Rede von
Dr.
Günter
Rexrodt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden in 1997 ein passables Wachstum von 2 1/2 Prozent haben, dies nach 1,4 Prozent in 1996. Einer reifen Volkswirtschaft ein solches Wachstum real hinzuzufügen ist eine gute Leistung.
Aber die Arbeitslosigkeit wird dennoch höher als erwartet sein. Wir hatten im Durchschnitt des Jahres 1996 knapp 4 Millionen Arbeitslose.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Wir werden 1997 nach unserer Prognose über 4 Millionen Arbeitslose haben.
Das Problem der Arbeitslosigkeit ist mit Wachstum nicht lösbar. Sie hat mannigfache Ursachen. Wer sie bekämpfen will, muß die Ursachen bekämpfen.
Die Ursachen liegen letztlich darin, daß wir zusätzliche internationale Konkurrenz haben und in der Gesellschaft und in der Wirtschaft unseres Landes noch keine ausreichend modernen, auf diese neue Konkurrenz eingestellten Strukturen haben.
Wir haben überregulierte Märkte, wir haben eine zu hohe Staatsquote, und wir brauchen eine Neuorganisation der Arbeitswelt.
Die Bundesregierung hat dazu eine Paketlösung vorgelegt. Wir haben diese Dinge erstmals im Konzept im Jahre 1993 mit unserem Standortbericht präsentiert. Wir haben ein Aktionsprogramm und ein Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung. Das ist ein in sich stimmiges Konzept,
zu dem Sie bisher keine Alternative vorgelegt haben. Dieses Konzept hat fünf Säulen:
Es geht erstens darum, unsere Unternehmen von Kosten zu entlasten.
Es geht zweitens darum, mehr Flexibilisierung in der Arbeitswelt herbeizuführen.
Es geht drittens darum, Bürokratie abzubauen und mehr Freiräume für Unternehmen zu schaffen.
Wir brauchen viertens mehr Aktivitäten in der Wirtschaft und in den Instituten, bei Forschung und Innovation.
Und wir müssen unsere Wirtschaft außenwirtschaftlich - das ist die fünfte Säule - flankieren.
- Die Leute draußen, Herr Fischer, erwarten mehr als (C flotte Sprüche; sie erwarten Vorschläge, sie erwarten etwas zur Sache.
Dazu haben Sie noch nie etwas gesagt. Sie haben bisher eine Blockadehaltung an den Tag gelegt, aber es ist noch nie etwas von Ihnen gekommen, was den Menschen draußen helfen könnte.
Die Arbeitslosigkeit erfordert Ernsthaftigkeit und keine Showvorstellung und unseriöses Verhalten. Das ist es, worauf es ankommt, Herr Fischer.
Meine Damen und Herren, wir werden dieses Paket umsetzen, indem wir eine große Steuerreform an das anschließen, was wir mit den Jahressteuergesetzen 1996 und 1997 bewirkt haben und bewirken wollen.
Das ist die Abschaffung der Vermögensteuer und der Substanzsteuern insgesamt. Bei der Gewerbekapitalsteuer blockieren Sie. Wir wollen eine Nettoentlastung und werden eine Nettoentlastung der Bürger und Unternehmen herbeiführen. Das ist die entscheidende Botschaft im Zusammenhang mit der Steuerreform. Es gibt eine Nettoentlastung in der Größenordnung einer zweistelligen Milliardenzahl. Nehmen Sie das zur Kenntnis.
Wir werden - es geht um die Kostenentlastung der Unternehmen - die Lohnzusatzkosten senken müssen.
Damit sind wir bei den Sozialsystemen, die einer Reform bedürfen. In dem Zusammenhang wird immer - wie ich meine: zu Recht - von der Verlagerung der versicherungsfremden Leistungen gesprochen. Die Verlagerung bestimmter Aufwendungen und Leistungen auf den Steuerzahler ist kein Königsweg. Wir kommen an der Reform der Sozialsysteme nicht vorbei. Der Druck, diese Sozialsysteme zu ändern
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
und Entlastungen durch eine Reform dieser Systeme vorzunehmen, muß erhalten bleiben. Wir müssen dabei auch über versicherungsfremde Leistungen und deren Finanzierung sprechen, aber nicht in dem Sinne, daß wir die Lasten direkt von den Sozialsystemen hin auf die Steuerzahler verlagern.
Wir brauchen eine Neuorganisation des Arbeitsmarktes. Auf diesem Gebiet ist viel erreicht worden. Durch die Reform der Lohnfortzahlung, des Kündigungsschutzes und im Bereich der Zeitarbeitsplätze haben wir mehr Freiräume geschaffen.
Wenn wir mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt haben wollen, dann geht es auch darum - das ist ein wichtiges Teilthema -, den Abbau von Überstunden herbeizuführen. Überstunden werden im Übermaß geleistet. Wer sie abbauen will, der muß sich fragen, warum denn Überstunden gemacht werden. Ich lasse einmal die Tatsache außen vor, daß es immer die Betriebsräte sind, die von mir fordern, daß weiterhin Überstunden gemacht werden können.
- Das ist der Fall, Frau Fuchs. Gehen Sie einmal in die Betriebe!
- Ich könnte Ihnen Namen nennen.
Es bestehen Barrieren, Leute einzustellen, weil das bestehende Beschäftigungssystem als zuwenig flexibel empfunden wird,
um Arbeitsanfall und Beschäftigung richtig aufeinander abzustimmen. Diese Zurückhaltung ist nur zu einem Teil begründet, weil wir befristete Arbeitsverhältnisse geschaffen haben und den Kündigungsschutz bei kleinen und mittleren Betrieben gelockert haben.
Es bedarf nicht des Wiederaufrollens der Debatte um das Kündigungsrecht, um mehr Flexibilität zu erzeugen. Vielmehr bedarf es zunächst einmal kreativer Anstrengungen der Tarifparteien, um zu dieser Flexibilität zu kommen. Teilzeitarbeit und Arbeitszeitkonten sind die entscheidenden Stichworte.
Weiterhin ist entscheidend, daß Unternehmen die faktischen und psychologischen Barrieren für zusätzliche Einstellungen überwinden. Ich sage mit allem Nachdruck: Es muß in diesem Land möglich sein, all das anzusprechen, was einen Beitrag auf diesem Weg leisten kann.
Es ist unglaublich, mir zu unterstellen, ich wolle etwas anderes als den Abbau von Überstunden, bessere Bedingungen für die Einstellungen von Menschen und damit mehr Beschäftigung. Jeder sollte sich das, was ich gesagt habe, im Kontext durchlesen. Sätze - es gibt zugegebenermaßen einen unglücklich formulierten Satz - aus dem Zusammenhang zu reißen, sich dann scheinheilig aufzuspielen, Entsetzen vorzuspielen und in persönliche Verunglimpfungen zu verfallen mag zwar politischer Stil sein - auch bei Kollegen aus den eigenen Reihen und bei Leuten, die mit ihrem Schicksal unzufrieden sind -, in der Sache hilft das aber nicht weiter.
Ich habe, was diesen Zusammenhang angeht, noch nie so viele Leute getroffen, die mir hinter vorgehaltener Hand zugestimmt und gesagt haben, ich hätte ja recht. Einige andere, die sich zu Wort melden und die genau wissen, um was es geht, hängen sich an einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat auf und benutzen dabei eine Wortwahl, die nicht zu akzeptieren ist.
Es geht darum, bestehende Barrieren abzubauen, damit Menschen zusätzlich eingestellt werden. Ich trete für mehr Beschäftigung ein. Das ist das Entscheidende.
Haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, irgendwann ein Konzept vorgelegt? Ich habe es nicht gesehen.
Sie sagen entweder das, was wir vorsagen, mit anderen Akzentuierungen nach,
oder Sie wollen eine keynesianische Politik.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
- Herr Fischer, Sie übersehen dabei, daß 100 DM zusätzliche Kaufkraft 200 DM zusätzliche Belastung für die Unternehmen bedeuten. Das kann nicht die Alternative sein.
Die Politiker und die Tarifpartner müssen ihre Schularbeiten machen. Wir haben ein Konzept; Sie haben keines. Wir werden dieses Konzept in der Zukunft Schritt für Schritt umsetzen.