Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für heute die Zeitdauer für die Aussprache über die Tagesordnungspunkte wie folgt vorgesehen: Petitionsübersicht — Punkt 6 der Tagesordnung —: 10 Minuten; Entwurf eines Wohnungsmodernisierungsgesetzes — Punkt 7 der Tagesordnung, verbunden mit Punkt 8 der Tagesordnung —: 3 Stunden; Antrag des Ausschusses für Forschung und Technologie zum Bundesbericht Forschung V — Punkt 9 der Tagesordnung, verbunden mit den Punkten 10, 11 und 12 der Tagesordnung —: 2 Stunden. Die übrigen Tagesordnungspunkte werden ohne Aussprache behandelt und sollen, soweit dazu die Berichte des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung vorliegen, ebenfalls noch heute erledigt werden, sofern sie nicht ausdrücklich für Donnerstag und Freitag vorgesehen sind. Meine Damen und Herren, ich frage, ob das Haus mit dieser interfraktionellen Vereinbarung einverstanden ist. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem von den Herren Amendola und Ansart im Namen der Fraktion der Kommunisten und Nahestehenden vorgelegten Entschließungsantrag zu der drohenden Gefahr für das Leben von Corvalan und weiteren chilenischen politischen Gefangenen
zuständig: Auswärtiger AusschußBetr.: Unterrichtung durch die Bundestagsdelegation in der Interparlamentarischen Union über die Frühjahrstagung der IPU in Mexico-City vom 18. bis 25. April 1976
zuständig: Auswärtiger AusschußIch frage, ob sich gegen die vorgeschlagene Überweisung Widerspruch erhebt. — Ich stelle fest, das ist nicht der Fall.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um dieBeratung des Antrags des Bundesministers für Wirtschaft betr. Entlastung des Bundesministers für Wirtschaft wegen der Rechnung für das Wirtschaftsjahr 1975 über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes"— Drucksache 7/5416 —Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuß Ausschuß für WirtschaftDas Haus ist damit einverstanden? — Es ist so beschlossen.Ich schlage vor, daß wir mit der Beratung dieses Zusatzpunktes beginnen. — Das Haus ist damit einverstanden. — Die Bundesregierung wünscht keine Begründung des Antrags vorzunehmen. — Das Wort zur Aussprache wird nicht begehrt.Ich schlage vor, den Antrag an den Haushaltsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft — mitberatend — zu überweisen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Nach einer weiteren interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 19 der Tagesordnung — Entwurf eines Partnerschaftsgesetzes — von der Tagesordnung abgesetzt werden. Das Haus ist damit einverstanden? — Es ist so beschlossen.Schließlich soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung Punkt 13 der Tagesordnung — Entlastung der Bundesregierung für die Haushaltsjahre 1971 und 1972 — erst morgen aufgerufen werden.Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Präsident hat gemäß § 96 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GO den Entwurf eines Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung auch dem Haushaltsausschuß überwiesen.Der Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 18. Juni 1976 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Russe. Dr. Müller-Hermann, Springorum, Schmidhuber, Zeyer, Dr. von Bismarck, Dr. Dollinger, Dr. Luda, Dr. Unland, Engelsberger, Ey, Dr. Narjes, Eigen, Breidbach, Dr. Marx und der Fraktion der CDU/CSU betr. Versorgungsprobleme und Preisentwicklung bei Import-Erdgas sowie Maßnahmen der OPEC auf dem Gebiet des Erdgas-Exports beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/5411 verteilt.Der Bundesminister für Wirtschaft und der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau haben mit Schreiben vom 18. Juni 1976 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Warnke, Dr. Müller-Hermann, Dr. Schneider, Schmidhuber, Dr. Häfele, Lemmrich, Niegel, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Wettbewerbsverhältnisse am Baumarkt beantwortet. Ihr Schreiben wird als Drucksache 7/5417 verteilt.Der stellvertretende Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung hat mit Schreiben vom 22. Juni 1976 die
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17882 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenKleine Anfrage der Abgeordneten Wohlrabe, Dr. Althammer, Hauser , Dr. Riedl (München), Schröder (Lüneburg) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Ausstattung der SPD und/oder FDP mit Werbematerial der Bundesregierung (Drucksache 7/5273) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/5418 verteilt.Meine Damen und Herren, ich rufe dann Punkt 1 der Tagesordnung auf:Fragestunde— Drucksache 7/5404, 7/5419 —Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf, und hier zuerst die Dringliche Frage des Abgeordneten Dr. Häfele für die Fragestunde am Mittwoch, dem 23. Juni 1976:Warum hält die Bundesregierung nicht an Artikel 76 Abs. 3 des Grundgesetzes, indem sie den Gesetzentwurf des Bundesrates über die Gewährung einer Umsatzsteuerkürzung für Presseunternehmen , der am 12. März 1976 im Bundesrat beschlossen worden ist, dem Deutschen Bundestag nicht innerhalb der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Dreimonatsfrist, nämlich bis spätestens zum 14. Juni 1976, mit ihrer Stellungnahme vorgelegt hat, und wird die Bundesregierung durch eine sofortige Vorlage die parlamentarische Behandlung des Gesetzentwurfs ermöglichen?Zur Beantwortung der Frage steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser zur Verfügung.
Herr Kollege Häfele, in dem Fall, den Sie ansprechen, war es aus verfahrensmäßigen Gründen nicht möglich, die Vorlage des Bundesrates mit der Stellungnahme der Bundesregierung dem Bundestag rechtzeitig zuzuleiten. Ich kann Ihnen aber sagen, daß das Zuleitungsschreiben bereits durch den Herrn Bundeskanzler ausgefertigt ist.
Eine Zusatzfrage.
Wer im Schoße der Bundesregierung hat angeordnet und trägt die politische Verantwortung dafür, daß das Grundgesetz hier nicht eingehalten wurde?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Hier gibt es, Herr Kollege Häfele, keine Anordnung, sondern die Vorbereitungen für die Zuleitungen waren noch nicht abgeschlossen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Könnte das verspätete, grundgesetzwidrige Zuleiten dieser Vorlage damit zusammenhängen, daß die Bundesregierung auf diese Weise einen von ihr nicht unterstützten Gesetzentwurf still und leise beerdigen wollte?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege Häfele. Sie wissen, daß ich mit meinen Ausdrücken nicht grob bin, aber das muß ich zurückweisen. Das Grundgesetz besteht nicht nur aus Buchstaben, sondern hat auch einen hohen anderen Inhalt. Dieser andere Inhalt, der die Zuleitungsfrist betrifft, soll sicherstellen, daß das Initiativrecht des Bundesrates
gewahrt bleibt. Sie können davon ausgehen, daß das auch in diesem Falle geschieht.
Keine
weiteren Zusatzfragen? - Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Reddemann wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Die beiden von Herrn Abgeordneten Elchlepp eingereichten Fragen 85 und 86 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Glotz zur Verfügung.
Die Frage 87 ist von dem Abgeordneten Dr. Klein eingebracht. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal, so daß diese und die ebenfalls von ihm eingebrachte Frage 88 schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Baum zur Verfügung. Die Frage 2 ist von Herrn Abgeordneten Dr. Franz eingereicht.
Trifft es zu, daß die Kinder jugoslawischer Arbeitnehmer im freien Teil Deutschlands gezwungen werden, in die jugoslawischen kommunistischen Pionierkampfgruppen einzutreten, und daß sie auf Tito vereidigt werden und daß von den deutschen Arbeitsämtern unterstützte kulturelle Veranstaltungen für jugoslawische Arbeitnehmer zu politischer Agitation mißbraucht werden, und wenn ja, welche Folgerungen wird die Bundesregierung daraus ziehen?
Bitte.
Herr Kollege! Die Pionierkampfgruppen sind Jugendorganisationen der jugoslawischen kommunistischen Staatspartei. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, daß Kinder jugoslawischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland zum Eintritt in diese Gruppen gezwungen und auf den jugoslawischen Staatspräsidenten Tito vereidigt werden.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang generell folgendes sagen: Die Bundesregierung würde es strikt ablehnen, wenn auf Ausländer ein Zwang ausgeübt werden würde, Vereinigungen irgendwelcher Art im Bundesgebiet beizutreten.Zum zweiten Teil Ihrer Frage bemerke ich folgendes: Aus Betreuungsmitteln der Bundesanstalt für Arbeit geförderte kulturelle Veranstaltungen für jugoslawische Arbeitnehmer fanden letztmals Ende
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17883
Parl. Staatssekretär Baum1975 statt. Seitdem stehen für diesen Zweck keine Mittel mehr zur Verfügung. Über einen Mißbrauch der damaligen Veranstaltungen für politische Agitation ist der Bundesregierung nichts bekannt.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Fiebig auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 4 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Becher eingereicht.
Betrachtet die Bundesregierung die aus ihrer Heimat vertriebenen ostdeutschen Stämme als lebendige Teile des deutschen Volks mit allen sich daraus ergebenden Pflichten zur Wahrung ihrer ursprünglichen Rechte und zur Pflege ihrer kulturellen Güter?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist stets davon ausgegangen, daß die vertriebenen ostdeutschen Stämme ein Teil der deutschen Nation sind. Eino andern Auffassung ließe sich mit unserer Verfassung auch gar nicht vereinbaren. Nach Art. 116 Ahs. 1 des Grundgesetzes ist Deutscher im Sinne dieses Gesetzes, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder als Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder als Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat. Infolgedessen stehen den deutschen Vertriebenen die gleichen Rechte wie allen anderen deutschen Staatsangehörigen zu, insbesondere die durch die Verfassung gewährleisteten Grundrechte. Bund und Länder sind nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes gesetzlich verpflichtet, im Rahmen ihrer durch das Grundgesetz gegebenen Zuständigkeit die kulturellen Güter aus aus den Vertreibungsgebieten zu bewahren und im Bewußtsein der Vertriebenen, des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu erhalten. Die Bundesregierung wird sich ihren Verpflichtungen aus diesem gesetzlichen Auftrag ebenso wie in der Vergangenheit auch in Zukunft nicht entziehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung im Zusammenhang mit den von Ihnen geäußerten Feststellungen gewillt, über kultur- und sozialpflegerische Maßnahmen hinaus die durch den Prozeß der Vertreibung verletzten Rechte der Ost- und Sudetendeutschen so offenzuhalten, daß sie die Feststellung Honeckers über die durch die Geschichte gelösten Fragen auch in diesem Zusammenhang zurückweisen kann?
Baum, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist nicht im geringsten gewillt, die Feststellungen Honeckers zum „Offenhalten der deutschen Frage", die er erst kürzlich wieder auf dem SED-Parteitag
geäußert hat, zu übernehmen, zu unterstreichen oder zu akzeptieren.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, billigt die Bundesregierung den ostdeutschen Stämmen und Volksgruppen das gleiche Recht auf Wahrung ihrer kulturellen und politischen Identität und Selbstbestimmung zu, für das sie insbesondere in letzter Zeit im Hinblick auf zahlreiche Stämme, Völker und Volksgruppen anderer Regionen und Erdteile eingetreten ist?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Ihnen klar dargelegt, wie die Position der Bundesregierung ist. Sie ergibt sich aus dem Gesetz, das von diesem Hause beschlossen ist. Ich habe Ihnen zusätzlich erklärt, daß die Bundesregierung nicht nur in der Vergangenheit alles getan hat, sondern auch in der Zukunft alles tun wird, um diesem gesetzlichen Auftrag Rechnung zu tragen.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Spranger auf.Welche Organisationen, Gruppierungen oder Komitees gibt es in der Bundesrepublik Deutschland, die als von der DKP gegründet, unterwandert oder beeinflußt — wie die im Verfassungsschutzbericht 1975 unter Ziffer 1.3.4 beispielhaft genannte DFU — angesehen werden können, und warum wurde im Verfassungsschutzbericht nur die DFU genannt?Bitte, Herr Staatssekretär.Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist nicht richtig, daß der Verfassungsschutzbericht 1975 nur die DFU als Beispiel für Organisationen, Gruppierungen oder Komitees in der Bundesrepublik Deutschland benennt, die als von der DKP gegründet, unterwandert oder beeinflußt angesehen werden müssen. Wie in den Vorjahren ist auch in dem diesjährigen Bericht, und zwar in dem jeweils sachgerechten Zusammenhang, eine Vielzahl weiterer Organisationen dieser Art aufgeführt. Ich verweise nur auf die Seiten 45 und 46, wo neben der DFU eine ganze Reihe anderer Organisationen genannt ist. Wie der Bundesminister des Innern bereits im Innenausschuß und später auch öffentlich angekündigt hat, soll der Verfassungsschutzbericht künftig noch detailliertere und präzisere Aussagen über den Charakter der jeweils hier in Rede stehenden Organisationen enthalten. Die vorbereitenden Arbeiten dazu, insbesondere auch die Abstimmung mit den Ländern, sind bereits angelaufen.Allerdings wird der Verfassungsschutzbericht auch künftig keine lückenlose Aufzählung sämtlicher Organisationen, Gruppierungen und Komitees enthalten, die von Extremisten gegründet, angeleitet oder beeinflußt sind. Eine solche Aufzählung würde nicht nur die Gefahr unzulässiger, mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbarer Pauschalurteile über Angehörige dieser Organisationen heraufbeschwören, sondern sie würde den extremistischen Kräften in unserem Lande auch einen unerwünschten Einblick in das Beobachtungsfeld des Verfassungsschutzes vermitteln.
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17884 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es sich bei dem Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit ebenfalls um eine kommunistisch beeinflußte und unterwanderte Organisation handelt, und wie bewertet die Bundesregierung die Mitarbeit zahlreicher SPD- und FDP-Mitglieder in diesem Komitee?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das war nicht Gegenstand Ihrer Frage. Die Frage bezog sich allgemein auf den Bericht und darauf, warum wir nicht andere Organisationen genannt haben. Wir haben das bewußt nicht getan, und zwar aus den Gründen, die ich Ihnen genannt habe. Ich kann Sie nur auf den Verfassungsschutzbericht, der soeben veröffentlicht worden ist, hinweisen und zu solchen Organisationen generell sagen, was hier in diesem Hause von der Bundesregierung schon wiederholt ausgeführt worden ist: daß wir uns von Pauschalurteilen fernhalten sollten, daß es auch bei einer einzelnen Organisation Differenzierungen geben kann — entweder regionale oder sonstige Differenzierungen im Hinblick auf Unterorganisationen —und daß es vor allen Dingen nicht zulässig ist, aus der Mitarbeit von Mitgliedern demokratischer Parteien den Schluß zu ziehen, daß diese die Ziele anderer Mitglieder, also möglicherweise nicht verfassungsgemäße Ziele, unterstützen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gerade weil der Verfassungsschutzbericht keinen Hinweis auf dieses Komitee enthält, hätte ich jetzt gern von Ihnen gewußt, wie Sie meine erste Frage bezüglich dieses Komitees zu beantworten gedenken.
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben mich hier nicht schriftlich nach dieser Organisation gefragt. Ich kann Ihnen diese Frage daher nicht beantworten. Ich bin gern bereit, dies noch zu tun. Aber ich bin nicht gewillt, hier aus der Hand die Charakterisierung einer Organisation vorzunehmen, wenn ich auf diese Frage nicht vorbereitet bin.
Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Coppik auf:
Kann die Bundesregierung die Angaben bestätigen, die in der Sendung Monitor vom 31. Mai 1976 über die Aktivitäten des iranischen Geheimdienstes SAVAK gemacht worden sind, wonach seine fleißigsten und tüchtigsten Agenten in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bitte, einverstanden zu sein, daß ich beide Fragen gemeinsam beantworte.
Herr Abgeordneter Coppik, Sie sind damit einverstanden? —
Ich rufe dann auch die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Coppik auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, alle gesetzlichen und diplomatischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um gegen die Aktivitäten der SAVAK-Agenten vorzugehen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Baum, Parl. Staatssekretär: Nach § 3 des Verfassungsschutzgesetzes ist es u. a. Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Bundesgebiet zu sammeln und auszuwerten. Ziel dieses gesetzlichen Auftrages ist es, der Bundesregierung ein möglichst umfassendes und realistisches Bild über die Tätigkeit fremder Geheimdienste in unserem Land zu vermitteln und die zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, gegen Tätigkeiten einzuschreiten, die mit unserer Rechtsordnung unvereinbar sind oder die den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen. Dies gilt für alle Geheimdienste fremder Staaten, also auch für den von Ihnen erwähnten, Herr Kollege.
Aus den in der Fernsehsendung „Monitor" vom 31. Mai 1976 aufgestellten allgemeinen Behauptungen über die Tätigkeit von SAVAK im Bundesgebiet ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte für Verstöße gegen unsere Rechtsordnung, denen im einzelnen nachgegangen werden könnte. Sollten, wie in der Sendung beispielsweise behauptet, Einbrüche in Wohnungen vorgekommen sein, so wäre es Aufgabe der zuständigen Strafverfolgungsbehörden, dem nachzugehen. Die Bundesregierung wird, wenn es notwendig werden solle, Herr Kollege, natürlich die notwendigen Schritte einleiten. Aber diesen sehr allgemeinen Bemerkungen in dieser Sendung läßt sich nichts entnehmen, dem im Konkreten nachgegangen werden könnte.
Zusatzfrage.
Muß ich dieser Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung keine konkreten Anhaltspunkte und Erkenntnisse hat, daß der Geheimdienst SAVAK in der Bundesrepublik iranische Studenten bespitzelt und gegen Kritiker des Schah-Regimes Repressalien ausübt?
Baum, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe gesagt, in welchen Fällen die Bundesregierung oder andere Stellen dieses Landes in der Lage wären, etwas zu unternehmen, nämlich dann, wenn unsere Rechtsordnung verletzt wird oder die Interessen der Bundesrepublik Deutschland geschädigt werden. Wenn das hier der Fall sein sollte, wird man dagegen vorgehen können. Die in dieser allgemeinen Form erhobenen Vorwürfe reichen dazu aber nicht aus.
Eine weitere Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17885
Ist der Bundesregierung bekannt, ob für den Geheimdienst SAVAK auch deutsche Staatsbürger eingesetzt werden?
Baum, Parl. Staatssekretär: Nein, das ist mir nicht bekannt.
Noch
eine Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung die in der Sendung angeführte Liste bekannt, wonach 650 Iraner, die in der Bundesrepublik leben, von SAVAK bespitzelt werden, und zwar ganz gezielt?
Baum, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, diese Liste ist mir nicht bekannt. Ich werde der Frage aber noch nachgehen.
Keine
weitere Zusatzfrage. — Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Wir kommen nunmehr zu den Fragen aus dein Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Zoglmann auf:
Billigt die Bundesregierung einem Deutschen, der unter Überwindung der Sperrmaßnahmen versucht, in den freien Teil Deutschlands zu gelangen, grundsätzlich zu, rechtmäßig zu handeln, und welche Folgerungen ergeben sich daraus für die Bundesregierung?
Herr Staatssekretär.
Die Antwort auf den ersten Teil Ihrer Frage lautet: Grundsätzlich ja. Daraus ergeben sich die Folgerungen, die auch das Bundesverfassungsgericht herausgestellt hat, nämlich: Wer als Deutscher aus der DDR ins Bundesgebiet gelangt, genießt den vollen Schutz der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland und aller Garantien der Grundrechte des Grundgesetzes.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Zoglmann.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Mauer, Stacheldraht, Hundelaufanlagen und Selbstschußanlagen nach deutschem Recht Unrechtstatbestände darstellen und daher auch nach deutschem Recht keinen rechtlichen Schutz genießen?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, daß sie Todesschußanlagen nicht nur nicht billigt, sondern sie verurteilt. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich darf an Sie weiter die Frage richten: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Angehörigen einer bewaffneten Macht, soweit sie die Freizügigkeit mit den oben angeführten Mitteln — Stacheldraht, Mauer, Hundelaufanlagen, Selbstschußanlagen usw. — behindern oder beschränken, unrechtmäßig handeln und daß sie einer dagegen geübten Notwehr nicht ihren Anspruch auf Unversehrtheit von Leib und Leben entgegensetzen können?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Frage läßt sich in dieser Allgemeinheit nicht in Kürze beantworten. Ich denke, meine Antwort auf Ihre erste Frage stellt eine allgemeine Antwort dar, die hier genügen sollte. Falls ich zu konkreteren Ausführungen überginge, bestünde die Gefahr, daß indirekt in ein schwebendes Verfahren eingegriffen wird. Sie wissen, daß hier eine sehr konkrete Güterabwägung, auch nach den Grundsätzen des „ordre public", erforderlich ist.
Herr Kollege Zoglmann, Sie können keine Zusatzfrage mehr stellen. Ich lasse eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Abelein zu.
Herr Staatssekretär, wieweit gehen die rechtlichen Möglichkeiten eines Deutschen, der sich von einem Teil Deutschlands in den anderen Teil Deutschlands bewegen möchte, um sein Grundrecht auf Freizügigkeit nach Art. 11 des Grundgesetzes zu realisieren? Wieweit kann er dabei von den Grenzschutzorganen der DDR beeinträchtigt werden?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Abelein, es tut mir leid, daß ich auch hier in allgemeiner Form, die ja doch zu gewissen konkreten Ergebnissen führen würde, nicht antworten kann. Die Fälle sind so vielgestaltig, daß sehr wahrscheinlich immer wieder der Fall Weinhold hindurchleuchten würde. Dies liefe letztlich darauf hinaus, daß es einer Präjudizierung eines anstehenden Falls gleichkäme, wo es schon jetzt, jedenfalls in gewissem Sinn, einander widersprechende Auffassungen gibt. Eine festgefügte, generelle Rechtsprechung, die alle Einzelheiten abdecken würde, gibt es bisher nicht. Hier muß von Fall zu Fall geprüft werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, gibt es im Verhältnis zu den Streitkräften der DDR einen für unser Recht relevanten Tatbestand der Fahnenflucht, der einem Flüchtling sozusagen das Recht auf Notwehr nehmen würde?
Herr Abgeordneter Becher, ich sehe nicht den unmittelbaren Zusammenhang mit der gestellten Hauptfrage.
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17886 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch lasse eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt zu.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß es eine relativ umfangreiche Rechtsprechung der obersten deutschen Gerichte gibt, die aus der rechtswidrigen Inhaftierung politischer Gegner des Naziregimes resultierte und zum Ausdruck bringt, daß das Sich-Wehren gegen diese rechtswidrige Freiheitsberaubung im KZ und in anderen Gefangenenanstalten der Nazizeit nicht einen Angriff auf das Leben eines unbeteiligten Angehörigen des Wachpersonals rechtfertigt?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich will gern bestätigen, daß es hierzu eine umfangreiche — —
Herr Staatssekretär, Sie sollten diese Frage nur beantworten, wenn das unmittelbar möglich ist. Ich würde sagen, daß auch diese Frage mit der gestellten Hauptfrage nicht in dem erforderlichen Zusammenhang steht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spranger.
Herr Staatssekretär, da Sie vorhin das Prinzip der Rechtsgüterabwägung im Einzelfall erwähnten, das absoluten Vorrang haben soll, frage ich Sie, ob sich die Bundesregierung mit
dieser Ansicht nicht in Widerspruch zu der Auffassung des OLG Hamm setzt, das dem Grundrecht auf Freizügigkeit pauschal Nachrang im Verhältnis zu dem Grundrecht aus Art. 2 des Grundgesetzes eingeräumt hat.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich meine, daß aus meinen Ausführungen deutlich geworden ist, daß die Bundesregierung jede Auskunft vermeidet, die den Eindruck erwecken könnte, als würde hier in ein schwebendes Verfahren eingegriffen. Deswegen kann niemand aus meinen bisherigen Auskünften herleiten, daß es einen Widerspruch zu den hier in Rede stehenden Entscheidungen gibt. Ich denke, is sollte das Interesse aller sein, daß nicht der Eindruck entsteht, daß hier eine Gewalt den Versuch unternimmt, die andere zu präjudizieren. Ich betone: es sollte das Interesse aller sein.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.
Herr Staatssekretär, hat eigentlich der Deutsche in diesem Lande, und zwar gleichgültig, ob diesseits oder jenseits der innerdeutschen Grenze, nicht einen Anspruch darauf, zu erfahren, welche Auffassung die Bundesregierung zu diesem für Leib und Leben von Menschen so ungemein wichtigen Punkt vertritt?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Es ist ganz sicher, daß es eine gewisse Informationspflicht gibt, der
wir uns nicht nur stellen, sondern der wir, wie ich meine, vollauf genügen. Wenn hier aber ein schwebendes Verfahren im Mittelpunkt steht, das, wie ich vorhin ausführte, unterschiedlich beurteilt worden ist, steht es jedenfalls der Bundesregierung nicht an, Auskünfte zu erteilen, die mißdeutet werden können. Dies bitte ich zu berücksichtigen.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Gerlach auf:Billigt die Bundesregierung einem Deutschen, der am Verlassen der „DDR" oder des sowjetischen Sektors von Berlin durch einen Angriff auf Leib und Leben bzw. eine entsprechende Drohung gehindert werden soll, grundsätzlich das Notwehrrecht zu, und welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus, insbesondere auch für zu leistende Nothilfe, z. B. durch Beamte des Bundesgrenzschutzes?Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die strafrechtliche Beurteilung von Notwehrhandlungen richtet sich nach § 32 des Strafgesetzbuches. Diese Vorschrift wird durch die Straflosigkeit des sogenannten Notwehrexzesses — das ist § 33 des Strafgesetzbuches — und durch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Anwendung der Notwehrvorschriften bei irriger Annahme einer Notwehrsituation ergänzt. Nach § 32 Abs. 2 des Strafgesetzbuches ist eine Notwehrhandlung rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von dem Betroffenen oder einem Dritten abzuwenden. Die Anwendung dieser Vorschrift auf den Fall, daß sich ein aus der DDR flüchtender Deutscher gegenüber Angriffen von DDR-Soldaten zu verteidigen sucht, wirft eine Reihe schwieriger Rechtsfragen auf, die sich einer abstrakten, vom Einzelfall losgelösten Bewertung weitgehend entziehen. Ich darf insoweit auf meine Antworten auf die Frage von Herrn Zoglmann zurückkommen.Für die Subsumtion unter die Notwehrvorschriften ist es im Einzelfall insbesondere von Belang, ob und inwieweit Handlungen von Organen der DDR, die nach dortigem Recht rechtmäßig sind, an den Wertmaßstäben unseres Rechtsstaates gemessen werden können und gegenüber welchen Personen Einschränkungen der Freizügigkeit auch nach unserem Rechtsverständnis zulässig sind. Ferner wird nur an Hand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden können, ob auch im Rahmen der §§ 32 ff. des Strafgesetzbuches der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Tragen kommt und ob sich das der Notwehr vorangegangene Verhalten des Angegriffenen auf die Rechtmäßigkeit der Verteidigungshandlung auswirkt. Diese Fragen sind in Rechtsprechung und Schrifttum teilweise außerordentlich umstritten. Sie bedürfen in jedem konkreten Einzelfall der Prüfung und Bewertung durch die unabhängigen, an Weisungen nicht gebundenen Gerichte.Die Bundesregierung sieht sich zu einer Vorwegnahme dieser Wertung um so weniger imstande, als sich die von Ihnen, Herr Abgeordneter, gestellten Fragen — ich wiederhole mich, aber ich muß es, nachdem es erneut gefragt wurde, noch einmal sagen — auf ein schwebendes Verfahren beziehen, in dessen Verlauf die bislang befaßten Gerichte und Staatsanwaltschaften bereits zu den oben angespro-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17887
Parl. Staatssekretär Dr. de Withchenen Problemen teilweise Stellung genommen haben und dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt sind.Für die Nothilfe durch Dritte gilt grundsätzlich nichts anderes. Im bezug auf die Tätigkeit von Beamten des Bundesgrenzschutzes ist allerdings zu beachten, daß die Unverletzlichkeit der Grenzen Hoheitsträgern der Bundesrepublik Deutschland auch einen über die Grenze zur DDR hin wirkenden Gebrauch der Schußwaffe verbietet. Dem Bundesgrenzschutz ist deshalb durch Dienstanweisung ausschließlich der grenzpolizeiliche Dienst im Bundesgebiet übertragen.
Zusatzfrage.
Hält es die Bundesregierung nicht gerade wegen der schwierigen Rechtsauslegung für geboten, die Bürger, von denen ja zahlreiche in eine solche schwierige Situation kommen können, durch einfache Hinweise über die Rechtslage zu informieren?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich bedaure, mich wiederholen zu müssen. Aus dem hier in Rede stehenden Anlaß ist es mir, meine ich, aus guten und wohlverstandenen Gründen verwehrt, eine generelle Auskunft zu geben, die der Mißdeutung für den in Rede stehenden Einzelfall unterliegen kann. Jedwede Auskunft, die sehr grobschlächtig ist, kann dazu führen, daß einer dies in seinem konkreten Einzelfall mißversteht und sich dann Folgerungen gegenübersieht, die hier in diesem Raum niemand verantworten kann.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Was hat die Bundesregierung unternommen, um den Beamten des Bundesgrenzschutzes für die schwierige Situation der Nothilfe über die Belehrung über den Waffengebrauch, die Sie erwähnten, hinaus Handhabungen zu geben, den Menschen wenigstens zu helfen, wenn sie verwundet oder schwerverletzt auf einem Gebiet liegen, das sich außerhalb der Grenze der Bundesrepublik Deutschland befindet?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich bin nicht sicher, ob das noch zu dem Bereich dieser Frage gehört.
Herr Kollege, es fehlt meines Erachtens der unmittelbare Zusammenhang mit der von Ihnen gestellten Frage. Herr Staatssekretär, ob Sie den Teilbereich, der sie nicht überschreitet, gesondert noch beantworten wollen, überlasse ich Ihnen.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Es ist hier, so meine ich, auf Grund der Frage zu beantworten gewesen, wie es mit der Prüfung der Notwehr und der
Nothilfe steht. Hier ist der Bereich angesprochen, der über die Nothilfe hinausgeht. Insoweit habe ich bereits auf eine Anweisung gegenüber dem Bundesgrenzschutz verwiesen. Ich glaube aber, hier wird ein völlig neuer Sektor eröffnet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Arndt.
Herr Staatssekretär, können Sie meine Auffassung teilen, nach der bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Notwehrhandlungen auch zu berücksichtigen ist, daß die auf Grund der Wehrpflicht in der DDR zum Dienst in der Grenztruppe und in der Volksarmee herangezogenen deutschen Staatsangehörigen ebenfalls ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit besitzen?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Arndt, auch Ihnen muß ich noch einmal sagen, daß ich keinen Anlaß sehe, konkret zu werden, weil ich sonst nicht umhinkomme, befürchten zu müssen, daß dies — jedenfalls in gewissem Sinne — einer Präjudizierung im vorliegenden Falle gleichkäme, da, wie Sie wissen, die in Rede stehende Person — das ist so anzunehmen — Angehöriger der NVA war. Im übrigen weiß jedermann, daß nach unserem Grundrechtskatalog das Recht auf Leben die erste Priorität einnimmt.
Ich lasse noch zwei Zusatzfragen zu. Zunächst Herr Abgeordneter Becher, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie der im Zusammenhang mit dieser Frage des Notwehrrechts vorgetragenen Logik beipflichten, daß dieses Notwehrrecht gemildert, gemindert oder annulliert sei, wenn es sich dabei um einen Angehörigen der Streitkräfte der DDR handle, der Fahnenflucht begehe?
Auch bei dieser Zusatzfrage bin ich der Meinung, daß sie über das hinausgeht, was in der Hauptfrage angesprochen ist.
Herr Abgeordneter Zoglmann, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie ganz unabhängig von dem von Ihnen immer wieder zitierten konkreten Fall, der hier für mich gar nicht zur Diskussion steht, fragen, ob die Bundesregierung die Auffassung teilt, daß Waffengewalt bzw. Drohung mit Waffengewalt gegen jeden politischen Flüchtling unrechtmäßig ist und dem Flüchtling das Recht zur Gegenwehr gibt, bis er den freien Teil Deutschlands erreicht hat?Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Zoglmann, es ist schwierig, hierauf eine Antwort zu geben, auch wenn Sie sagen, daß Sie den in Rede stehenden Fall nicht in Betracht ziehen. Ich
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17888 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Parl. Staatssekretär Dr. de Withmeine, jedwede Auskunft von mir hierzu wird notwendigerweise insoweit eine Auslegung erfahren können. Deswegen muß ich bedauerlicherweise wieder darauf hinweisen, daß dieser Gegenstand, der jetzt Gegenstand von Erörterungen bei einem Gericht sein wird, sich nicht zu Wertungen seitens der Bundesregierung eignet.Wenn ich eine Frage wie die Ihre allgemein beantworten soll, meine ich, müßte hierauf ein längerer Zeitraum verwandt werden, weil geprüft werden müßte, welcher Flüchtling das ist und welche Gesetze es wohl gibt und unter welchem Recht jemand steht. Dies kann nicht in Form eines bloßen Rede-und Antwortspiels allgemeingültig für alle Zeiten beantwortet werden. Ich bitte hierfür sehr herzlich um Verständnis.
Ich rufe Frage 10 des Herrn Abgeordneten Wohlrabe auf:
Steht die Spionageaffäre in Berlin im Zusammenhang mit den aufgedeckten Spionagefällen im übrigen Teil der Bundesrepublik Deutschland?
Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ihre Frage bezieht sich auf ein Ermittlungsverfahren, das der Generalstaatsanwalt beim Kammergericht in Berlin wegen Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit führt. Ich habe daher den Senator für Justiz in Berlin uni eine Auskunft zu der von Ihnen gestellten Frage gebeten. Der Senator für Justiz in Berlin hat mir daraufhin mitgeteilt, daß der Stand der Ermittlungen in dem genannten Verfahren die Beantwortung der von Ihnen gestellten Frage zur Zeit nicht zuläßt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung den Vorgang, daß sich trotz des Spionageverdachts ein Beteiligter zeitweilig in die DDR bzw. nach Ost-Berlin absetzen konnte?
Herr Kollege Wohlrabe, ich wäre dankbar, wenn Sie die Frage so stellten, daß der unmittelbare Zusammenhang mit der Hauptfrage deutlich wird.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Es war hier nur von einer Spionageaffäre die Rede, und ich muß auch wieder sagen: ich verweise auf die Auskunft der zuständigen Behörde in Berlin. Diese Antwort habe ich wiedergegeben.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Sind denn bei Spionageaffären in Westdeutschland derartige Begleitumstände aufgetreten?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, worauf Ihre Frage zielt.
Auf ein zeitweiliges Absetzen einer der beteiligten Personen.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich kenne das Ziel Ihrer Frage gleichwohl nicht. Vielleicht könnten Sie sie im Zusammenhang wiederholen. Ich bin gern bereit, eine Antwort zu versuchen, Herr Kollege Wohlrabe, möchte aber gerne den Sinngehalt voll verstehen.
Herr Abgeordneter Wohlrabe, ich gebe Ihnen noch die Möglichkeit, eine weitere Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatssekretär, ich wüßte gerne, ob bei einem Spionageverdacht oder bei Spionagefällen in der Bundesrepublik früher Tatsachen oder Umstände bekanntgeworden sind, die sich im Sachverhalt mit den Berliner Ereignissen vergleichen lassen, daß nämlich Beteiligte bzw. Verdächtigte zeitweilig auf das Gebiet der DDR entweichen konnten.
Herr Kollege Wohlrabe, ich bedaure zunächst, daß meines Erachtens die Frage nicht in dem von der Geschäftsordnung geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausgangsfrage steht. Ich werde aber, wenn der Herr Staatssekretär darauf antworten will, die Frage zulassen, weil es eine Zusatzfrage des Fragestellers ist.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wohlrabe, unabhängig von der Frage, ob es, wie der Präsident meint, zweifelhaft ist, daß noch ein Zusammenhang besteht — durch den letzten Teil Ihrer Frage ist deutlich geworden, daß doch ein Zusammenhang besteht —, kann ich nur darauf verweisen, wie die Antwort der zuständigen Behörde in Berlin lautet. Dies ist ein schwebendes Verfahren.
Meine Damen und Herren, die Fragen 11 und 12 des Herrn Abgeordneten Schlaga werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. — Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Frage 16 stellt der Herr Abgeordnete Leicht:Treffen Pressemeldungen zu, daß die Kosten für die Herstellung und Verteilung der Zeitungsbeilage „Sind Schulden vernünftig? Wie die Kreditpolitik des Bundes dem Bürger Nutzen bringt" nicht zu Lasten der Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministers der Finanzen , sondern zu Lasten des „seit Jahren bestehenden Werbetitels" für Bundesanleihen usw., also der „Ausgaben aus Anlaß der Beschaffung von Mitteln im Wege des Kredits" (Titel 32 03/541 01) bezahlt worden sind oder bezahlt werden sollen?Bitte, Herr Staatssekretär.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17889
Herr Kollege Leicht, die Kosten für die Herstellung und Verteilung der Zeitungsbeilagen „Sind Schulden vernünftig? — Wie die Kreditpolitik des Bundes dem Bürger Nutzen bringt" werden aus Kap. 32 03 Tit. 541 01 gezahlt. Die Erläuterungen zu diesem Titel sehen vor, daß aus dieser Haushaltsstelle unter anderem Kosten der Werbung bestritten werden können. Ausgaben für Werbezwecke aus diesem Titel sind auch in früheren Jahren geleistet worden. So sind z. B. im Jahre 1969, einem Jahr, in dem Sie als Parlamentarischer Staatssekretär dem Bundesministerium der Finanzen angehörten,
aus diesem Titel fast 6 Millionen DM für Werbezwecke verwendet worden.
Zusatzfrage.
Ich habe folgende Zusatzfrage: Sagen Sie auch, für welche Werbezwecke diese 6 Millionen DM damals verausgabt worden sind?
Haehser, Parl. Staassekretär: Gern, Herr Kollege Leicht; u. a. für eine Broschüre, in der es auf Seite 21 heißt:
Die öffentliche Schuldenpolitik wird heute als ein legitimes Mittel einer modernen Finanz- und Wirtschaftspolitik, insbesondere zur Dämpfung von Konjunkturschwankungen und zur Sicherung eines angemessenen Wirtschaftswachstums, angesehen.
Ich könnte Ihnen noch andere Zitate nennen. Aber ich denke, als Kostprobe genügt das.
Darf ich trotzdem noch eine weitere Zusatzfrage stellen: Ist der Öffentlichkeitsarbeitstitel des Bundesfinanzministers mit 1,1 Millionen DM ausgeschöpft?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben hier gefragt, ob die in Rede stehende Broschüre aus einem anderen als dem Öffentlichkeitsarbeitstitel finanziert worden ist. Darauf habe ich Ihnen eine klare Antwort gegeben.
Ich lese Ihnen nun die gesamte Zweckbestimmung des Titels vor:
Veranschlagt sind die an die Banken zu zahlenden Provisionen bei Begebung von Bundesanleihen und Verkauf von Bundesschatzbriefen und die Ausgaben im Zusammenhang mit der Marktpflege sowie die Kosten der Werbung für Bundesanleihen und Bundesschatzbriefe.
Wenn Sie sich die Broschüre ansehen, um die es hier geht, dann haben Sie neben einem wohlgelungenen Vorwort des Herrn Bundesministers der Finanzen
ganz eindeutig eine Aufklärung über die verschiedenen Möglichkeiten der Geldanlage: zunächst über Anleihen, dann über Bundesschatzbriefe, über Finanzierungsschätze, über Schuldscheindarlehen, über Kassenobligationen und am Schluß über unverzinsliche Schatzanweisungen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung.
Herr Staatssekretär, welche Zeitungen oder Zeitschriften wurde die herausgegebene Beilage „Sind Schulden vernünftig?" beigefügt, und welche Kosten entstanden dadurch dem Bund?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Zunächst, Herr Kollege, sind diese Blätter der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" beigelegt worden, sodann der „Welt", der „Frankfurter Rundschau", der „Süddeutschen Zeitung", der Zeitung „Die Zeit", der Zeitschrift „Hör zu", der Zeitschrift „TV — Hören und Sehen" und der Illustrierten „Stern". Insgesamt waren es 6 754 000 Stück, so daß davon ausgegangen werden kann, daß ein großer Teil der Bundesbürger nunmehr über die Möglichkeiten der Geldanlage informiert ist.
Über die Kosten will ich Ihnen auch gern Auskunft geben; sie beliefen sich bei einer Auflage von etwa 7 Millionen auf 850 000 DM.
Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Schröder.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt das Bundesfinanzministerium, aus diesem Haushaltstitel weitere Werbebroschüren dieser Art herauszugeben? Wenn ja, von welcher Art und zu welchen Terminen sollen die entsprechenden Broschüren herausgegeben werden?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ihnen wird nicht entgangen sein, daß hier nicht eine Werbebroschüre für das Bundesfinanzministerium oder für die Bundesregierung herausgegeben worden ist, sondern gewissermaßen eine Aufklärungsbroschüre über die verschiedenen Möglichkeiten der Geldanlage. Da die Aufklärung als gelungen bezeichnet werden kann — denn das beweist die Nachfrage nach den Broschüren —, beabsichtigt das Bundesministerium der Finanzen in diesem Jahr nicht, weitere Aufklärung aus diesem Titel zu betreiben.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Althammer.
Herr Staatssekretär, da Sie nach bemerkenswertem Eigenlob diese Broschüre für wohlgelungen halten, darf ich Sie fra-
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17890 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Dr. Althammergen — ja, ich kenne sie —, warum denn in dieser Broschüre der existentielle Hinweis darauf fehlt, wie hoch die Verzinsungs- und Tilgungsrate für diese großartige Verschuldung ist.Haehser, Parl. Staatssekretär: Nun, Herr Kollege, hier ging es zunächst einmal darum, auf die Arten aufmerksam zu machen. Derjenige, der sich genauer dafür interessiert, wird sich natürlich auch nach den Konditionen erkundigen.
Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, Sie haben diese Broschüre als ein besonders leuchtendes Beispiel für die regierungsamtliche Werbepolitik dargestellt. Die Auflage beträgt, wenn ich recht zugehört habe, 7 Millionen. Ich würde gern wissen: wie viele Rückanworten sind eingegangen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich habe ja vorhin gesagt, Herr Kollege, welchen Zeitungen und Zeitschriften diese Broschüre, dieses Aufklärungsheft, beigelegt worden ist. Allein „Hör zu" hat eine hohe Zahl in Millionen bekommen. Ich nenne deswegen die Zahl nicht, weil ich nicht weiß, ob „Hör zu" die Auflage gern öffentlich genannt haben möchte, obwohl sie recht stolz darauf sein kann.
Die Auflagen der Zeitungen kennen wir selber. Wir wollen wissen, wieviel effektive Rückantworten Sie haben, um die Effizienz zu prüfen, um zu prüfen, ob diese Broschüre wirklich etwas taugt.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich will Ihnen dazu gern etwas sagen, Herr Kollege Wohlrabe. Die Rückantworten erfolgen bei den Bankschaltern, und die können wir nicht überprüfen. Daß sehr zahlreiche Bürger zu diesen Bankschaltern gegangen sind, ist jedermann klar und hoffentlich auch Ihnen bekannt.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Schröder auf:
Treffen Pressemeldungen zu, daß in den Aufträgen wegen Verbreitung der Beilage „Sind Schulden vernünftig? Wie die Kreditpolitik des Bundes dem Bürger Nutzen bringt" als Kunde die Deutsche Bundesbank angegeben und/oder außerdem vermerkt wurde, die Belege seien an die Deutsche Bundesbank zu schicken?
Herr Staatssekretär!
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schröder, Auftraggeber für die Verbreitung der Beilage „Sind Schulden vernünftig?" war das Bundesministerium der Finanzen. Die Nennung der Deutschen Bundesbank als Kunde der Verlage beruht darauf, daß die Aufträge an die Werbeagenturen üblicherweise von der Bundesbank im Namen und im Auftrag des Bundesfinanzministeriums erteilt werden. Auf Grund dieser Handhabung hat die Werbeagentur auch in diesem Fall die Bundesbank als Kunde der Verlage angegeben und vermerkt, die Belege seien an die Bundesbank zu richten.
Die Bundesbank stellt dankenswerterweise ihren fachlichen Rat und ihre Hilfe bei der Werbung für die verschiedenen Schuldtitel des Bundes zur Verfügung. Außerdem übernimmt sie auch die Rechnungsprüfung, die Belegkontrolle und die Abrechnung.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wer hat die Bundesbank zur materiellen Mitwirkung an dieser Broschüre aufgefordert, und ist die Bundesbank vorher über den Sinngehalt und den Verteilerkreis dieser Broschüre informiert worden?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Das Wort „auffordern" gegenüber einer solch hehren Institution wie der Bundesbank klingt mir ein bißchen zu hart. Wir haben die Bundesbank gebeten, uns ihren fachlichen Rat zur Verfügung zu stellen, wie er für uns in einer solchen Aufklärungsaktion unentbehrlich ist.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, der Leitung der Deutschen Bundesbank das Mißfallen der Opposition zu übermitteln, daß hier ein Engagement in einer Wahlbroschüre vorgenommen worden ist?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich will Ihnen dazu folgendes sagen, Herr Kollege. Die Bundesbank wird die Fragestunde natürlich aufmerksam verfolgen. Welchen Eindruck das Mißfallen der Opposition macht, vermag ich natürlich nicht abzuschätzen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leicht.
Herr Kollege Haehser, können Sie mir sagen, warum sich die Deutsche Bundesbank offiziell von dieser Aktion distanziert hat?Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Leicht, das sage ich Ihnen gerne. Diese Broschüre, die eine Aufklärungsbroschüre ist, wie ich Ihnen sagen durfte und wie man übrigens, wenn man sie durchliest, selber feststellen kann,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17891
Parl. Staatssekretär Haehserist in einen politischen Streit geraten. Die parteipolitisch und auch sonst unabhängige Bundesbank hat es für richtig gehalten, aus diesem Streit herausgehalten zu werden.
— Nein.
— Ich weiß nicht, ob man die Fragestunde so ausweiten kann, daß hier auch auf Zwischenrufe eingegangen wird.
Die Bundesbank hat uns einen sehr vornehmen — wie das ihre Art ist — Brief geschrieben und gesagt: diese Broschüre ist in einen politischen Streit geraten, und deswegen wollen wir nicht bei der Verteilung vertreten sein. Zum Inhalt der Broschüre hat sie kein einziges negatives Wort gefunden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, Sie haben davon gesprochen, daß eine Werbeagentur eingeschaltet worden ist. Wären Sie so gut, uns zu sagen, welche Werbeagentur es war, und können Sie uns gleichzeitig mitteilen, ob eine Ausschreibung stattgefunden hat, ob die Möglichkeit einer Präsentation gegeben war, an der sich mehrere Auftragsbewerber hätten beteiligen können?
Ich bedaure, daß ich hier den geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit der eingereichten Frage nicht feststellen kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sprung.
Herr Staatssekretär, wurde die Beilage auch in den Außenstellen bzw. über die Außenstellen der Bundesbank verteilt? Wurde die Verteilung zwischenzeitlich unterbrochen? Wird die Beilage jetzt wieder an die Außenstellen oder über die Außenstellen der Bundesbank weitergegeben?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Die Beilage wurde über die Außenstellen verteilt, aber wegen des Vorgangs, daß diese ausgezeichnete Broschüre in den politischen Streit geraten ist, wurde der Vertrieb über die Außenstellen eingestellt.
Herr Ahgeordneter Althammer.
Herr Staatssekretär, gab es schon vor dieser Aktion Fälle, in denen die Deutsche Bundesbank in dieser Weise — einschließlich Vertrieb und Rechnungskontrolle -
eingeschaltet wurde?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Aber selbstverständlich;
ich hatte vorhin sogar auf ein Datum hingewiesen, Herr Kollege.
Ich rufe Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung auf:
Trifft die Meldung in der Ausgabe vom 3. Juni der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu, daß die Deutsche Bundesbank an der Herstellung der Zeitungsbeilage „Sind Schulden vernünftig? Wie die Kreditpolitik des Bundes dem Bürger Nutzen bringt" mitgewirkt hat, indem sie den Text des zweiten Teils der Beilage über „Die verschiedenen Möglichkeiten der Geldanlage" sachlich geprüft und/oder ihre für die Schatzbriefwerbung zuständige Werbeagentur mit der technischen Abwicklung beauftragt hat?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Sprung, die Deutsche Bundesbank hat den zweiten Teil der Beilage mit der Überschrift „Die verschiedenen Möglichkeiten der Geldanlage" sachlich überprüft. Es ist die Regel, daß der Bundesfinanzminister die Sachkenntnis der Deutschen Bundesbank in Anspruch nimmt, um in der Werbung für Schuldtitel des Bundes dem Sparer von sachkundiger und zugleich neutraler Stelle überprüfte Informationen zukommen zu lassen. Auftraggeber für diese Werbung bei den jeweiligen Agenturen ist stets das Bundesfinanzministerium. Die Aufträge werden üblicherweise über die Deutsche Bundesbank den Werbeagenturen im Namen und im Auftrag des Bundesfinanzministeriums erteilt, das auch die Rechnungen aus dem entsprechenden Titel bezahlt. Es ist deshalb falsch, von einer „Werbeagentur der Deutschen Bundesbank" zu sprechen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sprung.
Herr Staatssekretär, wer hat in der Öffentlichkeit gefordert, der Staat solle — wie es in der Beilage heißt — einen größeren Teil seiner Haushaltsausgaben durch Kredite finanzieren, um den Bürgern durch den Kauf von Bundesschuldtiteln Gelegenheit zur Vermögensbildung zu geben? War das auch die Bundesbank?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Unter anderem habe ich das in der Öffentlichkeit gefordert.
Herr Abgeordneter Dr. Sprung, keine weitere Zusatzfrage? — Dann kommt eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, es war jetzt mehrfach von den Werbeagenturen die Rede. Ich möchte deshalb fragen: Welche Werbeagentur hat diesen Prospekt entworfen, und waren mehrere Werbeagenturen zur Präsentation aufgefordert?
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17892 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn ich mir die Fragen ansehe, muß ich als Vertreter der Bundesregierung sagen: ich sehe keinen Zusammenhang mit den ursprünglich gestellten Fragen.
Ich möchte Sie aber ausdrücklich darauf verweisen,
daß in der nächsten Woche noch einmal eine Fragestunde stattfindet.
Herr Staatssekretär, das war im Grunde dieselbe Zusatzfrage, die ich vorhin nicht zugelassen hatte. Es gilt hier dasselbe.
Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Ey die Möglichkeit zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, handelt es sich bei der Werbeagentur um diejenige Agentur, die auch von der Hessischen Landesbank in Anspruch genommen wurde?
Meine Damen und Herren, ich bitte um Verständnis; Sie müßten dann eine Frage, die sich darauf konzentriert, einbringen. Ich kann hier eine solche Zusatzfrage nach den Richtlinien für die Fragestunde nicht zulassen.
Herr Abgeordneter Schröder, Sie haben die Möglichkeit, eine Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung und auch die Leitung der Deutschen Bundesbank bereit, aus diesem Vorgang für die Zukunft dahin gehend Konsequenzen zu ziehen, daß man die Gestaltung und vor allen Dingen die Abwicklung derartiger Broschüren zwischen dem Verantwortungsbereich des Finanzministeriums einerseits und dem der Bundesbank andererseits künftig etwas sorgfältiger auseinanderhält?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Wir haben dieses Verfahren, Herr Kollege Schröder, aus der Ara Strauß/Leicht übernommen. Die Herren Strauß und Leicht haben das für gut befunden. Warum sollten wir dieses Verfahren nicht auch anwenden? Wir werden aber prüfen, ob es noch bessere Verfahren gibt.
Herr Abgeordneter Dr. Häfele, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Verteilung der 7 Millionen Werbeprospekte nachweisbar zu einer Steigerung der Nachfrage nach öffentlichen Schuldtiteln geführt?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Davon gehe ich aus.
Herr Abgeordneter Dr. Althammer, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat es in der Vorbereitung dieser Werbeaktion einen Kontakt mit der Bundesbank dahin gehend gegeben, daß die Bundesbank in einem bestimmten Stadium bereit gewesen wäre, die Finanzierung ganz oder teilweise zu übernehmen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Das ist mir nicht bekannt, Herr Kollege. Ich kann mir eigentlich nicht denken, daß es solche Vorgespräche gegeben hat, weil wir ja im Einzelplan 32 den Titel haben, auf den ich vorhin hingewiesen habe.
Herr Abgeordneter Leicht.
Ist es nicht ungewöhnlich, daß dieser zweite Teil des Prospekts von der Deutschen Bundesbank vorher durchgesehen worden ist?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich finde nicht, Herr Kollege Leicht,
daß das ungewöhnlich ist, denn bei einem solchen Aufklärungswerk, wie es die Broschüre darstellt,
muß man sich den sachlichen Rat der Bundesbank einholen.
Ich rufe Frage 19 des Abgeordneten Gerlach auf:Trifft es zu, daß Bundesminister Dr. Apel in die Wahlkampagne der SPD die Deutsche Bundesbank eingeschaltet hat, und trifft es zu, daß seine Prospektaktion in sieben Millionen deutscher Tageszeitungen als Werbemaßnahme der Deutschen Bundesbank von der Werbeagentur der Deutschen Bundesbank durchgeführt wird, die im Auftrag der Deutschen Bundesbank auftrat und die Deutsche Bundesbank als Adressat der Belege bezeichnete?Bitte, Herr Staatssekretär.Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gerlach, zum ersten Teil Ihrer Frage bemerke ich, daß mir von einer Wahlkampagne der SPD, in die Herr Bundesminister Apel die Deutsche Bundesbank eingeschaltet haben soll, nichts bekannt ist.
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Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17893
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es trifft zu, daß das Bundesministerium der Finanzen rund 7 Millionen Werbeprospekte über Tageszeitungen und Zeitschriften hat verteilen lassen, in denen den privaten Sparern die volkswirtschaftlichen Aspekte öffentlicher Kredite je nach Ablauf der Konjunktur und die Möglichkeiten einer vorteilhaften Anlage der privaten Ersparnisse in Schuldtiteln des Bundes dargestellt werden. Herausgeber der Zeitungsbeilage ist, wie Sie dem Impressum entnehmen können, das Bundesministerium der Finanzen. Das Bundesministerium der Finanzen ist auch Auftraggeber gegenüber der Werbeagentur. Die Nennung der Deutschen Bundesbank als Auftraggeber und Adressat der Belege beruht darauf, daß die Aufträge an die Werbeagenturen üblicherweise, wie ich schon einmal gesagt habe, von der Bundesbank im Namen und im Auftrag des Bundesfinanzministeriums erteilt werden. Auf Grund dieser Handhabung hat die Agentur auch im Falle der Verteilung der Werbeeinlagen für Schuldtitel des Bundes die Deutsche Bundesbank als Auftraggeber angegeben und sie auch als Adressat für die Belege bezeichnet.
Herr Abgeordneter, Sie haben zunächst die Möglichkeit zu Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, hat bei der Überprüfung des zweiten Teiles das Vorwort der Deutschen Bundesbank zu der Ihnen leider unbekannt gebliebenen SPD-Wahlpropaganda, wie ich meine, vorgelegen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, ob es vorgelegt worden ist, Herr Kollege. Ich würde es aber auch nicht für notwendig gehalten haben. Denn das Vorwort ist ja eine völlig objektive Darstellung und Einführung in den zweiten Teil. Wie Sie aus einem solchen sachlich gehaltenen Vorwort eine Wahlkampagne der SPD vermuten können, ist mir schleierhaft. Sonst sagen Sie immer, Schulden machen sei etwas Schreckliches — eine Auffassung, die ich nicht teile —, und hier meinen Sie, wir könnten mit der Darstellung unserer Kreditpolitik Stimmen fangen. Sie müssen sich für eines entscheiden, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter Gerlach, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn dieser Vorgang so ganz normal ist, weshalb passiert es dann ausgerechnet bei dieser Broschüre, daß die Zeitungen ankündigten: Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt der Deutschen Bundesbank bei?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich dachte, dies hätte der bisherige Verlauf meiner Antworten ergeben: Weil die Belege, die Abrechnungen und die
Prüfung üblicherweise bei der Bundesbank erfolgten, war die Agentur der Meinung — obwohl das Impressum ja etwas ganz anderes darstellt —, es handle sich um eine Beilage der Bundesbank. Ich lese Ihnen das Impressum vor:
Herausgegeben vom Bundesministerium der Finanzen, Rheindorfer Straße 108,
— wo Sie mich übrigens auch einmal besuchen können —5300 Bonn, April 1976. Das ist das Impressum.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schröder .
Herr Staatssekretär, welche Gründe hatten eigentlich der Bundesregierung Anlaß gegeben, gerade zu diesem Zeitpunkt eine, wie Sie es nennen, Werbeaktion für die Aufnahme von Krediten zu starten?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Schröder, ich vermute in Ihrer Frage nach dem Zeitpunkt etwas ganz Schreckliches, nämlich daß Sie annehmen, wir hätten den Zeitpunkt mit Rücksicht auf die Bundestagswahl gewählt.
Das ist natürlich ganz falsch. Wir haben uns orientiert an dem Aufklärungsbedürfnis des Bundesministeriums der Finanzen und an dem Informationsbedarf unserer Mitbürger.
Genauso hat seinerzeit Herr Strauß — Sie erkennen sogar auf diese Entfernung seine Unterschrift —, nämlich im August 1969 — noch dichter vor den Bundestagswahlen —,
eine Broschüre mit dem Inhalt herausgegeben, wie ich ihn Ihnen soeben zitatweise zur Kenntnis gegeben habe.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Herr Kollege Haehser, sind Sie sich in Ihrem Hause darüber im klaren, daß durch diese Aktion die, wie ich unterstelle, von allen politischen Kräften gewünschte Unabhängigkeit der Bundesbank in Mißkredit gebracht worden ist, da es sich hier um eine in Abhängigkeit stehende Aktion der Bundesregierung, wenn nicht einer Partei handelte?Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, Sie wissen ganz genau, daß die Bundesbank eine unabhängige Institution ist. Keine Bundesregierung hat auf diese Unabhängigkeit mehr geachtet als die jetzt amtierende Bundesregierung.
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17894 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger .
Herr Staatssekretär, wie kann die Bundesregierung dem Vorwurf entgehen, daß es sich um eine Propagandaaktion handelt, wenn sie eine Broschüre, die nach Ihren Aussagen dem Informationsbedürfnis des Bürgers über Anlagemöglichkeiten dient, ausgerechnet mit dem politisch verfänglichen Titel versieht, ob Schuldenmachen vernünftig sei?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung entgeht dem Vorwurf dadurch, daß sie ihn scharf zurückweist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Graß.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie mehrfach darauf hingewiesen haben, daß die Nennung der Deutschen Bundesbank in den Angaben der Zeitungen, denen der Prospekt beigelegen hat, auf einem Irrtum der Werbeagentur beruht, der dadurch zustande gekommen ist, daß üblicherweise die Bundesbank genannt wird, ergibt sich doch die Frage, warum ausnahmsweise in diesem Fall das Bundesfinanzministerium gewissermaßen direkt die Veröffentlichung veranlaßt hat, nicht aber, wie offensichtlich üblich, der Weg über die Bundesbank gewählt wurde.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich will hier niemandem eine Schuld geben, natürlich auch nicht der Werbeagentur. Es steht nun aber einmal fest, daß die Mitteilung, es handle sich um eine Broschüre der Bundesbank, falsch war, denn im Impressum steht: Herausgegeben vom Bundesministerium der Finanzen, Rheindorfer Straße 108, 5300 Bonn, April 1976.
— Aber das war meine Antwort.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schleicher.
Sie haben eben gesagt, daß 1969 auch eine Broschüre von dem damaligen Bundesfinanzminister herausgegeben worden ist. Ich möchte Sie fragen, ob dieses Broschüre auch mit über die Zeitungen verteilt worden ist.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Nein, so schön war sie nicht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leicht.
Herr Kollege Haehser, hat das Bundesfinanzministerium durch sein Verhalten die Deutsche Bundesbank nicht politisch ins Zwielicht gebracht?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Leicht, ich sehe es nicht so. Als diese Broschüre herauskam, hat es öffentliche Debatten gegeben, deren Urheber meines Wissens nicht zuletzt Kollegen Ihrer Partei sind. Dadurch ist die Aktion der Bundesbank in Mißkredit geraten.
Die Bundesbank hat eine Konsequenz gezogen, die ich respektiere und die ich sogar für richtig halte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß der Irrtum der Werbeagentur darauf zurückzuführen ist, daß der Werbeagentur frühere Veröffentlichungen von Bundesregierungen bekannt waren und sie angesichts dessen, daß diese Broschüre so ungemein sachlich gehalten ist, gar nicht auf die Idee gekommen ist, daß es eine Veröffentlichung der Bundesregierung sei, und sie deshalb der Bundesbank zugeschrieben hat?
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß Sie diese Frage nicht beantwortet haben möchten.
Die letzte Zusatzfrage stellt der Herr Kollege Häfele.
Herr Staatssekretär, ist der Satz in dem Werbeprospekt, der da lautet: „Mit seiner Kreditaufnahme bietet der Staat den Bürgern dagegen die Möglichkeit, an Stelle von Steuerzahlungen Vermögen zu bilden", so zu verstehen, daß dies nunmehr das klassische Vermögensbildungskonzept dieser Bundesregierung ist: Möglichst viel Staatsschulden bedeutet möglichst viel Vermögen bei den Bürgern?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Der Satz ist genauso zu verstehen wie dieser Satz aus der Broschüre von Herrn Strauß:Wenn der Staat Infrastrukturmaßnahmen durch Aufnahme von Krediten finanziert, so entstehen für die Gläubiger des Staates indirekte Vermögensrechte an den vorgenommenen Investitionen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17895
Parl. Staatssekretär HaehserSie sehen, das Bundesfinanzministerium hat heute noch die gleichen bewährten Mitarbeiter wie vor ein paar Jahren.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Weber auf:
Ist der der Bundesrepublik Deutschland aus den sog. Koffergeschäften der Landesbank von Rheinland-Pfalz — Verkauf ungenehmigter festverzinslicher Wertpapiere an Gebietsfremde, ungenehmigte Aufnahme von Krediten im Ausland und Verletzung von Depotpflichten — entstandene Schaden bereits feststellbar?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Weber, der volkswirtschaftliche Schaden, der der Bundesrepublik Deutschland durch die illegalen Wertpapiergeschäfte und Bardepotverstöße der Landesbank Rheinland-Pfalz entstanden ist, besteht in der Gefährdung der Maßnahmen zur Stabilität der Währung. Ich füge hinzu: Ich bedaure, daß diese Gefährdung der Maßnahmen zur Stabilität der Währungen von einer Bank vorgenommen worden sind, die in Mainz ihren Sitz hat, einer Stadt, von der aus wir oft den Vorwurf hören, wir hätten für die Stabilität unserer Währung zu wenig getan.
Dieser Schaden läßt sich ziffernmäßig nicht feststellen.
Bei der Landesbank Rheinland-Pfalz sind, wie ich der Antwort des Ministers der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz auf eine Kleine Anfrage im Mainzer Landtag entnehme, folgende Verstöße festgestellt worden. Erstens. Die Landesbank verkaufte an Gebietsfremde Wertpapiere im Nominalwert von 80 Millionen DM. Diese Verkäufe wurden als Tafelgeschäfte, d. h. ohne Namensnennung der Käufer, abgewickelt und in ein Depot einer ausländischen Bank bei einem anderen Kreditinstitut gebracht.
Zweitens. Die Landesbank wirkte ferner bei dem Erwerb festverzinslicher inländischer Wertpapiere durch Gebietsfremde in der Weise mit, daß sie im Frühjahr 1973 solche Titel im Nominalwert von 12,88 Millionen DM an ein deutsches Kreditinstitut zum Zwecke des Weiterverkaufs an eine ausländische Bank veräußerte.
Drittens. Die Landesbank nahm Wertpapiere im Nominalwert von 220 Millionen DM in das von ihr geführte Depot einer ausländischen Bank und lieferte — auf deren Weisung — diese Wertpapiere an andere gebietsfremde Abnehmer aus. Die ausländische Bank hatte die Wertpapiere bei anderen Kreditinstituten gekauft.
Viertens. Für einen Teil der von ihr verkauften Wertpapiere ging die Landesbank Rücknahmeverpflichtungen in Höhe von 44 Millionen DM ein. Insoweit bestand für sie die Verpflichtung, hierfür ein Bardepot zu halten. Das war nicht geschehen. Die Landesbank hat in dem Bußgeldverfahren zugesagt, die unterlassenen Meldungen unverzüglich bei der Landeszentralbank nachzuholen und die verkürzten
Bardepotbeträge nachzuhalten. Das ist nach Auskunft des Vorstandes der Landesbank geschehen.
Fünftens. Von April bis Juni 1973 hat die Landesbank sogenannte Swap-Geschäfte abgeschlossen. Nachdem im Juni 1973 bei der Landesbank Überlegungen angestellt wurden, daß auch diese SwapGeschäfte möglicherweise genehmigungs- und bardepotpflichtig seien, wurde der Abschluß dieser Geschäfte eingestellt. Die Landesbank hatte diese Geschäfte von sich aus offenbart und die verkürzten Bardepotbeträge unverzüglich nachgehalten.
Sechstens. Dem vorerwähnten Vorstandsmitglied der Landesbank ist vorgeworfen worden, im Rahmen des geschilderten Tathergangs schuldhaft den ungenehmigten rechtsgeschäftlichen Erwerb von Wertpapieren, wenn auch nicht initiiert, so doch ermöglicht, die Bardepotpflicht verkürzt, die Genehmigung für die Aufnahme von Krediten im Ausland nicht eingeholt und die Bardepotpflicht hinsichtlich der Swap-Geschäfte unterlassen zu haben, Die Initiative zu den Gesetzesverstößen ging von einem ausländischen Kreditinstitut aus.
Ich habe ganz bewußt die diesen Teil betreffenden Antworten der Landesregierung von RheinlandPfalz zitiert.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Weber.
Herr Staatssekretär, wenn Sie einmal unterstellen, daß der Verwaltungsratsvorsitzende dieser Bank auf einer Pressekonferenz im Mai dieses Jahres die verbotenen Wertpapiergeschäfte umfangmäßig mit 85 Millionen DM beziffert hat und dann in der von Ihnen soeben zitierten Auskunft vom Juni dieses Jahres von verbotenen Wertpapiergeschäften von rund 312 Millionen DM gesprochen wird, die Addition dieser Summen, die Sie vorgelesen haben, aber schon 356 Millionen DM ausmacht — ohne die sogenannten Swap-Geschäfte, die ja summenmäßig überhaupt nicht bekanntgegeben worden sind .. .
Bitte knapp, Herr Kollege.
... — jetzt kommt das Komma, Herr Präsident —, läßt sich dann feststellen, wie hoch die Inflationsgefahr etwa zu bewerten ist, die von diesen Geschäften ausging?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege! Ich bin bei der letzten Fragestunde in bezug auf dieses Thema gefragt worden, ob ich in den Geschäften einen eklatanten Verstoß gegen die Stabilitätspolitik der Bundesregierung sehe. Ich habe eindeutig gesagt: Es war ein eklatanter Verstoß.
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17896 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Teilen Sie dann, Herr Staatssekretär, die Auffassung, die von anderen Banken geteilt worden ist, daß mit diesen illigalen Transaktionen — und jetzt wörtlich — „eine perfektionistische Inflationsmaschine in Gang gesetzt worden ist"?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich werte die in der Darstellung von anderen Banken gemachten Äußerungen. Ob ich sie voll und ganz teilen kann, müßte ich nachprüfen. Ich kann hier nur wiederholen: Der Schaden für die Gefährdung der Maßnahmen zur Stabilität der Währung ist ziffernmäßig nicht festzustellen. Aber es ist ein eklatanter Verstoß.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß in keiner Bank der Welt solche Geschäfte, vor allem Geschäfte solchen Umfangs, die ja tägliche Geschäfte sind, unter die Kontrollpflicht des Aufsichtsorgans fallen und daß sofort, als die Geschäfte bekannt wurden, personelle Konsequenzen gezogen wurden? Sie selber stehen einem Aufsichtsrat vor und wissen, welche Möglichkeit Sie dort haben, Kontrolle dieser Art in solche Geschäfte hinein auszuüben.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich bin nicht sicher, wie es mit den Konsequenzen ist, die gezogen worden sind. Denn das Vorstandsmitglied ist nach in der Öffentlichkeit gegebenen Darstellungen nicht wegen der Geschäfte, sondern aus Gesundheitsgründen zurückgetreten.
Im übrigen, lieber Herr Kollege Dr. Sprung, habe ich natürlich in der Kürze der Zeit nicht bei allen Banken der Welt nachfragen können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß die hier in Rede stehenden Geschäfte nicht nur von der Landesbank von Rheinland-Pfalz, sondern auch von den Tochtergesellschaften dieser Landesbank mit Sitz in der Schweiz und auf den Bahamas getätigt worden sind?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich bestätige Ihnen, Herr Kollege, das, was der rheinland-pfälzische Finanzminister in einer Pressekonferenz und in Beantwortung einer Anfrage gesagt hat. Zu der von Ihnen gestellten Frage sage ich Ihnen, daß ich das nicht bestätigen will, aber auch nicht dementieren kann.
Vizepräsdent Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Abgeordneter Leicht, Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Kollege Haehser, können Sie mir bestätigen, daß die Ermittlungen der Oberfinanzdirektion Hannover, die zuständig war, weder eine Mitverantwortung noch ein Mitverschulden sonstiger Organe oder weiterer Bediensteter der Bank — außer den beiden von Ihnen genannten — ergeben haben und daß die Verstöße gegen Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts ausschließlich auf einem Fehlverhalten dieser beiden Einzelpersonen und nicht auf organisatorischen Mängeln beruhen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich würde eine Antwort für mich ganz privat geben, Herr Kollege Leicht. Wenn ich der Vorsitzende des Verwaltungsrats eines so großen Instituts wäre, würde ich Weisung getroffen haben, daß mir über Geschäfte in der Größenordnung von mehreren hundert Millionen DM berichtet wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Seiters.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß auch die Norddeutsche Landesbank Geschäfte dieser Art abgewickelt hat, als der niedersächsische SPD-Finanzminister Kasimier Aufsichtsratsvorsitzender war?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich bin nach der Norddeutschen Landesbank nicht gefragt. Ich stelle Ihnen aber anheim, die günstige Gelegenheit der Fragestunde in der nächsten Woche wahrzunehmen.
Herr Abgeordneter Dr. Graß!
Herr Staatssekretär, sind Sie wenigstens in der Lage, anzugeben, in welchem Verhältnis die von der Landesbank Rheinland-Pfalz auf eigene Rechnung getätigten Geschäfte summenmäßig zu den in der gleichen Weise bei anderen Landesbanken getätigten Geschäften stehen?Haehser, Parl. Staatssekretär: Es war ein eklatanter Verstoß, wie ich nun zum x-ten Male sagen konnte.
Ich will meine Zurückhaltung nicht aufgeben, die Sie, diese Themen betreffend, aus der letzten Fragestunde kennen. Ich habe mich deswegen auch auf das bezogen, was Herr Finanzminister Gaddum selber geantwortet hat. Ich würde meine Zurückhaltung aufgeben, auch gegenüber anderen Banken, wenn ich Ihnen jetzt die Frage beantworten würde, die Sie gestellt haben.
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Meine
Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir allmählich zu Ende kommen. — Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß gegen weitere Banken wegen derartiger Geschäfte ermittelt wird und diese Ermittlungen wegen unklarer Tatbestände in der Verordnung, die solche Geschäfte unmöglich machen sollte, noch nicht abgeschlossen werden konnten?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich will hier so antworten wie auf eine Frage des Kollegen Uwe Jens. Ich habe geantwortet: Ich will Ihnen das nicht bestätigen, ich kann das auch nicht dementieren.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Weber auf:
Hat die Bankenaufsicht bereits ihre Ermittlungen aufgenommen, und wann ist mit einem Ermittlungsbericht zu rechnen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Weber, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen stützt sich bei der Überprüfung der Angelegenheit auf die Prüfungs- und Ermittlungsberichte der Oberfinanzdirektion und der Landeszentralbank. Die Überprüfung ist abgeschlossen.
Sind Sie in der Lage, Herr Staatssekretär, das Ergebnis mitzuteilen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Nun, das Ergebnis, Herr Kollege Weber, ist weitgehend in der Antwort auf Ihre erste Frage mitgeteilt worden, zwar aus meinem Munde, aber es war der Text der rheinlandpfälzischen Landesregierung, der am Schluß lautet:
Die Initiative zu den Gesetzesverstößen - um die handelt es sich nämlich —
ging von einem ausländischen Kreditinstitut aus.
Eine letzte Zusatzfrage.
Hat die Bankaufsicht Erklärungen und Feststellungen abgegeben bzw. getroffen, daß diese Verstöße bereits in den Jahren 1972 bis 1974 vorgekommen sind und daß sie selbst im Jahre 1975 nur bruchstückweise bekanntgegeben worden sind, nämlich so, wie die Zahlen von dem Verwaltungsratsvorsitzenden jeweils herausgelockt worden sind?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich befürchte, Ihnen diese Frage mit Ja beantworten zu müssen.
Herr Abgeordneter Köhler und Herr Abgeordneter Lemmrich haben um schriftliche Beantwortung der eingereichten Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe jetzt die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Tillmann auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß im Zuge der Reform der Körperschaftsteuer eine Regelung getroffen wurde, die den gemeinnützigen Vereinen einen Überschuß von jährlich 20 000 DM steuerlich freistellt, und wenn ja, um welche Regelung handelt es sich dabei, und wie errechnet sich die oben genannte Summe?
Bitte.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Tillmann, gemeinnützige Vereine sind nach der Körperschaftsteuerreform — übrigens ebenso wie nach geltendem Recht — grundsätzlich von der Körperschaftsteuer befreit. Die Steuerbefreiung gilt auch für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, soweit es sich hierbei um sogenannte Zweckbetriebe im Sinne der §§ 65 bis 68 der neuen Abgabenordnung handelt. Nur soweit gemeinnützige Vereine wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten, die nicht Zweckbetriebe sind, unterliegen die Vereine der Körperschaftsteuer. Die Besteuerung dieser Geschäftsbetriebe wird aber durch die Freibetragsregelung gemildert, die im Zuge der Körperschaftsteuerreform allgemein für kleinere Körperschaften vorgesehen ist.
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Vor dem Hintergrund der bisher vorliegenden ergänzenden Stellungnahmen wird der Ausschuß noch über das weitere Verfahren zu entscheiden haben. Er wird u. a. den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit um Mitberatung bitten und vom Familienministerium eine zusätzliche Stellungnahme einholen.In einem anderen Fall, den ich Ihnen hier vortragen möchte, haben sich zwei Fraktionen der Gemeindevertretung von List auf Sylt sowie unmittelbar betroffene Bürger an den Ausschuß gewandt und vor allem darüber geklagt, daß in der Nähe von bewohnten Gebieten eine Standortschießanlage der Bundesmarine ausgebaut werde. Das Bundesministerium der Verteidigung betonte demgegenüber vor allem die Notwendigkeit einer Schießausbildung im Grundwehrdienst der Bundeswehrsoldaten, verwies auf eine Reihe von geplanten Schallschutzmaßnahmen und erklärte zugleich, daß eine Verlegung dieses Schießunterrichts in eine andere Gegend mit erheblichem Kostenaufwand verbunden wäre. Auf der anderen Seite muß natürlich dafür gesorgt werden, daß der Kurbetrieb auf der ohnehin lärmüberfluteten Insel Sylt nach Möglichkeit nicht zusätzlich gestört wird.
Das gilt gerade für die Gemeinde List, in deren Nähe sich unter anderem ein großes Naturschutzgebiet befindet.Das Verteidigungsministerium hat dem Ausschuß Maßnahmen erläutert, durch die eine Schallminderung erreichbar zu sein scheint, und weitere Überlegungen angekündigt, wie dieses Problem befriedigend gelöst werden kann.Dieser Fall wird neben anderen den Ausschuß noch in den kommenden Monaten beschäftigen; denn trotz der tagungsfreien Wochen und Monate müssen wir uns selbstverständlich auch weiterhin mit den in den Eingaben aufgeworfenen Problemen befassen. Es entsteht zwar für uns, die Mitglieder im Ausschuß, eine gewisse Schwierigkeit dadurch, daß das Plenum längere Zeit hindurch vermutlich nicht tagen wird und deshalb die monatlichen Sammelübersichten nicht annehmen kann. Wir werden dieses Problem aber mit Hilfe von Vorwegbescheiden zu lösen versuchen, ähnlich wie bisher während der parlamentarischen Sommerpausen.
Erfolgreich hat sich der Petitionsausschuß schließlich in die Bemühungen um eine Beschleunigung der Rentenzahlungen ins Ausland sowie eine Abkürzung der Laufzeit zwischenstaatlicher Rentenverfahren eingeschaltet. Er hat mit einem Schreiben an die EG-Kommission die Bemühungen des Arbeitsministeriums unterstützt, im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft schnellere Rentenzahlverfahren zu erreichen. Nachdem sich vor allem beim Rentenzahlverfahren nach Italien erhebliche Schwierigkeiten gezeigt hatten, lag uns daran, für die rund 20 000 bis 30 000 im Ausland lebenden deutschen Rentner eine befriedigende Lösung zu erreichen. Inzwischen ist durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft dafür gesorgt worden, daß die Überweisungen künftig unbürokratisch und schneller erfolgen.Da dies, meine Damen und Herren, der letzte mündliche Bericht ist, den der Petitionsausschuß in dieser Wahlperiode erstattet, erlauben Sie mir nunmehr einen kurzen Rückblick auf die in der Zeit seit dem 13. Dezember 1972 geleistete Arbeit. Zunächst ist ein Blick in die Statistik aufschlußreich. Die Zahl der Petitionen, die früher zwischen 6 000 und 7 000 pro Jahr schwankte, ist inzwischen kontinuierlich von über 8 000 im Jahre 1973 auf 11 400 im vergangenen Jahr gestiegen. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind sogar fast 9 000 Eingaben eingegangen, also mehr als 1973 in einem ganzen Jahr. Ich meine, wir sollten es mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, daß sich immer mehr Bürger auf dieses außerordentlich bedeutsame Grundrecht besinnen, das ihnen die Möglichkeit gibt, über alle Rechtsmittel und Instanzen hinweg sich an die Volksvertretung mit Bitten und Beschwerden direkt zu wenden, gerade auch in jenen Fällen, wo Recht und Gesetz allein nicht ausreichen.
Welche Bedeutung die Aufgabe des Auschusses hat, zeigt die Tatsache, daß kürzlich ein Senat des
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17904 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
WernerBundesarbeitsgerichts den Petitionsausschuß ausdrücklich um Unterstützung für einen Mitbürger bat, dem das Gericht aus formalen Gründen nicht helfen konnte.Erfreulicherweise wird die Bedeutung der Arbeit des Petitionsausschusses auch in der Öffentlichkeit immer stärker erkannt und gewürdigt. So wenden sich immer häufiger Fernsehen, Funk und Presse an den Ausschuß mit dem Vorschlag, interessante Einzelfälle darzustellen, teilweise sogar in längeren Sendereihen. Die Zahl der Arbeiten, die an Schulen, Hochschulen usw. über das Petitionsrecht geschrieben werden, hat ebenfalls zugenommen, entspricht aber noch nicht der Bedeutung, die diesem in unserer Verfassung verankerten Grundrecht zukommt.Besonders erfreulich ist auch die Tatsache, daß es nach langjährigen Vorarbeiten im Juli 1975 endlich gelungen ist, dem Petitionsausschuß erweiterte Rechte zu geben, die ihn in die Lage versetzen, seine Kontrollfunktion besser als bisher wahrzunehmen. In Härtefällen konnte deshalb durch unmittelbaren Kontakt mit den zuständigen unteren Behörden häufig sehr schnell geholfen werden.
Die unzulängliche personelle Ausstattung des Hilfsdienstes des Ausschusses hat es bisher allerdings verhindert, daß von diesem Recht in größerem Umfange Gebrauch gemacht werden konnte, insbesondere von der Möglichkeit, Akten anzufordern und einzusehen.
Der Ausschuß hofft, daß nach der von der Ausschußvorsitzenden veranlaßten Überprüfung durch den Bundesrechnungshof hier Abhilfe geschaffen wird.
Ein weiteres Problem bereitet uns unverändert Sorge. Der Ausschuß muß nämlich nicht selten monatelang auf die Auskünfte der Bundesregierung zu Petitionen warten. Gewiß gibt es Fälle, die so kompliziert gelagert sind, daß eine kurzfristige Stellungnahme nicht möglich ist, vor allen Dingen dann, wenn zahlreiche Behörden beteiligt sind oder gar die Länder gehört werden müssen. Es gibt aber viele andere Fälle, in denen wir begründeten Anlaß zur Kritik an der Bearbeitungszeit haben. Es ist nicht einzusehen, daß sich Ermittlungen über relativ einfache Sachverhalte monatelang hinziehen und immer wieder an die erbetenen Stellungnahmen erinnert werden muß.
Es geht auch nicht an, daß der Mitbürger, der sich an uns wendet, erst nach langer Zeit einen Bescheid erhält. Als in einem Einzelfall ein Staatsminister des Auswärtigen Amtes sogar versuchte, dem Ausschuß Informationen zu verweigern, hat dies erst durch die persönliche Einschaltung des Herrn Bundesaußenministers eine Erledigung gefunden, die der Ausschuß akzeptieren konnte.
Erfreulicherweise ist es bei diesem Einzelfall geblieben.Als Gegenbeispiel möchte ich die besonders gute Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hervorheben, die in einer Reihe von schwierigen Fällen zu Erfolgen geführt hat, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung hatten. Insgesamt möchte ich aber noch einmal ausdrücklich an die Bundesregierung appellieren, entsprechend der Bedeutung des Grundrechts des Art. 17 des Grundgesetzes den Petitionen die nötige Aufmerksamkeit zu widmen
und dem Petitionsausschuß die gewünschten Auskünfte in angemessener Zeit zu geben.
Ich meine, daß sich, alles in allem, die „Notrufsäule der Nation", wie sie einmal genannt wurde, gerade auch in der vergangenen Legislaturperiode bewährt hat als Anwalt des Bürgers, als Mittler zwischen Bürger, Parlament und Verwaltung, als ein Ausschuß, der nicht zuletzt dazu beitragen kann, das Ansehen unseres Parlaments in der Bevölkerung zu stärken.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht zusätzlich begehrt. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe nunmehr die Punkte 7 und 8 der Tagesordnung auf:7. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Modernisierung von Wohnungen
— Drucksache 7/4550 —aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/5443 —Berichterstatter: Abgeordneter Simpfendörferbb) Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
— Drucksachen 7/5374, 7/5410 —
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17905
Abgeordneter Dr. Klein
Abgeordneter Krockert
b) Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Wohnverhältnisse
— Drucksache 7/4551 —
aa) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Gechäftsordnung
— Drucksache 7/5443 —
Berichterstatter: Abgeordneter Simpfendörfer
bb) Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
— Drucksachen 7/5374, 7/5410 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Klein
Abgeordneter Krockert
8. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Wohngeld- und Mietenbericht 1975
zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Schneider, Mick, Dr. Müller-Hermann, Höcherl und der Fraktion der CDU/ CSU
betr. Ziele und Aufgaben der Wohnungspolitik
— Drucksachen 7/4460, 7/3631, 7/5012 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Nordlohne Abgeordnete Frau Meermann
Meine Damen und Herren, wir wollen so verfahren, daß wir zunächst den Punkt 7 abschließend behandeln und dann zum Punkt 8 kommen. Ich frage zunächst, ob von den Berichterstattern eine Ergänzung der vorgelegten Berichte gewünscht wird. — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich danke der Frau Berichterstatterin und den Herren Berichterstattern für die vorgelegten Berichte.
Ich schlage vor, daß wir nunmehr in die zweite Beratung der Drucksache 7/5374 eintreten. Hierzu liegen Änderungsanträge auf den Drucksachen 7/5425, 7/5426, 7/5427 und 7/5428 vor. Ich schlage Ihnen vor, daß diese Änderungsanträge in der Aussprache, die wir zu Beginn der zweiten Beratung
durchführen, begründet werden bzw. daß zu ihnen Stellung genommen wird. Der Inhalt ist bekannt. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Krockert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne diese Aussprache angesichts eines Hauses, von dem ich die Hoffnung habe, daß es sich im Verlauf der Aussprache etwas mehr füllen wird, als es gegenwärtig der Fall ist.
Ich meine, die Wichtigkeit der Sache — Wohnungsmodernisierungsgesetz — rechtfertigt diesen Wunsch durchaus.Zu den beiden Vorlagen, die uns zur Beschlußfassung vorliegen, darf ich folgendes bemerken. Bei der parlamentarischen Beratung der Modernisierungsgesetzentwürfe hatten wir es mit einer Reihe von Zielkonflikten zu tun, für die jeweils ein Ausgleich zu finden war. Einmal besteht ein öffentliches Interesse an einer breiten privaten Investitionstätigkeit zur Wohnraumverbesserung, andererseits ist dem Rechts- und Sicherheitsbedürfnis ebenso vieler Mieter Rechnung zu tragen. Einmal soll die Rentabilität der Wohnraumverbesserung für den Vermieter gesichert sein, andererseits darf die wirtschaftliche Belastbarkeit der Mieter darüber nicht vergessen werden. Auf der einen Seite soll im Einzelfall ein möglichst hoher Verbesserungseffekt erzielt werden, auf der anderen Seite stehen nur knappe öffentliche Mittel zur Verfügung.Das wohnungspolitische Ziel muß möglichst breit wirksam werden. Das städtebauliche Bedürfnis erfordert häufig räumliche Konzentration des Mitteleinsatzes. Hinzu kommt noch die unterschiedliche Interessenlage der Länder und des Bundes beim Einsatz der Mittel. Darauf darf ich nur am Rande verweisen. Es wird ja bereits durch das Vorliegen zweier Entwürfe, eines Regierungs- und eines Bundesratsentwurfs, deutlich, daß man sich derselben Zielsetzung von unterschiedlichen Ansatzpunkten her nähern mußte. Wir haben uns bemüht, bei diesen jeweils im Konflikt befindlichen Zielsetzungen den gangbaren mittleren Weg zu finden.Es gab noch eine zusätzliche Schwierigkeit, von der ich auch reden muß: Wir befanden uns in einer parlamentarischen Beratungssituation, gegen Ende der Legislaturperiode, die eine erhöhte Bereitschaft erforderte, Konfliktstoff möglichst auszuräumen und einen Vermittlungsgang nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Koalitionsfraktionen haben sich deshalb sehr konzessionsbereit gezeigt und erhebliche Schritte auf den Bundesrat zu ermöglicht. Wir konnten dies deshalb tun, weil es bei alle dem nicht so sehr um eine Entscheidung im Grundsätzlichen geht, sondern nur darum, den von allen gewünschten Mitteleinsatz so rationell und praktikabel wie möglich zu gestalten.Dabei konnten freilich nicht alle Wünsche erfüllt werden, so berechtigt manches der vorgetragenen Anliegen war. Ich denke dabei insbesondere an die Anhörung, aber auch an so manches andere, was uns im Laufe der Beratung vorgetragen wurde. Dazu ge-
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Krockerthört etwa der Wunsch, über den bloßen Einsatz von Förderungsmitteln hinaus die gesetzliche Grundlage für eine breit angelegte Modernisierungspolitik zu schaffen und diese systematisch mit einem erneuerten Konzept staatlicher Wohnungsbaupolitik zu verzahnen, das von Bund und Ländern gemeinsam zu entwickeln wäre.Nun bin ich zwar überzeugt, daß es zu einem solchen Konzept kommen muß und wird; es wäre aber nicht ratsam, mit einer gesetzlichen Regelung der Modernisierungsförderung so lange warten zu wollen, bis all die schwierigen Voraussetzungen für ein solches Konzept geschaffen sind. Wir meinen, dieses Gesetz kann und soll jetzt entstehen. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es verbaut nichts, und es ist jederzeit ergänzungsfähig.Begreiflich ist auch das von anderer Seite vorgetragene Anliegen, das Modernisierungsgesetz gewissermaßen in Ergänzung zum Städtebauförderungsgesetz so auszustatten, daß es für die Gemeinden ein zusätzliches Instrument ihrer Städtebaupolitik darstellt. Die Einbeziehung vorbereitender Untersuchungen etwa und gemeindlicher Infrastrukturmaßnahmen würde die Gemeinden in der gegenwärtigen Finanzlage aber erheblich belasten. Bund und Länder sind andererseits zur Zeit nicht imstande, den Gemeinden dafür zusätzliche Mittel in Aussicht oder gar zur Verfügung zu stellen. So muß es zunächst bei der Schwerpunktregelung dieses Gesetzes bleiben. Die Länder haben die Möglichkeit, denjenigen Gemeinden einen Vorrang einzuräumen, die sich in ihren Schwerpunkten zusätzlich engagieren.Ich komme zu einem weiteren Punkt. Er betrifft das Rechtsverhältnis zwischen Eigentümern und Mietern, das ebenfalls abgewogen werden mußte. Der Regierungsentwurf sah in dieser Hinsicht ursprünglich eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches vor. Danach sollte der Mieter einer verschärften Duldungspflicht unterworfen werden, wenn eine Verbesserung der Wohnung vorgenommen wird. Gegen diese Änderung der Rechtslage der Mieter haben sich bei uns erhebliche Bedenken erhoben. Das Ziel war sicher, die private Investitionsbereitschaft zur Verbesserung von Wohnraum auch da zu wecken, wo keine öffentlichen Förderungsmittel zur Verfügung gestellt werden. Es wird auch zutreffen, daß diese Investitionsbereitschaft nicht selten darunter gelitten hat, daß die Duldung einzelner Mieter nur schwer zu erreichen war. Wir Sozialdemokraten meinen im übrigen auch gar nicht, daß das private Investitionsgeschehen ausschließlich durch öffentliche Förderungsmittel beeinflußt werden soll; das ist ja bekannt. Wenn aber in die Rechte betroffener Dritter eingegriffen werden soll, halten wir äußerste Vorsicht für geboten. Wir glauben nicht, daß das Recht der Mieter ohne weiteres den investitionspolitischen Zielen unterworfen werden sollte, selbst um den Preis eines wirtschaftlichen Verdrängungseffekts. Darum haben wir die verstärkte Duldungspflicht auf die geförderte Modernisierung beschränkt. Sie, die geförderte Modernisierung, setzt nämlich der Verbesserung einen gewissen Rahmen, und dieser Rahmen wird auch der Interessenlagedes Mieters bis zu einem gewissen Grade schon vorab gerecht.
So wird in diesem Gesetz gefordert, daß der Gebrauchswert der Wohnung dadurch nachhaltig erhöht werden muß. Dies ist ja schließlich nicht bei jeder Verbesserung von Wohnraum der Fall. Es wird weiter gefordert, daß diese Erhöhung des Gebrauchswertes in einem vernünftigen Verhältnis zur Lebenserwartung des Gebäudes stehen muß. Es wird außerdem gefordert, daß eine Erhöhung der Miete, die unumgänglich ist, doch tragbar bleibt. Durch die Anrechnung der Förderung wird im übrigen sichergestellt, daß die Weitergabe des Subventionseffekts an den Mieter dabei zum Tragen kommt.Damit sind also Art und Umfang der Verbesserung ebenso unter Kontrolle wie die Auswirkungen auf die Miete. Wir halten es daher auch für gerechtfertigt, dem Mieter in diesem Rahmen eine stärkere Duldungsverpflichtung aufzuerlegen. Wir halten es aber nicht für gerechtfertigt, eine solche verstärkte Duldungspflicht für alle Arten von Verbesserung von Wohnraum einzuführen und damit Folgen auszulösen, die wir nicht in der ganzen Extension, die wir verursachen, übersehen und kontrollieren können.Ich gehe damit gleichzeitig auf einen der Ihnen vorliegenden Änderungsanträge ein; denn unsere Bedenken, die wir gegen die ursprüngliche Fassung des Regierungsentwurfes an dieser Stelle gehabt haben, beziehen sich auch auf den Änderungsantrag der Opposition, der zum Ziel hat, unsere auf die Wohnraummodernisierung beschränkte Regelung nun doch wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch und damit in das allgemeine Vertragsrecht einzufügen. Wir sind der Meinung, daß die Duldungspflicht des Mieters bei Verbesserungsmaßnahmen nicht undifferenziert auf alle Fälle ausgedehnt werden darf, selbst wenn dabei, wie das in Ihrem Änderungsantrag der Fall ist, auch die Auswirkung auf die Miete berücksichtigt wird. Verbesserung von Wohnraum an sich ist nicht in jedem Falle so wunderschön und so wünschenswert, daß sie immer den Mieterinteressen vorgeordnet werden könnte. Die Gefahr eines Herausmodernisierens von Mietern ist nicht von der Hand zu weisen.Nach unserer Konzeption wird die Duldungspflicht des Mieters nur dort ausgedehnt, wo öffentliche Mittel zur Modernisierung eingesetzt worden sind. Das hat folgende Vorteile. Erstens. Nach der Modernisierung wird die Erhöhung der Miete geringer sein als bei ausschließlich privater Finanzierung, da die durch öffentliche Mittel gedeckten Kosten der Modernisierung nicht auf die Mieter umgelegt werden dürfen. Zweitens. Es handelt sich nur um solche Modernisierungsmaßnahmen, die wohnungspolitisch sinnvoll sind. Drittens. Wegen des Einsatzes öffentlicher Mittel kann die Verwaltung die Mietpreisgestaltung zugunsten des gegenwärtigen Mieters, in gewissem Sinne sogar auch für die künftigen Mieter unter Kontrolle behalten.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17907
KrockertIch komme damit zu einem weiteren Änderungsantrag der Opposition, den Sie auf Drucksache 7/5425 finden. Es handelt sich um einen neu einzufügenden § 20 a, der überschrieben ist: „Kündigung des Mietverhältnisses". Wir meinen, daß auch dieser Änderungsantrag abgelehnt werden muß. Er bezweckt, dem Vermieter in solchen Fällen ein Kündigungsrecht zu geben, in denen der Mieter Modernisierungsmaßnahmen wegen ihrer unzumutbaren Auswirkungen auf die Miete nicht hinzunehmen braucht. Auf dem Wege dieses Spezialgesetzes wird dem Vermieter also gewissermaßen ein Kündigungsweg gewiesen, der im Bürgerlichen Gesetzbuch für ganz andere Fälle vorgesehen ist. Eine solche Kündigungsmöglichkeit, wie sie der Änderungsantrag der CDU/CSU anstrebt, darf es nach unserer Auffassung nicht geben; ansonsten könnte das vom Gesetz vorgesehene ausgewogene Verhältnis zwischen berechtigten Vermieterinteressen einerseits und den berechtigten Mieterinteressen andererseits nicht gewahrt werden.Der Vermieter könnte nämlich dem Mieter von vornherein sagen: Die Modernisierung, die Verbesserung von Wohnraum kann ich ja doch in jedem Falle durchsetzen. Du, mein lieber Mieter, mußt sie entweder hinnehmen, oder du mußt mit der Kündigung nach dem BGB rechnen. Viele Mieter würden sich deshalb auf Modernisierungen einlassen, die sie nach dem Willen des Gesetzgebers nicht hinzunehmen bräuchten.Damit widerspricht dieser Änderungsantrag auch dem, was wir im Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz vom 18. Dezember 1974 beschlossen haben. Dort wurde nämlich geregelt, daß eine Kündigung des Vermieters nicht der Möglichkeit dienen soll, vom Nachmieter eine höhere Miete zu erzielen. Der Änderungsantrag würde diesen Grundsatz umgehen. Eine durch die Modernisierung bedingte hohe Miete, die der gegenwärtige Mieter nicht mehr zahlen kann, wäre dann vom Nachmieter zu zahlen.Der Änderungsantrag würde überdies zu einem unpraktikablen Ergebnis führen. In dem Räumungsprozeß müßte nämlich geklärt werden, ob die Modernisierung dem Mieter zuzumuten gewesen wäre. War sie ihm zuzumuten, dann ging die Kündigung ins Leere; die Räumungsklage ist abzuweisen. Da ist die Lösung des gegenwärtigen Rechts praktikabler, nämlich daß vor Gericht nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen des Mietverhältnisses gestritten wird, sondern allein zur Diskussion steht, ob der Mieter bestimmte Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters zu dulden hat.Ich muß noch auf einen weiteren Änderungsantrag eingehen. Ich tue es ganz kurz, weil meine Zeit abläuft. Die Änderung des Einkommensteuergesetzes — Sie finden das in dem auf rotem Papier vervielfältigten Änderungsantrag zu § 25 auf Drucksache 7/5427 — und die Änderung des Wohnungsbauprämiengesetzes — wofür nach der Drucksache 7/5428 ein neuer § 25 a eingefügt werden soll — sind etwas, worüber wir an sich diskutieren könnten. Wir haben ja auch im Fachausschuß unsere Bereitschaft dazu zu erkennen gegeben.Wir sind aber auf das Veto des Finanzausschusses gestoßen. Nach Lage der Dinge ist ein solches Veto selbst dann unüberwindlich, wenn wir als Wohnungspolitiker bei einzelnen Argumenten, mit denen das Veto vorgetragen wurde, aus anderen Prioritäten möglicherweise zu anderen Schlüssen kämen. Wir nehmen zur Kenntnis, daß der Finanzausschuß jedenfalls in Aussicht gestellt hat, daß im Zuge einer Weiterführung der Steuerreform auf dieses Problem zurückgekommen werden kann. Wir rechnen damit. Wir verlassen uns darauf. Wir sind deshalb bereit, gegenwärtig auf eine Weiterverfolgung derartiger Pläne zu verzichten. Wir meinen deswegen, daß es besser ist, den Entwurf jetzt so anzunehmen, wie er den Fachausschuß verlassen hat,
und das übrige späteren Beratungen zu überlassen.Abschließend darf ich Sie bitten, dem Entwurf, wie er jetzt aus dem Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau gekommen ist, zuzustimmen. Wir halten ihn für ausgewogen und praktikabel, und das ist das Äußerste, was in der gegenwärtigen Situation von einem solchen Gesetzentwurf zu erwarten war.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klein .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführung des Kollegen Krockert reizen in mehreren Punkten zur direkten Erwiderung. Kollege Krokkert, ich werde versuchen, bei den einzelnen abzuhandelnden Punkten darauf zu erwidern. Ich weiß sehr genau, daß an entscheidenden Stellen, wo die Union aus wohnungspolitischer Verantwortung Alternativen und Verbesserungsvorschläge vorgelegt hat, Sie mit Ihrem Herzen auf unserer Seite sind. Wir wissen alle, wie Sie als Wohnungsbaufachleute von denen, die in Ihrer Fraktion politisch stärker als Sie sind, zugunsten sachfremder und ungenügender Lösungen gebremst worden sind.Wir stehen vor einer Lage, in der eine gesetzliche Regelung sicher dringend notwendig ist. Wir von der Union haben das Thema der Modernisierung zu Anfang dieser Legislaturperiode auf den Tisch gelegt, und wir haben es auf dem Tisch gehalten. Ich darf daran erinnern, daß wir schon ganz am Anfang des Jahres 1973 als Fraktion eine entsprechende Anfrage im Bundestag eingebracht haben, die anschließend recht unbefriedigend beantwortet wurde. Wir wissen alle, eine wie schwere Geburt dieses Modernisierungsgesetz in den Reihen der Regierung war. Wenn Sie, Herr Kollege Krockert, davon sprechen, daß wir am Ende der Legislaturperiode unter einen gewissen Zeitdruck gekommen sind und daß ein hohes Maß an Kompromißbereitschaft notwendig war, um hier miteinander über die Runden zu kommen, dann kann ich Ihnen nur zustimmen. Allerdings den bedauernden Unterton, der bei Ihnen mitklang, müßte man auf Ihre eigenen Reihen zurückfallen lassen. Denn es war eben eine
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17908 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Dr. Klein
jahrelange Schwergeburt, und — um in diesem Bild zu bleiben — am Ende wurde dann aus dieser Schwergeburt eine Sturzgeburt. Wir hätten gewünscht, daß die Beratungen in einer ruhigeren Atmosphäre hätten erfolgen können und daß dann auch Sie noch in der Lage gewesen wären, vielleicht das eine oder andere noch besser zu machen, als es uns hier heute vorliegt.Etwa sechs Millionen Wohnungen in diesem Lande genügen nicht den Anforderungen zeitgemäßer Wohnbedürfnisse. Wir wissen alle: Der Boom des Bauens auf der grünen Wiese ist vorbei. Es geht darum, die gewachsenen Stadt- und Gemeindestrukturen auf einem zeitgemäßen Niveau lebensfähig zu erhalten, höhere Lebensqualität für die Bewohner älterer Wohnquartiere zu erreichen. Dies ist sicher eine der großen gesellschaftspolitischen Aufgaben, die in den nächsten Jahren angepackt werden müssen. Wenn dafür von Bund und Ländern in diesem Jahr nur 300 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden, dann sieht man daran: Dies ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, den die öffentliche Hand hier zur Verfügung stellt.Es kommt ganz wesentlich darauf an, die Wohnungsmodernisierung auf eine bessere Grundlage für diejenigen zu stellen, die aus freier Initiative bereit und in der Lage sind, Wohnungen zu modernisieren.
Nur so kann es gelingen, Wohnungsmodernisierung zu einem wohnungspolitischen Massenphänomen zu machen. Dies ist sicher notwendig, wenn wir unserer Zielsetzung gerecht werden wollen. Dazu schafft der Regierungsentwurf, so wie er uns hier vorliegt, leider nicht die notwendigen Voraussetzungen. Die Unionsfraktion wird dieses Gesetz daher ablehnen, sofern Sie den Anträgen, die wir hier vorgelegt haben, nicht Ihre Zustimmung geben.Übrigens läßt sich am Beispiel dieses Gesetzes die typische Denk- und Handlungsweise der Regierungskoalition nachweisen: einerseits Überbetonung des Bereichs, in den die öffentliche Hand selber handelnd eingreift, andererseits Vernachlässigung, ja, Hemmung staatsfreier Initiativen. Mehr als 80 % aller Modernisierungsmaßnahmen werden auch in Zukunft ohne Zuschüsse und ohne Darlehen des Staates erfolgen müssen. Hier private Initiative zu erleichtern ist unabdingbar, wenn Modernisierung im Interesse der Bewohner unserer älteren Wohnquartiere, d. h. vor allen Dingen im Interesse sozial nicht gerade starker Mieter,
ausgedehnt werden soll. Dazu trägt dieser Gesetzentwurf leider ungenügend bei. Er sieht nämlich lediglich Regelungen für die Fälle vor, in denen Modernisierung durch Zuschüsse und Darlehen staatlich direkt subventioniert wird, also für die Minderheit, für höchstens 10 bis 20 % aller Fälle.Es ist von unserer Seite anzuerkennen, daß die Koalition, allerdings — ich glaube, das müssen auch Sie offen bestätigen — weitgehend unter dem Druck der Unionsargumente, wenigstens in dem engen Bereich der öffentlich direkt subventionierten Fällenach und nach auf den Weg der Vernunft gebracht werden konnte.
Was war denn da ursprünglich alles vorgesehen? Da war ursprünglich vorgesehen, vor allen Dingen die Wohnungsaufsicht auszudehnen: Verbot der Zweckentfremdung von Wohnungen, ein zweites Modernisierungsgebot noch neben dem Modernisierungsgebot des Bundesbaugesetzes, Unbewohnbarkeitserklärung. Alle diese Dinge waren vorgesehen. Mittlerweile haben Sie, meine Damen und Herren, selber eingesehen — und wir beglückwünschen Sie dazu —, daß dies im Grunde bürokratischer Unfug war. Für diese Bereiche gibt es Rechtsvorschriften gesetzlicher Natur und Verwaltungsvorschriften der Länder. Aber war es eigentlich notwendig, frage ich, daß wir uns so lange mit diesem Unfug herumgeplagt haben, der nur zu einer weiteren Bürokratisierung und Verwaltungsaufblähung geführt hätte?Die Vorwürfe einer Bürokratisierung sind ja in der Öffentlichkeit mehrfach und zu Recht erhoben worden, auch in einem anderen Zusammenhang, nämlich in der Frage der Belegungsbindungen und der Einkommensgrenzen. Diesbezügliche Behördenkontrollen sollten auf solche Mieter zukommen, die nach der Modernisierung neu in eine modernisierte Wohnung einziehen würden.Ich habe das einmal mit Leuten durchgespielt, die aus der Verwaltungspraxis kommen und tagtäglich damit zu tun haben. Da hatte man den Eindruck, daß man hier 50 oder 100 Tage lang Beamte fahnden lassen müsse, um vielleicht einen oder zwei Fälle zu erfahren. In der Tat kann auch ich mir nicht vorstellen, daß es hier jemand begrüßen würde, wenn etwa nach einer Modernisierung das berühmte alte Mütterchen ausziehen und dafür jemand in die modernisierte Wohnung einziehen würde, der ein Großverdiener ist. In der Praxis kommt dieser Fall wahrscheinlich sowieso so gut wie gar nicht vor. Aber ist es notwendig, für diesen einen Fall, der auf Zigtausende einmal vorkommt, ein Beamtenheer zu beschäftigen? Dies ist doch eine Unangemessenheit der Mittel. Sie haben sehr, sehr lange gebraucht, ehe Sie das kapiert und uns in dieser Frage recht gegeben haben.Nehmen wir einen anderen Bereich. Die Regierung hatte vor, die Förderungsmittel fast ausschließlich auf Schwerpunkte zu konzentrieren, also auf zusammenhängende Gemeindegebiete. Diese sollten von obersten Landeshörden bestimmt werden. Das ist ein ganz deutlich zentralistischer Ansatz mit unangemessener Benachteiligung gerade der Mittelstädte und der kleineren Gemeinden und all der Vermieter und Mieter, die modernisierungswillig sind, aber das Unglück haben, außerhalb von Schwerpunkten zu wohnen. Auch dies ist auf den Druck der Unionsfraktion positiv verändert worden. Unser Motto heißt: Schwerpunktförderung ja, aber in ausgewogenem Verhältnis zur Förderung außerhalb der Modernisierungszentren.
Das Gesetz sieht nunmehr vor, die Förderungsmittel je zur Hälfte innerhalb und außerhalb von
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Dr. Klein
Schwerpunkten zu verwenden. Wir haben es immerhin auch geschafft, die Bildung von Schwerpunkten zur Sache der Gemeinden und nicht mehr in erster Linie der obersten Landesbehörden zu machen.
Auch folgendes darf man einmal deutlich sagen. Gegen den hinhaltenden Widerstand der Koalition konnte durchgesetzt werden, daß die praktische Vernunft auch noch in zwei anderen Bereichen Platz griff. Hier hat man sich von Ihrer Seite zunächst dagegen gewehrt, daß notwendige Instandsetzungsmaßnahmen in die Förderung einbezogen werden konnten. Im Ausschuß habe ich einmal gesagt: Die Förderung der Instandsetzung ist sicher unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten in einer gewissen Weise problematisch. Aber wenn wir Modernisierung auf die Schiene bringen wollen, wenn wir Modernisierung wirklich wollen, dann müssen wir die Realität akzeptieren, daß es ohne die Förderung notwendiger Instandsetzung überhaupt nicht geht, weil einer, der modernisieren will, vor allem in problematischen Altstadtgebieten, in Großstädten, zunächst einmal den Berg der Instandsetzung zu überwinden hat, ehe er sich überhaupt dem Problem der Modernisierung widmen kann.Auch in einem anderen Bereich mußte unsererseits etliches getan werden, nämlich die notwendigen Verbesserungen in der unmittelbaren Grundstücksumgebung in der Förderung einzubeziehen, etwa für private Kinderspielplätze, für Grünflächen, für Stellplätze usw.Schließlich sind wir von unserer Seite stolz darauf, daß wir dazu beigetragen haben, daß die Mietpreisbindung, wie sie in § 15 Abs. 2 vorgesehen war, durch eine neue Bestimmung ersetzt worden ist, in der wir ein Maximum an Vertragsfreiheit durchgesetzt haben.Ich darf an dieser Stelle, an der ich mich vor allem auch mit dem auseinandergesetzt habe, was in den Ausschußberatungen an Verbesserungen erarbeitet worden ist, einmal sehr herzlich den Kollegen Ihrer Fraktion danken — das sollte man auch einmal im Plenum tun —, insonderheit den Kollegen Krockert und Henke, daß sie gemeinsam mit uns diesen Weg der Vernunft gegangen sind. Allerdings — ich muß sagen: leider — sind sie auf diesem Weg nicht weit genug gegangen, sozusagen unverhofft vor dem Ziel — ich will nicht sagen: stehengeblieben, wahrscheinlich wohl nicht freiwillig stehengeblieben — wohl zum Stehen gebracht worden.Nüchtern betrachtet haben wir mit dem, was erreicht worden ist, lediglich erreicht, daß aus diesem Gesetz kein Wohnungsmodernisierungsverhinderungsgesetz geworden ist. Das bedeutet aber noch lange nicht, daß dieses Gesetz ein gutes Gesetz ist. Dazu wäre es nämlich unabdingbar erforderlich, daß man sich auch etwas für das Gros aller Modernisierungsfälle hätte einfallen lassen, nämlich für die mehr als 80 % der Fälle, in denen modernisiert werden müßte, ohne daß mit staatlichen Subventionen zu rechnen ist. Wie anders kann Modernisierung zum wohnungspolitischen Massenphänomen werden, wenn der Staat nur spärliche Finanzmittel zur Verfügung stellt, in diesem Jahr ganze 300 Millionen DM bei mehr als 6 Millionen modernisierungswürdiger Wohnungen in diesem Lande?Wir haben uns mit unseren Änderungsanträgen gerade auf den Bereich der freien Modernisierung, wie ich sie einmal nennen möchte, ausgerichtet. Herr Kollege Krockert hat versucht, unsere Anträge ein bißchen in das Licht der Mieterfeindlichkeit zu rükken. Herr Krockert, ich weiß ganz genau, daß Sie dies mit gutem Gewissen nicht tun können.
— Vielleicht ist das bei einem Pfarrer besonders schlimm; aber die Beichte gibt es bei evangelischen Pfarrern, soviel ich weiß, nicht. Insofern sei ihm das verziehen.
Aber Spaß beiseite, ich glaube, wir müssen uns über diesen wichtigen Punkt sehr ernsthaft auseinandersetzen. Herr Kollege Krockert, Sie sind von einem Interessenkonflikt ausgegangen: auf der einen Seite das Modernisierungsinteresse, auf der anderen Seite das Mieterinteresse. Dieser Denkansatz ist, in dieser Schärfe gestellt, sicherlich falsch. Er verstellt den Blick für die gesellschaftspolitische Notwendigkeit. Im Normalfall ist Modernisierungsinteresse und Mieterinteresse auf einer Linie, und nur in Ausnahmefällen kann es hier Spannungen und Kontroversen geben. Für diese Ausnahmefälle müssen wir Regelungen haben. Aber wer hat für diese Ausnahmefälle eine Regelung vorgeschlagen? Sie lassen dies so laufen, während wir hier einen Antrag eingebracht haben, dessen Berechtigung und dessen Sachgerechtigkeit Sie hier nicht in Frage stellen konnten.Das menschenwürdige Wohnen liegt doch wohl vor allen Dingen im Interesse der Mieter als Gesamtheit. Wenn das so ist, muß künftig verhindert werden, daß notwendige Modernisierungsmaßnahmen wie bisher am Widerstand einzelner Mieter, wobei dann das Interesse der Mieter als Gesamtheit gegen das Interesse eines einzelnen Mieters steht, scheitern können, es sei denn — dies betone ich —, der Mieter hat sehr schwerwiegende Gründe.Wir schlagen deshalb vor, den § 541 a BGB so zu ändern, daß dem Anliegen der Modernisierung mehr Raum als auf der bisherigen Rechtsgrundlage gegeben wird, daß aber gleichzeitig in Fällen unzumutbarer Härte für einzelne Mieter ein Riegel gegen unzumutbare bauliche Auswirkungen für den Mieter und gegen unzumutbare Mieterhöhungen vorgeschoben wird. Was wir hier vorgelegt haben, ist die Lösung, um zu verhindern, daß eine modernisierungsbedingte Mieterhöhung von etwa 70 oder 80 DM auf 300 oder 350 DM erfolgt. Genau dies zu verhindern, war aber doch Ihr erster Vorschlag, nämlich der Regierungsvorschlag, nicht imstande. Deswegen schlagen wir vor, eine Duldungspflicht des Mieters im Interesse der Modernisierung und damit im Interesse des Großteils der Mieter grundsätzlich17910 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976Dr. Klein
einzuführen, es sei denn—ich zitiere wörtlich—, „daß deren Durchführung oder bauliche Auswirkung oder Auswirkung auf die Miete für den Mieter oder seine Familie eine Härte bedeuten würde". Hier ist doch der Riegel gegen jedes mieterfeindliche Verhalten vorgeschoben. Das ist doch ganz deutlich. Ausgeschlossen ist die Duldungspflicht also im Fall der Härte auf Grund von Mieterhöhungen, wobei dann allerdings eine Abwägung unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters oder anderer Mieter stattfinden muß.Leider hat die Koalition in dieser wichtigen Frage bisher nichts zu bieten gehabt außer einem unverständlichen Zickzackkurs zwischen extrem mieterfeindlichen und extrem modernisierungsfeindlichen Lösungen. Hier muß man doch einmal deutlich herausstellen, was Sie selber gesagt und geschrieben haben — Sie haben es nicht unbedacht gesagt, sondern in der Begründung des Gesetzentwurfs geschrieben —: „Die Ziele des Gesetzes" — ich zitiere jetzt wörtlich — „können nur verwirklicht werden, wenn ... eine ausgewogene gesetzliche Regelung über die Duldung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durch den Mieter vorhanden ist ..." Was hatten Sie denn vorgeschlagen? Sie hatten vorgeschlagen, einen Paragraphen zu schaffen, nach dem der Mieter gegen ungerechtfertigte Mieterhöhungen überhaupt nicht geschützt wäre, ganz im Gegenteil. Nach Ihren Vorstellungen sollte es möglich bleiben, daß eine Mieterhöhung von 70 oder 80 DM auf 300 oder 350 DM vorgenommen wird. Von dieser extrem mieterfeindlichen Position sind Sie in das andere Extrem, nämlich in das der totalen Untätigkeit in dieser Frage, verfallen und haben nichts geschaffen. Sie lassen es bei dem gegenwärtigen § 541 a des Bürgerlichen Gesetzbuches, der eben modernisierungsfeindlich ist und damit auch nicht im Interesse der Mieter liegt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zu den weiteren Änderungsanträgen sagen.Von uns ist zur Absicherung für den Mieter ein § 20 a vorgeschlagen, der die Gemeinden in die Pflicht nehmen soll, wenn unter Umständen in einzelnen Fällen Mietern nach einer Modernisierung gekündigt wird, weil der Vermieter auf Grund des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes einen Grund nachweisen kann. Sowohl auf der Basis Ihrer gesetzlichen Regelung als auch auf der Basis der von uns vorgeschlagenen Regelung wird es auf Grund des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes, das hier ja gar nicht zur Diskussion steht, immer solche Fälle geben. Für diese Fälle haben wir eine sozialpolitische Absicherung für den Mieter gefordert. Wir bedauern, daß Sie hier dies ablehnen.Vor allen Dingen aber bedauern wir, daß hier unter dem Diktat Ihrer Finanzausschußmehrheit abgelehnt wird, daß endlich auch Bausparverträge von Mietern prämien- und steuerunschädlich zur Modernisierung verwendet werden können. Wir brauchen doch privates Kapital zur Modernisierung, es sei denn, der Finanzausschuß und Ihre Koalitionsmehrheit sagen am morgigen Tag, sie sorgten nicht für 300 Millionen DM, sondern sie hätten gezaubert undschafften 1 Milliarde oder 1 1/2 Milliarden DM für die Modernisierung von Wohnungen herbei. Das ist aber Utopie. Wir brauchen deswegen privates Kapital. Privates Kapital für die Modernisierung ist bei Mietern weitgehend vorhanden. Sie wären vielfach bereit — der Deutsche Mieterbund hat es uns gesagt; wir wissen es also von Mietern bzw. denjenigen, die für die Interessen der Mieter offiziell das Wort nehmen, wie sinnvoll es wäre, dies den Mietern zu ermöglichen —, auch für Modernisierungsmaßnahmen mit ihren Bausparverträgen hier einzuspringen, um ihre Wohnung in einen besseren Zustand zu bringen und sich damit selber eine höhere Lebensqualität zu sichern.Ich kann nur sagen, wir bedauern es zutiefst, daß Sie gerade zu diesen im Interesse der Mieter von uns formulierten Änderungsanträgen nein sagen. Wir können nur hoffen, daß Sie möglicherweise in der nächsten Legislaturperiode die wohnungspolitischen Interessen in Ihrer Fraktion besser durchzusetzen in der Lage sein werden, als dies heute der Fall war.
Das Wort hat der Abgeordnete Böger.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Die FDP-Fraktion hält mit der Mehrheit in diesem Hause die Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs zum Wohnungsmodernisierungsgesetz noch in dieser Legislaturperiode für erforderlich, auch wenn die Frage der steuer- und prämienunschädlichen Verwendung von Bausparmitteln — Herr Kollege Krockert hat im einzelnen begründet, warum — noch nicht geregelt ist.Grundsätzlich ist die Modernisierung nach unserer Auffassung Sache des Eigentümers, da er selbst an Erhaltung und laufender Verbesserung seines Hausbesitzes interessiert ist. Er wird durch das vorliegende Gesetz auch nicht zur Modernisierung gezwungen. Es gibt kein Modernisierungsgebot oder sonstige Zwangsmaßnahmen. Herr Kollege Klein, das war von Anfang an unsere Auffassung!Die öffentliche Hand will mit der Modernisierungsförderung nur Anreize geben, um möglichst viele zur Modernisierung zu veranlassen. Das Gesetz bezweckt also die Aktivierung der Modernisierung durch Förderungsmaßnahmen und zugleich ihre Verstetigung. Die stets sachlichen und trotz Ihrer sehr lebhaften Ausführungen, Herr Kollege Klein, doch über weite Strecken kooperativen Beratungen im federführenden Bauausschuß haben bewiesen, daß auch gegensätzliche Auffassungen nach einer freimütigen Diskussion über das Für und Wider in ausgewogene Gesetzesformulierungen gefaßt werden können.Wir Freien Demokraten waren uns seit Beginn der Vorarbeiten zum Wohnungsmodernisierungsge-
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Dr. Bögersetz bewußt, daß es Schwierigkeiten gibt, die sich zwangsläufig aus der Gesetzesmaterie ergeben. Im Bereich der öffentlich geförderten Wohnungsmodernisierung berühren sich zum Teil verständliche und berechtigte Privatinteressen und wichtige öffentliche Interessen. Gleichzeitig reiben sich aber auch unterschiedliche Interessensphären von Vermietern und Mietern. Gerade die schutzwürdigen Belange sowohl der Vermieter als auch der Mieter bedürfen einer behutsamen Behandlung durch den Gesetzgeber, wenn dieser darangeht, Regelungen für die Förderung von Wohnungsmodernisierungen zu kodifizieren.Es besteht weitgehend Übereinstimmung, daß die bisherigen parallellaufenden Bund-Länder-Förderungsprogramme in der Wohnungsmodernisierung durch eine mehr rahmengesetzliche Zusammenfassung rationeller und effektiver erfaßt und gebündelt werden können und müssen.Uns Freien Demokraten kam es bei den entsprechenden Überlegungen zum Gesetz darauf an, daß durch ein Wohnungsmodernisierungsgesetz nicht so etwas wie eine Verdrängungsmodernisierung entstehen dürfe. Mit anderen Worten, Modernisierungsmaßnahmen sollen keine untragbaren Mietsprünge bewirken, wodurch einkommenschwächere Mieter empfindlich getroffen werden können. Andererseits muß mit dem Wohnungsmodernisierungsgesetz den Vermietern ein überlegenswerter Anreiz zur Modernisierung gegeben werden, denn wir wissen alle, daß risikobereite Privatinitiative auf dem Wohnungsmarkt unentbehrlich ist und bleiben wird, daß aber die Bereitschaft zu investieren, erst ab einem bestimmten Schwellenwert eintritt, angefangen beim öffentlichen Finanzierungsanteil bis hin zur Mietpreisanhebung auf Grund verbesserten Leistungsangebots.Es hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gezeigt, daß die Modernisierung des bestehenden Altwohnungsbestandes neben dem Sozialwohnungsbau und neben den verschiedenen Sanierungsprojekten zu einer dritten Säule im öffentlich geförderten Wohnungsbau bereits vorbereitet wird. Angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung im Sozialwohnungsbau und bei den mehr und mehr deutlich werdenden Grenzen im Sanierungsbereich z. B. alter Stadtkerne kommt der Modernisierung älterer Wohnungsbestände zur Zeit und für die nächste Zukunft eine besondere Bedeutung zu.Beim vorgesehenen Einsatz der Förderungsmittel wurde unseres Erachtens ein ausgewogener Kompromiß zwischen einer reinen Schwerpunktförderung und der Individualförderung außerhalb von Schwerpunkten gefunden. Die nunmehr festgelegte Quotierung der Modernisierungsmittel innerhalb und außerhalb von Schwerpunkten ist eine zweckmäßige Lösung, die sowohl wohnungspolitischen als auch städtebaulichen Gesichtspunkten Rechnung trägt. Die Regelung verhindert gleichzeitig eine überproportionale und einseitige Konzentrierung der Förderungsmittel auf Ballungsgebiete und größere Wohnungsunternehmen und berücksichtigt gleichgewichtig die berechtigten Belange des ländlichen Raums bzw. kleiner Gemeinden. Ich sage das, weil Sie, Herr Kollege Klein, dafür das Erstgeburtsrecht in Anspruch nehmen. Bekanntlich war es aber die Anregung der Freien Demokraten im Ausschuß, wie nachzulesen ist.Es wird gewährleistet, daß die Gemeinden die Schwerpunkte in eigener Zuständigkeit selbständig festlegen können, weil die bisherigen Erfahrungen mit dem Bund-Länder-Programm zeigen, daß sich nachhaltige Modernisierungserfolge nur über eine verstärkte Einschaltung der Gemeinden erzielen lassen.Zu viele Altwohnungen entsprechen heute nicht mehr den Anforderungen an ein zeitgemäßes Wohnen. Die einschlägigen Erhebungen und Statistiken zeigen dies deutlich. Deutlich wird aber auch, daß sich mit dem unüberhörbaren Wunsch nach besserer Lebensqualität in der breiten Öffentlichkeit das Streben nach verbesserter Wohnqualität verbindet. Unzeitgemäße Wohnungen an einen Standard heranzubringen, der über den Mindestbedürfnissen liegt, ist Ziel dieses Gesetzentwurfs. Die Qualitätsverbesserung dient sowohl der Wohnungsversorgung der Bevölkerung als auch der Erhaltung unserer Städte durch Verhinderung des Absinkens überalterter Wohngebiete.Die Förderung nach dem Gesetz ist nicht auf bestimmte Eigentümergruppen beschränkt. Es gibt auch keine Beschränkung nach dem Einkommen oder dem Vermögen der Eigentümer oder nach der Art der Wohnung. Es können Eigenheime gefördert werden, es können auch Mietwohnungen sein. Voraussetzung für die Förderung mit öffentlichen Mitteln ist: die modernisierten Wohnungen müssen auch nach der Modernisierung nach Miethöhe und Ausstattung für breite Schichten geeignet sein.Lassen Sie mich hier darauf hinweisen, daß auch Instandsetzungsmaßnahmen mit — ich betone: mit — gefördert werden können. Wir haben uns dazu entschlossen, obwohl an sich die Instandsetzung der Wohnungen zu den Pflichten des Eigentümers gehört. Der Zweck heiligt hier die Mittel. Wenn die Instandsetzung notwendig ist, um die vorgesehene Modernisierung wirkungsvoll zu machen, ist eine solche Förderung sinnvoll. Allerdings müssen Instandsetzungskosten und Modernisierungskosten — das ist im Gesetz vorgesehen — in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.Wir wissen alle, daß die Mehrzahl der Mieter durchaus bereit ist, für eine modernisierte Wohnung eine angemessen erhöhte Miete zu zahlen. Für uns Freie Demokraten war eine der wichtigen Fragen bei der Abfassung dieses Gesetzes, wie man die Auswirkungen der Modernisierungsförderung auf die Miethöhe in ein gerechtes Gleichgewicht zur marktwirtschaftlich freien Mietpreisbildung bringen konnte. Mir scheint, daß wir in diesem Punkt gemeinsam zu einer zufriedenstellenden Lösung gelangt sind. Denn für die Mietanhebung nach Modernisierungsmaßnahmen hat das vorliegende Gesetz u. a. durch Verweisung auf das Gesetz zur Regelung der Miethöhe bzw. das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz ausgewogene Voraussetzungen geschaffen. Sie sollen gewährleisten, daß einerseits
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17912 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Dr. Bögerdie Vetragsfreiheit zwischen den Mietparteien nicht durch einen unerwünschten Dirigismus beschnitten wird, daß andererseits aber aus sozialpolitischen Gründen die Miete für den einzelnen tragbar bleibt. Als Korrektiv kann in Härtefällen das Wohngeld eingreifen.Einen weiteren nicht nur nach meinem Dafürhalten, sondern das klang bei allen meinen Herren Vorrednern an, wesentlichen Interessenkonflikt galt es im Rahmen der gesetzlichen Duldungspflicht des Mieters auszuräumen. Es handelt sich um die Frage, wie weitgehend der Mieter Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters, die ja gewisse störende Einwirkungen auf die Wohnung mit sich bringen und nach der Modernisierung zu höherer Mietbelastung führen, zu dulden hat. Der Regierungsentwurf wollte die Duldungspflicht des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen generell erweitern, und zwar über eine Änderung des § 541 a des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das Problem besteht darin, daß einerseits Investitionsbereitschaft für die Verbesserung von Wohnraum nicht selten dadurch beeinträchtigt wird, daß Mieter auf Grund der gegebenen Rechtslage manchmal nur schwer zur Duldung von Verbesserungsmaßnahmen für die Wohnung zu bewegen sind. Schwierigkeiten treten vor allem in Mehrfamilienhäusern auf, wenn der überwiegende Teil der Mieter die Verbesserung oder Modernisierung will und nur ein einziger Mieter sich dagegen wendet. Andererseits kann eine zu weitgehende Verschärfung der gesetzlichen Duldungspflicht zur Folge haben, daß die damit angeregte, an sich erwünschte Modernisierungstätigkeit zu einem unerwünschten Verdrängungsdruck auf die Mieter wird, weil dann Art und Umfang der Modernisierungsmaßnahmen zu weitgehende wirtschaftliche Auswirkungen auf den Mieter —durch die Miethöhe — haben können.Man darf dabei nicht übersehen: Es besteht ein wesentlicher Unterschied, ob die gesetzliche Duldungspflicht des Mieters nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch künftig generell für alle überhaupt möglichen Wohnungsmodernisierungen, also auch für unter Umständen sehr weitgehende — z. B. Zusammenfassung von zwei Wohnungen —, erweitert wird oder ob sich eine erweiterte Duldungspflicht ausschließlich auf den Bereich der öffentlich geförderten Wohnungsmodernisierung nach dem neuen Gesetz beschränkt. Im Vergleich zu uneingeschränkt möglichen privaten Modernisierungsmaßnahmen sind bei der öffentlich geförderten Modernisierung nach dem vorliegenden Gesetz Art, Umfang und Auswirkungen der Verbesserungsmaßnahmen eindeutig durch bestimmte Fördergrenzen und durch kontrollierte Mietsteigerungen eingeschränkt.Bedauerlicherweise sah sich der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages wegen Arbeitsüberlastung nicht in der Lage, die rechtlichen und sachlichen Auswirkungen einer Änderung des § 541 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch in der laufenden Legislaturperiode zu überprüfen. Ohne diese unseres Erachtens notwendige Prüfung der Rechtslage und der Auswirkungen einer Änderung des § 541 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch den dafür zuständigen Ausschuß erschien es dem Städtebauausschuß in seiner Mehrheit nicht möglich, schon heute einer generellen Ausdehnung der Duldungspflicht des Mieters durch eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zuzustimmen. Mit Schnellschüssen bei Gesetzesänderungen — noch dazu, wenn es sich um eine so komplexe Materie wie das Bürgerliche Gesetzbuch handelt — sollte man vorsichtig sein.
— Das ist ein Spezialgesetz. Der Städtebauausschuß hat sich deshalb mehrheitlich darauf verständigt, die weitgreifende Änderung des § 541 a vorerst zurückzustellen und die Duldungspflicht des Mieters zunächst nur für den speziellen Bereich des Wohnungsmodernisierungsgesetzes erweiternd zu präzisieren.Um es ganz deutlich zu sagen: Angesichts dieser Tatsache könnte der Eindruck entstehen, als ob die sozialliberale Koalition zwar bei der öffentlich geförderten Wohnungsmodernisierung die gesetzliche Duldungspflicht des Mieters erweitern wolle, im übrigen privaten Modernisierungsbereich die eingeschränkte subjektive Duldungspflicht des Mieters aber unverändert bestehenbleiben solle, somit dem Vermieter bei privaten, nicht geförderten Modernisierungen in seinen Schwierigkeiten mit dem Mieter nicht geholfen werde und so die begrüßenswerte Privatinitiative behindert werde.
— Ein solcher Eindruck, Herr Kollege Jahn, ist falsch. Wir halten es für notwendig und werden uns dafür einsetzen, daß die Bundesregierung sorgfältig und beschleunigt prüft, ob, wie und mit welchen rechts- und sozialpolitischen Konsequenzen im Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Änderung erfolgt, und zwar dahin gehend, daß die eingeschränkte Duldungspflicht des Mieters generell bei Modernisierungsmaßnahmen zeitnah geändert werden kann oder muß.Mit der Regelung im Wohnungsbaumodernisierungsgesetz ist ein Anfang gemacht, und zwar ein Anfang, der in seinen Auswirkungen überschaubar ist. Der vorliegende Gesetzentwurf ist unseres Erachtens eine wohlabgewogene Regelung, die der Interessenlage der Hauseigentümer einerseits und der Mieter andererseits Rechnung trägt. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu.
Meine Damen und Herren, zur allgemeinen Aussprache in zweiter Lesung liegen mir keine Wortmeldungen mehr vor.Wir haben Änderungsanträge zur zweiten Lesung vorliegen, und zwar auf den Drucksachen 7/5425, 7/5426, 7/5427 und 7/5428. Darf ich davon ausgehen, daß in der allgemeinen Aussprache die Begründung gegeben und die Erwiderung erfolgt ist, daß keine Einzelbegründung mehr gewünscht wird? —
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Vizepräsident Frau FunckeWir kommen dann zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die §§ 1 bis 19 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Zu § 20 liegt ein Änderungsantrag auf Drucksache 7/5425 vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.Wir kommen damit zur Abstimmung über § 20 in der vom Ausschuß vorgelegten Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Nach § 20 soll gemäß dem Antrag auf Drucksache 7/5425 ein § 20 a eingefügt werden. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Ich rufe nunmehr die §§ 21 und 22 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Auf Drucksache 7/5426 liegt ein Antrag auf Einfügung eines § 22 a vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über die §§ 23 und 24 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Zu § 25 liegt ein Änderungsantrag auf Drucksache 7/5427 vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen dann zur Abstimmung über § 25 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.Nun kommt noch auf Drucksache 7/5428 der Antrag auf Einfügung eines § 25 a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen dann zur Abstimmung über die §§ 26, 27, 28, 29, 30, 31 und 32, Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Ich rufe nun diedritte Beratungauf. Das Wort hat Bundesminister Ravens.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wohnungspolitik wird heute durch zwei wesentliche Faktoren bestimmt. Erstens: Wirhaben erstmals in der Bundesrepublik Deutschland einen zahlenmäßigen Ausgleich von Wohnungen und Haushalten erreicht. Und zweitens: Wohnungsstandard sowie Wohnfläche pro Einwohner haben sich in den vergangenen Jahren erheblich erhöht.Wenn wir diese im Durchschnitt günstige Versorgungslage halten und verbessern wollen — und dies ist unser Ziel —, müssen wir uns verstärkt der Bestandspflege und der Bestandsverbesserung, d. h. der Modernisierung von Wohnungen zuwenden. Dabei wissen wir: Die Modernisierung ist und bleibt zunächst und vor allem Aufgabe der Wohnungseigentümer selbst. Es liegt, insbesondere jetzt, wo es eine generelle Entspannung auf dem Wohnungsmarkt gibt, in ihrem Interesse, die Qualität ihrer Wohnungen zu erhalten oder den neuen Bedürfnissen, also der Nachfrage der Wohnungsuchenden, anzupassen. Denn ohne Modernisierung sind die Rentabilität und die Wirtschaftlichkeit der Wohnung nicht zu halten, und ohne Modernisierung kann sich eine Wohnung auf Dauer nicht im Wettbewerb halten.In denjenigen Fällen allerdings, in denen Wohnungseigentümer nicht in der Lage sind, die Modernisierung aus eigener Kraft zu sichern, in den Fällen, in denen eine Modernisierung für den betroffenen Mieterstamm zu einer nicht tragbaren Belastung führt, und in denjenigen Fällen, in denen es aus städtebaulichen Gründen angeraten scheint, zu einer umfassenden Modernisierung zu kommen, wird allerdings die Förderung der Modernisierung zu einer öffentlichen Aufgabe.Bund und Länder haben im Jahre 1974 damit begonnen, die Modernisierung von Wohnungen zu fördern. Für diese Programme sind bisher mehr als 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt worden, und mit diesen Programmen konnten in den Jahren 1974 und 1975 die Modernisierung von rund 100 000 Wohnungen gefördert werden. Im Jahre 1976 wurden und werden erneut rund 50 000 Modernisierungsfälle gefördert. Im Rahmen des Sonderprogramms Wohnungsmodernisierung — im Zusammenhang mit dem Konjunkturprogramm — konnten nach einem ersten überschlägigen Ergebnis zusätzlich 300 000 Wohnungen modernisiert werden. Damit ist von 1974 bis 1976 durch öffentliche Förderung der Standard von 430 000 bis 450 000 Wohnungen angehoben worden. Für mehr als 1,5 Millionen Menschen in unserem Lande sind die Wohnverhältnisse allein durch die öffentliche Förderung der Modernisierung erheblich verbessert worden. Das sind nüchterne Fakten, die die gesellschaftspolitische Bedeutung unserer Bemühungen verdeutlichen. Wenn ich „unsere Bemühungen" sage, dann meine ich Bund, Länder und Gemeinden.Ich will an dieser Stelle einem in der Öffentlichkeit immer wieder vorgebrachten Mißverständnis entgegentreten. Wir haben ja, wie ich sagte, die ersten Ergebnisse über den Einsatz der Sondermittel Wohnungsmodernisierung im Rahmen des Investitionsprogramms bekommen. Da zeigt sich, daß nach einer ersten Bilanz der Anteil der Eigenheime, Eigentumswohnungen und Mietgebäude im Besitz natürlicher Personen etwa 90 % der geförderten
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17914 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Bundesminister RavensWohnungen ausmacht, jeweils etwa zur Hälfte Eigentumswohnungen und Eigenheime auf der einen und Mietwohnungen in privater Hand auf der anderen Seite. Die durchschnittlichen Investitionskosten lagen nach dieser ersten Übersicht bei etwa 10 000 DM, und die Zuschüsse, die gegeben wurden, bei etwa 20 bis 25 % der Investitionsvolumen. Hier wurden also nicht, wie es immer wieder heißt, große Wohnungsbaugesellschaften begünstigt; hier wurde wirklich eine breite Streuung der Förderungsmittel erzielt, die auch und vor allem den Eigenheimbesitzern und den Eigentumswohnungsbesitzern zugute kam. Hier wurde Politik zur Erhaltung und Verbesserung des Wohnungsvermögens gemacht.Die Bundesregierung und die Länder sind sich darüber einig, daß die Förderung der Modernisierung in Verbindung mit der Förderung des sozialen Wohnungsbaues langfristig fortgesetzt werden muß. Sie sehen darin „die dritte Säule der staatlichen Wohnungspolitik". Aus diesem Grunde haben sowohl die Bundesregierung als auch der Bundesrat Entwürfe für ein Modernisierungsgesetz vorgelegt. Beide Entwürfe verfolgen in der Tendenz dieselbe Zielrichtung: Durch die Förderung soll die Versorgung der Bevölkerung mit guten und preiswerten Wohnungen verbessert und damit zur Erhaltung des Wohnwerts und der städtebaulichen Funktionen älterer Wohngebiete beigetragen werden.Dabei messe ich der städtebaulichen Komponente der Modernisierung aus zwei Gründen ganz besondere Bedeutung zu.Zum einen kann durch den schwerpunktmäßigen Einsatz der Modernisierung ein ganzer Stadtteil in seiner Substanz erhalten oder erneuert werden. Ich habe mich immer für den schwerpunktmäßigen Einsatz der Mittel ausgesprochen, weil andernfalls die Gefahr besteht, daß die Mittel versickern. Was nützt einem Wohnungseigentümer eine modernisierte Wohnung, wenn sie in einem Stadtteil liegt, der insgesamt modernisierungsbedürftig ist; er hätte dann zwar den Wohnstandard seiner Wohnung angehoben, aber die „Adresse" seiner Wohnung stimmte damit immer noch nicht; die Vermietbarkeit würde sich kaum verbessert haben.Zum zweiten wird durch den Einsatz von Modernisierungsmitteln vorgebeugt. Es wird das Absacken des Wohnungsstandards in Stadtteilen verhindert, die andernfalls nur durch eine Sanierung wieder aufzufangen wäre. Was wir durch den schwerpunktmäßigen Einsatz der Mittel heute erreichen können, sparen wir morgen bei der Sanierung.Die Koalition hat sich bei den Beratungen der Gesetzentwürfe im federführenden Ausschuß um eine Lösung bemüht, die von einer breiten Mehrheit getragen werden kann. Nach den Vorschlägen des Ausschusses sollen die Mittel des Bundes und der Länder in der Regel je zur Hälfte innerhalb von Schwerpunkten und außerhalb solcher Bereiche eingesetzt werden. Die Schwerpunkte sollen von den Gemeinden bestimmt werden. Ich will hier hinzufügen: Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierungsah ja die Mitwirkung der Gemeinden vor. Sie haben den besten örtlichen Überblick.
Die Gemeinden können die für die Bestimmung der Schwerpunkte wesentlichen Sachverhalte am besten einschätzen: die Anteile der modernisierungsbedürftigen und modernisierungswerten Wohnungen in den einzelnen Gebieten sind ihnen bekannt; die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bewohner kennen sie; den Stand der bisherigen Modernisierungstätigkeit können sie überblicken. Durch ihre nunmehrige Zuständigkeit für die Festlegung der Schwerpunkte der Modernisierung können die Gemeinden die Modernisierungsaufgabe in ihre kommunale Entwicklungsaufgabe und -konzeption mit einfügen. Dies ist richtig. Darüber hinaus bleibt auch in der jetzigen Fassung die notwendige Verklammerung mit der überörtlichen Planung erhalten, weil die obersten Landesbehörden über die Anerkennung der Schwerpunkte entscheiden. Frau Präsident, meine Damen und Herren, damit wird das Instrument der Förderung der Modernisierung über seinen wohnungspolitischen Ansatz hinaus zu einem entwicklungspolitischen Instrument der Gemeinden.Die Hälfte der Förderungsmittel steht für andere Modernisierungsvorhaben zur Verfügung, wenn die allgemeinen Förderungsvoraussetzungen vorliegen. Hierfür bestehen keine Beschränkungen nach den persönlichen Verhältnissen der Hauseigentümer oder nach der Wohnungsart. Die Modernisierung der einzelnen Vorhaben soll aber nach ihrer Dringlichkeit mit Vorrang gefördert werden. Hier können dann auch soziale Gesichtspunkte einbezogen werden. Ich halte diesen Vorschlag für ausgewogen, weil die Mittel auf diese Weise im wesentlichen dazu dienen werden, ungesunde Wohnverhältnisse zu beseitigen, städtebaulich bedeutsame Gebäude zu erhalten, aus den Wohnverhältnissen resultierende soziale Härten zu beheben und untragbare Mieten oder Belastungen zu vermeiden.Es sollen alle baulichen Maßnahmen, die den Gebrauchswert der Wohnung nachhaltig erhöhen oder die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern, gefördert werden. Darunter fallen z. B. die Verbesserung der sanitären Einrichtungen, der Energieversorgung, der Wasserversorgung, der Entwässerung, der Beheizung, der Kochmöglichkeiten. Zu den Modernisierungsmaßnahmen können zusätzliche bauliche Maßnahmen für Behinderte und alte Menschen gehören. Diese Bestimmung ist ein Stück praktizierter Sozialpolitik. Sie macht erneut deutlich, daß wir uns der Verantwortung den alten Menschen und den Behinderten gegenüber auch in der Wohnungs-und Modernisierungspolitik stellen.Außerhalb der Wohnungen — darauf wurde schon verwiesen — sind Verbesserungen förderungsfähig, wenn etwa der Ausbau gemeinsamer Kinderspielplätze und anderer Gemeinschaftsanlagen vorgesehen ist. Wir wollen ja nicht nur die Wohnungen
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Bundesminister Ravensrenovieren. Wir wollen, daß Wohnungen und Wohnumwelt unmittelbar zusammengehören.
Meine Damen und Herren, es gibt zweifellos Fälle, in denen eine Modernisierung sinnlos wäre, wenn nicht gleichzeitig die bestehenden baulichen Mängel behoben werden. Deshalb soll die Förderung der Instandsetzung dann möglich werden, wenn die Modernisierung allein nicht in der Lage ist, zu einer nachhaltigen Verbesserung der Wohnverhältnisse zu führen. Durch die vorgesehene Begrenzung bei den Kosten ist, wie mir scheint, dafür gesorgt, daß sich die Gewichtung nicht von der Wohnungsmodernisierung auf die bloße Instandsetzung hin verschiebt.Für den modernisierungswilligen Hauseigentümer ist die Aufbringung der entstehenden Kosten ein Hauptproblem. Bei Mietwohnungen steht aber auch die Frage, ob diese Kosten nach der Marktsituation über die Miete rentierlich gemacht werden können, im Vordergrund. Die staatlichen Hilfen sollen deshalb die Finanzierung erleichtern und zugleich die notwendigen Mieterhöhungen begrenzen. Die Fördermittel müssen deshalb der Höhe nach so eingesetzt werden, daß die nach der Modernisierung unvermeidbare Mietanhebung für die Bewohner tragbar bleibt. Das gilt nicht nur für den Zeitpunkt unmittelbar nach der Modernisierung, sondern auch auf längere Sicht, weil wir doch wohl die Bewohner nicht über die Mieten aus ihren Wohnungen hinausmodernisieren wollen. Unter diesem Gesichtspunkt, Herr Kollege Klein, ist es geboten, jeden Eigentümer bei der Förderung der Modernisierung mindestens zu minimalen Mietbindungen zu verpflichten.Wie schon bisher kann die Miete nach der Modernisierung angehoben werden. Aber der Vermieter muß die erhaltenen Subventionen dabei berücksichtigen, d. h. die Verbilligung der Modernisierungskosten an die Mieter weitergeben. Das gilt auch, wenn unmittelbar nach der Modernisierung ein neuer Mieter einziehen sollte. Wir wollen keine einseitige Subventionierung der Eigentümer. Wir wollen, daß die Interessen der Mieter dabei gleichgewichtig berücksichtigt werden.Zur Sicherung der Wohnungsversorgung für die einkommensschwächeren Schichten war in der Regierungsvorlage vorgesehen, den obersten Landesbehörden eine Belegungsbindung für geförderte modernisierte Wohnungen in zu bestimmenden Gemeindegebieten vorzubehalten. Der Bundesrat hat sich dagegen ausgesprochen. Er hält eine solche Regelung nicht für erforderlich. Ich hoffe im Interesse der Betroffen, daß diese Prognose richtig ist.Auch andere ordnungspolitische Instrumentarien, wie z. B. die Unbewohnbarkeitserklärung bei Wohnungen mit gesundheitsgefährdendem Bauzustand sind in den einvernehmlichen Ausschußberatungen als nicht notwendig angesehen worden. Hier sollte das Erforderliche dann allerdings nach Landesrecht veranlaßt werden. Ich möchte an dieser Stelle an die Lander appellieren, diesem Problem in der wohnungspolitischen Praxis besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden.Ich weiß allerdings nicht, Herr Kollege Klein, wo Sie im Regierungsentwurf ein Modernisierungsgebot gesehen haben. Es war nicht Bestandteil des Regierungsentwurfs. Ich will aber noch einmal wiederholen, daß dort, wo für die Modernisierung öffentliche Mittel eingesetzt werden, ein Mindestmaß an Bindung und an Sicherung vorhanden sein muß.Die Koalitionsfraktionen haben dafür votiert, die vorgesehene Duldungspflicht zunächst auf die Fälle der geförderten Modernisierung zu beschränken, weil hier wegen der staatlichen Subventionen eine finanzielle Überforderung der Mieter nicht zu erwarten ist.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Klein?
Ja.
Herr Minister Ravens, ist Ihnen entgangen, daß ich mich in meinen Ausführungen auf die von Ihnen beabsichtigten übertriebenen aufsichtsrechtlichen Lösungen bezogen habe, auf das jahrelange Hin und Her zwischen Ihrem Hause und anderen Ressorts und das jahrelange Hin und Her in der öffentlichen Diskussion? Dieser Gesetzentwurf wurde doch nicht zuletzt dadurch so lange verzögert, daß in Ihrem Hause an diesen aufsichtsrechtlichen Lösungen lange Zeit festgehalten wurde, wozu auch ein zweites Modernisierungsgebot — neben dem mehr städtebaulich motivierten Modernisierungsgebot des Bundesbaugesetzes — gehörte.
Herr Kollege Klein, sicherlich hat es bei den Beratungen mit den Ländern und der Ministerien untereinander eine sehr lange und gründliche Diskussion über Notwendigkeiten zusätzlicher ordnungsrechtlicher Instrumentarien gegeben. Es hat auch eine sehr sorgfältige Beratung mit den Ländern gegeben z. B. über die Fragen, die auf Länderebene in dem Zusammenhang heute zum Teil geregelt, zum Teil nicht geregelt sind, und über die Fragen, wieweit es tunlich sei, das in ein gemeinsames Gesetz hineinzunehmen. Aber Ihnen ist dieses Modernisierungsgesetz — und darauf können wir uns dann als Meinung dieser Bundesregierung beziehen — ohne zusätzliches Modernisierungsgebot vorgelegt worden. Was soll also dieser vordergründige Streit? Als wenn in der Regierungsvorlage etwas gestanden hätte, was tatsächlich nicht Bestandteil der Regierungsvorlage ist! Wir haben das Modernisierungs- und Instandhaltungsgebot in der Novelle zum Bundesbaugesetz. Dort ist es verankert, und ich denke, wir haben damit für die Gemeinden ein durch die Bürger zu kontrollierendes Instrument geschaffen.Lassen Sie mich sagen, daß ich die Entscheidung der Koalition zum Problem des § 541 a des Bürger-
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Bundesminister Ravenslichen Gesetzbuches für sachgerecht halte nach der Diskussion, die wir dazu im Ausschuß geführt haben, weil sie uns die Möglichkeit gibt, zunächst in einem begrenzten Bereich Erfahrungen zu sammeln.Ich will nicht mehr auf die Änderungsanträge der Opposition eingehen.Ich möchte, Herr Kollege Klein, nur zwei Bemerkungen machen, die sich mit der Frage der Förderung der von Mietern aufzubringenden Modernisierungsmittel befassen. Die bisherige Bausparförderung ist auf eine Förderung der Vermögensbildung ausgerichtet. Das ist ihr wesentlicher Grund. Es wäre vernünftig und wir wären gut beraten, wenn wir diese Fragen Zug um Zug bei der Beratung des noch ausstehenden zweiten Teils der Reform der Sparförderung behandeln würden. Es liegt auch ein kleiner Widerspruch in Ihrer Argumentation, wenn Sie einerseits sagen, es gehe bei der Förderung darum, gerade dort zu helfen, wo die sozial schwachen Mieter sind, und andererseits sagen, die sozial schwachen Mieter müßten über den Bausparvertrag an der Modernisierung teilnehmen. Wir sind noch nicht am Ende der Überlegungen. Keiner von uns beiden will — das unterstelle ich Ihnen —, daß in der Bundesrepublik ein Klima erzeugt wird, bei dem die Hauseigentümer unter Umständen sagen: Wenn du, Mieter, eine Modernisierung wünschst, dann schließe gefällig einen Bausparvertrag ab und liefere mir dafür die Mittel.Ich will hinzufügen, daß für die darüber hinausgehende Modernisierung — auch das muß man an dieser Stelle nochmals sagen — zusätzlich die Abschreibungsmöglichkeiten nach unserem Einkommensteuerrecht für alle Modernisierungsfälle gegeben sind: 10 % der anfallenden Modernisierungskosten können in einem Jahr abgesetzt werden.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klein?
Ich möchte zum Schluß kommen, Frau Präsidentin.
Ich bin mir bewußt, daß ein Gesetz allein nicht ausreicht, um den Wohnungsbestand stetig zu verbessern. Entscheidend wird es auf die Initiative des Hauseigentümers, die Mitwirkung der Hausbewohner, die Anstöße der Städte und Gemeinden ankommen. Aber ich bin sicher: Dieses Gesetz gibt den Anstoß. Das haben die vergangenen eineinhalb Jahre gezeigt. Der Bund und die Länder und die Gemeinden haben eine große wohnungspolitische Aufgabe im Interesse der Menschen in diesem Land zu erfüllen.
Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf soll ein weiteres wichtiges Instrument für die Erfüllung dieser Aufgabe zur Verfügung gestellt werden. Ich bitte daher auch die Opposition, diesem Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung zu geben, zumal da gerade Sie, Herr Kollege Klein, sich große Mühe gegeben haben, darauf hinzuweisen, welchen wichtigen Beitrag Sie zu diesem Gesetz geleistet haben.
Es ist mir unverständlich, daß Sie soviel Gutes, das Sie getan haben, in dritter Lesung ablehnen wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mick.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine schlechte Sache wird nicht dadurch besser, daß man lange darüber redet. Insofern betrachte ich die bisherigen kurzen Beiträge als wegweisend. Ich will mich dieser Kürze anschließen.Ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin den Herrn Bundeskanzler in der Europa-Debatte zitieren — Sie hören richtig: in der Europa-Debatte —, in der er sagte:1975 ist allein für die Förderung der Wohnungsmodernisierung fast 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt worden. 1965, zehn Jahre vorher, waren es ganze 10 Millionen DM. Neben der Förderung des Neubaus von Wohnungen und der Stadtsanierung ist damit die Modernisierung zur dritten Säule der Wohnungspolitik geworden.Sie wird es also nicht durch dieses Gesetz, sondern sie ist es nach den Feststellungen des Bundeskanzlers bereits geworden.Einem Mann, der diesem Haus rund 19 Jahre angehört, werden Sie es gestatten, dazu einige ketzerische Bemerkungen zu machen. Ich betrachte es als eine Schluderei erster Güte, wenn hier im gestreckten Galopp ein Gesetz verabschiedet wird, von dem dann der Herr Berichterstatter der Hauptregierungspartei, aber auch ihres Anhängsels, erklärt, man gedenke, dieses Gesetz in der nächsten Legislaturperiode zu novellieren, weil es in der Tat einige und, wie wir meinen, entscheidende ungelöste Probleme in sich birgt. Das erste ungelöste Problem ist das der Finanzierung; das zweite ungelöste Problem ist das der praktischen Durchführung.Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bericht des Haushaltsausschusses, erstattet durch den Herrn Kollegen Simpfendörfer, enthält folgende lapidare Feststellung:Die Haushalte der Länder werden ebenfalls nur mit den Ausgaben belastet, die zur Fortführung der Modernisierungsprogramme eingeplant sind.Es hätte also, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, gar nicht dieses gestreckten Galopps bedurft, um die Modernisierungsmaßnahmen, die der Bundeskanzler so über den grünen Klee lobt, weiter fortzuführen, auch ohne daß wir ein derartig unvollständiges Gesetz auf die Öffentlichkeit loslassen, statt etwas zu schaffen, was wegweisend ist. Sie tragen nur Beunruhigung in die gesamte Wohnungswirtschaft, in die kommunalen Behörden und die Landesbehörden, weil diese sich jetzt schon damit befassen müssen, daß dieses Ge-
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Micksetz in der 8. Legislaturperiode in entscheidenden Punkten novelliert werden muß und — meine Damen und Herren vom Ausschuß, darüber sind wir uns klar — novelliert werden wird.Ich habe Ihr herzliches Lachen noch im Ohr, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Sie —jetzt muß ich allerdings von der Vorsitzenden des Finanzausschusses sprechen, nicht von der Frau Präsidentin — von der Begründung sprachen, die in den Augen eines jeden Fachmannes, der das Wohnungsprämiengesetz kennt — nun, Frau Präsidentin, ich würde, wenn Sie auf Ihrem Abgeordnetenplatz säßen, einen sehr harten Ausdruck gebrauchen —, jedem Sachverstand Hohn spricht.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Klein hat mit Recht gesagt, daß wir einen Teil von Gedanken zu dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf beigetragen haben, durch die er nicht schlechter geworden ist. Wie schlecht die Vorlage der Bundesregierung ursprünglich war, geht aus dem Tatbestand hervor, daß allein die Koalition im Ausschuß mit Formulierungshilfe der Bundesregierung mehr Änderungsanträge gestellt hat, als das Gesetz überhaupt Paragraphen enthält, die Änderungsanträge der Opposition nicht mitgerechnet. Auch das, meine sehr verehrten Damen und Herren, betrachte ich als eine Schluderarbeit. Gestern hat die Präsidentin dieses Hohen Hauses einige bemerkenswerte Ausführungen, die ich in der Presse nachlesen konnte, zu der Arbeitsweise dieses Hohen Hauses gemacht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Gesetz, mit diesem, von allen zugegeben, unvollkommenen Gesetz, leisten Sie einen schlechten Beitrag — ich wiederhole das — zu der Wertung dieses Hohen Hauses und zu der Arbeit, die hier geleistet wird.Ich will jetzt nicht auf die Polemik des Herrn Kollegen Krockert eingehen. Er hat heute eine spitzfindige Polemik in einem sehr sanften Ton vorgetragen. Das ist manchmal anders, Herr Kollege Krockert; dann tragen Sie sachliche Polemiken in einem scharfen Ton vor. Aber wir haben uns inzwischen so aneinander gewöhnt, daß wir die gegenwärtigen Gemütslagen einer Kollegin oder eines Kollegen in Rechnung zu stellen vermögen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben unsere Anträge, bis auf einen als sachlich berechtigt angesehen. Aber Sie haben bedauert, daß keine Zeit der Beratung mehr war. Es ist auch bedauert worden, daß der Rechtsausschuß überhaupt nicht mehr in der Lage war, sich einer wesentlichen Frage dieses Gesetzes zu stellen, nämlich einer Änderung des ach so geheiligten Bürgerlichen Gesetzbuches. All das zeigt, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Sie gezwungen sein werden, um Ihren guten Ruf nicht noch mehr zu ramponieren, im 8. Deutschen Bundestag mit einer Novelle zu diesem Gesetz zu kommen.
— Als Opposition werden S i e kommen. Das kann ich Ihnen sagen. Und wie Sie kommen werden! Dagegen waren wir weiß Gott Waisenkinder.Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei diesem Gesetz vermisse ich auch — jeder kundige Thebaner vermißt das — seinen Einbau in ein Gesamtkonzept der Wohnungspolitik. Aber es kann zur Stunde auch gar nicht so eingebaut sein. Wir wissen nicht, wo wir mit dem Wohngeld dran sind. Wir wissen nicht, wie wir mit anderen flankierenden Maßnahmen zu der Wohnungspolitik dran sind. Ich nehme an, Herr Kollege Lauritzen, mit Ihrem Spezialkollegen von der Neuen Heimat haben Sie über das Thema mehrere sachliche Unterhaltungen geführt. Wenn Sie das von diesem Pult aus wiederholen würden, dann würden wir weiß Gott einen sachlichen Beitrag zu dem Gesamtthema hier entgegennehmen können.Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, Sie haben unsere Anträge samt und sonders abgelehnt. Bei uns hat in der Arbeitsgruppe übrigens noch eine lebhafte Debatte stattgefunden, als die Frage gestellt wurde: Wie verhalten wir uns, wenn die Koalition den § 541 a BGB annimmt? Ich habe den Kollegen gesagt: Was seid Ihr doch für Illusionisten! Als wenn hier die geringste Chance bestünde, daß die Koalition, insonderheit ihre Hauptvertreter, hier noch einer besseren Einsicht fähig wären! — Ich bin betrübt darüber, daß ich recht behalten habe. Aber manche unserer Freunde, vor allem der jüngeren, haben dabei einiges gelernt. Insofern hat sich das Ganze also auch bei uns gelohnt.Abschließend kann ich nur unserer Gewißheit Ausdruck geben, daß nach dem 3. Oktober eine Wohnungspolitik eingeleitet werden wird, die wieder aus einem Guß ist. Weil wir das wollen, lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Henke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mick, ein ganz kurzer Beitrag von mir zu Ihren Ausführungen.
Zum Gesamtkonzept der Wohnungspolitik werden wir in den nächsten anderthalb Stunden noch reden. Darüber will ich mich in dieser Runde gar nicht auslassen. Ich wollte nur einiges zu Ihren Bemerkungen bezüglich der Schluderei sagen, die bei diesem Gesetz betrieben worden sein soll, und zu der Behauptung, daß es im gestreckten Galopp fabriziert worden sei.
Dies ist ja nicht so, Herr Kollege Mick. Wir haben eine Sachverständigenanhörung dazu gemacht. Wir haben uns in Berlin vor Ort angesehen, wie es mit der Modernisierung ist. Wir haben den Gesetzentwurf sehr intensiv beraten. Aber es macht natürlich einen Unterschied, ob man dem Grunde nach am Zustandekommen eines solchen Gesetzes interessiert ist — wie der Kollege Dr. Klein und die Mehrheit der Mitglieder der Arbeitsgruppe der Oppositionsparteien — oder ob man, wie es bei Ihnen ja schon in der Frühphase der Beratung erkennbar wurde, im Grunde das ganze Gesetz nicht will, weil einem
Henke
die Richtung nicht paßt oder weil man ein Wohnungsmodernisierungsgesetz, das sich natürlich gut anhört, nicht mehr so gern im Erfolgskatalog dieser Regierung hätte.
Ich glaube, Herr Kollege Mick, im Grunde genommen ist das der Hintergrund Ihrer Position.
Der Widerspruch ist auch hier in der Beratung sehr deutlich geworden. Während Herr Kollege Klein Argumente bringt, mit denen sich auseinanderzusetzen sich lohnt, nämlich bei der Frage der erweiterten Duldungspflicht, der Frage der Prämienunschädlichkeit des Einsatzes von Mieterdarlehen in der Modernisierung, und daraus das negative Votum der Opposition herleitet, sagen Sie völlig undifferenziert: Das ganze Gesetz taugt nicht, ist geschludert und muß daher unsererseits abgelehnt werden.
- Ich bin gleich fertig, Herr Kollege Dr. Jahn.
Herr Kollege Mick, ich bedaure, daß Ihre Position zu diesem Gesetz so ist, weil Sie uns doch allen in vielen Jahren der gemeinsamen Arbeit zu diesem Themenkreis ans Herz gewachsen sind und weil wir wissen, daß Sie Gott sei Dank bei vielen Gesetzen überwiegend eine konstruktive Haltung an den Tag gelegt haben. Ich weiß nicht, warum Sie sich den Abgang aus diesem Haus mit diesem Gesetz so schwer machen. Ich bedaure das und bitte zu verstehen, daß wir Ihre Einlassungen zurückweisen müssen.
Wird noch das Wort zur dritten Beratung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Lesung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist mit Mehrheit angenommen.
Wir müssen noch über die Punkte 2 und 3 des Ausschußantrages abstimmen, was zusammen geschehen kann. Wer diesen Punkten zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kommen nun zum bereits aufgerufenen Punkt 8. Das Wort hat Frau Abgeordnete Meermann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das Recht der Opposition, zu attackieren; aber offensichtlich will die Opposition mit ihrer Attacke zum Mieten-und Wohngeldbericht, für dessen Deutlichkeit ich dem Herrn Bundesminister Ravens sehr herzlich danken möchte, noch ein bißchen warten und erst hören, was die Vertreterin einer Regierungsparteidazu sagt. Da Sie mit Ihrem Recht zur Attacke zurückhalten,
— sehr liebenswürdig, danke — möchte ich aber keineswegs mit dem Recht einer Regierungspartei zurückhalten, die Opposition zu erinnern. Alles, was Sie an Attacken in bezug auf diesen Bericht und vielleicht auch in bezug auf die Leistungen des Wohngeldgesetzes vorbringen könnten, gründet sich auf Maßstäben, die die sozialliberale Regierung gesetzt hat. Als CDU und CSU die Regierung stellten, sahen ihre Vorstellungen über die Funktion des Wohngeldes ganz anders aus, und daran möchte ich Sie ein bißchen erinnern. 1963 an einem sehr entscheidenden Punkt der Wohnungspolitik, als die Wohnungswirtschaft in die Marktwirtschaft entlassen wurde, als die Mieter rechtlich völlig unzureichend geschützt waren und als die Mieten stärker als die Einkommen stiegen, haben CDU und CSU ein sozial so unzureichendes Gesetz vorgelegt, daß wir Sozialdemokraten es ablehnen mußten. Jeder in diesem Hause weiß, daß keine Fraktion ohne Not ein Sozialgesetz ablehnt. Auch das Wohngeldgesetz von 1965 hatte als erklärtes Ziel nur — ich zitiere wörtlich —, „zur Vermeidung sozialer Härten ein Mindestmaß an Wohnraum wirtschaftlich zu sichern", und mehr war auch nicht darin.Was aber aus dem Wohngeld werden soll, wenn Sie die Regierung stellen würden, Herr Kollege Mick — wir werden das verhindern —, das lassen Sie wohlweislich im Dunkel. Ich habe mich bemüht, in Ihrem Wahlprogramm 1976 auch nur ein Wort über Wohngeld zu finden. Da schreiben Sie zwar vom Bedürfnis der Menschen nach Schönheit im Städtebau. Aber vom Bedürfnis nach Wohngeld ist mit gar keinem Wort die Rede.
Wenn Sie, Herr Kollege Mick, vorhin bemängelten, daß der Herr Bundesbauminister sich gegen den Herrn Bundesfinanzminister nicht genügend durchgesetzt habe, so muß ich sagen: Sie können sich nicht einmal bei Ihren Programmschreibern durchsetzen, und das ist doch eine traurige Angelegenheit.
— Ich bin der sicheren Auffassung, daß keiner der Damen und Herren aus dem Fachausschuß daran mitgewirkt hat, sonst könnte das nicht so aussehen.Überhaupt ist dieses Programm mehr eine Sammlung von hehren Grundsätzen als eine Antwort auf Fragen, die die Bürger bewegen, geschweige denn eine Antwort auf die Frage, was Sie eigentlich konkret tun wollen.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist stolz darauf, daß das Wohngeldgesetz unter Bundeskanzler Brandt und Bundeswohnungsminister Lauritzen zu einem Gesetz fortentwickelt wurde — jetzt zitiere ich wieder wörtlich—, „das das angemessene und familiengerechte Wohnen wirtschaftlich sichert". Seit dieser Zeit erst ist es zu einer starken
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17919
Frau MeermannSäule der Wohnungspolitik geworden, und zwar neben dem öffentlich geförderten Wohnungsbau, neben dem Bausparen und neben der Modernisierung. Das Wohngeld ist im wahrsten Sinne des Wortes populär geworden. 10 °/o der Mieter- und 1 °/o der Eigentümerhaushalte nehmen es selbstverständlich in Anspruch. Von 1969 bis 1975 ist die Zahl der Empfänger von 850 000 Haushalten auf nahezu das Doppelte, nämlich auf 1 600 000 gewachsen. Die Aufwendungen stiegen im gleichen Zeitraum von 537 Millionen DM auf 1,65 Milliarden DM, von denen jeweils die Hälfte von Bund und Ländern getragen wurde. Nun sagen Zahlen allein freilich nicht genug über die Qualität eines Gesetzes aus.Lassen Sie mich deshalb einen sehr kompetenten Mann — ich vermute, Sie werden ihn nachher in anderem Zusammenhang auch noch zitieren —, nämlich den Präsidenten des Deutschen Mieterbundes, Herrn Dr. Nevermann, zitieren. Er hat kürzlich festgestellt, daß das Wohngeldgesetz die gezielteste soziale Maßnahme im ganzen Bundeshaushalt darstellt, da keine andere in vergleichbarer Weise die niedrigsten Einkommen mit den höchsten Belastungen fördert. Ich möchte hinzufügen: Es hilft den Menschen genau im zentralen Punkt ihres Daseins, in der Wohnung.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist sich gemeinsam mit der Bundesregierung der Verpflichtungen bewußt, die sich aus der Entwicklung der Mieten und Einkommen für die Anpassung des Wohngeldes ergeben. Deshalb haben wir ja auch in dieser Legislaturperiode zum 1. Januar 1974 eine Anpassung vorgenommen, also in einer Zeit, in der wir gleichzeitig auf vielen Gebieten harte und manchmal schmerzhafte Stabilitätsmaßnahmen durchhalten mußten. Diese Anpassung — das geht aus dem Wohngeldbericht deutlich hervor — ist insbesondere unseren alten Mitbürgern zugute gekommen. Außerdem sind die großen Familien bevorzugt.Ich möchte aber hier auch nicht versäumen, auf eine Entwicklung hinzuweisen, die zwar für eine begrenzte Zeit so hingenommen werden kann, die aber bei der nächsten Novellierung in andere Bahnen gelenkt werden muß. Schon 1974 waren rund 80 °/o der Wohngeldempfänger Nicht-Erwerbstätige. Nur 20 °/o waren Arbeiter, Angestellte, Beamte und Selbständige. In der Zwischenzeit dürfte sich der Anteil der Erwerbstätigen noch weiter verringert haben. Die nächste Wohngeldnovelle muß daher vor allem eine breitere Öffnung zu den Erwerbstätigen hin schaffen, denn gerade in Arbeitnehmerfamilien, deren Einkommen knapp über der Berechtigungsgrenze liegt, ist die Wohnkostenbelastung oft sehr hoch, und zwar nicht nur im freifinanzierten Wohnungsbau, sondern auch im neueren Sozialwohnungsbau.Nun wird zur Zeit von den teueren Sozialwohnungen viel gesprochen, von den anderen nur wenig. Lassen Sie mich deshalb feststellen, daß von den rund 4 Millionen Mieterhaushalten in Sozialwohnungen die allermeisten nicht nur gut und sicher, sondern auch preiswert wohnen. Die freifinanzierten Wohnungen liegen im Preisniveau — auch das geht aus dem Bericht hervor — deutlich über den Sozialwohnungen. Wenn an einigen Orten einmal freifinanzierte Wohnungen billiger sind, so halte ich das nicht für ein Unglück, sondern es beweist, daß ausreichendes Wohnungsangebot vorhanden ist.Von den Faktoren, die im neueren sozialen Wohnungsbau zu hohen Mieten geführt haben, möchte ich aus Zeitgründen hier nur auf die öffentliche Förderung eingehen. Jedes Bundesland hat sein eigenes Finanzierungssystem. Aber allen gemeinsam ist, daß sie in der Zeit starken wirtschaftlichen Wachstums geglaubt haben, den Anteil der öffentlichen Förderung je Wohnung gering halten zu können, in der Annahme, daß die steigenden Einkommen auch die steigenden Mieten auffangen werden. Im Grundsatz ist dagegen auch nichts einzuwenden. Aber die Überspitzung des Prinzips hat teilweise zu erschreckenden Mietsprüngen geführt. Überhöhte Mieten lassen sich aber nicht durch Ausweitung des Wohngeldes ausgleichen, denn das Wohngeld kann sich immer nur nach Mietniveaus ausrichten, die für breite Schichten der Bevölkerung geeignet sind. Hier muß die Korrektur bei den Mieten beginnen.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktionmöchte deshalb Herrn Minister Ravens dafür danken, daß er sich unentwegt und zäh darum bemüht hat, daß die Länder den subventionsbedingten Mietanstieg bremsen.
Einige Länder haben damit inzwischen begonnen. Für die neu in Angriff genommenen Wohnungen sind von vornherein schwächere Mietsteigerungen vorgesehen. Dazu hat der Bund beigetragen. Bei einer leichten Erhöhung seiner insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel hat er seinen Anteil je Wohnung verdoppelt. Ich möchte hier aber auch sagen, daß ich es sehr bedauerlich finde, daß einige Länder daraufhin ihre eigenen Mittel sehr gekürzt haben und daß die Neubautätigkeit deshalb hinter dem Bedarf an Sozialwohnungen zurückbleiben wird.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hätte gern gleichzeitig mit diesen Bemühungen der Bundesregierung das Wohngeldgesetz erneut novelliert. Daß das nicht möglich war, ist eine zugegebenermaßen harte Folge der Sparmaßnahmen, die wir treffen mußten. Alle Fraktionen des Bundestages haben sie mitgetragen. Im Bericht des Ausschusses zum Wohngeldbericht ist ausdrücklich vermerkt: „Die einzelnen Fraktionen des Deutschen Bundestages haben durch Fraktionsbeschlüsse festgelegt, in dieser Legislaturperiode keine ausgabewirksamen Gesetze mehr einzubringen." Sie konnten ebensowenig wie wir die Augen davor schließen, daß der Bundeshaushalt Mindereinnahmen als Folge der Steuerreform und der Rezession hatte, daß zusätzliche Ausgaben für die Bundesanstalt für Arbeit geleistet werden mußten und daß wir schließlich 35 Milliarden DM eingesetzt haben, um die Arbeitslosigkeit zu verringern und der Wirtschaft neuen Auftrieb zu geben. Dies ist gelungen; es geht aufwärts, und die Bürger bei uns im Lande verstehen
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17920 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Frau Meermannauch, daß das Vorrang vor allem andern haben mußte.Was wir aber tun können, ist dies: Vorsorge zu treffen, daß das Wohngeldgesetz so schnell wie möglich vom neuen Bundestag novelliert werden kann. Deshalb haben die SPD- und FDP-Mitglieder im Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau im März dieses Jahres die Bundesregierung aufgefordert, die Novelle bis zum Ende dieser Legislaturperiode so vorzubereiten, daß die nächste Bundesregierung sie unverzüglich einbringen kann. Die Opposition hat im Ausschuß mit der Begründung dagegengestimmt, daß die Bundesregierung auch ohne ausdrücklichen Auftrag verpflichtet sei, von sich aus die erforderlichen Vorarbeiten aufzunehmen. Dies ist unbestritten. Aber, meine sehr verehrten Herren Kollegen von der Opposition, wenn Sie hier über nichts mehr reden wollten, wozu die Bundesregierung ohnehin verpflichtet ist, wären Sie die meiste Zeit zum Stummsein verurteilt, und wir müßten uns hier manchen rhetorischen Genuß entgehen lassen, was ich bedauern würde.
Ihre Kollegen im Haushaltsausschuß haben begriffen, worum es ging. Sie haben auch deshalb zugestimmt, weil der Finanzminister den Finanzrahmen, innerhalb dessen sich das Gesetz bewegt, jetzt schon für die Vorbereitung des Gesetzes zur Verfügung stellen muß. Der Haushaltsausschuß des Bundestages und der Bundesfinanzminister haben ihre mittelfristigen Dispositionen darauf eingestellt, der Herr Bundeswohnungsbauminister arbeitet am Gesetzentwurf; die Bürger und auch Sie, sehr verehrter Herr Kollege Mick — schade, er ist gerade nicht da, er hat aber das Problem vorhin angesprochen —, können zu Beginn der nächsten Legislaturperiode mit einem verbesserten Wohngeld rechnen. Die Einkommensgrenzen und die Miethöchstbeträge werden erhöht. Dort, wo heute noch nach der Gewährung von Wohngeld der Eigenanteil zu hoch ist, wird besonders geholfen, und die Erwerbstätigen werden sich bei der Einkommensberechnung besserstehen als bisher.Im Gegensatz zu Ihnen haben wir die Novellierung des Wohngeldgesetzes aber auch in unser Regierungsprogramm geschrieben. Das gilt, und wir wissen uns darin voll mit den Freien Demokraten einig.
— Ich bitte Sie sehr herzlich, unsere Wahl- und Regierungsprogramme nachzulesen.
Bisher hat die sozialliberale Koalition noch in jeder Legislaturperiode auf dem Gebiet des Wohnungs-und Städtebaus mehr gehalten, als sie vorher angekündigt hatte.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erklärt ihre Zustimmung zu der Entschließung, die der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau dem Deutschen Bundestag vorlegt und die sichdurch entsprechende Taten auf dem Wege der Erfüllung befindet.
Das Wort hat der Abgeordnete Nordlohne.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Meermann, 1965 hat die CDU/CSU ein Wohngeldgesetz geschaffen, dessen Inhalt es ist — Sie haben völlig recht —, zur Vermeidung sozialer Härten einen Zuschuß zur Mietaufwendung bzw. zur Belastung zu gewähren. Aber ich verweise ausdrücklich darauf: es hieß „soziale Härten" . 1965 waren die sozialen Härten in dem Sinne nicht gegeben wie heute.
Lassen Sie mich zu dem hier aufgerufenen Tagesordnungspunkt folgendes sagen. In § 8 Abs. 4 heißt es:Die Bundesregierung berichtet dem Bundestag über die Entwicklung der Mieten für Wohnraum, um eine Entscheidung über die Anpassung der Höchstbeträge für Miete und Belastung zu ermöglichen.Damit ist gesetzmäßig klar definiert, welchen Sinn die Vorlage eines Mieten- und Wohngeldberichts hat. Bisher waren diese Berichte jährlich zu erstatten. Der letzte Mietenbericht 1972 datiert von Mai 1973.Bereits im November 1973 — Frau Kollegin Meermann, ich komme jetzt auf den Punkt der gemeinsamen Entschließung zurück —, als der Deutsche Bundestag über eine geringfügige Anhebung der Mietobergrenzen und eine fingierte Einkommensgrenzenverbesserung durch Heraufsetzung des allgemeinen Freibetrages von 20 auf 30 % zum 1. Januar 1974 entschied, waren sich alle Fraktionen in diesem Hause darüber einig, daß unter Beachtung des ebenfalls beratenen Vierten Wohngeldberichts eine unverzügliche Wohngeldnovellierung dringend geboten sei.
— Frühestmöglich; ich komme darauf zurück. Aus diesem Grunde nahm der Deutsche Bundestag einstimmig eine Entschließung an, die einen klaren Auftrag des Parlaments an die Bundesregierung beinhaltete, nämlich: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die Einkommensgrenzen in § 19 angemessen erhöht werden, das Tabellenwerk in den Anlagen 1 bis 8 des Zweiten Wohngeldgesetzes den veränderten Einkommensverhältnissen und der Mietentwicklung angepaßt wird. Gleichzeitig ist in dem neuen Gesetzentwurf die Vereinfachung des Einkommensbegriffs und der Einkommensermittlung im Bereich des Wohngeldes und ihre Synchronisierung mit dem Bereich der Wohnungsbauförderung anzustreben. Außerdem sollten Ungleichheiten und strukturelle Verzerrungen beseitigt werden."
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17921
NordlohneMeine Damen und Herren, dies war die Alternative der CDU/CSU. Wir haben diese Dinge als Entschließungsantrag eingebracht, und der Deutsche Bundestag hat diesem Entschließungsantrag eindeutig und einstimmig seine Zustimmung gegeben.Für die Fraktion der CDU/CSU habe ich am 8. November 1973 hier in diesem Hause erklärt, wir gingen bei dieser Entschließung ausdrücklich davon aus, daß unter „frühestmöglichem Zeitpunkt" nicht ein Termin zu verstehen sei, der nach Vorlage des Wohngeld- und Mietenberichts ab 1. Juli 1975 liege. Die Haltung und die Alternative der Opposition im Wohngeldrecht waren eindeutig und klar. Der Deutsche Bundestag hatte sich einstimmig für die dringend notwendige Wohngeldnovellierung ausgesprochen. Die Bundesregierung hat es bis heute verabsäumt, einen Gesetzentwurf vorzulegen und ignoriert damit eine klare Entscheidung dieses Hauses.Die Bundesregierung hatte ferner vom Parlament den Auftrag erhalten, den nächsten gemeinsamen Wohngeld- und Mietenbericht zum 1. Juli 1975 vorzulegen. Tatsächlich erfolgte eine Vorlage erst unter dem 11. Dezember 1975, also ein halbes Jahr später. Damit mißachtete die Bundesregierung eine weitere eindeutige Beschlußfassung dieses Hohen Hauses.
Dem Parlament gesetzlich vorgeschriebene Berichte vorzuenthalten — sie sind im Gesetz ganz eindeutig angesprochen — bedeutet praktisch nichts anderes als die Ausschaltung des Parlaments. Die angegebenen Gründe für die verspätete Vorlage sind in keiner Weise stichhaltig. Es drängt sich einem angesichts dieses Tatbestands der Verdacht auf, daß Sie, Herr Minister Ravens, hiermit das Ziel verfolgten, zum 1. Januar 1976 eine angesichts der rapiden Mieten- und Lastensteigerung im Wohnungswesen in der letzten Zeit längst überfällige Wohngeldnovellierung nicht mehr vornehmen zu müssen.Möglicherweise sollten vollendete Tatsachen dahin gehend geschaffen werden, daß auch bei negativen Berichten — und dies ist ein solcher negativer Bericht — der Haushalt bereits zementiert ist, so daß in dieser Wahlperiode in Sachen Wohngeld nichts mehr passieren konnte. Insofern ist die in den letzten Tagen und Wochen pressemäßig verbreitete Aussage, daß die Novelle zum Zweiten Wohngeldgesetz — Frau Kollegin Meermann, Sie hoben vorhin darauf ab — möglicherweise noch in dieser Legislaturperiode vom Kabinett verabschiedet werde, klare Augenwischerei und eindeutige Wahlpropaganda zum 3. Oktober 1976.
Die letzte tatsächliche Wohngeldnovellierung erfolgte am 1. Januar 1971. Das andere, was zum 1. Januar 1974 geschah, war nicht einmal das Auffangen der Dinge, was einfach geboten war auf Grund des Mietenberichts 1972.Sie haben sechs Jahre lang Zeit gehabt — insbesondere die Regierung —, den inzwischen unerträglich gewordenen Zustand auf dem Gebiet des Wohngeldwesens zu verändern. Bei dieser Sachlage muß die Frage beantwortet werden, wie sich die Haltung dieser Bundesregierung mit den in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit stets wiederholten Erklärungen vereinbaren läßt, die lauteten — Sie sprachen es vorhin an —: „Was Sozialdemokraten versprechen, halten sie; was eine Bundesregierung verspricht, hält sie!"Dann frage ich hier an dieser Stelle: Wie ist die seit Jahren getroffene Aussage zu werten „Die Fortentwicklung des Wohngeldrechts wird ein Schwerpunkt der wohnungspolitischen Gesetzgebungsarbeit der nächsten Jahre sein" ? Herr Minister, meine Damen und Herren, wo ist dieser Schwerpunkt? Die Bürger in unserem Lande, die Fachverbände und die Wohnungsbauunternehmen können bei aller gebotenen Objektivität einen solchen Schwerpunkt beim besten Willen nicht erkennen. Vielmehr bescheinigen sie Ihnen und dieser Bundesregierung, daß Sie mit leeren Händen dastehen.Stellvertretend für viele darf ich den Deutschen Mieterbund zitieren — Sie waren vorhin so freundlich, ebenfalls darauf zurückzugreifen —, der zuletzt im Februar 1976 erklärte:Das Wohngeld trotz stark steigender Sozialmieten nicht zu erhöhen kommt einem sozialpolitischen Skandal nahe.In ungewöhnlich scharfer Form prangerte Mieterbund-Präsident Paul Nevermann, ehemals Hamburger Bürgermeister und SPD-Mitglied, die Tatenlosigkeit der Bundesregierung in Sachen Wohngeld an. Über die Reaktion des Bundeswohnungsbauministers, Herr Minister, habe ich gelesen: „Minister Ravens zeigte in einer ersten Erklärung großes Verständnis für die vom Mieterbund erhobenen Forderungen."
Dem „Hamburger Abendblatt" vom 31. März 1976 zufolge haben vor kurzem die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und FDP in Hamburg einen Antrag eingebracht, wonach sich der Senat im Bundesrat für Mieterhöhungen für die älteren Sozialwohnungen in Hamburg einsetzen soll.
— Moment! — Mit dem so einkommenden Geld könnte Hamburg nach Auffassung der Regierungsfraktionen SPD und FDP ein zusätzliches Wohngeld an einkommensschwache Mieter neuerer Sozialwohnungen zahlen.Meine Damen und Herren, dieses Beispiel beweist deutlich die fatale Situation, daß das jetzt geltende Wohngeld nicht ausreicht, um diese Dinge aufzufangen.Den eigentlichen Offenbarungseid auf dem Gebiet des Wohngeldwesens haben sich die Koalitionsparteien FDP und SPD entgegen unseren Warnungen selbst schriftlich in Form einer angenommenen Entschließung im federführenden Ausschuß am 10. März
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17922 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Nordlohne1976 geleistet, wonach sie unter anderem erklären — ich darf zitieren —:Eine Anpassung an die Entwicklung der Mieten konnte aus zwingenden finanzpolitischen Gründen in den Jahren 1975 und 1976 nicht vorgenommen werden. Der Bundestag bedauert dies, hält jedoch die getroffenen Entscheidungen für unvermeidbar.Damit geben beide Koalitionsparteien zu, daß eine Anpassung an die Entwicklung der Mieten nicht, wie jetzt angeblich beabsichtigt, zum 1. Januar 1978 erfolgen sollte, sondern bereits vor zwei Jahren notwendig gewesen wäre. Dieses Mittragen der gemeinsamen Entschließung vom November 1973 ist ganz eindeutig ebenfalls eine solche Unterstützung. Wenn für eine solche Wohngeldnovellierung der Bundesregierung das notwendige Geld fehlte, weil sie eine falsche Wirtschafts- und Finanzpolitik betrieb, muß sie sich den Vorwurf gefallenlassen, daß sie eine Wohngeldpolitik gegen die Interessen des kleinen Mannes betrieb; denn von rund 1,65 Millionen Beziehern des Wohngeldes — Sie sprachen es an, Frau Kollegin Meermann — waren 1974 nach dem uns vorliegenden Wohngeld- und Mietenbericht 66,9 °/o Rentner und 12,1 °/o Arbeiter. Die wahren sozialen Demonteure sitzen damit auf der Regierungsbank und nicht etwa dort, wo Sie sie vermuten würden.
Ich möchte jetzt kurz noch einiges zur Entschließung sagen. Die CDU/CSU lehnt die Entschließung ab,
weil unsere Alternative nach wie vor die vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommene Entschließung vom November 1973 ist. Das ist unsere Alternative,
und dazu sollten Sie, wie ich finde, auch heute noch stehen!Im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung von 1975 bis 1979, also in einem Fünfjahreszeitraum, sollen die Wohngeldaufwendungen von 840 Millionen auf 690 Millionen DM, also um 150 Millionen DM, verringert werden. Es wäre interessant, zu wissen, wie die Bundesregierung diese Absicht mit der Notwendigkeit einer Wohngeldverbesserung — die 1978 erfolgen soll — in Einklang bringen will. Die Tatsache, daß der Bundesanteil für Wohngeldaufwendungen Ende 1974 — die Zahlen für 1975 habe ich im Moment nicht zur Hand — bereits zirka 740 Millionen betrug, darf dabei nicht übersehen werden. — Meine Damen und Herren, das war der Bereich Wohngeldwesen.Der zweite Aspekt ist die Situation bei der Mietenentwicklung. Der vorgelegte Wohngeld- und Mietenbericht 1975 nimmt eingehend zur Entwicklung der Wohnungsmieten in den Jahren 1973 bis 1975 Stellung, zur Mietenentwicklung in den frei finanzierten Neubau- und Altbauwohnungen, zur Mietenentwicklung im Sozialwohnungsbestand und zu der wesentlichen Frage des Vergleichs zwischenden Mietobergrenzen und dem subventionstechnisch bedingten Mietanstieg im sozialen Wohnungsbau.Obwohl die im Bericht enthaltenen Zahlen bereits wieder überholt sind, wird festgestellt, daß die Mieten im Sozialwohnungsbestand in den beiden letzten Jahren stärker gestiegen sind als im Altwohnungsbestand und im Bestand frei finanzierter Mietwohnungen. Im Jahre 1975 weicht die durchschnittliche Entwicklung der Mieten des Sozialwohnungsbestandes noch wesentlich stärker von der Entwicklung im übrigen Mietwohnungsbestand ab.Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren wird immer stärker die Frage diskutiert, ob der soziale Wohnungsbau überhaupt noch die Bezeichnung „sozial" verdiene. Ich meine, daß man angesichts der negativen Entwicklung auf diesem Gebiet besser von „öffentlich gefördertem" als von „sozialem Wohnungsbau" sprechen sollte. Viele Bürger in unserem Lande, insbesondere Sozialmieter, sprechen heutzutage von „unsozialem Wohnungsbau". Die seit 1969 gebauten Wohnungen verdienen nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes — ich zitiere aus der „Welt der Arbeit" vom 21. Mai 1976 — zum Teil das Prädikat „sozial" nicht mehr. Und hier, Herr Minister, möchte ich Sie ansprechen, weil Sie vorhin im Rahmen Ihrer Ausführungen zum Modernisierungsgesetz erklärt haben, die Zahl der Haushalte und der Wohnungen sei ausgeglichen: Warum nehmen Sie nicht zur Kenntnis, daß Hunderttausende von Familien in der Bundesrepublik immer noch keine familiengerechte Wohnung zu einer tragbaren Miete haben? Ich meine, für den sozialen Rechtsstaat ist es untragbar, daß seine finanziellen Probleme auf dem Rücken der sozial Schwächsten gelöst werden. Die Sozialmieten sind inzwischen der Unruheherd Nummer 1 bei den Mietern; das stellen nicht wir fest, sondern das sagen Ihnen die Verbände, die hier zuständig sind.Lassen Sie mich ganz deutlich die Ursachen für den starken Anstieg der Sozialmieten nennen. Sie liegen zunächst in den allgemeinen Preis- und Kostensteigerungen: Von 1970 bis 1973 stiegen die Baubodenpreise im Durchschnitt nahezu um ein Drittel; in den Ballungsgebieten haben sie sich fast verdoppelt.
— Herr Kollege, die Herstellungskosten für eine 80 qm große Wohnung stiegen von 1970 bis 1974 um rund 60 °/o.
Der Kapitalzins — hören Sie jetzt ganz genau hin — stieg von 8 °/o im Jahre 1971 auf über 10,5 °/o im Jahre 1974. Dabei bin ich in bezug auf die Nennung dieser Zahlen noch human vorgegangen; es gab auch ganz andere Werte. Eine 1%ige Zinssteigerung
— das sollten Sie zur Kenntnis nehmen, statt hier zu polemisieren —
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17923
Nordlohneentspricht einem Mietanstieg von 50 Pfennigen bis 1 DM.
— Also, Herr Kollege, wollen Sie leugnen, daß ein solcher Zinsanstieg einen Mietanstieg von 50 Pfennigen bis 1 DM monatlich verursacht? Wenn Sie dies nicht akzeptieren wollen, müssen Sie sich einmal umhören, wie diese Dinge aussehen.
Einen erheblichen Anteil am Anstieg der Mieten haben außerdem die stark gestiegenen Nebenkosten wie öffentliche Abgaben, Heizungskosten und all die Dinge, die in den letzten Jahren — nicht zuletzt auch auf Grund der Tatsache, daß immer mehr Gesetze verabschiedet wurden, bei denen Kostenträger letzten Endes die Kommunen waren — teurer geworden sind. Dies alles ist mit einzubeziehen. Das heutige Förderungssystem im öffentlich geförderten Wohnungsbau beinhaltet bereits die vorprogrammierte Sozialmieteninflation.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Immer?
Aber bitte sehr.
Herr Kollege Nordlohne, da Sie sich, wie Sie gerade gesagt haben, umgehört haben: Würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß gerade der Landesrechnungshof von Rheinland-Pfalz bei verschiedenen kommunalen Wohnungsbaugesellschaften festgestellt hat, daß sie angeblich um 25 °/o zu niedrige Mieten erheben, und daß der Landesrechnungshof verfügt hat, die Mieten seien noch vor dem 3. Oktober um 25 "/o anzuheben?
Herr Kollege Immer, ich nehme das zur Kenntnis. Aber da ich diese Stellungnahme nicht gelesen habe, weiß ich nicht, wieweit das, was Sie hier interpretieren, zutrifft.Das heutige Förderungssystem sprach ich an. In der Frage der voiprogrammierten Sozialmieteninflation waren wir nicht auseinander. Konkrete Beispiele aus der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zeigen, daß bei den so geförderten Wohnungen bis Ende der achtziger Jahre Sozialmieten von zwischen 13 und 17 DM zu erwarten sein werden. Der soziale Wohnungsbau droht daher zum Preistreiber am Wohnungsmarkt zu werden.Es darf deshalb nicht verwundern, wenn über die am 12. Dezember 1975 im Bundesbauministerium durchgeführte Ministerkonferenz zu lesen war:Es bestand Übereinstimmung darin, daß die Mietentwicklung bei den jüngsten Förderungsjahrgängen bis 1974 besorgniserregend sei.Nicht allein aus diesen Gründen fordert der Deutsche Mieterbund den sofortigen Stopp des stufenweisen Abbaus der öffentlichen Förderungsmittel, um die Sozialmieten zu stabilisieren. Er fordert darüber hinaus, um die Mietbelastungen in einem erträglichen Rahmen zu halten, eine sofortige Reform des Wohngeldgesetzes zum 1. Januar 1976.Der DGB forderte in einem Schreiben an den Bundeskanzler vor einigen Wochen aus Sorge über die rückläutige Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus die Wiederherstellung der früheren Erstellungsquote von jährlich 200 000 Sozialwohnungen zu. tragbaren, sozialen Mieten.Der frühere Wohnungsbauminister Lauritz Lauritzen — er sitzt hier unter uns , heutiger Vorsitzender des Verbandes gemeinwirtschaftlicher Unternehmen für Städtebau und Landesentwicklung und Mitglied der SPD-Fraktion dieses Hauses, forderte dem Bonner General-Anzeiger vom 13. Februar 1976 zufolge eine Verdreifachung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus, um auch langfristig den Bedarf decken zu können. Nach seiner Auffassung würde eine Vernachlässigung des Mietwohnungsbaus zu neuen Fehlentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt führen. Dies alles war nachzulesen.Derselbe Verband fordert einer Meldung der „Welt" vom 11. Februar 1976 zufolge die schnelle Anpassung des Wohngeldes an die gestiegenen Mieten. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß bereits 1974 etwa 30 °/o aller Wohngeldempfänger Mieten zahlen mußten, die über den förderungswürdigen Miethöchstbeträgen lagen. — Zu diesem Ergebnis kommt auch der Wohngeld- und Mietenbericht 1975 auf der Seite 29.Mit diesen Forderungen übt der frühere Wohnungsbauminister indirekt Kritik an den Zielvorgaben von Wohnungsbauminister Ravens.Ich möchte noch eine weitere fundierte Stimme hier zitieren dürfen. Anfang dieses Jahres erklärte der Vorstandsvorsitzende der gewerkschaftseigenen Wohnungsbaugesellschaft „Neue Heimat", Albert Vietor, auf einer Pressekonferenz des Verbandes gemeinwirtschaftlicher Unternehmen für Städtebau, daß fast 3 Millionen Haushalte mit 6 bis 9 Millionen Menschen in unserem Lande noch immer „in düsteren Slums" lebten; man könne ihr Schicksal nicht allein von der schlechten Finanzlage der öffentlichen Haushalte abhängig machen. Meine Damen und Herren, wir haben dem nichts hinzuzufügen.
— Wir wollen die Debatte über das Modernisierungsgesetz hier nicht fortsetzen; dazu haben Sie vorhin unseren Standpunkt gehört.Bei den geplanten jährlichen Neubauten von höchstens 50 000 Sozialwohnungen könne man — Zitat von Herrn Vietor — nicht mehr von einem „Programm für den sozialen Wohnungsbau" sprechen.Meine Damen und Herren, jetzt komme ich zurück auf den vorhin bereits angesprochenen Arbeitskreis sozialer Wohnungsbau, der im Herbst 1974 von Herrn Bundesminister Ravens berufen worden war. Er kommt einer dpa-Meldung vom 12. Mai 1976 zufolge in seinem vertraulichen Abschlußbericht zu dem Ergebnis, daß sich die Kostenmieten im sozialen Wohnungsbau seit 1969 mehr als verdoppelt haben. Nach seiner Auffassung ist es ferner fraglich, ob ein
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17924 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
NordlohneHeruntersubventionieren auf eine vertretbare Angebotsmiete für eine größere Zahl von Wohnungen in der Zukunft noch durchgehalten werden kann. Diese Entwicklung habe zu einer starken Zurückhaltung der Bauherren von Mietwohnungen geführt. Aus den vorerwähnten Gründen wird allgemein die Auffassung vertreten, daß der beängstigende Rückgang des sozialen Mietwohnungsbaus gestoppt und wieder auf den Umfang angehoben werden muß, der die ausreichende Versorgung der einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen gewährleistet. Die CDU/CSU hat sich bei allen Einzelberatungen — ich darf das hier einmal deutlich sagen —, soweit sie in unserem Ausschuß erfolgten, dafür ausgesprochen und auch beantragt, jegliche Etatersparnisse für die Aufstockung der Mittelansätze beim sozialen Wohnungsbau zu verwenden — leider ohne Erfolg. Meine Damen und Herren, wo waren Sie denn da? In diesem Jahr haben wir nur noch ein Gesamtvolumen von 380 000 bis 400 000 neuen Wohnungen. Das Abrutschen der Neubautätigkeit geht vor allem zu Lasten des Mietwohnungsbaus, dessen Anteil 1975 nur noch bei rund 40 °/o lag. 1976 wird dieser Anteil noch weiter sinken.Meine Damen und Herren, auf die Kosten habe ich mich hier schon bezogen. Ich will Ihnen eine letzte Erhebung nennen. Sie ist ganz neu und besagt, daß bei 71 °/o der vor 1969 geförderten Wohnungen die Kaltmiete weniger als 4 DM pro Quadratmeter betrug; der entsprechende Anteil beträgt in den jüngeren Jahrgängen nur noch 15 bis 20 °/o. Sie müssen einmal nachfragen, wer bis 1969 die Regierungsverantwortung hier in diesem Lande hatte. Gerade die letztgenannten Sozialwohnungen stehen heute bereits zu einem Teil leer, weil sie zu teuer sind. Wen wundert es, wenn Sozialmieten heute bereits Luxusmieten des Jahres 1969 übersteigen!Meine Damen und Herren, nach dem Orientierungsrahmen 85 — jetzt komme ich gern noch auf Ihr Programm zu sprechen —, verabschiedet auf dem Mannheimer Parteitag, soll hinsichtlich der künftigen Wohnungsversorgung im öffentlich geförderten Bereich und bei der Wohngeldgesetzgebung wie folgt verfahren werden — ich zitiere —:Die öffentliche Förderung muß angemessene Mietbelastungen für untere und mittlere Einkommen ermöglichen. Die Mieten im öffentlich geförderten Wohnungsbau sollen die Mietobergrenzen des Wohngeldgesetzes nicht überschreiten. Durch die Gestaltung des Wohngeldes sind die einkommensschwächeren Haushalte zu entlasten, so daß auch sie neue Sozialwohnungen mieten können.Meine Damen und Herren, die jetzige Bundesregierung hat in diesen beiden Bereichen seit 1969 in eklatanter Weise versagt. Die Beweise für diese Feststellung — nicht allein aus unserer Sicht, sondern auch aus berufenem Munde anderer — trug ich Ihnen vor. Meine Damen und Herren, Sie hatten sieben Jahre Zeit, um das für die Zukunft gesteckte Ziel zu erreichen. Sie haben Ihre Zeit vertan.Frau Präsidentin, ich komme zum Schluß. Ein Letztes sei noch ganz eindeutig gesagt. Auf ihremam vergangenen Sonnabend in Dortmund zu Ende gegangenen Wahlparteitag hat die SPD ihr Wahlkampfpapier Modell Deutschland verabschiedet. Sie sagt darin, daß sie in einer solchen Situation die bisherige Politik auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus fortsetzen wolle. Meine Damen und Herren, wird sind nicht der Meinung, daß die Fortsetzung der bisherigen Politik der Bevölkerung in unserem Lande dient. Wir verstehen darunter, daß Sie Ihre bisherige negative Politik auf diesem Gebiet fortsetzen wollen. Das kann unmöglich zu einem Modell Deutschland führen.Unser Land hat im Interesse unserer Bevölkerung eine bessere Wohnungsbaupolitik verdient. Die CDU/CSU ist im Interesse der Bürger dieses Landes bereit, am 4. Oktober 1976 an die Erfolge ihrer Politik von 1945 bis 1969 anzuknüpfen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Vorlage des Wohngeld- und Mietenberichts 1975 ist die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nachgekommen. Daß der Bericht nicht früher vorgelegt wurde, ist ganz eindeutig insbesondere auf zwei Gründe zurückzuführen. Nach der letzten Anpassung des Wohngeldes zum 1. Januar 1974 lagen die neuen Daten, die für die Erstellung des Berichts nötig waren, erst im August 1975 vor. Zum anderen ist ja nicht unbekannt, daß die Haushaltsberatungen sich komplizierter als in früheren Jahren gestaltet hatten; der finanzielle Rahmen für weitere Schritte im Wohngeld- und im Mietenbereich mußte erst gefunden werden, um einen abschließenden Bericht überhaupt zu ermöglichen. Die Opposition sollte deshalb ihre Kritik nicht daran aufhängen, daß dieser Bericht einige Monate später vorgelegt worden ist. Aus dem Beitrag des Oppositionssprechers habe ich den Eindruck gewonnen, daß das, was er zu dem gesamten Wohngeldbereich zu sagen hat, sich im wesentlichen in dieser Kritik erschöpft hat. Hier drängt sich die Frage auf: Gibt es von seiten der Opposition eigentlich nichts anderes zur Frage des Wohngeldes mitzuteilen als die Kritik daran, daß ein Bericht nicht zu der Zeit vorgelegt wurde, zu der Sie dies für richtig halten? Die Art und Weise, mit der Sie dies hier vorgetragen haben, läßt doch fast auf eine bestimmte Gedankenarmut im Bereich der Opposition schließen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne?
Herr Kollege, ich möchte das zunächst einmal im Zusammenhang ausführen, so wie Sie Gelegenheit gehabt haben, in der Ihnen zugemessenen Zeit Ihre Ausführungen zu machen.Herr Kollege, wenn Sie sagen, hier werde soziale Demontage von der Regierungsbank her im Wohngeldbereich betrieben, dann klingt das sprachlich ja
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17925
Engelhardganz schön. Da hört man im Regierungsgestühl so richtig den Holzwurm ticken. Aber ich frage Sie: Merken Sie nicht, daß Sie, indem Sie den Versuch unternehmen, alles und jedes, jeden Beitrag, den Sie leisten, den Gesichtspunkten des 3. Oktober 1976 unterzuordnen, im Grunde nichts mehr mitzuteilen haben, daß Sie keinen wirklichen Beitrag mehr zur Problematik leisten und daß Sie mit der ganzen Schubkraft des Erhabenen, mit der Sie hier auftreten, gleichzeitig längst die Grenze zum Lächerlichen überschritten haben?
Herr Kollege, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne?
Bitte schön.
Herr Kollege Engelhard, darf ich Sie fragen, ob Sie sich in den letzten Tagen, Wochen oder Monaten bei Wohngeldbewilligungsstellen einmal über die mit dem Wohngeld zusammenhängenden Fragen erkundigen und im Detail Berechnungen einsehen konnten?
Herr Kollege, eine Frage dieses Inhalts habe ich erwartet. Ich kann Ihnen sagen, daß mir die Problematik sehr wohl bekannt ist. Dazu werde ich im weiteren Verlauf auch einige Anmerkungen machen. Das hat aber nichts mit dem zu tun, was ich Ihnen vorzuhalten Veranlassung hatte: daß Sie Ihrer vorgefertigten Polemik alles unterordnen, daß Sie zur Problematik selbst überhaupt nicht kommen, weil Ihnen das völlig verstellt ist bei Ihrem Drang, dieser Bundesregierung und dieser Koalition ans Leder zu wollen. Das ist Ihr Problem.
— Ich war im Plenum, und ich weiß ja wohl zuzuhören.
— Nein. Herr Kollege, schließen wir es damit ah, daß Sie Ihren eigenen Beitrag natürlich aus einer anderen Sicht sehen. Aber jeder objektive Beobachter wird feststellen müssen, daß ganz offensichtlich nicht das Bemühen, der Sache zu dienen, im Vordergrund steht, sondern Ihr unstillbarer Drang, Kritik — und sei es um der Kritik willen — zu üben, wobei Sie kaum zur Kritik in des Wortes eigentlicher Bedeutung vorzudringen wissen. Das, was Sie sagen, kann an sich nur mit dem Wort Polemik umrissen werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jahn?
Bitte schön.
Herr Kollege Engelhard, wie können Sie es mit liberalem Gedankengut vereinbaren, die Rede eines Kollegen der CDU/CSU mit den Worten zu bedenken, die Sie selbst gebraucht haben: „Grenzen des Lächerlichen überschritten"?
Herr Kollege Dr. Jahn , das zu erläutern ist nicht mein Problem, sondern über meine Wertung und deren Berechtigung nachzudenken, mag Ihr Problem und das Ihrer Freunde sein.
Wir haben in den letzten Jahren im Bereich des Wohngelds eine ganz wesentliche Ausweitung erlebt. Das gilt sowohl für die Höhe der Einzelleistungen und für die Höhe der Gesamtleistungen als auch für die Zahl der Bezugsberechtigten, die nun tatsächlich ihre Ansprüche im Wohngeldbereich realisieren. Hierzu sind bereits einige Zahlen genannt worden. Dieses Wohngeld ist ein ganz wesentlicher Teil des Systems der sozialen Sicherung in unserem Lande. Ganz sicherlich muß alles Bemühen dahin gehen, diesen Bereich der sozialen Sicherung funktionsfähig zu erhalten. Von der Leistungsfähigkeit her bestehen hier keine Bedenken. Aber man wird flexibel genug sein müssen, sich ständig an die laufende Entwicklung anzupassen. Darüber sollten wir einmal nachdenken, und darüber sollten wir hier sprechen. Der Wohngeldbericht der Bundesregierung hat hierzu ja einige Ausführungen gemacht, etwa daß Erwerbstätige gegenüber Versorgungsempfängern zunehmend benachteiligt werden und daß zwar ein Abnehmen der Belastungssätze beim Wohngeld festzustellen ist, aber bei wachsendem Einkommen gerade im unteren Einkommensbereich der absolut selbst zu tragende Mietanteil ansteigt.Deshalb haben die Koalitionsfraktionen im Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die bereits erwähnte Entschließung eingebracht. Natürlich ist es Sache der Bundesregierung, von sich aus jeweils Überprüfungen vorzunehmen und die notwendigen Schritte einzuleiten. Aber ist denn dies, so frage ich die Opposition, ein Grund für die Parteien dieses Bundestages, sich das aus der Hand nehmen zu lassen und auf eigene Initiativen zu verzichten?
Es ist ganz sicher richtig, hier deutlich zu machen, daß die Parteien dieses Hauses wünschen, daß alsbald alle notwendigen Überprüfungen vorgenommen werden, um sicherzustellen, daß in der kommenden Legislaturperiode im Wohngeldbereich eine Novellierung des Gesetzes stattfinden kann. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß diese Novellierung so gestaltet werden muß, daß sie vorrangig der Förderung der sozial wirklich schwachen Bevölkerungskreise dient; ich will hier beispielhaft nur
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17926 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Engelhardeinige nennen: kinderreiche Familien, Behinderte und insbesondere alte Menschen.Zum Mietenbericht der Bundesregierung: Es ist ganz sicher ein Signal, daß, wie wir auch aus zahlreichen anderen Veröffentlichungen wissen, in den letzten beiden Jahren in doch recht weiten Bereichen die Mieten des sozialen Wohnungsbaus über die des frei finanzierten Wohnungsbaus gestiegen sind. Für uns als Freie Demokraten ist das ein Sachverhalt, über den es ernsthaft nachzudenken gilt. Unsere Antwort wird sein, daß wir alles tun müssen, um zu einer Begrenzung des subventionstechnisch bedingten Mietanstiegs zu kommen. Wenn wir hier längerfristig nichts unternehmen, werden wir sehen müssen, daß der soziale Wohnungsbau seine Funktion und seinen Sinn bei allen Bauten, die neu erstellt werden, in den kommenden Jahren weitgehend verliert. Ich halte es deshalb für richtig, was mein Fraktionskollege Wurbs seinerzeit hier im Hause bereits ausgeführt hat: daß es darum geht, etwas mehr vom staatlich subventionierten Wohnungsbau wegzukommen, sich stärker der allgemeinen Mittel des privaten Kapitalmarkts zu bedienen und dadurch mehr öffentliche Mittel freizubekommen, um sie im Rahmen des Wohngelds einzusetzen, und gleichzeitig den sozialen Wohnungsbau stärker von der Projektförderung zur Subjektförderung zu verlagern.Ich möchte noch einige Bemerkungen machen, die mir im Zusammenhang mit dem Mietenbericht notwendig erscheinen. Nach wie vor ist der Drang zum eigenen Haus und zur Eigentumswohnung sehr stark. Es ist in dieser Legislaturperiode gelungen — das muß man im Zusammenhang der gesamten Mietproblematik einmal sehen und auch sagen —, mit dem Gesetz zur Förderung der Eigentumsbildung und des Wohnbesitzes im sozialen Wohnungsbau erstmals zu erreichen, daß mehr als die Hälfte der Mittel im sozialen Wohnungsbau für Eigentumsmaßnahmen Verwendung finden und daß der Ankauf einer Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses durch das System des Nachsparens, des sogenannten Mietkaufs, erleichtert wird.
Daß wir in diesem Zusammenhang nicht zugestehen konnten, auch aus dem Bestand der Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus gleichfalls Wohnungen an Interessenten zu verkaufen, hängt damit zusammen, daß wir gerade für die unteren Einkommensschichten die preisgünstigen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus älteren Jahrgangs weiterhin bereithalten müssen. Unter diesem Gesichtspunkt wäre uns eine Lösung des Problems der Fehlbelegung im sozialen Wohnungsbau wichtig gewesen. Ich sage das hier mit allem Freimut. Denn es geht entscheidend darum, die wirklich sozial Schwachen in jenen preisgünstigen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus unterzubringen, um die natürlich besser ausgestatteten und auch teureren Wohnungen der letzten Jahre dann für besser Verdienende übrigzuhaben.Eine letzte Bemerkung: Mit der Verabschiedung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes vorhin haben wir deutlich gemacht, daß wir im Bereich des gesamten Wohnungsbaus künftig ein Zeichen setzen und stärker zu einer Umschichtung kommen wollen: weg vom Nur-Neubau und hin auch zur Erhaltung und zur Verbesserung des bereits vorhandenen Wohnungsbestandes. Auf längere Sicht gesehen — unter Einbeziehung aller Kostengesichtspunkte — wird dies ein Mittel zur Begrenzung des Mietanstiegs sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Aussprache über den Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung bietet uns einen willkommenen Anlaß, allgemein über die wohnungspolitische Lage in unserem Lande, in Deutschland, zu diskutieren. Dabei wäre es sehr reizvoll, über die wohnungspolitische Lage in beiden Teilen Deutschlands zu reden, über die in der Bundesrepublik Deutschland und die drüben, in der sogenannten DDR. Ich will aber mit Rücksicht auf die mir verbliebene Zeit das Thema auf unser Land hier im Westen eingrenzen. Ein weiterer Grund ist der, daß wir in diesem Jahr ein kleines Jubiläum feiern: Zehn Jahre lang übt ein sozialdemokratischer Minister die oberste Verantwortung für das Bauen, den Wohnungsbau in unserem Lande aus.
Es ist also angezeigt, eine wohnungspolitische Bilanz der letzten zehn Jahre zu ziehen.Der Herr Bundeskanzler hat anläßlich des SPD-Parteitages in Dortmund am 18. Juni u. a. erklärt:Wir, wir Sozialdemokraten, stehen zum Sozialstaat und wollen den Sozialstaat weiter ausbauen.Ich muß an ihn und an die Bundesregierung die Frage richten, ob sich dieses Bekenntnis auch auf den Bereich Wohnen, auf den Bereich sozialer Wohnungsbau bezieht. Denn die Zahlen aus dem Bundeshaushalt und insbesondere die Festlegungen in der mittelfristigen Finanzplanung lassen hier durchaus eine Reihe von Bedenken und Befürchtungen entstehen.
Die Bilanz ist in weiter Hinsicht negativ. Der Anteil der Leistungen der öffentlichen Hand zur Verbilligung des Wohnens am gesamten Sozialbudget betrug 1963 3,8 %, 1973 noch 2,9 % und ist im Jahre 1975 auf 2,3 % abgesunken.Der Anteil dieser Leistungen am Bruttosozialprodukt ging von 0,96 % im Jahre 1969 auf 0,75 % im Jahre 1975 zurück. Seit 1965 ist der Anteil der öffentlichen Mittel an der Wohnungsbaufinanzierung von 20,5 % auf 7,5 % im Jahre 1974 zurückgegangen. Dabei ist insbesondere noch wichtig, daß die Kostensteigerungen gerade in kommunaler Hin-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17927
Dr. Schneidersieht in der gleichen Zeit außerordentlich groß gewesen sind. Sie betrugen im Durchschnitt mehr als 10 °/o, in manchen Teilen sogar mehr als 15 °/o.Gleichzeitig stellen wir eine Verdoppelung der Miethöhe im sozialen Wohnungsbau fest. Nur ein Beispiel: 1969 lag in Düsseldorf die Miethöhe im sozialen Wohnungsbau zwischen 2,90 und 3,43 DM je Quadratmeter im Monat. 1975 lag sie zwischen 5,09 und 5,97 DM je Quadratmeter im Monat. Seit 1969 entwickelten sich die durchschnittliche Marktmiete und die durchschnittliche Kostenmiete extrem auseinander.Zur gleichen Zeit haben wir eine Entwicklung zu verzeichnen, die besonders schädlich ist. Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen haben u. a. festgestellt, daß sie bei einem Bestand von rund 3,2 Millionen Wohnungen wegen der zu niedrigen Ansätze nach der zweiten Berechnungsverordnung einen jährlichen Substanzverlust von 1,8 Milliarden DM erleiden. In zehn Jahren wird die Sozialmiete nach den unbestreitbaren und unbestrittenen Berechnungen 13 DM pro Quadratmeter im Monat betragen. Will dann der Mieter, der Arbeitnehmer, noch in der Lage sein, eine solche Miete zu bezahlen, dann muß sein Nettoeinkommen, das heute i 700 DM beträgt, auf monatlich 4 200 DM ansteigen. In diesen Zahlen kommt der Ernst der wohnungspolitischen Lage ganz allgemein zum Ausdruck.Die Zahlen, die ich hier feststelle, sind unbestritten. Die Kritik daran wurde von anderer Seite, gerade von Gewerkschaftsseite, von Rudolf Sperner, vom Chef der Neuen Heimat, Herrn Albert Vietor, vom Chef des größten gemeinnützigen Wohnungsunternehmens, Herrn Tepper, oder vom Präsidenten des Mieterbundes, Paul Nevermann, mit großer Härte und Schärfe und wiederholt vorgetragen. Der wohnungspolitische Wechsel dieser Regierung ging zu Protest. Der wohnungspolitische Wechsel der SPD/FDP-Koalition ist, Herr Kollege Engelhard, geplatzt.Die Wohnungspolitik befindet sich unbestreitbar in einer Sackgasse. Da helfen auch nicht die stolzen Bauleistungszahlen der letzten Zeit, wie ich sie z. B. kürzlich bei der SPD im „Modell Deutschland" gelesen habe. In diesen Zahlen stecken nämlich beispielsweise auch die 714 000 Wohnungen von 1973. Darin stecken all diese Pleitewohnungen, die zur Wohnungshalde geführt haben und deren Entstehen Sie in unserer letzten großen wohnungspolitischen Debatte am 15. Mai 1975 auf das schärfste kritisiert haben. Diese hohe Wohnungsbauzahl war ja nach Ihrem Urteil Ausdruck einer hemmungslosen Wohnungsspekulation, Bauspekulation, Spekulation mit dem Betongold.Wenn man die vier Schwerpunkte zusammenfaßt, die sich hauptsächlich auf die wohnungspolitische Lage erstrecken, so kann man sagen, daß für das Zweite Wohnungsbaugesetz — Neubau und Wohnbesitz — keine ausreichende Finanzierung mehr gegeben ist. Die mittelfristige Finanzplanung sieht vor, daß das zweite Programm, das Regionalprogramm des Bundes, im nächsten Jahr, also 1977, ausläuft, daß das Intensivprogramm am 1. Januar 1978 eingestellt wird. Das hat zur Folge, daß die Bauleistungenim sozialen Wohnungsbau auf rund 30 000 Wohneinheiten im Jahr absinken.Der Deutsche Städtetag hat festgestellt, daß die Fortführung bereits begonnener Maßnahmen nach dem Städtebauförderungsgesetz gefährdet ist, weil es an den notwendigen öffentlichen Förderungsmitteln fehlt.Über das Wohngeldgesetz brauche ich nichts Weiteres mehr zu sagen; das hat Herr Kollege Nordlohne überzeugend getan und ausreichend kritisiert.Ich möchte nur auf eine Zahl noch hinweisen. 71 % der bis 1969, also unter unserer Regierungsverantwortung, gebauten Wohnungen werden heute noch zu einer Kaltmiete unter 4 DM pro Quadratmeter vergeben.
Wenn sich die wohnungspolitische Lage nicht weiter erhitzt hat, so ist das also nur das Verdienst der Regierung bis zum Jahre 1969. Das kann man nicht bestreiten.
Ich darf Ihnen sagen: Die Wohngeldentwicklung ist eigentlich seit 1971 eingefroren. Der Wohngeldbericht weist ja deutlich aus, daß die Tabellenwerte, die dem Beschluß von 1973 zugrunde liegen, damals bereits — so heißt es wörtlich im Bericht — verzerrt gewesen sind.Ich möchte noch ein Wort zum Modernisierungsgesetz sagen. Das Modernisierungsgesetz könnte in der heutigen Fassung als wohnungspolitisches Instrument durchaus eine gute Wirkung leisten, wenn die beiden erheblichen Ergänzungen noch hinzugefügt worden wären, die wir beantragt haben. Sie haben diese beiden Anträge abgelehnt; deswegen haben wir gegen das Gesetz gestimmt. Aber mit dem Gesetz allein können Sie nichts anfangen. Das Modernisierungsgesetz ist mit einem Auto zu vergleichen, mit dem Sie fahren wollen; aber da Benzin und das Ö1 fehlen, bleiben Sie stehen.
— Aus den Reifen ist die Luft abgelassen.
Diese Regierung konnte das schwierige Problem der Fehlsubventionierung nicht lösen.
Hier stecken die großen Probleme. Aber ich muß die Bundesregierung an dem messen, was Sie selbst für sich in Anspruch genommen hat. Das langfristige Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung vom 6. Juni 1972 sah eine jährliche Wohnungsbauleistung im sozialen Wohnungsbau von 200 000 bis 250 000 Wohneinheiten vor. Das Programm der Sozialdemokratischen Partei vom Oktober 1972 hat ebenfalls eine solche Bauleistung programmiert. Das war damals Wahlprogramm, das war damals Wahlversprechen, und auf dem gleichen Parteitag ist damals in Aussicht gestellt worden, in den nächsten zehn Jahren 5 Millionen Wohnungen zu bauen. Das haben Sie damals beschlossen. Heute können Sie
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17928 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Dr. Schneidernoch knapp 30 000 Wohnungen bauen; damals haben Sie 250 000 Sozialwohnungen pro Jahr versprochen. Ab 1978, wenn das Regionalprogramm ausläuft — das Intensivprogramm ist gestrichen —, reduziert sich die Bauleistung nach dem ersten Programm auf einen Umfang zwischen 25 000 und 30 000. Das heißt, 100 % haben Sie versprochen, knapp 10 % können Sie halten, und 90 % waren billige Propaganda, die Sie nicht halten können.Dazu kommt das Problem der Nachfinanzierung. Sie wissen, daß diese Wohnungen im sozialen Wohnungsbau mittels der Methode der degressiv gestaffelten Zinsaufwendungsbeihilfen finanziert worden sind und daß sie eine Nachfinanzierung in einem Umfang von etwa 7 Milliarden DM bis 8 Milliarden DM erfordern. Die Bundesregierung weigert sich, sich an dieser Nachfinanzierung zu beteiligen; die Länder sollen es alleine tun. Die Länder sind dazu nicht in der Lage. Wir haben heute eine hohe Fluktuation in diesen neuen Wohnungen: die Mieter müssen ausziehen, weil ihre finanzielle Leistungsfähigkeit weit überstiegen wird, weil diese Miethöhen mit einem sozialen Wohnungsbau und mit einer sozialstaatlichen Sicherung des Wohnens gar nichts mehr zu tun haben.Der fiskalische Aufwand sollte in Grenzen gehalten werden, als man damals diese Förderungsmethode eingeführt hat, weil man davon ausging, daß das Realeinkommen jährlich mindestens um 5 % ansteige. Aber das Realeinkommen ist nicht um 5 % angestiegen, sondern der Zuwachs ist fast auf Null abgesunken, und alle Lohnerhöhungen der letzten Jahre sind nach ihrem Gehalt nichts anderes als ein Inflationsausgleich.
Herr Abgeordneter Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Meermann?
Bitte sehr.
Herr Kollege Dr. Schneider, haben Sie schon einmal etwas davon gehört, daß etwa der Bund den Ländern ihr Finanzierungssystem vorgeschrieben hätte, und ist es nicht so, daß jedes Land selbständig über sein eigenes Finanzierungssystem entscheidet und daß keines so finanziert wie ein anderes, und sind Sie sicher, daß nicht das Land Bayern als erstes eine Verfassungsklage anstreben würde, wenn Herr Minister Ravens etwa sagte: Ihr müßt jetzt so finanzieren wie Schleswig-Holstein oder sonst irgendein Land?
Frau Kollegin Meerman, zum einen gehe ich davon aus, daß Herr Bundesminister Ravens es überhaupt nicht wagen würde, dem Freistaat Bayern Vorschriften zu machen, die nicht streng nach dem Gesetz ausgerichtet wären. Zum anderen darf ich sagen, daß der Bund natürlich die Möglichkeit hat — daran wird gerade gearbeitet —, durch eine gemeinsame Rechtsverordnung über die Miethöhe mit den Ländern auch die Förderungsmethode einheitlich abzustimmen. Außerdem hat sich der Bund der hohen Bauleistungen in den Ländern bei seinen wohnungspolitischen Bilanzen Jahr für Jahr besonders nachhaltig berühmt. Wer beim Kirchweihfeiern dabei ist, muß auch beim Zahlen auf dem Rentamt mit zur Stelle sein.
Die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Konjunkturpolitik, der Wirtschaftspolitik, der Steuerpolitik haben sich so verschlechtert, daß der wirtschaftliche Gesamtertrag, der Lohnertrag, die reale Leistungssteigerung ein Wohnen nach den wohnungspolitischen Zielsetzungen ökonomisch nicht mehr möglich machen.
Herr Abgeordneter Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vahlberg?
Herr Kollege Schneider, Sie behaupten, die Länder seien nicht imstande, die Nachsubventionierung zu finanzieren. Ist Ihnen bekannt, daß Nordrhein-Westfalen nachsubvenioniert, und sind Sie nicht auch der Meinung, daß Bayern diesem Beispiel folgen müßte?
Ich möchte Ihnen sagen, daß Bayern auch nachfinanziert. Nordrhein-Westfalen finanziert aber bereits bei der ersten Steigerungsstufe, bei den 40 Pfennig, nach. Das ist ja eine erste Hilfe. Ich bin überzeugt, daß dies auf diese Weise nicht gelöst werden kann. Jedenfalls ist diese Nachsubventionierung, Fehlbetrag von 7 Milliarden DM, eine der hohen wohnungspolitischen Hypotheken, die die derzeitige Bundesregierung der nächsten Regierung ohne Zweifel übergeben wird.
Herr Abgeordneter Schneider, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mick?
Ja, selbstverständlich.
Herr Kollege Schneider, ist Ihnen bekannt, daß das, was der Kollege als Nachfinanzierung bezeichnet hat, das Land Nordrhein-Westfalen von den laufenden Wohnungsbaumitteln nimmt?
Herr Kollege Mick, ich kann das nur bestätigen. In dem Maße, in dem Mittel aus den allgemeinen Förderungsmitteln genommen werden, wird der Neubau reduziert.Ein Wort zum Familienbericht der Bundesregierung. Der Familienbericht der Bundesregierung verdient in vielfacher Hinsicht Beachtung. Es stehen dort wirklich beherzigenswerte Erkenntnisse, insbe-
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Dr. Schneidersondere im Bezug auf das Wohnen der Familie, das Wohnen mit der Familie. Ich möchte Ihnen allerdings bekanntgeben, daß eine neue Untersuchung des Städtebauinstituts Nürnberg festgestellt hat, daß fast 2/3 aller kinderreichen Familien in der Bundesrepublik nicht die Mindestnorm an Wohnraum erreichen und mit mehr als drei Kindern auf weniger als 80 qm leben müssen. Nach den Feststellungen des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit leben cirka 45 % aller Kinder unter 18 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland in Wohnungen, die den Mindestnormen nicht entsprechen.
Der Beirat stellt dazu fest: Diese Zahl macht wohl am deutlichsten, in welchem Maße die Familien mit Kindern durch die bisherige Wohnungspolitik vernachlässigt worden sind.
Meine Damen und Herren, 3/5 aller Haushalte haben theoretisch die Berechtigung für die Einweisung in eine Sozialwohnung, aber höchstens für 1/3 stehen Wohnungen zur Verfügung. Der Zugang zu dieser Subvention ist in unserem Lande zum Lotteriespiel geworden. Das ist eine Tatsache, die auch niemand bestreiten kann. Ein ganz wichtiger Gesichtspunkt ist die Uneinsichtigkeit des Bundesfinanzministers und des Bundeskanzlers selber in bezug auf die flankierende Steuergesetzgebung. Beispielsweise sieht der § 7 b EStG seit über zehn Jahren Höchstbeträge für die Herstellungs- und Anschaffungskosten für Einfamilienhäuser von 150 000 DM und für Zweifamilienhäuser von 200 000 DM vor. Wir wissen, daß heute in den Großstädten die Anschaffungskosten für ein Einfamilienhaus bei 300 000 DM und für ein Zweifamilienhaus entsprechend höher liegen. Diese Steuerpolitik der Bundesregierung ist raumordnungspolitisch höchst schädlich. Sie führt dazu, daß in den Großstädten der Erwerb eines Einfamilienhauses für sozial schwächere Kreise gänzlich ausgeschlossen worden ist und daß nur noch draußen in den ländlich strukturierten Räumen gebaut werden kann. Hier tritt eine unerhörte und tiefgehende Großstadtfeindlichkeit in der Wohnungspolitik der Bundesregierung zutage.Verehrter Herr Minister Ravens, Sie haben in einer Erklärung, abgedruckt im Bulletin im Februar dieses Jahres, einmal gesagt, der Wohnbesitzbrief sei ein klassisches Beispiel dafür, daß man Reformgesetze beschließen könne, ohne daß durch sie der Haushalt stärker in Anspruch genommen würde. Ich muß Ihnen sagen, daß das wieder ein Papiertiger ist. Wir haben zwar in das Gesetz hineingeschrieben, daß mehr als 50 % der Maßnahmen im sozialen Wohnungsbau Eigentumsmaßnahmen sein sollen, haben aber absolut die Wohnungsbauförderungsmittel so herabgestuft, daß nach dem alten Recht 35 % absolut wesentlich mehr bedeutet haben als 50 "Al nach neuem Recht. Diese „Relativitätstheorie" im Jonglieren mit Zahlen, die nicht an den absoluten Zahlen orientiert sind, muß natürlich wohnungspolitisch und auch in der öffentlichen Auseinandersetzung in die Irre führen.Ein großer Mangel, den allein die Bundesregierung zu vertreten hat, sehe ich auch darin, daß wir seit Jahren keine Wohnungszählung und keine Volkszählung haben. Die „Wohnungswirtschaftlichen Informationen" des gemeinnützigen Verbandes stellen fest:Über die Miethöhe von Sozialwohnungen in der Bundesrepublik liegen leider nur unzureichende Angaben vor. Darüber kann auch die Fülle von Zahlen, die der Wohngeld- und Mietenbericht 1975 der Bundesregierung bietet, nicht hinwegtäuschen. Diese Zahlen berücksichtigen die Bewilligungsmieten; die Mieten nach der Schlußabrechnung weichen jedoch in der Regel stark ab. In Nordrhein-Westfalen betragen diese Abweichungen bis zu 23 °/o.Meine Damen und Herren, die eigentliche wirtschaftliche Misere in der Wohnungswirtschaft kommt darin zum Ausdruck, daß die Kostenmieten im sozialen Wohnungsbau die Preisführer am Wohnungsmarkt geworden sind und daß die Kostenmieten im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr doppelt so stark gestiegen sind wie die Marktmieten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der soziale Wohnungsbau gerät von den kalkulatorischen Kostenmieten her in immer größere Schwierigkeiten. Die durchschnittlichen Kostenmieten haben sich seit 1969 mehr als verdoppelt. Sie stiegen von 5,29 DM im Jahre 1969 auf 11,73 DM im Jahre 1974, d. h. sie nahmen jährlich durchschnittlich um 17 % zu. Im gleichen Zeitraum stiegen die Bewilligungsmieten aus sozialpolitischen Erwägungen nur um durchschnittlich 6,2 % an. Die Fortführung des sozialen Wohnungsbaus war deshalb nur unter erheblich stärkerer öffentlicher Beteiligung möglich. Der staatliche Subventionsbetrag stieg von 1,95 DM im Jahre 1969 auf 6,72 DM pro Quadratmeter im Jahre 1974, d. h. jährlich im Durchschnitt um 28 °/o an. Sein Anteil an der Kostenmiete erhöhte sich dadurch auf 56 °/o. Nach optimistischen Schätzungen wird die durchschnittliche Kostenmiete im Jahre 1980 zwischen 14,55 und 15,93 DM liegen.Meine Damen und Herren, wenn man der Bundesregierung auf dem Gebiet der Wohnungspolitik Konzeptionslosigkeit vorwirft, begeht man bestimmt kein Sakrileg. So beschreibt man nur mit euphemistischer Wendung einen traurigen Tatbestand,
und zwar deshalb, weil der Bundeswohnungsbauminister vom Herrn Finanzminister, vom Wirtschaftsminister und insbesondere und höchstpersönlich vom Bundeskanzler im Stich gelassen worden ist.
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17930 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Dr. SchneiderDas geht vor allen Dingen auch daraus hervor, daß das Förderungssystem für den sozialen Wohnungsbau längst überreif für eine Überholung ist. Dafür sind aber nicht einmal Ansätze sichtbar. Der Wunsch der Wohnungswirtschaft, den Einkommensbegriff des Wohngeldrechts an den der Wohnungsbauförderung anzugleichen oder mit ihm völlig gleichzuschalten, wird nicht erfüllt. Es fehlt im sozialen Bereich ein gemeinsamer Einkommensbegriff. Das Verhältnis zwischen Objekt- und Subjektförderung ist mißlich. Die Bundesregierung will offensichtlich den sozialen Wohnungsbau nicht mehr als staatliche Daueraufgabe ansehen.
Die politischen Prioritäten sind gänzlich verlorengegangen. Der soziale Wohnungsbau steht heute in der sozialen Prioritätsstufe der Bundesregierung ganz unten. Das sagen die Gewerkschaften, das sagen die Gemeinnützigen, das sagen alle, die zu diesem Thema sachkundig etwas sagen können.Meine Damen und Herren, auch unsere ausländischen Mitbürger, die Gastarbeiter, befinden sich in einer mißlichen Wohnungsversorgung. 34 v. H. von ihnen wohnen noch in Untermiete, auch vier-oder fünfköpfige Familien.Der Bundesregierung fehlt es auch an einer ordnungspolitischen Standortbestimmung in der Wohnungspolitik. Der Staat greift unsystematisch, widersprüchlich und hemmend in die Preis- und Kostenentwicklung ein und gefährdet so den ökonomisch notwendigen Nutzungsertrag. Auffallend ist, daß die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht auf die wohnungspolitischen, wohnungswirtschaftlichen Feststellungen im Gutachten der Wissenschaftler kaum und nur höchst oberflächlich einging.Das Konjunkturprogramm 1975 der Bundesregierung hat den sozialen Wohnungsbau trotz schärfstem Protest der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft ausgeklammert.Die Bau-Enquete aus dem Jahre 1973 ist bisher nicht Grundlage und Orientierungshilfe für die Bundesregierung in bezug auf die Wohnungspolitik geworden. Die Bau-Enquete mit über 2000 Seiten blieb also ohne jede wohnungspolitische Resonanz.Ganz arg ist es um die Realkreditpolitik in bezug auf den Wohnungsbau bestellt. Die unkündbare Amortisationshypothek mit festen Konditionen ist ganz verschwunden. Die Laufzeit der Rentenpapiere beträgt höchstens zehn Jahre.
Die Kurzfristigkeit erschwert eine solide Finanzierungspolitik. Das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital ist vielfach auf 1 :9 herabgesunken. Das eigentliche wohnungswirtschaftliche Problem steckt in diesem Mißverhältnis.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat es zu verantworten, daß sich in den letztenzwei Jahren die Konditionen für das Bausparen zweimal erheblich verschlechtert haben. Dabei müssen wir wissen, daß in Zukunft die wohnungspolitischen Aktivitäten im Eigenheimbau und im Bereich der Modernisierung, der Substanzerhaltung, liegen werden. Von 7 Millionen Bausparern wollen mindestens 4 Millionen ein Eigenheim bauen. Aber sie werden dieses ihr Lebensziel nicht erreichen können, wenn die Wohnungsbauförderungspolitik des Bundes nicht mit den Bausparaktivitäten der Bürger konform geht. Ohne eine Fortsetzung des Regionalprogramms wird die Eigentumsbildung im sozialen Wohnungsbau ab 1977 gänzlich zusammenbrechen.
Ich darf zum Ende kommen
und feststellen: Die Wohnungspolitik der letzten zehn Jahre endet mit einer traurigen Bilanz. Der soziale Wohnungsbau ist in eine Sackgasse geraten. Er ist mittelfristig nach den Ansätzen der Bundesregierung ab 1978 auf eine Ende programmiert. Von 100 %, die Sie versprochen haben, können Sie höchstens 10 % halten.Es ist schon mehrfach gesagt worden, daß sich die erste Regierungspartei besonders als Anwalt der Arbeiter feiern läßt.
Aber der lesende Arbeiter, den Bert Brecht die Frage stellen läßt: „In welchen Häusern des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?", stellt heute der Bundesregierung die Frage: „Wer soll meine Miete morgen bezahlen?" Zu unserer Zeit, als wir regierten, war er in der Lage, sich nach dem ersten Programm aus eigener Leistungskraft ein Eigenheim zu bauen.
Unter der Regierung der SPD/FDP-Koalition ist er trotz Wohngeldes nicht einmal in der Lage, die Kostenmiete im sozialen Wohnungsbau zu bezahlen. Er muß ausziehen; er ist ein Sozialflüchtling in unserem Lande.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schneider, ich meine, Sie haben Ihre Rede sicherlich nicht für sachkundige Kollegen halten wollen, sondern Sie haben sie in der Hoffnung gehalten, sie als Wahlkampfinstrument wider besseres Wissen einsetzen zu können.
Deutscher Lundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17931Bundesminister RavensDenn zu vieles davon war widersprüchlich, zu vieles stand auch im Widerspruch zu dem, was in den Ausschußberatungen zu einzelnen Punkten gesagt worden ist.
— Herr Niegel, wir wollen das einmal lassen.
Ich will nur einen Punkt herausnehmen. Sie haben in Ihrer Rede gesagt: Die Einkommenssteigerungen der Arbeitnehmer in den letzten Jahren waren gleich Null; sie waren nur ein Inflationsausgleich. Sie kennen die Statistiken und wissen, daß die realen Masseneinkommen auch im letzten Jahr noch um 4 0/0 gestiegen sind. So „richtig" wie diese eine Zahl von Ihnen war, so „richtig" waren alle anderen Punkte in Ihrer Rede.
Herr Kollege Nordlohne, auch Sie haben den Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung und die notwendige Debatte darüber in diesem Parlament mit Ihrem Parteitag verwechselt, auf dem Sie dazu wenig zu sagen hatten. Ich will, Herr Kollege Schneider, mit ein paar nüchternen Zahlen nachhelfen.
1966 — das war der letzte Haushalt, den Sie in diesem Bereich „Wohnungsbau" zu vertreten hatten — standen für den sozialen Wohnungsbau 638 Millionen DM zur Verfügung, 1975 3,225 Milliarden DM. 1966 standen für die Städtebauförderung 10 Millionen DM zur Verfügung, 1975 510 Millionen DM. Für das Wohngeld standen 1966 212 Millionen DM zur Verfügung,
heute sind es 825 Millionen DM. Es war die Zeit Ihrer Regierungstätigkeit, als beschlossen wurde, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau Jahr für Jahr um 10 °/o abzubauen. Das war der Ausgangspunkt 1966.
Daraus ist das langfristige Wohnungsbauprogramm geworden; daraus sind im Laufe der letzten vier Jahre allein für den Bereich der Wohnungsbauförderung in der Grundförderung, im Intensivprogramm, im Bereich „alte Menschen", im sonstigen Wohnungsbau und für die Aussiedler 2,69 Milliarden DM geworden. Für das Regionalprogramm sind in dieser Legislaturperiode 8,3 Milliarden DM bereitgestellt worden. Da sind Fertigstellungen im sozialen Wohnungsbau von 590 000 Stück; da sind Bewilligungen im sozialen Wohnungsbau von 550 000 Stück, und für die Modernisierung stehen im BundLänder-Programm und in den Konjunkturprogrammen insgesamt 890 Millionen DM zur Verfügung. Ich sage das nur, um ein paar Zahlen dagegenzustellen, damit klar wird, in welchem Maße sich diese Bundesregierung für den Bereich des Städtebaus,des Wohnungsbaus und der Eigentumsförderung im sozialen Wohnungsbau gerührt hat.
Ich muß ja nicht daran erinnern, Herr Kollege Schneider, daß bei allem Bekenntnis zum Eigentum allein der Anteil des sozialen Wohnungsbaus unter Ihrer Federführung über 33 % nicht hinausgekommen ist. Unter sozialdemokratischer Federführung ist er zwar nicht mit so lautem Bekenntnis, aber dafür mit ein bißchen mehr Arbeit auf über 40 % der öffentlichen Mittel angestiegen.
Das heißt, über 40 °/o der im ersten und zweiten Programm geförderten Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus sind Eigentumsmaßnahmen. Das ist eine Ziffer, die über der damaligen liegt.
Ich will nachher im Zusammenhang mit dem Wohngeld- und Mietenbericht auch noch gern auf die Frage der Mietentwicklung eingehen, weil ich meine, sie ist nützlich.Ich wollte diese Zahlen nur vorweggestellt haben, um deutlich zu machen, daß diese Regierung auf ihrem Feld gearbeitet hat, daß sie erfolgreich gearbeitet hat, daß sie den Wohnungsbau vorangebracht hat. Wenn ich von einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt spreche, Herr Kollege Nordlohne, dann weiß ich — dies habe ich bisher nie verschwiegen —,
daß es daneben eine ganze Reihe von Problemen gibt für die kinderreichen Familien, für die Alten, für die Alleinstehenden, für die jungen Familien, für die ausländischen Arbeitnehmer. Hierauf hat sich in Zukunft stärker als in der Vergangenheit unser öffentlich geförderter Wohnungsbau auszurichten.
Das wurde einstimmig und ohne Streit bei der letzten Debatte im Parlament dargestellt. Also, was soll's?Ich will nun gern zum Wohngeld- und Mietenbericht zurückkomen, weil ich meine, daß es die Sache wert ist, daß man sich über diesen Bericht sachlich unterhält und dabei auch ein paar Tatsachen zur Kenntnis nimmt, weil sie für die weitere Beurteilung der Situation wichtig sind. Die Bundesregierung hat diesen Bericht nicht leichfertig herausgeschoben, um ihn nicht rechtzeitig vorlegen zu müssen, Herr Nordlohne, sondern sie hat die Fraktionen gebeten, Verständnis dafür zu haben, daß wir erst zu einem späteren Zeitpunkt diesen Bericht vorlegen konnten, weil wir zum einen den Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen nicht auflösen konnten und wollten — dies haben wir sehr deutlich gesagt —, weil wir zum anderen eine ganze Reihe von statistischen Daten, die in diesen Bericht Eingang gefunden und ihn so klar gemacht haben, erst zu einem späteren Zeitpunkt bekommen haben.
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17932 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Bundesminister RavensNun, es gibt über die Funktion des Wohngeldes wohl keinen Streit. Es steht völlig außer Frage, daß das Wohngeld inzwischen zu einem ganz wesentlichen Bestandteil der Wohnungspolitik geworden ist und die Wohnungspolitik mit dem Wohngeld den Fächer ihrer Maßnahmen hat verbreitern können. Das Wohngeld soll dafür sorgen — und dabei soll es bleiben —, daß eine an der individuellen Leistungsfähigkeit orientierte Belastung durch Wohnkosten nicht überschritten wird; es soll dem Bürger bei einem entsprechenden Wohnungsangebot das soziale Grundrecht auf eine angemessene und familiengerechte Wohnung sichern. Damit ist das Wohngeld — das ist richtig — zu einem ganz wesentlichen Element im Netz unserer sozialen Sicherung geworden.Aber richtig ist auch, Herr Kollege Nordlohne — und ich halte es für unredlich, das von Ihrer Seite aus hier zu verschweigen —, daß bei den Beratungen zum Haushaltsstrukturgesetz Ihr Herr Fraktionsvorsitzender von diesem Platze aus für Ihre Fraktion mit ihren beiden Parteien erklärt hat: Wir verlangen als Voraussetzung für unsere Mitwirkung an diesem Haushaltsstrukturgesetz: keine Anhebungen von Leistungen in Gesetzen, die nicht durch gesetzlichen Zwang dynamisiert sind. Und dabei ist sehr deutlich gemacht worden, daß die Union — ebenso wie die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen — im Jahre 1976 eine Anpassung des Wohngeldes aus Haushaltsgründen nicht als möglich ansah.
Nun können Sie sich doch nicht hier hinstellen und sagen: Aber das habe ich alles vergessen;
ich habe das alles ja schon 1973 beschlossen, und das, was ich 1976 zum Haushaltsstrukturgesetz gesagt habe, gilt nicht mehr für die kommende Zeit.
— 1974 hat es die letzte Anpassung mit einer Erhöhung der Einkommensgrenzen
und mit einer Veränderung einiger Mietobergrenzen gegeben. Diese beiden Dinge sind geschehen. 1971 hatte es eine erste Neufassung gegeben, jetzt steht eine grundlegende Überarbeitung, wie sie nunmehr auch nach unserer Auffassung wieder fällig wird, an.
— Herr Kollege Jahn, dies hat damit zu tun, daß eine Tabelle und ein Wohngeld, das sich so genau an Einkommens-, Miet- und Familienverhältnissen ausrichtet, bei unterschiedlichen Mietentwicklungen und bei unterschiedlichen Einkommensentwicklungen im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, die dann von Zeit zur Zeit korrigiert weren müssen.
Damit hat das zu tun. Dies ist ein ganz nüchterner Grund. Und wenn Sie den Wohngeld- und Mietenbericht gelesen haben, werden Sie sehen, daß die Bundesregierung dafür eine ganze Reihe von Tatbeständen aufzeigt.Nun, es ist immerhin so, daß sich die Zahl der Wohngeldempfänger von 1970 bis 1974 um rund 80 v. H. von etwa 900 000 auf 1,7 Millionen Bürger erhöht hat und daß im gleichen Zeitraum die Ausgaben von 600 Millionen auf 1,47 Milliarden DM angestiegen sind. 1975 haben sie 1,65 Milliarden DM betragen. Die außerordentlich dynamische Entwicklung des Wohngelds ist dabei sowohl durch materielle Verbesserungen des Wohngeldrechts durch die 1974 in Kraft getretene Wohngeldnovelle als auch durch eine intensivere Aufklärung der Bevölkerung über ihre Rechte zu erklären.Von den Wohngeldempfängern sind etwa zwei Drittel Rentner und ein Fünftel Erwerbstätige. Bei den Erwerbstätigen spielen die kinderreichen Familien, die durch den Erwerb von neuem Wohnungseigentum hohe Lasten zu tragen haben, eine besondere Rolle. Das Wohngeld kommt also im Augenblick schwerpunktmäßig älteren Menschen und kinderreichen Familien zugute, und ich denke, das entspricht grundsätzlich der Ausrichtung der Wohnungspolitik auf ganz bestimmte Zielgruppen.Fast die Hälfte der Wohngeldempfänger bewohnt Sozialwohnungen; das Wohngeld dient also hier in einem ganz erheblichen Umfang der zusätzlichen Verbilligung von Sozialwohnungen — ganz genau auf den Individualfall ausgerichtet. Das zeigt, daß das Wohngeld weitgehend auch heute die Aufgabe erfüllt, eine angemessene Wohnversorgung für jene Haushalte zu sichern, die dazu auf Grund eigener Anstrengungen allein nicht in der Lage sind.Ich will dann noch einen Punkt aus dem Wohngeld- und Mietenbericht aufnehmen, will ich gehört habe, er spiele in der öffentlichen Diskussion eine Rolle. Ich höre, auf 70 DM Wohngeld kämen 43 DM Verwaltungskosten. Der Wohngeld- und Mietenbericht macht deutlich, daß in der letzten Zeit bei den Verwaltungskosten ganz erhebliche Einsparungen vorgenommen worden sind: auf 100 DM Wohngeld 8,60 DM Verwaltungskosten. Ich glaube, diese Zahl sollten wir auch der Genauigkeit halber hier wiederholen.Die positive Leistungsbilanz, die auch der Bericht des zuständigen Ausschusses wiederholt, wird im Wohngeld- und Mietenbericht durch eine nüchterne und offene Darstellung der Unzulänglichkeiten, die einer Bereinigung bedürfen, ergänzt. Damit haben wir nicht hinter dem Berg gehalten. Dabei zeigt sich z. B., daß die Zubilligung eines allgemeinen Freibetrages von 30 % ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Abzüge von Lohnsteuer und Sozialversicherung bei der Einkommensermittlung zu einer faktischen Ungleichbehandlung zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen führt. Hier liegt im Ergebnis eine Benachteiligung der erwerbstätigen Haushalte, und hier liegt einer der wesentlichen Ansatzpunkte für eine Novellierung des Wohngeldgesetzes.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17933
Bundesminister RavensGanz nüchtern wird im Bericht auch die Problematik der Mietentwicklung im neueren Sozialwohnungsbestand angesprochen. Ich will das ebenso nüchtern hier wiederholen. Diese Problematik findet ihren Ausdruck in der Erhöhung des Teilindexes der Sozialmieten im vergangenen Jahr.Was war nun für diese Entwicklung verantwortlich, was hat dazu geführt, daß wir einen solch starken Anstieg hatten?Es war erstens die Anhebung der Verwaltungs-und Instandhaltungskostenpauschalen ab 1. Januar 1975. Bei dieser notwendigen Anhebung haben sich die Bundesregierung und der Bundesrat auf das beschränkt, was gerechtfertigt und vertretbar erschien; sie haben sich nicht dem Wunsch der Wohnungswirtschaft gebeugt, weiterzugehen, als es notwendig war. Aber die Anpassung dieses Teils hat im sozialen Wohnungsbau ihre Spuren hinterlassen.Dann kommt die Erhöhung der Gebühren für kommunale Versorgungsleistungen. Nach den statistischen Erhebungen steht einem durchschnittlichen Anstieg der Wohnungsmieten von Anfang 1972 bis 1976 um 21 % ein Anstieg der Gebühren für Müllabfuhr und Straßenreinigung um 40 % und ein Anstieg der Gebühren für Abwasserbeseitigung um 53 % gegenüber.
— Hier wirken sich, Herr Kollege, die stärkeren Anstrengungen der Gemeinden auf dem Gebiet des Umweltschutzes aus. Dies in erster Linie. Denn hier haben wir mit der Einführung geordneter Deponien in den Gemeinden und z. B. mit der Einführung von Müllverbrennungsanlagen natürlich auch Kostenveränderungen. Aber es geht bei solchen Aufgaben auch darum, dafür zu sorgen, daß unsere Umwelt nicht zerstört wird. Jeder von uns weiß, daß das insgesamt mehr Kosten mit sich bringt. Sie schlagen sich unmittelbar bei den Belastungen der Mieter nieder.Drittens ist ein Teil der Veränderungen des Indexes auch auf das Wohnungsveränderungsgesetz 1973 zurückzuführen, das hier im Hause einstimmig verabschiedet wurde und den Ländern die Möglichkeit gab, bei den alten Wohnungsbeständen von vor 1962 den Zins von Landes- und Bundesdarlehen anzuheben. Auch dies macht sich bemerkbar.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Jahn ?
Herr Bundesminister, da Sie hier, wie ich meine, zu Recht die wahren Ursachen der Mieterhöhungen angesprochen haben, frage ich Sie: Sind Sie bereit, in Ihrer Partei darauf hinzuwirken, daß ab sofort die Diffamierung der Unionsparteien unterbleibt,
die darin besteht, daß seit einigen Tagen von der SPD Aufkleber und Poster wie dieses hier mit der Aufschrift verteilt werden: „Die Mieten müssen steigen — Wählt christdemokratisch!"
Herr Kollege, ich habe ganz nüchtern deutlich gemacht, welche Faktoren im sozialen Wohnungsbau in der Vergangenheit dabei eine Rolle gespielt haben. Ich will jetzt hinzufügen, daß durch unser Einwirken, durch das Verhandeln — hier kamen ja ein paar andere Dinge mit hinzu — die Steigerungsrate des Mietindexes für Sozialwohnungen in den letzten Monaten wieder nach unten gegangen ist. Ich will Ihnen diese Zahl gern nennen. Hier hat sich einiges verändert. Wenn es aber nicht um den sozialen Wohnungsbau geht, sondern darum, wie es im frei finanzierten Wohnungsbau aussieht, bin ich mir nicht so ganz sicher, ob Sie genauso reden, wie Sie heute hier geredet haben.Aber ich will jetzt einmal die Zahlen dazu bringen: Der Index des Mietanstiegs im sozialen Wohnungsbau, der im Januar bei 9,6 % gestanden hat, ist im Mai auf 5,8 % heruntergeklettert. Monat für Monat ist er heruntergestiegen. Hier zeigt sich, daß im vergangenen Jahr ein paar Sonderfaktoren eine Rolle gespielt haben. Es zeigt sich auch, daß unsere Bemühungen, gemeinsam mit den Ländern zu einer Lösung zu kommen, erfolgreich gewesen sind.Wir haben in den vergangenen zwei Jahren mit den Ländern ernsthafte Verhandlungen geführt und immer im Auge behalten, unter Umständen mit einer Rechtsverordnung arbeiten zu müssen. Wir haben auf der anderen Seite bei den Verhandlungen aber auch gesehen, daß man aufgrund des Meinungsaustausches zwischen Bund und Ländern untereinander zum gleichen Ergebnis kommen kann. Wir sehen, daß heute wichtige Flächenländer wie Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen für die neuen Wohnungsbauprogramme ihre Finanzierung umgestellt haben. Die Bundesregierung ihrerseits hat im vergangenen Jahr die Bundesmittel für den Sozialbereich des Wohnungsbaus im Einzelfall verdoppelt. Diese Länder haben gleichzeitig ihrerseits die Subventionskosten gestreckt. Wir werden in Zukunft im neueren Bestand in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen erhebliche Sprünge in dem Sinne, wie wir sie bisher gehabt haben, nicht mehr haben. Hier haben wir erreicht, was wir wollten.Das Land Bayern hat im Jahre 1974 — Herr Kollege Schneider, dort hätten Sie eigentlich Ihren Vorwurf abladen müssen — seine Doppelförderung, nämlich neben degressiven Aufwendungszuschüssen auch begrenzte zinsverbilligte Darlehen zu gewähren, aufgegeben, weil es die Gefährlichkeit dieser seiner eigenen Mieten- und Wohnungsbauförderungspolitik erkannt hat. Der Bund hat das Land Bayern 1972 wiederholt darauf hingewiesen, daß eine solche Förderungspraxis, wie sie von der baye-
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17934 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Bundesminister Ravensrischen Staatsregierung betrieben werde, zu einer Explosion der Mieten führen müsse. Die bayerische Staatsregierung hat damals nicht reagiert. Wir haben immer wieder gesagt: Hier wird es gefährlich.Wir bleiben dabei, daß die Länder, die in den vergangenen Jahren zusätzliche Bundesmittel für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus bekommen haben, die Probleme, die aus ihrer Art der Förderung in den vergangenen Jahren entstanden sind, zu lösen haben. Ich habe dem bayerischen Innenminister heute aber geschrieben, daß ich bereit bin, im Bereich der Neubauförderung zu helfen, wenn die Liquidität der Länderhaushalte unter Umständen nicht ausreicht, um zu einer Lösung zu kommen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider ?
Herr Bundesminister, weil Sie einige meiner Zahlen bestritten haben, muß ich Sie nach der wesentlichen Zahl, die ich genannt habe, fragen. Wollen Sie bestreiten, daß die mittelfristige Finanzplanung des Bundes vorsieht, das zweite Programm, das sogenannte Regionalprogramm, und das Intensivprogramm im sozialen Wohnungsbau zum 1. Januar 1978 ersatzlos auslaufen zu lassen?
Für 1977 sind in der mittelfristigen Planung zwei Drittel des jetzigen Volumens des Regionalprogramms eingesetzt. Herr Kollege, es bleibt so, wie es immer war, daß Haushaltsberatungen von Jahr zu Jahr neu geführt werden müssen.
— Herr Kollege, ich gehe dabei immer auf die Jahre 1976 und 1977 ein und mache dies auch deutlich.
Wir haben in diesem Jahr — anders als in der mittelfristigen Planung — das Regionalprogramm voll mit 1 Milliarde DM gefahren,
und wir werden im Herbst erneut zu Verhandlungen zusammentreten. Allerdings werden — das füge ich hinzu — die Möglichkeiten des Bundes und auch seine Fähigkeit, weiter zu finanzieren, in hohem Maße von der Bereitschaft der Länder mit bestimmt werden, ihrerseits zu dem, wenn Sie so wollen, „Herannehmen" von Finanzierungsmöglichkeiten ja zu sagen. Wer zur Verbesserung der Einkommenssituation des Bundes nein sagt, kann nicht verlangen, daß der Bund ihm Aufgaben, deren Durchführung bei den Ländern liegt, in vollem Umfang abnimmt. Wer seine eigenen Mittel zurückfährt, kann nicht verlangen, daß der Bund dafür in die Bresche springt. Hier geht es um Verhandlungen, die wir
miteinander zu führen haben und die wir führen werden.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Seiters?
Ja.
Herr Minister, sind Sie bereit, in Niedersachsen in Ihrer dortigen Position gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung der Landesregierung — im Unterschied zu den Haushaltsberatungen — genauso zu argumentieren, wie Sie das hier getan haben?
Herr Kollege, die mittelfristige Planung für 1977 sieht dort so weitgehende Streichungen und Nullstellungen — z. B. im Bereich der Städtebauförderung — vor, daß daraus und aus den Ansätzen der Verpflichtungsermächtigungen im Ergänzungshaushalt, den die Landesregierung selbst vorgelegt hat, schon deutlich wurde, daß die Landesregierung ihre mittelfristige Planung so fahren will, wie sie sie aufgestellt hat, und daß sie nicht bereit ist, in Verhandlungen einzutreten.
— Nein, wir haben da bisher durch unsere Entscheidungen einiges verändert.Ich will noch eine einzige Zahl aufnehmen; die Zeit drängt uns alle. Sie Herr Schneider, haben mit der Horrorzahl von 13 oder 15 DM/qm gearbeitet, die der soziale Wohnungsbau demnächst kosten würde und die überall genannt wird.
Was der Gutacherausschuß festgestellt hat, ist Kostenmiete nach Baukosten, nicht aber eine Kostenmiete, wie sie sich aus der öffentlichen Förderung ergibt.Wenn ich jetzt wiederum Ihr eigenes Land zitieren darf, weil Sie Ihrem Innenminister in der augenblicklichen Phase sicherlich glauben werden, gerade auch vor Ihrem Parteitag: Der Freistaat Bayern wird bei seiner Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus eine Sozialwohnung, die jetzt 4,03 DM kostet, durch öffentliche Förderungsabbauten im Laufe von 15 Jahren nicht über 2,80 DM im Preis steigen lassen. Dann ist Schluß. Das Land Nordrhein-Westfalen wird das nicht über 3 DM im Laufe von 13 Jahren tun, und das Land Baden-Württemberg im Laufe von 16 Jahren nicht über 2,08 DM. Das sind die aus den Aufwendungsbeihilfen entstehenden Mietsprünge, die sich für die Verteuerung des sozialen Wohnungsbaus auf der Grundlage der öffentlichen Förderung ergeben.Sicherlich gibt es daneben kommunale Gebühren, die eine Rolle spielen können. Aber im sozialen
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17935
Bundesminister RavensWohnungsbau müssen wir ja ehrlicherweise auch mit den Zahlen arbeiten, die wir haben.Unsere Zielrichtung im sozialen Wohnungsbau bleibt das, was wir schon in der Aussprache über die Große Anfrage der Union gesagt haben. Wir wollen unsere Wohnungspolitik konzentrieren — wir können das, weil wir einen höheren Wohnungsstandard erreicht haben, als wir je zuvor gehabt haben — auf die bisher benachteiligten Gruppen. Wir wollen den sozialen Wohnungsbau auf eine stärkere Eigentumsbildung konzentrieren. Wir können auch das, weil wir wissen, daß uns jede Eigentumsförderung auf der anderen Seite eine günstige Wohnung aus dem Bestand frei macht. Wir wollen den sozialen Wohnungsbau auch als einen Bestandteil der Erneuerung unserer Städte und Gemeinden eingesetzt wissen. Auf diesen drei Feldern wird der soziale Wohnungsbau auch in Zukunft wirksam sein.Hinzu kommt, daß die Bundesregierung den Auftrag des Bundestages ernst nimmt, die Vorbereitung zu einer Wohngeldnovellierung so voranzutreiben, daß der kommende Bundestag von dieser Regierung, die auch die nächste sein wird,
einen entsprechenden Entwurf auf den Tisch bekommt. Wir haben die Vorarbeiten vorangetrieben, weil wir meinen, daß nunmehr, nachdem 1976 eine Anpassung aus haushaltsmäßigen und finanzmäßigen Gründen nicht möglich war, die Voraussetzungen geschaffen werden konnten, weiterzukommen. Dafür wollen wir dem neuen Bundestag die Möglichkeit einräumen.
Meine Damen und Herren, wird des weiteren das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.Ihnen liegen auf Drucksache 7 5012 drei Anträge vor. Ich nehme an, ich kann über die drei Anträge gemeinsam abstimmen lassen? — Ich höre keinen Widerspruch. Wer den drei Anträgen des .Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen mit Mehrheit beschlossen.Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie zum Bundesbericht Forschung V—Drucksachen 7/3574, 7/5389 —Berichterstatter:Abgeordneter KernAbgeordneter LenzerAbgeordneter Dr.-Ing. LaermannIch danke den Berichterstattern, den Abgeordneten Kern, Lenzer und Dr.-Ing. Laermann, für den Bericht.Wünschen die Berichterstatter zur Ergänzung das Wort? — Das ist nicht der Fall.Dann rufe ich zugleich Punkt 10 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 1975 zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation
— Drucksache 7/5103 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/5444 — Berichterstatter: Abgeordneter Blankb) Bericht und Antrag des Ausschusses für Forschung und Technologie
— Drucksache 7/5392 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr.-Ing. Laermann
Ich danke den Berichterstattern, für den Haushaltsausschuß dem Abgeordneten Blank und für den Ausschuß für Forschung und Technologie dem Abgeordneten Dr.-Ing. Laermann, für ihre Berichte. Wird eine Ergänzung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Dann rufe ich zugleich den Punkt 11 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Lenzer, Pfeffermann, Benz, Engelsberger, Dr. Franz, Roser, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSUbetr. Forschungspolitik und Arbeitsplätze der Zukunft— Drucksache 7/4921 -Überweisungsvorschlag des Ältestemates:Ausschuß für Forschung und Technologie Ausschuß für WirtschaftIch rufe ferner Punkt 12 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Lenzer, Pfeffermann, Benz, Engelsberger, Dr. Franz, Dr. Marx, Roser, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSUbetr. Ziele bei der Förderung der fortgeschrittenen Kernreaktoren durch den Bundesminister für Forschung und Technologie— Drucksache 7/4984 -Überweisungsvorschlag des Altestenrates:Ausschuß für Forschung und Technologie InnenausschußHaushaltsausschußDie Debatte wird verbunden. Das Wort hat der Abgeordnete Kern.
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17936 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige forschungspolitische Debatte gibt Gelegenheit, die Entwicklung der Forschungspolitik in der Bundesrepublik und ihren gegenwärtigen Standort zu beschreiben.Der erste Bundesbericht Forschung wurde von dem damaligen Bundesminister für wissenschaftliche Forschung, Hans Lenz, Anfang 1965 vorgelegt. Er sah die Förderung der wissenschaftlichen Forschung als eine nationale Aufgabe an, die sich aus der wissenschaftlich-technischen Entwicklung unserer Zeit ergibt. Forschungs- und Wissenschaftspolitik haben demnach zum Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse möglichst schnell und präzise umzusetzen, die Wissenschaft in den Stand zu versetzen, Politik und Verwaltung fachlich zu beraten, Folgeerscheinungen moderner technischer Entwicklungen durch einen hohen Stand von Geistes- und Sozialwissenschaften vorherzuschätzen und die Grundlagenforschung zu fördern, da diese Maßstäbe wissenschaftlichen Denkens setzt und das geistige Klima, in dem allein eine freiheitliche Gesellschaft gedeihen kann, bestimmt.Dieser erste Bundesforschungsbericht berief sich mit diesem Wissenschafts- und Forschungsbegriff daher zu Recht auf Wilhelm von Humboldt und die preußischen Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die bei all ihren positiven Folgen zweierlei ausklammerten und vom Ansatz her ausklammern mußten, nämlich ein demokratisches Wissenschaftsverständnis und die gesellschaftspolitische Orientierung von Wissenschaft und Forschung. Für den ersten Forschungsbericht ergab sich somit eine vor allem auf technokratische Vollzüge abgestellte Wissenschafts- und Forschungspolitik, die sich auch in der Einteilung der fünf großen Förderungsprogramme des Bundes in allgemeine Wissenschaftsförderung, Kernforschung und kerntechnische Entwicklung, Weltraumforschung, Verteidigungsforschung und Studienförderung zeigte.Allen Förderungsprogrammen lag das Prinzip der Anerkennung der gegebenen Strukturen der wissenschaftlichen Forschung zugrunde. So heißt es im Bundesforschungsbericht I. Und noch deutlicher: In dem Programm der allgemeinen Wissenschaftsförderung binden die Förderungsmaßnahmen des Bundes die wissenschaftliche Forschung in ihrer Gesamtheit ohne Bindung an konkrete Ziele der wissenschaftlichen Forschung oder technischen Entwicklung. Der Staat überläßt es hier den Selbstverwaltungsorganisationen, den Hochschulen, den einzelnen Gelehrten, Forschungsthemen und -objekte selbst zu bestimmen. Demgegenüber werden andere Forschungsbereiche zielgerecht vom Staat unter Aufbau eigener Forschungs- und Entwicklungskapazität fest in die Hand genommen. Die Ziele aber bleiben auch hier interventionistisch: Belebung der Grundlagenforschung und Förderung der für die Wirtschaft risikoreichen wissenschaftlich-technischen Entwicklungen.Der von Bundesminister Stoltenberg 1969 vorgelegte Bundesforschungsbericht III verfolgt bei einer stärkeren Differenzierung des Förderungsprogramms die gleichen Ziele, nämlich in koordiniertem und vorausschauendem Handeln das Potential an wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischen Hilfsmitteln so zu vergrößern, daß unsere Gesellschaft in den Stand gesetzt wird, die Vielfalt der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungs- und Gestaltungsprobleme besser zu lösen und den Aufgaben in der Völkergemeinschaft gerecht zu werden.Neben die Verstärkung des Forschungspotentials auf breiter Grundlage tritt jetzt bereits ergänzend ein Fachprogramm der konzentrierten Förderung auf Gebieten, die zur Lösung bestimmter Zukunftsaufgaben und für den allgemeinen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Leistungsstand bedeutsam sind. Neben den im Bundesforschungsbericht I genannten Programmen der Kern- und Weltraumforschung gehören jetzt auch elektronische Datenverarbeitung, Meeresforschung und neue Technologien zu den Förderungsbereichen. Die Schwerpunkte bleiben ausgerichtet an technologisch-wirtschaftlichen Kriterien, wobei dem Schließen der technologischen Lücke zwischen den USA und Westeuropa, insbesondere der Bundesrepublik Deutschland, besondere Bedeutung zugemessen wurde.Eine neue Forschungspolitik wurde in dem von der Regierung der sozialliberalen Koalition 1972 vorgelegten Bundesforschungsbericht IV deutlich. Wissenschaftspolitik bedeutet nicht allein — wie bisher gesehen — Förderung der freien Forschung und Risikofinanzierung der Wirtschaft, sondern in gleichem Maße auch Berücksichtigung des gesellschaftlichen Bedarfs. Die Bundesregierung sieht es als ihre Aufgabe an, einerseits — gemeinsam mit den Ländern — die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft auf breiter Basis zu sichern und andererseits durch planvolles Setzen von Schwerpunkten die Wissenschaftspolitik am gesellschaftlichen Bedarf zu orientieren.Mit dieser Neuorientierung wurde die vorhergehende Imitationsphase in der Forschungspolitik zugunsten neuer, schrittweise durchzusetzender Prioritäten beendet. Das bedeutsamste Kennzeichen dieser Neuorientierung waren der Beginn der Demokratisierung der Forschungseinrichtungen und die Einbeziehung der Öffentlichkeit in den Prozeß forschungspolitischer Planung. Beide Versuche haben, so kann man heute wohl sagen, zu guten Ergebnissen geführt. Bestehende Fachprogramme und Projekte wurden unter diesen Gesichtspunkten umstrukturiert, neue Programme in Angriff genommen.Eine konsequente Fortführung und Fortsetzung dieser Politik unter Akzentuierung der Sozialpflichtigkeit der Forschung und Entwicklung stellt sich nun im Forschungsbericht V dar. Die noch aus dem Forschungsbericht I stammenden Schwerpunkte der kerntechnischen und der Weltraumforschung finden sich auch noch im Forschungsbericht V, aber neben die Förderung der Datenverarbeitung und der neuen Technologien sind inzwischen andere Programme getreten, von denen hier beispielhaft nur das Programm zur Humanisierung des Arbeitslebens genannt werden soll.Aufgabe der Forschungs- und Entwicklungspolitik ist nicht mehr allein die Förderung von Programmen, sondern die Durchsetzung bestimmter forschungs-Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17937Kernpolitischer Ziele als Beitrag zur Lösung folgender Aufgaben: Modernisierung der Wirtschaft; Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen; Erhaltung der äußeren Sicherheit; Steigerung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dabei wird in allen vier Bereichen deutlich, daß es gilt, den gesellschaftlichen Bedarf zu befriedigen, die Effizienz der Forschungseinrichtungen zu steigern und die Forschungspolitik durch Kontrolle und Einbeziehung der Öffentlichkeit zu demokratisieren.Die vorgelegten Programme der Bundesregierung folgen diesen Kriterien. Die Forschungsberichte IV und V der Bundesregierung zeigen daher sowohl Kontinuität als auch Konzentration bei der Stärkung der Sozialpflichtigkeit der Forschungspolitik. Mit der inhaltlichen Fortentwicklung des eingeschlagenen Kurses wurde gegenüber dem Forschungsbericht IV eine organisatorische Änderung des Berichts verbunden, die den Gesamtbereich der Forschungsförderung besser überschaubar und für die öffentliche Diskussion transparenter gemacht hat. In einem forschungspolitischen Teil sind die Ziele, Strukturen und Schwerpunkte der Forschungsförderung in einem zusammenfassenden Überblick dargestellt. In dem sich anschließenden Faktenteil werden umfassende Einzelinformationen gegeben.Die Bundesregierung wird daher im Antrag des Bundestagsausschusses für Forschung und Technologie Drucksache 7/5389 aufgefordert, mindestens alle vier Jahre, möglichst bis zur Mitte der Legislaturperiode, einen Forschungsbericht über die Ziele, Strukturen und Schwerpunkte der Forschungspolitik und alle zwei Jahre einen Faktenbericht vorzulegen. Die öffentliche Diskussion des Bundesforschungsberichts V hat gezeigt, daß eine weitgehende Übereinstimmung aller an Forschungspolitik Interessierten über die forschungspolitischen Zielsetzungen und ihre Gleichrangigkeit besteht. Die kritischen Stimmen versuchen, konservativ an dem einmal, nämlich dem jeweils zuletzt Bestehenden und Erreichten, an dem, woran man sich gewöhnt hat, festzuhalten, und wenden sich daher gegen die Orientierung — vor allem auch der Grundlagenforschung — am Bedarf der Gesellschaft. Sie versuchen, einen gar nicht vorhandenen Gegensatz zwischen gesellschaftlichem Bedarf und Grundlagenforschung zu konstruieren, während anderen die Orientierung an gesellschaftspolitischen Zielsetzungen nicht weit genug geht.Beide Forderungen widersprechen in ihrem Absolutheitsanspruch sozialdemokratischer Forschungspolitik. Sie muß auf der einen Seite ein Höchstmaß an gesellschaftlichem Nutzen zu erreichen suchen. Dies ist nur durch Orientierung am gesellschaftlichen Bedarf möglich. Sie darf aber andererseits die Kreativität und die Individualität des Forschens nicht verdrängen. Sozialdemokratische Forschungspolitik muß offen bleiben für neue Ziele und Projekte der Forschung und Entwicklung, die sich ihrerseits wieder nur auf Grund freier Forschung ergeben können. Orientierung am gesellschaftlichen Bedarf und Freiheit der Forschung stehen nicht im Widerspruch zueinander. Beide sind im Grundgesetz gesichert, die Freiheit der Forschung nach Art. 5, die Orientierung am gesellschaftlichen Bedarf in der Staatszielbestimmung nach Art. 20.Die Forschungspolitik der Bundesregierung, wie sie im Bundesforschungsbericht V niedergelegt ist, verfolgt Ziele, die grundgesetzlich legitimiert sind, den Prinzipien des Regierungsprogramms der sozialliberalen Koalition folgen und auch den Auftrag, der im Godesberger Programm niedergelegt ist, erfüllen.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion empfiehlt daher dem Plenum, den Bundesforschungsbericht V zustimmend zur Kenntnis zu nehmen.Lassen Sie mich dem, was die Opposition zur Forschungspolitik im Laufe der letzten Jahre gesagt hat, einige Worte hinzufügen. Die Forschungspolitik der CDU/CSU bietet, soweit ich sehen kann, keine Alternative zu den von der Bundesregierung im Forschungsbericht und in den einzelnen Forschungsprogrammen vorgelegten Vorschlägen und Empfehlungen. Sie versucht daher, dem jeweils zuständigen Minister am Zeug zu flicken, und ergeht sich in kleinlichen Sticheleien. Mit ihren Anwürfen versucht die Opposition, den komplexen Entscheidungsweg für die bestmögliche Planung und Realisierung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten als Gutachten-Dschungel zu disqualifizieren. Sie beschimpft den Minister als Gutachten-Minister.Der forschungspolitische Sprecher der Opposition hingegen muß ein Superstar sein;
denn er vermag nach seinen eigenen Worten Qualität und Notwendigkeit von Gutachten mit bloßem Auge zu erkennen.
Ihnen ist daher Dilettantismus zu bescheinigen, dem die fachmännische Arbeit suspekt ist.Da sie zur inhaltlichen Ausgestaltung der Forschungsförderung wenig sagen kann, konzentriert sich die Opposition auf die europäische Forschungspolitik und kritisiert dort den allzu sparsamen Umgang mit Steuergeldern, während sie selbst eine Aktion, dem Geld des Steuerzahlers auf der Spur, mit kleinlichen Sticheleien startet. Die Opposition klagt über die unverantwortliche Reduzierung der staatlichen Forschungsförderung und darüber, daß die Forschungstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland abnimmt, will aber zugleich die Mittel für die Forschungsförderung durch ihr sogenanntes Aktionsprogramm knapphalten. Sie will die Finanzierung der Fachprogramme des Forschungsministeriums überprüfen und die Vergabe von Forschungsgeldern stärker untersuchen. Aber anstatt sich im Haushaltsausschuß hierfür mit den notwendigen Argumenten zu rüsten, stellt sie just for show im Plenum ein paar Fragen in der Fragestunde, ohne dann Konsequenzen daraus zu ziehen, sie fordert verstärkte Forschungsförderung auch für kleine und mittlere Unternehmen und diffamiert im gleichen Atemzuge die Möglichkeiten der Forschungsförderung auch für diese Unternehmen, wie sie die Förderfibel ausdrücklich nennt und zusammenfaßt, als „Illusionen wecken". Die notwendige Aufklärung
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17938 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Kernüber das Risiko Kernenergie verkennt die Opposition als Persönlichkeitswerbung von Minister Matthöfer. Sie behauptet, die Forschungsförderung sei ein Instrument der Parteipolitik, und verunglimpft die Forschungspolitik der Bundesregierung als Effekthascherei. Dann beschimpft sie die Beamten des Ministeriums und unterstellt ihnen: die Arbeit tun die anderen.Schließlich erklärt die Opposition schlicht, die Schwerpunkte der Forschungsförderung des Bundes seien falsch gesetzt; Alternativen gibt sie keine. Im Gegenteil: in den Ausschußberatungen stimmt sie ausdrücklich den Zielsetzungen und den Schwerpunkten, wie sie im Bundesbericht Forschung V niedergelegt sind, zu. Die Opposition fordert ein Mann-auf-dem-Mond-Projekt für den Energiesektor; aber sie sagt nicht, was der Inhalt dieses Projekts sein soll.Die Opposition sollte sich schämen, derartige Schaumschlägereien in die Öffentlichkeit zu tragen, wenn sie das nicht sagen will. Sie hätte ihren Sinn als Opposition, sachgerecht und fachgerecht zu kritisieren, verfehlt. Zwar wird behauptet, daß man sich mit der Opposition sachlich auseinandersetzen könne; aber das Äußerste, was an Programmen und programmatischen Überlegungen bei der CDU zu finden ist, ist das Echo auf die Zielwerte, die die Sozialdemokraten schon lange verfolgen. Seitdem die Sozialdemokraten in der Regierung sind, gibt es nur noch eine „Mäkelopposition", aber es gibt keine ernsthafte Konzeption, mit der sich die Auseinandersetzung lohnt. Die Opposition sollte sich daher auf ihre Rolle, die sie im Parlament zu spielen hat, besinnen, sie ernst nehmen und der Regierungskoalition mit Ernst und Verantwortung Alternativen vorschlagen.
Lassen Sie mich noch im einzelnen zu den in dieser Debatte verbundenen Punkten kommen und wenige Sätze dazu sagen.Zuerst komme ich zu dein Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 1975 zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation . Die EWO tritt nun als einheitliche Organisation an die Stelle der beiden bisherigen europäischen Weltraumorganisationen ESRO und ELDO, deren Programme sie weiterführt.Zu dem Antrag der CDU/CSU betreffend Arbeitsplätze der Zukunft auf Bundestagsdrucksache 7/4921 muß ich sagen: hier hat die Opposition einen Antrag vorgelegt, der eigentlich eine Anfrage ist. Es stellt sich für mich die Frage, warum Sie nicht die Form der Anfrage gewählt haben. Dann hätten Sie nämlich vor Ablauf der Legislaturperiode noch eine Antwort erhalten können. Aber offensichtlich wollen Sie diese Antwort nicht, und deswegen wählen Sie die Form des Antrags, obwohl Sie nur Fragen stellen.Inhaltlich überrascht einiges, was Sie an Fragen stellen. Ich will nur eine herausgreifen. Da heißt es:Warum unterläßt es die Bundesregierung in ihrer Forschungspolitik, die Umsetzung des technologischen Wissens in Innovationen zu forcieren, damit qualitatives Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gesichert und ausgebaut werden?Nach unserer Auffassung liegen die Entscheidungen darüber bei den Unternehmen. Sie wollen offensichtlich die Entscheidungen über diese Investitionen aus den Unternehmen in das Forschungsministerium verlagern. Das aber — das kann man doch wohl sagen — entspricht nicht der Konzeption und der Vorstellung von einer freien Marktwirtschaft. Sie sollten sich daher fragen lassen, ob Sie tatsächlich gewußt haben, was Sie fragen, oder ob Sie mit dieser Art die Regierung nur ein bißchen äffen wollten.
Ich komme nun zu dem anderen Oppositionsantrag betreffend die fortgeschrittenen Reaktorlinien. Auch hier handelt es sich um nichts anderes als um Fragen, auf die Sie offensichtlich keine Antwort wollen, denn sonst hätten Sie auch hier nicht die Form des Antrags gewählt. Außerdem haben wir in zwei Sitzungen des Forschungsausschusses all diese Fragen ausführlich erörtert. Zudem muß noch gesagt werden, daß gerade der Punkt der Förderung der fortgeschrittenen Reaktorlinien in den Beratungen des Ausschusses für Forschung und Technologie mehrfach behandelt worden ist. Dabei ist, und zwar auf Initiative der Koalition, beschlossen worden, daß die Brüterlinie keinesfalls auf Kosten der Hochtemperaturlinie zu fördern ist und der Bundestag vor einer schwerwiegenden Änderung bei der Entwicklung der Hochtemperaturreaktorlinie zu unterrichten ist. Wir mußten also, da die Opposition das nicht tat, auch den Part der Opposition im Forschungsausschuß mit übernehmen.
Wir sind Ihnen dankbar, daß Sie uns dabei gefolgt sind. Zu den beiden Anträgen werden meine Kollegen Reuschenbach und Dr. Haenschke noch Stellung nehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem ich mich jetzt, der Aufforderung des Kollegen Kern folgend, pflichtschuldigst einige Sekunden lang geschämt habe, möchte ich einige Bemerkungen zum Forschungsbericht V machen. Herr Kollege Kern, vorher muß ich aber doch bemerken, daß Sie zur Sache eigentlich kaum etwas gesagt haben.
— Ich habe sehr aufmerksam zugehört. Sie haben zunächst ungefähr zehn Minuten lang ein Kolossalge-
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Lenzermälde über die historischen Hintergründe der verschiedenen Forschungsberichte aufgetragen. Das ist nichts Neues. Das ist unstreitig. Das ist allgemein bekannt. Dazu ist nichts zu sagen. Dann haben Sie den alten und sattsam bekannten Vorwurf, wir hätten hier keine Alternativen, gebracht und gleichzeitig aber zwei unserer Alternativen, zwei unserer Anträge kritisch kommentiert. Irgendwo müssen Sie sich dabei vergaloppiert haben. Was die Sticheleien betrifft, ist zu sagen, daß wir uns gern mit dem Minister im Ausschuß mehr auseinandergesetzt hätten. Aber er hat uns dort leider nur allzu selten die Ehre seiner Anwesenheit gegeben.
Sie wissen ja, daß auf Beschluß des Ausschusses sogar einmal eine Liste über dessen Präsenz im Ausschuß vorgelegt wurde. Wir kamen bei 28 Sitzungen, wenn ich mich recht erinnere, auf achtmalige Präsenz. Nun haben Sie also gesagt, die Opposition sollte sich schämen. Ich sehe überhaupt keine Veranlassung dazu.Wir begrüßen es ebenfalls, daß wir heute noch einmal hier über die forschungspolitische Problematik sprechen können. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir nicht zu verantworten haben, daß das erst jetzt, d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem unter Umständen einige Anträge nicht mehr fertig behandelt werden können, geschieht. Wir haben keinen Einfluß auf die Tagesordnung. Die Tagesordnung wird im Ältestenrat wahrscheinlich auch durch diejenige Mehrheit gestaltet, die hier im Plenum das Sagen hat — noch das Sagen hat.Ich möchte also sagen — das ist auch schon in unserer Stellungnahme vorher zum Ausdruck gebracht worden —, daß wir die forschungspolitische Zielrichtung so, wie sie im Forschungsbericht V skizziert worden ist, begrüßen. Wir stellen einen wesentlichen Unterschied zu dem Forschungsbericht IV fest. Wir sagen, daß sich diese Ziele und auch der Sprachgebrauch des Berichts sehr deutlich von dem ideologisch durchsetzten Vokabular unterscheiden. Zu streiten wäre jedoch über die Frage, ob sich die Bundesregierung mit ihren konkreten Aktivitäten auf dem richtigen Weg befindet, der auch zu diesen Zielen führt. Der Herr Kollege Dr. Spies von Büllesheim wird das an einem Punkt, nämlich an unserem Antrag über die fortgeschrittenen Reaktorlinien, exemplarisch deutlich machen. Die Forschungspolitik muß nämlich in ihren Grundzügen über längere Zeiträume kontinuierlich fortgeschrieben werden. Nur auf diese Weise sind eine ausreichende Handlungsfähigkeit und eine vorausschauende Planung der Beteiligten in Wissenschaft, Wirtschaft und Staat zu sichern. Nur so können die immer knapperen Finanzmittel optimal eingesetzt und Fehlinvestitionen vermieden werden. Ein stetiges, wenn auch bescheidenes Wachstum ist sicherlich einem hektischen Auf und Ab vorzuziehen.All dies bedeutet nicht, daß das eine oder andere Forschungsprojekt nicht auch einmal abgebrochen werden muß, wenn sich herausstellen sollte, daß die damit ursprünglich verbundene Zielsetzung nicht zu erreichen ist. Überhaupt möchte ich feststellenund das gilt ganz grundsätzlich für diese Forschungspolitik, auch die dieses Ministers —: es ist noch längst kein Nachweis von Qualifikation, wenn man über eine möglichst große Zahl von geförderten Projekten berichten kann.Wenn man unter diesen Prämissen einmal die Forschungspolitik der SPD/FDP-Regierung betrachtet, muß man sich doch wundern und einige Zweifel anmelden.Als ersten Punkt möchte ich nennen, daß in der personellen Besetzung kaum Kontinuität zu verspüren ist. Bereits der vierte Minister tummelt sich auf diesem Gebiet, und man hat manchmal das Gefühl, wenn man nur an die Art des Personenaustausches denkt, daß hier offensichtlich manchmal Leuten etwas Gutes getan werden muß, denen sich der Bundeskanzler in irgendeiner Weise verpflichtet glaubt.Der zweite Punkt: Ein Vergleich der forschungspolitischen Programmatik im Forschungsbericht V mit dem letzten dazu vorliegenden Dokument — es war eine Große Anfrage der Koalitionsfraktionen zur Forschungspolitik — läßt ebenfalls jegliche Kontinuität vermissen. Es wimmelte damals noch — Sie haben erfreulicherweise in Ihren Ausführungen darauf hingewiesen von ideologischen Leerformeln wie „Bedarf der Gesellschaft" oder „Das technisch Machbare wird künftig mehr als bisher am gesellschaftlich Verantwortbaren gemessen", also doch eine ganze Menge forschungspolitischer Weihrauch, der dort noch verbreitet worden ist. Es war die Rede von „neuen gesellschaftsbezogenen Programmen", die überall den gesellschaftlichen Nutzen berücksichtigen sollten. Es wurde kaum ein Wort über die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft verloren, die nunmehr bei den Forschungszielen den ersten Platz einnehmen. Das möchten wir ausdrücklich gutheißen. Wir werden dem unsere Unterstützung nicht versagen. Schließlich geht es dabei um die Sicherung der bestehenden und die Schaffung neuer Arbeitsplätze für die Zukunft. In dem Maße, wie unsere klassischen Wachstumsindustrien an Bedeutung verlieren, erwächst hier für die staatliche Forschungs- und Technologiepolitik eire besondere Verantwortung. Der Kollege Pfeffermann wird sich später noch mit unserem Antrag, den Sie auch eben erwähnt haben, „Forschungspolitik und Arbeitsplätze der Zukunft" —, denn das sollte das primäre Ziel der Forschungspolitik. sein , auseinandersetzen.So reizvoll es wäre, alle Widersprüchlichkeiten, alle Zeugnisse forschungspolitischer Kehrtwendungen einmal aufzuzählen, so möchte ich wegen der fortgeschrittenen Zeit doch darauf verzichten. Diese Dinge sind in cien Bundestagsprotokollen nachzulesen. Ich möchte nur sagen, forschungspolitische Zielsetzungen dürfen nicht je nach politischer Opportunität gestaltet werden.Drittens. Im Rahmen der Ausführungen möchte ich mich noch besonders mit der Rolle der Forschungspolitik für die Wirtschaft befassen. Dies erscheint in einer Phase angemessen, wo wir in diesem Lande den traurigsten Rekord an Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in der Nachkriegszeit haben.
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17940 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
LenzerAuf diesem Gebiet bietet sich ein wichtiger Ansatzpunkt für die staatliche Forschungspolitik. Ich möchte aber auch ganz deutlich sagen, daß die CDU/ CSU jede staatliche Innovationslenkung ablehnt, wie dies im übrigen auch Bundeswirtschaftsminister Friderichs am 26. April 1976 in einem Vortrag vor dem VDI und am 28. April 1976 zur Eröffnung der Hannover-Messe in klarer Distanzierung, wie ich meine, von dem Bundesforschungsminister gesagt hat. Wir sehen die Gefahr investitionslenkender Effekte mit konzentrationsfördernder Tendenz bei der derzeitigen Forschungsförderungspolitik.Vierter Punkt: Fast 1 000 Berater, eine Vielzahl von Gutachten und Studien, Planungsgruppen innerhalb und außerhalb des Ministeriums beschäftigen sich mit den Problemen der Forschungsprognose. Trotzdem kann man sagen, daß dies im Forschungsbericht V überhaupt nicht oder kaum zum Tragen kommt. Es fehlt einfach die Perspektive. Es wird dort mehr oder weniger eine Bilanz der bestehenden Aktivitäten aufgemacht. Kein Mensch beschäftigt sich einmal damit, eine Perspektive für die industrielle Gesellschaft von morgen aufzuzeigen und dort auch Problemlösungen darzustellen.Fünfter Punkt: Bei den angeführten Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele ist nach wie vor eine falsche Gewichtsverteilung dergestalt festzustellen, als immer noch der Schwerpunkt auf der direkten Förderung in einem Maße liegt, wie es uns nicht angemessen erscheint. Es werden dabei alle Möglichkeiten der indirekten Forschungsförderung zu kurz behandelt, Möglichkeiten steuerlicher Art, Zulagen, Prämien usw. Auf diesem Gebiet wäre eine ganze Menge zu tun.
Der sechste Punkt ist ein einprägsames Beispiel für das, was von Vertretern der Koalitionsfraktionen selbst zu dieser Forschungspolitik gesagt wird. Herr Kollege Kern, das möchte ich global zu Ihren Ausführungen hier über die Rolle der Opposition und zu dem, was Sie als „Sticheleien" bezeichnet haben, sagen. Ich brauche — mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident — nur aus der „Frankfurter Rundschau" vom 17. April 1976 zu zitieren. Dort hat sich immerhin kein Geringerer als der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Forschung und Technologie, Herr Kollege Lohmar, geäußert.
— Herr Wehner, ich bewundere Ihren Weitblick; natürlich mußte das kommen.
Darin hieß es:Leider sagt der Kanzler nicht, was er mit diesem technologischen Imperativ meint. Die großen auch von seiner Regierung geförderten Technologiebereiche der Datenverarbeitung, der Kernenergie sowie der Luft- und Raumfahrt tun sich schwer, technologisch mit den Amerikanern wenigstens gleichzuziehen. Ökonomisch gesehen nimmt allein die Kernenergie einenSilberstreif am Horizont wahr. Wenn also mit dem Imperativ die technologische und ökonomische Überlegenheit der Bundesrepublik in den genannten Hauptsektoren staatlicher Technologiepolitik gemeint gewesen sein sollte,
— jetzt hören Sie bitte gut zu, Herr Kollegen Wehner,
es wird Sie erheitern; ich tue ja immer etwas für Sie —
dann bedürfte es wohl einiger Korrekturen
bei des Kanzlers Minister Matthöfer. Und technologische Lücken hat die Bundesrepublik bislang meist erst dann ausgemacht, wenn die USA oder Japan sie schon besetzt hatten. Wie und wodurch soll sich dies alles ändern? Der Kanzler sagt nichts dazu.Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen, Herr Kollege Kern.
Ich bewundere deshalb Ihren Mut — —
— Herr Kollege Wehner, Sie können selbstverständlich gern in der neuen Legislaturperiode die Rolle des forschungspolitischen Sprechers Ihrer Fraktion übernehmen.
— Davon gehe ich aus. Es wäre doch schade, wenn Sie uns verlorengingen.
Ich möchte mich nun der Rolle von Forschung und Technologie in der Wirtschaft zuwenden und möchte an den Anfang dieser Ausführung die Frage stellen, warum wir überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland auf ein derart hohes Niveau von Forschung und Technologie angewiesen sind. Wir sind darauf angewiesen, weil wir einen hohen Anteil bei den Investitionsgütern am Export haben. Wir sind ferner darauf angewiesen, weil die Bundesrepublik ein dichtbevölkertes, industriell hochentwickeltes Land mit kaum eigenen Rohstoffvorräten, wenn ich einmal von der Kohle absehe, ist. Andererseits ist die Notwendigkeit gegeben, kochentwickelte Güter und Dienstleistungen auf dem Bin-
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Lenzernenmarkt zu testen. Auch das ist ein Wort zu den berühmten „Blaupausen" : nur die Güter und Dienstleistungen, die man zunächst auf dem Binnenmarkt testet, sind nachher auch exportfähig und können dann im Ausland abgesetzt werden.Entscheidend sind aber — darauf möchte ich immer wieder hinweisen; es gibt keine Forschungspolitik im luftleeren Raum — letzten Endes insbesondere die Verbesserung der Lebensbedingungn und die Tatsache, daß die durch die Forschung und Entwicklung geschaffenen Produkte und Verfahren im Produktionsprozeß oder auf dem Markt zur Gellung kommen. Deshalb sollte das Forschungsministerium, das eindeutig den Schwerpunkt seiner Tätigkeit im Bereich der angewandten Forschung hat, die Anwendung der Technologie, d. h. der Innovation, in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellen. Eine Vielzahl von Untersuchungen über entsprechende Bedingungen sind insbesondere auch von der OECD durchgeführt worden. Außerdem haben auch die ausführlichen Untersuchungen über die sogenannte technologische Lücke bewiesen, daß es keinen oder kaum einen technologischen Ruckstand unseres Landes gegenüber anderen Staaten gibt.
Vielmehr gibt es einen Rückstand hinsichtlich der Fähigkeit, die Innovation darzustellen. — Ich habe nicht gesagt, daß das einer behauptet habe, sondern ich habe das, Herr Kollege, als ein Faktum dargestellt. Ich habe nicht unterstellt, daß das hier jemand behauptet hätte. Ich wollte daraus aber für die Bundesregierung Schlußfolgerungen gezogen sehen, nämlich daß sie in Zukunft besonders die Innovation fördert.Verschiedene nationale Untersuchungen zeigen die Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen — auch darauf muß ich noch einmal kommen — für den technischen Fortschritt und für die Entwicklung umweltfreundlicher Produkte und Verfahren. Die Bundesregierung hat sich erst auf Drängen der Opposition dem Thema der Förderung der Forschung bei kleinen und mittleren Unternehmen gewidmet. Sie können das nicht bestreiten; das kann niemand bestreiten. Es gibt eine ganze Menge von Initiativen. Erst daraufhin ist mit großer Verzögerung die Förderungsfibel überhaupt erschienen, wenn man das schon als einen Beitrag dazu bezeichnen will, wozu ja viel Phantasie gehört.Nur maximal 9 % seiner Förderungsmittel stellt der Bundesminister für Forschung und Technologie kleinen und mittleren Unternehmen zur Verfügung. Es ist selbstverständlich, daß bei gewissen technologischen Großprojekten die Forschungskapazitäten der Großunternehmen beansprucht werden müssen. Trotzdem halten wir diesen Prozentsatz nicht für angemessen.Lassen Sie mich noch eine andere Bemerkung machen. In unserem marktwirtschaftlichen System sollte es so sein, daß im Rahmen der vom Staat mit beeinflußten Rahmenbedingungen es dem Wettbewerb überlassen bleibt, die besten Produkte undVerfahren anzubieten. Heute ist es vielfach so, daß eine Quasi-Investitionslenkung seitens des Forschungsministeriums erfolgt, die in zunehmendem Maße auch industriepolitische Ambitionen verrät — eine bedenkliche Entwicklung. Ich glaube, der Bundesminister für Wirtschaft hat sich an anderer Stelle zu diesem Komplex schon geäußert und sich, wie ich sagen möchte, deutlich vom Bundesminister für Forschung und Technologie abgegrenzt.Ich möchte zum Schluß meiner Ausführungen — damit nicht wieder das Gerede von den fehlenden Alternativen aufkommt; aber wahrscheinlich wird man das in Wahlkampfzeiten sowieso nicht zum Verstummen bringen, weil es sich jeder gerne hinbiegt, wie er es haben möchte — einige Thesen und Vorschläge vortragen.1. Die Einführung neuer Produkte und Verfahren mit Hilfe staatlicher Anreize sollte primär durch die Beeinflussung der Nachfrage erfolgen, damit Fehlentwicklungen verhindert werden.2. Die Technologieprogramme des Staates sollten sich grundsätzlich auf Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen konzentrieren, die im Rahmen der staatlichen Zielsetzung als im gesellschaftlichen oder im volkswirtschaftlichen Sinne besonders bedeutsam angesehen werden.3. Die Konzentration von Forschungsmitteln auf wenige Industriezweige, wie sie in allen westlichen Industriestaaten zu beobachten ist, ist an sich noch nicht schädlich. Andere Industriezweige werden automatisch sowohl als Zulieferer als auch als Verbraucher mit den Ergebnissen konfrontiert. Es muß aber dafür gesorgt werden — ich sagte es bereits —, daß mittelständische Unternehmen direkt und indirekt stärker an den Aufträgen auch für Großunternehmen teilhaben und daß weiterhin mit staatlicher Förderung erreichte Forschungsergebnisse allgemein zugänglich sind.4. Zwischen kleinen und mittleren Unternehmen auf der einen Seite und den forschungsintensiven Unternehmen auf der anderen Seite kann eine durchaus sinnvolle ergänzende Arbeitsteilung erfolgen. Große Firmen können einen wesentlichen Beitrag zur Innovation leisten, wenn es sich um Projekte handelt, die einen hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwand erfordern und zu deren Markteinführung erhebliche Kapitalien erforderlich sind. Kleinere Firmen konzentrieren sich auf die Zulieferung spezialisierter und anspruchsvoller Komponenten und Ausrüstungsgegenstände, die oft von großen Firmen als Verbraucher aufgenommen werden. Entscheidend ist auch hier die Mobilität des Kapitals. Das eingegangene Risiko hei Innovationen muß belohnt werden. Im Steuerrecht sollten daher entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, damit Anreize für Investitionen in die Forschung in den einzelnen Wirtschaftszweigen vorgenommen werden.5. Auch im Bereich der Grundlagenforschung muß in der Zukunft verstärkt eine kontinuierliche Förderung erfolgen. Um die Höhen und Tiefen bei den Finanzzuweisungen zu verringern, empfiehlt es sich für die großen Forschungsorganisationen, einen Ba-Lenzersishaushalt für eine längere Zeit. von Jahren festzulegen, damit diese besser vorausschauend planen können. In den jeweiligen Haushaltsjahren wird dann nur noch über die Spitzen verhandelt. Das wäre wesentlich einfacher als die bisherige Methode.Weiterhin ist es erforderlich, daß neben einer Kontinuität der Finanzierung auch eine Kontinuität bei organisatorischen Maßnahmen um sich greift. Das bedeutet, daß nicht jedes Jahr neue „Reformvorschläge" für die Grundlagenforschung vorgelegt werden. Ein wesentlicher Punkt wird in den nächsten Jahren im Interesse der Sicherung des Nachwuchses der Aufbau eines Spezialprogramms zur Unterstützung junger Wissenschaftler sein. Vorschläge hierzu liegen von seiten der Wissenschaftsorganisationen vor. So benötigen z. B. Max-PlanckGesellschaft und Deutsche Forschungsgemeinschaft eine überproportionale Finanzzuweisung und eine Unterstützung in kontinuierlicher Form bei der Förderung junger Wissenschaftler. Diese Kontinuität bei der Förderung der Grundlagenforschung ist eine unabdingbare Voraussetzung erfolgreicher Forschungspolitik.Ich darf, Herr Präsident, auch hierzu ein Zitat aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 11. Juni bringen. Dort heißt es:Wir müssen die Forschung aus den Fesseln der Bürokratie lösen und wieder ein vernünftiges Verhältnis von Dienstleistungen und wissenschaftlicher Freiheit erreichen. Wir müssen das wissenschaftliche Personal wieder mobilmachen und für turn over sorgen. Wir müssen der der Institutionalisierung eigenen Verkrustung und Immobilität entgegenwirken und für flexiblere Strukturen sorgen, die den heute schneller wechselnden Anforderungen der Wissenschaft gerechter werden. Wir müssen vor allem den Beruf des Wissenschaftlers so aufwerten, daß eine Universitätskarriere in Zukunft nicht nur von den Minderbegabten oder Bequemen, die sich der Konkurrenz des freien Wirtschaftslebens entziehen wollen, angestrebt wird.6. Was den Unternehmensbereich betrifft, so müssen wir auch auf eine steuerliche Entlastung der Unternehmen hinarbeiten. Hierbei kann man an die Gewährung einer Forschungszulage, bezogen auf die Personalausgaben, denken, wobei aber eigene und Vertragsforschung gleichbehandelt werden sollten.7. In Zukunft wird es auch immer notwendiger, die verschiedensten Maßnahmen des Staates im Bereich der Finanzzuweisungen, der Gesetze, der internationalen Beziehungen im Hinblick auf die Folgen besser abzuschätzen. Es geht nicht darum, ein neues Technologieprojekt um jeden Preis zu stimulieren, sondern darum, von vornherein die möglichen Folgen in etwa abzuschätzen. Die CDU/ CSU hat sich ja im Deutschen Bundestag schon mit der Frage der Abschätzung der Technologiefolgen beschäftigt, leider wegen der negativen Haltung der Koalitionsfraktionen ohne Erfolg.8. Die Vereinfachung der Verwaltung bei der Forschungsförderung des Staates ist ein weiteresAnliegen. Das Antragsverfahren ist heute derart kompliziert, daß kleinere und mittlere Unternehmen oft abgeschreckt werden, beim Staat Forschungsanträge zu stellen. Die neuen Bewilligungsbedingungen sind nicht gerade ein Anreiz dazu, einen Antrag einzubringen.9. Ein weiteres Problem ist die Finanzierung technologischer Großprojekte außerhalb der direkten Finanzzuweisungen, um den Staatshaushalt zu entlasten. Ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, überhaupt in der Zukunft Mittel für neue Projekte freizubekommen, wenn nicht auch noch global eine Aufstockung der Haushaltsmittel erreicht werden kann. Wir müssen insbesondere für die kapitalintensiven Projekte wie Energie- und Rohstoffversorgung neue Finanzierungswege finden. Hier geht es oft um die Zwischenfinanzierung risikoreicher Projekte, die heute bei den konventionellen Finanzierungsmethoden nicht möglich ist. Wir benötigen deshalb Risikokapital für derartige größere Projekte, wobei der Staat nur einen Anreiz zur Mobilisierung des Risikokapitals zu geben braucht. Dadurch können auch eine Entlastung bei den direkten Forschungsausgaben des Forschungsministeriums und eine höhere Flexibilität der Förderung erzielt werden.In diesem Zusammenhang ist es durchaus erwägenswert, z. B. das Instrument der langfristigen Berlin-Darlehen auf die Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten im Bereich der Energie- und Rohstoffversorgung der Bundesrepublik Deutschland auszudehnen. Dadurch gelänge es, langfristiges Kapital durch Mobilisierung privater Gelder für volkswirtschaftlich wichtige Bereiche zu erlangen. Ich glaube, daß wir in der Zukunft gerade für die enormen Investitionen im Energiesektor nur dann Finanzierungsmöglichkeiten haben, wenn es uns gelingt, Kapitalströme von anderen Gebieten in den Bereich der Forschung und der Forschungsinvestitionen hinüberzudirigieren.
— Herr Kollege, ich habe ja als Beispiel genannt: wie man das bei den Berlin-Darlehen finanziert hat. Es muß einfach dem privaten Anleger ein Anreiz gegeben werden, damit er seine Kapitalien statt in irgendeine Immobilie in ein solches Energieinvestitionsprojekt steckt. Das könnte ich mir durchaus vorstellen.Meine Damen und Herren, die Zeit ist fortgeschritten, und auch die Zeit, die ich mir gesetzt hatte, ist abgelaufen. Lassen Sie mich zum Abschluß folgendes sagen. In der Forschungspolitik brauchen wir Kontinuität — das ist das oberste Prinzip — und vorausschauende Planung auch über Wahltage hinaus. Wir bemängeln vor allem den Mangel an kontinuierlicher Arbeit und den Hang zur Orientierung an modischen Trends. Weiterhin sind wir der Ansicht, daß die Möglichkeiten des Staates zur Gestaltung in der Forschungspolitik nicht voll ausgeschöpft werden. Die Kontrolle der Forschungsgelder ist ungenügend. Hier muß Abhilfe geschaffen werden.
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LenzerDie von der derzeitigen Bundesregierung beabsichtigte Kürzung der Forschungsgelder in den nächsten Jahren ist nicht zu verantworten. Ein nominales Wachstum von 2 °/o ist unzureichend. In Anbetracht der vielen Kostensteigerungen, die das Ministerium für Forschung und Technologie bei technologischen Großprojekten mit zu verantworten hat, würde bei der gegenwärtigen Planung jeglicher Bewegungsspielraum für die Forschungsförderung entfallen. Es ist sogar damit zu rechnen, daß in vermehrtem Umfang Forschungsprojekte eingestellt werden müssen. In Kernforschung und Kerntechnik besteht hinsichtlich der weiteren Finanzierung ein heilloses Durcheinander. Allein die vertraglichen Verpflichtungen erforderten eine Steigerung der Kernforschungsausgaben um jährlich mindestens 8 °/o.
Wir alle sind uns der Bedeutung von Forschung und Technologie für die zukünftige Konkurrenzfähigkeit unseres Landes bewußt. Jeder sinnvolle Beitrag zur Stärkung von Forschung, Technologie und Innovation durch staatliche Förderungsmaßnahmen kann auf die Unterstützung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion rechnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Lenzer, ich bin mir nicht ganz klar, in welcher Rolle Sie hier heute aufgetreten sind. Darf ich Sie fragen, ob die Kollegen von der CSU-Fraktion Ihre Rede vorher gekannt haben und deshalb hier nicht anwesend sind?
— Entschuldigen Sie bitte, ich verstehe Ihre Aufregung gar nicht. Lassen Sie mich erst einmal meine weiteren Ausführungen machen; vielleicht wird dann Ihre Aufregung im nachhinein noch verständlich.
Sie haben dem Forschungsminister vorgehalten, er wolle Investitionslenkung über Forschung betreiben, er wolle Strukturpolitik betreiben. Sie gehen aber gleichzeitig noch viel weiter. Denn darauf laufen doch Ihre Ausführungen hinaus. Hier steht nämlich: Primär durch die Beeinflussung der Nachfrage soll die Einführung neuer Produkte erfolgen. Das ist doch hier die Frage, ob Sie über die Nachfrage den Konsum lenken wollen, und ob das nicht viel schlimmer ist.
Sie haben auch davon gesprochen, Geldströme „herüberzudirigieren". Wenn ich es richtig sehe, ist „dirigieren" das Verb, aus dem sich „Dirigismus" ableitet. Sie haben auch wiederholt von Kontrolle gesprochen. Das alles ist doch sehr merkwürdig, wenn Sie gleichzeitig sozusagen als der Gralshüter der Marktwirtschaft auftreten. — Bitte schön.
Herr Abgeordneter Laermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lenzer?
Herr Kollege Dr. Laermann, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es völlig marktkonform ist — ich denke jetzt beispielsweise einmal an die Sparförderung —, wenn der Staat Anreize gibt, damit private Anleger ihr Geld in einem bestimmten Sinne anlegen? Sind Sie nicht der Meinung, daß das völlig marktkonform ist und überhaupt nichts mit Dirigismus zu tun hat?
Entschuldigung, ich denke, wir sprechen hier über Forschung und Forschungsförderung. Ich bin überrascht, daß Sie jetzt von der Sparförderung sprechen. Aber vielleicht können wir darauf noch einmal eingehen. Sie wollten doch, wenn ich das, was Sie vorhin ausgeführt haben, richtig verstanden habe, nicht sparen.
Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage?
Bitte schön, gerne.
Herr Kollege Laermann, darf ich davon ausgehen, daß Sie offensichtlich immer noch nicht den Zusammenhang begriffen haben, daß z. B. die Sparförderung ein Beispiel dafür ist, wie man es auch in der Forschungspolitik bewerkstelligen könnte, mehr private Anleger dazu zu bringen, in Forschungsprojekte zu investieren? — Ist es jetzt deutlich geworden?
Herr Kollege Lenzer, wenn Sie daraus eine Analogie herleiten wollen, muß ich Ihnen sagen: Analogien pflegen zu hinken. Über das Problem, das Sie angesprochen haben, wird noch ausführlich gesprochen werden. Ich werde es nur kurz ansprechen. Darf ich Sie bitten, zu warten, bis ich zu diesem Punkt komme. Im übrigen wird Herr Kollege Hoffie näher darauf eingehen.Lassen Sie mich aber nun versuchen, zum Thema zu kommen und zunächst einmal zu den Fragen des Forschungsberichts V zu sprechen.Forschungs- und Technologiepolitik ist inhaltliche Zukunftsgestaltung, und die Ergebnisse von politischen Entscheidungen auf diesem Gebiet, ihre Aufnahme von Wissenschaftlern und Technologen, ihre Anwendung und Umsetzung beeinflussen in der Tat in starkem Maße das Leben jedes Bürgers; sie wirken sich auf seine Umwelt, die Gestaltung und Sicherung seines Arbeitsplatzes, seine Gesundheit, auf seine gesamten Lebensgewohnheiten gleichermaßen aus. Die Zukunft unserer Wirtschaft und der Wirtschaftskraft als Grundlage unseres Lebensstandards, als der Voraussetzung für die Verwirklichung gesellschaftspolitischer Ziele hängt wohl ganz entscheidend davon ab, ob wir und die anderen In-
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Dr.-Ing. Laermanndustrienationen Technologien, Produkte, Produktionsverfahren neu- bzw. weiterentwickeln können. Wir verfügen nicht mehr über ausreichende eigene Rohstoffvorkommen. Unsere Rolle im Weltwirtschaftsgefüge wird also bestimmt durch die Möglichkeit des Austausches von Know-how einschließlich — dies möchte ich hier ausdrücklich betonen — der höherwertigen Produkte. Denn die Umsetzung der theoretisch-technischen Erkenntnisse in die praktische industrielle Anwendung ist unverzichtbare Notwendigkeit und Grundvoraussetzung für weitere technologische Entwicklungen. Die Förderung von Forschung und Technologie ist also ohne Zweifel eine politische Aufgabe von großer Bedeutung.Dies ist von der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien in aller Klarheit erkannt, in politisches Handeln umgesetzt worden und hat im Forschungsbericht V klaren Ausdruck gefunden, wie ja auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, offensichtlich doch nicht bestritten wird. Die Bundesregierung ist den im Forschungsbericht V formulierten Zielen ein gutes Stück nähergekommen. Niemand wird erwarten dürfen, daß sich diese Ziele im Bereich von Forschung und Entwicklung kurzfristig erreichen lassen. Forschungs-und Technologiepolitik ist langfristig anzusetzen. Sie kann und darf nicht an Legislaturperioden gebunden werden. Sie kann Rückschläge und gelegentlich auch Mißerfolge vermeiden. Dies liegt in der Natur von Forschung. Diejenigen, die das nicht begreifen wollen, kurzfristig Erfolge sehen wollen und daran eine Politik messen wollen, die aus Rückschlägen und Mißerfolgen ein Bündel von Vorwürfen und Kritiken zu konstruieren versuchen, meine Damen und Herren und lieber Herr Kollege Lenzer, zeigen damit doch wieder einmal mehr, daß sie auch forschungspolitisch kein Konzept und keine praktikablen Alternativen haben und über wenig Einsichten in das Wesen von Forschung und technologischen Entwicklungen verfügen.Es ist auf Grund dieser aus den sachlichen Erfordernissen einer langfristig angelegten Forschungs-und Technologiepolitik heraus zu verstehenden Kontinuität als besondere Leistung dieser Bundesregierung anzuerkennen, daß neben die — so möchte man fast sagen — klassischen Bereiche der Forschungsförderung wie Energie, insbesondere Kernenergie, Datenverarbeitung und Luft- und Weltraumforschung neue, auf die drängenden Fragen gesellschaftlicher Probleme zugeschnittene Bereiche in die Forschungspolitik aufgenommen werden konnten.In der Energieforschung ist es gelungen, verstärkte Akzentsetzungen für nichtnukleare Vorhaben zu entwickeln. Vielleicht geht es dem einen oder anderen z. B. in der Förderung der Sonnenenergie nicht schnell genug. Wir müssen aber anerkennen, daß der Neuaufbau einer Forschungsrichtung sich nach den vorhandenen Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen richten muß, daß Forschungskapazität sorgfältig aufgebaut werden muß, damit die zur Verfügung gestellten Förderungsmittel auch tatsächlich im Sinne einer verantwortungsbewußten Haushaltsführung eingesetzt werden.Die Humanisierung des Arbeitslebens wird langsam zu einem neuen Schwerpunkt der Forschungspolitik ausgebaut. Auch hier sind natürlich anfängliche Schwierigkeiten in der Auswahl der Projekte nicht ausgeblieben. Das Ziel allerdings ist es sicherlich wert, hierauf ernsthafte Anstrengungen zu verwenden. Die Übertragung von Technologien, die in anderen Bereichen entwickelt wurden, auf die Probleme unserer Kommunen -- besonders die Umweltprobleme — und die Verstärkung und Konzentration der Mittel für die Gesundheitsforschung sind andere Beispiele für den erfolgreichen Beginn einer kontinuierlichen Fortentwicklung der Forschungs- und Technologiepolitik dieser Bundesregierung. Herr Kollege Lenzer, und da sprechen Sie von modischen Trends! Wir sollten es doch allesamt sehr begrüßen, daß gerade diese für unsere Gesellschaft so wichtigen Bereiche in die Forschungsförderung mit einbezogen worden sind. Bei Umweltproblemen und Fragen der Gesundheit kann man doch weiß Gott nicht von modischen Trends sprechen.
Wir können mit Befriedigung feststellen, daß die Ergebnisse langfristiger Förderungsprogramme im Bereich der Schlüsseltechnologien den bisherigen finanziellen Aufwand des Staates rechtfertigen. Ein erheblicher Nachholbedarf in der technologischen Entwicklung konnte befriedigt werden. Internationale Standards wurden erreicht, zum Teil sogar übertroffen. Wir müssen für diese Leistungen — dies möchte ich für meine Fraktion ausdrücklich betonen — allen an der Forschung und Entwicklung Beteiligten unsere Hochachtung aussprechen, gleichgültig, ob sie in Hochschulen, Forschungseinrichtungen oder in der Industrie an diesen Projekten gearbeitet haben.Es kommt nun entscheidend darauf an, die Entwicklungslinie konsequent fortzusetzen. Einzig und allein auf den Ergebnissen einer breit angelegten Grundlagenforschung können anwendungsorientierte Forschungen und technologische Entwicklungen aufgebaut werden. Hier möchte ich ausdrücklich zu den jüngsten Empfehlungen des beratenden Ausschusses für Forschung und Technologie Stellung nehmen, die in ihrem Tenor und dem, was sie ausdrücken, nachdrücklich zu begrüßen sind. Anschließend müssen die entwickelten Technologien dann kontinuierlich in den Markt übergeführt werden, und diese Überleitung der geförderten Technologien in den Wettbewerb sowie die Einführung in den Markt müssen stetig und ohne Bruch erfolgen.
Die gewaltigen finanziellen Leistungen der öffentlichen Hand lassen sich nicht rechtfertigen, wenn das Entwicklungsergebnis schließlich nur im Deutschen Museum bewundert werden kann und keine volkswirtschaftliche Verwertung erfährt. Gerade Forschung und technologische Entwicklung stellen einen äußerst dynamischen Prozeß dar, dem die politischen Ansätze entsprechen müssen. Dies erfordert Flexibilität in den Entscheidungen und Programmen.
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Dr.-Ing. LaermannVon der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis hin zu den marktnahen technologischen Entwicklungen hat die Überleitung in die ökonomische Phase kontinuierlich zu erfolgen. Zur Fund T-Förderung gehört auch die Klärung der Frage des Transfers der Entwicklungsergebnisse. Deswegen ist es auch wohl selbstverständlich, daß in Übereinstimmung, Koordinierung und Optimierung der Entscheidungen zwischen den Ressorts diese Fragen ebenfalls im Zusammenhang mit dem Forschungsbericht V angesprochen sind. Ich glaube, es gibt keinen Zweifel darüber, daß auch sie zu diesem Komplex insgesamt gehören.Sicherlich führen viele Wege nach Rom, wenn ich diesen Satz einmal verwenden darf. Die Bundesregierung hat sich für einen Weg entschieden, ist diesen Weg gegangen. Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, ob Sie bei der Entscheidung, welchen Weg Sie gehen wollen, immer noch an der Wegkreuzung stehen und wie lange Sie das noch tun wollen. Als die Bundesregierung im vergangenen Herbst mit der vollen Unterstützung der Koalitionsfraktionen wegen der akuten Haushaltslage notwendige, und, wie ich meine, vernünftige Umorientierungen im Forschungsetat vornahm, haben Sie, die Opposition, von einer Demontage der staatlichen Forschungsförderung gesprochen, gleichzeitig aber für Kürzungen im Etat plädiert. Hier zeigt sich auch wieder die ganze Widersprüchlichkeit. Ich muß meine Verwunderung ausdrücken und darf Sie fragen: Warum haben Sie sich dazu nicht — mit Ausnahme gelegentlicher kritischer Anmerkungen zu Minimalpositionen — im Forschungsausschuß geäußert? Ich hätte mir in der Tat gewünscht, daß wir im Ausschuß sehr viel tiefer gehende politische Diskussionen um die Fragen der Forschungspolitik geführt hätten. Sie, Herr Kollege Lenzer, haben das vorhin damit begründet, daß der Minister nicht anwesend war. Ich nehme an, daß sich der Minister selbst verteidigen wird. Nur frage ich mich: haben Sie es denn getan, als der Minister tatsächlich da war?
— Ich lese die Protokolle, Herr Kollege Lenzer.
Für die FDP-Fraktion darf ich jedenfalls feststellen, daß die Bundesregierung nach unserer Meinung — gerade wegen der anerkannten Bedeutung von Forschung und Entwicklung — die notwendigen Umorientierungen höchst verantwortungsbewußt und sehr behutsam vorgenommen hat. Gleichzeitig möchte ich aber auch darauf hinweisen, daß die bisherigen finanziellen Steigerungsraten für die Forschungsförderung trotz des dringenden Bedarfs, des technischen Fortschritts und der Innovation mit Sicherheit nicht werden beibehalten werden können. Das muß auch im Bereich der Forschung selbst zu neuen Überlegungen und Denkansätzen führen.Für die vom Forschungshaushalt abhängigen Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungsorganisationen ergeben sich aus dem kurzfristigen Übergang aus einer Phase schnellen Wachstums zu dieser jetzigen Phase mit noch geringeren Steigerungsraten eine Reihe sicherlich schwieriger Probleme. In der Vergangenheit ist die Zahl der Mitarbeiter in den Forschungseinrichtungen sehr stark angewachsen, so daß für junge Wissenschaftler und Nachwuchskräfte genügend Positionen zur Verfügung standen. Parallel dazu ist eine ähnliche oder vielleicht noch rasantere Entwicklung an den Hochschulen verlaufen. Diese Positionen sind nun durchwegs mit relativ jungen Kräften besetzt worden. Das bedeutet in der Folge, daß für den kommenden Nachwuchs sowohl an den Forschungszentren als auch an den Hochschulen eine Verschlechterung der Tätigkeitschancen eingetreten ist. Das wird wahrscheinlich auch noch für eine Zeit anhalten.Dadurch wird die Personalstruktur im Forschungsbereich entscheidend verändert, da in den Dauerpositionen eine allmähliche Überalterung eintreten wird. Von den Vertretern der Wissenschaftsorganisationen ist in diesem Zusammenhang bei verschiedenen Gelegenheiten die Überlegung vorgetragen worden, ob im Personalbereich nicht doch ein, wenn auch geringes, Wachstum für eine gewisse Zeit noch notwendig sei, um Übergangsschwierigkeiten zu mildern und um die wissenschaftliche Lebendigkeit und Leistungsfähigkeit durch die Aufnahme von jungen Mitarbeitern unterstützen zu können sowie Leistungsanreize durch Aufstiegsmöglichkeiten zu schaffen. Ich halte diese Anregungen für erwägenswert und meine, daß man sich mit diesen Vorstellungen in der neuen Legislaturperiode ernsthaft wird auseinandersetzen müssen.In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der Mobilität der Wissenschaftler und Forscher, der insgesamt an Forschung Beteiligten anzusprechen. Den Empfehlungen des Wissenschaftsrates entsprechend sollte es zu einem noch wesentlich intensiveren Verbund und zu einem sehr viel stärkeren personellen Austausch zwischen Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Industrie kommen, damit der Komplexität der Forschungsprobleme entsprechend die Möglichkeiten zu wirkungsvollerer interdisziplinärer Kooperation besser genutzt werden, die Entwicklungsphasen kontinuierlich ineinander überführt werden, zum andern aber auch die Aufstiegschancen der Nachwuchskräfte nicht über Dauerpositionen blockiert werden.Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit in der Forschung genügt es eben nicht, immer nur mehr finanzielle Mittel einzusetzen, sondern es kommt in erster Linie auch darauf an, die Bedeutung wissenschaftlicher Leistung anzuerkennen, den erforderlichen Freiraum für Forschung zu schaffen und die Grundvoraussetzung der erforderlichen Forschungskapazität zu erfüllen. Wir brauchen zur Forschung fähige und zur Forschung willige Wissenschaftler. Wir müssen die Forschung aus den immer mehr einengenden und die Effizienz einschränkenden Fesseln der Bürokratie lösen. Wir müssen wieder zu abgewogeneren Relationen zwischen wissenschaftlicher Freiheit und notwendiger Kontrolle und Bewertung kommen. Ich stimme den Äußerungen der Professo-
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Dr.-Ing. Laermannren Bautz und Heimreich zu, die Sie, Herr Kollege Lenzer, hier zitiert haben.Es kann aber nicht Aufgabe des Staates sein — und wer das Wesen und die Eigenheiten der Forschung erfaßt hat, wird daran nicht zweifeln —, Leistungsbewertung und Leistungskontrolle über vom Staat festgesetzte Normen vorzunehmen.
Vielmehr muß diese Aufgabe von der Forschung und den Forschungsorganisationen selbst im Bewußtsein der Verantwortung vor Staat und Gesellschaft übernommen werden. Zum Vergleich mit internationalen Leistungsstandards sollten möglicherweise in die Gremien der Selbstkontrolle, zum Beispiel die Deutsche Forschungsgemeinschaft, auch internationale Fachleute aufgenommen werden, zur Objektivierung der Entscheidungen und zur Verhinderung der Selbstversorger der Gutachter. Dabei muß auch der Pluralität als einem Wesensmerkmal der Forschung entsprechend die Transparenz der Gutachtung und Bewertung gesichert werden, müssen Behinderungen und Verhinderung der Forschung durch doktrinäre Lehrmeinungen verhindert werden.Vor allem erscheint es mir notwendig, den direkten Dialog zwischen Wissenschaft und Politik zu intensivieren und die Wechselwirkungen zwischen beiden zu verstärken. Dazu bedarf es meines Erachtens keiner neuen Institutionen, sondern es sollten die bestehenden Möglichkeiten besser genutzt werden. Ich darf in diesem Zusammenhang neben der Deutschen Forschungsgemeinschaft vielleicht auch die Gesellschaft für Kommunikationsforschung erwähnen. Es genügt nicht, nur der Exekutive wissenschaftliche Beratungsgremien beizugeben. Mehr wissenschaftliche Beratung der Politik und des Parlaments scheint not zu tun.Lassen Sie mich nun kurz auf den Antrag der Opposition betreffend Ziele bei der Förderung der fortgeschrittenen Kernreaktoren durch den Bundesminister für Forschung und Technologie eingehen und dabei das Augenmerk aller Kollegen des Hohen Hauses auf die Situation der Förderung fortgeschrittener Reaktorlinien lenken.Bei der öffentlichen Subvention der Reaktorentwicklung mit den beiden großen Entwicklungsprojekten Schneller Brutreaktor und Hochtemperaturreaktor kommt es nach meiner Auffassung entscheidend darauf an, daß eine gleichgewichtige Entwicklung der beiden Projekte sichergestellt wird. Ich darf hier besonders darauf hinweisen, daß der Forschungsausschuß wiederholt die aussichtsreiche Entwicklung der Hochtemperaturreaktoren und ihre besonderen Vorteile in der Bundesrepublik, die in der Möglichkeit einer besseren Nutzung unserer Kohlevorkommen sowie in der Reaktorsicherheit liegen, unterstrichen hat. Es wurde eindeutig festgehalten, daß Kostensteigerungen bei der Entwicklung und dem Bau Schneller Brutreaktoren auf gar keinen Fall zu Lasten der Entwicklung und des Baus von Hochtemperaturreaktoren gehen dürfen. Ich möchte diese eindeutige Feststellung vor Ihnen im Plenum noch einmal unterstreichen und die Bundesregierung eindringlich bitten, keine Entscheidungen zur Hochtemperaturreaktorentwicklung zu fällen, bevor der nächste Bundestag nicht ausreichend Gelegenheit hat, die damit zusammenhängenden Fragen zu beraten.
Denn diese beiden sehr kostspieligen Projekte, die für die langfristige Sicherung unserer Energieversorgung unverzichtbar sind, haben nach derzeitigem Erkenntnisstand etwa gleich große Chancen, die in sie gesetzten langfristigen Erwartungen zu erfüllen.Die Bundesregierung sollte daher alles tun, um in internationaler Zusammenarbeit und Arbeitsteilung insbesondere mit den USA zu einer aussichtsreichen Weiterführung des Hochtemperaturreaktorprogramms zu kommen. Dazu sollte meiner Ansicht nach auch eine partnerschaftliche Markteinführung der Hochtemperaturreaktoren zunächst zur Stromerzeugung gehören. Ich darf hier auf den im Forschungsausschuß einstimmig diesbezüglich gefaßten Beschluß verweisen.
— Ja, wir wollen uns darum bemühen, Herr Kollege Pfeffermann.Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Vorwürfen sagen, die staatliche Forschungs- und Technologiepolitik nütze nur den großen Unternehmen, den Konzernen. Gerade diese Bundesregierung, Herr Kollege Lenzer, hat die Notwendigkeit der Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen erkannt und daran ihre Förderungsmaßnahmen orientiert, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern. Dies zeigt sich doch in vielfältiger Weise in den Ansätzen: für die Deutsche Forschungsgemeinschaft, für die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen, für die Fraunhofer-Gesellschaft, für die Wagnis-RisikoFinanzierung, für die Mittel für die Ernstinnovation, in den Informations- und Beratungsinstrumentarien. Meine Damen und Herren, der Kollege Hoffie wird noch ausführlicher auf diese Dinge eingehen.
— Die Leute müssen es ja auch leisten können. Natürlich ist die Forschungskapazität in der Großindustrie erheblich größer, Herr Kollege Lenzer,
und springt bei oberflächlicher Betrachtung deutlicher ins Auge. Auch das dort eingesetzte Finanzvolumen ist erheblich größer als bei der Vielzahl der kleineren und mittleren Unternehmen.Hier sollten wir die Bemühungen der Bundesregierung und der fördernden Einrichtungen nachdrücklich unterstützen, zu verstärkten Kooperationen und Beteiligungen zu kommen und vor allem die allgemeine Verfügbarkeit der mit staatlicher Unterstützung gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse zu verbessern. Dazu gehört nicht zuletzt auch
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Dr.-Ing. Laermanndie Verbesserung des Informations- und Dokumentationssystems, für das wohl im I-und-D-Programm ein hervorragendes Grundkonzept vorliegt.Große, zukunftsorientierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte sind von einer derartigen Komplexität, erfordern einen derartigen personellen und finanziellen Aufwand, daß sie sich in allen Phasen der Entwicklung auf ausschließlich nationaler Ebene nicht mehr werden bewältigen lassen. Auch im Sinne und im Konsens mit der aktiven Europapolitik dieser Regierung ist eine Erhöhung des Beitrages für die europäischen Forschungsvorhaben notwendig.Natürlich engt das den nationalen Spielraum ein. Dies ist wohl unvermeidlich. Natürlich ist damit auch die Notwendigkeit und die Verpflichtung für die Regierung gegeben, sich um eine solide Planung und eine straffere Konzeption in den europäischen Forschungsorganisationen zu kümmern. Dies ist doch ein Schritt in Richtung Europa, das, wie ich meine, wir doch wohl alle wollen.Gerade auf dem Gebiet der Weltraumforschung ist die Zusammenfassung der europäischen Kapazitäten, personell wie sachlich, unerläßlich, um Europa auch auf diesem Gebiet in Zukunft ein eigenes Gewicht zu sichern. Das Übereinkommen zur Gründung einer europäischen Weltraumorganisation ist Voraussetzung dafür, die Wirksamkeit der gesamten europäischen Weltraumanstrengungen in Weltraumforschung, Weltraumtechnologie und deren friedliche Nutzung für Wissenschaft und operationelle Anwendungssysteme zu verbessern. Ich möchte Sie daher bitten, dem vorliegenden Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen zuzustimmen.Namens der FDP-Fraktion darf ich der Bundesregierung für ihre Leistungen in der Forschungs-und Technologiepolitik noch einmal nachdrücklich Dank und Anerkennung aussprechen. Sie hat die Bedeutung und den Stellenwert der Forschungs- und Technologieförderung für unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, für die Zukunft unseres Landes und darüber hinaus der hochentwikkelten Industrieländer erkannt. Dies drückt sich nicht allein in den Zahlen der ausgewiesenen Forschungsmittel aus, sondern vor allem in der grundsätzlichen politischen Einstellung zur Forschungs-und Technologieförderung. Ich möchte Sie daher auch bitten, dem vorliegenden Bericht und Antrag des Ausschusses für Forschung und Technologie, der vom Ausschuß einstimmig verabschiedet worden ist,
zuzustimmen.Die Bundesregierung verdient unsere Anerkennung dafür, daß auch und gerade bei einer Begrenztheit der verfügbaren Finanzmittel eine an den gesetzten Prioritäten orientierte Kontinuität gewahrt werden konnte. Sie verdient insbesondere Anerkennung dafür, daß sie den Integrationsprozeß in eine europäisch angelegte Großforschung verantwortungsbewußt fördert. Forschung und technologische Entwicklung, vor allem aber — das darf ich noch einmal ausdrücklich betonen — die Grundlagenforschung sind langfristig, zukunftsorientiert angelegt. Nur bei Wahrung der Kontinuität, bei der Sicherung des erforderlichen Freiraumes können Wissenschaftler und Forscher ihre für die gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Entwicklung wichtigen Aufgaben erfüllen.Forschung ist aber auch stets ein dynamischer Prozeß, der Flexibilität und Anpassung staatlicher Förderungsmaßnahmen erfordert. Wir haben aus dem vorliegenden Forschungsbericht die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und bei unserer zukünftigen politischen Arbeit zu berücksichtigen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Forschung und Technologie.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zielsetzung der Forschungspolitik ist eine dreifache: Sicherung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen unserer Bürger und die Steigerung unserer wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit. Zweck des Forschungsberichts war es, darzustellen, wie im Rahmen dieser Ziele die Forschungspolitik der Bundesregierung als Teil ihrer Gesamtpolitik dazu beitragen soll, Probleme der Gegenwart und Zukunft zu lösen: Sicherung des wirtschaftlichen Wachstums und Schaffung zukunftssicherer Arbeitsplätze in einer sich verändernden Umwelt, Sicherung unserer Energie- und Rohstoffversorgung, Anpassung der Qualität wirtschaftlichen Wachstums an die Bedürfnisse der Menschen durch Schonung der Umwelt, menschenangepaßte Arbeitsplätze, Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur, Verbesserung der Lebensbedingungen durch eine Reform des Gesundheitswesens, durch Bildungschancen für alle und durch lebenswertere Städte. Freiheitliche, dezentrale, autonome und pluralistische Forschungsplanung und demokratisch legitimierte politische Schwerpunktbildung müssen ein ausgewogenes Gesamtsystem bilden, in dem eine sinnvolle Aufgabenteilung, optimaler Austausch von Erkenntnissen und die Mobilität der Wissenschaftler gewährleistet sind.Ein neuer Weg zu einer wirksamen Koordination und Kooperation mit anderen öffentlichen und privaten Forschungsträgern wird von der Bundesregierung zur Zeit mit Programmen beschritten, die ein umfassendes Kooperationsangebot an andere Forschungsträger enthalten. Dieser Weg erscheint vor allen Dingen auf Gebieten angezeigt, die durch eine Vielfalt potentieller Forschungsträger und eine komplexe Struktur der Verantwortlichkeit dieser Forschungsträger gekennzeichnet sind, wie z. B. der Gesundheitsbereich. Hier haben wir mit dem BMJFG vor wenigen Monaten den Diskussionsentwurf eines längerfristigen Rahmenprogramms „Forschung und Technologie im Dienst der Gesundheit" veröffentlicht, mit dem die Länder und alle ürbigen öffentlichen und privaten Forschungsträger aufgerufen
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17948 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Bundesminister Matthöferwerden, im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten an der Ausgestaltung und Verwirklichung des Rahmenprogramms mitzuwirken.Diese Anstrengungen des BMFT zur besseren Koordinierung im Innern werden durch die internationale Zusammenarbeit ergänzt und vervollständigt. Ein Beispiel gelungener internationaler Koordinierung ist die im Mai 1975 gegründete Europäische Weltraumorganisation. Die Mitgliedsländer der EWO haben sich verpflichtet, vor Aufnahme neuer nationaler Weltraumprojekte diese den anderen Mitgliedsländern zur Beteiligung anzubieten. Damit ist eine allmähliche Integration aller nationalen Weltraumprogramme in ein gemeinsames europäisches Weltraumprogramm eingeleitet. Schon heute werden rund zwei Drittel unserer nationalen Aufwendungen für Weltraumforschung und Weltraumtechnik für gemeinsame europäische Projekte genutzt.Das Gesetz zum EWO-Übereinkommen liegt Ihnen heute zur zweiten und dritten Lesung vor. Es entspräche der Gewichtung, die wir der europäischen Zusammenarbeit zumessen, wenn die Ratifizierung dieses Abkommens noch im 7. Bundestag möglich wäre. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung.Die Gründung der Internationalen Energieagentur leitete eine intensivere Zusammenarbeit in der nuklearen wie in der nichtnuklearen Energieforschung ein. Mit Frankreich konnten wir eine weitreichende Übereinkunft bei der Entwicklung und Markteinführung der fortgeschrittenen Reaktortypen herstellen. Auch mit den USA ist eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Brutreaktoren in Vorbereitung.Die Bundesregierung setzt sich nachdrücklich dafür ein, daß im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft die Fusionsforschung europäisch betrieben und ohne Verzögerung allein nach wissenschaftlichen Prioritäten weitergeführt wird. Die europäische Gemeinsamkeit in der Forschung muß sich hier bewähren, wo es gilt, auf einem wichtigen Schlüsselbereich der Erschließung einer neuen Energiequelle, die die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Staates übersteigt, die europäische Gemeinsamkeit und Leistungsfähigkeit vor nationale Kurzsichtigkeiten zu stellen.Ich erwähne schließlich die Kontaktaufnahme mit der Volksrepublik China, die Intensivierung der Zusammenarbeit mit Japan, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kernenergie mit Brasilien, den Ausbau der traditionell stärksten bilateralen Beziehungen mit den USA, z. B. auf dem Gebiet der Krebsforschung, und die Anbahnung zahlreicher neuer Kontakte im Nahen Osten.Die Grundlagenforschung wird im wesentlichen an den Hochschulen durch die Länder gefördert, durch Bund und Länder durch die Bereitstellung von Mitteln für die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, Großforschungseinrichtungen und andere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, durch Stiftungen und internationale Einrichtungen. Die Bundesregierung beschränkt sich bei ihrer unmittelbaren Förderung der Grundlagenforschung daher auf wenige Bereiche, vor allem aufsolche, die besonders hohe Aufwendungen erfordern, wie z. B. die Weltraumforschung.Seit 1970 sind die Ausgaben im Geschäftsbereich des BMFT für die allgemeine Forschungsförderung von 209 auf 376 Millionen DM gestiegen. Wir schätzen den — übrigens im einzelnen schwer abgrenzbaren — Anteil der Grundlagenforschung am Haushalt des BMFT auf etwa 30 °/o.Obwohl der BMFT in der Struktur der Bundesrepublik nicht für die geisteswissenschaftliche Forschung zuständig ist, hat er sich mit beachtlichen Beträgen dort beteiligt, wo sonst Lücken entstanden wären. Der Förderbetrag liegt heute nach Abschluß der Rahmenvereinbarung mit den Ländern bei rund 50 Millionen DM.Forschung und Technologie sollen nach unserer Absicht stärker als bisher auf vordringliche gesundheitspolitische Probleme konzentriert werden. Es sollen die wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen für eine verbesserte Verhütung und Bekämpfung vor allem der Zivilisationskrankheiten geschaffen werden, Behinderten durch Anwendung neuer Technologien wirksamer geholfen werden und zur Erhaltung und Wiederherstellung einer gesundheitsgerechten Umwelt beigetragen werden. Es werden schwerpunktmäßig Vorhaben gefördert, die einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Früherkennung von Krankheiten, zur Diagnostik und Therapie sowie zur Rehabilitation leisten. Der Einsatz der Datenverarbeitung im Gesundheitswesen soll die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung kostengünstig verbessern.Das Deutsche Krebsforschungszentrum befaßt sich mit naturwissenschaftlich-medizinischer Krebsforschung. Einflüsse chemischer und radioaktiver Stoffe sowie biochemische Untersuchungen werden in der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforsehung durchgeführt. Nuklear- und biochemische Forschung wird auch in einigen Instituten der Kernforschungsanlage Jülich betrieben. Schließlich ist auf den Bundesanteil von 50 °/o zur Finanzierung der MaxPlanck-Gesellschaft hinzuweisen, die in ihren Instituten in erheblichem Umfang medizinische Forschung betreibt. Im Diskussionsentwurf für ein längerfristiges Rahmenprogramm „Forschung und Technologie im Dienst der Gesundheit" sind folgende Schwerpunkte vorgesehen.
— Es wäre sehr schön, wenn Sie diesen Diskussionsentwurf auch diskutiert hätten. Leider habe ich bisher von Ihnen dazu kein Wort gehört. Ihnen hat es wohl die Sprache verschlagen. Nach der ersten unverschämten Presseerklärung haben sich nämlich die Fachleute Ihrer Fraktion geäußert, und diese Äußerungen waren positiv.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17949
Bundesminister MatthöferEs sind folgende Schwerpunkte vorgesehen: Erforschung von Krankheitsursachen und Risikofaktoren zur Verbesserung der Erhaltung der Gesundheit und der Abwehr von Krankheitsgefahren, Forschung und Entwicklung bei Krankheiten und Behinderungen von hoher gesundheitspolitischer Bedeutung, wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, psychische Erkrankungen sowie körperliche und geistige Behinderungen, Forschungen zur strukturellen Verbesserung des Gesundheitswesens und übergreifende Forschung und Entwicklung zur allgemeinen Verbesserung des Standes von Wissenschaft und Technik im Gesundheitsbereich.Wie Sie wissen, haben wir einen großen Nachholbedarf in der Medizin bei der Erforschung der Zusammenhänge von Umwelteinflüssen, Bildung, sozialen Belastungen am Arbeitsplatz und in der Schule, der Wohnumgebung, dem Sozialmilieu einerseits und Gesundheitsstörungen andererseits. Wir wollen diese Zusammenhänge gründlicher und systematischer als bisher untersuchen lassen, um mehr über die Ursachen zu erfahren und damit einen wirkungsvolleren Beitrag zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bürger leisten zu können.Forschung und Technologie sollen im Rahmen des Umweltprogramms der Bundesregierung dazu beitragen, die Grundlage für die Sicherung des ökologischen Gleichgewichts der Umwelt zu schaffen. Eine Reihe von Entwicklungs- und Forschungsprojekten zum Umweltschutz sind in dieser Legislaturperiode in Angriff genommen worden. Zur Gewinnung von fortlaufenden Informationen über die Belastung des Öko-Systems wird an der Automatisierung von Untersuchungsverfahren über Vorkommen und Wirkung von Umweltchemikalien und Bioziden gearbeitet. Schwerpunktmäßig wird die Entwicklung neuer Technologien zur Gewinnung und Aufbereitung von Trinkwasser unterstützt, ebenso wie Technologien zur Entsorgung von Abwässern, insbesondere die Behandlung und Verwertung von Klärschlamm. Umweltfreundliche biotechnologische Verfahren werden untersucht, um die Abfälle nicht nur zu beseitigen, sondern soweit wie möglich auch zur Erzeugung von Energie bzw. Herstellung von Futtermitteln heranzuziehen oder wertvolle Rohstoffe daraus zurückzugewinnen. Auf dem Gebiet des Schutzes der marinen Umwelt werden Untersuchungen über Art und Auswirkungen der Meeresverschmutzung gefördert, insbesondere über Vorkommen, Verbleib und Wirkungen von Schadstoffen. Um die Luftverschmutzung einzudämmen, wird die Entschwefelung von Brennstoffen und Entstaubung großer Emittenten sowie die Entwicklung verbesserter oder neuer Motoren und Kraftstoffe gefördert, die helfen sollen, die Emissionen des einzelnen Kraftfahrzeuges herabzusetzen. Für Haushalte und Industrie werden technische Entwicklungen für bessere Reinigungsleistungen für neue abgasarme Heizverfahren unterstützt. Weitere Förderungsschwerpunkte liegen in der Entwicklung neuer Verfahren der thermischen Abfallbehandlung, der verfahrenstechnischen und umweltschonenden Gewinnung von Müllverbrennungsanlagen sowie neuer Technologien zur Wiederverwendung undWiederverwertung von Abfällen und Sondermüll.In diesem Zusammenhang sollen die Forschungsprojekte zur besseren Nutzung bestehender und zur Erzielung neuer Nahrungsquellen wenigstens kurz erwähnt werden. Sie reichen von neuen biotechnischen Verfahren zur Gewinnung unkonventioneller Nahrungsgrundstoffe über Projekte zur Strahlenkonservierung von Lebens- und Futtermitteln bis hin zur Erschließung zusätzlicher Nahrungsquellen im Rahmen des Programms „Meeresforschung und Meerestechnik".Von ganz entscheidender Bedeutung für unsere Lebensbedingungen ist die künftige Entwicklung der Städte und Gemeinden. Volker Hauff war der Urheber des Programms „Kommunale Technologien". Wir sind der Meinung, daß eine Politik, die sich die Nutzung wissenschaftlicher und technologischer Entwcklungen für die Schlüsselprobleme unserer Gesellschaft zum Ziel setzt, systematisch die Nutzung des technischen Fortschritts auch für die Städte und Gemeinden organisieren muß. Dies ist die Funktion des Programms „Kommunale Technologien". Schwerpunkte der Entwicklung sind die Energieversorgung, die Ver- und Entsorgung, wobei ich die große Bedeutung der Sicherstellung der Wasserversorgung in der Zukunft hervorhebe, die Abfallbeseitigung — hier haben wir Demonstrationsvorhaben in Angriff genommen — und die kommunalen Unfallrettungssysteme.Für die Weiterentwicklung des öffentlichen Nahverkehrs und die Entwicklung neuartiger Nahverkehrssysteme sind seit 1972 125 Millionen DM eingesetzt worden. Wir können jetzt erste einsatzbereite Ergebnisse vorweisen. Bei dem neuartigen System der Kabinentaxis laufen der Probebetrieb in Hagen sowie die erste Transportanwendung in einem Krankenhaus. Die ersten Referenzanlagen sind in Vorbereitung.Die Verkehrstechnik zählt zu den Schwerpunkten unserer Forschungs- und Technologiepolitik. Unsere wirtschaftliche Zukunft und die Attraktivität unseres Verkehrssystems sind mit der Entwicklung der schienengebundenen Verkehrsmittel unlöslich verbunden. Die Bundesregierung fördert Entwicklungen, die dazu beitragen, die Vorteile des Bahnverkehrs — Sicherheit, Energieersparnisse, geringe Umweltbelastung — voll auszuschöpfen und die öffentliche Infrastruktur der Schienenwege voll ausnutzen.Wir halten uns auch die Option offen, im bodengebundenen Fernverkehr zu völlig neuen Techniken wie der Magnetschwebetechnik zu kommen. Vieles spricht aber dafür, sich zunächst einmal auf die Weiterentwicklung der Rad-Schiene-Technik zu konzentrieren. In Übereinstimmung mit meinem Kollegen Kurt Gscheidle habe ich daher ein umfassendes Programm zur systematischen Analyse und Entwicklung des Gesamtsystems Rad-Schiene und seiner Komponenten aufgestellt. Allerdings erkennen wir zunehmen klarer, mit wie hohen Kosten — vor allen Dingen für die Wartung — die sichere Anwendung auch der Rad-Schiene-Technik in hohen Geschwindigkeitsbereichen verbunden ist.
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17950 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Bundesminister MatthöferDas im Jahre 1974 gemeinsam vom Bundesminister für Arbeit und vom BMFT aufgestellte Aktionsprogramm „Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens" ist inzwischen voll angelaufen. Wir wollen unter engster Beteiligung der Betriebe, der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften praxisnahe Lösungen erarbeiten, die eine rasche und möglichst breite Anwendung ermöglichen. In folgenden Aktionsrichtungen sind Programme begonnen worden:1. Verbesserung der Arbeitsqualität, d. h. Ausweitung der Arbeitsinhalte, Entwicklung entsprechender Kommunikationsstrukturen und Kooperationsformen sowie eine Ausweitung der Handlungs-und Freiheitsspielräume der Arbeitnehmer.2. Abbau von schädigenden Belastungen sowohl physischer als auch psychischer Art. Hier wird sowohl bei den bereits festgestellten Belastungen angesetzt als auch dort, wo es erst noch gilt, Belastungen zu erkennen und zu beschreiben und darauf aufbauend Schutzdaten und Grenzwerte festzustellen, nach denen Anlagen, Maschinen und die Arbeitsplatzumgebung zu gestalten sind.3. Erhöhung der Arbeitssicherheit. Hier wird auf die Verringerung von Arbeitsunfällen und die Verbesserung des Arbeitsschutzes abgezielt. Daß wir 1975 in der Bundesrepublik 247 000 Arbeitsunfälle weniger hatten als 1974, ist sicher nicht zuletzt auf die Bemühungen der Bundesregierung und der Koalition mit den anderen Bemühungen gemeinsam zurückzuführen. Immerhin haben wir noch fast 2 Millionen Unfälle und Berufskrankheiten in jedem Jahr.4. Übergreifende Ansatzpunkte der Humanisierung des Arbeitslebens. Hier gilt es, das Verhältnis zwischen Arbeits- und anderen Lebensbereichen zu untersuchen. Dies sei durch die Stichworte Schicht-und Nachtarbeit, Probleme verschiedener Gruppen von Arbeitnehmern wie Behinderte, Jugendliche, Frauen, ausländische und ältere Arbeitnehmer angedeutet.Zur Durchführung des Programms sind eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet worden, in die sich inzwischen 140 bewilligte Forschungs- und Entwicklungsprojekte teilen. Die Maßnahmen teilen sich in folgende Gruppen:Arbeits- und betriebsorganisatiorische Maßnahmen. Hier werden vor allem mit Modellexperimenten in Betrieben, die zu diesem Zweck vom BMFT mit wissenschaftlicher Begleitung ausgestattet werden, neue Wege für die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsorganisation erprobt. Diese Maßnahmen dienen nicht nur der Erhöhung der Qualifikation und der Schaffung und Ausweitung von Handlungsspielräumen; sie zielen auch gleichzeitig auf den Abbau schädigender Belastungen und auf die Erhöhung der Arbeitssicherheit. Vor allem bemühen wir uns, die Eigeninitiative der Arbeitnehmer selbst zu wecken und zu fördern. Neben den bereits bekanntgewordenen Projektbeispielen aus dem Bereich der Metallindustrie wird zur Zeit an einer Ausdehnung der Förderungsmaßnahmen auf dem Verwaltungs- und Dienstleistungsbereich gearbeitet.Mit ergonomischen Maßnahmen werden durch Neugestaltung von Maschinen und Anlagen sowie der Arbeitsplätze und der Arbeitsplatzumgebung Schädigungen vermieden und Beeinträchtigungen abgebaut. Wir fördern hier z. B. Projekte zur Bekämpfung von Lärm und Erschütterungen, von schädlichen Arbeitsstoffen, zur Verringerung von Mehrfachbelastungen, ferner arbeitsmedizinische Untersuchungen.Bei den technologischen Maßnahmen geht es um die Neuentwicklung von Technologien, die den Arbeitenden eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit ermöglichen oder sie von besonders belastenden oder gefährlichen Tätigkeiten entlasten. Zu diesen besonders gegen einseitige und monotone Schwerarbeit gerichteten Maßnahmen gehört auch die Entwicklung neuer Sicherheitstechniken.Erfreulicherweise arbeiten zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen mit. Das von uns entwickelte und erprobte Konzept der Begleitforschung soll es gerade diesen Betrieben ermöglichen, sich mit ihren Projekten zu beteiligen, wie überhaupt die neu entstandenen und in ihrer finanziellen Ausstattung stark ausgedehnten Bereiche besonders interessant für die Klein- und Mittelbetriebe sind. Es geht also nicht nur um „Humanisierung der Arbeit", sondern z. B. auch um das Programm „Forschung und Technologie im Dienste der Gesundheit".Die Finanzplanung auf dem Gebiet „Humanisierung der Arbeit" sieht folgendermaßen aus: 1974 13,4 Millionen DM, 1975 32,5 Millionen DM, 1976 44 Millionen DM. Das zeigt die Bedeutung, die die Bundesregierung dieser Aufgabe beimißt. Ich werde in der nächsten Legislaturperiode diese Wachstumsraten beibehalten, und zwar solange, bis wir aus dem Programm „Humanisierung der Arbeitswelt" einen wirklichen Schwerpunkt gemacht haben.
Ich freue mich darüber, daß die CDU in ihrem Antrag einen Zusammenhang von Forschungspolitik und Arbeitsplätzen herstellt. Wenn wir heute Bilanz ziehen, so wird niemand behaupten können, daß uns im Jahre 1969 auch nur der Ansatz eines Versuchs hinterlassen worden wäre, Forschungs- und Technologiepolitik als ein Instrument der Arbeitsplatzsicherung zu begreifen und systematisch auf eine Modernisierung der Wirtschaft hinzuarbeiten. Wir haben Schritt für Schritt die Voraussetzungen schaffen müssen, um aus einer volkswirtschaftlichen Gesamtschau heraus Engpässe und Schlüsselbereiche erkennen und Prioritäten für die direkte Forschungsförderung setzen zu können. Es freut mich, daß nunmehr die CDU/CSU-Faktion — ich benutze einmal die alte Reihenfolge — ebenfalls zu der Auffassung gekommen ist, daß „Forschung und Entwicklung und vor allem Innovation in Anbetracht der vielfältigen Strukturprobleme unserer Volkswirtschaft eine entscheidende Bedeutung für die Sicherung der Arbeitsplätze der Zukunft" haben. Ich würde es begrüßen, wenn die daraus resultierende Aktivität der CDU/CSU-Fraktion sich nicht auf Scheinanträge
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17951
Bundesminister Matthöferfür die Presse beschränken würde, sondern durch konkrete Vorschläge tatsächliche Lösungsmöglichkeiten aufzeigte.Sinn des Aufbaus eines prognostischen Instrumentariums und systematischer Studien über die technologischen Konsequenzen wirtschaftlicher Veränderungen und Innovationschancen ist es nicht, daß der Staat der Wirtschaft die Verantwortung abnehmen wollte oder könnte, durch technologischen Fortschritt Marktchancen zu erhalten oder zu verbessern. Der Wettbewerb, den wir nachdrücklich stützen und fördern, ist der wichtigste Motor technischen Fortschritts in der Wirtschaft. Wir glauben auch nicht, wirtschaftliche Entwicklungen und Strukturänderungen planen zu können, wir glauben aber, daß es sich lohnt, die Möglichkeiten volkswirtschaftlicher und prognostischer Analysen auszuschöpfen, um Entwicklungsmöglichkeiten und Gefahren so früh wie möglich zu erkennen und mit Hilfe der Forschungs- und Technologiepolitik rechtzeitig Vorsorge zu treffen, soweit dies möglich ist. Es ist unmöglich, Forschung und technologische Entwicklung so zu planen, daß im Zeitpunkt der Planung Ergebnisse und ihre Nutzung garantiert sind. Aber die frühere Praxis, dann lieber ganz auf systematische Analysen und Gesamtkonzepte zu verzichten und sich statt dessen auf Intuition, Nachahmung oder den Einfluß der verschiedenen Interessengruppen zu verlassen, dies ist keine Alternative.
— Verehrter Herr Lenzer, wer hat denn all die Studien, die zur Vorbereitung einer Politik dringend notwendig waren, ständig angegriffen und kritisiert? Sie haben doch überhaupt nicht begriffen, was los ist, wenn man Ihre Presseerklärungen liest. Jedenfalls sind Sie erst in den letzten zwei Wochen darauf gekommen, was hier gespielt wird, sonst hätten Sie gar nicht diese von völligem Unverständnis gezeichneten Erklärungen abgeben können.
Für die Bundesrepublik als ein rohstoffarmes Land mit hohem Lohn-, aber auch hohem Qualifikationsniveau seiner Beschäftigten und hervorragendem technischen und industriellen Können hat die beschleunigte Veränderung der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung in den letzten Jahren die Richtung für die weitere wirtschaftliche Entwicklung im Grundsatz vorgezeichnet. Die deutsche Wirtschaft wird sich zunehmend auf technologieintensive Bereiche hin entwickeln und stärker spezialisieren müssen. Dies sind vor allen Dingen Erzeugnisse der Investitionsgüterindustrie und Produktionshilfsmittel, für die auf Grund der weltweiten Industrialisierung ein steigender Bedarf zu erwarten ist, mit denen durch die Anwendung fortschrittlicher Technologie und der dazu erforderlichen Qualifikation der Arbeitskräfte eine stark qualitativ bedingte Wettbewerbsposition erreicht werden kann, die schließlich den Kunden in aller Welt mit den Produkten ein hohes Maß an Systemwissen und technologischen Kenntnissen anbieten und damit auch einen Entwicklungsbeitrag leisten.Es wird eine zentrale Aufgabe der nächsten Jahre sein, Arbeitsplätze in diesen Bereichen zu schaffen und die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft entsprechend auszubauen. Vor allem unter diesem Gesichtspunkt fördert die Bundesregierung daher Forschung und Entwicklung neuer Technologien in Schlüsselbereichen wie Elektronik, Datenverarbeitung, Nachrichtentechnik, Optik, Meßtechnik, Produktions- und Fertigungstechnik sowie selektiv in der Weltraumtechnik und der Luftfahrtforschung.Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre hat mit gleicher Deutlichkeit aber auch die Notwendigkeit verstärkter Anstrengungen zur Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung gezeigt. Längerfristiges Wachstum kann weltweit nur gesichert werden, wenn neue Energie- und Rohstoffquellen erschlossen werden und ein sparsamer Einsatz von Ressourcen technisch möglich und wirtschaftlich wird.Die Erschließung neuer Energiequellen, wie z. B. der Atomenergie und der Sonnenenergie, aber auch der wirtschaftlichere und umweltschonende Einsatz unserer Steinkohlenvorräte sowie die Entwicklung energiesparender Technologien sind nur möglich, wenn hierzu ausreichende Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen unternommen werden. Das gleiche gilt aber auch für die Rohstoffsicherung. Bessere Prospektions-, Abbau- und Aufbereitungstechnologien sowie höhere Rückgewinnungsquoten durch Recycling sind nur möglich und können nur wirtschaftlich werden, wenn Forschung und Entwicklung rechtzeitig und gezielt zu diesem Zweck eingesetzt werden.Die Verwirklichung der von der Bundesregierung formulierten Ziele in der Energieforschungspolitik stellt uns im einzelnen vor folgende Aufgaben: Erschließung und Nutzbarmachung neuer Primärnergiequellen, wie Kernspaltung, Sonne, Kernfusion, Wind und Erdwärme, Entwicklung neuer, bedarfsgerechter und rationeller Sekundärenergieträgersysteme, z. B. Fernwärme und Wasserstofftechnologien, Verbesserung und Modernisierung bestehender bzw. Erschließung neuer Energietechnologien. Hierunter fallen Verfahren zum umweltfreundlicheren Einsatz von Kohle, Verbesserung von Wärmepumpen, verstärkter Einsatz der Wärmekraftkopplung und Aufbau integrierter Energiesysteme.Schon heute können greifbare Erfolge vorgewiesen werden. So haben Kernkraftwerke mit Druckwasserreaktoren in den letzten Jahren weltweit einen Marktdurchbruch erzielt. Die beträchtlichen Exporterfolge der deutschen kerntechnischen Industrie zeigen, daß sich der Forschungs- und Entwicklungsaufwand der vergangenen Jahre auch im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen gelohnt hat. Es bleibt jedoch die Aufgabe, den nuklearen Brennstoffkreislauf zu schließen. Die Kosten der Kernenergie und also auch die Kosten des Brennstoffkreislaufs müssen über den Preis am Markt eingebracht werden. Es gibt keinen Grund, Kernenergie gegenüber anderen Energiequellen, wie z. B.
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17952 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Bundesminister Matthöferder deutschen Kohle oder der noch nicht ganz wettbewerbsfähigen Sonnenenergie, zu verbilligen.Zuverlässigkeit und Sicherheit deutscher Kernkraftwerke sind international anerkannt. Das ist auch ein Erfolg der umfangreichen und gewissenhaften Reaktorsicherheitsforschung in der Bundesrepublik. Diese wird jetzt verstärkt, um das theoretisch verbleibende Restrisiko weiter zu vermindern. Die Bundesregierung hat die Augen nicht vor der Tatsache verschlossen, daß die Risiken der Kernenergie in der Bevölkerung Besorgnisse wecken, die bei demokratischen Standortentscheidungen nicht einfach überrollt werden können.Der Rückzug des amerikanischen Partners hat die Hochtemperaturreaktorentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland in eine schwierige Lage gebracht, weil es fast unmöglich erscheint, daß die Kosten für Entwicklung und Markteinführung des HTR von uns allein getragen werden. Das ist besonders bedauerlich angesichts der Tatsache, daß Hochtemperaturreaktoren für uns sehr interessant sind. Wegen der hohen Kühlmittelaustrittstemperaturen könnte nämlich der HTR als Prozeßwärmequelle für die Erzeugung von Brenn- und Synthesegasen aus Kohle eingesetzt werden. Wir suchen daher intensiv nach einem vernünftigen Konzept zur Weiterführung dieser Reaktorlinie. Dabei sind jedoch ein angemessenes Engagement von Herstellern und Betreibern und eine breite internationale Kooperation von großer Bedeutung.Die Steinkohle hat über viele Jahre hinweg Absatzrückgänge hinnehmen müssen. Die sozialliberale Bundesregierung hat erstmals ein geschlossenes Energieprogramm vorgelegt, in dem der Steinkohle ein gesicherter Platz in der Energieversorgung zugewiesen wurde. Langfristig kann die Bedeutung der Kohle in der Energieversorgung aber nur gewährleistet werden, wenn sowohl der Abbau als auch der Einsatz der Kohle verbessert werden. Die Bundesregierung fördert daher die Entwicklung neuer Wärmekraftwerke, in denen die Kohle umweltfreundlicher eingesetzt werden kann, als dies bei den herkömmlichen Kohlekraftwerken der Fall war. Mit Nachdruck fördert die Bundesregierung die Entwicklung neuer Verfahren zur Erzeugung von Heiz- und Synthesegasen aus Kohle.Eines der wichtigsten Forschungsvorhaben, das wir im Laufe dieser Legislaturperiode begonnen haben, betrifft die Nutzung der Sonnenenergie. Innerhalb kürzester Zeit ist es uns gelungen, den Nachweis zu erbringen, daß in unseren Breiten Sonnenenergie sinnvoll insbesondere zur dezentralen Wärmeversorgung genutzt werden kann.
Aufgrund unserer Initiative ist die industrielle Produktion von Solarsystemen in Angriff genommen worden. Unsere Demonstrationsvorhaben in Aachen, Essen und Wiehl haben schon jetzt großes Interesse gefunden und werden zur Entwicklung von geschlossenen Systemlösungen beitragen.Für die Deckung des Bedarfs an Heizwärme werden etwa 40 % des gesamten Primärenergieeinsatzesbenötigt. Die Entwicklung von Verfahren zur Nutzung von Abwärme für Heizzwecke hat daher große Bedeutung. Die Nutzung dieser Wärme durch Einspeisung in Fernheiznetze ist vor allem wegen der schwankenden Nachfrage nicht unproblematisch und daher Gegenstand von Großversuchen.Das Bundesministerium für Forschung und Technologie hat eine Reihe von naturgemäß langfristig angelegten Maßnahmen zur Entwicklung neuer Technologien, Verfahren und Geräte zur Erweiterung der Rohstoffbasis, zur sparsamen Verwendung und zur Erhöhung der Rückgewinnungsquote bei Roh-und Werkstoffen eingeleitet. Dabei müssen Aspekte der Energieeinsparung, der Umweltbelastung und der erhöhten Wirtschaftlichkeit gleichzeitig berücksichtigt werden. Die Maßnahmen werden in einem Forschungsprogramm „Rohstoffsicherung" zusammengefaßt, das derzeit vorbereitet und der Öffentlichkeit in einigen Wochen vorgestellt wird. Eine wichtige Aufgabe zur Verbesserung unserer Rohstoffversorgung sehen wir zunächst darin, nach verborgenen Lagerstätten in unserem eigenen Lande zu suchen.Bei der Förderung von Schlüsseltechnologien ist an erster Stelle die Elektronik zu nennen. Die enorme Leistungssteigerung auf dem Gebiet der elektronischen Bauelemente hat innerhalb weniger Jahre hochintegrierte Bauelemente in die verschiedensten Wirtschaftsbereiche eindringen lassen und zahlreiche neue Geräte und Problemlösungen ermöglicht. Die Fähigkeit, auf kleinstem Raum und zu niedrigen Kosten komplexe logische Funktionen zu produzieren, wird die industriellen Arbeitsplätze, aber auch die öffentliche Verwaltung und die Geräte des täglichen Bedarfs nachhaltiger verändern, als es die herkömmlichen Wirtschaftsprognosen vermuten lassen. Die Bundesregierung hat im August 1974 ein Förderungsprogramm über 286,5 Millionen DM vorgelegt, das dazu beiträgt, Forschungskapazität in einem Wirtschaftszweig zu stärken, der für unser aller Zukunft von großer Bedeutung ist.Ergänzend dazu habe ich im letzten Jahr begonnen, Kooperationsanstrengungen der mittelständischen Industrie bei der Anwendung moderner Elektronik beratend und fördernd zu unterstützen. So ist es beispielsweise der Uhrenindustrie gelungen, gemeinsam mit uns ein Konzept zu formulieren, das zur Bewältigung des Strukturwandels von der Mechanik zur Elektronik in dieser Branche beitragen soll.Der Erfolg der Förderungsmaßnahmen bei den deutschen Herstellern von Datenverarbeitungsanlagen zeigt sich in den konkurrenzfähigen mittleren und großen Datenverarbeitungssystemen und in dem zunehmenden Leistungsangebot der Kleinrechner, die von einer Reihe deutscher Firmen angeboten werden.Obwohl beachtliche Fortschritte erreicht wurden, ist die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Datenverarbeitungshersteller — vor allem im Bereich der mittleren und großen Anlagen — noch auf staatliche Förderungsmittel gestützt. Dem Markt für Kleinrechner, Kleinstrechner und Endgeräte wird in der Fachwelt eine überdurchschnittliche Steigerungsrate
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17953
Bundesminister Matthöfervorhergesagt. Hier liegt daher eine Chance für die Hersteller in der Bundesrepublik Deutschland, stärker als im Markt für mittlere und große Datenverarbeitungssysteme die Entwicklungen von Anfang an mitzutragen und mitzubestimmen. Dies gilt vor allem für die dezentrale Datenverarbeitung und erfordert hohe Entwicklungsaufwendungen, um mit dem internationalen Fortschritt mitzuhalten. Auch hier sind es wieder die kleinen und mittleren Unternehmen, verehrter Herr Lenzer. Sie sind sich doch darüber im klaren, daß die Strategieänderung im dritten Datenverarbeitungsprogramm hin zu den kleinen und mittleren Anlagen, zu den kleinen und mittleren Herstellern, gleichfalls ein positiver Schritt in die richtige Richtung ist.Wenn die Forschungs- und Technologiepolitik dazu beitragen soll, die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze für die Zukunft zu sichern, darf sie sich nicht auf die Entwicklung neuer Technologien beschränken. Sie muß auch sicherstellen, daß diese neuen Technologien denen zugänglich gemacht werden, die an ihrer Nutzung interessiert sind. Auch hier, so glaube ich, hat das BMFT in den letzten Jahren fast bei einem Nullpunkt anfangen müssen, um in enger Zusammenarbeit u. a. auch mit dem BMZ und mit anderen Ministerien und Institutionen ein Instrumentarium für den Technologietransfer und die Innovationsförderung aufzubauen. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen zu helfen. Hier ist die Förderfibel — da stimme ich Ihnen völlig zu, Herr Lenzer — eine Nebenerscheinung, die wichtig ist — das wird uns ja von den Industrie- und Handelskammern, mit denen wir auf diesem Gebiet zusammenarbeiten, bestätigt —, die aber gleichwohl nur auf das hinweisen und das begleiten kann, was wir sonst noch machen.Wir haben z. B. im Juli 1975 neue Bewilligungsbedingungen in Kraft gesetzt, die insbesondere dem Ziel der wirtschaftlichen Umsetzung der mit staatlicher Förderung in Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft erzielten Ergebnisse Rechnung tragen. Wir haben auch die Fraunhofer-Gesellschaft finanziell verstärkt ausgestattet, damit kleinen und mittleren Unternehmen auf vielfache Art und Weise geholfen werden kann, sei es bei der Antragstellung oder bei der Vertragsforschung oder bei der allgemeinen Beratung.Für die Fälle, bei denen in der Phase der Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen der Engpaß in der Verfügbarkeit von risikotragendem Kapital liegt, wurde mit der Gründung der Deutschen Wagnisfinanzierung,s-Gesellschaft im Jahre 1975 vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen eine bis dahin bestehende Lücke geschlossen. Diese Gesellschaft, deren Kapital von zunächst 10 Millionen DM von der Kreditwirtschaft gezeichnet wird, ist dazu ausgerüstet, sich an Unternehmen mit geeigneten Innovationsvorhaben hohen Risikos zu beteiligen. Der Bund beteiligt sich am Geschäftsrisiko der Wagnisfinanzierungs-Gesellschaft durch eine Beteiligung in Höhe von 75 % an den anfänglich zu erwartenden jährlichen Verlusten. Mittel desBundes sind in späteren gewinnbringenden Jahren zurückzuzahlen. Und ich wiederhole hier mein Angebot, daß diese ursprüngliche Kapitalausstattung ohne weiteres erhöht werden kann; der Bund wird dann mitziehen.Neben Risikokapital bietet die Wagnisfinanzierungs-Gesellschaft auch Managementberatung an, eine Dienstleistung, die sich nach den Erfahrungen der ersten Kontaktaufnahme zwischen Unternehmen und der Gesellschaft in der Phase der Projektdefinition und Erfolgsabschätzung als sehr nützlich erwiesen hat. Die schon jetzt vorliegenden über 140 Projektvorschläge innerhalb der kurzen Zeit des Bestehens der Gesellschaft lassen erkennen, daß wir hier einen erfolgversprechenden Weg eingeschlagen haben.Im engeren Bereich der Zuständigkeit des BMFT wurden in den letzten Jahren bereits die Voraussetzungen geschaffen, technologiesuchenden Unternehmungen den Zugang zu allen im Rahmen der Förderung durch das BMFT entstandenen Schutzrechten zu erleichtern. Hierzu wurde eine Clearingstelle für Schutzrechtsverwertung — ARPAT — eingerichtet, die mit der Einspeisung der Schutzrechte aus den Großforschungszentren gegenwärtig die Schlußphase ihres Ausbaus erreicht. Daneben wurden und werden in den Großforschungszentren die Verwertungsstellen weiter ausgebaut.Man sollte hier einmal dazu Stellung nehmen, wie man diese Dinge beurteilt, und sollte konkrete Vorschläge machen, wie wir hier weiter vorankommen. Ich habe bisher versucht, allen vernünftigen Vor- I schlägen gerecht zu werden. Es nützt aber nichts, nur Kritik zu üben und dann, wenn es konkret wird, wie üblich zu kneifen.Das Aktionsprogramm „Humanisierung der Arbeit" ist, wie gesagt, ein Programm, bei dem die Planung und Konzipierung der Schwerpunktbereiche und der Projekte von vornherein mit der späteren Verbreitung und Umsetzung auch in kleinen und mittleren Unternehmen verzahnt ist. Die frühzeitige Beteiligung der Wirtschaft, der Betriebe, der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften im Beratungswesen, bei der Projektdefinition und heim Projektfortschritt gewährleisten größtmögliche Praxisnähe und Verbreitung.Diese Leistungsbilanz, die ich Ihnen vortragen durfte und die nicht vollständig sein konnte, weist, so glaube ich, überzeugend nach, daß die Forschungs- und Technologiepolitik einen neuen Rang im Rahmen der Gesamtpolitik erworben hat. Wir leisten mit ihr ein Stück Zukunftspolitik und eröffnen die Chance, daß bei allen auf uns zukommenden Schwierigkeiten die Konflikte zwischen dem wirtschaftlich Notwendigen und dem gesellschaftlich Wünschenswerten, zwischen den Interessen der Industriestaaten und den Bedürfnissen der Dritten Welt besser gelöst werden, kurz, daß wir einen Schritt tun, die Qualität wirtschaftlichen Wachstums in Einklang zu bringen mit den Bedürfnissen der Menschen und der Belastbarkeit der natürlichen Umwelt.
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17954 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pfeffermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, daß ich trotz der vorgerückten Zeit neben einer kurzen Antragsbegründung zu dem von uns vorgelegten Antrag noch ein paar Bemerkungen zu dem mache, was soeben der Herr Minister hier ausgeführt hat.Herr Minister, es gibt bestimmte Punkte, in denen man mit Ihnen offensichtlich nur in einer sehr deutlichen Sprache sprechen kann. Das darf ich vielleicht an zwei Beispielen einmal etwas näher erläutern.Ich frage mich, woher ausgerechnet Sie den Mut nehmen, der CDU/CSU vorzuwerfen, sie gehe mit ihren Vorstellungen an die Presse und trage ihre Vorstellungen über die Presse an Sie heran. Ausgerechnet Sie, Herr Minister, sind doch derjenige, den wir immer wieder gebeten haben, gelegentlich auch im Ausschuß einmal zur Diskussion zur Verfügung zu stehen. Es ist sogar so weit gegangen, daß uns an den gleichen Tagen, an denen Sie sich im Ausschuß wegen Krankheit entschuldigen ließen, Presseverlautbarungen von Ihnen auf den Schreibtisch lanciert wurden. Wer in solcher Weise im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.Der Unterschied zwischen Ihnen und uns besteht allerdings darin, daß unsere Presseverlautbarungen von der Presse so abgenommen werden und als Presseberichterstattung kommen, während Sie für Ihre Pressearbeit in hohem Maße bezahlen müssen, wie das zur Zeit bei Ihrem hohen Annoncenaufwand auf Kosten der Steuerzahler geschieht. Hier haben wir ja den wohl gelungenen Versuch unternommen, Ihnen einmal nachzuweisen, wo eigentlich erhebliche Steuergelder — auch in Ihrem Bereich —bleiben.Und weil wir gerade bei dem Thema sind, noch ein Hinweis: Ich hatte als Zuhörer das Vergnügen, Sie in Darmstadt bei der Diskussion um die Kernenergie zu erleben. Herr Minister, dies war kein Beitrag dazu, in der Öffentlichkeit Verständnis für die Notwendigkeit der Anwendung der Kernenergie in unserem Staat zu wecken; dies war bestenfalls ein Beitrag dort in der Öffentlichkeit, letzte Gemeinsamkeiten in diesem Hause auf diesem Sektor zu beseitigen. Die Art, wie Sie dort, obwohl die Opposition überhaupt nicht vertreten war, obwohl sie nicht auf dem Podium und auch nicht eingeladen war, mit ihr umgegangen sind, wie Sie Gleichsetzungen von CDU, Junger Union, Kommunistischer Partei und bestimmter Gruppierungen vorgenommen haben, war so rüde und im Grunde genommen unfaßbar, daß man sich nur fragen kann, was dies sein soll, wenn nicht ein Stück Darstellung Ihrer selbst, auch auf Kosten der Demokratie und dieses Staates, indem Sie sich gerade bei dem dortigen Auftritt Bundesgenossen gesucht haben, wo für Sie eigentlich keine Bundesgenossen zu finden sein sollten. Dies gehört an diese Stelle, weil ausgerechnet Sie die Frage der Pressearbeit hier in einer Form aufgegriffen haben, die Ihnen nicht ansteht. Sieselbst haben doch in Ihrem Ministerium Pressegruppierungen in einer Größenordnung angesammelt, daß dort in der Tat ein neuer Schwerpunkt Ihrer Arbeit als Minister festzustellen war und ist.
In diesem Zusammenhang haben Sie im übrigen festgestellt, Sie hätten im Jahre 1969 nichts übernommen. — Natürlich nicht! 1969 wurden Sie nicht Minister; in der Zwischenzeit hat Ihre Regierung drei weitere verbraucht. Daß Sie dann anschließend hier von Schwerpunktprogrammen Datenverarbeitung und Kernenergie sprechen, die Sie doch als große Schwerpunktprogramme gerade von uns übernommen haben, ist — Herr Präsident, ich fürchte, das Wort „Schizophrenie" ist in diesem Hause nicht gestattet; ich muß also eine Umschreibung wählen — ein Stück Vergeßlichkeit in einem einzigen Satz, wie man es bei einem logischen Vortrag von Zusammenhängen, auf den doch Ihr Beitrag vorhin offensichtlich abzielte, eigentlich nicht hätte erwarten dürfen.
Ihr Beitrag ist ja im übrigen am besten durch Ihren Fraktionsvorsitzenden gewertet worden, dem man ein ausgezeichnetes Sitzfleisch nachsagt: selbst ihm verging da die Lust. Nach den Bemerkungen, die er vorher gemacht hat, war mir das ein bißchen verständlich. Ich nehme ihm ja nicht übel, daß er gegangen ist — weiß Gott nicht. Aber daß er ausgerechnet dann geht, wenn der Minister die Leistungsbilanz vorlegt, von der er gesprochen hat,
das darf hier doch einmal erwähnt werden. — Herr Staatssekretär, ich weiß, das paßt Ihnen jetzt nicht so recht, aber daß muß an der Stelle einfach einmal gesagt werden dürfen.Lassen Sie mich nun noch eine Vorbemerkung zu dem Antrag machen, der hier gestellt worden ist. Sie betrifft auch die Frage des Kollegen Kern. Er hatte die Frage gestellt, warum wir hier keine Große Anfrage eingebracht hätten. — Herr Kollege Kern, Sie kennen den Brauch des Hauses genauso wie wir: Eine Große Anfrage hätte hier nicht mehr diskutiert werden können, während wir immerhin glaubten, die Chance zu haben, dann, wenn wir den Antrag im März einbringen, bis zum 1. Mai ein Ergebnis zu bekommen. Daß wir den Termin jetzt auf den 1. September verlegen mußten, ist eine andere Sache, die aber nicht von uns zu vertreten ist. Wir haben dies getan, um im Ausschuß über diese Fragen miteinander reden zu können, nicht aber um einen neuen Auftritt in der Form zu provozieren, daß hier einseitig eine Erklärung abgegeben wird, die — wie sagten Sie? — eine Leistungsbilanz darstellt.
— Ihnen kommt es offensichtlich auf das Wie, auf die Form, in der es vorgetragen wird, an. Uns kommt es auf die Inhalte an, die hier vorzutragen wären. In dieser Hinsicht hätten wir doch einiges anzumerken gehabt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17955
PfeffermannIch finde, man sollte über die Frage der Geschäftsordnung nicht versuchen, die Dinge als solche in den Hintergrund zu schieben.Lassen Sie mich zu dem Forschungsbericht V noch eine Bemerkung machen. Herr Professor Laermann hat vorhin erklärt, im übrigen sei das Ganze im Ausschuß ja einstimmig angenommen und akzeptiert worden. Herr Professor Laermann, zur ganzen Wahrheit gehört auch der Wortlaut des Antrages, und dieser heißt unter Ziffer 1: Der Forschungsbericht V wird zur Kenntnis genommen. Sie wissen genau, daß die verstärkte Formulierung, die ursprünglich dort stand, unter Ziffer 1 gestrichen worden ist, um eben die Dinge nicht gar zu hoch zu hängen.
— Hier steht: „... wird zur Kenntnis genommen". Ursprünglich hieß es: „... wird zustimmend zur Kenntnis genommen". Das Wort „zustimmend" ist— mit Ihrer aller Einverständnis — gestrichen worden. Ich sage dies nur, um zu verdeutlichen, wo wir in der Sache wirklich stehen. Im übrigen hat der Minister, glaube ich, eben selber aufgezeigt, wie das mit den neuen Akzenten ist.
Es war ja wohl mehr ein Sammeln von laufenden Projekten, als daß er uns etwas über Schwerpunkte der Forschungspolitik und Akzente dargestellt hätte, die er während seiner Amtszeit in seinem Bereich gesetzt hat, und als daß er zu dem Stellung genommen hätte, was er uns vorgelegt hat. Warum ist er denn nicht einmal auf die kritischen Stimmen eingegangen, die er uns selbst hat überstellen lassen, auf die Bemerkungen zu dem Forschungsbericht V? Herr Minister, dies wäre doch eigentlich Ihre Aufgabe gewesen. Diese mehr als 100 Seiten, die Sie uns haben überstellen lassen, sind doch weiß Gott nicht ein einziger Jubelbericht, sondern beinhalten eine Summe kritischer Anmerkungen von sicherlich fachkompetenter Stelle, wenn Sie die Stimme der Opposition schon nicht als kompetent akzeptieren wollen. Zu dieser Kritik habe ich in Ihrer ganzen Rede vorhin nichts gehört. Sie wollten eine Leistungsbilanz geben. Dazu paßt es ja wohl nicht, daß man sich mit kritischen Stimmen auseinandersetzt, die hinreichend vorhanden sind und von Ihnen durchaus hätten aufgegriffen werden können. Dann wäre diese halbe Stunde besser als mit dem, was Sie uns vorhin vorgetragen haben, genutzt gewesen.Nicht zuletzt mit dem vorliegenden Antrag wollen wir die Bundesregierung auffordern, auf der Basis konkreter Fragen, wie Sie sie dauernd fordern, ihre Einsichten über den Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzsicherung in der Zukunft und der Forschungspolitik heute darzulegen und aufzuzeigen, welche politischen Folgerungen sie daraus zieht. Es trifft sich im Grunde genommen gut, daß dies zusammen mit der Diskussion über den Forschungsbericht V geschehen kann. Man hätte hier auf diese Zielsetzungen eingehen können. Ich denke, der Minister — ich habe das eben schon ausgeführt — hat dazu eine gute Chance verpaßt.Sicher ist der Zusammenhang zwischen Forschung und Technologie, technischem Fortschritt, Wirtschaftswachstum und Sicherung der Arbeitsplätze sehr komplex. Er kann hier nicht im einzelnen dargestellt werden. Unsere Sorge gilt der Anwendung der Forschungsergebnisse in Produkten und Verfahren, all dem, was wir als Innovation charakterisieren. Wir meinen, daß hier empfindliche Lücken entstanden sind. Die gegenwärtige Forschungsförderung scheint grundsätzlich darauf ausgerichtet zu sein, nur das Angebot an Technologien aller Art zu vermehren. Ob diese Technologien sich letzten Endes in Form marktfähiger Produkte und Verfahren niederschlagen, interessiert den Forschungsminister offensichtlich wenig. Anders ist doch sein Hinweis z. B. auf das HTR-Programm überhaupt nicht zu verstehen. Herr Minister, Sie deuteten zwar an, daß der Partner ausgefallen und die Lage schwierig sei. Obwohl Sie die Schwierigkeiten doch kennen müssen, haben Sie heute hier bei der Diskussion über den Forschungsbericht im Blick auf diesen Bereich aber nicht einen einzigen Satz darüber verloren, wie Sie sich die weitere Lösung dieses Problems vorstellen — und dies, obwohl heute zu diesem Thema ein Antrag eingebracht worden ist und spätestens dieser Sie hätte aufmerksam machen müssen, daß hierzu einiges zu sagen ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner?
Natürlich.
Sehr geehrter Herr Kollege, sind Sie sich darüber klar, daß mein Wiedererscheinen auf meinem Platz — was sonst unerheblich wäre, wenn Ihre Bemerkung vorhin nicht gewesen wäre
nicht eine Bekundung meines besonderen Interesses für Ihre besonders wertvollen Ausführungen ist?
Sehr geehrter Herr Kollege Wehner, Sie wären eben nicht haargenau dieser Kollege, wenn Sie es nicht für notwendig befunden hätten, jetzt noch diese Bemerkung zu machen. Das ist doch völlig klar.
Wir wollen ja auf unseren Ruf achten, Herr Wehner. Im Grunde haben Sie das ja eigentlich nicht mehr nötig. Ihre Art der feinen Bemerkungen ist hinlänglich bekann.
Sie brauchten das nicht ausdrücklich zu unterstreichen. So kennt man Sie.
— Herr Wehner, ich dachte mir schon, daß Sie noch ein paar andere Punkte finden, um das ein bißchen fortzusetzen. Nur, sehr geistreich ist das, was Sie
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17956 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Pfeffermannda eben zwischengerufen haben, nicht. Das darf doch, auch einmal festgestellt werden.
Das Ganze — —
— Ich muß leider zum Ende kommen.
— Natürlich. Wenn innerhalb der gesamten Legislaturperiode die Diskussion um diese Fragen in diesem Hause letztendlich auf zwei Stunden begrenzt wird, und zwar in der Form, wie das geschehen ist, und solche Anwürfe erfolgen, wie der Minister das für notwendig gehalten hat, werden Sie uns schon gestatten, darauf zunächst einmal einzugehen und das zur Diskussion zu stellen.
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß der Antrag der CDU/CSU der Bundesregierung die Möglichkeit gibt, diesen ganzen Bereich noch einmal im einzelnen zu untersuchen. An ihr wird es liegen zu zeigen, wie ernst sie die Fragen nimmt. Der Herr Minister hat sich dazu eben geäußert. Ob sich das dann wirklich bewahrheitet, werden wir am Ergebnis dessen sehen, was anschließend auf den Tisch des Hauses kommt.
Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Spies von Büllesheim.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte den Antrag der CDU/CSU auf Drucksache 7/4984 kurz begründen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ihre Ziele und Zeitvorstellungen bei der Förderung fortgeschrittener Reaktorlinien darzulegen.Wir alle wissen, daß wir nicht genügend Geld haben, um jede Entwicklung parallel in dem vielleicht aus der Sicht des Einzelprojekts wünschenswerten Umfang fördern zu können. Aber die Regierung muß dann eine klare Aussage machen, was sie aus ihrer allgemeiner Sicht forschungspolitischer Notwendigkeiten für richtig hält, in welchem Umfange sie was fördern kann und fördern will. Eine solche Aussage liegt in diesem Bereich nicht vor. Sie, Herr Minister, haben in Ihrer Rede gerade gesagt, Sie suchten noch nach einem tragfähigen Konzept.Im Bereich der Kernenergie konkurrieren innerhalb des leider insgesamt zu engen finanziellen Rahmens zwei fortgeschrittene Reaktorlinien miteinander: der sogenannte Schnelle Brüter mit dem SNR 300 und die Hochtemperaturreaktorlinie, die mit dem THTR 300 nach dem Kugelhaufenprinzip in Schmehausen in Bau ist. Es ist dringend notwendig, die Vorbereitung der nächsten Größenordnung beider Linien energisch in Angriff zu nehmen und dazu Klarheit nach Ziel, Zeitplan, Betreiber, Hersteller, Förderung und Größenordnung zu schaffen. Es ist notwendig, daß die Bundesregierung ihre Vorstellungen dazu klar und bald entwickelt. Notwendig ist das für die Erbauer, für die Betreiber, für die Entwicklung der Folgetechnologien und auch für die internationale Zusammenarbeit.Es ist müßig, darüber zu streiten, welche Linie den Vorrang haben soll. Wer in einem solchen Streit die Wahrheit auf seiner Seite hatte, wird erst in Jahrzehnten absehbar sein. Die Bundesregierung geht daher — zumindest verbal — auch von der Gleichrangigkeit beider Entwicklungslinien aus.Dieser 7. Deutsche Bundestag hat zu Anfang seiner Legislaturperiode den Startschuß auf dem Gebiet der Schnellen Brüter für den Bau des SNR 300 gegeben. Diese Entscheidung ist, wie Sie wissen, viel mit dem Argument kritisiert worden, es handle sich eigentlich bereits um einen Schritt in die 3. Generation der Kernkraftwerke; der THTR, der Hochtemperaturreaktor, sei dagegen die 2. Generation, die man vorher hätte verwirklichen sollen.Wenn man die Kostenentwicklung sieht, die uns alle bestürzt, dann spricht tatsächlich manches dafür, daß die Kritiker unserer gemeinsamen Entscheidung im Recht waren. Denn die heute absehbaren Kosten für den SNR 300, also für den Schnellen Brüter, sind von 1 535 Millionen DM auf 2 518 Millionen gestiegen, während die Kosten des THTR „nur" von 903 Millionen DM auf 1 485 Millionen DM gestiegen sind. Der schon heute absehbare Mehraufwand gegenüber den Vorausschätzungen liegt also beim SNR 300 um 400 bis 500 Millionen DM höher als der Mehraufwand beim THTR. Dabei wird der SNR frühestens 1981 fertig. Was uns da noch bevorsteht, wissen wir nicht.Hier setzt die Sorge an, die uns zu unserem Antrag bestimmt hat, die Sorge nämlich, daß die Entwicklungslinie der Hochtemperaturreaktoren zurückbleiben könnte auch Herr Professor Laermann hat das gerade angesprochen —, weil die enormen Mehraufwendungen für den Schnellen Brüter einfach Mittel binden können, die bei einer Gleichrangigkeit der Entwicklung für den Hochtemperaturreaktor sonst zur Verfügung stehen müßten. Diese Sorge gilt nicht nur für die Mehrkosten für die beiden genannten im Bau befindlichen Kraftwerke, sondern vor allem für die größeren FolgeKraftwerke.Die Sorge wird — auch das muß hier gesagt werden bestärkt durch die gemeinsame Erklärung des Bundesministers für Forschung und Technologie und seines französischen Kollegen von Nizza vom Februar 1976 und das am 18. Mai 1976 mit Frankreich unterzeichnete Abkommen, die sich beide konkret zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Schnellen Brüters äußern, aber zur Frage der Hochtemperaturreaktoren jede konkrete Aussage vermissen lassen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17957
Dr. Freiherr Spies von BüllesheimDas ist auf dem Hintergrund verständlich, daß die Entwicklung der Schnellen Brüter in Frankreich sehr weit fortgeschritten ist und Frankreich deshalb eine deutsche Beteiligung am Super-Phenix-Projekt mit einer enormen Größenordnung erstrebt. Andererseits sind wir im Bereich der Hochtemperaturreaktorentwicklung technisch weiter. Deshalb müssen wir im Gegenzug eine finanzielle Beteiligung an unserer HTR-Entwicklung erwarten. Diese aber ist bisher nicht zugesagt worden. Wir haben — Herr Minister, es muß hier noch einmal gesagt werden — die Sorge, daß über die Mittelbindung aus internationalen Verträgen die Entwicklung des Hochtemperaturreaktors in Deutschland auf Jahrzehnte benachteiligt, gehemmt und entscheidend behindert werden könnte.Das darf nicht sein! Sie bestätigen uns zwar, das Prinzip der Gleichrangigkeit sei auch ihr Prinzip. Aber man muß sich fragen, ob dieses Prinzip der Gleichrangigkeit heute überhaupt noch gewahrt ist.Wenigstens eines ist allerdings seit den „Dernbacher Empfehlungen" vom Februar 1976 entschieden worden — wie wir meinen, richtig entschieden worden, und, wie wir hoffen, endgültig entschieden worden —, daß nämlich die Hochtemperaturreaktorentwicklung auf der Basis des Kugelhaufenreaktors und nicht des Blockmeilers erfolgen wird. Nachdem es bis zu dieser Entscheidung schon viel zu lange gedauert hat, sollte sich die Regierung darauf jetzt endlich auch öffentlich festlegen, damit diesen Bemühungen außerhalb der Regierung wieder Ziel und Richtung gegeben werden.Man gewinnt den Eindruck, daß die Regierung in diesem Bereich durch Nicht-Entscheiden Fakten zu setzen versucht,
wobei Vorwegentscheidungen getroffen werden, die wir alle nicht wünschen. Herr Minister, Sie haben das immer bestritten. Aber Ihre klare Aussage in der Öffentlichkeit steht noch aus. Der Hochtemperaturreaktor darf nicht vernachlässigt werden.
Nur er bietet die Möglichkeit, in den von Ihnen gerade angesprochenen Nicht-Elektrizitätsbereich des Energiemarkts einzudringen und damit effektiv zu einer Verminderung der politisch so bedeutsamen Mineralölimporte beizutragen.
Mit dem Schnellen Brutreaktor ist das, wie wir alle wissen, nur über Umwege der Fall, weil dieser nur zur Elektrizitätserzeugung dienen kann, die in Deutschland nur in ganz geringfügigem Umfang aus Mineralöl erfolgt. Wenn wir also durch die Kernenergie unsere Abhängigkeit vom Ö1 verringern wollen, dann müssen wir — das ist eine einfache, aber leider viel zu wenig bekannte Wahrheit — vor allem die Wärmeprobleme lösen. Auch Sie, Herr Minister, haben das in anderem Zusammenhang angesprochen: 14 °/o unseres Gesamtenergiebedarfs entfällt auf Wärmeerzeugung. Die Zahl ist genannt worden. Diese können mit Kernenergie nur über den Hochtemperaturreaktor erzeugt werden.Während in den wichtigen, in allen wichtigen Industrieländern am natriumgekühlten Schnellen Brutreaktor gearbeitet wird, wie in Frankreich, ist der Schwerpunkt bei der Entwicklung des Hochtemperaturreaktors eindeutig bei uns in der Bundesrepublik. Gelingt es uns, diesen Reaktor auf dem Markt einzuführen, so haben wir ein weltweit konkurrenzfähiges Produkt, das weltweit auf größtes Interesse stößt. Hinsichtlich des Schnellen Brutreaktors können wir dagegen nur hoffen, allenfalls als Unterlieferant tätig zu sein. Der Hochtemperaturreaktor bietet auch die Möglichkeit, in erheblichem Umfang Thorium einzusetzen. Es gibt viele Länder in der Welt, die riesige Thoriumreserven haben, z. B. Türkei und Indien, aber nur ganz geringe Uranreserven. Gerade für diese Länder sind Reaktoren wie der Hochtemperaturreaktor interessant. Ein weiterer Vorteil: Der Kugelhaufen-HTR hat auch verfahrensbedingte sicherheitstechnische Vorteile. Das sollte man bei der allgemeinen Situation nicht außer acht lassen. Außerdem müssen wir uns darüber im klaren sein, daß die Veredelung der deutschen Kohle nur mit der nuklearen Prozeßwärme des Hochtemperaturreaktors überhaupt eine Chance hat. Es wäre deshalb aus all diesen Gründen eine Torheit, gerade die Hochtemperaturreaktorentwicklung bei uns einzuschränken.Der Ausschuß für Forschung und Technologie — dabei war der Ausschuß, das darf ich hier einmal feststellen, über alle Parteien hinweg vollständig einig — hat die hier kurz vorgetragenen Fragen in zwei Sitzungen allein dieses Jahres sehr eingehend und einverständlich erörtert, allerdings in einer gewissen Gegensätzlichkeit zur Regierung, einmal vorsichtig ausgedrückt.
Der Ausschuß hat in seiner Februarsitzung bei den Haushaltsberatungen in einem Grundsatzbeschluß festgestellt — Herr Dr. Laermann hat das auch bereits angeführt —:... daß die Kostensteigerungen bei der Entwicklung und dem Bau von Schnellen Brutreaktoren auf gar keinen Fall zu Lasten der Entwicklung und des Baus von Hochtemperaturreaktoren gehen dürfen.Dennoch mußte für den SNR 300 eine erhebliche Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen beim Haushaltsausschuß beantragt werden.Der Ausschuß hat in seiner letzten Sitzung in diesem Monat einstimmig einen weiteren Beschluß gefaßt. Auch den möchte ich zitieren:... daß von der Bundesregierung keine, die aussichtsreiche langfristige Entwicklung des Hochtemperaturreaktors behindernden Entscheidungen, insbesondere in der Zeit bis zur vollen Arbeitsfähigkeit des 8. Deutschen Bundestages, getroffen werden sollen.Herr Minister, Sie haben diesen Beschluß sicherlich zur Kenntnis genommen. Sie wollen ihn zwar jetzt nicht noch einmal zur Kenntnis nehmen, aber ich muß Ihnen hier doch noch einmal sagen: Die Tatsache,
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Dr. Freiherr Spies von Büllesheimdaß dieser Beschluß notwendig war, ist ein Beweis für den begründeten Verdacht, den ich hier vortrage. Der ganze Ausschuß hatte also den Verdacht, daß hier durch die Mittelbindung über internationale Verträge zugunsten des Schnellen Brüters Fakten geschaffen werden könnten, die die Hochtemperaturreaktorentwicklung dann zwangläufig benachteiligen würden. Es kann hier nur noch einmal gesagt werden: Das darf nicht sein!Ich komme zum Schluß. Es ist höchste Zeit, daß die Regierung hier Klarheit schafft, daß sie auf diesem Gebiet energisch agiert. Herr Minister, wir wünschen von Ihnen die Festlegung der langfristigen Ziele der Reaktorentwicklung, von der wir glauben, daß sie in Ihrer Zeit vernachlässigt worden ist. Tun Sie auch etwas, um eine Betreibergesellschaft zu fördern. Und insbesondere: Informieren Sie dieses Haus und die Öffentlichkeit offen und eindeutig über das, was Sie in diesem Zusammenhang vorhaben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Forschung und Technologie.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige wenige Worte zum Hochtemperaturreaktor und zu den Unterstellungen und zu dem Verdacht, der hier gerade geäußert worden ist.
Es liegt keinerlei Grund vor, Herr Spies, Sie wissen das, zu vermuten, daß wir etwa die Weiterführung des Baus des THTR 300 in Schmehausen einstellen würden. Dieser wird voll bis zum Ende weitergeführt, das wird auch noch eine ganze Weile in Anspruch nehmen. Wie Sie wissen, sind die Kosten inzwischen — wir haben Ihnen das alles im Detail und ganz offen vorgerechnet — wesentlich gestiegen. Es liegt überhaupt kein Anlaß vor, zu unterstellen, wir wollten in internationalen Verträgen eine Mittelbindung vornehmen, um faktische Verhältnisse zu schaffen — durch Nichtentscheidung, wie Sie sagen. Wollen Sie wirklich sagen, die Bundesrepublik Deutschland könne den Hochtemperaturreaktor ganz allein zur Marktreife führen, einschließlich des dafür erforderlichen besonderen Brennstoffkreislaufs? Sind Sie der Meinung, daß wir dann die dafür erforderliche Infrastruktur noch mitfinanzieren könnten? Oder meinen Sie nicht auch, wir sollten dies mit einem Partner versuchen? Tatsache ist aber, daß der Hochtemperaturreaktormarkt in den Vereinigten Staaten zusammengebrochen ist und General Atomic, die einen Auftragsbestand von 10 000 Megawatt hatte, mit einem Verlust von 750 Millionen aus dem Geschäft ausgestiegen ist.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß gerade der jetzt erneuerte Hinweis auf die Entwicklung in den Vereinigten Staaten den Verdacht bei uns — und zwar im ganzen Ausschuß — ganz besonders begründet, daß Sie auch eine HTR-Entwicklung in Deutschland nicht für aussichtsreich halten könnten? Und würden Sie weiter zugeben, daß, wenn wir erhebliche Mittel in die Linie des Schnellen Brüters stecken, die Voraussetzungen für den HTR bei uns jedenfalls erheblich schlechter sind, als wenn wir das nicht tun?
Dies ist ja nun ein ganz neues Argument der Opposition. Das möchte ich aber noch einmal hören. Sie sagten, daß ich erhebliche Mittel in den SNR 300 stecke. Soll das bedeuten, daß Sie vorschlagen, wir sollten den Bau des SNR im jetzigen Stadium abbrechen, obwohl wir — —
— Dann lesen Sie doch einmal, was Sie gesagt haben, im unkorrigierten Protokoll! Sie sind vollkommen durcheinander.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube nicht, daß ich durcheinander bin, Herr Minister. Darf ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich folgendes gesagt habe: Wenn Sie bezüglich der HTR-Entwicklung fortwährend darauf verweisen, daß diese in den USA Schiffbruch erlitten hat, dann ist dies ein Grund, anzunehmen, daß Sie die HTR-Entwicklung in Deutschland etwa auch als ebenso wenig aussichtsreich beurteilen könnten und deswegen eben anderer Meinung sind als der Ausschuß.
Lieber Herr Kollege Spies, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie, falls Sie mit mir diskutieren, sorgfältig zuhören. Hier hat niemand gesagt, die Entwicklung habe Schiffbruch erlitten. Ich habe gesagt: Der Markt ist zusammengebrochen. Das hat nichts mit der technischen Entwicklung zu tun, sondern ist darauf zurückzuführen, daß der Reaktor infolge der neuen Sicherheitsauflagen in Fort St. Vrain nicht rechtzeitig ans Netz gehen konnte, weshalb die EVUs ihre Bestellungen und ihre „letters of intents" zurückzogen und so der Markt zusammengebrochen ist. Immer aufmerksam zuhören, wenn man mit jemandem diskutiert, der mittlerweile von dem Geschäft etwas verstehen gelernt hat!
— Wer sich hier als Oberlehrer und Oberverdächtiger aufgespielt hat, das haben wir ja vorhin gehört. Die Frage ist also, Herr Kollege Spies: Wie soll es weitergehen? Erstens werden wir den Bau des THTR 300 zu Ende führen. Wir werden einige Studien und Komponentenentwicklung weitermachen. Mittlerweile werden wir versuchen, mit unserem amerikanischen Partner ein Arrangement zu finden. Wir sind dort in ganz intensiven Verhandlungen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17959
Bundesminister MatthöferEs wäre zu früh, jetzt öffentlich zu erklären: Wir machen es auf jeden Fall allein.
— Na also. Dann müssen Sie also mit mir, bevor Sie ein neues Konzept entwickeln, die Entscheidungen unseres amerikanischen Partners abwarten.
— Der Finanzrahmen liegt in der mittelfristigen Finanzplanung fest. Er sieht die Fertigstellung des THTR 300 und weitere Arbeiten am Hochtemperaturreaktor vor. Das wissen Sie genauso gut wie ich.Durch Ihre Zwischenrufe zeigen Sie jetzt, daß Sie Ihre Vorwürfe im Grunde nicht aufrechterhalten können. Ich möchte noch einmal betonen: Mir ist die Bedeutung des Hochtemperaturreaktors insbesondere für die Weiterentwicklung unserer deutschen Kohle durchaus bewußt. Wir werden ernsthaft versuchen, ihn weiterzuentwickeln.Sollte es uns aber nicht gelingen, einen potenten internationalen Partner zu finden wir versuchen sehr intensiv, diese Zusammenarbeit zu organisieren —, dann entsteht eine ganz neue Entscheidungssituation. — Sie nicken mit dem Kopf; ich danke Ihnen dafür. Wir werden jetzt versuchen, mit unserem amerikanischen Partner eine Lösung zu finden, die wir gemeinsam weiterverfolgen können. Vorher ist es für niemanden, gehöre er auch einer Partei an, wie Sie es wünschen mögen, möglich, zusagen, wie es ohne die Amerikaner weitergehen soll.Wir sind am Hochtemperaturreaktor interessiert. Wir machen dieses Projekt fertig. Wir machen die geplanten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, wie sie vorgesehen sind. Und wir suchen nach einem Partner. Mehr ist nicht drin. Wer hier Verdächtigungen ausstößt und Unterstellungen macht, schadet der Hochtemperaturreaktorentwicklung in diesem Land eher, als daß er ihr nützt.Übrigens versuchen wir auch auf der Industrieseite, die unterschiedlichen Gruppierungen zusammenzuführen, was sich auch nicht als sehr einfach herausgestellt hat und was sicher nicht dadurch erleichert wird, daß ständig die Bemühungen der Bundesregierung um den Hochtemperaturreaktor und seine Entwicklung in Zweifel gezogen werden.
Wir sind bereits über die vereinbarte Zeit hinaus. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Äußerungen des Bundesministers für Forschung und Technologie veranlassen mich, doch noch einmal dazu zu sprechen. Herr Minister, wenn ich mir den Rat gestatten darf, so müßten Sie sich einmal abgewöhnen, es immer als eine Art Majestätsbeleidigung zu empfinden, wenn irgendwo sachliche Kritik geübt wird. Ich glaube, das ist eine
Sache, die man lernen kann. Ich möchte Sie herzlich bitten, sich das langsam einmal anzugewöhnen!
Der Ausschuß für Forschung und Technologie des Bundestages hat doch nicht von ungefähr einstimmig auf diese Dinge hingewiesen. Er wollte dadurch bezwecken, daß eine gleichgewichtige Behandlung der HTR- und SNR-Entwicklung gewährleistet ist. Er sah sich offensichtlich dazu veranlaßt, weil die Befürchtungen zugrunde lagen, die der Kollege Dr. Spies von Büllesheim vorgetragen hat. Das ist also nicht aus der Luft gegriffen.
Es ist etwas anderes, wenn jetzt Vergleiche zwischen der Bundesrepublik und den USA oder Frankreich dargestellt werden. Bei uns sind über 1 200 Leute — so haben Sie selbst auf eine Anfrage von mir geantwortet — in der HTR-Entwicklung tätig. Wir sind also diejenigen, die das schwerpunktmäßig betreiben, und von uns können die Impulse ausgehen. Deswegen ist auch die Frage zu stellen: haben Sie alle Möglichkeiten ausgeschöpft? Wann haben Sie beispielsweise mit der ERDA verhandelt? Haben Sie einmal versucht, bei der ERDA Verständnis zu wecken, und haben Sie vor allen Dingen bei der SNR-Vereinbarung mit den Franzosen nach einer Art do ut des zu erreichen: wir beteiligen uns am Superphenix, und was geben Sie uns dafür? Davon konnten Sie oder der, der im Ausschuß berichtet hat, uns überhaupt nichts sagen. Genauso sind Sie oder die Vertreter der Regierung die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wie in dem HTR-Bereich die Mehrkosten aufgebracht werden sollen. Ich erinnere mich sehr genau, daß der Kollege Kern sogar noch die Frage stellte: ist es richtig, daß hier sogar 50 % der Mehrkosten von der beteiligten Industrie aufgebracht werden sollen? Er hatte also auch etwas von diesen Bedenken gehört.
Ich möchte noch einmal wiederholen: die erste Äußerung, die Sie hier brachten, die THTR 300-Entwicklung in Schmehausen wird fortgeführt, ist für uns überhaupt nicht beruhigend. Das haben wir als eine bare Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. Es wäre geradezu wahnsinnig — ein anderer Ausdruck fällt mir im Moment nicht ein —, wenn man jetzt bei einem derartigen Baustand dieses Projekt abbrechen würde. Das gleiche gilt nach unserer Auffassung auch für den SNR 300. Das ist eine Selbstverständlichkeit.
Zweiter Punkt. Wir wollen sicherstellen — wir bitten Sie, das in Zukunft auch bei Ihren Gesprächen mit Ihren französischen oder anderen Partnern zu berücksichtigen —, daß Sie bei diesen Verträgen auch ganz eindeutig als Voraussetzung der Beteiligung bei dem SNR-Projekt oder bei anderen internationalen Projekten ein entsprechendes Engagement der anderen Seite, ihrer Partner, in der HTR-Entwicklung fordern. Denn auch wir wissen, daß es vermessen wäre zu glauben, wir könnten diese Reaktorlinie ganz allein auf uns gestellt, inklusive Schließung des Brennstoffkreislaufs, durchführen. Deswegen fordern wir Sie nochmals auf, in einer Art Koppelungsgeschäft darauf zu dringen, daß die anderen sich dann auch an diesem für uns wegen der nuklearen Prozeßwärme und wegen der Kohlever-
17960 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Lenzer
edelung so wichtigen Projekt als eine Art Gegenleistung beteiligen.
Zu den Mehrkosten haben Sie gesagt, das sei in der mittelfristigen Finanzplanung abgedeckt. Das halte ich für ein Gerücht; das ist überhaupt nicht abgedeckt. Denn bei den Mehrkosten arbeiten Sie mit Verpflichtungsermächtigungen bei der gesamten weiteren HTR- und SNR-Entwicklung. Sie wissen überhaupt nicht, wie Sie die Mehrkosten aufbringen wollen. In der mittelfristigen Finanzplanung sind die Mehrkosten jedenfalls noch nicht eingestellt; da sind lediglich Mittel für die Entwicklung bestimmter Projekte eingestellt.
Im übrigen müßten Sie wirklich langsam ein neues konsistentes, auf einem gemeinsamen Grundkonzept — wie es auch die Empfehlung in den Dernbacher Beschlüssen war — basierendes Gesamtkonzept für die HTR-Entwicklung einbringen. Unter HTR-Entwicklung verstehen wir nämlich nicht nur die Zweikreisanlage, wie THTR 300, sondern auch die nächstgrößere Anlage, first of its kind. Auch das muß endlich in den Markt eingeführt werden, und das geht auch nur mit erheblichem Engagement der öffentlichen Hand. Es geht um das HHT-Projekt, das immer noch auf dem Papier steht. Es geht um die nukleare Prozeßwärme. Ein solches Projekt ist ja dort auch mit Ihrer Mithilfe angefangen worden. Das sind alles Dinge, die wir Ihnen sagen sollten. Es geht nicht darum, die Regierung hier irgendwie zu maßregeln. Es ging einfach darum, daß alle Fraktionen in dieser Ausschußsitzung Bedenken hatten, ob unter den obwaltenden Umständen noch die HTR-Entwicklung gleichrangig mit der SNR-, der Schnell-brüterentwicklung betrachtet wird. Dazu wollten wir die Bundesregierung auffordern. Dazu hat ja auch der Ausschuß einvernehmlich ein ganz klares Votum, um dessen Berücksichtigung wir Sie nochmals bitten wollen, abgegeben.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen. Ich schlage vor, daß wir zunächst über die Drucksache 7/5389, d. h. über den Antrag des Ausschusses — Ziffern 1 und 2 — abstimmen. Wir stimmen gemeinsam ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so gebilligt.Wir kommen zur zweiten Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 1975 zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation — Drucksache 7/5103 —. Ich rufe Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig gebilligt.Ich schlage vor, den Antrag der Fraktion der CDU/ CSU betreffend Forschungspolitik und Arbeitsplätze der Zukunft auf Drucksache 7/4921 dem Ausschuß für Forschung und Technologie federführend — unddem Ausschuß für Wirtschaft — mitberatend — zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich schlage Ihnen ferner vor, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Ziele bei der Förderung der fortgeschrittenen Kernreaktoren durch den Bundesminister für Forschung und Technologie auf Drucksache 7/4984 dem Ausschuß für Forschung und Technologie — federführend —, dem Innenausschuß und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr den Punkt 22 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 über die Angabe von Familiennamen und Vornamen in den Personenstandsbüchern— Drucksache 7/5203 —Bericht und Antrag des Innenausschusses
- Drucksache 7/5370 —Berichterstatter:Abgeordneter Gerster (Erste Beratung 247. Sitzung)Der Berichterstatter wünscht keine Ergänzung des vorgelegten Berichts. Ich danke dem Berichterstatter. Wird das Wort in der Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich rufe dann Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift zur Abstimmung auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —. Es ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe nunmehr Punkt 23 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Umweltstatistiken— Drucksache 7/5212 —Bericht und Antrag des Innenausschusses
— Drucksache 7/5395 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Gruhl Abgeordneter Konrad
Ich danke den Herren Berichterstattern und frage sie, ob sie das Wort dazu wünschen. — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht begehrt. Wir treten in die Abstimmung zur zweiten Beratung ein. Ich rufe die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Das Gesetz ist damit einstimmig angenommen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976 17961
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Wir treten in diedritte Beratungein. Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Das Gesetz ist damit einstimmig gebilligt.Ich rufe Punkt 25 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 23. Oktober 1969 zur Erhaltung der lebenden Schätze des Südostatlantiks, zu dem Protokoll vom 21. Januar 1972 zur Änderung des Übereinkommens vom 20. Dezember 1962 über den Schutz des Lachsbestandes in der Ostsee, zur Konvention vom 13. September 1973 über die Fischerei und den Schutz der lebenden Ressourcen in der Ostsee und den Belten sowie zur Änderung des SeefischereiVertragsgesetzes 1971 — Seefischerei-Vertragsgesetz 1976 —— Drucksache 7/5213 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/5450 —Berichterstatter:Abgeordneter Peters
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 7/5334 — Berichterstatter:Abgeordneter Grunenberg
Eine Ergänzung der vorgelegten Berichte wird von den Herrn Berichterstattern nicht gewünscht. Ich danke den Herrn Berichterstattern.Das Wort wird in der Sache nicht begehrt. Wir treten in die Abstimmung ein: Art. 1, 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift. — Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig gebilligt.Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1974 über den bezahlten Bildungsurlaub— Drucksache 7/4766 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 7/5355 — Berichterstatter:Abgeordneter Franke (Erste Beratung 230. Sitzung)Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung der Berichts wird nicht gewünscht.Das Wort in der Aussprache wird nicht begehrt. Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung und Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. — Ich verbinde die Abstimmung mit der Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig so gebilligt.Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen sowie des Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter— Drucksache 7/4599 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/5451 — Berichterstatter: Abgeordneter Simonb) Bericht und Antrag des Rechtsausschusses
— Drucksache 7/5423 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Schöfberger Abgeordneter Dr. Hauser
Das Wort zur Ergänzung der Berichte wird von den Herren Berichterstattern nicht gewünscht. Ich danke den Herren Berichterstattern.Wir treten in die zweite Beratung ein. Das Wort wird nicht begehrt. Ich rufe Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. — Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Wir treten in diedritte Beratungein. Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Gleichzeitig beantragt der Ausschuß, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. — Ich gehe davon aus, daß Sie damit einverstanden sind, und danke Ihnen.Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von denAbgeordneten Dr. Becker ,
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17962 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDr. Narjes, von Bockelberg, Erhard und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes— Drucksache 7/4754 —Bericht und Antrag des Finanzausschusses
— Drucksache 7/5400 —Berichterstatter: Abgeordneter Halfmeier
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht.Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. — Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig so gebilligt.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird in der Aussprache nicht begehrt. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so gebilligt.Ich rufe Punkt 29 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 9. September 1975 zum Abkommen vom 25. Februar 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit— Drucksache 7/5029 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 7/5360 —Berichterstatter: Abgeordneter Kratz
Ich danke dem Berichterstatter für seinen Bericht. Das Wort zur Ergänzung wird nicht gewünscht.Ich rufe Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe nunmehr Punkt 30 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Januar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit— Drucksache 7/5210 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 7/5359 —Berichterstatter: Abgeordneter Zink
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht. Eine Ergänzung des Berichts wird nicht gewünscht. Das Wort in der Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.Ich rufe Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig gebilligt.Ich rufe Punkt 31 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vorn 27. Januar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über die Regelung der mit dem deutsch-italienischen Abkommen vom 26. Februar 1941 zusammenhängenden Fragen— Drucksache 7/5211 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/ 5452 —Berichterstatter: Abgeordneter Krampeb) Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 7 /5358 —Berichterstatter: Abgeordneter Augstein
Ich danke den Herren Berichterstattern, die keine Ergänzung der vorgelegten Berichte erbeten haben. Das Wort wird in der Aussprache nicht begehrt.Ich rufe zur Abstimmung Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenstimmen! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig gebilligt.Ich rufe nunmehr den Punkt 33 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses über die Anträge des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für die Haushaltsjahre 1971 und 1972 sowie für das Haushaltsjahr 1973 — Einzelplan 20 —— Drucksachen 7/1046, 7/2176, 7/5299 —Berichterstatter: Abgeordneter KulawigIch danke dein Berichterstatter für seinen Bericht. Das Wort wird nicht begehrt.
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Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenWer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke! Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig gebilligt.Ich rufe Punkt 34 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu der von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Übersicht über die vorhandenen Einrichtungen nach den Anforderungen an ein modernes Rettungssystem — Übersicht „Rettungswesen" (Soll-Ist-Vergleich)— Drucksachen 7/3815, 7/5318 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr.-Ing. OettingIch danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird in der Aussprache nicht begehrt.Wer dem Antrag des Ausschusses auf der Drucksache 7/5318 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe nunmehr Punkt 35 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Europäische Hochschulpolitik— Drucksachen 7/3331, 7/5288 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Gölter Abgeordneter Dr. SchweitzerIch danke den Herren Berichterstattern. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht. Das Wort wird in der Aussprache nicht begehrt.Wer dem Antrag des Ausschusses auf der Drucksache 7/5288 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig gebilligt.Ich rufe Punkt 36 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Sportausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Gesamtfinanzierung der Olympischen Sommerspiele 1972— Drucksachen 7/3066, 7/5254 — Berichterstatter:Abgeordneter TillmannAbgeordneter SchefflerIch danke den Herren Berichterstattern für die vorgelegten Berichte. Auf eine Ergänzung wird verzichtet. Das Wort wird in der Aussprache nicht begehrt.Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, von der Vorlage Kenntnis zu nehmen, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Damit einstimmig gebilligt.Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Punkt 37 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu dem Bericht der Bundesregierung über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung" im Jahre 1974—Drucksachen 7/4706, 7/5394 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. GruhlAbgeordneter Schäfer
Ich danke den Herren Berichterstattern, die keine Ergänzung des Berichts wünschen. Das Wort wird in der Aussprache nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe die Punkte 38 bis 47 der Tagesordnung auf:38. Beratung des Antrags des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 259/68 des Rates zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften— Drucksachen 7/4883, 7/5297 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Schäfer
39. Beratung des Antrags des Innenausschusses zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eineVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaf tenVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 260/68 zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemeinschaften— Drucksachen 7/2328, 7/5305 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Schäfer
40. Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Zollschuld— Drucksachen 7/5080, 7/5298 —Berichterstatter:Abgeordneter von Alten-Nordheim
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17964 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1976
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen41. Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie Nr. 72/464/EWG, geändert durch die Richtlinie Nr. 74/318/EWG vom 25. Juni 1974 und Nr. 75/786/EWG vom 18. Dezember 1975, über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer- Drucksachen 7/4814, 7/5329 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Böhme
42. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates über die zeitweilige Einführung einer Beihilferegelung für die private Lagerhaltung bestimmter proteinhaltiger Erzeugnisse— Drucksachen 7/4817, 7/5301 — Berichterstatter: Abgeordneter Gallus43. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über eine Nahrungsmittelsoforthilfe zugunsten der Zivilbevölkerung der West-Sahara durch Einschaltung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz— Drucksachen 7/4970, 7/5343 —Berichterstatterin:Abgeordnete Frau Dr. Riede
44. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat betr. Erneuerung des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für die Palästinaflüchtlinge (UnWRA)— Drucksachen 7/4972, 7/5344 —Berichterstatter: Abgeordneter Gallus45. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten geänderten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften betreffend die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen— Drucksachen 7/4504, 7/5319 —Berichterstatter: Abgeordneter Straßmeir46. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts-und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz— Drucksachen 7/5117, 7/5353 — Berichterstatter: Abgeordneter Bredl47. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung zum Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Durchführung einer Erhebung über die Verdienste der ständig in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiter— Drucksachen 7/4859, 7/5354 — Berichterstatter: Abgeordneter HorstmeierIch frage zunächst, ob einer der Herren Berichterstatter das Wort wünscht. — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich frage, ob das Wort in der Aussprache begehrt wird. — Auch das ist nicht der Fall.Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch.Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/5297, 7/5305, 7/5298, 7/5329, 7/5301, 7/5343, 7/5344, 7/5319, 7/5353 und 7/5354. Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle fest, daß die Vorlagen einstimmig gebilligt sind.Ich stelle fest, daß wir damit am Ende der Tagesordnungspunkte sind, die nach den interfraktionellen Vereinbarungen heute noch abgewickelt werden konnten. Ich darf mich bei Ihnen sehr herzlich für Ihre Unterstützung in der letzten Viertelstunde bedanken.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 24. Juni 1976, 9 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.