Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, obwohl wir schon tief im neuen Jahr sind, möchte ich Ihnen ein schönes neues Jahr, Gesundheit und Glück wünschen. Ich hoffe, daß wir die Probleme in diesem Jahr, das ja nicht einfach werden wird und in dem viele entscheidende Fragen anstehen, bewältigen und unsere Aufgaben mit Anstand erfüllen werden.
Ich möchte die Geschäftsführer darauf hinweisen, daß die Fragestunde relativ kurz sein wird - wahrscheinlich etwa 30 Minuten. Ich möchte sie bitten, dafür zu sorgen, daß wir unmittelbar danach mit der Aktuellen Stunde beginnen können.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
- Drucksache 13/6691 -
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Inneren. Die Frage 1 des Abgeordneten Schulze wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Karwatzki zur Verfügung. Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Nitsch auf:
Wurden oder werden Verhandlungen mit privaten Investoren oder anderen geführt, bzw. sind solche geplant, um den Westerländer Flughafen oder Teile davon, soweit sie im Besitz des Bundes sind, zu veräußern?
Herr Kollege, die Bundesregierung will den Flugplatz Westerland auf Sylt, der nach Abzug der Bundeswehr Ende 1994 ausschließlich für Zwecke des zivilen Luftverkehrs benutzt wird, baldmöglichst verkaufen. Die Gemeinde Sylt-Ost beabsichtigt, für das Gelände eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme durchzuführen. Die Bundesregierung unterstützt diese Planung. Sie
wird daher keine Einzelverkäufe vornehmen, die nicht mit dem Entwicklungsträger abgestimmt sind.
Erwerbsinteressiert an der Flughafenfläche ist bislang die Flughafen Sylt GmbH, deren Gesellschafter verschiedene Sylter Gemeinden sind. Der MarineGolfclub möchte die Flächen erwerben, die dem Golfsport dienen. Die Verkaufsverhandlungen werden fortgeführt, sobald das angeforderte Gutachten zum entwicklungsunbeeinflußten Wert vorliegt.
Meldungen zum Jahreswechsel, nach denen der Flughafen am 30. Dezember 1996 verkauft worden sein soll, sind unzutreffend.
Herr Kollege, Sie haben eine Zusatzfrage? - Keine. Ich sehe auch keine weiteren Fragen. - Oh, doch, Herr Kollege Koppelin, bitte.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß es für eventuelle Käufer dieses Flugplatzes besonders schwierig wird, da die rotgrüne Landesregierung in Schleswig-Holstein Ausbaumaßnahmen für den Flughafen Sylt abgelehnt hat?
Das ist mir nicht bekannt, Herr Kollege.
Vielen Dank. Keine weiteren Fragen. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Lammert zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Michael Müller auf:
In welcher Höhe drohen der Bundesrepublik Deutschland Zwangsgelder wegen Nichtumsetzung von EG-Richtlinien, und aus welchen Haushaltstiteln sollen diese Zwangsgelder bezahlt werden?
Herr Kollege Müller, die Kommission der Europäischen Gemeinschaft hat vor einigen Tagen - genau am 8. Januar dieses Jahres - die Berechnungsmethode für die Verhängung von Zwangsgeldern verabschiedet. Der Tagessatz für Zwangsgeld soll nach Auffassung der Kommission generell das Produkt aus vier unterschiedlich zu gewichtenden Faktoren sein. Neben einem Grundbetrag sollen dabei die aus der Sicht der Kommission ermittelte Schwere des jeweiligen Verstoßes, die Dauer des Verstoßes und auch die Leistungsfähigkeit des säumigen Mitgliedstaates berücksichtigt werden. Wie die Kommission in konkreten Fällen die Schwere und Dauer der Verstöße gewichtet, bleibt abzuwarten, zumal wir damit noch keine praktischen Erfahrungen haben.
Wenn die Kommission ihren Beschluß vom 18. Dezember des vergangenen Jahres, in drei Fällen ein Zwangsgeldverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten, in die Tat umsetzt, wird es sich um die ersten Fälle dieser Art handeln. Aus welchen Haushaltsmitteln die Zwangsbeiträge bezahlt werden, wird von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Sie wissen, daß es sich um drei ganz unterschiedliche Fälle mit ganz unterschiedlichen Zuständigkeiten handelt.
Herr Kollege Müller, Ihre erste Zusatzfrage.
Wie viele Vertragsverletzungsverfahren laufen insgesamt gegen die Bundesrepublik?
Ich kann es Ihnen im Augenblick - wenn Ihre Frage über den Bereich, der hier jetzt der Gegenstand ist, hinauszielt - nicht mit hinreichender Verläßlichkeit sagen. Im Bereich der Nichtumsetzung von EG-Richtlinien handelt es sich jedenfalls um drei Richtlinien, wie gesagt, mit unterschiedlichen Zuständigkeiten. Dies Ist ja auch noch Gegenstand einer weiteren Frage, die nachher vom Umweltministerium beantwortet wird.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ist es auch denkbar, daß die Festlegung des Zwangsgeldes für die Zeit seit dem ersten Urteil des Europäischen Gerichtshofes, also seit 1991, erfolgen kann?
Ich will darüber jetzt keine Spekulationen anstellen, weil ich Sie ja bereits darauf hingewiesen hatte, daß wir es hier mit einem neuen Instrument zu tun haben, das bisher noch gar
nicht angewendet worden ist und von der Kommission selber erst ausgefüllt werden muß.
Allerdings ist es so, daß eine Verhängung dieser Strafen überhaupt erst dann in Betracht kommt, wenn der Mitgliedstaat dem zweiten Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht nachkommt. Insofern befinden wir uns natürlich noch vor einem solchen denkbaren Zeitpunkt. Im übrigen ist auch offen, ob der Europäische Gerichtshof seinerseits den Vorstellungen oder Anträgen der Kommission folgt. Somit haben wir es dabei noch mit einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren zu tun.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Schwanhold.
Herr Staatssekretär, ich bin nicht ganz sicher, ob Ihnen die Frage, die der Kollege Müller schriftlich eingereicht hat, bekannt ist:
In welcher Höhe drohen der Bundesrepublik Deutschland Zwangsgelder wegen Nichtumsetzung von EG-Richtlinien, und aus welchen Haushaltstiteln sollen diese Zwangsgelder bezahlt werden?
Dahinter steckt die Frage, wie viele Richtlinien nicht umgesetzt sind, die hinterher sanktionsfähig werden. Das sollten Sie schon beantworten. Darum bitte ich Sie sehr herzlich.
Ich habe ja bereits darauf hingewiesen, daß es eine zweite Frage des Kollegen Müller gibt, die noch einmal ausdrücklich auf diesen Sachverhalt Bezug nimmt. Bei der gegebenen unterschiedlichen Zuständigkeit und mit Respekt vor den dafür zuständigen Kollegen will ich der Antwort nicht vorgreifen.
Darauf, daß es sich im hier nachgefragten Sachverhalt um drei Punkte handelt, habe ich gerade hingewiesen. Dies schließt die leider nicht abschließend zu beantwortende Frage nach der möglichen Höhe eines solchen Zwangsgeldes ein, weil die Bemessung von vier Faktoren abhängt, die allesamt relativer Natur sind und erst selber von der Kommission nach ihrer eigenen Einschätzung der Bedeutung festgelegt werden müssen.
Frau Kollegin Fuchs, Sie haben eine weitere Frage.
Der pragmatische Weg wäre doch, die Richtlinien umzusetzen. Deshalb frage ich die Bundesregierung: Warum wird nicht ganz zügig daran gearbeitet, die Richtlinien umzusetzen, um auf diese Weise gegebenenfalls Millionenbeträge einsparen zu können?
Frau Kollegin Fuchs, ich stimme Ihnen ohne jeden Vorbehalt zu. Es wäre wahrscheinlich dein Gang der Beratungen dieses
Parl. Staatssekretär Dr. Norbert Lammert
Themas förderlich gewesen, wenn die zufällige Reihenfolge der Beantwortung der Fragen umgekehrt gewesen wäre. Das hätte das Ganze vielleicht eine Spur transparenter gemacht, vor allen Dingen für diejenigen, die sich jetzt ganz spontan und nicht so systematisch wie die Fragesteller und die Antwortenden mit dem Sachverhalt beschäftigen müssen.
Insofern will ich aber, damit das Ganze nicht nebulös bleibt, darauf hinweisen, daß es sich nicht selten - auch in den hier nachgefragten Sachverhalten - um Umsetzungsbedarf handelt, der gar nicht von der Bundesregierung, sondern von den Ländern erledigt werden muß. Sie werden mir zustimmen, daß dann Ihre Empfehlung immer noch gilt, aber der Adressat ein anderer wäre, für den ich mir dann allerdings Ihre Empfehlung ausdrücklich zu eigen mache.
Herr Staatssekretär, Sie sprechen immer von einer weiteren Frage. Dabei handelt es sich aber offenbar um keine der heute zu behandelnden.
- Wunderbar. Vielen Dank.
Wir verlassen diesen Bereich.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Jüttner werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Fragen 6 und 7 werden in der nächsten Sitzungswoche beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr. Die Fragen 8 und 9 der Kollegin Leonhard werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Klinkert zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Michael Müller auf:
Warum hat die Bundesregierung auf Urteile des Europäischen Gerichtshofes seit 1991 nicht ausreichend reagiert, so daß jetzt der Bundesrepublik Deutschland wegen Nichtumsetzung von drei EG-Umwelt- und Naturschutzrichtlinien Zwangsgelder auferlegt werden sollen, und wie will sie die noch ausstehenden Umsetzungen von EG-Richtlinien fristgerecht sicherstellen?
Herr Kollege Müller, am 18. Dezember 1996 hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beschlossen, zu drei Richtlinien aus dem Umweltbereich aus den Jahren 1975, 1979 und 1980, wegen deren nicht korrekter Umsetzung die Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1990 und 1991
vom Europäischen Gerichtshof verurteilt worden war, erneut Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zu erheben, da die Urteile des EuGH bisher nicht vollständig umgesetzt worden sind. Die Europäische Kommission hat gleichzeitig entschieden, nach Art. 171 Abs. 2 des EG-Vertrages die Verhängung von Zwangsgeldern zu beantragen.
Bei den drei Richtlinien handelt es sich um die Richtlinie zum Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe, um die Richtlinie über Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung und um die Richtlinie zur Erhaltung der wildlebenden Vogelarten.
Es ist darauf hinzuweisen, daß lediglich im Falle der Grundwasserrichtlinie die Zuständigkeit für die Umsetzung beim Bund liegt. Auf Grund der Anforderung des Europäischen Gerichtshofes muß die Umsetzung dieser Richtlinie durch Rechtsverordnung erfolgen. Bis zur Verabschiedung der 6. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz im November vergangenen Jahres fehlte allerdings im Wasserhaushaltsgesetz die notwendige Rechtsgrundlage für den Erlaß einer entsprechenden Verordnung. Diese ist nun mit dem neuen § 6 a des Wasserhaushaltsgesetzes gegeben.
Der Entwurf einer Rechtsverordnung, mit der die vollständige Umsetzung der obengenannten Richtlinie erfolgen soll, wurde noch im Dezember 1996, also 14 Tage nach Inkrafttreten der Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz, an die Länder und die beteiligten Kreise verschickt. Mit einer Verabschiedung ist im Frühjahr 1997 zu rechnen.
In den beiden anderen Fällen liegt die Zuständigkeit für die notwendigen Umsetzungsmaßnahmen allein bei den Bundesländern. Die Bundesregierung hat sich bei den betroffenen Bundesländern immer wieder für eine zügige Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofes eingesetzt. Nach der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 18. Dezember vergangenen Jahres hat Bundesministerin Dr. Merkel bei den Umweltministern und -senatoren der Länder erneut auf eine größtmögliche Beschleunigung der notwendigen Schritte zur Umsetzung und auf die schnellstmögliche Übersendung entsprechender Zeitpläne gedrängt.
Die Bundesregierung ist zuversichtlich, daß die erforderlichen Umsetzungsschritte so rechtzeitig abgeschlossen werden können, daß eine erneute Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof sowie die Verhängung von Zwangsgeldern vermieden werden können.
Herr Kollege Müller, Ihre erste Zusatzfrage.
Ist es richtig, daß die Bundesregierung von den insgesamt 1 276 EG-Richtlinien bisher 90 Richtlinien nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt hat? Sie würde damit bei der Umsetzungsquote an siebter Stelle innerhalb der EU liegen und könnte somit nicht den Anspruch
Michael Müller
des Vorreiters in der Europa- und speziell in der Umweltpolitik erheben.
Herr Kollege Müller, Ihre Frage ist schon im Ansatz falsch gestellt, weil aus diesen drei Beispielen ersichtlich wird, daß nicht in jedem Fall die Bundesregierung für eine Umsetzung der Richtlinie verantwortlich ist.
In den konkreten Fällen der Vogelschutzrichtlinie und der Richtlinie über Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung liegt die Zuständigkeit für die Umsetzung ausschließlich bei den Ländern. Ganz konkret hat im ersten Fall das Saarland die Umsetzung der Richtlinie noch nicht vollzogen und haben im zweiten Fall wiederum das Saarland und das Land Niedersachsen die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen noch nicht geschaffen. Ich empfehle Ihnen daher, bei diesen Ländern mit Nachdruck darum zu werben, daß im Verantwortungsbereich der Länder europäisches Recht umgesetzt wird.
Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Müller.
Ist gemäß der Information von Anfang Januar die Auskunft der Europäischen Kommission falsch, daß die Bundesregierung die Gesamtverantwortung für die Bundesrepublik trägt, und können Sie vor dem Hintergrund, daß als erstes Land die Bundesrepublik mit solch einem Verfahren überzogen werden soll, weiterhin den Anspruch erheben, daß Deutschland in der Umweltpolitik führend sei?
Die Bundesregierung vertritt die Bundesrepublik Deutschland nach außen. Sie ist aber nicht ermächtigt, den Ländern Weisungen dahin gehend zu erteilen, daß diese ihren Verpflichtungen zur Umsetzung europäischen Rechts nachkommen.
Sie kann nur dafür werben. Sie hat dies in den letzten Jahren mit Nachdruck getan. Ich kann nur erneut an Sie appellieren, nach Ihren Möglichkeiten darauf hinzuwirken, daß die Länder - in diesem speziellen Fall das Saarland und das Land Niedersachsen - ihren Verpflichtungen nachkommen.
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation auf.
Die Fragen 11 und 12 des Kollegen Tauss werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Dann kommt der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Die Frage 13 des Kollegen Hans Wallow wird ebenso schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Joachim Günther zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Conradi auf:
Wann wird die Bundesregierung den Abgeordneten des Deutschen Bundestages Einsicht in das dem Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau seit mehreren Monaten vorliegende Gutachten zur Asbestsanierung des Berliner Palastes der Republik gewähren, dessen Ergebnisse bereits am 12. September 1996 im Abgeordnetenhaus von Berlin diskutiert wurden, das jedoch dem Deutschen Bundestag trotz Anfragen einzelner Abgeordneter mit dem Hinweis, es handle sich um eine zukünftige Unterlage für den Haushaltsausschuß, bisher vorenthalten wurde?
Herr Kollege Conradi, im Rahmen der vom Haushaltsausschuß geforderten Bauunterlage nach § 24 Bundeshaushaltsordnung wurde zunächst eine Vorplanung der Asbestbeseitigung in Form einer Kostenvoranmeldung-Bau abgerufen, kein neues Gutachten. Das Ergebnis dieser Kostenvoranmeldung liegt vor und wird, wie Sie der Pressemitteilung des Bundesbauministers sicher entnommen haben, dem Haushaltsausschuß im Februar übergeben.
Herr Conradi, eine Zusatzfrage? - Bitte.
Sie haben die Planung der Asbestbeseitigung europaweit ausgeschrieben und dann vergeben. Die Ihnen vorliegende Vorplanung enthält mehrere Varianten. Werden Sie diese Vorplanung dem Parlament unverändert vorlegen, oder wird in Ihrem Haus aus dieser Vorplanung eine Kostenvoranmeldung, die diese Varianten nicht enthält, erarbeitet und dem Parlament vorgelegt?
Die Varianten sind bekannt. Sie werden vorgelegt. Daraus wird ein Ergebnis ermittelt.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1997 13533
Was ist der Grund dafür, daß seit dem Vorliegen dieser Vorplanung jetzt fünf Monate vergangen sind und wir die Vorplanung nicht bekommen können, während beispielsweise im Abgeordnetenhaus von Berlin bereits darüber diskutiert wird?
Es ist üblich, daß diese Dinge zuerst in den Haushaltsausschuß gehen. Danach wird der Minister sie der Öffentlichkeit vorstellen.
Weitere Fragen dazu liegen nicht vor.
Dann rufe ich die Frage 15 des Kollegen Conradi auf:
Ist die Vermutung abwegig, die Bundesregierung habe dem Parlament bisher die Einsicht in das Gutachten verweigert, weil das Gutachten nicht die von der Bundesregierung erhofften Ergebnisse enthält, die Asbestbeseitigung und der anschließende Totalabbruch des Palastes der Republik seien die wirtschaftlichste Lösung, und trifft die Vermutung zu, daß die Bundesregierung nun versucht, durch weitere Gutachter das von ihr gewünschte Ergebnis herbeigutachten zu lassen?
Bitte, Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Conradi, Sie haben die Frage gut formuliert. Man kann sie mit dem ersten Teil der Frage beantworten: Ihre Vermutungen in dieser Richtung sind abwegig.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege Conradi? - Bitte schön.
Der Bauminister hat mehrfach erklärt, die preiswerteste Lösung sei die Asbestbeseitigung unter totalem Abriß des Palastes der Republik. Können Sie bestätigen, daß das vorliegende Gutachten diese Aussage nicht stützt, sondern zu dem Ergebnis kommt, daß Asbestbeseitigung und totaler Abriß des Hauses teurer sind als andere Lösungen?
Die Asbestbeseitigung muß im gesamten Komplex durchgeführt werden. Das ist unabhängig davon, ob ein Abriß vorgenommen wird. Es wird ein Rückbau bis auf den Rohbau notwendig sein, wenn es für dieses Gebäude eine erfolgreiche Perspektive geben soll. Bis zu diesem Punkt ist Kostengleichheit gegeben.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Trifft es zu, daß sich die Kostengleichheit nur auf die Asbestbeseitigung bezieht und daß hingegen die Alternativen - Totalabriß des Palastes der Republik, Teilerhaltung oder Weiterverwendung des Rohbaus - dazu führen, daß die bisherige Aussage der Bundesregierung nicht zutrifft?
Die Asbestbeseitigung hat die gleichen Kosten als Grundlage. Über die weitere Nutzung oder Teilnutzung des Gebäudes ist noch keine Entscheidung getroffen.
Dann kommt eine Zusatzfrage des Kollegen Hartmann.
Ist bei den veranschlagten Kosten für die Asbestbeseitigung die Entfernung des sich im Boden unter dem Estrich befindlichen Asbests vorgesehen?
Es ist die generelle Beseitigung des Asbests vorgesehen.
Herr Küster, hatten Sie noch eine Frage?
Hat sich erledigt.
Dann sehe ich keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 16 des Kollegen Wallow wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit danke ich allen Beteiligten, weil wir am Ende der Fragestunde sind.
Dann rufe ich Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Gruppe der PDS
Haltung der Bundesregierung zur Mitteilung der Bundesanstalt für Arbeit über den erneuten Anstieg der Arbeitslosenzahlen sowie zum erheblichen Rückgang der Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Dr. Heidi Knake-Werner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zum wiederholten Male müssen wir uns hier in diesem Hause mit den traurigen Rekordmarken der Arbeitslosenzahlen beschäftigen. Das Schlimme daran ist, daß kein Ende der Fahnenstange abzusehen ist. Im Gegenteil, alle Prognosen gehen davon aus, daß in diesem Jahr noch eine halbe Million weiterer Arbeitsloser dazukommen werden. Deutlicher, liebe Kolleginnen und
Dr. Heidi Knake-Werner
Kollegen von der Koalition, kann sich das Scheitern Ihrer Politik wirklich nicht widerspiegeln.
Es ist wirklich längst Allgemeingut, daß immer weniger Menschen gebraucht werden, um ein wachsendes Inlandsprodukt herzustellen. Während das Bruttoinlandsprodukt von 1991 bis 1996 real um 6,5 Prozent anwuchs, steigerten die Betriebe die Arbeitsproduktivität um 26,3 Prozent. Das zeigt wohl, daß wir alle es dringend nötig haben, uns den Kopf darüber zu zerbrechen, was mit den Menschen geschehen soll, die hier nicht mehr eingesetzt werden.
Was aber haben die Regierungsparteien in dieser Situation anzubieten? Es hat eine Reihe von Neujahrsbotschaften gegeben. Die CSU zeichnet sich dadurch aus, daß sie die Diskussion an den Republikanerstammtischen mit der Parole „Raus mit den ausländischen Saisonarbeitskräften" bereichert und gleichzeitig die Zumutbarkeitskriterien für einheimische Arbeitslose verschärfen will.
- Das müssen ausgerechnet Sie mir sagen, lieber Kollege Hinsken.
Die CSU verschweigt dabei natürlich, daß es hier um ein Arbeitsvolumen von gerade einmal etwa 30 000 Arbeitsplätzen geht - wirklich ein wegweisendes Programm angesichts der fehlenden Arbeitsplätze. In Wahrheit - auch das sage ich sehr deutlich - geht es Ihnen um nichts anderes, als die unsägliche Mißbrauchs- und Entsolidarisierungskampagne neu zu beleben.
Die F.D.P. erklärt sich nach der Pleite mit der Partei der Besserverdienenden nun zur wahren Arbeitnehmerpartei,
weil sie den Solidaritätszuschlag abschaffen und weitere Steuern senken will. Ihr einziger Schönheitsfehler ist der F.D.P.-eigene Wirtschaftsminister, der nämlich auf eine weitere Einschränkung des Kündigungsschutzes setzt. Das bringt nicht nur keine zusätzlichen Arbeitsplätze, sondern das nehmen Ihnen auch noch die Beschäftigten übel; denn sie begreifen sehr gut, daß es Ihnen um nichts anderes geht als darum, das Heuern und Feuern zu verbessern.
Was hat nun die größte Regierungspartei anzubieten? Ihr Hauptziel bleibt, die Dienstleistungsgesellschaft in eine Dienstbotengesellschaft zu verwandeln. Ansonsten: viele schöne Worte und Appelle, in diesem Falle an die Tarifparteien im allgemeinen und an die Arbeitgeber im besonderen. Sollen die Arbeitgeber doch endlich einmal sehen lassen, wie sie die Vorleistungen des sogenannten Sparpaketes zu honorieren gedenken! Und in der Tat: 2,3 Milliarden Überstunden bei einer Arbeitslosenzahl von über
4 Millionen sind tatsächlich ein beschäftigungspolitischer Skandal.
Aber Appelle helfen da eben nicht. Die Regierung muß sich schon ein bißchen mehr einfallen lassen. Vor allen Dingen muß sie sich fragen lassen, wann sie endlich mit ihrer Politik, die die Arbeitslosenzahl ebenso wie die Lohnnebenkosten hochtreibt, Schluß machen will.
Ein besonders schönes Beispiel war die kontraproduktive Entscheidung zum Schlechtwettergeld. Gerade in diesem Winter läßt sich dies hervorragend nachweisen. 300 000 arbeitslose Bauarbeiter, das ist eine Zahl, die wir noch nie hatten. Hinzu kommt, daß die Kosten dafür bei der Bundesanstalt für Arbeit doppelt so hoch sind wie zu Zeiten des Schlechtwettergeldes in den kältesten Wintern.
Die Bundesanstalt will dies nun in diesem Winter eindämmen. Aber was kommt dabei heraus? Die Gelackmeierten werden wieder die abhängig Beschäftigten sein, während die Unternehmer die Ausgaben der Bundesanstalt hochtreiben und sich anschließend über die Steigerung der Lohnnebenkosten beklagen.
Es grenzt schon an staatlich organisierten Wahnsinn, bei Arbeitslosenzahlen von Weimarer Zuschnitt das Rentenalter zu erhöhen, die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik zu kürzen, durch Kürzung bei Kuren und anderen gesundheitlichen Maßnahmen Tausende von Beschäftigten im Gesundheitsbereich arbeitslos zu machen und die zunehmenden Entlassungswellen durch den Abbau des Kündigungsschutzes zu bekämpfen.
Für mich ist die zentrale Frage: Warum verrennt sich die Regierung immer weiter in die krisenverschärfenden neoliberalen Rezepte? Ich will es Ihnen ganz deutlich sagen: Ich denke, weil es Ihnen in Wirklichkeit gar nicht um die Arbeitslosen geht. Ich denke, Ihnen geht es vorrangig um die Interessen von Leuten, die sich von der Fortsetzung Ihrer Politik stabile Vermögensgewinne und sinkende Steuern versprechen, um die Interessen von Leuten, deren Aktienpakete im Wert steigen, wenn Massenentlassungen verkündet werden. Eine solche zutiefst unsoziale Politik können wir uns wegen der Zukunft von Millionen Menschen nicht länger leisten.
Ich gebe dem Abgeordneten Johannes Singhammer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde befaßt sich mit dem Zusammenhang von Wirtschaftspolitik und ihren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenzahlen.
Es erweckt immer besondere Aufmerksamkeit, wenn die offizielle Fortsetzungspartei der SED die
Johannes Singhammer
komplizierten Zusammenhänge von Ökonomie und Arbeitsmarkt auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages bringt. Ihre Erfahrungen verdienen mit Sicherheit das Prädikat „besonders wertvoll".
Richtig ist: Alles hängt davon ab, die Zahl von 4 Millionen Arbeitslosen nicht weiter ansteigen zu lassen, sondern zu senken. Nur wenn mehr Menschen eine dauerhafte Beschäftigung finden, fließen auch wieder mehr Beiträge in die Arbeitslosenversicherung oder in die Rentenversicherung und wieder Lohnsteuer in die Kassen von Kämmerern und Finanzministern. Die Bundesregierung hat mit dem Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung die Weichen richtig gestellt.
Die Aussichten, die Arbeitslosenzahlen zu senken, wachsen aber auch dann - da darf ich jetzt auf die aktuelle Diskussion eingehen -, wenn ein Wettlauf von Hase gegen Igel vermieden wird, das heißt: wenn nicht neben dem fortwährenden Export von Arbeitsplätzen ein ständiger Import von Arbeitskräften zu verzeichnen ist.
Ich weiß, daß bei diesem Thema wunderbar mit einem bewußten Willen zum Mißverständnis diskutiert werden kann. Ich hoffe, daß das heute nicht der Fall ist und daß auf diesen Faktor, der einer unter vielen anderen gewichtigen ist, mit der notwendigen Sensibilität eingegangen wird.
Allein im Jahr 1995 wurden etwa 230 000 Arbeitserlaubnisse erstmals an Ausländer aus Drittstaaten erteilt.
Darin sind Saisonarbeitnehmer, die wieder in ihr Heimatland zurückkehren, Angehörige von EU-Staaten und hier geborene Kinder von Ausländern nicht enthalten. Das möchte ich hier nur einmal klarstellen.
Wenn man schätzt, daß diese etwa 230 000 Erlaubnisse, die Fallzahlen darstellen, dazu führen, daß ungefähr 100 000 Menschen dauerhaft am Arbeitsprozeß teilnehmen,
dann bedeutet dies - wenn man das hochrechnet -, daß in den nächsten drei Jahren bei gleichbleibender Entwicklung etwa 300 000 Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden müßten.
Um jedes billige Mißverständnis auszuschließen: Die Ausländer sind nicht schuld an der Arbeitslosigkeit in Deutschland.
Wer würde etwa, wenn er sich in einer ähnlichen Situation wie ein bosnischer Flüchtling befände, nicht versuchen, bei uns in Arbeit und Brot zu kommen?
Aber Verantwortung tragen auch diejenigen mit, die die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland zum Tabuthema erklären wollen
und nicht wahrhaben wollen, daß jeder, der zu uns kommt, nicht nur Infrastruktureinrichtungen, sondern irgendwann einmal auch einen Arbeitsplatz benötigen wird.
Das sind die Tatsachen.
Die Menschen in Deutschland zeigen im übrigen auch dadurch großartige Solidarität - beispielsweise mit den Flüchtlingen aus Bosnien -, daß etwa mehrere zehntausend - wahrscheinlich sind es hunderttausend - Flüchtlinge aus Bosnien bei uns in Arbeit und Brot sind. Das heißt auch: Teilen von Arbeit.
Wer jeglichen Zusammenhang zwischen Arbeitslosenzahlen und dem Zuzug von Arbeitskräften leugnet, handelt nicht seriös, auch wenn er das Gegenteil behauptet.
Ich gebe das Wort der Kollegin Renate Jäger.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon ein erschreckender Grundtenor, wenn man Ausländer und Zuwanderer in einen Zusammenhang mit über 4 Millionen Arbeitslosen in Deutschland bringt und dieses dann auch noch geduldet wird.
Außerdem, Herr Singhammer, grenzt es an Schönfärberei, wenn Sie sagen, die Koalition ist bemüht, die Arbeitslosigkeit nicht ansteigen zu lassen. Das sagen Sie doch schon seit über einem Jahr.
Was ist denn in dem Jahr 1996 passiert? - Gut, das letzte Programm, mit dem Sie nun die Arbeitslosigkeit beseitigen wollen - ich war ja noch wohlwollend -, ist vor über einem Jahr angelaufen. Es ist doch nichts passiert; das Gegenteil tritt ein.
Mit dem Aufweichen des Kündigungsschutzes, mit den Mahnungen an die Tarifparteien zu niedrigen Lohnabschlüssen oder mit ungehörten Appellen an die Wirtschaft - mit diesen Maßnahmen kann man eine Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit nicht leisten, und schon gar nicht mit der Kürzung der Entgelte bei geförderter Beschäftigung.
Schon allein an Hand der Überschriften einiger Dresdner Zeitungen - als sächsische Abgeordnete erlaube ich mir, diese zu nehmen - wird die vielfältige Problemlage sichtbar. „Dresdner Neueste Nachrichten", Oktober: „Sachsens Bau in der Krise: 600 Pleiten in diesem Jahr". „Bild" vom Oktober: „Baukrise: 20 000 Jobs in Gefahr". „Dresdner Morgenpost" vom Dezember: „Neues Firmensterben in der Metallbranche droht". „Dresdner Neueste Nachrichten" vom November: „Arbeitslosigkeit bringt die Renten ins Wanken". „Dresdner Neueste Nachrichten" vom Dezember: „Ungewisse Zukunft für Kinderheim" . „Sächsische Zeitung" vom Dezember: „Lehrstellen: Zusage verfehlt". Hinter jeder Überschrift stecken Schicksale von Betrieben, von Arbeitnehmern, ja von Jugendlichen und von Kindern.
Bleiben wir doch gleich einmal bei der ostdeutschen Bauwirtschaft. Der zu verzeichnende Abwärtstrend entsteht zum einen durch das Auslaufen der besonderen Ostförderung im Baubereich. Heiner Flassbeck, der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, äußerte sich im Dezember in einer Zeitung zur Ostförderung - ich zitiere -:
Weniger Transfers sind mit Sicherheit das Ende des Aufholprozesses ... Die gesamte wirtschaftspolitische Diskussion leidet darunter, daß wir nicht zur Kenntnis nehmen, daß für Ostdeutschland etwas Besonderes zu tun ist.
Das erfordert eben nicht nur Mittel; das erfordert auch Programme, die bisher nicht vorliegen. Wir Sozialdemokraten unterstützen diese Forderung Flassbecks. Die Bundesregierung nimmt diese Forderungen jedoch nicht ernst.
Eine weitere wirtschaftliche Ursache für den Abwärtstrend in der ostdeutschen Baubranche ist die Finanzsituation der Kommunen. Die Politik der massiven Schrumpfung der ostdeutschen Wirtschaft bewirkte nicht nur die hohe Arbeitslosigkeit, sondern auch, daß in Ostdeutschland nur noch ganz wenige Unternehmen Steuern an die Kommunen zahlen. Wegen des vorgeschriebenen Grundsatzes „Privatisierung vor Sanierung" hat die Bundesregierung als Aufsichtsorgan über die Treuhandanstalt diesen Schrumpfungsprozeß mitzuverantworten.
Hinzu kommt, daß die Treuhandanstalt unter der Ägide des Finanzministers ureigene kommunale Liegenschaften verscherbelt hat, die die Kommunen, wenn sie Bauland brauchen, zu hohen Preisen zurückerwerben müssen. Dadurch werden natürlich Investitionen grundsätzlich in Frage gestellt.
Der Zusammenhang zwischen hoher Arbeitslosenquote und hohen Sozialhilfekosten in den Kommunen ist, glaube ich, nicht strittig. Die Sozialhilfekosten werden natürlich steigen, wenn die gesetzlichen Regelungen der Bundesregierung in Kraft treten. Wirksam wird bereits die 3prozentige Absenkung der Arbeitslosenhilfe, geplant sind Kürzungen der Entgelte für geförderte Beschäftigte und Sparmaßnahmen bei Fortbildung und Umschulung. Auch das Auslaufen der besonderen ABM für die ostdeutschen Länder - dies geschah auch nach dem Willen der sächsischen CDU-Abgeordneten - wird die ostdeutschen Kommunen weiter schwächen.
- Wenn ich mich recht entsinne, ist der Vermittlungsausschuß zu dem Ergebnis gekommen, die Ostförderung beizubehalten. Das haben Sie abgelehnt.
Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Beispiel bringen, das ganz typisch ist. Die Arbeitslosenquote im Osten beträgt zur Zeit 15,7 Prozent. In den alten Bundesländern sind es 9,1 Prozent. Dies ist nach sieben Jahren Einheit ein nicht vertretbarer Unterschied.
Es gibt nicht nur seitens der Opposition Forderungen, Ostdeutschland in allen möglichen Bereichen zu fördern, sondern auch von außerparlamentarischen Initiativen und von Fachleuten, die hier im Sinne der Hilfe für über 4 Millionen Arbeitslose gehört werden sollten.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Marieluise Beck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt Momente, in denen kann man nur hoffen, daß die Bevölkerung nicht so genau zuhört, was hier im Parlament gesprochen wird. Wir hatten eben einen dieser Momente.
Die Bundesregierung stolpert seit Beginn der Legislaturperiode von Maßnahme zu Maßnahme. Es gibt keinen Erfolg. Im Bereich der Erwerbslosigkeit ändert sich nichts positiv. Wenn die Zahlen, die zur Jahreswende offenbar geworden sind, noch dramatischer werden, greifen Sie zu dem letzten Mittel, zu einer Sündenbocktheorie, die hochgefährlich und politisch absolut unverantwortlich ist:
Sie verweisen auf die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bis hin zu den Flüchtlingen, die in diesem Land bekanntlich nicht einmal eine Arbeitserlaubnis haben. Sie bieten der Bevölkerung damit vorsorglich eine Sündenbocktheorie an, wenn Sie politisch nicht mehr weiterwissen. Ich hoffe, daß sich auch in den Reihen der Koalitionsfraktionen jemand findet, der bereit ist, sich von diesen Aussagen zu distanzieren.
Wir hatten im Dezember 4,15 Millionen Erwerbslose. Das ist der höchste Dezemberstand, seit es die Bundesrepublik gibt - und das, obwohl die Bundesregierung immer und immer wieder neue Runden drastischer Spar- und Deregulierungspolitik vorangetrieben hat. Wie hoch müssen die Zahlen noch steigen, damit Sie endlich bereit sind, zuzugeben, daß diese Rezepte die Erwerbslosigkeit nicht erfolgreich bekämpfen?! Und das alles vor dem Hintergrund eines Kanzlerversprechens, die Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahre 2000 zu halbieren.
Sie haben ein großes Problem. Das Traurige ist, daß die gesamte Politik ein großes Problem bekommt, nämlich das Problem der nicht eingelösten Versprechen und der enttäuschten Erwartungen. Wir haben das Problem beim Aufbau Ost, wo - ganz im Gegensatz zur sich entwickelnden Realität - blühende Landschaften versprochen worden sind. Jetzt ist kaum jemand mehr in der Lage, die großen Enttäuschungen, die sich in der Bevölkerung breitgemacht haben, aufzufangen.
Genau die gleiche Entwicklung haben wir bei der Arbeitsmarktpolitik. So wie der Hase jetzt läuft, wird es keine Halbierung der Zahl der Erwerbslosen geben. Wir alle stehen verzweifelt vor den Menschen, die uns fragen, wie es denn nun weitergehen soll. Es wird mehr als schwierig sein, diese Enttäuschungen politisch überhaupt noch aufzufangen. Es ist gefährlich, aus dem politischen Raum heraus ständig Erwartungen zu wecken und diese dann nicht zu erfüllen. Begreifen Sie das endlich!
Nun hat Herr Minister Rexrodt darauf eine neue Antwort. Er sagt: Die bisherige Deregulierung hat noch nicht gereicht. Wir müssen bei der Abschaffung des Kündigungsschutzes noch einen Schritt weitergehen. - Dies ist wie im Mittelalter, in dem die Patienten geschröpft wurden. Als sie schon sterbensbleich auf dem Todesbett lagen, wurde dann noch einmal ein Schröpfvorgang eingeleitet, der offensichtlich nicht zur Wiederbelebung führen konnte.
Ich möchte noch einmal an den Reinfall mit dem Ladenschlußgesetz erinnern. Wieviel offensichtlichen Unsinn darf ein Minister in diesem Land eigentlich reden, bevor er in den Ruhestand geschickt wird?
Ich möchte eines festhalten - wenn Sie bereit sind, die Zahlen zur Kenntnis zu nehmen, erkennen Sie es auch selbst -: Das Setzen auf Wirtschaftswachstum ist eine Illusion. Wir haben trotz positiver Wirtschaftsindikatoren ein abnehmendes I Erwerbsvolumen. Das kann nur eine logische Konsequenz haben: Das sich verringernde Erwerbsvolumen muß auf all die Menschen - Frauen und Männer - verteilt werden, die am Erwerbsarbeitsmarkt teilhaben wollen: auf die, die draußen sind, und auf die, die drin sind. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen, wenn wir wirklich gerüstet in das Jahr 2000 gehen wollen.
Wir können nicht immer und immer wieder eine Neuauflage der nicht greifenden Rezepturen machen. Wir brauchen ein Strategiebündel zur Bekämpfung der Erwerbslosigkeit, das sich den Realitäten stellt. Das heißt, daß dann, wenn wir wissen, daß das Erwerbsvolumen trotz des Wirtschaftswachstums nicht zunimmt, die Arbeit verteilt werden muß. Das steht oben auf der Agenda.
Auch der Kanzler hat dies inzwischen offensichtlich gemerkt. Auch er spricht jetzt von der Notwendigkeit des Überstundenabbaus. Dies ist die erste Aufgabe. Dazu gehören alle Maßnahmen zur Unterstützung von Teilzeitarbeit, alle Formen der Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die Verkürzung der Arbeitszeit und - aus dem parlamentarischen Raum - ein Annehmen der Herausforderung, die veränderte Lohnstrukturen und ein verändertes soziales Sicherungssystem bedeutet. Wir müssen uns in diesem Feld bewegen - die Schritte, die man uns abverlangt, werden größer -, statt das Alte beizubehalten.
Marieluise Beck
Noch ein Wort zur aktuellen Situation: Wir hatten heute im Arbeitsausschuß eine Anhörung zur Neuauflage des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes. Alle wissen, daß die Zahl der Arbeitslosen 1997 hoch - sogar noch höher als prognostiziert - sein wird. Sie schleifen die Gelder, die an die Bundesanstalt für Arbeit gehen, und schleifen damit die aktive Arbeitsmarktpolitik. Wie wollen Sie das den Menschen im Lande eigentlich noch erklären?
Ich gebe dem Abgeordneten Paul Friedhoff das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben über 4 Millionen registrierte Arbeitslose bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Beschäftigten. Das zeigt, daß es richtig ist, daß die Politik - aber nicht nur die Politik, sondern auch die Tarifparteien - diesem Problem oberste Priorität einräumt.
Deswegen ist es auch gut, daß wir uns mit diesem Problem häufiger beschäftigen.
Wir müssen uns allerdings darüber im klaren sein, daß diese häufige Beschäftigung mit dieser Thematik nicht dazu führen wird, daß automatisch Arbeitsplätze geschaffen werden. Denn Arbeitsplätze, deren Schaffung in irgendwelchen Runden versprochen wird - das kann man nicht oft genug sagen -, werden nicht in der Politik geschaffen, sondern in den Unternehmen; und daran mangelt es in den Unternehmen.
- Wir sind dabei, diese Rahmenbedingungen zu verbessern, und hoffen, daß wir Sie dabei an unserer Seite finden - bisher leider vergeblich.
Die Sicherung von bestehenden Arbeitsplätzen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze hängen von der Fähigkeit der Unternehmen ab, Aufträge zu bekommen. Aufträge erhält man - daran muß man immer wieder erinnern, weil das sonst bei den heißen Debatten untergeht -, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis der Produkte, die man anbietet, besser ist als bei den Wettbewerbern.
Insofern ist der Arbeitsmarkt - auch wenn das von Ihnen immer wieder bestritten wird und Sie auch gleich wieder dazwischenrufen werden - ein Markt mit Angebot und Nachfrage, bei dem der Marktpreis für Arbeit, also der Lohn, die Arbeitskosten, sicher eine gewisse Rolle spielt.
Wenn wir uns unsere Außenwirtschaftszahlen ansehen - wir wollen den Standort Deutschland nicht herunterreden -, dann stellen wir fest: Hier gibt es Stärken und Schwächen. Wir haben erhebliche Überschüsse beim Handel, aber erhebliche Defizite in den Bereichen, in denen menschliche Arbeit und somit Arbeitskosten eine Rolle spielen, wie es zum Beispiel bei den Dienstleistungen der Fall ist. Immer dann, wenn Arbeitskosten eine Rolle spielen, sind wir schwach. Wenn sie keine Rolle spielen, sind wir international recht gut. Dies ist kein Widerspruch; das können Sie den Zahlen entnehmen.
Unser hohes Dienstleistungsdefizit hat nicht nur etwas damit zu tun, daß die Menschen aus Deutschland in den Süden fahren, weil die Sonne dort besser scheint. Nein, wir sind kein Dienstleistungsstandort. Wir haben hier eine ganze Menge versäumt - nicht nur die Politik, sondern selbstverständlich auch die Unternehmen, selbstverständlich auch die Tarifvertragsparteien.
Wir müssen hier ansetzen, und zwar beide: Tarifvertragsparteien und Politik. Die Koalitionsparteien haben das verstanden. Deswegen haben wir mit den Gesetzen für Wachstum und Beschäftigung - zumindest zu einem Teil - unsere Schularbeiten gemacht.
- Sie können ruhig lachen, Herr Fischer, wenn auch sehr gequält. - Das ist ein Weg in die richtige Richtung.
Bei den Lohnnebenkosten sind Maßnahmen ergriffen worden, die den Anstieg zukünftig verhindern werden. Daß dies nicht schlagartig geht, daß hier eine ganze Reihe von Gesetzen erst nacheinander wirken müssen, daß Ansprüche bestehen, die wir nicht verneinen, sondern erfüllen müssen, ist völlig klar. Aber hier ist eine Reihe von Gesetzen verbessert worden, was uns in die richtige Richtung bringt.
Hier ist eben wieder vom Kündigungsschutz die Rede gewesen. Es wird hier so getan, als säßen auf der einen Seite die Guten, die die Arbeitsplätze wollen.
In dem Eingangsstatement ist uns sogar abgesprochen worden, daß wir überhaupt seriös an diese Dinge herangehen.
Paul K. Friedhoff
Das weise ich zurück. - Frau Fuchs, stellen Sie einmal der Anzahl der Arbeitsplätze, die Sie geschaffen haben, die Zahl der Arbeitsplätze gegenüber, die Unternehmer auf unserer Seite geschaffen haben, die vielen Menschen Beschäftigung geben. Dann wird deutlich: Nicht durch Reden, sondern durch Taten entstehen Arbeitsplätze. Da können wir gern mal eine Bilanz aufstellen.
Da werden Sie wahrscheinlich ganz alt aussehen.
Die Behauptung, die hier eben wieder aufgestellt wurde, daß wir das Kündigungsschutzgesetz abschaffen wollen, trifft nicht zu. Das hat niemand bei uns in irgendeiner Form gefordert. Wir haben beim Kündigungsschutzgesetz den Schwellenwert von fünf auf zehn erhöht, und wir haben rechtliche Klarstellungen bei der Sozialauswahl getroffen,
damit Rechtssicherheit für den Fall eintreten kann, daß man entlassen darf, nämlich im Falle von Arbeitsmangel, damit das nicht automatisch zu hohen Abfindungen führt, die im Gesetz überhaupt nicht vorgesehen sind, sondern wegen der großen Rechtsunsicherheit zustande kommen.
Wir haben darüber hinaus im Rahmen der Steuerreform vor, die bei der Arbeit anfallenden direkten Steuern zu senken und so insgesamt den Druck, der von den Arbeitskosten ausgeht, zu verringern. Aber wir kommen hier nicht so recht weiter,
weil im Bundesrat zum Beispiel die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer von Ihnen blockiert wird, eine Steuer, die ebenfalls dazu führt, daß es in Deutschland nicht mehr, sondern weniger Arbeit gibt.
Es wird hier immer gesagt: Sie wollen den Standort Deutschland so kostengünstig machen, daß wir mit den Niedriglohnländern konkurrieren können. - Dies ist überhaupt nicht unsere Absicht. Deutschland wird ein Hochlohnland bleiben. Wir müssen aber wieder konkurrenzfähig mit den Ländern werden, die ebenfalls hohe Lohnkosten haben, die aber nicht so hoch sind wie bei uns, obwohl sie genauso gute Produkte wie wir herstellen können.
Wir glauben, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Wir werden uns nicht beirren lassen. Die F.D.P. wird die Bundesregierung auf dem eingeschlagenen Weg weiterhin unterstützen.
Ich gebe das Wort dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Norbert Blüm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Knake-Werner, Sie haben die Debatte mit dem Vorwurf eröffnet, es gehe uns nicht um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
- Das wird hier noch bestätigt. - Können wir uns einmal darauf verständigen, daß wir hier im Parlament um den besten Weg zur Überwindung der Arbeitslosigkeit streiten?
Wenn das hier von der SPD bestätigt wird, dann weise ich die Behauptung als eine Unverschämtheit zurück, wir würden uns mit der Arbeitslosigkeit abfinden.
Wir streiten uns über den Weg. Der Streit muß auch sein. Aber bei 4 Millionen Arbeitslosen kenne ich niemanden, der ruhig sitzen bleiben kann.
Niemand kann mit dem Zustand zufrieden sein. Es wäre besser, wir würden den Streit als einen Wettbewerb um den besten Weg führen und nicht als eine moralische Verdächtigung derjenigen, die Ihren Weg nicht bevorzugen.
Denn von diesen wechselseitigen Vorwürfen haben die Arbeitslosen überhaupt nichts.
Ich halte fest: Es ist jetzt ein Jahr her, daß sich Gewerkschaften, Arbeitgeber und Regierung auf das ehrgeizige Ziel verständigt haben, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahre 2000 zu halbieren. Dieses Ziel gilt. Es ist nicht ein Ziel, das die Bundesregierung, die Koalition sozusagen im Alleingang erreichen kann. Es ist ein Ziel, das nur erreicht werden kann, wenn alle mitwirken. Keiner schafft es allein.
Wir haben uns darauf verständigt, die Sozialabgaben bis zum Jahr 2000 unter 40 Prozent zu drücken.
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Sagen Sie mir einmal, wie Sie das ohne Sparen erreichen wollen!
- Sie sind doch gegen jeden Sparvorschlag.
Ich glaube, daß wir auch umfinanzieren müssen. Aber ohne Sparen - das ist eine Frage von Adam Riese -, ohne Entlastung der Sozialsysteme ist das nicht zu schaffen. Das ist kein populärer Weg. Bisher habe ich aus Ihren Reihen eigentlich immer nur Vorschläge zu den versicherungsfremden Leistungen gehört. Das sind sehr respektable Vorschläge; aber mit Veränderungen nur bei versicherungsfremden Leistungen erreichen Sie das Ziel nicht. Auch das ist keine Frage der Meinung, sondern des Rechnens.
Im Grunde, glaube ich, geht es schon um zwei Denkschulen.
Die eine Denkschule fragt: Geht uns die Arbeit aus? - Wenn das stimmt, dann bleibt eigentlich nur Arbeitsverwaltung und -verteilung. Das ist ganz konsequent. Dann gibt es nur Hin- und Herschieben. Die andere Denkschule fragt: Hat die Arbeit Zukunft? - Freilich fällt sie nicht vom Himmel. Sie muß neu organisiert werden. Wir brauchen Umstellung. Kostenmanagement muß um Innovationsmanagement ergänzt werden.
Dazu gehören nicht nur neue Produkte, sondern auch eine neue Arbeitsorganisation. Die Arbeit muß bezahlbar sein, daran führt kein Weg vorbei. Darum bemühen wir uns.
Sie können unsere Vorschläge ablehnen. Aber Sie werden doch nicht bestreiten, daß wir gehandelt haben. Wenn alle so gehandelt hätten, wären wir schon ein Stück weiter. Wir haben die Frühverrentung mit Zustimmung der Sozialpartner, mit Zustimmung der Gewerkschaften eingedämmt. Wir haben Altersgrenzen angehoben
- das alles ist nicht populär -, Ausbildungszeiten verkürzt.
Wir haben den Kündigungsschutz für Arbeitnehmer
in Betrieben unter zehn Arbeitnehmern in der Tat
nicht beseitigt. Es kann doch nicht jeder machen, was er will; wir sind doch nicht im Wilden Westen. Wir haben den Schwellenwert für Sozialauswahl in kleinen Betrieben angehoben. In Betrieben mit bis zu fünf Arbeitnehmern gab es diese Sozialauswahl schon bisher nicht. Im übrigen ist in Kleinbetrieben die Möglichkeit zur Sozialauswahl relativ klein. Ich bleibe dabei: In der Tat haben die, die gesagt haben, das sei ein Einstellungshemmnis, nun auch einzustellen. Die Politik kann nicht einstellen, die Politik schafft keine Arbeitsplätze.
Wir haben Voraussetzungen dafür geschaffen. In der Tat erwarten wir von denjenigen, die das gefordert haben, jetzt verstärkte Anstrengungen. Wir leben Gott sei Dank nicht in einer Staatswirtschaft. Um zu wissen, wohin eine Staatswirtschaft führt, brauchen wir in Deutschland keine neuen Feldversuche.
Wir hatten 40 Jahre Feldversuche dazu.
Wir brauchen neue Beschäftigungsfelder. Warum machen Sie den Haushalt als Beschäftigungsfeld immer madig? Ist der Haushalt ein minderwertiger Arbeitsplatz? Mir ist es jedenfalls lieber, jemand hat in einem Haushalt ein ordentliches Arbeitsverhältnis, als daß er mit einer geringfügigen Beschäftigung abgespeist wird. Mir ist es lieber, er hat Arbeit, als daß er vom Arbeitsamt Unterstützung erhält.
Frau Jäger, um auf Ihren Debattenbeitrag zum AFG einzugehen: Sie haben bedauert, daß für die neuen Länder Regelungen auslaufen. Sie hätten das verhindern können. Sie hätten dem AFG freie Bahn geben müssen.
Dann gäbe es seit dem 1. Januar neue Instrumente. Dann gäbe es einen Lohnkostenzuschuß in Höhe des Arbeitslosengeldes bei der Einstellung von Langzeitarbeitslosen in kleinen Betrieben mit bis zu zwei Arbeitnehmern bzw. mit unter zehn Arbeitnehmern und in größeren Betrieben. Wenn das heute nicht gezahlt wird, Frau Jäger, wenden Sie sich an Ihre eigenen Reihen. Auf der rechten Seite des Hauses sitzen nicht diejenigen, die das Ganze blockiert haben.
Wenn Sie die Blockierer suchen, müssen Sie auf der linken Seite des Hauses suchen. Sie haben das Arbeitsförderungsgesetz blockiert.
Sie haben noch nicht einmal unsere ausgestreckte Hand zu einem Vermittlungsversuch ergriffen. Sie
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
haben einfach kurzerhand blockiert. Wir werden das Arbeitsförderungsgesetz jetzt zustimmungsfrei auf den Weg geben. Wir hoffen, daß die neuen Instrumente am 1. April wirken.
Sie haben zu verantworten, daß wir drei Monate für neue Instrumente in den neuen Bundesländern verloren haben. Frau Jäger, Sie und Ihre Fraktion haben die neuen Instrumente verhindert.
Wir wollen uns in besonderer Weise den Langzeitarbeitslosen zuwenden. Die Betroffenheit der Arbeitslosen ist höchst unterschiedlich: 30 Prozent sind unter drei Monate arbeitslos, 60 Prozent unter sechs Monate. Es geht ganz besonders um jene 40 Prozent, die lange arbeitslos sind und die es aus eigener Kraft nicht mehr schaffen, einen Arbeitsplatz zu finden. Deshalb sind wir für neue, auch für ungewöhnliche Wege, beispielsweise für einen Eingliederungsvertrag, der den Betrieben das Risiko der Lohnfortzahlung in den ersten sechs Monaten nimmt. Dieses Risiko hat sich als Einstellungshürde erwiesen.
Wir kommen mit den Globalvorwürfen nicht weiter. Wir kommen nur durch konkrete Politik weiter. Mit den Anstrengungen, die wir unternehmen, Sozialabgaben zu mindern und den Beitragsanstieg abzubremsen, sparen wir doch nicht für irgendwelche Ölscheichs, für irgendwelche Millionäre. Wir sparen für Millionen von Beitragszahlern, die an der Grenze der Belastbarkeit angekommen sind. Wir sparen dafür, daß Arbeitsplätze von Kosten entlastet werden.
Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, um zu sagen: Kein Mensch denkt an Rentenkürzungen, obwohl das immer wieder als polemische Keule benutzt wird, um 17 Millionen Rentner in Unruhe und Angst zu stürzen. Es geht überhaupt nicht um Rentenkürzungen. Es geht vielmehr um das Rentenniveau. Das ist das Verhältnis zwischen Rentenhöhe und den vergleichbaren Einkommen der Erwerbstätigen. Wenn die Anpassung des Rentenniveaus eine Rentenkürzung wäre, dann wäre die Nettorente, die wir mit Ihnen eingeführt haben, eine Rentenkürzung gewesen. Niemand von Ihnen hat das damals behauptet. Deshalb sollten Sie vorsichtig sein, die Anpassung des Rentenniveaus für Polemik zu nutzen. Es bleibt dabei: Die Rente muß leistungsbezogen sein. Ich werde mit allen immer ein Rentensystem verteidigen, das Abstand zur Sozialhilfe hält.
In all unseren Sozialsystemen muß nicht nur gespart werden. Es muß auch gefragt werden: Was muß mit Beiträgen bezahlt werden? Was muß mit Steuern bezahlt werden? Es ist richtig: Nicht die Sozialleistungsquote ist davongelaufen, unter dem Dach der Sozialleistungsquote hat es eine Verschiebung von Steuern zu Beiträgen gegeben.
Diese Entwicklung muß umgekehrt werden. Aber ohne Sparen geht es nicht. Ohne Sparen können wir keine dauerhafte Entlastung schaffen.
Im übrigen nutze ich die Gelegenheit, auch Sie zu bitten, die zum Konsens ausgestreckte Hand nicht schon dann zurückzuweisen, wenn wir gerade am Beginn einer großen Reformaufgabe stehen. Wir erreichen das Ziel also nicht, indem jeder auf seinem Weg bleibt, sondern nur, indem wir alle zusammenarbeiten. Deshalb bin ich für ein „Bündnis für Arbeit" .
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Anke Fuchs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nein, Herr Blüm, damit lassen wir Sie nicht durch. Seit 14 Jahren sind Sie Arbeitsminister, sagen immer dasselbe, und die Arbeitslosigkeit steigt. Ich hätte erwartet, daß Sie hier einmal bekennen, daß Sie den falschen Weg gegangen sind.
Wir hätten erwartet, daß zu Beginn dieses Jahres Nachdenklichkeit eingetreten wäre. Wir führen hier eine polemische Debatte; das Thema ist dazu auch ( geeignet. Aber ich bin tief besorgt, weil durch die ansteigende Zahl von Arbeitslosen und durch dieses Herumgerühre - oder wie soll man das eigentlich nennen, was die Bundesregierung an Politik betreibt? - eine Art Attentismus in unserem Land entstanden ist.
Dabei bräuchten wir zu Beginn dieses Jahres wirtschaftliche Dynamik, sozialen Zusammenhalt und Zukunftsperspektiven. Die sind bei dieser Bundesregierung überhaupt nicht zu erkennen, und das macht mich sehr besorgt.
Sie sagen immer dasselbe, Herr Arbeitsminister. Ich denke, daß Sie zum Teil einen großen Leidensweg hinter sich haben; das will ich Ihnen durchaus zugestehen. Aber wenn wir Sozialdemokraten sagen: „Diese Bundesregierung findet sich mit Arbeitslosigkeit ab", dann meine ich damit insbesondere den F.D.P.-Koalitionspartner. Wenn sich ein Wirtschaftsminister hinstellt und sagt: „Es ist immer noch zu schwer, Leute loszuwerden", dann ist sein Rücktritt fällig. Das kann sich auch diese Regierung nicht gefallen lassen.
Anke Fuchs
Wir hätten erwartet, daß es dazu morgen eine Regierungserklärung gibt, daß man den Gesamtzusammenhang zwischen Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik darlegt. Aber die Bundesregierung will nicht.
Statt dessen sagt der Bundeskanzler auf den Neujahrsempfängen,
wir sollten die Überstunden abbauen. Darf ich Sie daran erinnern, meine Damen und Herren, daß Sie ein Arbeitszeitgesetz verabschiedet haben, das den Rahmen für Überstunden erweitert hat. Sie wollen das alles doch gar nicht, was der Bundeskanzler jetzt in Ansprachen von sich gibt.
Deswegen denke ich, es wäre an der Zeit, daß Sie sagen: Unser Weg ist der falsche. Es wäre an der Zeit, daß Sie bekennen, daß Sie durch Ihre einseitige Sozialabbau- und Arbeitnehmerrechteabbaupolitik zu immer mehr Arbeitslosigkeit beigetragen haben und daß nicht das ausgelöst wurde, was jetzt eigentlich nötig wäre, nämlich wirtschaftliche Dynamik, Innovationsprozesse und Zukunftshoffnung durch eine positive, beschäftigungsorientierte wirtschaftliche Entwicklung.
Das kommt nicht. Deswegen sollten Sie eingestehen, daß Sie am Ende Ihres Lateins sind.
Ich hätte auch erwartet, daß Sie sagen: Jawohl, wir denken darüber nach, welche Fehler wir angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit gemacht haben.
Ich will jetzt nicht den Zettel meiner Kollegin Matthäus-Maier herausholen und erklären, was wir eingebracht haben. Vielmehr will ich nur drei kurze Stichpunkte aufzählen:
Es ist richtig, daß jetzt Dynamik erreicht werden muß. Dazu brauchen wir eine Entlastung der Arbeitsplätze durch eine merkliche Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Wir wollen dies mit der ökologischen Erneuerung der Industriegesellschaft kombinieren. Das ist ein Senkungsprogramm und ein Zukunftsprogramm. Meine Damen und Herren, warum folgen Sie uns da eigentlich nicht?
Wir wollen Steuersenkungen im Eingangsbereich. Wir wollen ein Maßnahmenbündel - ich sage das noch einmal - für Innovation und Dynamik. Es muß begleitet werden von einem Programm insbesondere
für den mittelständischen Bereich, für kleine und mittlere Unternehmen. Warum tun Sie eigentlich nichts in all diesen Bereichen, die wir durch Anträge begleitet haben? Sie verharren in Attentismus und wundern sich dann, wenn insgesamt mehr Arbeitslose da sind, als Sie selbst sich das wahrscheinlich haben träumen lassen.
Der dritte Bereich: Sie sollten sich mit Nachdruck dazu bekennen, daß wir auf absehbare Zeit einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt brauchen. Es ist doch allemal sinnvoller, für bezahlbare Arbeit zu sorgen, als Arbeitslosigkeit hinzunehmen.
Deswegen ist der Abbau von Überstunden so wichtig. Deswegen ist die Abschaffung der Geringfügigkeitsgrenze so wichtig, wenn wir vernünftige sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse haben wollen.
Deswegen ist die Rücknahme der Veränderungen beim Kündigungsschutz wichtig, damit wieder Sicherheit bei den Arbeitnehmern eintreten kann.
Deswegen brauchen wir alles kombiniert - ich will das noch einmal zusammenfassen -: Dynamik, Innovation, eine Steuerpolitik, die dieses erleichtert, ein gebündeltes Paket, um Arbeit zu festigen und Arbeitslosigkeit zu verhindern, auch und gerade im Dienstleistungsbereich.
Diese Dynamik muß in die europäische wirtschaftliche Entwicklung hineingetragen werden. Denn wenn diese Dynamik nicht von der Bundesrepublik ausgeht, werden wir steigende Arbeitslosenzahlen in ganz Europa haben. Das kann für diese Demokratie nicht zuträglich sein.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kurzzeitig, Frau Fuchs, hatte ich eben das Gefühl oder die Hoffnung, daß wir vielleicht tatsächlich zu einer nachdenklichen Debatte kommen. Aber geworden ist daraus nichts. Ich versetze mich einmal in die Rolle eines 47jährigen Arbeitslosen in Hamburg, den ich kenne, eines Mannes, der 27 Jahre bei ein und der gleichen Firma, bei Siemens, gearbeitet hat, der zwei Kinder hat, der verheiratet ist und der nach diesen 27 Jahren nun ohne Arbeit ist.
Birgit Schnieber-Jastram
Wie werden wir diesem Mann in dieser Debatte eigentlich gerecht?
Was mag sich dieser Mann denken, wenn er sich dieses hektische Gerede anhört? Welche praktischen Antworten, welche wirklichen Perspektiven geben wir ihm an dieser Stelle?
Wie oft haben wir in diesem Haus über dieses Thema geredet, und zu welchen Beschlüssen haben wir uns denn gemeinsam durchringen können? Wo sind denn Ihre Beschlüsse?
Ich frage Sie einmal, meine Damen und Herren von der Opposition: Wozu sind wir eigentlich gewählt? Zum Reden oder zum Handeln? Ich jedenfalls zum Handeln!
Wie sieht der Status quo aus? Wir haben in Deutschland eine Beschäftigungskrise und ungeheuer viele persönliche Krisen durch Erwerbslosigkeit. Aber anstatt uns zusammenzusetzen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, kocht jede Interessenvertretung auf unerträgliche Art und Weise ihr ganz privates eigenes Süppchen. Sie sind darin beispielhaft; das sage ich Ihnen.
Die Opposition, aber auch die Wirtschaft und die Gewerkschaften tun das. Wir sollten uns dessen bewußt sein, daß wir vor bitteren und schweren Entscheidungen stehen, die Veränderungen für alle Bürger mit sich bringen werden.
Wenn wir nicht aufhören, nur zu reden, und uns nicht entscheiden, wie wir Innovationen fördern wollen, wie wir flexible Arbeitszeiten besser möglich machen wollen, wie wir Sozialbeiträge und Steuern so schnell wie möglich umfassend senken, wie wir dieses Problem angehen, dann werden wir den Menschen, die ohne Arbeit sind, überhaupt kein Stückchen weiterhelfen.
Eines möchte ich Ihnen noch sagen. Noch können wir die notwendigen Anpassungen relativ gut sozialverträglich abfedern. Noch können wir einen sozialverträglichen Übergang von alten zu neuen Industrie- und Arbeitsstrukturen schaffen. Aber je mehr Zeit wir uns mit notwendigen Reformen lassen, desto mehr werden wir von den Entwicklungen getrieben. Wenn es das ist, was Sie wollen, dann machen Sie nur weiter so!
Ich möchte am Ende an Arbeitgeber, an Gewerkschaften, an alle Arbeitsplatzbesitzer und auch an die Opposition appellieren:
Lassen Sie uns in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik nicht nur gegeneinander für eigene Interessen und eigene Profilierungen kämpfen, sondern lassen Sie uns zusammen etwas für mehr Beschäftigung tun - auch wenn wir dafür ein klein wenig Besitzstand aufgeben müssen. Ich glaube, das ist ein Ziel, das zu erreichen sich wirklich lohnt. Wie habe ich doch kürzlich in einem Artikel in der „Zeit" gelesen: „Die Früchte des Erfolges schmecken süßer, wenn sie sozial nicht vergiftet sind. "
Herr Kollege Schwanhold, Sie sind heute ja fast ein „Zwischenrufkönig". Da Sie gleich das Wort bekommen, können Sie sich vielleicht ein bißchen zurückhalten und dem Redner zuhören.
Ich gebe das Wort dem Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Günter Rexrodt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden in 1997 ein passables Wachstum von 2 1/2 Prozent haben, dies nach 1,4 Prozent in 1996. Einer reifen Volkswirtschaft ein solches Wachstum real hinzuzufügen ist eine gute Leistung.
Aber die Arbeitslosigkeit wird dennoch höher als erwartet sein. Wir hatten im Durchschnitt des Jahres 1996 knapp 4 Millionen Arbeitslose.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Wir werden 1997 nach unserer Prognose über 4 Millionen Arbeitslose haben.
Das Problem der Arbeitslosigkeit ist mit Wachstum nicht lösbar. Sie hat mannigfache Ursachen. Wer sie bekämpfen will, muß die Ursachen bekämpfen.
Die Ursachen liegen letztlich darin, daß wir zusätzliche internationale Konkurrenz haben und in der Gesellschaft und in der Wirtschaft unseres Landes noch keine ausreichend modernen, auf diese neue Konkurrenz eingestellten Strukturen haben.
Wir haben überregulierte Märkte, wir haben eine zu hohe Staatsquote, und wir brauchen eine Neuorganisation der Arbeitswelt.
Die Bundesregierung hat dazu eine Paketlösung vorgelegt. Wir haben diese Dinge erstmals im Konzept im Jahre 1993 mit unserem Standortbericht präsentiert. Wir haben ein Aktionsprogramm und ein Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung. Das ist ein in sich stimmiges Konzept,
zu dem Sie bisher keine Alternative vorgelegt haben. Dieses Konzept hat fünf Säulen:
Es geht erstens darum, unsere Unternehmen von Kosten zu entlasten.
Es geht zweitens darum, mehr Flexibilisierung in der Arbeitswelt herbeizuführen.
Es geht drittens darum, Bürokratie abzubauen und mehr Freiräume für Unternehmen zu schaffen.
Wir brauchen viertens mehr Aktivitäten in der Wirtschaft und in den Instituten, bei Forschung und Innovation.
Und wir müssen unsere Wirtschaft außenwirtschaftlich - das ist die fünfte Säule - flankieren.
- Die Leute draußen, Herr Fischer, erwarten mehr als (C flotte Sprüche; sie erwarten Vorschläge, sie erwarten etwas zur Sache.
Dazu haben Sie noch nie etwas gesagt. Sie haben bisher eine Blockadehaltung an den Tag gelegt, aber es ist noch nie etwas von Ihnen gekommen, was den Menschen draußen helfen könnte.
Die Arbeitslosigkeit erfordert Ernsthaftigkeit und keine Showvorstellung und unseriöses Verhalten. Das ist es, worauf es ankommt, Herr Fischer.
Meine Damen und Herren, wir werden dieses Paket umsetzen, indem wir eine große Steuerreform an das anschließen, was wir mit den Jahressteuergesetzen 1996 und 1997 bewirkt haben und bewirken wollen.
Das ist die Abschaffung der Vermögensteuer und der Substanzsteuern insgesamt. Bei der Gewerbekapitalsteuer blockieren Sie. Wir wollen eine Nettoentlastung und werden eine Nettoentlastung der Bürger und Unternehmen herbeiführen. Das ist die entscheidende Botschaft im Zusammenhang mit der Steuerreform. Es gibt eine Nettoentlastung in der Größenordnung einer zweistelligen Milliardenzahl. Nehmen Sie das zur Kenntnis.
Wir werden - es geht um die Kostenentlastung der Unternehmen - die Lohnzusatzkosten senken müssen.
Damit sind wir bei den Sozialsystemen, die einer Reform bedürfen. In dem Zusammenhang wird immer - wie ich meine: zu Recht - von der Verlagerung der versicherungsfremden Leistungen gesprochen. Die Verlagerung bestimmter Aufwendungen und Leistungen auf den Steuerzahler ist kein Königsweg. Wir kommen an der Reform der Sozialsysteme nicht vorbei. Der Druck, diese Sozialsysteme zu ändern
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
und Entlastungen durch eine Reform dieser Systeme vorzunehmen, muß erhalten bleiben. Wir müssen dabei auch über versicherungsfremde Leistungen und deren Finanzierung sprechen, aber nicht in dem Sinne, daß wir die Lasten direkt von den Sozialsystemen hin auf die Steuerzahler verlagern.
Wir brauchen eine Neuorganisation des Arbeitsmarktes. Auf diesem Gebiet ist viel erreicht worden. Durch die Reform der Lohnfortzahlung, des Kündigungsschutzes und im Bereich der Zeitarbeitsplätze haben wir mehr Freiräume geschaffen.
Wenn wir mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt haben wollen, dann geht es auch darum - das ist ein wichtiges Teilthema -, den Abbau von Überstunden herbeizuführen. Überstunden werden im Übermaß geleistet. Wer sie abbauen will, der muß sich fragen, warum denn Überstunden gemacht werden. Ich lasse einmal die Tatsache außen vor, daß es immer die Betriebsräte sind, die von mir fordern, daß weiterhin Überstunden gemacht werden können.
- Das ist der Fall, Frau Fuchs. Gehen Sie einmal in die Betriebe!
- Ich könnte Ihnen Namen nennen.
Es bestehen Barrieren, Leute einzustellen, weil das bestehende Beschäftigungssystem als zuwenig flexibel empfunden wird,
um Arbeitsanfall und Beschäftigung richtig aufeinander abzustimmen. Diese Zurückhaltung ist nur zu einem Teil begründet, weil wir befristete Arbeitsverhältnisse geschaffen haben und den Kündigungsschutz bei kleinen und mittleren Betrieben gelockert haben.
Es bedarf nicht des Wiederaufrollens der Debatte um das Kündigungsrecht, um mehr Flexibilität zu erzeugen. Vielmehr bedarf es zunächst einmal kreativer Anstrengungen der Tarifparteien, um zu dieser Flexibilität zu kommen. Teilzeitarbeit und Arbeitszeitkonten sind die entscheidenden Stichworte.
Weiterhin ist entscheidend, daß Unternehmen die faktischen und psychologischen Barrieren für zusätzliche Einstellungen überwinden. Ich sage mit allem Nachdruck: Es muß in diesem Land möglich sein, all das anzusprechen, was einen Beitrag auf diesem Weg leisten kann.
Es ist unglaublich, mir zu unterstellen, ich wolle etwas anderes als den Abbau von Überstunden, bessere Bedingungen für die Einstellungen von Menschen und damit mehr Beschäftigung. Jeder sollte sich das, was ich gesagt habe, im Kontext durchlesen. Sätze - es gibt zugegebenermaßen einen unglücklich formulierten Satz - aus dem Zusammenhang zu reißen, sich dann scheinheilig aufzuspielen, Entsetzen vorzuspielen und in persönliche Verunglimpfungen zu verfallen mag zwar politischer Stil sein - auch bei Kollegen aus den eigenen Reihen und bei Leuten, die mit ihrem Schicksal unzufrieden sind -, in der Sache hilft das aber nicht weiter.
Ich habe, was diesen Zusammenhang angeht, noch nie so viele Leute getroffen, die mir hinter vorgehaltener Hand zugestimmt und gesagt haben, ich hätte ja recht. Einige andere, die sich zu Wort melden und die genau wissen, um was es geht, hängen sich an einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat auf und benutzen dabei eine Wortwahl, die nicht zu akzeptieren ist.
Es geht darum, bestehende Barrieren abzubauen, damit Menschen zusätzlich eingestellt werden. Ich trete für mehr Beschäftigung ein. Das ist das Entscheidende.
Haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, irgendwann ein Konzept vorgelegt? Ich habe es nicht gesehen.
Sie sagen entweder das, was wir vorsagen, mit anderen Akzentuierungen nach,
oder Sie wollen eine keynesianische Politik.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
- Herr Fischer, Sie übersehen dabei, daß 100 DM zusätzliche Kaufkraft 200 DM zusätzliche Belastung für die Unternehmen bedeuten. Das kann nicht die Alternative sein.
Die Politiker und die Tarifpartner müssen ihre Schularbeiten machen. Wir haben ein Konzept; Sie haben keines. Wir werden dieses Konzept in der Zukunft Schritt für Schritt umsetzen.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, eine Debatte macht nur Sinn, wenn man nicht nur redet, sondern auch zuhört.
Ich gebe dem Abgeordneten Ernst Schwanhold das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade weil ich Minister Rexrodt bei der Passage seiner Rede, in der es darum ging, ob über mögliche Aufweichungen des Kündigungsschutzes zusätzliche Beschäftigung organisiert werden könne, sehr genau zugehört habe, sage ich: Herr Minister, durch das, was Sie hier gesagt haben, wird es eher schlimmer.
Sie wollen genau diesen Weg gehen. Dies ist eine Verhöhnung der Arbeitslosen. Es geht nicht darum, wie man Leute rausschmeißen kann, sondern darum, wie zusätzliche Beschäftigung organisiert werden kann. Genau darum geht es.
Das Ergebnis Ihrer Politik, die Sie im Jahreswirtschaftsbericht 1996 skizziert haben - dies ist ein Jahr her -, ist ein Anstieg und kein Abbau der Arbeitslosigkeit, und zwar ein Anstieg nicht nur um 100 000 oder 200 000, sondern im Laufe des Jahres um eine Zahl, die inzwischen fast an 500 000 heranreicht. Wir sprechen hier von 4,2 Millionen Arbeitslosen. Es sind tatsächlich fast 7 Millionen Menschen, die in diesem Land Arbeit suchen.
Wie lange wollen Sie sich in diesem Parlament eigentlich noch einer Debatte darüber verweigern, wie
man die Arbeitslosigkeit beseitigen kann? Es ist doch unwürdig, in einer Aktuellen Stunde darüber zu sprechen.
Der Bundeskanzler hatte gestern Zeit - das finde ich in Ordnung -, bei der Einführung des neuen Präsidenten des ZDH darüber zu schwadronieren, wie Arbeitsplätze geschaffen werden müssen.
Warum stellt er sich eigentlich nicht heute dieser Debatte? Warum stellt er sich nicht in dieser Woche vor das Parlament und das deutsche Volk und sagt: Unser Weg ist fehlgeschlagen; wir werden neue Wege sowie Konzepte erproben und dies gemeinsam mit den Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Opposition tun?
Es ist doch geradezu ein Hohn: Der Minister stellt sich hierher und sagt: Ein wirtschaftliches Wachstum von 2 bis 2,5 Prozent wird Arbeitslosigkeit nicht beseitigen. - Warum eigentlich erreichen all unsere Nachbarn über Wachstum eine deutlich geringere Arbeitslosenquote als wir? Warum unternehmen wir keine Anstrengungen, im ökologischen Bereich wirtschaftliches Wachstum zu organisieren? Der Minister sagt dazu: Wir brauchen dieses Wachstum gar nicht. Wir erreichen es nicht. Erst einmal müssen wir die Standards und das, was Sie an Chaos und Regulierung aufgebaut haben, abbauen. - Sicher müssen Sie es abbauen. Das ist aber nicht der einzige Weg. Fangen Sie endlich an, Ihr Chaos abzubauen, und reden Sie nicht nur davon!
Sie sprechen immer wieder über technologische Innovationen. Wir haben Ihnen in den Bereichen der Umweltpolitik, der Biotechnologie und der Informations- und Kommunikationstechnologien Wege angeboten, um Schwerpunkte zu setzen, damit wir an den neuen Wachstumsmärkten beteiligt sind. Wir Sozialdemokraten wollen diesen Weg, auch wenn er in bestimmten Bereichen risikoreich ist, mit Ihnen gehen. Was tun Sie denn dazu? Wo sind Ihre Initiativen für Ostdeutschland, flankiert von Wissenschaft und Forschung, damit auch dort diese Arbeitsplätze eingerichtet werden?
Ernst Schwanhold
Sie richten schon heute mit Ihrer Steuerdebatte eher ein Chaos an, als daß Sie bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Vertrauen dafür schaffen, sie könnten etwas von ihren Ersparnissen freisetzen, um so am Markt wieder eine erhöhte Nachfrage zu erreichen. Sie verunsichern und sagen nicht, wohin Sie wollen.
Das gleiche, was für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt, nämlich Zukunftsangst, gilt inzwischen auch für den mittelständischen Unternehmer und den Großunternehmer. Wir haben heute morgen mit Vertretern der Bauindustrie zusammengesessen. Es waren auch Vertreter aus Bayern anwesend. Sie waren zutiefst verunsichert. Scharf gegeißelt wurde die Abschaffung des Schlechtwettergeldes, weil dies die Unternehmen in die Pleite treibt. Noch nie sind so viele Bauunternehmen pleite gegangen wie im letzten Jahr. Sie aber wollen den Kurs fortsetzen.
Dies hat mit der Abschaffung des Schlechtwettergeldes zu tun oder zumindest damit, daß Sie sich vorsorglich von den Kosten der davon betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet haben und sie zu Lasten der Steuerzahler der Verantwortung der Arbeitslosenkassen übertragen haben. Jetzt wundern Sie sich darüber, daß die Beiträge zur Sozialversicherung derart gestiegen sind. Wenn die Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben werden und keine Beitragszahler mehr vorhanden sind, dann ist das das Ergebnis Ihrer Politik.
Wir brauchen einen Neuanfang mit Zukunftsinvestitionen und Entrümpelung in den Bereichen, wo Sie Chaos angerichtet haben. Herr Minister, insbesondere nach Ihrer Rede heute bin ich sicher: Sie sind dazu nicht fähig.
Nun gebe ich dem Abgeordneten Ernst Hinsken das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein wirklich schwerer Schicksalsschlag, wenn man in die Arbeitslosigkeit kommt. Sie ist schlimm; sie ist bedrükkend. Deshalb ist es gut, daß wir dieses Thema heute im Rahmen der Aktuellen Stunde ansprechen, wobei ich davon ausgehe, daß auch meinem Kollegen Schwanhold nicht entgangen ist, daß dieses Thema allein im letzten halben Jahr in jeder Sitzungswoche von Bedeutung war und daß die große Debatte hierzu dann stattfinden wird, wenn wir den Jahreswirtschaftsbericht erörtern und erläutern werden. Dann wird hier von verschiedenen führenden Leuten der Regierung verstärkt auf dieses Thema eingegangen.
Es kann sicherlich kein Trost sein, wenn wir, was Arbeitslosenzahlen anbelangt, feststellen müssen, daß sie in neun EG-Staaten rund um die Bundesrepublik Deutschland im Jahresdurchschnitt höher liegen und daß die Zahl der Arbeitsplätze in vier Staaten der EG
prozentual stärker gesunken ist als bei uns in der Bundesrepublik Deutschland.
Weil wir wissen, daß es hier dringend geboten ist, etwas zu tun, haben wir ein Programm für Wachstum und Beschäftigung aufgelegt.
Leider haben aber die Tarifpartner die gesetzlichen Möglichkeiten nur teilweise genutzt. Ich nenne nur das Stichwort Lohnfortzahlung. Wir brauchen gerade in der jetzigen Zeit eine Korrektur unseres Sozialstaates.
Es ist doch unverständlich, wenn bei uns bei Kürzungen im Sozialbereich von 25 bis 30 Milliarden DM ein Kriegsgeschrei ohnegleichen entfacht wird, statt bereit zu sein, zu sehen und zu erkennen, was zum Beispiel in Schweden gemacht worden ist. Prozentual umgelegt hat man dort in den letzten fünf Jahren über 300 Milliarden DM, das Zehnfache eingespart und somit den Wettbewerbs- und Wirtschaftsstandard in Schweden wieder flottgemacht.
Davon können wir lernen.
Da sollten Sie einmal hin, in dieses ehemals sozialistische Superland, das Sie uns immer wieder nahezubringen versucht haben.
Unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, braucht eine Frischzellenkur. Wir brauchen eine Neuauflage des alten Schlagers, der vor zehn Jahren „in" war: „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt."
Ernst Hinsken
Das sollte aber nicht nur für die Regierenden gelten, sondern vor allen Dingen auch für Sie von der Opposition, die Sie wichtige Entscheidungen von uns bisher immer blockiert haben. Zu den wichtigen Entscheidungen möchte ich nur sagen: Sie waren dagegen, als es darum gegangen ist, die Schwellenwerte beim Kündigungsschutz anzuheben. Sie waren gegen die Absenkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sie waren gegen die dritte Stufe der Gesundheitsreform. Sie waren gegen die Reform des Arbeitsförderungsgesetzes. Sie waren gegen die Abschaffung der Vermögensteuer. Sie waren gegen die Entlastungen bei der Gewerbe- und Erbschaftsteuer. Sie waren gegen die Planungsvereinfachung und Kürzung der Genehmigungsverfahren. Sie waren gegen die Änderung der Ausbildungsordnungen. Sie sind dagegen, wenn es darum geht, eine praxisgerechte Ausgestaltung der beruflichen Bildung zu schaffen. Immer waren und sind Sie dagegen, und dann kommen Sie hier unter dem Motto „Haltet den Dieb", gaukeln den Leuten vor, Sie hätten etwas Besseres, bringen uns aber nicht einmal ein vernünftiges Konzept auf den Tisch, wie der Bundeswirtschaftsminister das vorhin zu Recht gesagt hat.
Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, unseren Standort Bundesrepublik Deutschland nicht schlechtzureden. Wir haben zur Zeit die niedrigste Inflationsrate und die niedrigsten Zinsen seit vielen Jahren.
Wir haben qualifizierte Arbeitnehmer wie in keinem anderen Land. Wir haben eine gute Infrastruktur. Wir haben Gott sei Dank politische Stabilität. Wir haben sozialen Frieden. Wir haben zur Zeit einen Dollar, dessen Kurs weit über 10 Prozent über dem vor gut einem Jahr liegt. Das heißt, einige Voraussetzungen sind gegeben, um den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft hier anzukurbeln.
Lassen Sie mich deshalb zum Schluß sagen: Unser Bundespräsident hat zum Ende des vergangenen Jahres gesagt, daß wir die Herausforderungen, vor die wir gestellt sind, annehmen müssen. Wir müssen es fertigbringen - da ist die Opposition genauso gefordert wie die Regierung -, Wörter wie Zukunftsangst, Zukunftspessimismus und Risikoscheu durch Wörter wie Zukunftsfreude, Zukunftshoffnung und Risikofreude zu ersetzen.
Als letztes, meine Damen und Herren: Es kann doch nicht als Ausländerfeindlichkeit gedeutet und bezeichnet werden - das möchte ich speziell auf meinen Kollegen Singhammer bezogen sagen -, wenn man sich Gedanken darüber macht,
wie arbeitslose Deutsche vermehrt wieder in Arbeit gebracht werden können, und dabei auf Negativentwicklungen hingewiesen wird.
Wir sehen es als Hauptaufgabe an, Arbeitsplätze für unsere arbeitslosen Mitbürger zu schaffen. Die Rahmenbedingungen sind zu verändern. Die Wirtschaft und die Gewerkschaften sollten diese Angebote annehmen. Dann habe ich keine Bange, daß wir diese momentane Negativsituation meistern werden.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Gregor Gysi das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Singhammer, Sie haben hier darauf hingewiesen, daß meine Partei die offizielle Fortsetzungspartei der SED sei, und wollten damit sozusagen alle Tabuisierungen und Ausgrenzungsversuche, die Sie diesbezüglich ständig betreiben, unterstreichen.
Wir wollen in diesem Zusammenhang doch einmal eine Tatsache festhalten: In der DDR hat die SED die führende Rolle gespielt. Aber alles, was dort entschieden worden ist, von der Wirtschaftspolitik bis zur Mauer, haben fünf Parteien beschlossen.
- Ich zeige Ihnen die Beschlüsse aus der Volkskammer.
Ich füge hinzu: Sie haben mit diesen vier anderen Parteien nicht nur geredet. Sie waren nicht nur bereit, mit ihnen eine Koalition zu bilden. Sie haben sie fusioniert.
Dadurch gibt es heute eigentlich sieben Regierungsparteien. Sie haben nämlich vier Parteien aus der DDR direkt wieder in die Regierung gehievt. Das ist die Tatsache.
Dr. Gregor Gysi
Insofern imponieren mir Ihre diesbezüglichen Aussagen nicht, wenn auch alle anderen leider mit über diesen Stock springen.
Herr Hinsken, Sie haben soeben erklärt, daß es nicht ausländerfeindlich sei, wenn man sich insbesondere um die Arbeitsplätze für die eigenen Mitbürgerinnen und Mitbürger bemühe.
Ich füge hinzu: Schon indem Sie das so sagen, erklären Sie unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu Nichtmitbürgern.
Schon das ist ausländerfeindlich.
Ich sage Ihnen: Bei über 4 Millionen Arbeitslosenin Wirklichkeit haben wir 6 Millionen Arbeitslosehier durch Spaltung und durch Erzeugung von Ressentiments zu versuchen, Stimmungen zu schüren, ist höchst gefährlich und eine alte Methode der Rechten.
Sie spalten zwischen Männern und Frauen, indem Sie versuchen, eine Ideologie aufzumachen, wonach die Frauen eigentlich nach Hause gehören und nicht an den Arbeitsplatz.
Sie spalten zwischen Ost- und Westdeutschen, indem Sie versuchen, den Westdeutschen zu erklären, daß es ihnen heute schlechter geht, weil es die Ostdeutschen gibt.
Und Sie unterscheiden - das ist das Übelste - zwischen Inländerinnen und Inländern und Ausländerinnen und Ausländern, um deutlich zu machen, daß es den Deutschen angeblich besser ginge, wenn die Flüchtlinge und die Ausländerinnen und Ausländer nicht in Deutschland wären. Sie wissen, daß das alles nicht stimmt, sondern nur von den Ursachen für die Massenarbeitslosigkeit in dieser Gesellschaft ablenken soll, die Sie selber gesetzt haben.
Sie sagen noch etwas ganz anderes. Sie sagen nämlich, daß es ein schlimmes Schicksal sei, arbeitslos zu werden. Damit tun Sie so, als ob das so über die Menschen kommt. Die Massenarbeitslosigkeit ist kein Schicksal, sondern Ergebnis Ihrer Politik. Das ist die Wahrheit.
Dann erklären Sie, Sie seien für eine Fortsetzung des Bündnisses für Arbeit. Sie haben aber noch keine Geschichtsaufarbeitung hinsichtlich des ersten Bündnisses für Arbeit betrieben; denn Sie waren es doch, die die Gewerkschaften dabei gedemütigt haben. Wenn diese heute wieder bereit sind, sich auf ein Gespräch mit Ihnen einzulassen, dann doch deshalb, weil die Gewerkschaften ein höheres Verantwortungsbewußtsein haben als Sie.
Sie wissen nämlich genau, daß unbedingt etwas gegen die Massenarbeitslosigkeit getan werden muß.
Herr Bundesminister Blüm, Sie haben sich gegen die Unterstellung, daß Sie nicht gegen die Arbeitslosigkeit kämpften, gewehrt und gesagt, daß es nur um einen Streit um die Wege gehe. Das stimmt nicht; es tut mir leid. Das Ziel der Halbierung der Anzahl der Arbeitslosen bis zum Jahre 2000 können Sie bei der Fortsetzung Ihrer Politik längst abschreiben. Dafür müßte ein Wunder geschehen, und das kann nicht geschehen.
Wenn Sie so weitermachen, erreichen Sie bis zum Jahre 2000 vielleicht die Halbierung der Bezüge der Arbeitslosen, aber mit Sicherheit nicht die Halbierung der Anzahl der Arbeitslosen, um die es eigentlich ginge.
Was passiert? - Die Politiker der Koalition - insofern ist Herrn Hinsken zu danken, daß er von sozialen Kürzungen gesprochen hat und nicht die verschleiernde Formel „Umbau des Sozialstaats" benutzt hat, daß er also gesagt hat, worum es wirklich geht -
benutzen die Massenarbeitslosigkeit, um den Kündigungsschutz abzuschaffen, Sozialleistungen herunterzufahren und die Vermögenden in dieser Gesellschaft besserzustellen. Insofern mißbrauchen sie die Massenarbeitslosigkeit und bekämpfen sie nicht.
Ich bin auch entsetzt über das, was hier von der F.D.P. kommt. Was Sie hier verbreiten, ist reine Ideologie und keine Politik.
- Es tut mir leid: Die ideologischste Partei heute in
Deutschland ist die F.D.P. Sie mißt alles nicht mehr
Dr. Gregor Gysi
mit den Maßstäben der Vernunft, sondern allein mit denen ihrer
eigenen ideologischen Blockierungen.
Nein, die Verwirrung liegt wirklich auf seiten der F.D.P. Das hat Folgen. Es gibt Alternativen zu Ihrer Politik. Man muß eben über eine Verkürzung der Arbeitszeit und über Steuergerechtigkeit nachdenken. Übrigens, ein bißchen Inflation ist auch nicht so schlimm; das fördert Investitionen und verringert Schulden. Natürlich verringert Inflation auch den Besitz. Das ist der Punkt. Ihre Politik zielt nicht auf die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit, sondern auf Erhaltung und Mehrung des Vermögens. Solange Sie diese Politik machen, wird sich an den Problemen der Massenarbeitslosigkeit in diesem Lande nichts ändern.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Manfred Grund.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In einer Aktuellen Stunde wie der heutigen besteht offensichtlich die Versuchung sowohl zur emotionalen Übersteigerung als auch dazu, zu relativieren, zum Beispiel mit dem Verweis auf die Erwerbsquote in Relation zur Wohnbevölkerung. Wenn man das tut, wird man feststellen, daß die Erwerbsquote in den neuen Bundesländern mit 50 vom Hundert höher als in den alten Bundesländern ist. Das heißt nichts anderes, als daß, gemessen an der Zahl der Einwohner, mehr Menschen in den neuen Bundesländern Arbeit nachfragen.
Die Erklärungen liegen auf der Hand. Die Erwerbsneigung in den neuen Ländern fußt auf der Arbeitsgesellschaft der alten DDR: Jeder mußte arbeiten.
Oder, positiv gewendet: Jeder hatte ein verbrieftes Recht auf Arbeit. Genauso wie 1989 wissen wir auch heute, daß sich Arbeitslosigkeit in der DDR nicht auf der Straße abspielte, sondern in den Betrieben und in der Verwaltung versteckt gewesen ist. Aber jedes Relativieren hilft nicht weiter und bekommt angesichts der Zahlen auf dem Arbeitsmarkt einen schalen Beigeschmack.
Auf knapp 8 Millionen Erwerbspersonen in den neuen Bundesländern kommen 1,2 Millionen registrierte Arbeitslose und weitere 700 000 verdeckte
Arbeitslose. Die verdeckten Arbeitslosen setzen sich zusammen aus Kurzarbeitern, Teilnehmern an ABM, Leistungsempfängern gemäß § 105 AFG, Vollzeitteilnehmern an Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, Empfängern von Vorruhestandsgeld und von Altersübergangsgeld.
Das Jahresgutachten 1996/97 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung kommt daher für die neuen Länder auf eine Quote der offenen und verdeckten Arbeitslosigkeit von 25,5 Prozent. Das heißt: Die ostdeutsche Wirtschaft kann jeden vierten Arbeitswilligen nicht in Lohn und Brot bringen. Das sind alarmierende Zahlen, die regelrecht nach der Verantwortung des Staates und der Gesellschaft rufen.
Der Staat und die Gesellschaft haben sich diesem Ruf nicht entzogen. Seit 1990 sind mehr als 1 Billion DM in die neuen Bundesländer transferiert worden, durch die Bundesanstalt für Arbeit allein mehr als 220 Milliarden DM. Enorme Summen sind in die Infrastruktur und in die Investitionssubventionierung geflossen.
Frau Kollegin Jäger, der Freistaat Sachsen, von dem Sie uns vorhin bei Ihrer Presseschau erzählt haben, hat mit 800 Millionen DM den Neubau einer Chip-Fabrik gefördert, wo mit einer Gesamtinvestitionssumme von 2,8 Milliarden DM 1 400 Arbeitsplätze entstehen. Das heißt: Jeder neugeschaffene Arbeitsplatz in den neuen Bundesländern kostet 2 Millionen DM. Im Chemiedreieck Buna-Schkopau-Leuna ist offensichtlich ein noch höherer Betrag pro Arbeitsplatz aufzuwenden. Doch haben Milliardentransfers und -subventionen, niedrigere Löhne, längere Arbeitszeiten, kürzere Urlaubszeiten und weniger Fehltage in den neuen Bundesländern nicht zu einem sich selbst tragenden Aufschwung geführt.
Ich sage dies, um auf die Dimensionen der Herausforderung aufmerksam zu machen, aber auch als Warnung vor billigen Ratschlägen und vor zu großen Erwartungen, die die Politik manchmal erweckt.
Klar auf der Hand liegt, daß die Erlahmung des wirtschaftlichen Aufholprozesses keine Reduzierung der Transferleistungen nach Ostdeutschland zuläßt. Um den Aufholprozeß wieder anzuschieben, wird eine Aufstockung der investiven Mittel unumgänglich sein. Es gibt zur Förderung von Investitionen, die Arbeitsplätze schaffen und erhalten, keine Alternative.
Doch es bleibt das Problem der Lohnstückkosten in der Relation Ost/West. Während die Lohnstückkosten in den alten Bundesländern 1994 gesunken
Manfred Grund
sind und 1997 wohl sinken werden, sind die Lohnstückkosten in den neuen Bundesländern gestiegen.
- Nein, das hat etwas mit den Tarifabschlüssen zu tun, Frau Kollegin Fuchs. Das gehört zum Einmaleins der Ökonomie.
Wenn die Schere im Bereich der Lohnstückkosten nicht weiter auseinanderklaffen soll, dann müssen die Reallöhne hinter der Entwicklung der Produktivität zurückbleiben. Diese Fehlentwicklung ist den Tarifparteien allerdings nicht allein anzulasten, auch nicht der Wirtschaft. Die Aufholjagd war politisch initiiert. Der öffentliche Dienst war bei der Tariferhöhung ständiger Vorreiter.
Vom Ergebnis her betrachtet - 1,2 Millionen Arbeitslose, kein sich selbst tragender Aufschwung - wirkt sich die Forderung nach schnellen Lohnangleichungen, ohne die Produktivität zu berücksichtigen, eigentlich wie eine Verabredung von Politik, Gewerkschaft und Wirtschaft gegen einen schnellen Aufschwung in den neuen Bundesländern aus. Die Politik wollte Wähler; die Gewerkschaft wollte Mitglieder; und die Wirtschaft West wollte keine Konkurrenz Ost.
Wir brauchen Korrekturen bei der Lohnpolitik. Wir brauchen Verbesserungen der Infrastruktur und stärkere Unterstützung von Investitionen. Am Arbeitsmarkt brauchen wir neue Instrumentarien wie den Lohnkostenzuschuß für bestehende Unternehmen. Was der Osten nicht braucht, sind billige Ratschläge und die Einführung der Gewerbekapitalsteuer.
Das Wort hat jetzt der Kollege Konrad Gilges.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Grund, die Zahl von 4,2 Millionen Arbeitslosen ist keine Frage der Statistik, sondern eine Frage des sozialen Lebens in unserer Republik. Dieser Frage sollten Sie sich einmal stellen, ehe Sie mit Zahlenspielereien anfangen und so tun, als gäbe es dieses reale soziale Problem überhaupt nicht.
Gerade in den fünf neuen Bundesländern gibt es dieses reale soziale Problem.
Herr Rexrodt, Sie haben gesagt: Die Betriebsräte fordern die Überstunden. Das stimmt nicht. Der Arbeitgeber fordert Überstunden, und dies unterliegt
der Mitbestimmung. Das heißt, der Arbeitgeber entscheidet, ob in einem Betrieb Überstunden geleistet werden oder nicht.
Der Betriebsrat hat nur Mitbestimmungsrechte.
Ehe Sie zu dieser Frage weiter palavern, ist es sinnvoll, daß Sie sich sachkundig machen
und sich einmal mit der Frage auseinandersetzen: Wie ist das denn in der Realität? Erst dann sollten wir weiter darüber debattieren.
Ich will mich einem speziellen Problem zuwenden, nämlich dem der vielen arbeitslosen Bauarbeiter. Wahrscheinlich werden wir in diesem Winter 400 000 arbeitslose Bauarbeiter haben. Als Beispiel nenne ich die Stadt Berlin. Dort wird es wahrscheinlich 30 000 arbeitslose Bauarbeiter geben. Das bedeutet, daß es unter den Bauarbeitern eine Arbeitslosenquote in der Größenordnung von 25 bis 30 Prozent geben wird - und das auf der größten Baustelle unseres Landes. Die Frage ist: Warum ist das so? Das hat drei Gründe.
Der erste Grund ist, daß Sie das Chaos im Zusammenhang mit den Entsenderichtlinien verursacht haben.
Deshalb kann ich Ihre Argumentation überhaupt nicht verstehen. Das, was Sie uns dargeboten haben, war mehr als ausländerfeindlich. Es geht doch vielmehr darum, daß Sie nicht in der Lage waren, das Problem ordnungsgemäß zu lösen.
Deshalb haben wir diese Schwierigkeiten gerade in diesem Bereich.
Zweitens. Sie haben die Kommunen ausgeblutet. Diese sind nicht mehr in der Lage, über Bauinvestitionen Arbeitsplätze, das heißt Arbeit, zu schaffen.
Drittens liegt die hohe Bauarbeiterarbeitslosigkeit daran, daß Sie das Schlechterwettergeld abgeschafft haben.
Daran kann man die Absurdität Ihrer Gesetzesmaßnahmen in den letzten zehn Jahren ablesen. Herr Blüm, Sie haben es mit der Abschaffung des Schlechtwettergeldes geschafft, die höchste Bauarbeiterarbeitslosigkeit seit den 50er Jahren zu erreichen. Das ist eine tolle Leistung.
Aber nicht nur das! Die Abschaffung des Schlechtwettergeldes hatte noch eine zweite Konsequenz. Sie
Konrad Gilges
wollten damit bei der Bundesanstalt für Arbeit 700 bis 900 Millionen DM einsparen. Aber das Gegenteil ist dabei herausgekommen. Die Abschaffung des Schlechtwettergeldes kostet die Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr wahrscheinlich rund 2 Milliarden DM. Hier kann man die Absurdität Ihrer politischen Entscheidung sehen.
Herr Blüm, wir sagen schlicht und einfach: Sie müssen das korrigieren. Wir werden in den nächsten Monaten hier in diesem Hause einen Gesetzentwurf vorlegen, in dem das Schlechtwettergeld wieder eingeführt wird. Die Begründung wird lauten, daß wir in Zukunft damit 1,5 Milliarden DM bei der Bundesanstalt für Arbeit sparen werden. Dann werden wir sehen, ob Sie wirklich dazu bereit sind, Beiträge zu senken und Geld zu sparen. Wenn Sie dazu wirklich bereit sind, können Sie einer neuen Schlechtwettergeldregelung nur zustimmen. Tun Sie das!
Was Sie jetzt gemacht haben, würde jeder Bauarbeiter auf der Baustelle als bekloppt ansehen. Sie sagen es auch so. Sie sagen: Diese Regierung ist so bekloppt geworden, daß sie die Konsequenz ihres Handelns schon nicht mehr bis zum Ende nachrechnen kann. Sie sollten einmal versuchen, das zu machen. Sparen Sie Geld, und führen Sie das Schlechtwettergeld wieder ein!
Jetzt hat der Kollege Vogt das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Arbeitslosigkeit ist ein Stachel im Fleisch.
- Herr Kollege, wenn Sie es nicht hören wollen, gehen Sie doch raus. Ich brauche Ihre Anwesenheit nicht. - Arbeitslosigkeit ist ein Stachel im Fleisch, und dieser Stachel schmerzt. Wir werden mit diesem Stachel aber nur fertig werden, wenn es uns gelingt, über mehr Investitionen und mehr Wachstum zu mehr wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen zu kommen. Wenn Investitionen und Arbeitsplätze den Umweg um Deutschland machen, dann werden wir das Ziel, diesen Stachel zu entschärfen, nicht erreichen. Wachstum ist eine Voraussetzung für Beschäftigung.
Frau Kollegin Beck, es gibt nicht nur das beschäftigungswirksame Wachstum. Ich verweise auf Wolfgang Klauder vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, der festgestellt hat, daß zwischen dem letzten Vollbeschäftigungsjahr 1973 und dem letzten Boomjahr 1992 die Zahl der Beschäftigten um 2,5 Millionen gestiegen ist. Aber die Zahl der Arbeitskräfte ist in der gleichen Zeit um 5 Millionen gestiegen. Wer an solche Zusammenhänge erinnert - das und nicht mehr wollte der Kollege Singhammer tun -, dem unterstellen Sie bitte keine Ausländerfeindlichkeit. Ich bitte Sie, ihn in diesem Sinne zu verstehen.
- Nein.
Wir wollen, daß über Investitionen, über die Senkung der Staatsquote, über die Senkung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags und durch die Senkung der Arbeitskosten die Wettbewerbssituation unserer Wirtschaft verbessert wird.
Liebe Frau Kollegin Fuchs, Sie haben Ihr Bekenntnis zu Handlungsfeldern abgegeben. Ich nehme Ihnen dies ab. Ich stelle aber auch fest, daß ich dies immer dann, wenn es in diesem Hause konkret wird, aus Ihrem Munde zunächst einmal so nicht höre. Dieses „so nicht" trägt nicht weiter. Sie werden in Bälde in diesem Haus vor weitere konkrete Gesetzgebungsvorhaben gestellt werden.
Frau Kollegin Fuchs, wir sind den schwierigen Weg gegangen - das ist niemandem von uns leichtgefallen -, die Beschäftigungsschwelle, die Schwelle, ab der Wachstum zu Beschäftigung führt, zu senken. Ich weiß, daß Sie das ablehnen. Vielleicht haben Sie recht; vielleicht haben wir recht. Wir werden uns in zwölf Monaten wieder sprechen.
Aber ich sage hier mit der gleichen Deutlichkeit: Wir haben auf diesem Feld keinen neuen Handlungsbedarf. Wir haben Informationsbedarf: Die Unternehmer sollten auch durch die Bundesregierung darüber unterrichtet werden, welche neuen Möglichkeiten sie haben, damit Wachstum früher zu mehr Beschäftigung führt, damit es zu mehr Einstellungen kommt.
- Wir sind ein Verein für offene Aussprache.
Das zweite kommt dazu. Wir brauchen natürlich auch eine Ablösung
Wolfgang Vogt
von beitragsfinanzierten versicherungsfremden Leistungen durch Steuern. Meine Damen und Herren, ich habe mich gefragt, warum die SPD, wenn es konkret wird, nicht handelt. Da bin ich auf einen Artikel von Bodo Hombach gestoßen, einem intimen Kenner der SPD. Er schreibt:
Sie
- die SPD -
flüchtet sich in den Dirigismus. „Wer nicht ausbildet, wird umgelegt" - dieser geschmacklose Slogan des Jugendparteitages hat viele vergrätzt und niemanden gewonnen. Wieder einmal hat sich gezeigt: Die SPD braucht nicht die grüne Partei als möglichen Regierungspartner im Bund, um die wahlentscheidende Mitte zu erschrecken; das schafft sie mit ihrer Vielstimmigkeit auch ganz alleine.
Er hat recht.
Bodo Hombach schreibt weiter:
Doch wer den Staat erneuern will, muß zuerst seine Partei erneuern. ... Dabei kann sie von Tony Blair lernen. Nicht ohne Grund lautet die Reihenfolge in seinem erfolgreichen Motto: „New Labour - New England" . Die britische Labour-Partei war ein verstaubter, schwadronierender Klub von Pessimisten und von Nostalgikern, die jede Veränderung abblockten. Erst seitdem Blair in seiner Partei aufgeräumt hat, traut man ihm auch die Führung des Landes zu.
Herr Kollege, jetzt müssen Sie zum Schluß kommen.
Von einer vergleichbaren Aufräumaktion ist die SPD noch weit entfernt.
Auch in dem Punkt hat er recht. Er erinnert an den 100. Geburtstag von Ludwig Erhard 1997 und schreibt:
Die SPD sollte sich an seine - also an Ludwig Erhards -
Lehren erinnern. Sie sollte heute einen modernisierten Erhard gegen seine eigene Partei verteidigen - und damit die Wähler überzeugen.
Herr Kollege, ich muß Ihnen jetzt das Wort entziehen.
Ich habe überlegt, ob Ottmar Schreiner der neue Erhard ist oder Konrad Gilges. Ich meine, von der Figur her eher Konrad Gilges. Ich gebe ihm die Zigarre dazu.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 16. Januar, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.