, kann ich Ihnen im Detail nicht schildern.
Wenn es Ihnen recht ist, werde ich darüber im Innen-
ausschuss gerne berichten. Dass diese Maßnahme not-
wendig ist, steht außer Frage. Auch in Bezug auf das
Kanzleramt und in die Ministerien kümmern wir uns um
bessere Sicherheitsvorkehrungen. Der Kommunikations-
bereich muss so ausgestaltet sein, dass bei Ausfall eines
Computerverbundes wir nicht völlig lahm gelegt sind. Ich
glaube, das wird jeder einsehen.

Was die Zwischenlager angeht, sind mir keine Bestre-
bungen bekannt, die in die von Ihnen geschilderte Rich-
tung gehen. Die öffentliche Debatte, es könnten auch auf
diese Objekte Angriffe erfolgen, spiegeln kein realis-
tisches Szenario wider. Wenn beispielsweise bezüglich
der Kernkraftwerke selbst behauptet wird, auf die Um-




Bundesminister Otto Schily
19236


(C)



(D)



(A)



(B)


hüllung könnte ein entführtes Flugzeug im Steilflug ge-
stürzt werden, dann muss ich sagen, dass dieses ein ex-
trem unwahrscheinliches Szenario ist. Das Flugzeug
müsste nämlich erst einige Kühltürme umfliegen, um
dann im Steilflug auf das Kraftwerk zu stürzen. Selbst
wenn die Entführer eine Pilotenausbildung in Florida ge-
habt hätten, könnte ich mir kaum vorstellen, dass sie sol-
che Kunstflugmanöver durchführen können.

An dieser Stelle sollten die Bestrebungen eher an der
offensiven und defensiven Sicherheit der Kernkraftwerke
orientiert sein. Ich war mir mit den Vertretern der Kern-
kraftwerksunternehmen völlig einig, wie wir die Sicher-
heit der Kernkraftwerke verbessern können und dass an-
dere Maßnahmen nicht erforderlich sind. Es sind auch
nicht die Maßnahmen erforderlich, die Sie mit Ihrer Frage
angedeutet haben.

VizepräsidentinPetraBläss:Esgibt noch eineFrage
des Kollegen Zeitlmann und der Kollegin Ostrowski.
Lassen Sie diese Fragen noch zu, Herr Minister?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419703300
Gut. Zwei
Fragen beantworte ich noch.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419703400
Ich bitte beide Kolle-
gen, sich kurz zu fassen.


Wolfgang Zeitlmann (CSU):
Rede ID: ID1419703500
Herr Minister, ich
komme zurück auf die Regelanfrage bei der Einbürge-
rung. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass es
jetzt in allen Ländern die Regelanfrage gibt. Meine Frage
bezieht sich auf die Vergangenheit: Wie viele Einbürge-
rungen gab es in Ländern ohne Regelanfrage seit In-
Kraft-Treten des neuen Staatsbürgerschaftsrechts? Es
kann sein, dass Sie diese Zahl im Moment nicht präsent
haben. Sind Sie mit mir der Meinung, dass die Einbürge-
rungen ohne Regelanfrage im Lichte der Ereignisse des
11. September jetzt daraufhin überprüft werden müssen,
ob es darunter die Einbürgerung eines zweiten „Atta“ ge-
ben könnte?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419703600
Herr Kollege
Zeitlmann, ich habe, wie Sie schon vermuten, die Zahl
natürlich nicht im Kopf. Wir können der Frage gern ein-
mal nachgehen. Wenn sich Anlass zu einer solchen Maß-
nahme, wie Sie sie gerade angedeutet haben, ergeben
sollte, werden die Länder dem sicherlich zugänglich sein.
Ich will nur darauf verweisen, dass es im Kreise der Ver-
dächtigen einige oder einen – ich weiß es nicht genau –
gibt, der die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hat, al-
lerdings unter dem alten Recht. Deshalb können wir uns
nur dazu gratulieren, dass wir diese neue Regelung ge-
schaffen und den Zugang zur deutschen Staatsbürger-
schaft im Zuge der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts
reformiert haben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419703700
Kollegin Ostrowski
mit der letzten Frage an den Herrn Bundesminister.


Christine Ostrowski (PDS):
Rede ID: ID1419703800
Herr Minister, erste
Frage: Welche Maßnahmen zur Koordinierung von Zivil-
schutz und Katastrophenschutz und zur Ausrüstungs-
problematik sind in Ihrem Sicherheitspaket vorgesehen?

Zweite Frage: Vorausgesetzt, Ihr Sicherheitspaket wird
beschlossen und gut realisiert, welche Garantien können
Sie abgeben, dass Deutschland vor Terroranschlägen
gleich welcher Art tatsächlich sicher ist? Ich frage das
deshalb, weil der Fingerabdruck auf den Ausweisen ja be-
kanntermaßen Amerika auch nicht vor dem Anschlag auf
das World Trade Center geschützt hat.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1419703900
Zu Ihrer
zweiten Frage muss ich Ihnen sagen: Nach den Erkennt-
nissen, die wir heute haben, hatten diejenigen, die diesen
schrecklichen Anschlag verübt haben, keine „Resident
alien card“, meines Wissens jedenfalls. Insofern geht Ihre
Frage an der Realität vorbei.

Im Übrigen kann ich Ihnen natürlich nicht irgendeine
notariell beurkundete Versicherung abgeben, dass auf-
grund eines Sicherheitspaketes jeglicher terroristischer
Anschlag ausgeschlossen werden kann. Das kann nie-
mand tun. Aber wir tun alles Menschenmögliche, um – ich
wiederhole mich – die Früherkennung terroristischer Ak-
tionen zu ermöglichen oder das zu verbessern und iden-
titätssichernde Maßnahmen herbeizuführen, die es uns er-
lauben, besser zu erkennen, wer zu uns kommt und wer
uns verlässt.

Die Fragen des Zivilschutzes sind nicht Teil des
Sicherheitspaketes; hier geht es um gesetzgeberische
Maßnahmen. Daneben gibt es aber eine Fülle von admi-
nistrativen Maßnahmen. Dazu gehört das, was Sie ange-
sprochen haben. Wir haben schon frühzeitig damit be-
gonnen, in Zusammenarbeit mit den Ländern, die für den
Katastrophenschutz zuständig sind, den Zivilschutz zu re-
organisieren. Sichtbares Ergebnis dieser Reorganisations-
maßnahmen ist die Tatsache, dass wir ein satellitenge-
stütztes Warnsystem eingeführt haben. Das ist übrigens
nicht erst nach dem 11. September geschehen, sondern
das haben wir schon seit langem vorbereitet. Dass es nach
dem 11. September arbeitsfähig wurde, ist, wenn Sie so
wollen, ein Zufall.

Auch andere Dinge haben wir auf dem Gebiet getan.
Wir haben die Koordination verbessert, ein gemeinsames
Datensystem geschaffen und die Akademie für Notfall-
planung und Zivilschutz besser ausgestattet, damit auch
die Ausbildung verbessert wird. Wir sind gerade dabei,
die Länder mit dem notwendigen Fahrzeugmaterial zu
versehen. Dazu gehören 340 Erkundungsfahrzeuge zum
Einsatz bei ABC-Gefahren und auch Fahrzeuge zur
Dekontaminierung oder Sanitätsfahrzeuge. Insgesamt
stellen wir den Ländern 650 Fahrzeuge in diesem Bereich
zur Verfügung.

Wir sind auch bemüht, unsere Struktur insofern zu ver-
bessern, dass wir sie in einen europäischen Verbund ein-
gliedern. Auch dafür haben wir organisatorische Vorkeh-
rungen getroffen. Wir sind damit noch längst nicht am
Ende. Wir setzen auch mehr Geld ein. Sie wissen, dass uns
der Finanzminister eine durchaus ansehnliche Summe in




Bundesminister Otto Schily

19237


(C)



(D)



(A)



(B)


Aussicht gestellt hat, von der ich hoffe, dass sie der Haus-
haltsausschuss des Deutschen Bundestages endgültig
beschließen wird, damit wir unseren Aufgaben auch im
Zivilschutz noch besser gerecht werden können, als es in
der Vergangenheit der Fall war.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419704000
Ich danke dem Herrn
Minister. – Bevor ich die Fragestunde aufrufe, lasse ich
noch eine seit längerem angemeldete Frage des Kollegen
Niebel zu. Diese Frage betrifft nicht den Geschäftsbereich
des Innenministers, sondern geht an das Bundeskabinett
insgesamt. Die Damen und Herren Staatsminister und
Staatssekretäre entscheiden dann, wer antwortet.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1419704100
Vielen Dank, Frau Präsidentin. –
Ich möchte wissen, ob sich das Kabinett auch mit einem
Themenkomplex beschäftigt hat, über den in der morgi-
gen Ausgabe des „Stern“ berichtet wird. Diesem Bericht
zufolge soll im Bundesministerium für Arbeit und Sozial-
ordnung eine freihändige Vergabe im Umfang von über
50 Millionen DM an ein Bonner Unternehmen stattgefun-
den haben. Auch soll der EU-Kommissar Frits Bolkestein
gegenwärtig prüfen, inwieweit ein Vertragsverletzungs-
verfahren gegen die Bundesrepublik einzuleiten ist. Ist
darüber im Kabinett gesprochen worden? Wenn ja: Wie
geht die Bundesregierung mit diesen Vorwürfen um?
Wenn nein: Ist eine freihändige Vergabe von Steuermit-
teln in diesem Umfange nicht doch wert, im Kabinett be-
sprochen zu werden?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419704200
Zur Beantwortung,
Herr Staatsminister Bury, bitte.

H
Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1419704300
Herr Kollege Niebel, das von Ihnen angesprochene
Thema ist heute im Kabinett nicht besprochen worden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419704400
Damit ist die Regie-
rungsbefragung beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/7265 –

Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung
steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara
Hendricks zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Thomas Strobl
auf:

Ist der Bundesregierung bekannt, dass sich die finanzielle Si-
tuation der Städte und Gemeinden in Deutschland zum dritten
Quartal 2001, insbesondere durch einen Rückgang der Gewerbe-
steuereinnahmen, erneut verschlechtert hat?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1419704500
Herr Kollege Strobl, der
Bundesregierung ist bekannt, dass es im kommunalen Be-

reich finanzielle Probleme gibt. Eine sichere Bewertung
dieser Entwicklung wird allerdings erst möglich sein,
wenn die Ergebnisse des dritten Quartals 2001 der Kas-
senstatistik für Kommunalfinanzen sowie die neue Steu-
erschätzung vorliegen werden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419704600
Herr Kollege Strobl,
zu einer ersten Nachfrage, bitte.


Thomas Strobl (CDU):
Rede ID: ID1419704700
Frau
Staatssekretärin, warum hält sich die Bundesregierung,
wenn ihr die Verhältnisse bekannt sind, nicht an ihre ei-
gene Koalitionsvereinbarung, die eine Entlastung der Ge-
meindehaushalte vorsieht?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1419704800
Herr Kollege Strobl, es ist
Ziel der Bundesregierung, sichere Kommunalfinanzen
auch in Zukunft zu gewährleisten. Andererseits sind Steu-
ersenkungen, wie wir sie in großem Umfange schon voll-
zogen haben und in den nächsten Jahren weiterhin voll-
ziehen werden, natürlich nur dann möglich, wenn alle drei
Ebenen des Staates entsprechend ihren Anteilen am Steu-
eraufkommen auch an den Steuereinnahmeverzichten
teilhaben. Dies trifft dann selbstverständlich auch die
Kommunen. Allerdings haben wir die Kommunen unter-
proportional an den Steuereinnahmeausfällen infolge des
Steuersenkungsgesetzes 2000 beteiligt. Ich nenne Ihnen
die wichtigsten Zahlen aus dem Kopf: Die Kommunen
hatten im vergangenen Jahr – das wird auch in diesem
Jahr im Prinzip so geblieben sein – ein Aufkommen von
rund 12 Prozent des Gesamtsteueraufkommens der Bun-
desrepublik Deutschland und sind mit unter 9 Prozent an
den Steuereinnahmeausfällen beteiligt gewesen, sodass
man sagen kann, dass die Bundesregierung und die sie
tragenden Koalitionsfraktionen auf die Verhältnisse in
den Kommunen in besonderer Weise Rücksicht genom-
men haben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419704900
Herr Kollege Strobl zu
einer zweiten Nachfrage, bitte.


Thomas Strobl (CDU):
Rede ID: ID1419705000
Frau
Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, dass die Bundesre-
gierung gerade in den vergangenen zwei Jahren den Kom-
munen in besonderem Maße Lasten aufgebürdet hat? Ich
denke hier an die Rentenreform, die die Kommunen mit
15,5 Milliarden DM belastet, sowie an die Gewerbesteu-
erverluste, die im Zuge des Verkaufs der UMTS-Lizenzen
entstanden sind und eine Größenordnung von 14 Milliar-
den DM ausmachen. Viele andere Maßnahmen wie die
Steuerreform und Sozialhilfeleistungen für Langzeit-
arbeitslose als Zuschuss zur Arbeitslosenhilfe wären zu
nennen. Stets handelt es sich um Beträge in Milliarden-
höhe, mit denen der Bund durch seine Politik die Kom-
munen belastet hat.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1419705100
Herr Kollege Strobl, einige
der von Ihnen genannten Beispiele kann ich so nicht be-




Bundesminister Otto Schily
19238


(C)



(D)



(A)



(B)


stätigen. Beispielsweise wüsste ich nicht, wie die Renten-
reform die Kommunen belasten sollte. Sinkende Steuer-
einnahmen aufgrund der UMTS-Versteigerungen sind
natürlich nicht vollständig von der Hand zu weisen. Wenn
keine Gewinne erzielt werden, weil die Abschreibung die-
ser Aufwendungen über zehn Jahre vollzogen werden
kann, so mag dies einzelne Kommunen, in denen sich der
Sitz der jeweiligen Unternehmen befindet, in diesem Zeit-
raum durchaus tangieren, aber es kann nicht die Rede da-
von sein, dass die Gesamtheit der kommunalen Familie
durch die Bundesregierung durch überproportionale Be-
lastungen oder Einschränkungen belastet worden sei. Das
Gegenteil ist der Fall.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419705200
Herr Kollege von
Klaeden hat noch eine Nachfrage.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1419705300
Frau Staatssekre-
tärin, meine Nachfrage bezieht sich auf zwei Punkte. Der
erste betrifft die Finanzierung der Rentenreform, deren
Bestandteil die Ökosteuer ist.

Nach Ihrer Antwort bestehen zwei Möglichkeiten.
Wenn Sie meinen, die Kommunen würden durch die Ren-
tenreform nicht belastet, dann ist es lediglich ein politi-
scher Vorwand, wenn Sie sagen, die Ökosteuer zur Finan-
zierung der Rentenreform herangezogen zu haben. Wenn
jedoch tatsächlich der Zusammenhang, der von Ihrer Re-
gierung immer wieder behauptet wird, besteht, dann ent-
steht durch die Ökosteuer in Verbindung mit der Renten-
reform natürlich auch eine Belastung für die Kommunen.

In diesem Zusammenhang frage ich, ob die Untersu-
chung und die Prognose des Deutschen Städte- und Ge-
meindebundes, der von Mindereinnahmen für die Kom-
munen ab dem Jahr 2001 von sage und schreibe
11,279 Milliarden DM ausgeht, also einer Einbuße von
fast 10 Prozent, nach Ansicht der Bundesregierung völlig
aus der Luft gegriffen sind.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1419705400
Herr Kollege von Klaeden,
Kollege Strobl hatte auf die Rentenreform abgehoben.
Deswegen habe ich eben erklärt, dass ich keinen Sachzu-
sammenhang zwischen Kommunalfinanzen und Renten-
reform sehen kann. Wenn Sie in diesem Zusammenhang
auf die Ökosteuer abheben,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das war Ihr Argument!)


so ist das ein anderer Aspekt. Die Ökosteuer dient nicht
der Finanzierung der Rentenreform, sondern der Stabili-
sierung und der Absenkung der Rentenversicherungs-
beiträge. Die Rentenreform greift in die Struktur der
Rentenversicherung ein und umfasst das Altersvermö-
gensgesetz, das vorsieht, dass die Kommunen in der Zu-
kunft mit einem geringfügigen Anteil, nämlich mit
15 Prozent, an den damit verbundenen Steuereinnahme-
ausfällen bei der Einkommensteuer beteiligt sein werden.
Das beginnt im Jahr 2002 mit einer kleinen Stufe und
kann also nicht dafür maßgebend sein, dass sich die Kom-
munalfinanzen in diesem Jahr schlecht entwickelt haben.

Ich kann nicht bestätigen, ob die von Ihnen gerade an-
gesprochene Zahl von 11,2 Milliarden DM zutreffend ist.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist so!)

– Ich kann es aus dem Kopf nicht bestätigen. Es müsste
aber in dem Zusammenhang zunächst geklärt werden, ob
diese Summe über die schon geplanten, notwendiger-
weise mit der Steuersenkung verbundenen Einnahmever-
minderungen hinaus entstanden ist oder ob zusätzliche
Steuereinnahmeausfälle aufseiten der Kommunen damit
gemeint sind. Die kommunalen Spitzenverbände waren
jedenfalls von Anfang an bereit, ihren Teil im Hinblick auf
die Steuersenkungspolitik der Bundesregierung zu tragen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419705500
Wir bleiben beim
Thema Finanzausstattung der Kommunen. Wir kommen
zur Frage 2 des Abgeordneten Thomas Strobl:

Inwieweit sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, dieStädte und Gemeinden finanziell zu entlasten, und ist die Bun-desregierung in diesem Zusammenhang konkret bereit, durch eineRücknahme der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage (Anhebungdes Vervielfältigers) zum 1. Januar 2001 eine finanzielle Entlas-tung der Kommunen zu ermöglichen?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1419705600
Herr Kollege Strobl, der
vom Kabinett verabschiedete Entwurf eines Gesetzes zur
Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts belegt,
dass die Bundesregierung die kommunalen Interessen
berücksichtigt. Er wird im Übrigen heute, etwa zum jetzi-
gen Zeitpunkt, abschließend im Finanzausschuss beraten
und dieses Hohe Haus für die zweite und dritte Lesung am
Freitag erreichen. Allein die dort vorgesehene Regelung
zur Mehrmütterorganschaft führt zur Sicherung eines Ge-
werbesteueraufkommens von mehr als 800 Mil-
lionen DM. Damit werden bisher bei der Bemessung der
Gewerbesteuerumlage nicht berücksichtigte Minderein-
nahmen aus der Gewerbesteuerfreiheit von Dividenden ab
dem Jahr 2002 ausgeglichen.

In den derzeit laufenden parlamentarischen Beratun-
gen ist ferner die Angleichung der gewerbesteuerlichen
Organschaft an die körperschaftsteuerliche Organschaft
im Gespräch und wird heute sicherlich verabschiedet wer-
den. Dies würde für die Kommunen nochmals erhebliche
Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer zur Folge haben.
Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bis zum
Freitag bleibt allerdings abzuwarten.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419705700
Herr Kollege Strobl zu
einer Nachfrage.


Thomas Strobl (CDU):
Rede ID: ID1419705800
Frau
Staatssekretärin, entweder habe ich es nicht verstanden
oder Sie haben meine Frage, die ja sehr konkret war, nicht
beantwortet, nämlich ob Sie bereit sind, die Erhöhung der
Gewerbesteuerumlage, sprich: die Anhebung des Verviel-
fältigers, zum 1. Januar 2001 zurückzunehmen.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1419705900
Nein, Herr Kollege Strobl,
die Bundesregierung ist dazu nicht bereit. Wir haben im




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

19239


(C)



(D)



(A)



(B)


Gesetz als Überprüfungszeitpunkt das Jahr 2004 veran-
kert. Daran werden wir uns auch halten. Es gibt bei der
Gewerbesteuer eine aktuelle Entwicklung, die nicht auf
gesetzgeberisches Handeln zurückzuführen ist. Wir haben
das eindeutig überprüft. Es liegt nicht an der Steuersen-
kungspolitik der Bundesregierung, dass wir bei der Ge-
werbesteuer in diesem Jahr mit Mindereinnahmen, die so
nicht zu erwarten waren, werden auskommen müssen.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind sehr vielfäl-
tiger Natur. Eine Ursache dürften zum Beispiel die
besonderen Verhältnisse in einzelnen Wirtschafts-
zweigen, beispielsweise der Banken, Versicherungen und
Stromversorger, sein. Das ist nicht ursächlich mit dem ge-
setzgeberischen Handeln verbunden. Deswegen sieht die
Bundesregierung auch keinen Anlass, die im Gesetz vor-
gesehene Änderung der Gewerbesteuerumlage vor dem
Überprüfungszeitpunkt 2004, der ja schon im Gesetz
steht, zurückzunehmen.

Auf der anderen Seite sieht die Bundesregierung
durchaus Bedarf, die kommunalen Finanzen zu stärken.
Ich habe Ihnen dafür zwei Beispiele genannt, die heute
Nachmittag – ganz aktuell – im Finanzausschuss im
Zusammenhang mit der Fortentwicklung des Unterneh-
mensteuerrechts abschließend beraten werden. Diese
Maßnahmen werden insgesamt zu einer Erhöhung des
Gewerbesteueraufkommens zugunsten der Kommunen
führen. Die Bundesregierung und auch die Länderregie-
rungen werden vor diesem Hintergrund darauf verzichten,
das Gewerbesteueraufkommen durch die Zurücknahme
der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zusätzlich zu be-
einflussen. Wir haben eine Maßnahme ins Auge gefasst,
die den Kommunen im ersten Jahr ihrer Geltung ein Plus
von 1 Milliarde DM bei der Gewerbesteuer zubilligt. Auf
der anderen Seite müssen die Länder und der Bund durch
dieselbe Maßnahme auf 250 Millionen DM Körper-
schaftsteuer verzichten. Sie werden dies nicht zum Anlass
nehmen, die Gewerbesteuerumlage noch einmal anzu-
gehen, sodass die Kommunen aufgrund des ge-
setzgeberischen Handelns gerade im Bereich der Fortent-
wicklung des Unternehmensteuerrechts mit einem
Mehraufkommen bei der Gewerbesteuer ab dem nächsten
Jahr werden rechnen können.

Wie sich die konjunkturelle Lage entwickelt und ob
Umstrukturierungen in einzelnen Unternehmensberei-
chen, zum Beispiel durch zusätzliche Bildungen von
Organschaften zwischen Unternehmen, stattfinden – das
unterliegt unternehmerischem Handeln und kann natür-
lich auch Auswirkungen auf die Gewinnsituation in ein-
zelnen Regionen haben –, darauf hat der Gesetzgeber kei-
nen Einfluss.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419706000
Eine letzte Nachfrage
des Kollegen Strobl.


Thomas Strobl (CDU):
Rede ID: ID1419706100
Verehrte
Frau Staatssekretärin, wir wollen die Debatte, wer für die
schlechte wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land
verantwortlich ist, hier nicht führen, wobei es schon son-
derbar anmutet, dass nach Ihrer Ansicht für gute Ent-
wicklungen der Bundeskanzler und für schlechte Ent-

wicklungen offenbar keinesfalls die Bundesregierung
verantwortlich gemacht werden kann.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die Vorgängerregierung!)


Gleichwohl nochmals konkret eine Frage. Die Gewer-
besteuerumlage wurde durch diese Bundesregierung er-
höht, und zwar unter Zugrundelegung konkreter Zahlen in
Bezug auf die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die eine
bestimmte wirtschaftliche Entwicklung voraussetzten,
die nicht eingetreten ist. Wäre es vor diesem Hintergrund
nicht fair gegenüber den Kommunen, jetzt zu sagen, die
Geschäftsgrundlage ist eine andere geworden – von wem
auch immer verschuldet – und deswegen sehen wir davon
ab, die Kommunen erneut in Milliardenhöhe zu belasten?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1419706200
Herr Kollege Strobl, ich
habe gerade darauf hingewiesen, dass wir die Kommunen
nicht erneut in Milliardenhöhe belasten, sondern dass wir
im Gegenteil mit der Fortentwicklung des Unternehmen-
steuerrechts an anderer Stelle dafür sorgen werden, dass
die Kommunen zusätzliche Einnahmen aus der Gewerbe-
steuer erhalten werden. Das Steuersenkungsgesetz, mit
dem die Gewerbesteuerumlage zugunsten der Länder und
des Bundes verändert worden ist, ist nicht ursächlich für
den Rückgang des Gewerbesteueraufkommens, sondern
dafür sind andere, im ökonomischen Bereich liegende
Maßnahmen verantwortlich, zum Beispiel auch solche,
die nichts mit konjunkturellen Fragestellungen zu tun ha-
ben, sondern im Bereich von Umstrukturierungen in Un-
ternehmen, Bildungen von Organschaften und Ähnliches,
liegen, ohne dass diese Unternehmen tatsächlich schwie-
rigere ökonomische Bedingungen hätten. Andererseits
gibt es aber auch Gewinneinbrüche in einzelnen Berei-
chen. Zum Beispiel in der Energiewirtschaft hat es eine
gewisse Preisentwicklung gegeben, die die Gewinne der
Unternehmen mindert. Das wirkt sich natürlich deutlich
aus, weil diese Unternehmen normalerweise sehr gewinn-
stark und infolgedessen auch gewerbesteuerstark sind.
Das hat mit dem gesetzgeberischen Handeln der Bundes-
regierung nichts zu tun. Deswegen sieht die Bundesregie-
rung auch keinen Anlass, Abstriche an ihrem gesetzgebe-
rischen Handeln zu machen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419706300
Jetzt hat die Kollegin
Ina Lenke noch eine Nachfrage.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1419706400
Frau Staatssekretärin, es ist gerade
die Rede davon gewesen, dass die Gewerbesteuer-
einnahmen für die Gemeinden bei schwacher Konjunktur
sinken. Hat die Bundesregierung über eine Alternative zur
derzeitigen Ausgestaltung der Gewerbesteuer nachge-
dacht, um dieses zyklische Geschehen, das heißt ge-
ringere Gewinne der Unternehmen bedeuten geringere
Gewerbesteuereinnahmen – eigentlich müssen die Ge-
meinden bei schwacher Konjunktur Investitionen tätigen,
was bei dieser Konstruktion der Gewerbesteuer aber nicht
der Fall ist –, zu verändern, sodass die Gemeinden durch
eine entsprechende Umwandlung der Gewerbesteuer
annähernd gleich bleibende Einnahmen haben?




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
19240


(C)



(D)



(A)



(B)


D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1419706500
Frau Kollegin Lenke, Sie
sprechen ein Grundsatzproblem der Gewerbesteuer an. Es
ist nicht in Abrede zu stellen, dass dann, wenn die Ge-
winne zurückgehen, auch die Gewerbesteuereinnahmen
sinken. Das ist normalerweise bei einer schlechten kon-
junkturellen Lage der Fall. Gerade in einer solchen Situa-
tion – Sie haben es richtig ausgeführt – sollten die Kom-
munen in der Lage sein, sozusagen antizyklisch mehr zu
investieren. Sie haben mit dieser Analyse völlig Recht.

Der Bundesregierung sind die Schwächen in Bezug auf
die Gewerbesteuer bekannt. Sie beabsichtigt, zur Erarbei-
tung eines Alternativkonzeptes zur Gewerbesteuer noch
in dieser Legislaturperiode eine Kommission einzusetzen.
Das wird also im nächsten Jahr der Fall sein. Vorher wer-
den wir mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit
den Ländern natürlich noch den Auftrag abstimmen müs-
sen, den diese Kommission hat; denn das Feld „Ge-
meindefinanzen“ ist ein weites. Ein Punkt dabei ist die
Einnahmeseite. Andere Punkte betreffen die Ausgabe-
seite, die Verknüpfungen, das Konnexitätsprinzip und vie-
les andere, was Sie sich denken können. Das Bundes-
finanzministerium würde den Auftrag dieser Kommission
gerne etwas enger und überschaubarer gestalten, sich also
im Wesentlichen an die Besteuerungsgrundlagen halten.
Wir werden die Definition des Auftrages in den nächsten
Monaten abschließen können, sodass die Kommission si-
cherlich im ersten Quartal des kommenden Jahres mit der
Arbeit beginnen kann.

Wir sind zuversichtlich, in der nächsten Legislatur-
periode eine Alternative zur Gewerbesteuer vorlegen zu
können, die gleichwohl nicht zu ungebührlichen Belas-
tungen durch eine Verschiebung in Richtung anderer
Personengruppen führt. Der Vorschlag des BDI zum Bei-
spiel würde dazu führen, dass bisher nicht belastete Pri-
vatpersonen für die Entlastung der Wirtschaft aufkommen
müssten. Einen solchen Vorschlag kann man nicht einfach
kritiklos übernehmen. Dass es im wissenschaftlichen Be-
reich schon viele Vorschläge und selbstverständlich auch
Vorüberlegungen im Bundesfinanzministerium dazu gibt,
kann ich Ihnen bestätigen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419706600
Wir kommen jetzt
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und Technologie. Zur Beantwortung steht Frau Par-
lamentarische Staatssekretärin Margareta Wolf zur Verfü-
gung.

Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Martin
Hohmann auf:

Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über die Menge des in
der ehemaligen DDR abgebauten und in die Sowjetunion ver-
brachten Urans und welchen Wert haben diese Lieferungen nach
heutigen Weltmarktpreisen?

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1419706700
Herzlichen
Dank, Frau Präsidentin! – Herr Kollege Hohmann, ich be-
antworte Ihnen die Frage wie folgt: Nach Angaben der
Wismut GmbH haben die ehemalige Sowjetische und spä-
tere Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut von

1946 bis 1990 insgesamt 231 000 Tonnen Uran produ-
ziert. Alleiniger Abnehmer war die Sowjetunion.

Die Uranlieferungen bis zur Gründung der SDAGWis-
mut im Jahre 1954 zählten zu den Reparationsleistungen.
Später wurden die Uranlieferungen im planwirtschaft-
lichen System zwischen Sowjetunion und ehemaliger
DDR verrechnet. Berechnungen des Wertes für diese Lie-
ferungen nach heutigen Weltmarktpreisen wären daher
rein spekulativ. Ich kann Ihnen aber sagen, dass der jet-
zige Weltmarktpreis bei 10 US-Dollar pro Pfund Uran-
konzentrat liegt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419706800
Herr Kollege
Hohmann, Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1419706900
Habe ich Sie richtig
verstanden, Frau Staatssekretärin, dass zumindest ab 1954
finanzielle Rückflüsse in den Staatshaushalt der DDR
festzustellen sind?

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1419707000
Sie haben mich
richtig verstanden. Diese Rückflüsse wurden als Repara-
tionsleistungen gewertet.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1419707100
Wenn ich das richtig
verstanden habe, dann waren das bis 1954 Reparationen
und ab 1954 gab es möglicherweise eine Art Gegenrech-
nung und galt das als Lieferung aus der DDR.

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1419707200
Es wurde ver-
rechnet zwischen der Sowjetunion und der ehemaligen
DDR. So hat uns das die Wismut GmbH mitgeteilt.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1419707300
Danke schön.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419707400
Dann kommen wir
jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Zur
Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekre-
tär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Ulrich Heinrich auf:
Sind der Bundesregierung die Ergebnisse der vom bayerischen

Umweltministerium in Auftrag gegebenen Studie zu Schäden im
Bergwald bekannt, die vom Lehrstuhl für Bodenkunde und Stand-
ortlehre der Technischen Universität München in Zusammen-
arbeit mit dem Lehrstuhl für Forstbotanik erstellt wurde, und wel-
che Schlüsse zieht sie aus den Resultaten der Untersuchungen der
Münchner Forstwissenschaftler in Bezug auf den jährlichen Wald-
schadensbericht der Bundesregierung?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1419707500
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge-
ehrter Herr Kollege Heinrich! Die Studie liegt der
Bundesregierung vor. Sie bezieht sich auf einen Standort
mit sehr speziellen, insbesondere witterungstypischen
Bedingungen, nämlich den Bergwald in den bayerischen






(C)



(D)



(A)



(B)


Kalkalpen. Die Ergebnisse dieser Studie lassen sich daher
nicht verallgemeinern oder gar auf die Bundesebene über-
tragen.

Gleichwohl wird an diesem Beispiel deutlich, was in-
zwischen nach nunmehr 30 Jahren Luftreinhaltepolitik
der Bundesregierung für fast ganz Deutschland gilt: Die
Luftqualität, insbesondere hinsichtlich Schwebstaub und
Schwefeldioxid, hat sich im Laufe der Jahre so verbessert,
dass die Schadstoffkonzentration in der Luft nur noch an
wenigen Standorten Werte erreicht, die direkt Vegeta-
tionsschäden hervorrufen.

Allerdings gibt es nach wie vor durch Luftverunreini-
gung hoch belastete Standorte sowie solche, bei denen die
Einträge aus der Vergangenheit noch auf absehbare Zeit
eine kritische Altlast darstellen. Dabei geben vor allem die
noch hohen Stickstoffeinträge Anlass zur Sorge. Die He-
terogenität in der Belastungssituation der Böden einer-
seits sowie regional auftretende kritische Schadstoffein-
träge andererseits werden noch längere Zeit anhalten und
sich weiterhin auf den Gesundheitszustand der Wälder
auswirken. Die Bundesregierung hält daher nach wie
vor eine konsequente Luftreinhaltepolitik für dringend
geboten.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419707600
Herr Kollege
Heinrich, bitte.


Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1419707700
Herr Staatssekretär, vielen
Dank für die Beantwortung der Frage. – Ich habe eine
Nachfrage. Sie heben auf den speziellen Standort der
Kalkalpen ab. Das ist richtig. Aber wie kommt es, dass in
dem Waldschadensbericht dieser Standort als schwer ge-
schädigt dargestellt wird? Ist die Bundesregierung nicht in
der Lage, aufgrund der Besonderheit des Standortes, die
Sie selber eben herausgestellt haben, dies auch im Wald-
schadensbericht entsprechend darzustellen? Denn dieser
Standort erscheint dort als schwer geschädigt.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1419707800
Herr Kollege Heinrich, die Ergebnisse
des Waldschadensberichtes bzw. die Daten, auf denen der
Waldschadensbericht beruht, werden europaweit nach ei-
nem Rastermaß festgestellt. Die Untersuchungsergeb-
nisse, auf die diese Studie Bezug nimmt, müssen nicht
unbedingt die gleichen wie an den Standorten sein, wo
über das Rastermaß der Waldschadenserhebung am Ende
der Zustand der Bäume hinsichtlich ihrer Schäden festge-
stellt wird.

Insofern machen wir in jedem Waldschadensbericht
darauf aufmerksam, wie die Daten erhoben werden und
dass die Ergebnisse oder Schlussfolgerungen nicht unbe-
dingt regional zugeordnet werden können.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419707900
Eine zweite Nach-
frage, bitte, Herr Heinrich.


Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1419708000
Herr Staatssekretär, vor dem
Hintergrund der regionalen Besonderheit, die in diesem

Forschungsbericht deutlich zutage getreten ist, möchte
ich noch einmal nachfragen: Teilen Sie die Ergebnisse
dieses Forschungsberichtes?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1419708100
Wir gehen davon aus, dass die Daten in
diesem Forschungsbericht im Auftrag der Bayerischen
Staatsforstverwaltung ordnungsgemäß erhoben worden
sind.

Was aus der Beantwortung meiner Frage hervorging,
war: Diese Ergebnisse, die punktuell in den bayerischen
Kalkalpen erhoben worden sind, sind nicht ohne weiteres
auf größere Regionen oder vielleicht ganz Deutschland zu
übertragen. Das ist der Punkt. Ansonsten bewerten wir es
durchaus als ein gutes Ergebnis, dass sich die Luftqualität
im Erhebungsgebiet so positiv darstellt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419708200
Wir bleiben beim
Thema Waldsterben. Ich rufe Frage 5 des Kollegen
Heinrich auf:

Wird die Bundesregierung die Öffentlichkeit, die die Frage des
Waldsterbens sehr stark bewegt, über die Untersuchungsergeb-
nisse unterrichten, und wenn ja, in welcher Weise?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1419708300
Die Bundesregierung verfolgt die Ergeb-
nisse aus der Waldökosystemforschung intensiv. Immer-
hin ist sie auch einer der größten Auftraggeber für For-
schungsarbeiten in diesem Bereich. Die Bundesregierung
sieht aus den vorgenannten Gründen jedoch keine Veran-
lassung, die Ergebnisse dieser Studie besonders heraus-
zustellen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419708400
Herr Kollege
Heinrich, Ihre erste Zusatzfrage, bitte.


Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1419708500
Herr Staatssekretär, besteht
nicht ein öffentliches Interesse daran, von der pauschalen
Beurteilung des Waldsterbens zu einer differenzierteren
Beurteilung der Waldschadenserhebung überzugehen? Ist
die Bundesregierung nicht bereit, ihre eigenen, von mir
aus auch international anerkannten, Standards zu über-
prüfen, um gegebenenfalls auf regionale Besonderheiten
eingehen zu können und damit auch mehr Transparenz
und mehr Informationen – und zwar ehrlichere Informa-
tionen – in die Öffentlichkeit zu bringen?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1419708600
Die Bundesregierung sieht – insbeson-
dere auch vor dem Hintergrund dieser Studie – hinsicht-
lich der Schadenserhebung oder anderer Aspekte des Zu-
standsberichts keinen Anlass zu Änderungen.

Ich will die Gründe dafür ganz klar darlegen: Wir wis-
sen, dass es sich bei der Schadensproblematik, gerade
auch in Bezug auf die Luftreinhaltung, fast ausschließlich




Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim
19242


(C)



(D)



(A)



(B)


um grenzüberschreitende Phänomene handelt. Aus die-
sem Grunde ist es nicht angebracht, Einzelerhebungen
– wie in diesem Fall – zu bewerten. Das wäre gewisser-
maßen eine Überinterpretation, wenn wir diese Studie be-
sonders herausstellten. Die Studie ist öffentlich gemacht
worden. Selbst der Auftraggeber, die Bayerische Staats-
regierung, hat meines Wissens bisher keine Veranlassung
gesehen, diese Studie in besonderer Weise in der Öffent-
lichkeit hervorzuheben; denn es ist davon auszugehen,
dass die Ergebnisse nur für diese Region zutreffen.

Weiter ist anzumerken, dass der gute Zustand sicher-
lich auf die erreichten Ergebnisse in der Luftreinhal-
tungspolitik, die auch langfristig angelegt ist, zurückzu-
führen ist. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die
Schadstoffe auch in die Böden eingetragen worden sind
– bei der Bodenversauerung muss man fast im Generatio-
nenzeitalter rechnen, bevor sie wieder zurückgeführt wer-
den kann –, sind wir nach wie vor der Auffassung, dass
kaum die Notwendigkeit zu einer anderen Herangehens-
weise besteht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419708700
Wir kommen jetzt
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit
und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht der Parla-
mentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung.

Ich rufe Frage 6 des Abgeordneten Dr. Michael Luther
auf:

Betrachtet die Bundesregierung vor dem Hintergrund des ste-
tigen Rückgangs der Baubranche in Deutschland und der damit
verbundenen sinkenden Zahl von Leistungserbringern und relativ
dazu wachsenden Zahl von Leistungsempfängern die ständig stei-
genden Beitragssätze der Berufsgenossenschaft Bau als eine Ent-
wicklung, die die Bauunternehmen, aber auch die ebenfalls in der
Berufsgenossenschaft pflichtversicherten Gebäudereiniger mitt-
lerweile über Gebühr belastet, und wenn ja, sieht die Bundes-
regierung Handlungsbedarf?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1419708800
Herr Abgeord-
neter Dr. Luther, die schwierige wirtschaftliche Lage
der deutschen Bauindustrie wirkt sich aufgrund der
branchenspezifischen Gliederung der gewerblichen Un-
fallversicherung besonders nachteilig auch bei den
Bauberufsgenossenschaften aus. Die Ursache dieser Ent-
wicklung liegt aber nicht im System der Unfallversi-
cherung, sondern in der allgemeinen wirtschaftlichen
Situation und in den Strukturproblemen der Bauwirt-
schaft. Dies wird auch daran deutlich, dass die Beiträge in
der Unfallversicherung gegenläufig zur Entwicklung bei
den Bauberufsgenossenschaften allgemein nicht ge-
stiegen, sondern seit 1995 um über 10 Prozent gesunken
sind.

Zur Bewältigung der Schwierigkeiten sollte deshalb
nach Auffassung der Bundesregierung zunächst auf
Instrumentarien zurückgegriffen werden, die bereits das
geltende Unfallversicherungsrecht zum Ausgleich von
Beitragsschwankungen enthält. Die Berufsgenossen-
schaften haben zunächst ihre Betriebs- und Rücklagen-
mittel einzusetzen. Diese sind gerade zur längerfristigen
Beitragsstützung in konjunkturschwachen Zeiten be-
stimmt. Entsprechende Mittel sind bei den Bauberufs-

genossenschaften auch noch vorhanden. Darüber hinaus
existiert in der Unfallversicherung bereits ein branchen-
übergreifender Solidarausgleich in Form eines Gemein-
lastverfahrens. Übersteigt das Verhältnis der Aufwendung
zu den beitragspflichtigen Arbeitsentgelten bei einer
Berufsgenossenschaft einen bestimmten Höchstsatz im
Vergleich zum durchschnittlichen Satz aller Berufsgenos-
senschaften, sind die Übrigen verpflichtet, den über-
schießenden Anteil auszugleichen.
Dieses in der Unfallversicherung 1963 eingeführte Ver-
fahren und die Belastungsgrenzen haben sich bisher als
tragfähig und zweckmäßig erwiesen. Die Bau-Berufsge-
nossenschaften erfüllen die hierzu notwendigen Voraus-
setzungen bisher nicht.

Selbstverständlich verschließt sich die Bundesregie-
rung nicht weiteren Anregungen und Vorschlägen, die ei-
ner nachhaltigen und systemgerechten Entspannung der
Situation bei den Bau-Berufsgenossenschaften dienen
können. Insbesondere die Auswirkungen von illegaler
Beschäftigung und Schwarzarbeit haben bereits zu ent-
sprechenden Gesetzesinitiativen der Bundesregierung ge-
führt.

Änderungen im Finanzierungssystem der Unfallversi-
cherung bedürfen sehr sorgfältiger Prüfung. Auch in den
Gremien des Spitzenverbandes der gewerblichen Berufs-
genossenschaften wird derzeit das Thema „strukturwan-
delbedingte Altlasten“ erörtert. Lösungsansätze, die dort
unter Beteiligung der Selbstverwaltung erarbeitet werden,
werden bei künftigen Überlegungen der Bundesregierung
zu eventuellen Gesetzesänderungen eine besondere
Berücksichtigung finden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419708900
Herr Kollege Luther
zu einer ersten Nachfrage, bitte.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1419709000
Herr Staatssekretär
Andres, das System des Ausgleichs zwischen den Unfall-
genossenschaften ist bekannt. Die Baubeteiligten bekla-
gen, dass die Schwellenwerte relativ hoch sind, sodass die
Beitragslast erst relativ hoch sein muss, bevor der Aus-
gleich einsetzt. Deswegen frage ich an dieser Stelle: Wie
hoch ist dieser Schwellenwert? Wann würde die Bau-Be-
rufsgenossenschaft diesen Schwellenwert erreichen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1419709100
Herr Abgeordneter
Luther, sie liegt jetzt unter dem Schwellenwert.

Ich habe einmal nachsehen lassen, wie hoch die durch-
schnittliche Beitragsbelastung für die Bauwirtschaft ist.
1990 betrug die Belastung je 1 000 DM Entgelt
31,17 DM. Bis 1995 sank sie um 11,5 Prozent auf
27,59 DM. Dann aber stieg sie bis 2000 um 16,26 Prozent.
Sie hat im Ergebnis im Jahr 2000 bei 32,07 DM je 1 000
DM Entgeltsumme gelegen. Sie ist also gegenüber dem
Status von 1990 nur leicht erhöht.

Den Schwellenwert kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand
nicht sagen, weil ich ihn nicht parat habe. Aber ich bin
gerne bereit, Ihnen den nachzureichen.




Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

19243


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1419709200
Danke schön. –
Dann noch eine zweite Nachfrage. Aus der Antwort, die
Sie jetzt gegeben haben, wird deutlich, dass in den letzten
Jahren ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen war. Bei der
momentanen konjunkturellen Lage in der Bauwirtschaft
insbesondere in den neuen Bundesländern, aus denen ich
komme, ist zu erwarten, dass die Beitragssätze noch wei-
ter steigen werden. Sehen Sie trotzdem keinen Hand-
lungsbedarf?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1419709300
Nein. Ich will noch ein-
mal darauf verweisen: Das Problem liegt nicht im System
der Unfallversicherung, sondern in der konjunkturellen
und strukturellen Krise, in der sich die Bauwirtschaft be-
findet. Rückläufige Beschäftigtenzahlen führen natürlich
dazu, dass immer weniger Beiträge für das Auffangen be-
stimmter Risiken und Lasten gezahlt werden. Für diesen
Fall sieht das Gesetz bestimmte Mechanismen vor. So-
lange Vermögen vorhanden ist, muss es aufgebraucht
werden; es ist ja dafür angelegt worden, solche konjunk-
turellen Schwankungen auszugleichen. Wenn das nicht
mehr greift, springt die Solidargemeinschaft aller Berufs-
genossenschaften ein. Von daher gibt es eine Lösungs-
möglichkeit innerhalb des Unfallversicherungssystems.
Handlungsbedarf für die Bundesregierung ergibt sich
nicht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419709400
Wir kommen jetzt zur
Frage 7 des Kollegen Dr. Michael Luther:

Hält die Bundesregierung es für sachgerecht, dass auch die
Gebäudereiniger pflichtversichert in der Bauberufsgenossen-
schaft sind und damit zum einen zum Beispiel im Verhältnis zu
den kommunalen Gebäudereinigern, die nicht in der Bauberufs-
genossenschaft pflichtversichert sind, Wettbewerbsnachteile
haben und zum anderen als ein Bereich mit einem wesentlich ge-
ringeren Unfallrisiko, abweichend vom Prinzip der Gruppen-
nützigkeit, zur Finanzierung der Unfallrisiken des Bauhauptge-
werbes herangezogen werden?

Wir bleiben im selben Themenkomplex. Jetzt geht es
um die Pflichtversicherung der Gebäudereiniger.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1419709500
Herr Dr. Luther, meine
Antwort auf Ihre Frage 7 lautet wie folgt: Beschäftigte in
Gebäudereinigungsfirmen sind, wie alle anderen Be-
schäftigten auch, kraft Gesetzes unfallversichert. Die
Bundesregierung hält die sachliche Zuständigkeit der
Bau-Berufsgenossenschaft auch für sachgerecht. Unter-
nehmen sind derjenigen gewerblichen Berufsgenossen-
schaft fachlich zuzuordnen, der sie nach Art und Gegen-
stand am nächsten stehen. Dabei hat die Frage, welche
Berufsgenossenschaft die branchenspezifisch wirksamste
Unfallverhütung leistet, eine entscheidende Bedeutung.

Wettbewerbsvorteile von kommunalen Gebäudereini-
gern sind für die Bundesregierung nicht ersichtlich. Er-
werbswirtschaftlich betriebene Gebäudereinigungsunter-
nehmen müssen nach dem Gesetz grundsätzlich Mitglied
der Bau-Berufsgenossenschaft sein. Sie dürfen nicht in
die Zuständigkeit der kommunalen Unfallversicherungs-
träger übernommen werden. Dies regelt § 129 Abs. 3

Satz 2 des SozialgesetzbuchesVII. Soweit hiervon in Ein-
zelfällen abgewichen werden sollte, wäre dies mit der gel-
tenden Rechtslage nicht zu vereinbaren.

Das relativ geringe Unfallrisiko der Gebäudereiniger
wird von den Bau-Berufsgenossenschaften bei der Bei-
tragshöhe entsprechend berücksichtigt; denn die Beiträge
sind nach dem Gefährdungsrisiko der einzelnen Unter-
nehmensgruppen abgestuft. Danach haben die Gebäude-
reiniger einen erheblich niedrigeren Beitrag pro 1 000DM
Lohnsumme als etwa ein Hochbauunternehmen zu zah-
len. Für die Gebäudereiniger gilt die Gefahrenklasse 2,5
statt wie beim Hochbau 8,5. Als Mitglieder der Bau-
Berufsgenossenschaft leisten die Gebäudereiniger aller-
dings ihren Beitrag an den Lasten aller Unternehmen die-
ser Solidargemeinschaft.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419709600
Herr Kollege Luther,
eine Nachfrage?


(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Keine weiteren Nachfragen!)


Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 8 der Kollegen Ina Lenke auf:
Mit welchen ehemals in bundeseigener Verwaltung geführten

Unternehmen hat der Bund bislang gesellschaftsvertragliche Ver-
einbarungen welchen Inhalts zur Durchsetzung des § 3 Abs. 2
Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz getroffen, um die Gleichstel-
lung von Männern und Frauen auch in den nunmehr privatisierten
Unternehmen zu gewährleisten?

D
Dr. Edith Niehuis (SPD):
Rede ID: ID1419709700

Frau Kollegin Lenke, das Gleichstellungsdurchsetzungs-
gesetz ist bekanntlich noch nicht in Kraft getreten.
Dementsprechend können noch keine gesellschaftsver-
traglichen Vereinbarungen im Sinne des Art. 1 § 3 Abs. 2
des Gleichstellungsdurchsetzungsgesetzes existieren.

Art. 1 § 3 Abs. 2 des Gleichstellungsdurchsetzungsge-
setzes stellt dem Wortlaut nach auf den Zeitpunkt der Um-
wandlung eines vormals bundeseigenen Unternehmens in
die Rechtsform des privaten Rechts ab. Der Anwen-
dungsbereich dieser Vorschrift kann sich darum nur auf
künftige und nicht rückwirkend auf bereits abgeschlos-
sene Privatisierungen bundeseigener Unternehmen er-
strecken.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419709800
Zu einer ersten Nach-
frage erteile ich der Kollegin Lenke das Wort.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1419709900
Frau Staatssekretärin, Sie haben mit
diesem Gesetz bewusst Vorschriften, die den öffentlichen
Dienst betreffen, auf einen Teil der Privatwirtschaft aus-
gedehnt. Ich bin der Meinung, dass dies aus Gründen der
Konkurrenzfähigkeit einfach nicht geht.

Sie wissen, welche Unternehmen und Institute Sie pri-
vatisieren wollen, und haben sicherlich schon Vorstellun-






(C)



(D)



(A)



(B)


gen davon, wie diese Vorschriften im nächsten Jahr bei
den Unternehmen und Instituten umgesetzt werden sol-
len. Wie viele Unternehmen werden es im nächsten Jahr
sein?

D
Dr. Edith Niehuis (SPD):
Rede ID: ID1419710000

Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich möchte
zunächst einmal sagen, dass ich mit Ihnen überhaupt nicht
darin übereinstimme, dass private Unternehmen, die
Gleichstellungspläne haben, nicht mehr konkurrenzfähig
sind. VW ist ein privates Unternehmen und hat Gleich-
stellungspläne. Es ist konkurrenzfähig.

In dem Gesetz steht nicht, dass die Unternehmen, die
privatisiert werden, einen bestimmten Vertrag abschlie-
ßen müssen. Vielmehr soll darauf hingewirkt werden,
dass die Vorschriften des Gleichstellungsgesetzes vertrag-
lich vereinbart Anwendung finden. Schon aus diesem
Grunde kann ich Ihnen nicht sagen, welche Unternehmen
im nächsten Jahr betroffen sein werden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419710100
Frau Lenke hat eine
zweite Nachfrage, bitte.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1419710200
Ich stelle fest, dass dies freiwillige
Abmachungen sind, die Unternehmen wie VW anwen-
den. Dies finde ich sehr gut und begrüße es. Als FDP sind
wir gegen Zwangsgesetze.

Sie hingegen haben mir gerade gesagt, dass § 3 Abs. 2
des Gleichstellungsdurchsetzungsgesetzes ein zahnloser
Tiger ist.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419710300
Was war jetzt die
Frage?

D
Dr. Edith Niehuis (SPD):
Rede ID: ID1419710400

Wann habe ich das gesagt? Das müssen Sie mir erläutern,
damit ich dazu Stellung nehmen kann.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1419710500
§ 3 Abs. 2 dieses Gleichstellungs-
gesetzes ist ein sehr weich formulierter Paragraph; es ist
keine Muss-, sondern eine Sollbestimmung. Auch wenn
Sie einen entsprechenden Vorschlag machen, kann er von
den Unternehmen also abgelehnt werden. Erwarten Sie
das?

D
Dr. Edith Niehuis (SPD):
Rede ID: ID1419710600

Nein, das erwarte ich nicht, weil ich denke, dass unsere
Unternehmen mittlerweile ein modernes Management be-
treiben. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, Frau
Lenke, dass ein modernes Management auf diejenigen,
die im Durchschnitt nachweislich qualifizierter als andere
sind, nämlich die Frauen im Vergleich zu Männern, ver-
zichtet. Insofern ist es kein Zwangsgesetz.

Bei anstehenden Privatisierungen werden die Unter-
nehmen, die einmal der öffentlichen Hand angehörten und

daran gewöhnt sind, nach gleichstellungspolitischen Re-
geln vorzugehen, keine Veranlassung haben, auf diese Re-
geln zu verzichten.

Es gibt Beispiele: Die Deutsche Telekom hat in ihrem
tariflichen Mantelvertrag seit dem 1. Juli alles stehen, was
das gleichstellungspolitische Herz begehrt. Insofern teile
ich die Befürchtungen, die Sie haben, dass bei Privatisie-
rungen diejenigen, die an Gleichstellung gewöhnt sind,
darauf verzichten werden, nicht.


(Ina Lenke [FDP]: Freiwillig!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419710700
Wir kommen nun zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesund-
heit. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamen-
tarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch zur Ver-
fügung.

Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Wolfgang
Meckelburg auf:

Beabsichtigt die Bundesregierung, für Sozialhilfeempfänger,
die nicht als Pflichtmitglied oder als freiwilliges Mitglied bei ei-
ner gesetzlichen Krankenkasse versichert sind und die damit im
Krankheitsfall die freie Wahl unter den Ärzten und Zahnärzten ha-
ben und von denen wiederholt über eine bevorzugte Behandlung
– und damit verbundenen überhöhten Arztabrechnungen – in der
Presse berichtet wurde, eine Erweiterung der gesetzlichen Versi-
cherungspflicht einzuführen?

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1419710800
Herr Kollege
Meckelburg, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
zum SGB IX, Art. 15, hat die Bundesregierung das Recht
der „Hilfe bei Krankheit, vorbeugende und sonstige
Hilfe“ nach dem Bundessozialhilfegesetz bereits eng mit
dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ver-
knüpft. Mit Wirkung vom 1. Juli 2001 entsprechen diese
gesundheitlichen Hilfen den Leistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung. Die neuen Regelungen sind klarer
als bisher und lassen grundsätzlich keine Ausweitung des
Leistungsrahmens der Sozialhilfe über den der gesetzli-
chen Krankenversicherung hinaus zu.

Eine für die Sozialhilfeempfänger notwendige Aus-
nahme musste für die – nicht abschließend aufgezählten –
Fälle geregelt werden, in denen die Versicherten bei not-
wendigen Leistungen der gesetzlichen Krankenversiche-
rung finanzielle Eigenleistungen erbringen. Das trifft zum
Beispiel für den Bereich der Zuzahlungen in den Fällen
zu, in denen die Vorschriften des SGB V über Härtefälle
und dieBefreiungstatbestände nicht greifen.Da die Eigen-
anteile von den Sozialhilfeempfängern nicht aus dem
Regelsatz getragen werden können, muss die Sozialhilfe
die entsprechenden Leistungen in voller Höhe erbringen.

Auch bei der Arztwahl ist eine Gleichstellung von nicht
versicherten Sozialhilfeempfängern und Versicherten er-
folgt. Künftig dürfen Sozialhilfeempfänger nur noch die
Vertragsärzte und Vertragszahnärzte der gesetzlichen
Krankenversicherung in Anspruch nehmen. Die Frage ei-
ner möglichen Erweiterung des versicherungspflichtigen
Personenkreises auf die Empfänger von laufenden Hilfen
zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz




Ina Lenke

19245


(C)



(D)



(A)



(B)


wirft neben dem Problem der angemessenen Höhe der für
diesen Personenkreis zu entrichtenden Krankenversiche-
rungsbeiträge auch wichtige finanzpolitische und verfas-
sungsrechtliche Fragen auf, die einer intensiven Ab-
klärung bedürfen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419710900
Ich erteile Herrn Kol-
legen Meckelburg das Wort zu einer Nachfrage.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1419711000
Frau Staatsse-
kretärin, nach dem Gesundheitsstrukturgesetz von 1992
war vorgesehen, bis 1997 eine Regelung zu finden, um die
Sozialhilfeempfänger direkt in die gesetzliche Kranken-
versicherung zu übernehmen. Ich nehme an, dies ist nicht
umgesetzt worden oder nicht mehr vorgesehen; ich bin
nicht vom Fach, deswegen weiß ich das nicht so genau.
Mich würde interessieren, wie sich die jetzt vorgesehene
Regelung im Vergleich zu der damals beabsichtigten in
Bezug auf die Aufteilung der Kosten zwischen den Betei-
ligten auswirken wird; beispielsweise, ob die Kommunen
demnächst stärker betroffen sein werden, als sie es nach
dem ursprünglichen Plan gewesen wären.

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1419711100
Ich möchte
zunächst sagen, warum trotz des gesetzlichen Auftrages
ab 1997 keine Umsetzung der Pläne erfolgt ist. Der Grund
liegt darin, dass sich die Bundesländer und die Bundesre-
gierung nicht über den Personenkreis und die dafür zu ent-
richtende Beitragshöhe haben verständigen können. Das
zeigt im Prinzip das Problem, das wir haben. Die Belas-
tung der einzelnen Kommunen hängt von dem Anteil der
nicht versicherten Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfe-
empfängerinnen ab. Für manche Kommunen würde der
Mindestbeitragssatz in der gesetzlichen Krankenversiche-
rung eine höhere Belastung als die Übernahme der
tatsächlich entstandenen Kosten darstellen, soweit sich
diese auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversiche-
rung bewegen.

Deshalb kann ich nicht sagen, welche Unterschiede
sich tatsächlich ergeben. Da aber ein Unterschied besteht
und man sich in der gesetzlichen Krankenversicherung
nicht damit einverstanden erklären kann, Beiträge, die
nicht dem durchschnittlich notwendigen Beitragssatz ent-
sprechen, zu erhalten, gehe ich davon aus, dass es noch
eine Weile dauern wird, bis sich Bund und Länder in die-
ser Frage geeinigt haben und die Kommunen mitziehen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419711200
Herr Kollege
Meckelburg, bitte, Ihre zweite Zusatzfrage.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1419711300
Heißt das – ich
möchte nur noch einmal kurz nachfragen –, dass die
kommunalen Haushalte durch die jetzt angepeilte Rege-
lung nicht entlastet werden, sondern im Gegenteil eine Er-
höhung ihrer Kosten erfahren?

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1419711400
Die Haushalte der

Kommunen, in denen bisher die Krankenversorgung der
Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger
teilweise nach Privattarifen der Ärzteschaft abgerechnet
worden ist, werden jetzt entlastet werden, weil nach der
Neuregelung nur noch nach den Honorarsätzen in der ge-
setzlichen Krankenversicherung zu vergüten ist. Die Kos-
ten für eine Privatliquidierung werden nicht mehr erstat-
tet. Insofern gibt es eine Entlastung.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419711500
Wir kommen jetzt
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des In-
nern. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamen-
tarischer Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfü-
gung.

Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Sylvia Bonitz
auf:

Wie beurteilt die Bundesregierung die bisherige Abschiebe-
praxis ausgewiesener Ausländer im Hinblick auf die Umsetzung
der UN-Resolutionen Nr. 1368 vom 12. September 2001 und
Nr. 1373 vom 28. September 2001, die alle Staaten auffordern, si-
cherzustellen, dass Terroristen keine Zuflucht mehr gewährt wird,
und welche konkreten Veränderungen plant die Bundesregierung,
um die deutsche Abschiebepraxis den neuen Anforderungen an-
zupassen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1419711600
Frau Kollegin Bonitz, ich beant-
worte Ihre Frage wie folgt: Im Rahmen des Terrorismus-
bekämpfungsgesetzes beabsichtigt die Bundesregierung,
auch die Regelungen über die Ausweisung und den Ab-
schiebeschutz zu ändern. Unter Berücksichtigung des
Rechtsgedankens in Art. 1 F der Genfer Flüchtlingskon-
vention soll die Einschränkung des Abschiebeschutzes
nach § 51 Abs. 3 des Ausländergesetzes bereits dann er-
möglicht werden, wenn nur anzunehmen ist, dass der Aus-
länder etwa ein Verbrechen gegen den Frieden, ein
Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Mensch-
lichkeit begangen hat. Es bräuchte dann nicht mehr, wie
es die zurzeit geltende Rechtslage vorsieht, eine rechts-
kräftige Verurteilung zu mindestens einer dreijährigen
Freiheitsstrafe abgewartet zu werden. Zudem wäre auch
nicht allein auf eine unmittelbare Bedrohung der Sicher-
heit der Bundesrepublik Deutschland abzustellen.

Mit dieser Rechtsänderung – danach haben Sie ge-
fragt – werden die Resolutionen 1269 und 1373 des Si-
cherheitsrates der Vereinten Nationen umgesetzt, in denen
gefordert wird, Personen, die terroristische Handlungen
planen, vorbereiten oder unterstützen, den Flüchtlingssta-
tus nicht zuzuerkennen.

Daneben sollen Ausweisungstatbestände geschaffen
werden, die sich spezifisch auf den internationalen ge-
waltbereiten Extremismus beziehen. Nach dem Entwurf
des Terrorismusbekämpfungsgesetzes ist eine Auswei-
sung im Regelfall zulässig, wenn der Ausländer den neu
geschaffenen Grund für eine Versagung der Aufenthalts-
genehmigung nach dem neuen § 8 Abs. 1 Nr. 5 des Aus-
ländergesetzes erfüllt. Die Ausweisung im Regelfall soll
damit für die Ausländer vorgesehen werden, die Gewalt-
taten befürworten oder androhen und dadurch die frei-
heitlich-demokratische Grundordnung oder die Sicherheit
der Bundesrepublik Deutschland gefährden.




Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch
19246


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Neuregelung wird auch die Ausweisung von Aus-
ländern ermöglichen, die sich zwar nicht selbst an ent-
sprechenden Taten beteiligt haben, die aber Organisatio-
nen und Vereinigungen unterstützen, die entsprechende
Ziele verfolgen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419711700
Jetzt hat die Kollegin
Bonitz eine erste Nachfrage, bitte.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1419711800
Herzlichen Dank! – Herr
Staatssekretär, wird die Bundesregierung demzufolge die
Initiative der Länder Niedersachsen und Bayern im Bun-
desrat unterstützen, die beinhaltet, dass Ausländer, die
sich verdächtig gemacht haben, terroristischen Tendenzen
Vorschub zu leisten, schon dann ausgewiesen werden
können, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe von mindestens
zwei Jahren verurteilt worden sind, also nicht erst ab ei-
ner Freiheitsstrafe von drei Jahren? Es geht um die Sen-
kung dieser Grenze.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1419711900
Diese Frage möchte ich quasi um-
gekehrt beantworten: Ich hoffe, dass sich der Bundesrat
– ich hoffe, auch die beiden von Ihnen genannten Länder
werden das tun – unserer Gesetzesinitiative anschließen
sowie unserem Terrorismusbekämpfungsgesetz und all
den von mir gerade vorgetragenen Änderungen, die wir
vorzunehmen beabsichtigen, zustimmen wird.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419712000
Frau Kollegin Bonitz,
die zweite Zusatzfrage, bitte.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1419712100
Dann frage ich anders.
Die Ausweisung ist das eine, die Abschiebung ist das an-
dere. Oft gibt es hierbei Schwierigkeiten im Vollzug.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1419712200
Richtig.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1419712300
Ausweisungsverfügun-
gen können häufig nicht vollzogen werden, weil Abschie-
behemmnisse vorliegen. Wie will die Bundesregierung
gewährleisten, dass ausländische Extremisten, die einen
terroristischen Hintergrund haben, unser Land tatsächlich
verlassen, also abgeschoben werden können, insbeson-
dere in den Fällen, in denen bisher ein Abschiebehemm-
nis vorlag, etwa dann, wenn dem Betreffenden im Hei-
matland Folter oder Tod droht?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1419712400
Bestimmte Prinzipien können wir
nicht auf den Kopf stellen. Sie haben völlig Recht darin,
dass Ausweisung und Abschiebung voneinander zu tren-
nen sind. Bestimmte Hemmnisse, die es heute gibt, wird
es auch in Zukunft geben. Vor allem das, was wir jetzt
verändern – eine rechtskräftige Verurteilung muss nicht
mehr vorliegen, sondern schon die Annahme eines infrage
kommenden Verbrechens kann den Vollzug rechtfertigen;
das ist eine wesentliche Veränderung –, wird, denke ich,
zu deutlicheren Praktiken führen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419712500
Wir kommen jetzt zur
Frage 11 des Kollegen Dr. Hans-Peter Uhl:

Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung beim Kata-
strophenschutz-Fachdienst bzw. -Fachbereich Sanitätsdienst für
die Kommunen in Bayern, insbesondere für die Landeshauptstadt
München, angesichts der Tatsache, dass zum Beispiel in München
nur noch rund 50 Bundesfahrzeuge – Arzttruppkraftwagen, Kran-
kentransportwagen – zur Verfügung stehen, von denen in den
nächsten zwei Jahren auch noch einige ausgesondert werden müs-
sen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1419712600
Herr Kollege Uhl, der Bund setzt
in der Zeit von 1999 bis 2001 mit einem Volumen von
circa 196 Millionen DM für rund 1 500 Fahrzeuge das
größte Beschaffungsvorhaben seit der Neuordnung des
Zivilschutzes um. Die Fahrzeuge gehören einer neuen
Fahrzeuggeneration an und verfügen über einen hohen
technischen Stand. Bis Januar kommenden Jahres werden
noch rund 300 ABC-Erkundungskraftwagen an die Län-
der ausgeliefert. Damit wird ein flächendeckendes System
zurAufspürung, Messung, Erfassung undMeldung radio-
logischer und chemischer Stoffe zur Verfügung stehen.

Ich will gezielt auf Ihre Frage eingehen. Was Arzt-
truppkraftwagen anbelangt, so besteht in Bayern ein Soll
von 126, ein Ist von 126 und somit ein Fehl von null. Was
Krankentransportwagen anbelangt, so ist die Situation in
Bayern derzeit wie folgt: Soll: 252, Ist: 236, Fehl: 16, wo-
bei dieses Fehl nicht unbedingt eine ganz neue Entwick-
lung ist.

Der Bund ergänzt aus seiner Zivilschutzverantwortung
den Katastrophenschutz des Freistaates Bayern mit fol-
gender Ausstattung: Herr Minister Schily hat am 20. Ok-
tober 2001 in Nürnberg sechs ABC-Erkundungskraftwa-
gen sowie zwei Krankentransportwagen an den Freistaat
Bayern übergeben. Ein weiterer ABC-Erkundungskraft-
wagen konnte in der Zwischenzeit übergeben werden.
Nach Rücksprache mit dem Bayerischen Staatsministe-
rium des Innern werden diese Fahrzeuge landesintern wie
folgt verteilt: sieben ABC-Erkundungskraftwagen für die
Feuerwehren der Städte Fürth, Schweinfurt und Nürnberg
sowie der Landkreise Deggendorf, Mühldorf am Inn,
Aichach-Friedberg und Aschaffenburg sowie zwei Kran-
kentransportwagen für die Kreisverbände in den
Landkreisen Kitzingen und Aichach-Friedberg.

Der Freistaat Bayern erhält aus den noch laufenden Be-
schaffungen neun ABC-Erkundungskraftwagen und fünf
Krankentransportwagen. Wenn die Zeitplanung der Zu-
lieferfirma für die Einsatzausstattung eingehalten wird,
sollen diese Fahrzeuge bis Januar nächsten Jahres ausge-
liefert werden.

Aufgrund der aktuellen Situation sollen die für 2002
und 2003 ursprünglich ausgesetzten Programme, unter
anderem zur Ersatzbeschaffung des Krankenkraftwagens,
für 2002wieder aufgenommenwerden. Über dieHöhe der
Mittel, die aus dem Sonderprogramm für die innere Si-
cherheit im Haushalt zur Verfügung stehen, ist, wie Sie
wissen, noch nicht abschließend entschieden. Hierzumüs-
sen noch die entsprechenden Gespräche geführt werden.

Ganz deutlich möchte ich festhalten: Auf die Stationie-
rungsplanung selbst und die Zuweisung der Fahrzeuge




Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

19247


(C)



(D)



(A)



(B)


auf die einzelnen Standorte nimmt der Bund keinen Ein-
fluss. Das ist in diesem Falle allein Sache des Freistaates
Bayern.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419712700
Herr Kollege Uhl zu
einer ersten Nachfrage, bitte.


Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1419712800
Herr Staatssekretär
Körper, das waren ganz eindrucksvolle Zahlen. Wir alle
wissen, dass der Umfang des gesamten Fuhrparks des Ka-
tastrophenschutzes in den vergangenen Jahren verringert
wurde. Ich stelle das fest, ohne Ihnen damit einen Vorwurf
zu machen; schließlich müssten wir uns aufgrund der po-
litischen Verantwortlichkeiten der vergangenen Jahre
selbst Vorwürfe machen.

Die Dinge haben sich weiterentwickelt. Wir wissen,
dass massiv nachgebessert werden muss. Neue Fahrzeuge
müssen beschafft werden. In Ihrer Statistik ist von Fahr-
zeugen die Rede, die teilweise stark überaltert sind und
ausgetauscht werden müssen. Wenn sich eine Kommune,
zum Beispiel München, bereit erklärt, Fahrzeuge, deren
Anschaffung vom Bund bezuschusst oder gar ganz finan-
ziert wird, in Absprache mit dem Bund unbürokratisch
selbst zu beschaffen und vorzufinanzieren: Würden Sie
ein solches Verfahren akzeptieren? Würden Sie der jewei-
ligen Kommune zusichern, dass ihr die entsprechenden
Mittel nachträglich zur Verfügung gestellt werden, wenn
die Details der Finanzierung feststehen? Sind Sie zu einer
Vorfinanzierung auch in diesem Bereich bereit, wie wir
sie von anderen Gebieten der öffentlichen Daseinsvor-
sorge her längst kennen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1419712900
Nach meinem bisherigen Kennt-
nisstand kann ich Ihnen eine solche Vorgehensweise nicht
empfehlen. Ich habe zum Schluss meiner Ausführungen
deutlich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über
Verteilung und über die Auswahl des Standorts der jewei-
ligen Fahrzeuge in der Hoheit der Länder liegt. In diesem
Falle liegt sie beim Freistaat Bayern. Man kann die
Angelegenheit nicht so angehen, wie Sie es mit Ihrer
Frage nahe gelegt haben. Man muss ein bisschen Vorsicht
walten lassen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419713000
Herr Kollege Uhl, zu
einer zweiten Nachfrage.


Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1419713100
Herr Staatssekretär,
teilen Sie meine Auffassung, dass die Entscheidung darü-
ber, für welchen Standort welche neuen Fahrzeuge be-
schafft werden, der neuen Bedrohungssituation – sie be-
steht darin, dass die Ballungsräume einer größeren
Bedrohung ausgesetzt sind – gerecht werden muss? Tei-
len Sie meine Auffassung, dass es falsch ist, sozusagen
nach dem Gießkannenprinzip überall die gleiche Anzahl
von Einheiten einzurichten?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1419713200
Herr Kollege Uhl, ich weiß, dass

Sie in München wohnen. Dort sind die Bayerische Staats-
kanzlei und das bayerische Innenministerium zu Hause.
Es wäre sehr sinnvoll, insbesondere diese Fragen dort zu
stellen und sie dort miteinander zu diskutieren. In einem
haben Sie völlig Recht: Die Standorte müssen auch nach
den Kriterien der Effektivität und der Effizienz ausge-
sucht werden; sonst macht das keinen Sinn.

Das, was wir an Beschaffung derzeit gewährleisten und
vielleicht auch zukünftig gewährleisten können, kann sich
sehen lassen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen,
dass der Fahrzeugbestand relativ überaltert ist. Sie haben
fairerweise keine einseitige Zuweisung der politischen
Verantwortung vorgenommen. Auch das war korrekt und
gut. Wir müssen diese Aufgabe gemeinsam angehen. Mit
dem Ziel, Effektivität und Effizienz zu erreichen, sollten
wir einen entsprechenden Standort aussuchen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419713300
Sämtliche Fragen zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz – es
handelt sich um die Fragen 12 bis 18 – werden schriftlich
beantwortet.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht
Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte
zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 19 des Kollegen Georg
Janovsky – es geht um zusätzliche Kosten der militärgeo-
graphischen Dienststelle im Wehrbereich VII –:

Welche zusätzlichen Kosten entstehen für Umzüge, Tren-
nungsgelder, Dienstreisen der militärgeographischen Dienststelle
im Wehrbereich VII?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419713400
Liebe Frau Präsidentin, ob es
um Mehrkosten geht, wird sich zeigen.

Herr Kollege Janovsky, an der militärgeographischen
Dienststelle in Leipzig leisten zurzeit vier Offiziere, neun
Unteroffiziere, 17 Mannschaftsdienstgrade sowie 21 An-
gestellte und vier Arbeiter ihren Dienst. Eine Aussage
über mögliche Kosten im Zusammenhang mit der Verle-
gung der militärgeographischen Dienststelle ist erst nach
dem Abschluss der Detailplanung hinsichtlich des Perso-
nalbedarfs für das zukünftige Amt für Geoinformations-
wesen der Bundeswehr abgeschlossen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419713500
Herr Kollege Janovsky,
zu einer Nachfrage.


Georg Janovsky (CDU):
Rede ID: ID1419713600
Frau Staatssekretärin,
es ist klar, dass man erst dann, wenn man das letzte Detail
weiß, auch den Betrag bis auf den letzten Pfennig genau
kennt. Aber es müsste doch überschlagmäßig ermittelbar
sein, in welcher Höhe Kosten bei der Versetzung von die-
sem von Ihnen genannten Personenkreis in etwa entste-
hen. Solche Überlegungen gibt es, wie ich Ihrer Aussage
entnommen habe, nicht bei Ihnen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419713700
Nun warten Sie es einmal ab.




Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
19248


(C)



(D)



(A)



(B)


Im Moment kann man das wirklich nicht differenzieren;
das können Sie, Herr Kollege Janovsky, schnell nachvoll-
ziehen. Wenn es bei einer Veränderung bzw. einer völli-
gen Auflösung für die wegfallenden Arbeitsplätze keine
Alternative gäbe, müssten wir in der Tat versuchen, einen
Teil des Personals in der Region unterzubringen. Nun wis-
sen Sie selbst, dass es in Leipzig einige militärische Ein-
richtungen gibt. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass die
vier Offiziere und die neun Unteroffiziere kein großes
Problem darstellen werden. Die 17 Mannschaftsdienst-
grade sind von Soldaten auf Zeit besetzt, die sich für ma-
ximal vier Jahre verpflichtet haben. Diese werden danach
wahrscheinlich ausscheiden. Probleme wird es bei den
21 Angestellten und den 4 Arbeitern geben.


(Georg Janovsky [CDU/CSU]: Richtig!)

– Nun warten Sie es erst einmal ab. – Ich habe gesagt, dass
sich bei der Ausplanung möglicherweise eine Lösung für
diese Leute ergibt, weil wir ja in Leipzig auch andere Ein-
richtungen der Bundeswehr haben.


(Georg Janovsky [CDU/CSU]: Das wäre gut! Danke!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419713800
Ich rufe jetzt die
Frage 20 des Kollegen Janovsky auf:

Kann der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping,
dem gegebenenfalls von der Verlegung bzw. Auflösung betroffe-
nen Personal einen noch mehrjährigen Erhalt der Außenstelle in
Leipzig ermöglichen und einen sozialverträglichen Übergang zu-
sichern, und wenn ja, in welcher Form?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419713900
Im Rahmen der Einrichtung
des Geoinformationsdienstes wird in der Streitkräftebasis
zum 1.April 2003 dasAmt für Geoinformationswesen der
Bundeswehr, in dem dann die Produktions- und Versor-
gungsaufgaben zentral wahrgenommen werden, neu auf-
gestellt. Damit wird aus dem Amt die Unterstützung lau-
fender Einsätze und Überlegungen der Bundeswehr sowie
die Versorgung der Bundeswehr mit militärgeographi-
schen Unterlagen und Daten zentral sichergestellt. Hierzu
wird, soweit möglich, das Fachpersonal der auf-
zulösenden Topographietruppe und damit auch der mi-
litärgeographischen Stellen der Wehrbereiche herangezo-
gen. Nach den derzeitigen Planungen ist die Aufstellung
einesVermessungselementes, das alsAußenstelle desAm-
tes für Geoinformationswesen im Wehrbereich III (neu),
also in den neuen Bundesländern, dient, vorgesehen. Als
mögliche Stationierungsorte werden – das wird Sie viel-
leicht nicht überraschen; ich sage es in alphabetischer Rei-
henfolge – Erfurt oder Leipzig in Erwägung gezogen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419714000
Herr Kollege
Janovsky, zu einer Nachfrage, bitte.


Georg Janovsky (CDU):
Rede ID: ID1419714100
Vielen Dank. Wir
wollen hoffen, dass die Prüfung positiv ausfällt, Frau
Staatssekretärin.

Ich hätte trotzdem noch eine Frage: In Leipzig und
auch an anderen Stellen gibt es ja eine intensive fachliche

Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen; durch die
Zentralisierung wird diese ja viel schwieriger. Ist das bei
den Entscheidungen zur Zentralisierung auch berücksich-
tigt worden? Wie wird das Problem einer Lösung zuge-
führt?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419714200
Erstens bemühen wir uns stark
darum – das sage ich Ihnen persönlich zu –, dass die Re-
duzierung von zivilem wie militärischem Personal in den
neuen Bundesländern so gering wie möglich ausfällt.

Zweitens ist es aufgrund neuer technischer Arbeitsbe-
dingungen, durch die Kommunikationstechniken und da-
mit auch durch neue Formen in dem hier behandelten Be-
reich, natürlich so, dass wir einen Teil der Arbeitskräfte
in Zukunft nicht mehr benötigen. Das gilt aber für viele
Stellen.

Drittens glaube ich schon, dass durch eine enge Zu-
sammenarbeit mit der Stadt Leipzig – der Oberbürger-
meister, Herr Tiefensee, hat sich natürlich auch mehrfach
gemeldet – garantiert wird, dass sich die Situation auf
diese Region, soweit es nur irgendwie möglich ist, nicht
negativ auswirkt.


(Georg Janovsky [CDU/CSU]: Danke schön!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419714300
Jetzt rufe ich die
Frage 21 des Kollegen Hartmut Koschyk auf:

Trifft eine Pressemeldung zu, wonach der Bundesminister der
Verteidigung, Rudolf Scharping, im Hinblick auf die Auflösung
des Luftwaffenausbildungsbataillons in Bayreuth „die Sache neu
überdenken“ will – vergleiche „Nordbayerischer Kurier“ vom
19. Oktober 2001 –, oder ist die Aussage verbindlich, die der Bun-
desminister der Verteidigung auf das Schreiben der Abgeordneten
Hartmut Koschyk, Dr. Gerhard Scheu, Dr. Bernd Protzner und
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) mit Datum vom 15. Oktober 2001
mitgeteilt hat?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419714400
Herr Kollege Koschyk, das
Thema Auflösung des Luftwaffenausbildungsbataillons
in Bayreuth beschäftigt Sie persönlich, Ihre Kolleginnen
und Kollegen und mich im Verteidungsministerium ja
sehr.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist gut so!)


Die Aussagen von Minister Scharping in seinem Schrei-
ben vom 15. Oktober 2001 an Sie wie auch an die Kolle-
gen Dr. Gerhard Scheu, Dr. Bernd Protzner und auch Dr.
Hans-Peter Friedrich entsprechen den gültigen Planun-
gen. Ich selbst habe Ihnen mehrfach die Gründe genannt,
warum die Luftwaffe die Aufgabe des Standortes emp-
fiehlt.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das kann ich bestätigen!)


Wie Sie hat allerdings auch Frau Kollegin Christa
Müller-Feuerstein das Zusammentreffen mit dem Bun-
desverteidigungsminister, das nicht so häufig möglich ist
wie bei Ihnen, genutzt, um sich für den Erhalt des Stand-
ortes Bayreuth einzusetzen.




Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte

19249


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419714500
Auch hier gibt es
natürlich eine Nachfrage.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1419714600
Frau Staatssekretä-
rin, Frau Christa Müller-Feuerstein zitiert in der Zeitung,
die ich in meiner Anfrage erwähnt habe, den Verteidi-
gungsminister dahin gehend, dass er die Sache neu über-
denken werde.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419714700
Das habe ich auch gelesen. Sie
haben uns das freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Sie sagt gleichzeitig – das müssen Sie dann fairerweise
auch zitieren –: Ich will keine falschen Erwartungen
wecken.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1419714800
Heißt das, dass die
Aussage, die der Bundesverteidigungsminister gegenüber
den erwähnten Kollegen und mir gemacht hat, die letzt-
endlich definitive ist?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419714900
Es ist – deswegen habe ich das
ausdrücklich gesagt – der jetzige Planungsstand. Herr
Koschyk, nun weiß niemand von uns, was sich alles mög-
licherweise noch ereignen wird. Nach dem jetzigen
Stand – ich werde das auch bei der Beantwortung der
nächsten Frage noch sagen – gibt es viele Gründe, den
Standort Bayreuth infrage zu stellen.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1419715000
Sie haben jetzt eine
Äußerung bezüglich des derzeitigen Standes gemacht.
Was könnten Überlegungen bzw. Rahmenbedingungen
sein, die noch einmal zu einer Überprüfung dieser Ent-
scheidung führen könnten?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419715100
Die Überprüfung der Entschei-
dung wird, weil es sich um einen Ausbildungsbereich han-
delt, wahrscheinlich zu keinem anderen Ergebnis
kommen. Die Frage der Zeit, ob es also früher oder später
zu einer Schließung kommt, wird bei den verschiedenen
Standorten möglicherweise unterschiedlich beantwortet.
Für Bayreuth gibt es im Moment aber keinen anderen
Stand als den, den ich Ihnen eben erklärt habe.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419715200
Bei Frage 22 des Kol-
legen Hartmut Koschyk, die ich jetzt aufrufe, bleiben wir
noch in Bayreuth:

Wie stellt sich konkret die mangelnde Auslastung und damit
einhergehend die Unwirtschaftlichkeit der Belegung der Mark-
grafenkaserne in Bayreuth seit der Verlegung eines Ausbildungs-
bataillons der Luftwaffe nach Bayreuth dar und in welcher
Größenordnung sind zum Beispiel Leerstände zu verzeichnen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419715300
Frau Präsidentin, Herr Kollege
Koschyk, nach der Raum- und Flächennorm der Bundes-
wehr weist die Markgrafenkaserne in Bayreuth mit der

derzeitigen Belegung Flächenüberhänge in folgender
Höhe aus – Sie erinnern sich, dass es dazu entsprechende
Maßstäbe gibt –: Im Unterkunftsbereich haben wir
33 Prozent mehr als wir brauchten, wobei – das sei hin-
zugefügt – heute eine großzügigere Belegung vorhanden
ist als früher, als es zwei Panzerbataillone gab. Im Funk-
tionsbereich haben wir 55 Prozent zu viel, im Lehrsaalbe-
reich sind es 91 Prozent der Kapazitäten und im techni-
schen Bereich 27 Prozent. Das Wirtschaftsgebäude war
für ziemlich genau die doppelte Zahl von Soldaten ausge-
legt, als heute dort verpflegt werden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419715400
Bitte, Herr Kollege
Koschyk, zur Nachfrage.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1419715500
Frau Staatssekretä-
rin, wenn dies alles von Anfang an, also seit der Belegung
der Markgrafenkaserne durch das Luftwaffenausbil-
dungsbataillon, der Fall gewesen ist, dann frage ich mich,
warum man noch im letzten Jahr die Sanierung der Trup-
penküche in Angriff genommen hat und auch hier im
Bundestag auf mehrmalige Nachfragen hin gesagt hat,
dass es bei dieser Sanierung bleiben solle, weil man an
dem Standort festhalten wolle. Wie konnte man sich über-
haupt zu einer Sanierung der Truppenküche an einem
Standort entschließen, der, wie Sie jetzt sagen, nach Mei-
nung dieser Bundesregierung von Anfang an unwirt-
schaftlich gewesen ist?

Mein zweiter Punkt: Der Bundesrechnungshof hat in
seinen Prüfungsbemerkungen zur Haushalts- und
Wirtschaftsführung für das Jahr 2001 in Kap. 80 – Infra-
strukturbedarf der Bundeswehr – kritisiert, dass das Bun-
desverteidigungsministerium die Außenstelle der Stand-
ortverwaltung, die sich außerhalb der Kaserne befindet,
ebenfalls nicht hinreichend genutzt hat. Er hat das Vertei-
digungsministerium aufgefordert, die Außenstelle der
Standortverwaltung in die Kaserne hineinzuverlegen. Ich
frage noch einmal, warum man dann nicht zum Beispiel
die Verlegung der Standortverwaltung und des Kreis-
wehrersatzamtes in die Kaserne, wie es auch der Bundes-
rechnungshof gefordert hat, geprüft hat, um insgesamt die
Überhänge von Lehrsälen und Flächen, die Sie gerade ge-
nannt haben, zu korrigieren.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419715600
Herr Koschyk, da Planungen
der Vergangenheit auch von der neuen Bundesregierung
umgesetzt werden, fordert der Minister mit aller
Entschiedenheit mehr Wirtschaftlichkeit und mehr Priva-
tisierung in diesem Bereich. Sie finden in der gesamten
Bundesrepublik zum einen Infrastruktur vor, die man
nicht braucht, und zum anderen gibt es Infrastruktur, die
dringend saniert werden muss.

Es gibt langfristige Planungen, die ich zum Teil nicht
nachvollziehen kann. Der Bundesrechnungshof hat bei
der Prüfung bezüglich des Standortes Bayreuth sicherlich
eine Prüfung vorgenommen, bevor die Standortpläne des
Ministers der Verteidigung vorlagen; denn sonst wäre es
zu diesen Entscheidungen nicht gekommen. Auch die
Standortverwaltung wird in der Zukunft eine andere






(C)



(D)



(A)



(B)


Struktur haben. Ich will dennoch nicht verkennen – das
sage ich in Richtung der Kollegin Kastner; ich habe mir
den Standort in ihrem Wahlkreis angesehen –, dass es für
bestimmte Regionen schmerzlich ist, wenn man sieht,
dass die hervorragende Infrastruktur nicht mehr genutzt,
sondern aufgegeben wird.


(Susanne Kastner [SPD]: Noch mehr als Bayreuth!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419715700
Eine weitere Nach-
frage des Kollegen Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1419715800
Frau Staatssekretä-
rin, hat man ernsthaft geprüft und wenn ja, mit welchem
Ergebnis, ob die Flächenüberhänge und die Raumleer-
stände, die Sie gerade genannt haben und die vom Bun-
desrechnungshof moniert wurden, nicht dadurch abge-
baut werden können, dass man die Standortverwaltung
und das Kreiswehrersatzamt, das in einem anderen Ge-
bäude in der Stadt untergebracht ist, auf das Areal der
Markgrafenkaserne verlegt. Damit könnte eine höhere
Auslastung erreicht werden, sodass die hohen Leerstände,
die Sie jetzt monieren, abgebaut werden könnten.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419715900
Herr Koschyk, es war von An-
fang an ein Fehler, das Luftwaffenausbildungsbataillon
dorthin zu verlegen. Diese Kaserne war für zwei
Panzerbataillone ausgelegt. Angesichts einer kleiner wer-
denden Bundeswehr haben wir keinen weiteren Bedarf an
Ausbildungskapazitäten für Wehrpflichtige der Luftwaffe
gehabt. Das ist auch verständlich: Die Stärke der Bun-
deswehr ist von 495 000 über 370 000 bis auf – das ge-
schah noch unter der Verantwortung von Herrn Rühe –
340 000 Soldaten gesunken.

Die Verlegung eines Standortes – das war eine Maß-
nahme, mit der schon Reduktionen verbunden waren –
war natürlich nur eine Goodwill-Aktion, wobei aber nicht
bedacht wurde, dass sowohl das Flächen- als auch das
Raumangebot überdimensioniert ist. Die Leerstände kann
man nicht durch die Verlegung der Standortverwaltung
und des Kreiswehrersatzamtes auf dieses Gelände besei-
tigen. Ihnen ist doch auch klar, dass mit dem Wegfall des
Ausbildungsbataillons eine Standortverwaltung in dieser
Größenordnung nicht mehr gebraucht wird.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419716000
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, es verbleiben noch sieben Fragen in der
Fragestunde, sodass es durchaus möglich sein kann, dass
die Aktuelle Stunde etwas früher anfängt. Ich bitte die
Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, sich darauf
einzustellen, dass wir unter Umständen eher als geplant
mit der Aktuellen Stunde beginnen. Im Anschluss daran
wird es eine Fraktionssitzung der SPD geben.


(Augsburg)


Ich rufe nun die Frage 24 des Kollegen Werner
Siemann auf:

Wie beurteilt die Bundesregierung den Rückzug Italiens aus
dem europäischen Beschaffungsprojekt des militärischen Trans-
portflugzeugs A 400 M und welche Konsequenzen ergeben sich
daraus für die verbleibenden kooperierenden Staaten?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419716100
Lieber Herr Kollege Siemann,
am 19. Juni 2001 haben Belgien, Frankreich, Großbritan-
nien, Spanien, die Türkei und Deutschland die
Regierungsvereinbarung zur Beschaffung des A 400 M
auf der Grundlage einer Gesamtstückzahl von 212 Flug-
zeugen in Le Bourget unterzeichnet. Portugal und Italien
haben nicht, Spanien und Deutschland haben unter Vor-
behalt unterschrieben. Portugal will das Memorandum of
Understanding in Kürze unterschreiben.

Italien hat am 16. Oktober 2001 ohne Angaben von
Gründen erklärt, nicht mehr weiter am Programm teilzu-
nehmen. Es hat jedoch anlässlich einer Konferenz der
Rüstungsdirektoren am 31. Oktober 2001 in Berlin er-
klärt, wieder für eine Beteiligung offen zu sein und die
endgültige Entscheidung bis Mitte November treffen zu
wollen. Durch einen italienischen Rückzug würde sich die
Gesamtstückzahl auf 196 Flugzeuge reduzieren.

Die Vertragsverhandlungen mit Airbus Military Com-
pany sind inzwischen nahezu abgeschlossen. Alle Punkte
bis auf den Preis – das ist eigentlich der entscheidende
Punkt – wurden für uns zufriedenstellend gelöst. Die bis-
her in den Verhandlungen erzielten Preisreduzierungen
würden durch den italienischen Ausstieg leider zunichte
gemacht werden.

Das Programm bietet der europäischen Luftfahrtindus-
trie die Chance, auf dem Sektor der strategischen Trans-
portflugzeuge leistungsfähige Kapazitäten aufzubauen.
Es wird damit nachhaltig zur Konsolidierung und Effek-
tivierung der europäischen Luftfahrtindustrie beitragen.

Insgesamt werden – das gilt Ihnen und allen Kollegen –
direkt und indirekt in diesem Hochtechnologiesegment
bis zu 40 000 Arbeitsplätze in Europa gesichert werden.
Der italienische Anteil liegt bei etwa 7,5 Prozent und
würde dann auf die verbleibenden Nationen verteilt, wo-
durch Deutschland einen Arbeitsanteil von circa 37 Pro-
zent erhalten würde.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419716200
Herr Kollege Siemann
zu einer ersten Nachfrage, bitte.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1419716300
Frau Staatssekretärin,
wenn es tatsächlich bei dem Ausstieg Italiens bleibt, kann
man ja wohl damit rechnen, dass das ganze System teurer
wird.


( V o r s i t z : Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters)


Der Verteidigungsminister hat in der Vergangenheit im-
mer wieder betont, die Beschaffung dieses Transportflug-
zeuges müsse oder könne teilweise oder hauptsächlich
außerhalb des Einzelplans 14 finanziert werden. Nun soll
es im nächsten Jahr 1,5 Milliarden DM zusätzlich geben.
Jetzt wird kolportiert, dass eine Finanzierung der Be-
schaffung des Transportflugzeuges außerhalb von Einzel-
plan 14 endgültig vom Tisch sei. Ist das richtig?




Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte

19251


(C)



(D)



(A)



(B)


B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419716400
Nein. Die 1,5 Milliarden DM,
die wir im Jahr 2002 möglicherweise im Rahmen der ak-
tiven Terrorbekämpfung im Einzelplan 60 bekommen,
werden wir auch dringend für diese Einsätze benötigen.
Sie wissen, Herr Siemann, wir wollen das Flugzeug, das
sich in der Entwicklung befindet, 2006 oder 2008 kaufen.
Wir brauchen es im Grunde jetzt schon. Den Kollegen
dürfte eigentlich klar sein, dass die Transall – sie stammt
aus dem Jahre 1968 – wegen der geringen Reichweite
dringend ersetzt werden muss. Wir werden dieses Geld
wirklich für den Einsatz der Streitkräfte und für die Vor-
bereitung dieses Einsatzes verwenden müssen.

Die Frage, wie hoch in der Zukunft die Verpflich-
tungsermächtigung für das Transportflugzeug ist – wir
wollen ja nicht gleich bezahlen –, wird eine entscheidende
Frage der Zukunft sein. Ich gehe davon aus, dass wir die
vorgezogene Stückzahl auch innerhalb des Einzelplans fi-
nanzieren können. Noch müssen wir das Geld ja nicht ver-
anschlagen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419716500
Eine zweite
Zusatzfrage.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1419716600
Sie sehen also keine
Möglichkeit mehr, wie es der Minister immer wieder an-
gesprochen hat, eine Finanzierung außerhalb des Einzel-
plans 14 vorzunehmen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419716700
Zunächst einmal sind wir in
der Situation, dass wir es jetzt nicht finanzieren müssen,
wenn unsere Vorstellung aufgeht, dass die Industrie in ei-
nem weitgehend marktgerechten Bereich die Entwick-
lung und die Vorbereitung zum Teil vorfinanziert und wir
ihr das später bezahlen. Ich spekuliere nicht über die Höhe
des Verteidigungshaushalts zu einem Zeitpunkt, wenn die
ersten Flugzeuge wirklich bezahlt werden müssen. Ich
hoffe, dass die Lage dann friedlicher sein wird und das
Flugzeug im Rahmen unseres Haushalts, des
Einzelplans 14, bezahlt werden kann.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419716800
Ich rufe die
Frage 25 des Kollegen Werner Siemann auf:

Wann wird die Bundesrepublik Deutschland den Beschaf-
fungsvertrag für den A 400 M unterzeichnen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419716900
Nach den Empfehlungen der
Price Working Group mit Teilnehmern aller Partnerna-
tionen besteht noch Spielraum bei der Preisverhandlung
mit der Industrie. Eine weitere Preisverhandlung wird
zurzeit durchgeführt. Die Partnernationen, insbesondere
Frankreich und Großbritannien, wollen am Rande der
Festveranstaltung anlässlich des fünfjährigen Bestehens
der gemeinsamen europäischen Rüstungsagentur OCCAR
auf dem Petersberg in Bonn am 16. November 2001 den
Industrievertrag unterschreiben.

Erst wenn die Vertragsverhandlungen beendet sind,
kann die parlamentarische Behandlung in Deutschland

eingeleitet werden. Die Bundesregierung strebt einen Ver-
tragsabschluss in 2001 an.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419717000
Eine erste
Zusatzfrage.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1419717100
Frau Staatssekretärin,
es liegt mittlerweile ein Papier des Bundesrechnungs-
hofes vor. Dieser rechnet uns vor und hat auch der
Hardthöhe vorgerechnet, dass man aufgrund der größeren
Kapazität dieses neuen Transportflugzeugs und auch der
technischen Gegebenheiten mit 40 Einheiten wird aus-
kommen können. Hat dieser Bericht noch Auswirkungen
auf die weiteren Verhandlungen oder auf die Vertrags-
unterschrift durch die Regierung?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419717200
Ich hätte beinahe gesagt: Wir
haben auch einen anderen Bericht zu einem anderen Fahr-
zeug, dem Dingo, der im Moment hervorragende Leistun-
gen auf dem Balkan erbringt. Auch dazu hat der Rech-
nungshof einen Bericht geschrieben, der durch die
Realität überholt worden ist. Ich glaube nicht, dass es Auf-
gabe des Rechnungshofs ist, zu entscheiden, wie viele
Flugzeuge die deutsche Luftwaffe und die Bundeswehr
benötigen. Dies ist in der Tat eine politische Entschei-
dung, die die Bundesregierung zusammen mit dem Parla-
ment zu treffen hat.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bundesrepublik
Deutschland mit ihren rein konventionellen Streitkräften
keine angemessene Lufttransportkapazität zur Verfügung
stehen sollte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir
diese 73 Luftfahrzeuge benötigen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419717300
Eine zweite
Zusatzfrage.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1419717400
Frau Staatssekretärin,
ist es eigentlich richtig, dass der Bericht des Bundesrech-
nungshofes dem Bundesverteidigungsministerium am
14. März 2001 mit der Bitte zugeleitet wurde, innerhalb
von zwei Monaten Stellung zu nehmen, und die
Hardthöhe daraufhin mit Schreiben vom 4.April um still-
schweigende Terminverlängerung bis Ende Mai gebeten
hat, bis heute aber eine Stellungnahme zu dem Bericht des
Bundesrechnungshofes diesem gegenüber noch nicht ab-
gegeben hat?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419717500
Der Rechnungshof weiß ge-
nau, dass er bei seinen Ausführungen zu der Frage, ob 40
oder 73 Flugzeuge erforderlich sind, ein bisschen über
seine Kompetenz hinausgeht. Er muss sich darüber Ge-
danken machen, ob unser Beschaffungswesen wirtschaft-
lich ist. Aber die Entscheidung, wie viele Flugzeuge not-
wendig sind, möchte ich, wie gesagt, auch in Zukunft dem
Parlament und der Bundesregierung überlassen.


(Werner Siemann [CDU/CSU]: Eine Stellungnahme ist nicht abgegeben worden?)







(C)



(D)



(A)



(B)


– Der Bundesrechnungshof hat von uns mehrfach gesagt
bekommen, dass unsere Vorstellung von seiner abweicht.
Wir können unsere Auffassung auch gut begründen. Es
gibt ausreichend Hintergrundinformationen, die deutlich
machen, dass wir 73 Flugzeuge benötigen. Sie verfügen
ebenfalls über diese Informationen, Herr Kollege.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419717600
Ich rufe die
Frage 26 des Kollegen Martin Hohmann auf:

Beabsichtigt die Bundesregierung, die Gelöbnis- bzw. Eides-
formel für die deutschen Soldaten und Soldatinnen angesichts der
neuen Aufgabenzuweisungen und weltweiter Einsatzmöglichkei-
ten zu ändern, und welche konkreten Textalternativen gibt es ge-
gebenenfalls?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419717700
Herr Präsident! Lieber Herr
Kollege Hohmann, die Bundesregierung beabsichtigt
nicht, die Gelöbnis- bzw. Eidesformel zu verändern. Das
in der Eides- und Gelöbnisformel zum Ausdruck kom-
mende Bekenntnis des Soldaten umfasst jeden Einsatz,
der mit unserer Verfassung, dem Grundgesetz, in Ein-
klang steht. Der in der gesetzlichen Regelung der Treue-
pflicht – das steht in § 7 des Soldatengesetzes – und in der
Eides- und Gelöbnisformel des § 9 des Soldatengesetzes
in gleicher Weise enthaltene Passus „... und das Recht und
die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“
beschränkt die Einsatzmöglichkeiten des Soldaten der
Bundeswehr weder auf die Verteidigung des Gebiets der
Bundesrepublik Deutschland noch auf das deutsche Volk.
Die Formulierung hatte den Zweck, als ein grundlegendes
Wesensmerkmal des soldatischen Dienens die Tapferkeit,
die vom Soldaten bei der Erfüllung eines jeden Verfas-
sungsauftrages verlangt wird, besonders hervorzuheben.
Weil diese Pflicht zur Tapferkeit aus dem reinen Wortlaut
der Pflicht zum treuen Dienen nicht ohne weiteres her-
vorgeht, sah sich der Gesetzgeber veranlasst, diesen
Aspekt der Treuepflicht mit der gewählten Formulierung
ausdrücklich zu normieren.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419717800
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Hohmann.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1419717900
Frau Staatssekretärin,
vielen Dank. Zunächst einmal spreche ich Ihnen meine
Anerkennung dafür aus, dass Sie trotz einer erkennbaren
Erkältung so tapfer Ihr Ressort vertreten.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419718000
Danke, aber das sind Folgen
der Haushaltsberatungen.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1419718100
Die Frage ist von
Wehrpflichtigen an mich herangetragen worden, die vor
allem vor dem Hintergrund des Kosovo-Einsatzes
nachgefragt haben. Ich kann mich an meine Zeit bei der
Bundeswehr in den 60er-Jahren erinnern, als wir von den
Vorgesetzten sehr logisch erklärt bekamen, hier seien wir,
dort die anderen; dies sei die Frontstellung. Nur scheint
mir dies im Hinblick auf den Kosovo-Einsatz eine
gewisse Überinterpretation zu sein.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419718200
Ich danke Ihnen sehr für diese
Frage, weil sie für die Zuhörer von Interesse sein dürfte.
In diese Einsätze gehen keine Wehrpflichtigen, sondern
nur diejenigen, die freiwillig länger Wehrdienst leisten
und dafür auch anders bezahlt werden. In solche
Einsätze – das gilt auch für die neue, noch schwierigere
Aufgabe – gehen Zeit- und Berufssoldaten, also Profes-
sionelle. Wenn ein Wehrpflichtiger den Wunsch äußert, an
einem solchen Einsatz teilzunehmen, muss er länger die-
nen. Das gilt auch weiterhin; darüber gibt es überhaupt
keine Diskussion. Man könnte es auch nicht verantwor-
ten, junge Menschen in solche Einsätze zu schicken, wenn
man sie nicht speziell darauf vorbereitet hätte.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419718300
Die
Frage 27 des Kollegen Dietrich Austermann wird ebenso
schriftlich beantwortet wie die beiden Fragen 28 und 29
des Kollegen Günther Friedrich Nolting.

Wir kommen zur Frage 30 der Abgeordneten Sylvia
Bonitz:

Wie beurteilt die Bundesregierung die aktuelle Sicherheitslage
in Mazedonien angesichts der neuerlichen Schießereien und wie
beurteilt sie die Gefährdungslage für die deutschen Soldaten vor
Ort?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419718400
Frau Kollegin Bonitz, die
Sicherheitslage in Mazedonien ist unverändert fragil. In
den vergangenen Wochen und Monaten kam es in Tetovo
und in seiner Umgebung zu Zwischenfällen. Vertreter der
internationalen Gemeinschaft und insbesondere An-
gehörige von KFOR, die sich ebenfalls in Mazedonien
aufhalten, und der Task Force Fox sind nach wie vor kei-
nen Angriffen in Mazedonien ausgesetzt. Sowohl die
Streitkräfte und Sicherheitskräfte als auch für die ehema-
lige mazedonische UCK werden gegenüber den interna-
tionalen Truppenverbänden nicht gewalttätig.

Gleichwohl gibt es bei den Konfliktparteien natürlich
extreme Splittergruppen, die sich der Kontrolle durch die
jeweilige Führung entziehen. Deswegen muss auch in Zu-
kunft mit Einzelaktionen durch Kleingruppen oder radi-
kalisierte Einzeltäter bis hin zu gewaltsamen Übergriffen
gerechnet werden. Unsere Soldaten sind auf solche
Szenarien eingestellt. Aber das Verhalten gerade unserer
deutschen Soldaten wird von sämtlichen Ethnien respek-
tiert. Es gab bis zum heutigen Tag keine Übergriffe.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419718500
Eine Zu-
satzfrage.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1419718600
Frau Staatssekretärin, das
Mandat läuft am 27. Dezember dieses Jahres aus. Infolge
der Verschiebung der ersten Sitzungswoche im Januar
wird der Deutsche Bundestag aber voraussichtlich erst ab
21. Januar 2002 wieder eine Sitzungswoche haben. Daher
frage ich Sie: Wann beabsichtigt die Bundesregierung,
den Bundestag erneut mit dem Mandat für den Einsatz in
Mazedonien zu befassen, vor allem vor dem Hintergrund,
dass dort im Januar Parlamentswahlen stattfinden und da-
mit möglicherweise erneut Unruhen einhergehen?




Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte

19253


(C)



(D)



(A)



(B)


B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419718700
Das ist jetzt alles spekulativ.
Wir sind sehr bemüht – Sie wissen das und können es auch
verfolgen –, im Rahmen von EU und NATO auf die
Hauptgruppen der beiden Konfliktparteien, also die
Slawo-Mazedonier und die albanischen Mazedonier,
einzuwirken, um sie zu bewegen, hinsichtlich der ent-
sprechenden Gesetzgebung voranzukommen.

Ich gehe auch davon aus, dass wir im Dezember über-
schauen können, ob die weitere Anwesenheit der Task
Force Fox notwendig ist. Ich gehe ebenfalls davon aus,
dass sich das Parlament damit beschäftigen wird. Zum jet-
zigen Zeitpunkt habe ich keinen Grund für die Annahme,
dass die betroffenen Parteien nicht bereit seien, zu einem
vernünftigen verfassungsrechtlichen Vorgehen zu kom-
men.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419718800
Eine zweite
Zusatzfrage.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1419718900
Vielen Dank, Frau Staats-
sekretärin. – Eine andere Frage: Wird der geplante Einsatz
deutscher Streitkräfte im Rahmen der Unterstützung der
USA bei der Terrorbekämpfung – darüber werden wir in
den nächsten Tagen zu diskutieren und auch zu befinden
haben –Auswirkungen auf die derzeit auf dem Balkan sta-
tionierten deutschen Soldaten haben, gegebenenfalls bis
hin zu einer vorzeitigen Abberufung einzelner Truppen-
teile?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419719000
Davon ist im Moment über-
haupt keine Rede.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419719100
Das war die
Antwort?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419719200
Ja.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419719300
Danke.
Wir kommen zur Frage 31 des Abgeordneten Dr. Hans-

Peter Uhl:
Hält die Bundesregierung die derzeit gültigen Vorschriften für

den Einsatz von Spezialisten der Bundeswehr im Inland, insbe-
sondere von ABC-Zügen, für ausreichend bzw. welche konkreten
Änderungen der Vorschriften sind geplant angesichts der Tatsa-
che, dass sich am 12. Oktober 2001 ein ABC-Zug der Bundeswehr
auf Nachfrage wegen angeblich fehlender Kompetenz geweigert
hatte, zwei beim Briefpostamt in Nürnberg aufgetauchte Briefe zu
untersuchen, aus denen weißes Pulver rieselte und die in auffal-
lend falscher Rechtschreibung die Aufschrift trugen: „Der heilige
Krieg hat begonnen“?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419719400
Sehr geehrter Herr Kollege
Dr. Uhl, im Zusammenhang mit den am 12. Oktober 2001
beim Briefpostamt in Nürnberg aufgetauchten verdächti-
gen Briefen hat es keine Anfrage bei einem ABC-Zug der

Bundeswehr mit der Bitte um Unterstützung gegeben.
Von einer Verweigerung der Unterstützung wegen angeb-
lich fehlender Kompetenzen kann deshalb nicht die Rede
sein.

Aus Ihrer langjährigen beruflichen Erfahrung wissen
Sie, dass das Grundgesetz eine funktionale Trennung zwi-
schen den Aufgaben der Polizei und denen der Streitkräfte
vorsieht. Sie hat sich normalerweise bewährt; denn solche
Dinge sind auch in der Vergangenheit vorgekommen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419719500
Eine Zu-
satzfrage.


Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1419719600
Frau Staatssekretä-
rin, darf ich Sie dennoch fragen – losgelöst von diesem
Einzelfall, ob es eine Anfrage gab oder die Mitarbeit ver-
weigert wurde –, ob Sie es für richtig halten, dass man
sich, obwohl in Ballungsräumen wie Nürnberg oder auch
München, wo ich herkomme, in den Kasernen hoch spe-
zialisierte ABC-Spezialisten der Bundeswehr sitzen, die
eventuell dringend benötigt werden, auf die Zuständigkeit
beruft und sagt: Nein, die müssen in der Kaserne sitzen
bleiben und dort – flapsig formuliert – auf den nächsten
Krieg warten; sie dürfen nicht in dem Postamt eingesetzt
werden, in dem ein entsprechender Brief ankommt. Hal-
ten Sie es für richtig, dass Bundesmittel in dieser Weise
verschwendet werden und außerdem über das Bun-
desinnenministerium mit anderen Bundesmitteln eine
Parallelorganisation aufgebaut wird, damit Deutschland
noch einmal flächendeckend mit ABC-Schutzeinheiten
versorgt wird?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419719700
Herr Dr. Uhl, ich habe extra
Ihre berufliche Tätigkeit nachgelesen. Ich selbst war viele
Jahre lang Vorsitzende des Gesprächskreises „Kom-
munalpolitik“. Ich kenne nicht die Ausrüstung der Polizei
und der entsprechenden kommunalen Einrichtungen in
München. Ich kenne allerdings sehr genau die Aus-
stattung in Bayern und vor allen Dingen die unserer Feu-
erwehren, die inzwischen häufiger zu Verkehrsunfällen
von größeren LKWs, die chemische Substanzen geladen
haben, geholt werden als zu Bränden. Ich komme aus ei-
nem Wahlkreis, in dem es relativ viel chemische Industrie
und Glasindustrie gibt.

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Vorstellung, dass
die Bundeswehr bei jedem verdächtigen Brief – auch
wenn wir natürlich im Moment eine erhöhte Sensibilität
haben und es leider zu viele Trittbrettfahrer gibt – mit
ihren Kapazitäten beschäftigt würde, ist völlig abwegig.
Die Länder und die Kommunen haben hier selbstver-
ständlich ihre Pflichten. Sie haben auch Wert darauf ge-
legt, gerade der Freistaat Bayern und ebenso Niedersach-
sen. Ich sehe deswegen überhaupt keinen Bedarf, die
Bundeswehr in diesen Fällen in Anspruch zu nehmen.
Sollte es eine besondere Situation geben und es wirklich
zu ernsthaften Anschlägen kommen – wovon wir hoffent-
lich alle nicht ausgehen –, könnte ich mir vorstellen, dass
im Rahmen der Möglichkeiten nach Anforderung durch
die Länder Hilfe geleistet wird.






(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419719800
Eine zweite
Zusatzfrage.


Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1419719900
Frau Staatssekretä-
rin, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass in ei-
nem Ballungsraum wie München lediglich ein ABC-Zug
bei den Feuerwehren vorhanden ist –

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419720000
Aha!


Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1419720100
– ja – und dass man
zweitens davon ausgehen muss, dass ein solcher ABC-
Zug im Schadensfall pro Stunde maximal 60 kontami-
nierte Personen behandeln kann? Das heißt, der Gedanke,
dass zusätzlich zu den vorhandenen kommunalen Kapa-
zitäten Bundeswehr-ABC-Züge zum Einsatz kommen, ist
durchaus vorstellbar und gar nicht abwegig, weswegen
sich doch die Frage stellt, ob Sie sich darauf vorbereitet
haben, dass man bei solchen oder anders gelagerten Fäl-
len durch Ihr Bundesministerium finanzierte ABC-Ein-
heiten zum Einsatz bringt.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1419720200
Nein, die Bundeswehr ist auf
die internationalen Aufgaben vorbereitet. Art. 35 Abs. 1
des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland er-
laubt aber Amtshilfe; das wissen Sie ja. Das heißt, es kann
in der Tat nach entsprechender Anforderung durch die
Behörden der Länder an irgendeiner Stelle Amtshilfe ge-
leistet werden. Nehmen wir einmal den Fall, es würde ein
großes chemisches Unternehmen explodieren. Dann kann
nach Anforderung Amtshilfe durch die Bundeswehr ge-
leistet werden. Ansonsten ist es nicht die Aufgabe der
Streitkräfte, die Lage im Innern abzusichern; sie haben
andere Aufgaben. Das werden sie auch in der Zukunft
nicht können; denn es gibt zu viele chemische Betriebe,
zu viele Möglichkeiten, sich Verrücktheiten auszudenken,
zu viele Kernkraftwerke und Ähnliches; das ist flächen-
deckend nicht möglich. Wenn aber ein größerer Störfall
als Einzelfall auftritt, werden wir die Probleme, glaube
ich, gemeinsam lösen können.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419720300
Wir sind am
Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Frau
Staatssekretärin.

Die Fragen 32 und 33 des Kollegen Hans-Michael
Goldmann und die Frage 34 des Kollegen Thomas
Dörflinger aus dem Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen werden
schriftlich beantwortet.

Wir kommen damit zum letzten Geschäftsbereich, dem
des Auswärtigen Amtes. Die Fragen 37 und 38 des Kolle-
gen Carsten Hübner werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 35 des Kollegen Wolfgang Gehrcke
auf:

Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zum derzeiti-
gen Stand des Friedensprozesses in Kolumbien, insbesondere
unter Berücksichtigung der Verhandlungen zwischen FARC


(Fuerzas Armadas Revolucionarias de Columbia) und ELN


(Ejército de Liberación Nacional) mit der kolumbianischen Re-

gierung?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1419720400
Herr Kollege Gehrcke, der Friedensprozess in
Kolumbien durchläuft derzeit eine sehr schwierige Phase.
Der Verhandlungsprozess mit den FARC ruht seit dem
7. Oktober. Die Regierung hatte sich am 5. Oktober in
dem Abkommen von San Francisco mit den FARC
zunächst auf die inhaltliche Fortsetzung des Verhand-
lungsprozesses geeinigt, einschließlich des Zieles eines
allgemeinen Waffenstillstands und des Verzichts der
FARC auf Massenentführungen, nicht aber auf Einzelent-
führungen.

Am 7. Oktober verlängerte die Regierung die so ge-
nannte Verhandlungszone der FARC bis zum 20. Januar
2002. Zugleich verhängte Maßnahmen zur verstärkten
Kontrolle des Zugangs zu der Zone haben die FARC je-
doch am 17. Oktober veranlasst, die anstehenden Sitzun-
gen des Verhandlungsprozesses zu boykottieren.

Der Verhandlungsprozess mit dem ELN ist seit dem
19. April unterbrochen. Damals hatte der ELN den Ver-
handlungsprozess mit der Behauptung abgebrochen, die
Regierung tue nicht genug, um die Paramilitärs in der vor-
gesehenen Verhandlungszone des ELN zu bekämpfen.
Regierung und ELN gelang es in mehreren Treffen im
Juni/Juli in Genf und in Venezuela nicht, diesen Dissens
zu überbrücken. Als Folge erklärte auch die Regierung am
7. August ihrerseits den Verhandlungsprozess für suspen-
diert. Die Aussichten für die Fortsetzung des Friedens-
prozesses werden derzeit zurückhaltend eingeschätzt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419720500
Eine Zu-
satzfrage.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419720600
Herr Staatsminister, ich
möchte Sie zu Anfang darum bitten, den Beamten Ihres
Hauses, die sich, wie ich meine, sehr umsichtig, sensibel
und erfolgreich für die Freilassung der beiden deutschen
Geiseln, der von der FARC entführten Entwicklungshel-
fer, eingesetzt haben, herzlich zu danken, und zwar nicht
nur im Namen meiner Fraktion, sondern sicherlich auch
für einen größeren Kreis von Kolleginnen und Kollegen.

Meinen Sie nicht, dass dieser Weg, sensibel, vernünf-
tig und ruhig auf die Konfliktparteien einzuwirken, ein
Weg ist, der zu Erfolgen im Friedensprozess führen kann,
und dass hierin auch eine Chance für die deutsche Bun-
desregierung liegt?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1419720700
Ich bedanke mich für die anerkennenden Worte und
gebe sie gern an die entsprechenden Beamten weiter.

In der Tat ist es Politik der Bundesregierung – wie
übrigens auch der anderen Europäer, mit denen wir in en-
gem Austausch darüber stehen –, in erster Linie die Re-
gierung Pastrana zu unterstützen, weil wir das Hauptpro-
blem in Kolumbien darin sehen, dass der Staat als solcher
zwar in der Hauptstadt Bogotá und in einzelnen anderen






(C)



(D)



(A)



(B)


Städten und Regionen stark ist, aber nicht in der Fläche
des gesamten Staates seine Wirksamkeit, auch als Ge-
waltmonopol, entfaltet. Gleichwohl unterstützen wir die
Regierung Pastrana bei ihrem Versuch, über Gespräche
und Verhandlungen mit den drei Guerillagruppen, ELN,
FARC und Paramilitärs, zu einem Friedensprozess zu
kommen. Das scheitert aber daran, dass – anders als die
Regierung – diese drei Organisationen offensichtlich bis
jetzt kein wirkliches Interesse an einem Friedensschluss
hatten.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419720800
Eine zweite
Zusatzfrage.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419720900
Wäre die Bundesregie-
rung bereit, ihre Erfahrungen mit dem von Ihnen geschil-
derten sensiblen Umgang an die Regierung der Vereinig-
ten Staaten weiterzugeben und ihr zu empfehlen, ähnlich
vorzugehen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1419721000
Wir befinden uns mit den Vereinigten Staaten im
Gespräch. Sie kennen den Plan Columbia, der von der
amerikanischen Seite entwickelt worden ist, und auch die
Stellungnahmen der Europäer dazu. Die Europäer haben
parallel zu den amerikanischen Vorstellungen eigene
Vorstellungen dazu entwickelt, wie man den Friedenspro-
zess fördern kann und wie man insbesondere dann, wenn
man die Drogenproduktion und den Drogenhandel
zurückdrängen will – das muss man; das ist unser politi-
sches Ziel –, gleichzeitig den Campesinos, den Bauern,
andere Erwerbsquellen zur Verfügung stellen kann. Das
wirkt sich etwa in unserer Entwicklungshilfe aus, die über
einzelne Entwicklungsprojekte hinaus so etwas wie Re-
gionalentwicklung, Gemeindeentwicklung, einschließ-
lich des Aufbaus von Zivilgesellschaft und demokrati-
schen staatlichen Strukturen zum Ziel hat.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419721100
Ich rufe die
Frage 36 des Kollegen Gehrcke auf:

Sieht die Bundesregierung das Vorhaben der US-Regierung,
für die Anführer der großen Guerillaorganisationen die Ausliefe-
rung zu einem Gerichtsverfahren wegen Terrorismus in den USA
zu beantragen, als kontraproduktiv für den Friedensprozess in
Kolumbien an („Berliner Zeitung“ am 26. Oktober 2001)?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1419721200
Herr Kollege Gehrcke, der Artikel in der „Berliner
Zeitung“, nach dem Sie fragen, geht auf öffentliche Äuße-
rungen der US-Botschafterin in Bogotá zurück, in denen
sie auch auf eine Auslieferung von Mitgliedern der Gue-
rillagruppen FARC und ELN sowie der diese bekämpfen-
den Paramilitärs, soweit ihnen eine Verstrickung in den
Drogenhandel oder Geldwäschedelikte nachgewiesen
werden können, Bezug nimmt.

Bereits seit Anfang September, das heißt vor den Ter-
roranschlägen vom 11. September, standen die drei ge-
nannten Gruppierungen auf der vom State Department
geführten Liste ausländischer terroristischer Organisatio-
nen. Es handelt sich dabei um reguläre, nicht auf den ko-

lumbianischen Friedensprozess zielende staatsanwalt-
schaftliche Ermittlungen gegen Straftäter, die sich nach
US-Recht strafbar gemacht haben. Das kolumbianische
Recht sieht die Möglichkeit der Auslieferung ins Ausland
nach Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahren ausdrücklich
vor. Ob ein Auslieferungsersuchen bezüglich einzelner
Mitglieder dieser Organisation seitens der USA gestellt
und wie darauf von kolumbianischer Seite reagiert wird,
ist eine Frage der bilateralen Beziehungen zwischen den
betroffenen Staaten.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419721300
Eine Zu-
satzfrage.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419721400
Eigentlich möchte ich Sie
ja gerne fragen, ob Sie es in Anbetracht der sowieso vor-
handenen internationalen Spannungen als diplomatisch
geschickt erachten, eine solche Forderung via Presse an
die kolumbianische Regierung zu richten. Da werden Sie
sich aber sicherlich zurückziehen. Deswegen frage ich
Sie, ob Sie nicht auch Sorge haben, dass die Anti-
terrordebatte und die Benennung terroristischer Struktu-
ren und Länder nunmehr auf Lateinamerika übergreift
und den schwierigen, von Ihnen geschilderten Friedens-
prozess nachhaltig stören kann.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1419721500
Wir haben ja zwei Problemkomplexe, einmal den
Problemkomplex, wie man Terrorismus definiert, was
insbesondere im Zusammenhang mit der in Aussicht ge-
nommenen umfassenden Antiterrorismuskonvention der
UNO zu klären sein wird. Der zweite Problemkomplex
betrifft die Einstufung dieser drei Organisationen in Ko-
lumbien, die nach amerikanischer Meinung Terrororgani-
sationen sind und die übrigens auch nach unserer Mei-
nung, nach Meinung der Bundesregierung, alles andere
darstellen als das, was wir in den 70er- oder 80er-Jahren
als legitime Emanzipations- und Befreiungsbewegung ge-
fördert und unterstützt haben oder womit wir zumindest
sympathisiert haben. Wir neigen ebenfalls dazu, ELN und
FARC als verbrecherische Organisationen einzustufen,
die vielleicht noch in ihren Begründungszusammen-
hängen eine gewisse soziale Bezugnahme mitschleppen,
deren Ziele aber letztlich darauf gerichtet sind, territoriale
Gewinne zu erzielen und sich über den Drogenhandel zu
bereichern.

Ich finde es – Herr Kollege Gehrcke, ich weiß, dass Sie
oder Ihre Partei in ähnlicher Richtung diskutieren –
außerordentlich wichtig, dass die eher linken Kräfte Eu-
ropas, die in der Vergangenheit Emanzipationsbewegun-
gen in Lateinamerika unterstützt haben, ganz deutlich ma-
chen: ELN und FARC gehören nicht in diese Kategorie,
sondern in die Kategorie Verbrecherorganisation.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419721600
Eine zweite
Zusatzfrage.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419721700
Wir haben uns, soweit das
in unseren Kräften stand, ebenfalls darum bemüht, einen
Beitrag zur Freilassung der deutschen Geiseln zu leisten,
wie Ihnen bekannt ist.




Staatsminister Dr. Ludger Volmer
19256


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich möchte abschließend daran die Frage knüpfen, wie
hoch die Bundesregierung die Gefahr einschätzt, dass es
über den bestehenden Bürgerkrieg hinaus in Kolumbien
zu einer militärischen Intervention von außen kommen
kann, die dann in der Gesamtregion – wobei Friedenspro-
zesse auch in angrenzenden Ländern außerordentlich in-
stabil sind – möglicherweise zu Verwerfungen führen
wird.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1419721800
Zum einen sehen wir nicht, dass es bis zur Wahl in
Kolumbien im nächsten Jahr noch zu Durchbrüchen kom-
men wird. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch
nicht, dass im Moment konkrete Planungen zu einer In-
tervention im Gange sind. Ansonsten haben die Europäer,
was diese militärische Ebene angeht, ihre Meinung deut-
lich gemacht. Wir sehen dort nicht so viel Nutzen wie un-
sere transatlantischen Partner.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419721900
Vielen
Dank, Herr Staatsminister.

Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich rufe den Zu-
satzpunkt 1 auf:

Anspruch des Bundeskanzlers, die Lohnneben-
kosten unter 40 Prozent senken zu wollen, an-
gesichts derWirklichkeit steigender Beiträge

Ich sehe mit Befriedigung, dass wenigstens die Redner
anwesend sind, und eröffne die Aussprache.

Ich gebe das Wort dem Kollegen Horst Seehofer für die
CDU/CSU-Fraktion.


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1419722000
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diese Ak-
tuelle Stunde beantragt, weil die schlechte Lage unserer
Sozialversicherungszweige in Deutschland mittlerweile
bedrohliche Ausmaße erreicht hat. In allen Bereichen – in
der Krankenversicherung, in der Pflegeversicherung, in
der Arbeitslosenversicherung, in der Rentenversiche-
rung – ist jetzt, im Jahre 2001, die Lage der Sozialversi-
cherung signifikant schlechter als vor drei Jahren. Dies ist
nicht auf die Folgen der Ereignisse des 11. September
zurückzuführen, sondern das ist das Ergebnis einer ver-
fehlten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik in den letz-
ten drei Jahren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir werden Anfang 2002 in der Sozialversicherung

eine gesamte Beitragsbelastung von über 41 Prozent ha-
ben. Dazu kommen Bundeszuschüsse zur Alters- und Ar-
beitslosenversicherung aus dem Bundeshaushalt in Höhe
von rund 140 Milliarden DM. Wenn man diese 140 Milli-
arden DM in Beitragspunkte umrechnet,


(Peter Dreßen [SPD]: Das ist aber unfair!)

dann kommt man zu dem Ergebnis, dass wir zur Finan-
zierung unserer Sozialversicherung jetzt eine effektive
Belastung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber von
annähernd 50 Prozent haben.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


In den nächsten Jahren droht noch ein weiterer Beitrags-
und Ausgabenschub. Wir bewegen uns auf eine Beitrags-
belastung von 55 Prozent zur Finanzierung unserer Sozi-
alsysteme zu.


(Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

Das ist eine Besorgnis erregende Entwicklung, vor al-

lem vor dem Hintergrund, dass die wirklichen Herausfor-
derungen zur Finanzierung unserer Sozialsysteme noch
vor uns liegen, nämlich die Probleme, die aus der Alters-
entwicklung unserer Bevölkerung erwachsen und die aus
dem kostenintensiven Fortschritt in der Medizin und der
Pflege entstehen. Ursache für diese Entwicklung ist eine
Kette von Fehlentscheidungen, die die Bundesregierung
zu verantworten hat, insbesondere die beiden feder-
führenden Minister Riester und Ulla Schmidt.

Die Fehlerkette begann erstens damit, dass man nach
der Bundestagswahl 1998 Reformen der Regierung Kohl
zurückgenommen und damit eine massive finanzielle Be-
lastung der Sozialversicherung ausgelöst hat. Der zweite
Grund ist eine Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regie-
rung Schröder, die in der Bundesrepublik Deutschland
– das zeigen die Arbeitslosenzahlen des gestrigen Tages –
in den letzten drei Jahren Beschäftigung nicht geschaffen,
sondern vernichtet hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Fritz Schösser [SPD]: Das ist doch nicht wahr!)


Das hat ebenfalls negative Auswirkungen auf die Finan-
zen der Sozialversicherung, und zwar auf der Einnahmen-
wie auf der Ausgabenseite.

Der dritte Punkt in dieser Kette von Fehlentscheidun-
gen sind die angeblichen Strukturreformen in der Sozial-
versicherung, die entweder unterblieben sind oder
schlampig gemacht wurden. Man kann heute, nach drei
Jahren rot-grüner Reformpolitik, sagen, dass ständige un-
realistische und geschönte Prognosen, die mit der Realität
nicht im Einklang stehen,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist das Grundproblem!)


eine bürokratische Regelungswut und in diesen Tagen und
Wochen eine unglaubliche Zahl von Tricksereien Kenn-
zeichen und Inbegriff rot-grüner Reformpolitik geworden
sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Fritz Schösser [SPD]: Immer dieselbe Leier!)


Meine Damen und Herren, diese Regierung steht vor
einem sozialpolitischen Scherbenhaufen.


(Peter Dreßen [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)


Die verantwortlichen Minister Riester und Schmidt haben
das Vertrauen der Bevölkerung in die sozialen Siche-
rungssysteme massiv beschädigt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Arbeitslosigkeit ist unvermindert hoch. Die Finanzen
der Arbeitslosenversicherung laufen aus dem Ruder. Es
gibt niemanden, der nicht zu dem Ergebnis käme, dass die




Wolfgang Gehrcke

19257


(C)



(D)



(A)



(B)


deutsche Arbeitsmarktpolitik in hohem Maße ineffizient
ist und dass wir Milliarden ausgeben mit wenig Ertrag.
Die Krankenversicherung steht vor dem finanziellen
Ruin. Ich kenne kein Jahr in den letzten 40 Jahren, in dem
so viele Negativergebnisse – schlechtere Qualität plus
höhere Beiträge – in einer Sozialversicherung erreicht
wurden. Die finanziellen Reserven der Pflegeversiche-
rung werden aufgezehrt. Die Rentenreform ist bereits vor
ihrem In-Kraft-Treten reine Makulatur.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Von Übertreibungen lebt man!)


Wir haben es deshalb bei den beiden federführenden
Ministern mit Kurpfuschern im reinsten Sinne des Wortes
zu tun.


(Peter Dreßen [SPD]: Fassen Sie sich an die eigene Nase! – Weiterer Zuruf von der SPD: Da spricht der Pferdedoktor Seehofer!)


Sie haben mit Fehlentscheidungen die Sozialversicherung
in die Krise gestürzt und versuchen nun mit falschen Re-
zepten, die Sozialversicherung aus dieser Krise zu führen.
Der Sozialminister und die Gesundheitsministerin haben
dazu beigetragen, dass aus dem Aushängeschild des deut-
schen Sozialstaats, unserer Sozialversicherung, ein riesi-
ges Problemkind geworden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD – Franz Thönnes [SPD]: Das war ja eine mitreißende Rede!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419722100
Ich erteile
das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bun-
desministerium für Arbeit und Sozialordnung, dem Kol-
legen Gerd Andres.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1419722200
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es außeror-
dentlich pikant, dass ausgerechnet Herr Kollege Seehofer
diese Debatte eröffnet.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ein guter Mann!)


Ihm müsste eigentlich die Schamröte ins Gesicht steigen.

(Lachen bei der CDU/CSU)


Während Ihrer Mitgliedschaft in einer Bundesregierung
als Parlamentarischer Staatssekretär und als Gesundheits-
minister stiegen die gesetzlich definierten Lohnnebenkos-
ten um sage und schreibe 6,2 Prozentpunkte an. Schämen
Sie sich für das, was Sie hier erzählt haben!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ich war zehn Jahre in der Regierung! Das sind 0,6 Prozent pro Jahr!)


Wir wollen hier Tacheles reden. In Ihrer Zeit als Ge-
sundheitsminister stieg der Krankenversicherungsbeitrag
von 12,5 auf 13,6 Prozent an. Schämen Sie sich für das,
was Sie hier gesagt haben!

Sie reden hier von Murks. Wir haben ein paar Urteile
kassiert, die mit dem Murks zu tun haben, den Sie als Re-
gierungsmitglied in der Zeit von 1989 bis 1998 angerich-
tet haben – damit Sie wissen, worüber wir reden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Jetzt zur Sache!)


– „Jetzt zur Sache“? Das gehörte schon zur Sache. Das
kann ich handfest sagen. Wir haben nämlich den Schrott
von Ihnen übernommen – damit Sie das genau wissen,
Herr Seehofer.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Ihr seid jetzt aber schon fast vier Jahre im Amt!)

Die neue Bundesregierung wird dafür sorgen, dass
die Sozialabgaben gesenkt werden.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Wann denn?)


Die Entlastung der Arbeit durch eine Senkung der ge-
setzlichen Lohnnebenkosten ist ein Eckpfeiler unse-
rer Politik für neue Arbeitsplätze.

(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ist das die Rede vom letzten Jahr?)

Dazu werden wir zum einen Strukturreformen durch-
führen, um die Zielgenauigkeit und Wirtschaftlich-
keit der sozialen Sicherungssysteme zu verbessern.


(Dirk Niebel [FDP]: Wie denn?)

Zum anderen werden wir die gesetzlichen Lohnne-
benkosten im Rahmen einer ökologischen Steuer-
und Abgabenreform senken.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja, und dann? Was ist dann passiert?)

Wir werden die Sozialversicherungsbeiträge von
heute

– gut zuhören, Herr Seehofer! –
42,3 Prozent des Bruttolohns durch die Einnahmen
aus der ökologischen Steuerreform auf unter 40 Pro-
zent senken. Das entlastet Beschäftigte und Unter-
nehmen.

Alles, was ich jetzt vorgetragen habe, war ein Zitat aus der
Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und dem
Bündnis 90/Die Grünen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wieder
einmal so weit: Man ist uneins mit sich selbst, dieses Mal
über die Kanzlerkandidatur.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ach! Was hat das mit Lohnnebenkosten zu tun?)


Also muss der kleinste gemeinsame Nenner herhalten: der
Angriff auf den Bundeskanzler und die Bundesregierung.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Wollen Sie den Kanzler auch noch über die Lohnnebenkosten finanzieren?)


Nun kann man die Bundesregierung für alles Mögliche
verantwortlich machen, meinetwegen auch für das Wetter




Horst Seehofer
19258


(C)



(D)



(A)



(B)


heute. Doch sollte man vorsichtig sein, dass man dabei als
Opposition kein klassisches Eigentor schießt, wie Sie es
bei den so genannten Lohnnebenkosten tun.

Herr Seehofer, hören Sie gut zu! Schon Ihre Formulie-
rung des Themas dieser Aktuellen Stunde ist Unsinn. Ich
werde Ihnen jetzt auch sagen, warum sie Unsinn ist.

Das Ziel der Bundesregierung, die Sozialversiche-
rungsbeiträge – darum geht es und nur die können ge-
meint sein – auf unter 40 Prozent zu senken, wurde in der
Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und dem
Bündnis 90/Die Grünen festgelegt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Man muss den Worten auch Taten folgen lassen! – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das kommt doch nicht!)


Dieses quantitative Ziel bezieht sich allerdings nur auf
Beitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherung, also
der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeits-
losenversicherung. Hierbei werden die Beitragssätze so-
wohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer
berücksichtigt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!)

Deshalb ist das Thema dieser Aktuellen Stunde schon

falsch formuliert. Es geht nicht darum, die Lohnnebenkos-
ten unter 40 Prozent zu senken. Wer sich in der Materie
auskennt, weiß, dass dies völliger Blödsinn ist.


(Dirk Niebel [FDP]: Oberlehrer!)

Vielmehr geht es darum, durch eine Senkung der Sozial-
versicherungsbeiträge auf unter 40 Prozent auch die
Lohnnebenkosten zu verringern.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber Sie sind gescheitert!)


Dies ist etwas ganz anderes.

(Beifall bei der SPD)


Ich gratuliere Ihnen als ehemaligem Minister ganz
herzlich. Herzlichen Glückwunsch! Sie können nicht ein-
mal das Thema einer Aktuellen Stunde korrekt formu-
lieren.


(Lachen des Abg. Horst Seehofer [CDU/CSU])


Deshalb ein paar Fakten, um die Sachverhalte einmal
klarzustellen. Zu mehr als der Hälfte beruhen die Lohn-
nebenkosten bzw. die Personalnebenkosten, wie es in der
amtlichen Statistik heißt, auf tariflichen und betrieblichen
Vereinbarungen. Darauf hat die Bundesregierung keinen
Einfluss. Worauf die Bundesregierung Einfluss hat, sind
die gesetzlichen Lohnnebenkosten. Nur hierauf könnte
sich ein quantitatives Ziel beziehen. Die gesetzlichen Per-
sonalnebenkosten betrugen im westdeutschen verarbei-
tenden Gewerbe im Jahre 2000 rund 37,4 Prozent des Di-
rektentgeltes für geleistete Arbeit.

Im ostdeutschen verarbeitenden Gewerbe waren es
rund 37,8 Prozent. Damit es klar ist: Das sind Zahlen des
Instituts der deutschen Wirtschaft. Die können Sie dort
nachlesen – damit uns die Damen und Herren der Oppo-

sition nicht wieder voreilig vorwerfen, wir würden Zah-
len manipulieren.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sie tricksen schon seit Wochen! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Immer!)


Sie sehen also: Das Ziel von 40 Prozent kann sich gar
nicht auf die Personalnebenkosten beziehen. Welchen
Sinn würde eine politische Zielmarke machen, die längst
erreicht ist?

Bei den gesetzlichen Personalnebenkosten entfallen
wiederum nur drei Viertel auf die Sozialversicherungs-
beiträge der Arbeitgeber. Gerade wegen des Gewichts der
Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung an den ge-
setzlichen Personalnebenkosten konzentriert sich die
Politik der Bundesregierung auf die Beitragssätze zur So-
zialversicherung. Bei den Beitragssätzen zur Sozialver-
sicherung macht eine Zielmarke von 40 Prozent Sinn. So
steht es auch in der Koalitionsvereinbarung zwischen der
SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen.

Blicken wir zurück: Die konservativ-liberale Bundes-
regierung verfolgte nach eigenem Bekunden über die ge-
samte Regierungszeit hinweg ebenfalls das Ziel, die
gesetzlichen Personalnebenkosten möglichst zu vermin-
dern, sie zumindest nicht weiter steigen zu lassen.


(Dirk Niebel [FDP]: Ihr wolltet doch alles besser machen!)


Die Realität sah leider anders aus. Dazu habe ich schon
ein paar Sätze gesagt. Ich habe den Eindruck, Sie haben
das alles schon vergessen.

In der praktischen Politik hat die damalige Bundesre-
gierung nämlich genau das Gegenteil gemacht. 1982 be-
trugen die Beitragssätze zur Sozialversicherung noch
34 Prozent.


(Peter Dreßen [SPD]: Sehr wahr!)

1998 waren es über 42 Prozent. Das war ein historischer
Höchstwert, der uns hinterlassen wurde. Nicht alles an
dieser Entwicklung ist der damaligen Regierung anzulas-
ten, aber immerhin einiges. So wurden zum Beispiel die
sozialen Lasten der deutschen Wiedervereinigung über-
wiegend über die Sozialversicherungssysteme finanziert,
was wesentlich zum Anstieg der Beitragssätze beitrug.

Der Finanztransfer von West nach Ost im Rahmen der
gesetzlichen Rentenversicherung und der Bundesanstalt
für Arbeit betrug einschließlich des Bundeszuschusses für
die BA allein 1998 rund 46 Milliarden DM. Selbst wenn
der Bundeszuschuss für die Bundesanstalt herausgerech-
net würde, verbliebe durch die Beitragszahler ein Finanz-
transfer von immerhin rund 38 Milliarden DM. Dies
entsprach rund 2 bis 3 Prozentpunkten des Gesamt-
beitragssatzes zur Sozialversicherung.

Ein Eckpfeiler der Politik der jetzigen Bundesregie-
rung war und ist auch weiterhin die Entlastung des Fak-
tors Arbeit durch eine Senkung der gesetzlichen Perso-
nalnebenkosten.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Das geht doch genau umgekehrt!)





Parl. Staatssekretär Gerd Andres

19259


(C)



(D)



(A)



(B)


Dazu wurden und werden zum einen Strukturreformen
durchgeführt, um die Zielgenauigkeit und Wirtschaftlich-
keit der sozialen Sicherungssysteme zu verbessern. Die
Rentenreform als herausragendes Beispiel oder das heute
im Ausschuss beratene „Job-Aqtiv-Gesetz“ seien in die-
sem Zusammenhang erwähnt.

Zum anderen wurden und werden die gesetzlichen
Personalnebenkosten im Rahmen einer ökologischen
Steuer- und Abgabenreform gesenkt. Hierfür wurde als
erster Schritt zum 1. April 1999 der Beitragssatz zur
Rentenversicherung um 0,8 Prozentpunkte gesenkt. Zu
Beginn der Jahre 2000 und 2001 wurde der Beitragssatz
um weitere 0,4 Prozentpunkte reduziert. Der gesamte Bei-
tragssatz zu den sozialen Sicherungssystemen ist dadurch
von seinem westdeutschen Rekordstand in Höhe von über
42 Prozent auf 40,9 Prozent gesunken. Ich stelle fest: Die
richtigen Schritte wurden gemacht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ziel der Bundesregierung ist es weiterhin, die
Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40 Prozent zu sen-
ken. Hier sollten keine Missverständnisse aufkommen.
Ich sage Ihnen: Wir haben, gemessen an dem, was Sie uns
hinterlassen haben, schon Wesentliches erreicht. Wir wer-
den im Rahmen der Möglichkeiten weiter daran arbeiten,
die Sozialversicherungsbeiträge zu senken.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Aber nur im Rahmen Ihrer Möglichkeiten!)


Ich denke, hierzu ist es notwendig, dass wir zu einer
entsprechenden wirtschaftlichen Erholung kommen. Es
ist unbestreitbar, dass es gegenwärtig Beschäftigungspro-
bleme gibt. Sie hängen mit der Konjunktur und nicht mit
den Ereignissen vom 11. September dieses Jahres zusam-
men.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Und mit Ihnen!)

– Herr Seehofer, das wissen wir selber. Herzlichen Glück-
wunsch zu Ihrer Erkenntnis.

Die konjunkturelle Abschwächung in den Vereinigten
Staaten und in anderen Ländern setzte zu Beginn dieses
Jahres, nicht am 11. September ein.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die hat uns noch gar nicht erreicht!)


Wir müssen abwarten, wie sich die Folgen des 11. Sep-
tember weiterentwickeln. Wir werden weiter an der Sen-
kung der Beitragssätze arbeiten. Ich denke, wir haben
gute Erfolge erreicht.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wenn es schlecht ist, sind es die Folgen des 11. September!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419722300
Für die
FDP-Fraktion spricht der Kollege Dr. Heinrich Kolb.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1419722400
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! So viel Leichtigkeit des Ver-

sprechens wie im Oktober 1998 war nie. Ich finde es recht
dreist, Herr Staatssekretär, dass Sie sich trauen, aus der
Koalitionsvereinbarung von damals zu zitieren. Ich darf
das wiederholen. Es hieß im Oktober 1998:

Die neue Bundesregierung wird dafür sorgen, dass
die Sozialabgaben gesenkt werden. Die Entlastung
der Arbeit durch eine Senkung der gesetzlichen
Lohnnebenkosten ist ein Eckpfeiler unserer Politik
für neue Arbeitsplätze.


(Dirk Niebel [FDP]: Gescheitert!)

Herr Staatssekretär, ich finde, es ist ziemlich blamabel,

wenn Sie sich hier auf Rabulistik beschränken. In dem
Antrag, eine Aktuellen Stunde durchzuführen, ist zugege-
benermaßen von Lohnnebenkosten die Rede. Das ist ge-
nau der Begriff, den Sie auch in Ihrer Koalitionsvereinba-
rung verwendet haben; dort heißt es – wenn es darum
geht, fügen Sie „gesetzlich“ hinzu – „gesetzliche Lohn-
nebenkosten“. Stellen Sie sich der Diskussion!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Jetzt wollen wir sehen, was aus der beabsichtigten Sen-

kung der Lohnnebenkosten geworden ist. Im Oktober
1998 betrugen die Lohnnebenkosten deutlich unter
40 Prozent. Eine Grafik aus dem „Spiegel“, die auf eine
Schätzung des Finanzwissenschaftlers und Wirtschafts-
weisen Professor Rürup zurückgeht, zeigt, dass für 2002
die Prognosen für die Sozialabgaben pro 100 DM Brutto-
arbeitslohn bei 41,20 DM liegen. Das sind – Prozentrech-
nung, Herr Staatssekretär – 41,2 Prozent. Das ist der
Stand, der sich nach der Einschätzung Ihres Wirtschafts-
weisen Professor Rürup ergibt. Das heißt: Sie sind mit
Ihren großspurigen Ankündigungen vom Oktober 1998
gescheitert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie sind auch gescheitert, weil Sie es versäumt haben,

Ihren Worten Taten folgen zu lassen und Ihre Hausaufga-
ben zu machen. Papier ist geduldig, aber Probleme kann
m
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1419722500
Man kann auf drei Arten Beitragssätze
senken, und zwar zunächst einmal, indem man den Kreis
der Beitragszahler erweitert. Hierzu muss man sagen,
dass Sie mit Ihren so genannten Strukturreformen für den
Arbeitsmarkt alles andere als günstige Rahmenbedingun-
gen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze gesetzt haben.
Ich nenne in diesem Zusammenhang die Regelungen zu
den 630-DM-Verträgen, der Scheinselbstständigkeit, die
Erschwerung befristeter Arbeitsverhältnisse, den An-
spruch auf Teilzeitarbeit und die restriktiven Schwellen-
werte im Betriebsverfassungsgesetz. Das alles führt dazu,
dass keine neuen Arbeitsplätze entstehen werden.


(Fritz Schösser [SPD]: Sehen Sie nicht nur die negativen Wirkungen!)


– Die negativen Wirkungen sind uns heute morgen im
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung von der Bundes-
regierung vorgetragen worden.


(Fritz Schösser [SPD]: Welche denn?)

Wir haben gehört, dass der interministerielle Arbeits-

kreis gesamtwirtschaftliche Schätzungen am 25. Oktober




Parl. Staatssekretär Gerd Andres
19260


(C)



(D)



(A)



(B)


festgestellt hat – nehmen Sie das bitte zur Kenntnis –: Im
Jahresdurchschnitt 2002 werden wir 3,9 Millionen Ar-
beitslose haben.


(Fritz Schösser [SPD]: Aber doch nicht wegen der Gesetze!)


Ich betone: im Jahresdurchschnitt. Das bedeutet, in einer
Reihe von Monaten des nächsten Jahres wird die Arbeits-
losenzahl weit über 4 Millionen liegen. Das ist eine Bank-
rotterklärung Ihrer Politik.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Fritz Schösser [SPD]: Was hat das mit dem Betriebsverfassungsgesetz zu tun?)


– Schlimm genug, dass Sie das nicht erkennen.
Sie haben aber auch versäumt, als zweite Möglichkeit

zur Beitragssenkung Kosteneinsparungen vorzunehmen.
Das gilt sowohl – Kollege Seehofer hat das deutlich ge-
macht – für die Rentenreform, die ihren Namen nicht ver-
dient und die im günstigsten Fall eine Haltbarkeitsdauer
von zwei Jahren hat – wobei ich befürchte, dass wir uns
schon vorher mit einer neuen Rentenreform beschäftigen
werden müssen –, als auch für die Krankenversicherung.
Wir werden uns am Freitag mit Ihren Vorschlägen zum
Risikostrukturausgleich zu befassen haben. Ich kann nur
sagen: Die Richtung, in die Sie steuern, macht den Wett-
bewerb in der gesetzlichen Krankenkasse zu einer Farce
und bereitet den Weg zu einer Einheitskasse.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Die Krankenkassen werden zukünftig ihre Energien
auf das Aufspüren von Subventionstöpfen lenken


(Fritz Schösser [SPD]: Auf das Aufspüren von Gesunden!)


und nicht auf die Verbesserung der Versorgung oder das
Aufdecken von Wirtschaftlichkeitsreserven, um damit die
Beiträge zu senken.

Ich finde, der größte Skandal – man muss sich anhören,
wie das 1998 klang – ist, dass es in der Regierungser-
klärung des Bundeskanzlers hieß, die Einnahmen aus der
Energiesteuer würden nur zur Senkung der gesetzlichen
Lohnnebenkosten verwendet; er hat das damals als Kern-
punkt bezeichnet.


(Peter Dreßen [SPD]: Hat er auch!)

Auch der Finanzminister sagt: Wir müssen die Lohnne-
benkosten senken, wenn wir Chancen für Arbeit schaffen
wollen. Sie haben es aber nicht getan. Wir werden im
Jahre 2002 Einnahmen aus der Ökosteuer – Quelle: Bun-
desministerium der Finanzen – von 28Milliarden DM ha-
ben. Das heißt, der Beitrag müsste eigentlich auf 18,6 Pro-
zent gesenkt werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Heute Morgen haben wir im Ausschuss gehört, dass er

nächstes Jahr bei 19,1 Prozent liegen wird. Auch diesen
Beitragssatz erreichen Sie nur durch einen Kunstgriff, in-
dem Sie sich durch die Neubestimmung der Schwan-
kungsreserve der Peinlichkeit entziehen, eine Beitragser-

höhung um 0,3 Prozentpunkte auf dann 19,4 Prozent be-
schließen zu müssen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das, meine Damen und Herren von der Koalition,

macht deutlich: Sie sind mit Ihrem Ansatz gescheitert. Der
Bundeskanzler hat gesagt: „Wenn wir es nicht schaffen,
die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken, haben wir es nicht
verdient, wiedergewählt zu werden.“ Da kann ich nur sa-
gen: Treten Sie ab!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Franz Thönnes [SPD]: Dann wäre Ihre Amtszeit aber ganz kurz gewesen, Herr Kollege!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419722600
Für die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen spricht die Kol-
legin Dr. Thea Dückert.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1419722700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist
eigentlich schade, dass über ein beschäftigungspolitisch
so wichtiges Thema wie die Senkung der Sozialabgaben
zum hundertsten Mal rückwärts gewandt diskutiert wird.


(Beifall bei der SPD – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Die Wahrheit!)


Richtig ist – das ist allerdings noch nicht einmal im Ti-
tel der Aktuellen Stunde korrekt aufgegriffen worden –,
dass sich nicht nur der Bundeskanzler, sondern auch die
Koalition, auch der grüne Koalitionspartner, vorgenom-
men hat, in dieser Legislaturperiode den Anteil der Sozi-
alabgaben auf unter 40 Prozent zu senken.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Fehlanzeige!)

Wir haben uns das zum Ziel gesetzt – Herr Kolb, ich kann
hier nur das wiederholen, was Sie gesagt haben –, weil für
uns die Sozialabgaben in der Tat ein wichtiger Eckpfeiler
für die Entwicklung der Beschäftigung und des Arbeits-
marktes sind.


(Dirk Niebel [FDP]: Sie haben doch versagt! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihr Projekt einer ökologischen Steuerreform ist gescheitert! Genau so ist es!)


Die Senkung der Sozialabgaben ist gerade wichtig für ge-
ring Qualifizierte, die nur über kleine Einkommen verfü-
gen.

Wir haben im Gegensatz zu Ihnen – Sie haben sich in
den letzten zehn Jahren nur als Steuer- und Beitragssatz-
steigerer geriert – bereits in den letzten zwei Jahren Steu-
ern, Beiträge und Sozialabgaben gesenkt.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Wo sind die Beiträge gesenkt worden?)


Die Aussage von Herrn Seehofer, dass vor drei Jahren al-
les besser gewesen sei, ist falsch. Vor drei Jahren waren
der Eingangsteuersatz und der Spitzensteuersatz höher als
jetzt. Wir haben den Eingangsteuersatz gesenkt. Vor drei




Dr. Heinrich L. Kolb

19261


(C)



(D)



(A)



(B)


Jahren waren die Sozialabgaben wesentlich höher, und
zwar in allen Bereichen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Wo denn?)

– Sie rufen: Wo denn? Ich kann Ihnen die Zahlen vortra-
gen: 1990 lag der Anteil der Sozialabgaben bei 35,8 Pro-
zent. 1998 lag dieser Anteil bei 42,1 Prozent.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber eine Ökosteuer gab es damals noch nicht!)


Ich weiß nicht, was Sie rechnen. Für mich ist das aller-
dings eine Steigerung des Anteils der Sozialabgaben um
6,3 Prozentpunkte. Der aktuelle Anteil der Sozialabgaben
liegt bei 40,9 Prozent. Das ist im Vergleich zu 1998 eine
deutliche Senkung. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worü-
ber Sie reden. Möglicherweise schlägt sich die Tatsache,
dass Sie in der Opposition sitzen, auf Ihr Gedächtnis nie-
der.

In der Zeit, in der Sie die Sozialabgaben hochgefahren
haben, haben Sie gleichzeitig die Mehrwertsteuer erhöht,
um den Beitragssatz in der Rentenversicherung bei
20,3 Prozent zu stabilisieren. Heute liegt dieser Beitrags-
satz bei 19,1 Prozent. Das ist die Realität. Ich finde es
schade, dass Sie bei einer solch wichtigen Diskussion
über die Senkung der Lohnnebenkosten und der Sozial-
abgaben mit falschen Daten aus der Vergangenheit auf-
warten.

Es wird aber noch schlimmer. Ausgerechnet Sie, die
das alles in der Vergangenheit zu verantworten hatten,
wollen sich nun zum Ratgeber machen, und zwar mit Vor-
schlägen, die genauso untauglich sind wie das, was Sie in
der Vergangenheit vorgeschlagen haben. Sie schlagen
zum Beispiel die Abschaffung der Ökosteuer vor.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!)

Was würde das denn bedeuten? Das würde bedeuten, dass
zum Beispiel der Beitragssatz in der Rentenversicherung
um mindestens 1 Prozentpunkt steigen müsste. Das wäre
eine weitere Steigerung der Sozialabgaben und der
Rentenbeiträge. Genau das wollen wir vermeiden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das, was Sie jetzt sagen, ist enervierend!)


Sie haben den Vorschlag, den der Minister in die De-
batte eingebracht hat – darüber wird in der Sitzung des
Bundestages am kommenden Freitag und im Ausschuss
noch diskutiert werden –, abgelehnt, die Schwankungs-
reserve dafür zu nutzen, wofür sie da ist, nämlich Schwan-
kungen bei den Beitragssätzen in der Rentenversicherung,
die in diesem Jahr konjunkturell bedingt auftreten wer-
den, abzufedern. Wenn wir auf Ihren Vorschlag, die
Schwankungsreserve unangetastet zu lassen, eingehen
würden, dann hätten wir eine weitere Steigerung des Bei-
tragssatzes zu verantworten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Eben! Noch einmal 0,3 Prozent mehr! Das sind dann schon 1,3 Prozent!)


Das wollen wir nicht. Deswegen wollen wir Sie auch
nicht als Ratgeber. Wir wollen zum Beispiel Herrn
Rürup – Sie haben seinen Namen schon genannt – als Rat-
geber. Herr Rürup hat uns nachvollziehbar vorgerechnet,
dass mithilfe der Schwankungsreserve der Beitragssatz in

der Rentenversicherung im nächsten Jahr bei 19,0 Prozent
liegen könnte. Das wäre eine Senkung.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das sind doch Taschenspielertricks!)


Wir werden diese Debatte führen. Zu diesem Thema
wird es auch Anhörungen geben. Das ist also ein Ziel, das
wir weiterhin anstreben. Ob es dann wirklich zu erreichen
ist, werden wir sehen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie sind gescheitert! Das Kernprojekt „ökologische Steuerreform“ ist gescheitert! – Horst Seehofer [CDU/ CSU]: Einfach gescheitert!)


Unter dem Strich: Sie hatten in der Vergangenheit Bei-
tragssteigerungen und eine höhere Arbeitslosigkeit zu
verantworten


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihr Kernprojekt ist gescheitert!)


und Sie schlagen jetzt verantwortungslose Konzepte für
die Zukunft vor, die wieder zu genau dem führen würden,
was Sie uns hinterlassen haben, nämlich Beitragssteige-
rungen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben überhaupt keine Konzepte und das ist das Problem!)


Meine Damen und Herren, zu Beitragssteigerungen
werden wir es nicht kommen lassen.


(Dirk Niebel [FDP]: An dieser Aussage sollte man Sie auch messen!)


Wir werden jeden Spielraum aufspüren und ausnutzen,

(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Sie haben ja gar keinen mehr!)

übrigens auch in der Arbeitslosenversicherung, um wei-
terhin den Pfad zu gehen, den wir eingeschlagen haben,


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist kein Pfad, das ist ein Irrweg!)


nämlich die Beiträge zu senken.
Danke schön.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419722800
Ich erteile
das Wort der Kollegin Dr. Heidi Knake-Werner für die
PDS-Fraktion.


Dr. Heidi Knake-Werner (PDS):
Rede ID: ID1419722900
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Häme und Panikmache,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und
von der FDP, sind genauso wenig angebracht


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Man wird wohl auf die Fakten hinweisen dürfen, die die Bundesregierung heute im Ausschuss vorgestellt hat!)


wie die Verkündung froher Botschaften, Herr Staatssekre-
tär, angesichts der ausgesprochen schwierigen sozialen




Dr. Thea Dückert
19262


(C)



(D)



(A)



(B)


Lage. Wenn die rot-grüne Bundesregierung es nicht
schafft, bis zum Wahltag ihr Wahlversprechen einzulösen,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bei dem erforderlichen Vorlauf kann sie es nicht mehr schaffen!)


nämlich die Sozialversicherungsbeiträge nachhaltig zu
senken, dann kann das, finde ich, niemanden in diesem
Hause wirklich freuen. Dahinter verbirgt sich nämlich ein
Wust an falschen politischen und finanziellen Weichen-
stellungen, deren Folgen in der Regel die abhängig Be-
schäftigten und diejenigen auszubaden haben, die auf
staatliche Leistungen angewiesen sind.

Nun kann man der Bundesregierung nicht vorwerfen,
dass sie nicht versucht hätte, die gesetzlichen Lohnne-
benkosten zu senken – sozusagen als Morgengabe an die
Unternehmer. Mehr Arbeitsplätze sollte es bringen. Lei-
der Fehlanzeige, wie uns inzwischen Monat für Monat
von der Bundesanstalt bescheinigt wird. Dass Sie heute
im Ausschuss Ihre Angaben auf durchschnittlich
3,89 Millionen Arbeitslose im Jahr 2002 korrigieren
mussten, ist doch hochgradig dramatisch. Ich kann nicht
begreifen, warum Sie das schönreden.

Ebenso schlimm ist, dass die bisherige Senkung der
Lohnnebenkosten nur erreicht werden konnte erstens um
den Preis einer Ökosteuer, die mit ökologischer Umsteue-
rung nichts, aber auch gar nichts zu tun hat – ausdrücklich
nicht! –, und zweitens um den Preis einer Rentenreform,
die die Rente weder sichert noch armutsfest macht, was
wir auch scharf kritisiert haben.


(Beifall bei der PDS – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)


Wir wissen heute, dass dies alles nicht ausgereicht hat,
um die Stabilität der Beitragssätze in der Sozialversiche-
rung zu garantieren, wie Sie es gern hätten. Die aktuelle
Debatte um die Kürzung der Beitragsrücklagen der
Rentenversicherung und um die Beiträge zur Kranken-
versicherung verunsichert tief und untergräbt das Ver-
trauen in die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme
weiter. Dass Sie von der CDU/CSU genau diese Verunsi-
cherung der Rentnerinnen und Rentner auch noch bedie-
nen, ist alles andere als ein politisches Glanzstück.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Wir? Unverschämt!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die spannende Frage
ist doch, warum die Regierung es nicht schafft, ihr Wahl-
versprechen einzulösen. Hierfür sind aus meiner Sicht
zwei Gründe ausschlaggebend. Erstens hat es diese
Regierung nicht vermocht, die Arbeitslosigkeit nachhaltig
abzubauen


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie ist gescheitert!)


und einen Abbau der Arbeitslosigkeit hinzubekommen,
der begleitet ist von einem stärkeren Zuwachs bei der Er-
werbstätigkeit und – das ist der Knackpunkt – gleichzei-
tig auch bei der beitragspflichtigen Erwerbstätigkeit.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Außer Tricks bei den 630-DM-Verträgen ist Fehlanzeige!)


Niedriglohnjobs – das sage ich in Richtung der Bündnis-
grünen – helfen in dieser Situation gar nichts.

Zweitens hat die Regierung den vorhandenen
Reformbedarf auf der Einnahmeseite verkannt. Auch das
haben wir schon lange kritisiert. Die Einnahmen der So-
zialversicherung lassen sich eben nicht allein über die
Ausweitung der Beschäftigung und den Abbau der Ar-
beitslosigkeit konsolidieren. Seit nahezu 20 Jahren erle-
ben wir, dass die Beschäftigung dem Wirtschafts-
wachstum hinterherhinkt und dass die Bruttolohnsumme
im Durchschnitt wesentlich langsamer steigt als die Pro-
duktivität und die volkswirtschaftliche Wertschöpfung.
Deshalb schlägt die PDS schon seit langem vor, für einen
Mechanismus zu sorgen, der die Einnahmen der Sozial-
versicherung stärker an die Produktivität und an die
Wertschöpfung koppelt. Wir – einige aus Ihren Reihen
sehen das genauso – halten eine Wertschöpfungsabgabe
für eine geeignete Möglichkeit. Vielleicht gibt es auch
andere Vorschläge. Fakt ist jedenfalls: Es muss eine
Regelung geben, um eine langfristig wirksame Stabili-
sierung der Einnahmen der Sozialversicherung zu ge-
währleisten.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Die im DAX vertretenen großen Unternehmen kündi-

gen in der „Wirtschaftswoche“ für das Jahr 2002 an,
80 000 Stellen zu streichen. Der Deutsche Industrie- und
Handelskammertag geht noch weiter und spricht von
200 000 bis 240 000 Stellenstreichungen. Ein Abbau von
Arbeitsplätzen in dieser Größenordnung bedeutet für die
Sozialversicherungssysteme immense Einnahmever-
luste – das wissen Sie – und zusätzliche Kosten für die
Bundesanstalt für Arbeit. Diese Mehrbelastungen müssen
die verbleibenden Beschäftigten und die Unternehmen
zahlen. Seit der Rentenreform wissen wir, dass die Be-
schäftigten dadurch sehr viel nachdrücklicher belastet
werden. Das ist und bleibt sozial ungerecht.

Auf der anderen Seite kündigen genau diese Großun-
ternehmen für das kommende Jahr trotz zurückgehender
Beschäftigung keine Wertschöpfungsverluste an. Mit an-
deren Worten: Diese Unternehmen sanieren ihre Bilanz
auf Kosten der Allgemeinheit und insbesondere auf Kos-
ten der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das
Bruttosozialprodukt nimmt zu, die Volkswirtschaft
wächst, aber die Sozialversicherungen werden ärmer.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419723000
Frau Kolle-
gin, Sie haben Ihre Redezeit schon längst überzogen.


Dr. Heidi Knake-Werner (PDS):
Rede ID: ID1419723100
Das ist ein Teufels-
kreis, der mit neuen Antworten und nicht mit alten Hüten,
also mit Vorschlägen aus der Mottenkiste, durchbrochen
werden muss.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419723200
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht die Kollegin Dagmar Wöhrl.




Dr. Heidi Knake-Werner

19263


(C)



(D)



(A)



(B)



Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1419723300
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Vor kurzem wurde ein Regierungs-
beamter in der Presse mit den Worten zitiert:

Das Kanzleramt brennt schon im Erdgeschoss; nur
oben haben sie es noch nicht gemerkt.

(Fritz Schösser [SPD]: Das war wahrschein lich die Staatskanzlei!)

Ich denke, dass Sie das schon gemerkt haben, denn man
versucht zu „löschen“. Aber Sie legen dabei allenfalls eine
gewisse hilflose Hektik an den Tag.

Die Bundestagswahl ist in elf Monaten.

(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Elf zu viel!)


Was hat der Kanzler vorzuweisen? Das Wirtschafts-
wachstum befindet sich im Sturzflug, die Lohnnebenkos-
ten explodieren auf bald über 41 Prozent


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Politisch beeinflusste Justiz in Bayern!)


und vor den Arbeitsämtern steht bald eine 4-Millionen-
Arbeitslosen-Schlange. Wo ist Ihre soziale Romantik
geblieben? Herr Schröder hat geschworen, die Arbeitslo-
senzahlen unter 3,5 Millionen zu drücken und die Lohn-
nebenkosten auf unter 40 Prozent zu senken. Diese groß-
spurigen Versprechungen sind geplatzt wie Seifenblasen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Institute sprechen inzwischen von einem Wirt-

schaftswachstum von nur noch 0,7 Prozent. Selbst diese
kleinlaute Prognose ist vielen Ökonomen immer noch viel
zu optimistisch. Das Einzige, was zurzeit wirklich steigt,
sind leider die Arbeitslosenzahlen.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Wer wirft die Leute eigentlich raus?)


Deutschland hat keinen Konjunkturschwächeanfall, son-
dern ein langfristiges Wachstumsproblem, das Sie aus-
gelöst haben. Dafür ist nicht der 11. September verant-
wortlich, wie Sie uns glauben machen wollen. Die
Talfahrt hat schon vorher begonnen. Das wissen Sie auch.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Weit vorher! – Widerspruch bei der SPD)


Wenn die Wirtschaft kaum noch wächst und die Zahl
der Arbeitslosen steigt, gehen natürlich auch die Lohn-
nebenkosten in die Höhe. Dies verteuert die Arbeit und
dadurch steigen die Arbeitslosenzahlen wiederum. So ge-
raten wir in eine Spirale, aus der man nicht mehr heraus-
kommt.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Die Deutsche Bank baut weitere 4 000 Arbeitsplätze ab!)


Dramatische Konsequenz ist der Anstieg der Sozialversi-
cherungsbeiträge. Das Schlimmste ist, dass unter Ihrer
Regierung kein Ende der Abwärtsspirale in Sicht ist.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Dem Herrn Schösser hat es die Sprache verschlagen!)


– Der ist zwar ganz ruhig; aber der kommt schon noch,
keine Sorge.

Den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von derzeit
6,5 Prozent zu senken hat sich genauso als Illusion erwie-
sen wie Ihr Glaube, dass Sie mit Ihrer Politik die Kran-
kenversicherungsbeiträge stabil halten können. Wir haben
inzwischen ein Gesundheitswesen, das aufgrund Ihrer Po-
litik wirklich akut erkrankt ist und das auch Frau Ministe-
rin Schmidt nicht wird gesundbeten können. Auch die
drohenden 14 Prozent Krankenversicherungsbeitrag wird
sie nicht „weglächeln“ können. Es rächt sich – das wissen
Sie auch –, dass Sie Fehler gemacht haben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das geben sie nicht zu!)


Der erste große Fehler war die Rücknahme unserer Re-
formen, der nächste Fehler war der Slalomkurs, den Sie
aufgrund Ihrer Konzeptionslosigkeit in der Gesundheits-
politik fahren.

Nun schauen Sie sich die Rentenversicherung an. De-
ren Lage ist genauso desolat. Riester muss jetzt schon in
die Trickkiste greifen und Geld aus der gesetzlich vorge-
schriebenen Schwankungsreserve locker machen. Was
macht er damit? Er geht an die Notgroschen der Rentner,
um diese Misere bewältigen zu können.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr! – Franz Thönnes [SPD]: Völliger Quatsch!)


Was ist aus Ihrem Versprechen geworden, die Rentenver-
sicherungsbeiträge mithilfe der Einnahmen aus der Öko-
steuer auf 18,8 Prozent zu senken?


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Bayern verliert den letzten Anschein von Solidität!)


Wo sind denn Ihre weitreichenden Strukturreformen in
dem Bereich, um langfristig den Generationenvertrag ab-
zusichern?


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Was ist denn bei Ihnen gemacht worden? Da ist alles verschlampt worden!)


Meine Damen und Herren, Sie kennen bestimmt den
wunderschönen Song: „Parole, parole, parole“. Er passt
wunderbar auf Ihre Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Schon jetzt ist die Belastung durch Steuern und Abgaben
unerträglich. Von jeder Mark bleiben unseren Bürgern nur
noch 45 Pfennig in der Tasche, der Rest geht für Steuern
und Sozialabgaben an den Staat drauf. Das Schlimmste
dabei ist, dass wir im internationalen Wettbewerb ganz
hinten stehen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Früher waren wir Nummer Eins, jetzt sind wir am Ende! – Zuruf von der CDU/CSU: Rote Laterne!)


Ich meine im internationalen Vergleich, nicht nur im eu-
ropäischen. Schauen Sie sich die neue Studie des IMD in
Lausanne an, die kürzlich herausgekommen ist. Dort lan-
det Deutschland bei den Sozialversicherungsbeiträgen
abgeschlagen auf Platz 46 von 49 Ländern.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hinter Sizilien!)







(C)



(D)



(A)



(B)


Das ist eine Schande, das ist blamabel für unser Land. Die
größten Defizite werden von den IMD-Ökonomen bei den
deutschen Arbeitsmarktregeln gesehen: zu starr, zu büro-
kratisch und zu kostspielig.


(Fritz Schösser [SPD]: Sie vergleichen Äpfel mit Birnen! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das hat etwas miteinander zu tun, Herr Schösser!)


Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass wir eine
Jobkrise in Deutschland haben. Sie ist hausgemacht. Wir
haben einen sklerotischen Arbeitsmarkt, der nicht flexibi-
lisiert wird. Sie schaffen es nicht, stärkere Anreize für die
Arbeitsaufnahme zu schaffen und einen Niedriglohnsek-
tor einzurichten. Ihre Sündenliste ist immens lang. Ich
will jetzt nicht alles aufzählen: 630-Mark-Gesetz, Teil-
zeit, Betriebsverfassungsgesetz usw.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Man muss es aber immer wieder sagen! – Fritz Schösser [SPD]: Wie viele Stellen weniger haben Sie denn in Ihrem Betrieb, Frau Wöhrl?)


Man muss es wirklich wiederholen, damit man sieht, was
Sie alles auf den Weg gebracht haben.

Ihr Minister Eichel benutzt die Bundesanstalt für Ar-
beit als politische Manövriermasse.


(Fritz Schösser [SPD]: Was hat das mit dem 630-Mark-Gesetz zu tun?)


Öffentliche Infrastrukturmaßnahmen werden inzwischen
aus den Beiträgen für die Arbeitslosenversicherung be-
zahlt, und das Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit,
das eigentlich aus dem Bundeshaushalt finanziert werden
muss, lassen Sie von der Bundesanstalt für Arbeit bezah-
len, obwohl es sich hierbei um gesamtgesellschaftliche
Aufgaben handelt.


(Fritz Schösser [SPD]: Sie haben dafür Arbeitslosengeld gezahlt!)


Dafür dürfen nicht die Beiträge der Versicherten benutzt
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie verlagern Milliardenlasten auf die Bundesanstalt für
Arbeit, obwohl diese Aufgaben aus dem Bundeshaushalt
und nicht mit den Beiträgen der Arbeitnehmer zu bezah-
len sind, Herr Kollege Schösser.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419723400
Frau Kolle-
gin Wöhrl, auch Sie müssen zum Schluss kommen.


Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1419723500
Sie meiden unpopuläre
Maßnahmen, obwohl Sie genau wissen, dass sie notwen-
dig werden. Zwischendurch legen Sie kurzatmigen Aktio-
nismus an den Tag.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Den Quatsch, den Sie hier vortragen, machen wir jedenfalls nicht!)


Genau das ist aber der Königsweg in eine wirtschaftliche
und soziale Sackgasse.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419723600
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Thomas Sauer; er spricht für die SPD-
Fraktion.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ein sehr schwerer Gang!)



Thomas Sauer (SPD):
Rede ID: ID1419723700
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Wenn wir heute über die Entwicklung der
Beitragssätze in den sozialen Sicherungssystemen disku-
tieren, dann laufen wir Gefahr – das hat die Debatte ge-
zeigt –, nur auf eine Seite zu blicken, wenn auch auf eine
ökonomisch sehr wichtige. Hierbei handelt es sich um die
Beitragsseite. Es gibt aber auch eine andere Seite, das ist
die Leistungsseite. Ich möchte hier als Sozialdemokrat
vorweg klarstellen: Den Belastungen, die die Beiträge si-
cherlich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so-
wie für die Arbeitgeber darstellen, stehen auch Leistungen
gegenüber, die wir nicht missen wollen: anständige Ren-
tenzahlungen an die ältere Generation


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Anständig weniger als 1998! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Streichen Sie das Wort „anständig“!)


und die soziale Absicherung im Falle von Arbeitslosig-
keit, Pflegebedürftigkeit und Krankheit.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Anständig weniger!)


Dass Sie, Herr Seehofer, hier die Errungenschaften un-
seres sozialen Sicherungssystems infrage stellen, wundert
mich gar nicht.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Gelogen und betrogen!)


Was war denn Ihre Politik? Sie haben die sozialen Siche-
rungssysteme massiv mit versicherungsfremden Leistun-
gen belastet. Sie haben die Beiträge bis zum Gehtnicht-
mehr nach oben geknüppelt, und zwar zu einem einzigen
politischen Zweck, nämlich die sozialen Leistungen peu à
peu zurückzufahren. Diesen Kurs machen wir nicht mit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Wir haben versucht, Reformen durchzuführen, und nicht, die Steuern zu erhöhen! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und Sie überlasten die Beitragszahler massiv mit der Ökosteuer!)


Ich glaube, wir Sozialdemokraten haben auch deshalb
bei den letzten Bundestagswahlen eine so große Zustim-
mung erfahren. Sie, meine Herren und Damen von der
CDU/CSU und der FDP, sind in die Opposition geschickt
worden, weil die Wähler uns zutrauen,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Weil sie Ihren Versprechungen geglaubt DagmarWöhrl 19265 haben! Und jetzt werden sie betrogen! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Das Vertrauen ist weg!)





(C)


(D)


(A)


(B)


dass wir die sozialen Sicherungssysteme sozial gerecht
weiterentwickeln


(Zuruf von der CDU/CSU: Das Vertrauen ist weg!)


und die unbestreitbar vorhandenen enormen strukturellen
Probleme, vor denen die Sozialversicherungen standen
und stehen, aus dem Weg räumen.

Die Regierung und die sie tragenden Parteien sind gut
beraten, diesen Wunsch der Bevölkerung nach sozialer
Absicherung auch in praktische Politik umzusetzen. Ich
glaube, wir haben bei der Reform der Alterssicherung die-
sen Anspruch auch weitgehend erfüllt.


(Dirk Niebel [FDP]: Dann verfrühstücken Sie bitte nicht unsere Kinder!)


Die Menschen erwarten allerdings natürlich genauso,
dass mit den Beiträgen, die sie leisten,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Und die in der Summe erhöht werden!)


ökonomisch, das heißt effizient umgegangen wird und
dass die Belastung des Faktors Arbeit mit diesen Beiträ-
gen zurückgeführt wird. Dass die Nettolöhne in den letz-
ten Jahren der Kohl-Regierung deutlich absanken, war
doch auch eine Folge der Politik, die die Sozialversiche-
rung für alles mögliche in Haft nahm und dadurch die Bei-
tragssätze in Rekordhöhen trieb.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das habt ihr verursacht!)


Allein von 1995 bis 1998 sanken die realen Nettolöhne je
Arbeitnehmer in Deutschland im Durchschnitt pro Jahr
um 420 DM.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Netto vor oder nach der Ökosteuer? Das ist eine entscheidende Frage! – Zuruf von der CDU/CSU: Die haben keine Ökosteuer zahlen müssen!)


Dieses Geld haben Sie den Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmern aus der Tasche genommen. Meine Damen
und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, das war
eine Folge Ihrer arbeitnehmerfeindlichen Steuerpolitik


(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir durch die Steuerreform gerade verhindert!)


und des drastischen Anstiegs der Beiträge während Ihrer
Regierungszeit auf zuletzt über 42 Prozent. Damit woll-
ten wir Schluss machen und das haben wir auch getan.


(Beifall bei der SPD)

Seitdem SPD und Bündnis 90/Die Grünen regieren,

steigen die realen Nettolöhne wieder an und es sinken die
Steuerbelastungen sowie die Sozialversicherungs-
beiträge, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist doch Quatsch! – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Wo denn? Sagen Sie das doch einmal! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Jeder, der sich mit den komplexen Problemen unserer
sozialen Sicherungssysteme im Einzelnen befasst, weiß,
das jede Reform auf schwierige Fragen nach ihren sozia-
len Auswirkungen, aber auch auf vielfältige ökonomische
Eigeninteressen stößt. Dies vernünftig und im Sinne einer
zukunftsfesten sozialen Absicherung zu gestalten ist eine
sehr schwierige Aufgabe,


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist wohl wahr!)

die durch die aktuelle ökonomische Situation weiter er-
schwert wird.

Die Eintrübung der Weltkonjunktur, von der wir hof-
fen, dass sie schon im kommenden Jahr überwunden wird,
hat natürlich auch Auswirkungen auf das Wirtschafts-
wachstum bei uns.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Es sind immer die anderen! – Dirk Niebel [FDP]: Weil die Weltkonjunktur nur hier wirkt, sind wir auf Platz 46!)


Es wäre ganz falsch, in dieser Situation den eingeschla-
genen wirtschaftspolitischen Kurs zu verlassen. Die
Rückführung der Schwankungsreserve um 20 Prozent ist
aus meiner Sicht deshalb eine richtige Maßnahme. Da-
durch kann der Beitragssatz bei 19,1 Prozent stabil gehal-
ten und können die Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer
und deren Arbeitgeber vor einer drohenden Belastung von
immerhin fast 2,5 Milliarden DM bewahrt werden, ohne
dass die Auszahlung der Renten in irgendeiner Weise be-
troffen wäre.

Frau Wöhrl, ich muss Ihnen sagen, dass ich es einiger-
maßen unverantwortlich finde, hier den Eindruck zu er-
wecken, als würden die Rentenzahlungen an die Rentne-
rinnen und Rentner in irgendeiner Weise gefährdet. Wir
können mit der Schwankungsreserve immer noch eine
höhere Reserve, als Blüm sie jemals hatte, anbieten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Seien Sie ehrlich! – Zuruf von der CDU/CSU: Sie ist aber abgesunken! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dass dies eine angemessene Reaktion ist, meine Da-
men und Herren von der CDU/CSU und der FDP, zeigen
auch die positiven Reaktionen, die wir von den Gewerk-
schaften und auch von der BfA dafür bekommen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Die haben auch den Wahlkampf mit finanziert! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja, von den Gewerkschaften vielleicht!)


– Das sind bessere Vertreter der sozialen Belange der
Rentnerinnen und Rentner, als Sie es sind.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist falsch, das machen wir viel besser!)


Wenn bei der Krankenversicherung trotz der Gegen-
maßnahmen geringe Beitragssatzsteigerungen notwendig
werden, ist dies angesichts sonst möglicherweise drohen-
der Leistungseinschränkungen aus meiner Sicht vertret-
bar. Die Forderungen der Arbeitgeberverbände gehen in
eine falsche Richtung, wenn sie verlangen, den Beitrags-




Thomas Sauer
19266


(C)



(D)



(A)



(B)


satz einfach festzuschreiben, und im Kern eine Zweiklas-
senmedizin einfordern, bei der die Krankenkassen ledig-
lich Kernleistungen im Sinne einer Basismedizin finan-
zieren sollen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich bin gespannt, was Sie im Januar oder Februar nächsten Jahres hier sagen werden! Dann ist es zappenduster!)


Ich bin Frau Ministerin Schmidt dankbar, dass sie klarge-
stellt hat, dass sie diesen Weg nicht gehen will.

Für mich zeigt sich an dieser aktuellen Debatte auch,
dass wir im Gesundheitswesen noch einen erheblichen
Reformbedarf haben. Das ist nicht zu verschweigen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist ja putzig formuliert!)


Herr Seehofer hat aus meiner Sicht zu Recht gesagt, dass
im System erhebliche Effizienzreserven stecken, die im
Sinne der Zukunftsfähigkeit der Krankenversicherung er-
schlossen werden müssen.

Dieses Schließen der Effizienzreserven wird Vertei-
lungsprobleme aufwerfen und harte Kämpfe erfordern.
Ich meine aber, dass alle Akteure in diesem Wirtschafts-
bereich mithelfen müssen, eine zukunftsfeste Kranken-
versicherung zu initiieren. Frau Ministerin Schmidt hat
unsere volle Unterstützung für ihre Bemühungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Heiße Luft, sonst nichts!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419723800
Der Kollege
Karl-Josef Laumann spricht jetzt für die CDU/CSU-Frak-
tion.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Bitte nicht so zurückhaltend wie sonst immer!)



Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1419723900
Sehr geehrter
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist
eigentlich traurig, dass wir heute diese Aktuelle Stunde
durchführen müssen.


(Fritz Schösser [SPD]: Ja!)

Sie ist notwendig, weil wir – das kann doch keiner leug-
nen – in allen Sozialversicherungen schwere Finanzie-
rungsprobleme haben.


(Fritz Schösser [SPD]: Aber nicht so schwer wie 1998! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Vergiss es!)


Wir haben heute Morgen im Ausschuss für Arbeit und
Sozialordnung erlebt, wie die Bundesregierung den Haus-
halt des Arbeitsministeriums im Bereich der Arbeits-
losenversicherung um große Beträge nach oben verändern
musste,


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Milliarden!)

weil sie davon ausgeht – das hat sie heute zugegeben –,
dass wir nächstes Jahr 415 000 Arbeitslose mehr haben

werden, als sie selber bei der Aufstellung dieses Haushal-
tes vor zwei Monaten geglaubt hat.


(Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich! – Wolfgang Weiermann [SPD]: Es ist ja zwischendurch auch nichts passiert!)


Wir werden auch bei der Arbeitslosenhilfe große Fi-
nanzierungsprobleme bekommen. Die Entlastung, die es
auf dem Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer gibt, er-
kaufen wir uns mit der Einführung von Teilzeitarbeit. Im
Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit müssen jedes Jahr
etwa 500 Millionen DM mehr für Altersteilzeit aufge-
bracht werden. Jeder weiß, dass das Instrument zwar
greift; aber wir wissen auch, dass wir damit unserem Ziel
der Beschäftigung für Ältere nicht näher kommen.

In dieser Woche erleben wir in Deutschland eine De-
batte um die Schwankungsreserve der Rentenversiche-
rung. Das hat mich veranlasst, mich mit der Geschichte
der Schwankungsreserve zu beschäftigen. Es ist schon in-
teressant, dass sie 1969 unter Beteiligung der SPD an der
Bundesregierung von 12 Monaten auf drei Monate abge-
senkt worden ist. 1977 hat die sozialliberale Koalition sie
von drei Monaten auf einen Monat weiter abgesenkt.

Sie sagen jetzt, dass in der Rentenversicherung nicht
einmal mehr eine Reserve von einem Monat vorhanden
sein müsse und dass man mit dieser Maßnahme mit der
Konjunkturentwicklung, die anders verläuft als gedacht,
besser fertig werden könne. Sie wollen eine turbulente
Debatte in der Öffentlichkeit über die Finanzierung der
Renten vermeiden und senken deshalb die Schwankungs-
reserve auf 0,8Monate. Dieses Vorgehen beweist für mich
die Richtigkeit eines Spruches: Bevor die Sozialdemo-
kraten in irgendeiner Sozialversicherung Geld übrig las-
sen, werden unsere Hunde ein Stück Wurst liegen lassen.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! – Zuruf von der SPD: Oh!)


Das macht mir große Sorgen.
Überlegen Sie sich doch einmal, was Sie mit der Ab-

senkung der Schwankungsreserve anrichten könnten.
Wenn die Absenkung erfolgen würde, hätten wir in der
Rentenkasse demnächst eine Rücklage in Höhe von gut
20 Milliarden DM. Das entspricht den Rentenzahlungen
für 0,8 Monate.


(Doris Barnett [SPD]: Das haben Sie alles verscherbelt!)


Stellen Sie sich einmal vor – das erleben wir ja zurzeit –,
die Situation auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich auf-
grund der Anschläge weiter, wovon zuvor niemand
ausgehen konnte! Dann würden wir im November des be-
treffenden Jahres erleben, dass sich die Rentenversiche-
rung zum ersten Mal in ihrer Geschichte Geld auf dem
Kapitalmarkt besorgen müsste oder dass das Kabinett be-
schließen müsste, den Bundeszuschuss vorzuziehen, da-
mit die Renten pünktlich ausgezahlt werden können. Wis-
sen Sie, was Sie damit anrichten? Sie sorgen dafür, dass
das Vertrauen in die Idee der Sozialversicherung schwers-
ten Schaden nehmen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Thomas Sauer

19267


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie leisten damit einer Entwicklung in unserem Land wei-
ter Vorschub, die ich sozialpolitisch für sehr schwierig
halte. Wir sind uns unter den Sozialpolitikern fraktions-
übergreifend einig, dass die Idee der Sozialversicherung
damit immer mehr in Misskredit kommt. Deswegen soll-
ten Sie sich gut überlegen, ob man an den Sparstrumpf der
Rentenversicherung geht.

Ich weiß, wie die Menschen denken. Ich kenne viele
kleine Leute, die sich ganz bewusst eine eiserne Reserve
vom Mund abgespart haben für den Fall, dass etwas pas-
siert, womit man nicht rechnen konnte. Gerade die, die auf
die Sozialversicherung angewiesen sind, handeln so.
Wenn diese Menschen hören, dass Sie nicht einmal mehr
in der Lage sind, eine Monatsrente im Voraus in der Kasse
zu haben,


(Dirk Niebel [FDP]: Dann ist es zappenduster!)


dann werden sie schlicht und ergreifend sagen, dass dies
keine seriöse Politik ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das werden wir als Union den Menschen so sagen, und
damit werden wir sehr genau und sehr nah bei den Ge-
fühlen der Leute liegen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


Deswegen überlegen Sie sich gut, ob Sie diesen Schritt
wirklich durchhalten wollen, auch wenn Sie Verbände fin-
den, die Ihnen vorschwafeln, das sei alles verantwortbar
und richtig.

Wahr ist auch, dass Sie zugeben müssen, dass Sie jetzt
vor den Scherben Ihrer Rentenreform stehen. Wissen Sie,
warum? Weil die Zahlen und Fakten, die Sie angenom-
men haben,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die waren geschönt!)


sehr optimistisch angesetzt waren und weil zum Schluss
der Rentenreform getrickst worden ist, indem man die
Leistungen verbessert und einfach gesagt hat: Dann ma-
chen wir ein bisschen mehr Zuwanderung. Dann stimmt
es zwar am Rechenschieber,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber in den Kassen nicht!)


aber dass es nicht stimmt, sehen Sie jetzt, in den Stunden,
in denen Sie anscheinend diese Entscheidungen treffen
wollen. Das ist schlicht und ergreifend ein Versagen Ihrer
Politik. Aber mich ärgert einfach, dass Sie die gute Idee
der Sozialversicherung damit immer mehr in Misskredit
bringen. Das sollten Sie sich noch einmal überlegen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419724000
Für die
SPD-Fraktion spricht der Kollege Franz Thönnes.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja, Herr Thönnes, dazu kann man nicht mehr viel sagen! Alles Wesentliche ist gesagt!)



Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1419724100
Es ist ja schon sehr merkwür-
dig, dass man Ihnen heute, da Sie die Aktuelle Stunde
selbst schon beantragt haben, sagen muss: Die Schonfrist,
drei Jahre nicht mehr an der Regierung zu sein, kann Sie
noch lange nicht veranlassen, zu glauben, man säße nicht
mehr im Glashaus. Sie sitzen immer noch im Glashaus.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das hätten Sie gern!)


Deswegen sollten Sie sehr vorsichtig sein, wenn Sie
meinen, Sie müssten nun Steine werfen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir werden uns von Ihnen die Debatte nicht verbieten lassen! – Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Aber reden dürfen wir noch! – Weitere Zurufe von der CDU)


Sie sitzen immer noch in dem Glashaus, in dem Sie na-
hezu 16 Jahre lang gearbeitet haben. Am Ende Ihrer Re-
gierungszeit waren die Sozialkassen ruiniert, die Steuer-
belastung war immer weiter gestiegen und die
Arbeitslosigkeit hatte immense Höhen erreicht. Deswe-
gen haben die Menschen Sie abgewählt, und das war eine
richtige Entscheidung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Erika Lotz [SPD]: Und das war gut so!)


Herr Seehofer, in Ihrer Zeit ist die Belastung allein
durch die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge
um 21 Milliarden DM gestiegen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Überschüsse bei der Krankenversicherung!)


In Ihrer Zeit ist die Arzneimittelzuzahlung erhöht worden,
Krankenhausbehandlung mit Zusatzleistungen musste
von den Menschen bezahlt werden, stationäre Rehabilita-
tion wurde mit Zuzahlungen behaftet, auch immer mehr
Fahrtkosten und Heilmittel mussten von den Menschen
bezahlt werden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Lenken Sie nicht von Ihrem Versagen ab, Herr Thönnes!)


Ich erinnere nur daran, wie schäbig es war, die Zahn-
ersatzbehandlung für Kinder aus dem Leistungskatalog
herauszunehmen.


(Zustimmung bei der SPD – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Was machen Sie denn bei den Kieferorthopäden? – Dagmar Wöhrl [CDU/ CSU]: Nur die Reichen sollen noch schöne Zähne haben!)


Das haben Sie zu verantworten gehabt. Die Sozialdemo-
kraten und die Grünen haben das korrigiert.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sie sagen die Unwahrheit!)


Der Kollege Sauer hat schon Recht, wenn er hier sagt, mit
der Steigerung der Lohnnebenkosten, die Sie zu verant-
worten hatten, ist immer eine Einschränkung der Leistun-
gen einher gegangen.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Die Kieferorthopädie nehmen Sie raus! Pfui Teufel!)





Karl-Josef Laumann
19268


(C)



(D)



(A)



(B)


Siehabenes amEndedamit auchnicht erreicht, dieArbeits-
losigkeit zu senken, sondern dieArbeitslosigkeit ist weiter
gestiegen und hat die Sozialkassen immermehr belastet.

In der Rentenversicherung

(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Denken Sie ans Glashaus!)

ist von 1991 bis 1998 der Beitrag von 17,7 Prozent auf
20,3 Prozent angestiegen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was war denn 1990? Da war doch noch was!)


Allein durch unsere gemeinsame Arbeit und durch unsere
Zustimmung zur Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes ist
es gelungen, den Beitrag bei 20,3 Prozent zu halten. Sonst
hätten wir bei 21,3 Prozent gelegen.


(Zuruf des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU])


Das ist wirklich passiert: Wir haben mit dazu beige-
tragen, dass in der Zeit danach durch die Absenkung im
Bereich der Rentenversicherung auf 19,1 Prozent die
Lohnnebenkosten um 1,2 Prozent minimiert worden sind
und 19Milliarden DM an Entlastung für die Menschen da
waren.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Das war für die Leute in den neuen Ländern! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Machen Sie was! Es bringt nichts, in die Vergangenheit zu schauen! Sie gucken nur zurück! Sie sollten mal nach vorn gucken, da sieht es ganz duster aus!)


– Auch Ihr Geschrei stimmt die Menschen nicht anders.
Die wissen ganz genau: Die Täter von gestern taugen
nicht als Ankläger von heute und schon gar nicht als Sa-
nitäter für morgen, Herr Kolb, damit das auch klar ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir machen jeden Mittwoch wieder eine Aktuelle Stunde, bis Sie es kapiert haben!)


Herr Kolb, betrachten wir das, was Sie in der Renten-
versicherung gemacht haben – die Menschen wissen das
doch noch –: Sie haben die Altersgrenze für langjährig
Versicherte schrittweise von 63 auf 65 Jahre angehoben.
Sie haben die Altersgrenze für Frauen angehoben.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Haben Sie das zurückgenommen?)


Sie haben zu verantworten, dass die Abschläge in Höhe
von 18 Prozent eingebracht worden sind. Sie haben eine
Rentenreform vorgelegt, die am Ende dazu beigetragen
hätte, das Rentenniveau auf 64 Prozent zu senken – mit
Beitragssätzen von 24 Prozent.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Sie waren die Ersten, die die Renten von der Lohnentwicklung abgekoppelt haben!)


Ich empfinde es als ausgesprochen schäbig, Kollege
Laumann, von dieser Stelle aus zu behaupten, wir würden
nun an die Notgroschen herangehen.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: So ist es doch!)


– Nein, nein. Ich halte einmal in aller Ruhe fest, wie es in
der Vergangenheit war: 1995 0,9 Prozent in der Kasse,
1996 0,6 Prozent, 1997 0,6 Prozent, 1998 0,7 Prozent.
Nun tun Sie mal nicht so!


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Unschuldslamm Laumann!)


Der Vorsitzende des Sozialbeirates sagt deutlich, dass die
Schwankungsreserve genau für solche Situationen da ist,
wie wir sie jetzt möglicherweise vorfinden. Wenn es da-
rum geht, die Beiträge zu stabilisieren, dann ist dies das
höhere Ziel.

Es mag sein, dass wir nicht ganz so schnell, wie wir es
gerne hätten, bei den Lohnnebenkosten unter die 40 Pro-
zent kommen; das bedaure auch ich.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Aber wir können hier leider nicht so schnell unter 40 Pro-
zent kommen, wie Sie bei Wahlen in Hamburg und Berlin
unter 30 Prozent gekommen sind,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie können die Steuern gar nicht so schnell erhöhen, wie Ihnen die Kosten davonlaufen!)


was immer noch Ausdruck der Tatsache ist, dass die Men-
schen in diesem Lande Ihnen keine soziale Kompetenz
zutrauen.


(Beifall bei der SPD – Horst Seehofer [CDU/ CSU]: Und Sie? 29 Prozent in Berlin!)


Diese Aktuelle Stunde stellt eine gute Gelegenheit dar,
erneut darauf hinzuweisen, dass trotz der momentan
schwierigen Situation 39 Monate lang die Arbeitslosig-
keit Monat für Monat gesunken ist,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war einmal! So fangen alle Märchen an!)


dass wir im Jahresdurchschnitt immer noch 400 000 Ar-
beitslose weniger haben, dass die Beschäftigung um
1 Million angestiegen ist


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Märchen!)

und dass wir eine Absenkung der Lohnnebenkosten und
der Steuersätze in der Form erreicht haben, dass die Pri-
vathaushalte 1999 um 9,7 Milliarden DM,


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Märchen!)

im Jahr 2000 um 8 Milliarden DM und im Jahr 2001 um
19,9 Milliarden DM entlastet worden sind.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ist das mit oder ohne Ökosteuer?)


Der durchschnittlich verdienende Arbeitnehmer mit zwei
Kindern und einem Einkommen von 60 000 DM wird bis
zum Jahr 2005 merken, dass er um 2 900 DM jährlich ent-
lastet wird.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der merkt davon überhaupt nichts!)


Dies alles macht deutlich, dass die Menschen eines
ganz genau wissen: während Ihrer Regierungszeit stei-




Franz Thönnes

19269


(C)



(D)



(A)



(B)


gende Lohnnebenkosten, Reduzierung der Leistungen,
steigende Arbeitslosigkeit,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das sagt der, ohne rot zu werden! Das ist doch nicht zu fassen!)


in unseren drei Jahren dagegen sinkende Lohnnebenkos-
ten, Leistungsverbesserungen, Rücknahme der von Ihnen
bewirkten Einschnitte


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Märchen!)

und Steuerentlastungen in einer Höhe, wie es sie in der
Bundesrepublik Deutschland noch nie gegeben hat. Des-
wegen bleibt am Ende wirklich der Satz: Die Täter von
gestern taugen nicht als Ankläger von heute und schon gar
nicht als Sanitäter für morgen.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das können Sie zu Hause auf Ihren kleinen Wahlversammlungen erzählen!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419724200
Ich gebe das
Wort der Kollegin Annette Widmann-Mauz für die
CDU/CSU-Fraktion.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Eine Erlösung!)



Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1419724300
Herr Präsi-
dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Thönnes, was Sie gerade
von sich gegeben haben, zeigt einmal mehr – die Wieder-
holungen häufen sich leider –, wie sehr Sie in Ihrer Wahr-
nehmung unter Realitätsverlust leiden. Allerdings halte
ich Ihnen zugute, dass Sie heute zum ersten Mal von die-
sem Pult aus öffentlich zugegeben haben, dass Sie die
Menschen nicht nur hinsichtlich der Senkung der Arbeits-
losigkeit, sondern auch hinsichtlich der Senkung der So-
zialversicherungsbeiträge getäuscht haben, wenn man
Ihre Versprechungen bei Regierungsantritt zum Maßstab
nimmt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit hier etwas klarer wird, was wir Ihnen übergeben

haben und was nicht, zeige ich Ihnen die Tatsachen bei der
Krankenversicherung auf. Die unionsgetragene Bundes-
regierung und Horst Seehofer haben Ihnen in der gesetz-
lichen Krankenversicherung ein bestelltes Haus hinter-
lassen.


(Lachen bei der SPD)

– Das müssen Sie sich sagen lassen. Es gab in der GKV
ein Finanzpolster. 1997 haben die Überschüsse mehr als
1 Milliarde DM betragen, 1998 ebenfalls mehr als 1 Mil-
liarde DM; in jenem Jahr machten die Rücklagen 9 Milli-
arden DM aus.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Wir sind hier doch nicht in der Märchenstunde! Märchenerzählerin!)


– Das kann man nicht wegdiskutieren; das ist eine Tatsa-
che. Sie haben mit Ihrer Politik die Situation verschlim-
mert.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wie war das mit dem Glashaus, Herr Thönnes?)


Ich nenne Ihnen noch einmal die Gründe, wie das, was
wir heute zu verkraften haben, zustande gekommen ist. Es
tut weh – ich weiß es –; aber die Menschen müssen dies
klar und deutlich wissen.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Jetzt ein Minus von 5 Milliarden DM!)


Sie haben Budgetierung, Rationierung, Reglementierung,
Leistungsausweitung und Unterfinanzierung in die ge-
setzliche Krankenversicherung gebracht – ein chaotisches
Konstrukt. Wegen Eichels Selbstbedienung wurden neue
Verschiebebahnhöfe geschaffen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber wie!)

Insoweit ist die heutige Situation selbstverständlich: al-
lein im ersten Halbjahr 2001 ein Defizit von 5,5 Milli-
arden DM.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber dieser Wahnsinn hat Methode!)


Die Horrormeldungen gehen weiter: Die Maßnahmen, die
die Betriebskrankenkassen für den Beginn des nächsten
Jahres angekündigt haben, sind verhängnisvoll. Das sind
hausgemachte Schwierigkeiten. Das wird bei den Arznei-
mittelausgaben, die jetzt auf 42 Milliarden DM geschätzt
werden, am deutlichsten. Sie haben den Deckel vom
Dampfkochtopf genommen, ohne ein sinnvolles Regula-
tiv eingeführt zu haben. Jetzt wundern Sie sich, dass die-
ser Topf überkocht, aber das muss niemanden wundern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn Sie eine sinnvolle Politik betreiben würden, wäre
Ihnen dies bekannt gewesen.

Die Arbeitslosigkeit steigt weiter. Sie tun hier so, als sei
das alles auf die Geschehnisse des 11. September zurück-
zuführen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist noch gar nicht spürbar! Das kommt erst noch!)


Seit dem Frühjahr steigt die saisonbereinigte Zahl der Ar-
beitslosen an, aber seit dem Frühjahr tun Sie nichts Sinn-
volles; Sie tun überhaupt nichts. Es ist keine Struktur, kein
wirklicher Plan, keine wirkliche Reform zu erkennen.

Es ist völlig logisch, welches Kalkül dahinter steht: Sie
wollen die Gesundheitspolitik über die Wahl retten – mit
kleinen Tricksereien, mit Verschiebungen, die zulasten
der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, zulasten der
Patientinnen und Patienten gehen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Genau! Aber der Offenbarungseid kommt so sicher wie das Amen in der Kirche!)


Wenn Sie uns vorhalten, unsere Regelung zur Selbstbe-
teiligung sei sozial nicht gerecht gewesen, so sage ich Ih-
nen: Eine sozial abgefederte Eigenbeteiligung ist allemal




Franz Thönnes
19270


(C)



(D)



(A)



(B)


besser als Selbstbezahlung und ein Leistungsausschluss
für chronisch Kranke.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Um 100 Prozent! So ist das!)


Von einer solchen Politik, wie Sie sie gerade betreiben,
werden sich die Menschen in unserem Land nicht hinters
Licht führen lassen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die sind cleverer, als die SPD denkt!)


Eine Emnid-Umfrage belegt dies. Auf die Frage „Tut die
Bundesregierung das ihr Mögliche, um die Gesundheits-
reform so schnell wie möglich zu beschließen, oder spielt
sie auf Zeit?“ antworteten 71 Prozent der Befragten, sie
spielte auf Zeit.

Jetzt kommt der neueste Vorwurf; auch dieser darf uns
nicht kalt lassen. Wir haben gehört und wissen, wie die
Bundesregierung bei der Rentenreform mit geschönten
Zahlen getrickst hat. Der in der „FAZ“ vom Montag die-
ser Woche geäußerte Vorwurf steht im Raum. Dazu haben
wir von Ihnen heute kein Wort gehört.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sagen Sie es doch noch einmal, damit die es vielleicht auch kapieren!)


– Ja. Der Krankenversicherungsbeitrag soll erst nach der
Bundestagswahl erhöht werden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört, hört!)

Angeblich planen die Krankenkassen jetzt in ihre Haus-
halte für 2002 ein Defizit ein, um die Beiträge zunächst
noch nicht erhöhen zu müssen.


(Fritz Schösser [SPD]: So ein Quatsch!)

Die Schätzungen für die Ausgaben sollen nach unten und
die Schätzungen für die Einnahmen nach oben korrigiert
werden.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: So macht ihr das! – Gegenruf des Abg. Fritz Schösser [SPD]: Wo denn?)


Ich frage die Bundesregierung: Können Sie uns in diesem
Hohen Haus eindeutig bestätigen, dass Sie nicht mit dem
Ziel, die Versicherten durch solche Luftbuchungen bis zur
Wahl zu täuschen, politischen Druck auf die Kassen aus-
geübt haben? Kurz: Soll hier wie bei Riesters Rentenre-
form mit geschönten Zahlen gearbeitet werden?

Wir sehen doch schon heute die steigende Arbeitslo-
sigkeit und die sinkenden Einkommen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das Ergebnis rot-grüner Politik!)


Das schlägt sich auch bei den Kassen mit niedrigen Ein-
nahmen nieder; das ist doch völlig klar. Dies müsste bei
der Berechnung des Ausgleichsbedarfssatzes berücksich-
tigt werden; dies müsste zu steigenden Sätzen führen. Das
wissen Sie; das wurde heute im Ausschuss auch offiziell
bestätigt. Wir gehen davon aus – so dürfen wir das wohl
lesen –, dass erst im Dezember in den entsprechenden
Gremien beraten werden soll und dann die Anhebung des
Ausgleichsbedarfssatzes um 0,1 Prozent ins Haus steht.

Die Kassenhaushalte für das Jahr 2002 und die Bei-
tragssätze der Versicherten werden wohl aber bis Ende
November beschlossen sein, und zwar auf Basis des nied-
rigeren Ausgleichssatzes. Diese politische Fehlkalkula-
tion werden Sie bis zur Wahl, bis in den Herbst 2002, mit-
schleppen.

Das ist keine solide Politik der Nachhaltigkeit.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist Täuschung der Beitragszahler und der Versicherten!)

Das ist die Fortsetzung der Politik mit den altbekannten
rot-grünen Mitteln: Verschleiern und Verschieben, Tar-
nen, Tricksen und Täuschen. Ich sage Ihnen: Wenn die
Kameras ausgeschaltet sind, bestehen die Probleme in un-
serem Land fort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419724400
Die Kolle-
gin Doris Barnett spricht für die SPD-Fraktion.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Bis jetzt steht es zwölf zu eins!)



Doris Barnett (SPD):
Rede ID: ID1419724500
Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Wir sind Abge-
ordnete, keine Zeitungskommentatoren. Was Sie hier
heute abgeliefert haben, war in der Tat schlechter Wein in
mürben Schläuchen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Heute Morgen haben wir ständig gehört, es habe in der Zeitung gestanden! Das hat uns die Bundesregierung vorgehalten!)


Es scheint, als freue sich die Opposition direkt darüber,
dass die konjunkturelle Lage schlechter wird, dass die Ar-
beitslosigkeit zunimmt, nachdem sie bis zum August über
39 Monate hinweg Monat für Monat abgenommen hat. Es
ist mir klar, dass Ihnen das nicht passt, aber passen Sie
einmal auf: Die Arbeitslosigkeit nimmt zurzeit auch in
den USAund sogar in Japan zu. Zwei große Märkte in die-
sem globalen Wirtschaftsgefüge erleben wirtschaftliche
Einbrüche,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warum stehen wir denn mittlerweile in Europa am Ende?)


Sie aber tun so, als seien wir in Deutschland davon über-
haupt nicht betroffen. Was glauben Sie denn, wo wir le-
ben? Auf der Insel der Glückseligen? – Sie leben viel-
leicht dort, wir nicht. Wir leben in der Realität.

Da hilft auch nicht Ihr Ruf nach Konjunkturprogram-
men. In den USA hinterließ der demokratische Präsident
Clinton seinem republikanischen Nachfolger Bush ein ge-
machtes Haus mit riesigen Überschüssen.


(Dirk Niebel [FDP]: Ja, wie hat er das denn gemacht?Mit Steuersenkungen! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Zur Nachahmung empfohlen!)


Deswegen konnten jetzt Konjunkturprogramme starten.
Aber nun hat Präsident Bush wieder eine Negativbilanz.




Annette Widmann-Mauz

19271


(C)



(D)



(A)



(B)


Aber was haben Sie uns 1998 hinterlassen? – Sie ha-
ben uns einen Schuldenberg, Massenarbeitslosigkeit und
eine lahmende Wirtschaft hinterlassen. Haben Sie das al-
les schon vergessen, Herr Kolb? Alles, was nach der Re-
gierungsübernahme im Herbst 1998 zu tun war, haben wir
getan. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber mit Note „Fünf“! Nein, „Sechs“!)


auch wenn Sie jetzt nur wieder rumnölen können.
Jetzt hören Sie einmal gut zu; denn ich bringe Ihnen ein

Zitat – vielleicht kommen Sie darauf, wer der Autor
war –:

Es bedarf einer grundsätzlichen Umgestaltung unse-
res gesamten Steuer- und Abgabensystems unter
ökologischen Gesichtspunkten. Den Grundgedanken
einer ökologischen Steuerreform halte ich nach wie
vor für richtig. Unser Steuer- und Abgabensystem
macht wider alle ökonomische Vernunft gerade das
besonders teuer, wovon wir gegenwärtig im Über-
fluss haben: Arbeit. Dagegen ist das, woran wir spa-
ren müssen, viel zu billig: Energie- und Rohstoffein-
satz.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist aber nicht von mir, oder?)


Dieses doppelte Ungleichgewicht müssen wir wieder
stärker ins Lot bringen. Der Einsatz des Faktors Ar-
beit muss durch eine Senkung der Lohnzusatzkosten
relativ verbilligt werden, der Energie- und Rohstoff-
verbrauch durch eine schrittweise Anpassung der
Energiepreise relativ verteuert werden,

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Fünf Minuten sind sehr kurz, Frau Barnett!)

beides zu einer aufkommensneutralen Lösung intel-
ligent verbunden werden. So lautet die Aufgabe.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich war es nicht!)


Diese Sätze hätten von uns 1998 sein können, aber sie wa-
ren


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ich weiß, wer es war!)


vom Herrn Kollegen Schäuble.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig!)


Da kann ich nur sagen: Recht hatte der Mann! Was er
gefordert hat, selbst aber mit seiner Regierung nicht auf
den Weg bringen konnte – vielleicht Ihretwegen, Herr
Kolb –, das haben wir jetzt geschafft. Wir haben die Steu-
ern für die Arbeitnehmer und die Unternehmer nachhaltig
reformiert


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und erhöht!)

und nach unten gedrückt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ökosteuer! Versicherungsteuer! Tabaksteuer!)


Wir sind nicht davor zurückgeschreckt, die richtige Ren-
tenreform anzugehen. Ihre Rentenreform hat zwar die
Leistungen abgesenkt – das ist wohl wahr –, aber keiner-
lei Kompensation wenigstens in Aussicht gestellt. Diese,
nämlich den Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge mit
staatlicher Unterstützung, haben wir auf den Weg ge-
bracht. Alle, die etwas davon verstehen, haben uns dafür
gelobt, auch wenn es die Arbeitgeberverbände ge-
schmerzt hat.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sodann 24 Prozent Beitragssätze!)


Außerdem haben wir eine ökologische Steuerreform ein-
geführt, genau so, wie Herr Schäuble sie gefordert hat.

Damit haben wir den Standort Deutschland attraktiv
und wettbewerbsfähig gemacht, den Arbeitnehmern an-
gesichts der demographischen Entwicklung eine zu-
kunftsweisende Perspektive gegeben, natürliche Ressour-
cen geschont und die Abgabenlast gesenkt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Komisch, dass die Zahlen der wirtschaftlichen Entwicklung das nicht widerspiegeln!)


Nicht vergessen werden darf, dass wir auch in Sachen Ar-
beitsmarktpolitik so viel bewegt haben, dass heute 1 Mil-
lion mehr Menschen in Arbeit sind,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Mit den 630Mark-Verträgen haben Sie das geschafft! Das ist doch kein Erfolg!)


obwohl aus der stillen Reserve ständig mehr Menschen
auf den Arbeitsmarkt drängen.

Sie aber stellen sich hierhin und kritteln erbsenzähle-
risch daran herum, dass das ehrgeizig gesteckte Ziel, die
Lohnnebenkosten im Jahr 2002 auf 40 Prozent zu senken,
besser noch darunter, vielleicht nicht erreicht werden
kann!


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die schauspielerische Leistung ist gut, aber inhaltlich daneben!)


Statt sich hier aufzuplustern, sollten Sie lieber Ihrer Ver-
antwortung gerecht werden und mithelfen. Haben Sie
schon vergessen, dass wir, die Sozialdemokraten, beson-
ders die aus den Ländern, 1998 Ihren Hintern gerettet ha-
ben,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was? – Dirk Niebel [FDP]: So reden Sie nicht über meinen Hintern! Da war ich noch gar nicht im Parlament! Sexuelle Belästigung ist das!)


als wir der Mehrwertsteuererhöhung zugestimmt haben,
damit der Rentenversicherungsbeitrag nicht auf 21 Pro-
zent klettert? Damals haben Sie es fertig gebracht, die
Schwankungsreserve auf 0,6 herunterzufahren. Bei Ihnen
ist das eine Schwankungsreserve. Bei uns sagen Sie selt-
samerweise im gleichen Fall, wir würden an den Spargro-
schen der Leute gehen. So viel zu Ihrer Seriosität, Herr
Laumann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Doris Barnett
19272


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie, die Sie die Arbeitslosigkeit bis 2000 von durch-
schnittlich 4,3 bis 4,5 Millionen Menschen um die Hälfte
reduzieren wollten, konnten nur mit Steuererhöhungen
die unter Ihrer Regierung dramatisch in die Höhe ge-
schnellten Lohnnebenkosten einigermaßen halten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was ist denn Ökosteuer anderes als eine Steuererhöhung? 28Milliarden DM!)


Dickfellig muss man sein und dazu einen vorzüglich
funktionierenden Gedächtnisverlustknopf im Hirn haben,
um all das zu vergessen.


(Dirk Niebel [FDP]: Was ist eigentlich mit den Zielen dieser Regierung?)


Beides scheint bei Ihnen bestens zu funktionieren; Sie
pflegen das ja auch.

Das hält uns nicht davon ab, aktive Arbeitsmarktpoli-
tik, gute Steuer- und Wirtschaftspolitik und eine For-
schungs- und Bildungspolitik zu machen, die zusammen-
wirken, für eine Erholung der Wirtschaft und für mehr
Beschäftigung sorgen und damit auch eine Entlastung der
Beiträge, also der Lohnnebenkosten, bringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419724600
Es gibt noch
zwei Redner in dieser Aktuellen Stunde. Zunächst hat der
Kollege Wolfgang Lohmann für die CDU/CSU-Fraktion
das Wort.


Wolfgang Lohmann (CDU):
Rede ID: ID1419724700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wenn das, was wir hier zum Teil gehört haben, nicht so
traurig wäre, wäre es zum Lachen: Wir werden es nicht zu
einer Steigerung der Beitragssätze kommen lassen, son-
dern die gesetzlich festgesetzten Lohnnebenkosten sen-
ken. Man kann eigentlich auch sagen – das ist schon an-
gedeutet worden –: Wenn wir nicht alle möglichen Tricks
angewendet hätten, dann wäre der Beitragssatz noch viel
stärker angestiegen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)

Was sind das eigentlich für Verdrehungen und Wort-

schöpfungen? Sie haben vorhin einmal von Wertschöp-
fung gesprochen. Sie aber sind schon längst von der Wert-
schöpfung weg und bei der Wortschöpfung angekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das erinnert mich an die Zeiten, als ein sehr bekannter

Bundeskanzler Ihrer Fraktion auch ein großes Wort ge-
schöpft hat. Er hat aus dem nicht vorhandenen Wachstum
ein Minuswachstum gemacht. Hauptsache, es kam das
Wort „Wachstum“ vor, auch wenn es ein Minuswachstum
war. Auf diese Weise begeben Sie sich jetzt in die Dis-
kussion und tun dies sehr lautstark.

Ich möchte jedoch ein anderes Thema ansprechen, das
heute nur in einem Nebensatz erwähnt worden ist, obwohl

es wirklich ernst ist. Es geht nämlich um die Pflegeversi-
cherung. Nun könnte man ja sagen – das werden Sie wahr-
scheinlich tun –: Damit haben wir keine Probleme, weil es
einen gesetzlich festgelegten Beitragssatz von 1,7 Prozent
gibt. Er kann nicht erhöht werden. Infolgedessen wird das
gesamte Problem nicht berührt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das Geld langt aber hinten und vorne nicht!)


Aber es passt hinten und vorne nicht; denn der Schein
trügt. Die Pflegeversicherung hatte vor einigen Jahren
Reserven, wovon Sie heute noch zehren. 1998 waren
10 Milliarden DM in der Pflegeversicherung.


(Fritz Schösser [SPD]: Am Anfang!)

1997 konnte die Pflegeversicherung noch einen Über-
schuss von 1,6 Milliarden DM erwirtschaften. 1998 wa-
ren es nur noch 250 Millionen DM, aber immerhin war es
noch ein Überschuss.


(Fritz Schösser [SPD]: Sie wollten dem Herrn Blüm permanent die Überschüsse wegnehmen!)


– Jetzt schreit der Herr Schösser wieder dazwischen. Sie
sind ja gleich dran! – 1999 ist die Pflegeversicherung
erstmals in die roten Zahlen geraten und hat ein Defizit
von 74 Millionen DM ausgewiesen. Für 2003 – das ist al-
les seriös errechenbar – muss man mit einem Defizit von
1,7 Milliarden rechnen.

Hinzu kommt, dass der Pflegeversicherung durch die
Absenkung der Beiträge für Empfänger von Arbeitslo-
senhilfe im Rahmen des Haushaltssanierungsgesetzes
– auch das ist hier im Laufe der letzten Wochen schon
mehrfach gesagt worden – 400 Millionen DM jährlich
entzogen werden. Die drängenden Probleme aber, die es
gibt, werden nicht oder nur unzulänglich angegangen.
Die demographische Entwicklung – auch das wissen wir
alle – wird die Sache noch verschärfen.

Durch das so genannte Pflege-Qualitätssicherungsge-
setz, mit dem ein ungeheuer großer bürokratischer Auf-
wand verbunden ist, werden personelle Ressourcen ge-
bunden, die auch nicht weiterhelfen. Manche Pflegende
sagen, sie müssten eine drittklassige Pflege erstklassig be-
schreiben. So ist der Zustand.

Auch der Entwurf des Pflegeleistungs-Ergänzungsge-
setzes löst die Probleme nicht. Die zusätzlichen Leistun-
gen im Rahmen der ambulanten Pflege von 2,47 DM täg-
lich sind doch geradezu lächerlich.

Wie gesagt, mit der Absenkung der Beitragsbemes-
sungsgrenze für die Empfänger von Arbeitslosenhilfe ent-
zieht die Bundesregierung der Pflegeversicherung
400 Millionen DM. Jetzt rächt sich dieser Fehler.

Sie fragen nun, was wir für eine Position haben. Wir
haben einen eigenen Entwurf vorgelegt, der beispiels-
weise eine Förderung der ambulanten und stationären
Hospizarbeit vorsieht. Dadurch wird eine bessere Versor-
gung der dementen Personen erreicht, die dringend not-
wendig ist, und die Versorgungsstruktur wird positiv ver-
ändert.




Doris Barnett

19273


(C)



(D)



(A)



(B)


Unser Vorschlag wird aber abgelehnt. Wir fordern Sie
auf: Nehmen Sie doch wenigstens die Politik der Haus-
haltssanierung zulasten der Pflegeversicherung zurück.
Dann wären die erforderlichen Mittel da, um den alters-
verwirrten und betreuungsbedürftigen Menschen in
Deutschland in Zukunft ein menschenwürdiges Leben zu
sichern. Wir meinen, dass wir ihnen das schuldig sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419724800
Der Kollege
Fritz Schösser macht für die SPD-Fraktion den Abschluss.


Fritz Schösser (SPD):
Rede ID: ID1419724900
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie
mich zu Beginn das Stichwort „bestelltes Haus“ aufgrei-
fen, Herr Seehofer.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Jetzt kommen Sie mit Ihrer Zuzahlung!)


Mir liegt ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Spit-
zenverbände der Krankenkassen an die Mitglieder des
Bundestagsausschusses für Gesundheit vom 20. Septem-
ber vor.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Aus welchem Jahrhundert?)


– 2001! – Ich zitiere aus diesem Schreiben:
So haben die vor 1999 initiierten, von 1992 bis 1998
initiierten Verschiebebahnhöfe allein in den zurück-
liegenden sechs Jahren zu einer Belastung der ge-
setzlichen Krankenversicherung von insgesamt
50 Milliarden DM geführt.


(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

Das ist das „bestellte Haus“, das Sie hinterlassen haben.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Mit Zustimmung von Herrn Dreßler!)


Zum Zweiten. Dass der Haushalt der Krankenversi-
cherungen – dass beschwören Sie immer wieder – in den
Jahren 1997 und 1998 tatsächlich mit positiven Zahlen
abgeschlossen hat, haben Sie dadurch erreicht, dass Sie in
diesen beiden Jahren die Versicherten mit 11 Milliarden
– man höre und staune: mit 11 Milliarden DM – Eigenbe-
teiligung belastet haben. Da ist also nicht gespart worden,
sondern Sie haben schlicht und einfach Gelder verscho-
ben: zum einen zwischen den Versicherungen, zum ande-
ren – das ist am schäbigsten – zulasten der Kranken, und
zwar insofern, als sie mehr zahlen mussten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was ist denn die Ökosteuer anderes?)


Nun zum Kollegen Laumann. Kollege Laumann, es
mag ja sein, dass wir im Augenblick darüber nachdenken,
die Schwankungsreserve gesetzlich zu ändern.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Dazu gibt es einen Antrag!)


Eines aber ist der Wahrheit wegen schon erforderlich zu
sagen: Sie haben zwar nie die Schwankungsreserve ver-
ändert, aber Sie haben sich grob verschätzt, und zwar in
mehreren Jahren. Ich nenne einmal die Zahlen mit den
entsprechenden Jahren, da Sie ständig unter der Schwan-
kungsreserve lagen:


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Wir haben sie aber auch immer wieder aufgefüllt!)


In der zweiten Jahreshälfte 1995 0,9, in der zweiten Jah-
reshälfte 1996 0,6, in der zweiten Jahreshälfte 1997 0,6
und in der zweiten Jahreshälfte 1998 0,7! Sie sollten erst
einmal ihre eigenen Bilanzen betrachten, bevor Sie hier
Aktuelle Stunden beantragen.


(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen ist mir nicht ganz klar, welches Ziel Sie

heute eigentlich verfolgen.

(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Der Andres hört gar nicht zu! Er liest Zeitung!)

Ich habe den Eindruck, es geht Ihnen mehr um die Belas-
tung der Versicherten als um die Frage, wie hoch letztlich
der Beitrag ist.

Ich kann Ihnen nur klar und deutlich sagen: Für Ihre
drei Ziele – mehr Konkurrenz im Bereich der Kranken-
versicherung, höhere Belastung der Kranken, Kürzungen
bei den Leistungen – werden Sie von uns keine Handrei-
chungen erhalten.

Sie plädieren für die Einführung von mehr Konkur-
renz. Wenn ich mir genau betrachte, Herr Seehofer, was
Sie in Ihrer Zeit an mehr Konkurrenz auf den Weg ge-
bracht haben, dann stelle ich schlicht und einfach fest: Sie
haben mehr Konkurrenz unter den Kassen geschaffen.
Die Kassen kämpfen heute um die Gesunden.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das hat Herr Dreßler auch gewollt!)


Deshalb ist es heute erforderlich, eine Reform des RSA
vorzunehmen. Wir müssen endlich wieder gleiche Bedin-
gungen für die Kassen schaffen. Sie haben nämlich Räu-
bertum unter den Kassen hergestellt und nicht für Ord-
nung gesorgt. Unser Ziel ist das nicht.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wettbewerb ist doch kein Räubertum!)


– Ich sehe ja Ihre Aufregung. Wenn Sie fragen wollen,
verlängere ich gerne meine Redezeit.

Sie wollen eine höhere Belastung der Kranken. Ich
kann Ihnen nur sagen: Wir wollen diese höhere Belastung
nicht. Sie haben bis heute eine gewisse Sehnsucht nach
mehr Eigen- und Selbstbeteiligung. Aber mehr Eigen- und
Selbstbeteiligung ist keine kostendämpfende Maßnahme,
sondern stellt schlicht und einfach eine höhere Belastung
von Familien, Arbeitnehmern und Kranken dar. Das ist es,
was Sie wollen.


(Beifall bei der SPD)





Wolfgang Lohmann
19274


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie sind im Grunde überhaupt nicht daran interessiert,
mehr Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zu er-
zielen.

Sie wollen Leistungskürzungen. Auch da kann ich Ih-
nen nur sagen: Kürzungen wollen wir nicht. Wir wollen,
dass das Gesundheitswesen erstklassig bleibt, und dafür
werden wir auch die notwendigen Reformen auf den Weg
bringen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nichts als Versprechungen!)


Im Übrigen sollten Sie noch einen Blick auf das
Verhältnis der Ausgaben in der gesetzlichen Krankenver-
sicherung zum Bruttoinlandsprodukt werfen. Herr
Seehofer, wenn man das genau betrachtet, dann waren die
Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung, ge-
messen am Bruttoinlandsprodukt, in Ihrer Zeit am höchs-
ten. Sie lagen nämlich satt bei über 20 Prozent.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Da ist auch am besten versorgt worden! Das ist doch etwas Gutes!)


Wir liegen heute bei 19,4 Prozent. Ich kann Ihnen nur sa-
gen: Allein dieser Schnitt ist entscheidend. Es wäre viel
besser, Sie würden mit uns gemeinsam darüber diskutie-
ren, wie man auch die Einnahmenseite verbessern kann.
Wenn nämlich die Lohnsummen, gemessen am Bruttoso-

zialprodukt, immer kleiner werden und die Ausgaben we-
gen älterer Bevölkerungsstrukturen immer höher, dann
wird man auch an diesen Bereich denken müssen. Dazu
höre ich aber von Ihrer Seite kein einziges Argument.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie regieren doch oder?)


Ich kann Sie also nur bitten: Kommen Sie zur Besin-
nung! Statt solcher unnützen Aktuellen Stunden sollten
Sie lieber darüber nachdenken, wie Sie mit uns gemein-
sam eine vernünftige Reform des Gesundheitswesens und
der Sozialversicherungsstrukturen auf den Weg bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1419725000
Die Aktuelle
Stunde ist beendet.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 8. November 2001,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.