Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich den Herrn Abgeordneten Möhring zu seinem 60. Geburtstag herzlich beglückwünschen.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Afghanistantag
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit dem 27. Dezember 1979 dauert die sowjetische Besetzung Afghanistans, dieses ehemals blockfreien islamischen Staates der Dritten Welt, an. Seit über zwei Jahren widersetzt sich ein kleines Volk einer hochgerüsteten sowjetischen Interventionsarmee und lehnt die ihm von einer Weltmacht aufgezwungene Ideologie und politische Ordnung ab.Die Kämpfe in Afghanistan fordern einen hohen Blutzoll. Sie lösten die größte Flüchtlingswelle seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus. Mehr als jeder sechste Afghane suchte inzwischen Zuflucht in den Nachbarstaaten Pakistan und Iran, also genau in den Staaten, gegen die von der Sowjetunion der absurde Vorwurf erhoben wird, daß sie in Afghanistan intervenierten.Die Bundesregierung begrüßt die Initiative des Europäischen Parlaments, den 21. März zum Afghanistantag zu erklären. Dieser Tag soll Verbundenheit mit dem leidgeprüften afghanischen Volk zum Ausdruck bringen.Die Zielrichtung der sowjetischen Intervention in Afghanistan ist eindeutig. Sie ist Ausdruck einer Gesamtstrategie, den Einflußbereich dort auszubauen, wo Stabilität, wie sie in Europa vorhanden ist, fehlt, den Einflußbereich dort auszubauen, wo das ohne größere Risiken möglich erscheint.
Diese Strategie ist, konkret gesprochen, im mittel-östlichen Bereich auch Ausdruck der Gesamtstrategie, zu den warmen Gewässern vorzustoßen und zugleich Einfluß auf die Energiequellen und Rohstoffe der Region zu gewinnen.Gemeinsam mit ihren europäischen Partnern und vielen Staaten der freien Welt erneuert die Bundesregierung die Forderung an die Sowjetunion, den Krieg in Afghanistan zu beenden und ihre Truppen im Interesse des Weltfriedens, im Interesse der Entspannung, aber besonders im Interesse des leidgeprüften afghanischen Volkes aus Afghanistan zurückzuziehen.
Die Bundesregierung fordert, dem traditionellen blockfreien Afghanistan seine Freiheit wiederzugeben, eine Freiheit, die es niemals zur Feindschaft gegen die benachbarte Sowjetunion benutzt hat.Afghanistan, einer der ärmsten Staaten der Welt, bedarf zu seiner Entwicklung der Unterstützung von West und Ost. Es darf nicht durch den Versuch, ihm ein angeblich fortschrittliches System aufzuzwingen, in seiner Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen werden. Der Freiheitswille, den das afghanische Volk in seiner Geschichte immer wieder bewiesen hat, bleibt nach zweijährigem Kampf gegen die sowjetischen Interventionstruppen und das von der Sowjetunion eingesetzte Regime ungebrochen. Der Widerstand dauert unvermindert an. Das Regime findet Anerkennung weder bei der Bevölkerung noch in der Staatengemeinschaft. Mehr als zwei Jahre nach seiner Installierung durch die sowjetischen Invasionstruppen ist das Kabuler Regime dem Ziel, seine Herrschaft zu konsolidieren und zu legitimieren, keinen Schritt nähergekommen. Das Gegenteil ist der Fall.Dennoch verweigert sich die Sowjetunion den Forderungen des afghanischen Volkes nach Selbstbestimmung und Freiheit. Sie verharrt auch im Widerspruch zur Weltmeinung. Sie setzt sich über drei mit steigender Stimmenzahl angenommene Resolutionen der Vereinten Nationen hinweg, die den Abzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan, das Selbstbestimmungsrecht und die Wiederherstellung_ des blockfreien Status von Afghanistan fordern. Sie verweigert sich den Lösungsbemühungen der islamischen Konferenz, die im Mai 1980 in Islamabad eine Dreierkommission mit der Afghanistan-
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5444 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Bundesminister GenscherFrage beauftragte. Die Kommission erhielt nicht einmal Gelegenheit zu Gesprächen in Moskau.Die Bundesrepublik und ihre westlichen Partner unterstützen die islamischen und blockfreien Staaten bei den Bemühungen um eine Lösung der Afghanistan-Frage. Sie haben die Initiativen dieser Staaten nach besten Kräften gefördert und werden das weiterhin tun. Wir anerkennen die besondere Verantwortung und Verpflichtung der islamischen und blockfreien Staaten gegenüber Afghanistan, und wir ermutigen diese Staatengruppe, in ihren Bemühungen nicht nachzulassen.
Negativ war auch die sowjetische Reaktion auf den Vorschlag des Europäischen Rates vom 30. Juni 1981 für eine internationale Afghanistan-Konferenz in zwei Phasen.Die Antwort der Welt auf dieses Verhalten der Sowjetunion muß sein, ihr immer wieder die tiefgreifende Störung vor Augen zu führen, die in den internationalen Beziehungen durch ihre Intervention in Afghanistan und die Verweigerung einer politischen Lösung eingetreten ist, ihr deutlich zu machen, daß der Überfall auf Afghanistan nicht vergessen wird. Man ist in Moskau offenbar der Ansicht, daß es nur gilt, gute Nerven zu bewahren und sich auf einen jahrelangen Kampf gegen das afghanische Volk einzurichten; dann werde der Sieg eines Tages der überwältigenden Sowjetmacht in den Schoß fallen. Wir warnen vor solchen Spekulationen. Sie werden sich als ebenso illusionär erweisen wie die sowjetische Hoffnung, die politischen Kräfte in Afghanistan könnten doch noch eines Tages für die sowjetische Politik gewonnen werden. Die Anwendung von Gewalt, eine Politik der vollendeten Tatsachen und der Versuch, sich einseitig strategische Vorteile in einer Region — in diesem Falle in der Region Südasien — zu verschaffen, verletzt Grundprinzipien des Zusammenlebens der Völker und richtet damit schweren Schaden für die Stabilität in der Welt und für die internationalen Beziehungen an. Er beeinträchtigt schwer das Geflecht der Ost-West-Beziehungen und der Zusammenarbeit. Das für diese Zusammenarbeit notwendige Vertrauensverhältnis setzt Mäßigung und Zurückhaltung bei der Durchsetzung der eigenen Interessen, setzt Willen zum Gleichgewicht, aktive Friedenssicherung durch Zusammenarbeit voraus.Die Bundesregierung fordert eine Abkehr von einer Politik der Vorherrschaft, der Unterdrückung der Freiheit in allen ihren Formen und in allen Teilen der Welt, sei es in Afghanistan, sei es in Polen.
Der Westen hat nicht in die inneren Angelegenheiten Afghanistans eingegriffen. Wir wollen keine Stützpunkte in diesem Land, wir wollen aus Afghanistan keine Plattform gegen die Sowjetunion machen; wir wollen nichts anderes, als daß einem kleinen Volk, einem blockfreien Staat sein Recht auf Selbstbestimmung frei von Einmischung von außen wiedergegeben wird.
In dieser Forderung besteht Übereinstimmung des Westens mit den blockfreien Staaten. Gemeinsam verurteilen sie die sowjetische Invervention in Afghanistan als eine Verletzung elementarer Prinzipien der Blockfreien-Bewegung wie Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung eines blockfreien Landes. Diese Grundprinzipien, deren Beachtung die Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben der Völker ist, zu verletzen, heißt Frieden und Stabilität in den internationalen Beziehungen gefährden.Die sowjetische Intervention ist Ausdruck einer Politik der Vorherrschaft, einer Politik der Schaffung von Einflußzonen. Es ist eine Politik, die sich gegen die geschichtliche Entwicklung zur Pluralität, Unabhängigkeit und Eigenständigkeit in der Dritten Welt richtet. Wir stehen auf der Seite der Blockfreien. Wir fordern mit ihnen eine Kooperation der Staaten untereinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung, der Wahrung der Selbständigkeit, der nationalen, kulturellen und religiösen Identität.Die Besetzung eines blockfreien Landes der Dritten Welt zeigt, daß es sich vom Grundcharakter her um einen Konflikt der Sowjetunion mit den Prinzipien der Unabhängigkeit der Staaten und der Blockfreiheit handelt. Die unbestreitbare Auswirkung auf das Ost-West-Verhältnis darf diesen Grundcharakter des Konflikts nicht verdecken.Die Staaten der Dritten Welt sind sich dieser Tatsache bewußt. Die Abstimmungsergebnisse in der Vollversammlung der Vereinten Nationen zeigen die übereinstimmende Haltung der Dritten Welt und der westlichen Demokratien in dieser Frage. Diese Abstimmungen legen endgültig die Legende zu den Akten, die Sowjetunion werde in der Dritten Welt als deren natürlicher Partner empfunden. Zukunft hat allein eine Politik der Partnerschaft, eine Politik der gegenseitigen Respektierung.Wir stehen in dieser Entwicklung der internationalen Beziehungen an der Seite des Fortschritts. Wir wollen weder unsere Staats- noch unsere Gesellschaftsordnung exportieren. Heute wird in der westlichen Welt das Bewußtsein für die stabilisierende Wirkung der Blockfreien-Bewegung deutlicher empfunden, als es manchmal in der Vergangenheit bei vorschnellen Urteilen über die blockfreien Staaten der Fall gewesen ist.
Blockfreiheit bedeutet in der Dritten Welt Pluralität, Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und für viele Länder überhaupt erst das Finden einer eigenen nationalen Identität. Die Blockfreien-Bewegung ist eine große politische, ist eine große geschichtliche Kraft.Unsere Politik muß noch deutlicher als in der Vergangenheit die Interessen der Dritten Welt erkennen und diese Interessen fördern. Nur so werden wir dem Konflikt der Sowjetunion mit den Staaten der Dritten Welt gerecht. Der Westen muß mit einer klaren Strategie des Friedens und der Unabhängigkeit gleichberechtigte Partnerschaft überall in der Welt fördern. Die Dritte Welt darf nicht eben errungene Unabhängigkeit an neue Vorherrschaft verlieren.
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Bundesminister GenscherWirtschaftliche Hilfe und politische Zusammenarbeit müssen diese Staaten in die Lage versetzen, ihre innere und äußere Unabhängigkeit zu behaupten.Die Staatenwelt bekundet dem afghanischen Volk ihre Solidarität. Zusammen mit seinen Freunden zeigt das deutsche Volk seine Verbundenheit mit dem afghanischen Volk durch eine umfangreiche humanitäre Hilfe. Als Flüchtlingshilfe und für flüchtlingsbedingte Projekte in Pakistan wurden im Haushaltsjahr 1981 rund 60 Millionen DM zur Verfügung gestellt; hinzu kommt der deutsche Anteil an einer EG-Soforthilfe in Höhe von rund 28 Millionen US-Dollar. Darüber hinaus haben viele Bürger unseres Staates ihre Solidarität durch ein persönliches Opfer bei einer der Spendenaktionen zugunsten Afghanistans in den letzten zwei Jahren zum Ausdruck gebracht.Ich rufe unsere Bevölkerung auf, aus Anlaß des Afghanistantages erneut durch eine Spende einem Volk in Not zu helfen.
Die Not in den Flüchtlingslagern kann nur durch gemeinsame Anstrengungen gelindert werden.Afghanistan ist ein Prüfstein für die sowjetische Bereitschaft geworden, die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Staaten der Dritten Welt zu achten und deren Streben nach wirklicher Ungebundenheit anzuerkennen. Es ist ein Prüfstein dafür, ob sie eine auf Mäßigung, Verantwortung und Vertrauen gegründete Politik der Entspannung zu führen bereit ist.Wir werden auch in Zukunft zu Afghanistan nicht schweigen. Wir werden nicht resigniert hinnehmen, was dort geschieht. Unsere Solidarität gilt dort wie anderswo den Unterdrückten. Wir treten dort wie anderswo für Freiheit, Selbstbestimmung und Menschenwürde ein. Wir wollen dort wie anderswo den Frieden. Wer in unserem Lande vom Frieden spricht, wer für den Frieden eintritt, darf zu dem Krieg in Afghanistan nicht schweigen.
Wir müssen immer in dem Bewußtsein handeln: Der Frieden des afghanischen Volkes ist auch unser Frieden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Todenhöfer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU begrüßt es, daß heute im deutschen Parlament diese Debatte zu Afghanistan stattfindet. Der Westen darf Afghanistan im eigenen Interesse, im Interesse der Menschenrechte und im Interesse des internationalen Friedens nicht vergessen.
Die CDU/CSU begrüßt die Einmütigkeit, mit der dasdeutsche Parlament und die deutsche Bevölkerungdie sowjetische Invasion in Afghanistan verurteiltund Solidarität mit dem afghanischen Volk bewiesen hat. Ich begrüße auch die klaren Worte, die der deutsche Außenminister soeben zu dieser Frage gesprochen hat.Meine Fraktion dankt vor allem der deutschen Bevölkerung für die außerordentliche Hilfsbereitschaft, die sie durch Sach- und Geldspenden gegenüber den afghanischen Flüchtlingen gezeigt hat.
Wir bitten die deutsche Bevölkerung, die afghanischen Flüchtlinge auch in Zukunft tatkräftig zu unterstützen.Der sowjetische Überfall auf Afghanistan hat bisher über 3 Millionen Menschen die Heimat und über 400 000 Afghanen das Leben gekostet. Das sind Mindestschätzungen. Mehr als ein Fünftel der afghanischen Bevölkerung ist getötet oder vertrieben worden. Während wir heute im Deutschen Bundestag debattieren, sterben weitere Menschen in Afghanistan durch sowjetische Bombenangriffe, fliehen Frauen, Kinder, ältere Menschen vor dem Terror sowjetischer Bombenangriffe nach Pakistan und Iran.Ich war neun Tage zusammen mit afghanischen Freiheitskämpfern im Landesinnern Afghanistan s. Ich werde nie die Flüchtlingsströme vergessen, die uns auf unserem Weg ins Landesinnere begegnet sind, darunter Kinder, die uns berichteten, daß sowjetische Soldaten wenige Tage zuvor vor ihren Augen ihre Eltern erschossen hatten. Ich werde nie die ausgebombten, dem Erdboden gleichgemachten afghanischen Dörfer vergessen, die wir in Afghanistan gesehen haben. Und ich werde nie die Tapferkeit vergessen, mit der das kleine afghanische Volk mit teilweise mittelalterlichen Waffen gegen die größte Armee der Welt um seine Freiheit kämpft.Vor diesem Hintergrund habe ich Äußerungen führender Politiker der Bundesrepublik Deutschland nicht verstanden, die die sowjetische Invasion in Afghanistan als eine vorbeugende Maßnahme verharmlost haben oder die Breschnew, der für den Überfall auf Afghanistan persönlich verantwortlich ist, öffentlich als einen Politiker dargestellt haben, der um den Weltfrieden zittere.
Mich hat in Afghanistan ein Freiheitskämpfer im Kampfgebiet gefragt, ob der Westen eigentlich wirklich glaube, daß die Sowjets, die in Europa täglich vom Frieden redeten, andere Sowjets seien als jene, die in Afghanistan einen blutigen Krieg gegen die dortige Zivilbevölkerung führten. Die sowjetische Armee, die uns mitten im geteilten Deutschland, in der DDR, gegenübersteht, ist dieselbe Armee, die Afghanistan überfallen hat.Afghanistan ist der bittere Beweis dafür, daß die Sowjetunion nach wie vor bereit ist, gegen militärisch unterlegene Nachbarn Gewalt anzuwenden und Gewalt anzudrohen, wenn ihr das Risiko nicht zu hoch erscheint und wenn sie es politisch für notwendig hält. Das gilt nicht nur für Asien, das gilt auch für Europa, wie die Ereignisse in der DDR, in
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Dr. TodenhöferUngarn, in der Tschechoslowakei und in Polen gezeigt haben. Die Ereignisse in Afghanistan und in Polen lassen sich nicht trennen.
Sie sind Ausdruck ein und derselben machtpolitischen Strategie der Sowjetunion.Ich sagte, aus Afghanistan sind über 3 Millionen Menschen vertrieben worden. Ich erinnere mich genauso wie meine Kollegen und viele in diesem Lande noch sehr plastisch an die monatelangen lautstarken Proteste und Demonstrationen der Linken im Zusammenhang mit Vietnam. Ich frage: Wo bleibt heute der Protest derselben Leute gegen den tausendfachen Terror der Sowjetunion in Afghanistan?
Ich finde diese doppelte Moral deprimierend.In den letzten Jahren mußten in der Dritten Welt über 15 Millionen Menschen fliehen, davon über 90% aus marxistisch orientierten Ländern, die meisten davon im Zusammenhang mit der Offensive der Sowjetunion und ihrer Verbündeten in der Dritten Welt. Die Menschen der Dritten Welt fliehen in erster Linie vor dem Kommunismus und nicht vor dem sogenannten Kapitalismus.
Richtig ist allerdings, daß Menschen auch aus sogenannten kapitalistischen Ländern geflohen sind. Aus Chile beispielsweise mußten 80 000 Menschen fliehen. Das sind für uns 80 000 Menschen zuviel. Aber wer dagegen protestiert, darf nicht dazu schweigen, daß aus dem kommunistischen Kuba über 800 000 Menschen vertrieben worden sind.
Wir dürfen Afghanistan auch politisch nicht isoliert sehen. Der Einmarsch der sowjetischen Armee in Afghanistan ist Teil der sowjetischen Gesamtoffensive in der Dritten Welt, deren wichtigstes Ziel die Rohstoffversorgungswege des Westens sind. Eine Reihe westlicher Regierungen — auch die deutsche Bundesregierung — hat die geopolitische Bedeutung dieser sowjetischen Offensive lange unterschätzt. Die bekanntesten Etappen dieser Strategie sind Angola, Mozambique, Äthiopien, die Volksrepublik Jemen, Vietnam, Laos, Kambodscha und zuletzt Afghanistan.Die Reaktion des Westens — wir sollten das selbstkritisch eingestehen — auf die sowjetische Expansionspolitik und insbesondere auf Afghanistan war unbefriedigend. Der Westen hat bis heute kein einheitliches Gesamtkonzept zur friedlichen Eindämmung der sowjetischen Expansion vorgelegt. Der Westen braucht nicht nur im militärischen Bereich, sondern auch im wirtschaftlichen Bereich eine Strategie der flexiblen Reaktion,
d. h. eine Politik, die zu wirtschaftlicher Zusammen-arbeit mit der Sowjetunion dort bereit ist, wo dasvertretbar ist, die aber in flexibler Form dort diewirtschaftliche Zusammenarbeit verweigert, wo die Sowjetunion gegen den Frieden, gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und gegen die Lebensinteressen des Westens verstößt.
Das A und O einer solchen westlichen Strategie ist die Geschlossenheit, mit der sie vertreten wird. Gerade an dieser Geschlossenheit hat es nach Afghanistan im westlichen Lager gefehlt. Nachdem die USA ihr Weizenembargo gegenüber der Sowjetunion verhängt hatten — ich drücke das jetzt sehr vorsichtig aus —, haben Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft ihre Agrarexporte in die Sowjetunion teilweise massiv erhöht.
Ein derartiger Vorgang darf sich nicht wiederholen.Das Europäische Parlament hat am Montagabend dieser Woche mit großer Mehrheit eine Entschließung verabschiedet, in der es mit Recht sein Befremden über diese Politik ausdrückt. Ich empfehle allen Mitgliedern dieses Hauses, die Debatte und die an Deutlichkeit nicht zu übertreffende Resolution des Europäischen Parlaments einmal nachzulesen.
SPD und FDP haben zur Afghanistan-Problematik im Deutschen Bundestag einen Antrag eingebracht, gegen dessen Substanz wir keine Einwände haben. Ich sage das in aller Offenheit. Ich sage allerdings mit derselben Offenheit, daß der Antrag der SPD/FDP nicht ausreicht, daß er zu eng ist.Die CDU/CSU hat daher dem Deutschen Bundestag einen eigenen umfassenderen Antrag vorgelegt, mit dem Wunsch, daß SPD und FDP diesem weitergehenden Antrag der CDU/CSU zustimmen mögen.Wir fordern den sofortigen Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan.
Wir fordern, daß dem afghanischen Volk endlich die Möglichkeit gegeben wird, sein Selbstbestimmungsrecht zu verwirklichen.
Wir fordern, daß eine friedliche, eine politische Lösung nach den Vorschlägen des Europäischen Rates vom 30. Juni 1981 herbeigeführt wird, die ein Ende jeder Einmischung von außen und damit Afghanistans Zukunft als unabhängiger und ungebundener Staat sicherstellen soll.Wir fordern humanitäre Hilfe nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für die afghanischen Freiheitskämpfer.
Zur Zeit müssen schwere Verwundungen der Freiheitskämpfer in Afghanistan teilweise ohne Narkose und ohne Desinfektionsmittel operiert werden. Ich habe das selbst miterlebt. Wir bitten daher um Unterstützung der afghanischen Freiheitskämpfer mit Medikamenten und Nahrungsmitteln.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5447
Dr. TodenhöferDas Fortbestehen des Widerstandes des afghanischen Volks — und hier kämpfen nicht nur einige Befreiungsbewegungen; hier kämpft ein ganzes Volk um seine Freiheit —
ist eine wesentliche Voraussetzung für die Chance einer politischen und friedlichen Lösung des Afghanistan-Problems.Wir fordern schließlich die Bundesregierung auf, den 21. März 1982 als Gedenktag für das afghanische Volk mit weiteren, über diese heutige Bundestagsdebatte hinausgehenden wirkungsvollen Maßnahmen zu fördern. Der 21. März stellt für die Afghanen den Beginn eines neuen Jahres dar. Das afghanische Volk feiert diesen Tag als Nationalfeiertag. Lassen Sie uns daher den 21. März 1982 gemeinsam in Solidarität mit dem afghanischen Volk begehen, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Der Westen kann es sich weder politisch noch moralisch leisten, Afghanistan alleine zu lassen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wischnewski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 16. Dezember 1981 haben unsere Kolleginnen und Kollegen des Europäischen Parlaments ihre Absicht erklärt, den 21. März 1982 als Gedenktag für Afghanistan zu begehen. Wir entsprechen mit der heute abgegebenen Regierungserklärung und der jetzigen Debatte dieser Absicht. Beide Häuser des Kongresses der Vereinigten Staaten haben am 3. und 4. März das gleiche getan. Ich möchte dem Außenminister für die Regierungserklärung danken, mit der wir in vollem Umfange übereinstimmen.
Am 27. Dezember 1979 sind sowjetische Truppen in Afghanistan einmarschiert. Die Regierung von Afghanistan wurde ersetzt, Präsident Amin wurde ermordet. Seit diesem Zeitpunkt haben im Krieg und Bürgerkrieg viele Tausende Menschen ihr Leben verloren. Viele Tausende sind verletzt worden. Städte und Dörfer sind zerstört worden. Mehr als drei Millionen Menschen, mehr als 20 % der Bevölkerung von Afghanistan, haben das Land als Flüchtlinge verlassen. Millionen leben in Not und Elend.Lassen Sie mich bitte fünf Feststellungen treffen:Erstens. Die Intervention der Sowjetunion in Afghanistan ist eindeutig völkerrechtswidrig.Zweitens. Die sowjetischen Maßnahmen haben das internationale Klima verschlechtert.Drittens. Der von uns unterstützten Ideen der Blockfreiheit wurde ein schwerer Schlag versetzt.Viertens. Die Region wurde destabilisiert.Fünftens. Den Entscheidungen der Völkerfamilie, nämlich der Vollversammlung der Vereinten Nationen, wurde der Respekt verweigert.
Wir haben durchaus Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis der Sowjetunion. Die Sowjetunion und Afghanistan haben eine gemeinsame Grenze von mehr als 2 000 Kilometern. Aber niemand kann uns erklären, daß das kleine Volk von Afghanistan jemals eine Gefahr für die große Sowjetunion wäre, war und sein wird.
Wir bestreiten nicht, daß auch die Sowjetunion im Zusammenhang mit der Afghanistan-Frage von einer politischen Lösung spricht. Die Sowjetunion meint allerdings in erster Linie die Lage u m Afghanistan. Aber es geht nach unserer Auffassung in erster Linie um die Lage i n Afghanistan; das ist das Entscheidende.
Die internationale Völkerfamilie, insbesondere die blockfreien Staaten und in ganz besonderem Maße die islamischen Staaten, haben große Anstrengungen für eine politische Lösung unternommen. Die Vereinten Nationen haben am 14. Januar 1980 mit 104, am 20. November 1980 mit 111, am 18. November 1981 mit 116 Stimmen eindeutig Stellung bezogen und den Abzug der sowjetischen Truppen gefordert.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat einen besonderen Beauftragten berufen.Die Organisation der islamischen Staaten hat große eigene Anstrengungen unternommen.Für uns ist der Vorschlag des Europäischen Rates vom 30. Juni 1981 von ganz besonderer Bedeutung. Er sieht eine internationale Afghanistan-Konferenz in zwei Phasen vor. Dieser Plan zur Wiederherstellung von Frieden und Selbstbestimmung in Afghanistan hat unsere volle Unterstützung.Wir machen uns die Forderungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen in vollem Umfange zu eigen. Wir fordern den unverzüglichen Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan.
Die Erhaltung und Bewahrung der Souveränität, der territorialen Integrität, der politischen Unabhängigkeit und der Nichtgebundenheit Afghanistans sind Grundvoraussetzung für eine friedliche Lösung dieses Problems.
Das afghanische Volk hat das Recht, seine Regierungsform selbst zu bestimmen und sein wirtschaftliches, politisches und gesellschaftliches System ohne jede Intervention, Subversion, Nötigung oder Beschränkung von außen selbst zu wählen.
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WischnewskiWir fordern alle beteiligten Parteien zur Mithilfe auf, damit schnellstens eine politische Lösung herbeigeführt wird. Wir fordern, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die afghanischen Flüchtlinge freiwillig, in Sicherheit und in Ehren an ihre Heimatorte zurückkehren können.
Bis dahin bitten wir die Bundesregierung die Hilfe für die Flüchtlinge von Afghanistan intensiv fortzusetzen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Hause liegen zwei Entschließungsanträge vor. Ich beantrage, den Entschließungsantrag von SPD und FDP sowie den Entschließungsantrag der CDU/CSU dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Ich sehe durchaus Chancen, in dieser Frage einen gemeinsamen Weg zu finden. Wir sind bereit, einen Beitrag zu leisten, um einen solchen gemeinsamen Weg zu finden.Wir wünschen dem Volk von Afghanistan den Frieden nach innen und nach außen und mit allen Nachbarn. Wir wünschen dem Volk von Afghanistan, daß es in Wiederherstellung und Wahrung seines Selbstbestimmungsrechtes seinen eigenen Weg gehen kann. Wir wünschen dem Volk von Afghanistan seine Freiheit. Die Bundesregierung hat unsere volle Unterstützung, auf allen politischen Wegen diese Ziele erreichen zu helfen. — Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Möllemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten möchte ich die hier abgegebene Regierungserklärung, die Ausführungen des Bundesaußenministers nachdrücklich unterstützen. Aus den Ausführungen des Bundesaußenministers und den bisher abgegebenen Erklärungen der beiden übrigen Fraktionen geht hervor, daß das Thema Afghanistan kein Thema des Streits in diesem Hause ist und daß es in der Bewertung des sowjetischen Vorgehens dort wie auch in den daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen eigentlich keinen schwerwiegenden Dissens gibt, so daß auch ein parteipolitischer Streit überflüssig ist. Wir teilen die Auffassung, daß im Blick auf die beiden vorliegenden Entschließungen im Ausschuß eine gemeinsame Formulierung möglich werden sollte.Die Delegation des Deutschen Bundestages bei der Interparlamentarischen Union, einer Organisation, der Vertreter von mehr als 80 Parlamenten der Welt angehören, hat mit dazu beigetragen — und zwar über die Parteigrenzen hinweg —, daß auf deren Tagung in Ost-Berlin im September 1980 zum Thema Afghanistan mit 747 Ja-Stimmen bei 128 Nein-Stimmen — überwiegend aus den kommunistischen Staaten — eine Entschließung verabschiedet wurde, in der es heißt — ich möchte wiedergeben, was wir unter Parlamentariern aus aller Welt beschlossen haben —:Die 67. Interparlamentarische Konferenz ... besteht auf der Anwendung der Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Januar 1980, die den unverzüglichen, bedingungslosen und totalen Abzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan fordert, um dem afghanischen Volk die Möglichkeit zu geben, über die Form seiner Regierung selbst zu entscheiden und sein wirtschaftliches, politisches und soziales System frei von äußerer Einmischung, Subversion, Zwang oder Druck j egli-cher Art zu wählen, und die an alle Staaten appelliert, die Souveränität, territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit und den bündnisfreien Status Afghanistans zu respektieren; fordert demzufolge die Sowjetunion auf, ihre Streitkräfte innerhalb kürzester Frist vom afghanischen Territorium zurückzuziehen; fordert die Einleitung von Verhandlungen über eine politische Lösung zwischen allen betroffenen Staaten ohne Vorbedingungen, auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung der Souveränität und der Entschlossenheit, Beziehungen zu fördern, die sich auf die Prinzipien der guten Nachbarschaft und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten sowie auf die Unzulässigkeit bewaffneter Aktionen oder aller anderen feindlichen Handlungen, die vom Territorium eines Staates gegen einen anderen Staat begangen werden, stützen; Ich glaube, es ist notwendig, erneut darauf hinzuweisen, daß neben der überwältigenden Mehrheit aller Staaten in der UNO über alle Parteigrenzen hinweg die parlamentarisch verfaßten Staaten in der Interparlamentarischen Union diese Entschließung gefaßt haben.Meine Damen und Herren, nun haben wir aber zu konstatieren, daß die verschiedenen Entschließungen, die gefaßt worden sind, den Zustand, das Problem nicht verändert haben. Von daher ist es sehr wichtig — nicht nur um unserer Glaubwürdigkeit willen, sondern auch um zu vermeiden, daß man im Augenblick des Entstehens ein Problem groß anspricht und es dann vergißt —, daß wir dieses Problem im Bewußtsein der Weltöffentlichkeit halten, bis es zu einer friedlichen Lösung gekommen ist. Dies ist besonders deswegen wichtig, weil man wohl befürchten muß, daß andernfalls im Denken der betroffenen Großmacht der Eindruck entstehen könnte, man müsse nur geduldig genug lange warten; die Welt werde sich an dieses Unrecht schon gewöhnen. Das darf auch deswegen nicht passieren, weil wir sonst Nachfolgetatbestände geradezu herausfordern.
Wir bitten deshalb die blockfreien Staaten bei ihrer bevorstehenden Konferenz in Bagdad und unsere Kollegen, die bei der Interparlamentarischen Union in Lagos sich in Kürze wieder treffen, erneut und ohne jedes Nachlassen dieses Thema dort zu behandeln und erneut die Plattform dieser internationalen Bühnen zu benutzen, um der Sowjetunion das Inakzeptable ihres Vorgehens ins Bewußtsein zu rufen.
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MöllemannWir müssen darüber hinaus — und auch darüber gibt es, denke ich, keinen Dissens — mit unserer eigenen Politik dafür sorgen, daß Vorfälle, Vorgänge und Aggressionen wie in Afghanistan sich nicht an anderer Stelle dieser Welt wiederholen können — einer Politik, die die eigene Sicherheit erhält, uns selber die Freiheit zu bewahren, und die darüber hinaus Möglichkeiten schafft, weltweit für Gewaltfreiheit und Verzicht auf Aggression überzeugend einzutreten.Wir müssen — und hier, Herr Kollege Todenhöfer, gibt es in der Akzentuierung vielleicht dann doch einen Unterschied; nicht in der Bewertung Afghanistans —, wie der Bundesaußenminister gesagt hat, für den Verzicht auf Vorherrschaftsstreben, für den Verzicht auf Einmischung in die inneren Verhältnisse eines anderen Staates weltweit und nicht selektiv eintreten.
Wer Prinzipien dieser Art glaubwürdig vertreten will, darf sich nicht ihm genehme Schwerpunkte aussuchen. Deswegen wäre es, Herr Kollege Todenhöfer, ein bißchen überzeugender gewesen — ich teile ja Ihre Schlußfolgerungen —, wenn Sie nicht nur erklärt hätten, daß die, die gegen den Vietnamkrieg demonstriert haben, auch jetzt demonstrieren sollen. Auch da stimme ich Ihnen zu. Aber ich bin mir nicht so ganz sicher, ob wir in der Bewertung des Vietnamkriegs genauso einer Meinung gewesen sind. Ich denke also, diese Aufforderung kommt von dem, der damals zurückhaltend war, nicht ganz so überzeugend.
— Herr Kollege Kohl, wenn ich eine differenzierte Betrachtung anzustellen versuche, dann ist das, jedenfalls bei uns, keine Verneigung vor den Linken,
sondern es entspricht der Tatsache, daß jedenfalls in meiner Fraktion die Auffassung besteht, man könne sich bei der Verwirklichung der Menschenrechte nicht selektiv bestimmte Regionen heraussuchen, sondern man müsse das weltweit tun.
Ich habe das deswegen erwähnt, weil der Kollege Todenhöfer hier einen erkennbar einseitigen Schwerpunkt praktiziert hat.
Ich komme zum Schluß. Es gibt hier im Hause über die Bewertung der Ereignisse in Afghanistan keinen Dissens, auch nicht im Blick auf die praktischen Schlußfolgerungen. Auch die Fraktion der FDP unterstützt wie die Bundesregierung, wie die sozialdemokratischen und die christdemokratischen Kollegen die Abhaltung dieses Afghanistantags. Auch die Fraktion der FDP setzt sich nachdrücklich für die Gewährung humanitärer Hilfe ein, so daß es uns möglich sein müßte, die gemeinsame Position im Interesse der Sache über Parteigrenzen hinweg beizubehalten. — Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Zu der Erklärung der Bundesregierung zum Afghanistantag liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 9/1445 und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/1450 vor. Wird das Wort zur Begründung der Entschließungsanträge gewünscht? — Dies ist nicht der Fall.
Es ist beantragt, die Entschließungsanträge dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese beiden Entschließungsanträge sind einstimmig dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 10. Dezember 1981 zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt Spaniens
— Drucksache 9/1362 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses
— Drucksache 9/1439 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Graf Stauffenberg
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Das Wort zur Aussprache wird gewünscht. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hennig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicher zufällig, aber es paßt gut zusammen, daß wir soeben über Afghanistan diskutiert haben und jetzt über den NATO-Beitritt Spaniens reden. Es gibt in diesen beiden Ereignissen sicher eine innere Logik. Erst vor einer Woche fand hier im Deutschen Bundestag die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Protokoll vom 10. Dezember 1981 über den Beitritt Spaniens zum Nordatlantischen Bündnis statt. Angesichts der erfreulichen Einmütigkeit aller Fraktionssprecher in dieser Debatte ist es möglich, sich auf eine kurze Darstellung zu diesem freilich sehr wichtigen Thema zu beschränken.
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5450 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Dr. HennigIch kann zudem darauf hinweisen, daß auch der Bundesrat den Beitritt Spaniens zur NATO bereits am 12. Februar dieses Jahres ausdrücklich begrüßt hat. Einstimmig zugestimmt haben auch der Verteidigungsausschuß und der Auswärtige Ausschuß. Es ist also Gott sei Dank eine in diesem Hause unstrittige Problematik, die wir heute hier behandeln.Dies ist allerdings nicht überall so. Im spanischen Parlament selbst kämpfen die Sozialisten unter Führung von Felipe Gonzalez mit Vehemenz gegen den Beitritt zur NATO. Unterstützt werden sie dabei von der Sozialistischen Internationale, insbesondere von ihrem Vorsitzenden, Willy Brandt.
Es wäre schön, wenn die Einigkeit im Deutschen Bundestag auch in diesen Bereich ausstrahlen würde, um eine integrationsfreudige spanische Regierung auf diese Weise zu ermutigen und nicht etwa das Gegenteil davon zu tun.
Der Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft, meine Damen und Herren, kann nun keine Alternative hierzu sein, wie manche das zu denken scheinen. Sicherheit finden wir nur im Atlantischen, im westlichen Bündnis, d. h. in der Nordatlantischen Gemeinschaft und nicht in der Europäischen Gemeinschaft; damit wäre diese hoffnungslos überfordert.Zudem hat nun die spanische Demokratie selbst ihre Beitrittswünsche zu definieren. Dieser Wunsch geht eindeutig dahin, die Integration nach Europa in drei Etappen zu vollziehen: erstens Beitritt zum Europarat, der bereits vollzogen ist, zweitens geplanter Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft und drittens Beitritt zur NATO, was wir hier heute diskutieren. In dieser Entscheidung können wir die spanische Regierung und die Bürger Spaniens nur bestärken.Spanien war historisch und kulturell stets ein wichtiger Teil Europas. Mein Kollege Handlos hat in der ersten Beratung heute vor einer Woche mit Recht darauf hingewiesen, daß Europa Spanien geschichtlich sehr viel zu verdanken hat.
Er hat ausgeführt, daß dieses Land im Laufe der Geschichte sehr viele Impulse in kultureller und geistiger Hinsicht nach Europa hinein vermittelt hat. Europa würde anders aussehen, wenn es Spanien in der Vergangenheit nicht gehabt hätte.Der vorbehaltlose, von großer parlamentarischer Mehrheit getragene Beitrittswunsch Spaniens — ich betone: vorbehaltslose, ohne Bedingungen, ohne Sonderregelungen —
liegt im vitalen Interesse Spaniens selbst und bedeutet zugleich die konsequente Weiterführung westlicher Integrationspolitik des spanischen Ministerpräsidenten Calvo Sotelo.
Darüber hinaus wird die Einbindung in das westliche Bündnis der Festigung der jungen spanischen Demokratie zweifelsohne von unschätzbarem Nutzen sein und zu deren Weiterentwicklung einen wertvollen Beitrag leisten.Ein demokratisches Spanien, meine Damen und Herren, gehört nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern, von seiner exponierten geostrategischen Lage her beurteilt, auch militärisch zum freien Europa. Spanien in der NATO — neben den bereits seit Jahren vertraglich bestehenden und bewährten Verbindungen mit den Vereinigten Staaten — bedeutet sowohl einen sicheren Brückenkopf zu den wichtigen NATO-Partnern jenseits des Atlantik als auch die Schließung der Landbrücke zwischen dem NATO-Partner Portugal und den übrigen europäischen Verbündeten. Und zugleich wird eine verbesserte Sicherung der lebensnotwendigen Verbindungslinien, der Lines of Communication, im Atlantik von Übersee erreicht und eine dringend notwendige Stärkung der Südflanke der NATO im westlichen Mittelmeer vollzogen.
Durch seine Lage im rückwärtigen NATO-Bereich bietet sich das Land zudem hervorragend als logistische Basis für den Befehlsbereich SACEUR — Supreme Allied Commander Europe — an.Meine Damen und Herren, ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist folgender. Der massive Druck Moskaus auf die spanische Regierung gegen einen NATO-Beitritt des Landes ist Beweis genug für die militärpolitische Bedeutung eines solchen Schrittes zur Stärkung der westlichen Allianz und ihrer militärischen Verteidigungsfähigkeit. Mit ihrem Beitrittsbegehren verstößt die spanische Regierung selbstverständlich weder gegen die KSZE-Schlußakte noch die Charta der Vereinten Nationen, wie das von dort behauptet wird. Bekanntlich wird jedem Staat sein eigenes Bündnisrecht zugestanden. Die Aktivitäten der Sowjetunion sind daher mit Recht von der souveränen spanischen Regierung als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten zurückgewiesen worden.
Der besondere Wert der spanischen Streitkräfte, einer gut ausgebildeten Wehrpflichtarmee, liegt zur Zeit in einer durchaus NATO-Standard nahe kommenden Luftwaffe und Marine, während das durchaus respektable Heer in einigen Bereichen noch angemessener Modernisierungshilfe bedarf. Insgesamt wird eine nachhaltige Unterstützung durch die übrigen Bündnispartner erforderlich werden, ein Engagement, das in Anbetracht der damit zu bewirkenden erheblichen Steigerung der militärischen Kraft der NATO lohnend sein und im Interesse gemeinsamer Sicherheit nicht gescheut werden sollte. Wir dürfen sicher sein, daß der allgemein als tapfer und selbstbewußt bekannte spanische Soldat dafür dankbar sein und ein verläßlicher Bündnispartner dann auch sein würde.Schließlich, meine Damen und Herren, sollten wir nicht vergessen, daß die NATO mehr ist als nur ein militärisches Bündnis souveräner Staaten. Sie ist
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Dr. Hennigeine Gemeinschaft von Demokratien. Und ich hoffe, daß sich auch die griechische Regierung auf Dauer dieser Erkenntnis nicht verschließt.Ich komme zum Schluß und rufe in Erinnerung, daß die NATO-Außenministerkonferenz schon am 10. Dezember vorigen Jahres in Brüssel im Beisein des spanischen Außenministers das Beitrittsprotokoll unterzeichnet hat. Die Bündnispartner Großbritannien, Island, Kanada, Norwegen und Belgien haben die Ratifizierungsurkunden hinterlegt. Es ist davon auszugehen, daß auch die übrigen NATO-Staaten zügig folgen werden. Daraus folgt, daß man sich der besonderen außenpolitischen und militärischen Bedeutung der Schaffung einer weiter auszubauenden gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik in richtiger Einschätzung der Analyse der akuten Bedrohung durchaus bewußt ist.Spanien als 16. Mitgliedstaat ist ein beachtenswerter Gewinn für die Sicherung des Friedens und der Freiheit im westlichen Bündnis, und es ist insofern hoch zu bewerten. Für die junge spanische Demokratie heißt das gleichzeitig deutliche Anerkennung ihres bisherigen Kurses durch Aufnahme als gleichberechtigter Partner in die Gemeinschaft freier Völker.
Herr Abgeordneter Dr. Hennig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner?
Selbstverständlich. Präsident Stücklen: Bitte.
Herr Kollege Dr. Hennig, wie empfinden Sie es, daß, wenn ich das recht sehe, bei einer so wichtigen parlamentarischen Debatte zu Spaniens — —
— Entschuldigung. Ich ziehe meine Zwischenfrage zurück, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, wenn man sich im Raum umguckt, ist in der Tat Anlaß, glaube ich, für Zwischenfragen dieser und ähnlicher Art gegeben. Die Präsenz in diesem Hause ist allerdings sehr unterschiedlich ausgeprägt. Ich möchte das nur unterstreichen, Herr Kollege Wörner.
Eine Ablehnung — um dies abschließend zu sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen — des spanischen Beitrittswunsches wäre mit Sicherheit ein schwerer Rückschlag für die spanische Demokratie und das Bündnis der freien Völker. Ich bitte daher um nachhaltige Unterstützung der geplanten Aufnahme Spaniens in die NATO und empfehle umgehende Ratifizierung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt Spaniens zur NATO. Für die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion darf ich diesen geplanten Beitritt Spaniens zur NATO begrüßen und gleichzeitig darauf hinweisen, daß die Nordatlantische Allianz damit auch nach Jahrzehnten ihre ungeschmälerte Attraktivität unter Beweis stellt. Sie sichert nach wie vor auch unseren Frieden. Durch den Beitritt Spaniens wird sie gestärkt, und damit wird auch unser Friede sicherer.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Ehmke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei stimmt dem Gesetz über den NATO-Beitrag Spaniens zu. Wir sind uns also einig, Herr Kollege Hennig, in der Sache.Ich hätte es begrüßt, wenn Sie es unterlassen hätten, auf die innenpolitische Auseinandersetzung in Spanien über diese Frage anzuspielen; denn es gehört zum Respekt vor der spanischen Demokratie, daß man sich zwar die Argumente dafür und dagegen anhört, aber nun nicht meint, sich zum Richter aufwerfen zu müssen.
Ich kenne auch konservative Leute in Spanien, die der Meinung sind, es spreche einiges dafür, bei dem Stützpunktvertrag mit Amerika zu bleiben. Ich kenne umgekehrt Sozialisten, die wegen der auch von ihnen erhofften Wirkung auf die spanische Armee der Meinung waren, es wäre gut, hier mitzugehen. Das ist eine demokratische Auseinandersetzung gewesen, in die wir uns nicht eingemischt haben.Wir sind der Meinung, wenn die frei gewählte spanische Regierung den Antrag stellt, der NATO beizutreten, kann er von der Bundesrepublik und von diesem Parlament nur begrüßt und unterstützt werden. Dieser Meinung habe ich hier Ausdruck gegeben.Was den Beitritt zur EG betrifft, so teile ich Ihre Meinung, daß wir eine Beschleunigung wünschen. Wir, die Sozialdemokraten, haben damals ja, soweit wir das konnten, kräftig mitgewirkt bei der Beseitigung der faschistischen Diktaturen in Portugal und Spanien.
Die spanische Demokratie hat das Unglück, daß diese Ablösung der Diktatur durch die Demokratie mit der schwierigen Wirtschaftslage zusammenfällt.
— Nein, das mache ich nicht, höchstens europäische Innenpolitik.
Die Wirtschaftslage ist ja eine der Schwierigkeiten dort.Darum teile ich die Meinung, daß wir nun dem ersten Schritt den zweiten Schritt folgen lassen müssen, d. h. dem Land helfen müssen, als Mitglied der Europäischen Gemeinschaft die Hilfe und die Stütze in Europa zu erhalten, die seiner sozialen Entwicklung und wirtschaftlichen Entwicklung dient. Wir
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Dr. Ehmkemüssen dazu allerdings sagen — Herr Kollege Hennig, Sie stimmen mir sicher zu —, daß für uns als Nichtagrarland der Beitritt Spaniens im einzelnen weniger Probleme aufwirft als für andere EG-Länder. Wir wollen uns über die Länder, die da mehr Sorgen haben, nicht erheben. Trotz dieser Bedenken sind wir der Meinung, daß aus politischen Gründen auch der Beitritt zur EG so rasch wie möglich vollzogen werden sollte. — Schönen Dank!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Möllemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Argumente für den Beitritt Spaniens und die positive Bewertung des Beitritts Spaniens zur NATO sind vor einer Woche hier bereits von allen Fraktionen vorgetragen worden. Die beiden Vorredner haben das gerade noch einmal unterstrichen. Ich verweise deswegen noch einmal auf die Argumente, die vorgetragen worden sind. Ich glaube, es gibt in diesem Punkt nun wirklich nicht den geringsten Anlaß, irgendeinen Dissens in der Bewertung des Vorgangs in diesem Hause festzustellen. Ich freue mich, daß wir mit Spanien jetzt ein weiteres Mitglied in unserer Gemeinschaft begrüßen können. — Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die schnelle Behandlung des Entwurfs des Vertragsgesetzes zum Beitritt Spaniens zur NATO. Wir sehen darin eine Bekundung des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, daß wir den Beitritt des demokratischen Spaniens zur NATO ausdrücklich begrüßen.
Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, daß die Bundesregierung der festen Überzeugung ist, daß das demokratische Spanien nicht nur Anspruch darauf hat, daß wir ihm den Weg in die NATO öffnen, sondern daß es einen gleich großen Anspruch darauf hat, daß wir ihm den Weg in die Europäische Gemeinschaft öffnen. Ich bitte Sie alle, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, nachdrücklich, auch in Ihren Gesprächen mit den Vertretern anderer Staaten der Europäischen Gemeinschaft darauf hinzuwirken, daß die hier und dort noch vorhandenen Bedenken, die nicht grundsätzlicher Natur sind, sondern die mehr aus ökonomischen Gesichtspunkten herrühren, überwunden werden. Spanien muß wissen: Es ist uns überall in der Gemeinschaft der Demokratien willkommen, in der NATO genauso wie in der Europäischen Gemeinschaft.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis
— Drucksache 9/1363 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 9/1426 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schmidt
Wird das Wort von dem Berichterstatter gewünscht? — Dies ist nicht der Fall.
Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen
— Drucksache 9/1338 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Debattenrunde vereinbart worden. — Das Haus ist damit einverstanden. Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf soll ein Gesetz, das sich bewährt hat, ablösen, das deutsche Auslieferungsgesetz von 1929. Er wird dabei den geläufigen Begriff „Auslieferungsgesetz" durch den neuen Ausdruck „Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen" ersetzen. Wenn dennoch eine grundlegende Reform angestrebt wird, so gerade aus dem Grunde, der auch in dem neuen Gesetzestitel sicht-
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Bundesminister Dr. Schmudebar wird. Internationale Rechtshilfe in Strafsachen ist nicht mehr vor allem Auslieferung; in den letzten Jahren, wenn nicht schon seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, hat sich ein grundlegender Wandel vollzogen.Gewandelt haben sich Art und Umfang der internationalen Kriminalität und der Zusammenarbeit der Staaten bei der Bekämpfung dieser Kriminalität. Wir haben es heute nicht mehr primär mit organisierter grenzüberschreitender Kriminalität oder mit der Verfolgung von Straftätern, die sich durch Flucht ins Ausland der Strafverfolgung zu entziehen versuchen, zu tun. Auch diese Bereiche sind weiterhin wichtig und haben angesichts des wachsenden Zusammenwirkens von Straftätern im internationalen Maßstab noch an Bedeutung gewonnen. Hinzugekommen und wesentlich gewachsen ist aber vor allem die Kriminalität, die mit der heute erreichten Durchlässigkeit der Grenzen verbunden ist, von der alle Bevölkerungsschichten regen Gebrauch machen. Gleichzeitig hat sich die internationale Zusammenarbeit in allen Bereichen erweitert und verdichtet.Diesem Wandel entspricht eine im Vergleich zur Weimarer Zeit erheblich verbesserte Zusammenarbeit der Staaten — mindestens im westeuropäischen Bereich, darüber hinaus aber auch mit anderenStaaten in Europa und Übersee —, eine Entwicklung, die ihren Niederschlag in einer Fülle multilateraler Abkommen gefunden hat.Meine Damen und Herren, gewandelt hat sich schließlich die Einstellung zum Betroffenen, zum Beschuldigten oder auch zum bereits verurteilten Straftäter. Sie sind nicht länger — wie noch im älteren Verständnis — allein Objekte, sondern auch Subjekte des Auslieferungsverfahrens mit Mindestrechten hinsichtlich der Strafverfolgung, des gerichtlichen Verfahrens und der Strafvollstreckung.Der Gesetzentwurf trägt diesen veränderten Tatsachen und rechtlichen Einsichten bezüglich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen Rechnung. Auf der Grundlage umfassender Vorarbeiten einer vom Bundesjustizminister eingesetzten Kommission in den 60er Jahren und weiterer eingehender Diskussionen ist der Entwurf in weitgehender Anlehnung an die Systematik des deutschen Auslieferungsgesetzes gestaltet. Ein nicht unerheblicher Teil der Neuregelungen betrifft Fragen der Erleichterung und Vereinfachung des Rechtshilfeverfahrens, also Fragen vor allem rechtstechnischer Natur. Sie haben angesichts der Bedeutung, die der praktischen Abwicklung des Rechtshilfeverkehrs zukommt, zugleich erhebliches politisches Gewicht.Der Entwurf betritt darüber hinaus in wichtigen Fragen Neuland. Ich nenne hier vor allem die Rechtshilfe durch Vollstreckung ausländischer Erkenntnisse. Sie wird in größerem Rahmen auch in Deutschland die Möglichkeit eröffnen, daß der Straftäter die Strafe in seinem Heimatland verbüßt, so daß soziale Bindungen nicht noch zusätzlich durch einen Strafvollzug im Ausland gefährdet und belastet werden.Rechtshilfe wird nach dem Entwurf auch und vor allem für den heute so wichtig gewordenen Bereich der Wirtschaftskriminalität sowie darüber hinaus z. B. im Rahmen der sogenannten kleinen Rechtshilfe bei Ordnungswidrigkeiten und vergleichbaren Sanktionen ermöglicht.Ausgeschlossen bleibt jedoch die Auslieferung wegen politischer Straftaten und damit zusammenhängender Taten, es sei denn, daß die Auslieferung wegen Völkermordes, Mordes oder Totschlags begehrt wird.Die hier beispielhaft aufgezählten Regelungen spiegeln das Bemühen wider, dem beschuldigten und verurteilten Straftäter bestimmte Mindestrechte zu sichern. Dieses Bemühen findet seinen Ausdruck u. a. in dem Verbot der Auslieferung bei Gefahr der Verfolgung des Betroffenen wegen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauung.Hierher gehört auch die ausnahmsweise Durchbrechung des Grundsatzes „keine Nachprüfung des Schuldverdachts" in den Fällen, in denen Zweifel bestehen, ob der Verfolgte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig ist. Die Bundesregierung bleibt im Gegensatz zur Mehrheit des Bundesrates bei der Auffassung, daß wir uns für bestimmte Ausnahmefälle diese Nachprüfung vorbehalten müssen.Ein besonderes Anliegen, das weit über die Sicherung des Mindeststandards hinausgeht, ist die Ächtung der Todesstrafe auch im Auslieferungsverkehr. Nach § 7 ist eine Auslieferung bei Taten, die der ersuchende Staat mit der Todesstrafe bedroht, nur dann zulässig, wenn er zusichert, daß die Todesstrafe nicht verhängt oder nicht vollstreckt werden wird. Bei dieser strikten und eindeutigen Regelung muß es bleiben. Deshalb wende ich mich nachdrücklich gegen Vorstellungen, sich mit abgeschwächten Formen einer Zusicherung zu begnügen. Die ungeheuerliche Erfahrung, die wir mit dem Mißbrauch der Todesstrafe während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erleben mußten, verpflichtet uns, für von uns an andere ausgelieferte Menschen auch über unsere Grenze hinaus die unbedingte Achtung des Rechtes auf Leben sicherzustellen.Vor dem Bundesrat habe ich mit Genugtuung feststellen können, daß die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Reform der internationalen Rechtshilfe bei allen politischen Kräften unbestritten sind. Danach ist zu erwarten, daß Offenheit und der Wille, zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen, unsere weitere Diskussion bestimmen werden. In diesem Sinne bitte ich für den Gesetzentwurf um Ihre Unterstützung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Olderog.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben lange auf diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung warten müssen. Gerade auch Kollegen meiner Fraktion,
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5454 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Dr. Olderogetwa der Abgeordnete Lampersbach, die Abgeordnete Frau Berger, der Abgeordnete Dr. Jentsch, haben in parlamentarischen Anfragen immer wieder darauf gedrängt.Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt insgesamt diesen Gesetzentwurf. Der Strafvollzug in der Bundesrepublik ist bemüht, auch hinter den Gefängnismauern die Würde des Menschen zu achten. Strafvollzug soll der Resozialisierung dienen. Um so bedrückender ist das Schicksal vieler Deutscher, die in ausländischen Strafgefängnissen sitzen.
Sie sind isoliert, verstehen die fremde Sprache oft nicht, haben es schwer, im Gefängnis Kontakte zu anderen zu finden, haben selten oder nie Besuch von Verwandten und Freunden. Die Strafe ist oft in einer unglaublichen Weise brutal.So wurde der 20jährige Angelo Winkler aus Wiesbaden in der türkischen Stadt Izmir 1976 wegen Rauschgiftschmuggels zunächst zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt, die später auf 30 Jahre ermäßigt wurde. In Paraguay sitzen Komplizen des Konsul Weyer im Gefängnis. Die Verhältnisse dort werden uns als geradezu tierisch beschrieben. Deutschen Strafgefangenen in Thailand soll es ähnlich gehen.Dieser Gesetzentwurf eröffnet ihnen endlich eine Chance. Urteile ausländischer Staaten können in Zukunft nach den §§ 47 ff. auch in Deutschland vollstreckt werden. Diese Menschen dürfen endlich hoffen. Soweit zu einem Anliegen des Gesetzentwurfs.Zu einem anderen Punkt: Straftäter sind heute beweglich; in den verschiedensten Ländern begehen sie ihre Verbrechen. Landesgrenzen sind längst keine Hindernisse mehr. Besonders gilt das für Wirtschaftskriminelle. Die Strafverfolgung über die Landesgrenzen hinweg ist hingegen oft mühselig, bürokratisch, vielfach vergeblich, als wenn man mit einer Postkutsche einen Rennwagen einholen soll. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir die internationale Zusammenarbeit der Verfolgungsbehörden stärken. Die Auslieferung wird erleichtert, und auch die Rechtshilfe allgemein, etwa Vernehmungen im Ausland, wird erleichtert. Das war seit vielen Jahren dringend notwendig.Ich komme zu einem dritten Ziel des Gesetzentwurfs. Zigtausende von Touristen aller Länder machen Auslandsreisen. Der Bundesminister hat darauf hingewiesen, daß sie dabei Straftaten begehen, eine Fülle von Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften der Bagatell- und Kleinkriminalität, insbesondere im Straßenverkehr. Hier können nach § 47 Nr. 1 des Gesetzentwurfs auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge Urteile und andere entsprechende Entscheidungen des Auslands in Rechtsfolgen des deutschen Rechts umgewandelt werden. Umgekehrt gilt entsprechendes natürlich auch für die Partnerländer. Insofern wird dieses Gesetz dazu beitragen, daß sich bestimmte Touristen im Ausland disziplinierter verhalten. Reisenden Tätern wird wirksamer das Handwerk gelegt.Das alles zeigt, wie dringend erforderlich dieser Gesetzentwurf ist. Wir bedauern, daß die Bundesregierung so viele Jahre gebraucht hat, um ihr Versprechen einzulösen.Lassen Sie mich im einzelnen auf einige wichtige Punkte kurz eingehen. Erstens zu § 7: Ich möchte — übereinstimmend mit Ihnen, Herr Minister — betonen, daß eine Auslieferung nur zulässig sein darf, wenn rechtlich und tatsächlich sichergestellt ist, daß die Todesstrafe nicht verhängt und nicht vollstreckt wird.Zweitens zu § 9 Abs. 1 a: Im Falle eines Auslieferungsersuchens sind der ausländische Haftbefehl, staatliche Urkunden und Dokumente des ersuchenden Staates vorzulegen. Bundesregierung und Bundesrat streiten darüber, ob auf deutscher Seite ausnahmsweise auch zu prüfen ist, ob der Verfolgte tatsächlich hinreichend verdächtig ist. Mir scheint — da neige ich Ihrem Standpunkt zu — die weitergehende Nachprüfung ausnahmsweise dann gerechtfertigt zu sein, wenn die Sache rechtsstaatlich — ich darf das einmal so sagen — stinkt.Drittens zu § 47 Nr. 2: Ausländische Urteile, die eine Freiheitsstrafe festsetzen, sollen in der Bundesrepublik vollstreckt werden, wenn Deutsche dadurch aus der Strafhaft im Ausland herausgeholt werden. Soll das aber auch dann gelten, wenn sich der im Ausland verurteilte Deutsche wieder in der Bundesrepublik befindet? Dagegen teile ich die Bedenken des Bundesrates. Wollen wir z. B. wirklich in exotischen Ländern in Abwesenheit ergangene Urteile in der Bundesrepublik Deutschland gegen den Willen des Betroffenen vollstrecken? Die Richtigkeit des Urteils wird doch nicht mehr nachgeprüft! Sinn dieser Vorschrift ist doch vor allem, bei vertragslosem Zustand ein ausländisches Urteil im Inland dann zu vollstrecken, wenn dem deutschen Staatsbürger dadurch die Haft im Ausland erspart wird. Die Regelung des Entwurfs wird vielfach doch keine humanitäre Erleichterung bringen, sondern eine unverdiente bittere Härte. Wir wissen doch alle, was uns Touristen aus eigenen Erfahrungen über Begegnungen mit der Polizei, mit der Justiz im Ausland berichten können.
Viertens. Strittig ist die Frage, ob die Bewilligung der Rechtshilfe als auswärtige Angelegenheit in die Zuständigkeit des Bundes oder als Angelegenheit der Justizverwaltung in die Zuständigkeit der Länder fällt. Der Gesetzentwurf sollte nach meiner Meinung diese Frage offenlassen. Der Bundesrat ist gegen die Bundeszuständigkeit nach § 73. Es handelt sich um ein Zustimmungsgesetz. Bund und Länder sollten die in der Vergangenheit ausgehandelten Zuständigkeitsregelungen erneuern. Nur das dient der von uns allen gewünschten Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens.Letzter Punkt: § 67 Abs. 1. Die Bundesregierung will sich ermächtigen lassen, zur Förderung des Rechtshilfeverkehrs mit dem Ausland völkerrechtliche Vereinbarungen durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates in Kraft zu setzen. Ich habe dagegen erhebliche verfassungspolitische und verfassungsrechtliche Bedenken. Nach
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Dr. OlderogArt. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ist bei völkerrechtlichen Verträgen ein formelles Zustimmungsgesetz erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ganz klar gesagt, daß dieses Zustimmungsgesetz nicht durch eine Rechtsverordnung ersetzt werden kann. Eine vorweggenommene Zustimmung erscheint mir allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen denkbar. Es muß dann zwingende Gründe dafür geben. Daß es sich die Bundesregierung etwas bequemer machen will, ist sicher kein zureichender Grund.
Die Bundesregierung läßt ohnehin die Tendenz erkennen, Rechte und Pflichten des Bundestages nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 durch Verordnungsermächtigungen auszuhöhlen und zu unterlaufen. Wir haben dasselbe Problem, Herr Bundesminister, kürzlich bei dem Recht des Tiefseebergbaus gehabt. Wir haben uns die Entscheidung damals sehr schwer gemacht. Wir Abgeordneten sollten hier wachsam sein. Hier werden Rechte des Parlaments abgebaut.Meine Damen und Herren, wir sollten dieses Gesetz rasch verabschieden. Weit über 1 000 deutsche Strafgefangene sitzen in ausländischen Strafhaftanstalten, zum Teil unter schlimmen Bedingungen, unter oft großen seelischen Qualen. Wir sind diesen Menschen gegenüber zur Fürsorge verpflichtet. Deswegen bitte ich Sie alle: Lassen Sie uns rasch an die Arbeit gehen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gnädinger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hatte ursprünglich vorgesehen, daß der Kollege Dr. Klejdzinski die Erklärung hier abgibt. Da die Tagesordnung heute morgen ziemlich schnell abgewickelt wurde, hatten wir keine Möglichkeit mehr, ihn rechtzeitig hierher zu bekommen. Deshalb will ich einige Bemerkungen machen.Ich tue dies sehr gern, weil ich glaube, daß wir Anlaß haben, dem Herrn Bundesjustizminister recht herzlich dafür zu danken, daß nach langen, langen Vorarbeiten dieser Gesetzentwurf nunmehr im Deutschen Bundestag eingebracht worden ist. Ich bin auch sehr froh darüber, daß der Herr Bundesjustizminister in sehr eindringlicher Form die Notwendigkeit dieses Gesetzentwurfs hier begründet hat.
Wenn man sich die Ausführungen des Kollegen Olderog ansieht, stellt man fest, daß es kaum Differenzpunkte gibt. Ich gehe deshalb davon aus, daß Ihr Wunsch, Herr Olderog, diesen Gesetzentwurf zügig zu verabschieden, durchaus Realität werden wird.Der Bundesrat hat im ersten Durchgang eine ganze Reihe von Bedenken erhoben. Wir werden das natürlich, sofern die Bundesregierung diesen Bedenken nicht schon Rechnung getragen hat, sehr genau und sehr exakt prüfen müssen.Ich möchte noch einige Punkte erwähnen, und zwar zunächst die Vollstreckung der Strafe im Ausland. Wir sind der Meinung, daß der Strafvollzug neben der Sanktion, die er bedeutet, natürlich auch resozialisierend wirken sollte. Es ist sehr schwer, die Resozialisierung eines Täters zu erreichen, wenn er außerhalb des eigenen Landes den Strafvollzug über sich ergehen lassen muß. Deshalb gibt es ein großes Interesse gerade aus dem Gesichtspunkt der Resozialisierung heraus, daß Strafvollstreckungen an Ausländern in den jeweiligen Heimatländern durchgeführt werden.Der zweite Punkt, der hier erwähnt wurde, betrifft die Todesstrafe. Wir haben uns im Deutschen Bundestag bei verschiedenen Gelegenheiten mit der Frage der Todesstrafe in anderen Ländern auseinandergesetzt und miteinander über Konventionen zu diesem Punkt gesprochen. Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß die einschlägige Bestimmung unseres Grundgesetzes ein ganz gewaltiger rechtspolitischer Fortschritt ist und daß der Kampf gegen die Todesstrafe in der Welt nach wie vor geführt werden muß.Deshalb ist es nur vernünftig und sinnvoll, wenn der Gesetzentwurf vorsieht, daß Auslieferungen an das Ausland natürlich dann nicht in Betracht kommen können, wenn in solchen Ländern noch die Praxis der Todesstrafe geübt wird.Es gibt im Gesetzentwurf auch einige Gesichtspunkte zu der Frage: Wie stark muß die Zusicherung des Auslands sein, daß die Todesstrafe nicht verhängt bzw. vollstreckt wird? Darüber werden wir im Ausschuß noch eingehend zu sprechen haben.Der letzte Punkt, den ich erwähnen möchte, betrifft die Gesetzgebungszuständigkeit, die j a gerade auch bei dem vorliegenden Gesetzentwurf eine relativ große Rolle spielt. Denjenigen, die sich damit beschäftigt haben, ist bekannt, daß die Frage, ob es sich um Strafvollzug handelt und deshalb die Zuständigkeit der Länder gegeben ist oder ob es sich um die Außenpolitik, um auswärtige Angelegenheiten handelt und deshalb die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist, von großer Bedeutung ist.Ich glaube, in der Debatte ist schon sehr deutlich darauf hingewiesen worden, daß wir es uns nicht erlauben können, daß bei der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen Bayern anders als Nordrhein-Westfalen und Bremen anders als Baden-Württemberg verfährt.
Vielmehr ist Einheitlichkeit hier geboten. Deshalb meine ich, daß alles dafür spricht, daß die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist. Das, was Sie, Herr Dr. Olderog, zu dieser Frage gesagt haben, stimmt ja durchaus optimistisch.Lange Jahre, eigentlich Jahrzehnte der Vorbereitung für diesen Gesetzentwurf waren notwendig. Ich
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Gnädingerkonnte schon zu Anfang betonen, daß wir froh darüber sind, daß dieser Entwurf nunmehr den Ausschüssen überwiesen werden kann. Wir Sozialdemokraten sind ebenfalls für eine zügige Verabschiedung. Ich möchte beantragen, daß der Gesetzentwurf entsprechend der Empfehlung des Altestenrates an den Rechtsausschuß überwiesen wird.Ich darf mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit recht herzlich bedanken.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bergerowski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Justizminister hat zur Einführung des Gesetzes sehr deutlich gemacht, was eigentlich der Hintergrund dafür ist, daß das 50 Jahre alte Auslieferungsgesetz, das nach der Beurteilung aller ein sehr gutes Gesetz war und auch von der gesetzgeberischen Leistung her beachtlich ist, nun überholt werden muß.Da haben sich einfach die Lebensumstände in unserem Lande verändert. Die Kriminalität hat andere Formen angenommen, über die Grenzen hinweg; das ist sicherlich der eine Punkt: internationale Zusammenarbeit im Bereich der Kriminalität. Aber es hat sich auch etwas anderes entwickelt: die Grenzen sind in Teilen der Welt offener geworden. Bei uns beispielsweise leben 4,5 Millionen Ausländer. Viele unserer Mitbürger arbeiten oder leben im Ausland oder verbringen auf jeden Fall ihren Urlaub dort. In dem gleichen Umfang, in dem mehr Mobilität in diese Gesellschaft kam, ist auch die Kriminalität der Bürger angestiegen. So stieg etwa die Zahl der Deutschen an, die im Ausland strafbar wurden, und auch Ausländer, die bei uns leben, die aber im Ausland auf Reisen sind oder in ihr Heimatland fahren, kamen dort mit dem Gesetz in Konflikt. Auf der Grundlage dieser neuen Entwicklungen war es notwendig, dem Gesetz einen neuen Rahmen zu geben.Für die Fraktion darf ich sagen: wir sind froh, daß jetzt nach dieser langen Vorarbeit der Entwurf auf dem Tisch liegt. Er regelt die außervertraglichen Beziehungen im Bereich der Rechtshilfe. Daneben bestehen eine ganze Reihe individueller, bilateraler oder zwischen verschiedenen Staaten und Gemeinschaften zustande gekommener Verträge oder Übereinkommen.Der Entwurf regelt eine Reihe von Dingen, die man als Vereinfachung des Auslieferungsverfahrens bezeichnen kann. Aber es sind auch Bereiche festzustellen, die rechtstaatliche Verbesserungen bekommen. Zu den letzten gehört auch der vorhin schon angesprochene Bereich der Schuldverdachtsprüfung im vertragslosen Auslieferungsverfahren. Ein Komplex betrifft die Auslieferung an das Ausland. Hier lehnt sich der Entwurf weitgehend an das alte Recht an. Freilich bleiben da ein paar Fragen offen. Ich will das hier nur beispielhaft — und mit Sicherheit nicht in dem Bemühen, alles abzudecken — darlegen. Es geht etwa um die Frage, warum eigentlich der Entwurf keine Vorschrift enthält, aus der sich die Unzulässigkeit der Auslieferung aus huma-nitären Gründen ergibt, etwa in den Fällen, in denen durch die Verbringung des Verfolgten in einen fremden Lebenskreis enge familiäre oder soziale Bindungen gestört oder Entwicklungen oder die Resozialisierung eines Jugendlichen gefährdet würden oder in denen das Alter oder der Gesundheitszustand des Verfolgten einer Auslieferung entgegensteht. Das ist eine Regelung, die verschiedentlich in bilateralen Verträgen vorkommt. Ich frage: Kann man eigentlich mit dem Hinweis auf die außerordentlich geringe Zahl der Fälle, die im außervertraglichen Auslieferungsrecht anfallen werden, eine solche Regelung verwehren?Wichtig ist sicher, daß im vertragslosen Auslieferungsverkehr eine Schuldverdachtsprüfung erlaubt wird, wenn Umstände des Einzelfalles Anlaß zu der Prüfung geben, ob hinreichender Tatverdacht gegen den Verfolgten besteht. Das ist vorhin schon deutlich herausgestrichen worden. Ich meine, damit kann der Gefahr eines Mißbrauchs des Ersuchens durch einen fremden Staat sicherer begegnet werden.Im Zusammenhang mit dem Auslieferungsverbot wegen einer politischen Tat will der Entwurf auf die Definition dessen, was eine politische Tat ist, verzichten. Dabei wird darauf verwiesen, daß mit der Definition des noch geltenden Rechts praktische Schwierigkeiten aufgetreten und unerwünschte Ergebnisse die Folge gewesen seien. Dies wird unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten einer genaueren Erörterung im Ausschuß bedürfen. Denn zu Recht weist die Begründung des Entwurfs darauf hin, daß die Legaldefinition des DAG, was politische Tat sei, grundsätzlich geeignet sei, die Rechtssicherheit zu fördern und zu einer Versachlichung der Auslegung beizutragen.Ich will noch ein paar — ebenso willkürlich gegriffene — Punkte nennen.Konsequent scheint mir — darüber herrscht hier unter allen Fraktionen Übereinstimmung — die Entscheidung in dem Entwurf zu sein, bei einer mit Todesstrafe bedrohten Handlung die Auslieferung nur zuzulassen, wenn der ersuchende Staat zusichert, daß die Todesstrafe nicht verhängt oder nicht vollstreckt werde. Die Kollegen haben darauf hingewiesen, welchen Stellenwert die Abschaffung der Todesstrafe in unserem Recht hat und welch hoher Wert damit dem Menschenleben in unserer Gesellschaftsordnung eingeräumt ist. Damit liegt dieser Gesetzentwurf auf der von der Bundesregierung vertretenen, in diesem Hause mehrfach besprochenen und bestätigten Linie, zu einer weltweiten Ächtung der Todesstrafe zu kommen. Da ist es nur konsequent, daß wir selber bei der Auslieferung einen hohen Maßstab anlegen.Der vierte Teil des Entwurfs, nämlich Rechtshilfe durch Vollstreckung ausländischer Erkenntnisse, führt — das hat der Bundesjustizminister auch schon ausgeführt — in Neuland. Mir erscheint es vernünftig, dieses Problem hier zu regeln. Reiseverkehr, Arbeitsverhältnisse im Ausland und vieles andere mehr verstricken sowohl deutsche Mitbürger als auch bei uns lebende Ausländer in Straftaten aller Art bis hin zu Verstößen gegen Straßenverkehrsvorschriften. Diese Taten können in Zukunft bei uns
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5457
BergerowskiI oder im Heimatland des Ausländers unkompliziert vollstreckt werden. In vielen Fällen wird diese Art von Vollstreckung die sozial schädlichen Folgen, die einer Vollstreckung überhaupt innewohnen, am ehesten begrenzen.Ich komme zum Schluß. Dieser Gesetzentwurf wird eingehende Beratungen im Rechtsausschuß nötig machen. Fragen wie die nach Dauer und Begrenzung der Auslieferungshaft, des Verhältnisses von Auslieferung zu Asylrecht, die vorhin schon besprochene Frage der Zuständigkeit des Bundes oder der Länder, Fragen des Datenschutzes, zu dem sich der Bundesdatenschutzbeauftragte schon mit einigen Bedenken gemeldet hat, werden uns beschäftigen.An den rund 60 Änderungsvorschlägen des Bundesrats wird allzumal deutlich, wieviel Fragen im einzelnen beraten werden müssen. Dennoch teile ich die Erwartungen, daß wir zu raschen Beratungen dieses Gesetzentwurfs kommen. Ich glaube, dies ist aus den vorhin schon erwähnten humanitären Gründen auch wichtig und notwendig. Ich bin überzeugt, daß wir vielen deutschen Mitbürgern, die zur Zeit in ausländischem Strafvollzug sitzen, auf diese Art und Weise helfen, indem wir sie in den deutschen Strafvollzug zurückführen. Dies halte ich für eine wichtige Aufgabe.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 9/1338 an den Rechtsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? — Ich sehe keine gegenteilige Auffassung. Es ist somit so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches
— Drucksache 9/1258 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß
Rechtsausschuß
Im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Redezeit von einer Stunde vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Dies ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Miltner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute zur Debatte stehende Gesetzesinitiative des Bundesrates gibt Gelegenheit, uns wieder einmal mit dem berüchtigten Erstlingswerk dieser Koalition, nämlich dem 1970 geänderten Demonstrationsrecht zu befassen. SPD und FDP haben damals gemeint, gegen den Rat der Fachleute, gegen das Votum der Polizeipräsidenten und der Vertreter der Praxis das Demonstrationsstrafrecht entschärfen und liberalisieren zu müssen.Die Folgen dieser falschverstandenen Reformpoliktik werden uns seit fast einem Jahrzehnt mit nicht zu überbietender Deutlichkeit auf den Straßen und auf den Bildschirmen vorgeführt.
Bei zahlreichen Demonstrationen in der Vergangenheit waren verletzte Menschen — Polizisten und Demonstranten — zu beklagen. Die angerichteten Sachschäden erreichen Millionenhöhe.
Nach einer vom Bundesminister des Innern vorgelegten Statistik, die noch nicht einmal vollständig ist, haben allein in den Jahren 1970 bis 1981 534 unfriedlich verlaufene Demonstrationen stattgefunden. Die Zahl der Gewalttäter und Sympathisanten betrug über 30 000. Die Zahl der verletzten Polizisten belief sich auf 1 286. Diese Zahlen sind die unterste Grenze. Sie stellen praktisch die Spitze des Eisberges dar.Der ehemalige Bundesrichter Professor Günther Willms hat zu dieser Situation im „Münchner Merkur" am 8. Februar dieses Jahres folgendes ausgeführt — ich zitiere —:Zu einem Skandal besonderer Art hat sich inzwischen das beständige Zurückweichen vor kollektiver Gewaltsamkeit entwickelt. Seine verheerenden Auswirkungen zeigen sich vielseitig. Der Polizei werden vor dem Hintergrund beständiger Schmähung Blutopfer abverlangt, die unerträglich geworden sind. Zugleich werden Sachschäden angerichtet, die in die Millionen gehen und letzten Endes die Allgemeinheit treffen. Das Gegenmittel der strafrechtlichen Sanktion, nach Beweislage gehemmt, liegt weithin brach und findet sich öffentlich denunziert, sobald irgendwo einmal ein energischer Zugriff gewagt wird.In einem offenen Brief an alle Bundestagsabgeordneten haben im vergangenen Monat Polizistenfrauen aus Schleswig-Holstein auf die Situation ihrer Männer hingewiesen. Sie schreiben — ich zitiere —:
In größter Verzweiflung wenden wir uns heute an Sie. Verhindern Sie leichtfertige Entscheidungen im politischen Vorfeld und auch, daß unsere Männer weiterhin unzureichend geschützt
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5458 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Dr. Miltnergewalttätigen Menschen entgegengeschickt werden. 1 500 Polizisten sind genug.
In dem Brief heißt es dann weiter:
Bitte weisen Sie Ihre zuständigen Kollegen noch eindringlicher als bisher auf deren Verantwortung und Fürsorgepflicht gegenüber unseren Männern hin, die diesen demokratischen Rechtsstaat mit Gesundheit und Leben zu jeder Tages- und Nachtzeit verteidigen. Wenn dieser Staat nicht mehr hinter denen steht, die seine innere Sicherheit garantieren sollen, wird er sich früher oder später selbst auflösen.
— Herr Kollege, diese Meinungsäußerungen sind keine Einzelfälle. Auch Sie werden tagtäglich solche Briefe bekommen. Ich kann Ihnen nur sagen: Die große Mehrheit der Bevölkerung ist darüber tief beunruhigt.
Sie hat kein Vertrauen mehr in diese Sicherheitspolitik. Sie kann vor allen Dingen nicht verstehen, daß die Staatsgewalt praktisch tagtäglich Rechtsbrüche und Gewalttaten auf offener Straße zuläßt.
Vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages hat ja am 18. Februar 1981 ein Leitender Oberstaatsanwalt von einer Kapitulation unserer Strafrechtspflege vor diesen Ereignissen gesprochen.
Er hätte besser von einer Kapitulation der Politik der SPD-Regierung und der Koalition gesprochen.
Es ist rührend und auch etwas bezeichnend für die Einstellung und Resignation der Bundesregierung, wenn z. B. der verantwortliche Bundesinnenminister die Tatsache rühmt, daß ausnahmsweise einmal eine Großdemonstration, nämlich die am 10. Oktober 1981 in Bonn, ohne gewaltsame Ausschreitungen verlaufen ist. Faktum ist aber: Die friedliche und gewaltlose Großdemonstration ist heute die Ausnahme. Ausschreitungen und Exzesse im Zusammenhang mit Kundgebungen dieser Art sind die Regel.
Es ist auch nicht damit gedient, wenn der Bundesinnenminister sich hierher stellt und sagt: Wir danken unseren Polizisten. Besser wäre es, wenn wir wirksame Gesetze und eine konsequente Politik gegenüber den Gewalttätern und Rechtsbrechern betreiben würden.
Die Initiative des Bundesrats führt den alten Tatbestand des Landfriedensbruchs in modifizierter Fassung wieder ein. Sie enthält ein Verbot der Vermummung sowie der passiven Bewaffnung. Jeder, der mit den Problemen gewalttätiger Demonstrationen befaßt wird, wird mir einräumen, daß damit die drei wichtigsten Arten der Verletzung des Grundrechts auf friedliche Versammlung geregelt werden. Die Notwendigkeit, unvermummt und unbewaffnet zu demonstrieren, wird, glaube ich, von keinem bestritten. Umgekehrt sieht die kriminelle und terroristische Szene gerade in der Vermummung und der passiven Bewaffnung besonders geeignete Mittel, eine öffentliche Veranstaltung für ihre Zwecke umzufunktionieren. In dem in der Szene verbreiteten und heute noch verwendeten sogenannten KröcherPapier ist hierzu u. a. ausgeführt:Eine große Emanzipationsmöglichkeit für den „Einzigen" liegt im aktiven Massenkampf, dem kollektiven Widerstand. Größere Menschenmengen, die nicht von Einzelfiguren oder ominösen Komitees etc. dirigiert werden, bieten dem Individuum ein sehr gutes Medium zur Aggressionsabfuhr.Und unter der Überschrift „Die Ausrüstung" heißt es:Motorrad, Sturzhelm mit Kinnschutz und eventuell Vollvisier, wenn notwendig: Gasmaske, Gesichtsmaskierung — die Schweine versuchen üblicherweise, zu filmen oder zu fotografieren.Auch das gehört heute in unsere Szene.
Die Sicherheitslage bei Großdemonstrationen hat sich derart entwickelt, daß ein Polizeipräsident einer Großstadt bekennen mußte: Wir haben das Demonstrationsgeschehen nicht mehr im Griff.Lassen Sie mich einige Argumente behandeln, die von Ihnen, der Koalition, für Ihr Nichtstun auf diesem Gebiet ins Feld geführt werden.Die Auffassung des Bundesinnenministers, ein Vermummungsverbot sei ein untaugliches Mittel, ist aus verschiedenen Gründen schlichtweg falsch. Denn im gleichen Atemzug wird auf die Möglichkeit nach § 15 des Versammlungsgesetzes verwiesen, wonach bei Genehmigung einer Demonstration mittels einer Auflage die Vermummung oder die passive Bewaffnung bereits verboten werden können.
Dieser Hinweis ist entlarvend. Denn wenn ein gesetzliches Vermummungsverbot nicht durchsetzbar oder nicht praktikabel sein soll, dann gilt das natürlich in erster Linie auch für das Vermummungsverbot per Auflage. Oder wenn ein Vermummungsverbot in der Form einer Auflage sinnvoll ist, dann muß dies auch für das generelle gesetzliche Vermummungsverbot gelten. Hinzu kommt natürlich: Die präventive Wirkung ist auf jeden Fall bei einem ge-
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Dr. Miltnersetzlichen Verbot höher als bei einer Verwaltungsauflage.
Die generalpräventive Wirkung einer Strafandrohung setze ich immer noch höher an als etwa die Wirkung der Androhung einer Geldbuße.
Auch aus anderen Gründen, meine Damen und Herren, müssen wir das gesetzliche Vermummungsverbot gegenüber der Auflagemöglichkeit vorziehen:Erstens. Das Verbot der Auflage richtet sich gegen den Veranstalter, der dann wieder selbst gegen die Teilnehmer einschreiten muß. Das gesetzliche Verbot würde aber jeden Teilnehmer einer Demonstration treffen.Zweitens. Auflagen können ja nur bei genehmigten Demonstrationen gemacht werden, nicht also bei spontanen oder ungenehmigten Veranstaltungen; bekanntlich finden dort die größten Exzesse statt.Drittens. Es muß gleiches Recht für alle gelten. Warum soll in einzelnen Städten oder bei einzelnen Veranstaltungen — je nach Laune — vermummt oder nicht vermummt demonstriert werden dürfen?Meine Damen und Herren, auch ein anderes, aus den Reihen von SPD und FDP vielfach vorgebrachtes Argument, ein gesetzliches Vermummungsverbot „kriminalisiere" die Teilnehmer, ist entlarvend. Denn es zeigt, daß das Anliegen im Grunde genommen anerkannt wird, daß aber die notwendigen gesetzlichen Regelungen aus Ohnmacht unterlassen werden. Kein Mensch regt sich darüber auf, daß Bürger unseres Landes bei viel leichteren Delikten, z. B. im Straßenverkehr, kriminalisiert werden.Meine Damen und Herren, der überwiegende Teil unserer Bevölkerung fordert den Gesetzgeber auf, hier etwas zu tun. Auch der überwiegende Teil der Polizei verlangt von uns das Vermummungsverbot. Was die Gewerkschaften betrifft, so kann ich nur feststellen, daß die Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund für einen derartigen Gesetzentwurf eintritt, daß sich die Gewerkschaft der Polizei, GdP, als Bundesleitung zwar gegen ein Vermummungsverbot ausgesprochen hat, daß aber z. B. der große Landesverband Baden-Württemberg wiederum für ein Vermummungsverbot ist.
Nun, meine Damen und Herren, wir werden ja sehen, wie wir in den Beratungen hier weiterkommen.Das Recht auf friedliche und gewaltfreie Kundgebung der Meinung in der Öffentlichkeit ist für uns ein wichtiges Element unseres demokratischen Rechtsstaates. Allein auf diesem Wege kann es Minderheiten und Randgruppen ermöglicht werden, ihre abweichende Auffassung in der Öffentlichkeit mit der Möglichkeit auf Gehör zu artikulieren. In den vergangenen Jahren konnte zwischen SPD undFDP und meiner Fraktion leider keine Einigkeit darüber erzielt werden, wie dieses Grundrecht auf Dauer wirksam geschützt werden kann. Die Ereignisse der jüngsten Zeit, insbesondere seit den gewaltsamen Ausschreitungen bei den Rekrutengelöbnissen in Bremen 1980, sollten uns allen Anlaß sein, umzudenken und nach einer gemeinsamen Grundlage zu suchen. Diese Gesetzesinitiative des Bundesrates bietet uns hierzu Gelegenheit. Die Erörterungen in den Ausschüssen dazu können natürlich vertieft werden.Sehr viel Zeit, meine Damen und Herren, bleibt uns nicht mehr. Friedrich Karl Fromme von der „FAZ" hat geschrieben:Bonn ist nicht Weimar; die Geschichte wiederholt sich nicht. Aber Bonn ist nicht besser als Weimar; Bonn hatte mehr Glück, aber das muß nicht dauern.Meine Damen und Herren, mit Glück allein ist auf Dauer keine verläßliche Politik zu machen. — Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pensky.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, die Zeit, die wir für diese Debatte aufwenden, hätten wir uns sparen können.
Das sage ich nicht etwa, weil ich nicht bereit wäre, über diese Probleme zu reden, sondern das sage ich angesichts der Tatsache, daß wir einen wortgleichen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Opposition auf Drucksache 9/628 am 22. Oktober letzten Jahres in diesem Hohen Hause in erster Lesung debattiert haben, einen Gesetzentwurf, der sich noch in den parlamentarischen Ausschußberatungen befindet. Nun, da muß man sich doch fragen: Was soll's? Aber das ist ja unsere jahrelange Erfahrung mit dieser Opposition: Sie braucht in mehr oder weniger kurzen Zeitabständen ihren Freiraum, um bissige Polemik verbreiten zu können.
Nun, meine Damen und Herren, dabei ist unverkennbar — das muß man Ihnen einmal sagen, daran muß man auch die Öffentlichkeit erinnern —, daß für Sie offenbar wohl immer noch die Sonthofener Strategieanweisung des Dr. h. c. Strauß vom November 1974 gilt.
Damals sagte Strauß — ich muß es hier sagen; es zieht sich wie ein roter Faden hindurch —:Und jetzt hier in demokratischer Gemeinsamkeit zu sagen, wir Demokraten in SPD/FDP und CDU/CSU, wir halten also jetzt nun zusammen in dieser Situation, hier müssen wir den Rechts-
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Penskystaat retten, — das ist alles blödes Zeug! Wir müssen sagen, die SPD und FDP überlassen diesen Staat kriminellen und politischen Gangstern. Und zwischen kriminellen und politischen Gangstern ist nicht der geringste Unterschied, sie sind alle miteinander Verbrecher. Und wenn wir hinkommen und räumen so auf, daß bis zum Rest dieses Jahrhunderts von diesen Banditen keiner es mehr wagt, in Deutschland das Maul aufzumachen. Selbst wenn wir es nicht ganz halten können. Aber den Eindruck müssen wir verkörpern.
So weit Franz Josef Strauß. Dies ist doch die Linie, die immer wieder erkennbar ist. Man sieht es doch nicht nur an diesem Antrag, sondern auch an einer Reihe von Anträgen, mit denen Sie dieses Haus noch beglücken wollen.
Nur wann, meine Damen und Herren von der Opposition, frage ich, wollen Sie sich endlich von einer so furchtbaren Konfrontationsstrategie lösen, die Gift ist für das friedliche Zusammenleben der Bürger in unserem Gemeinwesen?
Ich war Polizist. Sie haben wahrscheinlich noch mit Filzpantoffeln hinter dem warmen Ofen gesessen, als ich mich schon mit wirklichen Banditen herumschlug. Ich weiß deshalb, wovon ich rede.
Wir Sozialdemokraten sind, gerade was die Fragen der inneren Sicherheit angeht, immer für eine nüchterne und sachliche Behandlung eingetreten. Wir werden uns auch künftig nicht von diesem Weg abbringen lassen.
Nicht Konfrontation fördern, sondern sie abbauen, nicht Maßnahmen treffen, die nur zu unerwünschten Solidarisierungen führen, sondern differenziertes Vorgehen, nicht politische Konflikte mittels Polizeigewalt lösen wollen, sondern stärker den Ursachen nachgehen, die zu Bürgerprotesten geführt haben und oft in gewaltsamen Auseinandersetzungen endeten, das, meine Damen und Herren, ist unsere Linie, die wir Ihrem Konfrontationskurs entgegensetzen.Letzteres sage ich nicht zuletzt im Interesse der Polizeibeamten, die in der Vergangenheit allzuoft vor schier unlösbare Aufgaben gestellt worden sind.Ich habe am 22. Oktober letzten Jahres von dieser Stelle aus klarzumachen versucht, warum wir Sozialdemokraten eine konsequente Anwendung, nicht aber eine Änderung des geltenden Versammlungs- und Demonstrationsrechts für geboten halten. Ich will das nicht alles wiederholen, zumal es imProtokoll nachzulesen ist. Ich möchte jetzt an dieser Stelle nur sagen: Von dem von mir damals Gesagten ist auch heute nichts abzustreichen. Im Gegenteil, durch viele Gespräche, die ich zwischenzeitlich mit Freunden, mit zahlreichen für die Polizei verantwortlichen Politikern wie mit Polizeipraktikern führen konnte, bin ich in meiner Auffassung bestärkt worden, daß das vorhandene gesetzliche Instrumentarium ausreicht, wenn es konsequent angewendet wird.
Sicherlich gibt es hier einen noch nicht abgeschlossenen Lernprozeß, dem sich, wie ich feststellen konnte, in weiten Teilen unserer Republik sowohl politisch Verantwortliche wie auch Polizeiführungskräfte mit dem Ergebnis neuer Erkenntnisse unterzogen haben. Nur die Opposition in diesem Hause ist hierzu offensichtlich nicht bereit oder nicht fähig.
Herr Kollege Miltner, es ist nicht nur die Großdemonstration in Bonn gewesen, die bei der konsequenten Handhabung dieses Rechts so verlaufen ist, wie sie verlaufen ist, sondern es gibt zahlreiche Beispiele. Und Sie kennen sie. Ein Beispiel, wie sich ein solcher Lernprozeß vollziehen kann, möchte ich Ihnen
— meine Informationen habe ich in Berlin, teilweise mit Ihnen gemeinsam, Herr Kollege Miltner, gesammelt; ich habe noch mehr Informationen zusammengetragen — nicht vorenthalten.
Anläßlich einer Sitzung des Bundestagsinnenausschusses in Berlin am 10. Februar dieses Jahres, an der auch die Kollegen der CDU/CSU teilgenommen haben, berichtete Innensenator Lummer über das jüngste Demonstrationsgeschehen in Berlin. Hierbei lobte er das neue Berliner Polizeikonzept, das von differenzierter und flexibler Handhabung des geltenden Versammlungsrechts ausgehe und das sich auch voll bewährt habe. Sie waren doch dabei. Sie wollen das doch wohl nicht bestreiten.
Recht hat er, der einst so forsch angetretene Herr Lummer.Was war geschehen? Es begann Anfang dieses Jahres, nachdem ich zahlreiche Gespräche auch mit der Berliner Polizeiführung geführt und gesagt hatte: Wenden Sie doch erst einmal das geltende Recht an! Wenn es dann nicht funktioniert, dann unterhalten wir uns neu. Sie haben es dann angewandt. Erstmals für eine Anmeldung zu einem Aufzug am 10. Januar 1982 erfolgte eine Auflage mit dem Verbot für Versammlungsteilnehmer, a) sich zu maskieren oder das Gesicht auf andere Art zu vermummen, b) Gegenstände mitzuführen, die ihrer Art nach zum Schutz vor der Anwendung unmittelbaren Zwanges
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Penskydurch einen Amtsträger geeignet oder offenkundig bestimmt sind. Auf Grund des geltenden Rechts!
Noch bevor die Veranstaltung am 10. Januar 1982 stattfand, war spontan eine weitere Demonstration für Freitagabend, den 8 Januar 1982, angemeldet worden, weil an diesem Morgen die Rodungen im Tegeler Forst begonnen hatten. Hier wurden die gleichen Auflagen erteilt. In beiden Fällen sind die Auflagen eingehalten worden, und auch die Veranstalter haben von sich aus während des ganzen Aufzugs darauf eingewirkt, daß diese Vorgaben eingehalten wurden.Für Freitag, den 15. Januar 1982, war dann eine Demonstration angemeldet worden, die das Thema „Protest gegen Vermummungsverbot" zum Inhalt hatte. Hierfür hatte der Polizeipräsident keine Auflage gegeben. Er konnte flexibel handeln, weil er — völlig zu Recht — der Meinung war, daß das Vermummungsverbot Thema des Aufzugs und damit politische Aussage war. Da diese Demonstration zunächst ordnungsgemäß verlief und nur in kurzen Rangeleien endete, war sie aber schon der Grund, die Auflage des Vermummungsverbots und des Verbots der passiven Bewaffnung für eine weitere, zum 21. Januar 1982 angemeldete Demonstration zu er- teilen.11C 11.Soweit — das ist ganz entscheidend, weil j a immer gesagt wurde, da machten die Verwaltungsgerichte nicht mit — die Verbote von den Veranstaltern angefochten wurden, haben das Verwaltungsgericht wie das Oberverwaltungsgericht in Berlin diese Auflagen für rechtmäßig erklärt, und sie haben sie bestätigt. Ich sage auch: Völlig zu Recht fühlt sich die Berliner Polizei durch diese erfolgreich angewandte Handlungsweise in ihrem neuen Konzept voll bestätigt.Im übrigen entsprechen die jüngsten Berliner Erfahrungen auch den Erfahrungen in anderen Ländern, wo das geltende Versammlungsrecht wie auch das Ordnungswidrigkeitenrecht konsequent angewendet worden sind.
Entsprechende Hinweise hätten Sie, Herr Kollege Miltner, diesem Forum nicht verschweigen sollen. Die entsprechenden Hinweise finden Sie in dem Ergebnis einer Umfrage des Bundesministers des Innern bei den Bundesländern — einem Papier, das den Mitgliedern des Innenausschusses vorliegt und das sicher auch allen anderen Mitgliedern des Deutschen Bundestages auf Wunsch zugänglich gemacht wird.
Niemand wird daran gehindert, von Tag zu Tag klüger zu werden. Das sagte einmal Ihr großer Konrad Adenauer. Vielleicht gilt das, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, auch einmal für Sie.Das hat auch Geltung für andere Dinge, die nichts mit dem Demonstrationsgeschehen zu tun haben, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, aber immer damit vermengen, wie ja alles in diesen Stinketopf hinein muß, was draußen Emotionen auslösen kann;
das kam auch bei der letzten Debatte hier wieder zum Vorschein. Ich meine die widerrechtlichen Hausbesetzungen. Wie ich erst später dem Protokoll vom 22. Oktober 1981 entnahm, machte bei meiner Rede der Kollege Dr. Stark — er ist sonst immer ein eifriger Zwischenrufer bei meinen Reden; er ist heute nicht hier —, als ich als Beispiel für ein vorbildliches Vorgehen Herrn Dr. Vogel, den damaligen Regierenden Bürgermeister und jetzigen Oppositionsführer im Berliner Abgeordnetenhaus, erwähnte, den Zwischenruf: „150 Hausbesetzungen unter Vogel!" Das sollte natürlich verdeutlichen: Unter SPD-Führung wird illegales Verhalten geduldet, die CDU aber räumt damit auf.
Meine Damen und Herren, das ist aber nichts anderes als pure Volksverdummung. Wissen Sie, Herr Kollege Stark — er ist nicht hier — und meine Kollegen von der Opposition — das muß auch die deutsche Öffentlichkeit wissen —, daß auch heute noch in Berlin 139 Häuser illegal besetzt sind?
— Nun hören Sie doch einmal zu! Auch dies muß man Ihnen j a wohl einmal sagen. Ich sage ausdrücklich, damit wir uns nicht mißverstehen: Ich mache das Ihrem CDU-Freund, Herrn Lummer, nicht zum Vorwurf; denn auch er hat wohl inzwischen eingesehen, daß es allein nicht reicht, diese Häuser mit polizeilicher Brachialgewalt räumen zu lassen, ohne daß es ein Konzept gibt, was danach mit den freigekämpften Häusern geschehen soll.
Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte sehr.
Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege, wie bewerten Sie die Tatsache, daß die Hausbesetzungen in der Amtszeit des von Ihnen genannten damaligen Regierenden Bürgermeisters Vogel von der Ausgangszahl 20 auf 163 gestiegen sind und unter der neuen Regierung keine Zunahme erfolgte?
Wissen Sie, ich lasse mich hier gar nicht auf ein Zahlenspiel ein.
— Nein, ich habe nur auf die Zahl Bezug genommen,die der Kollege Stark hier in den Raum gestellt hat.Aber über diese Statistik können wir uns noch ein-
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Penskymal unterhalten. Sie wissen doch, daß man vorher gar nicht gezählt hat,
weil man gar nicht wußte, wie viele Häuser — teilweise mit Duldung der Hauseigentümer — besetzt waren. Aber es ist doch falsch, von der Wahnsinnsvorstellung der CDU auszugehen, man müsse, um dem Staat Respekt zu verschaffen, jedes Haus leerkämpfen, ohne zu wissen, was man danach damit macht, ohne zu wissen, wieviel Polizeikräfte man benötigt, um diese Häuser später überhaupt freizuhalten. Wir sind gern bereit, uns darüber zu unterhalten; aber ein solcher Anstieg von 20 auf über 100, das ist doch nicht wahr.
Herr Abgeordneter Dolata möchte eine zweite Zwischenfrage stellen.
Wann kommen Sie denn mit Beweismaterial hierher? — Lassen wir es dabei, wenn Sie keine andere Frage haben; wenn Sie eine andere Frage haben, würde ich sie noch zulassen. Aber wenn sie jetzt hier mit irgendwelchen imaginären Zahlen hantieren wollen, dann hat das keinen Sinn.
Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?
Ja, bitte sehr.
Bitte sehr, Herr Dolata.
Herr Kollege, geben Sie mir wenigstens in der Feststellung der Tatsache recht, daß die von Herrn Vogel so genannte „Linie der Vernunft" unter Herrn von Weizsäcker fortgesetzt wurde, aber mit dem Ergebnis, daß nicht mehr Häuser besetzt, sondern weitere Häuser leer geworden sind?
Das ist die „Linie der Vernunft", die Konzeption der Sozialdemokraten, die von der CDU in Berlin zunächst hart und unerbittlich bekämpft worden ist. Dieter Hildebrandt sagte kürzlich einmal: Der Lummer ist ja kein Dummer.
Ich möchte sagen: Er hat inzwischen auch gemerkt, daß das nicht so geht, und heute praktiziert auch er das, was er damals bekämpft hat, sowohl bei Demonstrationen wie auch bei Hausbesetzungen.
— Herr Kollege Vogel, wir kennen uns ja auch schon länger. — Ich sage nur: Auch auf diesem Gebiet, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, gibt es Lernprozesse. Da ist es nicht damit getan, über solche Dinge bloß zu polemisieren.
Wir Sozialdemokraten haben, was die Frage der inneren Sicherheit, was Notwendigkeiten angeht, Vorsorge zu treffen, insbesondere im präventiven Bereich, stets unsere Pflicht getan. Es ist uns nicht immer alles geglückt;
aber wo ist das schon der Fall? Nun ist die Polizei im wesentlichen Länderangelegenheit. Da kann der Adressat doch nicht der Bund sein, dem man für derartige Vorgänge in den Ländern die Verantwortung zuschieben kann. Ich glaube, das haben Sie auch noch nicht kapiert. Sie müssen dazu einmal ein Seminar besuchen, in dem ich gelegentlich referiere.
Wir Sozialdemokraten gehen davon aus, daß wir den Gesetzentwurf des Bundesrates mit dem wortgleichen Gesetzentwurf der Opposition zusammenführen und im Innenausschuß zusammen beraten, damit wir möglichst bald zu einem Abschluß kommen.
Wir stimmen dem Überweisungsvorschlag zu.
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Bergerowski das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Versammlungs- und des Strafrechts unternimmt die Opposition zum wiederholten Mal, diesmal über den Bundesrat, den Versuch, zu dem Rechtszustand zurückzukommen — jedenfalls soweit es um den Landfriedensbruch geht —, den wir bis 1970 hatten.Ich weiß nicht, wie oft sich der Bundestag mit diesem Thema schon beschäftigt hat. 1977 und 1979 lagen Änderungsanträge vor. Der Kollege Pensky hat darauf hingewiesen, daß erst vor einigen Monaten ein wortgleicher Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag eingebracht wurde, der im Parlament bis heute noch nicht zu Ende beraten ist. Sowohl die Zielrichtung der heutigen Vorlage als auch die dafür vorgebrachten Argumente sind nicht neu. Ich meine, ein wiederholtes Einbringen derselben Gesetzesinitiative macht deren Argumente nicht überzeugender.Der Kollege Pensky hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es ein wortgleicher Entwurf ist. Man mag dann sehr wohl die Frage stellen, was denn die Opposition dazu bewegt, dieses Parlament in dieser Form zu beschäftigen.Der Anlaß für diese Gesetzesinitiative — wie der der anderen ebenso — ist nach der Begründung des Bundesrates, daß es in der letzten Zeit eine Reihe von gewalttätigen Auseinandersetzungen bei Demonstrationen gegeben habe. Nun sage ich Ihnen: Auch mir bereitet das Sorge, was sich vielerorts bei Demonstrationen abgespielt hat. Die Tendenz zu Gewalttätigkeiten, die am Rande oder innerhalb von Demonstrationen begangen werden, bringt die Ge-
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Bergerowskifahr mit sich, daß dabei das Grundrecht auf friedliche Demonstration diskreditiert wird.
Wir sind uns mit der Opposition sicherlich darin einig, daß Gewalt niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein kann und daß derjenige, der Gewalt anwendet, nicht mehr der Bürger ist, der das verfassungsmäßig verbriefte Recht auf freie Meinungsäußerung in einer Demonstration wahrnimmt,
sondern zum Rechtsbrecher wird. Das will ich hier mit aller Deutlichkeit sagen, damit auch draußen nicht der Eindruck entsteht, wir, die wir den von der Opposition und vom Bundesrat begehrten Änderungen des Gesetzes nicht zustimmen, wollten die Gewalttätigkeiten einfach hinnehmen.
Meinungsverschiedenheiten bestehen aber eben darüber, mit welchen Mitteln ein friedlicher Ablauf von Demonstrationen gewährleistet werden kann. Wir sind da nach wie vor der Überzeugung, daß eine Verschärfung des Tatbestandes des Landfriedensbruchs und eine Änderung des Versammlungsgesetzes nicht weiterhelfen können. Wir meinen, daß die bestehenden Gesetze ausreichen.Der Entwurf, der uns jetzt wieder vorgelegt wird, geht an den praktischen Schwierigkeiten, die sich bei der Ermittlung im Zusammenhang mit Gewalttätigkeiten bei Demonstrationen, bei den Ermittlungen der wahren Sachverhalte, ergeben, vorbei. Er versucht, die Probleme allein durch die Gesetzesvorschriften zu lösen. Er verfolgt damit — das hat der Kollege Pensky ganz deutlich dargestellt — wieder eine Richtung, die wir seit Jahren schon kennen, die schon einmal bei der Terroristenbekämpfung, bei der Terroristengesetzgebung von der CDU/CSU beschritten worden ist, nämlich den Weg, einfach Straftatbestände auszudehnen oder neue zu schaffen.Ich will mich ganz kurz dem zuwenden, was wieder Gegenstand dieses Gesetzentwurfs ist. Darin ist wieder das Verbot der Maskierung und der Vermummung sowie der passiven Bewaffnung.Sicherlich kann derjenige, der sich vermummt und versucht, sich gegen seine Identifizierung zu schützen, kein Verständnis erwarten, wenn er dies deshalb tut, um gewalttätige Ausschreitungen zu unternehmen. Ganz sicher gilt, daß es zum Wesen einer friedlichen Demonstration gehört, sich selbst, seine Person und sein Gesicht zu zeigen. Zur Demonstration im demokratischen Staat gehört es, daß man sich offen bekennt und nicht die Anonymität wählt. Nur kann ich nicht erkennen, daß, wie es die Opposition und der Bundesrat in ihrem Antrag nennen, gerade die Vermummung eine bestimmte, typische Vorbereitungshandlung für einen rechtswidrigen, gewalttätigen Demonstrationsverlauf sei.
— Das ist einfach Unsinn, und das ist unwahr.
— Warten Sie es ab, ich komme darauf gleich noch zurück! — Sie fürchten — ich rede nur von einer Befürchtung dieser jungen Leute —, später irgendwann einmal in die unseligen Mühlen der Prüfung der Gesinnung zu geraten und danach Nachteile für ihre berufliche Entwicklung zu haben.
Wir hier in diesem Haus mögen der Überzeugung sein, daß diese Gefahr überschätzt wird. Ich füge einmal in Klammern hinzu: Wissen wir es denn so genau? Absonderliche Praktiken einiger Bundesländer, die sich immer wieder der Kritik der Datenschutzbeauftragten aussetzen müssen, können einen nachdenklich stimmen.Ich halte es für notwendig, daß wir hier miteinander einmal initiativ werden, daß wir uns die Aufgabe stellen, darauf hinzuwirken, daß gerade die Landesinnenminister noch deutlicher, als sie dies bislang getan haben, einmal darlegen, demonstrieren und auch nach außen sichtbar machen, daß Filmmaterial, das bei Demonstrationen gemacht wurde und das sicher zurecht zur Beweissicherung bei Gewalttätigkeiten, bei beginnenden Ausschreitungen auf diesem Gebiet aufgenommmen wurde und eine große Rolle spielt, nach der Demonstration auch wirklich vernichtet wurde. Wir sollten von uns aus einmal etwas dazu beitragen, daß diese aus früheren Jahren, vielleicht aus dem Beginn der 70er Jahre, stammende Furcht junger Leute abgebaut wird. Aber wir tun auf diesem Gebiet nichts.
Es gibt also, so meine ich, nicht nur den einen Grund für eine Vermummung, wie Sie es nennen.Die Polizei und die Gerichte werden bei diesem Tatbestand, so meine ich, fast unlösbare Probleme der Abgrenzung zu bewältigen haben. Sie werden sich mit Einlassungen auseinandersetzen müssen, die so sein werden, daß das nicht unmittelbar zu dem Ergebnis führt, es handele sich hier um jemanden,
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5464 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Bergerowskider sich wegen der bösen Absicht geschützt habe. Man muß dann schon aus Gründen der Praktikabilität, so meine ich, gegen eine solche Regelung sein.Der zweite Punkt, den Sie wieder bringen, ist die passive Bewaffnung. Ich halte schon den Begriff der passiven Bewaffnung für sehr bedenklich. Aber auch hier wird es Abgrenzungsprobleme unübersehbarer Art geben. Wann sind denn Sturzhelm und Motorradjacke zum Schutz vor polizeilichem Eingreifen bestimmt? Können sie nicht auch zum Schutz eines friedlichen Demonstranten vor etwaigen Störern dienen, zum Selbstschutz? Zumindest würde eine solche Aussage — damit müssen Sie sich doch auseinandersetzen — eines allein auf Grund seiner Kleidung festgenommenen Demonstranten jede Beweisführung unmöglich machen. Die Folge wird sein, daß die Justiz mit Verfahren belastet ist, die sie nicht bewältigen kann.Einmal mehr wurde dargelegt, daß es nicht sinnvoll ist, mit diesem generellen Verbot zu arbeiten. Wir haben Gesetze. Mir scheint, daß es auch viel sinnvoller ist, auf Grund des Einzelfalles zu entscheiden, so wie das nach dem jetzigen Recht möglich ist. Im Wege der Auflage kann z. B. verboten werden, sich zu vermummen oder sich in irgendeiner Form zu bewaffnen.Das Legalitätsprinzip würde dann, wenn wir eine Strafnorm aufnehmen, wie Sie das vorgesehen haben, sicherlich viel eher dazu führen, daß Konflikte, Provokationen die Folge des Eingreifens der Polizei wären. Es würde zu Konfrontationen mit verhängnisvollen Auswirkungen kommen. Uns scheint die individuelle Entscheidung auf Grund der Lage, wie sie sich vor Ort darstellt, sinnvoller zu sein.Herr Pensky hat sehr ausführlich dargestellt, welche Erfahrungen wir inzwischen mit der Anwendung der Vorschrift aus dem Versammlungsrecht gesammelt haben, nämlich im Wege der Auflage Demonstrationen zu beeinflussen. Ich glaube, daß eine besonnene Politik und die Wahl des jeweils angemessenen Mittels sehr viel sinnvoller sind, als das im Wege genereller gesetzlicher Regelungen tun zu wollen. Flexibles Handeln der Polizei ist das, was wir brauchen. Das sollten wir bewahren.Schließlich gehen Sie im Kern wieder auf den Tatbestand des Landfriedensbruchs zurück, so wie er vor 1970 gegolten hat. Strafbar soll sein, wer sich im Falle von Gewalttätigkeiten nach einem Aufruf nicht von der Menschenmenge entfernt oder sich ihr anschließt. Es steht zu befürchten, daß die Umsetzung auch dieses Tatbestands immense Beweisschwierigkeiten bringen wird. Wann etwa ist denn das Tatbestandsmerkmal erfüllt, wie soll es geschehen, sich von einer Demonstration zu entfernen? Wenn ich an die Demonstration von Bonn denke: Wie hätte es gewirkt, wenn es da zu einer Aufforderung der genannten Art gekommen wäre?Ein Polizeipräsident hat einmal ausgeführt:Bei der Anwendung des geltenden § 125 StGB ergeben sich häufig Schwierigkeiten in der Beweisführung. Dies gilt insbesondere für die Tatbestandsmerkmale „Menschenmenge", „mit vereinten Kräften" . . . Die Beweisführung istdeshalb schwierig, weil in den meisten Fällen allein die Aussage der festnehmenden Beamten vorhanden ist. Es ist häufig vorgekommen, daß diese zwar den Täter und seine Handlung genau beobachtet haben, jedoch nicht den Zusammenhang zur Menschenmenge. Der Nachweis, daß die Tat mit vereinten Kräften durchgeführt worden ist, ist besonders schwierig, weil bei einer Demonstration auch zahlreiche Einzelaktionen vorkommen, die sich nicht immer aus der Gesamthaltung der Menge ergeben, wenn sie auch unter dem Schutz der Menge begangen werden, ..Das ist ein Zitat eines Polizeipräsidenten aus einer Anhörung, die im Jahr 1970 vor dem Strafrechtssonderausschuß stattgefunden hat.Vorhin wurde der Eindruck vermittelt, als ob es damals nur eine Meinung gegeben hätte, als ob es nur den Widerstand der Praktiker gegen die Änderung des Gesetzes gegeben hätte. So war es natürlich nicht. Heute haben wir die Situation, daß es sicherlich geteilte Auffassungen der Praktiker über die Nützlichkeit dieser Gesetzgebung gibt.
— Herr Jäger, ich habe das Gefühl, daß diejenigen, die in der Verantwortung stehen, Polizeikräfte zu führen, sehr viel eher um die Verantwortung wissen, die sie haben, und um die, die sie hätten, müßten sie ein Gesetz anwenden, wie Sie es gern schaffen würden. Das ist wohl das Problem.
— Die Polizisten müßten es in jedem Fall ausbaden, auch wenn sie nach den Regeln vorgehen müßten, die Sie gern schaffen wollen. Auf diese Frage komme ich nachher noch zurück.Ich meine, Sie sollten doch nicht an den Erfahrungen von Ende der 60er Jahre vorbeigehen. Sie sollten sich daran erinnern, zu wie vielen als ungerecht empfundenen Urteilen es damals kam, in wie vielen Fällen Ermittlungsverfahren damals in die Wege geleitet wurden und in wie vielen Fällen dieses Verfahren gegen Personen waren, die eigentlich nicht die Gewalttäter waren.Sie wollen erneut denjenigen kriminalisieren, der friedlich demonstriert. Das ist derjenige, den Sie auffordern wegzugehen und der sich gegebenenfalls nach Ihrer Vorschrift strafbar macht. Aber das ist nicht der Gewalttäter selbst.
Das ist nur derjenige, der friedlich bei der Demonstration dabei war. Sie wollen eine Kriminalisierung genau dieser Gruppe von Leuten. Das war damals das große Problem, daß wir viel zu viele Verfahren gegen Leute hatten, die eigentlich nicht die Gewalttäter waren.
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BergerowskiIch komme zum Schluß auf das Problem zu sprechen, auf das es mir ankommt. Ich meine, daß wir Wege suchen müssen, wirklich die Gewalttätigen zu finden. Das ist unser Problem. Die Gesetze reichen aus, um die Gewalttätigen zu bestrafen, aber die Polizei ist ohnmächtig, die Gewalttätigen aus der Demonstration herauszufinden. Verurteilt werden könnten sie allemal. Über diesen Weg müssen wir nachdenken. Wir müssen an den gewalttätigen Kern herankommen, der hinter den Barrikaden steht und mit Wurfgeschossen umgeht. Ich meine, daß dies nur über polizeitaktische Fortschritte möglich ist. Die Polizei muß in die Lage versetzt werden, diese Täter zu ergreifen.Ich will noch einen abschließenden Gedanken anfügen. Ich bin sehr skeptisch, daß wir das Problem der gewalttätigen Auseinandersetzung in den Griff bekommen. Ich meine, daß wir eine echte Chance, das Recht auf Demonstration in diesem Land zu erhalten, nur dann haben, wenn es uns gelingt, daß auch die Bürger, die demonstrieren wollen und selbst an der Demonstration beteiligt sind, ihren Anteil leisten, die Demonstration friedlich zu gestalten. Sie müssen selber spüren, daß niemand bei Demonstrationen mit soviel zehntausend Leuten, wie es vorgekommen ist, in der Lage sein kann, die Ordnung zu gewährleisten, wenn nicht die Bürger selbst in der Demonstration ein Bollwerk aufbauen. Ich erinnere daran, daß wir solche Beispiele aus Demonstrationen in Hamburg kennen. Ich erinnere daran, wie die Selbstorganisation bei der Bonner Demonstration gelaufen ist.
— Ich halte dies für eine Möglichkeit und für einen ganz wichtigen Punkt in dieser Diskussion. Wir sind im Augenblick vielleicht etwas ratlos — über diesen Punkt haben wir schon geredet —; aber ich bin sicher, daß wir, wenn wir Ihre Entwürfe annähmen, genauso ratlos wären, weil die Folgen der Umsetzung Ihrer Entwürfe mehr Unsicherheit und Verunsicherung unter die jungen Leute brächten. Damit wäre die Ratlosigkeit noch größer.
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit acht Jahren wird in Bundestag und Bundesrat immer wieder darum gerungen, ob das 1970 reformierte Demonstrationsstrafrecht geändert werden soll. Am 22. Oktober des vergangenen Jahres haben wir hier einen Entwurf der Opposition beraten. Heute geht es um einen Bundesratsentwurf, der mit dem Oppositionsentwurf wortgleich ist, wenn man von einer kleinen redaktionellen Abweichung absieht.Unsere Verfassung hat das Recht der Gesetzesinitiative großzügig ausgeteilt. Das Grundgesetz sieht reichlich Möglichkeiten vor, den Bundestag zu beschäftigen und ein Thema in der Diskussion zu halten. Steter Tropfen höhlt den Stein, so wird mancher denken, der diese immer neuen Anläufe gutheißtund in ihnen den Ausdruck lebendigen demokratischen Stils erblickt.In Wirklichkeit gibt es in diesen Auseinandersetzungen im Grunde genommen kein Argument, das nicht schon mehrfach hin- und her gewendet worden wäre, kaum eine Formulierung, die nicht schon geprüft und verworfen worden wäre. Auch aus Berlin, der Stadt, in der die Uhren manchmal schneller gehen als an anderen Orten, ist man uns eine wirklich neue Idee schuldig geblieben — trotz allerlei Wirbels, der in der Öffentlichkeit um einen sogenannten Kompromißvorschlag gemacht wird, den die einen auf Herrn Lummer, die anderen auf Herrn Hübner zurückführen.Verständlicherweise sind die Bürger besorgt über Szenen der Gewalttätigkeit an der Startbahn West oder bei Krawallen in Berlin. Niemanden läßt das Schicksal der Polizeibeamten kalt, die bei den Ausschreitungen blindwütiger Chaoten schwerverletzt werden. Niemand hält es für eine Bagatelle — auch die Koalition nicht und nicht die Bundesregierung —, wenn Fensterscheiben eingeworfen, Autos in Brand gesetzt und Geschäfte geplündert werden. Bei allen Gegensätzen, die uns in der Sache trennen, sollten wir — da stimme ich Herrn Bergerowski nachdrücklich zu — einander nicht unterstellen, daß der andere die Gewalt und ihre Folgen nicht ernst nehme und den Rechtsstaat Chaoten preisgebe.
Wir sollten uns gegenseitig zugute halten — beide Seiten —, daß es uns um das gleiche Ziel geht, um mehr innere Sicherheit, aber auch um mehr inneren Frieden. Innerer Friede ist mehr als innere Sicherheit. Ein Polizeistaat mag wohl sicher sein, er wird aber nicht im Inneren befriedet sein. Innerer Frieden braucht nämlich mehr als eine forsche Polizei, mehr als schneidige Staatsanwälte, mehr als energische Richter und scharfe Gesetze.
Im Demonstrationsstrafrecht geht es auch um die heikle Balance zwischen bloßer Sicherheit, dem Wert des Rechtsgüterschutzes und dem Gut des inneren Friedens.Herr Miltner, wenn Sie sich hier hinstellen und lauthals beklagen, es gebe Rechtsbrüche, vor denen zurückgewichen werde, dann, meine ich, sind Sie es uns doch schuldig, darauf zu verweisen, daß die Auseinandersetzung mit solchen gewalttätigen Demonstrationen und anderen Rechtsbrüchen Sache der elf Bundesländer ist, daß also die Kritik, die Sie hier an die Adresse der Bundesregierung äußern, verfehlt ist. Es sind Ihre eigenen Parteifreunde in den Landesregierungen,
die hier, wie ich zugestehe, mit Augenmaß, mit Vernunft, auch nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorgehen und diese Balance, von der ich spreche, sehr wohl zu wahren wissen. Sie haben dafür offenbar keinen Blick.
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5466 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
— Nicht auf dem Gesetzgebungsgebiet, aber auf dem Gebiet der Gesetzesanwendung, und darum geht es doch.
Betrachten Sie das einmal, was da möglich ist und was mit Augenmaß gestaltet und teilweise auch unterlassen wird.Ich habe niemals einen Zweifel daran gelassen, daß der Staat Zonen der Illegalität nicht dulden darf. Ebenso selbstverständlich kommt es aber darauf an, daß der staatliche Zugriff den Bürgern nach Kräften einsichtig gemacht wird. Sonst kann es geschehen, daß staatliches Handeln den inneren Zusammenhang unserer Gesellschaft, ihr gemeinsames Rechtsbewußtsein eher gefährdet als stärkt.
Mit dieser Elle müssen wir auch alle Gesetzgebungsvorschläge messen. Es gibt bei vielen Teilen der Jugend unserem Staat gegenüber eine Verdrossenheit, die bedrückt und herausfordert. Wie man dieser Verdrossenheit begegnet, wie man am besten die Überzeugungskraft unserer Rechtsordnung stärkt, darum geht es. Darum streiten wir in Wirklichkeit. Und weil es darum geht, werde ich auch nicht müde, die Argumente zu wiederholen, die gegen den Vorschlag des Bundesrates ebenso wie gegen den der Opposition vorgebracht werden.Der vorgeschlagene Tatbestand des Landfriedensbruchs ist und bleibt nicht praktikabel. Wie soll man feststellen, daß eine Menge die aus ihr mit vereinten Kräften in sicherheitsgefährdender Weise begangenen Gewalttätigkeiten unterstützt? Wie soll man die Willensrichtung einer Menge rechtsstaatlich korrekt feststellen können? Noch vertracktere Aufgaben würden unseren Gerichten dadurch aufgebürdet, daß dem einzelnen Demonstrationsteilnehmer vorsätzliches Verhalten nachgewiesen werden müßte. Die üblichen strafprozessualen Erkenntnismöglichkeiten würden nur selten ausreichen, um einem Täter nachzuweisen, daß er weiß oder billigend in Kauf nimmt — dies alles müßte man nachweisen —, daß Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen mit vereinten Kräften aus der Menge begangen werden, daß dadurch die öffentliche Sicherheit gefährdet wird, daß die Menge diese Handlungen unterstützt und daß ein Träger von Hoheitsbefugnissen die Menge zum Auseinandergehen aufgefordert hat.Zu einer Verurteilung würde es daher nur kommen, wenn die Gerichte zu einer überaus extensiven Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale Zuflucht nähmen. Dann aber müßten sie genau die Nachteile eines Massentatbestands in Kauf nehmen, die das vor 1970 geltende Recht diskreditiert haben. Strafbar wäre dann ja auch der, der aus bloßer Neugier oder Einfalt in einer solchen Menge verbleibt. Schlimmer noch: Strafbar wäre auch, wer beruhigend auf die Menge einwirken und mit Gewalttätern gerade nichts zu tun haben will.Natürlich kann das Verweilen von Demonstranten in einer unfriedlichen Menge die Polizei behindern. Das geltende Recht stuft den Unrechtsgehalt eines solchen Verhaltens mit Recht als bloße Ordnungswidrigkeit ein. Das Strafrecht ist das schärfste und, was den inneren Frieden anlangt, oft auch ein zweischneidiges Mittel der sozialen Kontrolle. Es kommt nur dort in Betracht, wo es zum Schutz vor schwerwiegenden Rechtsgutverletzungen und Gefährdungen unerläßlich, aber auch tatsächlich wirksam ist. Die — ich sage bewußt — Liberalisierung des Demonstrationsstrafrechts im Mai 1970 beruht auf der elementaren, ich meine sogar: verfassungsrechtlich gebotenen Grundentscheidung, daß die Teilnahme an einer Demonstration ein legitimes Mittel der Meinungsäußerung und der politischen Willensbildung ist und deswegen als solche nicht strafbegründend oder strafschärfend bewertet werden darf. An dieser Grundüberzeugung hält die Bundesregierung auch heute noch unverändert fest.Ferner: Eine nennenswerte Präventivwirkung, Vorbeugewirkung, kommt dem vorgeschlagenen neuen Straftatbestand nicht zu. Wie soll auch eine Norm abschrecken, auf die nur in seltenen Fällen eine Verurteilung gestützt werden könnte? Wir würden die Polizei nur verleiten oder sogar zwingen, ihren Einsatz zu verzetteln. Sie müßte gegen friedliche Teilnehmer an einer unfriedlichen Versammlung einschreiten. Ist es nicht sinnvoller, wenn die Polizei ihre Kräfte darauf verwenden kann, tatsächliche Gewalttäter oder die Anheizer der Menge zu ergreifen, deren Verhalten bereits nach geltendem Recht strafbar ist?
Mir scheint, angesichts der Schwierigkeit, diese Aufgabe zu bewältigen, sehen Sie einen Ausweg darin, den Kreis derjenigen, die wegen Verstoßes gegen ein Strafgesetz erfaßt werden können, auszuweiten, über die Gruppe derjenigen hinaus, gegen die sich das Vorgehen eigentlich richten muß. Das kann doch wirklich keine Lösung, keine Befriedigung, das kann nicht einmal Sicherheit bringen.
Auch ich halte es für sehr unbefriedigend, daß nur ein relativ kleiner Teil gewalttätiger Demonstranten tatsächlich gefaßt werden kann. Die Antwort kann aber doch nicht heißen, daß alle Versammlungsteilnehmer kriminalisiert werden müssen, wenn es einmal zu Gewalttätigkeiten kommt. Was wäre denn dadurch gewonnen außer vielleicht der Solidarisierung der bisher friedlichen Teilnehmer mit den gewalttätigen Randalierern? Nichts wäre schädlicher. Das Verhalten des einzelnen in einer brodelnden Menschenmenge ist wohl nicht so kalkulierbar und so rational, daß es durch eine bloße Strafdrohung gesteuert werden könnte.Mit den Änderungsvorschlägen zum Versammlungsrecht stehen die Befürworter des Verbots der Vermummung und der passiven Bewaffnung vor dem gleichen Dilemma, das sich auch im Falle der vorgeschlagenen Änderung des Landfriedensbruchstatbestandes stellt. Entweder wird das Verbot, bei Versammlungen bestimmte Gegenstände zu tragen oder sein Äußeres zu entstellen, so eng ge-
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Bundesminister Dr. Schmudefaßt, daß es unschwer umgangen werden kann, oder der Tatbestand wäre derart weit gefaßt, daß auch harmlose Verhaltensweisen erfaßt werden.Die Alternative ist also, entweder eine Lösung in Kauf zu nehmen, deren praktische Bedeutungslosigkeit von vornherein feststeht, oder aber das Grundrecht der Versammlungsfreiheit in unvertretbarer Weise zu beschränken. Der Bundesratsvorschlag würde das letztere bewirken.Die Polizei macht heute von der nach geltendem Recht bestehenden Möglichkeit, Auflagen gegen bestimmte Erscheinungsformen der Vermummung oder der passiven Bewaffnung zu verhängen, in zunehmendem Maße und mit Erfolg Gebrauch. Herr Miltner, zur Begründung darauf zu verweisen, daß ein gesetzliches Verbot erforderlich und möglich ist, zieht gerade die falsche Schlußfolgerung aus dieser Praxis. Die Polizei macht heute von diesen Auflagen — Herr Pensky hat uns das im einzelnen dargestellt— nach Maßgabe ihrer Zweckmäßigkeitserwägungen im Einzelfall Gebrauch. Wenn sie eine solche Auflage verhängt, geht sie gegen den einzelnen, der dagegen verstößt, ebenfalls wieder nach Maßgabe von Zweckmäßigkeitserwägungen vor, nicht aber gehalten durch eine starre gesetzliche Verpflichtung, durch das Legalitätsprinzip, das sie bei einem Strafrechtsparagraphen zwingen würde, gegen jeden vorzugehen. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Sie sollten ihn erkennen und sollten sehen, daß Sie mit dieser Veränderung wirklich nichts gewinnen.
— Wenn Sie mich fragen, Herr Kollege Jäger, wie es bei nicht genehmigten Demonstrationen aussieht, dann muß ich Ihnen insofern die Antwort schuldig bleiben, als ich keine nicht genehmigten und keine genehmigten Demonstrationen kenne.
— Angemeldet, das ist das richtige Wort. Wir wollen in unserer Begrifflichkeit doch klar herausstellen, daß das Recht, sich frei zu versammeln, ein Grundrecht ist; man muß die Versammlung nur anmelden. Aber auch in solchen Fällen gibt das heutige Versammlungsrecht die gleichen Möglichkeiten, im Rahmen des Ordnungswidrigkeitengesetzes mit Bußgeldern und anderen Maßnahmen vorzugehen. Sie werden jetzt zunehmend genutzt, sie werden erfolgreich genutzt. Da sollten wir nicht mit dem harten, unflexiblen Instrument eines Strafparagraphen dazwischengehen.
Ein erstes Beispiel für den erfolgreichen Einsatz solcher Auflagen haben wir bei der größten Demonstration der deutschen Nachkriegsgeschichte — der Friedensdemonstration am 10. Oktober 1981 in Bonn— erlebt, aber auch bei den Versammlungen im Berliner Tegeler Forst und jüngst in Hamburg. Das Polizeirecht ist das ureigenste Handwerkszeug der Polizei. Das Opportunitätsprinzip ermöglicht ihr, imEinzelfall flexibel und abwägend vorzugehen. Schon heute ist die Polizei in vielen Fällen nicht daran interessiert, bestimmte Vermummte aufzugreifen und ihre Vermummung zu beseitigen, wenn sie erkennt: Von denen droht keine Gefahr, droht keine Gewalttätigkeit. Wollen Sie ihr in Zukunft vorschreiben, in jedem Vermummten einen Gewalttäter zu sehen, nur auf Grund der Erfahrung, daß sich viele Gewalttäter zunächst einmal vermummen? Das wäre ein Irrweg. Was würde das scheinbar harte, scheinbar energische Durchgreifen eigentlich helfen, wenn es ganze Menschenmassen in falsche Solidarisierungen treibt und massenhaft Auflehnung provoziert?Noch einige Worte zu dem erwähnten angeblichen Kompromißvorschlag, der uns für diese Debatte gerade rechtzeitig aus Berlin erreicht hat. Dabei geht es offenbar darum, bestimmte objektive und äußerliche Tatmerkmale, nämlich die Vermummung, die aktive und die passive Bewaffnung, in den Tatbestand des Landfriedensbruchs einzubeziehen. Offenbar wird davon ausgegangen, daß sich an diesen Merkmalen mit hinreichender Eindeutigkeit gewisse Vorbereitungshandlungen erkennen lassen. In zwei verschiedenen Tatbeständen sollen die bloße Feststellung der Beteiligung am Landfriedensbruch einerseits und die absichtliche Zusammenrottung mit anderen zum Zweck von Gewalttaten andererseits gesondert erfaßt werden. Die Vermummung und die nur passive Bewaffnung sollen nur dann bestraft werden, wenn sich die betreffenden Demonstranten auf Aufforderung eines Trägers von Hoheitsbefugnissen nicht aus der Menge entfernen.Wir haben heute über diesen Vorschlag nicht im einzelnen zu befinden. Ich will Sie aber über meine Einschätzung nicht im unklaren lassen: Strafbarkeitslücken, wie sie der Berliner Vorschlag voraussetzt, bestehen in Wirklichkeit nicht. Schon heute ist nach § 125 a des Strafgesetzbuchs als Täter oder Teilnehmer strafbar, wer eine Schußwaffe oder eine andere Waffe bei sich führt, um diese zu verwenden. Im Einzelfall ist aber nur sehr schwer zu bestimmen, was alles aktive und passive Bewaffnung ist.Die gleichen Abgrenzungsschwierigkeiten wie nach dem Bundesratsentwurf würden sich auch hier für die Begriffe der passiven Bewaffnung und der Vermummung ergeben. Schon nach geltendem Recht kann jeder, der aktiv an Ausschreitungen mitwirkt, auch in Form nur geistiger Mitwirkung und psychischer Unterstützung, bestraft werden. Die vorgeschlagene Neuregelung würde also auch Personen erfassen, die trotz des weiten Täterbegriffs vom geltenden Recht nicht erfaßt sind oder denen eine Beteiligung nicht nachgewiesen werden kann, obwohl schon nach geltendem Recht bestimmte Formen der aktiven und passiven Bewaffnung und Vermummung als Indizien für eine Beteiligung am Landfriedensbruch gelten. Führt das nicht im Ergebnis dazu, daß durch die vorgeschlagenen neuen Tatbestandsmerkmale — man sollte sie wohl eher als objektive Beweiserleichterungen bezeichnen — letzten Endes doch die bloße Anwesenheit bei einer Demonstration schon die Strafbarkeit begründet?Ich meine deshalb, daß der Berliner Vorschlag da, wo er über das schon geltende Recht wirklich hin-
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5468 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Bundesminister Dr. Schmudeausgeht, nicht eindeutig strafwürdiges Verhalten bedrohen würde. Damit würde er im Ergebnis hinter die Erfahrungen zurückfallen, die 1970 gründlich erwogen worden sind und die zu der heute geltenden Regelung geführt haben.
Auch gegenüber diesem Vorschlag oder dem, was wir bisher von ihm wissen, betone ich deshalb: Das geltende Recht reicht aus. Es beruht auf guten, wohl abgewogenen Gründen. Wir sollten das, was die Polizei heute mit ihrem Einsatz dankenswerterweise leistet und auch zu leisten in der Lage ist, nicht durch eine Rechtsänderung abwerten, von deren Notwendigkeit wir uns selbst nicht überzeugen können.Es ist das gute Recht nicht nur der Oppositionsfraktion, sondern auch des Bundesrates, die eigene Auffassung zum Demonstrationsstrafrecht immer wieder und in jeder Form zur parlamentarischen Diskussion zu stellen. Es ist aber ebenso das gute Recht der Regierung und der sie tragenden Koalition, diesen Argumenten andere, ich glaube: die besseren, entgegenzuhalten. Die Bundesregierung wird es auch weiter tun. Steter Tropfen wird hier, entgegen der Regel, den Stein nicht höhlen.
Aber eine Gefahr sehe ich, die von dieser fortdauernden Diskussion ausgehen könnte. Ich meine die Gefahr, daß die Bürger allmählich eine schiefe Optik von der Gewalt gewinnen, die es in unserer Gesellschaft ja nicht nur bei Demonstrationen und nicht nur bei Hausbesetzungen gibt. Wir Deutschen haben ja nur zu oft ohnedies einen Widerwillen gegen alles, was „auf der Straße" passiert. Es ist nicht gerade die Nachwirkung demokratischer Erfahrungen in unserer Geschichte. Die Demonstrationsfreiheit ist bei uns noch eine junge und zarte Pflanze. Ich wehre mich deshalb dagegen, gewaltsame Übergriffe von Minderheiten zum Anlaß zu nehmen, über einen allgemeinen Verfall des Rechtsbewußtseins zu klagen und legitime, nicht von ungefähr kommende Formen des politischen Ausdrucks zu diskreditieren.
Mit Formen des Vandalismus, Herr Kollege Clemens, werden wir auch bei anderen Gelegenheiten konfrontiert.
Erstaunlicherweise erregen sie weit weniger Auf sehen. Bei Fußballspielen beispielsweise kommt es gelegentlich zu schweren und schwersten Ausschreitungen von Hunderten von Besuchern. Die psychologischen und gesellschaftlichen Ursachen solcher Gewalt mögen denen ganz ähnlich sein, die zu Brutalität, Zerstörungswut und Aggressionen im Zusammenhang mit Demonstrationen führen. Und doch führen sie zu weit weniger grundsätzlichen Überlegungen, zu keiner gesetzgeberischen Aktivität und durchweg nicht zu Wehklagen über den Stand des Rechtsbewußtseins in unserem Land.
Im Fernsehen wurden jüngst zwei Urteile gegenübergestellt: Beide Male ging es darum, daß Polizisten durch Steinwürfe verletzt worden waren. Ein einschlägig vorbestrafter Fußballfanatiker wurde zu rund 3 000 DM Geldstrafe verurteilt. Gegen einen nicht vorbestraften Studenten, dem ebenso ein Steinwurf zur Last gelegt wurde, wurde wegen schweren Landfriedensbruchs eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten ohne Bewährung verhängt. Es geht mir nun wirklich nicht darum, gegenüber dem einen oder anderen Gericht Urteilsschelte zu üben. Zwei Taten sind einander niemals völlig gleich;
die Strafzumessung ist allemal vom Einzelfall abhängig. Aber ich halte es für richtig, die Entwicklung der Rechtsprechung genau zu beobachten. Sie könnte ein Gradmesser für Atmosphärisches sein, das sich in unserem öffentlichen Leben entwickelt. Allzu konzentriertes und einseitiges Starren auf das, was bei Demonstrationen, Hausbesetzungen und derlei mehr geschieht, sollte uns nicht den Blick für andere, nicht minder bedenkliche und nicht minder anstößige Formen der Gewalt trüben.Weil diese Gefahr besteht, muß hier manches deutlich zurechtgerückt werden. Die ganz überwiegende Mehrheit der Bürger, die demonstrieren, in Frankfurt, Berlin, Brokdorf oder Gorleben, sind nicht organisierte Chaoten oder berufsmäßige Demonstranten; das Bild ist viel bunter. Da kann man auch mit Wunschträumen bestimmter Gewalttäter, die ihre Konzeptionspapiere dazu machen, Herr Miltner, keinen anderen Eindruck erwecken. Denn die große Mehrheit solcher friedlichen Demonstranten lehnt jede Identifizierung mit solchen Gewalttätern ab, lehnt es ab, sich von denen vor ihren Karren spannen zu lassen.
Unter diesen Demonstranten ist eine nicht geringe Zahl von Bürgern, die ihre ganze Freizeit darauf verwenden, um einen wirklichen oder vermeintlichen Mißstand abzuwenden. Sie drücken damit auch ein Defizit unseres politischen Lebens aus, über das die politischen Parteien, über das wir alle gründlich nachdenken sollten. Ich sehe es als Aufgabe aller im Staat Verantwortlichen an, denen, die sich durch die Ausübung ihres Demonstrationsrechts ausdrücken, zuzuhören. Ich wiederhole meinen Hinweis: Wer so demonstriert, wie es die Teilnehmer der Friedensdemonstration im Oktober letzten Jahres in Bonn getan haben, wird gehört und muß gehört werden. Es ist billig und gefährlich, Demonstrationen, die friedlich verlaufen, als Demonstrationen gar nicht mehr ernst zu nehmen.
Wir tun der politischen Kultur und dem Ansehen derGrundrechte in unserem Lande keinen gutenDienst, wenn wir mit dazu beitragen, daß der Begriff
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Bundesminister Dr. Schmude„Demonstration" mit dem der Gewalt verbunden wird.Namens der Bundesregierung spreche ich mich gegen den Entwurf des Bundesrates aus. Die vorgeschlagenen Regelungen lassen sich auch durch vorgeblich neue Entwicklungen nicht rechtfertigen. Wir sollten uns unter dem Eindruck, daß irgend etwas wohl geschehen sollte, nicht zu Symbolhandlungen hinreißen lassen, die im Ergebnis keinen Nutzen stiften, aber sowohl das geltende Recht als auch die Aktivitäten des Gesetzgebers diskreditieren können. Die bestehenden und eben nicht im Hinblick auf aktuelles Demonstrations- und Krawallgeschehen gestalteten Gesetze reichen auch heute aus, um der Gewalt und dem Rechtsbruch wirksam und, wo es sein muß, auch mit Härte entgegenzutreten. Gleichwohl zusätzlich beschlossene Strafvorschriften könnten demgegenüber allenfalls Signalwirkung haben, allerdings eine eindeutig negative. Denn nicht auf das allgemeine, seit der Reform von 1979 unveränderte Straf- und Versammlungsrecht würden Straftäter den Zugriff von Polizei oder Justiz nach einer Änderung zurückführen, stets wären es vielmehr die Änderungen, die von Betroffenen und von sonst interessierter Seite verantwortlich gemacht und in ihrem Rechtsgehalt als gezielte gesetzgeberische Sondermaßnahme angezweifelt würden. Das sollten wir wirklich nicht und zumal nicht unnötig riskieren.Mich überrascht in diesem Zusammenhang auch die Selbstverständlichkeit, mit der erwartet wird, daß ein Mehr an Gesetzgebung zwangsläufig auch ein Mehr an innerer Sicherheit oder gar an innerem Frieden bringt. Da helfen alle eindeutigen Beispiele nicht, Herr Miltner, die Sie hier vortragen, alle Schreckensvisionen, die Sie uns vorstellen. Sie sind uns schuldig geblieben zu zeigen, wie Sie mit den von Ihnen vorgeschlagenen Gesetzesänderungen irgend etwas in der Praxis ändern oder verbessern. Und das ist doch der Punkt, um den es bei uns geht.
Gerade diejenigen, die bei anderer Gelegenheit mit dem Schlagwort von der Normenflut schnell bei der Hand sind, sollten sich daran erinnern, daß der Gesetzgeber nicht alle Vernunft gepachtet hat. Er darf Polizei und Justiz nicht zu bloßen Robotern für die Durchsetzung genereller Regeln machen.
Das häufig beklagte Defizit an polizeilicher Wirksamkeit würde — das ist meine feste Überzeugung— durch ein Übermaß an Gesetzgebung — und der vorgeschlagene Entwurf wäre ein solches Übermaß— nicht geringer, sondern größer werden. Ich bin überzeugt, dieser Entwurf würde sich nicht zugunsten, sondern zu Lasten des inneren Friedens auswirken.
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Bohl das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich den Vorwurf, insbesondere vom Kollegen Pensky hier vorgetragen, die CDU/CSU habe polemische Auseinandersetzung betrieben, nicht so im Raume stehenlassen.
Sehr geehrter Herr Kollege Pensky, ich sehe, was an Eskalation der Gewalt passiert, und ich sehe, was an modernen und neuen Techniken von sogenannten Demonstranten praktiziert wird. Ich muß sagen, mich macht ein Brief wie der der Polizeibeamtenfrauen aus Kiel, den wir Anfang dieses Jahres erhalten haben, noch betroffen. Dort heißt es:Haben unsere Männer nicht einen Anspruch auf den Schutz derer, die sich so selbstverständlich von ihnen schützen lassen?
Das macht mich noch betroffen. Und deshalb weise ich mit aller Entschiedenheit und energisch Ihren Vorwurf zurück, wir hätten hier Polemik betrieben.
Sie haben als zweites behauptet, daß wir nur wiederholen würden, daß nichts Neues passiert sei,
daß kein Anlaß zur Änderung bestehe. — Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß wir seit der letzten Debatte im Oktober vergangenen Jahres die Auseinandersetzung in und um Frankfurt und insbesondere um die Startbahn West erlebt haben. Es ist schon zu Recht darauf hingewiesen worden: Über ein Drittel der dort stattgefundenen sogenannten Demonstrationen war gar nicht angemeldet, waren — so nennt man das heute schönfärberisch — Spontandemonstrationen.
Und gerade bei diesen sogenannten Spontandemonstrationen ist es nicht möglich, mit dem versammlungsrechtlichen Instrument des Vermummungsverbots durch Auflage weiterzukommen, Herr Justizminister,
weil es einfach nicht greift, weil die Auflage völlig ins Leere geht.
Wir vertreten die Auffassung, daß es in diesen Fällen schon richtig wäre, die vermummte Teilnahme an nicht angemeldeten Demonstrationen strafzubeschweren.
Meine Damen und Herren, zur Lage im RheinMain-Ballungsraum — ich habe mir die Zahlen einmal herausgesucht —: Von Oktober 1981 bis Januar
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5470 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Bohl1982, also in vier Monaten, mußten 764 164 Überstunden von Schutz-, Bereitschafts- und Kriminalpolizei geleistet werden. 764 000 — welche Belastung der Beamten und vor allen Dingen der Steuerzahler!
— Ich komme darauf. An der Baustelle für die Startbahn West sind in der Zeit von Oktober 1981 bis Mitte Februar dieses Jahres 327 Polizeibeamte verletzt worden — 327!
Allein an dem Wochenende des 30./31. Januar dieses Jahres sind 93 Polizeibeamte verletzt worden.
— Ich muß leider den Eindruck haben, daß Sie nicht bereit sind, diese Zahlen zum Anlaß zu nehmen, den Polizeibeamten endlich zu helfen.
Wenn von Tausenden aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengezogenen Straftätern mit MolotowCocktails, Äxten, Stahlmuttern und Rohrstangen die das Startbahnbaugebiet sichernden Polizeibeamten im Mann-gegen-Mann-Kampf angegriffen werden, müssen wir das doch zur Kenntnis nehmen. Da kann man nicht sagen, die Polizei oder die Länder hätten versagt, sondern dieser Bundestag ist aufgefordert zu helfen. Das ist der entscheidende Punkt.
Ich kann mich nur wundern, Herr Justizminister, wenn Sie sagen, die Länder — —
— Herr Justizminister, vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, mir eine Sekunde zuzuhören. Wenn Sie hier sagen, die Länder sollen doch mehr tun, sollen sich darauf einrichten, sollen die Polizei entsprechend unterstützen und ihr helfen — was auch immer —, dann frage ich mich nur: Warum haben denn die Länder diese Bundesratsinitiative überhaupt ergriffen? Doch deshalb, weil sie mit den bestehenden Gesetzen dieser Mißstände und Ausschreitungen nicht Herr werden. Das ist doch der Grund. Deshalb bitte ich Sie ganz herzlich, die Verantwortung nicht von diesem Hause wegzuschieben, sondern sich in diesem Hause diesen Fragen zu stellen und unseren Vorschlägen zu folgen.
Herr Kollege Bohl, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Emmerlich?
Bitte schön.
Bitte sehr, Herr Kollege Emmerlich.
Herr Kollege Bohl, können Sie mir erläutern, warum es eine Hilfe für die Polizeibeamten gegen Gewalttaten wäre, wenn Sie nicht gewalttätige Demonstranten strafbar machten?
Herr Kollege Emmerlich, ich muß gestehen, daß ich den Sinn der Frage nicht recht verstehe.
Diejenigen, die Vorbereitungshandlungen unternehmen — dazu zähle ich in der Tat vermummte Gestalten —, können und müssen durchaus strafbeschwert sein; denn ich kann nicht einsehen, daß das vermeintliche Recht von sogenannten Demonstranten, nicht erkannt zu werden, nicht in irgendwelche Karteien zu kommen — was j a alles gar nicht stimmt —, als Rechtsgut höher zu werten sei als die Gesundheit unserer Polizeibeamten.
Ich kann auch den Hinweis nicht akzeptieren, daß sich in Bonn bei der Großdemonstration ja gezeigt habe, daß alles gut verlaufen könne. Natürlich kann es gut verlaufen, aber es kann nur dann gut verlaufen, wenn die Demonstranten wollen, daß eine Demonstration friedlich verläuft. Es verläuft aber dann nicht friedlich, wenn — wie bei der Startbahn West — die brutale Konfrontation mit unserem Staat gesucht wird. Das ist der entscheidende Unterschied.
Sie fühlen sich ja offensichtlich selbst bei Ihrem Urteil, es sei alles in Ordnung, gar nicht wohl. Herr Pensky, Sie gehören nicht dem Rechtsausschuß an. Dort haben wir erlebt, daß ein Berichtsantrag oder ein Prüfantrag — je nachdem, wie man es formulieren will — an den Justizminister eingebracht wurde, der klären sollte, wie Polizeibeamte bei Demonstrationen stärker geschützt werden können
und die Entsolidarisierung von friedlichen Demonstranten und Gewalttätern betrieben werden kann. Warum ist denn dieser Antrag gestellt worden, wenn alles in Ordnung ist?
Herr Kollege Bohl, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pensky?
Bitte schön.
Herr Kollege Bohl, ich will gern die Probleme im Rechtsausschuß, in dem ich ja auch stellvertretendes Mitglied bin, vertiefen. Aber was glauben Sie, was Sie anrichten, wenn Sie in der Öffentlichkeit auf der einen Seite auf die Tausende Überstunden, die die Polizeibeamten machen, hinweisen und auf der anderen Seite suggerieren wollen, daß sie mit einem solchen Gesetz weniger Oberstunden machen? Sind Sie nicht mit mir der Mei-
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Penskynung, daß dann, wenn Sie über den jetzigen Kreis der Straftäter hinaus den größeren Teil der friedlichen Demonstranten auch — und zwar kraft Legalitätsprinzip — strafbar machen, noch viel mehr Polizeibeamte notwendig wären, um dann dagegen nach dem Legalitätsprinzip vorzugehen?
Herr Pensky, ich kann es beim besten Willen nicht verstehen. Friedliche Demonstranten haben unseren Respekt. Das ist ein im Grundgesetz vorgesehenes Grundrecht, das jeder in Anspruch nehmen kann.
Wir wollen diejenigen, die strafbar werden, die gewalttätig werden, bestrafen, um damit unfriedliche Demonstrationen zu verhindern.
Herr Kollege Bohl, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Emmerlich?
Herr Präsident, ich habe leider nur noch wenige Minuten Zeit.
Ich ziehe Ihnen nichts ab.
Gut, bitte schön, Herr Kollege Emmerlich.
Wollen Sie die in Ihrem letzten Satz enthaltene Behauptung aufrechterhalten, daß gewalttätige Demonstranten bisher nicht strafbar sind?
Sehr verehrter Herr Kollege Emmerlich, natürlich sind sie strafbar,
wobei schon einmal zwischen denen zu differenzieren ist, die nach dem derzeitigen Gesetzestext strafbar sind, und denen, die nach dem derzeitigen Gesetzestext zwar nicht strafbar sind, aber sozialschädlich handeln, weil sie z. B. durch ihre Handlungen gewalttätige Demonstrationen vorbereiten, fördern oder gewaltsame Demonstranten unterstützen.
— Sie wissen ganz genau, daß der Beihilfevorsatz nach der derzeitigen Rechtslage in diesen Einzelfällen nicht immer nachzuweisen ist.
Deshalb muß das Gesetz geändert werden.
Aber vielleicht — lassen Sie mich noch einmal auf Ihren Berichtsantrag im Rechtsausschuß eingehen
— ist doch die Vermutung zutreffender, daß im Grunde genommen nur der Versuch einer großen Vernebelungsaktion unternommen werden sollte, um die Vorschläge der Union notdürftig zu kaschieren; denn pflichtgemäß kam ja auch der Herr Justizminister zu dem Ergebnis, daß alle Vorschläge der CDU/CSU unvertretbar seien und daß auch alle anderen gesetzlichen Maßnahmen sinnlos seien. Ich kann nur sagen: Das Ganze ist wie eine Seifenblase zerplatzt. Es war schon ein beschämendes und klägliches Schauspiel im Rechtsausschuß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn wir von der Richtigkeit, Zweckmäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit des Entwurfs des Bundesrates fest überzeugt sind, so wollen wir dennoch nicht behaupten, es könne nicht auch andere interessante oder erwägenswerte Vorschläge geben. So sind jetzt vom Berliner Innensenator bzw. Polizeipräsidenten Vorschläge gemacht worden, über die sich durchaus reden läßt, auch wenn sie mir persönlich nicht zu greifen scheinen, aber immerhin.
Wir müssen auch über die Problematik nachdenken, die der Frankfurter Oberbürgermeister dargestellt hat, daß nämlich der Versammlungsbehörde im Eilverfahren über den Aufhebungsantrag eines Demonstrationsverbotes gegen die dem Aufhebungsantrag stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts kein Rechtsbehelf möglich ist. Das ist ein ernsthaftes Problem.
Es ist ebenso problematisch, ob für Ausländer die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit nicht in der Weise zu beschränken ist, daß Aufzüge von Ausländern genehmigungspflichtig werden. Auch das ist eine Frage, über die wir im Auschuß und auch anderswo sicherlich beraten müssen.
Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. Sicherlich würden auch — das will ich freimütig einräumen — bei Verwirklichung der Vorschläge der Union und des Bundesrates gewaltsame Demonstrationen nicht auf einmal unterbunden, aber es würde ein sichtbarer und das öffentliche Bewußtsein prägender Anfang gemacht. Der herausgeforderte Rechtsstaat würde sich entschieden wehren, auch wenn nicht alle gesetzgeberischen Maßnahmen sofort greifen sollten. Wir als Union sind jedenfalls bereit und rufen Ihnen als SPD und FDP mit den Worten des hier schon zitierten offenen Briefes der Frauen der Polizeibeamten zu: Wer Unrecht nicht verhindert, nimmt seine ständig zunehmende Ausbreitung billigend in Kauf. — Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 9/1258 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur
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5472 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Vizepräsident Dr. h. c. LeberMitberatung an den Rechtsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit diesen Überweisungen einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist entsprechend beschlossen.Ich rufe die Punkte 7 bis 11 der Tagesordnung auf:7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Dezember 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlaß-, Erbschaft- und Schenkungsteuern— Drucksache 9/1357 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 27. Februar 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Seyschellen über den Fluglinienverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus— Drucksache 9/1370 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 28. Januar 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über den Luftverkehr— Drucksache 9/1371 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Oktober 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Elfenbeinküste über den Luftverkehr— Drucksache 9/1372 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 2. Dezember 1946 zur Regelung des Walfangs— Drucksache 9/1411 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenWird dazu das Wort gewünscht? — Ich sehe, daß das nicht der Fall ist.Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf auf Drucksache 9/1357 an den Finanzausschuß, den Gesetzentwurf auf Drucksache 9/1370 an den Ausschuß für Verkehr, den Gesetzentwurf auf Drucksache 9/1371 an den Ausschuß für Verkehr, den Gesetzentwurf auf Drucksache 9/1372 an den Ausschuß für Verkehr und den Gesetzentwurf auf Drucksache 9/1411 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist entsprechend beschlossen.Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Lorenz, Baron von Wrangel, Jäger , Lowack, Graf Huyn, Berger (Lahnstein), Dr. Hennig, Sauer (Salzgitter), Dr. Marx, Lamers, Dr. Kunz (Weiden), Dr.-Ing. Oldenstädt, Frau Geier, Dr. Hüsch, Dr. Köhler (Wolfsburg), Gerster (Mainz), Würzbach, Dallmeyer, Dr. Todenhöfer, Dr. Hupka, Repnik, Rühe, Böhm (Melsungen), Straßmeir, Lintner, Dr. Abelein, Dr. Arnold, Dr. Mertes (Gerolstein) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSUAbbau der friedensfeindlichen Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze— Drucksache 9/927 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für innerdeutsche BeziehungenIm Ältestenrat ist eine Debattenrunde vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe, daß das der Fall ist. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Dann erteile ich als erstem Redner in der Aussprache dem Herrn Abgeordneten Jäger das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag, den wir dem Hause heute vorlegen und der nicht der erste in dieser Angelegenheit ist, mahnt die CDU/CSU die Erfüllung eines Verfassungsauftrages an. Mit seinem ausführlichen Gutachten zur Unvereinbarkeit der grausamen innerdeutschen Sperranlagen mit den Grundrechten, das am 27. August des Jahres 1980 veröffentlicht worden ist, hat der bekannte Völkerrechts- und Staatsrechtslehrer Professor Dieter Blumenwitz die verfassungsrechtliche Pflicht der Bundesregierung, sich für die Beseitigung der menschenrechtswidrigen Grenzsicherungsanlagen einzusetzen, hervorgehoben. Da dies aber nur auf dem Wege von Gesprächen und Verhandlungen mit der DDR geschehen kann — niemand in diesem Hause wird j a die Meinung vertreten, daß die SED-Führung dies freiwillig und von sich aus tun wird —, sind solche Gespräche für die Bundesregierung ein zwingendes Gebot.Meine Damen und Herren, erst vor wenigen Tagen waren meine Freunde von der innerdeutschen Arbeitsgruppe der CDU/CSU und ich wieder an der innerdeutschen Grenze. Wir haben den Metallgitter-
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Jäger
zaun, die scheußlichen Tötungsautomaten, die Wachtürme, die Hundelaufanlagen und alle die Dinge gesehen, und ich kann Ihnen eines sagen — und das ist ein Erlebnis, das wohl Sie alle immer wieder haben, wenn Sie dorthin kommen —: Es gibt für uns keine Gewöhnung an dieses zutiefst unmenschliche Monstrum.
Es ist j a bemerkenswert, daß der amerikanische Präsident Reagan zum 13. August des vergangenen Jahres zu diesem Monstrum erklärt hat — ich darf zitieren —:Dieses obszöne Gebilde im Herzen Europas darf niemals akzeptiert und hingenommen werden. Alle diejenigen, welche die Freiheit und Menschenwürde schätzen, sollten niemals müde werden, darauf aufmerksam zu machen.Ich kann mir die Beschreibung der ganzen Scheußlichkeiten, die dort grausame Alltagswirklichkeit sind, heute ersparen. Die Mauer, der Metallgitterzaun, die Todesautomaten, der Schießbefehl, das alles ist bekannt, das alles kennen wir. Aber eines muß heute einmal gesagt und betont werden: Diese Anlagen sind mit einer Politik des Friedens, für die in diesem Hause immer wieder mit Nachdruck gesprochen und geworben wird, sind mit dem Frieden im Herzen von Europa überhaupt unvereinbar und bleiben unvereinbar, bis sie abgebaut sind.
Nicht nur Papst Johannes Paul II., aber er ganz besonders, hat die Bedeutung des Zusammenhangs von Frieden und Menschenrechten hervorgehoben. Dies ist auch heute wieder notwendig. Deswegen sage ich Ihnen: Wer gegen die Verteidigungsanstrengungen des Westens zu Felde zieht, weil sie angeblich den Frieden gefährden, wer gegen Raketen der NATO demonstriert, zur Mordapparatur an der innerdeutschen Grenze jedoch schweigt, verwirkt für mich den Anspruch, als Friedenspolitiker ernst genommen zu werden.Nun kommt immer wieder der Einwand von Politikern der Koalitionsfraktionen: Müßt ihr von diesen Dingen immer wieder reden, müßt ihr sie immer wieder im Parlament zur Sprache bringen? Darauf sage ich Ihnen: Jawohl, das müssen wir; denn es besteht leider Gottes in der Welt draußen, bei unserer Jugend, bei vielen Menschen die Gefahr des Vergessens, des Sich-Gewöhnens, die Gefahr, darüber zur Tagesordnung überzugehen, und dieser Gefahr gilt es zu begegnen.
Es gibt nicht selten ein so bizarres Zeugnis dafür, mit welchen verblendeten Augen die Dinge manchmal in der Welt gesehen werden, wie den Bericht, den neulich die kenianische Zeitung „Sunday Nation" über Berlin geschrieben hat. Lassen Sie mich einen Satz daraus zitieren:An der Grenze gibt es auch einige Gräben, dievon den Ost-Berliner Behörden ausgehobenwurden, um Fahrzeuge am Überqueren nachOst- oder West-Berlin zu hindern. Dort befinden sich auch Panzerabwehrformationen mit einem elektrischen Zaun, wodurch es jedem Panzer sehr erschwert wird, von der einen Seite der Mauer zur anderen zu passieren.In solcher geradezu skurrilen Weise spiegelt sich offenbar dank der mangelnden Aufklärung durch diese Bundesregierung die grausame und brutale Wirklichkeit an der innerdeutschen Grenze in den Seiten mancher Zeitungen der Welt. Das muß uns doch aufrütteln und für mehr Information und für mehr Durchsichtigkeit auf diesem Gebiet in der ganzen Welt durch die Bundesregierung sorgen lassen.
Wir sind jedenfalls der Auffassung, daß die Gefahr der Gewöhnung und der Gewissensabstumpfung ernst genommen werden muß.Der Metallgitterzaun mit seinen Tötungsautomaten und dem Schießbefehl ist eine Ausgeburt desselben Geistes menschenverachtender Grausamkeit, der Auschwitz und Treblinka oder der die Lager des Archipels Gulag hervorgebracht hat. Daran muß die Welt immer und immer wieder erinnert werden.Aber auch aus einem anderen Grunde müßte die Bundesregierung eigentlich längst mit aller Kraft versuchen, das zu tun, was unser Antrag fordert. Bei der Beseitigung oder bei der Aufrechterhaltung der friedensfeindlichen Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze geht es doch, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, um ein Kernstück Ihrer Vertragspolitik, des innerdeutschen Grundlagenvertrags. Ich muß heute wieder zitieren, was das Bundesverfassungsgericht dazu gesagt hat, obwohl Sie es alle wissen. Das Verfassungsgericht führt in seinem Urteil zum Grundlagenvertrag aus — ich darf zitieren —:Schließlich muß klar sein, daß mit dem Vertrag schlechthin unvereinbar ist die gegenwärtige Praxis an der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, also Mauer, Stacheldraht, Todesstreifen und Schießbefehl. Insoweit gibt der Vertrag eine zusätzliche Rechtsgrundlage dafür ab, daß die Bundesregierung in Wahrnehmung ihrer grundgesetzlichen Pflicht alles ihr Mögliche tut, um diese unmenschlichen Verhältnisse zu ändern und abzubauen.Meine Damen und Herren, deutlicher, als es hier das Verfassungsgericht tut, kann doch dieser Regierung ihre grundgesetzliche, ihre verfassungsrechtliche Pflicht nicht ins Gedächtnis gerufen werden. Wenn es nicht gelingt, den Vertragspartner zur Beendigung einer solch fundamentalen Verletzung des Vertrags zu bewegen, wenn es nicht einmal ernsthaft versucht wird, wer kann dann einer solchen Vertragspolitik noch trauen, wer kann sie im Grunde noch ernst nehmen?
Gilt das aber nur für den Westen, frage ich Sie, oder gilt das nicht auch genauso für die Führung der SED? Herr Honecker beobachtet doch das Verhalten
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Jäger
dieser Regierung auch. Er fordert das, was er für wichtige Ziele seiner Politik hält, unermüdlich und lautstark, und zwar bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Ob es die Spaltung der einen deutschen Staatsangehörigkeit ist, die Frage der Elbe-Grenze, die Auflösung der gemeinsamen Erfassungsstelle in Salzgitter oder was Sie nehmen wollen — er sagt das, was er will. Meinen Sie, Honecker könnte glauben, daß es dieser Regierung mit dem Abbau der Sperranlagen ernst sei, wenn nicht auch die Bundesregierung ständig und stetig auf diese schwere Verletzung des Grundlagenvertrages hinweist?
Ich brauche nur noch mit einem Satz darauf hinzuweisen, daß das ja nicht nur gegen den innerdeutschen Grundlagenvertrag verstößt, sondern in eklatanter Weise auch gegen zahlreiche Bestimmungen des internationalen Menschenrechtspaktes über bürgerliche und politische Rechte; ebenso gegen Geist und Buchstaben der Schlußakte von Helsinki, die 1975 unterschrieben worden ist und von der erst vor einigen Wochen im Kommuniqué nach dem Besuch des Kanzlers drüben wieder geschrieben steht, daß man sich daran halten wolle.In der Debatte dieses Hauses über die Ostverträge hat der Fraktionsvorsitzende der SPD Mauer und Schießbefehl als — ich zitiere das wörtlich — „Attribute des Kalten Krieges" bezeichnet. Wie kann denn nach zehn Jahren sogenannter Entspannungspolitik darüber hinweggegangen werden, daß diese Attribute des Kalten Krieges unverändert, ja grausamer, unbarmherziger und perfekter denn je Deutschland teilen? Diese Frage, meine Damen und Herren von SPD und FDP, ist ein entscheidender Prüfstein für die Glaubwürdigkeit Ihrer ganzen Vertragspolitik. Wir werden Sie immer und immer wieder an diesem Prüfstein messen. Das ist unsere Pflicht als Opposition.
Was wir fordern, ist nichts Unmögliches. Wir fordern nichts anderes als beharrliche Gespräche mit der DDR bei jeder sich bietenden Gelegenheit, und zwar auf der Grundlage einer klaren Konzeption. Dabei kann und muß das Ziel des Abbaus der grausamen Sperranlagen im Rahmen eines zu vereinbarenden Stufenplanes angestrebt werden. Wir wissen, daß diese Aufgabe nicht kurzfristig zu lösen ist und daß sie langen Atem verlangt. Aber wir finden uns nicht damit ab, daß die Bundesregierung damit noch nicht einmal angefangen hat.Einige gelegentliche Erinnerungen in UN-Gremien oder bei innerdeutschen Treffen reichen dafür nicht aus. Wir fordern nicht mehr, aber auch nicht weniger, als daß Sie endlich beginnen, die Todesgrenze quer durch Deutschland, die friedensfeindlichen Sperranlagen zu einem zentralen Gesprächsgegenstand mit der DDR-Führung zu machen.
Eine solche Politik, die doch im vitalen Interesse aller Deutschen liegt, vor allem der Deutschen drüben, wäre ein Stück echter Friedenspolitik, wäre einStück Abbau grausamer und schlimmer Unmenschlichkeit, wäre ein Stück mehr Menschenrecht und mehr Freiheit, wäre schließlich ein Stück mehr Einheit und Solidarität mit den Deutschen drüben. Die Politik, die wir mit diesem Antrag fordern, wäre ein Stück Zukunftshoffnung für unser ganzes deutsches Volk. — Ich danke Ihnen.
Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Steiner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion ist nach meiner Einschätzung ein Glied in einer Kette von Versuchen der Opposition, in der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, als läge es nur am guten Willen der Bundesregierung, daß noch keine Fortschritte bei der Beseitigung der Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze erzielt werden konnten. Die Opposition tut auch so, als hänge es nur von einer Initiative der Bundesregierung ab, um über Mauer und Grenzanlagen in Verhandlungen mit der DDR eintreten zu können.
— Ich hänge nicht am Konzept und werde das auch noch beweisen.Unter Berufung auf das Grundgesetz — ich beziehe mich auf das, war Sie in Ihrem Antrag zum Ausdruck gebracht haben —, den Grundlagenvertrag und auch die KSZE-Schlußakte von Helsinki tun Sie so, als hätte die Bundesregierung damit ein Instrumentarium der massiven Einflußnahme gegenüber der DDR in der Hand. Ich darf sagen: Hiermit erwecken Sie Illusionen, als könnte man der DDR auf diese Art und Weise Verhandlungsthemen aufzwingen. Sie verkennen dabei allerdings folgende Tatsachen: Erstens. Wir haben es mit zwei voneinander unabhängigen Staaten zu tun.
Zweitens. Die DDR wird in ihrem Bestreben, ihre Souveränität unter Beweis zu stellen, deshalb jeden Versuch entschieden zurückweisen, über Angelegenheiten zu verhandeln, die für sie nicht verhandelbar sind.
— Wir liegen gar nicht so weit auseinander, Herr Kollege Schulze. Sie werden das gleich noch feststellen.
Wir alle, die Opposition eingeschlossen, wissen, welche Funktion die Mauer und die Sperranlagen für die DDR haben. Auch die DDR weiß nur zu gut, daß diese Sperrmaßnahmen an der innerdeutschen Grenze unerläßlich sind für die Aufrechterhaltung
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Steinerihrer Staats- und Gesellschaftsordnung. Für die DDR sind Mauer und Sperranlagen — ich glaube, in dieser Beurteilung unterscheiden wir uns nicht — Maßnahmen zur Bestandssicherung ihres Systems. Obwohl dies offenkundig ist, wird die DDR das aus politischen Gründen nicht zugeben.
An dem Drang vieler Menschen, dem dortigen System den Rücken zu kehren, hat sich nach dem Bau von Mauer und Sperranlagen nichts geändert gegenüber der Zeit zwischen 1949 und 1961. Das wissen Sie genausogut wie wir. Die Zahl der trotz lebensgefährlicher Sperranlagen seit 1972 geflüchteten DDR-Bewohner ist dafür Beweis genug.
Herr Abgeordneter Steiner, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rawe?
Bitte.
Herr Kollege, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie sagen wollen, daß die Hoffnung, die wir auf die KSZE-Schlußakte von Helsinki setzten, nämlich daß es mehr Menschlichkeit in Europa geben würde, Illusion war?
Nein. Ich will damit ausdrücken, wenn Sie jetzt auf die KSZE-Schlußakte anspielen, daß das kein einklagbarer Vertrag ist, sondern für die DDR letzten Endes eine Absichtserklärung, die sie so auslegt, wie es gerade in ihre politische Überlegung hineinpaßt. Das ist bedauerlich und zu beanstanden. Ich werde noch darauf hinweisen, daß wir das auch oft genug getan haben.
— Eine Illusion, die Sie hier geweckt haben.
Ich will mit dem, was ich in bezug auf die Bedeutung der Grenze für die DDR sagte, keine Rechtfertigung für die Sperranlagen abgeben, aber ich will damit deutlich machen, daß die DDR zum Abbau der Sperrmaßnahmen deshalb ebensowenig bereit ist wie zur Respektierung des Rechts der freien Wahl des Wohnsitzes für DDR-Bürger.An dieser Haltung der DDR wird sich auch durch Ihren Antrag, den Sie uns hier vorgelegt haben, nichts ändern. Die Realitäten — und das muß man so sehen — sind einfach anders. Eine Übereinkunft mit Ihnen, meine Herren von der Opposition, über sinnvolle Initiativen zur Verbesserung der Grenzverhältnisse wird davon abhängen, ob auch Sie bereit sind, diese Realitäten in Ihre Überlegungen mit einzubeziehen. Wir wissen auf der einen Seite, daß wir die Grenze mit ihren unmenschlichen Befestigungsanlagen nicht beseitigen können. Auf der anderen Seite wissen wir, daß die DDR in dieser Frage zu Verhandlungen nicht bereit ist. Wenn das so ist —und daran dürfte kein Zweifel bestehen —, dann kann es auch zu dem von Ihnen geforderten Stufenplan nicht kommen.Wir sollten deshalb an die Stelle der im Oppositionsantrag enthaltenen — hier betone ich es noch einmal: illusionistischen — Forderung gemeinsames vernünftiges politisches Handeln setzen. Auch wir sehen wie Sie in der Mauer und in den Sperranlagen an der DDR-Grenze ein Symbol für eine künstliche Bestandssicherung und für eine Abgrenzung zum Westen schlechthin.
— Wir tun eine ganze Menge, und ich werde auch gleich noch sagen, was wir tun und was wir bereits getan haben.Ich möchte mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten noch einmal in Erinnerung bringen, was Herr Minister Franke dazu in der deutschlandpolitischen Debatte, und zwar hier am 8. Oktober letzten Jahres, gesagt hat:Die Bundesregierung kann die DDR nicht an der Abgrenzung hindern, wie sie in der Berliner Mauer ihren weltbekannten Ausdruck gefunden hat. Was aber die Bundesregierung tun kann, ist, der Regierung der DDR durch eine geduldige Politik des Interessenausgleichs immer wieder Anreize zu bieten, die Politik der Abgrenzung zu überprüfen bzw. zu lockern.
Das ist im letzten Jahrzehnt bekanntlich geschehen und hat allen Unkenrufen über die theoretische Unvereinbarkeit von Abgrenzung und Entspannung zum Trotz zu vorzeigbaren Ergebnissen geführt.
Die Grenzsicherungsanlagen der DDR unterstreichen die Notwendigkeit der Entspannungsbemühungen der Bundesregierung, die darauf gerichtet sind, die Kontaktmöglichkeiten zwischen den Menschen in beiden deutschen Staaten zu erleichtern und zu vermehren und dadurch letztlich eine Situation zu schaffen, in der solche schrecklichen Sperranlagen ihren Sinn verlieren. Hier unterscheiden wir uns grundsätzlich in der Vorgehensweise, und das soll auch eine Antwort auf Ihre Frage sein, die Sie zwischendurch gestellt haben.In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU im Deutschen Bundestag vom 20. Juli 1981 verweisen. Auf die Frage, welche Initiativen zur Herbeiführung des Abbaus der Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze und ihrer grausamen Vorrichtungen die Bundesregierung unternimmt, antwortete diese unter anderem — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —:
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SteinerUnbeschadet dieser schwierigen Gesamtsituation versucht die Bundesregierung, durch Verhandlungen eine Milderung der Härten der Teilung Deutschlands zu erreichen. Dies gilt insbesondere für Bemühungen, die Grenzen durchlässiger zu gestalten und praktische Fragen im Zusammenhang mit der Grenze zu regeln. Hierbei sind vor allem Gespräche über Fragen des Reiseverkehrs und die Tätigkeit der Grenzkommission zu nennen. Auch in Zukunft wird die Bundesregierung der Lage an der Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten sowie in bezug auf Berlin in Gesprächen mit der DDR und im internationalen Bereich die gebotene Aufmerksamkeit widmen. So ist von unserer Seite das Verhalten der DDR im Rahmen der KSZE mehrfach angesprochen worden.Erleichterungen im Reise- und Besuchsverkehr, weitere Grenzübergangsstellen für den Transit-, den Reise- und den grenznahen Verkehr sowie die Familienzusammenführung sind Schritte auf dem Wege zu einer größeren Durchlässigkeit der Grenze.
Der vorliegende CDU/CSU-Antrag zeigt dagegen einen Weg auf, der unserer Meinung nach in einer Sackgasse endet.
Richtig erscheinen mir noch einige Anmerkungen zu Ihrer Aufforderung an die Bundesregierung, sie möge ihren Verfassungsauftrag und die Verpflichtung aus dem innerdeutschen Grundlagenvertrag sowie der KSZE-Schlußakte erfüllen. Es ist politisch interessant, wenn Sie die Bundesregierung zur Erfüllung ihrer grundgesetzlichen Pflichten mahnen und in diesem Zusammenhang den Grundlagenvertrag und die KSZE-Schlußakte als begründende Korsettstangen benutzen, obwohl Sie dem Grundlagenvertrag und auch der KSZE-Schlußakte die Zustimmung, wie jedermann weiß, verweigert haben.
— Ich sprach jetzt von der KSZE-Schlußakte und vom Grundlagenvertrag.Unabhängig davon enthält der Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972 keine Verpflichtung der Vertragspartner, Verhandlungen über die in Rede stehenden Verhandlungsgegenstände aufzunehmen, geschweige denn einen Vertrag darüber abzuschließen.Auch die KSZE-Schlußakte ist, wie ich auf eine Zwischenfrage bereits erwähnt habe, wenig hilfreich, um Forderungen gegenüber der DDR durchzusetzen. Auch Sie wissen, daß die Schlußakte kein einklagbarer Vertrag ist und von der DDR leider nurim Sinne ihrer politischen Zielsetzungen interpretiert und beachtet wird. Ich habe gesagt: Das ist zu bedauern, das ist auch zu beanstanden. Die Bundesregierung hat dies, wo immer nützlich und möglich, reichlich getan.Abschließend stelle ich fest: Die Bundesrepublik Deutschland hat keine völkerrechtlich erlaubten Mittel oder Sanktionsmöglichkeiten, die DDR an den Verhandlungstisch zu zwingen und Gegenstände zu verhandeln, die in die innerstaatliche Hoheitsgewalt der DDR fallen.Das im Antrag der CDU/CSU-Fraktion enthaltene Ansinnen, mit der DDR in förmliche Verhandlungen über diesen Gegenstand einzutreten, ist unrealistisch.
Würde die Bundesregierung diesem Ansinnen folgen und gegenüber der DDR darauf bestehen, dann machte sie selber die Möglichkeiten zunichte, die bisher zu zwar nicht vernünftigen, aber doch erleichterten Regelungen geführt haben.
Außerdem würde die DDR durch diesen Antrag provoziert, erneut das Prinzip der Nichteinmischung deutlich herauszustellen.
— Wir erreichen damit doch nichts, Herr Kollege Jäger!
— Herr Kollege Jäger, Sie erwarten, daß ich auf Ihre Zwischenrufe reagiere; ich möchte Sie mit einer Antwort auch nicht enttäuschen. Wenn die CDU/ CSU will, daß sich nichts mehr bewegt,
dann sollte sie gänzlich auf Ihre Linie, Herr Kollege Jäger, einschwenken. Sie schlagen hier doch Methoden vor — vorhin haben Sie es wieder versucht —, die mit Sicherheit keine Fortschritte bringen können.
Herr Kollege Jäger, mit Ihrer — ich will das mal noch vorsichtig umschreiben — hier praktizierten Doppelzüngigkeit läßt sich wirklich nichts bewegen, auch nicht mit Scheinheiligkeit.
— Bei mir verstärkt sich, wenn ich Sie so höre, im-mer mehr der Eindruck, als verfolgten Sie mir Ihrer
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SteinerArgumentation hier eine Strategie, die man schon fast perfide nennen kann.
— Ich verstehe ja Ihre Erregung. Tun Sie aber doch nicht so, als könnten Sie mit dem, was Sie hier vorgeschlagen haben, etwas erreichen.
Was Sie hier praktizieren, ist für mich eine nicht mehr zu überbietende politische Unzulänglichkeit im Bereich der Deutschlandpolitik.
Ich komme zum Schluß. Meine Fraktion empfiehlt, dem Vorschlag des Ältestenrates zu folgen, den Antrag zur weiteren Beratung an den Innerdeutschen Ausschuß zu überweisen. Ich hoffe, daß wir dort noch Gelegenheit haben, das eine oder andere realitätsbezogen zu regeln. — Ich bedanke mich.
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Dr. Wendig das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Zum Eingang möchte ich eines ganz klarstellen, damit hier kein Zweifel besteht: Die Mauer und die Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze sind, ohne daß man auf irgendwelche völkerrechtlichen oder sonstigen vertraglichen Normen Bezug nehmen muß, im Grunde unmoralisch und zutiefst menschenverachtend.
Dies gilt in gleicher Klarheit und Eindeutigkeit für diejenigen Maßnahmen — bis hin zum Schießbefehl —, die von der Regierung der DDR in Ansehung der Mauer seit über zwei Jahrzehnten praktiziert werden.
An dieser Einstellung meiner Fraktion — ich sage es noch einmal — möchte ich keinen Zweifel lassen.Diese Situation wird auch dadurch nicht leichter, daß sich — Herr Kollege Jäger sprach davon — auf unserer Seite leider bei vielen ein Gewöhnungsprozeß vollzogen hat oder zu vollziehen scheint, der manchem diese Grenze als nicht mehr so schlimm erscheinen läßt.
Sie ist und bleibt schlimm. Die Mauer ist und bleibt aber auch ein Zeichen der Schwäche des politischen Systems der DDR, auch wenn man im Jahre 1981, im vorigen Jahr, geglaubt hat, das 20jährige Bestehen der Mauer durch Festakte oder ähnliches begehen zu können.
Dieser Tatbestand wird von uns niemals akzeptiert, und hier wird auch nichts verschwiegen.
Eine ganz andere Frage aber ist es, ob und mit welchen rechtlichen und politischen Möglichkeiten eine Regierung der. Bundesrepublik Deutschland diesen Zustand beseitigen kann. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich die Opposition bei der Bewertung solcher Möglichkeiten gröblich verschätzt.
Dies scheint mir noch milde ausgedrückt zu sein. Es geht doch nicht darum, daß wir alle einen Zustand, den wir als unerträglich empfinden, nicht mehr wünschen. Es handelt sich vielmehr allein darum, welche rechtlichen und politischen Instrumente uns zur Verfügung stehen und ob sie auch einsetzbar sind.
Ich bleibe zunächst bei den rechtlichen Instrumenten. Sie von der CDU/CSU nennen in Ihrem Antrag die Verfassung, also das Grundgesetz, den Grundlagenvertrag und die Schlußakte von Helsinki. Was nun das Grundgesetz angeht, das ja, wie wir wissen, seit 1949 in Kraft ist, so müßte man die Opposition dann natürlich auch fragen, was sie in Zeiten ihrer Verantwortung nach 1961-1961 ist die Mauer gebaut worden; natürlich galt auch damals das Grundgesetz zur Verwirklichung dieses Verfassungsauftrages unternommen hat.
Soviel ich weiß, hat sie nichts unternommen.
— Lieber Herr Sauer, auf diese Frage habe ich direkt gewartet. Man weiß j a, daß immer bestimmte Fragen kommen. Ich habe zwar gedacht, diese Frage käme von Herrn Jäger; jetzt kommt sie aber von Ihnen. Deswegen will ich sie Ihnen auch gern beantworten.
Es ist in der Tat so, daß in der Regierung Erhard derdamalige Gesamtdeutsche Minister Mende Verantwortung getragen und eine Politik der, wie man es
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Dr. Wendigdamals nannte, kleinen Schritte mit Passierschein-abkommen eingeleitet hat.
— Na, wir haben inzwischen ja sehr viel mehr gemacht. Oder etwa nicht?Bloß, das geschah doch auch in Anerkenntnis der Tatsache, daß nur mit solchen kleinen Schritten etwas zu bewegen ist. Ich gehe davon aus, daß der damalige Gesamtdeutsche Minister Mende dies mit Einverständnis auch des Bundeskanzlers der CDU, der damals Erhard war, getan hat.
— Wir haben j a schon mehr Schritte getan.Ich will hier aber die Frage stellen: Ist das Grundgesetz wirklich eine Rechtsgrundlage für den Antrag der Opposition? Trotz des Gutachtens von Herrn Blumenwitz — das ich nicht kenne, Herr Jäger — habe ich da meine Zweifel. In der Präambel lautet der Verfassungsauftrag: „in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden". Auf welchem Weg dies zu geschehen hat, schreibt das Grundgesetz nicht vor. Das hätte es auch weder 1949 tun können, noch könnte es dies heute.Da weder Wege noch Ziel von der DDR anerkannt werden — ich sage das nur als eine Tatsache —, wird über einen Auftrag des Grundgesetzes auch nicht zu verhandeln sein.Weiter, meine Damen und Herren von der Opposition, nennen Sie den Grundlagenvertrag vom 31. Dezember 1972. Er enthält — da werden Sie mir zustimmen — expressis verbis nichts über den in Rede stehenden Vertragsgegenstand. Allerdings enthält der Grundlagenvertrag in Art. 2 und 3 die Verpflichtung, sich von den Zielen und Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen leiten zu lassen. Dies bedeutet, daß jeder der Vertragspartner auch bei Ausübung des innerstaatlichen Rechts und bei Einleitung von grenzsichernden innerstaatlichen Maßnahmen auf die Einhaltung der Menschenrechte achten sollte. So verstehe ich das. Es werden aber an mehreren Stellen des Grundlagenvertrags die Prinzipien Unabhängigkeit, Selbständigkeit, territoriale Integrität, Unverletzlichkeit der Grenzen, uneingeschränkte Hoheitsgewalt hervorgehoben. Auch das steht nämlich darin.Auch hier gilt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ich will das im letzten Grund rechtlich nicht werten. Aber für eine Rechtsgrundlage von Verhandlungen gibt das so, wie Sie sich es vorstellen, nicht viel her.Nun zur Schlußakte von Helsinki vom 1. August 1975. Da werden die im Grundlagenvertrag betonten Prinzipien ebenfalls genannt. An erster Stelle stehen auch hier die völkerrechtlichen Grundsätze. Die Schlußakte bestätigt die allgemeinen Völkerrechtsgrundsätze für ganz Europa und für jedes Mitglied, für jeden Staat, also auch für die DDR, und zwar unabhängig davon, von welcher Rechtsnatur der zwischenstaatlichen Beziehungen beide deutschen Staaten ausgehen.Aber nun ein Wort zu der vorhin von Herrn Rawe aufgeworfenen Frage. Wir sollten einmal — ich will das jetzt nur ganz kurz tun — ein Wort darüber verlieren: Wie stellen wir uns Helsinki in der Ausführung vor? Ich sage noch einmal — Herr Steiner hat es schon erwähnt —: Sie haben j a dagegen gestimmt. Sicher hat sich kein Mensch vorgestellt, daß Helsinki einen völkerrechtlich einklagbaren Anspruch vermitteln könnte. Wir waren uns alle darüber im klaren, daß dies ein sehr langsamer, langwieriger Prozeß mit der Gefahr ist, daß bei einem Überziehen die Entwicklungen in eine ganz andere Richtung ausschlagen können. Ich will hier kein besonderes Beispiel nennen. Aber Sie können sich denken, was ich meine.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lorenz?
Ja.
Bitte sehr.
Herr Kollege Wendig, wenn wir uns darüber einig sind, daß Helsinki keinen völkerrechtlich einklagbaren Anspruch gibt, frage ich Sie: Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Aufforderung in Korb III und die Ermunterung der Unterzeichnerstaaten, über die dort festgelegten gemeinsamen Wünsche bilaterale Verträge abzuschließen, die Bundesregierung ermuntern sollten, auch mit der DDR Verhandlungen über solche Verträge zu führen?
Herr Kollege Lorenz, ich komme auf diese Frage in einem anderen Zusammenhang zurück. Ich bin in der Tat der Meinung, daß darüber gesprochen wird. Aber das ist ein sehr später Punkt in einem sehr langen Prozeß, der sich bisher noch nicht so vollzogen hat. Ich erläutere das nachher gleich an einem bestimmten Punkt.Ich will damit sagen: Die Bundesrepublik Deutschland hat keine völkerrechtlich tauglichen Mittel, die DDR zu Verhandlungen über den Gegenstand des Antrags der Opposition zu zwingen. Hier, meine Damen und Herren von der Opposition, erwecken Sie Illusionen, als läge es allein am guten oder bösen Willen der Bundesregierung, daß dies nicht geschieht. Dies, meine Damen und Herren, ist nur die vertragliche, die völkerrechtliche Seite der Angelegenheit. Ich will es damit nicht bewenden lassen. Allerdings muß schon an dieser Stelle eingefügt sein, daß es unrealistisch wäre, die DDR mit den von der Opposition genannten Rechtsnormen an den Verhandlungstisch zwingen zu können.
Aber der Antrag hat daneben noch einen hochpolitischen Aspekt. Nur befürchte ich sehr, daß man sich alle politischen Möglichkeiten von vornherein verbaut, wenn man so vorgeht, wie die Opposition es
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Dr. Wendighier vorschlägt. Dieser politische Aspekt berührt nun wirklich den Kern der deutschlandpolitischen Diskussion.
Herr Kollege Wendig, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte. Vizepräsident Dr. h. c. Leber: Bitte sehr.
Herr Kollege Wendig, wären Sie bereit, dem Hohen Hause nachzuweisen, ob in dem Antrag meiner Fraktion etwas von „zwingen" steht — denn darauf kommt es jetzt an, weil Sie darauf so großen Wert legen —, und wären Sie vielleicht auch bereit, den Antrag zur Grundlage Ihrer Ausführungen hier zu nehmen?
Ich gehe, Herr Kollege, von diesem Antrag aus. Natürlich steht das Wort „zwingen" nicht darin. Aber der Antrag — im Kontext zu anderen Anträgen, auf die ich noch kommen will — erweckt den Eindruck, den Eindruck in politischer Hinsicht, daß es im Grunde genommen nur an dem Willen der Bundesrepublik liegt, dies zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen; das ist doch der Punkt. Aber ich komme auf diesen Antrag gleich noch zurück; ich mache ihn zum Gegenstand meines Beitrags. Wovon soll ich sonst reden?
Ich befürchte — ich sagte es —, daß man sich alle politischen Möglichkeiten verbaut, wenn man so vorgeht. Über die Rechtsnatur und die politische Qualität des politischen Systems in der DDR braucht man, glaube ich, in diesem Haus kein Wort zu verlieren. Nur, mir scheint eine Politik an den Tatsachen völlig vorbeigeplant zu sein, die in der Substanz meint, gestützt auf völkerrechtliche oder andere Normen, die DDR im Ergebnis zu Verhandlungen über die inhaltliche Änderung ihres Systems veranlassen zu können. Ich überspitze hier zwar ein wenig, aber das wäre die letzte Konsequenz Ihrer Bemühungen. Dies ergibt sich nun nicht allein, Herr Kollege Mikat — deswegen komme ich jetzt darauf —, aus diesem Antrag.
Herr Kollege Wendig, Herr Kollege Werner hat den Wunsch, eine Frage zu stellen. Erlauben Sie das?
Ich glaube, ich komme jetzt bei weiteren Fragen mit meiner Zeit in Verzug. Ich bitte, mir das jetzt zu ersparen.
Keine Fragen mehr. — Bitte sehr.
Das ergibt sich, wie gesagt, nicht allein aus diesem Antrag, über den wir heute reden. Denn ich habe den deutlichen Eindruck, daß die Opposition seit etwas mehr als einem Jahr eine deutschlandpolitische Offensive ganz eigener Qualität eingeleitet hat, wobei ich allerdings daran zweifele, ob sie selbst an die sofortige Realisierbarkeit aller dieser Vorstellungen glaubt. Lassen Sie mich das bitte darstellen, rein zeitlich. 23. Februar 1981: Antrag über die politischen Häftlinge in der DDR;11. Mai 1981: umfassende Bestandsaufnahme der Deutschlandpolitik; 19. Mai 1981: Wahlen in der DDR; 22. Juli 1981: Dokumentation zur Situation der Menschenrechte in der DDR; 22. Oktober 1981: dieser Antrag, über den wir hier heute reden; 13. November 1981: Presse- und Informationsfreiheit in der DDR. Um hier nicht mißverstanden zu werden, meine Herren von der Koalition: Diese Anträge enthalten wünschenswerte und erstrebenswerte Zielvorstellungen; überhaupt kein Zweifel.
Nur, die Summe all dieser Vorstellungen hätte, wie ich schon einmal sagte, zum Ergebnis, daß die DDR am Ende ein anderer Staat wäre als der gegenwärtige.
Sie werden nun fragen: Warum nicht? Natürlich, aber ernsthaft kann man doch nicht annehmen, daß bei dieser kompakten Masse von Anträgen
mit der DDR Verhandlungen geführt werden können, die praktisch zu einer grundlegenden Ande rung, wenn nicht Aufhebung ihres gegenwärtigen politischen Systems führen müssen. Man mag dies bedauern, aber diese Tatsache kann niemand in diesem Hause aus der Welt schaffen.
Die Deutschlandpolitik der Bundesregierung war deshalb zu Recht darauf angelegt — wohlüberlegt, behutsam, aber mit den politischen Möglichkeiten bestimmt umgehend —, eine allgemeine Erleichterung für die Menschen in beiden Staaten in Deutschland zu bewirken und das Bewußtsein der Einheit der Nation aufrechtzuerhalten, was, wie wir alle wissen, außerordentlich schwierig ist. Dies ist ein langer und mühsamer Weg, der auf laute, nach außen dröhnende Erfolgsnachrichten oft verzichten muß. Es ist ein Weg, der auch vor Rückschlägen, wie wir alle wissen, nicht gefeit ist. Insgesamt gesehen können sich aber die Erfolge — auch vor der Öffentlichkeit — sehen lassen, wenn man den Zustand von 1972 oder 1969 in die Betrachtung mit einbeziehen will. Ich bin mit meiner Fraktion jedenfalls zuversichtlich, daß die Begegnung des Bundeskanzlers mit dem Staatsratsvorsitzenden der DDR am Werbellinsee im Dezember vergangenen Jahres für weitere Schritte in diese richtige Richtung den Weg geöffnet hat.Aber bitte machen wir uns nichts vor: Ein Zustand, in dem die DDR zum Abbau der Mauer, wenn auch nach einem Stufenplan, von dem Sie sprechen, bereit ist, ist zur Zeit leider nicht in Sicht. Jetzt komme ich noch einmal auf Ihre Frage, Herr Kollege Lorenz, zurück — ich habe das nicht vergessen —: Es kommt doch darauf an, daß man in einem langandauernden Prozeß einen Zustand erreicht, in dem eine solche Verhandlung auch für die andere
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5480 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Dr. WendigSeite möglich und ertragbar aus ihrer Situation ist.
Und in dieser Situation befinden wir uns heute noch nicht.
Dies, meine Damen und Herren, hindert uns nicht daran, die Bundesregierung in ihrer Politik zu unterstützen, die weitere Erleichterungen bringen soll, wenn sie auch für den Tag bescheiden sein mögen.Die Opposition müßte sich bei ihrem Weg oder bei ihrem Antrag aber auch überlegen, welcher Preis möglicherweise von unserer Seite zu entrichten wäre, wollte man es auf eine Lockerung oder Aufhebung der Sperranlagen im Verhandlungswege konzentriert abstellen. Sie sprechen ja von einem Stufenplan. Ich meine mit „Preis" keinen wirtschaftlichen, sondern einen möglicherweise politischen Preis. Ich möchte mehr nicht dazu sagen. Denken Sie aber bitte einmal darüber nach!Sosehr uns — und damit komme ich zum Schluß — trotz jahrzehntelanger Gewöhnung die Frage der Sperranlagen im Herzen brennt, müssen wir mit dem Sinn für Nüchternheit und Realität diejenigen Ziele ins Auge fassen, und zwar Schritt für Schritt, die uns unter den gegebenen Verhältnissen erreichbar erscheinen. Dies mag für den einzelnen Tag wenig sein, in der Summe war es schon viel. Wir hoffen, daß es noch mehr werden wird.Für meine Fraktion stimme ich der Überweisung des Antrages an den Ausschuß zu.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen zur Aussprache vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Abgeordneten Lorenz, Baron von Wrangel, Jäger , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/927 an den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat wird eine Mittagspause eingelegt. Der Deutsche Bundestag tritt um 14 Uhr wieder zusammen.
Ich unterbreche die Sitzung.
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 9/1425 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Herr Dr. Sperling zur Verfügung.
Der Fragesteller der Frage 53, der Abgeordnete Dr. Möller, hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 54 des Abgeordneten Zierer auf:
Warum ist es nach Mitteilung von Regierungssprecher Bekker für den Bundesbauminister „selbstverständlich", daß die Kabinettbeschlüsse zum Mietrecht „nach einigen Jahren kritisch daraufhin zu überprüfen seien, ob sich die darin gesetzten Erwartungen erfüllten"?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Zierer, für den Bundesbauminister, Dr. Haack, ist es schlicht selbstverständlich, weil sich jeder, der politisch oder gesetzgeberisch handelt, um die Folgen seines Tuns zu kümmern hat.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Zierer. — Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, kommt in dieser Feststellung nicht auch eine gewisse Unsicherheit der Bundesregierung bezüglich ihrer eigenen Beschlüsse zum Mietrecht zum Ausdruck?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, nein. Ich glaube, daß da keine Unsicherheit zum Ausdruck kommt, sondern die Auffassung, daß sich an dieses gesetzgeberische Handeln Hoffnungen knüpfen. Und es ist natürlich interessant, ob sich diese Hoffnungen erfüllen.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe Frage 55 des Abgeordneten Magin auf:
Führen die Kabinettbeschlüsse der Bundesregierung zum Mietrecht zu einem unsozialen Anstieg der Mieten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Magin, bei der Fortentwicklung des Mietrechts hat sich die Bundesregierung von zwei Zielen leiten lassen. Einerseits soll die Investitionsneigung im Mietwohnungsbau verbessert werden, und andererseits soll der Schutz der Mieter gegenüber unzumutbaren Mieterhöhungen bestehenbleiben. Mit der zeitnahen Aufstellung von Mietspiegeln sowie der Präzisierung des Vergleichsmietenbegriffs wird eine stärkere Marktorientierung im Vergleichsmietenverfahren erreicht, und durch die Begrenzung des Mietanstiegs auf höchstens 30 % innerhalb von drei Jahren wird ein unsozialer Mietanstieg im Einzelfall verhindert werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Magin.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5481
Herr Staatssekretär, in welcher Höhe erwarten Sie einen Mietanstieg im nächsten Jahr, wenn die Gesetzentwürfe Gesetzeskraft erlangt haben?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Magin, dies ist schwer zu prognostizieren, weil es auch von vielen anderen Dingen abhängt. Aber es ist wohl im großen und ganzen damit zu rechnen, daß die Mieten wie bisher in Höhe des Lebenshaltungskostenanstiegs steigen. Um diesen Prozentsatz wird es Schwankungen geben können.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Wenn die Koalition jetzt schon absieht, daß in drei Jahren der Mietanstieg etwa 30 % sein wird — denn das darf nicht überstiegen werden, also muß man davon ausgehen, daß möglicherweise 30 % erreicht werden —: Betrachten Sie einen solchen Anstieg, der, wenn wir ihn einmal dritteln würden, jährlich etwa bis zu 10% betragen kann, nicht für viele Haushalte in der Bundesrepublik als unsozial?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Magin, die Erwartung ist ja gerade nicht, daß die Mieten um 30 % in drei Jahren ansteigen werden, sondern daß sie in einzelnen Fällen um höchstens 30 % ansteigen werden, daß ihr Anstieg im Durchschnitt den Anstieg der Lebenshaltungskosten aber kaum übersteigen wird. Ob ein Mietanstieg um 30 % in einem Fall unsozial ist, hängt vom Ausgangsniveau in diesem Einzelfall ab.
Ich rufe Frage 56 des Abgeordneten Magin auf:
Wie lassen sich die Äußerungen von Bundesbauminister Dr. Haack in der Neuen Osnabrücker Zeitung, „falls in etwa zwei Jahren festgestellt werden sollte, daß durch die Änderungen im Mietrecht nicht zusätzlich freifinanzierte Wohnungen geschaffen worden seien, müsse der Themenkomplex neu behandelt werden" und die Ausführungen von Bundesminister Genscher in einem Interview gegenüber der Bild-Zeitung, „wer das Beschäftigungsprogramm zerredet, der zerredet Arbeitsplätze und zerredet auch diese Koalition", vereinbaren?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Magin, die Äußerungen von Bundesminister Dr. Haack lassen sich mit den Äußerungen von Bundesminister Genscher deswegen vereinbaren, weil beide Minister der Auffassung sind, daß das Beschäftigungsprogramm nicht zerredet werden sollte.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Magin.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß durch diese Äußerungen — jedenfalls so, wie es aus der Presse zu entnehmen war — ein hohes Maß an Unsicherheit bei all denen hervorgerufen wird, die sich um notwendige Investitionen gerade im Wohnungsbau bemühen?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege Magin. Unsicherheit könnte nur dann entstehen, wenn man der Interpretation, die Sie vermuten, folgt. Aber diese Interpretation ist nur in Ihren Reihen vorhanden.
Weitere Zusatzfrage.
Sind Sie nicht auch der Auffassung, Herr Staatssekretär, daß wir der Bevölkerung, die diese Äußerungen liest und sich selbst eine Meinung bildet, die Interpretation nicht vorschreiben können?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Das ist richtig. Sie dürfen das nicht, und wir dürfen es auch nicht.
Die Fragen 57 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn und 59 des Herrn Abgeordneten Dr. Möller sollen auf Bitten der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Danke sehr, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf.
Frage 60 des Abgeordneten Graf von Stauffenberg soll auf Bitten des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher zur Verfügung.
Ich rufe Frage 61 der Frau Abgeordneten Blunck auf:
Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, in die Bundesrepublik Deutschland einreisenden Mitgliedern des polnischen Parlaments sowohl zeitliche wie räumliche Aufenthaltsbeschränkungen aufzuerlegen?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Kollegin, zu der international üblichen Weise der Sichtvermerkserteilung gehört eine zeitliche und gelegentlich auch räumliche Begrenzung, die sich bei Besuchsvisen nach der Dauer des Besuchs bemißt. Hierzu wird die Einladung der deutschen Verwandten, der deutschen Firmen und der sonstigen deutschen Stellen zugrundegelegt.
Im Falle des polnischen Sejm-Abgeordneten, den Sie wohl im Auge haben, wurde die Aufenthaltserlaubnis in der Form des Sichtvermerks beschränkt, weil zunächst nur zwei der behaupteten Einladungen bestätigt wurden. Es war wegen der Eilbedürftigkeit nicht möglich, die Sichtvermerkserteilung weiter zurückzustellen, bis alle vom Sichtvermerksbewerber genannten Stellen die Einladung bestätigten. Das ist j a dann später erfolgt.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck, bitte.
Teilen Sie meine Auffassung, daß es der freiheitlichen Bundesrepublik gut angestanden hätte, bei der Erteilung von Sichtvermerken
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5482 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Frau Blunckfür polnische Parlamentarier mindestens die gleiche Großzügigkeit walten zu lassen, mit der umgekehrt die unter Kriegsrecht agierende polnische Regierung bei der Visa-Erteilung für deutsche Abgeordnete verfährt?Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Frau Kollegin, das trifft für den Fall nicht zu. Es ist immer üblich, daß Einladungen zunächst bestätigt werden müssen. Sie sind nicht bestätigt worden. Die Einreise ist genehmigt worden; nachdem sie später bestätigt wurden, ist die Aufenthaltserlaubnis j a auch verlängert worden.
Noch eine Zusatzfrage? — Bitte sehr.
Mich würde interessieren: Werden vergleichbare Aufenthaltsbeschränkungen auch Mitgliedern der Quasi-Parlamente, beispielsweise der Türkei oder Chiles oder Südkoreas oder generell anderer unter Kriegsrecht stehender Staaten, auferlegt, oder gelten sie nur für Polen — wobei ich hinzusetzen möchte, daß die Einladungen in zwei Fällen bestätigt waren?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Frau Kollegin, abgesehen davon, daß Ihre Zusatzfrage, glaube ich, sehr weit ab von der Hauptfrage liegt, ist es der Bundesregierung im Einzelfall immer überlassen, ob, aus welchen Gründen und unter welchen Bedingungen Aufenthaltserlaubnisse, also Visen, erteilt werden.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Zutt, bitte sehr.
Frau Staatsminister, wenn es immer im Einzelfall entschieden wird, dann möchte ich allerdings fragen, welcher Schaden der Bundesrepublik entstanden wäre, wenn in diesem Fall keine räumliche Beschränkung auferlegt worden wäre.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Frau Kollegin, Sie müssen es bitte der Bundesregierung überlassen, das im Einzelfall zu entscheiden.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Ich rufe Frage 62 der Frau Abgeordneten Blunck auf:
Ist die Bundesregierung nach Einschränkung der Bewegungsfreiheit für polnische und sowjetische Diplomaten bereit, vergleichbare Sanktionen auch auf Diplomaten solcher Staaten auszudehnen, in denen ebenfalls Kriegsrecht herrscht, bzw. deren Regierungen bei der Verhängung von Kriegsrecht oder ähnlichen Maßnahmen in anderen Ländern initiierend oder unterstützend tätig geworden sind?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Frau Kollegin, ich möchte zunächst richtigstellen, daß Beschränkungen der Bewegungsfreiheit für polinische Diplomaten nicht eingeführt worden sind. Lediglich im Verhältnis zur Sowjetunion und zur Volksrepublik China, die ihrerseits die Bewegungsfreiheit ausländischer Diplomaten beschränken, hat die Bundesregierung im Wege der Gegenseitigkeit entsprechende Maßnahmen getroffen. Diese Beschränkungen bestehen seit langem, werden aber in bezug auf die Sowjetunion jetzt strikter gehandhabt. Insbesondere wird die Nichteinhaltung von Reisenotifizierungsfristen nur noch in begründeten humanitären Fällen toleriert.
Im übrigen möchte ich Ihre Frage wie folgt beantworten: Nach Art. 26 des Wiener Übereinkommens von 1961 über diplomatische Beziehungen gewährleistet der Empfangsstaat — vorbehaltlich seiner Gesetze und anderer Rechtsvorschriften über Zonen, deren Betreten aus Gründen der nationalen Sicherheit verboten oder geregelt ist — allen Mitgliedern einer fremden diplomatischen Mission volle Bewegungs- und Reisefreiheit in seinem Hoheitsgebiet. Die Bundesregierung hält sich mit den obengenannten Ausnahmen — China und Sowjetunion — auf Gegenseitigkeitsbasis an diese völkerrechtliche Verpflichtung. Die Bundesregierung muß sich aber vorbehalten, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit ausländischer Diplomaten anderer Staaten im Rahmen der Gegenseitigkeit dann in Erwägung zu ziehen, wenn ein Land die Bewegungs- und Reisefreiheit unserer eigenen Diplomaten unzulässig einschränkt.
Zusatzfrage? — Bitte, Frau Abgeordnete.
Frau Staatsminister, warum wird die Bewegungsfreiheit für Diplomaten zahlreicher latein- und südamerikanischer Staaten, in denen permanenter Ausnahmezustand herrscht, nicht eingeschränkt?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Frau Kollegin, ich habe vorhin versucht, zu erklären, daß das nicht von dem inneren Zustand eines Landes, sondern von der Reziprozität abhängig ist. In allen anderen Staaten haben unsere Diplomaten volle Bewegungsfreiheit. Also legen wir den hiesigen Diplomaten auch keine Beschränkungen auf. Das ist genau Wortlaut und Sinn der Wiener Vereinbarungen.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Frage 63 des Abgeordneten Dr. Jenninger auf:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung zunächst einer Gruppe sowjetischer Staatsbürger — darunter das Mitglied des Präsidiums des Obersten Sowjet, Walentina Tereschkowa, und der Vorsitzende des sowjetischen Jugendverbands „Komsomol", Boris Pastuchow — die Erteilung von Visa zum Besuch der Bundesrepublik Deutschland verweigert?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Präsident, ich würde gerne, wenn es der Herr Fragesteller gestattet, die Fragen 63 und 64 gemeinsam beantworten.
Der Fragesteller ist damit einverstanden.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5483
Vizepräsident WurbsIch rufe auch die Frage 64 des Abgeordneten Dr. Jenninger auf:Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, diese Entscheidung rückgängig zu machen und den genannten Personen dann doch die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu gestatten?Bitte sehr.Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung hat denen von Ihnen genannten sowjetischen Staatsbürgern die von ihnen beantragten Sichtvermerke nicht verweigert. Sie hat vielmehr die Sichtvermerke nach Prüfung erteilt.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jenninger.
Frau Staatsminister, sind Sie sich bewußt, daß Sie mit dieser Auskunft einer ganzen Reihe namhafter deutscher Zeitungen und Presseorgane, einschließlich der Deutschen Presseagentur, eine Falschmeldung unterstellen, die alle übereinstimmend und unter Berufung auf offizielle Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes berichtet hatten, die Ablehnung der Einreise sei im Blick auf die „derzeitige Lage in Polen" im ,,gegenwärtigen Zeitpunkt" erfolgt?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ja, Herr Kollege, es ist immer ein Prozeß der Abwägung von verschiedenen Gesichtspunkten. Deshalb hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit den jüngsten internationalen Entwicklungen veranlaßt, daß jeder Sichtvermerksantrag — auch in Eilfällen — erst dem Auswärtigen Amt vorgelegt werden muß. In einem solchen, etwas umständlichen Verfahren kann es sich ergeben, daß dem Antragsteller gegenüber zunächst eine negative Haltung eingenommen wird, solange die endgültige Entscheidung noch nicht gefallen ist. Dieser Eindruck scheint in diesem Falle wohl entstanden zu sein.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jenninger.
Frau Staatsminister, hat es — wie den Presseberichten auch zu entnehmen ist — Einwirkungen von höherer politischer Ebene gegeben, die zu der Visaerteilung geführt haben, und sind an diesen Entscheidungen auch der Außenminister und der Bundeskanzler beteiligt gewesen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Es ist mir nicht bekannt, ob Einwirkungen stattgefunden haben. Es ist mir deshalb auch nicht bekannt, ob der Bundeskanzler oder der Außenminister in diese Einwirkungen einbezogen worden sind.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, wie läßt sich nach Ihrer Meinung die Entscheidung zugunsten der Visaerteilung mit der im westlichen Bündnis gemeinsam beschlossenen Politik, die auch in der Polen-Erklärung der NATO-Außenminister vom 11. Januar und in der Entscheidung des Bun-
deskabinetts vom 17. Februar zum Ausdruck kommt, vereinbaren, den Personenaustausch mit offiziellen sowjetischen Stellen zu beschränken, um damit politische Signale an die Adresse der Sowjetunion zu richten?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich darf vielleicht doch noch einmal wiederholen, daß bei jeder Einzelentscheidung eine Abwägung aller Umstände — der politischen Umstände und des Besuchszwecks — vorgenommen wird. Bei dieser Abwägung spielt auch der Grundsatz eine Rolle, daß der offene Meinungsaustausch dem Wesen unserer freien Gesellschaft entspricht. Wir hatten j a bei der vorigen Frage von der anderen Seite versucht, das in der gleichen Weise zu handhaben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger .
Frau Staatsminister, waren das Gesprächsthema und — jetzt rückschauend — der Gesprächserfolg der Frau Tereschkowa und des Jugendverbandsvorsitzenden Pastuchow von solcher Bedeutung, daß man sagen muß, daß die Bundesregierung hier mit Recht eine Ausnahme von der Grundregel gemacht hat, die der Kollege Dr. Jenninger soeben erwähnt hat?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, wir können Ergebnisse nicht voraussehen, und im übrigen ist mir auch nicht bekannt, welches diese Ergebnisse sind.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr, Frau Blunck.
Frau Staatsminister, wenn ich Ihre Beantwortung der zweiten Frage richtig verstanden habe, so ergibt sich für mich daraus ein Widerspruch zu der Beantwortung meiner Frage, wo Sie mir geantwortet haben, daß man nur nachweisen müßte — wenn ich Sie richtig verstanden habe —, daß man eingeladen wird, und daß diese Einladung auch ausgesprochen worden ist.
Darf ich Sie bitten, eine Frage zu stellen.
Ja, ich möchte das damit nur klarmachen.Ich möchte von Ihnen wissen, ob ich aus der Beantwortung der Frage und der Einschränkung der Bewegungsfreiheit für polnische und sowjetische Diplomaten schließen kann, daß die Bundesregierung solche Sanktionen zukünftig uneingeschränkt immer dann verhängen wird, wenn sie zu der Überzeugung gelangt ist, daß ein bestimmter Staat bei der Verhängung eines Ausnahmezustandes in einem anderen Staat seiner Einflußsphäre wesentlich beteiligt gewesen ist. Oder gilt diese Praxis nur gegenüber Staaten, die dem Warschauer Pakt angehören?Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Frau Kollegin, ich hoffe, daß es mir gelingt, den Kern Ihrer Frage zu verstehen, und ich möchte noch einmal
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5484 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Staatsminister Frau Dr. Hamm-BrücherI wiederholen: Wenn Einladungen vorliegen und diese bestätigt werden, wird entschieden, ob und in welchem Zeitraum dem Visumsantrag Rechnung getragen wird. In dem von Ihnen genannten Fall sind die Einladungen zum Teil zunächst nicht bestätigt worden. Im zweiten Fall sind sie bestätigt worden und nach Abwägung des Für und Wider in beiden Fällen genehmigt worden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Dörflinger auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus Untersuchungen, wonach zwischen 1974 und 1977 nicht weniger als 150 Universitäten in den USA aufgehört haben, Germanistik als Unterrichtsfach anzubieten sowie aus dem generell festzustellenden massiven Rückgang des Deutschunterrichts in den USA — verbunden mit einem mittlerweile „fast provinziellen Charakter" des Germanistikstudiums an vielen amerikanischen Universitäten —, und beabsichtigt die Bundesregierung, Maßnahmen gegen diese bedenkliche Entwicklung in die Wege zu leiten?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung ist in der Tat besorgt über den Rückgang des Interesses an der deutschen Sprache in den Vereinigten Staaten. Sie ist es aber nicht erst seit heute, sondern schon seit vielen Jahren. Wir haben deshalb bereits 1977 mit der Einrichtung einer ständigen Arbeitsgruppe für Deutsch als Fremdsprache in den Vereinigten Staaten begonnen und mit einem finanziellen Sonderprogramm USA Schritte gegen ein Nachlassen des Interesses an der deutschen Sprache in den amerikanischen Bildungseinrichtungen unternommen.
Die amerikanische Regierung ist ihrerseits mit dem Bericht der sogenannten President's Commission on Foreign Languages and International Studies 1979 und mit der Proklamierung einer Foreign Language Week 1981 durch Präsident Reagan diesem generellen Rückgang des Interesses an Sprachstudien entgegengetreten, der vor allem auf den Verzicht zahlreicher Universitäten auf Fremdsprachenpflichtkurse zurückzuführen ist.
Das von mir genannte Sonderprogramm USA der Bundesregierung wurde aus diesem Grunde im Haushaltsjahr 1982 gegenüber 1981 weit überdurchschnittlich, nämlich um 10 %, auf 1,43 Millionen DM aufgestockt. Wir planen auch für 1983 — der Bundestag muß dem noch zustimmen — eine weitere Erhöhung dieses wichtigen Ansatzes.
Des weiteren haben wir die rund 50 deutschsprachigen sogenannten Sonnabendschulen in den letzten Jahren mit erhöhten Zuschüssen bedacht und das Schülerprämienprogramm für erfolgreiche Schüler beim Erlernen der deutschen Sprache zahlenmäßig und auch dem Betrage nach erhöht. Wir haben auch die pädagogische Verbindungsarbeit unserer Goethe-Institute in den USA ganz wesentlich verstärkt. Das war Gegenstand des Gespräches mit meinem Kollegen oder Counterpart auf amerikanischer Seite, Unterstaatssekretär Eagleburger, vor wenigen Wochen. Auch in diesem Punkte hat es Übereinstimmung gegeben: daß amerikanischerseits ebenfalls Bemühungen unternommen werden,
um das Interesse an der deutschen Sprache besonders zu fördern.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dörflinger, bitte.
Frau Staatsminister, geht das Konzept der Bundesregierung, das ich erfreut zur Kenntnis nehme, auch davon aus, daß es einen Zusammenhang zwischen der Förderung der deutschen Sprache in den USA und dem Willen gibt, zu einer wirksamen Verbesserung der Zusammenarbeit im Medienbereich zu kommen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich sehe das nicht so. In den USA geht das Interesse an den Fremdsprachen ganz generell rapide zurück; auch an Französisch, sogar an Spanisch. Man erklärt das damit, daß die Kenntnis einer Fremdsprache nicht mehr Voraussetzung für den Eintritt in das College ist, d. h., der Nachweis der Kenntnis einer Fremdsprache ist weitgehend erlassen. Im übrigen besteht auf diesem großen Kontinent kein besonderes Interesse an der Erlernung fremder Sprachen, weil es keine Nachbarn gibt, die das erforderlich machten. Aber das Bewußtsein, daß das ein Hindernis der Verständigung sein kann und auch ist, ist im Wachsen begriffen. Hier sollen unsere Formen der Aktivierung eingreifen, die ich vorhin nannte.
Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter.
Frau Staatsminister, mir ist das Ergebnis der Anhörung zu den deutsch-amerikanischen Kulturbeziehungen bekannt, in der von Sachverständigen ausgeführt wurde, daß für ein deutsch-amerikanisches Jugendwerk wenig Chancen bestünden, weil auf der Seite der USA ein Ansprechpartner fehle. Ich frage dennoch, ob die Bundesregierung gerade unter dem Gesichtspunkt der weiteren Förderung der deutschen Sprache beabsichtigt, diesen Gedanken eines deutschamerikanischen Jugendwerks zu fördern.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung ist entschlossen, den Schüler- und Jugendaustausch sowie den Austausch junger Berufstätiger sehr zu intensivieren. Ob wir das in Form einer sehr bürokratischen Behörde oder durch freie Organisationen tun werden, ist noch offen. Ich würde eine Organisationsform bevorzugen, die gewährleistet, daß die Mittel wirklich dem Austausch und nicht der Bürokratie zugute kommen.
Keine weiteren Zusatzfragen. — Der Fragesteller der Frage 66, der Abgeordnete Rapp , hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 67 des Abgeordneten Kalisch auf:Trifft es zu, daß die in den tschechoslowakischen Gefängnissen inhaftierten deutschen Staatsangehörigen über schlechte Verpflegung klagen?Bitte, Frau Staatsminister.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5485
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ja, Herr Kollege Kalisch, es trifft zu, daß die in den tschechoslowakischen Gefängnissen inhaftierten deutschen Staatsangehörigen darüber klagen, daß die Verpflegung unzureichend ist und insbesondere nicht unseren Maßstäben einer ausgewogenen Kost gerecht wird.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kalisch.
Ist es richtig, daß die Regierungen Schwedens, Hollands und Dänemarks durchgesetzt haben, daß Staatsangehörige dieser Länder Pakete empfangen können, die schwerer sein dürfen als diejenigen deutscher Staatsbürger?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe das, soweit es möglich war, über unsere Botschaft aufklären lassen. Es sieht so aus, daß einige der von Ihnen genannten Länder überhaupt keine Strafgefangenen in tschechoslowakischen Gefängnissen haben; ansonsten ist es nur der eine oder andere.
Es ist sehr schwer nachprüfbar, wieviel die Geschenk- oder Lebensmittelpakete gewogen haben. Das läßt sich nachträglich kaum feststellen. Aber Sie dürfen sicher sein, Herr Kollege, daß die Bundesregierung und unsere Botschaft in Prag alles in ihren Kräften Stehende tun — das gilt sicherlich auch für das Rote Kreuz —, um die Inhaftierten mit Ausgleichskost, mit Vitaminen usw. zu versorgen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte.
Da Sie das Rote Kreuz ansprechen, frage ich: Stimmt es, daß das Rote Kreuz diejenigen Inhaftierten, die wegen Fluchthilfe einsitzen müssen, hinsichtlich der humanitären Hilfe schlechter stellt als andere politische Gefangene?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Frage liegt sehr weit ab von der eingereichten Frage. Aber ich will gleichwohl versuchen, sie zu beantworten, weil das auch in den Aufzeichnungen erwähnt wird. Es ist in der Tat so, daß das Rote Kreuz Unterscheidungen vornimmt hinsichtlich seiner Hilfe, wenn es sich um Verurteilungen wegen kommerzieller Fluchthilfe handelt. Aber auch hier darf ich unterstreichen, daß unsere Botschaft keinerlei Unterschiede dieser Art macht.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hupka.
Frau Staatsminister, da Sie gerade im Zusammenhang mit der Frage des Kollegen Kalisch gesagt haben „Nicht alle Staaten, die genannt worden sind, haben auch Gefangene": Können Sie uns sagen, wie viele deutsche Staatsangehörige sich zur Zeit in tschechoslowakischer Haft befinden?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Auf diese Frage habe ich mich vorbereitet. Es sind etwa zwischen 22 und 25.
Keine Zusatzfrage mehr. Ich rufe die Frage 68 des Abgeordneten Kalisch auf:
Trifft es zu, daß diese Inhaftierten insbesondere von Erkrankungen betroffen sind, die auf Vitaminmangel zurückzuführen sind?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Auch diese Frage muß ich leider bejahen, Herr Kollege. Nach nachdrücklichen Bemühungen der Bundesregierung hat die Botschaft in Prag seit 1978/79 die Möglichkeit, mit Zustimmung der tschechoslowakischen Behörden deutsche Inhaftierte mit Vitaminpräparaten jeder Art zu versorgen. Die Botschaft in Prag bemüht sich, diese Möglichkeit voll auszuschöpfen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kalisch.
Frau Staatsminister, kann es sein, daß die Botschaftsangehörigen beim Besuch der Inhaftierten die Vitaminspende des öfteren vergessen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, das ist wohl einmal geschehen. Aber das war nicht das Verschulden der Botschaftsangehörigen, sondern offenbar ein Mißverständnis zwischen der Gefängnisleitung und der Botschaft. Es wurde nie vergessen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hupka.
Frau Staatsminister, wie oft können die Angehörigen unserer Botschaft die deutschen Staatsangehörigen pro Monat oder pro Woche besuchen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Soweit mir bekannt ist: jedes Vierteljahr.
Keine weiteren Zusatzfragen. Die Fragen 69 und 70 des Abgeordneten Dr. Hennig werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 71 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:Welche Auskunft über die Ausreise ausreisewilliger Deutscher gemäß der „Information" zum Warschauer Vertrag und der „Offenhalteklausel" im Ausreiseprotokoll hat inzwischen die Bundesregierung von der polnischen Militärregierung erhalten, nachdem der Bundesaußenminister die seit dem 13. Dezember 1981 verhängte Annahmesperre für Ausreiseanträge dem stellvertretenden polnischen Ministerpräsidenten am 30. Dezember 1981 in Bonn vorgehalten hatte?Bitte, Frau Staatsminister.Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, seitdem Sie Ihre letzte Frage am 14. Januar in dieser Angelegenheit gestellt haben, hat unser Botschafter in Warschau am 15. Februar im polnischen Außenministerium demarchiert. Außenminister Czyrek erklärte, daß polnischerseits nicht die Absicht bestehe, in Angelegenheiten der Aussiedlung und Familienzusammenführung die bisher verfolgte Politik zu revidieren.
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5486 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Staatsminister Frau Dr. Hamm-BrücherEingeräumt wurde von ihm, daß das geltende Kriegsrecht einen gewissen Einfluß auf das Verfahren gehabt habe und wohl auch noch einige Zeit haben werde, zumal Regierung und Administration eine Fülle anderer Probleme zu lösen hätten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hupka.
Frau Staatsminister, habe ich es richtig verstanden, daß also im Augenblick polnischerseits gar kein Termin genannt wird, wann wieder Ausreiseanträge angenommen und bearbeitet werden?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ein Termin wurde bei dieser Demarche nicht genannt. Aber wir haben erste Hinweise, daß offenbar an der einen oder anderen Stelle bereits wieder Anträge angenommen worden sind.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, hat bei dieser Unterredung der Botschafter auch darauf hingewiesen, daß hier die polnische Regierung mehrmals im Wort ist, und zwar sowohl auf Grund der „Information" als Geschäftsgrundlage zum Warschauer Vertrag als auch auf Grund des Ausreiseprotokolls und auf Grund der UN-Menschenrechts-pakte?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, das ist selbstverständlich. Der polnische Außenminister hat j a auch bestätigt, daß an dieser Praxis im Prinzip nichts geändert werden soll.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 72 des Abgeordneten Dr. Hupka auf.
Sind die seit dem 13. Dezember 1981 von der Militärregierung in der Volksrepublik Polen verordneten Beschränkungen der Handlungsfähigkeit der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland inzwischen aufgehoben, oder gibt es immer noch Behinderungen und worin bestehen diese?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die allgemeine nächtliche Ausgangssperre besteht weiter fort. Von dieser Ausgangssperre sind der Botschafter und der Gesandte ausgenommen. Die Telexleitungen sowie die Telefonverbindungen der Botschaft mit dem Ausland sind wiederhergestellt. Die zur Diplomatenliste angemeldeten Botschaftsangehörigen können von ihren Privatanschlüssen aus wieder Auslandsgepräche führen.
Mit der einen zuvor genannten Einschränkung ist damit der vor dem 13. Dezember 1981 bestehende Zustand für die Botschaft in Warschau und ihre Angehörigen wiederhergestellt.
Zusatzfrage, bitte.
Ist eine freie Bewegungsmöglichkeit für die Angehörigen unserer Botschaft in der Volksrepublik Polen gegeben?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann Ihnen nur noch einmal wiederholen: es ist genausoviel Bewegungsfreiheit, wie es vorher gegeben hat. Ob die vollständig und uneingeschränkt war, kann ich Ihnen im Augenblick nicht beantworten. Aber: so wie es vorher war.
Weitere Zusatzfrage.
Ist die Botschaft in der Lage, falls sie von ausländischen Angehörigen der jetzt Inhaftierten darum gebeten wird, auch mit inhaftierten Polen Kontakt aufzunehmen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, das kann ich Ihnen nicht aus dem Handgelenk beantworten. Das muß erst festgestellt werden. Ich werde Ihnen das gern schriftlich beantworten.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Frau Staatsminister, gilt die Einschränkung, von der Sie gesprochen haben, die für die Angehörigen der deutschen Botschaft besteht, auch für die Angehörigen aller anderen ausländischen Botschaften, oder ist dies nur für die deutsche Botschaft beibehalten worden?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Nein, diese eine Einschränkung gilt wohl für alle Botschaften.
Keine weiteren Zusatzfragen.Der Fragesteller der Frage 73, Herr Abgeordneter Rossmanith, hat seine Frage zurückgezogen.Die Frage 74 des Abgeordneten Böhm wird nach den Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Frage 75 des Abgeordneten Dallmeyer wird ebenfalls nach den Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 76 des Abgeordneten Jäger auf:Weshalb hat die Bundesregierung ihre Haltung zu dem mit der Sowjetunion abgeschlossenen Gasröhrengeschäft nicht von Anfang an in einen politischen Zusammenhang mit der Verbesserung der menschenrechtlichen Situation der Deutschen in der Sowjetunion gebracht, um beim Besuch des Generalsekretärs Breschnew in Bonn auch in diesem Bereich zu einer konkreten Vereinbarung zur bilateralen Verwirklichung der KSZE-Schlußakte von Helsinki zu gelangen, und welche Möglichkeiten politischer Einwirkung zur Erreichung dieses Ziels sieht die Bundesregierung jetzt noch, nachdem diese Chance nicht genutzt worden ist?Bitte, Frau Staatsminister.Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Bei dem Erdgas-Röhren-Geschäft mit der Sowjetunion ist auf deutscher Seite nicht die Bundesregierung Vertragspartner, sondern eine Anzahl von Unternehmen der privaten Wirtschaft. Für die befürwortende Haltung der Bundesregierung zu dem Geschäft ist die Tatsache ausschlaggebend, daß es unserer zentralen energiepolitischen Zielsetzung, nämlich der Sicherung der langfristigen Energieversorgung
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5487
Staatsminister Frau Dr. Hamm-Brücherdurch Diversifizierung der Bezugsquellen, entspricht und der Sowjetunion keine einseitigen wirtschaftlichen Vorteile verschafft hat.Hiervon unabhängig hält die Bundesregierung — ebenso wie alle ihre Vorgängerinnen — die Handhabung kommerzieller Auslandsgeschäfte deutscher Unternehmen als Instrument der politischen Einflußnahme gegenüber anderen Staaten, in welchem Teil der Welt auch immer, für ungeeignet.Was die Deutschen in der Sowjetunion betrifft, so hat sich die Bundesregierung auf die vordringliche Frage der Ausreisewünsche konzentriert, da die Ausreisezahlen trotz anhaltenden Ausreisedruckes im Jahr 1981 besorgniserregend auf einen Stand vor 1973, also vor Helsinki, gesunken sind. Die humanitäre Frage der Rückführung und Familienzusammenführung wurde daher im November 1981, wie Sie wissen, im Rahmen der bilateralen Fragen Herrn Generalsekretär Breschnew gegenüber vorrangig angesprochen. Wie Ihnen, Herr Kollege Jäger, mein Kollege Corterier am 4. März gesagt hat, erklärte der sowjetische Staats- und Parteichef, daß die Sowjetunion in der Absicht, humanitäre Fragen in wohlwollendem Geist zu lösen, auch Ausreiseanträge entsprechend behandeln wird. Herr Staatsminister Corterier sagte damals bereits, daß wir die sowjetische Regierung drängen werden, zu einer großzügigeren Ausreisepraxis zurückzukehren. Wir können und werden uns hierbei auf die sowjetische Wohlwollenserklärung berufen und darum bitten, die erklärte Absicht voll zu verwirklichen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.
Frau Staatsminister, da ich wohl davon ausgehen darf, daß die menschenrechtliche Zielsetzung der Bundesregierung mindestens von gleichrangiger Bedeutung wie die energiepolitische langfristige Zielsetzung ist, von der Sie gesprochen haben, würde mich doch interessieren, warum die Bundesregierung der Ansicht ist, daß in einem solch schwerwiegenden Fall von vorenthaltenen Menschenrechten nicht auch die zustimmende oder ablehnende Haltung der Regierung zu einem solchen privaten Geschäft in einen inneren Zusammenhang mit der Gewährung von Menschenrechten gebracht werden konnte?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe das vorhin schon auseinandergehalten — so ist auch bei allen früheren Bundesregierungen verfahren worden —: wirtschaftliche Geschäfte nicht mit politischen Auflagen zu vermengen.
Zu einer letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger.
Frau Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß angesichts der außerordentlich hohen Zahl der noch in der Sowjetunion ansässigen Deutschen, die sich j a wohl auch durch die Ausreiseerlaubnis in den nächsten Jahren nicht nennenswert vermindern dürfte, gerade die Frage der Gewährung von Menschenrechten an den dortigen Personenkreis von so großer Bedeutung ist,
daß diese Aufgabe gleichrangig neben der Aufgabe zu sehen ist, die Bearbeitung der Ausreiseanträge zu beschleunigen und ihre Genehmigungsmöglichkeiten zu verbessern?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich darf noch einmal unterstreichen, was ich zu Beginn meiner ersten Antwort gesagt habe, nämlich, daß die Bundesregierung die sowjetische Regierung drängen und alles in ihren Kräften Stehende tun wird, um zu erreichen, daß die Absichtserklärung, die anläßlich des Breschnew-Besuchs hier abgegeben worden ist, auch voll verwirklicht wird.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Frau Staatsminister, haben Sie bei Ihrer Antwort, daß bei wirtschaftlichen Fragen nur kommerzielle Gesichtspunkte berücksichtigt werden, übersehen, daß das Außenwirtschaftsgesetz der Bundesrepublik Deutschland auch andere Möglichkeiten vorsieht und eröffnet, die beispielsweise im Fall Rhodesien angewandt worden sind?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe meiner vorigen Antwort, wie Sie verstehen werden, nichts hinzuzufügen.
Keine Zusatzfragen mehr. Ich danke Ihnen, Frau Staatsminister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Die Fragen 78 und 79 des Abgeordneten Milz werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 83 des Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung im Rahmen ihres integrierten Entsorgungskonzepts der oberirdischen, längerfristigen Zwischenlagerung von verglastem, hochaktivem Abfall zu, und hat sie sich schon Anfang der 70er Jahre hierfür ausgesprochen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich wäre dankbar, wenn ich Ihre beiden Fragen zusammenfassend beantworten dürfte.
Der Fragesteller ist damit einverstanden. Entsprechend rufe ich auch die Frage 84 des Abgeordneten Dr. Laufs auf:In welchem Umfang wird die Aufnahmekapazität eines Endlagers für hochaktiven Abfall durch eine längerfristige, oberirdische Zwischenlagerung des hochaktiven Abfalls beeinflußt, und welche Folgerungen ergeben sich hieraus für das Endlagerkonzept der Bundesregierung?Bitte.
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5488 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nach dem Entsorgungskonzept der Bundesregierung ist eine oberirdische Lagerung der verglasten hochradioaktiven Abfälle für einen Zeitraum von 10 bis 20 Jahren vorgesehen. Dies bedeutet einerseits ein Abklingen der Aktivität und damit der Wärmeentwicklung der Glasblöcke auf einen Wert, der eine sichere Endlagerung im Salz erlaubt; andererseits werden damit eine möglichst frühzeitige Lagerung der hochradioaktiven Abfälle im unterirdischen Salzstock und damit ein Höchstmaß an Sicherheit sowie ein Ausschluß aus der Biosphäre erreicht.Eine längere oberirdische Lagerung hochradioaktiver Abfälle würde zwar die Aufnahmekapazität des Endlagers erhöhen, gleichzeitig jedoch den Ausschluß dieser Abfälle aus der Biosphäre zeitlich hinauszögern.Die Bundesregierung hält deshalb an ihrem Endlagerungskonzept fest. Diese Grundsätze waren im übrigen von Anfang an Bestandteil der Konzeption der Bundesregierung.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Laufs.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir also darin zu, daß eine längerfristige oberirdische Zwischenlagerung endkonditionierter hochaktiver Abfälle sicherheitstechnisch verantwortbar ist und auch der Sicherheit der Endlagerung dient?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, entscheidend für die Beantwortung Ihrer Frage ist, was Sie unter „längerfristig" verstehen. Der Zeitraum, den ich genannt habe — 10 bis 20 Jahre —, ergibt sich daraus, daß ein sofortiges Absenken der verglasten Abfälle sicherheitstechnisch nicht möglich oder jedenfalls nicht sinnvoll ist, daß auf der anderen Seite ein möglichst frühzeitiger Ausschluß aus der Biosphäre erreicht werden muß und deshalb der technisch frühestmögliche Zeitpunkt dafür gewählt werden sollte.
Ich sage das deshalb etwas kompliziert und vielleicht auch etwas ausführlich, weil unter dem Stichwort „längerfristige oberirdische Lagerung" teilweise Zeiträume verstanden werden, die sehr viel länger sind — auch im Ausland — als die von uns ins Auge gefaßten 10 bis 20 Jahre.
Für die 10 bis 20 Jahre möchte ich Ihrer Auffassung zustimmen, für darüber hinausgehende Zeiträume nicht.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Laufs.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihren Überlegungen entnehmen, daß für den erforderlichen Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Bundesendlagers hiermit ein zeitlicher Puffer von ungefähr 10 Jahren in der Planung besteht?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, das ist aus diesen Zahlen nicht zu entnehmen, weil sich die zeitliche Differenz von 10 bis 20 Jahren aus anderen technischen Gegebenheiten ergibt, nämlich daraus, wie die Abfälle vorkonditioniert worden sind und wie die einzelnen Abläufe in einer Wiederaufarbeitungsanlage gestaltet sind. Das ist der Grund, weshalb ich nicht eine exakte Zahl wie 10 oder 20 genannt, sondern eine Zeitspanne angegeben habe.
Weitere Zusatzfrage. Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, was wird die Bundesregierung tun, um der Öffentlichkeit die Zwischenlagerung bis hin zu 20 Jahren im Rahmen ihrer Entsorgungskonzeption als eine Maßnahme darzustellen, die keine Verlegenheitslösung ist, sondern sich für die Endlagerung sicherheitstechnisch günstig auswirkt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, z. B. solche Fragen, wie Sie sie eben gestellt haben, in dem Sinne zu beantworten, wie ich es eben getan habe. Aber darüber hinausgehend wird im Zusammenhang mit der Wiederaufarbeitung und den Planungen des Endlagerkonzepts die von Ihnen angesprochene Notwendigkeit der Öffentlichkeitsarbeit sicherlich eine Bedeutung haben. Ich begreife das als Anregung, auch noch einmal im Bundesinnenministerium zu untersuchen, ob man hier Zusätzliches machen kann. Ich greife das gerne auf.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Frage 85 des Abgeordneten Catenhusen auf:
Teilt die Bundesregierung die von der Deutschen Gesellschaft für die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen in einer Pressemitteilung am 9. Februar 1982 vertretene Auffassung, daß hochradioaktiver Abfall nach einer Lagerzeit von 50 Jahren als mittelradioaktiver Abfall einzustufen ist und deshalb dann in ein Endlager, das für mittelradioaktive, nicht jedoch für hochradioaktive Abfälle geeignet ist, einzulagern ist?
Bitte, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, die Bundesregierung teilt diese Auffassung der DWK nicht. Sie hält an ihrem bisherigen Konzept fest, wie bereits in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Laufs im einzelnen dargelegt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung neue Erkenntnisse der DWK vor, die die Eignung des Salzstocks Gorleben für hochradioaktive Abfälle in Zweifel ziehen und die damit zu alternativen Überlegungen bei der DWK geführt haben könnten.von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß diese Frage nicht in die Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums fällt, sondern in erster Linie den Forschungsminister betrifft. Ich bin gerne
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5489
Parl. Staatssekretär von Schoelerbereit, die Frage an ihn weiterzugeben und Ihnen eine Antwort zukommen zu lassen.
Noch eine Zusatzfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter.
Sind der Bundesregierung die Grundlagen der Aussagen der DWK bekannt, nach denen bei einer 50jährigen oberirdischen Lagerung eine Endlagerung hochradioaktiver Abfälle nicht mehr notwendig zu sein scheint?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, die Grundlagen für diese Äußerung der DWK sind mir nicht bekannt. Nach den uns vorliegenden Informationen trifft die Aussage der DWK auch eindeutig nicht zu. Ich werde aber die in Ihrer Frage angesprochene Pressemitteilung zum Anlaß nehmen, die DWK zu bitten, uns zu erläutern, wie sie zu diesen Aussagen gekommen ist.
Ich rufe die Frage 86 des Abgeordneten Catenhusen auf:
Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, den Plänen in Großbritannien entsprechend hochradioaktive Abfälle 50 Jahre oberirdisch zu lagern, um sie dann als mittelradioaktiven Abfall in ein Endlager zu verbringen?
Bitte.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Catenhusen, die Antwort lautet eindeutig nein.
Zusatzfrage, bitte.
Ist damit also sichergestellt, daß die Bundesregierung trotz der Pressemitteilung der DWK an ihrem Entsorgungskonzept festhält, das bekanntermaßen davon ausgeht, daß in den 90er Jahren ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zur Verfügung gestellt werden muß?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hält an ihrem bisherigen Konzept fest.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Frage 87 des Abgeordneten Müller auf:
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um dem im Konkurs befindlichen Institut DATUM e. V., dessen maßgebliches Vereinsmitglied der Bund ist, die eingestellten Haushaltsmittel zuzuführen, um damit eine ordnungsgemäße Konkursabwicklung zu ermöglichen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, der gemeinnützige Verein DATUM e. V., Institut für ADV-gestützte Entwicklungsplanung in Bonn, wurde nicht maßgeblich vom Bund, der dem Verein erst später beigetreten ist, getragen. Die Trägerschaft des Vereins wurde vielmehr durch vier Mitgliedergruppen gebildet, nämlich durch den Bund, durch die Gruppe der Länder Bayern, Berlin, Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen, die Gruppe des kommunalen Bereichs mit den Städten Augsburg, Bonn, Bremerhaven, Dortmund, Köln, Mainz, Mannheim, Mülheim/Ruhr, Ratingen und
Stuttgart sowie durch eine Gruppe von persönlichen Mitgliedern und sonstigen Organisationen.
Nachdem sich insbesondere durch haushaltsbedingte Kürzungen der öffentlichen Forschungsförderungsmittel das Auftragsvolumen des Vereins verringert und sich die wirtschaftliche Lage des Vereins wegen fehlender Kapitalausstattung verschlechtert hatte, erhöhte der Bund seinen Mitgliedsbeitrag ab 1981 von jährlich 500 000 DM auf 750 000 DM. Darüber hinaus wurde im Bundeshaushalt für 1982 ein einmaliger Sanierungsbeitrag in Höhe von 1,55 Millionen DM veranschlagt, und zwar in der Erwartung, daß sich auch die übrigen Mitglieder angemessen an einer dauerhaften Sanierung des Vereins beteiligen würden.
Von den im Bundeshaushalt eingestellten Haushaltsmitteln hat der Bund die gemäß § 2 Abs. 6 der Finanzierungsordnung des Vereins fällige Beitragsrate für das erste Quartal 1982 in Höhe von 25 % von 750 000 DM — das sind 187 500 DM — im Rahmen der Vorläufigen Haushaltsführung des Bundes bereits im Januar dieses Jahres angewiesen.
Der Konkursverwalter hat inzwischen die von einigen Mitgliedern überhaupt noch nicht gezahlten fälligen und auch die noch nicht fälligen Beitragsraten aller Mitglieder für 1982 angefordert.
Ob die Restbeiträge überhaupt und vor Fälligkeit nach den Vorschriften des Vereins-, Konkurs- und Haushaltsrechts zu zahlen sind, wird gegenwärtig von den Mitgliedern geprüft. Die Rechtsauffassungen hierzu sind nicht einheitlich. Die Bundesregierung ist um eine schnelle Klärung der offenen Fragen bemüht. Soweit eine Verpflichtung des Bundes zur Zahlung zu bejahen ist, wird er seinen Restbeitrag dem Konkursverwalter zur Abwicklung des Konkurses umgehend überweisen.
Der im Bundeshaushalt eingestellte Betrag von 1,55 Millionen DM ist für eine dauerhafte Sanierung des Vereins und nicht für eine Konkursabwicklung bestimmt. Dieser Betrag konnte deshalb nicht freigegeben werden, weil die vom Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages an die Freigabe geknüpfte Voraussetzung, nämlich eine angemessene Beteiligung aller wesentlichen Träger des Vereins an einer Sanierung auf Dauer, nicht erreicht werden konnte. Im übrigen haben alle öffentlich-rechtlichen Mitglieder bis auf den Bund und die Städte Bonn, Mainz und Stuttgart ihre Mitgliedschaften zum 31. Dezember 1982 gekündigt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Müller .
Darf ich fragen: Wie verständigt sich die Bundesregierung denn jetzt mit den andern Vereinsmitgliedern, besonders den beteiligten Bundesländern, damit alle Vereinsmitglieder nun ihren satzungsgemäßen Zahlungsverpflichtungen nachkommen werden?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, indem wir mit den anderen Mitgliedern zusammen die für die Auszahlung des Restbetrags der für 1982 vorgesehenen Mitgliedsbeiträge zu klä-
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5490 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Parl. Staatssekretär von Schoelerrende Rechtsfrage klären. Denn davon ist es abhängig, ob wir überhaupt zahlen können. Ich betone noch einmal, daß die Bundesregierung großes Interesse daran hat, daß es zu einer möglichst schnellen Klärung dieser Rechtsfrage kommt.
Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Frage 88 des Abgeordneten Müller auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung, die ihr nach der Satzung des Vereins zukommende Verantwortung gegenüber den Hauptgeschädigten des Konkurses, den 42 arbeitslos gewordenen Angestellten des Vereins, hinsichtlich der ausstehenden Gehalts- und Sozialplanansprüche gerecht zu werden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Das Institut DATUM war als eingetragener Verein mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit nach Zivilrecht ausgestattet. Damit bestanden und bestehen zwischen den Angestellten des Vereins und den einzelnen Vereinsmitgliedern keine Rechtsbeziehungen, insbesondere nicht hinsichtlich der noch ausstehenden Gehalts- und Sozialplanansprüche. Hieran hat sich auch nichts durch die Konkurseröffnung geändert. Im übrigen ist bereits bei der Beantwortung der vorhergehenden Frage dargelegt worden, daß der Bund nur eines von mehreren öffentlich-rechtlichen und persönlichen Mitgliedern ist.
Unabhängig davon wird der Bund bei den nach der Satzung vorgesehenen Organen darauf hinzuwirken suchen, daß vereinsrechtlich und satzungsmäßig mögliche Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Konkurses und zur Liquidation des Vereins, soweit das innerhalb und neben dem Konkurs zulässig ist, initiiert und durchgeführt werden.
Zusatzfrage. Bitte, Herr Abgeordneter.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Betriebsrats, daß der Konkurs einschließlich Sozialplan, falls ein solcher durchgeführt werden könnte, genauso teuer ist wie die Entschuldung des Vereins?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, das ist eine Frage, die ich Ihnen nicht jetzt aus dem Stegreif beantworten möchte. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mit der schriftlichen Beantwortung einverstanden wären.
Eine weitere Zusatzfrage.
In welcher Weise versucht denn die Bundesregierung jetzt, das Fachwissen des Instituts zu sichern? Da sind j a erhebliche Wertbestände. Bleiben die jetzt ungenutzt liegen? Oder wird damit weiter gearbeitet?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, dazu muß ich allerdings auf das hinweisen, was ich am Anfang der Antwort auf Ihre erste Frage
sagte: nämlich daß der Bund nur einer von vielen Trägern dieses Vereins war, daß er sich gerade in der letzten Zeit sehr bemüht hat, alle Aktivitäten zu unternehmen, um diesen Verein am Leben zu erhalten, und daß darüber hinausgehende Aktivitäten, die mit finanziellen Lasten verbunden sind, gegenwärtig nicht möglich erscheinen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Der Fragesteller der Fragen 89 und 90, der Abgeordnete Dr. Bugl, hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 91 des Abgeordneten Werner auf.
Kann die Bundesregierung Erkenntnisse bestätigen, daß die DKP monatlich ca. 5 Millionen DM aus der DDR erhält?
Bitte, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Werner, die Bundesregierung hat im Verfassungsschutzbericht 1980 zu dem in Ihrer Frage angesprochenen Sachverhalt ausgeführt — ich zitiere —:
Es liegen Anhaltspunkte vor, daß der DKP 1980 für ihre Parteiarbeit, für ihre Nebenorganisationen sowie für die von ihr geförderten Verlage, Publikationen etc. wiederum Zuschüsse von weit mehr als 50 Millionen DM aus der DDR zugeflossen sind.
Diese Angaben gelten im wesentlichen unverändert auch für das Jahr 1981.
Zusatzfrage des Abgeordneten Werner, bitte.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung diese ständige finanzielle Unterstützung einer organisierten Gruppe — hier: einer politischen Partei —, deren Ziel die Beeinflussung des Entscheidungsprozesses im Sinne einer fremden Regierung ist, für eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Werner, jedenfalls ist diese Entwicklung sicherlich nur auf Grund der besonderen Lage der beiden Staaten in Deutschland verständlich. Auf der anderen Seite ist es ja auch so, daß die Abhängigkeit, die ideologische Abhängigkeit der DKP von dem Regime der SED dadurch deutlich zutage tritt, für jeden erkennbar wird. Ich würde bei der Bewertung dieses Vorgangs politisch darauf abstellen, daß selbst eine so starke finanzielle Spritze es nicht vermag, dieser Gruppierung und ihren ideologischen Vorstellungen einen irgendwie gearteten Wahlerfolg zu bescheren. Das sollte uns als Demokraten freuen.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Werner.
Da Sie nunmehr eine politische, aber keine juristische Wertung vorgenommen haben, darf ich Sie nochmals fragen, ob dieser Vor-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5491
Wernergang der Fremdfinanzierung im Interesse einer Politik, d. h. der Zielsetzung einer fremden Regierung unter den Komplex Einmischung fällt oder nicht.von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Werner, ich glaube, wir haben in leidvoller Erfahrung in der Deutschlandpolitik lernen müssen, daß viele Fragen nur politisch und nicht juristisch bewertet werden können.
Zusatzfrage des Abgeordneten Weiskirch.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit Firmen und Handelsorganisationen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland betätigen, in solche Finanzmanipulationen einbezogen sind?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Weiskirch, der Bundesregierung sind Angaben dazu bekannt; wir veröffentlichen sie auch in den jährlichen Verfassungsschutzberichten. Im übrigen werden wir diese Verflechtungen, die Einzelheiten dieser Vorgänge im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage Ihrer Fraktion darstellen, soweit Sicherheitsgesichtspunkte das erlauben. Ich bitte um Verständnis, wenn ich jetzt auf diese Antwort hinweise und die Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht im Rahmen der Fragestunde vorziehen möchte.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger .
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, ob Firmen, die mit den von Ihnen soeben angedeuteten Transmissionen von drüben nach hier solche Gelder auf die DKP transferieren, im Zuge solcher Finanzmanipulationen auch noch gültige und steuerlich verwertbare Spendenbescheinigungen erteilt werden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das entzieht sich meiner Kenntnis.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr? — Danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Clemens auf:
Welche Vorarbeiten hat die Bundesregierung bisher zur Vereinheitlichung und zur Bereinigung des in unzählige Vorschriften zersplitterten Mietrechts entsprechend dem einstimmigen Beschluß des Bundestages vom 17. Oktober 1974 durchgeführt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Die Bundesregierung hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß sie einen Zusammenhang zwischen dem von Ihnen genannten Ersuchen und den sonstigen in der Entschließung enthaltenen Punkten sieht. Das galt insbesondere für die Aufforderung, über die Erfahrungen mit dem 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz zu berichten.
Alsbald nach Vorlage des Berichts im Jahre 1979 und unter Berücksichtigung des dabei gesammelten Materials sind erste Grundlagen für die Neugliederung des Mietrechts erarbeitet worden. Sie betreffen im wesentlichen die Abgrenzung des Bereichs der Bereinigung, die Anordnung des Stoffes innerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches, die inhaltliche Überprüfung der bisherigen gesetzlichen Regelungen und die Einarbeitung sondergesetzlicher Vorschriften.
Mit der Vorbereitung des Entwurfs zum Mietrechtsänderungsgesetz im Herbst 1980 mußten die Arbeiten an der Bereinigung des Mietrechts einstweilen unterbrochen werden, weil es sinnvoll erschien, die noch zu beschließenden materiellen Änderungen zum Mietrecht abzuwarten. Der Entwurf dieses Gesetzes zielt, wie in der Begründung ausgeführt ist, in verschiedenen Bereichen — insbesondere in den Regelungen über die Modernisierung, das Vorkaufsrecht des Mieters in Umwandlungsfällen und bei der Kaution — auf eine Harmonisierung bestehender Vorschriften ab und leistet auch damit einen Beitrag zur Bereinigung.
Zusatzfrage des Abgeordneten Clemens.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sehen Sie eigentlich in der zögerlichen Erledigung eines einstimmigen Beschlusses des Deutschen Bundestages — es sind inzwischen immerhin über sieben Jahre vergangen — keine Mißachtung des deutschen Parlaments?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich kann der in Ihrer Frage enthaltenen Behauptung, es handle sich hier um eine zögerliche Bearbeitung, nicht zustimmen. Es ist erst der Bericht abgewartet worden. Es ist selbstverständlich, daß wir dann die weiteren Novellierungen abzuwarten haben, ehe wir ein solches umfängliches Gesetzesvorhaben angehen. Vorher zu einer Vereinheitlichung zu kommen, um dies später durch Novellierungen aufzustocken, wäre, glaube ich, unsinnig und würde auch von der Öffentlichkeit nicht verstanden werden — auch unter dem Begriff der Normenflut.
Zusatzfrage des Abgeordneten Clemens.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gibt es denn überhaupt schon eine Konzeption zur Vereinfachung, zur Bereinigung des Mietrechts in Ihrem Hause, oder sind Stimmen aus Ihrem Hause richtig, die sagen, man habe in der Sache überhaupt noch nicht angefangen?
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5492 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Dr. de. With, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, woher die Stimmen kommen. Wenn Sie sie vernommen haben, treffen sie jedenfalls nicht zu.Ich habe in meiner Antwort dargelegt, welche Vorarbeiten bereits getroffen wurden.
Keine Zusatzfrage mehr zu dieser Frage. Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Clemens auf:
Ist es richtig, daß die Arbeiten der Bundesregierung an einem Vorentwurf zur Ausdehnung der Gefährdungshaftung nicht mit Nachdruck betrieben werden und dadurch der für Mitte dieses Jahrs angekündigte Referentenentwurf noch nicht vorgelegt werden kann?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ob und inwieweit dem Gesetzgeber eine Ausdehnung der Gefährdungshaftung vorgeschlagen werden soll, ist eine Frage, die im Lichte der wirtschaftlichen Verhältnisse besonders gründlicher Prüfung bedarf. Sie betrifft Grundsatzfragen unseres Zivilrechts und muß deshalb auch im Zusammenhang der im Bundesministerium der Justiz in Angriff genommenen Überarbeitung des Schuldrechts erwogen werden. Gegenwärtig wird im Hinblick darauf nicht mehr beabsichtigt, im Laufe dieser Legislaturperiode einen besonderen Entwurf schadenersatzrechtlicher Vorschriften bis zur Gesetzgebungsreife zu bringen. Das schließt nicht aus, daß Teilbereiche des Schadenersatzrechts, deren Regelung dringlich erscheint, Gegenstand von Gesetzgebungsvorschlägen der Bundesregierung sein werden. In diesem Zusammenhang nenne ich die Haftung bei der Beförderung gefährlicher Güter.
Zusatzfrage des Abgeordneten Clemens.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in Anbetracht der Verzögerungen — es sind ursprünglich Zusagen sogar für dieses Jahr gemacht worden — eine Vorlage bezüglich des Schuldrechts noch in dieser Legislaturperiode vorzulegen? Ist die Bundesregierung ferner bereit, den Gesetzentwurf des Bundesrates betreffend die Verbesserung der Haftung bei Schleppliften nunmehr unverzüglich zu unterstützen?
Dr. de With, Parl.. Staatssekretär: Zum ersten: Es gibt hier keine festen Zusagen, die wir nicht eingehalten haben würden. Wir haben gemeint, wir könnten in dieser Legislaturperiode noch etwas tun. Gleichwohl ist offengelassen worden, ob das nun unabdingbar sei.
Im übrigen darf ich zu Ihrer zweiten Frage, wie es mit den Schleppliften sei, darauf hinweisen, daß wir dies nicht für besonders vordringlich oder regelungsbedürftig halten. Dies ist im Durchgang im Bundesrat klar zum Ausdruck gebracht worden, so daß ich meine, daß dem nichts hinzuzufügen ist.
Weitere Zusatzfrage.
Zunächst einmal muß ich feststellen, daß ich das Rechtsausschußprotokoll
ganz bestimmt richtig gelesen habe. Das enthält eine Zusage.
Nun zu meiner zweiten Frage: Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß die Verbesserung der Haftung an Schleppliften für die Sicherheit des Skisports, heute ein Massensport, dringend erforderlich ist?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich habe dies soeben beantwortet.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger .
Herr Staatssekretär, wäre es nicht empfehlenswert, daß die mit diesen Fragen befaßten Mitglieder der Bundesregierung öfters selbst einen Schlepplift benutzten, um sich über die Dringlichkeit der Regelung der Haftungsfrage ein zutreffendes Bild machen zu können?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Was Ihre erste Frage anlangt, so ist derjenige, der vor Ihnen steht, ein eifriger Benutzer dieser Einrichtungen.
Was den zweiten Punkt anlangt, darf ich nochmals darauf hinweisen, daß wir dies nicht als besonders vordringlich ansehen. Es liegen hier ziemlich klare statistische Erhebungen vor. Auch hier nenne ich ein Wort, das die Runde macht: Normenflut.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 77 des Abgeordneten Tillmann auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung nach einer Informationspflicht des Reiseveranstalters über die Zustände in bestimmten ausländischen Zielgebieten deutscher Touristen im Hinblick auf die Gefahr von Kriminalität und Gewalttätigkeiten, und ist sie gegebenenfalls bereit, Reiseveranstaltern über das Auswärtige Amt die erforderlichen Auskünfte zu geben?Bitte, Herr Staatssekretär.Dr. de With, Parl. Staatssekretär: In Rechtsprechung und Schrifttum ist im Grundsatz unstreitig, daß den Reiseveranstalter eine Pflicht zur rechtzeitigen und vollständigen Information des Reisenden über alle wesentlichen, dem Reisenden erfahrungsgemäß nicht bekannten Umstände am Reiseziel trifft. Dazu können auch aus dem Rahmen fallende akute Risiken des Aufenthaltsorts wie z. B. wiederholt erfolgte Überfälle auf Touristen in Ferienunterkünften gehören. Andererseits ist eine Informationspflicht in bezug auf solche Umstände zu verneinen, die als allgemein bekannt angesehen werden können. Die Abgrenzung der Informationspflicht im Einzelfall ist Sache der Gerichte, deren Entscheidungen die Bundesregierung nicht vorgreifen kann. Nach Auffassung der Bundesregierung sind die vorerwähnten Grundsätze über die Informationspflicht den beiderseitigen Interessen von Reiseveranstaltern und ihren Kunden angemessen. Die dem Auswärtigen Amt bekanntwerdenden konkreten Gefahren für deutsche Touristen im Ausland wer-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5493
Parl. Staatssekretär Dr. de Withden dem zuständigen Bundesminister für Wirtschaft mitgeteilt, der für die Unterrichtung des Deutschen Reisebüroverbandes und anderer zentraler touristischer Institutionen Sorge trägt. Auf Anfrage geben auch die Auslandsvertretungen direkt Auskünfte. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit derartiger Auskünfte kann von den Vertretungen jedoch nicht übernommen werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Tillmann.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort dahin gehend interpretieren, daß die Bundesregierung heute die Meinung nicht mehr teilt, die in einem Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 1. August 1980 zum Ausdruck gebracht wurde, nämlich daß die von Gerichten statuierte Informationspflicht des Reiseveranstalters utopisch anmute und in der Praxis undurchführbar sei und daß auch das Auswärtige Amt nicht bereit sei, erforderliche Auskünfte zu geben?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Meine Auskunft war, wenn ich das richtig sehe, in keiner Weise interpretationsbedürftig. Ich kann zu Ihrer Frage keine konkrete Auskunft geben, weil ich die zitierte Antwort nicht im gesamten Wortlaut kenne und das, was Sie zitiert haben, ersichtlich nur ein Teilzitat ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Tillmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zu diesem von mir erwähnten Schreiben des Auswärtigen Amtes noch einmal eine Stellungnahme zukommen zu lassen, und sieht sich die Bundesregierung nicht gezwungen, die Aussage des Auswärtigen Amtes in dem von mir schon zitierten Schreiben vom 1. August 1980 zu revidieren, daß Anschläge auf deutsche Touristen durch Überfälle oder sonstige Kriminalität heutzutage nur noch in ganz wenigen Ländern auszuschließen seien, wie z. B. Andorra, Grönland, Island ...
Verzeihung, Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, sich auf die Frage zu beschränken.
... und Vatikan, nachdem im letzten Jahr selbst der Heilige Vater Opfer eines Attentats auf dem Petersplatz und damit im Vatikanstaat geworden ist?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Nochmals, Herr Kollege Tillmann: Meine Äußerung ist nicht interpretationsbedürftig. Ich denke, sie war einfach und klar. Zweitens bin ich gern bereit, Ihre Frage zu beantworten. Sie verstehen aber sicher wohl, daß ich mich vorher erst des Schreibens, von dem Sie sprachen, versichern will, da ich annehme, daß auch das zweite Zitat nicht den ganzen Inhalt dieses Schreibens wiedergibt.
Sie haben zwei Fragen gestellt, Herr Abgeordneter. Ich bitte, keinen Dialog zu führen. — Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Haehser zur Verfügung.
Die Frage 92 des Herrn Abgeordneten Vogt , die Fragen 93 und 94 des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele, die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Dr. von Wartenberg, die Fragen 96 und 97 des Herrn Abgeordneten Dr. George und die Fragen 98 und 99 des Herrn Abgeordneten Schmidt (München) werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe nunmehr die Frage 100 des Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf:
Ist es richtig, daß die Bundesregierung an ihrer ursprünglichen Absicht festhalten will, im Jahr 1983 eine Karl-MarxMünze herauszubringen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Lieber Herr Kollege, es ist richtig, daß die Bundesregierung an ihrer ursprünglichen Absicht festhalten will, im Jahr 1983 eine KarlMarx-Münze herauszubringen. Der Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft ist vom Bundesminister der Finanzen über dieses Vorhaben unterrichtet worden und hat bereits zustimmend Kenntnis genommen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Stavenhagen.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung keine geschichtliche Persönlichkeit eingefallen, deren geschichtliches Werk weniger kontrovers diskutiert wird?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Es sind der Bundesregierung eine Reihe von Persönlichkeiten eingefallen, deren geschichtliches Werk bedeutsam ist. Wenn Sie sich diejenigen Persönlichkeiten ansehen, für die es Gedenkmünzen gegeben hat, dann werden Sie mir bestätigen, daß ich damit eine richtige Antwort gegeben habe.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Stavenhagen.
Herr Staatssekretär, planen Sie auch Münzen — ich glaube, es geht um Zahlungsmittel, nicht nur um Gedenkmünzen — etwa für Goethe oder für Luther?Haehser, Parl. Staatssekretär: Was im einzelnen geplant wird, Herr Kollege, ist im Augenblick noch nicht abzusehen. Sie haben nach 1983 gefragt. Da hinein gehört Marx in der Tat. Es ist für einen späteren Zeitpunkt unter Umständen an Herrn Fugger gedacht, dessen Todestag, glaube ich, 925 Jahre zurückliegt. Aber da sind die Entscheidungen noch nicht gefallen. Solche Persönlichkeiten, die die Bedeutung haben, die Marx zweifellos hatte, verdienen
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5494 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Parl. Staatssekretär Haehserjedenfalls, mit Gedenkmünzen geehrt zu werden, und werden mit Gedenkmünzen geehrt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Soell.
Herr Staatssekretär, ist meine Annahme richtig, daß sich die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung, die Münze herauszubringen, ausschließlich von der Überlegung hat leiten lassen, daß es hier um die Würdigung einer nicht nur für die deutsche Nation, sondern auch für Europa geistig bedeutsame Persönlichkeit als Philosoph, als Wissenschaftler, als geistiger Anreger überhaupt geht und daß irgendeine Inanspruchnahme von Marx durch heutige Regime für die Entscheidung der Bundesregierung ohne Bedeutung war?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Professor Soell, diese Frage ist mit Ja zu beantworten. Hätte ich Gelegenheit gehabt, auch die von Herrn Kollegen Jung zur gleichen Materie gestellte Frage zu beantworten — — Herr Jung ist da, sehe ich gerade. Wenn ich seine Frage gleich beantworte, werden Sie verspüren, daß Ihre Frage den Nagel auf den Kopf trifft. Es gilt, die wissenschaftlich bedeutsame Persönlichkeit durch die Herausgabe einer solchen Münze zu respektieren und zu ehren.
Zusatzfrage des Abgeordneten Rose.
Herr Staatssekretär, hat die Herausgabe dieser Gedenkmünze zu Ehren des bekannten Mannes Karl Marx, der sich ja mit Mehrwert beschäftigt hat, etwas mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer zu tun, die für das Jahr 1983 geplant ist?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich finde die Frage recht amüsant, aber, Herr Kollege Rose, Sie wissen genau: Ich würde Ihnen eine falsche Antwort geben, wenn ich jetzt mit Ja antworten würde.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Frage 101 des Abgeordneten Jung auf:
Hält die Bundesregierung dieses Vorhaben für richtig angesichts der Tatsache, daß die Mehrheit unseres Volkes die Lehre von Karl Marx, die Grundlage der heutigen Spaltung der Welt in Ost und West ist, ablehnt?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jung, ich hatte bereits zu der Frage des Kollegen Stavenhagen festgestellt, daß die Bundesregierung an ihrem Plan festhalten will. Sie sprechen nun in Ihrer Frage davon, daß die Lehre von Marx „Grundlage der heutigen Spaltung der Welt in Ost und West ist". Dieser Behauptung widerspreche ich. Die Spaltung der Welt in Ost und West hat viele Ursachen, die mit dem Zweiten Weltkrieg, mit der Hitler-Diktatur und dem Nationalsozialismus zusammenhängen. Wenn überhaupt eine Grundlage für die Spaltung im Be-
reich der Ideologie zu suchen ist, dann sollte sie, was den Ostblock-Kommunismus betrifft, mit den Maximen von Lenin und Stalin usw., nicht aber mit der Lehre von Marx in Verbindung gebracht werden. Die Mehrheit des deutschen Volkes aus allen gesellschaftlichen Schichten und weltanschaulichen Richtungen teilt die weltweit verbreitete Ansicht, daß Marx einer der bedeutendsten Sozialwissenschaftler und Sozialpolitiker des 19. Jahrhunderts war. Das wußte z. B schon die preußische Regierung, die mehrfach, allerdings vergeblich, versuchte, ihn, Marx, für ihre Zwecke zu gewinnen.
Diese Ansicht über Marx hat nicht zur Folge, daß jedes Ergebnis seines Denkens vorbehaltlos anerkannt werden muß. Im Gegenteil, wie bei jedem historischen Wissenschaftler oder Politiker ist das eine aus heutiger Sicht kritisch zu überdenken, das andere argumentativ abzulehnen.
An Marx, den bekanntesten Trierer und Rheinländer, den großen Deutschen und Internationalisten, und damit gleichzeitig an seine Werke, die zu den meistverbreiteten Literaturprodukten der Weltgeschichte gehören, zu erinnern, scheint mir mehr als billig zu sein. Daß das für den 100. Todestag vorgesehen ist, halte ich für angemessen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jung.
Herr Staatssekretär, soll ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie nicht der Auffassung sind, daß der Marxismus-Leninismus heute die geistige Grundlage des Kommunismus in den Ostblockstaaten ist?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie sollen meiner Antwort das entnehmen, was ich zu Ihrer Frage gesagt habe: daß die Lehre von Marx nicht zur Begründung der Spaltung der Welt in Ost und West herangezogen werden kann. Genau das sollen Sie bitte aus meiner Antwort heraushören.
Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, ich darf mir vielleicht eine Bemerkung erlauben: Die letzte Frage hatte nicht unmittelbar etwas mit dem Bereich des Bundesministers der Finanzen zu tun. Darauf wollte ich nur hingewiesen haben.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident, erlauben Sie auch mir eine kleine Bemerkung: Ich habe diese Frage auf Grund der Antwort des Herrn Staatssekretärs gestellt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ist Ihnen bekannt, ob in der Sowjetunion oder in anderen Ostblockländern auch Gedenkmünzen von Persönlichkeiten aus der Politik der westlichen Welt oder aus der westlichen Gedankenwelt hergestellt werden?Haehser, Parl. Staatssekretär: Zunächst, Herr Kollege, gestatten Sie mir eine kleine Vorbemerkung, veranlaßt durch die liebenswürdige Bemerkung des Herrn Präsidenten: Teile meiner Antwort gehören
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5495
Parl. Staatssekretär Haehserin der Tat nicht in den Bereich des Bundesministers der Finanzen, aber Sie haben herausgehört, daß ich von Marx, dem bekanntesten Trierer und Rheinländer, gesprochen habe. Da ich Abgeordneter aus Trier bin und die Ehre hatte, einige Jahre das Geburtshaus von Karl Marx verwalten zu dürfen, fühle ich mich auch in dieser Frage sachkompetent.Nun zu Ihrer Frage, ob mir bekannt ist, daß Länder des Ostblocks auch Persönlichkeiten unserer Welt ehren. Das kann ich nicht mit Ja oder Nein beantworten. Ob die östliche Welt Karl Marx aus Anlaß seines 100. Todestages ehren wird, weiß ich ebenfalls nicht. Das Verhalten des Ostblocks ist aber so oder so kein Hinweis auf das Verhalten der Bundesregierung.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Soell.
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung nicht weitere Beispiele für Ehrungen von Karl Marx in dem von Ihnen beschriebenen Sinne — als geistiger Anreger, als Philosoph, als Wissenschaftler —, Ehrungen etwa durch Benennung von Straßen und Plätzen oder Bibliotheken, bekannt?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich, Herr Kollege Professor Soell, sind mir solche Beispiele in Hülle und Fülle bekannt. Daß das Werk und die Persönlichkeit von Karl Marx von sehr vielen in unserem Lande richtig beurteilt werden, geht auch aus der erwähnenswerten Tatsache hervor, daß das Land Rheinland-Pfalz zu den Bundesländern gehört, die die Einrichtung des Karl-Marx-Hauses immer wieder unterstützen.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Wilms.
Herr Staatssekretär, ist es ein Zufall, daß der Parlamentarische Staatssekretär, der Abgeordnete aus Trier, eine Karl-MarxMünze in diesem Jahr mit initiiert?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, das ist kein Zufall. Natürlich gehöre ich als Mitglied der Leitung des Finanzministeriums zu den Personen, die über die Herausgabe einer Gedenkmünze mit zu befinden haben, wie auch die Herren des Innenministeriums. Da lautete mein Votum natürlich zugunsten von Marx. Aber ich bin nur ein Mitglied der Leitung des Finanzministeriums.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 102 des Abgeordneten Niegel auf. — Der Abgeordnete Niegel ist nicht im Saal.
Ich rufe die Frage 103 des Abgeordneten Dr. Hackel auf:
Gegen wie viele Angehörige der Bundesfinanzverwaltung sind in den letzten zehn Jahren staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit durchgeführt worden, und in wieviel Fällen ist dabei
vom Dienstherrn von einer Suspendierung vom Dienst der bis zur Verurteilung als unschuldig geltenden Bediensteten abgesehen worden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, in insgesamt 80 Fällen wurde gegen Angehörige der Bundesfinanzverwaltung in den vergangenen 10 Jahren, also ab 1. März 1972, staatsanwaltschaftlich wegen des Verdachts der Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit ermittelt, und in 31 Fällen wurde dabei von einer Suspendierung der Beschäftigten abgesehen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hackel.
Herr Staatssekretär, welche Arten von Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit waren in diesem Zeitraum überwiegend zu verzeichnen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich will Ihre Frage damit beantworten — dann werden Sie sich wahrscheinlich selbst die Art überlegen können —, daß die meisten Fälle, um die es geht, im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung vorgekommen sind.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hackel.
Können Sie, Herr Staatssekretär, in etwa feststellen, wie hoch der Prozentsatz der Verfahren gewesen ist, die Sie eingeleitet haben, bei denen die Beschuldigungen gegen die Angehörigen der Bundesfinanzverwaltung von vornherein mindestens zweifelhaft gewesen sind? So etwas gibt es bekannterweise, über Denunziationen oder so etwas.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich will versuchen, das festzustellen, Herr Kollege, aber das macht eine Reihe von Rückfragen bei den nachgeordneten Instanzen erforderlich. Wenn Sie die Freundlichkeit haben, etwas Geduld aufzubringen, will ich Ihnen gern mit einer schriftlichen Auskunft dienen.
Keine weitere Zusatzfrage.Der Fragesteller der Frage 104, der Abgeordnete Dr. Friedmann, hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich bedanke mich sehr, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, Frage 105 des Abgeordneten Dr. Czaja auf:Besteht im Bereich der „kritischen Technologie" im Ost/ West-Handel noch immer der Unterschied zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland darin, daß die Exportverbote der USA sich auf eine Liste sicherheitsempfindlicher Technologien, die deutschen aber auf eine beschränkte Zahl speziell definierter Produkte beziehen, und ist in absehbarer Zeit mit der Veröffentlichung einer neuen Liste „kritischer Technologien" vom Koordinierungsausschuß für Ost/WestHandel zu rechnen?Bitte, Herr Staatssekretär.
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5496 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Herr Kollege Dr. Czaja, die sicherheitspolitischen Exportbeschränkungen der USA beziehen sich auf eine Liste strategisch bedeutsamer Waren, auf den Transfer strategisch kritischer Technologien und auf die Weitergabe nicht allgemein zugänglicher Kenntnisse in bezug auf solche Waren oder Technologien.
Augenblick, Herr Staatssekretär. — Herr Abgeordneter Niegel, ich bitte, keine Gespräche an der Regierungsbank zu führen. Sonst kann der Parlamentarische Staatssekretär nicht antworten.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Auch in der Bundesrepublik Deutschland unterliegt im strategischen Bereich neben dem Warenexport der Technologietransfer und die Weitergabe nicht allgemein zugänglicher Kenntnisse dem Genehmigungsbedürfnis. Das ergibt sich aus § 5 Abs. 1 und aus § 45 Abs. 2 der Außenwirtschaftsverordnung. Ein prinzipieller Unterschied in der Handhabung des Ostembargos besteht also zwischen uns und den USA nicht. Lediglich ein gradueller Unterschied ist festzustellen: Während unsere Liste strategisch bedeutsamer Waren so gut wie identisch ist mit den international im COCOM vereinbarten Embargolisten, geht die der USA über den international vereinbarten Erfassungsbereich verschiedentlich hinaus, z. B. bei Erdölbohrausrüstungen oder Rohrverlegemaschinen.
Der Koordinierungsausschuß für den Ost-West-Handel befaßt sich generell mit Verbesserungen und Erörterungen der Embargolisten. Er arbeitet jedoch an keiner speziellen Liste kritischer Technologien. Bei den Vorschlägen, die dem COCOM vorliegen, handelt es sich um Beschränkungen sowohl des Warenexports wie des damit zusammenhängenden Know-how-Transfers. Dies hält sich im Rahmen des bisherigen warenbezogenen COCOM-Systems.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja, bitte.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß von amerikanischer Seite immer wieder eingewandt wird, daß deutscherseits ganze Fabrikanlagen geliefert werden und im Rahmen solcher Gesamtindustrieanlagen sicherheitsempfindliche Technologien mitgeliefert werden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das bezieht sich auf die hier genannten Aufzählungen in der COCOMListe. Darüber hinausgehend gibt es keine Einschränkung. Selbstverständlich kann im Zusammenhang mit der Lieferung von ganzen Fabrikanlagen die Frage auftauchen, ob Teile einer solchen Lieferung etwa den COCOM-Beschränkungen unterliegen. Daraus kann sich im Einzelfall eine Diskussion ergeben, die im COCOM stattfindet.
Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist inzwischen eine neue Liste der kritischen Technologien vom Koordinierungsausschuß für Ost-West-
Handel — COCOM — veröffentlicht worden oder ist damit in absehbarer Zeit zu rechnen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das COCOM hat die Beratungen mit dem Ziel einer Überprüfung aufgenommen — auch unter Berücksichtigung der möglichen Erweiterung dieser Liste —, ohne daß ein Abschluß in Sicht ist.
Wann, wissen Sie nicht?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, das kann ich nicht sagen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 106 des Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Galt die Einigung zwischen den USA und den verbündeten europäischen Staaten über einen Eventualplan für Restriktionen im Ost-West-Handel bei einer Intervention der Sowjetunion im polnischen Machtbereich nur für den Fall der Gewaltanwendung oder auch für den Fall der Gewaltandrohung?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die von Ihnen angedeuteten Erörterungen unter den westlichen Verbündeten sind sehr vertraulich gehalten worden. Ich bitte Sie um Verständnis, wenn ich deshalb Ihre Frage nicht beantworten kann.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Czaja.
Herr Staatssekretär, ich habe j a nur gefragt, ob dieser inzwischen im „Europa-Archiv" angesprochene Eventualplan — so geheim war er sicher nicht, wenn er im „Europa-Archiv" steht — nur für den Fall der Gewaltanwendung oder auch für den Fall der Gewaltandrohung gilt.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Gerade auf diese Frage will ich aus naheliegenden und verständlichen Gründen nicht eingehen. Ich bitte sehr um Verständnis, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.
Wird man sich angesichts der Länge der polnischen Krisenperiode und der sowjetischen Gewaltandrohung zu gemeinsamen amerikanisch-europäischen Restriktionen im Ost-West-Handel und im COCOM entschließen, oder ist die Zurückhaltung hier politisch bedingt?Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Zurückhaltung ist sicher bei allen Beteiligten politisch bedingt. Die Diskussion, die stattfindet, wird zwischen den Partnerstaaten übereinstimmend unter dem Gesichtspunkt geführt, welche Wirkungen von bestimmten Maßnahmen erwartet werden können und welche nicht. Im Einzelfall mag es dabei Meinungsunterschiede geben.Ich möchte aber betonen, auch diese Gespräche sind von der grundsätzlichen Übereinstimmung gekennzeichnet, daß sich wirtschaftliche Sanktionen nicht als politisches Druckmittel eignen.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5497
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 107 des Abgeordneten Eigen auf. — Herr Abgeordneter Eigen ist nicht im Saal.
Ich rufe die Frage 108 des Abgeordneten Werner auf:
Treffen Meldungen zu, daß im Rahmen der staatlichen Ausfuhrbürgschaften „Ausfallgarantien für den Bau von 40 Luftschutzbunkern durch deutsche Firmen in der irakischen Hauptstadt in Höhe von mehr als einer Milliarde DM übernommen worden" sind ?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Pressemeldungen, daß im Rahmen der staatlichen Ausfuhrbürgschaften „Ausfallgarantien für den Bau von 40 Luftschutzbunkern durch deutsche Firmen in der irakischen Hauptstadt in Höhe von mehr als einer Milliarde DM übernommen worden" sind, sind nicht zutreffend. Eine Entscheidung über die Verbürgung erübrigte sich, da der Auftrag an die ausländische Konkurrenz vergeben worden ist.
Ich rufe die Frage 109 des Abgeordneten Dr. Rose auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob Portugal mit Exportförderungs- oder sonstigen Maßnahmen Ausfuhren der portugiesischen Granitsteinindustrie begünstigt, oder ob die portugiesischen Granitsteinexporteure mit Dumpingpreisen arbeiten mit der Folge eines für die deutsche Granitsteinindustrie ruinösen Preiswettbewerbs, und was hat die Bundesregierung selbst gegenüber der portugiesischen Regierung bzw. bei der EG-Kommission unternommen, gegebenenfalls Verstöße gegen die Vereinbarungen über den Warenverkehr zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Portugal zu unterbinden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß Portugal den Export von Granitsteinen fördert oder begünstigt. Bekannt ist dagegen, daß in der portugiesischen Granitindustrie eine größere Zahl von meist kleinen Unternehmen in hartem Wettbewerb den Preis herunterkonkurriert. Bei dem allgemein niedrigeren Preisniveau ist daher auch Dumping wenig wahrscheinlich.
Die bayerische Granitindustrie ist schon seit längerer Zeit gebeten worden, Beweise für die Behauptung eines Dumping zu erbringen. Das ist bisher nicht geschehen.
Da nach dem bisher bekannten Sachstand kein Hinweis auf einen Verstoß Portugals gegen das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft oder das GATT vorliegt, sieht die Bundesregierung keinen Anlaß, die Europäische Gemeinschaft zu befassen.
Dagegen hat sie aus Anlaß des Portugal-Besuches des Bundeswirtschaftsministers im November 1981 die portugiesische Seite auf die Lage der ostbayerischen Granitindustrie und die portugiesischen Einfuhren von Bord- und Pflastersteinen hingewiesen. Dabei wurden die Portugiesen im Hinblick auf die von der deutschen Industrie beklagten niedrigen Preise für portugiesische Steine gebeten, ihre Exporteure auf die besondere Situation der deutschen Industrie aufmerksam zu machen und darzulegen,
daß die Bundesregierung eine maßvolle Verfolgung der Marktchancen und des Preisvorteils durch die portugiesischen Lieferanten begrüßen würde.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Rose.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung Portugal zwar Hinweise gegeben hat, damit aber nicht besonders weiterkommt: Denkt sie an andere Maßnahmen, um der deutschen Granitsteinindustrie in diesem harten Wettbewerb zu helfen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es gibt keine anderen Maßnahmen, an die wir denken könnten und die mit unseren internationalen und vertraglichen Handelsvereinbarungen in Einklang zu bringen wären, es sei denn, daß etwa durch die Erhärtung eines Dumpingvorwurfs sich solche Möglichkeiten eröffneten. Aber dafür gibt es, wie ich schon ausgeführt habe, keine Hinweise.
Ich betone noch einmal: Das außerordentlich niedrige Lohnniveau in Portugal und die Tatsache, daß dort wie im ostbayerischen Raum sehr viele kleine Firmen in einem harten Konkurrenzkampf stehen, deuten auf einen Wettbewerbsvorteil hin, den wir unterstellen müssen, bis uns etwa andere Nachweise oder wenigstens Hinweise vorgelegt werden können.
Keine weiteren Zusatzfragen. Schönen Dank, Herr Staatssekretär.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.Die Fragen 110 und 111 des Abgeordneten Kroll-Schlüter, die Frage 112 des Abgeordneten Dörflinger sowie die Frage 113 des Abgeordneten Rapp werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich komme zu der Frage 114 des Abgeordneten Eigen. — Der Abgeordnete Eigen ist nicht im Saal.Die Frage 116 des Abgeordneten Stutzer sowie die Fragen 80 und 81 des Abgeordneten Brunner werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Damit sind wir schon am Ende dieses Geschäftsbereichs. Danke, Herr Staatssekretär.Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Kreutzmann zur Verfügung.Ich rufe die Frage 117 des Abgeordneten Dr.Voss auf:In wieviel Fällen hat die „DDR" seit Mitte 1981 bundesdeutschen Stellen, insbesondere der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin, erlaubt, mit in der „DDR" verhafteten Bundesbürgern Gesprächskontakte aufzunehmen, und wie lange dauerte es im Durchschnitt, bis dem Antrag von seiten der „DDR" stattgegeben wurde?Bitte, Herr Staatssekretär.
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5498 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Herr Kollege Dr. Voss, seit Mitte 1981 hat die Ständige Vertretung mit 404 verhafteten Bundesbürgern einschließlich West-Berlinern Gesprächskontakte aufgenommen. Im Durchschnitt dauerte es etwa fünf Wochen, bis einem Antrag auf Besuchserlaubnis durch die zuständigen Stellen der DDR stattgegeben wurde.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Voss, bitte.
Herr Staatssekretär, vermögen Sie mir zu erklären, warum wir, wenn die DDR Wünsche zu Gesprächen mit aus der DDR geflohenen Bürgern hat, so viel schneller reagieren als die DDR? Sie haben j a eben einen Zeitraum von rund vier bis fünf Wochen genannt.
Dr. Kreutzmann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Voss, die Bundesregierung befleißigt sich im internationalen Konsularwesen und auch gegenüber der DDR einer Praxis, die einen schnellen und unverzüglichen Kontakt mit ihren Staatsangehörigen bzw. Angehörigen anderer Staaten ermöglicht. Diese Praxis ist auch Ausfluß allgemeiner rechtsstaatlicher Prinzipien, denen sich die Bundesrepublik als freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat in besonderem Maße verpflichtet fühlt. Es liegt auf der Hand, daß auch wir uns eine kürzere Wartezeit als fünf Wochen wünschen würden.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Voss.
Herr Staatssekretär, sind Sie denn bereit, darauf hinzuwirken, daß die Gegenseitigkeit auch hier etwas gewahrt wird, insbesondere deshalb, weil das schnelle Reagieren auf Wünsche der DDR zu Gesprächen mit aus der DDR geflohenen Bürgern für diese von Nachteil sein kann?
Dr. Keutzmann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Voss, es wird immer unser Bemühen sein, eine Abkürzung dieser Wartezeiten für ein Gespräch zu erreichen. Im Gegenzug müssen wir aber immer daran denken, daß es sich um Menschen unseres Volkes handelt und wir ihnen dieselben Rechtsvorteile zuteil werden lassen, die wir uns drüben für Bundesbürger wünschen würden.
Danke schön.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die restlichen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts über Erfahrungen mit dem Arzneimittelgesetz
— Drucksache 9/1355 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Bundesminister Huber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema „Arzneimittel" hat im letzten Jahrzehnt deutlich an Stellenwert gewonnen, einerseits unter dem Aspekt der Übermedikation — das ist die Frage, ob wir zu oft und zu schnell zum Medikament greifen —, zum anderen aber auch unter dem Aspekt der Arzneimittelsicherheit: das ist die Frage, welche Risiken wir eingehen, wenn wir Arzneimittel nehmen.Das Arzneimittelrecht ist vor fünfeinhalb Jahren nach breiter Diskussion in diesem Hause reformiert worden. Der Bundestag hat damals seine Vorstellungen über die Anwendung und Weiterentwicklung des Arzneimittelrechts niedergelegt und die Bundesregierung aufgefordert, nach Ablauf von vier Jahren über vier von 12 Punkten zu berichten, die dort in dem Bericht aufgelistet worden sind.Die Bundesregierung hat es aber doch für richtig gehalten, über die Erfahrungen insgesamt zu berichten. Einerseits hat sich ergeben, daß manche Punkte im nachhinein doch unproblematisch waren, die wir vorher hier besprochen haben. Sie konnten deswegen mit wenigen Sätzen erschöpfend behandelt werden. Andererseits haben sich in den vier Jahren erneut Probleme offenbart, die bei der Verabschiedung des Gesetzes nicht abzusehen waren. Beispiele geben die Stichworte Arztinformation und Kombinationspräparate. Das sind heute wichtige Punkte, die sicher auch in den Ausschußberatungen eine besondere Rolle spielen werden.Da die Durchführung des Arzneimittelgesetzes nur zum Teil Sache des Bundes ist, war die Bundesregierung bei der Vorbereitung des Berichts auf die Mithilfe der Länder und auch aller Beteiligten in diesem Bereich angewiesen. Ich möchte deswegen allen an dieser Stelle sehr herzlich danken, die am Zustandekommen des Berichts mitgewirkt haben.In der Begründung des Arzneimittelgesetzes sind als wesentliche Ziele der Arzneimittelreform damals genannt worden: die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit, der Anschluß an den internationalen Stand und die Übernahme des EG-Rechts. Diese Ziele sind eng miteinander verbunden und auch heute noch verbindlich. Sie stellen zugleich den Maßstab dar, der bei der Beurteilung des Arzneimittelgesetzes nach den ersten vier Jahren seiner Geltung anzulegen war.Die Bundesregierung kann dabei eine positive Bilanz ziehen. Die pharmazeutischen Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft sind in deutsches Recht übernommen worden. Das Arzneimittelgesetz ist international auf der Höhe der Zeit und in einigen Bereichen sogar wegweisend, wie beispiels-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5499
Bundesminister Frau Huberweise mit den Bestimmungen über die Zulassung von Arzneimitteln und über die Haftung für Arzneimittelschäden sowie die Sicherung von Probanden und Patienten, die an der klinischen Prüfung neuer Arzneimittel teilnehmen. Anlehnungen an Bestimmungen des deutschen Arzneimittelgesetzes in neuen Arzneimittelgesetzgebungen in europäischen und auch überseeischen Ländern sind dafür ein sehr erfreulicher Beleg.Entgegen vielen seinerzeit in diesem Hause geäußerten Befürchtungen haben die zuständigen Behörden, insbesondere das Bundesgesundheitsamt, das Gesetz ohne große Anlaufschwierigkeiten vollziehen können — und das, obwohl mit der Zulassung von Arzneimitteln und der materiellen Bewertung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit Neuland betreten wurde und die anzulegenden Maßstäbe und Kriterien insbesondere für die Wirksamkeit erst durch die Praxis erarbeitet werden mußten.Den Grad der durch eine Rechtsordnung erreichbaren Arzneimittelsicherheit zu bestimmen, ist sicherlich problematisch. Unsere bisherigen Erfahrungen lassen aber die Aussage zu, daß das Arzneimittelgesetz und die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften in ihrer Anwendung durch die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder die Arzneimittelsicherheit in der Bundesrepublik verbessert haben. In allen der Bundesregierung zugegangenen Stellungnahmen wird — trotz mancher kritischer Anmerkung im Detail — diese grundsätzliche Einschätzung bestätigt.Eine ganze Reihe von Einzelkomponenten trägt zu der Gesamtverbesserung bei. Nur zwei der wichtigsten möchte ich hier nennen: das für alle neuen Arzneimittel verbindliche Zulassungsverfahren und die systematische Überwachung aller im Verkehr befindlichen Arzneimittel auf ihre Risiken. Ich möchte vor allem das positive Gesamturteil über das Zulassungsverfahren hervorheben. Gerade mit seiner Einführung in das Arzneimittelrecht wurde Neuland betreten.Die Fassung der einschlägigen Bestimmungen des Gesetzentwurfs war vielfach kritisiert worden, vor allem, soweit als Voraussetzung der Zulassung der Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels gefordert wird. In diesem Zusammenhang war von einer Verwässerung die Rede. Man sprach von „Unwirksamkeit des Wirksamkeitsnachweises" und dergleichen. Bis heute sind diese Vorbehalte auch nicht ganz verschwunden.Mir liegt daran, gerade in diesem Punkt sehr auf den Bericht zu verweisen. Von den zuständigen Bundesoberbehörden wird kein Arzneimittel zugelassen, für das nicht die Hersteller die Wirksamkeit im beanspruchten Therapiebereich nachgewiesen haben. Die im Bericht tabellarisch zusammengestellte Statistik der Zulassungsversagungsgründe belegt diese Aussage.Manche haben nach dem Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes vor vier Jahren weniger Hoffnungen gehabt als Befürchtungen. Die schwerwiegend-sten Befürchtungen gingen dahin, daß die verschärften arzneimittelrechtlichen Bestimmungen einerseits Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen, insbesondere homöopathische Arzneimittel und Phytopharmaka, verdrängen, andererseits die Einführung wertvoller neuer Arzneimittel in die Arzneitherapie erschweren.Zu den positiven Erfahrungen des Berichtszeitraums gehört, daß sich diese Befürchtungen nicht als berechtigt erwiesen haben. Die Arzneimittel der besonderen Heilverfahren, die anthroposophischen, homöopathischen und phytotherapeutischen Arzneimittel, haben sich behauptet. Ich werde auch in Zukunft dafür sorgen, daß der positiven Grundentscheidung für diese Arzneimittelgruppen Rechnung getragen wird.Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers soll das Arzneimittelgesetz den in der Arzneitherapie vorhandenen Wissenschaftspluralismus widerspiegeln. Danach wurden die Zulassungsvoraussetzungen gestaltet. Wir können heute feststellen, daß die Zulassungspraxis des Bundesgesundheitsamts diesem Willen gefolgt ist. Die Sorgen und Befürchtungen der Vertreter der besonderen Heilverfahren, die seinerzeit auch in unserer Diskussion eine große Rolle gespielt haben, wurden durch die Praxis entkräftet. Das soll weiterhin so bleiben.Steigende Zulassungszahlen und der hohe Anteil von Arzneimitteln mit neuen Stoffen unter den in den letzten Jahren zugelassenen Arzneimitteln zeigen, daß die Innovationsbereitschaft der pharmazeutischen Industrie durch den Vollzug des Arzneimittelgesetzes im allgemeinen und das Zulassungsverfahren im besonderen nicht beeinträchtigt worden ist.Der vorgelegte Erfahrungsbericht kommt somit insgesamt zu dem Ergebnis, daß das Arzneimittelgesetz in den ersten vier Jahren seiner Geltung und sein Vollzug in Bund und Ländern die Bewährungsprobe bestanden haben. Das Arzneimittelgesetz ist ein erfolgreiches Reformgesetz der sozialliberalen Koalition. Aber, meine Damen und Herren, natürlich ist nichts so gut, daß es nicht noch verbessert werden könnte. Darum soll die positive Gesamtbilanz die Mängel, die wir bemerkt haben, durchaus nicht verdecken. Der Bericht enthält die kritischen Punkte und versucht, dazu eine Analyse zu geben sowie Wege zur Lösung der Probleme aufzuzeigen.Soweit die Bundesregierung Mängel selber abstellen kann, hat sie es bisher ohne Zögern getan und wird es auch künftig tun. So haben wir beispielsweise die Kommission nach § 25 Abs. 7 des Arzneimittelgesetzes, deren Aufgabe es ist, das wissenschaftliche Erkenntnismaterial über Arzneimittel mit bekannten Stoffen aufzuarbeiten, neu organisiert, nachdem sich die ursprüngliche Form als nicht sehr effektiv erwiesen hatte.Eine Reihe von Punkten läßt es geboten erscheinen, daß der Gesetzgeber tätig wird, z. B. wenn sich Maßnahmen der Exekutive oder auch der am Arzneimittelverkehr beteiligten gesellschaftlichen Gruppen als wirkungslos oder zuwenig wirksam erweisen. Diese Punkte sind im Bericht ausführlich
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5500 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Bundesminister Frau Huberdargestellt und in den Schlußbemerkungen noch einmal zusammengefaßt.Ich möchte hier nur drei — die aus meiner Sicht wichtigsten — Punkte erwähnen, nämlich die Einschränkung der Abgabe von Arzneimittelmustern, die Verbesserung der Grundlagen für die Entscheidungen im Rahmen der Risikoüberwachung und die sachgerechte Erfassung von Arzneimitteln, die sich auf Grund von Übergangsregelungen im Verkehr befinden, ohne nach den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes zugelassen zu sein. Die Bedeutung des zuletzt genannten Punktes liegt darin, daß in der vom Bericht eingeräumten Möglichkeit, die Arzneimittel freiwillig einer Nachzulassung zu unterziehen, eine Chance liegt. Ich hoffe, daß dies auch die pharmazeutische Industrie so sehen wird.Lassen Sie mich zum Schluß noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, dem wir im Bericht und bei unseren Vorstellungen zur Novellierung besonderen Rang geben: die sachgerechte Information über Arzneimittel. Die Güte eines Arzneimittels bemißt sich nicht nur nach seiner pharmazeutischen Qualität, den Wirkstoffen und der galenischen Zubereitung des Produkts, sondern im gleichen Maß nach der Information, die das Arzneimittel begleitet. Ob ein Arzneimittel sicher ist, ist eben nicht nur eine Frage des Produkts, sondern auch des Umgangs mit ihm. Wenn es richtig ist, daß der wichtigste Schritt zu mehr Arzneimittelsicherheit darin besteht, daß insgesamt weniger Arzneimittel verordnet und eingenommen, dafür aber gezielter eingesetzt werden, so wird klar, welche Bedeutung die sachgerechte Information für die Arzneimittelsicherheit hat. Je besser der Patient unterrichtet ist, um so eher wird er sich an die vom Arzt empfohlene Behandlung halten.An der sachgerechten Information für Fachkreise einerseits, aber auch Patienten andererseits, fehlt es heute noch. Die Packungsbeilage erreicht dem Vertriebsweg entsprechend den Patienten, ist aber nach Sprache und Inhalt keineswegs für alle Patienten geeignet und verständlich. Das müssen wir abstellen. Alle Arzneimittel sollen zwar wie bisher eine Packungsbeilage enthalten; aber sie soll für den Patienten wirklich verständlich sein und Rat bedeuten.Wir wollen aber künftig neben dieser allgemein-verständlichen Unterrichtung des Patienten für verschreibungspflichtige Arzneimittel neu und zusätzlich eine regelmäßig fortgeschriebene Information für die Fachkreise einführen, die dann in der Fachsprache von Ärzten und Apothekern abgefaßt sein kann. Sie wird Ärzten ihre Entscheidung und Apothekern ihre Beratung erleichtern. Dann können auch Ärzte sich leichter als bisher mit dem jeweiligen Stand der Nutzen-Risiko-Abschätzung eines Arzneimittels vertraut machen, die ja ständig neu bewertet und fortgeschrieben werden muß. Noch vor vier Jahren hat die Industrie gegen eine solche Regelung Bedenken erhoben. Aber alle Beteiligten haben in der Zwischenzeit Erfahrungen gemacht, und ich glaube, daß unsere Vorstellungen heute mit breitem Konsens rechnen können.Ich erwarte zu diesem und den anderen im Bericht angesprochenen Punkten eine fruchtbare Diskussion in den anstehenden Ausschußberatungen, aber auch weitere Hinweise für Novellierungen.Ich bin sicher, daß sich der Bundestag mit der gleichen Intensität den neuen Fragestellungen widmen wird, die seinerzeit die Beratungen zur Arzneimittelreform ausgezeichnet hat.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Neumeister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Frau Minister Huber sehr dankbar, daß sie in ihren Worten schon darauf hingewiesen hat, daß das Arzneimittelgesetz in den Jahren 1974 bis 1976 sehr breit und ausführlich behandelt worden ist. Ich möchte zu dieser Aussage noch einige Zahlen anführen, die die Abgeordneten, welche sich heute mit diesem Gesetz näher zu befassen haben, vielleicht interessieren werden. Der Deutsche Bundestag hat im Jahre 1976 nach 24 zumeist ganztätigen Sitzungen des speziell dafür eingerichteten Unterausschusses, nach neun Sitzungen des federführenden Ausschusses, sieben Anhörungen mit insgesamt 115 Sachverständigen und nach Informationsgesprächen in mindestens fünf Ländern das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechtes verabschiedet. Damit hat er die Sorgfalt bewiesen, die die Bevölkerung bei allen Gesetzen, insbesondere aber bei den Gesetzen, die zum Schutze ihrer Gesundheit und ihres Lebens erlassen werden, erwartet und auch erwarten kann.Diese Sorgfalt, aber auch das Wissen, daß in einzelnen Bereichen noch Unklarheiten bestehen, und die Erkenntnis, daß biologische Systeme — damit haben wir es bei der Anwendung von Arzneimitteln am Menschen zu tun — sich durch Gesetze nicht mit dem Ergebnis absoluter Kalkulierbarkeit und Sicherheit ohne jedwedes Risiko regulieren lassen, veranlaßten das Parlament, die Bundesregierung in einem zwölf Punkte umfassenden Entschließungsantrag um einen detaillierten Bericht nach vierjährigen Erfahrungen mit dem Arzneimittelgesetz zu bitten. Dieser Bericht, dessen sorgfältige Ausarbeitung sich erfreulich von der heute üblichen Oberflächlichkeit, Hektik und dadurch Schlampigkeit ministerieller Vorlagen abhebt, enthält eine positive Bilanz und bestätigt noch nachträglich die Notwendigkeit und den Erfolg des langen Ringens um eine konsensfähige Lösung der Probleme im Arzneimittelrecht.Es ist mir aber auch ein Bedürfnis, den zuständigen Referenten des Ministeriums für die sachliche Art der Berichterstattung zu danken.
In einigen Bereichen als notwendig erachtete Verbesserungsvorschläge können eventuell ohne tiefgreifende Gesetzesänderungen verwirklicht werden, z. B. die auch von der EG geforderte Information für Fachkreise, die als Ergänzung der für den Patienten bestimmten laienverständlichen Packungsbeilage einen zweiten Informationsweg vor allem für die Ärzte und auch die Apotheker darstellt. Der Arzt
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982 5501
Frau Dr. Neumeisterkann das große Angebot verschiedenster Arzneimittel im Sinn der Therapiefreiheit nur dann ganz nutzen, wenn er den Markt kennt und in der Lage ist, für den einzelnen Patienten das jeweils Optimale zu verordnen.Eine gesetzliche Regelung zur Einschränkung der Zahl von Kombinationspräparaten dagegen, die anscheinend vor allem auf Drängen des Arbeitsministeriums im Bericht erwähnt wird, enthält deutlich die Gefahr der Einführung einer Bedürfnisprüfung, gegen die sich die Abgeordneten aller drei Fraktionen mit seltener Einmütigkeit vor wenigen Monaten bei der Beratung der Angleichung der Rechtsvorschriften über Arzneispezialitäten in der EG energisch ausgesprochen haben und die auch nicht durch Anhänger der Greiser-Studie in unser Arzneimittelrecht gemogelt werden darf. Opfer einer solchen Maßnahme würden eindeutig vor allem die Naturheilmittel sein, die naturgemäß aus mehreren Wirkstoffen bestehen. Sie können nach den Maßstäben der wissenschaftlichen Pharmakologie nicht voll bewertet werden und wären auf Grund ihrer ungleich komplizierteren und aufwendigeren Analytik kaum in der Lage, die Hürde eines eventuell geforderten Zulassungsverfahrens zu nehmen.Die gleichen Schwierigkeiten würden sich bei einer gesetzlich vorgezogenen Nachzulassung der Altpräparate ergeben. Die Bundesregierung gibt in ihrem Bericht zu, daß die Erfahrungen mit Arzneimitteln der besonderen Heilverfahren noch nicht ausreichen, zumal da „wegen der knapp bemessenen finanziellen Mittel nicht alle förderungswürdigen Forschungsvorhaben, insbesondere über Methoden und Nachweis der Wirksamkeit von Arzneimitteln besonderer Therapierichtungen, in wünschenswertem Umfang" möglich waren. Das war ein Zitat aus dem Bericht.Die Aussage, die Praxis der Zulassungsbehörde habe gezeigt, daß die Intentionen des Gesetzgebers — nämlich daß jedes Arzneimittel eine seiner Eigenart entsprechende sachgerechte Beurteilung erfährt — beachtet werden, wäre im übrigen glaubwürdiger, wenn man die konkrete Zahl der Anträge, aber auch die Zahl der Zulassungen und Ablehnungen von Arzneimitteln besonderer Therapierichtungen genannt hätte, statt nur von einer „nicht großen" Zahl zu sprechen. Beruhigend war die ausgesprochen positive Einstellung von Frau Minister Huber gerade zu diesem Bereich der Arzneimittel, die sie in ihrer Eingangsrede bekundet hat.Die Möglichkeit einer freiwilligen Nachzulassung scheint sehr praktikabel zu sein, vorausgesetzt, die wissenschaftlichen Kommissionen sind in der Lage, entsprechende Aufbereitungsergebnisse vorzulegen. Wir müssen uns sicher auch mit der Praxis der Änderungsanzeigen befassen, die augenblicklich doch noch ausgesprochen unklar erscheint und sicher noch nicht allgemeine Zustimmung findet.Kritisch auseinandersetzen sollten wir uns bei den Ausschußberatungen mit der Aussage der Bundesregierung, die soeben auch von Frau MinisterHuber wiederholt wurde, der hohe Anteil an Neuentwicklungen unter den zugelassenen Arzneimitteln spreche für eine Privilegierung der Innovationen durch das neue Arzneimittelrecht. Hierzu muß ehrlicherweise gesagt werden, daß die Arbeit an jenen Arzneimitteln, die gegenwärtig oder in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, bereits Ende der 60er Jahre oder Anfang der 70er Jahre begonnen wurde. Die Auswirkungen der erheblich verschärften Auflagen in Toxikologie und klinischer Prüfung sowie der damit verbundenen Kostensteigerungen durch das neue Gesetz werden sich sicher erst später herausstellen. 1979 sagte der damalige Vorsitzende des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie:Wenn die Quelle der Forschung ausgetrocknet ist, merkt man das an der Mündung des Flusses, nämlich dem Markt, erst nach zehn Jahren. Dann aber ist der Schaden nicht mehr reparabel.Schließlich ist die Frage nach der Effizienz der Arzneimittelforschung auch eine Frage nach der Kosten-Nutzen-Relation. Die aber hat sich in den letzten Jahren eindeutig verschlechtert. Der innovative, auf das Auffinden neuer Arzneimittel ausgerichtete Anteil der Forschung — und die brauchen wir trotz der großen Zahl von Arzneimitteln wegen der großen Zahl noch nicht oder wenig beeinflußbarer Krankheiten auf der Welt noch sehr dringend — ist relativ klein geworden. Je unsicherer sich die ökonomische Situation entwickelt, je unsicherer die Zukunftsprognose ist, desto geringer wird natürlich die Bereitschaft, das Wagnis hoher Investitionen einzugehen. Ist aber erst einmal eine Forschungseinheit abgebaut, wird es schwer sein, den kontinuierlichen Prozeß, den die Arzneimittelforschung erfordert, wieder in Gang zu setzen. Staatliche Forschung oder Arbeiten wie die Greiser-Liste, die der Bremer Gesundheitssenator Brückner kühn als „Arzneimittelforschung" bezeichnet, könnten diese Lücke ganz sicherlich nicht schließen.
Einstimmig forderte das Parlament nach Beratung und Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes die zuverlässige Überwachung der Arzneimittel nach ihrer Zulassung. Die seit Oktober 1980 praktizierte Verwaltungsvorschrift über den Stufenplan wird zwar von der Regierung im Bericht verteidigt, ist aber auf Grund der oft willkürlich erscheinenden Reihenfolge der Stufen herber Kritik ausgesetzt. Bei allem gemeinsamen Bemühen um mehr Transparenz auf dem Arzneimittelmarkt muß einmal ernsthaft darüber beraten werden, ob öffentliche Anhörungen zum Zeitpunkt der Diskussion über noch unbewiesene Verdachtsmomente tatsächlich zu mehr Arzneimittelsicherheit führen, ob sie nicht vielmehr eine starke Verunsicherung des Verbrauchers bewirken und nicht nur die so oft zitierte „compliance", sondern auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient negativ beeinflussen. Zum Sicherheitskonzept sollte aber auch die Bewahrung des Patienten vor Verunsicherung gehören.
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5502 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
Frau Dr. NeumeisterBeruhigend war in der Antrittsrede des neuen Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes, Herrn Professor Überla, zu hören, daß das Bundesgesundheitsamt „keinem Druck von außen weichen" darf und „sich nach Fakten und nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten" richtet. Das klingt gerade in bezug auf die Bewertung der Arzneimittelrisiken durch das Bundesgesundheitsamt erheblich sachlicher und vertrauenerweckender, meine Damen und Herren, als die als Wortschöpfung faszinierenden Formulierungen seines Vorgängers, des jetzigen Staatssekretärs, Professor Füllgraf, der von der „sozialen Adäquanz", nach der Risiken zu bewerten seien, und dem „normativen Konsens" sprach, der dann nicht auf Grund reproduzierbarer wissenschaftlicher Daten, sondern unter Berücksichtigung dieser sozialen Adäquanz auf Grund durchaus manipulierbarer soziologischer Wertbegriffe zu ändern sei.
Ich halte es für gefährlich, wissenschaftliche Erkenntnisse durch soziologische Bewertungen zu ersetzen. Die Beobachtung unerwünschter Wirkungen von Arzneimitteln in einem Spontanerfassungssystem bedarf eben einer wissenschaftlich abgesicherten Grundlage und nicht der Triebfeder eines Wunschdenkens von einer „Bereinigung des Marktes".Ich komme jetzt zum Schluß, Herr Präsident: bei der Beratung des Berichtes und der daraus zu ziehenden Konsequenzen sollten wir uns Worte von Herrn Professor Schnieders vom Bundesgesundheitsamt einprägen und beherzigen, Worte, die ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zum Abschluß wörtlich zitieren möchte:Entscheidend für die Erreichung der Zweckbestimmung des Arzneimittelgesetzes, die Gewährleistung größtmöglicher Arzneimittelsicherheit, ist nicht ausschließlich der Wortlaut gesetzlicher Bestimmungen — diese haben sich von wenigen Ausnahmen abgesehen als praktikabel und ausreichend erwiesen —, sondern ist wesentlich das Verhalten der beteiligten Kreise bei der Ausfüllung dieser Vorschriften und ihrer Intentionen. Hier sind Verbesserungen durchaus wünschenswert und erforderlich, es sei denn, gesetzliche Regelungen sollten sicherheitsgerechtes und eigenverantwortliches Handeln ersetzen.Das aber, meine Damen und Herren, wird doch niemand von uns ernsthaft wollen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rayer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Bundesregierung im Namen der SPD-Fraktion für diesen Bericht ausdrücklich danken. Er ist nach Art, Umfang und Inhalt eine gute und sachliche Diskussionsgrundlage für die notwendigen Bewertungen und für die notwendigen Konsequenzen aus den Erfahrungen mit dem 76er-Gesetz.Die bisherigen öffentlichen Erklärungen der Parteien und der Verbände lassen erkennen, daß insgesamt ein großes Interesse an einer sachgerechten Diskussion besteht und auch an einem Klima, in dem diese Diskussion geführt werden kann. Um so dankbarer bin ich der Kollegin Frau Dr. Neumeister, daß sie eben diesen Bericht so charakterisiert hat, wie sie es getan hat. Das hebt sich wohltuend ab — und ist augenscheinlich auf einen Lernprozeß in Ihrer Fraktion zurückzuführen — von den Erklärungen, die der Vorsitzende des zuständigen Arbeitskreises, Herr Kroll-Schlüter, am 16. Februar, also am Tag der Vorstellung dieses Berichts, abgegeben hat. Er kennzeichnet ihn mit dem Satz:Wie immer nutzt sie— die Bundesregierung —diese Gelegenheit, sich selbst mit Wohltaten zu schmücken und ihre dürftige Leistungsbilanz im gesundheitspolitischen Bereich aufzuwerten.Das, was Sie gesagt haben, Frau Kollegin, hört sich dankenswerterweise anders an und kommt, glaube ich, auch der Wahrheit ein deutliches Stück näher.Wichtig ist mir, zu Beginn der Diskussion festzuhalten, daß die Gesamtbewertung der Erfahrungen mit dem Gesetz nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch von der interessierten Öffentlichkeit, d. h. Verbänden und Organisationen, positiv ausfällt. Für unsere Beratungen in den Ausschüssen sollten wir dies berücksichtigen, weil es uns ermöglicht, gleich in die konkreten Punkte einzusteigen und nicht Grundsatzdiskussionen von vorne aufrollen zu müssen. Der Bericht — und ich möchte einige Einzelpunkte in der Kürze der Zeit nennen — macht deutlich und differenziert an diesem Punkt sehr sauber, daß es einige Bereiche gibt, in denen nicht abschließend geurteilt werden kann — zu Recht.Ich will das für mich gravierendste Beispiel nehmen, die Frage der Deckungsvorsorge. Ich glaube, daß die gewählte Form nach wie vor als richtig anerkannt werden kann. Aber natürlich kann heute niemand, Gott sei Dank, sagen, ob die Deckungssumme für einen möglichen Fall ausreichend ist, ob die vorgesehenen Modalitäten in einem möglichen Fall wirklich greifen. An diesem Punkt können wir froh sein, daß wir über keine Erfahrungen verfügen. Abschließende Bewertungen sind halt nicht möglich.Eines kann man sicherlich feststellen: Die Widerstände, die es damals gegen diese Regelungen in einigen Bereichen gegeben hat, haben sich auch dadurch relativiert, daß die betroffenen Unternehmen feststellen konnten, daß sich die befürchtete Belastung in Grenzen gehalten hat. Ich erinnere daran, daß die Prämien für diese Deckungsvorsorge gerade in der letzten Zeit gesenkt worden sind und somit die Belastung eindeutig unterhalb der Erwartungsschwelle lag.Es gibt eine andere Diskussion in diesem Zusammenhang, zu der ich ein ganz deutliches Wort sagen möchte. Das ist — in umgekehrter Richtung — die Senkung der Deckungssummen. Ich möchte für die SPD-Fraktion in aller Deutlichkeit erklären: Eine Senkung der Deckungssummen ist für uns kein Dis-
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Rayerkussionsthema. Es gibt Erfahrungen aus der Vergangenheit — ich nenne nur das Wort Contergan —, die uns haben erahnen lassen, was bei Arzneimittelunfällen passieren kann. Insofern ist es, glaube ich, unvertretbar, über die Senkung der Deckungssummen überhaupt nur nachzudenken.Andere Bereiche können heute sicherlich schon mit einer wesentlich größeren Sicherheit und teilweise auch abschließend beurteilt werden. Dies ist für mich in erster Linie der Bereich der Arzneimittelmuster. Frau Ministerin, ich muß bei aller sonstigen Wertschätzung dieses Berichts sagen, daß die Schlußfolgerungen, die Sie da gezogen haben, mir persönlich etwas zu moderat sind. Die Erfahrungsberichte und die Hinweise auf die Zwischenzeit geben, sofern sie nicht von den offiziellen Verbänden der pharmazeutischen Industrie kommen, ein Bild, das für mich nur den Schluß zuläßt: Der Erfolg, den wir in diesem Bereich erzielen wollten, konnte nicht erzielt werden. Ich will das einmal so formulieren: Man hat Schlupflöcher gefunden und Praktiken entwickelt, die dem Buchstaben des Gesetzes zwar noch entsprechen, seinen Sinn aber fast ins Gegenteil verkehren.Ihnen allen sind genau wie mir die Fälle bekannt, wo in Ärztepraxen Unmengen solcher Arzneimittel zutage gefördert worden sind. Es gibt da bestimmte Gewohnheiten, die nach wie vor bestehen. Ich glaube, dies kann man dann nicht mehr mit weiterem Zusehen oder weiterem Abwarten neuer Erfahrungen hinnehmen; denn die Geduld, die bewiesen worden ist, war schon sehr lang. Man hat sich das erste Selbstbeschränkungskartell der Pharmaindustrie angesehen und gefragt: Was kommt dabei heraus? Was dabei herausgekommen ist, wissen wir.Jetzt wird der Vorschlag gemacht, ein zweites Selbstbeschränkungskartell zu machen. Man muß sich einmal ansehen, was da gemacht wird. Da wird nicht das Verfahren geändert, mit dem man die Arzneimittelmusterflut in den Griff bekommen könnte, sondern es wird die Anzahl der möglichen Muster pro Einzelanforderung reduziert. Das Ergebnis ist heute schon voraussagbar. Die Gesamtmenge der Arzneimittelmuster wird sicherlich nicht zurückgehen, nur die Anzahl der Anforderungen wird zunehmen, um wieder auf das gleiche Level zu kommen. Insofern ist auch dieses Angebot der Pharmaindustrie, ein zweites Selbstbeschränkungskartell zu machen, für mich nicht akzeptabel, sondern ich glaube, wir werden im Ausschuß ganz ernsthaft und auch sehr schnell beraten müssen, wie wir unter den Gesichtspunkten der Arzneimittelsicherheit — denn fehlgeleitete Arzneimittel führen zu Unsicherheit — schnell zu einer verschärften Regelung kommen.Es gibt einige weitere Punkte — ich will sie jetzt nur noch relativ kurz ansprechen —, die mir wichtig sind.Einführung einer besonderen Arztinformation — so ist es im Bericht gekennzeichnet —: Sie haben zu Recht schon angedeutet, es muß „Einführung einer Patienteninformation" heißen; denn das, was heute in diesem Sinne getan wird, ist von der Lesbarkeit her eine Arztinformation. Man wird zu einer Teilung der Informationen für den Arzt und den Patientenkommen müssen. Wenn ich diese Beipackzettel lese, habe ich häufig den Eindruck, sie sind in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Haftungsbegrenzung für den Hersteller geschrieben und nicht so sehr unter dem Gesichtspunkt, daß sie für den Patienten, und damit für den Laien, verständlich sind.Nächster Punkt: „Beitrag der Kombinationspartner in den Kombinationspräparaten zur positiven Beurteilung des Arzneimittels". Das ist ein fürchterlich schwieriger Titel. Ich glaube, die in dem Bericht gewiesene Tendenz geht so schon in Ordnung, weil jeder zusätzliche Kombinationspartner nach unserer Auffassung zumindest tendenziell ein höheres Gefährdungspotential einbringt. Ich muß sagen, ich bin kein Fachmann in dieser Frage, aber ich habe das Gefühl, wir werden im Ausschuß gerade über diesen Punkt sehr eingehend diskutieren müssen, weil ich ganz großen Wert darauf lege — Frau Dr. Neumeister, ich glaube, da treffen wir uns —, daß die Arzneimittel der besonderen Therapierichtung auf jeden Fall so gestellt werden müssen, daß wir nicht mit einer wie immer gearteten Lösung in Schwierigkeiten kommen, die wir alle nicht wollen.
Ich glaube, diese Pflanze, die sich in letzter Zeit ja gut entwickelt hat, verdient es, ganz besonders gehegt und gepflegt zu werden.Ein Wort zur klinischen Prüfung. Ich glaube, darüber wird man gar nicht lange und viel diskutieren müssen. Die Regelungen, die dort gefunden worden sind, sind in dem Umfang und auch mit dem Schutz und der Absicherung der an diesen Untersuchungen beteiligten Patienten wirklich führend und sehr weit fortgeschritten. Ich habe mir sagen lassen, daß diese Vorschriften auch weitestgehend beachtet werden. Man wird darüber reden müssen, ob die Fälle, in denen sie nicht beachtet werden, es notwendig machen, eine verschärfte Überwachungsmöglichkeit zu finden. Dies, glaube ich, kann man zur Zeit so ohne weiteres noch nicht beurteilen.Die Zulassung hat sich vom Verfahren her — auch da teile ich die Auffassung der Bundesregierung — so, wie sie konzipiert ist, bewährt. Man kann sich das an den Zahlen deutlich machen, die im Bericht in den Tabellen über die beantragten Zulassungen stehen, und an der Zahl der Präparate, die herausgenommen worden sind entweder auf Grund der Rücknahme des Antrags oder dadurch, daß sie die Auflage nicht erfüllt haben. Beides zusammen macht ca. 15% aus. Das heißt also, wenn man das einmal umgekehrt sagt: Wir sind davor bewahrt worden, daß 15 % an Präparaten auf den Markt gekommen sind, bei denen nicht eindeutig klar gewesen wäre, was sie bewirken.Ich nenne auch eine zweite Zahl, die leider nicht in dem Bericht steht. In den letzten beiden Jahren vor Inkrafttreten dieser Zulassungsregelungen standen nach meiner Information um die 4000 Präparate jährlich zur Zulassung oder zur Aufnahme an. Allein die Tatsache, daß diese Zahl von 4000 zurückgegangen ist auf eine heutige Größenordnung von 1900, zeigt schon die heilsame Wirkung, die dieses Gesetz in seiner gesamten Anlage hat.
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5504 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. März 1982
RayerIch will damit zum Schluß kommen. Es gibt noch andere Punkte, z. B. Verfalldatum oder Verbrauchsangabe, die notwendigerweise zu regeln sind. Ich bitte darum, daß wir im Ausschuß vielleicht insgesamt noch einmal die Frage der Transparenz des Arzneimittelmarktes andiskutieren.Ich möchte für meine Fraktion zusätzlich zu dem Ausgedruckten die Überweisung des Berichts zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Ausschuß für Wirtschaft beantragen.
Als nächste hat Frau Abgeordnete Dr. Adam-Schwaetzer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 1976 wurde von diesem Hause einstimmig ein neues Arzneimittelgesetz verabschiedet. Ich denke, genauso einstimmig wird von den drei Fraktionen dieses Hauses heute die Entwicklung, die mit diesem Arzneimittelgesetz in der Bundesrepublik Deutschland eingetreten ist, beurteilt. Dieses Gesetz hat nämlich einen entscheidenden Fortschritt für die Arzneimittelsicherheit gebracht.Ich darf hier noch einmal ganz kurz die Philosophie, die diesem Gesetz zugrunde liegt, erwähnen. Es wurde erstmals im deutschen Arzneimittelrecht eine Abschätzung zwischen dem Nutzen und dem möglichen Risiko eines Medikamentes eingeführt, die dann als Voraussetzung für die Zulassung des Arzneimittels zum Markt gewertet wird. Zum anderen sollte durch die Anwendung des Gesetzes auf jeden Fall garantiert sein, daß die Naturheilmittel und die Heilmittel alternativer Therapierichtungen erhalten bleiben.Der uns jetzt vorliegende Bericht über die Erfahrungen mit dem Arzneimittelgesetz, das seit 1978 angewendet wird, unterstreicht diese positive Entwicklung der Arzneimittelsicherheit in der Bundesrepublik. Es ist ganz eindeutig festgestellt, daß mit diesem Gesetz der Schutz des Patienten, der Verbraucherschutz, signifikante Fortschritte gemacht hat. Ich darf im Namen der FDP-Fraktion hier noch einmal unterstreichen, daß wir diese positve Entwicklung ausdrücklich begrüßen.Ich kann mich aber auch dem Dank anschließen, den meine beiden Vorredner dem federführenden Ministerium, dem Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, schon gezollt haben. Ich möchte in diesen Dank ausdrücklich die Mitarbeiter dieses Ministeriums einschließen, die an diesem Bericht gearbeitet haben.
Wir begrüßen es, daß eine gründliche Aufarbeitung aller Erfahrungen mit dem Arzneimittelgesetz in diesem Bericht gegeben worden ist, und zwar über das Maß hinaus, das bei der Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes 1976 an sich zunächst gefordert worden war. Ich glaube, diese einhellige positive Bewertung auch des Berichts sollte uns aber nicht dazu verleiten, zu vergessen, welche möglichen Gefahren aus der Anwendung dieses Gesetzes den-noch entstehen können oder von außen herangetragen werden, die aber den Sinn des Gesetzes möglicherweise verfälschen können.Die erste Gefahr sehe ich darin, daß aus der Anwendung des Gesetzes durch das Bundesgesundheitsamt Anforderungen an die Verminderung des Arzneimittelrisikos gestellt werden, die im Endeffekt keinen erkennbaren Vorteil mehr bringen, die aber Arzneimittelforschung unbezahlbar machen könnten.Als zweite Gefahr möcht ich nennen, daß Sicherheitsentscheidungen ebenfalls von Bundesgesundheitsamt getroffen werden können, die nicht nur auf wissenschaftlichen Kriterien basieren. Bisher ist nur ansatzweise anhand von Einzelentscheidungen erkennbar, daß das Bundesgesundheitsamt diesen Gefahren möglicherweise von Zeit zu Zeit erliegt. Ich will hier ausdrücklich die Entscheidung im Fall Metamizol nennen, die schon seit einigen Wochen auch in der Öffentlichkeit stark diskutiert wird. In diesem Fall ist eine Entscheidung des Bundesgesundheitsamts von einem Sachverständigenausschuß nicht nachvollzogen worden. Die vom Bundesgesundheitsamt gewollte Unterstellung des Metamizols unter die Verschreibungspflicht ist von dem zuständigen Sachverständigenausschuß, nämlich der Kommission für die Verschreibungspflicht, nicht nachvollzogen worden. Das ist ein Zeichen dafür, daß das Bundesgesundheitsamt hier seine Hausaufgaben ganz offensichtlich nicht sorgfältig gemacht hat
und diese Hausaufgaben vielleich wiederholen sollte.Einen dritten Gefahrenbereich sehe ich aber aus einer ganz anderen Ecke kommen. Im Vorfeld der Erstellung dieses Berichts gab es in der Öffentlichkeit und auch in der Bundesregierung eine ausgedehnte Diskussion über die Kostendämpfung im Gesundheitswesen, und immer wieder wurden auch Forderungen deutlich, die das Arzneimittelgesetz zu einem Instrument der Kostendämpfung machen wollten. Dies, meine Damen und Herren, geht aber nicht! Das Arzneimittelgesetz ist ein Instrument, das Arzneimittelsicherheit garantieren soll. Maßnahmen, die zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beitragen sollen, müssen auf einer anderen Ebene und in anderen Gesetzen — nicht in einem Gesetz, das nur der Arzneimittelsicherheit dient — getroffen werden.
Der vor uns liegende Arzneimittelbericht ist dieser Gefahr ausgewichen. Nur an einer kleinen Stelle wird ein Schlenker in Richtung Kostendämpfung gemacht, nämlich bei dem Vorschlag, eine Preisauszeichnungspflicht für Medikamente einzuführen. Dies ist aber, verglichen mit dem, was alles im Vorfeld des Arzneimittelberichts an Forderungen laut geworden ist, nur ein kleiner Schlenker.Wir begrüßen ausdrücklich, daß der Arzneimittelbericht keine Änderungen im Zulassungsverfahren
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Frau Dr. Adam-Schwaetzerfür Arzneimittel vorschlägt. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, zusätzliche Versagungsgründe für die Zulassung eines Arzneimittels zum Markt seien nicht notwendig. Das ist auch unsere Auffassung, und wir begrüßen das; denn nur damit sehen wir sichergestellt, daß aus der Anwendung des Arzneimittelgesetzes keine Beeinträchtigung der Therapiefreiheit und keine Beeinträchtigung der Pluralität der Therapierichtungen abgeleitet werden können.
Bedauerlich finde ich es allerdings, daß eine Anregung in den Arzneimittelbericht nicht aufgenommen worden ist, die ausdrücklich von der Zulassungskommission für Arzneispezialitäten, der Kommission A beim Bundesgesundheitsamt, gefordert worden ist, nämlich vor einer Entscheidung des Bundesgesundheitsamtes über die Rücknahme eines Arzneimittels vom Markt auch die Zulassungskommission anzuhören. Daß die Möglichkeit gegeben sein muß, daß bei Auftreten von Arzneimittelrisiken das Bundesgesundheitsamt schnell handelt, ist überhaupt nicht zu bestreiten. Dennoch glauben wir, daß eine Verbesserung des Verfahrens dadurch erreicht werden kann, daß, wie von der zuständigen Kommission gefordert, die Kommission gehört wird.Ein Problem besteht zweifellos darin, daß heute auf dem Arzneimittelmarkt Präparate vorhanden sind, die schon länger angeboten werden und bereits registriert wurden, bevor das neue Gesetz in Kraft getreten ist, und daß daneben Präparate existieren, auf die die strengeren Kriterien des neuen Gesetzes schon angewandt worden sind. Ich stimme der Frau Bundesminister ausdrücklich zu, wenn sie sagt, daß das Verfahren, das bisher angewandt worden ist, um hier eine Angleichung der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel zu erreichen, nicht ausreichend gewirkt hat. Wir begrüßen ausdrücklich, daß Vorschläge gemacht worden sind, um dieses Problem in den nächsten Jahren auf freiwilliger Basis in den Griff zu bekommen. Ich denke, jede freiwillige Regelung können wir begrüßen, denn sie entspricht unserem liberalen Staat.Meine Damen und Herren, das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat in dem Arzneimittelbericht eine ganze Reihe von Vorschlägen zu kleineren Punkten, an denen das Gesetz möglicherweise geändert werden kann, gemacht. Ich stimme damit überein, daß wir darüber diskutieren müssen, welche dieser Punkte man möglicherweise für Gesetzesänderungen aufgreifen kann.Ich begrüße, daß das Ministerium uns keine unannehmbaren Vorgriffe auf Parlamentsentscheidungen präsentiert hat, und ich glaube, wir tun gut daran, jetzt zügig in den Ausschußberatungen zu überlegen, welche von den Punkten, die die Kollegen und die Frau Minister hier angesprochen haben, unter Umständen zu einer Gesetzesänderung führen. Ich betone aber ausdrücklich, daß wir uns sehr sorgfältig auch darüber informieren müssen, welche Vor- und Nachteile eine solche Änderung unter Umständen mit sich bringen kann, und daß es hier auf gar keinen Fall darum gehen kann, unüberlegte, schnelle Entscheidungen zu treffen.Dennoch müssen und sollen wir an die Beratungen herangehen und sie — so hoffe ich zumindest — auch in der gleichen Einstimmigkeit zu Ende führen, wie wir sie heute begonnen haben. — Vielen Dank.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Bericht auf Drucksache 9/1355 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, zur Mitberatung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Zusätzlich beantragt die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei die Überweisung zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und an den Ausschuß für Wirtschaft. Ist das Haus mit diesen Überweisungen einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:a) Beratung der Sammelübersicht 31 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 9/1330 —b) Beratung der Sammelübersicht 32 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 9/1339 — Das Wort dazu wird nicht gewünscht.Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den soeben bezeichneten Drucksachen zustimmen will, die in den Sammelübersichten 31 und 32 enthaltenen Anträge anzunehmen, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke sehr. Stimmt jemand dagegen? — Enthält sich jemand der Stimme? — Es ist entsprechend beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:Beratung der Übersicht 7 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht— Drucksache 9/1413 —Wird das Wort dazu gewünscht? — Ich sehe, das ist nicht der Fall.Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1413, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den in der vorgenannten Drucksache aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Ist das Haus damit einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:Beratung der Beschlußempfehlung und desBerichts des Rechtsausschusses zu dem dem Deutschen Bundestag zu-
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Vizepräsident Dr. h. c. Lebergeleiteten Normenkontrollantrag gegen das Staatshaftungsgesetz— Drucksache 9/1412 —Berichterstatter:Abgeordnete Gnädinger, Dr. Klein
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Ich sehe, das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 9/1412 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke sehr. Stimmt jemand dagegen? — Enthält sich jemand der Stimme? — Es ist entsprechend beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der aufhebbaren Achtundvierzigsten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — Drucksachen 9/1060, 9/1364 —Berichterstatter: Abgeordneter EchternachWird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 9/1364, die Aufhebung der Verordnung nicht zu verlangen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke sehr. Stimmt jemand dagegen? — Enthält sich jemand der Stimme? — Es ist entsprechend der Empfehlung des Ausschusses beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Veräußerung der bundeseigenen Grundstücke im Ortskern von Altenrath an die Stadt Troisdorf— Drucksache 9/1358 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: HaushaltsausschußWird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Antrags an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:Beratung der Beschlußempfehlung und desBerichts des Finanzausschussess zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung über die steuerliche Behandlung der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen und deren Veräußerung— Drucksachen 8/4035, 9/253 Nr. 12, 9/1393 —Berichterstatter: Abgeordneter SchlatterWünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.Der Ausschuß empfiehlt, von der Vorlage auf Drucksache 8/4035 Kenntnis zu nehmen. — Ich stelle fest, es erhebt sich kein Widerspruch. Das Haus hat entsprechend Kenntnis genommen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbebehauptungen in der Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie in der Werbung hierfür— Drucksachen 9/787, 9/1402 —Berichterstatterin:Abgeordnete Frau Dr. Adam-SchwaetzerWünscht die Berichterstatterin das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 9/1402 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich danke Ihnen. Stimmt jemand dagegen? — Es enthält sich auch niemand der Stimme. — Dann ist entsprechend der Beschlußempfehlung des Ausschusses beschlossen.Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß der heutigen Tagesordnung angelangt.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 12. März 1982, 9 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.