Protokoll:
14156

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 156

  • date_rangeDatum: 9. März 2001

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 11:07 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Franz Thönnes, Klaus Wiesehügel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordne- ten Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜ- NEN: Eckpunkte zur Verbesserung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit (Drucksache 14/5270) . . . . . . . . . . . . . . . . 15283 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Franz Thönnes, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Ekin Deligöz, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Jobrotation im Arbeits- förderungsrecht verankern (Drucksache 14/5245) . . . . . . . . . . . . . . . . 15283 B Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15283 C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . . . . . . 15285 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15287 D Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15288 D Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15290 A Klaus Wiesehügel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 15291 A Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion CDU/ CSU: Konzept für die zukünftige Finan- zierung der Bundesverkehrswege (Drucksache 14/5317) . . . . . . . . . . . . . . . . 15292 D Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 15292 D Reinhard Weis (Stendal) SPD . . . . . . . . . . . . 15294 A Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . . . 15296 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15297 B Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 15299 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . . 15299 D Klaus Hasenfratz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15302 C Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Marita Sehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Steuerrecht vereinfachen – Schaumweinsteuer abschaffen (Drucksache 14/5337) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15303 B Marita Sehn F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15303 B Horst Schild SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15304 B Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 15305 C Dr. Dietmar Bartsch PDS . . . . . . . . . . . . . . . 15307 A Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15307 C Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . 15308 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15309 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 15311 A Plenarprotokoll 14/156 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 156. Sitzung Berlin, Freitag, den 9. März 2001 I n h a l t : Anlage 2 Nachträglich zu Protokoll gegebene Antwort: Auswirkungen der Verringerung der Zahl von Korrespondentenstellen im Ausland auf die Leistungsfähigkeit der Bundesstelle für Außenhandelsinformation; kostengünstigere Informationsbeschaffung (154. Sitzung am 7. März 2001) MdlAnfr 26, 27 Erich G. Fritz CDU/CSU Antw PStSekr’in Margareta Wolf BMWi . . . 15312 B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrages: Steuerrecht vereinfachen – Schaum- weinsteuer abschaffen (Tagesordnungspunkt 17) Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15313 A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15313 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. März 2001II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. März 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. März 2001 Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks 15309 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. März 2001 15311 (C) (D) (A) (B) Behrendt, Wolfgang SPD 09.03.2001* Dr. Bergmann-Pohl, CDU/CSU 09.03.2001 Sabine Dr. Blens, Heribert CDU/CSU 09.03.2001 Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 09.03.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 09.03.2001 Dr. Brecht, Eberhard SPD 09.03.2001 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 09.03.2001* Klaus Bulmahn, Edelgard SPD 09.03.2001 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 09.03.2001 Peter H. Dr. Däubler-Gmelin, SPD 09.03.2001 Herta Dautzenberg, Leo CDU/CSU 09.03.2001 Doss, Hansjürgen CDU/CSU 09.03.2001 Dr. Eckardt, Peter SPD 09.03.2001 Eichstädt-Bohlig, BÜNDNIS 90/ 09.03.2001 Franziska DIE GRÜNEN Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 09.03.2001 Formanski, Norbert SPD 09.03.2001 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 09.03.2001 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 09.03.2001 Fuchs (Köln), Anke SPD 09.03.2001 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 09.03.2001 Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 09.03.2001 Goldmann, F.D.P. 09.03.2001 Hans-Michael Hartnagel, Anke SPD 09.03.2001 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 09.03.2001 DIE GRÜNEN Hirche, Walter F.D.P. 09.03.2001 Irber, Brunhilde SPD 09.03.2001 Janovsky, Georg CDU/CSU 09.03.2001 Jünger, Sabine PDS 09.03.2001 Dr.-Ing. Kansy, Dietmar CDU/CSU 09.03.2001 Dr. Kenzler, Evelyn PDS 09.03.2001 Klappert, Marianne SPD 09.03.2001 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 09.03.2001 Kossendey, Thomas CDU/CSU 09.03.2001 Kramme, Anette SPD 09.03.2001 Kraus, Rudolf CDU/CSU 09.03.2001 Dr.-Ing. Krüger, Paul CDU/CSU 09.03.2001 Lehn, Waltraud SPD 09.03.2001 Lenke, Ina F.D.P. 09.03.2001 Lennartz, Klaus SPD 09.03.2001 Dr. Leonhard, Elke SPD 09.03.2001 Louven, Julius CDU/CSU 09.03.2001 Dr. Luft, Christa PDS 09.03.2001 Müller (Jena), Bernward CDU/CSU 09.03.2001 Nahles, Andrea SPD 09.03.2001 Neumann (Gotha), SPD 09.03.2001* Gerhard Nolte, Claudia CDU/CSU 09.03.2001 Ost, Friedhelm CDU/CSU 09.03.2001 Otto (Frankfurt), F.D.P. 09.03.2001 Hans-Joachim Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 09.03.2001 Dr. Rexrodt, Günter F.D.P. 09.03.2001 Ronsöhr, CDU/CSU 09.03.2001 Heinrich-Wilhelm Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 09.03.2001 Claudia DIE GRÜNEN Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 09.03.2001 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 09.03.2001 Schily, Otto SPD 09.03.2001 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/ 09.03.2001 DIE GRÜNEN Schloten, Dieter SPD 09.03.2001* entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Schmidbauer SPD 09.03.2001 (Nürnberg), Horst Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 09.03.2001 Hans Peter Freiherr von CDU/CSU 09.03.2001 Schorlemer, Reinhard Schröter, Gisela SPD 09.03.2001 Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 09.03.2001 Schuhmann (Delitzsch), SPD 09.03.2001 Richard Schultz (Everswinkel), SPD 09.03.2001 Reinhard Dr. h. c. Seiters, Rudolf CDU/CSU 09.03.2001 Singhammer, Johannes CDU/CSU 09.03.2001 Dr. Solms, Hermann F.D.P. 09.03.2001 Otto Dr. Freiherr von Stetten, CDU/CSU 09.03.2001 Wolfgang Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 09.03.2001 Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 09.03.2001 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 09.03.2001 DIE GRÜNEN Vogt (Pforzheim), Ute SPD 09.03.2001 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 09.03.2001 Wettig-Danielmeier, SPD 09.03.2001 Inge Dr. Wieczorek, Norbert SPD 09.03.2001 Wohlleben, Verena SPD 09.03.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 09.03.2001* * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Nachträglich zu Protokoll gegebene Antwort der Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf auf die Fragen des Abgeordneten Erich G. Fritz (CDU/CSU) (154. Sit- zung am 7. März 2001; Drucksache 14/5414, Fragen 26 und 27): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Leistungs- fähigkeit der Bundesstelle für Außenhandelsinformation (bfai) für die deutsche Wirtschaft und die Wirtschaftsorganisationen durch den vorgesehenen und größtenteils auch schon erfolgten Abbau von Korrespondentenstellen im Ausland gefährdet und damit der Weg ins Auslandsgeschäft vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen erschwert wird? Wie beurteilt die Bundesregierung den von den im Verwal- tungsrat der bfai vertretenen Wirtschaftsorganisationen geäußerten Vorschlag, anstelle der Streichung von ausländischen Korrespon- dentenstellen über eine kostengünstigere Informationsbeschaffung nachzudenken, die beispielsweise eine verstärkte Kooperation mit den Auslandskammern vorsieht? Zu Frage 26: Auch nach dem durch notwendige Haushaltsein- sparungen erfolgten Abbau verfügt die bfai noch über ein Korrespondentennetz an 44 Standorten im Ausland sowie über vier Reisekorrespondenten. Insofern ist auch weiter- hin die Versorgung der deutschen Wirtschaft durch die bfai mit Informationen sichergestellt. Allerdings sieht auch die Bundesregierung die Gefahr, dass die Reduzie- rungen im Personalbestand, insbesondere im Korrespon- dentennetz, dazu führen, dass Informationstiefe und -qua- lität beeinträchtigt und neue zukunftsorientierte Aufgaben nicht in Angriff genommen werden können. Die Bundesstelle für Außenhandelsinformation (bfai) mit ihrem weltweiten Korrespondentennetz, das in der Gesellschaft für Außenhandelsinformation (GfAI) orga- nisiert ist, ist einziger zentraler Anbieter von außen- wirtschaftsrelevanten Informationen und somit ein unverzichtbares Instrument der deutschen Außenwirt- schaftsförderung. Auch die Bundesregierung ist daran in- teressiert, dass das in Umfang und Qualität gute Dienst- leistungsangebot und die umfassende Information über dynamische Marktentwicklungen durch Personalein- sparungen im Korrespondentennetz nicht weiter einge- schränkt wird und den sich wandelnden regionalen Ori- entierungen der deutschen Wirtschaft auch weiterhin in dem erforderlichen Maße Rechnung getragen werden kann. Vor allem für die KMU sind die praxis- und regio- nalnahen Informationen der Korrespondenten über aus- ländische Absatzmärkte eine wichtige Unterstützung für geplante Auslandsengagements. Sie tragen zur Stärkung ihrer Wettbewerbsposition bei und gleichen das oft feh- lende Erfahrungswissen aus, das notwendig ist, um wirt- schaftliche Risiken und sonstige Probleme eines Aus- landsengagements richtig einschätzen zu können. Die Bundesregierung wird alles daran setzen, dass die bfai in Zukunft auf sicherer Basis arbeiten und ihrem Auftrag gemäß Gründungserlass, die deutsche Wirtschaft umfas- send mit außenwirtschaftlichen Informationen zu versor- gen, gerecht werden kann, um damit ein wirksames In- strument der deutschen Außenwirtschaftsförderung zu bleiben. Zu Frage 27: Der in der Frage angesprochene Vorschlag bezieht sich auf die gemeinsame Stellungnahme der Wirtschaftsorga- nisationen zur Zukunft der bfai. Die Wirtschaftsorganisa- tionen unterstreichen darin das vorrangige Interesse, dass das Korrespondentennetz der bfai und damit der Nutzen der bfai für die deutsche Wirtschaft erhalten bleiben. Die Bundesregierung teilt insbesondere die positive Einschät- zung der Wirtschaftsorganisationen zur großen Bedeu- tung der praxisnahen und genauen Informationen der Korrespondenten im Ausland, insbesondere für die KMU. Die Bundesregierung unterstützt weiterhin alle Bemü- hungen der bfai, bei der Informationsbeschaffung im Aus- land zu kostengünstigen Lösungen zu kommen. Dies schließt, wo die bfai nicht über eigene Korrespondenten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. März 200115312 (C) (D) (A) (B) verfügt, auch Kooperationen mit Auslandshandelskam- mern ein. Einzelne Pilotprojekte hat die bfai bereits in An- griff genommen. Die Bundesregierung unterstützt auch weitere Pilotprojekte der bfai, um die Möglichkeiten der Kostenreduzierung für die Informationsbeschaffung wei- ter auszuloten und um Synergien, zum Beispiel mit den Auslandshandelskammern, zu nutzen. Die Anregung, die Reduzierungen im Korrespondentennetz durch Alternati- ven, vor allem die verstärkte Kooperation mit den Aus- landshandelskammern zu kompensieren, erfordert den Aufbau der erforderlichen Informationskompetenz in den Kammern. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im System der deutschen Außenwirtschaftsförderung die Informa- tionsbeschaffung nicht vorrangige Aufgabe der Auslands- handelskammern ist. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrages: Steuerrecht verein- fachen – Schaumweinsteuer abschaffen (Tages- ordnungspunkt 17) Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Antrag der F.D.P., die Schaumweinsteuer abzuschaf- fen, steht in der politischen Kontinuität der Anträge, die Ökosteuer abzuschaffen und Forderungen wie die Ein- kommenssteuertarife frühzeitiger und stärker abzusen- ken. Finanzpolitisches Chaos wäre das Gesamtergebnis, was bisher meist eher der politischen Strategie der PDS entsprach. In dieser Hinsicht sind sich im Ergebnis diese beiden Oppositionsparteien oftmals einig. Bei der Schaumweinsteuer geht es um etwas mehr als 1 Milliarde DM Steuereinnahmen, die die F.D.P. als Wahl- geschenk in Rheinland-Pfalz „ausschenken“ will. Haus- haltsrisiken und eine solide Finanzpolitik sind Fremd- wörter für Steuerpopulisten. Ich halte das Ganze für reine Schaumschlägerei. Richtig ist, dass die Schaumweinsteuer in ihrer Ausge- staltung einige Ungereimtheiten aufweist. Diejenigen Schaumweine sind steuerpflichtig, die in Flaschen mit Schaumweinstopfen, der durch eine besondere Haltvor- richtung befestigt ist, abgefülllt werden oder die bei plus 20 Grad Celsius einen auf aufgelöstes Kohlendioxid zurückzuführenden Überdruck von 3 bar oder mehr auf- weisen. Mit dieser Definition ist Sekt steuerpflichtig und Prosecco nicht. Diese Tatsache führt zu Wettbewerbsver- zerrungen zwischen den Produkten, die für den Konsu- menten nicht nachvollziehbar sind. Die Schaumweinsteuer ist in 10 von 15 EU-Ländern mit weit divergierenden Steuersätzen eingeführt: von 16 DM Steuerersatz je Hektoliter Schaumwein bis zu 1 068 DM Steuersatz je Hektoliter Schaumwein in Irland. Der deutsche Steuersatz in Höhe von 266 DM je Hektoli- ter Schaumwein bewegt sich im Niveau in der Nachbar- schaft von Belgien mit 249 DM und Dänemark von 258 DM je Hektoliter Schaumwein. Von einer Harmonisie- rung der Steuersätze ist die EU nach wie vor weit entfernt. Es gilt seitens der Bundesregierung zu informieren und zu prüfen, inwiefern die Harmonisierung der Steuersätze in der EU vorangetrieben werden kann. Eine weitere Ungereimtheit sehe ich darin, dass der Schaumwein mit 266 DM je Hektoliter höher besteuert wird als Spirituosen mit 255 DM je Hektoliter. Der Alko- holgehalt spielt bei der Frage, wie die Schaumweinsteuer ausgestaltet ist, bislang offensichtlich keine Rolle. Schaumwein ist heutzutage kein Luxusprodukt mehr, so- dass es sich bei dieser Steuer nicht um eine Luxussteuer handeln kann, sondern ein spezifisch alkoholhaltiges Pro- dukt, welches einer Besteuerung unterliegt. Die Bundes- regierung ist im Rahmen des Beratungsprozesses dieses Antrages meines Erachtens aufgefordert, diese von mir aufgezählten Ungereimtheiten einer Überprüfung zu un- terziehen. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 759. Sitzung am 16. Fe- bruar 2001 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen, bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur För- derung eines kapitalgedeckten Altersvorsorge- vermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz – AVmEG) – Gesetz zu dem Abkommen vom 28. Juli 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Aserbaid- schanischen Republik über den Luftverkehr und zu dem Protokoll vom 29. Juni 1998 zurBe- richtigung und Ergänzung des Abkommens vom 28. Juli 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regie- rung der Aserbaidschanischen Republik über den Luftverkehr – Gesetz zu dem Abkommen vom 21. Mai 1999 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Moldau über den Luftverkehr – Gesetz zu den Anpassungsprotokollen zu den Europa-Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten ei- nerseits, der Republik Ungarn, der Tschechi- schen Republik, der Slowakischen Republik, der Republik Polen, der Republik Bulgarien und Rumänien andererseits – Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrs- gesetzes und anderer straßenverkehrsrechtli- cher Vorschriften (StVRÄndG) – Gesetz zu den Änderungsurkunden vom 6. No- vember 1998 zurKonstitution und zurKonven- tion der Internationalen Fernmeldeunion vom 22. Dezember 1992 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. März 2001 15313 (C) (D) (A) (B) – Erstes Gesetz zurÄnderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Gesetz zurUmstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf Euro – KostREuroUG – – Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Bundes- wahlgesetzes – Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde – Gesetz zur Änderung futtermittelrechtlicher, tierkörperbeseitigungsrechtlicher und tierseu- chenrechtlicher Vorschriften im Zusammen- hang mit der BSE-Bekämpfung Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat die folgende Enschließung gefasst: 1. Die Bundesregierung wird gebeten, unverzüglich die zur Abwehr von Gefahren durch die BSE erforder- lichen Rechtsverordnungen auf der Grundlage des Gesetzes zur Änderung futtermittelrechtlicher, tierkör- perbeseitigungsrechtlicher und tierseuchenrechtlicher Vorschriften im Zusammenhang mit der BSE-Be- kämpfung zu erlassen. Dazu gehören insbesondere Re- gelungen auf der Grundlage des neuen § 3 des Verfüt- terungsverbotsgesetzes sowie die auf der Grundlage des neuen § 79 a des Tierseuchengesetzes zu regelnde Tötung bei Ausbruch der BSE. 2. Die Bundesregierung wird gebeten, unverzüglich Vor- schriften zu erlassen für – die Durchführung von Rinderschlachtungen (zum Beispiel Chargenschlachtungen) und darauf hin- zuwirken, dass die rechtlichen Rahmenbedingun- gen zur Vermeidung der Längsspaltung des Schlachtkörpers umgehend geschaffen werden, – das Verbot, Rinderhirne unabhängig vom Alter der Tiere (auch jünger als 12 Monate) für die Lebens- mittelproduktion zu verwenden und darauf hinzu- wirken, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Erweiterung des Katalogs der spezifizierten Risikomaterialien umgehend geschaffen werden, – die unschädliche Beseitigung von Schlachtkörpern und Nebenprodukten der Schlachtung, bei denen die Gefahr einer Kontamination mit BSE-Erregern durch den Schlachtungsprozess besteht, – die Entschädigung für potenziell BSE-kontami- nierte Schlachtkörper und Nebenprodukte der Schlachtung aus Schlachtchargen. 3. Die Bundesregierung wird gebeten, durch Änderung der tierkörperbeseitigungsrechtlichen Bestimmungen ein Lagerungsverbot für Tiermehle und Tierfette sowie eine Verpflichtung, Tiermehle und Tierfette einer Ver- brennung oder einem gleich wirksamen Verfahren zu- zuführen, zu schaffen. Darüber hinaus wird die Bun- desregierung gebeten, sich mit Nachdruck für ein europaweites, zeitlich unbefristetes Verfütterungsver- bot der bereits dem nationalen Verfütterungsverbot un- terliegenden proteinhaltigen Erzeugnisse und Fette, insbesondere der Tiermehle und Tierfette, einzusetzen. Begründung: Durch das Gesetz zur Änderung futtermittelrecht- licher, tierkörperbeseitigungsrechtlicher und tier- seuchenrechtlicher Vorschriften im Zusammen- hang mit der BSE-Bekämpfung sollen eine Reihe von Verordnungsermächtigungen geschaffen wer- den, um bestehende Probleme, die den Ländern beim Vollzug der Vorschriften entstehen, zu lösen. Diese Verordnungen müssen möglichst schnell er- lassen werden, um einen schnellen und einheitli- chen Vollzug in den Ländern sicherzustellen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass das Gesetz noch nicht alle Problembereiche abdeckt. Hier müssen ebenfalls unverzüglich die erforderlichen eindeutigen Rechtsgrundlagen für ein Handeln der Verwaltung geschaffen werden. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit derWest- europäischen Union für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2000 – Drucksachen 14/4219, 14/4571 Nr. 1.1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungsbericht 1999) – Drucksache 14/3233 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2000 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 02 Titel 656 51 – Zuschüsse zurAlterssicherung der Landwirte – – Drucksachen 14/4876, 14/5112 Nr. 5 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2000 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 09 02 Titel 683 50 – Beteiligung am Innovationsrisiko von Technologieunter- nehmen – – Drucksachen 14/5044, 14/5112 Nr. 6 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2000 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 09 02 Titel 697 15 – Bilanzhilfe Steinkohle – – Drucksachen 14/5045, 14/5112 Nr. 7 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. März 200115314 (C) (D) (A) (B) Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Ausbau der Schienenwege 1998 – Drucksachen 13/11468, 14/69 Nr. 1.2 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- tung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 14/5172 Nr. 1.4 Finanzausschuss Drucksache 14/5114 Nr. 2.5 Drucksache 14/5172 Nr. 2.89 Haushaltsausschuss Drucksache 14/4945 Nr. 2.19 Drucksache 14/4945 Nr. 2.30 Ausschuss fürWirtschaft undTechnologie Drucksache 14/4945 Nr. 2.15 Drucksache 14/4945 Nr. 2.16 Drucksache 14/4945 Nr. 2.17 Drucksache 14/4945 Nr. 2.20 Drucksache 14/4945 Nr. 2.36 Drucksache 14/4945 Nr. 2.41 Drucksache 14/5114 Nr. 2.8 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/2952 Nr. 2.30 Drucksache 14/4309 Nr. 1.4 Drucksache 14/4309 Nr. 1.7 Drucksache 14/4309 Nr. 1.38 Drucksache 14/4665 Nr. 2.6 Drucksache 14/4665 Nr. 2.14 Drucksache 14/4665 Nr. 2.15 Drucksache 14/4665 Nr. 2.23 Drucksache 14/4665 Nr. 2.25 Drucksache 14/4665 Nr. 2.26 Drucksache 14/4665 Nr. 2.27 Drucksache 14/4945 Nr. 2.43 Drucksache 14/4945 Nr. 2.45 Drucksache 14/4945 Nr. 2.46 Drucksache 14/4945 Nr. 2.47 Drucksache 14/5172 Nr. 2.16 Drucksache 14/5172 Nr. 2.32 Drucksache 14/5172 Nr. 2.34 Drucksache 14/5172 Nr. 2.39 Drucksache 14/5172 Nr. 2.69 Drucksache 14/5172 Nr. 2.70 Drucksache 14/5172 Nr. 2.76 Drucksache 14/5172 Nr. 2.77 Drucksache 14/5172 Nr. 2.78 Drucksache 14/5172 Nr. 2.79 Drucksache 14/5172 Nr. 2.95 Drucksache 14/5281 Nr. 2.10 Drucksache 14/5281 Nr. 2.12 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/5172 Nr. 2.85 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/4865 Nr. 1.1 Drucksache 14/4865 Nr. 1.2 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/3341 Nr. 2.23 Drucksache 14/4170 Nr. 2.76 Drucksache 14/4170 Nr. 2.82 Drucksache 14/4441 Nr. 1.11 Drucksache 14/4441 Nr. 1.17 Drucksache 14/4945 Nr. 2.26 Drucksache 14/4945 Nr. 2.27 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/4865 Nr. 1.3 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/4309 Nr. 1.19 Drucksache 14/4865 Nr. 2.3 Drucksache 14/4865 Nr. 1.4 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. März 2001 15315 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415600000
Guten Morgen!
Die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe die Zusatzpunkte 10 und 11 auf:
ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Franz

Thönnes, Klaus Wiesehügel, Leyla Onur, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der
Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Rezzo
Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN
Eckpunkte zur Verbesserung der Bekämpfung
von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit
– Drucksache 14/5270 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
Ausschuss für Tourismus

ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Franz
Thönnes, Doris Barnett, Klaus Brandner, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der
Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Ekin Deligöz,
Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN
Jobrotation im Arbeitsförderungsrecht veran-
kern
– Drucksache 14/5245 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Aus-
sprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Kein Wider-
spruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der
Abgeordnete Franz Thönnes.


Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1415600100
Frau Präsidentin! Meine sehr
geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute
Morgen über zwei sehr wichtige Themenfelder der
Reformpolitik der Bundesregierung. Ich will mich dabei
auf das Feld konzentrieren, das ganz zentral etwas mit
dem Projekt „Arbeit, Bildung, Innovation“ zu tun hat. Es
geht um Modernisierung und Gerechtigkeit. Es geht bei
dem Thema Jobrotation um das Prinzip der Teilhabe an
Arbeit, Bildung und Gesellschaft.


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Schön, dass Sie das erkannt haben!)


Ich glaube, dass dieses Prinzip – bis vielleicht auf ei-
nige Detailfragen – in diesem Haus in großer Überein-
stimmung diskutiert werden kann. Es geht nämlich um die
sinnvolle Verbindung der Herausforderung des Abbaus
von Arbeitslosigkeit mit der Herausforderung, die Men-
schen zu qualifizieren, die Arbeitnehmer weiterzubilden,
damit sie den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ge-
recht werden können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Beides hat etwas mit Teilhabe zu tun: mit Teilhabe am Ar-
beitsprozess, Teilhabe am Bildungsprozess und damit
auch Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Wer Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt-
und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit zur
Kenntnis nimmt, der weiß, dass bis zum Jahre 2010 die
Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten erheb-
lich steigen werden. Prognosen machen deutlich, dass sich
der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit
Hauptschulabschluss an der Gesamtzahl der Beschäftigten
halbieren wird, dass diejenigen, die eine Berufsausbildung
haben, im Jahre 2010 einen Anteil von 59,6 Prozent haben
werden – das ist eine Steigerung um 3 Prozent –, dass sich
die Anteile der Fachschüler und der Fachhochschüler fast
verdoppeln werden und dass der Anteil der Hochschüler
um 56 Prozent steigen wird. Das heißt, die Anforderungen
an Qualifikation werden immer größer.

15283


(C)



(D)



(A)



(B)


156. Sitzung

Berlin, Freitag, den 9. März 2001

Beginn: 9.00 Uhr

Die Weiterbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern mit der Integration von Arbeitslosen in den Be-
trieb zu verbinden, das ist das zentrale Prinzip der Job-
rotation. Es gibt eigentlich auf allen Seiten nur Gewinner
dieses Prozesses. Im Idealfall haben die Unternehmer den
Vorteil, dass die Qualifikation und die Motivation der Be-
schäftigen steigen, dass die Wettbewerbsfähigkeit des
Unternehmens erhöht wird, dass Produktivität und Qua-
lität der Produkte sich verbessern und dass bei Neuein-
stellungen zeitaufwendige, intensive Personalauswahl-
verfahren entfallen.

Für die Arbeitnehmer gibt es drei zentrale Vorteile: Ihre
Beschäftigungsfähigkeit wird gesteigert; ihre flexible
Einsetzbarkeit wird erhöht; zusätzliche Qualifikation si-
chert ihre Beschäftigung.

Was ganz wichtig ist: Menschen, die arbeitslos sind
und wieder nach einer Perspektive suchen, bekommen die
Möglichkeit, ihre Qualifikationen zu erweitern. Sie kön-
nen neue, praktische Berufserfahrungen sammeln. Ihre
Vermittlungsfähigkeit in Bezug auf den Arbeitsmarkt
wird erhöht. Was auch noch wichtig ist: Sie werden wie-
der in einen ganz zentralen Bereich unserer Gesellschaft
integriert. Sie sind nicht ausgegrenzt. Sie haben Kontakte
zu anderen Arbeitnehmern. Sie können sich beweisen.
Das ist für alle ein Gewinn. Das ist ein Beweis dafür, dass
man Modernisierung und Gerechtigkeit sinnvoll mitei-
nander verknüpfen kann.


(Beifall bei der SPD)

Wenn wir über die Landesgrenze hinaus in den Norden

Europas schauen, sehen wir, dass uns die Dänen hier ein
Vorbild sind. Seit 1993 arbeiten sie mit diesem Prinzip der
Jobrotation. Das heißt, dass ein Arbeitnehmer, der sich
weiterbildet, von einem Arbeitslosen ersetzt wird, der in
dieser Zeit im Betrieb als Stellvertreter arbeitet. In Däne-
mark hat dieses Element zusammen mit anderen Ele-
menten der aktiven Arbeitsmarktpolitik dazu beigetragen,
dass die Arbeitslosigkeit Ende 2000 mit 5,5 Prozent na-
hezu halbiert wurde.

Wie uns das Arbeitsamt Kopenhagen Ende des Jah-
res 2000 deutlich aufgezeigt hat, hat dies in Dänemark
ferner zu folgendem Ergebnis geführt: 80 Prozent derje-
nigen Arbeitslosen, die mit einer Stellvertreterregelung
im Betrieb die Möglichkeit hatten, wieder zu arbeiten,
sind später in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen
worden. Dies ist ein eindeutiger Beweis dafür: Kreative
Arbeitsmarktpolitik kann dazu beitragen, Menschen wie-
der in Arbeit und Beschäftigung zu bringen.


(Beifall bei der SPD)

Diese Idee haben die Mitglieder des Bündnisses für Ar-

beit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit aufgegriffen
und anhand einer Vielzahl von ADAPT-Projekten ausge-
wertet, die in Deutschland praktiziert worden sind. Seit
Anfang der 90er-Jahre gibt es Studien, die belegen: Im
Jahre 2005 werden 80 Prozent der Arbeitnehmer ihre Ar-
beit auf der Basis einer Ausbildung erledigen, die zehn
Jahre zurückliegt. Aber gleichzeitig werden 80 Prozent
unserer Technologien jünger als zehn Jahre sein. Diese
Zahlen zeigen die Notwendigkeit zu handeln und die He-
rausforderungen, denen mit den ADAPT-Projekten und
der Jobrotation Rechnung getragen wird.

740 Unternehmen aus dem Mittelstand wurden bei einer
Untersuchung während der ADAPT-Projekte befragt.
2 030 Weiterbildungsteilnehmer haben an den Projekten
teilgenommen, darunter 986 Stellvertreter. Das gute Ergeb-
nis hier in Deutschland ist: 61 Prozent haben im Anschluss
daran wieder eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit
aufgenommen. 43 Prozent von ihnen waren Langzeit-
arbeitslose. Auch hier wird deutlich: Modernisierung und
Gerechtigkeit lassen sich miteinander verknüpfen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jetzt geht es darum, mit der SGB-III-Reform und un-
serem Antrag, den wir heute vorgelegt haben, neuen
Schwung in den deutschen Arbeitsmarkt zu bringen. Dabei
wird es darauf ankommen, eine passgenaue Vermittlung
zwischen den Interessen zu organisieren, die im Betrieb lie-
gen, und den Qualifikationsangeboten der Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer, die Arbeit suchen. Deswegen wol-
len wir, dass die Arbeitgeber, die sich an diesen Projekten
beteiligen, einen Zuschuss für die befristete Beschäftigung
des Stellvertreters bekommen, dass die Voraussetzungen
für die berufliche Weiterbildung eines Beschäftigten vom
Arbeitgeber geschaffen und auch getragen werden und dass
diejenigen, die als Arbeitslose in den Betrieb hineinkom-
men, tarifvertraglich entlohnt werden.

Es wird im weiteren Verfahren zu überlegen sein, ob
wir ein Coaching, eine Begleitung, benötigen. Ich will
keine allzu großen Erwartungen wecken, weil ich weiß,
dass es sich um ein sehr filigranes Element der Arbeits-
marktpolitik handelt. Aber es wird notwendig sein, auch
diejenigen, die im Vermittlungsbereich der Arbeitsver-
waltung tätig sind, entsprechend zu qualifizieren, damit
sie sich noch stärker auf die Bedürfnisse der Betriebe und
die vorhandenen Qualifikationsangebote der Arbeitslosen
konzentrieren können.

Wir wollen, dass Jobrotation zu einem Regelinstru-
ment der Arbeitsförderung wird. Wir glauben, dass auch
in Deutschland Menschen, die lange darauf warten, wie-
der Arbeit und damit eine Perspektive für sich und ihre Fa-
milie zu bekommen, eine Chance haben müssen, eine
neue Tätigkeit zu finden. Wir wollen, dass die Arbeitsäm-
ter die Integration Arbeitsloser formieren, mit der Mög-
lichkeit, die uns der Eingliederungstitel in der Arbeits-
marktpolitik gibt, vor Ort sehr flexibel arbeiten und sich
den Bedürfnissen in ihrer Region genau zuwenden.

Wir glauben, dass die deutsche Arbeitsmarktpolitik mit
der Jobrotation einen kräftigen Schub nach vorne bekom-
men kann und dass das deutlich wird, was wir am Anfang
dieser Legislaturperiode zugesagt haben: Modernisierung
und Gerechtigkeit sind zwei Seiten ein und derselben Me-
daille. Dass das sinnvoll zu verknüpfen ist, werden wir
nach außen darstellen.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Karl-Josef Laumann [CDU/ CSU]: Wir haben es begriffen!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415600200
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Birgit Schnieber-Jastram.




Franz Thönnes
15284


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Birgit Schnieber-Jastram (CDU):
Rede ID: ID1415600300
Frau Präsi-
dentin! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Thönnes, „die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir
fehlt der Glaube“!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Franz Thönnes [SPD]: Dann brauchen wir nicht weiter zu diskutieren, wenn das eine Glaubensfrage ist!)


Nach knapp einem Jahr Schamfrist haben Sie Ihre Bera-
tungsresistenz aufgegeben und endlich unseren Vorschlag
zur Einführung eines Jobrotation-Programms aufgenom-
men.


(Franz Thönnes [SPD]: Schauen Sie sich einmal den Antrag an!)


Das sind erste Anzeichen von Lernfähigkeit, die uns hof-
fen lassen, und zwar darauf, dass die Regierungskoalition
auch unsere anderen Vorschläge zur Qualifizierung und
Beschäftigung älterer Menschen übernehmen wird. Wir
haben diese ja vor kurzem im Plenum eingebracht und dis-
kutiert. Vielleicht geht Ihre bessere Einsicht ja sogar so
weit, dass die Vernunft auch bei der Rentenreform, der
Neuregelung des Betriebsverfassungsgesetzes und ande-
ren Vorhaben greift. Das würde uns ganz besonders freuen.

Ich habe es gesagt: Sie haben unseren Vorschlag zum
Jobrotation-Programm aufgegriffen. Vielleicht ist das ein
gutes Zeichen und auf gute Zeichen am Arbeitsmarkt war-
ten derzeit ungefähr 5,2 Millionen, nach manchen Schät-
zungen sogar 5,7 Millionen Menschen; denn die Arbeits-
losigkeit, die offizielle und die verdeckte, ist nun einmal
so hoch.

Diese Menschen haben am vergangenen Sonntag wie-
der einmal gewartet, aber vergebens. Denn es ist sehr
deutlich geworden: Was in des Kanzlers Konsensrunde
verabschiedet wurde, bedeutet „Stillstand statt Auf-
bruch“. „Nach achtmonatiger Vorbereitungszeit ist solch
ein Ergebnis nur blamabel zu nennen.“ Dieses Resümee
zieht die „Süddeutsche Zeitung“, die bekanntlich kein Or-
gan der Opposition ist.


(Zuruf von der SPD: Aber auch keines der Regierung!)


Schauen wir uns doch einmal an, was die Beteiligten
des Treffens am Sonntag als Ergebnis festgehalten haben.
Der Kanzler hat betont, dass es seine Rolle sei, den Ver-
such zu machen, „wirtschaftliche Vernunft zu realisieren“
und dann „für einen Ausgleich der Interessen zu sorgen“.
Davon abgesehen, dass es an der wirtschaftlichen Ver-
nunft der Regierung berechtigte Zweifel geben kann,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

scheint ihm die Vermittlerrolle ja in der Tat hervorragend
gelungen zu sein. Der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt
spricht von einem „2:0-Erfolg für uns“, also für die Ar-
beitgeber. Anscheinend hat er Recht, denn Dieter Schulte,
der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dem die
meisten von Ihnen ja in besonderer Weise zugetan sind, hat
laut „Frankfurter Rundschau“ eine Niederlage eingeräumt.


(Franz Thönnes [SPD]: Sagen Sie doch einmal etwas zu Jobrotation!)


IG-Metall-Chef Klaus Zwickel – auch er ist für Sie alle
kein Fremder – hat gesagt, das Bündnis fürArbeit sei un-
ter dem Aspekt der Beschäftigung „kein ausreichender
Erfolg“; er hat von „unverbindlichen Vereinbarungen“ ge-
sprochen und hat mit einer „schwierigen, möglicherweise
explosiven“ Tarifrunde gedroht. Das ist Ihr Verdienst.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn der Kanzler schon glaubt, bei den Treffen der Ta-

rifpartner

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Teerunden!)


den Moderator geben zu müssen, dann sollte er, finde ich,
jedenfalls für Ergebnisse sorgen, bei denen sich nicht eine
Partei als Sieger und die andere Partei als Verlierer fühlt.
Manches Gewerkschaftsmitglied wird sich wirklich fra-
gen, wem man 1998 mit Millionen aus Beiträgen zur
Kanzlerschaft verholfen hat. Was ist die Ernte? Was wird
beim Bündnis für Arbeit vermittelt?


(Klaus Brandner [SPD]: Haben Sie mal in die Spendenliste geguckt? – Franz Thönnes [SPD]: Sagen Sie doch mal was zu Spenden!)


– Ihnen fällt wirklich nichts Besseres ein, Herr Thönnes.
Welche konkreten Maßnahmen sind nun vereinbart

worden? Die Antwort ist einfach: Keine.

(Franz Thönnes [SPD]: Quatsch!)


Was wurde vereinbart, um die Millionen Erwerbslosen in
Arbeit zu bringen? Nichts.


(Zuruf von der SPD: Doch, natürlich!)

Was waren die zählbaren Ergebnisse des Treffens am
Sonntag? Achteinhalb Seiten heiße Luft und Absichts-
erklärungen nach dem Motto: Wie schön, dass wir mal
wieder darüber geredet haben!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Außer Spesen nichts gewesen!)


Die Liste der Teilnehmer ist länger als alle Passagen der
gemeinsamen Erklärung zu den wirklichen Problem-
gruppen des Arbeitsmarktes. Die Einzigen, denen das
Treffen zusätzliche Beschäftigung gebracht hat, sind die
Mitarbeiter, die für Organisation und Einladung sorgen
mussten.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Und die Verbandsvertreter!)


Wenn die Bundesregierung den Gesprächen mit den
Tarifpartnern wirklich einen Sinn geben will, dann muss
sie endlich die Themen in die Debatte einbringen, die der
Schaffung neuer Arbeitsplätze in Deutschland entgegen-
stehen. Das sind folgende Fragen: Wie kann die fort-
schreitende Überregulierung des Arbeitsmarktes endlich
gestoppt und wie können überflüssige Vorschriften end-
lich abgebaut werden?


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Lachen bei der SPD – Franz Thönnes [SPD]: Bürokratie muss jetzt kommen! Bürokratisierung!)







(C)



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(A)



(B)


Wie können die 43 Milliarden DM für aktive Arbeits-
marktpolitik sinnvoller und effektiver als bisher verwandt
werden? Wie können Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe so
verknüpft werden, dass Anreize zur Arbeit geschaffen
werden? Wie können für Geringqualifizierte zusätzliche
Arbeitsplätze geschaffen werden? Zu all diesen Themen
herrscht Schweigen, wenn die Tarifpartner mit dem Kanz-
ler Tee trinken.

Was mir beim besten Willen nicht einleuchten will, ist
die Tatsache, dass die erschreckende Arbeitsmarktsitua-
tion in den neuen Ländern in der gemeinsamen Er-
klärung mit so gut wie keinem Wort angesprochen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dirk Niebel [F.D.P.]: Sie haben das mit den 3 Millionen noch nicht gesagt!)


Ich hatte gehört – ich denke, Sie auch –, dass der Kanzler
die Angelegenheiten der neuen Länder zur Chefsache ma-
chen wollte.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das war die reinste Drohung, wenn man die Zahlen sieht!)


Sie scheinen ihm aber nicht so wichtig zu sein, um sie
beim Bündnis für Arbeit zu diskutieren.

Was hat der Kanzler in der Chefsache bisher erreicht?
Ich zitiere in diesem Zusammenhang aus der Mitglieder-
zeitschrift der IG Metall: extrem hohe Arbeitslosigkeit,
viel zu wenig Lehrstellen, Flucht von qualifizierten
Arbeitnehmern in den Westen.

Gestern stand in der „Bild“-Zeitung, der glücklichste
Mann in der brandenburgischen Stadt Wittenberge sei der
Umzugsunternehmer, da jedes Jahr durchschnittlich
1 400 Bürger ihre Koffer packen, um dem Schicksal der
Arbeitslosigkeit – es gibt dort eine Arbeitslosenquote von
18 Prozent – zu entfliehen. Geht das so weiter, ist die Stadt
in 20 Jahren ohne Einwohner.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dirk Niebel [F.D.P.]: Und der Kanzler trinkt Tee!)


Die Krönung ist: Das Bundesarbeitsministerium gönnt
den neuen Bundesländern in seiner Kommentierung der
neuesten Arbeitslosenzahlen nur einen Satz:

In Ostdeutschland hat sich die Zahl der Arbeitslosen

(Arbeitslosenquote 18,9 Prozent)


Das war es. Es folgen weder Erklärungen noch Lösungs-
vorschläge; denn was Sie nicht mit Siegerlächeln verkün-
den können, wollen Sie unter den Teppich kehren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Klaus Brandner [SPD]: Das sind die blühenden Landschaften, die wir von Ihnen übernommen haben! – Gegenruf des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Bei Ihnen blüht auch nichts!)


Ich frage nochmals: Warum hat die Bundesregierung
die neuen Länder nicht zum Hauptthema des Bündnisses
für Arbeit gemacht? Ich vermute als Grund, die Bundes-
regierung hätte sonst eingestehen müssen, dass die tat-

sächliche Arbeitslosigkeit in vielen Arbeitsamtsbezirken
Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsen-Anhalts und ande-
rer neuer Bundesländer doppelt so hoch ist, wie die Daten
der offiziellen Statistik es ausweisen. Wenn man die
Arbeitsuchenden dazuzählt, die zeitlich befristet an öf-
fentlich geförderten Beschäftigungs- und Qualifizie-
rungsmaßnahmen teilnehmen, dann ergibt sich, dass oft-
mals vier von zehn Erwerbstätigen nicht auf dem ersten
Arbeitsmarkt beschäftigt werden. Ich sage nur: Chefsache
Ost.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: In diesem Fall ist der Chef die reinste Bedrohung!)


Schauen wir uns doch einmal ein anderes Programm
etwas näher an, auf das Sie auch sehr stolz sind. Da gibt
es das legendäre JUMP-Programm für junge Menschen.
Legenden haftet ja oftmals eine etwas freiere Auslegung
der Wahrheit an;


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Illustrativ!)

aber ich sage Ihnen eins: Das JUMP-Programm ist
schlichtweg eine Münchhausen-Geschichte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Seit rund zwei Jahren fließen jährlich 800 Millionen DM
aus diesem Programm in die neuen Länder. Jetzt sollen es
jährlich 1 Milliarde DM werden. Das Ergebnis – Sie ha-
ben das immer noch nicht wahrgenommen –: Anstieg der
Jugendarbeitslosigkeit in den neuen Ländern im
letzten Jahr um sage und schreibe 13,1 Prozent! Das ist
das Ergebnis dieses Münchhausen-Programms.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Franz Thönnes [SPD]: Wo ist denn da die Schlussfolgerung, dass das Programm nicht gewirkt hat? Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen!)


Sie machen hier – Sie wissen es in Wirklichkeit ganz
genau, Herr Thönnes – Programme und Programme für
zig Milliarden Mark und wissen noch nicht einmal, wem
sie nutzen; Hauptsache, es werden wieder ein paar Er-
werbslose aus der Statistik verschwinden. Das ist Ihre In-
tention.

Das gilt auch für die älteren Arbeitslosen, für die die
Bundesregierung sich ja jetzt angeblich so energisch ein-
setzen will.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Wo ist eigentlich Schwanitz? – Gegenruf des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Der ist ja auch die reinste Bedrohung!)


– Jetzt hören Sie doch mal zu! Wir reden nun über die äl-
teren Arbeitslosen.

Ich will Ihnen meine Ausführungen anhand zweier
Zahlen verdeutlichen, die uns die Bundesregierung selbst
in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage übermittelt hat:
Im Jahresdurchschnitt 2000 lag der Anteil der über
50-Jährigen an den durch die Instrumente der aktiven
Arbeitsmarktpolitik geförderten Personen bei 20,3 Pro-




Birgit Schnieber-Jastram
15286


(C)



(D)



(A)



(B)


zent; bei den Maßnahmen zur Förderung der beruflichen
Weiterbildung lag er gerade bei 7,3 Prozent. Diese Zahlen
zeigen sehr deutlich, wo die Zielsetzung der Bundesre-
gierung zu suchen ist: im Drehtüreffekt und nicht darin,
ältere Menschen im ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Franz Thönnes [SPD]: Sie haben wohl die letzten Gesetze verschlafen)


Es gibt noch andere interessante Aussagen. Zum Bei-
spiel:

Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die
tatsächlichen Erklärungsfaktoren für die Höhe der
Erwerbstätigenquote älterer Menschen liegen der
Bundesregierung nicht vor.

So sagt die Bundesregierung. Stochern Sie denn wirklich
überall nur im Nebel herum?

Die Passage Ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage, in
der die „weit verbreitete Frühverrentung“ zu einer Maß-
nahme erklärt wird, die die „Zustimmung aller Betroffe-
nen“ gefunden habe, halte ich sogar für zynisch. Ich bin
mir nicht so sicher, dass wirklich alle Betroffenen un-
glaublich begeistert davon waren, mit 50 Jahren oder
früher oder später in Frührente zu gehen. Ich erlebe et-
was anderes.


(Klaus Brandner [SPD]: Das habt Ihr doch eingeführt! – Franz Thönnes [SPD]: Wer hat denn den Weg dazu geebnet?)


Ich weiß nicht, wie ein Vater seinen erwachsenen Kindern
erklären soll, dass er nun ohne Arbeit ist und mit knapp
55 Jahren in Frührente geht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zurufe von der SPD)


Wir sind im Gegensatz zu Ihnen der Meinung, dass Ar-
beit nicht nur Broterwerb ist, sondern auch viel mit Würde,
Selbstbewusstsein und sozialer Teilhabe zu tun hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) so-

wie des Abg. Dirk Niebel [F.D.P.] – Franz
Thönnes [SPD]: Wie viel Arbeitslose habt ihr
denn hinterlassen?)

Deshalb ist Erwerbstätigkeit auch und gerade für ältere
Menschen in jedem Fall besser als die Teilnahme an ar-
beitsmarktpolitischen Maßnahmen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415600400
Liebe Kollegen,
rufen Sie bitte nicht dauernd dazwischen! Ansonsten kann
die Rednerin gar nicht Luft holen.


Birgit Schnieber-Jastram (CDU):
Rede ID: ID1415600500
Insofern
halte ich es für erstaunlich, dass Herr Ostertag in der letz-
ten Woche in einer Debatte erklärt hat, dass er stolz sei,
dass die Erwerbstätigenquote der 50- bis 65-Jährigen
mit 48,2 Prozent nur knapp unter dem EU-Durchschnitt
von 48,6 Prozent liege. Woran orientieren Sie sich eigent-
lich? Offenbar am unteren Mittelmaß. Es gibt Länder wie
die Schweiz, wie Norwegen, Dänemark, Großbritannien
– diese Länder sind gar nicht so weit entfernt – oder die

USA, in denen die Erwerbstätigenquote älterer Menschen
bei bis zu 70 Prozent liegt. Das ist das Ziel, das wir errei-
chen müssen. Aber davon sind Sie weit entfernt.


(Franz Thönnes [SPD]: Wer hat eigentlich die Katastrophenzahlen abgeliefert?)


Sie haben keine konsequente Linie in der Arbeitsmarkt-
politik und denken bestenfalls in Monatszeiträumen.


(Zuruf von der SPD: Sagen Sie doch mal was zu Ihren Hinterlassenschaften!)


Zum Abschluss möchte ich noch etwas zu Ihrem An-
trag „Eckpunkte zur Verbesserung der Bekämpfung ille-
galer Beschäftigung und Schwarzarbeit“ sagen. Wir stim-
men zwar der darin zum Ausdruck kommenden
Grundintention durchaus zu. Aber wir sind natürlich mit
der dort enthaltenen Passage über die erfolgreiche Wirt-
schafts- und Steuerpolitik der rot-grünen Regierungsko-
alition überhaupt nicht einverstanden. An dieser Stelle
können wir den Antrag nicht mehr mittragen.


(Franz Thönnes [SPD]: Hätte uns auch sehr gewundert!)


Herr Thönnes, es gibt viel zu tun, nicht nur für Sie und
für alle Ihre Fraktionskollegen, sondern auch für die Re-
gierung, die zwei Jahre lang nur untätig zugeschaut hat.
Die Zahlen sind ein deutlicher Beleg dafür.


(Lachen bei der SPD)

Machen Sie endlich was!

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf des Abg. Franz Thönnes [SPD]: Sie haben uns viel hinterlassen, Frau Kollegin! Einen Berg von Arbeit, in der Tat! Thema verfehlt! Setzen!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415600600
Jetzt hat die Ab-
geordnete Thea Dückert das Wort.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415600700

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Wir diskutieren hier – ich glaube, das muss ich in Er-
innerung rufen – eigentlich über zwei Anträge, nämlich
über den Antrag zur Jobrotation und über den Antrag zur
Verbesserung der Bekämpfung der illegalen Beschäfti-
gung.

Frau Schnieber-Jastram, Sie haben wirklich ein Kunst-
stück vollbracht;


(Franz Thönnes [SPD]: Nein, das war kein Kunststück!)


denn Sie haben von zehn Minuten Ihrer Redezeit – ich
schätze einmal – jeweils nur zehn Sekunden zur Jobrota-
tion und zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung ge-
sprochen.


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Nehmen Sie doch erst einmal das Grundsätzliche wahr!)





Birgit Schnieber-Jastram

15287


(C)



(D)



(A)



(B)


Die beiden Botschaften, die Sie uns übermitteln wollten,
lassen sich in etwa wie folgt umreißen: Sie nehmen bei der
Jobrotation das Urheberrecht in Anspruch und zur
Bekämpfung der illegalen Beschäftigung sagen Sie:
Dagegen wollten wir schon immer etwas tun. Wenn das
Ihr ganzer beschäftigungspolitischer Ansatz ist, dann
weiß ich, warum Sie von zehn Minuten nur 20 Sekunden
zu den Themen der vorliegenden Anträge gesprochen ha-
ben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die CDU/CSU nimmt für sich in Anspruch, Erfinder
der Jobrotation zu sein. Aber das Instrument der Jobrota-
tion existiert bereits seit 1994 in Dänemark. Ich weise nur
darauf hin, weil Sie sich auf unsere Nachbarländer beru-
fen haben.


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Frau Dückert, wir haben es doch als Erste eingebracht! Das wissen Sie ganz genau!)


Die Jobrotation ist ein sehr erfolgreiches Instrument.
Auch wir haben in rot-grün regierten Ländern wie Nord-
rhein-Westfalen sehr gute Erfahrungen mit diesem Instru-
ment gemacht. Deswegen ist die Zeit jetzt reif, das Prin-
zip der Jobrotation in der ganzen Bundesrepublik
Deutschland einzuführen.


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Hätten Sie doch längst haben können!)


Nur, was ich überhaupt nicht leiden kann, Frau
Schnieber-Jastram, ist, wenn Sie hier in Krokodilstränen
ausbrechen, obwohl doch ganz deutlich belegbar ist, dass
Sie bereits seit 1994 einem guten Beispiel aus dem Aus-
land hätten nacheifern können, aber sage und schreibe erst
im Frühjahr des Jahres 2001 einen sehr mageren Antrag
zu diesem Thema vorlegen. Das hat mit einer Beschäfti-
gungspolitik, die versucht, sich mit den Erfahrungen, mit
dem, was um uns herum passiert, auseinander zu setzen
und für Deutschland kreative neue Instrumente anzubie-
ten, überhaupt nichts zu tun.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wir haben es schon vor einem Jahr vorgeschlagen! – Zuruf von der SPD: Wir waren viel eher da!)


Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland ein
großes Problem: Für uns als rot-grüne Koalition steht Be-
schäftigungspolitik auf der politischen Agenda ganz oben.
Aber wir haben einen desolaten Arbeitsmarkt und eine de-
solate Beschäftigungspolitik übernommen und im Hin-
blick darauf müssen wir Schritt für Schritt eine Moderni-
sierung einführen.

Wir haben – das ist nachweisbar – seit Herbst 1999 ei-
nen stetigen Abbau der Arbeitslosigkeit und ein stetiges
Ansteigen der Beschäftigung zu verzeichnen.


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Wo leben Sie eigentlich?)


Das reicht nicht; das sage ich auch. Und im Vergleich zu
den europäischen Nachbarländernmüssen wir noch ei-
niges lernen. Warum ist das so? – Weil Ihre Regierung die
Entwicklung um uns herum seit Anfang der 90er-Jahre

systematisch verschlafen hat. Die Nachbarländer sind uns
um Nasenlängen voraus.

Mit dem, was wir heute vorschlagen – ich freue mich
besonders darüber, weil meine Fraktion seit mehr als ei-
nem Jahr an diesem Projekt arbeitet –,


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Hätten Sie doch unserem Antrag zugestimmt! – KarlJosef Laumann [CDU/CSU]: Vor zwölf Monaten haben wir das vorgeschlagen!)


nämlich die Jobrotation in der Bundesrepublik Deutsch-
land zu übernehmen, machen wir endlich einen ersten,
wenn auch kleinen Schritt in Richtung einer modernen
Beschäftigungspolitik, der durch viele andere Maßnah-
men ergänzt wird.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Den Sie von uns abgeschrieben haben! – Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Sie haben gar keine Richtung in der Beschäftigungspolitik!)


– Herr Laumann und Frau Schnieber-Jastram, ich kann
Sie wirklich beruhigen. Sie brauchen sich gar nicht so auf-
zuregen. Wir werden im Sommer dieses Jahres eine Re-
form des SGB III in Gang bringen, die im Kern die be-
schäftigungspolitischen Instrumente zum Inhalt hat.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Da bin ich gespannt! – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Im Sommer sind wir gar nicht hier!)


– Sie mögen im Sommer vielleicht nicht hier sein, Herr
Laumann. Wir aber werden hier sein,


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Weil Sie nachsitzen müssen!)


weil gerade im Sommer angesichts der entspannten Ar-
beitsmarktsituation eine gute Zeit ist, endlich die Reform-
projekte anzugehen.

Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was Sie hier abgeliefert
haben, bestätigt eigentlich wieder, dass Sie uns einen ho-
hen Berg von Arbeitslosen hinterlassen haben. Es be-
stätigt, dass Sie in Ihrer Regierungszeit überhaupt kein
Fünkchen Kreativität und Modernität in der Beschäfti-
gungspolitik hatten.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Kein Wort zum Osten! Sie wissen gar nicht, wo das ist!)


Ich finde es gut, dass Sie nachträglich auf diesen Zug
aufspringen wollen. Seien Sie herzlich begrüßt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415600800
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Dirk Niebel.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1415600900
Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute über
zwei recht interessante und nicht ganz unwichtige An-
träge. Dass dafür nur eine halbe Stunde zur Verfügung




Dr. Thea Dückert
15288


(C)



(D)



(A)



(B)


steht, zeigt den Stellenwert, den die Regierung diesen An-
trägen zumisst.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber der Kanzler kümmert sich auch sonst nicht so
sehr um Zahlen. Was sind denn 500 000Arbeitslose mehr
oder weniger? Überhaupt: Wenn sich jemand nach gerade
einmal zwei Jahren Kanzlerschaft schon selbst als alten
Zirkusgaul in der Manege bezeichnet, denkt man eigent-
lich eher an das Altenteil als an Regierungsfähigkeit.


(Beifall bei der F.D.P. – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wo ist eigentlich die Manege?)


Ich befürchte nur, wir werden auch diesen Klepper
noch bis 2002 durchfüttern müssen. Dann gibt es zwei
Möglichkeiten: Entweder bekommt er eine Frischzellen-
kur oder er geht zum Pferdemetzger.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415601000
Ich glaube, das
war jetzt ein bisschen an der Grenze, Herr Kollege.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1415601100
Jawoll, Frau Präsidentin.

(Franz Thönnes [SPD]: Der Kollege ist in der Landwirtschaft groß geworden!)

Das Thema Arbeitsplatzrotation ist nicht neu. Wir ken-

nen das Ganze aus Dänemark. Wir müssen in Ruhe die
Vor- und Nachteile abwägen. Wir müssen schauen, ob
nicht womöglich der bürokratische Moloch, von dem wir
befürchten, dass Sie ihn – wie bei anderen Gesetzen –
wieder aufbauen, dieses Instrument wegen des damit zu-
sammenhängenden hohen organisatorischen und finanzi-
ellen Aufwands gerade für kleine und mittlere Betriebe
ungeeignet macht.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Darüber hinaus möchte ich zu bedenken geben, dass es
manchmal gar nicht so leicht sein wird, den passenden
Stellvertreter zu finden. Schauen Sie nach Baden-Würt-
temberg. Wir haben in manchen Regionen des Landes
aufgrund der hervorragenden Wirtschaftpolitik von
Walter Döring und den Freien Demokraten fast eine Si-
tuation der Vollbeschäftigung mit einer Drei vor dem
Komma.


(Beifall bei der F.D.P.)

Sie müssen erst einmal gucken, wie Sie die passenden
Stellvertreter in die Betriebe bekommen, die Sie mit einer
weiteren Subvention ködern wollen.

Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass man
dieses Thema im Zusammenhang mit den Bereichen Fle-
xibilisierung der Arbeitszeit, Lebensarbeitszeitkonten,
Arbeitnehmerüberlassung und Zeitarbeit diskutieren
muss. Im Grunde ist dieses Thema interessant. Besonders
gut gefällt mir, dass Sie einen weiteren Schritt in Richtung

Dezentralisierung gehen, dass Sie mehr Kompetenzen auf
die örtliche Ebene verlagern und dass Sie eine regionalere
Arbeitsmarktpolitik machen wollen. Das ist vernünftig;
davon brauchen wir mehr.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich erinnere an meinen Vorschlag zu den Globalhaushal-
ten für die Arbeitsämter. Darüber sollten wir noch einmal
diskutieren.

Was die Schwarzarbeit anbetrifft, möchte ich daran er-
innern, dass die Freien Demokraten dazu bereits vor un-
gefähr einem Jahr, am 23. März letzten Jahres, einen An-
trag eingebracht haben. Bisher hat man ihn noch nicht für
so wichtig erachtet, dass man dieses Thema im Plenum
hier behandelt. Angesichts eines geschätzten Volumens
der Schwarzarbeit in Höhe von 658 Milliarden DM und
angesichts von Bußgeldern in Höhe von 325 Milli-
onen DM allein im letzten Jahr haben wir es mit einer
wahren Boombranche zu tun. Ich würde mich freuen,
wenn die Konjunktur in der regulären Wirtschaft genauso
brummen würde; aber sie wird durch Ihre Gesetzge-
bungsverfahren bisher ja abgewürgt.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Um Schwarzarbeit bekämpfen zu können, muss das
Lohnabstandsgebot durchgesetzt werden. Um das zu
erreichen, müssen wir die Arbeitnehmereinkommen von
Abgaben und Steuern wesentlich mehr entlasten, als es
jetzt der Fall ist. Es muss sich lohnen zu arbeiten. Es
muss zwischen staatlicher Transferleistung und Er-
werbseinkommen eine deutliche Differenz erkennbar
sein. Die Steuerreform darf nicht bei dem stehen blei-
ben, was bisher vorgelegt worden ist. Das kann nur ein
erster kleiner Schritt in Richtung echter Entlastungen
gewesen sein.

Wir müssen auch die Lohnnebenkosten ins Auge fas-
sen. Wir hätten seit über einem Jahr die Beiträge für die
Arbeitslosenversicherung um einen Prozentpunkt senken
können. Sie wollten das nicht, weil Sie diese Senkung erst
im nächsten Jahr vornehmen wollen. Wir alle wissen,
warum: Da ist Bundestagswahl. So wird es nicht funktio-
nieren; die Entlastungen für Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer brauchen wir früher.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Um Schwarzarbeit zu verhindern, brauchen wir An-
reize, eine reguläre Arbeit anzunehmen. Wir brauchen ein
eindeutig reformiertes Arbeitsgenehmigungsrecht. Wer
sich in diesem Land aufhalten darf, der muss für die Dauer
des erlaubten Aufenthaltes in die Lage versetzt werden,
selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen und nicht
zwangsweise an den Tropf der Sozialkassen gehängt zu
werden. Wenn jemand arbeiten möchte und arbeiten kann
und auf der anderen Seite ein Arbeitgeber einen Arbeits-
platz nicht besetzen kann, dann finden sich andere Wege,
ins Geschäft zu kommen. Solche Reformen haben Sie
bisher verhindert. Selbst die kleinen Schritte, die Sie seit




Dirk Niebel

15289


(C)



(D)



(A)



(B)


Januar dieses Jahres in die richtige Richtung gegangen
sind, haben Sie nur auf Druck der Opposition eingeleitet.
Kehren Sie um!


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen mehr F.D.P. in diesem Land.
Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415601200
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Klaus Grehn.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1415601300
Verehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren – Kollege
Thönnes, Sie haben 1992 genannt – ist das Projekt Job-
rotation bekannt. Zumindest seit 1993 besteht die Forde-
rung, so etwas auch in Deutschland durchzuführen. Das
heißt, dass Sie auf der rechten Seite fünf Jahre lang Gele-
genheit hatten, das durchzuführen; Sie auf der linken Seite
hatten zwei Jahre Zeit. In den vergangenen sieben Jahren
hat man es also nicht geschafft. Nun steht dieses Thema
auf der Tagesordnung. Wir halten Jobrotation für notwen-
dig. Wir unterstützen jede Maßnahme, die einigermaßen
vernünftig ist; aus diesem Grunde gilt unsere Unterstüt-
zung auch dem Prinzip der Jobrotation.


(Beifall bei der PDS)

Die CDU hat zwar vor einem Jahr den Antrag 14/2909

eingebracht; aber wir haben ihm damals nicht zuge-
stimmt, weil er einen wesentlichen Mangel hatte: Sie
wollten, dass die Arbeitslosen zu nicht tariflichen Ent-
gelten eingestellt werden können. Das ist sozial ungerecht
und mit uns nicht zu machen. Dieser Mangel ist beho-
ben; deshalb findet der Antrag von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen unsere Zustimmung.


(Klaus Brandner [SPD]: Gut so!)

Was die Lage der älteren Arbeitnehmer betrifft, kann

ich Ihre Erwartungshaltung allerdings nicht teilen. Meine
Erwartung ist eher gedämpft. Die Ursache für die hohe
Anzahl arbeitsloser älterer Arbeitnehmer hat nicht so sehr
etwas mit ihrer Qualifikation zu tun, sondern liegt in de-
ren Alter. Das Jobrotation-Vorhaben müsste daher eigent-
lich um ein Programm erweitert werden, mit dem die Ar-
beitgeber davon überzeugt werden, dass die älteren
Arbeitnehmer sinnvoll in den Arbeitsmarkt integriert
werden können.


(Beifall bei der PDS)

Solange Ihnen diese Überzeugungsarbeit nicht gelingt,
wird Ihr Vorhaben nicht den von Ihnen erwarteten Erfolg
haben. Trotzdem erkenne ich an, dass es eine Möglichkeit
unter mehreren ist.

Sie haben auf die Einigung im Bündnis für Arbeit
verwiesen. Das ist für mich sehr interessant. In Bezug auf
Jobrotation hat man im Bündnis für Arbeit eine Einigung
gefunden, während das Thema Überstundenabbau – eine

weitere Möglichkeit, die Arbeitslosigkeit abzubauen –
nicht behandelt worden ist;


(Zuruf von der SPD: Natürlich ist es behandelt worden!)


deshalb ist dieses Thema in diesem Parlament auch nicht
zur Diskussion gestellt worden.


(Zurufe von der SPD: Es gab nur kein Ergebnis! – Doch, natürlich!)


Die Frage ist: Wer entscheidet wo und was?
Ein Weiteres will und kann ich Ihnen nicht ersparen.

Seit mehr als zwei Jahren bringt die PDS-Fraktion An-
träge zur Veränderung des SGB III ein.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das kommt nicht!)

Sie haben alle Anträge rundherum mit der Begründung
abgelehnt, dass es sich um Einzelmaßnahmen handele,
aber ein neues SGB III komme. Was ist denn nun Ihre Job-
rotation-Maßnahme anderes als eine Einzelmaßnahme?
Was wollen Sie denn nun eigentlich? Wollen Sie ein neues
SGB III oder wollen Sie es nicht?


(Klaus Brandner [SPD]: Viele erfolgreiche Einzelmaßnahmen! – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Es ist besser, die machen kein neues! Die können es nicht!)


Ein paar Bemerkungen zur Schwarzarbeit: Wir haben
uns mit dem Problem der Schwarzarbeit und der illegalen
Beschäftigung erst vor zwei Monaten im Zusammenhang
mit dem Bericht der Bundesregierung zur Bekämpfung
der illegalen Beschäftigung befasst. Darin wurde deut-
lich, dass das Ausmaß der Schwarzarbeit und der illega-
len Beschäftigung, über das niemand etwas Genaues
weiß, da es keine genauen Zahlen gibt, über das aber alle
reden, trotz verstärkter Maßnahmen bei der Bekämpfung
und verschärfter Sanktionen gestiegen ist. In Ihrer jetzi-
gen Vorlage ist nichts anderes vorgesehen, als die Sank-
tionen weiter zu verschärfen: Die Abschreckungswirkung
soll erhöht und die Effizienz der Verfolgungsbehörden
verbessert werden. Neben diesen kopflastigen Ansätzen
steht ganz klein die Prävention.

Ich meine, man sollte sich mehr auf Prävention stützen
und dabei auch im Auge haben, dass Schwarzarbeit erst
dadurch ermöglicht wird, dass gewisse Leute Schwarz-
arbeit anbieten


(Beifall bei der PDS)

und andere sie annehmen, weil sie keine andere Möglich-
keit haben, eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu
finden, ihren Unterhalt zu verdienen und ihre Familien zu
versorgen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Oder weil es sich mehr lohnt!)


Setzen Sie dort an! Schützen Sie die Arbeitnehmerrechte!
Auch das ist eine Möglichkeit, der Schwarzarbeit zu be-
gegnen. So kommen wir ein Stückchen weiter.


(Beifall bei der PDS)





Dirk Niebel
15290


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415601400
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Klaus Wiesehügel.


Klaus Wiesehügel (SPD):
Rede ID: ID1415601500
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin manchmal
schon erstaunt, wenn ich Ihre Debattenbeiträge höre.
Aber, Herr Niebel, das, was Sie eben über den Bundes-
kanzler gesagt haben, sollten Sie einmal nachlesen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das hat er selbst gesagt!)


– Ich meine das mit dem Pferdemetzger. Sie sollten ein-
mal selbst lesen, was Sie da gesagt haben. Ich weiß zwar,
dass Sie eine schlechte Kinderstube hatten. Das habe ich
schon an vielen Ihrer Äußerungen bemerkt.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Beleidigen Sie jetzt nicht meine Mutter!)


Aber was Sie da gerade gesagt haben, entspricht nun wirk-
lich nicht unserem Umgang miteinander. Das ist schon
mehr als unterste Talsohle.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS – Zuruf von der SPD: Was anderes kann der nicht!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, über die
Schwarzarbeit ist auch in der Vergangenheit viel geredet
worden. Es gibt einige Dinge, die unbestritten sind. Un-
bestritten ist, dass 15 Prozent des Bruttosozialprodukts
– das ist ungefähr ein Siebtel – in diesem Bereich erwirt-
schaftet werden. Es ist immer schwierig, bei der Illegalität
genaue Zahlen zu benennen, aber nach Studien summie-
ren sich die Erträge aus der Schwarzarbeit und der Il-
legalität auf wahrscheinlich über 600 Milliarden DM.
Diese Summe ist für sich genommen schon schlimm ge-
nug. Wenn man aber bedenkt, dass nur ungefähr 70 Pro-
zent in den normalen Wirtschaftskreislauf zurückfließen,
bleiben 100 Milliarden DM, die dem Staat an Steuern
und Sozialversicherungsbeiträgen entzogen werden.
Wenn wir diese Summe im Haushalt zusätzlich zur Ver-
fügung hätten, würde manch schwierige Debatte, die wir
über das Sparen führen müssen, überflüssig. Von daher
sollte man in diesem Bereich alle Anstrengungen unter-
nehmen, um von diesen 100 Milliarden DM einen großen
Teil wieder in die Legalität zu führen.


(Zustimmung bei der SPD)

Hinzu kommt, dass Schwarzarbeit zu ordnungspoli-

tisch unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen führt und
sich bedrohlich auf die Seriosität und das öffentliche An-
sehen ganzer Branchen auswirkt. Manche Branchen wer-
den heute derart mit Illegalität und Schwarzarbeit in Ver-
bindung gebracht, dass sie enorme Schwierigkeiten
haben, sich öffentlich besser darzustellen.

Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wurden
bereits vielfach genannt. Auch ich möchte sie noch einmal
sehr deutlich machen: Wir wissen, dass durch 100 000 il-
legal Beschäftigte 60 000 legale Arbeitsplätze verdrängt
werden. Für diese 60 000 müssen wir nicht nur Transfer-
leistungen bezahlen, sondern sie bedeuten auch einen Ver-

lust an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe
von 3,1 Milliarden DM. Dies ist insgesamt ein Bereich, in
dem wir wirklich etwas tun müssen. Darin sind sich ja
auch alle einig.

Über die Begriffe Schwarzarbeit und Illegalität ist die
Einigkeit allerdings nicht mehr ganz so groß. Wir haben
ja die Kampagne der alten Bundesregierung erlebt. Ich
kann mich sehr lebhaft an die Kampagne von Norbert
Blüm gegen Schwarzarbeit erinnern. Er hat Schwarz-
arbeit nur als Arbeitnehmerschwarzarbeit darzustellen
versucht. Er hat versucht, Handwerker und Arbeitnehmer
dafür öffentlich an den Pranger zu stellen. Dass es aber ei-
nen viel größeren Anteil von unternehmerischer Schwarz-
arbeit und damit von organisierter Kriminalität gibt, ist
bei Ihnen nie wirklich angekommen. Diese Erkenntnis ist
damit auch nie Bestandteil Ihrer Politik gewesen. Deswe-
gen konnten Sie auch nicht erfolgreich sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dirk Niebel [F.D.P.])


– Das stimmt wohl. Schauen Sie sich doch einmal die al-
ten Kampagnen an, Herr Niebel! Ihre Partei war ja mit
dafür verantwortlich.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das müssen Sie als Gewerkschafter doch wissen, dass es nicht stimmt!)


– Hören Sie doch damit auf, immer von „Gewerkschafter“
zu sprechen!


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Das sind Sie doch!)


Ich möchte einmal erleben, dass Sie bei einer Rede von
Frau Wöhrl dazwischenrufen: Ach, eine Vertreterin des
deutschen Handels! – Sie protestieren ja auch nicht, wenn
Lobbyisten aus anderen Bereichen sprechen, Herr Niebel.
Hören Sie also auf, von „Gewerkschafter“ zu sprechen!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In dem vorliegenden Antrag der Regierungsfraktionen
haben wir das Problem auf den Punkt gebracht und – dies-
mal ohne einseitige Schuldzuweisungen – in seiner
ganzen Bandbreite als organisierte Kriminalität und
unternehmerische Schwarzarbeit erfasst. Im Übrigen
möchte ich feststellen: Wenn keine Handwerkerrechnung
ausgestellt wird, weil die Mehrwertsteuer eingespart wer-
den soll, dann gehört das für mich auch zur Schwarzarbeit
und damit in den Bereich der Illegalität.


(Beifall bei der SPD und der PDS)

Man darf nicht sagen, dass das eine weniger schlimm ist
als das andere. Man muss vielmehr die gesamte Band-
breite sehen. Dies tun wir mit unserem Antrag.

Es gibt vielfältige Vorschläge, wie man in diesem Be-
reich erfolgreich sein kann. Sie sind dem Antrag zu ent-
nehmen. Die Regierung kann diese Vorschläge umsetzen.
Entsprechende Gesetze sind dringend erforderlich, was
die Praxis ganz deutlich zeigt.






(C)



(D)



(A)



(B)


Ich will einige wesentliche Punkte ansprechen. Wir
brauchen Verbesserungen im Bereich der Abschreckung
und des Vollzugs. Dabei geht es nicht nur um die Erhöhung
des Strafrahmens oder um die Erhöhung der Bußgelder,
sondern dazu gehört auch die Einbeziehung von Maßnah-
men im Falle der Hinterziehung von Sozialabgaben. Wenn
jemand Sozialabgaben nicht weiterleitet, dann ist das für
mich genauso ein unredlicher und krimineller Akt wie
Steuerhinterziehung. Dieser Tatbestand muss also auch
berücksichtigt werden. Wir tun dies in unserem Antrag.

Auch die Effizienz der Arbeit der Vollzugsbehörden
ist zu prüfen. Auch das ist im Antrag sehr deutlich darge-
stellt. Aus der Praxis weiß ich, dass wir zum Beispiel in
Hamburg 13 und in anderen Gebietskörperschaften auch
mindestens zehn verschiedene Behörden haben, die ne-
beneinander her kontrollieren. Der Gesetzgeber spricht
lediglich davon, dass sie die Informationen austauschen
sollen. Wenn also eine Behörde Missstände festgestellt
hat, die nicht in ihre Kompetenz fallen, dann muss sie
selbst entscheiden, ob sie der zuständigen Behörde Be-
scheid sagt oder nicht. Das führt in der Regel dazu, dass
nicht Bescheid gesagt wird. Der Zustand, dass viele Miss-
stände bei Kontrollen aufgedeckt werden, aber nicht an
die zuständige Behörde weitergeleitet werden, muss be-
endet werden. Wir brauchen eine Verknüpfung der Kom-
petenzen. Die zuständigen Vollzugsbehörden müssen zur
Zusammenarbeit verbindlich veranlasst werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir müssen bestehende Gesetze wie das Arbeitneh-
merentsendegesetz integrieren; wir müssen die Zusam-
menarbeit der Behörden auch in dieser Frage besser ko-
ordinieren. Es kann ja nicht sein, dass ein Steuerbeamter,
der ein Unternehmen prüft und der dabei eine illegale Be-
schäftigung feststellt, sich nicht zuständig fühlt – er denkt
sich vielleicht: Es ist Freitag, 13 Uhr, jetzt müsste ich ei-
gentlich noch einen Bericht schreiben und diesen den
Kollegen in der zuständigen Behörde schicken; das muss
ich aber nicht unbedingt tun – und dementsprechend die
Information nicht weitergibt. Ich bin dem Beamten gar
nicht böse, wenn er so denkt; denn der Bericht könnte ja
umfangreich ausfallen und der Vorgesetzte könnte nach-
fragen. Wir müssen davon wegkommen, dass es auf Frei-
willigkeit beruht, Verstöße gegen Gesetze den zuständi-
gen Behörden zu melden. Wir müssen vielmehr dafür
sorgen, dass dies verbindlich geschieht.

Einen weiteren Punkt halte ich ebenfalls für sehr wich-
tig. Hinsichtlich der Hinterziehung von Sozialversiche-
rungsbeiträgen – ich habe diesen Punkt vorhin schon
angesprochen – gibt es noch ein ganz besonderes Pro-
blem. Wenn sich Menschen, die hier illegal beschäftigt
werden, dem Zugriff durch Flucht über die Grenze ent-
ziehen können, dann haben wir keine Chance mehr, sie zu
belangen. Im Sozialversicherungsbereich gibt es nämlich
nur ein entsprechendes Abkommen mit Österreich. Mit al-
len anderen Ländern wäre es aber durchaus möglich.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415601600
Herr Kollege,
ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie Ihre Redezeit er-
heblich überzogen haben.


Klaus Wiesehügel (SPD):
Rede ID: ID1415601700
Ich komme sofort zum
Schluss. – Diejenigen, die sich als Schlepper betätigen
– ich will sie einmal als Lumpenpack bezeichnen –, sind
durchaus in der Lage, über die Grenze zu entkommen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das ist aber sehr menschenverachtend, von „Lumpenpack“ zu sprechen! Das ist unerträglich!)


Wir können ihrer dann nicht mehr habhaft werden.
Wir brauchen eine Ausweitung des dinglichen Arres-

tes. Das versetzt uns zumindest in die Lage, harte Maß-
nahmen zu ergreifen, damit diejenigen, die sich auf kri-
minelle Weise in unserem Land betätigen, zur
Rechenschaft gezogen werden.


(Weitere Zurufe von der F.D.P.)

Es gäbe noch viel zu sagen, auch auf das, was Sie ge-

rade völlig falsch einwerfen, aber meine Redezeit ist lei-
der zu Ende. Ich hoffe, wir werden die Schwarzarbeit und
die Illegalität erfolgreich bekämpfen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415601800
Ich schließe da-
mit die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 14/5270 und 14/5245 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Ein-
verstanden? – Dann verfahren wir so.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk
Fischer (Hamburg), Dr.-Ing. Dietmar Kansy,
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Konzept für die zukünftige Finanzierung der
Bundesverkehrswege
– Drucksache 14/5317 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Wider-
spruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der
Abgeordnete Eduard Oswald.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1415601900
Frau Präsidentin!
Meine Kolleginnen und Kollegen! Leistungsfähige Ver-
kehrswege sind die Grundvoraussetzung für ein Ver-
kehrssystem, das in der Lage sein muss, auch künftigen
Verkehrszuwachs reibungslos, sicher und umweltscho-
nend zu bewältigen. Ganz sicher sind wir gemeinsam der
Meinung, dass die Qualität unseres Verkehrssystems auch




Klaus Wiesehügel
15292


(C)



(D)



(A)



(B)


in den kommenden Jahrzehnten ein maßgeblicher Faktor
für Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum sein wird.
Wir müssen jetzt die notwendigen Weichen stellen, damit
Erhalt sowie Aus- und Neubau der Verkehrsinfrastruktur
in unserem Land auch in der Zukunft auf einer ökono-
misch und ökologisch tragfähigen Basis den steigenden
Mobilitätsansprüchen von Gesellschaft und Wirt-
schaft gerecht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Gemeinsam wissen wir, dass sich die Haushaltsfinan-
zierung in mancherlei Hinsicht als investitionshemmend
erwiesen hat. Mit dem vorgelegten Bericht der Kom-
mission „Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ sind
konkrete Empfehlungen für die künftige Finanzierung der
Verkehrswege erarbeitet worden. Mein Dank gilt dem
Vorsitzenden der Kommission, Dr.Wilhelm Pällmann, für
seine Offenheit und seinen Mut zur Klarheit, die sich in
dem in dieser schwierigen Situation unter seiner Verant-
wortung entstandenen Bericht widerspiegeln.

Nach unserer Auffassung sind die Empfehlungen der
Kommission eine gute und geeignete Grundlage für die
notwendigen weiteren Beratungen und für unsere ge-
meinsame Suche nach neuen, zukunftsorientierten
Finanzierungsmöglichkeiten für die Bundesverkehrs-
wege. Es geht natürlich nicht, dass man sich nur einzelne
Punkte, die einem möglicherweise politisch gefallen, aus
dem Bericht herausholt und diese dann realisiert, ohne das
Gesamtpaket einer intensiven Diskussion zu unterziehen.
Den Bericht nur als Argumentationshilfe für die Höhe der
LKW-Maut zu nutzen, wäre der falsche Weg. Wir wollen
erreichen, dass Sie auf der Grundlage des Berichtes ein
Konzept für eine zukunftsorientierte Gestaltung der Ver-
kehrsinfrastrukturinvestitionen vorlegen.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch einmal selber ein Konzept!)


Dies ist deswegen so notwendig, weil sich der Verkehr
in erheblichem Maße anders entwickelt hat, als dies der
Bundesverkehrswegeplan prognostiziert:

Erstens. Insbesondere die schnelle Entwicklung nach
der Öffnung zu den mittel- und osteuropäischen Nachbar-
staaten hat im Personen- und vor allem im Güterverkehr
zu beträchtlichen Veränderungen gegenüber den bisheri-
gen Voraussetzungen geführt.

Zweitens. Der Straßengüterverkehr hat überproportio-
nal zugenommen.

Drittens. Der Schienengüterverkehr liegt dagegen nur
bei der Hälfte des vorausgesagten Wertes.

Aus der Erkenntnis, dass die Schiene weiter Anteile an
die Straße verlieren wird, sind die verkehrs- und umwelt-
politisch notwendigen Folgerungen zu ziehen. Für uns gilt
unverändert, dass Eisenbahnen und Binnenschifffahrt
in unserem Verkehrssystem auch zukünftig unverzichtbar
sind. Sie müssen aber in Zukunft mehr als nur eine Er-
gänzungsfunktion erfüllen. Sie müssen ihre sys-
temtypischen Stärken besser zur Geltung bringen und wir
müssen sie dabei weiter in besonderer Weise unterstützen.

Wenn die Kommission betont, dass es nach ihrer Über-
zeugung nicht nur darum gehen kann, nach zusätzlichen
Möglichkeiten der Mobilisierung privaten Kapitals für
die Finanzierung der Bundesverkehrswege zu suchen,
dann ist dies richtig. Die Kommission hat für die zukünf-
tige Finanzierung der Bundesverkehrswege daher weiter
gehende Überlegungen angestellt. Dazu gehören erstens
eine Umstellung auf Nutzerfinanzierung, zweitens die
Anwendung des Verursacherprinzips, drittens die Aus-
gliederung der Bundesverkehrswege aus der Bundesver-
waltung, viertens eine Überprüfung der Abgrenzung der
Bundesverkehrswege, fünftens die Erweiterung der Mög-
lichkeiten der Privatfinanzierung und sechstens die Betei-
ligung Dritter an der Finanzierung der Bundesverkehrs-
wege.

Weil wir in die Infrastruktur investieren müssen, müs-
sen wir auch neue Wege gehen. Es geht um unseren Wirt-
schaftsstandort, es geht um Ökologie und es geht auch um
unsere individuellen Bewegungsmöglichkeiten sowie um
die Verkehrssicherheit. Wir fordern Sie also auf, ein Kon-
zept vorzulegen. Dies ist Ihre Aufgabe, Herr Kollege
Schmidt. Ihren Zwischenruf habe ich sehr wohl aufge-
nommen. Es ist Aufgabe der Regierung, nicht Aufgabe
der Opposition, auf der Grundlage des Kommissionsbe-
richts ein Konzept zu erstellen und diesem Hause vorzu-
legen. Das ist unsere unmissverständliche Forderung. Sie
können sich hier nicht aus der Verantwortung heraussteh-
len.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Sonst müssen sie abdanken und die Verantwortung an den Wähler zurückgeben! – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie denn? – Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der CDU/CSU)


– Es ist ja gut, wenn es jetzt ein bisschen lebhaft wird. Die
Unruhe zeigt mir nur, dass Sie in einigen Punkten ein
schlechtes Gewissen haben. Anders kann man diese Un-
ruhe überhaupt nicht werten.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Für ein solches Konzept gilt Folgendes:
Erstens. Die verkehrspolitischen Probleme in unserem

Lande dulden keinen Aufschub.
Zweitens. Legen Sie Ihre Positionen auf den Tisch. Die

Verkehrsinfrastruktur braucht den Aus- und Neubau und
nicht Erklärungen.

Drittens. Treffen Sie Entscheidungen in der Frage der
Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn.

Viertens. Sagen Sie den Speditionen, was auf sie zu-
kommt, mit welcher Mauthöhe sie zu rechnen haben und
wie die Kompensation aussieht. Schieben Sie dieses
Thema nicht vor sich her.

Der Pällmann-Bericht ist eine große Chance, die Ver-
kehrsinfrastruktur nach vorne zu bringen. Wir sind hier
gern zur Zusammenarbeit bereit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)





Eduard Oswald

15293


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415602000
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Reinhard Weis.


Reinhard Weis (SPD):
Rede ID: ID1415602100
Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Antrag, der künftige
Finanzierungskonzepte für Bundesverkehrswege ver-
heißt, klingt auf jeden Fall interessant. Er klingt nicht nur
nach viel Geld, sondern ist auch millionenschwer. Umso
enttäuschender ist es, wenn der vorliegende Antrag der
CDU/CSU diesem Anspruch nicht gerecht wird. Wir kön-
nen in ihm nicht einen einzigen Anflug eines eigenen Ge-
dankens erkennen, wohin ein solches künftiges Finanzie-
rungskonzept nach Meinung der CDU/CSU-Fraktion
gehen könnte.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist das Problem!)


Es gibt keinen Hinweis darauf, mit welchen Kriterien
die CDU/CSU-Fraktion an die Prüfung eines solchen
Konzeptes herangehen würde. Dabei gibt es dafür Stoff
genug. Vor einem halben Jahr hat die Pällmann-Kom-
mission, deren Bericht unser Ausschussvorsitzender eben
vorgestellt hat, neue Vorschläge zur Finanzierung von
Bundesverkehrswegen gemacht. Sie folgte damit einer
Einladung unseres ehemaligen Bundesverkehrsministers
Müntefering, der früh erkannt hatte, dass die vorige Bun-
desregierung im Verkehrshaushalt Schlaglöcher in Mil-
lionenhöhe – bei Löchern muss man eigentlich „Tiefe“ sa-
gen – hinterlassen hatte,


(Klaus Hasenfratz [SPD]: Bombentrichter!)

die aus normalen Haushaltsmitteln nicht zu stopfen sind.

Die Pällmann-Kommission hat nach erstaunlich kurzer
Zeit mutige Vorschläge mit zum Teil auch spektakulären
Auswirkungen gemacht. Diese Feststellung ist keine Kri-
tik von mir; es ist das gute Recht einer jeden Experten-
kommission, ja, es ist ihre Aufgabe, sich auch mit radika-
len Vorschlägen zu Wort zu melden. Es ist aber auch das
gute Recht und die Aufgabe der Politiker, eine sorgfältige
Auswahl zu treffen, welche dieser Vorschläge weiterver-
folgt werden sollen und können, welche sinnvoll umge-
setzt werden können und welche eher als abwegig er-
scheinen. Der Antrag der CDU/CSU, der nichts von einer
solchen Differenzierung enthält, ist als bloße Aufforde-
rung zur Auswertung deshalb nach unserer Meinung
ziemlich überflüssig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eduard Oswald [CDU/CSU]: So einfach kann man es sich nicht machen!)


Es ist natürlich auch das gute Recht der Oppositions-
parteien, in Sachen Vorschläge Blindekuh zu spielen. So
ein Antrag kostet nichts, man kann nichts falsch machen,
das ist bequem und es lenkt davon ab, dass die Pällmann-
Kommission den ehemaligen Regierungsparteien, der
heutigen Opposition, nicht nur Freundlichkeiten ins
Stammbuch geschrieben hat.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Da bitte ich doch sehr zu differenzieren!)


Jedenfalls beschreibt die Pällmann-Kommission ausführ-
lich die Instandhaltungskrise des Bundesverkehrswege-

netzes, die sich seit Beginn der 90er-Jahre mit jährlichen
Unterhaltungsrückständen von 7,5 Milliarden DM aufge-
baut hat und die Sie zu verantworten haben.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Die Sie aber auch nicht geändert haben!)


– Hören Sie zu; ich komme auf diesen Einwand noch zu
sprechen.

Aus der Vielzahl der Kommissionsvorschläge und den
dortigen Bewertungen möchte ich im Folgenden beispiel-
haft einige herausgreifen.

Erstens möchte ich gleich auf Ihren Einwurf eingehen.
Die Koalitionsparteien haben nämlich bereits Konse-
quenzen aus der geschilderten Instandhaltungskrise gezo-
gen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Das sehe ich!)


Im laufenden Jahr, also 2001, werden wir die Rekord-
summe von 10,8 Milliarden DM in das Straßennetz
stecken, und zwar für die Schwerpunkte Engpassbeseiti-
gung und Bestandserhaltung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zu einer solchen Leistung waren Sie nicht fähig. Wir ma-
chen das, ohne dabei die Schiene zu vernachlässigen. Zu-
sätzlich gibt es in den nächsten drei Jahren 6 Milliar-
den DM für den Schienenausbau.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Wem haben Sie denn das zu verdanken, Herr Weis?)


Das leider heute reparaturanfällige Schienennetz wollen
wir mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen an die An-
forderungen des modernen Personen- und Güterverkehrs
anpassen.


(Zuruf von der SPD: Davon konntet ihr nur träumen! – Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Soweit ich mich erinnere, haben Sie die Privatisierung abgelehnt, aber die Erlöse kassieren Sie!)


Zweitens. Durch das starke Plädoyer von Pällmann für
die möglichst rasche Einführung einer entfernungsab-
hängigen LKW-Gebühr fühlen wir uns kräftig unter-
stützt. Wir werden diese LKW-Maut pünktlich zum Jahr
2003 einführen und damit in der EU technologisches Neu-
land betreten. Eine ganze Reihe von Nachbarstaaten sind
interessiert, sich an diesem System zu beteiligen.

Interessant ist nun die Herleitung der von der
Pällmann-Kommission vorgeschlagenen Gebührenhöhe
von 25 Pfennig pro Kilometer. Diese Höhe orientiert sich
an den tatsächlichen Wegekosten und bleibt im gängigen
europäischen Rahmen. Das muss aber nicht das letzte
Wort sein, denn Sie wissen, dass für die EU-Genehmi-
gung der Gebühr eine Wegekostenanalyse erarbeitet wer-
den muss, die so von der Kommission nicht vorgelegt
werden konnte. Wir warten gespannt auf die Ergebnisse
dieser Analyse und die daraus abgeleitete tatsächliche Ge-
bührenhöhe.






(C)



(D)



(A)



(B)


Entnehmen Sie bitte diesen Sätzen, dass die Gebühr
nicht politisch, sondern entsprechend EU-Recht durch die
tatsächlichen Wegekosten bestimmt wird. Mehr ist bei al-
len Begehrlichkeiten, von denen hier und da zu hören ist,
auch gar nicht genehmigungsfähig.


(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Wir werden aus dem Gebührenaufkommen dann zum

Beispiel das Anti-Stau-Programm finanzieren. Wir wer-
den Langsamfahrstrecken und Engpässe auf Autobahnen,
Schienenwegen und Wasserstraßen beseitigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Wann?)


– Für das Anti-Stau-Programm haben wir einen Termin-
plan vorgelegt. Diese Frage kann mit Jahreszahl beant-
wortet werden.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Aber kein Geld! ist Es ist doch kein Pfennig Geld da!)


Drittens. In einem anderen Punkt kann man der
Pällmann-Kommission nur widersprechen. Eine Reser-
vierung der LKW-Maut nur für Investitionen in die Straße
ist nicht zwingend. Dies wäre zum Beispiel eine reichlich
verkürzte Sicht von Güterverkehrspolitik.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Also ist sie doch politisch!)


Wir wollen den Güterverkehr auf der Schiene von jetzt bis
zum Jahre 2015 verdoppeln. Unser Ausschussvorsitzen-
der hat die Erreichung dieses Ziels auch als notwendig be-
schrieben.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Also ist die Gebühr doch politisch!)


Das geht nur, wenn wir auch mutig in das Schienennetz
investieren. Generell gilt: Jede Tonne, die zusätzlich auf
der Schiene transportiert wird, entlastet die Straße, und
das kann ein effektiverer Mitteleinsatz sein.

Viertens. Auch dem Vorschlag einer PKW-Maut wer-
den wir nicht folgen. Es hätte mich im Zusammenhang
mit diesem Antrag der CDU/CSU-Fraktion schon interes-
siert, ob der Vorschlag der Landesregierungen von Baden-
Württemberg und Bayern aus dem Jahr 1967,


(Zuruf von der SPD: Abkassieren!)

eine PKW-Maut einzuführen, nun durch die Feststellun-
gen der Pällmann-Kommission in den Forderungskatalog
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Eingang gefunden
hat. Ich denke, dass ist eine für die Öffentlichkeit interes-
sante Frage.


(Zuruf von der SPD: Abkassieren wollen sie!)

Wir wollen das nicht. Aus dem Großversuch auf der

A 555 wissen wir, dass eine elektronische Mauterhebung
in jedem PKW zur Totalüberwachung eines jeden Auto-
fahrers werden würde. Das lehnen wir ab.

Wir halten es auch für vernünftig, uns bei der Erhebung
der Straßenbenutzungsgebühr auf den Hauptkostenverur-

sacher, nämlich den schweren LKW, zu konzentrieren. In-
sofern sehen wir auch die generelle Nutzerfinanzierung
der Verkehrswege, wie von der Pällmann-Kommission
vorgeschlagen, als problematisch an. Das Prinzip werden
wir aber für den Hauptkostenverursacher übernehmen.

Fünftens. Überhaupt sollte man die Vorstellung von der
Nutzerfinanzierung aller Verkehrswege nicht überstrapa-
zieren. Meines Erachtens ist zum Beispiel die Idee von der
Privatisierung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen
reichlich abenteuerlich. Hier sind wirklich Differenzie-
rungen angesagt.


(Beifall bei der SPD)

Sechstens. Positiv bewerten wir die Vorschläge zur

weiteren Anwendung des Fernstraßenbauprivatfinanzie-
rungsgesetzes. Dieses dürfte ein sinnvoller Weg sein, um
gezielt zusätzliches Kapital außerhalb der Haushalts-
finanzierung zu mobilisieren.

Siebtens. Was die Bahnstruktur betrifft, so werden wir
sehr sorgfältig prüfen, wie das Verhältnis zwischen
Schienennetz und -betrieb zukunftsfähig gestaltet wer-
den kann. Diese Entscheidung dürfen wir nicht übers Knie
brechen. Es gibt bisher nur schlechte Beispiele für Versu-
che dieser Art. Wir haben die Bundesregierung aufgefor-
dert, Chancen und Risiken unterschiedlicher Organisati-
onsformen umfassend zu bewerten. Dabei werden
natürlich auch die Vorschläge der Pällmann-Kommission
einzubeziehen sein. Auf der Basis dieser Bewertungen
werden wir als Parlament dann entscheiden müssen. Die-
ser Weg ist übrigens nicht spektakulär und neu, sondern
schon durch die Bahnreform, die wir gemeinsam be-
schlossen haben, so vorgezeichnet.

Ich fasse zusammen: Meines Erachtens müssen wir die
Gemeinwohlverpflichtung sehr ernst nehmen. Das heißt,
die Infrastrukturverantwortung für das gesamte Verkehrs-
wegenetz muss bei den politisch Verantwortlichen blei-
ben. Dies ist die Voraussetzung für eine Infrastruktur aus
einem Guss. Die Entscheidungen über die Struktur der
Verkehrswege, über die Mittelverteilung, über den Aus-
baustandard aller Verkehrswege und über regionale
Schwerpunkte gehören in staatliche Verantwortung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ansonsten werden wir unser Ziel, das integrierte Ver-
kehrsnetz, in dem alle Verkehrsträger entsprechend ihren
jeweiligen Vorzügen aufeinander bezogen sind, nicht er-
reichen.

Die Vorschläge der Pällmann-Kommission zur künfti-
gen Finanzierung der Bundesverkehrswege sind ein
außerordentlich interessanter Beitrag in der politischen
Meinungsbildung. Ich freue mich schon auf die Diskus-
sion mit dem Vorsitzenden der Kommission, der in der
kommenden Woche Gast im Ausschuss für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen sein wird. Es wird auch eine sehr
spannende Aufgabe sein, in der parlamentarischen Arbeit
zielstrebig Schlussfolgerungen und Konsequenzen zu zie-
hen.

Ich habe dargelegt, in welcher Richtung wir von vorn-
herein für diese Vorschläge offen und bei welchen




Reinhard Weis (Stendal)


15295


(C)



(D)



(A)



(B)


Akzenten wir eher skeptisch sind. Auf jeden Fall werden
wir uns – dies hätten wir auch ohne Ihren Antrag getan –
vorurteilsfrei mit den Aussagen der Kommission be-
schäftigen. Von dieser Stelle aus richte ich deshalb einen
herzlichen Dank an die Kommission für ihre umfassende
Arbeit und die Grundlagen, die sie uns dadurch gegeben
hat.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415602200
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Horst Friedrich.


Horst Friedrich (FDP):
Rede ID: ID1415602300
Frau Präsiden-
tin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kol-
lege Weis, wenn ich Ihren Schlusssatz, dass Sie sich vor-
urteilsfrei mit dem befassen, was Herr Pällmann und seine
Kommission vorgelegt haben, als Maßstab nehme und das
Revue passieren lasse, was Sie in Ihrer Rede gesagt ha-
ben, dann stelle ich im Ergebnis fest, dass Sie sich mit
Herrn Pällmann nur in der Höhe der entfernungsbezoge-
nen Maut für LKW identifizieren. Alles andere haben Sie
in Ihrer Rede eigentlich bereits im Vorfeld abgelehnt.


(Beifall bei der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


Das Schlimme daran ist: Die Verkehrsinfrastruktur in
Deutschland hätte tatsächlich etwas Besseres verdient,
nämlich dass man sich mit dem, was die Pällmann-Kom-
mission vorschlägt, intensiv befasst.


(Dr. Karlheinz Guttmacher [F.D.P.]: So ist es!)

Dass die F.D.P. diejenige Fraktion ist, die mit diesen Vor-
schlägen die wenigsten Probleme hat, überrascht eigent-
lich niemanden.


(Zuruf von der SPD: Was habt Ihr denn 16 Jahre gemacht?)


Denn bereits vor Einsetzung der Pällmann-Kommission
haben wir das angesprochen, was jetzt die Union in ihrem
Antrag fordert.

Unser Programm „Straßenbau statt Autostau“ bein-
haltet im Wesentlichen genau die Elemente, die auch
Pällmann für wichtig erachtet. Überraschenderweise ist es
von Ihnen abgelehnt worden. – Sie wollten ja vorurteils-
frei prüfen! – Bezeichnenderweise hat auch die Union
dieses Programm, das wir im Rahmen eines Antrages ein-
gebracht haben, nicht mitgetragen. Dazu komme ich aber
noch später.

In einem Land, in dem zwei Drittel des gesamten
EU-Verkehrs stattfinden, in dem sich das Verkehrsauf-
kommen seit 1960 um 900 Prozent erhöht hat, während
der Verkehrsinfrastrukturausbau lediglich um 50 Prozent
zugenommen hat, sollte man eigentlich erkennen, dass die
klassische Form der Haushaltsfinanzierung offensichtlich
an Grenzen gestoßen ist.


(Dr. Karlheinz Guttmacher [F.D.P.]: Richtig!)


Die Segnungen einer zusätzlichen Finanzierung durch die
Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen und
durch Privatisierungen, die Sie eigentlich gar nicht mit-
getragen haben und deren Erfolge Sie jetzt verwerten,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! – Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Aber wir haben sie eingesetzt! Das dürfen Sie uns zugestehen!)


sind einmalig und können nicht auf Dauer eingerechnet
werden. Ich bin gespannt, was in den Haushaltsansätzen
des Jahres 2002, die keine UMTS-Lizenzerlöse mehr
enthalten, steht.

Eines, Herr Kollege Schmidt, ist absehbar: Die erste
Rate von 2 Milliarden DM, die die Bahn erhält, ist in die-
sem Jahr wahrscheinlich nicht verwendbar. Es ist ein of-
fenes Geheimnis, dass frühestens im Herbst dieses Jahres
mit Ausschreibungen begonnen werden kann.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Deswegen haben wir ja die Mehrjährigkeit! – Zuruf von der SPD: Sie wissen, dass sie der Bahn erhalten bleiben!)


Schauen wir also einmal, wie es weitergeht.

(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Übertragbarkeit ins nächste Haushaltsjahr!)


Auch im letzten Jahr hat die Bahn 1,1 Milliarden DM
nicht verbauen können. Ich bin auf die weitere Entwick-
lung gespannt.

Als der Antrag mit der Überschrift „Konzept für die
zukünftige Finanzierung der Bundesverkehrswege“ von
der Union vorgelegt wurde, dachte ich, man könne dort
erfahren, welche Vorstellungen die Union hat.


(Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Das haben auch wir gedacht!)


Ich bin schon einigermaßen erstaunt, dass Sie lediglich
darstellen, was Herr Pällmann vorgeschlagen hat, und die
Bundesregierung auffordern, ein Konzept vorzulegen. In-
teressant wäre zu erfahren, welche Vorstellungen Sie
selbst haben.


(Beifall des Abg. Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Denn es hilft natürlich nicht, zu verlangen, es müsse sich
etwas ändern, aber selbst nicht zu sagen, was man poli-
tisch mitträgt.

Wir sind da ein bisschen weiter. Wir haben Anträge zu
den entscheidenden Verkehrsträgern vorgelegt. Wir tra-
gen die Ergebnisse der Pällmann-Kommission mit.


(Dr. Karlheinz Guttmacher [F.D.P.]: Das muss man sagen!)


Wir sind für eine tatsächliche Umstellung der Finanzie-
rung – und das, Herr Kollege Weis, ohne dass die hoheit-
lichen Aufgaben dem Staat abgenommen werden. Wir
wollen – auch das ist eine klare Aussage; das will ich hier
wiederholen, damit das nicht untergeht – die Privatfinan-




Reinhard Weis (Stendal)

15296


(C)



(D)



(A)



(B)


zierung nicht auf die jetzige Belastung der Autofahrer
draufsetzen. Es muss zu einer Gesamtlösung kommen,
mit der die bisherigen Belastungen reduziert werden und
die Finanzierung umgestellt wird. Eine Lösung in der
Form, dass diese Finanzierung zusätzlich auf den deut-
schen Autofahrer umgelegt wird, tragen wir nicht mit. Da-
rüber müssen wir ernsthaft diskutieren.


(Beifall bei der F.D.P. – Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Das brauchen Sie auch nicht zu befürchten!)


Zum Abschluss möchte ich feststellen: Der Bericht der
Kommission hat mehr verdient als lediglich das Führen
einer Diskussion über das enge Fenster, wie eine LKW-
Gebühr ausgestaltet sein kann und wie hoch sie sein
müsste. In diesem Bericht sind sehr viele bedenkenswerte
Ansätze enthalten, die wir gezwungenermaßen umsetzen
sollten, wenn wir bei der Verkehrsinfrastruktur nicht an-
dauernd den Entwicklungen hinterherlaufen wollen, son-
dern endlich auch einmal in der Lage sein wollen, vo-
rausschauend zu planen. Dabei geht es selbstverständlich
auch um das immer größer werdende Problem des Erhalts
der Infrastruktur.

Insofern freue ich mich auf die offene Diskussion über
den Bericht der Kommission. Ich bin allerdings gespannt,
was die Union selbst nach dieser Diskussion politisch will
und erklärt.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Zu jedem einzelnen Punkt werden wir Stellung nehmen! Wir werden sehen, wie es geht! Zeigt uns einmal, was die Regierung vorlegt!)


Das würde mich schon interessieren. Der vorliegende An-
trag hilft uns in der jetzigen Situation nicht weiter.

Danke sehr.

(Beifall bei der F.D.P.)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415602400
Jetzt hat der
Kollege Albert Schmidt das Wort.

Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Eines vorweg: Die Koalition hat es nicht nötig,
über Finanzkonzepte im Verkehrswegebau ausgerechnet
von denen belehrt zu werden, die über Jahre die Ver-
kehrsinvestitionen zusammengestrichen bzw. gekürzt ha-
ben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Falsch! – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Sie haben sie in den Keller gefahren!)


Ich kann es Ihnen als Einstieg nicht ersparen, einige
Zahlen zu nennen:

Die Investitionen im Straßenbau betrugen 1998 un-
ter Waigel und Wissmann 8,5 Milliarden DM. Heute sind
es 9,1 Milliarden DM und 2003, wenn das Anti-Stau-Pro-
gramm greift, werden es 9,6 Milliarden DM sein. Das ist

eine Steigerung um 1,1 Milliarden DM innerhalb von vier
Jahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Nachdem Sie sie erst in den Keller gefahren haben!)


Wenn Sie das nur ein einziges Mal geschafft hätten, hät-
ten Sie sich die Finger geleckt.

Die Bahninvestitionen betrugen 1998, als wir die Re-
gierung übernommen haben, nur noch 5,8Milliarden DM.
Heute sind es 8,8 Milliarden DM und im Jahr 2003, wenn
das Anti-Stau-Programm greift, werden es 9,2 Milliar-
den DM, zusammen mit den Schieneninvestitionen nach
dem GVFG sogar 9,7 Milliarden DM sein. Das heißt, wir
haben innerhalb von drei Jahren die Schieneninvestitio-
nen real um über 50 Prozent gesteigert. Davon konnten
Sie nur träumen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben mit dem Anti-Stau-Programm und mit dem
Zukunftsinvestitionsprogramm durchfinanzierte Infra-
strukturprogramme aufgelegt, und dies – das ist der ent-
scheidende Punkt – trotz Sparhaushalten, bei gleichzeiti-
ger Steuersenkung und gleichzeitigem Schuldenabbau.
Das ist der eigentliche qualitative Unterschied zwischen
Ihrer und unserer Politik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dennoch steckt hinter Ihrem Antrag ein ernstes Anlie-
gen; das will ich gar nicht in Abrede stellen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Na also! Allein der Satz hätte genügt!)


– Verehrter Herr Kollege Oswald, ich habe Ihren Antrag
mit Interesse gelesen und darin gesucht, was die Union
nun eigentlich will. Ich habe sogar auf der Rückseite
nachgeschaut. Auf der Rückseite stand es auch nicht. Sie
referieren nur, was wir alle schon im Bericht der
Pällmann-Kommission lesen konnten. Wo steht denn ei-
gentlich, was Sie wollen? Worauf wollen Sie hinaus? Es
ist doch billig, nur das abzuschreiben, was Pällmann viel
besser dargelegt hat. Ein bisschen Oppositionsseriosität
wünsche ich mir schon.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Ihr macht es euch zu leicht! Ihr solltet eure Regierung zum Arbeiten schicken! – Lachen bei der SPD)


Der Kern Ihres Anliegens ist doch folgender – das müs-
sen wir alle gemeinsam feststellen –: Erstens. Wir haben
es mit erheblichen Investitionsrückständen, mit einem In-
vestitionsnachholbedarf zu tun, und zwar insbesondere
im Schienennetz. Ich glaube, das ist unstrittig. Zweitens
gibt es unabweisbare Sparzwänge in allen öffentlichen
Haushalten, von den kommunalen Haushalten bis zum
Bundeshaushalt. Drittens haben wir zunehmend höhere
Kosten für die bloße Instandhaltung von Verkehrswe-
gen – das gilt gleichermaßen für Straße wie für Schiene –,




Horst Friedrich (Bayreuth)


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(C)



(D)



(A)



(B)


schon allein dadurch, dass wir große Verkehrsnetze haben
und dass Kunstbauwerke wie Tunnel und Brücken all-
mählich in ein kritisches Alter kommen und sanierungs-
bedürftig werden. Das heißt, wir stehen vor der Situation,
trotz der Verknappung öffentlicher Mittel den erhöhten
Ansprüchen für die Unterhaltung von Verkehrswegen ge-
recht werden zu müssen. Vor diesem Hintergrund hat der
Bundesverkehrsminister der Pällmann-Kommission den
Auftrag erteilt, einmal zu prüfen, inwieweit andere Fi-
nanzierungsmodelle geeignet sind, dieses Dilemma auf-
zulösen.

Die Grundidee der Pällmann-Kommission ist doch, zu-
mindest bei der Unterhaltung der Verkehrswege schritt-
weise von der Steuerfinanzierung auf eine Nutzerfinan-
zierung überzugehen. Dieser Kerngedanke ist richtig,


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Bravo!)

und zwar deshalb – dazu bekennen wir uns im Gegensatz
zu Ihnen, Herr Oswald – weil es ein verursachergerechter
Ansatz ist. Wir werden ab 2003 die LKW-Maut entfer-
nungs- und gewichtsbezogen einführen, um die verursa-
chergerechte Anlastung der Wegekosten im Verhältnis 1:1
umzusetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Ein mutiger Schritt!)


Das ist auch deshalb notwendig, weil wir faktisch schon
eine Schienenmaut haben; denn schon heute wird für je-
den Güterzug Kilometer für Kilometer ein Trassenpreis
bezahlt. Diese Schieflage müssen wir beseitigen.

Zum Thema „LKW-Maut“ füge ich hinzu, dass wir
Grünen davon ausgehen, dass in einem zweiten Schritt
auch im nachgeordneten Straßennetz diese Gebühren-
pflicht bestehen muss;


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Aha!)

denn wir wollen keine Verdrängung von der gebühren-
pflichtigen Autobahn auf die gebührenfreie Bundesstraße
und Ortsdurchfahrt. Das kann letztlich nicht die Perspek-
tive sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nun zur PKW-Maut.Auch um dieses Thema drücken
Sie sich herum, Herr Kollege Oswald. Was ist denn mit
der PKW-Maut? Wiesheu sagt es heute so, Waigel sagte
früher etwas anderes. Was sagt Oswald?


(Zuruf von der SPD: Oswald schweigt!)

Die PKW-Maut ist nach Auffassung von Bündnis 90/Die
Grünen vom Prinzip her ein richtiger Ansatz; aber es gibt
aus unserer Sicht eine Reihe ungeklärter, offener Fragen:
Die technische Funktionsfähigkeit eines solchen Systems
ist aus unserer Sicht nicht ausreichend erprobt. Es gibt
auch noch Datenschutzprobleme. Ich jedenfalls möchte
nicht, dass Bewegungsprofile eines gläsernen Autofahrers
erstellt werden, die nachher missbräuchlich genutzt wer-
den könnten.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Für LKW darf es erstellt werden, oder wie?)


Aber wenn irgendwann – nicht in nächster Zeit – eine
Nutzerfinanzierung des Autobahnnetzes auch für PKW
Platz greifen soll, dann geht das nach unserer Einschät-
zung nur unter zwei Bedingungen – beide Bedingungen
hat übrigens auch die Pällmann-Kommission formuliert –:

Erstens. Die Planungshoheit, also die Entscheidungs-
gewalt darüber, wer wo Straßen baut und welche Straßen
vorrangig zu realisieren sind, muss ebenso wie das Ei-
gentum in öffentlicher Hand bleiben.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Das ist doch unstrittig!)


– Da sind wir uns einig, wunderbar. – Das bedeutet, dass
die Entscheidungsbefugnis über Aus- und Neubau von
Straßen ebenso wie das Eigentum dauerhaft in öffentli-
cher Hand bleiben sollen.

Zweitens. Die Gesamtbelastung für den Autofahrer
darf sich unterm Strich nicht erhöhen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Richtig! Bravo!)


Auch das hat die Pällmann-Kommission mit Recht fest-
gehalten. Man müsste dann an anderer Stelle, etwa bei den
Verkehrsteuern, nachgeben.


(Beifall des Abg. Günter Nooke [CDU/CSU] sowie des Abg. Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.])


Es darf unterm Strich zu keiner Mehrbelastung für den
PKW-Fahrer kommen.

Das heißt, dass nach unserer Einschätzung das Zu-
kunftsmodell ein Mischsystem aus öffentlicher Zustän-
digkeit und privater Refinanzierung in Bezug auf die Un-
terhaltung dieser Verkehrswege ist.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Volle Zustimmung!)


Dies setzt eine klare Aufgabenverteilung voraus: Ei-
gentümer, Aufgabenträger ist die öffentliche Hand. Sie
hat auch die Planungshoheit. Die Infrastrukturgesell-
schaften könnten hingegen Aufgabenmanager sein, die
die Infrastruktur unterhalten, bewirtschaften und Maß-
nahmen umsetzen.

Zu Ende gedacht, muss am Ende natürlich auch für die
Schiene ein vergleichbares Modell kommen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Logisch! Trennung von Netz und Betrieb liegt auch schon vor!)


Es ist nicht notwendig, noch zusätzliche Gründe anzu-
führen. Natürlich ist auch bei der Bahn eine bilanzielle
und unternehmerische Entflechtung von Netz und Betrieb
in puncto diskriminierungsfreier Wettbewerb besser.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Nicht nur finanziell, tatsächlich!)


Natürlich ist es auch besser für die Bilanz eines Unter-
nehmens, wenn die öffentliche Infrastruktur nicht brutal
dem Diktat der Eigenwirtschaftlichkeit unterworfen wird,
was wir heute bei der Schiene faktisch tun, bei der Straße




Albert Schmidt (Hitzhofen)

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(C)



(D)



(A)



(B)


aber nicht. Das kann nicht aufgehen. Diese Asymmetrie
muss über kurz oder lang beseitigt werden.

Ich freue mich auf eine qualifizierte und lebhafte Be-
ratung der, wie ich finde, nicht nur höchst interessanten,
sondern wegweisenden Vorschläge der Pällmann-Kom-
mission. Wir sollten dieses Gutachten nicht in den Pa-
pierkorb werfen, sonst müssen wir es eines Tages mit den
Zähnen wieder herausholen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415602500
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Winfried Wolf.


Dr. Winfried Wolf (PDS):
Rede ID: ID1415602600
Werte Präsidentin! Werte
Kolleginnen! Werte Kollegen! Ich glaube, man kann sa-
gen, dass wir momentan einen Wettstreit darüber erleben,
wie weiße Salbe in den parlamentarischen Betrieb einge-
bracht werden kann. Wir haben dies gestern Abend beim
Thema Euro-Führerschein erlebt und erleben es heute bei
dem Antrag für ein „Konzept für die zukünftige Finanzie-
rung der Bundesverkehrswege“. Hier wird referiert, was
die Pällmann-Kommission sagte. Wir werden aufgefor-
dert, das zu tun, was sie sagt, was im Prinzip auch die
Bundesregierung sagt, tun zu wollen. Wir können hier
eine Art pikfeine Volksfront erreichen nach dem Motto:
Alle sind einverstanden, aber nichts passiert.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Das kann man so nicht sagen!)


Ich glaube, dass wir tiefer ansetzen müssen, und zwar
bei der Geschichte, bei den realen Kosten und bei dem
Thema „Markt und Plan“.

Erstens zur Geschichte. Ich glaube, dass die einzelnen
Verkehrsträger extrem ungleiche Ausgangsbedingungen
haben. Die Eisenbahn hat zunächst 130 Jahre lang Ge-
winne gemacht. Verkehrswege und Betrieb waren dabei
immer vereint und die Gewinne wurden abgeschöpft. In
den letzten 40 Jahren hat die Bahn Verluste gemacht, wo-
hingegen die anderen Verkehrsträger stark subventioniert
wurden. Umgekehrt waren Straßen, Wasserwege und
Flughäfen immer staatlich. Über 100 Jahre lang wurde
dort immer hineingebuttert. Jetzt sind sie vielleicht unter
ganz bestimmten Bedingungen gewinnbringend. Diese
Unterschiede wären anzurechnen.

Zweitens zu den realen Kosten. CDU/CSU und die
Pällmann-Kommission sagen, dass man auf eine Nutzer-
finanzierung und auf das Verursacherprinzip umstellen
soll. Die Frage ist nur, was dabei mit einbezogen wird.
Dazu ein Zitat:

Als Faustregel für den Straßenfraß durch LKW gilt
das Gesetz der vierten Potenz. Danach zerstört ein
einziger LKW mit 40 Tonnen und zehn Rädern so
viel Straßenbelag wie 163 840 vierrädrige Mittel-
klassewagen von je 1 Tonne Gewicht.

Cambridge University, 1990. – Ist dies sowie die Frage
der Umweltzerstörung durch Flugverkehr konkret einge-

rechnet? Sind die 2MilliardenDM an Steuersubventionen
für den A 380 eingerechnet?


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Ach Gott!)


Drittens: Markt und Plan. Pällmann und die
CDU/CSU sind der Auffassung, dass die Verkehrswege
aus der Bundesverwaltung generell ausgegliedert werden
und sich selbst finanzieren sollten. Das klingt gut. Die
PDS ist grundsätzlich dafür. Aber: Soll dies ohne jede
Vorgabe, ohne jede Planung und ohne jegliche Priorität
stattfinden? Dabei frage ich mich: Was bedeutet das zum
Beispiel in Bezug auf die Wasserwege? Der Rhein-Main-
Donau-Kanal – Ihre wunderschöne Landschaft in Bayern,
Herr Kollege Oswald – läuft sozusagen aus, wenn Sie ihn
an die Börse bringen. Sie sagen, die Verkehrswege sollen
sich selbst finanzieren. Aber wenn 95 Prozent des Rhein-
Main-Donau-Kanals subventioniert werden, dann wissen
wir, dass nur 5 Prozent durch den Verkehr gedeckt wer-
den. Wollen wir das? Im Interesse der Freunde der
Binnenschifffahrt im Parlament sage ich: Trotz dieser
Kosten soll die Binnenschifffahrt insgesamt erhalten blei-
ben, weil sie zum größten Teil umweltfreundlich ist.

Zum Schluss: Sozialismus, ja oder nein? Ein bisschen
Planung muss sein, bei Verkehrswegen sogar sehr viel
Planung. Dies muss, Kollege Oswald, aus Verantwortung
gegenüber folgenden Generationen, aus umweltpoliti-
scher Sicht und für die Grundvorsorge geschehen. Ich bin
für schwarzen Sozialismus, wie uns vorgestern der Tenor
aus Bayreuth, der Kollege Friedrich, mit Blick auf den In-
terregio-Antrag von Bayern und Baden-Württemberg ge-
sagt hat. Es kann sinnvoll sein, schwarzen Sozialismus
anzuwenden, wenn „schwarz“ „konservativ“ meint, und
zwar im ursprünglichen Sinne von „conservare“, natur-
erhaltend, und damit eine lebenswerte Umwelt erhaltend.

Danke schön.

(Beifall bei der PDS – Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Ich lege Wert darauf, dass ich von der Stimmlage her Bariton bin und nicht Tenor! Für einen Tenor habe ich nicht die Stimmlage!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415602700
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Dirk Fischer.


Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1415602800
Frau Präsiden-
tin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der deut-
sche Autofahrer steht im Stau. Der Bahnkunde wartet viel
zu oft auf unpünktliche Züge. Tiefe Schlaglöcher und ein
marodes Schienennetz bergen erhebliche Sicherheitsrisi-
ken.


(Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Machen Sie doch unser Land nicht so schlecht, Herr Fischer!)


Im Luftverkehr werden die Kapazitäten knapp. Auf
Deutschlands Rollfeldern droht der Kollaps. Auch der de-
solate Zustand unserer Kanäle, insbesondere in den neuen
Bundesländern, ist besorgniserregend.


(Beifall bei der CDU/CSU)





Albert Schmidt (Hitzhofen)


15299


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Koalition versucht, statt als Regierung zu handeln,
mit der Vergangenheit zu argumentieren und uns Vor-
würfe zu machen.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben wir doch gar nicht!)


Das ist völlig unbegründet, weil Sie, gemessen am Haus-
halt 1998 und der mittelfristigen Finanzplanung des Fi-
nanzministers Waigel und des Verkehrsministers
Wissmann, die Investitionen 1999 massiv – auch mittel-
fristig – zurückgefahren haben.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Schmarren! Glatte Unwahrheit!)


Nachdem Sie die Mittel für den Straßenbau bei der mit-
telfristigen Finanzplanung um 5 Milliarden gekürzt ha-
ben, versuchen Sie jetzt den Trick, durch eine kleine Er-
höhung prozentuale Zuwächse zu suggerieren, die es gar
nicht gibt. Das Niveau ist gegenüber 1998 dramatisch ab-
gefallen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Schmidt, ich habe Ihnen das Zahlenwerk schon

drei- oder viermal vorgetragen.

(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann lesen Sie den Verkehrsbericht der Bundesregierung! Da steht es drin!)


Ich habe keine Lust, dies am Freitagmorgen ein weiteres
Mal zu tun, um das, was ich eben gesagt habe, zu belegen.
Das Niveau der Investitionen ist gesunken. Deswegen hat
das Infrastruktursystem in Deutschland mit der jetzigen,
rot-grünen Koalition qualitativ einen deutlichen Abstieg
erfahren. Das muss man zur Kenntnis nehmen.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ihr habt die Bahninvestitionen zusammengestrichen!)


Wenn Sie, Herr Schmidt, zu verantwortlichem Han-
deln unfähig sind, dann bedeutet dies in einer Demokra-
tie: Wenn ich meine Aufgabe nicht richtig erfüllen kann,
gebe ich das Mandat an den Wähler zurück. In dem Fall
müssen dann andere her, die es besser machen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie ja machen!)


Die Schwachstellen sind vielfältig. Die Behandlung
dieser Probleme aber ist für unser Land und für Europa
richtungsweisend. Deutschland und Europa brauchen
eine leistungsfähige Infrastruktur;


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was will denn die Union außer mehr Geld?)


denn nur gut ausgebaute Verkehrswege, die eine gut ver-
netzte, zuverlässige und kostengünstige Mobilität von
Personen und Gütern ermöglichen, stärken den Standort
im internationalen Wettbewerb. Investitionen in die
Verkehrsinfrastruktur sind Investitionen in die Wirtschaft

mit positiven Impulsen für den Arbeitsmarkt; denn wir
wissen, dass jeder fünfte Arbeitsplatz direkt oder indirekt
von der Verkehrswirtschaft in unserem Lande abhängig
ist.


(Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Das ist lauwarme Luft!)


Diese Bundesregierung stochert aber völlig orientie-
rungslos im Nebel herum.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Woran wollt ihr euch denn orientieren?)


Der Beitrag vom Kollegen Schmidt hat dies deutlich ge-
macht.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Echt?)


Er hat nichts zur Zukunft, zu Konzeptionen, Entscheidun-
gen oder Tatsachen gesagt,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Doch, natürlich!)


sondern er hat im Grunde genommen eine wüste Ankla-
gerede gehalten. Aber eine Regierungskonzeption war in
keinem Satz Ihrer Ausführungen erkennbar.


(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist überhaupt nicht wahr!)


Herr Schmidt, statt ein schlüssiges Konzept zur Finan-
zierung der Bundesverkehrswege vorzulegen, verstrickt
sich diese Bundesregierung in immer neuen Ankündigun-
gen und Programmen,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das sind Haushaltsbeschlüsse, keine Ankündigungen!)


bei denen immerhin ein roter Faden zu erkennen ist: Nur
einmal vorhandene Mittel werden Land und Leuten in
immer veränderter Verpackung und Benennung als neue
Investitionen verkauft.


(Zuruf von der SPD: Keine Ahnung!)

Das bedeutet, dass das gleiche Geld das eine Mal so und
das andere Mal so zusammengepackt und mit anderen
Überschriften versehen wird,


(Lachen und Widerspruch bei der SPD)

um den Leuten weiszumachen, es käme insgesamt mehr
Geld. Es kommt aber nicht mehr Geld und das ist das
Traurige an dieser Strategie.


(Zuruf von der SPD: Das ist das Falsche an Ihrer Aussage!)


Ihre Strategie setzt nicht auf Sachleistung, sondern auf
Propaganda.


(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bisher haben Sie nur Propaganda geliefert! Keine wesentlichen Fakten! Keine Zahlen! Keine Zukunftsideen! Nichts!)





Dirk Fischer (Hamburg)

15300


(C)



(D)



(A)



(B)


Deswegen ist diese Regierung Schröder nur dabei, ihre
verantwortungslosen Kürzungen bei den Investitionen ge-
schickt zu verschleiern. Aber eine solche Politik richtet
sich selbst.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ein Drama!)


Es ist Deutschland und Europa eigentlich nur zu wün-
schen, dass dieses sehr bald geschieht, damit wir im Ni-
veau nicht immer weiter zurückfallen. Denn hinterher
wird der Aufholprozess für die künftig Verantwortlichen
umso schwieriger zu bewältigen sein.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hinter das Niveau Ihrer Rede kann man gar nicht zurückfallen!)


Wann begreift Rot-Grün, dass nur nachhaltige Lösungen
dem Problem Rechnung tragen können?


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das Wort Niveau würde ich an Ihrer Stelle nicht in den Mund nehmen!)


Wir fordern die Bundesregierung auf, den Bundesver-
kehrswegeplan zügig zu überarbeiten – das steht doch
auch in der Koalitionsvereinbarung – und die Fortschrei-
bung mit den entsprechenden Gesetzesänderungen für
den notwendigen Ausbau von Straße und Schiene uns
jetzt endlich auf den Tisch zu legen. Die bisherigen ge-
setzlichen Grundlagen sind im Jahre 2000 ausgelaufen;
entgegen dem gesetzlichen Auftrag schreibt diese Regie-
rung das nicht fort und legt dem Parlament das nicht
pünktlich vor. Das ist ein übles, gesetzwidriges Verhalten
dieser Bundesregierung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Gesetzgeber muss noch in dieser Wahlperiode Ge-

legenheit haben, den Menschen im Lande im Hinblick auf
die Wahl 2002 deutlich zu sagen, was Sache ist. Sie wol-
len sich aber daran vorbeimogeln.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was ist denn Sache? Ich höre! Was ist mit PKW-Maut?)


Nach dem Motto „Immer davon reden, nie daran denken!“
wollen Sie die Fantasie der Leute beflügeln, legen dem
Parlament aber nichts vor, sodass der Wähler auch keine
demokratische Kontrolle ausüben kann. Das ist Ihr Um-
gang mit den wahlberechtigten Bürgern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Blabla! Blabla!)


Meine Damen und Herren, Sie müssen das frühzeitig
tun. Das Parlament braucht für die Behandlung von etwa
7 500 Einzelprojekten eine ausreichende Beratungszeit,
die nach früheren Erfahrungen mehrere Monate beträgt.
Die Länder brauchen Klarheit für ihre Projekte im Bun-
desfernstraßenbau. Die Bahn braucht einen gesicherten
Planungsrahmen,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hat sie ja bekommen!)


und zwar etwa bis 2015. Der Luftverkehr muss in den
Bundesverkehrswegeplan einbezogen werden, um die
Kapazitäten der dynamischen Entwicklung am Luftver-
kehrsmarkt besser anpassen zu können. Wir haben im Be-
reich des Luftverkehrs in den nächsten 10 bis 15 Jahren
ein prognostiziertes Wachstum von etwa 5 bis 6 Prozent
jährlich. Das ist eine gewaltige Steigerung und damit eine
Herausforderung.


(Zuruf von der F.D.P.: 10 Millionen DM jedes Jahr!)


Auch für die Binnenschifffahrt ist eine aktuelle objektive
Bedarfsermittlung wichtig, um Strukturengpässe in die-
sem Sektor beseitigen und den Gütertransport von ande-
ren Verkehrsträgern auf die Wasserstraße verlagern zu
können.

Unser Verkehrssystem muss für die Anforderungen
des 21. Jahrhunderts ertüchtigt werden. Ohne eine ziel-
führende Engpassbeseitigung zu Lande, zu Wasser und in
der Luft sind künftige Verkehrszuwächse unbeherrschbar.
Die Verweigerung zukunftsorientierter Investitionen be-
hindert das Wirtschaftswachstum und vernichtet Arbeits-
plätze. Der Wohlstand der Menschen wird gefährdet. Der
ökonomisch und ökologisch ausgewogene Neu- und Aus-
bau der Bundesfernstraßen ist dringend geboten.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Heiße Luft!)


In der Zukunft ist die Mineralölsteuer teilweise, die elek-
tronische, nutzungsabhängige LKW-Maut vollständig
zweckgebunden für den Straßenbau aufzuwenden. Die
Leistungsfähigkeit der Schienenwege sichern heißt in
Wahrheit, Personennah-, Personenfern- und Güterverkehr
zumindest in den Ballungsräumen und auf hoch belaste-
ten Strecken zu entmischen. Das sind Investitionen, die
getätigt werden müssen.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Längst beschlossen!)


Die Wachstumsbranche Luftverkehr verlangt zu Recht,
die Qualität deutscher Flughäfen den internationalen Er-
fordernissen zeitnah anzupassen und Kapazitätsengpässe
abzubauen. Die Experten sagen, dass wir in den nächsten
zehn Jahren in Deutschland vier interkontfähige Start-
und Landebahnen brauchen, um dem Wachstum im Luft-
verkehr entsprechen und gerecht werden zu können.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dazu hat der Bund überhaupt nicht die Kompetenz! Das wird in den Ländern entschieden!)


Damit die Binnenschifffahrt mehr als nur eine Ergän-
zungsfunktion erfüllen kann, müssen das bestehende
Wasserstraßennetz saniert und die Ost-West-Verbindung
sowie die Binnenhäfen ausgebaut werden.

Zur Bewältigung dieser finanziellen Herausforderun-
gen, die man sich einmal verdeutlichen muss, sind die
konkreten Empfehlungen der Pällmann-Kommission
eine solide und hilfreiche Beratungsgrundlage. Wir wer-
den das in der nächsten Woche anpacken und die Regie-
rung zwingen, Ross und Reiter zu nennen, sich zu den




Dirk Fischer (Hamburg)


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(A)



(B)


Notwendigkeiten zu bekennen und nicht nur mit solchen
Berichten zu spielen. Sie sollte sie nutzen und ihre Er-
kenntnisse sinnvoll umsetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Nicht ablenken, die Opposition fragen, sondern selber etwas vorlegen!)


Die speziellen Lösungskonzepte der Kommission für
die Bundesfernstraßen, die Bundesschienenwege und die
Bundeswasserstraßen entsprechen in vielen grundsätzli-
chen Punkten unseren Überzeugungen und unseren frühe-
ren Forderungen. Dies betrifft zum Beispiel die Gründung
von Finanzierungs- und Managementgesellschaften für
die Verkehrswege. Die Ausgliederung der DB Netz AG
aus der DB Holding AG – Kollege Horst Friedrich hat dies
in einem Zwischenruf angesprochen – bedeutet eine Ver-
selbstständigung des Netzes und die Überführung in staat-
liche Verantwortung. Das ist eine Voraussetzung für einen
ungehinderten Wettbewerb im Schienenverkehr. Ich will
an dieser Stelle sagen: Wenn der Wechsel von Herrn Vogel
zu Herrn Frenzel im Vorsitz des Aufsichtsrates der DB AG
die Absage der DB AG und des Bundesministers Bodewig
– entgegen seinem Bekenntnis im Plenum – an eine Tren-
nung von Netz und Betrieb bedeutet, dann werden Sie mit
Ihrer Schienenverkehrspolitik nachhaltig scheitern.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)


Ich sage Ihnen voraus: Es wird in der Zukunft keine Bör-
senfähigkeit der DB Holding AG, zu der noch die Netz AG
gehört, geben. Dies wird nach meiner Überzeugung völ-
lig unmöglich sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Lassen Sie doch den Mann erst mal anfangen! – Zuruf von der SPD: Sie sind ein richtig schwarzer Prophet heute!)


Die Erhebung streckenbezogener und belastungsab-
hängiger Gebühren für den LKW-Verkehr und die erwei-
terte Privatfinanzierung sind ergebnisorientierte Ansätze
und als solche zu begrüßen. Wir fordern die Bundesregie-
rung mit unserem Antrag auf, umgehend auf der Grund-
lage des Berichtes der Pällmann-Kommission ein brauch-
bares langfristiges Konzept für die Finanzierung der
Bundesverkehrswege vorzulegen.

Die Tatsache, dass Bundesverkehrsminister Bodewig
nicht da ist, obwohl es seiner Pflicht als Bundestagsabge-
ordneter und Fachminister entsprechen würde, ist nach
unserer Auffassung ein Beweis dafür, dass er mit dem
Thema und mit dem Parlament ausgesprochen desinteres-
siert und lax umgeht. Wir werden das als Opposition bei
jeder sich bietenden Gelegenheit nachhaltig kritisieren.
So behandelt man das Parlament nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Iris Gleicke [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


Ihre Zustimmung zu unserem Antrag wäre ein Be-
kenntnis zu einem qualifizierten und qualitativ hochwer-
tigen Verkehrssystem, und damit zu wirtschaftlichem

Wachstum und dauerhaftem Wohlstand in Deutschland
und Europa.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und in der ganzen Welt!)


Deshalb müssen Sie zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415602900
Jetzt erhält der
Abgeordnete Klaus Hasenfratz das Wort.


Klaus Hasenfratz (SPD):
Rede ID: ID1415603000
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, wie
man in einer solchen Lautstärke so viel Unsinn erzählen
kann. Dazu gehört sicherlich viel Mut.


(Beifall bei der SPD)

Ich möchte eines deutlich machen, um einer Legen-

denbildung vorzubeugen: Sie sagen, wir hätten den Ver-
kehrshaushalt heruntergefahren. Ich nehme einfach mal
die alte Gleichung Ihres ehemaligen Bundesministers
Dr. Norbert Blüm, der gefragt hat: Sind 8,7 Milliar-
den DM für die Schiene mehr als 6 Milliarden DM? Man
braucht nicht lange nachzurechnen.

Sie haben den Schienenhaushalt in Ihrer Zeit auf knapp
6 Milliarden DM heruntergefahren.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das ist falsch! Die Genehmigung zur Darlehensaufnahme verschweigen Sie!)


Wir fahren ihn jetzt kontinuierlich Jahr für Jahr auf insge-
samt 8,7 Milliarden DM hoch. Ich weiß nicht, wo Sie in
diesem Konzept Luftbuchungen festgestellt haben wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie müssen einmal die Konzepte lesen und sich die Pla-
nungen vergegenwärtigen.

Wir fahren den Straßenhaushalt auf den höchsten Stand
der letzten zehn Jahre hoch. Davon konnten Sie doch nur
träumen. Wir haben mit dem Anti-Stau-Programm ein
Konzept vorgelegt, das Planungssicherheit gibt. Wir haben
daneben das Investitionsprogramm und das ZIP vorgelegt.
Ich weiß nicht, warum Sie diese Konzepte nicht lesen.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Alter Wein in neuen Schläuchen!)


Sie stellen sich hin und spucken Rotz und Galle, ohne über-
haupt – wie Sie das im Ausschuss immer ankündigen – eine
Vorlage zu haben. Ich weiß nicht, woher Sie den Mut dazu
nehmen. Das nimmt Ihnen doch kein Mensch mehr ab.


(Beifall bei der SPD)

Sie haben während Ihrer Regierungszeit Luftbuchun-

gen in den Bundesverkehrswegeplan eingestellt.

(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Über haupt nicht!)

Jeder Sachverständige wird Ihnen dokumentarisch bele-
gen können, dass der Bundesverkehrswegeplan – – Aber




Dirk Fischer (Hamburg)

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(C)



(D)



(A)



(B)


ich kenne ja Ihre Antwort schon: Der Bundesverkehrswe-
geplan ist kein Investitionsplan.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Nennen Sie mir einen Sachverständigen!)


Aber in Ihrer Planung fehlten 80 Milliarden bis 120 Mil-
liarden DM, um die entsprechenden Projekte zu finanzie-
ren.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Der Bundesverkehrswegeplan ist ein Bedarfsplan, Herr Kollege!)


Wenn jemand angesichts dieser Planung von Seriosität,
Planungssicherheit und Zukunftssicherheit spricht, dann
weiß ich nicht, auf welchem Stern der lebt.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer im Glashaus sitzt!)


Herr Fischer, wir haben ein Programm vorgelegt, das
der Bauwirtschaft, insbesondere der Straßenbauwirt-
schaft, den Ländern und den Kommunen für die Zukunft
Planungssicherheit auf sehr hohem Niveau gibt. Davon
können Sie nur träumen. Sie werden sich noch wundern,
welche Investitionen die Bundesregierung für die Ver-
kehrswege noch möglich machen wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415603100
Ich schließe die
Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 14/5317 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer
Brüderle, Marita Sehn, Ina Albowitz, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der F.D.P.
Steuerrecht vereinfachen – Schaumweinsteuer
abschaffen
– Drucksache 14/5337 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuss für Tourismus

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
F.D.P. fünf Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Wi-
derspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Als Erste hat die Abgeord-
nete Marita Sehn das Wort.


Marita Sehn (FDP):
Rede ID: ID1415603200
Frau Präsidentin! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Die marinen Großmachtsträume
sind ausgeträumt. Die preußische Monarchie gibt es nicht

mehr. Nur die Sektsteuer hat überlebt. Diese Steuer ist für
uns ein Musterbeispiel für die Überlebensfähigkeit von
Steuern. Unterstellt man einmal der Bundesregierung,
dass sie keine Flottenpolitik mehr betreiben möchte, dann
fragt sich doch jeder: Warum gibt es diese Steuer noch?
Haben Sie eine Antwort darauf?


(Beifall bei der F.D.P.)

Ich finde es sehr interessant, dass eine Regierung, die

sich mit dem Pazifismus schmückt, bei ihrer Mittelbe-
schaffung gerne auf die Relikte des preußischen Milita-
rismus zurückgreift. Aber wie heißt es doch so schön: Zu-
erst kommt das Fressen und dann die Moral!


(Horst Schild [SPD]: Das Saufen!)

Was, bitte schön, bezwecken Sie mit der Sektsteuer?

Wollen Sie die Leute vom Sektkonsum abhalten, oder
was? – Ich denke, wir alle kennen die Antwort. Wir haben
die Sektsteuer,


(Gustav Herzog [SPD]: Die ihr von 1969 bis 1998 nicht abgeschafft habt!)


– Herr Herzog, weil es sie nun einmal gibt und weil sie so
einen schönen, stetigen Finanzfluss in die chronisch
klammen Kassen von Herrn Eichel bewirkt. Rund 1 Mil-
liarde DM, Herr Herzog, sind ja auch alles andere als ein
Pappenstiel. Darüber sind wir uns einig. Aber reicht dies
denn wirklich, um die Existenz dieser Steuer zu rechtfer-
tigen? Die Antwort der F.D.P. lautet: Nein! Der Staat
sollte den Mut haben, eine Steuer, die sich historisch über-
lebt hat und keinerlei Lenkungsfunktion mehr erfüllt,
abzuschaffen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der PDS)


Die F.D.P. hat diese Entwicklung schon immer kritisch
beobachtet: Da werden Steuern eingeführt und später,
wenn sie sich historisch längst überlebt haben, beibehal-
ten. Man braucht ja schließlich das Geld. Der Solidari-
tätsbeitrag droht in diesem Sinne zur Sektsteuer der Zu-
kunft zu werden. Warum auch abschaffen, wo der Rubel
doch so schön rollt? Aber darf ein demokratischer Staat
auf solche fragwürdigen Finanzierungstricks zurückgrei-
fen? Die F.D.P. hat schon frühzeitig eine kritische Dis-
kussion über den Sinn des Solidaritätsbeitrags gefordert.
Wir werden auch in Zukunft genauestens darauf achten,
dass Steuern und Abgaben nur dort erhoben werden, wo
es auch Sinn macht.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Die Bundesregierung rühmt sich ihrer Steuerreform als

großen Schritt. Aber warum hat sie denn nicht mit den
ganzen steuerpolitischen Anachronismen aufgeräumt?
Eine Steuerreform, die diesen Namen wirklich verdient,
hätte mit diesen Relikten aus der Zeit deutscher Groß-
machtsträume aufgeräumt. Die F.D.P. hat sich schon im-
mer für eine Vereinfachung unseres Steuersystems ein-
gesetzt. Es geht uns bei unserem Antrag auf Abschaffung
der Sektsteuer deshalb nicht nur darum, eine überflüssige
Steuer zu beseitigen. Es geht uns um mehr: Wir Liberalen
sind für Steuerehrlichkeit und für steuerliche Transparenz.
Nur ein transparentes und einfaches Steuersystem wird als




Klaus Hasenfratz

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(C)



(D)



(A)



(B)


gerecht empfunden. Die Abschaffung einer Steuerart wie
der Sektsteuer ist dazu ein – wenn auch kleiner – Beitrag.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Staat muss viele Aufgaben übernehmen. Dafür
braucht er entsprechende Finanzmittel. Diese muss er sich
beschaffen. Aber die Beschaffung der Finanzmittel muss
für die Bürger nachvollziehbar sein. Der Staat darf sich
der Kontrolle durch die Bürger nicht entziehen. Eine Fi-
nanzbeschaffung nach dem Motto „Ein bisschen hier, ein
bisschen dort und hoffentlich merkt es keiner“ ist demo-
kratiefeindlich und unwürdig. Mit welchem Recht fordert
der Finanzminister eine Steuermoral bei unseren Bürge-
rinnen und Bürgern ein, wenn er sich gleichzeitig gegen
den Blick in seine Kassenbücher wehrt?

Machen wir uns nichts vor: Steuern werden immer als
lästig empfunden. Umso wichtiger ist es deshalb, dass der
Bürger auch weiß, wofür er an welcher Stelle Steuern be-
zahlen muss.

Die Abschaffung der Sektsteuer wäre immerhin ein ers-
tes Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass der Staat
auch seine Finanzierung kritisch hinterfragt und bereit ist,
auf steuerliche Anachronismen zu verzichten. Wir Libe-
ralen fordern, dass alle Steuern und Abgaben regelmäßig
auf den Prüfstand müssen; denn nur ein offener und ehr-
licher Staat darf auch von seinen Bürgern Ehrlichkeit und
Offenheit erwarten.

Danke.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415603300
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Horst Schild.


Horst Schild (SPD):
Rede ID: ID1415603400
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Zu dieser Gelegenheit hätte sich vielleicht
auch ein Gläschen Schaumwein angeboten.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Das wäre keine schlechte Idee gewesen! – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Es ist Fastenzeit!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415603500
Die Zeiten sind
vorbei, Herr Abgeordneter.


Horst Schild (SPD):
Rede ID: ID1415603600
Die Karnevalszeit ist leider vor-
bei, Kollege Seiffert. Aber ich habe schon den Eindruck,
dass wir das Thema nicht losgelöst vom Landtagswahl-
kampf in Rheinland-Pfalz behandeln können.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Doch!)

Die F.D.P. hat festgestellt, dass es die kaiserliche Flotte

nicht mehr gibt.

(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Da wollen Sie doch nicht widersprechen!)

Dafür haben Sie lange gebraucht; denn es gibt sie be-
kanntlich schon seit einigen Jahren nicht mehr. Wenn Sie
dieses Thema für so bedeutsam halten, hätte es sich si-

cherlich angeboten, dass Sie über dieses Thema bereits
während der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung einmal
ernsthaft nachgedacht hätten. Stattdessen haben Sie auf
die Oppositionszeit gewartet, um all das zu fordern, wozu
Sie in der Regierungsverantwortung nicht bereit waren.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Alles zu seiner Zeit!)

– Sie hören das nicht gerne. Aber es stellt sich doch für je-
den Betrachter die Frage, wieso man, wenn die Abschaf-
fung der kaiserlichen Marine der Grund dafür ist, dass
man heute die Abschaffung der Schaumweinsteuer für ge-
boten hält, nicht eher auf den Trichter kam.


(Zuruf von der F.D.P.: Das ist ein Symbol zur Steuerabschaffung!)


Was im Übrigen die Historie von Steuern anlangt, so
gibt es ja dieses Bändchen „Unsere Steuern“, das Theo
Waigel wohl letztmalig herausgegeben hat. Das ist eine
interessante Quelle. Er hat nämlich verheimlicht, dass es
da einen Zusammenhang gibt. Er hat schlichtweg gesagt,
das sei 1902 als Banderolensteuer eingeführt worden.
Vielleicht haben Sie deswegen nicht wahrgenommen,
dass das etwas mit der kaiserlichen Marine zu tun hat.

Wie gesagt, die närrische Zeit ist vorbei. Der Antrag
hätte besser in diese Zeit gepasst.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS – Marita Sehn [F.D.P.]: Das ist schon sehr ernst gemeint!)


Aber vielleicht haben Sie dabei auch den heimlichen
Ganzjahreskarnevalisten im Auge.

Ich stelle mir vor, Sie hätten das in Ihrer Regierungs-
zeit gemacht – das wäre auch viel amüsanter gewesen –
und der damalige Kollege Kleinert hätte die Chance ge-
habt, diesen Antrag vor dem Hohen Hause zu begründen.


(Beifall bei der SPD – Rolf Kutzmutz [PDS]: Das wäre aber lustig gewesen!)


Ich denke, da hätten wir alle an diesem Antrag auf Ab-
schaffung der Schaumweinsteuer großen Spaß gehabt.
Aber auf eines hätte der Kollege Kleinert sicherlich auch
großen Wert gelegt, nämlich dass diese Forderung dann
auch mit der Forderung nach Abschaffung der Biersteuer
verbunden worden wäre. Diese Konsequenz geht Ihrem
Antrag ab. Nur Sekttrinker zu fördern ist natürlich eine
grobe Missachtung und Diskriminierung der Biertrinker
in diesem Lande.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

ben nicht verstanden, um was es uns wirklich
geht!)

– Doch, das haben wir schon verstanden. Deswegen stelle
ich mich ungefähr auf das ein, was ernsthafterweise da-
hinter steckt. Vor einer Abschaffung der Biersteuer
schrecken Sie möglicherweise deshalb zurück, weil sich
bereits im 15. Jahrhundert – auch das ist der Broschüre
„Unsere Steuern“ zu entnehmen – die Landesfürsten der
Biersteuer bemächtigt haben. Landesfürsten gibt es be-
kanntlich heute noch.




Marita Sehn
15304


(C)



(D)



(A)



(B)


Man könnte auch überlegen, ob vielleicht auch ein tie-
ferer gesundheitspolitischer Gesichtspunkt dahinter steht.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Ach, Herr Schild, Sie sind im Finanzausschuss!)


– Ich sage nur einmal eines: Wo sind denn eigentlich die
Finanzpolitiker Ihrer Fraktion? Ich habe sie bei den in
Ihrem Antrag aufgeführten Namen vermisst.


(Zuruf von der PDS: Im Restaurant!)

– Das war ein anderer Abgeordneter, der diesem Hause
mittlerweile nicht mehr angehört.

Der Hintergrund dieses Antrags könnte gesundheitspo-
litischer Art sein; Sie kennen vielleicht den so genannten
Snobeffekt. Wenn man diesen Effekt zugrunde legen
würde, dann würde das bedeuten, dass die Senkung der
Sektpreise dazu führt, dass der Sektverbrauch zurückgeht.


(Dr. Klaus Grehn [PDS]: Darauf trinken wir einen!)


Die Abschaffung der Schaumweinsteuer wäre dann in der
Tat ein Akt, sich um die Volksgesundheit verdient zu ma-
chen.

Um noch ein bisschen ernster zu werden:

(Zuruf von der PDS: Noch ernster?)


Der Kollege Thiele – er ist im Moment nicht anwesend;
er hat den Antrag auch nicht unterschrieben –


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Wir kennen ihn alle!)


– ja, Sie kennen ihn, Herr Seiffert – hat in der letzten Sit-
zung des Finanzausschusses die Konsolidierung des Bun-
deshaushaltes durch die Politik des Bundesministers
Eichel begrüßt. Wenn das die Auffassung Ihrer Fraktion
ist, dann hätten Sie in den Antrag vielleicht einmal ein paar
Worte zur Gegenfinanzierung hineinschreiben können. Es
geht um Steuerausfälle durch die Abschaffung der
Schaumweinsteuer. Würde man auch die Biersteuer ab-
schaffen, dann käme es zu Ausfällen bei der Umsatzsteuer.

Sie sollten sich in Ihrer Hoffnung nicht entmutigen las-
sen, eines Tages wieder Regierungsverantwortung zu
übernehmen. Sie werden feststellen, dass wir zwar keine
kaiserliche Marine mehr haben,


(Marita Sehn [F.D.P.]: Das wissen wir aber schon länger!)


wohl aber eine Bundesmarine, deren chronische Unterfi-
nanzierung Sie in den letzten Tagen vehement beklagt ha-
ben.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Gerhard Schüßler [F.D.P.]: Das war zwar unterhaltend, aber mehr auch nicht! – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Ein bisschen mehr Szenenapplaus wäre angebracht!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1415603700
Jetzt hat der Ab-
geordnete Norbert Schindler zehneinhalb Minuten Gele-
genheit, zu diesem Thema zu sprechen.


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1415603800
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Besu-
chertribüne dieses Plenarsaals! Die Sektsteuer – ein Re-
likt von 1902 – gehört abgeschafft. Das muss man einfach
nüchtern feststellen. Frau Staatssekretärin Hendricks
kann bestätigen, dass ich mich in Briefen vom Mai 1999
und vom Mai 2000 vehement dafür eingesetzt habe, die-
ses Relikt endlich aus der Steuergesetzgebung zu entfernen.
Ein erster Schritt, Steuervereinfachungen vorzunehmen,
war, dass die alte Koalition 1992/1993 die Abschaffung der
Zuckersteuer, der Teesteuer, der Leuchtmittelsteuer – Licht-
steuer, Fensterbeleuchtung und alles, was damit zusammen-
hing – und der berühmten alten Salzsteuer auf den Weg ge-
bracht hat.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Bringe uns jetzt nicht auf neue Ideen!)


Deswegen ist diese Idee der F.D.P. nicht neu. Die SPD
hätte diese Idee vielleicht gerne vorgetragen, auch wenn
sie sie aus den verschiedensten Gründen zurückweisen
wird.

Bestimmte Genussmittel wie Sekt sind heute kein
Luxusartikel mehr, wie der Kaiser und das Parlament da-
mals meinten; vielmehr sind sie allgemeine Gebrauchs-
güter geworden. Nebenbei gesagt – das sagen auch die
Ärzte –: Sekt dient, in Maßen genossen, eindeutig der Ge-
sundheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Auch das muss man heute einmal feststellen.

Bei einer Abschaffung der Schaumweinsteuer hätten
wir, so lautet die Schätzung, in diesem Jahr Steuerausfälle
in Höhe von 700 Millionen DM zu verzeichnen. Im Jahre
1998 hätten die Steuerausfälle bei rund 1 Milliarde DM
gelegen. Frau Staatssekretärin Hendricks – Sie werden
später darauf eingehen –, ich könnte den Brief vorlesen,
den Sie mir in dieser Sache vor einem Jahr geschrieben
haben.

Die Höhe der UMTS-Erlöse liegt bei 99MilliardenDM.
Im Zuge der europäischen Steuergleichstellung hat man in
Deutschland neue Sondersteuerarten eingeführt. Die Sekt-
steuer ist in Deutschland eine Sondersteuer. In einer
EU-Vorschrift wird ausdrücklich festgelegt, dass Wein-
und Alkoholsteuern abzuschaffen sind. Von daher haben
wir innerhalb der Europäischen Union die Möglichkeit,
dies zu tun.

Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Steuer-
sätze in den Staaten der Europäischen Union bedeutet die
Ökosteuer eine zusätzliche Belastung für die deutsche
Landwirtschaft.


(Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]: Traurig, traurig!)


Das ist nicht gut. Deswegen soll man wenigstens hier den
Versuch unternehmen, eine Steuerangleichung auf eu-
ropäischem Niveau vorzunehmen. Die Belastung pro Li-
ter Sekt inklusive Mehrwertsteuer beträgt – das geht in der
Regel unter – 2,60 DM. Damit liegen wir europaweit an
der Spitze. Man muss einmal kundtun, wie hoch die Ver-
braucher durch eine Sondersteuer belastet werden, die mit
dazu dient, den Staatshaushalt zu finanzieren.




Horst Schild

15305


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Steuererhebung läuft folgendermaßen ab: Die
Winzer, auch die in Rheinland-Pfalz, und alle anderen in
der Sektwirtschaft Tätigen sind dann, wenn der Sekt das
Steuerlager verlässt, zur Steuerzahlung verpflichtet. Sie
müssen also in Vorleistung für ein Produkt treten, für das
vielleicht erst zwei oder drei Jahre später ein Verkaufs-
erlös erzielt wird. So lange kann die Refinanzierung dau-
ern. Der Wettbewerb gegenüber Prosecco und Perlweinen
ist dadurch deutlich verzerrt.

Man kann feststellen, dass die Einnahmen aus der
Sektsteuer Jahr für Jahr kontinuierlich zurückgehen, weil
man auf ähnliche Produkte des europäischen Binnen-
marktes ausweicht. Diese Tatsache macht mir Sorge. Blei-
ben wir in Deutschland stur bei der hohen steuerlichen
Hürde, werden wir vielleicht, ob wir das wollen oder
nicht, die Sektsteuer quasi selbst abschaffen. Die Frage
der Abschaffung der Sektsteuer sollte man sowohl vor
dem Hintergrund des Ziels der Steuervereinfachung und
der Tatsache der zurückgehenden Steuereinnahmen als
auch vor dem Hintergrund des europaweiten Wettbewerbs
sehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Jeder versucht ja, seinen Weg zu gehen. Die Italiener

machen uns vor, wie es erfolgreich geht; auch die deut-
sche Weinwirtschaft hat davon einiges übernommen. Im
Vergleich stehen Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-
Württemberg ja nicht schlecht da. Gerade vor diesem Hin-
tergrund sollten wir nicht stur an einer veralteten Rege-
lung festhalten, sondern sie beseitigen.

Ich möchte aber auch, Kollegin Sehn, ein ernstes Wort
an unsere F.D.P. richten.


(Zurufe von der SPD und der PDS: Unsere?)

– Natürlich, wir haben ja momentan Wahlkampf in Rhein-
land-Pfalz. Da ich aus Rheinland-Pfalz komme, sage ich
das ganz bewusst.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Initiative der F.D.P.,
mit der meine Partei und auch ich schon seit Jahren
übereinstimmen, auch von einer Bundesratsinitiative, die
unsere sozial-liberal geführte Regierung in Mainz auf den
Weg hätte bringen müssen, begleitet worden wäre.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Sie sehen doch den Widerstand, Herr Schindler! Schauen wir einmal, was wir nach der Wahl machen können!)


Das jetzige Verhalten erinnert mich schon ein wenig an
den Begriff der Doppelzüngigkeit, den wir ja alle von Karl
Mays Winnetou kennen: Hier wird mit gespaltener Zunge
gesprochen.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Nein, sehe ich ganz anders!)


Dies sage ich mit vollem Ernst. Wir können dieses Thema
bei der Beratung des Antrages heute zwar publizistisch
besetzen, um es aber auf Dauer mit Inhalten zu erfüllen,
wäre es schon sehr hilfreich, wenn auch Rheinland-Pfalz
Flagge zeigte.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Vielleicht geht es nach der Wahl! – Marita Sehn [F.D.P.]: Warten wir einmal ab!)


Ich fordere unsere Regierung in Mainz auf, dieses vor der
Wahl zu tun und nicht erst nach dem 25. März gemäß dem
Motto: Wir gehen dann wieder zur normalen Tagesord-
nung über.

Meine Damen und Herren, die Steuerungerechtigkei-
ten in diesem Land – das wurde auch in der Aktuellen
Stunde vorgestern in Bezug auf die Ökosteuer noch ein-
mal angesprochen – sind symptomatisch für den Umgang
des Staates mit seinen Bürgern: Bestimmte Klientelen
werden abgestraft, seien es die Kraftfahrzeugindustrie
oder die Bauwirtschaft, die ja auch von der Ökosteuer bei
ihren Transporten betroffen ist, sei es die deutsche Land-
wirtschaft, die vor dem Problem steht, wie mit den Folge-
kosten von BSE umgegangen wird. 2Milliarden DM wer-
den hierfür benötigt. Gestern stritt man sich über die
Finanzierung, kam zu keinem Ergebnis und vertagte sich
auf Ende April. Weiterhin frage ich: Wie geht es mit der
deutschen Fleischwirtschaft weiter, welche Zukunft ha-
ben die Schlachthöfe, auch die in Rheinland-Pfalz? Was
Sie machen, kann man nicht als verantwortungsvolle Po-
litik bezeichnen.

Ich bin tief enttäuscht über die Äußerungen des Bun-
desfinanzministers, der vor zwei Tagen im Finanzaus-
schuss auf meine Frage, wie denn die Kosten zugeordnet
werden sollen, locker vom Hocker und schnoddrig ant-
wortete: Das geht uns eigentlich nichts an; was die Län-
der vorgelegt haben, akzeptiere ich nicht. – Gesundheits-
vorsorge ist eine allgemeine Aufgabe und Verpflichtung
sowohl des Bundes – diesen nenne ich an erster Stelle –
als auch der Länder. Was hier an Zeit vertan wurde – das
gilt mittlerweile auch für die neue Verbraucher-
schutzministerin –, ist nicht mehr zu verantworten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Dass wir heute die Abschaffung der Sektsteuer disku-

tieren, kann ich für die CDU/CSU nur ausdrücklich be-
grüßen. Ich hoffe darauf, dass wir dieses gesunde Produkt
weiteren Verbraucherschichten öffnen können, indem wir
der Weinwirtschaft die Möglichkeit geben, mit dem ein-
gesparten Steuergeld günstigere Angebote auf den Markt
zu bringen.


(V o r s i t z: Vizepräsidentin Petra Bläss)

Ich hoffe auf die Einsicht der Regierungskoalition,

vielleicht nicht heute und morgen, aber im Laufe der Be-
ratung dieses Antrages. Mit der Abschaffung dieser Steuer
tun wir etwas Gutes für die Steuervereinfachung in
Deutschland und für die Steuerangleichung in Europa.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1415603900
Die Kollegin
Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen, hat ihre Rede
zu Protokoll gegeben.1) – Ich sehe Einverständnis im ge-
samten Hause.




Norbert Schindler
15306


(C)



(D)



(A)



(B)


1) Anlage 3

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Dietmar Bartsch
für die PDS-Fraktion.


Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1415604000
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Dem Thema sollte eine halbtrockene
Rede angemessen sein, so wie sie Herr Schild gehalten
hat.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Das war nicht halbtrocken!)


Die Erkenntnis der F.D.P. nach ewiger Regierungszeit
kommt zwar etwas spät. Aber die Abgeordneten der PDS,
die „Rotkäppchen“ im Deutschen Bundestag, unterstüt-
zen die Initiative zur Abschaffung der Sektsteuer.


(Beifall bei der PDS sowie des Abg. Klaus Haupt [F.D.P.] – Marita Sehn [F.D.P.]: Das ist ja wunderschön!)


Die Liberalen muten uns zugegebenermaßen keinen
übertrieben großen Schritt zu. Sie wollen den Menschen
eine Last nehmen, von deren Existenz bislang wohl nur
die Wenigsten wussten.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Es geht um eine Vereinfachung und um Transparenz!)


Von Massenpetitionen oder von Großdemonstrationen ist
zumindest uns nichts bekannt.

Ich glaube auch nicht, dass sofort die Korken knallen,
wenn die Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger um
etwas mehr als 12 DM im Jahr – statistisch gesehen; wir
wissen ja, wie das mit dem Durchschnitt ist – entlastet
werden. Allerdings möchte ich Sie angesichts der großzü-
gig gefassten Begründung Ihres Antrages beim Wort neh-
men. Sie wissen ja: Im Wein liegt die Wahrheit.

In Ihrem Bestreben, das Steuerrecht zu vereinfachen,
werden Sie stets unsere Unterstützung finden. Eine radi-
kale Vereinfachung, Transparenz und Entbürokratisie-
rung des Steuerrechts sind die Voraussetzungen für
mehr Demokratie und Gerechtigkeit.

Wir wurden auch auf die verfassungsrechtliche Di-
mension der zu behandelnden Fragen hingewiesen. Mit
großem Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, dass
die F.D.P. der Spaltung unserer Gesellschaft in Arm und
Reich zu Leibe rücken will. Zu Beginn des neuen Jahr-
tausends könnte die Prosecco/Champagner-Trennlinie
fallen und wir sind dabei gewesen.


(Heiterkeit und Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


„Sekt für alle“ ist sicherlich eine gute Devise. Nur
müssen die Menschen in diesem Land mehr Gründe zum
Anstoßen haben. Ich bin deshalb gespannt, welche weite-
ren Initiativen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger
und für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit Sie
nun auf den Weg bringen werden. Gerade hier gilt doch:
Manchmal muss Mumm sein.

Wenn Steuern und Abgaben in diesem Land so refor-
miert werden, dass die Massenerwerbslosigkeit wirksam
bekämpft, soziale Sicherheit gewährleistet, reale Gleich-
stellung der Geschlechter unterstützt und eine ökologisch

nachhaltige Wirtschaftsentwicklung gefördert werden,
dann können sich die Menschen über den Wegfall der Al-
ternative „Sekt oder Selters“ freuen. Dann werden wir uns
gern dieser Debatte erinnern und gemeinsam mit der
Fraktion der F.D.P. in den Ruf einstimmen: Trink,
Brüderle, trink!


(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1415604100
Letzte Rednerin in
dieser Debatte ist die Parlamentarische Staatssekretärin
Barbara Hendricks.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1415604200
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Man könnte ja versucht sein, in den
Ruf einzustimmen: Sekttrinker aller Länder, vereinigt
euch hinter der blau-gelben Fahne des Liberalismus!


(Marita Sehn [F.D.P.]: Darum geht es gar nicht, Frau Hendricks!)


Werft die Ketten der Ausbeutung ab, damit ihr die 2 DM
pro Flasche, die ihr seit 1902 bezahlen müsst, endlich los-
werdet!


(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Norbert Schindler [CDU/CSU]: 2,60 DM!)


Damit haben wir dann auch noch die Vereinfachung des
Steuerrechts erreicht.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Frau Hendricks, Sie haben nichts verstanden!)


Wenn man es sich so einfach macht, das Steuerrecht
durch die Abschaffung von ganzen Steuerarten reformie-
ren zu wollen, dann ist das leider ein bisschen fantasielos.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Eine Steuer muss aber auch Sinn machen! Warum gibt es überhaupt die Sektsteuer?)


Man wird sich schon sozusagen um die innere Struktur
der jeweiligen Steuer kümmern müssen, so wie wir das
zum Beispiel gerade bei der Körperschaftsteuer mit ei-
nem wesentlichen Vereinfachungsschritt gemacht haben.
Steuern einfach abzuschaffen ist keine Steuerverein-
fachung.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Doch!)

Ich will Ihnen einmal sagen, wie die Situation bei der

Sektsteuer ist: Wir haben im letzten Jahr 930 Milli-
onen DM Einnahmen gehabt. Die Bearbeitung bei den
5 500 Steuerpflichtigen wurde bundesweit von 56 Zöll-
nern durchgeführt, deren Besoldung rund 6MillionenDM
kostet. Das ist also gerade etwas mehr als ein halbes Pro-
zent des Ertrages, den wir bei den 5 500 Steuerpflichtigen
einnehmen können, die naturgemäß die Steuer auf den
Verbraucher abwälzen. Es ist so ungefähr die einfachste
Steuer, die man sich vorstellen kann. Mit 56 Leuten bei
5 500 Steuerpflichtigen rund 1 Milliarde DM einholen,
das ist ein vernünftiger Ertrag.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Aber warum?)





Vizepräsidentin Petra Bläss

15307


(C)



(D)



(A)



(B)


Es wäre schön, wenn alle Steuern so einfach zu handha-
ben wären.

Natürlich haben wir keine kaiserliche Flotte mehr; das
ist völlig klar. Aber wir haben eine republikanische, de-
mokratisch legitimierte Flotte, die ebenfalls Geld braucht.
Erst gestern, auf Ihren Antrag hin, haben Sie hier eine
Stunde lang die angebliche Unterfinanzierung der Bun-
deswehr beklagt. Natürlich ist die Sektsteuer nicht zweck-
gebunden zur Finanzierung der Bundeswehr;


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: So wenig, wie die Ökosteuer mit der Rente zu tun hat!)


sie würde leider auch nicht ausreichen, weil die Bundes-
wehr ungefähr 44 Milliarden DM im Jahr und nicht nur
1 Milliarde DM braucht.

Aber ich möchte wenigstens den Versuch machen, eine
allererste Einführung in die Grundzüge des Steuer-
rechts, sozusagen privatissime et gratis für die F.D.P.-
Fraktion, zu geben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt so genannte direkte Steuern; sie werden auf Ge-
winn und Einkommen erhoben, progressiv, jeweils ab-
hängig von der Höhe des Gewinns und des Einkommens.
Dann gibt es indirekte Steuern, hier insbesondere die Ver-
brauchsteuern – die wesentlichste von diesen ist die Um-
satzsteuer – und die speziellen Verbrauchsteuern; dazu
gehört die Sektsteuer.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Und die Ökosteuer!)


Sie wird nach Verbrauch erhoben, wie der Name schon
sagt, in diesem Fall 2 DM auf 0,75 Liter einer normalen
Sektflasche.

Das ist auch nicht verschleiert. Da hat Minister Eichel
nicht irgendwie seine Bücher zugehalten, wie Sie das be-
haupten. Die Sektsteuer ist nun fast 100 Jahre alt und hat
sich im Prinzip kaum geändert,


(Marita Sehn [F.D.P.]: Aber sie ist aus einem bestimmten Grund eingeführt worden und diesen Grund gibt es nicht mehr!)


außer dass sie in der Höhe differiert hat. Jetzt liegt sie seit
ungefähr 20 Jahren auf derselben Höhe. Was also soll
daran verschleiert sein? Jeder Bürger weiß das oder kann
es zumindest wissen. Was haben Sie davon, wenn die Fla-
sche jetzt 2 DM billiger wird? Es war von gesundem Ver-
brauch, „in Maßen genossen“, die Rede, lieber Kollege
Schindler. Du als Winzer hast natürlich ein spezielles In-
teresse; das muss man den Bürgerinnen und Bürgern auf
der Tribüne vielleicht einmal sagen.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Nur kein Neid! – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Er ist Sachverständiger!)


Was heißt, „in Maßen“? Bezieht sich das vielleicht auf
den durchschnittlichen Verbrauch pro Kopf, also etwa
sechs Flaschen im Jahr? Sonst kämen die vom Kollegen
Bartsch genannten 12 DM pro Jahr ja nicht zustande. Was
soll daran entscheidend sein, dass der Mensch sechsmal
im Jahr 2 DM spart oder nicht?


(Marita Sehn [F.D.P.]: Darum geht es gar nicht!)


– Doch, darum geht es wohl.

(Marita Sehn [F.D.P.]: Nein! Darum geht es nicht!)

Steuern sind allgemeine Deckungsmittel für die Deckung
der Bedürfnisse des gesamten Haushaltes. Sie, Kollege
Schindler, haben am Ende Ihrer Rede lautstark beklagt,
was im Zusammenhang mit BSE alles noch passieren
muss, dass es allein in diesem Jahr ein Risiko von über
2 Milliarden DM gibt.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Da hat er Recht!)

– Ja, natürlich! Allein wegen der BSE-Krise haben wir in
diesem Jahr ein Haushaltsrisiko von mindestens 2 Milli-
arden DM. – Aber im selben Atemzug sagen Sie, wir soll-
ten leichthin auf die 1 Milliarde DM aus der Sektsteuer
verzichten.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Ihr habt doch 100 Milliarden DM bei den UMTS eingenommen! Wo habt ihr die hingetan?)


– Die Einnahmen aus den UMTS-Erlösen haben wir zum
Schuldenabbau gebraucht, und zwar zum Abbau der
Schulden, die Sie uns hinterlassen haben. Mit den
100 Milliarden DM konnten wir natürlich nur einen klei-
nen Teil davon abbauen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

14 mal 100 Milliarden DM sind es dann immer noch an
Schulden. Auch die müssen wir irgendwann noch tilgen.
Das ist die tatsächliche „Erblast“. Ich will dieses Wort ja
eigentlich nicht benutzen, aber wenn Sie mich herausfor-
dern, muss ich es doch einmal sagen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1415604300
Frau Staatssekretärin,
gestatten Sie eine Zwischenfrage?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1415604400
Aber klar.


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1415604500
Frau Staats-
sekretärin Hendricks, Gott sei Dank können wir persön-
lich eigentlich gut miteinander.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Keine Details! – Heiterkeit)


Dann werden Sie mir in Bezug auf die Schulden in Höhe
von 1,4 Billionen DM, die Sie jetzt wieder genüsslich vor-
führen, doch zugestehen: Dabei ging es um die beste In-
vestition in Deutschlands Zukunft, nämlich darum, die
Wiederherstellung der deutschen Einheit auch finanziell
zu gewährleisten. Ich bin auf diese Schulden ausdrücklich
stolz. Das sollte man in diesem Zusammenhang doch
wirklich in allem Ernst feststellen. Oder ist es anders?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1415604600
Herr Kollege Schindler, da
will ich Ihnen gerne zustimmen. Ich sehe durchaus die




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
15308


(C)



(D)



(A)



(B)


Tatsache, dass etwa die Hälfte dieses hohen Schuldenber-
ges


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Gut zwei Drittel!)


dadurch entstanden ist, dass wir das finanzielle Problem
der deutschen Einheit schultern mussten; wir müssen es
auch weiter schultern. Deswegen gibt es auch keinen An-
lass, sich zurückzulehnen und zu sagen, die Sache sei jetzt
erledigt. Sie wissen, dass wir in Verhandlungen über den
Solidarpakt II eintreten. Sie wissen, dass wir eine beson-
dere Finanzierung zur Entwicklung der neuen Länder
auch in der Zukunft brauchen werden. Darum ist es nicht
so einfach, hier oder da auf Einnahmen zu verzichten. Sie
haben den Solidaritätszuschlag angesprochen. Den wer-
den wir auch in Zukunft brauchen, solange wir die beson-
dere finanzielle Belastung, die im Gefolge der deutschen
Einheit entstanden ist, noch haben.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Aber wenn man eine Steuerreform macht, muss man sie so machen, dass es jeder versteht!)


Darum ist es eben nicht verantwortlich, einfach so zu tun,
als könnten wir leichthin auf 1 Milliarde DM verzichten.

Noch einmal: Die UMTS-Erlöse in Höhe von 100Mil-
liarden DM haben wir tatsächlich zum Schuldentilgen
verwandt, das wissen Sie. Das sind 100 Milliarden DM
von 15 mal 100Milliarden DM gewesen. 14 mal 100Mil-
liarden DM bleiben bestehen und müssen mit Zinsen in
Höhe von jährlich 80 Milliarden DM bedient werden.
Auch das muss man sich vergegenwärtigen. Das bekom-
men wir nicht von heute auf morgen weg, Kollege
Schindler. Deswegen bitte ich Sie, mir zuzugestehen, dass
wir die Milliarden nicht einfach so verschenken können,
wenn wir verantwortungsbewusst handeln, zumal es of-
fenbar ist, dass die Menschen durch die Sektsteuer eine
tatsächliche Belastung weder erfahren noch spüren.


(Beifall bei der SPD – Marita Sehn [F.D.P.]: Darum geht es doch gar nicht! Sie wollen es nicht verstehen!)


Herr Kollege Schindler, obwohl Sie mir durch Ihre
Zwischenfrage Gelegenheit gegeben haben, meine Rede-
zeit auszudehnen, will ich davon keinen Gebrauch ma-
chen. Die Argumente liegen auf der Hand. Man sollte es
sich nicht so einfach machen, liebe Kolleginnen und Kol-
legen von der F.D.P., sondern man muss sich zum Thema
Steuervereinfachungen schon ein paar Gedanken machen.

Erlauben Sie mir eine Bemerkung zum Schluss: Im An-
trag der F.D.P. heißt es, die Bundesregierung möge „einen
Gesetzentwurf über die Abschaffung der Sektsteuer“ vor-
legen. Ich erkläre für die Bundesregierung, dass wir das
nicht tun. Aber was mich bei diesem Antrag gewundert
hat, ist folgender Tatbestand: Die Erarbeitung eines Ge-
setzentwurfs zur Abschaffung der Sektsteuer, dem ich,
wie gesagt, inhaltlich nicht zustimme, ist ein ausgespro-
chen einfacher gesetzestechnischer Vorgang. Ihre Frak-
tion, die etwa zur Hälfte aus ehemaligen Regierungsmit-
gliedern besteht, hätte diesen Gesetzentwurf zumindest
selber formulieren können.

Herzlichen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜND NIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1415604700
Ich schließe die Aus-
sprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 14/5337 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tags auf Mittwoch, den 14. März 2001, 13 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.