Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, ich habe die Freude, im Deutschen Bundestag den Präsidenten des Schwedischen Reichstages, Herrn Henry Allard, mit einer Delegation des Schwedischen Reichstages sehr herzlich begrüßen zu können.
Wir wünschen Ihnen alles Gute bei Ihrem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.Jetzt habe ich das Vergnügen, einer Reihe von Kollegen nachträglich herzliche Glückwünsche zum Geburtstag auszusprechen: unserem Kollegen, dem Abgeordneten Müller zum 70. Geburtstag am 5. August,
Herrn Abgeordneten Dr. Becker zum 70. Geburtstag am 7. August,
Herrn Abgeordneten Dr. Hupka zum 60. Geburtstag am 15. August,
Herrn Abgeordneten Dr. Burgbacher zum 75. Geburtstag am 1. September,
Herrn Abgeordneten Strauß zum 60. Geburtstag am 6. September,
Herrn Abgeordneten Dr. Schröder zum 65. Geburtstag am 11. September.
Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Betr.: Bericht über Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr für das Jahr 1973 und Vollzugsplan zum Programm der Bundesregierung vom 23. November 1973 zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr „Mehr Sicherheit auf unseren Straßen" sowie Fortschreibung des Verkehrssicherheitsprogramms —Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 1973 — — Drucksache 7/3685 —zuständig: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und FernmeldewesenBetr.: Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit im Jahre 1974 sowie über Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet
— Drucksache 7/3791 — zuständig: Ausschuß für WirtschaftBetr.: Übersicht über die vorhandenen Einrichtungen nach den Anforderungen an ein modernes Rettungssystem — Übersicht „Rettungswesen" — — Drucksache 7/3815 —zuständig: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen , Ausschuß für Jugend, Familie und GesundheitBetr.: Straßenbaubericht 1974 — Drucksache 7/3822 —zuständig: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und FernmeldewesenBetr.: Bericht über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 21. bis 25. April 1975 in Straßburg— Drucksache 7/3837 —zuständig: Auswärtiger AusschußBetr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zu der akuten Gefahr einer weiteren Verschmutzung des Rheins— Drucksache 7/3848 —zuständig: Innenausschuß , Ausschuß für Jugend, Familie und GesundheitBetr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zum Stand der Arbeiten zur Verabschiedung der sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage— Drucksache 7/3849 — zuständig: FinanzausschußBetr.: UNESCO-Empfehlung betreffend die „überarbeitete Empfehlung zur beruflichen Bildung"— Drucksache 7/3850 —zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft , Ausschuß für Arbeit und SozialordnungBetr.: Empfehlung der UNESCO über die Erziehung zu internationaler Verständigung und Zusammenarbeit und zum Weltfrieden sowie die Erziehung im Hinblick auf die Menschenrechte und Grundfreiheiten— Drucksache 7/3858 — zuständig: Ausschuß für Bildung und WissenschaftBetr.: Schlußakte der KSZE undWortlaut der Erklärung des Europäischen Rates vom17. Juli 1975 zu den Konferenzergebnissen— Drucksache 7/3867 —zuständig: Auswärtiger AusschußBetr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zum jüngsten Terroranschlag in Jerusalem— Drucksache 7/3890 —zuständig: Auswärtiger AusschußBetr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zu den am 24. April 1975 vom Gemischten Parlamentarischen Ausschuß der Assoziation EWG—Türkei in Kopenhagen angenommenen Empfehlungen— Drucksache 7/3944 —zuständig: Auswärtiger Ausschuß
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12878 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Präsident Frau RengerBetr.: Entschließung des Europäischen Parlaments über die Zollunion und die Verwirklichung des Binnenmarktes mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Arbeitsprogramm der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung der Zollverfahren— Drucksache 7/3945 — zuständig: FinanzausschußBetr.: Entschließung des Europäischen Parlaments mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vertragsentwurf des Rates zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften
— Drucksache 7/3946 —zuständig: HaushaltsausschußBetr.: Entschließung des Europäischen Parlaments mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vertragsentwurf des Rates zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften
— Drucksache 7/3947 — zuständig: HaushaltsausschußBetr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zur Europäischen Union— Drucksache 7/3948 —zuständig: Auswärtiger AusschußBetr.: UNESCO-Empfehlung zur Stellung der wissenschaftlichen Forscher— Drucksache 7/3963 — zuständig: Ausschuß für Forschung und TechnologieBetr.: Zustimmung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 15 02 Tit. 681 11 des Haushaltsjahres 1975
Bezug: § 37 Abs. 4 BHO — Drucksache 7/3903 — zuständig: HaushaltsausschußBetr.: Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 2. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1975— Drucksache 7/3925 —zuständig: HaushaltsausschußEs erhebt sich kein Widerspruch; somit beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. Juni 1975 den nachfolgenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Gesetz zur Änderung des Rechts der Revision in Zivilsachen Gesetz zur Entlastung des BundesfinanzhofsGesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet des GüterverkehrsGesetz zur Änderung des Weinwirtschaftsgesetzes FuttermittelgesetzGesetz über die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen
Zweites Gesetz zur Änderung des PflanzenschutzgesetzesGesetz zu der Sitzstaatvereinbarung vom 10. Dezember 1974 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Europäischen Laboratorium für MolekularbiologieGesetz zu dem Vertrag vom 15. Juli 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von KapitalanlagenGesetz zu dem Vertrag vom 17. September 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malta über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von KapitalanlagenGesetz zu dem Vertrag vom 21. Juni 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Jemen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von KapitalanlagenGesetz über die Krankenversicherung der Studenten .Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.Der Bundesrat hat in der gleichen Sitzung beschlossen, hinsichtlich des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird.Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3808 verteilt.Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 11. Juli 1975 den nachfolgenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 und 3 GG nicht gestellt:Gesetz zu dem Abkommen vom 19. November 1974 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Gewährung von Sachleistungen der KrankenversicherungGesetz zur Änderung des Soldatengesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes und der WehrdisziplinarordnungGesetz zur Änderung des BundeskindergeldgesetzesGesetz zur Änderung des ZivildienstgesetzesGesetz über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Strafrechtsreformgesetz
Gesetz zu dem Übereinkommen vom 1. Juni 1973 über die Schiffahrt auf dem Bodensee und zu dem Vertrag vom 1. Juni 1973 über die Schiffahrt auf dem Untersee und dem Rhein zwischen Konstanz und SchaffhausenGesetz zur Änderung des KristallglaskennzeichnungsgesetzesGesetz zur Änderung der Wirtschaftsprüferordnung und anderer GesetzeGesetz über die Auflösung, Abwicklung und Löschung von KolonialgesellschaftenGesetz über vereinfachte Verkündungen und BekanntgabenDrittes Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
Viertes Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern
Gesetz über die Umweltverträglichkeit von Wasch- und Reinigungsmitteln
Siebentes Gesetz zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das BranntweinmonopolGesetz über eine Schlachtungs- und SchlachtgewichtsstatistikGesetz zur Änderung des MarktstrukturgesetzesGesetz zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer VorschriftenGesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk.Der Bundesrat hat in der gleichen Sitzung beschlossen, hinsichtlich der folgenden Gesetze zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird:Gesetz über die Statistik im Produzierenden Gewerbe Gesetz zur Änderung von Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen RichterSozialgesetzbuch — Allgemeiner Teil —Seine Schreiben sind als Drucksachen 7/3881, 7/3882, 7/3883 verteilt.Ferner hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 11. Juli 1975 beschlossen, dem Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau nicht zuzustimmen. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3899 verteilt.Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom 28. Juli 1975 verlangt, daß zu diesem Gesetz der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Ihr Schreiben ist als Drucksache 7/3901 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 23. Juni 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Köhler , Hauser (Krefeld), Lampersbach, von Bockelberg, Dr. Probst, Roser, Thürk, Biechele, Möller (Lübeck), Dr. Hornhues, Ey, Röhner und Genossen betr. Wettbewerbsfragen der künstlerischen Berufe — Drucksache 7/3733 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3816 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung hat mit Schreiben vom 1. Juli 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Löher, Dr. Wörner, Ernesti, Rommerskirchen, Biehle, Dr. Kraske, de Terra, Frau Tübler, Stahlberg, Dr. Wittmann , Kroll-Schlüter, Hupka, Werner, Ey und Genossen betr. Verwendungs- und Ausbildungsplanung für Reservisten der Bundeswehr — Drucksache 7/3757 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3843 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 2. Juli 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Vogel , Dr. Miltner, Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Dollinger, Berger, Pfeffermann, Biehle, Biechele, Dr. Stark (Nürtingen), Gerster (Mainz), Freiherr von Fircks, Benz, Schmöle, Nordlohne, Schröder (Lüneburg) und Genossen betr. Sonderregelungen zugunsten gewerkschaftlicher Funktionsträger in der Bundesverwaltung — Drucksache 7/3690 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3845 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 3. Juli 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Burgbacher, Russe, Dr. Luda, Schmidhuber, Zeyer, Springorum und der Fraktion der CDU/CSU betr. Pläne für den Ausbau eines Fernwärmenetzes und Möglichkeiten der Einsparung von Primärenergie — Drucksache 7/3755 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3846 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 3. Juli 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schröder , Dr. Warnke,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12879
Präsident Frau RengerDr. Kunz , Dr. Müller-Hermann, Dr. Narjes, Dr. von Bismarck, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Jobst, Dr. Sprung, Dr. Jahn (Braunschweig), Sauer (Salzgitter), Dr. Mende, Böhm (Melsungen), Hösl, Niegel, Frau Tübler, Sick, Lagershausen, Seiters und Genossen betr. öffentliche Aufträge für strukturschwache Gebiete — Drucksache 7/3756 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3847 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 16. Juli 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rawe, Windelen, Katzer und der Fraktion der CDU/CSU betr. drohende Stillegung und Arbeitslosigkeit im Steinkohlenrevier Ibbenbüren — Drucksache 7/3806 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3863 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 9. Juli 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dürr, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Kirst und Genossen betr. europäische Harmonisierung des Werberechts — Drucksache 7/3800 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3864 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 17. Juli 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Tillmann, Dr. Jobst, Dreyer, Sick, Vehar und der Fraktion der CDU/CSU betr. BerufskraftfahrerAusbildung und -Prüfung — Drucksache 7/3839 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3868 verteilt.Der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 16. Juli 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Benedix, Frau Dr. Neumeister, Dr. Unland, Seiters und Genossen betr. Arbeitsplätze für Frauen aus der Bekleidungsindustrie — Drucksache 7/3820 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3872 verteilt.Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 24. Juli 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter, Geisenhofer, Braun, Burger, Frau Stommel und Genossen betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache 7/3844 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3886 verteilt.Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 24. Juli 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Forschung und Technologie und dem Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Walz, Pfeifer, Dr. Gölter, Frau Benedix, Dr. Klein , Dr. Fuchs, Dr. Schäuble, Dr.-Ing. Oldenstädt, Hauser (Krefeld), Dr. Hornhues, Hussing, Schmidt (Wuppertal) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Referentenentwurf der Bundesregierung zu einem Bundesgesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (FernUSG) — Drucksache 7/3851 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3895 verteilt.Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 24. Juli 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Dr. Gölter, Dr. Fuchs, Frau Benedix, Schedl und der Fraktion der CDU/CSU betr. Auswirkungen des ,,Nullwachstums" auf den Bildungsgesamtplan und die Bildungsfinanzierung— Drucksache 7/3866 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3896 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr und für Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 25. Juli 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lemmrich, Dr. Jobst, Dr. Althammer, Höcherl, Dr. Müller-Hermann, Dr. Schulte , Biehle, Dr. Kunz (Weiden), Gerlach (Obernau), Milz, Gerster (Mainz) und Genossen betr. Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn — Drucksache 7/3853 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3897 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 29. Juli 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Vogel , Dr. Miltner, Dr. Klein (Göttingen), Dr. Fuchs und der Fraktion der CDU/CSU betr. Vereinigte Deutsche Studentenschaften e. V.— Drucksache 7/3739 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3898 verteilt.Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat mit Schreiben vom 7. August 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mick, Dr. Müller-Hermann, Dr. Schneider, Nordlohne, Dr. Prassler, Dr. Jahn und der Fraktion der CDU/CSU betr. wohnungspolitische Maßnahmen in der Konjunkturförderung — Drucksache 7/3892 — beantwortet. Sein Schreiber' ist als Drucksache 7/3927 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 5. August 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Dr. Schulte , Lemmrich, Vehar, Tillmann und der Fraktion der CDU/CSU betr. öffentlicher Personennahverkehr — Drucksache 7/3861 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3938 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 8. August 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Althammer, Dr. Schulte , Höcherl, Leicht, Dr. Müller-Hermann, Dr. Jobst, Lemmrich und der Fraktion der CDU/CSU betr. finanzielle Entwicklung der Deutschen Bundesbahn — Drucksache 7/3865 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3957 verteilt.Der Chef des Bundeskanzleramtes hat mit Schreiben vom 12. August 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Müller , Spranger, Dr. Miltner, Graf Stauffenberg, Biechele, Gerster (Mainz), Dr. Waigel, Hösl, Kiechle, Frau Tübler, Reddemann und Genossen betr. Informationsaustausch zwischen der Bundesregierung und der Illustrierten „Stern" — Drucksache 7/3893 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3968 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 14. August 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen die Kleine Anfrage der Abgeordneten von Hassel, Sick, Dr. Narjes, Eigen, Dreyer, Kunz , Bremer, Frau Tübler und Genossen betr. Bau eines Kanaltunnels unter dem Nord-Ostsee-Kanal im Raum Brunsbüttel — Drucksache 7/3891 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3969 verteilt.Der Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 20. August 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Carstens , Stücklen, Katzer, Dr. Götz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Kostenentwicklung der sozialen Sicherheit und der Bildung von drei Arbeitsgruppen der Sozialpolitischen Gesprächsrunde zu Fragen der sozialen Sicherung — Drucksache 7/3916 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3985 verteilt.Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat miteiben vom 22. August 1975 im Einvernehmen mit dem des minister für Forschung und Technologie und dem Bundesminister der Finanzen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Gölter, Pfeifer, Frau Benedix, Dr. Fuchs, Dr. Klein , Dr.-Ing. Oldenstädt, Dr. Probst, Dr. Schäuble und der Fraktion der CDU/CSU betr. Schülerwettbewerb „Jugend forscht" — Drucksache 7/3932 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3994 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 26. August 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Geisenhofer, Burger, Braun, Frau Hürland, Ziegler, Maucher, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Anerkennung von Werkstätten für Behinderte — Drucksache 7/3906 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3999 verteilt.Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 27. August 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit und dem Bundesminister des Innern die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Hornhues, Dr. Gölter, Dr. Klein , Pfeifer, Frau Benedix, Kroll-Schlüter, Dr. Köhler (Wolfsburg), Franke (Osnabrück), Dr. Schäuble, Müller (Berlin), und der Fraktion der CDU/CSU betr. Erprobung von Bildungsurlaubsangeboten im Rahmen von Modellversuchen zu familienbegleitenden Bildungsmaßnahmen — Drucksache 7/3873 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/4000 verteilt.Der Staatsminister im Auswärtigen Amt hat mit Schreiben vom 4. September 1975 im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt, dem Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wohlrabe, Straßmeir, Schulte , Frau Berger (Berlin), Kunz (Berlin), Frau Pieser, Müller (Berlin) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Luftverkehr von und nach Berlin (West) — Drucksache 7/3983 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/4015 verteilt.Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 8. September 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Müller-Hermann, Dr. Ritz, Bewerunge, Eigen, Kiechle, Schröder , Susset, Freiherr von Kühlmann-Stumm und der Fraktion der CDU/CSU betr. Fischereipolitik — Drucksache 7/3988 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/4025 verteilt.Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 15. August 1975 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1975 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Stellenplan liegt im Archiv zur Einsicht aus.Der Präsident des Bundesversicherungsamtes hat mit Schreiben vom 14. August 1975 gemäß § 117 AnVG die Abrechnung für die Rentenversicherung der Angestellten für das Kalenderjahr 1975 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Die Abrechnung liegt im Archiv zur Einsicht aus.Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 25. August 1975 gemäß § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1974 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Geschäftsbericht liegt im Archiv zur Einsicht aus.Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 9. Juli 1975 unter Bezug auf den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 8. April 1959 und vom 16. Oktober 1964 seinen Bericht über die Beschäftigung Schwerbehinderter bei den Bundesdienststellen vorgelegt, der als Drucksache 7/3904 verteilt ist.Die vom Bundesminister des Auswärtigen übersandte Endfassung der Schlußakte der KSZE mit der Liste der Unterschriften sowie Korrekturen zu der unter Drucksache 7/3867 vorgelegten Schlußakte liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus.Die Mündlichen Anfragen für den Monat Juli sind zusammen mit den dazu erteilten schriftlichen Antworten als Drucksachen 7/3860, 7/3894, 7/3920, 7/3977 und 7/4006 verteilt. Die Mündlichen Anfragen für den Monat August (bisher Teile I—III) werden zusammen mit den dazu erteilten schriftlichen Antworten als Drucksachen 7/4007, 7/4019 und 7/4026 verteilt.Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 22. Juli 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:
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12880 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Präsident Frau RengerVerordnung des Rateszur Festlegung der Grundregeln für die Lieferung von Magermilchpulver als Nahrungsmittelhilfe im Rahmen des Programms 1975 zugunsten bestimmter Entwicklungsländer und internationaler Organisationenüber die Lieferung von Magermilchpulver an bestimmte Entwicklungsländer und internationale Organisationen als Nahrungsmittelhilfe im Rahmen des Programms 1975Beschluß des Rates über die Erstellung von Modalitäten für die Durchführung der Nahrungsmittelhilfe mit den in vorgenannter Verordnung in Aussicht genommenen Entwicklungsländern und Organisationen— Drucksache 7/3486 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG Nr. 1878/74 zur Festlegung — für das Weinwirtschaftsjahr 1974/75 — des von den Interventionsstellen zu zahlenden Preises für den Alkohol, der ihnen im Rahmen der Verpflichtung zur Destillation der Nebenerzeugnisse der Weinbereitung geliefert wird, und des dabei vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, zu übernehmenden Höchstanteils— Drucksache 7/3568 —Verordnung des Rates zur Festsetzung des Orientierungspreises für Seehecht für das Fischwirtschaftsjahr 1975— Drucksache 7/3633 —Verordnung des Rates zur Einführung eines vorübergehenden Systems von Beihilfen zur privaten Lagerhaltung bestimmter Fischereierzeugnisse— Drucksache 7/3698 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1192/74 über die Beihilfe für künstlich getrocknetes Futter— Drucksache 7/3708 —Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 8. September 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:Verordnung des Rates betreffend die Finanzierung von Werbe- und Aufklärungsfeldzügen für den Fleisch-Verbrauch— Drucksache 7/2612 —Verordnung des Rates zur Änderung der in Artikel 4 a der Verordnung (EWG) Nr. 974/71 vorgesehenen Währungsausgleichsbeträge für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse— Drucksache 7/1800 —Verordnung des Rates über die Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung für das Jahr 1974— Drucksache 7/2478 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 in bezug auf die Voraussetzungen für eine Beihilfegewährung zur privaten Lagerhaltung der Käsesorten Grana-Padano und Parmigiano-Reggiano— Drucksache 7/3281 —Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung (EWG) Nr. 2142/70 bezüglich der Gewährung von Beihilfen zur privaten Lagerhaltung für die in den Anhängen III unter A und IV unter B aufgeführten Fischereierzeugnisse dieser Verordnung— Drucksache 7/3617 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2511/69 über Sondermaßnahmen zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung von Zitrusfrüchten der Gemeinschaft— Drucksache 7/1497 —Überweisung von ZollvorlagenDer Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Aufhebbare verkündete Neunundvierzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -- Druckasche 7/3880 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig dem Plenum am 6. November 1975Aufhebbare verkündete Vierunddreißigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung— Drucksache 7/4014 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig dem Plenum am 11. Dezember 1975Überweisungen von EG-VorlagenDer Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Verordnung des Rates über die Einfuhrregelung für bestimmte Textilerzeugnisse mit Ursprung in Taiwan— Drucksache 7/3788 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Aufrechterhaltung der Genehmigungspflicht für die Einfuhren von synthetischen Socken mit Ursprung in der Republik Korea in die Bundesrepublik Deutschland und die Länder des Benelux— Drucksache 7/3789 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die Erhöhung der Beträge der Gemeinschaftszollkontingente, die durch Verordnung (EWG) Nr. 3110/74 für das Jahr 1975 für bestimmte Gewebe und bestimmten Samt und Plüsch, aus Seide oder Baumwolle, auf Handwebstühlen hergestellt, eröffnet worden sind, sowie zur Änderung der Liste von Spinnstoffwaren, die zu diesen Kontingenten zugelassen sind— Drucksache 7/3790 —überwiesen in den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 213/67/EWG zur Festsetzung des Verzeichnisses der repräsentativen Märkte für den Schweinefleischsektor in der Gemeinschaft— Drucksache 7/3801 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung in bezug auf die Mittel des Europäischen Sozialfonds— Drucksache 7/3809 —überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Aale der Tarifstelle ex 03.01 A II des Gemeinsamen Zolltarifs für 1976— Drucksache 7/3810 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Festsetzung des Betrages der Beihilfe für die Erzeugung von Hartweizen für das Wirtschaftsjahr 1975/1976— Drucksache 7/3811 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Veredelungsarbeiten an bestimmten Spinnstoffen im passiven Veredelungsverkehr der Gemeinschaft— Drucksache 7/3812 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie Nr. 73/95/ EWG der Kommission vom 26. März 1973 zur Durchführung der Artikel 13 und 14 der Richtlinie des Rates vom 4. März 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den aktiven Veredelungsverkehr— Drucksache 7/3813 —überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 229/73 hinsichtlich der Beitrittsausgleichsbeträge und deren Koeffizienten für Getreide— Drucksache 7/3814 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rateszur Festsetzung der Hauptinterventionsorte für Ölsaaten und der dort geltenden abgeleiteten Interventionspreise für das Wirtschaftsjahr 1975/1976zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zum Richtpreis und zum Interventionspreis für Ölsaaten für das Wirtschaftsjahr 1975/1976betreffend die Ausgleichsbeträge für Raps- und Rübsensamen— Drucksache 7/3817 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Ratesüber die zeitweilige, teilweise Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs für Flugsimulatoren des Typs DC 10 „Link-Miles" der Tarifstelle ex 88.05 B zur zeitweiligen, vollständigen Aussetzung des in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung anwendbaren Zollsatzes für die Einfuhr von Flugsimulatoren des
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Präsident Frau RengerTyps DC 10 „Link-Miles" der Tarifstelle ex 88.05 B des Gemeinsamen Zolltarifs aus den neuen Mitgliedstaaten— Drucksache 7/3818 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatEntscheidungen des Rateszur Ermächtigung der Kommission, Verhandlungen mit dem Europarat über den Beitritt der Gemeinschaft zum Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport zu eröffnenüber den Abschluß des Abkommens betr. den Beitritt der Gemeinschaft zu dem Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport und zur Änderung dieses Abkommens im Hinblick auf seine Anwendung auf den innergemeinschaftlichen Handel— Drucksache 7/3819 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur 11. Änderung der Richtlinie Nr. 64/54/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen— Drucksache 7/3828 —überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Aufrechterhaltung der Regelung der Aussetzung der Erteilung von Einfuhrgenehmigungen für Einfuhren in die Bundesrepublik Deutschland von Baumwollgeweben, roh und gebleicht, mit Ursprung in der Bundesrepublik Brasilien— Drucksache 7/3829 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Aufrechterhaltung der Genehmigungspflicht für die Einfuhren von synthetischen Socken mit Ursprung in Taiwan in die Bundesrepublik Deutschland und die Länder des Benelux--- Drucksache 7/3830 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Eröffnung eines Zollkontingentsfür Frühkartoffeln der Tarifstelle 07.01 A II des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern für das Jahr 1976— Drucksache 7/3831 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die im AKP-EWG-Abkommen von Lomé vom 28. Februar 1975 vorgesehenen Schutzmaßnahmen– Drucksache 7/3832 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur zweiten Änderung der Richtlinie des Rates Nr. 65/66/EWG zur Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen— Drucksache 7/3833 —überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden— Drucksache 7/3834 —überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagebediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Italien dienstlich verwendet werden— Drucksache 7/3835 —überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage desBerichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung (EWG) Nr. 1267/69 zur Festlegung der Sonderbestimmungen, die bei der Einfuhr von unter die Verordnung (EWG) Nr. 1059/69 fallenden Waren aus Griechenland in die Gemeinschaft anwendbar sind— Drucksache 7/3854 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Haselnüsse,frisch oder getrocknet, auch ohne äußere Schalen oder enthäutet, der Tarifstelle ex 08.05 G des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in der Türkei— Drucksache 7/3855 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über einen Briefwechsel betreffend Artikel 9 des Protokolls Nr. 1 zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel hinsichtlich der Einfuhr von Fruchtsalaten mit Herkunft aus Israel in die Gemeinschaft— Drucksache 7/3856 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnungen des Ratesüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Sherry-Weine der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien
über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingentes für Malaga-Weine der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien
über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Jumilla-, Priorator-, Rioja- und Valdepenas-Weine der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien
— Drucksache 7/3857 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmtes Sperrholz aus Nadelholz der Tarifnummer ex 44.15 des Gemeinsamen Zolltarifs (1976)— Drucksache 7/3875 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Zeitungsdruckpapier der Tarifstelle 48.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs (Jahr 1976)— Drucksache 7/3876 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Aprikosenpülpe, der Tarifstelle 20.06 B II c) aal des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Israel
— Drucksache 7/3877 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnungen und Mitteilungen des Rates zum Schema der Alleemeinen Zollpräferenzen der Europäischen Gemeinschaft für 1976— Drucksache 7/3878 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnungen des Ratesüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines autonomen Gemeinschaftszollkontingents für Ferrosilizium der Tarifstelle 73.02 C des Gemeinsamen Zolltarifs für das Jahr 1975über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines autonomen Gemeinschaftszollkontingents für Ferrosiliziummangan der Tarifstelle 73.02 D des Gemeinsamen Zolltarifs für das Jahr 1975über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines autonomen Gemeinschaftszollkontingents für Ferrochrom mit einem Gehalt an Kohlenstoff von 0,10 Gewichtshundertteilen oder weniger und an Chrom von mehr als 30 bis 90 Gewichtshundertteilen der Tarifstelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs für das Jahr 1975über die Erhöhung des mit Verordnung Nr. 195/75 vom 22. Januar 1975 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für Ferrochrom mit einem Gehalt an Kohlenstoff von 4 Gewichtshundertteilen oder mehr der Tarifstelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs für das Jahr 1975— Drucksache 7/3887 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatMitteilung der Kommission an den Rat betreffend eine zweite Tranche der Nahrungsmittelsoforthilfe zugunsten der Bevölkerungen in SüdvietnamVorschlag einer Verordnung des Rates über die Lieferung von Butteroil an das Amt des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge als Nahrungsmittelhilfe im Rahmen des Programms 1975 für die notleidende Bevölkerung Südvietnams
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12882 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Präsident Frau RengerVorschlag einer Verordnung des Rates zur Abweichung von der Verordnung (EWG) Nr. 1693/72 in bezug auf die Verfahren für die Heranführung der Nahrungsmittelhilfe zugunsten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz— Drucksache 7/3888 —überwiesen an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatBeschluß des Rates über eine finanzielle Beihilfe der Gemeinschaft zugunsten des Instituts für Maul- und Klauenseuche in Ankara— Drucksache 7/3889 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten , Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Ratesüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für getrocknete Feigen der Tarifstelle ex 08.03 B des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien
über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für getrocknete Weintrauben der Tarifstelle 08.04 B 1 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien
— Drucksache 7/3908 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnungen des Rateszur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Portweine der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Madeira-Weine der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Moscatel-de-Setubal-Weine der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal
— Drucksache 7/3909 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für getrocknete Weintrauben in unmittelbaren Umschließungen mit einem Gewicht des Inhalts von 15 Kilogramm oder weniger, der Tarifstelle 08.04 B I des Gemeinsamen Zolltarifs— Druckache 7/3910 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 72/464/EWG über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer— Drucksache 7/3911 —überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage desBerichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte Textilerzeugnisse der Tarifnummern 55.05 und 55.09 sowie der Tarifstelle ex 58.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Herkunft aus der Türkei (für das Jahr 1976)— Drucksache 7/3921 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur Festsetzung des Höchstgehaltes an Erukasäure in Speisefetten, -ölen und -margarine, die in Lebensmitteln verwendet werdenVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 657/75 hinsichtlich der Standardqualität von Raps- und Rübsensamen— Drucksache 7/3922 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über Maßnahmen zur Anpassung des Weinbaupotentials an die MarktbedürfnisseVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnungen Nr. 816/70 und 817/70 unter Berücksichtigung der Entschließung des Rates vom 21. April 1975 über die Neuorientierungen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts auf dem Tafelweinmarkt— Drucksache 7/3923 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1192/74 über die Beihilfe für künstlich getrocknetes Futter— Drucksache 7/3924 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über eine Ausnahme von der Begriffsbestimmung für „Ursprungserzeugnisse" mit Rücksicht auf die besondere Lage von Mauritius bei einigen Erzeugnissen der Textilindustrie— Drucksache 7/3928 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Farben, Anstrichmitteln, Klebstoffen und dergleichen— Drucksache 7/3929 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Festsetzung des Schwellenpreises für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1975/76— Drucksache 7/3930 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur Erfassung des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs im Rahmen einer Regionalstatistik— Drucksache 7/3931 —überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen , Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Aufrechterhaltung der Genehmigungspflicht für die Einfuhren von Handschuhen aus Gewirken mit Ursprung in der Republik Korea nach Frankreich— Drucksache 7/3933 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die Einführung einer Regelung für die Beihilfe an die Seidenraupenerzeugerorganisationen— Drucksache 7/3934 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur Anpassung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über TAXAMETER— Drucksache 7/3935 —überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rateszur Änderung der Verordnung Nr. 2511/69 über Sondermaßnahmen zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung von Zitrusfrüchten der Gemeinschaftzur Änderung der Verordnung Nr. 2601/69 über Sondermaßnahmen zur Förderung der Verarbeitung bestimmter Apfelsinensortenzur Änderung der Verordnung Nr. 1035/72 des Rates vom 18. Mai 1972 über eine gemeinsame Marktordnung für Obst und Gemüsezur Festsetzung des Mindestpreises und des besonderen Mindestpreises für Tomatenkonzentrate— Drucksache 7/3936 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Ratesüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Ferrosilizium der Tarifstelle 73.02 C des Gemeinsamen Zolltarifsüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Ferrosiliziummangan der Tarifstelle 73.02 D des Gemeinsamen Zolltarifsüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Ferrochrom, mit einem Gehalt an Kohlenstoff von 0,10 Gewichtshundertteil oder weniger und an Chrom von mehr als 30 bis 90 Gewichtshundertteilen hochraffiniertes Ferrochrom) der Tarifstelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs— Drucksache 7/3940 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rateszur Änderung der Verordnung Nr. 267/75 und der Verordnung (EWG) Nr. 1036/75 über die Destillation von Tafelwein— Drucksache 7/3941 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12883
Präsident Frau RengerVerordnung des Rateszur Festsetzung des Zeitpunktes für das Inkrafttreten der Zollsenkungen, die für einige landwirtschaftliche Erzeugnisse in den Artikeln 8 und 9 des Protokolls Nr. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel vorgesehen sind— Drucksache 7/3942 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Eröffnung und Verwaltung eines präferentiellen Gemeinschaftsplafonds für bestimmte in der Türkei raffinierte Erdölerzeugnisse und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren dieser Erzeugnisse— Drucksache 7/3943 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rateszur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Rohblei, anderes als Werkblei, der Tarifstelle 78.01 A II des Gemeinsamen Zolltarifszur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Rohzink der Tarifstelle 79.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs— Drucksache 7/3949 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rateszur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte in der Arabischen Republik Ägypten raffinierte Erdölerzeugnisse des Kapitels 27 des Gemeinsamen Zolltarifszur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für andere Gewebe aus Baumwolle, der Tarifnummer 55.09 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in der Arabischen Republik Ägypten— Drucksache 7/3950 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Festlegung der Gruppe der Empfänger, der Bedingungen für die Gewährung und die Sätze der Vergütungen, die den im Schichtdienst in Sinne von Artikel 56 a des Statuts arbeitenden Beamten gewährt werden können— Drucksache 7/3951 —überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage desBerichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2133/74 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Traubenmoste— Drucksache 7/3952 —überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für gefrorenes Rindfleisch der Tarifstelle 02.01 A II a) 2 des Gemeinsamen Zolltarifs (Jahr 1976)— Drucksache 7/3953 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rateszur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Grége, weder gedreht noch gezwirnt, der Tarifnummer 50.02 des Gemeinsamen Zolltarifs, für 1976zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Garne, ganz aus Seide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex 50.04 des Gemeinsamen Zolltarifs für 1976zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Garne, aus Schappeseide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex 50.05 des Gemeinsamen Zolltarifs für 1976— Drucksache 7/3954 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur vollständigen oder teilweisen Aussetzung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in der Türkei— Drucksache 7/3955 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rateszur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Spinnfasern der Tarifnummer 56.04 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in Zypern
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Oberkleidung für Männer und Knaben, der Tarifnummer 61.01 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in Zypern
— Drucksache 7/3956 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Ratesüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für das Jahr 1976 für Baumwollgarne der Tarifnummer 55.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Maltaüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für das Jahr 1976 für synthetische und künstliche Spinnfasern der Tarifnummer 56.04 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Maltaüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für das Jahr 1976 für Oberkleidung der Tarifnummer 60.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Maltaüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für das Jahr 1976 für Oberkleidung für Männer und Knaben der Tarifnummer 61.01 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Malta— Drucksache 7/3958 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rateszur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über gemeinsame Vorschriften für Hebezeuge und Fördergerätezur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über elektrisch betriebene Aufzüge— Drucksache 7/3959 —überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Vereinigten Mexikanischen Staaten— Drucksache 7/3960 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatEntscheidung des Rates über die Änderung des Zeitplans für die Ausarbeitung des Jahresberichts über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft— Drucksache 7/3961 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates über Abfälle aus der Titandioxid-Produktion— Drucksache 7/3964 —überwiesen an den Innenausschuß , Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2511/69 des Rates vom 9. Dezember 1969 über Sondermaßnahmen zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung von Zitrusfrüchten der Gemeinschaft— Drucksache 7/3965 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Festsetzung der in Artikel 3 des Protokolls Nr. 8 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der portugiesischen Republik vorgesehenen Zollsenkung— Drucksache 7/3966 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur vierten Änderung der Richtlinie 73/241/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für zur Ernährung bestimmte Kakao- und Schokoladeerzeugnisse— Drucksache 7/3967 —überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens über den Handel mit Spinnstoffen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Indien sowie zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zu diesem Abkommen— Drucksache 7/3970 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Metadaten/Kopzeile:
12884 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Präsident Frau RengerVerordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Kolophonium, einschließlich „Brais résineux", der Tarifstelle 38.08 A des Gemeinsamen Zolltarifs für 1976— Drucksache 7/3971 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatBeschluß des Rates für ein mehrjähriges Forschungs- und Entwicklungsprogramm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes 1976-1980— Drucksache 7/3972 —überwiesen an den Ausschuß für Forschung und Technologie
, Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatBeschluß des Rates zum Abschluß der Vereinbarung über die Durchführung einer europäischen Aktion auf dem Gebiet des Umweltschutzes zum Thema „Forschungsarbeiten über das physikalisch-chemische Verhalten von Schwefeldioxyd in der Atmosphäre" (Aktion 61 a)Beschluß des Rates zum Abschluß der Vereinbarung über die Durchführung einer europäischen Aktion auf dem Gebiet des Umweltschutzes zum Thema „Analyse der organischen Mikroverunreinigungen im Wasser" (Aktion 64 b)— Drucksache 7/3973 —iiberwiesen an den Ausschuß für Forschung und Technologie
, Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatMitteilung des Rates über eine Sofortnahrungsmittelhilfe an Guinea Bissau und die Kapverdischen InselnVerordnung des Rates über die Lieferung von Magermilchpulver als Nahrungsmittelhilfe an Guinea Bissau und die Kapverdischen Inseln im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 3236/74 des Rates— Drucksache 7/3974 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch— Drucksache 7/3975 —überwiesen an den Innenausschuß , Ausschuß fürJugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage desBerichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Schaffung eines Finanzmechanismus— Drucksache 7/3978 —überwiesen an den Haushaltsausschuß , Finanzausschuß, Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über ein gemeinschaftliches Verfahren zur Unterrichtung und Konsultation über die Preise für Rohöl und Mineralölerzeugnisse in der Gemeinschaft— Drucksache 7/3979 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Fortsetzung von Plafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Israel— Drucksache 7/3980 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur Harmonisierung der Körperschaftssteuersysteme und der Regelungen der Quellensteuer auf Dividenden— Drucksache 7/3981 —überwiesen an den Finanzausschuß , Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Abänderung der Ratsverordnung Nr. 1056/72 über die Mitteilung der Investitionsvorhaben von gemeinschaftlichem Interesse auf dem Erdöl-, Erdgas- und Elektrizitätssektor an die Kommission— Drucksache 7/3987 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Festsetzung der Beihilfe an Hopfenerzeuger für die Ernte 1974— Drucksache 7/3989 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur vierten Verlängerung der Verordnung (EWG) Nr. 2313/71 und 2823/71 über die zeitweilige teilweise Aussetzung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für Wein mit Ursprung in und Herkunft aus Algerien, Marokko, Tunesien und der Türkei— Drucksache 7/3990 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über einen Briefwechsel betreffend Artikel 9 des Protokolls Nr. 1 zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel über die Einfuhr von Tomatenmark mit Herkunft aus Israel in die Gemeinschaft— Drucksache 7/3991 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens über den Handel mit Spinnstoffen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Islamischen Republik Pakistan sowie zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen in diesem Abkommen— Drucksache 7/3993 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur vollständigen Aussetzung der Zollsätze für bestimmte industrielle Waren mit Ursprung in Malta— Drucksache 7/3995 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatBeschluß des Rates fiber die Aufnahme im Namen der Gemeinschaft von mehreren Anhängen zu dem Internationalen Übereinkommen zur Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren— Drucksache 7/3996 —überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage desBerichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Zahlungsaufschub für Ein- und Ausfuhrabgaben-- Drucksache 7/3997 —überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 25. April 1973 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften— Drucksache 7'4003 —überwiesen an den Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Festlegung besonderer Vorschriften für die Einfuhr von Erzeugnissen des Weinsektors aus bestimmten Drittländern— Drucksache 7/4010 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 17/64/EWG über die Bedingungen für die Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaftüberwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung ins RatVerordnung des Rates zur Festlegung für das Weinwirtschaftsjahr 1975/76 des von den Tnterventionsstellen zu zahlenden Preises für Alkohol, der ihnen im Rahmen der Verpflichtung zur Destillation der Nebenerzeugnisse der Weinbereitung geliefert wird, und des dabei vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, zu übernehmenden Höchstanteilsüberwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werdenVerordnung des Rates über allgemeine Regeln für die Sonderdestillation von Tafelwein nach Artikel 33 a der Verordnung (EWG) Nr. 816/70überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werdenVerordnung des Ratesüber die Gewährung von Beihilfen zur privaten Lagerhal-lung von Magermilchpulverzur Festlegung einer besonderen Maßnahme für den Absatz von Magermilchpulver aus öffentlicher Lagerhaltung zur Ausfuhr in Form von Mischfutterer Änderung der Verordnung Nr. 155!75 über den Verkauf von Magermilchpulver aus öffentlicher Lagerhaltung für die Lieferung nach Entwicklungsländernüber die Festlegung der Grundregeln betreffend die ausschließliche Verwendung von Milchfett und Milcheiweiß fiber den Ausschluß bestimmter Milcherzeugnisse vom aktiven Veredelungsverkehr
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12885
Präsident Frau Rengerüberwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung Nr. 2107/75 des Rates vom 6. August 1975 zur Verlängerung der Regelung für den Warenverkehr mit TunesienVerordnung Nr. 2108/75 des Rates vom 6. August 1975 zur Verlängerung der Regelung für den Warenverkehr mit Marokkoüberwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden.Verordnung Nr. 1302/75 des Rates vom 20. Mai 1975 zur zeitweiligen, vollständigen Aussetzung der in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung geltenden Zollsätze für die Einfuhr von einigen Waren aus den neuen Mitgliedstaatenüberwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werdenIch rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat seit der Weltwährungskrise 1973 zu wiederholten Malen die Lage unserer Volkswirtschaft debattiert, wie sie sich in der Verschärfung der weltweiten Inflations-, Währungs- und Rezessionsprobleme jeweils entwickelt hatte. Die Bundesregierung hat dem Parlament und der Öffentlichkeit dabei dargelegt, wie ernst sie die volkswirtschaftlichen Folgen des Zusammentreffens von Weltinflation, Zusammenbruch des Weltwährungssystems von Bretton Woods und Ölpreisschock mit den in der Folge davon verschärften Zahlungsbilanzproblemen der allermeisten Welthandelsländer beurteilte. Aus der ständig sich beschleunigenden Weltinflation, aus dem Auseinanderbrechen des Weltwährungssystems zu Beginn der 70er Jahre und aus der Öl- und Rohstoffkrise, die im Herbst 1973 begann, hat sich 1974 eine Weltrezession entwickelt, die alles in den Schatten stellt, was wir seit der Depression der 30er Jahre erlebt haben.Von Anfang an war klar, daß die Bundesrepublik in einer solchen, überall auf dem Erdball gleichgerichteten Abwärtsfahrt der Weltwirtschaft die Kehrseite ihrer besonders intensiven Auslandsabhängigkeit zu spüren bekommen würde. Allerdings haben wir — gemeinsam mit anderen — bis weit in das Jahr 1975 geglaubt, die Weltwirtschaft und jedenfalls unsere eigene Volkswirtschaft hätten den Tiefpunkt durchschritten. Dies muß klar als Irrtum bezeichnet werden. Tatsächlich hat sich ,die Weltrezession noch vertieft. Man braucht nur die Entwicklung etwa der Arbeitslosigkeitsraten während der letzten Monate in unseren Partnerstaaten der Europäischen Gemeinschaft zu betrachten; sie liegen übrigens fast überall höher als bei uns.Die damalige Grundentscheidung, die Bundesrepublik Deutschland außenpolitisch und außenwirtschaftlich zur Welt hin zu öffnen, ist eine der wichtigsten Prinzipienentscheidungen der Nachkriegszeit gewesen. Ich denke, viele — und jedenfalls ich — bezeugen dieser Entscheidung ausdrücklich Respekt und denken dabei an Adenauer und seinen Wirtschaftsminister Erhard.So richtig es aber ist, daß wir dieser Grundentscheidung von damals einen wesentlichen Teil unseres inzwischen erreichten Wohlstandes verdanken, so wahr ist es auch, daß uns die zur Weltwirtschaft weit geöffneten Fenster, Türen und Schleusen dann der kalten Zugluft oder dem Ansturm ausländischer Inflation aussetzen, wenn die Weltwirtschaft ihrerseits von Krisen heimgesucht wird, wie wir das nunmehr seit fast zwei Jahren spüren.Ich hatte mit vollem Bedacht diesen Gefahren aus der Weltwirtschaft bereits in der Regierungserklärung am 17. Mai des vorigen Jahres hier und in jeder öffentlichen Rede seither ein volles Kapitel gewidmet. Ich habe in den beiden Leitworten jener Regierungserklärung, nämlich Kontinuität und Konzentration, zum Ausdruck gebracht, daß sich an der fortgeltenden Richtigkeit und Notwendigkeit sozialliberaler Politik in unserem Lande nichts ändert, daß wir uns aber in einer Zeit weltweit wachsender wirtschaftlicher und finanzieller Sorgen auf das Wesentliche konzentrieren mußten, auf das, was finanziell geleistet werden konnte und geleistet werden kann, und daß wir anderes beiseite lassen. An dieser Grundeinschätzung, an dieser Grundbeurteilung hat sich nichts geändert.Nun stelle ich die Weltwirtschaft nicht als Entschuldigung an die Spitze, sondern vielmehr deshalb, weil die Weltkrise der Zahlungsbilanzen von neun Zehnteln aller Staaten der Welt, des Währungssystems, der Ölpreise, der Terms of trade im Welthandel, die Rezession des Welthandels und der Weltbeschäftigung die entscheidenden Daten sind, mit denen sich alle Regierungen der Welt — und natürlich auch wir selbst — nun schon seit fast zwei Jahren ohne Pause auseinanderzusetzen haben.Das Institut der Deutschen Wirtschaft, das wahrlich dieser Bundesregierung nicht nahesteht, hat diese Lage mit Recht — wörtlich — als „importierte Rezession" bezeichnet. Das Institut hat vor acht Wochen, Mitte Juli, festgestellt — ich zitiere —:Der Außenhandel, der in früheren Schwächeperioden der Binnennachfrage jeweils antizyklisch wirkte, bildet diesmal den Mittelpunkt der Nachfragerezession. Der Veränderung des Außenbeitrags kommt im zweiten Jahr nacheinander eine konjunkturprägende Rolle zu.Ich füge dem hinzu: Anders als 1966/67, als der damalige rein national verursachte Konjunkturrückgang
— ich bin begierig, hinterher etwas anderes zu erfahren —, als der damals rein national verursachte Konjunkturrückgang
nicht allein durch binnenwirtschaftliche Maßnahmen, sondern mehr noch durch einen massiven internationalen Exportsog nach deutschen Gütern überwunden wurde, herrscht heute in der Welt eine Schrumpfung der Nachfrage.
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12886 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Bundeskanzler SchmidtDie Schlußfolgerung daraus lautet: „Seit der Ölkrise, seit anderen Krisenerfahrungen der letzten Jahre wissen wir besser als zuvor, daß es eine enge und unauflösliche" — ich wiederhole: unauflösliche — „Wechselwirkung zwischen Außen- und Innenpolitik gibt. Viele Probleme — denken Sie an die jetzige Inflationsentwicklung, Inflationskrise, Wirtschaftskrise in unserem Land und überall, vor allem auch in der westlichen Welt — lassen sich auf nationaler Basis gar nicht mehr lösen."Ich möchte annehmen, daß das ganze Haus dieser Schlußfolgerung zustimmt. Wer meint, er könne ihr nicht zustimmen, sollte bedenken, daß es sich hier um Äußerungen des Vorsitzenden der CDU, Dr. Helmut Kohl , handelt.
Übrigens hat Herr Kohl diese Äußerungen nicht in Richtung auf die Teilnehmer der deutschen Debatte getan — leider nicht —, sondern vielmehr an Zuhörer im Ausland gerichtet.Für die Bundesregierung ziehe ich die folgenden Schlüsse:Erstens. Die importierte Rezession ist mit Hausmitteln allein nicht zu überwinden, sondern nur teilweise abzufangen. Überwunden werden kann sie nur durch gemeinsames, abgestimmtes Handeln im weltwirtschaftlichen Rahmen. Die Bundesregierung hat seit 1974 — zuletzt in diesem Sommer in Brüssel im Europäischen Rat und in Bonn bei Besuchen einer Reihe von führenden Staatsmännern der Welt und in Helsinki — getan, was möglich war, um unsere Partner in gemeinsames Handeln einzubinden. Wir haben dabei Erfolg gehabt, wenn auch das Ergebnis noch auf sich warten läßt. Wichtige Partner in und außerhalb der Europäischen Gemeinschaft — in iden letzten Tagen vor allem Frankreich — haben je nach ihrer nationalen Lage mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aber orientiert am gemeinsamen Ziel, ihre Programme in Gang gesetzt oder vorbereitet.Zweitens. Wenn im Jahre 1975 auch unser Sozialprodukt nun zum erstenmal seit langer, langer Zeit sinkt, so liegt das ausschließlich an der importierten Rezession.
40 Milliarden DM Export — so die Schätzung des Sachverständigenrates; dies entspricht etwa 4 % des Sozialprodukts — werden in diesem Jahr wahrscheinlich fehlen.Drittens. Diese fehlenden Exportchancen bedeuten weniger Einkommen, weniger Erträge, weniger Steuern. Sie bedeuten gleichzeitig höhere Ausgaben des Staates, vor allem beim Bund, für Konjunkturprogramme und für die selbstverständliche soziale Sicherung der Kurzarbeiter und der Arbeitslosen. Zusammengefaßt: Die öffentlichen Finanzen werden also, ausgehend von der Weltrezession, von beiden Seiten strapaziert: durch das Sinken der Steuereinnahmen und durch die zusätzlich notwendig werdenden Ausgaben.
Dies ist das Problem, dem sich die Bundesregierung zu stellen hatte, dem sich übrigens auch die Opposition zu stellen haben wird,
und zwar mit dem Blick auf den Zeitraum bis hin zur Schwelle der achztiger Jahre. Wer für diese Problemstellung nichts anderes übrig hätte als die zwar verletzende, aber eben nichts erklärende oder gar beweisende Formel von Mißwirtschaft, Staatsbankrott und Offenbarungseid, der muß sich fragen lassen, ob sein Erkenntnisstand zur Bewältigung dieser Aufgaben ausreicht.
Wir bitten dieses Haus, den tatsächlichen Hintergrund der weltwirtschaftlichen Entwicklung zu erkennen. Anders gerieten wir in Gefahr, in dieser Debatte uns und anderen die Wahrheit schuldig zu bleiben.Viertens. Binnenwirtschaftlich haben Bundesbank und Bundesregierung im Verlauf dieser Entwicklung stets konsequent gegengesteuert. Diejenigen, die der Bundesregierung Fehleinschätzung der Lage vorwerfen, möchte ich daran erinnern, daß wir schon seit Jahren vor den Gefahren einer zu großen Exportlastigkeit unserer Volkswirtschaft nicht nur gewarnt haben. Bereits 1969 hat die sozialliberale Regierungskoalition Wechselkurskorrekturen vorgenommen, leider einige Jahre zu spät, wie ich einräume; aber das hat nicht sie zu verantworten.
Ich selbst habe seit langem wiederholt vor der weltweit wachsenden Inflationsmentalität und überzogenen Ansprüchen in allen westlichen Industrieländern gewarnt. Wir haben diese Warnung nicht nur ausgesprochen, sondern auch ihr entsprechend gehandelt.
Wir haben hier in unserem Lande, verehrte Zurufer, einen härteren und erfolgreicheren Kampf gegen die Inflation geführt, als er in irgendeinem anderen Land der Welt geführt wurde.
Diese Bemühungen haben gegenwärtig zu einer Dämpfung der Preissteigerungen auf 5,9 % geführt. Solche einstelligen Preissteigerungsraten finden Sie gegenwärtig nur noch in der Schweiz, allerdings mit 7,5 %, sowie in Osterreich, allerdings mit fast 9 %. In Amerika sind es fast 10% und in Dänemark knapp 10 %. Alle übrigen Länder der westli-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12887
Bundeskanzler Schmidtchen Welt liegen um das Zweifache bis um das Vierfache über dem deutschen Preisanstieg.
— Ich komme darauf. Die Wachstumszahlen sind beispielsweise in den Vereinigten Staaten stärker zurückgegangen als bei uns, Herr Barzel.Wir sind dem Schock der Ölpreissteigerungen im Herbst des Jahres 1973 unmittelbar entgegengetreten. Die scharfen restriktiven Maßnahmen unseres Stabilitätsprogramms wurden unmittelbar darauf, nämlich schon im Dezember 1973, aufgehoben, die Investitionssteuer wurde ausgesetzt, die degressive und die 7 b-Abschreibung wurden wieder zugelassen. Der Bundestag hat dann bis Dezember 1974 drei zur Stärkung der privaten und der öffentlichen Investitionen vorgelegte Programme gebilligt. Dazu kamen seit Januar 1975 die Steigerungen der verfügbaren Einkommen der Privathaushalte durch die Steuer- und Kindergeldreform. Außerdem hat die Bundesbank eine Kreditpolitik betrieben, die alle Zinssätze schnell und spürbar nach unten brachte. Die Bundesrepublik ist heute das Land mit dem niedrigsten Diskontsatz.Diese Politik hat sich alles in allem sowohl ihrer Anlage nach als auch in ihrer praktischen Durchführung als richtig angelegt und als wirkungsvoll erwiesen. Die Inlandsnachfrage bei der Industrie — das ist das, was wir beeinflussen können — lag in den ersten sieben Monaten dieses Jahres real, d. h. nach Abzug von Preissteigerungen, und saisonbereinigt um 4 % höher als in den sieben Monaten unmittelbar davor, also als in den letzten sieben Monaten des Jahres 1974.In der Investitionsgüterindustrie — das ist der Hauptwirkungsbereich der Investitionszulage — stieg in dem gleichen Vergleichszeitraum der reale Auftragseingang aus dem Inland um 17 %. Ich stelle dazu fest, daß die immer wieder zu hörende Stimmungsmache gegen die Wirksamkeit jener Investitionszulage unberechtigt war.
Sie hat trotz der zunehmenden Dämpfung der Auslandsnachfrage ausgereicht, auf der Basis vorgezogener Inlandsaufträge Produktion und Beschäftigung in wichtigen Teilen der Industrie — ich spreche z. B. von der Kraftfahrzeugindustrie — nicht nur im ersten, sondern auch im zweiten Halbjahr 1975 spürbar zu stützen. Das hatten wir allerdings auch erwartet.Es bestand — ob seitens des Sachverständigenrats und der deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Institute oder ob seitens der OECD und der 24 in ihr vereinigten Regierungen aller Industriestaaten und auch seitens der Bundesregierung — die begründete Hoffnung auf einen allgemeinen Konjunkturaufschwung im Sommer 1975. Wie wir heute erkennen können, ist dieser Aufschwung von einem gleichzeitigen starken Rückgang der Konjunktur in allen Industrieländern — und nicht nur in diesen —, in deren Folge der deutsche Export härtesteSchläge hat hinnehmen müssen, „durchkreuzt" — ich benutze den Ausdruck des Sachverständigenrates — und verzögert worden. Dies gilt übrigens sogar für einige Öl-Überschußländer, die im Augenblick nicht entfernt diejenigen Erlöse erzielen können, mit denen sie geglaubt hatten, rechnen zu dürfen, und die ihre Programme ändern müssen.Die Bundesregierung weiß, daß es binnenwirtschaftlich kein Mittel gibt, einen unvorhergesehenen Exportausfall in dieser Größenordnung von 40 Milliarden DM voll durch zusätzliche Binnennachfrage zu kompensieren, schon überhaupt nicht kurzfristig. Selbst die zusammengefaßte Nachfragemacht aller öffentlichen Hände — Bund, Länder und Gemeinden zusammen — kann dies nicht, ganz abgesehen davon, daß eine inflationsneutrale Finanzierung eines solchen Volumens zusätzlicher Binnennachfrage nicht zustande zu bringen wäre. Weder der Bund noch die Länder noch die Gemeinden haben unbeschränkte Finanzierungsmöglichkeiten. Daß sie es nicht haben, entspricht der wohlbedachten Ordnung unserer Geldverfassung; und das ist auch gut so.Öffentliche Nachfragekompensation in dieser Höhe würde überdies, wie auch der Sachverständigenrat mit Recht sagt, die Produktionsstruktur unserer Volkswirtschaft in einer Weise verändern, die mit unserer Stellung in der Weltwirtschaft nicht zu vereinbaren wäre. Denn es würden neue und andere Kapazitäten dadurch entstehen, die wir dann im Aufschwung nicht mehr brauchen. Die jetzt brachliegenden Kapazitäten würden dennoch nicht besser genutzt. Wir hätten mit einer gigantischen Verschwendung zu rechnen.Es war jedoch erforderlich und auch finanzierbar, einen im wesentlichen nicht exportorientierten Schlüsselbereich unserer Wirtschaft, den Bausektor, durch ein neues öffentliches Investitionsprogramm abzustützen. Mit diesem Bauinvestitionsprogramm in der mittleren Dimension von knapp 6 Milliarden DM wird unmittelbar ein Auftragsvolumen von 10 bis 12 Milliarden DM ausgelöst. Außerdem ist mit einem Multiplikator zu rechnen, der die Produktionswirkung etwa verdoppelt und in weitere Bereiche der Wirtschaft ausstrahlt. Besonders die mittelständischen Unternehmen werden mit neuen Aufträgen hieraus rechnen können.Wir hätten übrigens gern in dieses Programm auch ein Kapitel „Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus" eingefügt. Aber die Mehrheit der Länder hat es abgelehnt, daran mitzuwirken.
Insgesamt mobilisieren die öffentlichen Hände damit seit Jahresfrist — also einschließlich der im Herbst vorigen Jahres beschlossenen Konjunkturprogramme und der Investitionszulage und den Entlastungswirkungen der Steuer- und Kindergeldreform — damit rund 30 Milliarden DM Nachfrage. Für das jetzige Bauinvestitionsprogramm lösen übrigens Bund und Länder ihre restlichen noch verbliebenen Konjunkturausgleichsrücklagen auf.Die Regierung hat darauf geachtet, daß das Bauinvestitionsprogramm nur solche Vorhaben umfaßt,
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12888 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Bundeskanzler Schmidtdie vergabereif sind, die keine oder doch möglichst geringe Folgekosten für die öffentlichen Haushalte bewirken und die eine schnelle und möglichst unkomplizierte verwaltungsseitige Genehmigung ermöglichen. Wir bitten den Deutschen Bundestag, seinen Teil zum Gelingen dieses Programms beizutragen und seine Zustimmung schnell zu erteilen.Auch der Nachtragshaushalt 1975, der in den Zusammenhang gehört, ist eine Folge der weltrezessiven Entwicklung. Von den Mehrausgaben dieses Nachtragshaushaltes von 6,3 Milliarden DM entfallen allein 5,2 Milliarden DM auf zusätzliche Hilfen an die Bundesanstalt für Arbeit. Die Bundesregierung läßt — ich will darauf noch zurückkommen — keinen Zweifel daran, daß die zur sozialen Sicherung bei vorübergehender Arbeitslosigkeit bestehenden Einrichtungen voll und uneingeschränkt intakt und leistungsfähig bleiben.
Die in diesem Nachtragshaushalt sich ausdrükkende Finanzlücke wird aber dadurch noch wesentlich größer, daß auch auf der Einnahmenseite rezessionsbedingte Steuermindereinnahmen in Höhe von fast 7 Milliarden DM stehen. Wer arbeitslos ist, zahlt keine Steuern. Ein Unternehmen, das rote Zahlen schreibt, zahlt keine Steuervorauszahlungen. Außerdem sind hier weitere 2 Milliarden DM Mindereinnahmen des Bundes angesetzt, die dort nicht zu stehen bräuchten, wenn die Mehrheit der Bundesländer bei der Neuverteilung der Umsatzsteuer nach der Kindergeld- und Steuerreform zu einem sachlich angemessenen Kompromiß bereit gewesen wäre.
Ich muß an dieser Stelle einfügen, daß ich in dem Steuerverteilungsstreit ein Symptom für die neuere Entwicklung unserer bundesstaatlichen Finanzverfassung sehe, die ich mit steigender Besorgnis verfolge. Die Gewichtsverschiebung der gemeinsamen Finanzmasse zugunsten der Länder und zu Lasten des Bundes bei gleichzeitig verstärkter Mitfinanzierung von Länderaufgaben durch den Bund bis hin zur Einrichtung der sogenannten Gemeinschaftsaufgaben am 1. Januar 1970 — das alles hat die Bundesfinanzen in eine sich immer weiter öffnende Schere gebracht. Die Schere wird dann um so bedenklicher, wenn die Mehrheit der Länder ihr parteipolitisches Übergewicht gegenüber dem Bund so ausnutzt, wie es geschehen ist.
Zum erstenmal seit 1949 ziehen Bundestagsmehrheit und Bundesratsmehrheit nicht grundsätzlich am gleichen Strange, jedenfalls nicht in derselben Richtung. Die Bundesratsmehrheit scheut sich nicht, das Interesse einiger Länder und das Interesse der Opposition an der Durchsetzung einer Politik,
die sie im gewählten Parlament nicht durchsetzen kann,
gegen wohlbegründete finanzwirtschaftliche Ansprüche des Bundes durchzusetzen.
Die Bundesfinanzen werden zusätzlich durch die vierte Haushaltsebene strapaziert. Ich spreche von der Europäischen Gemeinschaft. Die Länder beteiligen sich nicht an der Finanzierung der Ausgaben der Europäischen Gemeinschaft. Das ist dem Bund überlassen.
— Da gibt es nichts zu lachen! Denn das bedeutet, daß der Bundeshaushalt zwischen zwei Mühlsteine gerät: Immer stärker wachsende Länderansprüche auf der einen Seite und immer schneller wachsende Finanzierungsansprüche der Europäischen Gemeinschaft auf der anderen Seite.
Man ist deswegen auch kein schlechter Europäer, wenn man sich dagegen wehrt, daß diese schnell wachsende finanzielle Beanspruchung durch gewisse Politiken der Europäischen Gemeinschaft begrenzt bleibt. Man ist im Gegenteil ein guter Europäer, wenn man aufpaßt, daß auch in anderen Staaten Europas und ebenso in den Gremien der Europäischen Gemeinschaft die Ratio beim Geldausgeben — zumal wenn es Geld ist, das andere erst aufbringen müssen — beachtet wird.
Der Bundeshaushalt insgesamt kommt so im Laufe der letzten Jahre in die Gefahr, von beiden Seiten — von der Länderseite, die gleichzeitig die Seite der Gemeinden ist, ebenso wie von der Seite der Europäischen Gemeinschaft — in die Schere genommen zu werden. Wenn die Bundesregierung sich jetzt entschieden hat — wie ich dies im Laufe des Frühjahres den Herren Ministerpräsidenten als unausweichliche Konsequenz ihres Handelns rechtzeitig vor Augen gestellt hatte —, bei den sogenannten Gemeinschaftsaufgaben — beginnend mit dem Haushaltsjahr 1977 — die Ansätze im Bundeshaushalt real um 10 % zu senken, dann ist dies ein erster konsequenter Schritt zur Verringerung von Ausgleichsleistungen des Bundes an die Länder. Wo infolge dieser Entscheidung etwa in der Finanzierung von Krankenhäusern oder Verkehrsbauten dann ab 1977 auch gesetzliche Grundlagen geändert werden müssen, haben wir Ihnen diese heute schon im Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vorgelegt. Eine Konzentration und Besinnung auf die eigentlichen Aufgaben des Bundeshaushalts ist nötig, zumal von seiner Finanzmasse, die aber doch nur zwei Fünftel der öffentlichen Finanzen in unserem Bundesstaat ausmacht, auch noch die entscheidenden Beiträge zum Abfangen der Rezession, zur Verstetigung der Konjunktur erwartet werden.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12889
Bundeskanzler SchmidtIn dem Entwurf des Nachtragshaushalts sind übrigens als Verpflichtungsermächtigungen auch die geschätzten Zinszuschüsse eingestellt, die in den Jahren bis 1999 dadurch anfallen, daß die Bundesregierung die Kreditanstalt für Wiederaufbau beauftragt hat, einer von der polnischen Regierung benannten polnischen Bank einen zinsverbilligten Finanzkredit zu gewähren.
Diese Zinszuschüsse sind im Haushaltsgesetzentwurf 1976 erstmalig mit 35 Millionen DM veranschlagt. Der Kredit selbst in Höhe von einer Milliarde DM soll unter weitestgehender Schonung des inländischen Kapitalmarktes aufgenommen werden. Für die erste Tranche, das erste Drittel in Höhe von 340 Millionen DM, ist deshalb an eine Aufnahme im Ausland gedacht. Es ist sichergestellt, daß die Mittelbeschaffung mit der Bundesregierung abgestimmt wird.Ich benutze diese Gelegenheit zu einer Bemerkung über die mit der Volksrepublik Polen während der Sommerpause des Deutschen Bundestages erzielten Einigungen. Die deutsch-polnischen Beziehungen sind durch den Warschauer Vertrag vom Dezember 1970 auf eine neue Grundlage gestellt worden. Dieser Vertrag brachte den von beiden Seiten angestrebten Normalisierungsprozeß erstmalig in Gang.
Die Ergebnisse, die in dessen Rahmen in den letzten fünf Jahren erreicht wurden, sind auf einigen Gebieten befriedigend, so beim Reiseverkehr, so auf dem Gebiet des Kulturaustausches.
Die Belastungen der Vergangenheit erwiesen sich aber als zu stark, um schon in allen Bereichen den Normalisierungsprozeß zügig voranzubringen.
Immerhin konnten aber von 1971 bis Mitte 1975
mehr als 58 000 Menschen aus der Volksrepublik Polen in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen.
Die Bundesregierung will die Belastungen und die aus ihnen erwachsenen Hindernisse überwinden. Diesem Ziel dient die Einigung, die zwischen Parteichef Gierek und mir sowie zwischen den beiden Außenministern in Helsinki erreicht wurde:a) Das Abkommen über die Renten- und Unfallversicherung wird sicherstellen, daß jeder Berechtigte seine Rente vom Versicherungsträger seinesWohnlandes nach den dort geltenden Vorschriften erhält. In einer Zusatzvereinbarung werden die gegenseitigen Ansprüche aufgerechnet. Die aus der Aufrechnung resultierenden Ansprüche gegen die deutsche Sozialversicherung werden durch die Zahlung einer Pauschalsumme in Höhe von 1,3 Milliarden DM in drei Jahresraten an Polen abgegolten. Eine derartige Abgeltung von Sozialversicherungsansprüchen in Form von Pauschalzahlungen ist übrigens auch von früheren Bundesregierungen in den 50er und in den 60er Jahren mit Osterreich, mit Luxemburg, mit den Niederlanden, mit Jugoslawien vereinbart worden.
Dies ist im Prinzip nichts Besonderes. Im übrigen werden die deutschen Versicherungsträger durch die Pauschalabgeltung nicht schlechter gestellt, weil damit Zahlungsverpflichtungen mit möglichen Belastungen über die Pauschale hinaus entfallen. Die Pauschale macht übrigens 2/10 % der Gesamtausgaben der Rentenversicherung in diesen drei Jahren aus.b) Die Bundesrepublik Deutschland vermittelt und verbilligt Polen den bereits erwähnten Finanzkredit.c) Die polnische Regierung erklärt sich bereit, innerhalb von vier Jahren etwa 120 000 bis 125 000 Personen, die die Kriterien der zum Warschauer Vertrag von der polnischen Regierung abgegebenen sogenannten „Information" erfüllen, die Ausreise zu gestatten. Auch nach dieser Zeit kann dieser Personenkreis ohne zeitliche Einschränkung die Ausreise beantragen.Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht im einzelnen zum Inhalt dieser Vereinbarungen Stellung nehmen kann; die Veröffentlichung der Texte wird verabredeter-weise nach ihrer Unterzeichnung, die für Oktober vorgesehen ist, erfolgen. Die authentischen und vollständigen Texte werden dann natürlich dem Bundestag zugehen, und es wird hier Gelegenheit sein, sie ausführlich zu diskutieren und auch zu erläutern.Mein Amtsvorgänger, Bundeskanzler Brandt, hat seinerzeit bei der Beratung der Ostverträge hier gesagt:Ein Vertrag ist ein Anfang. Der Austausch von Botschaftern, wirtschaftliche Zusammenarbeit, selbst die Lösung humanitärer Probleme werden die Hypothek vieler Jahrzehnte nur langsam abtragen. Wir wollen uns aber beharrlich um die ... Normalisierung bemühen.Das galt damals und das gilt heute.
Ich füge hinzu: Die Ostverträge haben in ganz entscheidendem Maße zur Sicherung des Friedens in der Welt und in Europa beigetragen. Dies wird von allen unseren Partnern anerkannt. Zuletzt geschah dies von allen Staatsmännern an der Spitze der europäischen Länder in Helsinki, allerdings mit Ausnahme der innerdeutschen Opposition.
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12890 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Bundeskanzler SchmidtDie in Helsinki erzielte Einigung zwischen den Regierungen Polens und unseres Landes beruht auf der Bereitschaft beider Seiten, die Beziehungen zwischen beiden Staaten fortzuentwickeln, Belastungen aus der Vergangenheit zu überwinden und das deutsch-polnische Verhältnis auf die Zukunft hin zu orientieren. Dieses Ziel war für keine der beiden Seiten dadurch zu erreichen, daß man Maximalforderungen stellte und auf ihnen beharrte. Beide Seiten mußten — und das werden sie auch in Zukunft müssen — besondere Anstrengungen und Opfer erbringen, um einen beiderseits zumutbaren und deshalb tragfähigen Kompromiß zu finden. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß in Helsinki ein fairer Kompromiß zwischen Polen und Deutschen erreicht worden ist.Ich rechne zur Normalisierung der Beziehungen natürlich auch die Intensivierung im Austausch von Gütern und Leistungen. Unsere Exporte nach Polen haben sich von 1970 bis 1974 fast versechsfacht. Unsere Einfuhren von dort haben sich im selben Zeitraum verdoppelt. Im weltwirtschaftlichen Krisenjahr 1975, in dem während der ersten sechs Monate unsere Exporte insgesamt zurückgingen, stieg unsere Ausfuhr in alle osteuropäischen sogenannten Staatshandelsländer zusammen um fast ein Viertel, nämlich um 22 %.
Diese osteuropäischen Staaten, einschließlich Jugoslawien, werden 1975 bereits 10 % unserer Gesamtausfuhren aufnehmen. Was das in dieser weltwirtschaftlichen Stagnationsperiode für unsere Wirtschaft und für die Beschäftigung unserer Arbeitnehmer bedeutet, muß hier wohl nicht näher ausgeführt werden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Haushalt 1976, zu dem auch die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 1975 bis 1979 gehört. Bei der ihn flankierenden Entscheidung für ein Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur müssen wir davon ausgehen — mußte die Bundesregierung jedenfalls davon ausgehen —, daß die Rezession durch die Mindereinnahmen und die Mehrausgaben in den Finanzen des Bundes, aber auch der Länder und der Gemeinden Spuren hinterlassen wird, die auch dann noch fühlbar sein werden, wenn die Rezession inzwischen durch einen Aufschwung abgelöst sein wird.Die Bundesregierung muß deshalb darauf achten, daß nicht die laufenden Staatsausgaben und die rezessionsbedingten Sonderprogramme den für den Aufschwung benötigten Spielraum für erwerbswirtschaftliche Investitionen — öffentliche wie private — von vornherein einengen und beschneiden. Es war daher in erster Linie erforderlich, den staatlichen Kreditbedarf auf mittlere Sicht, d. h. ab 1977, zu reduzieren. Diese schwierige Aufgabe ist abhängig von den Beschlüssen der beiden Häuser des deutschen Parlaments, des Bundestages, aber auch des Bundesrates. Ihre Lösung ist in der Konzeption geglückt; sie liegt Ihnen vor.Einmütig und geschlossen legt die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften das Ergebnis ihrer intensiven Beratungen vor. Das Beratungsergebnis und die daraus resultierenden Vorlagen der gesetzgebenden und regierenden Koalition konsolidieren die Finanzen des Bundes bis an die Schwelle der 80er Jahre; sie wirken sich auch positiv auf die Finanzen der Länder und der Gemeinden in jenem langen Zeitraum aus.Um es noch einmal mit anderen Worten zu sagen: Nicht nur der Bund, sondern auch die Länder und die Städte müssen 1975 und 1976 aus Rezessions- oder Konjunkturgründen zusätzliche Ausgaben leisten. Damit diese aber finanziert werden können, müssen einerseits weniger wichtige Ausgaben gekürzt und andererseits hohe Kredite aufgenommen werden. In dem Maße aber, in dem die Wirtschaft anspringt und die Kredite selbst benötigt, dürfen dann die öffentlichen Defizite und die öffentlichen Kredite nicht mehr steigen. Deshalb muß die spätere Kreditaufnahme der öffentlichen Haushalte nicht nur jetzt durch Einsparungen, sondern dann auch durch Steuererhöhungen reduziert werden.Infolge der Rezession werden im kommenden Jahr, also 1976, nach heutiger Schätzung allein schon die Steuereinnahmen des Bundes um rund 20 Milliarden DM niedriger liegen. Zu dem rezessionsbedingten Loch auf der Einnahmeseite kommen dann ebenfalls rezessionsbedingte zusätzliche Ausgaben — vor allem für die Bundesanstalt für Arbeit — in der Größenordnung von weiteren 6 Milliarden DM hinzu, so daß sich 1976 allein rezessionsbedingt ein Defizit von 26 Milliarden DM für den Bund ergibt. Ohne diesen rezessionsbedingten Ausfall betrüge das Finanzierungsdefizit des Bundes 1976 — zieht man zumal auch noch den wegen der starren Haltung der Länder eingetretenen Steuerausfall ab — „nur" 10,5 Milliarden DM, und dies wäre dann sicherlich keine übertriebene Größenordnung, und ganz gewiß hätte das mit dem Gerede von den „chaotischen Finanzen" überhaupt nichts zu tun.Bei unseren jetzigen Sparentscheidungen kam es im übrigen natürlich auf eine ausgewogene Lösung an. Es gibt keinen Zweifel, daß wir ein Zurückstekken von vielerlei Ansprüchen in dem Artikelgesetz, das wir vorlegen, verlangen, von vielerlei Ansprüchen, die sich in einer Zeit anhaltenden Wachstums entwickelt hatten und die auf eine ständige Zunahme des verteilbaren Sozialprodukts abgestellt waren. Was wäre das damals für eine Politik gewesen, die in einer Zeit wirtschaftlicher Prosperität — zunehmender Prosperität — den Bürgern und den Arbeitnehmern die Früchte ihrer Arbeit hätte vorenthalten wollen
aus lauter Angst davor, daß es uns auch einmal schlechter gehen kann? Das konnte damals die Politik der sozialliberalen Koalition nicht sein und war sie auch nicht.
Umgekehrt wird dafür heute den Bürgern Einsicht abverlangt, und ich weiß aus vielen Briefen,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12891
Bundeskanzler Schmidtaus öffentlichen Diskussionen und aus den Meinungsumfragen zu diesen Themata, daß unsere Bürger dies besser verstehen als die besoldeten Interessenvertreter so manchen Verbandes.
Sie verstehen nicht nur, sondern sie sind bereit, für eine Zeitlang zurückzustecken im Interesse des Ganzen, im Interesse des öffentlichen Wohles. Und so spürbar und schmerzlich das im Einzelfall auch sein mag, die Bürger unseres Landes wissen und verstehen, daß wir nicht heute die Grundlagen unserer zukünftigen wirtschaftlichen Prosperität, daß wir nicht die Grundlagen unserer finanziellen Solidität für morgen und übermorgen verspielen dürfen. Wir schränken uns ein,
ausgehend aber, Herr Kollege Müller-Hermann, von einem realen Einkommensniveau in unserem Land, einem realen Einkommensniveau unserer Arbeitnehmer, mit dem wir je nach Wechselkurs an dritter oder vierter Stelle der ganzen Welt liegen, und zwar oben in der Spitzengruppe.
— Da Sie, Herr Zwischenrufer, immer so gern mit Ihrer Zeit vergleichen: Das allerdings war zu Ihrer Zeit nicht der Fall und war nicht erreicht.
Nun ein paar Worte zu den Einzelentscheidungen. Was die Strukturveränderungen im öffentlichen Dienst angeht, die mit Rücksicht auf die beabsichtigte Reform des öffentlichen Dienstes angelegt werden, ist die Bundesregierung davon ausgegangen, daß man von Beamten, Angestellten und Arbeitern eine besondere Hingabe an das Gesamtinteresse erwarten darf und darin im allgemeinen auch nicht enttäuscht wird. Allerdings halte ich es nicht für gut, wenn in bezug auf den öffentlichen Dienst draußen häufig mehr von Privilegien geredet wird als von der Verantwortung des öffentlichen Dienstes und von seiner Pflichterfüllung, einer Pflichterfüllung, die doch die Angehörigen des öffentlichen Dienstes an den Tag legen und denen jedermann Dank schuldig ist.
Andererseits wird es aber die Angehörigen des öffentlichen Dienstes auch nicht überfordern, wenn von ihnen, wie von anderen Gruppen in unserem Staate auch, temporäre Opfer und ein zeitweiliges Zurückstecken verlangt werden.Die Beamten als Gruppe innerhalb des öffentlichen Dienstes entrichten nun im Gegensatz zu den übrigen Arbeitnehmern keinen Beitrag zur Arbeitslosenversicherung. Sie können also auch nicht durch die Beitragserhöhung belastet werden. Sie haben auch keine Ansprüche aus dem Arbeitsförderungsgesetz. Was aber bleibt, ist die Tatsache, daßalle anderen Arbeitnehmer durch die Erhöhung des Arbeitslosenbeitrags um einen halben Prozentpunkt ihres Einkommens getroffen werden. Die Bundesregierung ist deshalb offen für Erwägungen, in welcher Weise dieser unterschiedlichen Belastung Rechnung getragen werden kann. Wenn der Bundestag die Möglichkeit einer Lösung dafür bereits im Artikelgesetz fände, würde ein solcher Vorschlag auf das Interesse der Regierung stoßen. Er müßte allerdings die gleiche Einsparung wie die von uns vorgelegten Artikel-Entwürfe erbringen und dürfte natürlich nicht dazu führen, daß der öffentliche Dienst, was die Beseitigung von Wildwuchs anbetrifft, nun vom Artikelgesetz ansonsten völlig ausgenommen und die Entscheidung darüber, welchen Beitrag er zu erbringen hat, völlig auf die nächste Tarif- und Besoldungsrunde verschoben würde.
Während einerseits offensichtliche Ungereimtheiten beseitigt werden, bleibt auf der anderen Seite der gegenwärtige Besitzstand im großen und ganzen gewahrt. Die Bundesregierung hat davon abgesehen, Vorschläge zu machen, die offensichtlich neue Ungereimtheiten schaffen würden, etwa im Zusammenhang mit der Beitragserhöhung zur Arbeitslosenversicherung.Übrigens trifft die Änderung dienstrechtlicher und versorgungsrechtlicher Vorschriften natürlich auch Richter und Soldaten. Gerade im Bereich der Bundeswehr gibt es Vorschriften, die unter früheren Bedingungen — z. B. am Arbeitsmarkt — ihren guten Sinn gehabt, ihren Dienst getan haben, die heute aber eine Anpassung an geänderte Verhältnisse sehr wohl ertragen. Dies mindert gewiß nicht das hohe Gewicht, das die Verteidigungspolitik unverändert besitzt, und es mindert ebensowenig die Anerkennung, die wir den Soldaten schulden, ohne die ja unsere Entspannungspolitik gar nicht möglich wäre.
Manche der den öffentlichen Dienst betreffenden Einsparungen können übrigens in bezug auf Arbeiter und Angestellte natürlich nur auf tarifvertraglichem Wege, d. h. also durch Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften, verwirklicht werden.Im Vergleich zum öffentlichen Dienst, meine Damen und Herren, schneiden die Änderungen des Arbeitsförderungsgesetzes stärker ein. Sie sind aus der nunmehr sechsjährigen Erfahrung mit dem Gesetz hervorgegangen. Erhalten bleibt natürlich der Rechtsanspruch auf Förderung der beruflichen Bildung. Einsparungen wird es aber dort geben, wo sich — gemessen an der Absicht des Gesetzes — ungewollte Übertreibungen herausgestellt haben oder die Solidargemeinschaft der Versicherten mit Aufwendungen für solche Personen belastet wird, die gar keinen Beitrag geleistet haben.
Wir machen das Gesetz straffer, und wir machen es wirksamer.
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12892 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Bundeskanzler SchmidtFreilich liegt es auch im Sinne des Solidargedankens, des Solidaritätsdenkens, auf dessen Boden ja die Bundesanstalt für Arbeit, die ganze Arbeitslosenversicherung und die Arbeitsförderung beruhen, daß bei erhöhter Beanspruchung und für die Zeit erhöhter Arbeitslosigkeit die Versicherten selbst auch erhöhte Beiträge leisten und daß nicht allein der Bundeshaushalt die Last trägt. Die Bundesregierung hat daher beschlossen, den Beitragssatz für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer jeweils um einen halben Prozentpunkt — zusammen also um einen ganzen — von 2 % auf 3 % anzuheben.
— In dem Zusammenhang ist es gut, Herr Zwischenrufer, sich an das Jahr 1930, an den März 1930 zu erinnern, wo die letzte parlamentarisch gestützte Regierung der ersten deutschen Demokratie, die letzte Regierung, die über eine Mehrheit im Deutschen Reichstag verfügte,
vor einer ähnlichen Frage stand, nämlich vor der Frage der Erhöhung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Damals gab es bei einer etwa gleichgroben Gesamteinwohnerschaft des Deutschen Reiches, nämlich rund 65 Millionen — die haben wir heute in der Bundesrepublik Deutschland beinahe auch —, 3 Millionen Arbeitslose. Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag stand damals auf 3,5 %. Die Leistungen an die Arbeitslosen verschlangen immer größere finanzielle Aufwendungen; das ist klar. Infolgedessen sollte der Versicherungsbeitrag von 3,5 % auf 4 % erhöht werden. Die Wirtschaft und die politische Rechte haben diese Erhöhung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages damals abgelehnt. Daran ist die letzte parlamentarisch-regierungsfähige Koalitionsmehrheit in Berlin zugrunde gegangen.
— Ich verstehe Ihre Aufregung, weil Sie nachträglich merken, daß Sie nicht in die Nähe der Deutschen Volkspartei geraten möchten, in der Sie aber doch sind, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU!
Nachdem das abgelehnt war,
stürzte die damalige Regierung Müller . Es kam zu den Notverordnungs-Regierungen zunächst unter Heinrich Brüning,
dann unter seinen unrühmlichen Nachfolgern Papen und Schleicher, und es kam das Ende der ersten deutschen Demokratie.
— Ich denke, Herr Stücklen, daß wir diesmal klüger sein wollen.
Heute, 1975, ist es ganz klar: Das System der sozialen Sicherung steht in einer großen Bewährungsprobe. Die Rentner und die Arbeitslosen vertrauen darauf, daß dieses System der sozialen Sicherung sich bewährt.
Deshalb haben wir ja in den letzten sechs Jahren das Netz der sozialen Sicherheit durch vielerlei Verbesserungen engermaschig geknüpft, damit niemand — keine Frau und kein Mann — durch die Maschen dieses Netzes fallen soll.
Deswegen darf dieses Netz nicht durch unzweckmäßige, durch überflüssige „Wildwuchs" -Belastungen, wie mein Freund Walter Arendt das genannt hat, unnötig beschwert werden.Umgekehrt: An anderer Stelle sind bei den öffentlichen Finanzen Opfer zugunsten der sozialen Sicherheit notwendig; denn nur dadurch schaffen wir die Voraussetzungen für die Festigkeit des Netzes der sozialen Sicherheit auch und gerade in einer Rezession.
Im Bildungsbereich wird der Kern unserer Politik durch die Einsparungen nicht berührt. Allerdings: Beim Bundesausbildungsförderungsgesetz werden die Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge einmalig ausgesetzt sowie die Freibeträge geändert. Dies und auch eine starke Umstellung auf darlehensweise Förderung — die Bundesregierung hatte das am 17. Mai 1974 hier angekündigt — wird durch einen zeitlich befristeten Härteausgleich erleichtert.Von einer größeren Nüchternheit im Hochschulbereich sind auch die Änderungsvorschläge zur Graduiertenförderung geprägt. Die Bundesregierung hält es für angemessen, daß jemand, der über das Staatsexamen oder über die Diplomprüfung hinaus sich ausbilden und einen zusätzlichen akademischen Grad erwerben will, der infolgedessen dann auch ein überdurchschnittliches Akademikereinkommen zu erwarten hat, die ihm dafür vom Steuerzahler bereitgestellten Beträge später in vollem Umfang zurückzahlt, wenn er verdient.
Es geht dabei auch um ein Stück sozialer Gerichtigkeit gegenüber denjenigen, die zwar die Chance einer solchen besonderen Förderung nicht haben, diese wohl aber durch ihre Steuern finanzieren.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12893
Bundeskanzler SchmidtWir können heute morgen nicht jede einzelne Entscheidung ansprechen. Ich muß aber betonen, daß wir natürlich die Landwirtschaft nicht ausnehmen konnten. Insbesondere wird der landwirtschaftliche Aufwertungsausgleich über vier Jahre stufenweise abgebaut. Dieser Ausgleich war anläßlich der D-Mark-Aufwertung 1969 ursprünglich eigentlich nur für vier Jahre konzipiert und für diesen Zeitraum auch von den EG-Instanzen in Brüssel gebilligt. Er hat seinen Zweck erfüllt, die Anpassung der Landwirtschaft an die Folgen jener Währungsveränderung zu erleichtern.Die Belastung für den Bundeshaushalt beträgt inzwischen jährlich gut 1 Milliarde DM aus dieser speziellen Subvention. Wir sind allerdings der Meinung, daß die landwirtschaftlichen Einkommen mit rund 1,5 °/o jährlich nicht über Gebühr belastet werden, zumal inzwischen ja doch beträchtliche Einkommensfortschritte von 1969 bis heute haben erreicht werden können.Die Sparförderung, meine Damen und Herren, kostet die öffentlichen Haushalte insgesamt bald 10 Milliarden DM jährlich an Steuersubventionen. Schon von diesem Gewicht her bedurfte dieser Bereich sorgfältiger Prüfung. Im Vordergrund stand dabei das Bemühen, die besondere Attraktivität des 624-DM-Gesetzes aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig hielten wir es aber für verantwortbar, die allgemeinen Prämiensätze sowie auch die Wohnungsbauprämien an ,die steigende Sparwilligkeit und Sparfähigkeit anzupassen, wobei es der Bundesregierung darauf ankam, die Präferenz für das Wohnungsbausparen zu erhalten. Übrigens wäre es ein großes Mißverständnis, wenn jemand aus der Senkung der Prämiensätze schlösse, daß die Bundesregierung das private Sparen nunmehr geringer bewerte. Vielmehr hoffen wir, daß insbesondere von den Möglichkeiten des 624-DM-Gesetzes in Zukunft noch stärker als bisher Gebrauch gemacht wird. Es gibt bisher bei 23 oder 24 Millionen Arbeitnehmern 19 Millionen solcher Verträge, die zum größeren Teil allerdings den Spielraum des Gesetzes noch keineswegs voll ausschöpfen.
Wir verweisen auf die Bedeutung einer verstärkten betrieblichen und tarifvertraglichen Vermögensbeteiligungspolitik.Übrigens, meine Damen und Herren: daß ausgerechnet der Präsident der Sparerschutzgemeinschaft für eine völlige Streichung aller Sparprämien eingetreten ist, bedeutet für mich nur eine von mehreren Merkwürdigkeiten der gegenwärtigen öffentlichen Debatte, an der manche Personen teilnehmen und sich hervortun, die vorher nicht genug nachgedacht hatten.
Auf Grund der soeben noch einmal skizzierten jetzigen Entscheidungen erreicht die Bundesregierung, und zwar bisher ohne die Steuererhöhungen, Verbesserungen gegenüber der alten bis vor drei Wochen geltenden Finanzplanung, die sich schon 1976 allein beim Bund auf knapp 13 Milliarden DM belaufen. Zugleich werden die Finanzen der Länder und Gemeinden in der Größenordnung von 3 Milliarden DM durch diese Maßnahmen entlastet. Wir machen mit diesen Summen bereits 1976 einen wirksamen Einstieg in die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.Das Nettofinanzierungsdefizit des Haushalts 1976 wird auch noch bei knapp 39 Milliarden DM liegen. Dieser Betrag ist konjunkturgerecht. Es hat an ihm in jüngster Zeit eine sehr zwiespältige Kritik gegeben; wir werden sie heute wieder hören. Die Herren Strauß, Kohl, Carstens oder Stoltenberg haben öffentlich gefordert, es sollten allein beim Bund noch weitere 7 bis 10 Milliarden DM gespart werden.
Wir hören außerdem von Herrn Katzer, es solle nicht so viel gespart werden, soweit es andere betrifft. Aber mir kommt es mehr auf das weitere Sparen in der Größenordnung von noch einmal 7 bis 10 Milliarden DM an.
Umgekehrt ist in letzter Zeit im Weltwährungsfonds, in der OECD, seitens der Europäischen Kommission, seitens Italiens, Englands und Hollands, umgekehrt gegenüber diesen Forderungen der Herren Carstens, Kohl, Strauß und Stoltenberg ist von den internationalen Instanzen noch vor wenigen Tagen zum Teil von uns verlangt worden, wir sollten bitte weniger sparen, als wir vorschlagen,
wir sollten bitte statt dessen höhere Defizite produzieren und natürlich auch — das haben sie nicht so deutlich gesagt — höhere Preissteigerungen in Kauf nehmen. Diese Kritik einiger ausländischer Fachleute, die man ernst nehmen muß, und die Kritik der binnenländischen Opposition widersprechen sich offensichtlich, stehen sich um 180 Grad gewendet einander gegenüber und heben sich offensichtlich gegenseitig auf.
Der Opposition muß gesagt werden: Wir wollen nicht und wir dürfen auch nicht in eine maßstabslose Spareuphorie verfallen, weil wir nicht die Fehler der Brüningschen Deflationspolitik wiederholen dürfen.
Wir dürfen nicht durch übertriebenes Sparen deflatorische Prozesse einleiten und dadurch zusätzliche Arbeitslosigkeit hervorrufen. Im Gegenteil!Der entgegengesetzten Kritik aus dem Ausland muß ich antworten: Wir wollen nicht noch höhere Defizite, wenn dies vermeidbar ist. Wir müssen in Deutschland zu den Defiziten des Bundes diejenigen der Länderhaushalte noch dazurechnen. Die Kritiker übersehen: Es gibt eben in England, Holland und Italien keine Länderhaushalte — jeden-
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12894 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Bundeskanzler Schmidtfalls nicht entfernt von dem Gewicht — und keine Defizite bei den Ländern, die hier bei uns volkswirtschaftlich natürlich mitgerechnet werden müssen, wenn es um die Gesamtwirkung defizitärer Haushaltspolitik geht.
Wenn man Länder und Gemeinden mitzählt, gibt es 1976 ein Defizit aller öffentlichen Haushalte in der Größenordnung von 65 Milliarden DM. Das sind 6 bis 7 % des Bruttosozialprodukts. Erheblich mehr wäre ein unvernünftiger Beitrag zu weiterer Weltinflation und — später dann auch — zu weiterer Weltarbeitslosigkeit.
Immerhin, meine Damen und Herren, diese erwähnte ausländische Kritik, die der Ihrigen genau entgegengesetzt ist, stammt von — wenn ich das sagen darf — seriösen Fachleuten. Man kann das von der inländischen Kritik nicht in gleicher Weise überall behaupten.
Entscheidend bleibt, daß die jetzt getroffenen Maßnahmen auch 1977 weiterwirken — auch 1978 und 1979 — und Unsicherheiten über die mittelfristige Entwicklung der öffentlichen Finanzen ausräumen. So steigt diese Verbesserung allein beim Bund — ohne die Steuererhöhungen schon zu rechnen — 1977 auf knapp 19 Milliarden DM und dann 1978 auf 23 Milliarden DM. Die Zahlen zeigen, daß unsere Haushaltsverbesserungen im Schwergewicht eben nicht auf Steuererhöhungen beruhen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Tabak- und Alkoholsteuer — im über nächsten Jahr kommen die — bringen — —
— Ja, wir sagen heute schon die Wahrheit; Sie sagen ja nicht, was Sie tun würden, falls, wider Erwarten, Herr Kohl Bundeskanzler würde.
Sie sagen ja nicht, wo Sie diese 7 oder 10 Milliarden DM herholen wollen. Herr Strauß beauftragt Herrn Kohl, darüber zu schweigen, und fährt nach China. Das ist doch die wirkliche Lage.
— Das werden Sie noch so lange hören, bis wir von Ihnen die Wahrheit über die Papiere hören, die in Ihrer Partei zirkulieren.
Sie werden uns noch eingestehen müssen, ob Sie wirklich entsprechend den Papieren, von denen wir in den Zeitungen lesen, in die Renten eingreifen wollen und ob Sie wirklich an die Kriegsopferrenten herangehen wollen. Das möchten wir hören.
Das möchten wir von einer CDU hören, die noch vor wenigen Wochen auf ihrem Mannheimer Parteitag, Herr Ministerpräsident Kohl, unter der Erfindung einer „neuen sozialen Frage" neue Sozialleistungen vorgeschlagen hat und beschließen wollte. Übrigens, Herr Kohl, die soziale Frage ist in dieser Gesellschaft immer noch die alte soziale Frage.
Es stehen mit den Steuererhöhungen ab 1977 insgesamt — —
— Wenn schon sonst kein Beifall, dann wenigstens Auftrittsbeifall, auch wenn der Auftritt verspätet ist.
Was den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung angeht, steht von 1976 bis 1978 Einsparungen, wie wir sie in dem Artikelgesetz und in der Haushaltsplanung in Höhe von insgesamt 54 Milliarden DM vorsehen, der Ertrag einer Steuererhöhung von insgesamt 18 Milliarden DM gegenüber. Das heißt, daß die Einsparungen bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte drei Teile ausmachen und die Steuererhöhungen einen Teil. Dies ist das Verhältnis: drei Viertel Einsparung, ein Viertel Steuererhöhungen. Einsparungen haben den eindeutigen Vorrang vor den dann eintretenden Steuererhöhungen. Das Jahr 1979 ist in diese Betrachtung wegen der fehlenden Möglichkeit des Vergleichs mit der bisherigen, nur bis 1978 geltenden Finanzplanung nicht einbezogen.Nun zur Mehrwertsteuer. Die Erhöhung des Regelsatzes auf 13 % hat die Bundesregierung jetzt schon beschlossen — und sie wird auch jetzt das Gesetz vorlegen —, damit vor allen Wahlterminen in der Zwischenzeit für alle Bürger, auch für alle Wähler klar ist, wie nach unserem Willen der weitere Kurs später verlaufen soll.Diese Klarstellung ist auch für die Wirtschaft wichtig. Die Wirtschaft kann sicher sein, daß die Erhöhung ertragsabhängiger und ertragsunabhängiger Steuern nicht erforderlich und nicht beabsichtigt ist. Sie kann ebenso davon ausgehen, daß die öffentlichen Hände, die jetzt einen unverhältnismäßig großen Anteil der privaten Ersparnis, einen großen Anteil der Geldkapitalbildung kreditweise an sich ziehen, im Aufschwung mit ihrer Nachfrage an den Kreditmärkten zurückstecken werden und damit Raum entsteht für die Finanzierung von privatwirtschaftlichen Investitionen. Wir brauchen diese privatwirtschaftlichen Investitionen dringend für neue Arbeitsplätze; wir brauchen sie dringend, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Deswegen belasten wir den Aufschwung nicht mit einer unnötigen Hypothek.Zur Mehrwertsteuer zurück: Die Kindergeld- und Steuerreform hatte in den sogenannten Eckwertbe-
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Bundeskanzler Schmidtschlüssen der sozialliberalen Koalition ursprünglich aufkommensneutral sein sollen. Damals war an eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt gedacht. Ich darf daran erinnern, daß die von dem damaligen Finanzminister Strauß noch etwas früher eingesetzte Steuerreformkommission 1971 sogar die Erhöhung um 41/2 Punkte vorgeschlagen hatte. Auch wir wollten in unseren Eckwerten die Mehrwertsteuer zum Ausgleich der für mehr Steuergerechtigkeit notwendigen Steuerausfälle erhöhen: um einen Punkt.Jetzt, 1975, haben wir aus konjunkturellen Gründen davon abgesehen, das durchzuführen, erwarten aber, daß diese konjunkturellen Gründe 1977 endgültig weggefallen sein werden.Ich will in dem Zusammenhang anmerken, daß eine Anhebung der Mehrwertsteuer natürlich die zur Erhöhung der sozialen Gerechtigkeit durchgeführte Reform beim Kindergeld und bei der Lohn- und Einkommensteuer nicht rückgängig macht. Das System der familiengerechten Besteuerung, insbesondere das Kindergeldsystem, bleibt davon unberührt.Im übrigen bringt die Mehrwertsteuerreform Einnahmen in Höhe von dann insgesamt wahrscheinlich 10 Milliarden DM. Inzwischen werden dann die Mehrausgabe und die Mindereinnahme aus der Kindergeld- und Steuerreform im Jahre 1977 weit über 16 Milliarden DM betragen.Ich füge noch hinzu, daß die Mehrwertsteuer die Finanz- und Investitionskraft der Unternehmen, an deren Stärkung uns sehr liegt, nicht trifft.
Sie beeinträchtigt auch nicht die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Im übrigen müssen wir ja bei der Mehrwertsteuer einen Blick über die Grenzen werfen, vor allem zu unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft. Die Bundesrepublik wird auch nach dem 1. Januar 1977 innerhalb der Europäischen Gemeinschaft immer noch einen der niedrigsten Mehrwertsteuersätze haben, und die Harmonisierung dieser Steuersätze in Europa steht immer noch bevor.
Ich will an dieser Stelle eine Bemerkung zur Lohnrunde, zu den Erträgen und zu den Investitionen einfügen.Zunächst zur Lohnrunde. Die Bundesregierung weicht nicht von ihrer bisherigen Haltung ab, anders als andere europäische Länder: An der Tarifautonomie der Tarifvertragspartner, der Gewerkschaften und der Arbeitgeber, soll nicht gerüttelt werden,
weder allgemein in der Wirtschaft noch im öffentlichen Dienst. Natürlich aber tragen die öffentlichen Hände, soweit sie zugleich Arbeitgeber sind, und der Bundesgesetzgeber bei den gesetzlich zu bestimmenden Besoldungserhöhungen in dieser Zeiteine besondere Verantwortung. Natürlich müssen alle Tarifpartner wissen, daß der Stärkung der Ertragskraft unserer Wirtschaft zugunsten der Investitionsquote und zugunsten der Sicherung der Arbeitsplätze eindeutig der Vorzug vor etwaiger weiterer Steigerung der Reallöhne in diesem Augenblick, in dieser Phase, gebührt.Ich verweise in großem Ernst auf meine Darlegungen zur Lohnquote und zur Ertragsquote der Unternehmen, die ich in der Regierungserklärung am 17. Mai 1974 von dieser Stelle gemacht habe. Jene Darlegungen sind heute noch wichtiger als damals.
Inzwischen ist 1975 das Masseeinkommen — d. h. netto und preisbereinigt, also real — in unserem Land um 4 % gestiegen. Das schließt alle ein, Löhne, Gehälter, auch die Rentner, die Arbeitslosen und die Kurzarbeiter.In den Reallöhnen liegt die Bundesrepublik Deutschland in der ganz kleinen Spitzengruppe der Welt. Aber das heißt eben auch, daß wir in der Lohnkostenbelastung und der Lohnnebenkostenbelastung unserer Produktion ebenso sehr in der Spitzengruppe der Welt liegen. Wer hier jetzt zusätzlich etwas übertreiben wollte, gefährdete die internationale Wettbewerbsfähigkeit oder die Exportfähigkeit, die Exportumsätze, die Exportaufträge seines Unternehmens oder seiner Branche, er gefährdete außerdem die Erträge und die Investitionen, die doch für die zukünftige Beschäftigung dringend notwendig sind.Ich bitte erneut herzlich darum, daß nicht nur in diesem Hause, sondern auch überall draußen keine Unklarheit über den sehr wichtigen Unterschied zwischen Privatentnahmen oder Privateinkommen einerseits und dem Ertrag des Unternehmens auf der anderen Seite aufkommt. Über die Privateinkommen bzw. Privatentnahmen kann man, darf man — vielleicht muß man — vielerlei Meinungen haben, was die gerechte Verteilung angeht. Hier könnten übrigens auch manche Industrielle oder Bankiers oder leitende Angestellte ein eigenes öffentliches Beispiel geben.
Aber über die Notwendigkeit von Unternehmenserträgen ist nicht zu streiten. Wenn ein Unternehmen, ob groß oder klein, ob ein Gewerbe- oder ein Handwerksbetrieb, auf längere Zeit statt Erträgen rote Zahlen schreiben muß, dann ist eine Investition seitens dieses Unternehmens nur bei guten Ertragserwartungen zu verantworten.
Daran würden gegenwärtige Abschreibungserleichterungen nichts ändern. Für die Investitionsentscheidung eines Unternehmens zählen seine Finanzkraft und seiner Markterwartungen.Dabei ist es gewiß nicht unzulässig, darüber nachzudenken, wie auf weitere Sicht auch durch steuerliche Differenzierung geholfen werden kann, wohlge-
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12896 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Bundeskanzler Schmidtmerkt: geholfen den Unternehmen , nicht den Unternehmern , — eine wichtige Unterscheidung, die kürzlich Bundesminister Friderichs öffentlich in luzider Weise dargestellt hat. Wer hingegen den Unternehmern heute steuerlich das Blaue vom Himmel versprechen wollte, wer als Syndikus oder Präsident von Verbänden heute dergleichen Erwartungen lautstark präsentiert, irrt sich über die Zumutbarkeit. Schließlich wird heute vielen Millionen Menschen etwas genommen, was sie noch vor einiger Zeit glaubten erwarten zu können. Denn die staatlichen Einsparungen, meine Damen und Herren, bedeuten doch fast in jedem Falle Einnahmeoder Einkommensausfälle in Privathaushalten, die bisher durch diese staatlichen Ausgaben begünstigt waren. Wer so tut, als ob die Folgen der Weltrezession der Regierung Brandt/Scheel oder der jetzigen Bundesregierung wegen ihrer Reformen zur Last gelegt werden müßten, der irrt sich erneut über die Zumutbarkeit seines Arguments.
Man kann schwerlich vom kleinen Mann Opfer verlangen, von den Arbeitnehmern, von ihren Gewerkschaften Verzichte fordern und im gleichen Atemzuge neue, zusätzliche Vergünstigungen für sich selber verlangen. Das kann man schwerlich tun.
Ich sage für meine Person: ich bin sicher, daß die Gewerkschaften wie bisher und wie 1975 so auch im kommenden Jahr ihre Verantwortung gegenüber dem Ganzen erkennen und danach handeln werden. Es kommt darauf an, das Erreichte zu sichern. Wer das Erreichte in dieser Zeit noch steigern wollte, der könnte damit die arbeitslosen Kollegen schädigen.Wenn unser Land im internationalen Vergleich in vieler Hinsicht herausragend dasteht, dann ist dies — so habe ich es Anfang des Monats vor dem Bundesausschuß des DGB, zu dem ich eingeladen war, betont — wesentlich das Ergebnis einer verantwortungsbewußten und klugen Gewerkschaftsbewegung in unserem Lande.
Die Gewerkschaften haben das letzte Mittel des Streiks immer bewahrt, notfalls auch eingesetzt. Aber im Gegensatz zu ihren Kollegen in manch anderen Staaten der Welt haben sie davon einen sehr zurückhaltenden Gebrauch gemacht, dafür aber eine stetige, auf Verhandlung, auf Vereinbarung angelegte verantwortungsvolle Strategie betrieben, und das, wenn man die letzten 25 Jahre sieht, mit dem Erfolg einer international ganz ungewöhnlichen, ganz herausragenden Steigerung des Realeinkommens, des realen Wohlstandes der Arbeitnehmer in unserem Lande im Vergleich zu anderen Ländern.Ich wiederhole es: Unser Vorsprung vor anderen Industriegesellschaften in der Welt beruht weitgehend auf unserer gewerkschaftlichen Organisation, auf deren Verhaltens- und Kampfesweise, auf deren Augenmaß und auf dem Ausmaß, in dem Gesetzgeber und Regierungen diese Tatbeständenicht nur respektiert, sondern auch gesetzgeberisch, in der Sozialpolitik, z. B. im Betriebsverfassungsgesetz, honoriert haben.
Das wird so bleiben.
Deshalb werden wir auch diese Durststrecke durchstehen. Deshalb sind die Redensarten von Lohnstopp und Lohnpause nicht sehr hilfreich.
Die Bundesregierung weiß, daß es zu dem kombinierten Programm, das ich hier vortrage, bisher keine Alternative gibt. Der Bürger weiß, daß das keine schwache, sondern eine starke Regierung ist,
die solche Beschlüsse v o r einer Bundestagswahl und nicht sechs Wochen nach einer Bundestagswahl vorlegt.
Ich sehe Herrn Professor Carstens lachen. Er war damals noch nicht im Deutschen Bundestag, als die Regierung Erhard/Mende wenige Wochen nach einer Bundestagswahl, die sie gewonnen hatte, alles das und noch mehr wieder einkassierte, was sie vorher als Gesetzgeber versprochen hatte.
Diese Koalition nimmt den Bürger ernst. Sie
sagt ihm, was sie selber vorhat. Sie möchte auch ihrerseits vom Bürger ernst genommen werden.
Die Opposition hingegen ist bis zum Augenblick nicht über den Ratschlag hinausgekommen, es müsse mehr gespart werden, ohne zu sagen, wo sie eigentlich den Rotstift ansetzen will.
Sie müssen uns sagen, ob Sie in die Sozialversicherung hineinschneiden wollen — wenn ja, wieviel —, ob in die Kriegsopferversorgung, ob in die Bundesregierung
— das hätten Sie wohl gerne, das weiß ich;
ich meinte die Bundeswehr — hineingeschnitten werden soll, ob Sie in das Kindergeld — oder wo immer — hineinschneiden wollen. Dies verschweigen Sie aber. Es ist legitim für Sie, daß Sie dies verschweigen. Es ist Ihr gutes Recht, zu schweigen. Es ist Ihr gutes Recht, inhaltslos zu polemisieren. Natürlich ist dies nach dem deutschen Grundgesetz Ihr Recht.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12897
Bundeskanzler SchmidtNiemand kann Sie zwingen, Substanz und Inhalt vorzutragen. Das ist ganz klar.
Falls Sie aber dabei bleiben, müssen Sie sich gefallen lassen, daß die Bürger und wir zu der Erkenntnis kommen, daß niemand von uns wissen kann, was Sie wirklich im Schilde führen.
Die Entscheidungen der Bundesregierung verändern keine Grundzüge der Politik der sozialliberalen Koalition. Es kann keine Rede davon sein, daß das, was wir hier gemeinsam ins sechs Jahren Schritt für Schritt aufgebaut haben,
nun wieder mit einem Federstrich weggenommen würde.
Das gilt z. B. für das Betriebsverfassungsgesetz oder für die flexible Altersgrenze, für die Sicherung der Betriebsrente auch bei Arbeitsplatzwechsel oder für das Konkursausfallgeld, für die kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen, für das Betriebsärztegesetz, das soziale Mietrecht, die Verbesserung der Renten um 83 % in dieser Zeit,
die Dynamisierung der Kriegsopferrenten,
das Schwerbehindertengesetz, die Kindergeldreform, das Kartellgesetz, das Lebensmittelgesetz.
Ich könnte vieles aufzählen. Man muß ein sehr unempfindliches Verantwortungsbewußtsein besitzen, wenn man behauptet, daß wir dies alles zurücknähmen, und mit der Reform wäre jetzt Schluß. Das ist eine — entschuldigen Sie! — beinahe zu
leichtfertige Behauptung, als daß sie selbst in Sonthofen oder an ähnlichen Orten ausgesprochen werden dürfte.
Ich füge hinzu: Solche gesellschaftsreformerischen Vorhaben, die nicht zusätzliche finanzielle Mittel erfordern — wie z. B. die Ausweitung der Mitbestimmung oder das Berufsausbildungsgesetz, das doch nur dann zu zusätzlichen Beiträgen der Wirtschaft führt, falls nicht ausreichend Lehrstellen angeboten werden können sollten —, passen auch zukünftig durchaus in diese Zeit. Sie sollen auch durchgeführt werden, selbst in einer Periode, in der der Staat zweimal jede Mark umdreht, ehe er sie ausgibt.
Die sozialliberale Koalition bleibt bei dem Kennwort der Kontinuität, der Stetigkeit ihrer Politik.
Auf der Basis einer gesunden sozialen und politischen Stabilität dieses Landes
wird die Bundesregierung auch zukünftig konstruktiv an der Lösung der immer schwieriger werdenden internationalen ökonomischen Fragen mitwirken. Es gibt ja in Wahrheit keine Nationalökonomie mehr für uns Deutsche, es gibt nur noch eine Internationalökonomie.
Durch die Aktivität in verschiedenen internationalen Gremien tragen wir zu den weltweiten Lösungen bei. Noch bevor eine dauerhafte Etablierung eines neuen Weltwährungssystems vereinbart ist, stellen ja z. B. Entwicklungsländer, vor allem aber die sich ihrer politisch-ökonomischen Macht bewußt gewordenen Ölländer die gegenwärtige, bisher bewährte Weltwirtschaftsordnung durchaus in Frage. Die Bundesregierung ist — Sie war es schon bisher — führend dabei, mit eigenen Vorschlägen in erster Linie zur Verbesserung der Lage der besonders getroffenen Länder den unterbrochenen Dialog der Industrieländer mit den Entwicklungsländern, mit den Ölländern wieder in Gang zu bringen. Wir wollen, wie das Bundesminister Genscher vor wenigen Tagen vor der Sonderversammlung der UNO ausgedrückt hat, die Effizienz des Marktes erhalten, sie aber mit wirksamer Hilfe für die Schwachen verbinden, die doch letzten Endes dann auch Hilfe für unsere eigene Exportbeschäftigung darstellt. Es hängt doch alles miteinander zusammen.
Diese Mühe, die wir sowohl bilateral — ich erinnere an die Wischnewski-Mission — als auch multilateral zusammen mit unseren Partnern in der EG anstellen, hat überall in der Welt Anerkennung gefunden. Die Wiederaufnahme des Dialogs mit den Entwicklungs- und Olländern erscheint jetzt gesichert. Im gleichen Geiste haben wir im Internationalen Währungsfonds gearbeitet, wo Bundesfinanzminister Apel und Bundesbankpräsident Klasen anläßlich der Jahresversammlung vor 14 Tagen geholfen haben, wichtige tschritte hin zu einem neuen Weltwährungssystem einzuleiten. In beiden internationalen Gremien, ob Vereinte Nationen oder Weltwährungsfonds, haben wir erfolgreich zwischen entgegengesetzten Auffassungen verschiedener Gruppen von Staaten vermitteln können. Das ist notwendig, denn die Weltwirtschaft braucht Kooperation. Sie kann Konfrontation genausowenig gebrauchen, wie der Weltfrieden Konfrontation gebrauchen kann.
Eine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren. Das, was jetzt primär durchaus als Belastung und Opfer verstanden werden muß, wird sich mittelfristig positiv auf das Wachstum der Wirtschaft, auf die Stabilität in unserem Lande auswirken.
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12898 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Bundeskanzler SchmidtWir haben jetzt die haushaltspolitische Flanke für einen Aufschwung in Stabilität aufgebaut und abgesichert. Wir haben der Wirtschaft Flankenschutz gegeben,
damit sie, wenn das Konjunkturklima günstiger wird, ihren eigenen Produktionsaufschwung besser finanzieren kann. Wir erwarten deshalb auch, daß im Aufschwung bei steigender industrieller Kapazitätsausnutzung, bei steigender Produktivität, d. h. bei sinkenden Stückkosten, äußerste Preisdisziplin gewahrt wird.
Wir haben zum anderen die derzeit größtmögliche soziale Ausgewogenheit sichergestellt. Wir sorgen dafür, daß der Arbeitnehmer nicht das Gefühl einseitiger Belastung haben müßte. Wir glauben deshalb, daß unsere Bürger, die ein nicht zu täuschendes Gespür für die Zusammenhänge in der Welt haben, den Weg verstehen, den wir gehen müssen — den die Opposition allerdings wie üblich für falsch hält. Wir Deutschen haben schon manche Aufgabe gemeinsam gelöst. Wir Deutschen haben auch schon schlimmere Situationen durchgestanden als diese.
Meine Damen und Herren, wir werden auch diese Prüfung durchstehen und bestehen!
Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben eine gemeinsame Aussprache über die Tagesordnungspunkte 2 bis 5 vereinbart.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3, 4 und 5 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1975
— Drucksache 7/4001 —
Beratung des Programms zur Stärkung von Bau- und anderen Investitionen
— Drucksache 7/4013 —
Beratung des Sondergutachtens zur konjunkturpolitischen Lage im August 1975
— Drucksache 7/3976 —
Diese Tagungsordnungspunkte werden gemeinsam beraten.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat der Abgeordnete Prof. Dr. Carstens.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich von den polemischen Einschüben in der Rede des Bundeskanzlers absehe, in denen er ja unbestrittener Meister ist und die — soweit ich das habe feststellen können — 75 % des Applauses in seiner Fraktion hervorgerufen haben, während dieSachausgaben des Bundeskanzlers doch nur mit sehr beklemmenden Gesichtern von den Mitgliedern seiner eigenen Fraktion verfolgt wurden,
dann hat der Bundeskanzler hier das Bild eines Mannes zu bieten versucht
— Ihre Witze, Herr Wehner, werden immer kümmerlicher; das tut mir wirklich leid; aber machen Sie ruhig so weiter, Sie sind ein sicheres Atout für uns —, der ein treuer Sachwalter der deutschen Interessen ist und der Mut hat, der vor allem — —
— Meine Damen und Herren, warten Sie ab. — Der Bundeskanzler präsentiert sich hier als ein Mann, der vor allem den Mut zur Ehrlichkeit hat.
Meine Damen und Herren, aber davon kann doch niemand wirklich beeindruckt sein, der ein Gedächtnis, ein Erinnerungsvermögen besitzt, welches mehr als drei Monate zurückreicht.
Heute empfiehlt der Bundeskanzler Steuererhöhungen und Leistungskürzungen. Früher haben wir etwas ganz anderes aus seinem Munde gehört. Als Finanzminister sagte er am 3. April 1973 in seiner Haushaltsrede
— warten Sie einmal ab, Herr Kollege Wehner —:Die Finanzen des Bundes sind in Ordnung, und die Bürger unseres Landes können sich darauf verlassen, daß dies so bleibt.
Jetzt muß der Bundeskanzler ein Programm zur Sanierung zerrütteter Staatsfinanzen vorlegen.Am 17. Mai 1974 — das liegt knapp anderthalb Jahre zurück — erklärte der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung:Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, die Mehrwertsteuer zu erhöhen ...
Wir schließen ... die Beschränkungen von Leistungsansprüchen aus, die den Bürgern gesetzlich zugesichert sind.Jetzt — nur ein Jahr und vier Monate später — schlägt derselbe Bundeskanzler die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 11 auf 13 % vor.Noch am 11. Mai dieses Jahres — das liegt eben nur wenig mehr als drei Monate zurück — erklärte der Bundeskanzler im Deutschlandfunk:Die finanzwirtschaftliche Situation des Jahres 1975 macht mir überhaupt keine Sorge.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12899
Dr. Carstens
Das Jahr 1975, in dem wir gegenwärtig leben, macht finanzwirtschaftlich keine ernsten Schwierigkeiten.Zweieinhalb Monate später beschließt das Kabinett einen Nachtragshaushalt für 1975, der bei einem Gesamtvolumen der Ausgaben von 161 Milliarden DM eine Neuverschuldung von fast 38 Milliarden DM vorsieht. Um das zu verdeutlichen — 38 Milliarden DM, das ist eine große Zahl, und viele unserer Bürger ermessen gar nicht richtig, was das ist —: Jeden Tag, Sonn- und Feiertage eingeschlossen, macht diese Bundesregierung 100 Millionen DM neue Schulden,
jede Stunde 4 Millionen DM neue Schulden. Das bedeutet ein Defizit von 38 Milliarden DM!
Auf Grund der riesigen Kreditanforderungen durch den Bund, die Länder und die Gemeinden ist der Kapitalmarkt in Unordnung geraten. Nur Milliardeninterventionen der Bundesbank haben bisher massive Zinssenkungen verhindert.Als ebenso falsch wie die Voraussagen des Bundeskanzlers über die Entwicklung der Bundesfinanzen haben sich seine Konjunkturprognosen erwiesen. Charakteristisch sind seine Ausführungen in den Landtagswahlkämpfen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland.
Unzählige Male sagte er den Aufschwung für den Frühsommer voraus.
Noch am 3. Mai erklärte er gegenüber der „Neuen Rhein-Zeitung":Gar kein Zweifel, die gröbsten Sorgen liegen hinter uns.
Es geht jetzt nicht mehr bergab, es geht jetzt eindeutig aufwärts. Die aufwärtsgerichteten Zeichen mehren sich. Der Tiefstpunkt der Konjunktur ist durchschritten. Ich bleibe also bei meiner Frühsommer-Prognose.
Meine Damen und Herren! Mit diesen Erklärungen hat sich der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland einer massiven Täuschung der Bürger und Wähler in unserem Lande schuldig gemacht.
Jetzt sagt er in aller Unbefangenheit: Das war ein Irrtum. — Ja, meine Damen und Herren, was heißt das denn, wenn sich der Bundeskanzler so von einer seiner zentralen Aussagen noch vor vier oder fünf Monaten distanziert, daß er einfach sagt: „Das war ein Irrtum"? Dann, meine ich, wäre es an der Zeit, daß ein Mann, der sich in einer so wichtigen Phase so fundamental geirrt hat und Tausende und Millionen Bürger in dieser Weise hinters Licht geführt hat,daraus auch die persönlichen Konsequenzen ziehen würde!
Aber, meine Damen und Herren, nicht nur davon ist ja gar keine Rede, sondern die Politik der Täuschung der Bürger und der Wähler in unserem Lande wird ja ganz systematisch fortgesetzt.
Der Bundeskanzler zeichnet auch jetzt, heute hier in seiner Rede, ein völlig falsches, einseitiges Bild von den Ursachen der Wirtschafts- und der Finanzkrise, in der wir uns befinden.
Es ist falsch, wenn der Bundeskanzler sagt, das Scheitern der Politik der SPD-FDP-Koalition sei primär eine Folge der weltweiten Rezession. Und da hilft auch gar keine Polemik gegen Ministerpräsident Kohl, unseren Parteifreund, den Vorsitzenden der CDU und den gemeinsamen Kanzlerkandidaten von CDU und CSU.
Kohl hat mit keinem Wort — und keiner von uns hat das jemals getan — die Beziehungen, die Verbindungen in Abrede gestellt, die zwischen unserer Wirtschaft und der Weltwirtschaft bestehen. Der Punkt ist doch der, daß wir seit Jahr und Tag sagen — und ich werde das gleich noch im einzelnen darlegen —, daß diese weltwirtschaftlichen Verknüpfungen nicht die Hauptursache der derzeitigen Krise sind.
— Denn wenn Sie so argumentieren, Herr Kollege Ehrenberg, sollten Sie wenigstens den Mut haben, zu sagen, daß die positive Seite der Verflechtungen der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland mit der Weltwirtschaft noch im vergangenen Jahr voll durchgeschlagen hat. Wir hätten schon im vorigen Jahr mehr als eine Million Arbeitslose gehabt, wenn nicht damals unsere Konjunktur vom Ausland her durch einen Rekord-Export-Boom von 50 Milliarden DM gestützt worden wäre.
Aber gegenüber den hier aufgestellten falschen Behauptungen möchte ich ein Gremium zitieren, dessen Unparteilichkeit wohl bei allen außer Zweifel stehen wird. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministers — des jetzigen Bundesfinanzministers wie zugleich auch der früheren — hat das riesige Staatsdefizit zur Hälfte — zur Hälfte! — als strukturbedingt bezeichnet und hat den Grund für dieses Staatsdefizit — ich zitiere jetzt wörtlich —
„in den übermäßigen Ausweitungen der Staatsausgaben" , in „unwirtschaftlichen Programmen"
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12900 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Carstens
und „in der häufigen Nichtbeachtung gebotener Sparsamkeit" erblickt.
Das krasseste Beispiel, das uns allen vor Augen steht,
ist doch wohl in dieser Beziehung die Behörde des Bundeskanzlers selbst, das Bundeskanzleramt. Als die CDU/CSU aus diesem Amte auszog, hatte es 260 Mitarbeiter. Heute hat es 430 Mitarbeiter. Und weil natürlich die 430 Mitarbeiter irgendwo untergebracht werden mußten, war ein Neubau erforderlich, der den deutschen Steuerzahler 100 Millionen DM kostet. Und weil dieser Neubau natürlich Folgekosten hat, wird z. B. der Heizungskostenanschlag für das neue Gebäude auf 500 % des alten geschätzt.
— Versuchen Sie doch nicht, diese und viele andere offenkundige Verstöße gegen die Gesetze der Sparsamkeit damit zu vertuschen, daß Sie sagen, alles geht auf die Weltwirtschaftrezession zurück.
Damit können Sie doch überhaupt keinen Menschen mehr überzeugen.Aber nicht nur Ihre Finanzpolitik war fehlerhaft, Ihre Wirtschaftspolitik war es genauso, und zwar die Wirtschaftspolitik, für die der jetzige Bundeskanzler als damaliger Finanzminister eine entscheidende Mitverantwortung trug. Sie haben jahrelang, von 1969 bis 1973, Inflationspolitik betrieben nach dem Motto:
5 % Inflation sind mir lieber als 5 % Arbeitslosigkeit. Damit sind Sie einem fundamentalen volkswirtschaftlichen Irrtum zum Opfer gefallen. Ich darf Ihnen vielleicht einen Satz vorlesen, den Günter Schmölders, immerhin einer der angesehensten deutschen Volkswirtschaftler, vor einigen Tagen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geschrieben hat. Er sagt dort:Arbeitslosigkeit und Inflation sind eben nicht zwei miteinander austauschbare Übel, zwischen denen die Wirtschaftspolitik wählen kann, sondern beide zugleich Folgen einer verfehlten Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist der Punkt. Wir haben jetzt alle miteinander auszubaden, daß vier Jahre lang eine solche verfehlte Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik getrieben wurde, geleitet von der falschen Vorstellung, man könne die Arbeitsplätze durch Inflation sicher machen.Jetzt ist der Bundeskanzler im Begriff, den zweiten fundamentalen Fehler zu begehen. Jetzt, wo wir wirklich in einer tiefen Rezession sind, wo es über eine Million Arbeitslose in unserem Lande gibt, versucht diese Bundesregierung, uns durch Steuererhöhungen aus der Schwierigkeit, in der wir uns befinden, herauszuholen. Das ist genau der verkehrte Weg.
Aber Sie sind nicht nur von der Opposition gewarnt worden, Herr Bundeskanzler, Sie sind aus Ihren eigenen Reihen gewarnt worden.
Der demonstrative Rücktritt Ihres Fraktionskollegen Alex Möller im Jahre 1971 und — ein Jahr später — der Rücktritt des damaligen Finanzministers Schiller hätten Ihnen zu denken geben können. Schiller bezeichnete die damals zu erwartenden Defizite im Bundeshaushalt ausdrücklich — ich zitiere ihn wörtlich — „als finanzpolitisch und gesamtwirtschaftlich nicht vertretbar". Aber das wurde alles beiseite geschoben, es wurde in der falschen Richtung weiter kräftig Politik gemacht. Letztlich, meine Damen und Herren, ist die Finanzkrise, in der wir uns jetzt befinden, die zwangsläufige Folge der falschen sozialistischen Zielvorstellung,
daß nämlich je mehr der Staat mache, dies desto besser für die Bevölkerung sei.
Immer mehr Aufgaben auf den Staat! Mit jedem Reformprojekt, das uns hier vorgelegt wurde, war eine Ausweitung des Staatsanteils am Bruttosozialprodukt, war eine Ausweitung der Personalausgaben verbunden mit der Folge, so daß die Staatsquote jetzt 47 % des Bruttosozialprodukts ausmacht; vor fünf, sechs Jahren waren es noch 37 %. Hier liegen die tieferen Ursachen der Schwierigkeiten und der Krise, in der wir uns befinden. Die Zahl der öffentlich Bediensteten stieg — jetzt alle öffentlichen Körperschaften zusammengenommen — in der Zeit von 1970 bis 1973 um 16 %.Aber dazu kommt eine weitere Ursache für unsere derzeitige Krise, die Sie und Ihre Partei zu verantworten haben. Es kommt nämlich hinzu die jahrelange, systematische Verunglimpfung der Unternehmer und der Wirtschaft als der Profitmacher, als der Ausbeuter und wie das alles geheißen hat.
Heute sagen Sie, man muß unterscheiden, man muß wohl unterscheiden zwischen den Unternehmen einerseits — die verdienen Förderung, die müssen Gewinne machen — und den Unternehmern, unter denen es — Sie haben sich da für Ihre Verhältnisse sehr vornehm ausgedrückt — diesen oder jenen gibt, der sich vielleicht noch einmal etwas Besseres einfallen lassen könnte. Aber meine Damen und Herren, das war doch in den zurückliegenden Jahren nicht die Linie der SPD. Wer hat denn davon gesprochen, daß man die Belastbarkeit der Wirtschaft testen müßte? Wer hat denn systematisch den Staatsanteil am Bruttosozialprodukt heraufzuschrauben versucht? Wer war es? Niemand anders als maßgebliche Per-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12901
Dr. Carstens
sönlichkeiten auf der Sozialdemokratischen Partei! Und wenn Sie einer Unternehmerschaft, einer Wirtschaft, die auf den Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft groß und blühend geworden ist, jede Woche einmal vorhalten, sie sei ein Ausbeuter, sie lasse sich von Profitgier leiten, man müsse diese oder jene Unternehmensbranche so schnell wie möglich verstaatlichen, man müsse ihre Investitionen lenken, so ist natürlich die Folge, daß Sie eine riesige Unsicherheit in diesem Lande erzeugen. Das ist doch so klar wie überhaupt nur igrend etwas.
Alles das geschah und geschieht mit Duldung der FDP.
Führende Repräsentanten dieser Partei benutzen zwar jede sich bietende Gelegenheit, um diese Entwicklung zu verurteilen, ziehen daraus aber, soweit ich es sehe, keine anderen als verbale Konsequenzen. Der Herr Kollege Bangemann, der noch vor einigen Tagen Einsparungen in einer Größenordnung von 5 bis 7 Milliarden DM für das Jahr 1976 forderte, mußte sich von Herrn Apel bescheinigen lassen, daß die Meinungsäußerung, die ein einzelner Herr ohne Auftrag in die Welt gesetzt habe, eben nicht verbindlich sei.
Die Kette der Täuschungen und der Irreführungen wird mit den uns vorgelegten Vorlagen fortgesetzt. Irreführend ist die Bezeichnung dieser Vorlagen als Sparprogramm.
Es ist in erster Linie ein Programm zur Erhöhung der Steuern und Abgaben.
Da hat nun allerdings der Herr Bundeskanzler in seiner Rede vorhin ein geradezu verblüffendes Kunststück in der Manipulation mit Zahlen vorgelegt. Ich möchte Ihnen, Herr Bundeskanzler, entgegen den Zahlen, die Sie hier verlesen haben, das vorhalten, was in dem Bulletin der Bundesregierung unter dem 2. September 1975 veröffentlicht ist. Da wird von Maßnahmen zur Verbesserung der Haushaltsstruktur und zur Verminderung der Kreditaufnahmen für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung gesprochen. Das ist der Zeitraum von 1976 bis 1979. Sie machen immer im Jahre 1978 Schluß; ich kann schon verstehen, warum Sie das tun. Aber das ist doch keine sachgerechte Unterrichtung des Parlaments. Diese findet man im Bulletin der Bundesregierung. Da sieht man, daß für diesen Zeitraum von 1976 bis 1979 Ausgabenverminderungen von insgesamt 19 Milliarden DM und Einnahmesteigerungen in einer Größenordnung von 51 Milliarden DM veranschlagt werden. Es ist also genau umgekehrt, als Sie es hier vorgetragen haben.
Herr Bundeskanzler, ich weiß nicht, wer Ihnen Ihre Reden vorbereitet. Ich würde aber von dieserStelle aus gern einen Rat geben wollen: Sagen Sie denen, daß sie wenigstens innerhalb derselben Rede versuchen sollten, konsequent, konsistent und widerspruchsfrei zu bleiben.
Ich möchte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf folgendes hinweisen. Wenn der Bundeskanzler argumentiert, wie gering die Steuererhöhungen in den nächsten Jahren sein werden, dann veranschlagt er für das Jahr 1977 ein Mehraufkommen bei der Mehrwertsteuer von 8,5 Milliarden DM. Wenn er aber nachweisen will, daß durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer die Vorteile der Steuerreform, die am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist, nicht wieder weggenommen werden, sondern daß der größere Teil dieser Reform im Ergebnis erhalten bleibt, dann sagt er — in derselben Rede, die er soeben hier gehalten hat —: Von den 15 Milliarden DM Steuererleichterungen werden durch die Mehrwertsteuer für das Jahr 1977 10 Milliarden DM weggenommen. Meine Damen und Herren, hier wird das Mehraufkommen an Mehrwertsteuer in zwei Sätzen einerseits mit 8,5 Milliarden DM und andererseits mit 10 Milliarden DM veranschlagt.Etikettenschwindel ist es auch, wenn uns dieses Programm unter der Überschrift „Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur" vorgelegt wird. „Verbesserung der Haushaltsstruktur" würde doch bedeuten, daß der Anteil der investiven Ausgaben am Bundeshaushalt erhöht werden müßte. Das ist es doch, was jeder Mensch unter „Verbesserung der Haushaltsstruktur" versteht. Statt dessen werden die Investitionsausgaben kräftig gekürzt, und im Ergebnis wird die Investitionsquote sogar geringer werden.
Dies widerspricht dem vordringlichen Ziel einer Wiederbelebung der Wirtschaft und der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, ohne die eine dauernde Überwindung auch der Finanzmisere nicht möglich ist. Es ist widersinnig, wenn Milliardenbeträge für ein Millionenheer von Arbeitslosen gezahlt werden müssen, für die Investitionen aber, die das wichtigste Mittel zur Überwindung der Arbeitslosigkeit sind, die erforderlichen Mittel fehlen oder eingespart werden.
Ebenso falsch — ich sagte es schon —, wie die Investitionen zu drosseln, ist es, Steuern zu erhöhen. Dabei ist schon jetzt absehbar, daß die Mehrwertsteuererhöhung, die 1977 in Kraft treten soll, nicht einmal die finanzpolitischen Probleme des Jahres 1977 wird lösen können.
Im übrigen: Warum soll eigentlich die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 1977 in Kraft treten? Der Bundeskanzler sagt: Weil das dann in die konjunkturelle Landschaft hineinpassen wird.
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12902 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Carstens
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Woher wollen Sie das wissen, gerade Sie, der Sie sich vom Mai dieses Jahres bis zum Frühsommer dieses Jahres in so fundamentaler Weise über den voraussichtlichen Ablauf der Konjunktur getäuscht haben?
Meine Damen und Herren, der wahre Grund für die Inkraftsetzung der Erhöhung der Mehrwertsteuer am 1. Januar 1977 kann doch nur einem ganz naiven Menschen verborgen bleiben. Der wahre Grund ist der, daß im Oktober 1976 die Bundestagswahlen stattfinden und man den Bürger vorher nicht spüren lassen will, was man ihm zugedacht hat. Das nenne ich in der Tat auch eine Täuschung des Wählers und des Bürgers.
Ich will Ihnen jetzt noch ein paar Zitate, Herr Bundeskanzler, von Ihnen selbst und von Ihren Parteifreunden zum Thema Erhöhung der Mehrwertsteuer vorhalten, denn ich glaube, die deutsche Bevölkerung, die deutsche Öffentlichkeit, hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, in welcher Weise dieser Bundeskanzler mit Meinungen und Zahlen manipuliert, je nachdem, wie dies in die jeweilige politische Landschaft hineinpaßt.
Laut einer dpa-Meldung vom 9. Mai 1974 bezeichneten Sie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer als einen „Betrug am kleinen Mann".
Minister Apel sagte Ende August des vorigen Jahres in Hamburg-Wandsbek, er hielte es für ausgeschlossen, daß eine sozialdemokratische Regierung zum Ausgleich für die Entlastungen durch die Steuerreform andere Steuern, z. B. die Mehrwertsteuer, erhöhen würde.
Dazu die Begründung des Herrn Bundesministers Apel: „Für Sozialdemokraten wäre dies ein schlechter Witz, und schlechte Witze machen wir nicht.
Wir denken nicht daran, den Bürgern mit der einen Hand zu geben und mit der anderen Hand zu nehmen. Das wäre nicht nur unsozial, das wäre unseriös."
Am 3. Juli dieses Jahres sagte derselbe Finanzminister: „Im gegenwärtigen Zeitpunkt Steuererhöhungen zu avisieren heißt in der Tat, die Rezession zu verstärken und zu vertiefen."Ja, meine Damen und Herren, was soll denn das deutsche Volk von einer Regierung halten, die sich in einer so fundamentalen Weise von einem Monat zum anderen Monat widerspricht? Damit geht doch jede Vertrauensgrundlage verloren!
Jetzt beruft sich der Bundeskanzler zur Begründung der von ihm ins Auge gefaßten Erhöhung der Mehrwertsteuer auf eine Kommission, die Franz Josef Strauß als damaliger Finanzminister eingesetzt hat. Ja, meine Damen und Herren, wohin sind wir gekommen? Jetzt klammert sich der Bundeskanzler in seiner höchsten Not an Franz Josef Strauß!
Aber es ist gar nicht der wirkliche Strauß, an den er sich klammert; es ist nur ein vermeintlicher Strauß.
Denn die Kommission, von der hier die Rede war, hat zwar, Herr Kollege Wehner, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ins Auge gefaßt, aber verlangt, daß zum Ausgleich dafür eine Umschichtung, d. h. eine Entlastung auf anderen Gebieten, folgen müsse.
Gewerbesteuer war das wichtigste Stichwort zur damaligen Zeit. Wo bleibt hier Ihre Berufung auf diese Kommission, Herr Bundeskanzler? Hier hätten Sie vielleicht die Zitate, die Sie verwenden, etwas genauer prüfen sollen.Die Einwände gegen die Beitragserhöhung bei der Arbeitslosenversicherung gehen in die gleiche Richtung. Ich brauche eigentlich, um unseren Standpunkt darzulegen,
nur das zu zitieren, was die Mitglieder der Regierung selbst in den letzten ein bis zwei Jahren gesagt haben.
Am 16. Januar 1975 sagte Bundesminister Arendt, daß bei dem gegenwärtigen Einkommensniveau die Belastbarkeit der Versicherten mit Beiträgen fast erreicht sei. Zwischenzeitlich hatten wir schon Beitragserhöhungen bei der sozialen Krankenversicherung. Jetzt kommt die Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 1976 dazu.Steuer- und Beitragserhöhungen behindern zu diesem Zeitpunkt den Aufschwung, statt daß er, was dringend notwendig ist, gefördert wird. Steuer- und Beitragserhöhungen sind der falsche Weg zur Überwindung der Krise. Ausgabekürzungen dagegen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Wir sagen zu, daß wir alle Vorschläge der Regierung sorgfältig und konstruktiv prüfen werden
und daß wir bereit sind, auch unpopuläre Entscheidungen mitzutragen. Ja, wir gehen sogar noch einenSchritt weiter und verlangen von der Bundesregie-
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Dr. Carstens
rung, daß sie weitere Einsparungsvorschläge vorlegt. Herr Bundeskanzler, so einfach können Sie es sich nicht machen, daß Sie sagen: Wenn die CDU/ CSU weitere Einsparungsvorschläge fordert, dann heißt das, daß sie am Verteidigungsetat oder am Sozialetat kürzen will. Davon kann überhaupt keine Rede sein.
Setzen Sie eine Kommission ein, die Posten für Posten im Haushalt prüft;
Sie werden erleben, daß in diesem Haushalt große Reserven stecken.
Lassen Sie sich doch Ihr eigenes Verhalten entgegenhalten, meine Damen und Herren: Erst in der Kabinettssitzung, so wird uns berichtet, hat ein Staatssekretär erklärt, er bekomme Kindergeld für einen achtzehnjährigen Sohn, der selbst ein ganz gutes Einkommen als Referendar habe. Da hat die erstaunte Runde gefragt: Wie ist denn das möglich? und hat in der Tat einen Posten zur Einsparung in der Größenordnung von 180 bis 200 Millionen DM gefunden. Den finden wir jetzt vor uns auf dem Tisch. Das zeigt doch, wie unsolide hier wieder einmal gearbeitet worden ist.
Natürlich, ich verstehe Ihre Lage, Herr Bundeskanzler; ich bin auch nicht ohne menschliches Mitgefühl mit Ihnen.
Ich verstehe, daß Sie sich an jeden Strohhalm anklammern, der an Ihnen in dem wilden Strom der Zeit vorbeizieht.
Nein, — ich meine jetzt einen anderen, verehrter Herr Kollege Wehner.
Ich meine einen Mitarbeiter der Fraktion, der in der Tat Gedanken entwickelt hat, wie man Einsparungen vornehmen könnte. Niemals hat sich die CDU/ CSU-Fraktion
diese Erwägungen zu eigen gemacht. Sie hat sie nicht in Auftrag gegeben. Es handelt sich um die selbständige Arbeit eines Mannes, der manches Nützliche in der Vergangenheit getan hat.
Es hat überhaupt nichts — ich sage das hier mit aller Klarheit und mit aller Entschiedenheit — mit der Politik der CDU/CSU zu tun.
Deswegen, meine Damen und Herren, ersparen Sie sich bitte die ständigen Hinweise auf dieses sogenannte Papier.Aber bevor ich zu der Darstellung der Position der CDU/CSU komme,
möchte ich doch ganz gerne noch ein paar Worte über das Verhältnis von Regierung und Opposition grundsätzlich sagen. Auch da möchte ich wieder ein paar Jahre zurückgreifen. Das erweist sich immer als nützlich.Der heutige Bundeskanzler, damaliger Abgeordneter der Opposition, erklärte im Jahre 1965 von derselben Stelle, von der er heute gesprochen hat — ich zitiere —:Es steht nirgendwo geschrieben, daß die Opposition dabei helfen soll, eine Regierung aus einer Zwickmühle herauszuholen, in die sie sich selbst hineinmanövriert hat.
Ich würde Ihnen empfehlen, diesen Text jeden Morgen, bevor Sie aufstehen, Herr Bundeskanzler, einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Herr Kollege Wehner, der bekanntlich die appetitlichen Vergleiche besonders liebt, sagte am 23. November 1965 ebenfalls von dieser Stelle aus:
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12904 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Carstens
und zwar deshalb, um die Bürger dieses Landes vor weiterem Schaden zu bewahren und dafür zu sorgen, daß diese Regierung im nächsten Jahr durch eine andere Regierung abgelöst wird.Ihre Polemik, Herr Bundeskanzler, gegenüber der Bundesratsmehrheit ist völlig fehl am Platze. Sie wissen genau, daß ohne die ausgleichende Funktion des Bundesrats die finanzielle Krise noch viel größer wäre, weil eine Reihe von ausgabewirksamen Gesetzen noch viel voluminöser ausgefallen wäre, als das der Fall ist. Sie wissen auch ganz genau, daß ein Teil der sozialdemokratisch regierten Länder im Bundesrat mit den CDU/CSU-regierten Ländern zusammen für größere Sparsamkeit eingetreten ist. Umgekehrt haben die CDU/CSU-regierten Länder im Bundesrat Vorlagen trotz schwerster Bedenken mitgetragen. Ich erinnere nur an die Steuerreform. Sie können also nicht wahlweise der Bundesratsmehrheit Obstruktion vorwerfen und sie im gleichen Atemzug verantwortlich machen für die Gesetze, die die Bundesratsmehrheit hat passieren lassen und für die Sie, Herr Bundeskanzler, die Verantwortung tragen.Nun habe ich mit großem Interesse wahrgenommen, daß Sie — offenbar zur Begründung Ihrer Vorlage; der Zusammenhang war nicht ohne weiteres erkennbar — eine Abschweifung in die Richtung der Außenpolitik unternommen haben. Meine Damen und Herren, es ist seit Tausenden von Jahren, würde ich sagen, ein bewährtes Mittel der Politik einer Regierung, die in innenpolitische Schwierigkeiten gerät, ihre Zuflucht zu außenpolitischen Erfolgen zu nehmen. Nur, es müssen dann auch Erfolge sein.
Herr Bundeskanzler, daß Sie sich unterfangen wollen, den Abschluß der deutsch-polnischen Vereinbarungen als einen Erfolg Ihrer Politik darzustellen, das allerdings übersteigt alles Vorstellbare.
Dieses Abkommen ist doch ein eindeutiger Beweis für den Fehlschlag der Ostpolitik.
Wie war es denn 1970, als der Warschauer Vertrag geschlossen wurde?
Damals wurde uns doch zugesagt, daß die Deutschen, die in Polen und in den Ostgebieten leben, in die Bundesrepublik Deutschland sollten ausreisen dürfen. Dann sind zwar einige Zigtausende ausgereist — Sie haben eine Zahl genannt —, aber im Jahre 1974 wurde doch dieser Strom abrupt unterbrochen, im Jahre 1974 kamen doch viel weniger Aussiedler hierher als in den zehn Jahren vor Abschluß des Warschauer Vertrages. Das ist doch ein geradezu klassischer Beweis für die Unzulänglichkeit dieser deutschen Ostpolitik,
daß Sie zwar Ihre eigenen Leistungen in vertraglichgesicherter Form erbringen, daß Sie sich aber diejeweiligen Gegenleistungen des Partners nicht einwandfrei absichern lassen.So stehen wir vor der traurigen Tatsache, daß Sie uns wegen eines Fehlers dieser Koalition im Jahre 1970 jetzt vorschlagen, diesen Fehler wiedergutzumachen, indem nochmals 2,3 Milliarden DM gezahlt werden. Das allerdings ist eine sehr schwache Krücke, Herr Bundeskanzler — wenn das alles ist —, auf die Sie sich zum Ausgleich Ihrer innenpolitischen Schwierigkeiten und zur Verteidigung der von Ihnen verschuldeten innenpolitischen Lage stützen wollen.Ich möchte nicht mißverstanden werden: Die CDU/CSU ist für den Ausgleich mit Polen,
insbesondere für den Ausgleich mit dem polnischen Volk.
Das ist ein Ziel, welches die CDU/CSU über 20 Jahre hinweg verfolgt hat, Herr Kollege Wehner. Aber zu unseren Vorstellungen gehört es nicht, daß wir der polnischen Regierung jeweils die Beträge zahlen, die sie von uns verlangt.
Herr Bundeskanzler, Sie haben die Ostverträge und das Ereignis von Helsinki auch in diesem Zusammenhang wieder als entscheidende Beiträge zur Sicherung des Friedens gefeiert. Ist Ihnen vollständig entgangen, Herr Bundeskanzler, daß die Aufrüstung trotz der Ostverträge und trotz Helsinki weitergeht, daß in den Verhandlungen über MBFR und SALT nicht die leisesten Fortschritte erkennbar sind? Das sind doch die wirklichen Bedrohungen des Friedens. Auf sie müßte man eingehen, wenn man die Dinge richtig darstellen will.Schließlich haben Sie, Herr Bundeskanzler, einen Ausflug in die deutsche Geschichte unternommen. Ich weiß auch nicht, weshalb Sie das taten.
Ich kann die Begründung in diesem Zusammenhang gar nicht erkennen. Aber offenbar wollten Sie damit sagen, daß Sie es besser machen wollen als die Männer, die 1930 in Deutschland, im Deutschen Reich regiert haben.
Ich möchte Ihnen, meine hochverehrten Damen und Herren, dazu folgende sachlich richtige Darstellung geben.Am Mittag des 27. März 1930 legte zu dem Streit um Erhöhung der Arbeitslosenversicherung der damalige Vorsitzende der Zentrumsfraktion, Brüning, einen Kompromißvorschlag vor, der einen gangbaren Mittelweg hätte darstellen können. Von den Koalitionsparteien stimmten Zentrum, Demokraten und schließlich auch die Deutsche Volkspartei zu. Von der SPD-Fraktion stimmten der SPD-
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Dr. Carstens
Reichskanzler Müller und zwei weitere SPD-Mitglieder zu.
Aber die Mehrheit der SPD-Fraktion folgte dem Arbeitsminister Wissel und lehnte diesen Vorschlag ab. Damit waren die Gegensätze unüberbrückbar geworden. Noch am gleichen Tage erklärte das Kabinett Müller seinen Rücktritt. — Meine Damen und Herren, so war es in Wirklichkeit!
Meine Damen und Herren, es hat wirklich manches für sich, daß diese Debatten öffentlich übertragen werden. Während ich dort saß, hat mich ein Bürger, der die damaligen Verhältnisse und die damaligen Ereignisse miterlebt hat, angerufen und mir diese Mitteilung zugeleitet.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen.1. Die CDU/CSU fordert von der Regierung das rückhaltlose Eingeständnis der Ursachen für die Zerrüttung der Staatsfinanzen und die rückhaltlose Darlegung des Ausmaßes der Krise. Die Karten müssen offen auf den Tisch. Denn nur auf Grund einer richtigen Diagnose ist eine richtige Therapie möglich. Nur so können die Wirtschaft wiederbelebt, Arbeitslosigkeit beseitigt und unsere Staatsfinanzen saniert werden. Nur wenn wir und unser Volk wissen, wo wir wirklich stehen, können wir Verständnis für die notwendigen Maßnahmen verlangen. Das hat mit Rechthaberei nichts zu tun, sondern eine richtige Diagnose ist die unerläßliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie.
2. Die CDU/CSU-Fraktion wird alle Vorschläge der Regierung zur Kürzung von Ausgaben und zum Abbau von Subventionen prüfen. Sie ist bereit, auch unpopuläre Entscheidungen mitzutragen, wobei wir uns aber selbstverständlich vorbehalten, in bestimmten Bereichen die Einsparungen anders als die Regierung anzusetzen.3. Wir erwarten von der Bundesregierung weitere Einsparungsvorschläge, nachdem die wiederholten Behauptungen der Bundesregierung, der Spielraum sei ausgeschöpft, jeweils kurz darauf von ihr selber Lügen gestraft wurde.
4. Wir fordern nachhaltige Bemühungen der Bundesregierung um eine Vereinfachung der Gesetzgebung und zur Entlastung der Verwaltung. Bei den Personal- und Sachkosten müssen erheblich größere Einsparungen als bisher geplant und durchgeführt werden. Meine Damen und Herren, indem wir dies fordern, nehmen wir in überhaupt keiner Weise gegen die öffentlichen Bediensteten oder gar gegen die Beamten Stellung. Es ist nicht die Schuld der Beamten, daß sich der Verwaltungsapparat ständigweiter aufbläht, sondern es ist die Schuld des Gesetzgebers, hier der Koalitionsfraktionen.
5. Manche Aufgaben, die der Staat an sich gezogen hat, können von der privaten Wirtschaft besser und billiger erfüllt werden. Das gilt nicht nur für den kommunalen Bereich. Wir erwarten dazu konkrete Vorschläge der Bundesregierung.6. Wir fordern die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen auf, bis zur Sanierung der Staatsfinanzen keine neuen ausgabeerhöhenden Gesetze vorzulegen. Eine grundsätzliche Ausnahme gilt nur für die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungsanpassungen. Wir selbst sind in der Vergangenheit auf diesem Wege vorangegangen.7. Wir haben jetzt den Beschluß gefaßt, sämtliche von uns eingebrachten finanzwirksamen Gesetzesinitiativen zurückzuziehen. Wir verzichten damit in dieser Legislaturperiode auf wichtige gesellschaftspolitische Anliegen der CDU/CSU, weil wir uns der Verantwortung stellen, die öffentlichen Finanzen zunächst wieder in Ordnung zu bringen.
Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß wir auf die politischen Zielvorstellungen, die mit diesen Anträgen verbunden sind, verzichten.8. Weil ohne Wiederbelebung der Wirtschaft und die Überwindung der Arbeitslosigkeit die Sanierung der Staatsfinanzen nicht gelingen kann, muß die Investitionstätigkeit der Betriebe gefördert werden. Wir fordern ein Programm zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Überwindung der Arbeitslosigkeit, das auch steuerliche Anreize für Investitionen einschließen sollte.Wir stellen mit Erstaunen fest, daß auch maßgebliche Persönlichkeiten der FDP solche Gedanken noch vor ganz kurzer Zeit ganz offen ausgesprochen haben. Wir haben das begrüßt. Nur finden wir kein Wort davon in den uns jetzt vorgelegten Vorschlägen.
Ja, meine Damen und Herren, da wird uns gesagt, das hänge mit dem Mannheimer Parteitag der SPD zusammen; man könne es den linken SPD-Leuten nicht zumuten, daß man so etwas vor dem Parteitag macht; das solle nach dem Parteitag gemacht werden. — Aber wohin sind wir denn gekommen, meine Damen und Herren, wenn eine Regierung in eine solche Abhängigkeit von einer extrem linken Gruppe gerät, die sich auf einem politisch als völlig falsch zu bezeichnenden Wege befindet, daß diese Regierung nicht in der Lage ist, das Notwendige jetzt zu tun?
Die CDU/CSU vertraut auf die selbstheilenden Kräfte unserer marktwirtschaftlichen Ordnung, unserer, ich sage es, sozial verpflichteten marktwirtschaftlichen Ordnung, zur Überwindung der gegenwärtigen Krise. Wir vertrauen auf die Fähigkeit der Unternehmer, sich den gegebenen schwierigeren
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12906 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Carstens
Verhältnissen anzupassen. Wir vertrauen auf die Tüchtigkeit des deutschen Arbeitnehmers.Damit sich aber diese Kräfte entfalten können, braucht doch dieses Land eine Regierung, welche die Voraussetzungen für die Wiederbelebung der Wirtschaft und die Überwindung der Arbeitslosigkeit schafft, anstatt, wie es die jetzige Regierung tut, durch Steuererhöhungen die Chance eines Aufschwunges abzudrosseln. Dieses Land braucht eine Regierung, auf deren Wort man bauen kann,
und nicht eine Regierung, die in kurzer Zeitfolge einander widersprechende Erklärungen abgibt, welche die Bürger täuscht, wenn sie sich davon einen kurzfristigen Erfolg verspricht.Dieses Land braucht auch eine Regierungsmehrheit, die in den zentralen Fragen der Wirtschafts- und Ordnungspolitik an einem Strang zieht, und nicht eine Regierungsmehrheit, von der ein Teil die soziale Marktwirtschaft verteidigt, jedenfalls verbal, während ein anderer Teil dabei ist, die Grundlagen zu zerstören, auf denen sich nach 1949 ein beispielloser wirtschaftlicher Aufschwung und eine beispiellose Entwicklung hin zu einem freien sozialen Rechtsstaat in unserem Lande vollzogen hat.
Eine solche Regierung, eine solche Regierungsmehrheit hat dieses Land nicht. Die CDU und die CSU werden alles in ihren Kräften Stehende tun, damit hier alsbald der notwendige Wandel eintritt.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich diesem Hause meine Ausführungen für die Sozialdemokraten in Deutschland vortrage, möchte ich der Bundesregierung unseren, den sozialdemokratischen Respekt vor der Redlichkeit, vor dem Mut,
vor der Logik, vor der Gewissenhaftigkeit sagen,
den Menschen (in unserem Vaterlande jetzt in dieser Zeit so umfänglich, so ungeschminkt und so weitsichtig zu sagen, mit welchen Mitteln, mit welchen Instrumenten wir aus der Lage herauskommen können, die weder die Politik in diesem Lande noch die Menschen in diesem Lande verschuldet haben.
Ich möchte auf eine Bemerkung, die allerdings nicht für mein Ohr bestimmt war, reagieren. Sie lautete — wenn ich sie richtig verstanden habe —, dies sei kein Arbeitervertreter. Dazu sei dies bemerkt. Der gewerkschaftlich organisierte sozialdemokratische Parlamentarier Schmidt, den Sie, wenn Sie wollen, jetzt hören können, wird seine Solidarität zu den Arbeitslosen und Kurzarbeitern im Lande durch besonderes Verantwortungsbewußtsein zu demonstrieren versuchen.
Ich muß auch meinem verehrten Vorredner, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, noch ein paar Gedanken vortragen. Ich hatte gehofft, daß sich Formeln, die man in der Presse von Parteitagen und anderswo lesen kann, in diesem Hause nicht wiederholen würden. Aber auch da bin ich enttäuscht worden. Herr Carstens, Sie reden wieder davon, daß das Land getäuscht worden sei. Sie fordern — natürlich unter dem Beifall Ihrer politischen Freunde — den Kanzlerrücktritt und versuchen sofort danach im Detail an Beispielen deutlich zu machen, warum und wo sich dieser Kanzler getäuscht hat. Sie, der Vorsitzer einer großen Fraktion, der Mann, der im Bundeskanzleramt hohe Verantwortung getragen hat, sagen — im Sinne eines Vorwurfs an diese Regierung —, beispielsweise der Kanzleramtsneubau mit seiner gewaltigen Vermehrung — so verstehe ich es — an Personal sei eine dieser Täuschungen; denn jetzt würden die Heizungskosten unendlich viel höher, als sie es bisher waren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, solche billige Polemik paßt nicht in eine Debatte vor diesem Haus
und schon überhaupt nicht in eine Debatte, in der es darum geht, die Voraussetzungen für die Gesundung unserer Wirtschaft und den Wiederaufschwung unserer Konjunktur und damit das Hineinnehmen aller Menschen in den Arbeitsprozeß zu gewinnen. Die Kanzleramtszuwächse an Personal — das mußte insbesondere Herr Carstens wissen — sind entstanden, weil diese Regierung, rational denkend,
das Bundesratsministerium aufgelöst und dessen Aufgaben in dieses Amt verlagert hat. Ich finde, ich sei es der Öffentlichkeit schuldig, dies zu sagen.
Es gibt ein zweites Beispiel, Herr Carstens. Sie reden von der Erhöhung der Zahl der öffentlich Bediensteten um 16 %. Dieser Vorgang muß ganz ohne Zweifel sehr gewissenhaft bedacht werden. Es müssen uns Mittel und Möglichkeiten einfallen, diesen Weg zu beenden. Aber Sie, meine Damen und Herren, jedenfalls Ihre Freunde im Bundesrat, hätten an einer nicht uninteressanten Stelle eine großartige Chance gehabt, dies zu verwirklichen. Als es nämlich um das Kindergeld ging,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12907
Schmidt
sind wir von Ihnen dazu gezwungen worden, die Auszahlung auf dem Wege vorzunehmen, über den sie nun läuft. Dadurch gibt es 6 000 Arbeitnehmer mehr im öffentlichen Dienst.
— Ich rechne damit, daß Sie sich entschuldigen!Herr Carstens, Sie reden von einer Täuschung. In diesem Parlament aber, meine Damen und Herren, spiegelt sich die Bereitschaft der deutschen Menschen zu einem Sachdialog ungekürzt und unverändert wider. Hier scheint es Leute zu geben, die mit einem überdurchschnittlichen Maß von Unterschiedlichkeit zurechtkommen müssen.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter.
Es ist eben ein Zwischenruf von Herrn KrollSchlüter gefallen: „Sie lügen!" Ich rufe Sie dieserhalb zur Ordnung.
Herr Carstens, Sie reden davon, es sei eine Täuschung, dem Bürger zu sagen, daß wir die Erhöhung der Mehrwertsteuer ab 1977 für richtig halten. Lieber Herr Carstens, lassen Sie mich in aller Unbefangenheit und Offenheit fragen: Für wie dumm halten Sie denn die Menschen in Deutschland? Wenn Sie davon ausgehen, die Menschen würden getäuscht: Glauben Sie, daß die sich nicht heute sicher ausrechnen können, womit sie ab Januar belastet werden? Jeder Bürger weiß, das ist eben Teil der Redlichkeit dieser Koalition, heute zu sagen, wie sich die Dinge entwickeln werden.
Jeder wird sich das ausrechnen können, Herr Carstens.In bezug auf einen anderen Bereich bin ich sehr viel besorgter. Polemik darüber gehört am allerwenigsten hierhin in diese öffentliche Debatte. Ich meine den Bereich, wo Sie von Ihrer Überzeugung reden, der Aufschwung sei ungewiß.
Ich wäre dankbar, wenn Sie und andere darüber noch einmal nachdenken könnten. Wer diesen Aufschwung, den man in ganz kleinen Teilen jetzt hier abtasten kann und der sich in verschiedenen Partnerländern deutlich sehen läßt, in Frage stellt, der zerstört, was Wirtschaft und Menschen so dringend brauchen, nämlich die Zuversicht in diesen Wiederaufschwung.
Wo soll denn, Herr Carstens, wo soll denn, meine Damen und Herren, die Entscheidung für die Investitionen im privaten Bereich, die wir so dringend brauchen, fallen, wenn am heutigen Tage von diesem Hause die Zuversicht nicht nur nicht gefördert, sondern sogar total zerstört wird?
Sie reden an einer anderen Stelle, Herr Carstens, an der ich eigentlich mit ein bißchen mehr Ausführlichkeit gerechnet hatte, von dem „sogenannten Papier", dem Papier, von dem man in den Zeitungen lesen kann und von dem der Herr Bundeskanzler sprach und das auch mich wie viele Menschen im Lande sehr besorgt gemacht und beunruhigt hat. Wenn es ein „sogenanntes Papier" ist, wenn es also ein „Kein-Papier" ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann nutzen Sie den heutigen Tag, sich von verschiedenen Inhalten deutlich zu distanzieren!
Dann sagen Sie den Menschen im Lande, die in Sorge sind, daß Sie die Sozialhilfe nicht kürzen wollen, wie es doch in diesen Papieren zu lesen ist! Dann sagen Sie ihnen, daß Sie die Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze nicht erschweren wollen, wie es in diesen Papieren zu lesen ist! Dann sagen Sie bitte hier und heute deutlich — die Chance ist großartig —, daß massive Eigenbeteiligungen, wie es in diesen Papieren doch zu lesen ist, von Ihnen politisch nicht gewollt sind!
Sie tun dem Hause und sich selbst — aber ich will mir nicht Ihren Kopf zerbrechen —,
vor allem gefestigter demokratischer Entwicklung in unserem Lande einen guten Dienst, wenn Sie heute und hier Gelegenheit nehmen, sich von Formulierungen dieser Papiere deutlich zu distanzieren, von Formulierungen etwa dieses Inhaltes: „Es ist sicherzustellen, daß Einsparungen nicht in erster Linie zu Lasten der Personengruppen gehen, die überwiegend als Anhänger der CDU/CSU anzusehen sind." Ich wäre dafür dankbar und viele draußen auch. Dies würde zu einer guten Voraussetzung beitragen, über das, worüber zu reden ist, reden zu können.Meine Damen und Herren! Sie müssen uns nicht hier im Hause unbedingt zustimmen. Dafür gibt es sogar plausible Gründe. Der Herr Bundeskanzler hat sie ja sehr ausführlich aufgezählt. Aber wenn Sie dies schon nicht wollen, wenn Sie glauben, dem Herrn Bundeskanzler und den Vertretern der Re-
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Schmidt
gierung dieser Koalition in der Beschreibung der jetzigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Möglichkeiten und Mittel, aus ihnen herauszukommen, nicht zustimmen zu können, dann müssen Sie sich fragen lassen, wie es dann wohl kommt, daß Sie einem ausländischen Beobachter, den Sie, den Ihre Partei eingeladen hatte — ich fand das übrigens sehr großartig —, Dr. Reza Fallah, auf Ihrem entwicklungspolitischen Kongreß Beifall spenden, wenn er die deutsche Politik als eine vorbildliche und hervorragende bestätigt und zum Nachahmen für andere Industrienationen darstellt.
Wie kommt es eigentlich, daß man einem Ausländer, der solche Bemerkungen macht, so großartig zujubelt und hier einem Mitglied der deutschen Bundesregierung, dem Kanzler oder einem Kabinettsmitglied, wenn er ähnliches in anderem Zusammenhange sagt, total und von vornherein widerspricht? Sie müssen sich fragen lassen, wie das wohl kommt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Todenhöfer?
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß Herr Fallah auch gesagt hat, daß die Inflation nicht vom Ausland hereingetragen worden sei, sondern in Deutschland entstanden sei?
Ich wäre dem Herrn Präsidenten sehr dankbar, wenn dem Protokoll jenes Zitat des Herrn Dr. Fallah, von dem ich rede, beigefügt werden könnte. Dann kann jeder nachlesen, was er dort gesagt hat. Dann brauchen wir uns hier überhaupt nicht zu streiten.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie können es nachlesen. Im übrigen ringe ich — bei aller Freundschaft und bei aller persönlichen Verehrung — nicht um Ihre Bestätigung der Richtigkeit meiner Gedanken. Ich werde meine eigenen Gedanken weiter vertreten.
Es geht bei dem, was wir haben — das ist vom Bundeskanzler ernsthaft und wohl unbestreitbar gesagt worden —, um die schwerste wirtschaftliche Krise, die die Welt seit 1932 erfaßt hat. Jeder, der so tut, als gäbe es irgendwo, in irgendeiner nationalen Volkswirtschaft einen Hebel, den man nur herumzulegen brauche, und dann liefe alles so, wie man es sich wünscht, der begreift entweder die wirklichen Zusammenhänge nicht, oder er versucht aus anderen Gründen, Menschen und Bürger in diesem Lande an den Wahrheiten vorbeizutäuschen.
Wir gehen diesen Weg des Täuschens nicht. Es gibt ein Maßnahmenbündel — durch diese Regierungserklärung heute morgen vorgelegt —, und dem stimmen die Sozialdemokraten in diesem Hause wie im Vaterlande zu. Die Bundesregierung muß und soll wissen: Wir werden sie nicht allein und schon überhaupt nicht im Stich lassen bei der Verwirklichung dieses Programms.
Die Menschen im Lande werden uns verstehen. Sie werden uns verstehen, weil man erkennt, begreift oder fühlt, daß die hier aufgeschriebenen Vorhaben logische Maßnahmen im Rahmen dessen sind, was wir allein oder im Bündnis mit anderen gestalten können.Es bleibt das zweite große Kompliment an die Bundesregierung, insbesondere an den Kanzler der Gegenwart: Alles, was wir bisher im Lande im Kampf gegen die Inflation haben tun können oder müssen, ist in einer hervorragenden harmonischen Abstimmung zwischen den Verantwortungsträgern Bundesparlament, Bundesregierung und autonome Deutsche Bundesbank vor sich gegangen. Das, was außenwirtschaftlich durch noch mehr Abstimmung in den Maßnahmen der einzelnen Volkswirtschaften noch gestaltet werden muß, wird durch die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland großartig beeinflußt. Wir können den gegenwärtigen Kanzler nicht nur nicht zum Rücktritt einladen; wir können den Kanzler, dessen Wort bei uns und um uns herum Gewicht hat, dessen Rat ernst genommen wird, nur ermuntern, weiter wie bisher auf europäische und außereuropäische Nationen und ihre Regierungschefs einzuwirken,
damit als Ersatz für die nicht vorhandenen internationalen Werkzeuge abgestimmte nationale Maßnahmen gesetzt werden.Wir Sozialdemokraten wollen Parlament, Menschen und Bürger in diesem Lande auch wissen lassen, daß wir voller Zuversicht davon ausgehen, daß wir mit diesen ungewöhnlich schwierigen Problemen fertig werden, dabei aber überhaupt nicht daran denken, in der Reformpolitik langsamer zu gehen oder gar stehenzubleiben. Dieses Land, meine Damen und Herren, braucht nach wie vor dringend die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Wirtschaft.
Diese sozialliberale Koalition, die diese ungewöhnliche Kraft aufgebracht hat, so harmonisch durch diese einzigartigen Schwierigkeiten hindurchzukommen, wird leichter den Nachweis führen können, daß sie ein vernünftiges, auf die Zeit von heute und morgen zugeschnittenes Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer schaffen kann.Dabei geht es nicht nur um Ansprüche der Arbeitnehmerschaft oder insbesondere der organisierten Arbeitnehmerschaft; dabei geht es auch darum, im Zusammenhang mit der heute zu behandelnden Thematik die Voraussetzungen dafür schaffen zu helfen, daß unsere Wirtschaft leistungsfähig bleibt, oder, wo sie noch leistungsfähiger werden kann und muß, leistungsfähiger wird.
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Schmidt
Mitbestimmung ist zwar ein bißchen Sozialpolitik, ein bißchen Unternehmenspolitik, ein bißchen Betriebspolitik, freilich. Mitbestimmung bleibt aber das zentrale gesellschaftliche Thema unserer Zeit. Denn Mitbestimmung heißt auch und insbesondere soziale Sicherheit. Soziale Sicherheit heißt Bewahrung des höchsten Gutes, das wir haben, nämlich sozialer Frieden. Sozialer Frieden wiederum heißt wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit gegen andere oder mit anderen.
Die Sozialdemokraten in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion im Hause wissen, daß in dem Programm, das es zu behandeln und zu beschließen gilt, Maßnahmen enthalten sind, die im einzelnen Falle weh tun können. Wir stimmen aber dem Gesamtprogramm zu, weil es in seiner Ausgewogenheit und Zumutbarkeit eine, wie wir es sehen, große Chance beinhaltet, schnell durch dieses Tal hindurchzukommen und alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Wirtschaft auf vollen Touren läuft und alle unsere Landsleute wieder in Arbeit sind. Die Bundesregierung kann der Mitarbeit der Sozialdemokraten sicher sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Kirst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich es richtig sehe, beginnen wir heute eine Serie finanzpolitischer Debatten, die möglicherweise den Rest dieser Legislaturperiode bestimmen und beherrschen werden. Ich sehe darin zunächst durchaus eine große Chance, nämlich die Chance, der Bevölkerung durch die Erörterung in diesem Hause die finanzpolitische Lage, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben, ins Bewußtsein zu bringen.Die andere Chance, die Fehlbeurteilung und das Alternativmanko der Opposition durch diese Debatten auszugleichen, muß ich leider, Herr Kollege Carstens, als wesentlich geringer ansetzen, wenn nicht als gleich Null, falls uns nicht im Laufe des heutigen und morgigen Tages noch Überraschungen bevorstehen.
Denn Ihre Ausführungen, Herr Kollege Carstens, waren doch zu einem Drittel Polemik, zu einem Drittel Zitate und zu einem Drittel Leerformeln.
Wo ist eine einzige Mark, wie Sie vorgeschlagen haben, konkret mehr zu sparen? Das muß man sich doch fragen dürfen nach dem, was dieser Debatte in der Öffentlichkeit vorangegangen ist.
Ich komme darauf noch im einzelnen später zurück.Wenn man Ihre Rede richtig deutet, richtig wertet, dann haben Sie eine einzige Empfehlung zurVerbesserung der Situation gegeben: eine neue Regierung. Das ist natürlich das gute Recht der Opposition.
Nur, Sie glauben ja selbst nicht, daß dadurch, daß Herr Kohl von Mainz nach Bonn umzieht, ein Pfennig mehr in die Bundeskasse kommt.
Im übrigen decouvrieren Sie sich mit dieser ganzen Haltung sehr deutlich: Für Sie ist der Machtwechsel eigentlich der Selbstzweck Ihrer Politik. Den Machtverlust von 1969 haben Sie offenbar immer noch nicht überwunden.
Und erst wenn Sie ihn wirklich überwunden haben, sind Sie reif, wieder Regierungsverantwortung in diesem Lande zu tragen.
Im übrigen: Sie haben gemeint, Sie könnten nun die ganze finanzpolitische Thematik an der Entwicklung des Einzelplans 04 aufzeigen. Darüber werden wir bei der ersten Lesung des Haushalts noch gründlich reden und feststellen, daß selbst das, was Sie dazu gesagt haben, nicht hieb- und stichfest ist.Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Beharren der Opposition auf ihren falschen Vorwürfen — warum sie falsch sind, werden wir ja noch darstellen — beeinträchtigt — wenn nicht verhindert — die theoretisch mögliche, gemeinsame, richtige Analyse der Situation und Zusammenarbeit bei der Bewältigung der gegebenen Probleme. Dies ist eben nicht die Stunde vermeintlichen demagogischen Triumphes. Und lassen Sie es mich sagen: Ohne die solide Finanzpolitik
— Herr Müller-Hermann, ohne die solide Finanzpolitik, damit Sie es ganz genüßlich zweimal hören können — der vergangenen Jahre
wäre die Bewältigung der gegenwärtigen Schwierigkeiten überhaupt nicht möglich.
Lassen Sie mich das an zwei Dingen zeigen, Herr Kollege Kiep. Sie werden nicht widersprechen können — weil Sie Gedrucktes akzeptieren müssen —, daß wir z. B. die diversen Konjunkturprogramme, die wir in den letzten eineinhalb Jahren auf Stapel gelegt haben, mit den Rücklagen finanziert haben,
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Kirstdie Bund, Länder und Gemeinden, aber vor allem, etwa zu zwei Dritteln, der Bund, in den Jahren 1970 bis 1973 zurückgelegt haben. Und Sie können ja auch nicht bestreiten — das meine ich mit solider Finanzpolitik —, daß wir in den Jahren 1970 bis 1973 — das ist hier schon einige Male gesagt worden, aber man muß es immer wiederholen —, also in vier Haushaltsjahren, ganze 8 Milliarden DM Schulden gemacht haben. Das waren 2 % des Gesamtvolumens der Haushalte dieser vier Jahre. Dies beides nenne ich eben solide Finanzpolitik. Dies ermöglichte uns überhaupt, mit den heutigen Problemen fertig zu werden.
— Warum das so ist, darauf kommen wir gleich, Herr Kollege Althammer. Denn es ist sicherlich auch wegen der politischen Wertung richtig, nach den Ursachen zu fragen, zu fragen, warum trotz der soliden Finanzpolitik der vergangenen Jahre heute die überhaupt nicht geleugneten, die überhaupt nicht verniedlichten, die überhaupt nicht verkleinerten finanzpolitischen Schwierigkeiten, die ja der Herr Bundeskanzler sehr deutlich dargelegt hat, eingetreten sind.Da gibt es letzten Endes zwei große Ursachen: Das ist einmal die Steuerreform. Sie bedeutet einen Einnahmeausfall von 15 Milliarden DM, wovon nach dem nicht befriedigenden Ausgang der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern — das ist, nebenbei bemerkt, keine parteipolitische Frage gewesen; da waren die Länder alle gleich; das will ich der Gerechtigkeit halber hier sagen — eben der weit überwiegende Teil zu Lasten des Bundes geht. Hinsichtlich dieser Ursache gibt es für die Opposition keine Hintertür. Sie hat der Steuerreform nicht nur zugestimmt, sondern sie hat im Verlauf der Beratungen, insbesondere in der letzten Phase im Bundesrat, dafür gesorgt, daß sie noch 2 Milliarden DM teurer geworden ist.
Das muß Ihnen immer wieder gesagt werden.
Vielleicht erinnern sich — ich sehe gerade den Kollegen Leicht — die Kollegen aller drei Fraktionen im Haushaltsausschuß, daß wir damals, im Mai 1974, gemeinsam Bedenken gehabt haben, ob wir überhaupt das Testat nach § 96 der Geschäftsordnung für dieses Unternehmen Steuerreform geben konnten; ich sage das hier sehr offen. Wer verstanden hat, zwischen den Zeilen des Berichts des Haushaltsausschusses zu lesen, der wird dies bestätigt finden; denn, meine Damen und Herren — auch das darf nicht in Vergessenheit geraten —, diese Steuerreform war aufkommensneutral geplant. Da war unter anderem auch — ich komme auf die Mehrwertsteuer noch im einzelnen zu sprechen — ein Prozent Mehrwertsteuererhöhung vorgesehen.Nun komme ich wieder zur gemeinsamen Verantwortung, und auch da gibt es historische Beweise: Die Opposition — Sie waren da besonders aktiv,Herr Müller-Hermann; Sie auch, Herr Zeitel, glaube ich — hat mit ihren sogenannten, hier in dreifacher Auflage eingebrachten Inflationsentlastungsgesetzen vom Herbst 1973 letzten Endes Daten gesetzt, die das Konzept der einkommensneutralen Steuerreform zerstört haben. Das ist auch Ihre Mitverantwortung.
Sie wissen natürlich genau: Wenn wir Ihrem Konzept gefolgt wären, hätten wir eine Haushaltsverschlechterung ohne Steuerreform und zudem noch eine Haushaltsverschlechterung ein Jahr früher gehabt. Das müssen Sie ja wohl zugeben.
Die zweite Wurzel dieser finanzwirtschaftlichen Schwierigkeiten ist die wirtschaftliche Lage; da beißt die Maus keinen Faden ab, wie das so schön heißt. Hier sind die Steuerrückgänge zu erwähnen. Sehen Sie sich einmal die Vorlagen an: Als die Regierung im Juli 1974 den Haushalt 1975 beschloß, ging man noch von Steuereinnahmen für den Bund in Höhe von rund 135 Milliarden DM aus.
— Die Bundesregierung übernimmt — das wissen Sie, Kollege Zeitel — die Schätzungen des Arbeitskreises „Steuerschätzung".
An diesem Arbeitskreis sind doch alle beteiligt. Das sind doch keine Steuerschätzungen der Regierung oder Steuerschätzungen der Koalition; das müßten Sie doch wissen. Unternehmen Sie doch nicht den sinnlosen Versuch, der Öffentlichkeit etwas weismachen zu wollen, von dem Sie selbst wissen, daß es falsch ist!
Herr Kollege Zeitel, es ist ja auch so — das wird der hinter Ihnen sitzende Kollege Leicht bestätigen —: Weil diese Steuerschätzungen keine politischen Schätzungen sind, sondern vom Arbeitskreis „Steuerschätzung" kommen, an dem, wenn Sie so wollen, durch die Vielfalt unserer politischen Landschaft alle politischen Kräfte beteiligt sind, und weil sie vom Haushaltsausschuß übernommen werden, gibt es nie Streit um die Steuerschätzung.Dieser Arbeitskreis „Steuerschätzung" hat im Juni 1974 Steuerschätzungen vorgenommen, welche es der Regierung ermöglichten, in den Haushalt 1975 Steuereinnahmen in Höhe von 135 Milliarden DM einzusetzen. Die Steuerschätzungen desselben Arbeitskreises vom August 1975 zwingen die Regierung, im Nachtragshaushalt die Steuereinnahmen auf etwa 118 Milliarden DM zu korrigieren. Das sind immerhin 17 Milliarden DM zu den 11 oder 12 Milliarden — mindestens 10 Milliarden DM —, die den Bund durch die Steuerreform betreffen.Wenn Sie die andere Seite der konjunkturellen Auswirkungen hinzunehmen, nämlich die Zuschüsse
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Kirstan die Bundesanstalt für Arbeit, dann haben Sie das Gesamtvolumen unserer Verschuldung im Jahre 1975. Das heißt, die Wurzeln liegen eindeutig in der Steuerreform und in der konjunkturellen Entwicklung. Deshalb bleibe ich bei meiner Behauptung: Nicht eine unsolide Finanzpolitik ist die Ursache, sondern diese beiden Entwicklungen sind die Ursache.Ich glaube, wenn wir uns an die Auseinandersetzungen der frühen 70er Jahre erinnern, haben wir jetzt einen eklatanten Beweis dafür, daß nicht die Haushaltspolitik die Konjunktur gefährdet, daß aber wohl der Konjunkturverlauf — ich sage bewußt „Konjunkturverlauf" und nicht ,,Konjunkturpolitik" — die Haushaltspolitik fundamental erschüttern kann.Ich will mich hier überhaupt nicht in die für heute nachmittag oder später zu erwartenden Auseinandersetzungen der Konjunkturpolitiker einmischen. Aber lassen Sie mich doch drei Feststellungen in diesem Zusammenhang treffen. Die Haushaltspolitik ist frei von Verantwortung für die Geldentwertung, mit der wir in den letzten Jahren zu kämpfen hatten. Das war ja eines Ihrer Hauptthemen. Die Wurzeln lagen sowohl in der importierten Inflation als auch in von der Regierung unabhängigen Entwicklungen, insbesondere im Lohn- und Kostenbereich.Zweitens. Alle wollten Stabilität. Wir haben nie verschwiegen, daß Stabilität im Geldwertbereich nicht ohne Opfer möglich ist. Erst ab Frühjahr 1973 war sie wegen der außenwirtschaftlichen Zusammenhänge — ich will das hier nicht im einzelnen darstellen — möglich. Aber soweit hier politische Verantwortung vorliegt, die sich dann in den entsprechenden Konjunkturentwicklungen und damit auch in den Steuerentwicklungen fortgesetzt hat, ist es letzten Endes eine gemeinsame politische Verantwortung.Schließlich — drittens — sind noch die weltwirtschaftlichen Einflüsse zu nennen; Stichwort: 40 Milliarden Exportverluste.Insgesamt, meine Damen und Herren, stehen wir im Augenblick vor einer komplexen und widersprüchlichen Lage, wenn wir uns den Gesamtbereich der Wirtschafts-, Konjunktur-, Finanz- und Haushaltspolitik ansehen, die zu widersprüchlichem Handeln geradezu zwingt, um es einmal formelhaft zu sagen. Was wir konjunkturpolitisch für richtig und notwendig halten, ist im Grunde finanzpolitisch zur Zeit falsch, und was wir finanzpolitisch für richtig und notwendig halten und tun müssen, ist natürlich konjunkturpolitisch nicht problemlos. Das alles sehen wir genau. Hier kommt es auf die Abstimmung, auf die Harmonisierung, wenn Sie so wollen, oder Synchronisation der einzelnen Maßnahmen an.Auf diesem Hintergrund hat uns die Regierung heute ein Bündel von Maßnahmen teils vorgelegt, teils angekündigt: erstens das Bau- und Investitionsprogramm, zweitens den Nachtragshaushalt, drittens das Sparprogramm — Strukturverbesserungsgesetz —, viertens den Haushalt 1976 und fünftens die Finanzplanung 1976/79. Wenn man dies alles politisch würdigt, muß man zugeben, daß das nicht, wiees uns zumindest draußen im Lande gesagt wird, ein Offenbarungseid, sondern eine rechtzeitige und entschlossene neue Kursbestimmung ist, die die Politik den veränderten Verhältnissen anpaßt,
die — das mögen manche heute nicht glauben und wir alle nicht wünschen — wahrscheinlich längere Zeit andauern werden.Ich werde zum Bau- und Investitionsprogramm hier nichts sagen. Das wird sicher einer späteren Runde vorbehalten sein.Eir kurze Bemerkung zum Nachtragshaushalt. Ich habe auf die Ursachen hingewiesen: die konjunkturellen Einflüsse, die Steuern und die Zuschüsse an die Nürnberger Anstalt. Im übrigen, Herr Althammer, war es ja immer Ihr Herzenswunsch, einen Nachtragshaushalt vorgelegt zu bekommen. Ich hoffe, Sie würdigen das.
— Das können wir auch nicht ändern, daß er so ist, das wissen Sie auch.Ich will jetzt auf ein bestimmtes Problem hier nicht näher eingehen; dies erfolgt möglicherweise in einer späteren Runde. Nur, Herr Kollege Carstens, Sie haben im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt etwas gesagt, das möglichst schnell aus der Welt geräumt werden sollte, nämlich die Bundesregierung bezahle alles, was man von ihr verlange. Daß dies unwahr ist, wissen Sie genau.
Lassen Sie mich nun zu dem Bündel, dem Komplex, dem Bereich Sparprogramm, Strukturverbesserungen, Haushalt und Finanzplanung kommen. Zunächst ein paar Worte zu den einnahmeverbessernden Maßnahmen.Wir Freien Demokraten verkennen nicht die Belastungen, die die Erhöhung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet. Aber angesichts des Kausalzusammenhangs zwischen Haushaltsverschlechterungen und Zuschüssen an die Bundesanstalt in Nürnberg mußte dies logischerweise der erste Schritt bei einnahmeverbessernden Maßnahmen sein. Denn die Größenordnung ist beachtlich; sie entspricht dem Nettoertrag von 1 % Mehrwertsteuer für den Bund. Sie ist übrigens zeitlich befristet. Sie bedeutet — das sei hier noch einmal unterstrichen — kein sanftes Ruhekissen für die Anstalt, d. h., die notwendigen Novellierungen im Bereich des Arbeitsförderungsgesetzes sind doch, wie Sie wissen, im Haushaltsstrukturgesetz enthalten.Nun ein klares und offenes Wort zur Frage der Steuererhöhungen: Sie wissen — und ich will dies gar nicht hinwegleugnen —, daß sich die FDP mit Steuererhöhungen immer schwer getan hat.
Das wird sicher auch so bleiben. Für uns bleibenSteuererhöhungen die Ultima ratio, und die Zustim-
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Kirstmung der FDP dazu spricht eigentlich schon deshalb für ihre Unvermeidbarkeit.
Für uns, meine Damen und Herren, ist die Erhöhung der Steuerlastquote, wozu es im übrigen gar nicht kommt — wir werden mit diesem Programm 1976 etwa wieder bei der Steuerlastquote, die wir 1969 übernommen haben, landen —, kein politisches Ziel an sich. Das sei sehr deutlich gesagt.
Es werden auch in keiner Weise unsere bisherigen Erklärungen widerlegt. Denn diese bisherigen Erklärungen waren immer an zwei Bedingungen gebunden: Zum einen kam nur eine überschaubare Zeit in Frage. Gemeint war damit die Legislaturperiode. Zum zweiten war immer der jeweilige Erkenntnisstand Ausgangspunkt. Ich sage Ihnen ganz offen: Der entscheidende Wechsel im Erkenntnisstand ergab sich eben durch die schon erwähnten Steuerschätzungen vom 23. August
und das daraus resultierende Ergebnis der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung.Ich muß hier ein paar Worte zur Schuldenpolitik einfügen. Ich erinnere an das, was ich eben sagte, an die grundsolide Finanzierung der Haushalte 1970 bis 1973. Wir haben dann 1974 zirka 9 Milliarden DM Schulden aufnehmen müssen. 1975 und 1976 werden es jeweils 38 Milliarden DM sein.
Damit stoßen wir — das sehen wir ganz deutlich, und daraus ergibt sich dann der Zwang zu solchen Maßnahmen wie Steuererhöhungen — an die Grenzen der Verschuldungsmöglichkeit. Gemeint sind die Grenzen, wie sie das Grundgesetz vorgibt: investive Ausgaben — über die Abgrenzung kann man streiten —, die Ausnahmeregelung für konjunkturelle Situationen, wie wir sie heute haben.Aber auch, wenn Sie einen Blick in den Einzelplan 32 werfen, dessen Volumen jetzt schon auf rund 10 Milliarden DM ansteigen wird — und er wird in den nächsten 10 Jahren weiter steigen —, wird klar, daß er nur auf ein Ausmaß ansteigen kann, das eine gewisse Grenze nicht überschreiten darf. Weiterhin gehen wir auch davon aus, daß der Kapitalmarkt spätestens ab 1977 auch von der Wirtschaft wieder in stärkerem Maße in Anspruch genommen wird. Innerhalb dieser Grenzen bleibt für uns der hier mehrfach von mir vorgetragene Grundsatz gültig, daß es besser ist, der Bürger zeichnet Anleihen, als daß er zusätzliche Steuern zahlt.
Aber die idyllischen Zeiten — in finanzpolitis her Hinsicht — der Jahre 1970 bis 1973 werden so schnell nicht wiederkommen.Über die Tabak- und Branntweinsteuer brauchen wir wohl nicht zu reden. Da gibt es, wenn ich das richtig sehe, Übereinstimmung.
Warum nun gerade eine Erhöhung der Mehrwertsteuer? Die Höhe des Finanzbedarfs läßt keine andere Wahl als die zwischen Mehrwertsteuer oder der Alternative Einkommen- und Lohnsteuer. Für die Arbeitnehmer wäre sicher die Belastung die gleiche. Aber wir haben hier auch die Ertragslage der Wirtschaft zu berücksichtigen. Wenn man zu Recht darüber diskutiert, ob steuerliche Entlastungen mittelfristig erforderlich sind, kann man nicht erst einmal die Ertragslage dadurch verschlechtern, daß man in diesem Bereich steuerliche Maßnahmen vornimmt.Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach der Rede von Herrn Carstens und dem, was draußen im Lande von CDU und CSU gesagt worden ist, muß ich folgendes sehr deutlich sagen — Herr Carstens hat die Ablehnung hier wiederholt —: Wer Steuererhöhungen in dieser Situation ablehnt und Auskünfte über Alternativen verweigert, wer so praktizierender Sonthofener wird, leistet in Wahrheit einen politischen Offenbarungseid.
Wer sagt, 7 Milliarden DM könnten mehr gespart werden, — —
— Wir haben ja 8 Milliarden DM gespart.
— Sehen Sie sich doch die Veröffentlichungen im Bulletin an! Im Jahre 1976 vermindern sich — ohne Einrechnung der schon gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung vorgenommenen Kürzung um 5,1 Milliarden DM — die Ausgaben gegenüber der ursprünglichen Situation bei Beginn der Beratungen um 8 Milliarden DM.
Das ist eine Haushaltseinsparung. Daß sie zum Teil durch die Erhöhung der Arbeitslosenversicherungsbeitrage bewirkt wird, ändert nichts daran, daß es eine Einsparung ist,
genauso wie auch ein Abbau von Steuervergünstigungen letzten Endes eine Haushaltsverbesserung ist.Wer sagt, es muß mehr gespart werden, damit die Mehrwertsteuer nicht erhöht werden muß, ohne zu sagen, wo, dem fehlt entweder der Mut, oder er ist nicht fähig dazu, oder er hat nicht die Portion Aufrichtigkeit, oder alle drei Punkte treffen in gleicher Weise zu. Das müssen wir Ihnen sagen, und das werden wir Ihnen so lange sagen, bis Sie hier mit konkreten Vorschlägen kommen.
Meine Damen und Herren, damit es kein Mißverständnis gibt: Auch für die FDP ist das Sparen nicht zu Ende. Aber wir können, ganz offen gesagt, im Augenblick nicht so husch-husch noch weitere 7 Milliarden DM einsparen, nachdem wir gesehen
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12913
Kirsthaben, wie schwierig das mit den ersten 8 Milliarden DM gewesen ist — 8 Milliarden DM allein auf das Jahr 1976 berechnet.Da muß man doch, weil das bei Ihnen anscheinend zu wenig bekannt ist, noch ein paar Worte zur Haushaltsstruktur sagen. Haushalt 1976: 168 Milliarden DM, davon allein 40 Milliarden DM für Arbeit und Soziales. Es wären, nebenbei gesagt, 45 Milliarden DM, wenn wir die Verbesserungsmaßnahmen nicht durchführten. Aber man muß Sie doch fragen: Wollen Sie etwa den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung — den Sie ja nicht erhöhen wollen — anstelle einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 % erhöhen? Oder was wollen Sie eigentlich? Die Frage, ob Sie an die Renten heranwollen, ist schon genügend gestellt worden.Der zweite große Posten sind die Verteidigungsausgaben. Wollen Sie die Verteidigungskraft schmälern? Wir wollen das ganz entschieden nicht. Es wird schon schwierig genug werden, mit dem gegebenen Plafond auszukommen.Der dritte große Betrag sind die 19,6 Milliarden DM für Verkehr. Sie wissen: Bundesbahn. Wollen Sie, daß in der jetzigen konjunkturellen Situation weniger Autobahnen und weniger Straßen gebaut werden? Wer stellt denn hier jede Woche Dutzende von Anfragen: Wann wird denn endlich diese Straße und jene Autobahn gebaut? Darin sind Sie mit Ihren 225 Kollegen doch unübertrefflich.
Jugend, Familie und Gesundheit: 15 Milliarden DM. Wer hier über die vorgesehenen Maßnahmen hinaus etwas kürzen will, muß an das Kindergeld heran. Das kann ich mir auch schlecht vorstellen.Einzelplan 60: 14 Milliarden DM, davon, wie Sie wissen, 6 bis 7 Milliarden DM für Berlin, EG-Zahlungen, Sparprämien. Zwangsläufige Ausgaben: Einzelplan 32, Bundesschulden — ich habe es erwähnt —: fast 10 Milliarden DM, Einzelplan 33 — Versorgung —: 7 Milliarden DM.Allein diese sieben Etats, meine Damen und Herren, machen 137 Milliarden DM oder 80 °/o des Volumens aus; die übrigen 18 Etats umfassen nach dem Entwurf für 1976 insgesamt nur 31 Milliarden DM oder 20 0/0. Davon ist keiner größer als 5 Milliarden DM.Das alles wissen Sie oder könnten Sie wissen.
— Verehrter Kollege Leicht, die Bundesregierung hat — es liegt da irgendwo auf meinem Platz — nach dem 10. September die Plafonds der Haushaltspläne für 1976 beschlossen,
und darauf beruhen die Angaben, die ich soeben hier gemacht habe.
Was hinter diesen Plafonds steckt, wissen Sie eigentlich doch besser als ich, denn Sie betreiben dies ja schon viel länger als ich.Aber dann muß man doch auch fragen dürfen: Wann hat eigentlich die Opposition in den letzten Jahren ausgabewirksame Gesetze abgelehnt? Das wäre sicher eines Preisausschreibens würdig. Herauskommen würde im Gegenteil, daß Sie immer noch mehr wollten als wir. Wenn wir jedoch Ihre Zustimmung brauchten — Steuerreform, 197.1 erstes BesVNG Verfassungsänderung —, dann haben Sie dafür gesorgt, daß es immer noch um Beträge in Milliardenhöhe teurer wurde.Sicher stecken in der Haushaltsproblematik auch Schwächen der Haushaltsstruktur. Nur ist diese ja nicht in sechs Jahren, sondern in 26 Jahren geprägt worden, seit 1949, nicht erst seit Bildung der sozialliberalen Koalition. In dieser Haushaltsstruktur steckt viel politisches Erbe der CDU-geführten Regierungen in zwanzig Jahren.
Herr Kollege Carstens — er hat inzwischen den Saal verlassen —
hat vom Wissenschaftlichen Beirat gesprochen. Was er zitiert hat, war sicher richtig zitiert. Nur muß man dazu bemerken, daß sich das auf Bund, Länder und Gemeinden bezog. Wenn man es genau liest, muß man feststellen, daß konkrete Vorschläge in diesem Gutachten leider auch nicht enthalten sind.Ich wiederhole aber: Sparen muß auch nach unserer Auffassung weitergehen. Das wird eine mühselige Kleinarbeit sein. Lassen Sie mich das an dem Wort „Zuwendungsempfänger" verdeutlichen. Bei den Zuwendungsempfängern haben wir, verteilt auf die Ressorts, 3 % gespart. Das war auch nur ein Anfang. Man muß hier einmal insbesondere im Bereich der institutionellen Förderung sehen, wie in den 25 Jahren, vor allem in den ersten zwanzig Jahren der Bundesrepublik, nach dem Rezept „gewußt wo" verfahren wurde. Derjenige im Lande, der wußte, daß etwas gefördert wird, bekam Geld. Derjenige, der es nicht wußte, konnte das, was er wollte, entweder nicht tun oder hat es aus anderen Mitteln finanziert. Da war so eine Art Glücksspirale im Gange,
die wir in den letzten Jahren eigentlich schon angehalten haben, indem wir keine zusätzliche institutionelle Förderung mehr geduldet haben. Man muß hier, Herr Kollege Katzer — Sie sagen das gerade; wir gehen hier ja zum Teil sehr in die Details — auch sagen: Bei Zuwendungsempfängern sind die Grenzen zur Sozialpolitik oft fließend. Ich will das hier jetzt nicht weiter verdeutlichen. Aber das Kapitel Zuwendungsempfänger ist,. soweit es die institutionelle Förderung anlangt, ein schlimmes Erbe, das wir 1969 vorgefunden haben.
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12914 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
KirstZu den in dieser Stunde notwendigen Feststellungen gehört nach meiner Ansicht auch, daß nicht nur weiteres Sparen nötig ist, sondern vor allem derzeit für neue Ausgaben oder erhöhte alte Ausgaben kein Raum ist. Ich bin mir dessen bewußt: Dies kann ungerecht sein, weil dadurch vielleicht Nötiges, bisher nicht Gemachtes verhindert wird und Unnötiges, bisher Gemachtes weitergeführt wird.Ich meine, wir sollten in dieser Stunde der finanziellen Bedrängnis einen Appell an alle Bürger richten, vor allen Dingen an alle Verbandsfunktionäre. Hier ist schon angeklungen, daß der einzelne Bürger viel verständiger ist als die Funktionäre. Wir sollten sozusagen ein Kennedy-Wort abwandeln: Fragt nicht, warum bei anderen zu wenig gespart wird, sondern sagt uns, wo bei euch noch mehr gespart werden kann!Ich will auf die Einzelheiten des Sparprogramms hier jetzt nicht eingehen, sondern das der ersten Lesung überlassen. Bei einer zusammenfassenden Würdigung des Sparprogramms kommt man entgege den Zahlenkunststückchen des Herrn Kollegen Carstens zu folgendem Ergebnis. In vier Jahren —1976 bis 1979 — wird auf der Ausgabenseite eine Verbesserung von 67 Milliarden DM erreicht, auf der Einnahmenseite in drei Jahren eine von 29 Milliarden DM. Das heißt, wir haben durch diese Beschlüsse ein Volumen von 96 Milliarden DM bewegt.Herr Kollege Carstens hat vorhin etwas zur Mehrwertsteuer gesagt. Dabei ist Ihnen in der Hitze des Gefechtes unterlaufen, daß Sie vergessen haben, daß uns ja leider die Mehrwertsteuer nicht alleine gehört. Ich darf Ihnen das verdeutlichen, Herr Carstens. Der Bürger zahlt zwar 10 Milliarden DM mehr Mehrwertsteuer, davon hat der Bund etwa nur 7 Milliarden DM, die anderen Gutheiten bekommen die Länder, die ja nicht zustimmen wollen, soweit sie CDU/CSU-regiert sind; aber das werden wir ja erleben. Die Differenz zu den 8 Milliarden DM ergibt sich daraus, daß die Steuererhöhung für Tabak und Branntwein berücksichtigt werden muß. Hier haben Sie also wirklich geirrt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ehrenberg?
Herr Kollege Ehrenberg, gern.
Herr Kollege Kirst, würden Sie es für denkbar halten, daß der Kollege Cartens in der einhelligen Ablehnung der CDU-Ministerpräsidenten zur. Mehrwertsteuererhöhung vielleicht einen Vorstoß gesehen hat, daß diese die Mehrwertsteuer in Zukunft nicht mehr haben wollen?
Darüber könnte man reden, Herr Ehrenberg. Aber wir wollen einmal ehrlich sein. Wenn es um die Mehrwertsteuer geht, haben wir es ja nicht nur mit den CDU-Ministerpräsidenten
zu tun, sondern auch mit den Regierungen, die unsere beiden Parteien stellen. Insbesondere die Finanzminister kennen dann leider monchmal keine Parteien mehr. Das muß man allerdings sagen.
Die Einsparungen, um darauf zurückzukommen, bedeuten, daß gegenüber dem sonst entstehenden Haushaltsvolumen auf der Basis der mittelfristigen Finanzplanung 8,5 % weniger ausgegeben werden. Selbst wenn man die Beitragserhöhung herausrechnet, bleiben es 6,4 %. Ich meine, wir haben es hier mit einem ausgewogenen Konzept aus drei Elementen zu tun: Sparen, Einnahmeverbesserungen und weiterer Verschuldung.
Ich gehöre nicht zu den Kollegen, welche die Hälfte ihrer Zeit am Rednerpult mit Zitaten verbringen. Aber ein sehr schönes Zitat habe ich heute doch einmal mitgebracht.
— Herr Stücklen, der Geist des großen Sechzigjährigen ist bei uns, auch wenn er in China weilt.
Der Kollege Strauß hat am 24. April 1975 — hier
ist sein Photo, falls Sie schon Sehnsucht haben —
in einem Interview mit der NRZ folgendes ausgeführt. Die NRZ fragte, ob eine CDU/CSU-Regierung die Steuern erhöhen würde. Strauß zählte drei Möglichkeiten zur Erhöhung der Staatsfinanzen auf: 1. verminderte Leistungen, 2. Steuererhöhungen, 3. Kreditbeschaffung. Strauß erklärte, daß man wohl eine Mixtur aus allen drei Bereichen anwenden müsse. — Das ist nie dementiert worden. Genau dies tut im Prinzip diese Regierung, diese Koalition. Über die Proportionen kann man sicherlich streiten.
Es ist ja auch gar nicht so abwegig, daß der Kollege Strauß dies sagt. Er hat ja in dem Amt, von dem er nicht weiß, ob er es nun anstreben soll oder mangels besserer Aussichten anstreben muß, als Steuererhöhungsminister beste Erfahrungen. Mir liegt hier eine Liste von zwölf Steuererhöhungen vor, die der Kollege Strauß als Finanzminister — es war in einer Zeit der Rezession — zu vertreten hat. Ich will Sie nicht langweilen; wenn Sie wollen, können wir diese Liste aber verlesen. Der Saldo war — man muß berücksichtigen, daß dies jetzt neun Jahre her ist; die Proportionen haben sich etwas gewandelt — im Jahre 1967 3,3 Milliarden DM und im Jahre 1968 5,5 Milliarden DM. Also bestätigt sich das, was ich eben sagte: die große Erfahrung des Kollegen Strauß mit Erhöhungen von Steuern.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgoerdneten Stücklen?
Ja, bitte!
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12915
Herr Kollege Kirst, können Sie mir sagen, welches die Gründe waren, die dazu geführt haben, daß die FDP 1966 aus der Regierung Erhard ausgetreten ist?
Ja, das kann ich Ihnen sagen. Wir wollten Ihnen bei der Durchsetzung Ihres eigenen Ziels behilflich sein, Ihren damaligen Kanzler abzusägen.
Herr Stücklen, Sie haben die koalitionsinterne Auseinandersetzung — Herr Barzel, ich war damals noch nicht hier, aber ich kenne die Tatbestände auch einigermaßen — um die damaligen Steuererhöhungen so geführt — mit dem Ziel im Hinterkopf, Herrn Erhard zu stürzen —, daß es zum Bruch kommen mußte. Warum haben Sie es denn so lanciert, daß man Zeitungsüberschriften des Inhalts sah, daß es einfach keine andere Möglichkeit mehr gibt? Das war doch gezielte Politik. Sie wollten diese Koalition nicht mehr. Sie, Herr Barzel, haben undementiert gesagt: Wenn die Koalition nicht jetzt bricht, bricht sie bei der nächsten Gelegenheit. Sie wollten sie nicht mehr. So war es doch.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stücklen?
Ich erfinde das ja nicht, Kollege Reddemann. Sie waren damals auch noch nicht hier.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte eine dahin gehende abschließende Wertung treffen, daß dieses Bündel von Maßnahmen sozial ausgewogen ist. Es erfordert keine unvertretbaren Sonderopfer. Mir ist es besonders wichtig, dies noch einmal zu betonen: Wir unternehmen damit auch keine gesellschaftspolitischen Strafexpeditionen. Dazu wäre die FDP nicht bereit, und zwar in keinem Falle, auch nicht im Bereich unserer Beamten. Das möchte ich hier noch einmal sehr deutlich sagen. Die FDP war an diesem Konzept entscheidend beteiligt, und die FDP sieht es als unteilbares Ganzes an. Die FDP wird diesem Konzept so zustimmen und zu seiner Verwirklichung und Durchsetzung stehen.
Das Wort hat der Herr Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Herr Dr. Kohl.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle haben heute früh mit großer Spannungdie Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers I erwartet,
denn dies war eine Stunde, in der ja die Chance bestand, angesichts der Lage in unserem Lande ein klares Wort zu wirklichen Situationen der öffentlichen Finanzen, ein klares Wort zu den Notwendigkeiten dieses Staates zu sagen und auch einen entschiedenen Appell an die Bürger dieses Landes zu richten, jetzt zusammenzustehen und die Dinge, die auf uns zukommen, abzuwenden. Als die Regierungserklärung hier ablief, habe ich daran gedacht, unter welch einem Anspruch Helmut Schmidt und vor sechs Jahren Willy Brandt hier angetreten sind, um das bessere Deutschland zu schaffen.
Ich habe mich wirklich gefragt, was in den Herrn Bundeskanzler gefahren sein mag,
daß er in dieser Stunde in diesem Saal die Zeit des Jahres 1930 beschwört. Meine Damen und Herren, niemand von uns
hat je den Vergleich zur Zeit des Jahres 1930 herangezogen. Wenn aber der Herr Bundeskanzler jetzt im Wege der bei ihm ja zunehmend beliebten Geschichtsklitterung aus jener Zeit die Dinge um Heinrich Brüning so herumdreht, dann müssen wir darüber reden.
Er hätte besser früher ein Wort mit Ihnen, Herr Kollege Wehner, gesprochen. Sie haben ja vor ein paar Tagen — und ich fand das sehr beachtlich und respektiere diese Meinung — in der „Zeit" darauf hingewiesen, daß sich die Sozialdemokraten 1930 aus der Regierung abgemeldet hätten. Sie sagten: „Sie haben den letzten sozialdemokratischen Reichskanzler Herbert Müller zum Rücktritt bewegt, und das wegen einer Beitragserhöhung von einem halben Prozent zur Arbeitslosenversicherung."
Das, Herr Bundeskanzler, ist die historische Wahrheit.Dennoch bin ich hier nicht bereit, die Zeit von 1930 auf die Jahre und Monate 1975/76 zu übertragen.
Meine Damen und Herren, was immer uns in diesem Hause und in der Politik trennen mag, es bleibt hoffentlich das eine noch bestehen: Dies ist die Bundesrepublik Deutschland und nicht die Republik von Weimar, die wir hier zu vertreten haben.
Wohin, Herr Bundeskanzler, sind Sie gekommen,wenn Sie jetzt, statt eine Bilanz Ihrer Zeit zu geben,Ihre Zuflucht zu einem Abschnitt unserer Geschichte
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12916 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Ministerpräsident Dr. Kohlnehmen, der uns doch wahrlich in dieser Lage nicht weiterhelfen kann?Es bleibt hier nüchtern festzustellen, daß die Regierung der SPD/FDP, daß Willy Brandt und nicht zuletzt Sie, Herr Bundeskanzler Helmut Schmidt, im Jahre 1969 von dem Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger ein blühendes Gemeinwesen übernommen haben. Das ist die Ausgangsposition.
Sie hatten damals gefüllte Staatskassen und hatten es zu Beginn Ihrer Amts- und Regierungszeit nicht notwendig, mit derartigen Versuchen der Etatkosmetik die Bürger in diesem Lande über die wahre Lage des Landes hinwegzutäuschen, wie das auch heute früh von dieser Stelle aus geschehen ist.
Herr Bundeskanzler, ich hätte von Ihnen erwartet, daß Sie in dieser Stunde, der Stunde der Wahrheit, bei all dem, was von 1969 bis 1975 war, die Chance wahrnehmen, bei so viel gutem Willen in allen demokratischen Parteien in unserem Lande den Aufbruch zu einer neuen Politik zu wagen und die notwendigen Entscheidungen vorzuschlagen.
Sie haben diesen Vorschlag nicht gemacht, Sie verharren auf dem falschen, auf dem bequemen Kurs Ihrer Regierung. Das wird diesem Lande nicht zum Guten dienen; denn die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise unseres Landes ist doch nicht nur Ergebnis kurzfristigen aktuellen Versagens, sondern ist das Ergebnis einer sechsjährigen Politik vor allem der SPD,
sie ist das Ergebnis eines falschen Grundansatzes, eines sozialistischen Überzeugungstrends, der eben in der modernen Industriegesellschaft der Bundesrepublik Deutschland falsch ist.
Ich sprach Kurt Georg Kiesinger an. Die Zahlen sprechen eine ganz nüchterne Sprache. 1969 ergab sich aus den Steuereinnahmen gegenüber den staatlichen Ausgaben noch ein Finanzierungsüberschuß von 1,2 Milliarden DM bei einem Bruttosozialprodukt von 605 Milliarden DM.
In diesem Jahr 1975, meine Damen und Herren, werden den im Vergleich zu 1969 um 50,4 % gestiegenen Steuereinnahmen von 117,8 Milliarden DM Ausgaben in Höhe von 161,5 Milliarden DM gegenüberstehen bei einem geschätzten Bruttosozialprodukt von 1 071,5 Milliarden DM. Mit einem Satz: den um 50 % gestiegenen Steuereinnahmen stehen im gleichen Zeitraum um 96 % gestiegene Ausgaben gegenüber. Wenn ich das auf einen knappen Nenner bringe, dann sind doch diese Zahlen der Beweis dafür, daß vor allem Sie von der SPD — und dieKollegen von der FDP haben wider bessere Überzeugung diesen Weg mitgemacht —
unseren Staat und unsere Wirtschaft überfordert haben.
In der Regierungserklärung Willy Brandts von 1969 steht der gute Satz: „Solidität wird die Richtschnur unserer Finanzpolitik sein." Dieser Satz ist durch Ihre Politik in der Wirklichkeit des Lebens dieses Landes jeglicher Glaubwürdigkeit beraubtworden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie es doch bitte sein, die Schuldigen dafür überall zu suchen, nur nicht bei sich selbst.
Es sind jetzt neben jenen finsteren anonymen Kräften, die da durch den Raum schweben, vor allem, wie ich heute gelernt habe, zwei: das böse Ausland und die bösen Länder der Bundesrepublik Deutschland.
Dann gibt es hier noch eine Sonderfacette, das ist dann die Mehrheit der Länder. Der Herr Kollege Kirst war wenigstens so gütig, uns zu bestätigen, daß die Begehrlichkeit beim Geld nicht am roten oder schwarzen Parteibuch hängt, sondern eine allgemeine Begehrlichkeit ist. Ich bin sehr dankbar, daß Sie das gesagt haben.
Verehrter Herr Kollege Ehrenberg, Sie haben viel zu oft im Kanzleramt dabeigesessen, wenn Ministerpräsidentenkonferenzen mit dem Bundeskanzler waren, um zu wissen, daß dies überhaupt nicht stimmt. Wenn es um die verfassungsmäßigen Interessen der Bundesländer geht, wäre es eine schlimme Sache, wenn der eine oder andere nur wegen seines Parteibuchs anders entscheiden würde.
— Ich komme gleich darauf, verehrter Herr Kollege Ehrenberg.Nur: Es ist ein elementäres Mißverständnis einer Verfassungsordnung, wie sie im Grundgesetz niedergelegt wird, wenn hier die so ungewöhnlich zynischen und gefährlichen Worte aus dem Munde des Kanzlers kommen, indem er sagt: „der Bundesrat" und dazu im Gegensatz: „das gewählte Parlament". Herr Bundeskanzler, was ist das für ein Verfassungsverständnis in dieser Bundesrepublik Deutschland!
Ich muß Ihnen schlicht und einfach sagen: Angesichts der von uns gemeinsam getragenen Geschichte unserer Bundesrepublik in über 25 Jahren, angesichts der Bedeutung, bei allem, was es da zwischen Bundestag und Bundesrat, zwischen diesen beiden Kammern der nationalen Gesetzgebung, gab, ist
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12917
Ministerpräsident Dr. Kohldoch ein solcher Satz aus dem Munde des Regierungschefs gänzlich unerträglich in diesem Lande.
Herr Bundeskanzler, was hätten Sie als der Senator Helmut Schmidt aus Hamburg und damit als Mitglied des deutschen Bundesrates gesagt, wenn der Bundeskanzler Konrad Adenauer, der weiß Gott genug Schwierigkeiten mit dem Bundesrat hatte, sich zu einem solchen Satz verstiegen hätte?
Ich frage die Kollegen von der SPD und auch dahaben sie offensichtlich eine Lücke in ihrem Geschichtsbewußtsein —: War das nicht eigentlich damals für eine andere Regierung eine kritische Zeit, als die Bundesregierung bei der EVG-Debatte während der Regierungszeit von Georg-August Zinn, von Reinhold Maier leidenschaftlich um die Mehrheit kämpfen mußte?Meine Damen und Herren, die Verfassungsordnung haben die Väter unseres Grundgesetzes aus der Erfahrung des Dritten Reiches und aus der Kenntnis der deutschen Geschichte geschrieben. Sie haben nicht den Weg der Bequemlichkeit für die jeweilige Regierung gewählt, sondern haben versucht, das historisch Richtige zu tun, und sie haben richtig entschieden.
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, die Länder dieser Tage in einem Interview darauf hingewiesen haben — ich will das hier gleich noch mit abmachen —, sie sollten es sich sehr überlegen, ob sie auf mehr Geld verzichten können, dann muß ich Sie fragen: Wo leben wir denn eigentlich, Herr Bundeskanzler? Wir — der Kollege Stoltenberg, ich, jeder andere, auch die Kollegen von der SPD — treffen doch um Himmels willen unsere Entscheidungen nicht danach, was uns jeweils persönlich in dem Amt des Regierungschefs eines Bundeslandes nützt. Natürlich könnten wir alle mehr Geld brauchen; aber die Verfassung erwartet doch mit Recht von uns, daß wir unsere Entscheidungen am allgemeinen Wohl der Bundesrepublik Deutschland ausrichten.
Meine Damen und Herren, wir sind doch nicht mehr im Königslager zu Oppenheim am Rhein, wo dann in Form einer Wahlkapitulation der zukünftige König oder der amtierende Kanzler von den Kurfürsten jeweils nach Verteilung der Geschenke den Loyalitätseid entgegennimmt. Das ist doch nicht unser Verfassungsverständnis !
Herr Bundeskanzler, Sie haben die „Mehrheit des Bundesrates" angesprochen. Das halte ich übrigens nach unserem Politikverständnis für bedenklich, weil ich nicht von „Mehrheit Bundestag" und „Mehrheit Bundesrat" reden möchte, sondern Mehrheitsentscheidungen der einen oder der anderen Kammer respektiere; der Bundestag oder der Bundesrat hatdann entschieden. Meine Damen und Herren, so muß unser Verfassungsverständnis sein, ob mir das immer gefällt oder nicht.
Nur muß, meine Damen und Herren, eines gleich hinzugefügt werden: Dieser Bundesrat hat sich doch gerade in Ihrer Regierungszeit ganz gewiß als kooperativ erwiesen.
Verehrter Herr Bundeskanzler, im letzten Jahr haben wir eine Menge unserer Bedenken im Zusammenhang mit der Steuerreform zurückgestellt; und wir sind viel dafür gescholten worden. Sie selbst haben das damals als eine große Leistung der einzelnen Bereiche gewürdigt. Soll das heute nicht mehr gelten, weil wir uns nicht dazu bereitfinden, eine offenkundige Fehlentwicklung der deutschen Innenpolitik mitzutragen? Das ist doch unser Recht!
Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Freunde haben die Grundsätze solider Finanzpolitik verlassen. Sie haben längst Erreichtes ausgehöhlt und Entwicklungen in Gang gesetzt, die wir alle längst überwunden geglaubt hatten. Das Wirtschaftswachstum ist der Schrumpfung gewichen. An Stelle von Vollbeschäftigung haben wir Arbeitslosigkeit in einer Größenordnung, die Sie selbst einmal als gänzlich unerträglich bezeichnet haben.
Und wir haben noch etwas — das muß hier gesagt werden —, wir haben Jugendarbeitslosigkeit in einem Ausmaß, wie wir es nie vorher für denkbar gehalten hatten. Und wo immer wir politisch stehen: Das ist doch für sich allein schon ein Punkt, über den man nachdenken muß, bei dem wir als Demokraten in diesem Lande verpflichtet sind, dafür zu sorgen, daß junge Leute nicht den ersten Schritt aus der Welt des Kindes und der Schule in das Berufsleben tun und dabei als Erwachsene Arbeitslosigkeit als erste Begegnung erfahren müssen.
Die Inflation ist zu einem Dauerzustand geworden. Die soziale Sicherheit ist gefährdet. Herr Kollege Schmidt, ich kann Ihnen nur sagen: Vieles von dem, was Sie eben vorgetragen haben, entspricht völlig unserer Meinung. Nur, dann ziehen Sie doch um Himmels willen die richtigen Konsequenzen daraus.
— Ich komme mit Sicherheit noch darauf zu sprechen, Herr Kollege. Aber Sie müssen mir wenigstens noch zubilligen, in der Reihenfolge zu reden, wie ich das für richtig halte.
Beispielsweise, Herr Kollege, um Ihren Einwandgleich aufzunehmen: Bringen Sie wieder Vertrauenin die Wirtschaft dieses Landes, in Ihre eigene Partei
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12918 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Ministerpräsident Dr. Kohlhinein. Dann leisten Sie einen hervorragenden Beitrag.
Viele unserer Mitbürger sind unsicher geworden, unsicher, was ihre persönliche Zukunft betrifft, unsicher über die wirtschaftliche Entwicklung. Das ist die schlimmste Bilanz dieser sechs Jahre.Herr Bundeskanzler, Ihre Freunde in der verfaßten öffentlichen Meinung haben Ihnen in diesen Tagen bestätigt, daß die „Ohnmacht der Macher" unübersehbar ist. Das Zitat stammt nicht von mir. Und das ist ein Ergebnis Ihrer Regierung, die noch vor wenigen Jahren in die Wahlkämpfe gezogen ist mit Parolen wie: „Ihre Stimme für die SPD ist eine Stimme für stabile Preise, stabile Wirtschaft und sichere Arbeitsplätze."
Und ein anderes Zitat: „Wenn Sie ein Deutschland ohne Wirtschaftskrisen wollen, dann gibt es nur eins: Wählen Sie SPD!" Und: „Seit Sozialdemokraten regieren, geht es aufwärts."
Ich will auf die vielen Zitate gar nicht eingehen. Karl Carstens hat sie mit Recht schon vorgetragen. Ich will nur eines sagen, weil das in diesem Jahr doch sehr das Klima vergiftet hat: Die Art und Weise, wie Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Freunde vor gerade vier Monaten bei den Wahlen an der Saar und in Nordrhein-Westfalen die Bürger bewußt hinter's Licht geführt haben, macht eine normale politische Diskussion in diesem Lande unendlich schwer.
Wenn ich das sage, füge ich ganz selbstkritisch hinzu, daß ich Sie natürlich nicht in die Lage bringen möchte, vor dem Wahlkampf etwa nicht zu versuchen — was jeder Regierungschef täte —, das Notwendige zu tun, um Wahlen zu gewinnen. Nur, man sollte doch dabei bei normalen Maßstäben bleiben und nicht diejenigen, die anders denken und doch ganz offenkundig die Wahrheit gesagt haben, so in die Ecke abzudrängen versuchen, wie Sie das gegenüber der CDU/CSU getan haben, die seit Jahr und Tag darauf hingewiesen hat, wie die wirkliche Lage ist.
— Herr Kollege Wehner, wenn ich Sie betrachte, kann ich nur sagen: Die arme SPD.
— Sprechen Sie nur ruhig weiter. Sie sind des deutschen Fernsehens liebstes Kind. Ich bin gern bereit zu warten, bis Sie am Ende sind.
Auch wenn es Ihnen schwerfällt, Herr Kollege Wehner: Sie müssen sich jetzt an Ihrem eigenenAnspruch, mehr Demokratie zu wagen, messen lassen; denn eine solche Politik unterstellt ja, daß der Bürger eben nicht vergeßlich ist, sondern daß er weiß, was ihm die Regierung noch vor vier Monaten ganz selbstverständlich bestätigt hat.
— Herr Kollege Ehrenberg, mit dem, was wir bei der Steuerneuverteilung gesagt haben, kommen wir gut raus. Aber ich rate Ihnen dringend: Warten Sie noch die nächsten Monate ab, und fragen Sie sich dann, ob Sie dann auch noch einen solchen Zwischenruf machen wollen.
Wenn die Bundesregierung die jetzigen geringfügigen Sparbeschlüsse und die massiven Steuererhöhungen spektakulär als großes Sanierungsprogramm darstellt, dann wird der Bürger in unserem Lande jetzt wiederum über die wirkliche Lage getäuscht. Und, meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung die Notwendigkeit der Sparbeschlüsse entgegen aller Aussagen der Wirtschaftswissenschaftler aller Richtungen in unserem Lande über das sogenannte strukturelle Haushaltsdefizit im wesentlichen mit weltwirtschaftlichen Einflüssen begründet und damit die Hoffnung nährt, daß es nach Überwinden solcher Pannen in der bisherigen Politik munter weitergehen kann, dann ist das Scheitern dieser Politik vorprogrammiert; daran führt kein Weg vorbei.Herr Bundeskanzler, Sie machen es sich zu einfach, wenn Ihr Argument lautet: Alle anderen sind schuld, nur nicht die Regierung.
Die Wahrheit ist, daß zur Regierung gehört, daß sie die Verantwortung für das, was sie tut, auf sich nimmt — in jeder Lage in unserem Lande.
Sie hatten die Freundlichkeit, mich heute früh zu zitieren. Ich finde, das ist ein gutes Zitat, das wir doch hoffentlich beide unterschreiben können. Denn es entspricht eigentlich dem, was wahr ist. Wir haben doch diese außenwirtschaftlichen Einflüsse niemals geleugnet.
— Aber meine Damen und Herren, der von Ihnen doch besonders verehrte Kollege Strauß hat immer auf diese Einflüsse hingewiesen. Nur — und das ist der Punkt —: Wir sind nicht bereit, Ihre Tätigkeit und Ihr Versagen im Bereich der hausgemachten Inflation damit totzuschweigen; das geht nicht.
Es ist doch die Feststellung nicht zu widerlegen, daß die private Investitionsneigung in unserer Wirtschaft bereits vor dem Ausbruch der Energiekrise zurückgegangen war. Meine Damen und Herren, wir
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Ministerpräsident Dr. Kohlbefinden uns doch in einer ganz vorzüglichen Gesellschaft. Ich kann hier eigentlich alles vortragen— Sie haben es ja alle selbst gelesen; ich kann mich nur darauf beziehen —, was der geschätzte Bundeswirtschaftsminister Friderichs
in seinem mit Recht beachteten Vortrag vor der FDP-Fraktion gesagt hat. Ich bin sicher, Graf Lambsdorff, Sie haben laut Beifall geklatscht, so wie ich Sie einschätze.
Nur, meine Damen und Herren, die Konsequenzen haben Sie von der FDP daraus doch jetzt nicht gezogen, es sei denn — und darüber muß hier gesprochen werden; Karl Carstens hat es schon angedeutet —, es gibt da jetzt ein neues Konzept; man hört's in Bonn. Bis zum SPD-Parteitag in Mannheim werden die Truppen noch bei Laune gehalten. Danach kommt dann der Sparstift, danach kommt dann auch das Entsprechende, um das Investitionsklima der Wirtschaft mit Anreizen zu fördern. Nur, meine Damen und Herren, damit setzen Sie nur eine Tradition fort: Indem Sie heute etwas als fest behaupten und morgen den beschuldigen, der Sie an das erinnert, was Sie heute gesagt haben.
Ich hoffe sehr, daß sich die verehrten und von mir, wie jeder weiß, besonders geschätzten Kollegen von der FDP
— Herr Wehner, Sie wissen das ganz genau; das weiß ich, daß Sie das ganz genau wissen —
in den Wochen, die jetzt vor uns liegen — ich willheute ja noch gar kein endgültiges Urteil treffen —,
doch auf den Weg machen, damit das, was Herr Friderichs und andere — mit dem ihm eigenen Groll in der Stimme dieser Tage noch einmal der Kollege Genscher — angedeutet haben, wirkliche Politik wird, meine Damen und Herren. Damit das nicht mißverstanden wird: Ich mache jetzt nicht den Versuch, hier in die Koalition hineinzuregieren.
— Herr Wehner, ich weiß, daß das Ihr Alptraum ist.
Was ich hier mache, ist nur, die Freie Demokratische Partei, die einmal als eine Partei der sozialen Marktwirtschaft ausgezogen ist, auf dieses Prinzip auch öffentlich vor dem Forum des Deutschen Bundestages wieder anzusprechen.
Meine Damen und Herren, heute heißt es, die Rezession sei weltwirtschaftsbedingt. Nach der amtlichen Außenhandelstatistik hat das Jahr 1974 gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung der Ausfuhr um rund 52 Milliarden DM gebracht. Noch im vier-ten Quartal 1974 ergab sich eine erhebliche Ausfuhrsteigerung. Der Überschuß des Exports über den Import, also die vom Außenhandel ausgehende expansive und konjunkturbelebende Wirkung, stieg 1974 — das muß man zu dem, was Sie, Herr Bundeskanzler, heute früh sagten, nachtragen — trotz der Ölpreissteigerung um rund 18 auf fast 51 Milliarden DM. Dieser Anstieg hielt auch im vierten Quartal 1974 an.Meine Damen und Herren, Ende 1974 — das läßt sich doch nicht leugnen; das sind alles Tatsachen — gab es in der Bundesrepublik bereits 1 Million Arbeitslose. Folglich können doch die weltwirtschaftlichen Einflüsse diese Wirkung gar nicht gehabt haben, wenn Logik noch Logik bleibt.
Erst im ersten Halbjahr 1975 ist die Ausfuhr im Vergleich zum Vorjahr um knapp 3,5 Milliarden DM auf 108 Milliarden DM zurückgegangen, und der Exportüberschuß sank in der gleichen Zeit um knapp 5,5 Milliarden DM. Dieser Wert liegt aber immer noch erheblich über dem des Hochkonjunkturjahres 1973.Ich sage noch einmal für die CDU/CSU: Wir leugnen überhaupt nicht die Auswirkung weltwirtschaftlicher Entwicklungen auf die Binnenwirtschaft. Nur: Die Hauptursachen dieser Rezession sind hausgemacht, und dafür tragen Sie, Herr Bundeskanzler, die Verantwortung!
Die wahren Ursachen dieser rezessiven Entwicklung liegen entscheidend in den wirtschaftspolitischen Fehlern der Bundesregierung. Meine Damen und Herren, wer so wie Sie — Sie, Herr Bundeskanzler, haben es zugelassen; andere in Ihrer Regierung, aber noch mehr in Ihrer Fraktion, in Ihrer Partei haben es draußen aktiv betrieben — die Verunsicherung der Wirtschaft in den Grundlagen zuläßt, der darf sich über die Konsequenzen ganz einfach keiner Täuschung hingeben.Meine Damen und Herren, um es mit einem knappen Satz zu sagen: Der notwendige wirtschaftliche Aufschwung in diesem Lande wird erst dann kommen, wenn die Teile der SPD, die dies betreiben, auf Zeit und Dauer und nicht nur bis zur nächsten Bundestagswahl allen sozialistischen Experimenten abschwören! Das ist die Voraussetzung.
Das, was wir jetzt haben, ist nicht mit dem bloßen Instrumentarium der Fiskalpolitik zu bewältigen,. Hier geht es um die politisch-gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Hier geht es darum, daß wir uns wieder darauf verständigen, was doch immerhin — warum soll ich dies nicht sagen? — etwa in jener Zeit der Großen Koalition unter den beiden großen Parteien und immer auch mit der FDP zusammen unbestritten war: daß eine moderne Volkswirtschaft im Rahmen der Industriegesellschaftsbedingungen der Bundesrepublik Deutschland in jeder Zielsetzung, die wir auch für soziale Sicherheit und privates Glück des einzelnen brauchen, eben nur nach den Prinzipien der sozialen Markt-12920 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975Ministerpräsident Dr. Kohlwirtschaft in Ordnung gebracht werden kann. Das ist doch die Grundvoraussetzung.
Meine Damen und Herren von der SPD, wer dann wie Sie zuläßt, daß Ertrag als bloßer Profit diffamiert wird, daß Leistung diffamiert und als etwas Altmodisches, Abgestandenes, Kapitalistisches dargestellt wird, wer zuläßt, daß in nicht wenigen Bereichen der Sozialdemokratischen Partei Neid als ein Mittel der Politik hochstilisiert wird, darf sich nicht wundern, wenn die Folgen so sind, wie wir sie heute haben.Ich freue mich, Herr Bundeskanzler, daß Sie jetzt, wo Sie gehen und stehen, darauf hinweisen, daß Betriebe Gewinne machen müssen und daß der Gewinn eine vernünftige Voraussetzung der Politik ist. Nur: Als damals hier in der Nachbarschaft auf dem Steuerparteitag der SPD Karl Schiller in den Saal rief „Genossen, laßt doch die Tassen im Schrank", da war die Stunde des Helmut Schmidt, Karl Schiller zur Seite zu treten und zu sagen: Das ist richtig, was er sagt!
Für einen wirtschaftlichen Wiederaufstieg ist eine notwendige Voraussetzung, daß alle, die arbeiten und handeln und Verantwortung tragen, nicht nur kurz-, sondern mittel- und langfristig über die wirklichen Daten der Belastung, sei es bei Steuern, sei es bei Abgaben, sei es bei Eingriffen in die Gesellschaftsordnung, Bescheid wissen. Beim Bereich der Mitbestimmung, der Vermögensbildung, der Berufsbildung, der Körperschaftsteuerreform — ich will nur ganz wenige Kapitel nennen — muß klar und deutlich gesagt werden, was hier im Lande zu erwarten ist.Auch hier bin ich in einer guten Gesellschaft. Denn der weitschauende Bundeswirtschaftsminister stellte in seinem eingangs erwähnten Vortrag fest, daß eine nachhaltige Verunsicherung durch die öffentliche Auseinandersetzung über systemverändernde Forderungen bestehe. Meine Damen und Herren von der SPD, das sagte nicht Franz Josef Strauß auf dem CSU-Parteitag, sondern das sagte Bundesminister Friderichs vor der FDP, und er muß es im täglichen Umgang mit Ihnen doch wissen.
Jeder in diesem Lande kennt die Forderungen, die noch nicht alt sind. Fast jeden Sonntag kann man etwas erfahren und montags lesen: Forderungen nach Investitionslenkung, Vergesellschaftung der Banken, permanente Kritik an den Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft, Verteufelung des Gewinns ohne Einsicht in seine volkswirtschaftliche Funktion. Das ist Klassenkampfdenken von gestern. Das alles hat dieses Klima herbeigeführt. Und dann beklagen Sie sich über den Mangel an Investitionen.In der Rede des Bundeskanzlers heute waren Zwischentöne für die Unternehmer und die leitenden Angestellten zu hören, aber auch andere Töne, in denen er gegen die „besoldeten Interessenvertreter" zu Felde zog. Mich würde einmal interessieren, Herr Bundeskanzler, wen Sie in diesem Zusammenhang meinen. Ich bin wirklich dafür, daß wir in der jetzigen Situation die öffentlichen Leistungen insgesamt auf den Prüfstand ihrer Machbarkeit bringen — daran führt kein Weg vorbei —, daß wir das aber nach dem Prinzip der Gerechtigkeit tun. Nur, meine Damen und Herren, mir ist es zu einfach, jetzt alles auf die Interessenverbände zu schieben, weil es einer im Lande vorhandenen Grundstimmung entspricht, die wir als Demokraten gemeinsam bekämpfen müssen.
Interessen sind nicht schlecht, wenn sie redlich und öffentlich vertreten werden und wenn das Gesamtinteresse immer noch den Einzelinteressen übergeordnet ist. Das muß unsere Funktion sein.
— Ich komme noch genau zu all dem, was Sie gerne hören, meine Kollegen.Ich bin der Auffassung, daß uns der Bundeskanzler heute früh jenen „Durchbruch" und jene „umfassende Aktion", die er vor ein paar Tagen in der „Bild" -Zeitung angekündigt hat, schuldig geblieben ist.
Ich kann nicht erkennen, wo hier ein Druchbruch liegt, und ich bin sicher, Herr Bundeskanzler, daß Sie das selbst wissen. Ich bin ganz sicher, daß auch Sie wissen, daß das, was Sie bisher vorgeschlagen haben, in dieser Lage nicht ausreichen kann, und ich bin auch sicher, daß Sie noch nachfassen werden. Nur, ich halte es für ein Gebot der Redlichkeit, daß Sie hier nicht Ihre SPD-Kollegen auf den Chor: „Wo ist eure Alternative?" einstimmen, obwohl Sie selber ganz genau wissen, daß das, was Sie jetzt vorgelegt haben, nach dem Mannheimer Parteitag noch entsprechend ergänzt werden wird.
Voraussetzung einer neuen Politik ist, daß das Ausmaß der Finanzkrise auf allen Ebenen der staatlichen Tätigkeit offengelegt wird und nicht auf finanzpolitischen, etatmäßigen Verschiebebahnhöfen landet, daß der Bürger darüber informiert wird, wo gespart werden muß.
Das allgemeine Unbehagen ist doch deshalb so groß, meine Damen und Herren — ich hoffe, auch bei Ihnen —, weil viele gar nicht wissen, wofür.Sie haben, Herr Bundeskanzler — lassen Sie mich diesen Appell meinerseits unterstützen —, heute aus gutem Grunde von der Bereitschaft im Lande bei vielen, vielen unserer Mitbürger gesprochen, in dieser kritischer gewordenen Situation auch Opfer für unser Land zu bringen. Das entspricht einer Tradition in unserem Lande und ist eine ganz natürliche Reaktion von Menschen, die nicht in einer
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12921
Ministerpräsident Dr. KohlKrise verharren, sondern wieder eine Zukunftsperspektive gewinnen wollen.
— Herr Ehrenberg, Sie, als ein Mann Ihrer geistigen Ausstattung, sollten doch wirklich nicht wider besseres Wissen derartige Thesen herauslesen.
Ich kann nur sagen: Unsere Mitbürger und auch wir, Herr Kollege Ehrenberg,
sind bereit, trotz aller Schwierigkeiten und mancher Vorwürfe, mit Ihnen einen politischen Weg zu gehen — und das ist doch immerhin ein Angebot, meine Damen und Herren, das in einer anderen Stunde von Ihnen nie kam —,
und, wenn Sie die notwendigen Vorschläge machen, das zu prüfen und das auch in Bereichen mitzutragen, die scheinbar unpopulär sind. Das ist doch ein Angebot, das der demokratischen Tradition dieses Landes entspricht.Aber unsere Bürger wollen doch ihre Kreativität, ihre Phantasie, ihren Arbeitswillen einsetzen, um wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen. Und Sie, Herr Bundeskanzler, sind drauf und dran, diese einmalige Chance eines Regierungschefs zu verspielen, weil Sie offensichtlich kein Zutrauen in die wahre Mündigkeit haben und die wirklichen Tatsachen immer noch nicht offengelegt haben.
— Herr Kollege Ehrenberg, wie soll denn der Bürger ein klares Bild von Ihrer Politik gewinnen, wenn Sie heute — Sie und Ihre Freunde, aber auch Sie persönlich — staatliche Leistungen als Wildwuchs und Auswucherungen bezeichnen, die Sie und Ihre Freunde vor kurzem noch stürmisch als fortschrittliche Ergebnisse Ihrer Politik gefeiert haben?
Was der Bürger in dieser Stunde erwartet, ist— und das ist nicht nur eine Frage an die Regierung; das ist auch eine Frage an die Opposition, an die Demokraten, die sagen, sie tragen diesen Staat— eine neue und vielleicht auch verhaltensverändernde Perspektive. Das ist die eigentliche Alternative. Es hat keinen Sinn, dem Bürger mit dem Finanzknüppel Vernunft einbleuen zu wollen. Die wirkliche Alternative ist, ihm das Vertrauen zu geben, daß das, was jetzt als Einschränkung temporär auf ihn zukommt, von ihm wegen der Zukunft dieses Landes mitgetragen werden muß. Das ist die eigentliche Alternative auch im Politischen.
- Aber Herr Ehrenberg, weil Sie so insistieren,bringe ich Ihnen gern noch ein Beispiel. Was nützt es denn beispielsweise der Bundesrepublik, wenn wir jetzt den Bundeshaushalt technisch in Ordnung bringen, zugleich aber die dort gar nicht vorkommenden, aber uns zutiefst belastenden Kostenentwicklungen im Krankheitssektor weiter wachsen. Das ist doch ein solches Beispiel. Die Gesetzespläne der Bundesregierung sehen jedenfalls Mehrbelastungen der Krankenversicherungen in Milliardenhöhe vor. Uns drohen dort enorme Beitragssätze und Kostensteigerungen. Das ist doch kein Durchbruch, meine Damen und Herren, wenn Sie hier jetzt einen Teil der Dinge vortragen und die anderen Belastungen, die doch der gleiche Steuerzahler mittragen muß, draußen im Lande einfach verschweigen.Meine Damen und Herren, daß kein Weg an einer drastischen Zurücknahme der Ausgaben vorbeigeht, zeigen doch alle Modellberechnungen. Ich will sie in diesem Zusammenhang gar nicht im einzelnen aufführen. Denken Sie nur an das Thema Bundesbahn, an das Thema der Personalkostensteigerungen bei Bund, Ländern und Gemeinden.
— Herr Kollege, ich weiß nicht, warum Sie jetzt besonders auf die Länder eingehen. Natürlich haben die Länder bei der Explosion der Lehrerzahlen Probleme. Aber brauche ich mir von Ihnen von der SPD, die Sie das Traumziel haben, 50 % jedes Geburtsjahrgangs zum Abitur zu führen, einen Vorwurf hinsichtlich der Lehrerzahl machen zu lassen?
Ferner ist folgendes zu sagen: Wir haben darauf hingewiesen — Herr Kollege Kirst hat das Thema verdienstvollerweise auch angesprochen; auch Sie, Herr Bundeskanzler, sprachen davon —, daß die Kreditaufnahmen, wie sie jetzt gefordert werden, sich in einer Phase des Aufschwungs nicht inflationsfrei finanzieren lassen. Das kann man doch redlicherweise nicht bestreiten. Sie haben in diesem Punkte ich bin ja nicht nur da, um zu kritisieren — Anregungen aufgenommen. Wir halten das für richtig. Ich will dies hier ausdrücklich erwähnen.Die Bundesregierung strebt die schrittweise Reduzierung der Kreditaufnahme für die nächsten Jahre bekanntlich durch Einsparungen einerseits und durch Steuer- und Abgabenerhöhungen andererseits an. Ihre Einsparungen, Herr Bundeskanzler- und das wird sicher auch die Detaildebatte mitden Finanzministern der Länder ergeben, die ja das gleiche Problem haben —, sind aber zunächst auf dem Papier höher als in Wirklichkeit. Es handelt sich dabei doch großenteils nicht um Einsparungen gegenüber dem bisherigen Ausgabenvolumen, sondern um Einsparungen und Abstriche an den Zahlen der ursprünglichen Finanzplanung für 1976 und 1977. Das heißt doch — um es allgemeinverständlich auszudrücken —: Sie sparen an Vorstellungen, die Sie einmal entwickelt haben, die aber in der
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12922 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Ministerpräsident Dr. KohlRealität des Alltags überhaupt noch nicht wirksam sind.
Der tatsächliche Eingriff, Herr Bundeskanzler, in die bisherigen Besitzstände — das tut weh; wem sagen Sie das, das ist genauso mein Problem in einem Landeshaushalt — ist um ein Vielfaches geringer. Setzt man diese Eingriffe in die bisherigen Besitzstände in eine Relation zu den geplanten Einnahmeerhöhungen — durch Anhebung der Mehrwertsteuer, des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung, der Tabak- und Branntweinsteuer —, dann erst wird drastisch deutlich, daß die Maßnahmen der Bundesregierung nicht von Einsparungen, sondern entscheidend von Steuererhöhungen bestimmt werden. Das muß der Bürger in der Bundesrepublik zur Kenntnis nehmen.
Jetzt, Herr Kollege Ehrenberg, komme ich auf Ihre Frage von vorhin. Dies ist die wahre Lage. Weil dies die wahre Lage ist, ergibt sich für uns aus unserem Selbstverständnis von demokratischem Patriotismus nicht ein Ausweg — —
— Meine Damen und Herren, Sie mögen bei diesem Wort lachen; für mich ist es selbstverständlich, von einem demokratischen Patriotismus zu sprechen. Darin unterscheidet sich die Republik von Bonn von der von Weimar.
Wir beziehen nicht die Position — ich will die Zitate ganz weglassen, obwohl sie reizvoll sind — aus dem Jahre 1966. Aber wenn es so ist — wie es offenkundig der Fall ist —, daß dieses Land zunehmend in große Schwierigkeiten hineingerät, daß an den Rändern der demokratischen Struktur schon die radikalen Aasgeier von rechts und von links lauern, um dabei vielleicht billige Geschäfte zu machen, wäre es ein Verrat an dem Gesetz des Anfangs der CDU/CSU, wenn wir nicht ganz selbstverständlich auch in der Opposition unsere Verantwortung für dieses Land sähen und diese Verantwortung übernähmen.
Und jetzt fragen Sie: Was sagt ihr denn im Detail?
Darauf sage ich zunächst einmal das, was einer der ganz Großen Ihrer Fraktion — ich bin froh, daß er vor mir sitzt —, Alex Möller, zu diesem Thema klassisch formuliert hat. Ich spreche jetzt nicht von seinem Abschiedsbrief, sondern von seiner Rede am 10. November 1966. Ich sage deswegen „klassisch", Herr Kollege Möller, weil sich hier die Einsicht eines langen parlamentarischen Lebens niederschlägt und weil es da nicht um eine billige parteipolitische Sache geht. Was damals Ihnen passiert ist und heute uns passiert, kann sich morgen wieder entsprechend verändern; Sie wissen, wie greifbar nahe das unter Umständen auch für Sie bevorsteht.
Alex Möller sagte damals — ich darf zitieren —:Politisch bleibt entscheidend, daß keine Opposition aus ihrer Position heraus Alternativen entwickeln kann, die die letzte Aussagekraft besitzen, da ja nicht sie Regierungspolitik betreibt.
Jeder Haushalt ist aber die in verpflichtenden Zahlen ausgedrückte Regierungspolitik. Sowohl die Einnahme- als auch die Ausgabeseite werden immer maßgebend von Gesetzen und deren Zielsetzung beeinflußt, für die in vollem Umfang die Regierungskoalition und nur höchstens partiell die Opposition Verantwortung trägt. Wer diese Überlegungen mit einer Handbewegung abtut, verkennt die Zusammenhänge und begeht eine in der Politik unverantwortliche Kurzschlußhandlung: er ist unrealistisch!So sagt Alex Möller.
Politik soll und muß sich aber gerade in der Finanz- und Haushaltspolitik an Realitäten ausrichten. So ist der Versuch einer Alternative einer Darstellung unserer Vorstellungen zu betrachten und zu werten.Meine Damen und Herren, Alex Möller hat sich damals mit diesen Worten — das will ich sagen, um von vornherein mißbräuchliche Verwendung auszuschließen — ganz entschieden zu einer parlamentarisch-demokratischen Verantwortung bekannt. Er hat nur das Rollenverständnis völlig richtig wiedergegeben. Denn, meine Damen und Herren, das wissen Sie doch so gut wie auch ich: Sie möchten jetzt — und für was halten Sie uns eigentlich? — in dieser Lage von uns in diesem oder jenem Punkt einen Vorschlag haben, damit Sie dann draußen in der Gruppe herumlaufen und laut schreiend die „soziale Demontage der CDU" anklagen können.
Unser Angebot steht, daß Sie in dieser schwierigen Lage bei entsprechenden Vorschlägen der Bundesregierung darauf rechnen können — und ich spreche hier für Bundestag und Bundesrat,
für CDU und CSU in beiden Kammern; ich bin vorhin von Ihnen darauf angesprochen worden; ich spreche bewußt für die Partei in beiden Bereichen —, daß wir uns unserer Verantwortung überhaupt nicht zu entziehen bereit sind. Wir sind Verantwortung zu tragen bereit. Aber Sie tragen die Regierung, Sie haben den Apparat, und Sie haben die Pflicht, jetzt zu regieren und zwar kraftvoll und mit Mut.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12923
Ministerpräsident Dr. Kohl— Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, warum Sie sich erregen. Ich verspreche Ihnen, daß Ihnen diese Bundesregierung noch im Laufe des kommenden Winters die eben von Ihnen so heftig bestrittenen Zahlen liefern wird. An dieser Realität führt gar kein Weg vorbei.Wir fordern als Alternative eine grundsätzliche Kurskorrektur, eine neue Politik auf der Basis und den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, die Systemveränderungstendenzen in allen Bereichen ausschließt. Wir sind dann bereit, damit unsere Verantwortung mitzutragen und das Notwendige zu tun.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Carstens hat gerade für die CDU/CSU — da haben Sie auch nicht gemeutert —,
für Bundestag und Bundesrat, hier angeboten, daß wir alle kostenwirksamen eigenen Vorschläge zurückziehen. Ich kann Ihnen nur raten: Tun Sie das gleiche, Herr Kollege Wehner, statt hier einfach zu lachen; denn das Lachen wird bei der Politik, die Sie bisher betrieben haben, Ihnen und anderen vergehen.
Ein kurzes Wort zum Thema der Mehreinnahmen aus der Steuererhöhung, die für 1977 in einer Größenordnung von 13 Milliarden DM vorgesehen ist und bis 1979 auf eine Größenordnung von 18 Milliarden DM ansteigen soll. Ich brauche zu dem, was dazu konjunkturpolitisch zu sagen ist, nichts zu bemerken. Karl Carstens hat das erwähnt; das wird in der Debatte sicher noch vertieft werden.
Aber, meine Damen und Herren, Sie müssen doch davon Kenntnis nehmen, daß solche Steuererhöhungen Konsequenzen für die Haushalte haben.Die Bundesregierung — lassen Sie mich Ihnen das vorrechnen — erwartet eine Steigerung des Ausgabevolumens in den Jahren 1976 bis 1979 zwischen 41/2 und 61/2 % bei einer Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts von 91/2 bis 101/2 %. Die letzte Zahl stammt von Ihnen; ich habe sie nicht zu vertreten, Graf Lambsdorff. Meine Damen und Herren, zugleich erwartet die Regierung, daß die öffentlichen Hände ihre Investitionen im Durchschnitt der nächsten Jahre regelmäßig um 8 % steigern. Dies ist eine der Voraussetzungen für das wirtschaftliche Wachstum und damit eine der Grundlagen der geschätzten Steuereinnahmen. Ich gehe jetzt von Ihrer eigenen Prämisse aus. Mehreinnahmen von 10 Milliarden DM aus der Mehrwertsteuer bedeuten aber mindestens 4 bis 5 Milliarden DM Mehrbelastung der öffentlichen Haushalte infolge der Preiswirkungen, die sich auf Grund der Erhöhung der Mehrwertsteuer im Personal-, Sach- und Investitionsbereich nach den bisherigen Erfahrungen ergeben. Auch das ist doch eine der zwingenden Wahrheiten.
Herr Ehrenberg, es wäre nützlich, wenn Sie in dieser Debatte diesen Gesichtspunkt angreifen würden, wenn Sie ihn widerlegen und nachweisen würden, daß das falsch ist, damit wir es im Protokoll des Bundestages haben und dann spätestens Weihnachten noch einmal auf diese Sache zurückkommen können.
Meine Damen und Herren, geht man außerdem von der Annahme regelmäßiger Zuwachsraten des realen Bruttosozialprodukts aus, läßt man die Inflationsrate von 5 % außer Betracht, wird man davon ausgehen können, daß dieses Potentialwachstum möglicherweise die Untergrenze der jährlichen regelmäßigen Lohn- und Gehaltsforderungen sein wird. Das hört man auch anderswo so. Setzt man dann auch noch die jährliche Inflationsrate ein, welche die Bundesregierung mit 51/2 % bis 41/2 % angibt, dann ist doch, auch wenn man sie nur teilweise — ich komme Ihnen noch entgegen — prozentual berücksichtigt, der zugebilligte Wachstumsspielraum für die öffentlichen Haushalte bereits erschöpft. Das ergibt sich zwingend aus dieser Rechnung. Gleichzeitig — das ist hier nachzutragen — soll aus diesen öffentlichen Haushalten aber auch noch eine regelmäßige Steigerung der Investitionsausgaben in Höhe von 8 °/o zur Ankurbelung der Wirtschaft geleistet werden. Die Rechnung, meine Damen und Herren, stimmt doch hinten und vorne nicht.
Diese Projektion der Bundesregierung führt dazu — das sage ich warnend in dieser Stunde —, daß die Länder und die Gemeinden — das ist genauso wichtig, Herr Kollege Kirst, wie die Entwicklung beim Bund — nicht in der Lage sein werden, die notwendigen Investitionen, die wir auch volkswirtschaftlich brauchen, für die nächsten Jahre zu tätigen.
Gerade die Bundesregierung sagt völlig vernünftig und richtig, daß die Investitionstätigkeit der Länder und Gemeinden und der Bundesregierung selbst Voraussetzung für ein vernünftiges Wirtschaftswachstum ist.Meine Damen und Herren, sehen wir dies alles so, kann ich nur sagen: Wenn Sie jetzt zum Mittel der Steuererhöhung greifen, ist das ein Notbremse, die das Land in nichts voranbringt, die aber vor allem die Bezieher niedriger Einkommen entscheidend beeinträchtigt, die auf Grund ihres verhältnismäßig großen und auch flexiblen Ausgabenanteils für Güter des täglichen Bedarfs, für Ernährungsgüter und anderes am stärksten betroffen sind.Wir hörten heute die Schutzbehauptung, die Mehrwertsteuererhöhung sei ein integrationsfreundlicher Schritt. Meine Damen und Herren, Sie wissen doch selbst, so integrationsfreundlich wären Sie doch gar nicht gewesen, wenn Sie nicht einen anderen Zwang gehabt hätten, diesen Schritt in dieser Situation zu tun.Der Kollege Schmidt aus dem Bundestag brachte ein Zitat des Kollegen Strauß. Bei diesem Gedanken
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12924 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Ministerpräsident Dr. Kohlstand damals doch eine mittelstandsfreundliche Gewerbesteuerreform Pate. Herr Bundesminister Friderichs, Graf Lambsdorff und Herr Mischnick von der FDP, hier stirbt wieder ein Reformvorhaben, dem Ihr Name besonders verbunden ist.
Meine Damen und Herren, zusammenfassend
läßt sich sagen, daß die Regierungsvorlage ein Teilgeständnis der verfehlten Politik der letzten Jahre darstellt, ein Teilgeständnis hinsichtlich der unerträglichen Verschuldungspolitik, in welche die Bundesregierung die Bundesrepublik geführt hat. Den notwendigen Konsequenzen weichen Sie in dieser Stunde nach wie vor aus. Die Tatsache, daß die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung von der Regierung unberücksichtigt bleiben, macht deutlich, daß wir erneut — ich sprach vom Verschiebebahnhof des Etats — Probleme in Milliardenhöhe vor uns herschieben. Der Abbau, der wirkliche Abbau, meine Damen und Herren von der SPD, von sozialen Leistungen wird kaschiert, indem man ihn der Preisentwertung überläßt und gar nicht daran denken kann, einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen. Nach wie vor fehlt Ihnen in dieser Bundesregierung der Mut, offen zu sagen und politisch auszutragen, was in dieser Stunde einfach notwendig ist.Herr Bundeskanzler, ich will Ihnen noch einmal sagen, Sie werden unsere Unterstützung bekommen, wenn Sie auf dem Weg, den ich skizziert habe, mit Entschlossenheit voranschreiten. Dies ist ein Denkansatz, der unsere Probleme lösen kann. Es ist dann nicht gut, wenn wir womöglich — ich sage das noch einmal — Verantwortungen zwischen Bund und Ländern hin- und herzuschieben versuchen. Wir haben vor keiner Wahl — auch nicht vor der in Nordrhein-Westfalen — die Meinung zurückgehalten, daß wir bereit sind, aus unserer Verantwortung auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Wir selbst haben in Fernsehdiskussionen über dieses Thema gesprochen. Es geht jetzt einfach darum, im Blick auf die Zukunft eine neue Politik einzuleiten und eine neue Perspektive für die Politik zu gewinnen.Meine Damen und Herren, wer diese Regierungserklärung heute früh hörte, weiß, daß das Vertrauenskapital, das die die Regierung tragenden Parteien 1972 vom Wähler erhalten haben, rundherum verspielt ist. Sie, Herr Bundeskanzler, tragen vornehmlich in Ihrer früheren Position als Wirtschafts- und Finanzminister und jetzt als Regierungschef für diese Entwicklung die Verantwortung. Jetzt ist nicht die Stunde des Vernebelns und des Beschönigens; jetzt ist die Stunde der Wahrheit.
Jetzt ist die Stunde des Mutes,
um womöglich auch unpopuläre Entscheidungen durchzudrücken, wenn sie für die Zukunft unseres Landes notwendig sind. Ich darf hier für CDU und CSU erklären: Wir sind als deutsche Patrioten undDemokraten bereit, nach entsprechender Prüfung unseren Beitrag zu einer solchen neuen Politik der Vernunft zu leisten. Wir sind bereit, auch in Opposition unsere Verantwortung zu sehen. Wir werden daran gemessen werden, welches unser Beitrag ist. Unser Angebot und unsere Aufforderung an Sie ist, jetzt Einkehr zu halten und eine neue Politik möglich zu machen.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die verkürzte Mittagspause eintreten, weise ich darauf hin, daß die Fragestunde um 14 Uhr beginnt und die Debatte über die Regierungserklärung und die damit verbundenen Tagesordnungspunkte um 15.30 Uhr wieder aufgenommen wird.
Ich unterbreche die Sitzung.
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.Wir treten ein dieFragestunde— Drucksache 7/4024 —Der Altestenrat hat vorgeschlagen, daß wir auch in dieser Woche, abweichend von unseren Richtlinien, zwei Fragestunden mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchführen. Gemäß § 127 unserer Geschäftsordnung müssen wir diese Abweichung von der Geschäftsordnung beschließen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Die hier eingebrachte Frage 1 des Herrn Abgeordneten Gröner wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung der Frage steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Haack zur Verfügung. Die eingereichte Frage 2 des Herrn Abgeordneten Walkhoff soll auf Wunsch des Fragestellers ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Der Herr Abgeordnete Pfeffermann hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingebrachten Fragen 3 und 4 gebeten. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Hierzu liegen die Frage 5 der Abgeordneten Frau Benedix und die Frage 6 des Herrn Schwenke
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12925
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenvor. Die beiden Fragesteller haben um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen gebeten. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ist es mit den Grundsätzen der Menschlichkeit sowie dem Grundvertrag und den Zusatzvereinbarungen in Einklang zu bringen, daß die „DDR" die Überführung von in der „DDR" verstorbenen Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland monatelang hinauszögert?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Herr Kollege Wittmann, ich kann zu Ihrer Frage erklären, daß der Bundesregierung keinerlei Erkenntnisse vorliegen, die Überführung von Personen, die in der DDR verstorben sind, nach der Bundesrepublik verzögerte sich monatelang. Im Gegenteil, bei Nachfragen bei den Verbänden der hiesigen Beerdigungsinstitute in Hamburg und in Düsseldorf wurde uns bestätigt, daß keinerlei Erkenntnisse in dieser Richtung vorliegen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es für solche Fälle der Überführung von Verstorbenen Vereinbarungen mit der DDR?
Sie wissen, daß diese Vereinbarungen erst im Zusammenhang mit dem Gesundheitsabkommen usw. wirksam werden können. Es gibt bisher einen regelnden Modus, und der hat zu keinerlei Beanstandungen geführt.
Herr Staatssekretär, würden Sie bitte in geeigneter Weise überprüfen, warum die Urne des stellvertretenden Präsidenten des Bundes der Mitteldeutschen, der in seiner Heimat Brandenburg an der Havel am 28. Mai 1975 verstorben ist, erst am 20. August 1975 den Angehörigen per Post zugestellt wurde und welche Gründe gegebenenfalls diese Verzögerung hat.
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Wittmann, ich bedaure sehr, daß Sie einen solch konkreten Fall, über den Sie hier etwas wissen wollen, nicht schon direkt an uns herangetragen haben. Ich wäre dann in der Lage, Ihnen dazu etwas zu sagen,
und wir würden uns das Leben nicht gegenseitig schwermachen. Ich werde mich bemühen, Ihnen die Antwort schriftlich zu geben.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, nach einer Ferienpause läuft die Fragestunde immer etwas zähflüssig an.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Brück zur Verfügung. Es liegen die Fragen 107 und 108 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher vor. Ich rufe zunächst die Frage 107 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, allein oder gemeinsam mit ihren EG-Partnern Hilfsmaßnahmen für Menschen europäischer Herkunft in die Wege zu leiten, die durch die Auflösung der portugiesischen Einflußgebiete sowie durch andere Entwicklungen in Afrika in äußerste Not geraten sind?
Herr Kollege, die Bundesregierung leistet im Rahmen ihrer Möglichkeiten grundsätzlich humanitäre Hilfe in Katastrophenfällen und anderen Notfällen. Sie gibt die Hilfe vorrangig bilateral, beteiligt sich jedoch auch an multilateralen Hilfsmaßnahmen. So hat die Bundesregierung in ihrer Sitzung am 3. September 1975 beschlossen, Portugal bei der Evakuierung von europäischen Siedlern aus Angola zu unterstützen. Zu diesem Zweck wurde zunächst eine Boeing 747 der Deutschen Lufthansa und anschließend eine Boeing 707 der Bundesluftwaffe zur Verfügung gestellt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, werden ähnliche erfreuliche Hilfsmaßnahmen auch Bürgern europäischer Herkunft zuteil, die insbesondere in Mozambique, wie Pressemeldungen zu entnehmen ist, zur Zeit sehr brutal behandelt werden?
Herr Kollege Becher, wenn Menschen in Not kommen, werden wir in allen Fällen helfen, soweit wir die Möglichkeit dazu haben und die Möglichkeit dazu bekommen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, denkt die Bundesregierung bei ihren Hilfsmaßnahmen daran, insbesondere solche Bürger mit zu schützen — Siedler usw. —, die deutscher Herkunft sind und die auch, wie wir wissen, ganz besonders gefährdet sind?
Herr Kollege Becher, die Fürsorgepflicht der Bundesregierung für deutsche Staatsbürger steht natürlich im Vorder-
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12926 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Parl. Staatssekretär Brückgrund. Aber ich glaube, wir stimmen beide darin überein, daß sich Hilfsmaßnahmen nicht nach der Nationalität der betroffenen Menschen zu richten haben, sondern daß sie für alle Menschen gelten müssen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt .
Herr Staatssekretär, interpretiere ich die Haltung der Bundesregierung richtig, wenn ich davon ausgehe, daß bei humanitären Maßnahmen kein Unterschied danach gemacht wird, ob — wie es in der Frage heißt — die betreffenden Menschen europäischer Herkunft, also Weiße, oder ob sie anderer Hautfarbe sind?
Herr Kollege Arndt, mit meiner Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Becher wollte ich ausdrücken, daß kein Unterschied besteht, gleich, welcher Nationalität die Menschen angehören. Das beinhaltet natürlich auch, daß kein Unterschied in der Rasse gemacht wird.
Ich rufe die nächste Frage — Frage 108 — des Abgeordneten Dr. Becher auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Zusicherung von Entwicklungshilfe an afrikanische Staaten davon abhängig zu machen, daß sie auch die Bürger europäischer Herkunft nach den Grundsätzen der Konventionen über die Menschenrechte behandeln?
Herr Staatssekretär!
Eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und anderen Staaten — nicht nur afrikanischen — setzt ein partnerschaftliches Verhältnis voraus. Bei einer schweren Störung dieses Verhältnisses durch eine andauernde Verletzung von Menschenrechten kann die Frage einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht ausgeklammert bleiben und muß von Fall zu Fall einer sorgfältigen Prüfung unterzogen werden.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß diese Haltung der Bundesregierung insbesondere dort zum Zuge kommt, wo innenpolitische Maßnahmen der betreffenden Länder zur praktisch totalen Enteignung und Vertreibung bedeutsamer Schichten der Bevölkerung führen?
Herr Kollege Becher, ich würde eine Enteignung nicht als einen Verstoß gegen die Menschenrechte betrachten. Wenn ein Land zu der Auffassung kommt, daß es besser ist, zu enteignen, beispielsweise Großgrundbesitz in manchen Ländern, dann meine ich, daß dies kein Verstoß gegen die Menschenrechte ist.
Eine andere Frage ist, ob es ein Verstoß gegen das Völkerrecht ist, ohne Entschädigung zu enteignen. Da würde ich die Auffassung vertreten, daß es ein Verstoß gegen das Völkerrecht ist, ohne Entschädigung zu enteignen.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt die Bundesregierung auch an solche afrikanischen Staaten Entwicklungshilfe, deren innenpolitische Maßnahmen die Existenz von Bundesbürgern gefährden, die sich dort unter Zuhilfenahme anderer Bundesmittel in früheren Jahren Betriebe und Siedlungseinheiten gebaut und errichtet haben?
Herr Kollege Becher, mir ist kein Fall bekannt, in dem die Existenz eines Bürgers der Bundesrepublik gefährdet ist. Es gibt natürlich Fälle, in denen Bürger der Bundesrepublik enteignet worden sind. Hier werden wir dafür eintreten, daß sie entsprechend entschädigt werden.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schmude zur Verfügung.
Der Herr Abgeordnete Dr. Jobst hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Frage 7 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Roser auf. — Der Abgeordnete ist offensichtlich nicht im Saal, so daß die Frage schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Gerlach hat gebeten, die von ihm eingereichten Fragen 9 und 10 schriftlich zu beantworten. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage i i des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, versuchsweise Bestimmungen der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr , wie Sprechverbot, Rauchverbot, Radioverbot, Verbot der Beförderung von Betrunkenen, auch in den von ihr betriebenen Dienstwagen anzuwenden, und ist sie bereit, die in einem solchen Versuch gewonnenen praktischen Erfahrungen zur Korrektur der Verordnung zu nutzen?
Herr Kollege Gansel, den in Ihrer Frage enthaltenen Vorschlag hat die Bundesregierung mit dem angemessenen Ernst und der ge-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12927
Parl. Staatssekretär Dr. Schmudebotenen Nüchternheit geprüft. Weder für die Beförderung Betrunkener noch in sonstiger Hinsicht erwartet sie aus dem von Ihnen angeregten Versuch irgendwelche Aufschlüsse für die Beurteilung der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrtunternehmen im Personenverkehr.Im übrigen beabsichtigt der Bundesminister für Verkehr — wie Sie sicher durch die Presse erfahren haben —, die Verordnung demnächst mit den Länderverkehrsministern zu erörtern.
Herr Kollege, Sie haben das so nüchtern hingenommen; ich bin überrascht.
Ich rufe Frage 12 des Herrn Abgeordneten Ey auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auslassung einer führenden Tageszeitung , in der Frage der Sicherheit von Atomkraftwerken könne es deswegen nicht zu verantwortbaren Entscheidungen kommen, weil es nicht zur „notwendigen offenen Auseinandersetzung der Experten aus Wissenschaft und Technik über das Für und Wider der strittigen Fragen komme"?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Herr Kollege Ey, die Bundesregierung kennt die Vielfalt unterschiedlicher wissenschaftlicher Meinungen im In- und Ausland zu wichtigen Fragen der Kernenergie. Sie weiß, daß sich daraus für eine objektive Meinungsbildung auch in den Parlamenten und Regierungsbehörden nicht geringe Schwierigkeiten ergeben.
Die Bundesregierung hält es deshalb für unverzichtbar, die fachlich fundierte Auseinandersetzung qualifizierter Experten über die Sicherheitsprobleme der Kernenergie und andere strittige Fragen aus diesem Bereich zu fördern. Von diesem Grundsatz geht die Bundesregierung bei der Besetzung der Gremien aus, die sie — wie die Reaktorsicherheits-
und die Strahlenschutzkommission — auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit und das Strahlenschutzes beraten.
In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der FDP zur friedlichen Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland. Dort wird ausführlich dargelegt, wie nach Auffassung der Bundesregierung die Beratung von Bund und Ländern durch unabhängige Sachverständige mit breitem fachlichen Querschnitt gewährleistet werden kann und welches Verfahren vorgesehen ist, um bei abweichenden Gutachtermeinungen eine klar verantwortbare Entscheidungsgrundlage der Behörden finden zu können.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? — Bitte!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Meinung, daß die in der Presse empfohlene öffentliche Auseinandersetzung der Sachverständigen damit unterbleiben kann?
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß diese Auseinandersetzung der Sachverständigen mit ihrer Unterstützung bereits stattfindet.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, ist dabei die Tatsache besonders berücksichtigt, daß es sich bei der Bundesrepublik um einen besonderen Ballungsraum hinsichtlich der Industrie und damit auch der Menschen handelt?
Diese Tatsache schafft besondere Probleme, die auch Veranlassung und Grundlage ausführlicher Erörterungen und Untersuchungen sind.
Dann rufe ich Frage 13 des Herrn Abgeordneten Ey auf:
Welche Aussagen der Bundesregierung über die Sicherheits- und Risikofragen bei Atomkraftwerken haben sich inzwischen als Fehlbeurteilung erwiesen?
Bitte!
Die Aussagen der Bundesregierung über die Sicherheits- und Risikofragen bei Atomkraftwerken gründen sich auf den jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik, der nach dem Atomgesetz das Maß der erforderlichen Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb kerntechnischer Anlagen vorschreibt. Auch hierzu sind weitergehende Ausführungen der erwähnten Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage betreffend Kernenergie zu entnehmen.
Ein derart eindeutig mit dem technischen Fortschritt verbundenes Konzept der stetigen Verminderung des Risikos bringt fortlaufend die unverzügliche Umsetzung jeweils neuer Erkenntnisse in entsprechende Maßnahmen mit sich. Wenn nach dem ständig fortentwickelten Stand von Wissenschaft und Technik Vorsorgemaßnahmen immer wieder verbessert werden, kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, zuvor habe eine Fehlbeurteilung vorgelegen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Hält damit die Bundesregierung nicht auch das Tempo, mit dem der Bau von Atomreaktoren betrieben wird, für unangemessen hoch?
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei ,den Überlegungen zu dem von Ihnen angesprochenen Tempo Sicherheitserwägungen nicht zu kurz kommen dürfen und tatsächlich nicht zu kurz kommen. Dies ist in der von mir mehr-
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Parl. Staatssekretär Dr. Schmudefach erwähnten Antwort auf die Große Anfrage zur friedlichen Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik ausführlicher dargelegt worden, und ich gehe davon aus, daß in Kürze in diesem Hause hierzu auch eine Aussprache stattfinden wird, bei der das noch vertieft werden wird.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär!
Ich rufe nunmehr Frage 14 des Herrn Abgeordneten Kern auf:
Hält die Bundesregierung Vorschläge, den Verfassungsauftrag des Artikels 29 des Grundgesetzes dadurch zu erledigen, daß durch eine Gesetzesänderung dieser Verfassungsauftrag annulliert wird, unter dem Gesichtspunkt der Verfassungstreue für gangbar?
Wollen Sie, Herr Staatssekretär, die Fragen 14 und 15 gegebenenfalls gemeinsam beantworten?
Dafür wäre ich dankbar.
Herr Kollege, Sie sind sicher einverstanden, zumal da Ihr Fragerecht dadurch nicht verkürzt wird.
— Dann rufe ich zusätzlich Frage 15 auf:
Hält die Bundesregierung ihrerseits an dem in der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 beschriebenen Weg lest, und wird sie Vorschläge zum Gutachten der Sachverstandigenkommission zur Neugliederung des Bundesgebietes formulieren und dem Bundestag in der nach Artikel 29 des Grundgesetzes vorgesehenen Zeit zur Entscheidung vorlegen?
Herr Kollege Kern, zweifellos wäre es politisch wünschenswert, wenn der bestehende Verfassungsauftrag von Art. 29 des Grundgesetzes durch eine großräumige Neugliederung des Bundesgebietes erfüllt werden könnte. Indessen hält die Bundesregierung die Vorlage eines Gesetzentwurfs mit einer umfassenden und gebietsmäßig konkretisierten Neugliederungskonzeption nur und erst dann für sinnvoll und dem genannten Verfassungsauftrag förderlich, wenn die vorgeschlagenen Änderungen des Gebietsbestandes der Länder Aussicht haben, eine mehrheitliche Zustimmung bei den verantwortlichen politischen Kräften und der betroffenen Bevölkerung zu finden. Derartige Voraussetzungen liegen derzeit für kein Neugliederungskonzept vor.
Für die Bundesregierung kommt jedoch eine Streichung des Art. 29 des Grundgesetzes nicht in Betracht. Vielmehr hat der Bundesminister des Innern unmittelbar nach den Volksentscheiden vom 19. Januar 1975 in Oldenburg und Schaumburg-Lippe dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages erklärt, daß er das Gespräch mit allen verantwortlichen politischen Kräften suchen werde, um zu klären, ob und welche Aussichten für eine gemeinsame Lösung des Gesamtproblems der Neugliederung bestünden. Diese Gespräche sind noch nicht abgeschlossen.
In aller Kürze dürfte sich jedoch herausstellen, ob Aussicht für eine Grundgesetzänderung besteht, die den politischen Gegebenheiten noch besser entspricht als die gegenwärtige Fassung des Art. 29 des Grundgesetzes, indem sie moderne Ziele aufstellt und eher realisierbare Verfahren für eine Neugliederung des Bundesgebietes anbietet. Eine Annullierung des Verfassungsauftrags läge darin jedenfalls nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kern.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß die Ziele, die in Art. 29 für eine Neugliederung des Bundesgebietes genannt sind — etwa die kulturelle Zusammengehörigkeit, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit oder das soziale Gefüge —, von Ihnen nicht in Frage gestellt werden?
Diese Ziele werden nicht in Frage gestellt. Die weitere Frage ist eben nur, wie sie zu erreichen, wie sie zu verwirklichen sind. Auf die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten habe ich an dieser Stelle nicht zum erstenmal hingewiesen.
Bitte, Herr Kollege, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß der Verfassungsauftrag in Art. 29 den Weg sehr klar beschreibt und daß deswegen ohne Not nicht davon abgewichen werden sollte, diesen Weg auch zu gehen?
Er beschreibt den Weg, Herr Kollege Kern, aber er zeigt nicht, wie auf diesem Weg ein dem Auftrag des Art. 29 förderliches und entsprechendes Ergebnis auch dann gefunden werden kann, wenn eine mehrheitliche Zustimmung der politischen Kräfte und der Bevölkerung nicht herzustellen ist.
Herr Kollege Kern.
Herr Staatssekretär, nachdem wir in diesen Tagen sehr viel über Sparmaßnahmen diskutieren, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß die Spitzenposition der Bundesrepublik Deutschland in der Welt mit 112 Ministern auch dann nicht gefährdet wäre, wenn diese Zahl durch eine entsprechende Sparmaßnahme um etwa 25 Minister reduziert würde, und sie selbst dann noch auf dem ersten Platz läge, da der zweite Platz von der Sowjetunion eingenommen wird, die nur 86 Minister hat.
Herr Kollege, ich bin bei der Zulassung von Zusatzfragen, wie Sie wissen, immer großzügig. Aber Sie werden mir einräumen, daß der unmittelbare Sachzusammenhang mit den von Ihnen eingereichten Fragen nicht
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenhergestellt werden kann. Ich gebe Ihnen die Möglichkeit, eine weitere Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatssekretär, sehen Sie wie ich die Möglichkeit, durch eine Neugliederung des Bundesgebietes die föderative Struktur der Bundesrepublik zu verbessern, und damit die Chance, viele derzeit schwierige Fragen besser und mit weniger Reibungsverlusten lösen zu können?
Es gibt durchaus Vorstellungen, die auch der Bundesregierung bekannt sind und von ihr zum Teil positiv aufgenommen werden, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Bisher gibt es aber leider keinen Konsens darüber, diesen Vorstellungen zu folgen, der ausreichen würde, auch tatsächlich einen Erfolg dieser Art zu erzielen.
Herr Kollege, ich gebe Ihnen eine weitere Zusatzfrage, da ich eine nicht zugelassen habe.
Herr Staatssekretär, da Sie meine in der schriftlichen Frage Nr. 15 gestellte Frage bezüglich des Termins nicht beantwortet haben, darf ich Sie noch einmal fragen, ob die Bundesregierung die Möglichkeit sieht, im Rahmen des nach Art. 29 gesetzten Termins diesem Hause eine Vorlage zuzuleiten.
Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, Herr Kollege, daß die in Art. 29 gesetzte Frist durchaus eingehalten wird. Nach den Volksabstimmungen in Schaumburg-Lippe und Oldenburg ist dem Bundesrat vor einigen Tagen ein Gesetzentwurf zugeleitet worden, der die Konsequenz aus diesen Abstimmungen zieht.
Im übrigen habe ich darauf hingewiesen, daß sich in aller Kürze herausstellen wird, ob es möglich sein wird, zu einer Grundgesetzänderung zu kommen die den von mir geschilderten Schwierigkeiten und der Möglichkeit, zu einer Lösung zu kommen, besser gerecht wird als die gegenwärtige Fassung des Art. 29.
Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Ey.
Hält es die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, nicht für geboten, auf jeden Fall zunächst so lange abzuwarten, bis die verfassungsgemäße Volksbegehrens-Frage in Schaumburg-Lippe und Oldenburg auch nach dem Gesetz endgültig abgewickelt ist?
Herr Kollege, die Überlegungen und die Vorbereitung einer eventuellen Änderung des Art. 29 des Grundgesetzes bedürfen vielfältiger und langwieriger Gespräche, wie schon die Erfahrung in den vergangenen Jahren gezeigt hat. Daß
ein Ergebnis in dieser Hinsicht nicht in Rechtskraft erwächst, bevor die Folgerungen aus den Volksabstimmungen in Schaumburg-Lippe und Oldenburg gezogen sind, ist schon dadurch sichergestellt, daß der Gesetzentwurf, der die Konsequenzen aus diesen Abstimmungen zieht, dem Bundesrat bereits zugeleitet worden ist und in Kürze dann wohl auch in diesem Hause zur Behandlung anstehen wird.
Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Jäger .
Herr Staatssekretär, würde die Bundesregierung nicht gut daran tun, dem hier von Ihnen vorgetragenen Eingeständnis, daß sie derzeit nicht in der Lage ist, ein Gesamtkonzept vorzulegen, auch die Konsequenz folgen zu lassen, von der Inanspruchnahme des Art. 29 überhaupt abzusehen, weil die Bürger mit der heutigen Einteilung der Bundesrepublik Deutschland in Bundesländer weit überwiegend doch ganz offensichtlich zufrieden sind und Sie deswegen die breite Zustimmung nicht erhalten, die Sie haben wollen?
Sie haben zutreffend die Probleme angesprochen, die sich einer wörtlichen Befolgung des Verfassungsauftrags des Art. 29 heute entgegenstellen. Ich habe Ihnen soeben schon darlegen können, daß die Bundesregierung aus dieser Situation durchaus Konsequenzen zieht, indem sie sich bemüht, eine Übereinstimmung zumindest über eine angemessenere und dem Ziel gerechter werdende Fassung des Art. 29 zu finden.
Herr Kollege Arndt, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß sich in der Enquete-Kommission für Fragen der Verfassungsreform, die dieses Haus eingesetzt hat und der außer einem Drittel Mitglieder dieses Hauses auch ein Drittel Vertreter der Bundesländer angehören, immer mehr die Tendenz verstärkt, dem Bundestag und dem Bundesrat die Streichung des Art. 29 zu empfehlen, zumal da eine Neugliederung des Bundesgebiets auch ohne einen Art. 29 fürderhin möglich bliebe?
Die Bundesregierung verfolgt die Beratungen und Arbeiten der Enquete-Kommission Verfassungsreform mit Interesse und Sorgfalt. Ihr ist somit bekannt, wie dort der Stand der Beratungen auch in dieser Frage ist. Die Bundesregierung selbst — das habe ich soeben schon deutlich gemacht — zieht allerdings zur Zeit nicht in Betracht, den Art. 29 des Grundgesetzes zu streichen. Sie würde einer Änderung den Vorzug geben.
Manche Probleme, meine Damen und Herren, sterben nicht,
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausensie dämmern nur dahin. — Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.Die Fragen 16 und 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Schwörer werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Höcherl ist gemäß Ziffer 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig.Die Fragen der Abgeordneten Dr. Weber und Löffler (Berlin) sind von den Fragestellern zurückgezogen.Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen erledigt.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung. Die Frage 22 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Die Frage 23 des Abgeordneten Dr. Jobst wird auf Wunsch des Fragestellers ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf:Welchen Umfang haben die Lieferungen Ost-Berlins zu Dumpingpreisen in das Bundesgebiet einschließlich des Landes Berlin aufgeschlüsselt nach Produkten, Preisen und Jahren seit Bestehen des Interzonenhandels?Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner!
Herr Kollege, seit 1960 wurden in 102 Fällen in Preisprüfungsverfahren Klagen aus der Wirtschaft über Schädigung durch zu niedrige Preise der DDR-Bezüge überprüft. Für die Zeit vor 1960 waren in der kurzen Zeit Unterlagen nicht zu beschaffen. Damals dürfte die Gefahr von Preisunterbietungen nicht geringer als in den letzten 15 Jahren gewesen sein. In den 102 Preisprüfungsverfahren konnten in 93 Fällen Schädigungen nicht nachgewiesen werden. Lediglich in den folgenden neun Fällen zeigten sich Marktstörungen: 1961 bei Zubehörteilen für Kachelöfen, 1964 bei Wellpappenpapier, 1968 bei Arbeitsstiefeln, 1971 bei Metallblasinstrumenten mit Zylinderventilen, 1975 bei Handstrickgarnen, Damenfeinstrumpfhosen, Herrensokken aus synthetischem und aus sonstigem Material und bei Herrenanzügen.
Die Bezüge der sensiblen Textilpositionen stiegen von 36,7 Millionen Verrechnungseinheiten 1973 auf 66,1 Millionen Verrechnungseinheiten 1974. Im ersten Halbjahr 1975 wurden für 37,7 Verrechnungseinheiten sensible Waren bezogen. Das entspricht
einem Anteil von 12,5 % an den Gesamtbezügen von Textilien und Bekleidung.
Die Bundesregierung hat in zwei Fällen — bei Handstrickgarn und Damenfeinstrumpfhosen — bereits zum Schutze unseres Marktes mengenmäßige Beschränkungen eingeführt. Für die beiden anderen Textilpositionen, nämlich Herrensocken und Herrenanzüge, bei denen das Prüfungsverfahren erst vor kurzem abgeschlossen wurde, werden derzeit entsprechende Maßnahmen überlegt.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, haben sich aus diesen Dumpingimporten Nachteile oder Schädigungen für unsere Arbeitsplätze insbesondere in diesen betroffenen Branchen ergeben?
In allen Fällen, in denen Schäden festgestellt worden sind, sind diese Schadensfolgen auch im Blick auf Arbeitsplätze festgestellt worden, allerdings ohne daß hier konkret etwa von einem Verlust von Arbeitsplätzen ausgegangen werden mußte. Allein die drohende Schädigung reicht ja für die entsprechenden Maßnahmen aus.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung ausschließen, daß diese Dumpingimporte von der DDR absichtlich oder zumindest ohne Rücksicht auf Schwierigkeiten in den betroffenen Branchen vorgenommen werden; wenn ja, was gedenkt sie dagegen zu unternehmen?
Ich habe die Instrumentenmöglichkeiten schon dargestellt. Es ist ganz generell zu sagen, daß wir bei den Einfuhren der DDR feststellen können, daß sich diese Einfuhren in der Regel — wie es auch die vertraglichen Verpflichtungen des Berliner Abkommens vorsehen — an unseren Marktpreisen orientieren. Die DDR hat aus ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation heraus ein Interesse daran, auf unserem Markt ein möglichst hohes Ergebnis für sich zu erzielen, was auf der Hand liegt, so daß derartige Dumpingvorgänge von uns zwar sehr ernst genommen werden, aber nicht etwa das gesamte Bild unserer Handelsbeziehungen mit der DDR bestimmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir freundlicherweise — falls Ihnen das nicht direkt möglich ist — schriftlich mitteilen, in welcher Größenordnung Beschränkungen durch Kontingente insbesondere auf dem Textilsektor gegenüber der
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KiechleDDR durchgeführt wurden, ausgedrückt in DM-Umsatz, und zu welchen Einfuhrrückgängen diese Maßnahme geführt hat?
Das werde ich Ihnen gern schriftlich beantworten, weil ich exakte Zahlen hier nicht zur Verfügung habe. Ich möchte nur hinzufügen, daß aus dieser Diskussion nicht der Eindruck entstehen darf, daß hier etwa eine Einbahnstraße vorliegt. Sie wissen ja, in welch starkem Maße wir in die DDR exportieren und wie entscheidend gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation diese Exporte auch für die Arbeitsplätze in unserem Lande sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung, da solche Dumpinggeschäfte der von Ihnen dargestellten Art und des von Ihnen dargestellten Umfangs in einem Staatshandelsland wie der DDR nicht ohne Wissen und Billigung der dortigen Regierung geschehen, die DDR-Regierung darauf hingewiesen, daß dies einen Verstoß — auch der Regierung — gegen die bestehenden Abmachungen zwischen den beiden Ländern bedeutet und daß dieser Verstoß natürlich von der Bundesrepublik Deutschland eines Tages nicht mehr hingenommen werden kann?
Herr Kollege, ich muß es dem Herrn Staatssekretär überlassen, ob er darauf antworten will. Die Frage heißt: „Welchen Umfang haben ..." Ich sehe den unmittelbaren Zusammenhang mit der von dem Herrn Abgeordneten Kunz eingereichten Frage nicht mehr. Wenn Sie aber die Frage beantworten wollen, Herr Staatssekretär, bitte.
Gerne, ja! Es ist ganz selbstverständlich, daß wir in jedem Fall von Dumpingpreisen oder des Verdachts auf Dumping mit den Behörden der DDR in Fühlung sind. Die jüngsten Vorgänge machen das ja sehr deutlich. Das gehört zu unseren Verpflichtungen. Ich muß aber noch einmal betonen, daß das Interesse der Bundesrepublik an der Ausweitung des Handels mit der DDR von solchen Vorgängen nicht in dem Sinne berührt wird, daß sie diese Ausweitung der Handelsbeziehungen etwa generell stören würden.
Mit um so größerem Nachdruck wird sich die Bundesregierung — wie in der Vergangenheit — auch in Zukunft solcher Dumpingvorgänge annehmen und auf die vertraglichen Verpflichtungen der DDR hinweisen. Wir haben Anlaß zu der Annahme, daß das in jedem Fall auch zu entsprechenden Maßnahmen von der DDR-Seite, die in unserem Sinne liegen, geführt hat.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Christ auf. —Ich sehe den Herrn Abgeordneten nicht. Die Frage
wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Abgeordneter Dr. Jens, Sie haben das rettende Ufer erreicht. Ich rufe Ihre erste Frage — Frage 26 — auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Praxis großer oder multinationaler Unternehmen, mit z. T. erheblichen öffentlichen Geldern Betriebe zu errichten -- und damit Arbeitsplätze zu schaffen —, wenn diese Betriebe, wie es nachweislich im Kreis Wesel vorgekommen ist, in vier bis fünf Jahren wieder stillgelegt werden?
Unternehmensinvestitionen werden in Erwartung künftiger Erträge vorgenommen. Diese Erwartungen sind, weil in die Zukunft gerichtet, naturgemäß unsicher. Investitionen sind deshalb für den Investor immer mit dem Risiko behaftet, daß sie die erforderlichen Erträge nicht erreichen. Das gilt auch für Investitionen in strukturschwachen Regionen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden; denn durch die öffentlichen Investitionszuschüsse kann und soll ja auch nur ein Teil des Investitionsrisikos aufgefangen werden.
Das Risiko von Fehlinvestitionen — und um solche handelt es sich aus der Sicht der Bundesregierung, wenn mit öffentlichen Mitteln geförderte Betriebe nach vier oder fünf Jahren wieder stillgelegt werden — kann dabei generell nicht ausgeschlossen werden. Um das Risiko für den öffentlichen Geldgeber so gering wie möglich zu halten, werden deshalb alle Investitaonsprojekte, die vom Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" gefördert werden, mit größtmöglicher Sorgfalt daraufhin geprüft, ob sie zur Schaffung von langfristig gesicherten Arbeitsplätzen führen. Projekte großer oder multinationaler Unternehmen werden dabei genauso eingehend untersucht wie die kleiner und mittlerer Unternehmen.
Entsprechend ist bei dem von Ihnen angesprochenen Fall im Kreis Wesel verfahren worden, wenngleich der Kreis Wesel nicht zu den Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe gehört und das Projekt deshalb nicht nach dem Investitionszulagengesetz oder mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe gefördert worden ist.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, sehen Sie denn darin nicht gewissermaßen ein Ärgernis, das die Bevölkerung natürlich beunruhigt, daß hier öffentliche Mittel für das Versprechen gegeben werden, langfristig Arbeitsplätze zu schaffen, daß diese Arbeitsplätze dann aber nach vier Jahren einfach wieder abgeschafft werden?
Es ist ganz selbstverständlich, daß das Scheitern eines solchen Unternehmens ein Ärgernis ist, eine wirtschaftliche Fehlinvestition in diesem Fall nicht nur für den Unternehmer, sondern auch für die öffentliche Hand. Auf der anderen Seite
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Parl. Staatssekretär Grünermuß man bei der globalen Betrachtung unseres Förderinstrumentariums sehen, daß die Zahl der gescheiterten Unternehmen, die durch unsere regionale Strukturpolitik staatlich gefördert worden sind, minimal ist. Sie erreicht im Durchschnitt nur 1 % der Mittel, die wir im Rahmen der Bund-Länder-Förderung in diesem Bereich ausgeben.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, der Fall in Wesel ist Ihnen bekannt, wie ich gehört habe. Können Sie mir sagen, wie viele ähnlich gelagerte Fälle es sonst in der Bundesrepublik gibt?
Ich müßte dazu Rückfrage im eigenen Hause halten und mir in Zusammenarbeit mit den Ländern eine entsprechende Unterlage beschaffen. Das ist selbstverständlich möglich. Ich werde das gern tun und Ihnen eine Unterlage zuleiten.
Ich rufe Ihre nächste Frage — Frage 27 — auf, Herr Abgeordneter:
Ist die Bundesregierung in Zukunft bereit, öffentliche Gelder zur Schaffung von Arbeitsplätzen nur noch dann zu gewähren, wenn die Arbeitsplätze langfristig erhalten bleiben oder wenn bei kurzfristiger Stillegung von Arbeitsplätzen die Unternehmen verpflichtet werden, die öffentlichen Gelder ganz oder teilweise zurückzuzahlen?
Herr Staatssekretär!
Nach den bisher bestehenden Regelungen können die aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe gewährten Investitionszuschüsse noch drei Jahre nach deren Auszahlung zurückverlangt werden, wenn die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet wurden. Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz können vom Investor zurückgefordert werden, wenn die Wirtschaftsgüter, deren Anschaffung mit diesen Mitteln gefördert wurde, weniger als drei Jahre in dessen Betriebsstätte verbleiben. Die genannte Dreijahresfrist, die für beide Gesetze gilt, hat sich als ausreichend erwiesen. Eine Änderung dieser Regel ist deshalb nicht beabsichtigt, obwohl ich selbstverständlich hinzufüge, daß die Frage der Bemessung eines solchen Zeitraums immer Gegenstand einer Ermessensentscheidung ist. Aber nach unseren Erfahrungen haben wir im Hinblick auf die relativ geringen Ausfälle die Meinung, daß sich diese Dreijahresfrist bewährt
hat.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, das von mir angesprochene Beispiel — vier Jahre — zeigt doch allerdings, daß diese Frist vielleicht überdacht und überarbeitet werden müßte. Sind Sie nicht mit mir dieser Ansicht?
Ich kann in diesem konkreten Falle, auf Wesel bezogen, diese Frage nicht beantworten, weil ich die Ursachen für die Betriebsstillegung dort nicht kenne. Aber es ist ganz selbstverständlich, daß in einer so ungewöhnlich schwierigen wirtschaftlichen Phase wie der gegenwärtigen, wo sehr viele Unternehmenszusammenbrüche die Szene kennzeichnen, eine Entwicklung auch in den Fördergebieten eintritt, die von den Erfahrungen der früheren Jahre abweicht. Hier ist der Zusammenhang mit der Förderung durch die öffentliche Hand nicht gleich zu bewerten wie etwa bei Zusammenbrüchen in der Vergangenheit, weil die augenblickliche wirtschaftliche Entwicklung hier eine sehr einschneidende Änderung der Möglichkeiten der Unternehmen, sich über Wasser zu halten, gebracht hat.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, plädieren Sie dafür, diese Frist entsprechend den konjunkturellen Situationen zu variieren?
Man kann darüber nachdenken. Ich plädiere im Grunde genommen nicht dafür, aus konjunkturellen Schwankungen so weittragende Folgerungen wie Gesetzesänderungen im Rahmen des Investitionszulagengesetzes zu ziehen. Selbstverständlich sind wir zur Diskussion dieser Frage bereit. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß jede Frist, die Sie wählen, letztlich eine Ermessensentscheidung darstellt und deshalb natürlich auch immer zur Diskussion gestellt werden muß. Am Grundproblem, daß jede öffentliche Förderung mit der Gefahr des Scheiterns verbunden ist, ändert sich nichts. Ein solches Scheitern ist auch nach sechs Jahren ein äußerst schmerzlicher Vorgang und das Gegenteil von dem, was mit der Förderung erreicht werden sollte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß .die staatliche Förderung für Investitionen in diesen Fällen, in denen sie bisher praktiziert wurde, auch dazu geführt hat, in Problemgebieten die industrielle und gewerbliche Struktur zu verbessern und insofern jede Investition mit einem erhöhten Risiko behaftet war und daß, wenn man eine zu lange Frist wählte, vermutlich viele Unternehmer das Risiko scheuen würden, das insgesamt in den Problemgebieten liegt?
Sie stellen völlig richtig die Motivation unserer Förderungspolitik dar. Ob eine Ausdehnung der Frist die Unternehmer abschrecken würde, möchte ich doch bezweifeln, weil jeder Unternehmer, der investiert, das Ziel hat, diese Investition zum Ertrag zu führen. Angesichts seiner ho-
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Parl. Staatssekretär Grünerhen Eigenbeteiligung ist das so selbstverständlich, daß er bei der Investition sicher nicht mit der Stilllegung rechnet.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ey.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Äußerungen entnehmen, daß Sie die Hauptursache der Stillegungen, von denen Kollege Jens spricht, in mangelhafter Gewinnerzielung in den Betrieben sehen, die in ihrer Ursache zum Teil nicht von den jeweiligen Betriebsführern zu vertreten war?
Die Ursachen für Zusammenbrüche sind höchst unterschiedlicher Natur. Sie wissen, daß darüber im einzelnen keine Statistik geführt wird, die mich hier zu einer Aussage darüber berechtigen würde, was im einzelnen tatsächlich die Ursachen für den Zusammenbruch sind. Wir alle wissen, daß die Qualität des Managements in diesem Zusammenhang eine ganz entscheidende Rolle spielt. Ich möchte hinzufügen, daß wir gerade in den Fördergebieten, ich möchte fast sagen: zu unserer Überraschung eine unterdurchschnittliche Fehlschlagsrate der Unternehmen festgestellt haben, was im Grunde genommen angesichts des Risikos, das auch in Fördergebieten liegt, eine sehr erfreuliche Entwicklung darstellt.
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Reuschenbach auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal, so daß diese Frage und die Frage 29 schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 30 ist von der Abgeordneten Frau Dr. Riedel-Martiny eingereicht:
Welche konkreten Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung durchzuführen, um sicherzustellen, daß das von ihr geförderte DIN Deutsches Institut für Normung e. V. bei der Normung das öffentliche Interesse angemessen berücksichtigt?
Herr Staatssekretär!
Die konkreten Maßnahmen, die die Bundesregierung durchführen kann, um sicherzustellen, daß das DIN Deutsches Institut für Normung bei der Normung das öffentliche Interesse berücksichtigt, ergeben sich aus § 4 des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und ,dem DIN am 5. Juni 1975 abgeschlossenen Vertrags. Hiernach ist folgendes Verfahren festgelegt:
erstens Antragsrecht der Bundesregierung auf Durchführung einer bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Normungsarbeit beim DIN,
zweitens Festlegung einer Frist durch die Bundesregierung nach Abstimmung mit dem DIN, innerhalb deren die Normungsarbeit abzuschließen ist,
drittens bei Nichteinhaltung dieser Frist Prüfung der Frage, ob einer Fristverlängerung zugestimmt
werden kann oder eine Regelung durch die Bundesregierung getroffen werden muß,
viertens Erlaß einer eigenen Regelung durch die Bundesregierung mit der Folge, daß das DIN eine dieser Regelung widersprechende Norm anpassen oder zurückziehen muß oder nicht herausgeben darf.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung in diesem öffentlichen Interesse für angebracht, in die Normung Festlegungen hinsichtlich der Mindestqualität von Produkten aufzunehmen?
Das hält die Bundesregierung nicht für angebracht. Sie wird aber — auch durch den Verbraucherrat, der ja bei DIN neu geschaffen worden ist — gerade der Frage der Verbesserung der Qualität besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Eine generelle Festlegung von Qualitätsnormen ist der Bundesregierung nicht möglich. Das wäre angesichts der Kompliziertheit der Materie und der darin involvierten wirtschaftlichen Fragen auch technisch gar nicht möglich.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Entwicklung hat dazu geführt, daß die Bundesregierung diesen Vertrag mit dem DIN abgeschlossen und nicht mit dem RAL bzw. dem Verbraucherausschuß im RAL weitergearbeitet hat, der ja ähnliche Absichten hatte?
Wir haben mit diesem Vertrag entscheidenden Wert darauf gelegt, die Verbraucherinteressen im Rahmen des DIN sowie die Stellung der Bundesregierung und ihre Möglichkeiten zu stärken, um sicherzustellen, daß die Verbraucherinteressen in diesem Zusammenhang eine ausreichende Berücksichtigung finden.
Ich rufe jetzt Ihre Frage 31 auf, Frau Abgeordnete Dr. Riedel-Martiny:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit des Verbraucherrats , die Normungsarbeit des DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (559 Angestellte, 40 000 Mitarbeiter, 15 000 Normen und Normenentwürfe) im Interesse der Verbraucher zu beeinflussen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Das DIN Deutsches Institut für Normung hat Mitte 1974 auf Anregung der Bundesregierung einen Verbraucherrat als Präsidialausschuß errichtet. Der Verbraucherrat soll die Interessen der Verbraucher bei der Normung wahrneh-
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12934 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Parl. Staatssekretär Grünermen. Das DIN erhält für die Geschäftsstelle des Verbraucherrats eine Zuwendung aus dem Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft. Die Bundesregierung sieht in der Errichtung des Verbraucherrats beim DIN eine Möglichkeit, sicherzustellen, daß bei der Normung Verbrauchergesichtspunkte angemessen berücksichtigt werden. Der Verbraucherrat hat bereits in einer Reihe von für den Verbraucher wichtigen Fragen innerhalb des DIN Initiativen ergriffen. Naturgemäß ist es angesichts der kurzen Amtszeit des Verbraucherrats aber noch zu früh, schon jetzt seine Wirkungsmöglichkeiten abschließend zu beurteilen.Diese zusammengefaßte Wahrnehmung der Verbraucherinteressen bei der Normung ist nach Auffassung der Bundesregierung eine notwendige und wirksame Ergänzung der Mitarbeit von Verbrauchervertretern in einzelnen Ausschüssen. Insofern gibt die zahlenmäßige Gegenüberstellung der Mitarbeiter des Verbraucherrates mit denen der DIN-Geschäftsstelle und der Normenausschüsse kein Bild von den tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten des Verbraucherrates.
Zusatzfrage.
Um gleich ein heikles Gebiet aufzugreifen, Herr Staatssekretär: Wenn beispielsweise die Anregungen des Verbraucherrates auf Normung hinsichtlich der Korrosionsbeständigkeit von Kraftfahrzeugauspufftöpfen nicht zum Erfolg führen, würde die Bundesregierung ihre Möglichkeit im Rahmen des § 4 des Vertrages nutzen und hier einen eigenen Antrag stellen?
Frau
Kollegin, Sie haben auch ein heikles Unterfangen begonnen, indem Sie die Zusatzfrage so gestellt haben, daß sie nicht in unmittelbarem Sachzusammenhang mit der eingereichten Frage steht. Aber möglicherweise hat der Herr Staatssekretär von seinen Herren auch darüber schon eine Information oder hat eigene Kenntnis von diesem Problem. Herr Staatssekretär, sonst lasse ich die Frage nicht zu.
Da ich als Autofahrer an Auspufftöpfen interessiert bin, kann ich darauf eine Antwort geben. — Frau Kollegin, das hängt selbstverständlich davon ab, mit welcher Begründung etwa ein solcher Vorstoß des Verbraucherrats, der ja noch in der Arbeit ist, von einem entsprechenden Ausschuß des DIN nicht aufgegriffen werden sollte. Die Bundesregierung müßte also die Gründe kennen. Wenn sie nicht überzeugend wären, dann wäre das für die Bundesregierung sicher ein Anlaß, von ihren Möglichkeiten Gebrauch zu machen.
Nun
sehe ich mit Spannung der nächsten Zusatzfrage entgegen. Bitte!
Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß im Bereich der internationalen Normung eine ähnliche Institution wie der Verbraucherrat eingerichtet wird?
Das liegt im Interesse der Politik der Bundesregierung. Ich übersehe allerdings im Augenblick nicht, welche Chancen der Verwirklichung gegeben sind. Wir möchten gern mit der jetzt von uns ergriffenen Initiative unsere Erfahrungen sammeln. Wir sind jedenfalls auch im internationalen Bereich sehr stark daran interessiert, daß Verbraucherinteressen und deren Gesichtspunkte in der Normungsarbeit ihren Niederschlag finden.
Herr
Kollege Kiechle zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie hoch sind die von Ihnen zitierten Aufwendungen bzw. Kosten für den Verbraucherrat?
Im Haushaltsjahr 1975 werden sich diese Kosten für den Verbraucherrat auf 450 000 DM belaufen. Das entspricht einem Anteil von nahezu 25% der Normenförderungsmittel aus dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministers. Der Großteil der Normungsarbeit wird ja von den beteiligten Wirtschaftskreisen selber finanziert.
Die
Frage 32 des Abgeordneten Egert wird schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist; ich höre, daß er einen Trauerfall hat. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Fragen 33 und 34 der Abgeordneten Frau Däubler-Gmelin werden schriftlich beantwortet, da die Fragestellerin nicht im Saal ist. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Der Abgeordnete Dr. Böhme ist ebenfalls nicht im Saal, so daß auch seine Frage 35 schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Der Abgeordnete Batz ist zwar im Saal, aber er hat gebeten, daß seine Fragen 36 und 37 schriftlich beantwortet werden. Herr Staatssekretär, wenn Sie die Antworten noch nicht zurückgeschickt haben, können Sie sie, da der Fragesteller im Saal ist, jetzt geben. Das entspräche dem Sinn der Anwesenheit des Fragestellers.
Ich bin dazu leider nicht in der Lage, Herr Präsident. Die Antworten zu diesen Fragen sind mir im Hinblick auf den Wunsch nach schriftlicher Beantwortung nicht zugegangen.
HerrKollege, ich bedaure.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12935
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenHerr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft erledigt.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Logemann zur Verfügung.Herr Kollege Kiechle, Ihre Fragen 38 und 39 sind gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig.Die Fragen 40 und 41 des Abgeordneten von Alten-Nordheim werden schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Auch der Abgeordnete Eigen ist nicht im Saal, so daß seine Fragen 42 und 43 schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit. Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich erledigt.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Ziegler auf:Bedeutet die Versicherung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, die Bundesregierung werde „keinerlei soziale Leistungen" abbauen, daß die Pläne zur Beseitigung der leistungsbezogenen dynamischen Rente mittels unterschiedlicher Anpassungssätze endgültig aufgegeben sind, oder zählt die jährliche lineare Rentenanpassung zu dem „vereinzelten Wildwuchs", der beschnitten werden müßte?Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Ziegler, wenn Sie gestatten, würde ich Ihre Fragen 44 und 45 im Zusammenhang beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Daher rufe ich auch die Frage 45 des Abgeordneten Ziegler auf:
Trifft die Mitteilung der Lebensabend-Bewegung zu, daß es bereits fertige Referentenentwürfe für die Abschaffung der leistungsbezogenen Rentendynamik gibt, und wie beurteilt die Bundesregierung die Kritik dieser größten selbständigen Altenorganisation an derartigen Plänen?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat zu keinem Zeitpunkt Pläne zu einem Abgehen von der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente gehabt und brauchte daher diesbezügliche Pläne auch nicht aufzugeben.
Soweit Sie mit Ihrer Frage das Problem der sogenannten Rentenschere ansprechen wollten, ist zu bemerken, daß es zur Zeit Gegenstand von Erörterungen in einer Arbeitsgruppe der sozialpolitischen Gesprächsrunde ist, deren Ergebnis abgewartet werden sollte. Insoweit nehme ich auch auf die Antwort der Bundesregierung vom 20. August 1975 zu der
Kleinen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Bezug, die sich auf die von der sozialpolitischen Gesprächsrunde eingesetzten Arbeitsgruppen bezog.
Zu der zweiten Frage möchte ich folgendes bemerken. Es trifft nicht zu, daß es Referentenentwürfe zur Abschaffung der leistungsbezogenen Rentendynamik gibt. Ihre weitere Frage nach der Beurteilung der Kritik an solchen Plänen ist damit gegenstandslos.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie sich erklären, wie dann derartige Überlegungen von so großen Organisationen, wie es die Lebensabendbewegung ist, überhaupt aufgegriffen und in der Öffentlichkeit erörtert werden können?
Herr Kollege, es gibt sicherlich einige Anhaltspunkte, hier Überlegungen anzustellen. Sie wissen, daß wir die Rentenschere seit einigen Jahren diskutieren. Hier darf ich wohl auch deutlich sagen, daß die Leistungen in der Rentenversicherung nicht nur durch Beiträge, sondern darüber hinaus auch aus allgemeinen Steuermitteln aufgebracht werden.
Zusatzfrage.
Wie mir bekannt ist, sind bei der Bundesregierung zur Zeit Überlegungen oder Prüfungen im Gange, die sich mit der langfristigen Entwicklung der Rentenversicherungen beschäftigen. Darf ich, falls sich daraus finanzielle Konsequenzen ergeben, unterstellen, daß nach dem, wie Sie die Frage beantwortet haben, keine Absicht besteht, vom Prinzip der leistungsbezogenen dynamischen Rente abzugehen?
Herr Kollege Ziegler, ich kann Ihnen versichern, daß nicht beabsichtigt ist, vom Prinzip der leistungsbezogenen Rentenversicherung abzuweichen.
Keine weiteren Zusatzfragen.Dann rufe ich die Fragen des Herrn Abgeordneten Pohlmann auf. — Der Herr Abgeordnete ist offensichtlich nicht im Saal. Die beiden von ihm eingereichten Fragen 46 und 47 werden daher schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe die nächste Frage, die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Roser auf. — Er ist nicht im Saal. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
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12936 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt auf:Trifft es zu, daß die Bundesanstalt für Arbeit den Arbeitsämtern unter Berufung auf das Urteil L 1 Ar 22/67 des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein empfohlen hat, transsexuelle Personen grundsätzlich von der Arbeitsvermittlung auszuschließen ?
Herr Kollege Arndt, es gibt keine Weisung der Bundesanstalt für Arbeit, Transvestiten nicht zu vermitteln oder ihnen wegen mangelnder Verfügbarkeit Arbeitslosengeld nicht zu gewähren.
Haben Sie Zusatzfragen, Herr Kollege? — Bitte!
Herr Staatssekretär, wie erklärt sich dann der Bericht im „Spiegel", den ich in der Frage zitiert habe?
Herr Kollege Arndt, dieser Bericht ist offenbar auf eine falsche Interpretation des erwähnten Urteils zurückzuführen. Für dieses Urteil stand durchaus nicht die geschlechtliche Veranlagung des Klägers im Vordergrund, sondern vielmehr die Art, wie er sich im Betrieb verhalten hat.
Herr Kollege Arndt, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß auch in der Arbeitsverwaltung stets die besondere Fürsorge geltend gemacht werden wird, die die Bundesregierung in anderem Zusammenhang durch den Bundesinnenminister diesem Personenkreis gegenüber in diesem Hause zum Ausdruck gebracht hat?
Herr Kollege Arndt, die Bundesanstalt ist gesetzlich verpflichtet, allen Arbeitnehmern, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, zu helfen.
Ich rufe die Frage 50 der Frau Abgeordneten Steinhauer auf:
Trifft es zu, daß nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung die Frage der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit allein nach der Erwerbsbeeinträchtigung ohne Rücksicht auf das Alter zu beurteilen ist, und beabsichtigt die Bundesregierung, diese gesetzliche Regelung dahin gehend zu ändern, daß künftig bei der Beurteilung der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit das Alter des Versicherten mitzuberücksichtigen ist?
Frau Kollegin, für die Beurteilung der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig oder erwerbsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung ist, sind neben der gesundheitlichen Beeinträchtigung eine Reihe von weiteren Kriterien von Bedeutung. Zu nennen sind hier vor allem die Ausbildung, der bisherige berufliche Werdegang, die
bisherige Entlohnung und — jedenfalls teilweise die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Letztlich hängt die Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist, von einer Bewertung aller Umstände des Einzelfalles ab. Bei dieser Gesamtwürdigung kann schon nach geltendem Recht das Alter eines Versicherten von Bedeutung sein, insbesondere bei der Beurteilung seiner Mobilität.
Im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wird im Hinblick auf die Schwierigkeiten, welche die derzeitigen Regelungen über die Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit in der Praxis vielfach verursachen, geprüft, ob die entsprechenden Vorschriften geändert werden sollen. In diese Prüfung ist auch die Frage einbezogen, in welcher Weise bei einer etwaigen Neuregelung dem Alter des Versicherten bei Gewährung einer vorzeitigen Rente Rechnung zu tragen ist. Wegen der Komplexität des hier angesprochenen Problems wird die Prüfung allerdings längere Zeit in Anspruch nehmen.
Keine Zusatzfragen, Frau Kollegin? — Danke schön.
Dann rufe ich die Frage 51 des Herrn Kollegen Dr. Enders auf:
Können die Nachteile ausgeglichen werden, die den Unfallrentnern entstanden sind, die sich nach dem bis zum 30. Juni 1963 geltenden Recht auf Lebenszeit abfinden lassen mußten, während bei Abfindungen nach heutigem Recht die Unfallrente nach 10 Jahren wieder auflebt?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Enders, Ihre Frage betrifft die Abfindung von Unfallrenten zum Erwerb von Grundbesitz, zum Hausbau oder zu ähnlichen Zwecken. Der Wert des mit diesem Abfindungskapital erworbenen Vermögens hat sich im allgemeinen in den beiden letzten Jahrzehnten nicht weniger günstig entwickelt als die Höhe der Renten selbst, so daß den abgefundenen Unfallrentnern aus der Abfindung durchaus wirtschaftliche Vorteile erwachsen können.
Nach heutigem Recht werden entsprechende Unfallrenten allerdings nur noch auf zehn Jahre abgefunden; danach lebt die Rente wieder auf und nimmt an den weiteren Rentenanpassungen teil. Bis Mitte 1963 wurden die Renten noch auf Lebenszeit mit einem dazu berechneten Kapital abgefunden. Bei der Neufassung der Abfindungsvorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1963 hat der Gesetzgeber davon abgesehen, für die nach altem Recht auf Lebenszeit abgefundenen Renten oder Rententeile ein Wiederaufleben nach neuem Recht zuzulassen. Es ist bekannt, daß viele davon betroffene Unfallrentner dies als Härte empfinden. Ein Wiederaufleben der nach altem Recht abgefundenen Renten hätte jedoch erhebliche finanzielle Auswirkungen, so daß in absehbarer Zeit mit einer Neuregelung nicht zu rechnen ist.
Eine Zusatzfrage, bitte!
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12937
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrem letzten Satz entnehmen, daß in nicht absehbarer Zeit mit einer Änderung zu rechnen ist?
Von einer Aufrechterhaltung der derzeitigen Rechtslage dürfen Sie aus finanziellen Erwägungen ausgehen.
Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Kann das Gesetz über die Sozialversicherung von Behinderten vom 7. Mai 1975 auch auf die in nicht anerkannten Werkstätten beschäftigten Behinderten angewendet werden?
Herr Kollege, das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter in geschützten Einrichtungen erfaßt Behinderte, die in anerkannten Werkstätten beschäftigt sind. Behinderte in nicht anerkannten Werkstätten fallen also nicht unter § 1 des Gesetzes. Diese Abgrenzung des Personenkreises ist vom Deutschen Bundestag einstimmig gebilligt worden. Es wäre gewiß wünschenswert gewesen, alle unzureichend geschützten Behinderten ohne Rücksicht auf einschränkende Merkmale — wie hier das Kriterium der anerkannten Werkstatt — in die Versicherungspflicht der Kranken- und Rentenversicherung einzubeziehen. Aber diesem Ziel waren und sind finanzielle Grenzen gesetzt.
Für die Behinderten, die in einer nicht anerkannten Einrichtung arbeiten, bleibt die bisherige Rechtslage erhalten. Sie können wie schon früher als entgeltlich Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sein. In diesen Fällen ist das allgemeine Sozialversicherungsrecht anzuwenden.
Lassen Sie mich aber noch darauf hinweisen, daß die Versicherungspflicht in Werkstätten nur ein Aspekt des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter ist. Die Behinderten, die in nicht anerkannten Werkstätten beschäftigt sind, müssen gezielt auf die übrigen, auch für sie geltenden Verbesserungen aufmerksam gemacht werden. Ich denke z. B. an das Recht der Schwerbehinderten, der gesetzlichen Krankenversicherung beizutreten, an die altersmäßig nicht mehr begrenzte Familienkrankenhilfe für behinderte Kinder und an die erweiterte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach einer Wartezeit von 20 Jahren.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, liegen Ihnen Zahlen darüber vor, wie viele Behinderte in nicht anerkannten Werkstätten beschäftigt sind?
Herr Kollege, ich bin überzeugt, daß wir in unserem Hause über solches Zahlenmaterial verfügen. Ich habe die Zahlen jetzt nicht zur Hand. Ich werde sie gern nachliefern.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 53 der Frau Kollegin Grützmann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Arbeitsämter in einzelnen Bundesländern mit unterschiedlichen Methoden von arbeitsuchenden oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung beantragenden Frauen den Nachweis verlangen, daß die Betreuung ihrer Kinder im Kleinkind- oder schulpflichtigen Alter sichergestellt ist, und davon die Vermittlung bzw. die Leistungen des Arbeitsamtes abhängig machen, und ist sie bereit, dem nachzugehen und gegebenenfalls dafür zu sorgen, daß die den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes und dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes) widersprechende Praxis abgestellt wird?
Herr Staatssekretär!
Frau Kollegin, ein Anspruch auf Arbeitslosengeld setzt unter anderem voraus, daß der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht nicht zur Verfügung, wer nur geringfügige Beschäftigung ausüben kann oder darf, weil er tatsächlich oder rechtlich gebunden ist. Geringfügige Beschäftigung könnte z. B. nur ausüben, wer infolge der Betreuung seiner Kinder nicht 20 Stunden wöchentlich arbeiten kann. Wenn die persönlichen Umstände des Arbeitslosen das Vorliegen solcher Bindungen vermuten lassen, hat der Arbeitslose nach § 142 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes glaubhaft zu machen, daß sie dennoch nicht bestehen. Diese Pflicht zur Mitwirkung an der Feststellung der Leistungsvoraussetzungen obliegt grundsätzlich auch männlichen Arbeitslosen.
Die Bundesanstalt für Arbeit erarbeitet zur Zeit einen bundeseinheitlichen Vordruck, der dem Arbeitslosen die Glaubhaftmachung erleichtern soll.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wann ist mit diesem einheitlichen Fragebogen zu rechnen?
Ich denke, daß dies in Kürze der Fall sein wird.
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Gerster auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß kommunale Verkehrsbetriebe Schwerbeschädigten und ihren notwendigen Begleitpersonen freie Fahrt auf ihren Verkehrsmitteln gewähren, und wird die Bundesregierung gleichwohl daran festhalten, daß die Deutsche Bundesbahn von den Schwerbeschädigten den vollen Fahrpreis verlangt?
Bitte!
Herr Kollege, ich möchte zunächst darauf hinweisen, daß die Freifahrtvergünstigung für Schwerbehinderte im Nahverkehr ihre Rechtsgrundlage im Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 hat. Nach die-
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12938 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Parl. Staatssekretär Buschfortsem Gesetz sind alle Unternehmen für die Personenbeförderung — also nicht nur die kommunalen Verkehrsbetriebe — verpflichtet, bestimmte, im Gesetz näher bezeichnete Behindertengruppen im Nahverkehr unentgeltlich zu befördern. Zu den gesetzlich verpflichteten Unternehmen gehört auch die Deutsche Bundesbahn, soweit sie Nahverkehr im Sinne des Gesetzes betriebt.Was unter Nahverkehr in diesem Sinne zu verstehen ist, ist im Gesetz festgelegt. Neben dem Verkehr mit Straßenbahnen gehören hier unter anderem der Orts- und Nachbarortslinienverkehr mit Obussen und Kraftfahrzeugen und der S-Bahn-Verkehr der Deutschen Bundesbahn. Der Schienenverkehr im übrigen gehört nicht zum Nahverkehr im Sinne des Gesetzes.In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, daß die Nahverkehrsunternehmen für die ihnen entstehenden Fahrgeldausfälle von Bund und Ländern entschädigt werden.Über diese gesetzliche Verpflichtung hinaus befördert die Deutsche Bundesbahn auf Grund ihrer Tarifbestimmungen in ihrem gesamten Personenverkehr, also auch im Schienenverkehr, die notwendige Begleitung bestimmter Behindertengruppen — das sind im wesentlichen Schwerbeschädigte im Sinne des früheren Schwerbeschädigtengesetzes — unentgeltlich. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung der Deutschen Bundesbahn, für die sie eine finanzielle Entschädigung nicht erhält.Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, eine gesetzliche Regelung etwa des Inhalts vorzuschlagen, daß Schwerbeschädigte bei Fahrten mit der Eisenbahn ganz allgemein unentgeltlich oder zu einem ermäßigten Fahrpreis befördert werden.Im übrigen müßten die Eisenbahnunternehmen, wollte man ihnen eine solche Verpflichtung gesetzlich auferlegen, finanziell entschädigt werden.
Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Milz auf. — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso seine Frage 56. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 57 des Herrn Abgeordneten Horstmeier:
st der Bundesregierung bekannt, daß bei der Bestimmung von Ausgleichsleistungen bei der Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft Wartezeiten einer Beschäftigung in den früheren deutschen Ostgebieten bzw. in der heutigen DDR im Gegensatz zur Rentenberechnung nicht als Beschäftigungszeiten anerkannt werden, und ist sie bereit, Abhilfe zu schaffen?
Herr Kollege Horstmeier, wenn Sie gestatten, würde ich gerne die Fragen 57 und 58 im Zusammenhang beantworten.
Der Herr Kollege ist einverstanden. Ich rufe auch noch die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß ein Antrag auf Ausgleichsleistung abgelehnt wird, wenn schon eine andere Zusatzrente bezogen wird, die geringer ist als die zu erwartende Ausgleichsleistung, und ist sie bereit, auch in diesen Fällen Abhilfe zu schaffen?
Es ist zutreffend, daß nach den zur Zeit geltenden Vorschriften über die Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Landwirtschaft und Forstwirtschaft Beschäftigungszeiten in den früheren deutschen Ostgebieten und in der Deutschen Demokratischen Republik nicht anerkannt werden. Die Bundesregierung beabsichtigt, möglichst bald eine entsprechende Gesetzesänderung einzubringen.
Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich folgendes bemerken: Nach § 12 Abs. 4 des Gesetzes über die Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirschaft ist eine Ausgleichsleistung dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer bestimmte andere zusätzliche Ansprüche auf Altersversorgung hat. Dieser Regelung liegt die Ausgestaltung des Tarifvertrages über eine Zusatzversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft vom 20. November 1973 zugrunde. Nach diesem Tarifvertrag können Arbeitnehmer bei Zugehörigkeit zu anderen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich keine Ansprüche gegen das Zusatzversorgungswerk erwerben. Da die Ausgleichsleistung eine Ergänzung zu den Leistungen nach dem Tarifvertrag darstellt, besteht keine Veranlassung, mit der Ausgleichsleistung über den Leistungsbereich des Tarifvertrages hinauszugehen. Es mag Fälle geben, in denen der Anspruch auf Ausgleichsleistung wegen einer anderweitigen Zusatzversorgung, die niedriger ist als die Ausgleichsleistung, nicht gegeben ist. Das könnte z. B. daran liegen, daß der Betreffende anderen Versorgungseinrichtungen nur kurz angehört hat. Ob Fälle dieser Art in nennenswertem Umfange auftreten und von finanzieller Bedeutung sind, vermag ich im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zu übersehen.
Zusatzfrage.
Dann darf ich zur ersten Frage eine Zusatzfrage stellen: Wann und nach welchem Prinzip ist mit einer Änderung dieses Zustandes zu rechnen?
Herr Kollege, ich würde vorschlagen, daß wir diese Änderung dem nächsten Rentenanpassungsgesetz beifügen.
Bitte!
Sehen Sie eine Möglichkeit, eine Regelung eventuell rückwirkend in Kraft zu setzen, weil ja ein bestimmter Personenkreis mit Ablauf des 30. September sein Antragsrecht verliert?
Herr Kollege, eine rückwirkende Inkraftsetzung ist im allgemei-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12939
Parl. Staatssekretär Buschfortnen nicht üblich. Ich kann das jetzt noch nicht beantworten, will das aber im Hause prüfen lassen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie im Zusammenhang mit der zweiten Frage eine Möglichkeit, da es sich ja um eine Benachteiligung eines bestimmten Personenkreises handelt, eine Teilzusatzrente zu gewähren?
Herr Kollege, diese Frage hat uns außergewöhnlich beschäftigt, weil sie zunächst einmal kompliziert ist und weil uns auch überhaupt nichts an Materialien vorliegt. Bevor wir jetzt eine gesetzliche Regelung vorschlagen oder aber eine Empfehlung an die Tarifvertragsparteien geben, wäre es sicher notwendig, zunächst einmal auf breiterer Basis Hintergrundmaterial zu sammeln. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns solche Unterlagen zur Verfügung stellen könnten. Ich kann das nicht so ohne weiteres übersehen, welche Auswirkungen eine solche Veränderung hätte.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Meine Damen und Herren, damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung beantwortet. Herr Staatssekretär Buschfort, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Schmidt zur Verfügung. Die Frage 59 ist von dem Herrn Abgeordneten Biehle eingebracht. — Ich sehe den Herrn Abgeordneten Biehle nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 60 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Schweitzer eingebracht worden:
Billigt es die Bundesregierung, wenn bei Prüfungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer politische Gesinnungsfragen — z. B. nach der Zugehörigkeit zu der „Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten" — gestellt werden?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schweitzer, im Anerkennungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere die persönliche Entwicklung des Wehrpflichtigen, die Einflüsse, denen er ausgesetzt war, sein bisheriges Verhalten und die Gedanken, die er sich bei seiner Entscheidung gemacht hat, aufzuklären.
Die politischen Anschauungen des Wehrpflichtigen gehören mit zu den Ergebnissen seiner persönlichen Entwicklung und den Einflüssen, denen er ausgesetzt war. Sie lassen auf die Gedanken, die er
sich bei seiner Entscheidung gemacht hat, möglicherweise Rückschlüsse zu.
Die Bundesregierung hat daher keine Bedenken, wenn im Anerkennungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer auch Fragen nach den politischen Anschauungen einschließlich der Zugehörigkeit zu einer politischen Organisation gestellt werden.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wären Sie gegebenenfalls bereit, konkreten Fällen nachzugehen, die ich Ihnen übermitteln könnte und bei denen es nachweislich zu einem Mißbrauch dieser Prüfungsthemata gekommen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich wäre ich dazu bereit, Herr Kollege Schweitzer.
Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Dr. Schweitzer auf:
Mit welcher Begründung kann die Bundesregierung heute noch entsprechende Vorschriften rechtfertigen, wonach es Angehörigen der Bundeswehr untersagt ist, sich auf dem Wege vom Dienstort nach Hause oder auch sonst von Privatwagen mitnehmen zu lassen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, nach dem noch geltenden Befehl des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom September 1957 ist es Soldaten der Bundeswehr in Uniform verboten, „per Anhalter zu reisen". Dieser Befehl wird zur Zeit im Führungsstab der Streitkräfte überprüft; denn Soldaten sind untereinander zur Kameradschaft verpflichtet. Ein Soldat, der im eigenen Pkw fährt, würde sich dem Vorwurf der Unkameradschaftlichkeit aussetzen, wenn er einem um Mitnahme bittenden Soldaten diese allgemein übliche Gefälligkeit nicht erweisen würde.
Andererseits bestehen hinsichtlich des Anhaltens von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen — auf der Autobahn und Autobahnauffahrten ist dies ohnehin gesetzlich untersagt — weiterhin grundsätzliche Bedenken wegen der Gefahren, die damit verbunden sind. Das müßte z. B. bei dieser Neuregelung auch mitberücksichtigt werden.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wäre Ihr Haus bereit, in diese hier angekündigte Überprüfung, von der ich mit großem Interesse Kenntnis nehme, auch die exzellenten Erfahrungen einzubeziehen, die eigentlich seit Jahrzehnten bei der Mitnahme von Soldaten in Uniform oder Zivil — aber hier geht es ja um das Mitnehmen in Uniform — in angelsächsischen Ländern gemacht worden sind, wo es ganz selbstverständlich ist, ,daß Ange-
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12940 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Schweitzerhörige der Streitkräfte von Privatwagen von ihrem Dienstort zur Wohnung und zurück mitgenommen werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weil wir uns solche Gedanken machen, ist auch bereits in die Überprüfung eingetreten worden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Würden Sie ebenfalls die Tatsache, daß wir erschreckend hohe Unfallziffern — wie Sie und wir alle ja wissen — zu verzeichnen haben bei Angehörigen der Streitkräfte, die sich auf dem Weg vom Dienstort zum Wohnsitz und zurück befinden, in ,die Überprüfung einbeziehen, da möglicherweise durch eine Änderung dieser meines Erachtens überholten Bestimmungen hier ganz wesentlich auch die Unfallziffern herabgedrückt werden könnten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das wollen wir gern tun, obwohl mir aus der Frage nicht ganz klar wird, aus welchem Grunde die Unfallziffern dann sinken sollen. Denn die Soldaten würden ja so oder so mit Kraftfahrzeugen fahren.
Sie wollen noch eine Zusatzfrage zu diesem Problem bringen. Bitte, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, sind Sie meiner Auffassung, daß es zumindest in weiten Bereichen auch als nicht gerade der Würde, die mit dem Träger einer Uniform verbunden sein kann, entsprechend angesehen werden kann, wenn er sich an die Straße stellen und darauf warten müßte, bis er irgendwo mitgenommen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Punkt 1. Zunächst sind die meisten Soldaten nicht in Uniform, wenn sie sich auf der Heimfahrt befinden. Punkt 2. Ich bin in vielen Ländern, Israel und anderen Ländern, gewesen und kann Herrn Kollegen Schweitzer darin recht geben, daß es dort selbstverständlich ist, daß Soldaten in Uniform an der Straße stehen und sehr gern mitgenommen werden. Ich würde hier die Frage der Würde nicht diskutieren.
Ich komme zu den nächsten Fragen. Die Herren Abgeordneten Schinzel, Hoffie, Schäfer , Simpfendörfer und Dr. Böhme (Freiburg) haben um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen 62 bis 65 und 70 bis 74 gebeten. Dem wird entsprochen.
— Herr Kollege, auch Ihre persönliche Ansicht interessiert mich immer. — Die Antworten auf die oben
aufgezählten Fragen werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 66 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Treffen Pressemeldungen zu , wonach die Sowjetunion in letzter Zeit ihre 30 Panzerregimenter in der DDR mit je 125 statt bisher 95 Kampfpanzern ausgerüstet hat, womit jede Panzerdivision der Roten Armee in der DDR jetzt über 460 statt bisher nur über 320 Kampfpanzer verfügt, und wie ist bejahendenfalls eine derart massive einseitige Verstärkung der Kampfkraft mit den Beteuerungen der sowjetischen Regierung vereinbar, auf echte Entspannung in Mitteleuropa hinwirken zu wollen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Jäger, ich bitte um Entschuldigung, daß ich nur ganz kurz antworte.
Nach unseren Informationen, die natürlich aus viel mehr Quellen als eine Pressemeldung gespeist sind, treffen diese Pressemeldungen über die Verstärkung der Panzerregimenter in der DDR nicht zu. Die Anzahl der Kampfpanzer in den Panzerregimentern und Panzerdivisionen wurde nicht erhöht. Ich bitte darum, dabei nicht auf Pressemeldungen zurückzugreifen, denn wir haben darüber hinausgehende Informationsquellen, die uns das mitgeteilt haben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie kommt dann, wenn das zutrifft, was Sie eben sagen, die Bundesregierung eigentlich dazu, Meldungen von so außerordentlicher Tragweite, die in verschiedenen Presseorganen der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht worden sind, nicht alsbald zu dementieren, da ja die Gefahr einer schwerwiegenden Belastung der deutsch-sowjetischen Beziehungen mit ihnen verbunden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich würde davon abraten, die Bundesregierung aufzufordern, nun auch hier und dort Nachrichten zu dementieren. Dann bliebe dieser Regierung nichts übrig — und es wäre auch früheren Regierungen nichts übrig geblieben —, als ununterbrochen zu dementieren.
Jedenfalls, meine Damen und Herren, wäre das laufende Dementieren von Pressenachrichten ein Kontrastprogramm zum Sparprogramm in der öffentlichen Verwaltung.
Sie haben aber die Möglichkeit, noch eine Zusatzfrage zu stellen.
Dann rufe ich Frage 67 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:Ist die Bundesregierung bereit, den Text der Rede, die Alexander Solschenizyn am 30. Juni 1975 vor dem amerika-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12941
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausennischen Gewerkschaftsbund gehalten hat, mit Rücksicht auf ihre zeitgeschichtliche Bedeutung in den „Informationen für die Truppe„ zu veröffentlichen oder den Angehörigen der Bundeswehr auf andere Weise zur Kenntnis zu bringen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die „Information für die Truppe" wird auf die Reden Solschenizyns in den USA in der Form aufmerksam machen, daß sie in der Rubrik „Neue Bücher" die Neuerscheinung des Luchterhand-Verlages „Solschenizyn: Drei Reden an die Amerikaner" der Truppe zur Anschaffung empfiehlt. Auch bei dem Buch „Archipel Gulag" wurde entsprechend verfahren.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es, da es ja ins Ermessen jeder Einheit gestellt ist, ob sie einer solchen Empfehlung folgen will oder nicht, nicht für angemessen, diese Empfehlung angesichts der ähnlichen wichtigen Gegenstände, die in der „Information für die Truppe" veröffentlich werden, dahin gehend auszudehnen, daß in den Informationen gleich der Wortlaut oder wenigstens die wichtigsten Passagen dieses Wortlauts abgedruckt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die „Information für die Truppe" ist an sich nicht dazu da, Ausführungen, die in Buchform herausgekommen sind, also sehr umfangreich sind, zu veröffentlichen. Ich glaube, mit diesem Hinweis ist die Möglichkeit der Anschaffung gegeben. Und weil es ja eine diskutierte und auch allseits interessante Ausführung von Solschenizyn gewesen ist, wird auch Gebrauch davon gemacht, sie anzuschaffen.
Herr Kollege, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da ich davon ausgehe, daß Sie diese Rede selber kennen, kann ich nicht verstehen, daß Sie sagen, sie sei wegen der Buchform so ausführlich, daß ein Abdruck nicht möglich sei. Ist es nicht so, daß sich diese Rede vor dem amerikanischen Gewerkschaftsbund durchaus mit dem üblichen Umfang der „Information für die Truppe" vertragen würde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es müßte ein Sonderdruck sein; daran besteht kein Zweifel. Man könnte sie nicht in die doch für sehr viele kurze Ausführungen gedachte „Information für die Truppe" hineinbringen. Es wäre die Frage, die überhaupt ansteht, ob man einen Sonderdruck daraus macht. Aber wir glauben, es wird sich auch so bei der Truppe schon entsprechend herumsprechen, und es wird das Interesse an dieser Anschaffung auch vorhanden sein.
Herr Kollege Gerster, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich die Frage noch einmal etwas allgemeiner formulieren: Würden Sie es für sinnvoll und begrüßenswert halten, daß möglichst alle Angehörigen der Bundeswehr diese Rede zur Kenntnis nehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist nicht unsere Sache, die Angehörigen der Bundeswehr nun etwa nicht nur anzuregen, sondern ihnen zu befehlen, diese Reden zu lesen.
Das muß jeder selbst für sich tun. Ich meine auch, wenn diese Empfehlung an die Kompanien geht, ist das völlig ausreichend. Es ist jeder soviel Staatsbürger in Uniform, daß er selbst weiß, was er zu lesen und was er nicht zu lesen hat.
Ich rufe Frage 68 der Abgeordneten Frau Pack auf:
Kann die Bundesregierung einen Überblick darüber geben, wieviel Prozent des Lehrkörpers der Bundeswehrhochschulen den Wehrdienst absolviert haben?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, bei den Bundeswehrhochschulen sind im Augenblick 146 Professoren fest angestellt. Von diesen haben 14 Wehrdienst in der Bundeswehr geleistet; dies entspricht einem Anteil von 9,6 %. Von den 146 Professoren gehören jedoch etwa 50 % den sogenannten „Weißen Jahrgängen" an, die nicht zur Ableistung des Wehrdienstes herangezogen wurden.
Frau Kollegin, Sie haben Zusatzfragen. Bitte!
Wünscht die Bundesregierung, daß die Dozenten der Bundeswehrhochschulen in gleicher Weise wissenschaftlich und militärisch qualifiziert sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich muß dazu sagen, daß wir ein gefächertes Angebot haben und daß z. B. eine Reihe von Angeboten auch die militärische Seite in einem besonderen Maße berücksichtigt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf das abheben, was Sie in Ihrer zweiten Frage angeschnitten haben, die ja in dieselbe Richtung wie Ihre Zusatzfrage geht. Wenn Sie damit einverstanden sind, dann kann ich Ihre zweite Frage jetzt beantworten. Dann können wir das im Zusammenhang diskutieren.
Die Fragestellerin ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 69 der Abgeordneten Frau Pack auf:Warum werden bei der Besetzung von Stellen des akademischen Mittelbaues an den Bundeswehrhochschulen nicht die-
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12942 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenjenigen Berufsoffiziere — fachliche Eignung und Verwendbarkeit vorausgesetzt — besonders berücksichtigt, die im Anschluß an einige Jahre Truppenpraxis zum Studium an den allgemeinen Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland abgestellt wurden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter an den Hochschulen der Bundeswehr werden von den Hochschulen öffentlich ausgeschrieben, d. h. also, es ist dasselbe Verfahren wie an allen anderen öffentlichen Hochschulen auch. Entschließt sich ein Offizier, der als Soldat an öffentlichen Hochschulen studiert hat, die hauptberufliche Tätigkeit eines wissenschaftlichen Mitarbeiters auszuüben, kann er sich im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens bewerben. Über die Einstellung wird unter dem Gesichtspunkt der fachlichen Eignung und Verwendbarkeit für die jeweils ausgeschriebene Stelle entschieden.
Sie wissen, daß auch die Hochschulen der Bundeswehr eine beachtliche Selbständigkeit haben und da das Verfahren dort so läuft, wie es an sonstigen Hochschulen üblich ist. Deswegen sind wir auch daran gebunden und sind gehalten, uns mit dem zu beschäftigen, was uns vorgeschlagen wird.
Eine Zusatzfrage.
Welche personalpolitischen Vorstellungen haben die Senate der Bundeswehrhochschulen seit der Vorlage des Weißbuches 1973/74 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Entwicklung der Bundeswehr vorgelegt, und — gegebenenfalls — wie werden diese Vorstellungen von der Bundesregierung bewertet?
Frau Kollegin, ich möchte Sie vorsorglich bitten, jeweils nur eine Zusatzfrage zu stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, es würde wahrscheinlich etwas ausufern, wenn man darauf insgesamt antworten würde. Wir stehen allen Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses jederzeit zur Verfügung, sowohl bei uns im Hause als auch vor allen Dingen — davon machen erfreulich viele Kolleginnen und Kollegen Gebrauch — in den Bundeswehrhochschulen mit Besichtigungen sowie Diskussionen mit den Dozenten, Professoren und Studierenden, auch mit denen, die als Studenten in den entsprechenden Gremien sitzen. Ich meine, es wäre das Allerbeste, sich darüber an Ort und Stelle zu orientieren.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Könnten Sie so freundlich sein, mir die zweite Zusatzfrage schriftlich zu beantworten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich, sehr gerne.
Meine Damen und Herren, ich rufe die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Wann wird die Untersuchung der Bundesregierung über etwaige Verwicklungen von Bundesbediensteten in die Bestechungsaffäre Northrop abgeschlossen sein, und welche Ermittlungen von Strafverfolgungsbehörden der Bundesländer sind gegen Bundesbedienstete im Zusammenhang mit dieser Affäre z. Z. nach Kenntnis der Bundesregierung im Gange?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Gansel, die Bundesregierung hat die ihr bisher vorliegenden Erkenntnisse der zuständigen Staatsanwaltschaft Aachen zugeleitet. Die Staatsanwaltschaft Aachen ist in die Prüfung der Frage eingetreten, ob Ermittlungsverfahren gegen derzeitige oder frühere Bundesbedienstete einzuleiten sind. Diese Prüfung ist nach sicherer Kenntnis der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen.
Ich darf im Anschluß an diese Antwort hinzufügen: Wir drängen aber darauf, daß dieser Abschluß so schnell wie möglich erfolgt.
Eine Zusatzfrage.
Befinden sich unter denjenigen, gegen die wohl wegen des Verdachts der Bestechung ermittelt wird, nach Ihrer Kenntnis auch der ehemalige persönliche Referent des verstorbenen Bundeskanzlers Adenauer und der spätere Botschafter in Teheran, Herr Franz-Josef Bach?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, sind Sie damit einverstanden, daß ich diese Frage schriftlich beantworte? Ich weiß es zunächst einmal nicht. Selbst wenn ich es wüßte, würde ich vor diesem Forum auch nicht ohne weiteres diese spezifischen Dinge erörtern.
Eine weitere Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kann ich Ihre Antwort so verstehen, daß nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens die Bundesregierung ihrerseits Untersuchungen einleiten wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Davon können Sie ausgehen.
Keine weiteren Zusatzfragen.Meine Damen und Herren, damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung beantwortet. Herr Staatssekretär Schmidt, ich danke Ihnen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander zur Verfügung.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12943
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDie Frage 76 ist von der Abgeordneten Frau Schleicher eingebracht. — Frau Schleicher ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Die Frage 77 ist von Herrn Abgeordneten Braun eingebracht:Wann ist mit dem Erlaß einer Verordnung über Mindestanforderungen für Altenheime, Altenwohnungen und Pflegeheime für Volljährige zu rechnen?Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Braun, die von Ihnen angesprochene Verordnung liegt dem Bundesrat seit Ende des vergangenen Jahres vor. Seine Ausschüsse haben die Verordnung inzwischen beraten und eine Reihe von Änderungsvorschlägen gemacht. Das Plenum des Bundesrates hat bisher nicht über die Zustimmung entschieden, weil es noch weitere Ermittlungen über die Kostenfolgen der Verordnung für erforderlich hielt.
Diese Ermittlungen sind weitgehend abgeschlossen. Ihr Ergebnis und dessen Würdigung sind zur Zeit noch Gegenstand der Beratungen mit den Ressorts des Bundes und der Länder. Genaue Angaben über den Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung lassen sich daher gegenwärtig nicht machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, beabsichtigen Sie, bevor die Verordnung Rechtskraft erlangt, den zuständigen Fachausschuß des Deutschen Bundestages damit zu befassen?
Herr Kollege Braun, die Absicht ist bei uns im Augenblick nicht vorhanden, aber ich sehe keinen Grund, warum wir dies, wenn der Fachausschuß es wünscht, nicht tun sollten. Jedenfalls sehe ich im Augenblick keinen Hinderungsgrund.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Sehen Sie nicht die Möglichkeit, daß gerade durch diese Verordnungen Auswirkungen insbesondere auf die Gemeinden und auf die freien Träger zukommen, die es wert wären, daß sich auch der Fachausschuß noch einmal damit befaßt?
Diese Auswirkungen sehe ich allerdings. Das ist auch der Grundwarum die Verordnung nach dem ersten Durchgang im Bundesrat noch einmal gründlich überarbeitet werden soll.
Ich rufe die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Braun auf:
hoch werden sich die mit dieser Verordnung verbundenen zusätzlichen Kosten belaufen, und werden diese Kosten den Trägern zur Realisierung dieser Verordnung zur Verfügung gestellt?
Herr Kollege Braun, da die Verordnung keine Verpflichtung zur Errichtung neuer Einrichtungen schafft, entstehen insoweit keine Kosten. Für bereits bestehende Einrichtungen hängen die Kostenfolgen entscheidend davon ab, welche Regelung die Verordnung im einzelnen erfährt. Wie ich schon ausgeführt habe, ist dieser Komplex auf Grund der neuen Kostenermittlungen noch einmal Gegenstand von Beratungen der Ressorts. Im übrigen muß auch hier der allgemeine Grundsatz gelten, daß anfallende Kosten von dem Träger der jeweiligen Einrichtung zu übernehmen sind.
Eine Zusatzfrage!
Halten Sie die Zahlen für realistisch, oder können Sie die Zahlen, die auf Grund von Erhebungen genannt worden sind, eventuell sogar bestätigen, wonach die Kosten für die Heimmindestanforderungen nach den §§ 3 bis 31 zirka 9 Milliarden DM betragen werden und die Kosten zur Erfüllung der Anforderungen, von denen nicht befreit werden kann, zirka 3,5 Milliarden DM betragen sollen?
Herr Kollege Braun, ich kann diese Zahlen nicht bestätigen. Ich kann Ihnen nur so viel dazu sagen, daß die erste Fassung, die dem Bundesrat vorgelegen hat, Kostenermittlungen in der Höhe, wie Sie sie genannt haben, nach sich gezogen hat, wobei aber völlig unklar war, inwieweit die Bundesländer, die dafür zuständig sind, von den Befreiungsmöglichkeiten der Verordnung Gebrauch machen würden. Insofern ist hier immer eine große Unsicherheit gegeben. Aber die Zahlen, die Sie genannt haben, sind in der neueren Fassung der Verordnung bei weitem nicht erreicht. Aber der ganze Vorgang ist insbesondere aus diesen Gründen in der Diskussion.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Kann ich davon ausgehen — nicht zuletzt im Hinblick auf die von mir genannten Zahlen —, daß die Bundesregierung beim Erlaß dieser Verordnungen darauf achten wird, daß durch diese Verordnungen weder Heimplätze vermindert noch so verteuert werden, daß es für die Kommunen und die freien Träger dann unzumutbar wird?
Die Bundesregierung behält beide Gesichtspunkte, die Sie ge-
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12944 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Parl. Staatssekretär Zandernannt haben, im Auge und nimmt darüber hinaus auch Rücksicht auf die finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Träger.
Ich rufe die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Kroll-Schlüter auf:
Wurden vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit mehrmals 90 000 DM an die linksextremen Studentenorganisationen SHB und SVI überwiesen, und wenn ja, aus welchen Gründen, obwohl der Haushaltsausschuß des Bundestages am 15. November 1974 einstimmig einen Auszahlungsstopp beschlossen hat , und wurden tatsächlich alle Umstände in Betracht gezogen, die die genannten Zahlungen hätten ausschließen können?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Kroll-Schlüter, es trifft nicht zu, daß vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit mehrmals 90 000 DM an die genannten Studentenorganisationen SHB und SVI gezahlt wurden.
Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat der vom Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages am 14. November 1974 gegebenen Empfehlung entsprochen. Die Studentische Zentralstelle wurde auf Grund der Empfehlung angewiesen, zunächst keine Mittel mehr an die beiden Verbände auszuzahlen. Die Freigabe von Beträgen für die Förderung von Maßnahmen, die beide Verbände im Vertrauen auf die in Aussicht gestellte Förderung geplant und bereits durchgeführt hatten, wurde von der Vorlage und der Prüfung der Einzelnachweise abhängig gemacht. Im Dezember 1974 wurden nach Prüfung dieser Einzelnachweise an den SVI 77 657,10 DM und an den SHB 12 558,74 DM freigegeben. Seit 1. Januar 1975 erhalten beide Verbände keine Förderung mehr. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages wurde im übrigen am 25. März 1975 schriftlich über die Abwicklung der Angelegenheit ausführlich unterrichtet.
Sie haben keine weiteren Zusatzfragen?
Ich rufe dann die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Müller auf. — Der Herr Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 81 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt auf:
Ist der Bundesregierung heute die vom Parlamentarischen Staatssekretär Westphal am 20. September 1972 in Aussicht gestellte Stellungnahme möglich, ob die Einrichtung von Unterhaltsvorschußkassen für nichtehelich geborene oder aus geschiedenen Ehen stammende Kinder nach skandinavischem Vorbild ein geeigneter und realisierbarer Weg zur Verbesserung der Lage der alleinstehenden Mütter ist?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Arndt, die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum Zweiten Familienbericht — Sie finden ihn in der Bundestagsdrucksache 7/3502 — zu
dieser Frage Stellung genommen und seinerzeit folgendes ausgeführt:
Die von der Kommission empfohlene Einrichtung von Unterhaltsvorschußkassen und Unterhaltsersatzkassen soll sich vom Leistungssystem des BSHG, das bei Bedürftigkeit die erforderliche Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt, wohl dadurch unterscheiden, daß der — im Grundsatz auch dem Unterhaltsrecht entsprechende — vorrangige Einsatz des Einkommens des Elternteils, bei dem das Kind lebt, entfällt oder nach einem wesentlich milderen Maßstab als dem im BSHG vorgeschriebenen erfolgt. Ob und gegebenenfalls inwieweit sich dies rechtfertigen läßt, ist von der Kommission selbst nicht behandelt worden.
Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit prüft zur Zeit, ob die Leistungen der Sozialhilfe für alleinstehende Elternteile mit Kindern ausreichend oder ob Verbesserungen notwendig sind.
Soweit das Zitat aus der Stellungnahme der Bundesregierung. Diese Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen. Unabhängig davon muß jedoch hinzugefügt werden, daß im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung Mittel für Unterhaltsvorschußkassen nicht zur Verfügung stehen. Angesichts der Finanzlage der Länder und Gemeinden kann auch nicht damit gerechnet werden, daß diese zusätzliche Mittel für diesen Zweck z. B. im Rahmen verbesserter Sozialhilfeleistungen aufbringen können.
Sie haben die Möglichkeit von Zusatzfragen. Bitte, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung in ihre Prüfungen auch das skandinavische System der Unterhaltsvorschußkassen einbezogen, das ja nicht davon ausgeht, daß hier Sozialhilfeansprüche geltend gemacht werden, sondern daß Vorschuß geleistet wird für hinterher wieder einbringbare Forderungen, die sich meist gegen die Väter richten?
Selbstverständlich werden alle Modelle, die in anderen Ländern verwirklicht sind und mit denen Erfahrungen vorliegen, in eine solche Prüfung einbezogen. Nur ist wahrscheinlich der Unterschied darin zu sehen, daß eine Einrichtung wie das Bundessozialhilfegesetz, das bei uns geltendes Recht ist, möglicherweise — ich kann es im einzelnen nicht sagen — in Schweden nicht zur Verfügung steht.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung der Modellversuch bekannt, den die sozialliberale Koalition im Hamburger Senat zu der Einrichtung von Unterhaltsvorschuß-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12945
Dr. Arndt
kassen plant — Drucksache 8/830 der Hamburgischen Bürgerschaft —?
Mir persönlich ist er im Augenblick nicht bekannt. Ich kann nicht sagen, ob er in meinem Hause bekannt ist. Ich werde das gern prüfen und auch diese Überlegungen, die wahrscheinlich dort niedergelegt sind, in die Prüfung einbeziehen lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar zur Verfügung.
Der Herr Abgeordnete Orgaß hat um schriftliche Beantwortung seiner beiden Fragen 82 und 83 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen 84 und 85 des Herrn Abgeordneten Kleinert. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal, so daß die beiden eingereichten Fragen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 86 des Abgeordneten Spranger. Der Herr Abgeordnete hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Da der Herr Abgeordnete Dr. Evers nicht im Saal ist, werden die Fragen 87 und 88 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 89 des Abgeordneten KrollSchlüter auf:
Hält die Bundesregierung es für richtig, daß im Nah- und Fernverkehr ein Kraftfahrer höchstens acht Stunden ohne längere Ruhepause am Steuer sitzen darf, ein Lokführer aber vierzehn Stunden Dienst tun kann, wenn zwischendurch eine zweistündige Ruhepause eingelegt wird?
In der Anfrage wird die Lenkzeit eines Kraftfahrers je Schicht der höchstzulässigen Dauer einer Schicht für einen Lokomotivführer gegenübergestellt. Vergleichbar mit der Lenkzeit des Kraftfahrers ist aber beim Lokomotivführer nur die Fahrzeit auf dem Triebfahrzeug, welche die Dauer der Zugfahrten einschließlich der Halte sowie den Rangierdienst umfaßt.
In einer Dienstschicht darf die planmäßige Fahrzeit auf dem Triebfahrzeug bei Zügen über 80 km/h sieben Stunden, bei Zügen bis 80 km/h acht Stunden und im Rangierdienst neun Stunden nicht überschreiten.
Verlängerungen um die Dauer der Pausen — höchstens 60 Minuten — sind zulässig, sofern eine dieser Pausen mindestens 30 Minuten beträgt. Die ununterbrochene Fahrzeit auf dem Triebfahrzeug darf im Streckendienst 5,5 Stunden nicht überschreiten; die Fahrzeit gilt als unterbrochen, wenn die Unterbrechung mindestens zehn Minuten dauert. Die zulässige Dauer der Fahrzeit auf einer Lokomotive hält sich somit weitgehend in dem Rahmen, der in der Anfrage vergleichsweise für die Lenkzeit im Straßenverkehr angezogen wird.
Die Dauer der Dienstschicht, die grundsätzlich zehn Stunden nicht überschreiten darf, kann zwar zur Erzielung zweckmäßiger und wirtschaftlicher Dienstpläne sowie im Interesse des Personals auf zwölf Stunden und bei einer Pause von mindestens zwei Stunden sogar bis zu 14 Stunden verlängert werden. An der zulässigen Fahrzeit auf dem Triebfahrzeug innerhalb dieser Schicht ändert sich dadurch nichts. Auch im Straßenverkehr sind beim Einmannbetrieb Schichtzeiten bis zu 14 Stunden möglich, wenn ein entsprechender Tarifvertrag vorliegt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Umstände der Ruhepause für Lokführer es oftmals gar nicht erlauben, daß sich dieser ausruht?
Ich stelle zunächst fest, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn Veranlassung hätte, dazu Stellung zu nehmen, wenn solche Umstände bekannt sind. Ich werde darüber gern einen Bericht anfordern.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Halten Sie es nicht für notwendig, daß die unterschiedlichen Begrenzungen bei fast gleichen Leistungen und fast gleicher Verantwortung überprüft werden?
Dienstpläne werden in der Regel mit den Personalräten abgestimmt. Ich sehe keine Veranlassung dafür, daß sich die Bundesregierung einschaltet.
Ich rufe noch die Frage 90 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl auf:Welche Schadensersatzleistungen wurden auf Grund welcher Rechtsgrundlagen bisher an die Opfer des Warngauer Zugunglücks gewährt, und welche Schadensersatzforderungen stehen noch offen?Ich wäre Ihnen jedoch dankbar, wenn Sie bei Zusatzfragen auf die fortgeschrittene Zeit Rücksicht nähmen.
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12946 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Herr Kollege Dr. Riedl, bis zum 7. September 1975 wurden von der Deutschen Bundesbahn auf Grund des Reichshaftpflichtgesetzes und aus positiver Vertragsverletzung 394 023 DM gezahlt. In diesem Betrag sind 14 374 DM für zehn endgültige Abfindungen enthalten, mit denen auch Schmerzensgeldansprüche, wenn auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, abgegolten worden sind. 81 922 DM wurden für Hilfeleistungen verausgabt.
Über die Höhe der noch ausstehenden Schadensersatzansprüche können im Augenblick keine Angaben gemacht werden, da bisher vielfach Ansprüche nur dem Grunde nach angemeldet worden sind.
Danke
schön!
Meine Damen und Herren, wir stehen damit am Ende der Fragestunde.
Ich eröffne wieder die Aussprache zu den Punkten 2 und 5, betreffend die konjunkturpolitische Lage. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorsitzende der CDU hat heute mittag an den Herrn Bundeskanzler den Vorwurf gerichtet, er habe nicht die Bilanz seiner Zeit vorgelegt und nicht den Aufbruch zu einer neuen Politik gewagt. Nach unserer Überzeugung hat die Regierungserklärung sehr klar sowohl die Zusammenhänge unserer Konjunkturpolitik mit der Weltrezession dargestellt als auch die Konsequenzen daraus gezogen, daß wir „seit 1974 eine Weltrezession erleben, die alles in den Schatten stellt, was wir seit der Weltdepression der 30er Jahre erlebt hatten". Das letztere ist ein Zitat aus der Regierungserklärung.Der jetzige Zeitpunkt beweist, daß wir nicht auf einer einsamen Insel leben, sondern mit den beabsichtigten Konsolidierungsmaßnahmen Produktion, Einkommen und Beschäftigung stützen wollen, um in unserem Lande ohne gefährliche Zuspitzung gesellschaftlicher Konflikte die Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Krise durchstehen zu können. Überzeugender und durchsichtiger kann man sich keine Bilanz vorstellen als diejenige, die heute von der Bundesregierung auf den Tisch gelegt wurde,
wobei ich mir nur den Hinweis gestatte: man muß allerdings etwas von Bilanzen verstehen, darf nichts verschleiern wollen und muß ehrlich mit den Zahlen umgehen.
Meine Damen und Herren, von der Notwendigkeit eines Aufbruchs zu einer neuen Politik zu sprechen, ist gegenüber dieser Bundesregierung und den sie tragenden Parteien ein Überspielen der Positionen, in denen wir uns befinden, wobei es bei den beiden Leitwörtern „Kontinuität" und „Konzentration" nach wie vor bleibt. Nicht nur das hat der Herr Bundeskanzler festgestellt, sondern er hat hinzugefügt — ich zitiere —, „daß sich an der fortgeltenden Richtigkeit und Notwendigkeit sozialliberaler Politik in unserem Lande nichts ändert, daß wir uns aber in einer Zeit weltweit wachsender wirtschaftlicher und finanzieller Sorgen auf das Wesentliche konzentrieren und anderes beiseite lassen".In einem Interview mit der „Deutschen Welle" hat Herr Ministerpräsident Kohl etwas erklärt, was ich in seinen heutigen Ausführungen vermißt habe: „Seit der Ölkrise und anderen Krisenerfahrungen der letzten Jahre" — so Kohl in dem Interview — „wissen wir besser als zuvor, daß es eine enge und unauflösliche Wechselwirkung zwischen Außen- und Innenpolitik gibt. Viele Probleme lassen sich auf nationaler Basis gar nicht mehr lösen." — Warum haben Sie, Herr Kohl — so muß man fragen —, heute an dieser Stelle nicht dasselbe gesagt, vielleicht mit noch größerer Deutlichkeit und Überzeugungskraft für die Damen und Herren der CDU/CSU-Fraktion? Kein ernst zu nehmender Wissenschaftler oder Politiker wird Herrn Kohl bei diesem offenliegenden logischen Sachzusammenhang widersprechen. Die Konsequenz aus diesen Überlegungen ist, daß die gegenwärtige Lage der Bundesrepublik Deutschland nur im engen Zusammenhang mit der tiefen Rezession der Weltwirtschaft in Verbindung mit Erdöl- und Rohstoffpreisexplosion gesehen werden kann. Keine Bundesregierung vermag sich den negativen Rückwirkungen der engen Verflechtung unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik mit der Entwicklung in den Partnerländern zu entziehen. Trotz dieses engen Sachzusammenhangs hat die Bundesrepublik bei einem Vergleich des allgemeinen Wohlstands, der Beschäftigungslage, der Preis- und Einkommensentwicklung, der sozialen Sicherung sowie der Währungsreserven eine ausgezeichnete Position, denn sie gehört zu den Ländern mit der größten sozialen und politischen Stabilität.Herr Kohl hat auch davon gesprochen, daß diese sozialliberale Koalition im Oktober 1969 ein blühendes Gemeinwesen übernommen habe. Ich muß hier wiederholen, was von mir schon vor einigen Monaten an dieser Stelle festgestellt wurde: daß eine solche historische Wertung nicht mit dem Jahre 1969 — soweit die Vergangenheit in Frage kommt — beginnen kann, sondern mit den Jahren 1965 und 1966 beginnen muß. Man darf doch nicht vergessen, daß es nach einem totalen Zusammenbruch nach den Wahlen des Jahres 1965 — auch hierauf hat der Herr Bundeskanzler hingewiesen — nur durch die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD möglich gewesen ist, aus dem Tal der Rezession wieder zu stabilen Grundlagen zurückzufinden. Deswegen muß ich Herrn Ministerpräsidenten Kohl darauf hinweisen, wenn er von einem beispielhaften Verhalten der jetzigen Opposition spricht, daß das damals ein sehr überzeugendes Beispiel dafür war, daß die Sozialdemokraten in diesem Bundestag immer bestrebt gewesen sind, die deutsche Bevölkerung in heiklen und schwierigen Situationen nicht im Stich zu lassen, sondern daß sie sich gerade dann für die
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12947
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerschwierigsten Aufbauarbeiten zur Verfügung stellten, wenn Not am Mann war. Hier war Not am Mann und Not an der Tat, an der Überzeugung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Höcherl zu?
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Bitte sehr.
Herr Kollege, sind Sie nicht der Versuchung erlegen, eine Legende zu bilden? War es Ihnen nicht wichtiger, in die Regierung zu kommen, als hier einen vaterländischen Beitrag zu leisten?
Herr Kollege Höcherl, ich weiß, Sie sind ein aufmerksamer Verfolger historischer Begebenheiten. Aber, Herr Kol-. lege Höcherl, das wissen Sie doch nun wirklich, in welch einer prekären Situation sich der Deutsche Bundestag und alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien befanden, als nur noch eine Minderheitsregierung Erhard vorhanden war und als vor Abtreten des damaligen Bundeskanzlers Erhard die CDU/CSU-Fraktion bereits einen neuen Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers, nämlich Kurt-Georg Kiesinger, bestimmt hatte. Erst dann vollzogen sich die Verhandlungen der CDU/CSU mit der Sozialdemokratie und der FDP. Es war gar nicht anders möglich, aus den Schwierigkeiten herauszukommen, als durch den Einsatz der unverbrauchten Kraft der deutschen Sozialdemokraten in der Bundesrepublik.
Nachdem ich nun auch Herrn Höcherl überzeugt habe, werde ich diesen Punkt verlassen.
Herr Ministerpräsident Kohl, Sie haben heute auch eingehend die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung analysiert. Ihr Hinweis auf die Preissteigerungen, die bei dieser Planung zu berücksichtigen sind, ist sicher zu beachten. Sie haben darauf hingewiesen, daß die Investitionen mit dieser Finanzplanung durchschnittlich um 8 % steigen werden. Sie haben dem gegenübergestellt, daß die Gesamtausgaben des Bundes lediglich mit Steigerungsraten von 4,1, 3,0, 7,0 und 5,4 % wachsen werden, während gleichzeitig mit einem nominalen Wachstum des Bruttosozialprodukts zwischen 91/2 und 101/2 % gerechnet werden kann.
Sie haben daraus gefolgert: „Diese Rechnung gehtnicht auf." Haben Sie nicht gerade mit dem Zweifel,den Sie in die Realisierbarkeit dieser vom Bundesministerium der Finanzen im einzelnen durchgerechneten Finanzplanung setzen, also mit dem Zweifel in die Realisierbarkeit dieser Planung mit unterproportional steigenden Bundesausgaben, öffentlich — sicher ungewollt — den Beweis dafür angetreten, daß Sie deshalb weitere ins Gewicht fallende Ausgabenkürzungen einfach für unmöglich halten? Wenn Sie diese Schlußfolgerung nicht zögen, müßte ich mit Ihnen sagen: diese Rechnung geht nicht auf.Herr Ministerpräsident Kohl, Sie haben heute den Versuch gemacht, den Einfluß inländischer und ausländischer Wirkungsfaktoren gegeneinander abzuwägen. Sie haben uns mitgeteilt, daß Sie nie den Einfluß weltwirtschaftlicher Entwicklungen auf unsere exportabhängige Wirtschaft geleugnet haben. Ich muß Ihnen erwidern, daß wir natürlich niemals den Einfluß binnenwirtschaftlicher Kräfte übersehen haben.
Von Ihnen wurde dargelegt, daß wir bereits im vergangenen Jahr einen Anstieg der Arbeitslosigkeit und einen spürbar nach unten gerichteten konjunkturellen Ablauf zu verzeichnen hatten — trotz der noch steigenden Exportzahlen, wie Sie mit erhobenem Zeigefinger sagten. Aber nichts anderes als diese damals anhaltend gute Entwicklung im Exportsektor ist doch die Ursache dafür, daß der Sachverständigenrat, daß die Arbeitsgemeinschaft der wirtschaftswissenschaftlichen Institute, daß die Bundesregierung und nicht zuletzt auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, davon ausgehen konnten,
daß die bis dahin getroffenen Maßnahmen der Bundesregierung in Bälde einen Aufschwung bewirken würden.
Daß wir alle diesen Aufschwung in Rechnung gestellt haben, ist nicht zu leugnen. Erst danach, nach der von Herrn Ministerpräsident Kohl zitierten positiven Exportentwicklung, erfolgte der Einbruch in die Auslandsnachfrage. Er ist zweifellos die Ursache dafür, daß die Strategie der Bundesregierung durchkreuzt wurde, wie der Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten ausdrücklich festgestellt hat. Ihre Ausführungen, Herr Ministerpräsident Kohl, liefern den Beweis dafür, daß das Ausbleiben der Konjunkturellen Erholung tatsächlich allen unerwartet kommen mußte, daß es durch den Einbruch der Auslandsnachfrage verursacht war. Ihre Ausführungen erbringen schließlich auch den Beweis dafür, daß Sie offensichtlich immer noch nicht in der Lage sind, diesen Zusammenhang richtig auszuwerten.Herr Kohl hat einen entscheidenden Satz des Sondergutachtens zur konjunkturpolitischen Lage im August 1975 — Textziffer 47 — übersehen. Dieser Satz lautet:Auf mittlere Sicht Ausgabenpläne kürzen undauf kurze Sicht für zusätzliche sorgen, das isteine schwierige Aufgabenkombination, die
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12948 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerhohe Ansprüche an das politische Handeln stellt.Damit ist der Kreis derer, die das machen können, sehr eng gezogen. Diese schwierige Aufgabenkombination, kurzfristig konjunkturelle Impulse zu geben und gleichzeitig die mittelfristige Konsolidierung der Staatshaushalte zu beginnen, ist Dreh- und Angelpunkt der vorgeschlagenen Konsolidierungsmaßnahmen.Meine Damen und Herren, es gibt kein Argument, das gegen eine staatliche Kreditfinanzierung in Jahren der Rezession spricht. Das muß ich im Hinblick auf die Ausführungen von Herrn Kohl wiederholen. Eine solche staatliche Kreditfinanzierung ist ein Gebot der Gesamtverantwortung für den Staat. Alle Versuche, die gegenwärtigen Verschuldungszahlen der öffentlichen Haushalte als katastrophal hinzustellen, müssen als Demagogie zurückgewiesen werden. Und solche Flugblätter, wie sie jetzt die CDU in Bonn beispielsweise verteilt: „Helmut Schmidt, der Schuldenmacher", „Offenbarungseid in Raten". und das, was da im einzelnen dargestellt und behauptet wird, das alles geht unter die Gürtellinie. Ich halte es für höchst bedauerlich, daß man sich mit solchen Erzeugnissen herumschlagen muß.
Es ist ein Erfolg des flexiblen Verhaltens der Bundesregierung, daß konjunkturelle Impulse freigemacht werden konnten und die damit zusammenhängende Finanzierungsaufgabe gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank vortrefflich gemeistert wurden und sicherlich weiter gemeistert werden.Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen urteilt in seinem Gutachten vom 5. Juli 1975 — ich darf zitieren —:In Anbetracht der konjunkturellen Situation der Bundesrepublik Mitte des Jahres 1975 ist der starke konjunkturelle Anstoß, der von der beträchtlichen Zunahme kreditfinanzierter Staatsausgaben ausgeht, zu begrüßen.Im Sondergutachten des Sachverständigenrats zurBegutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 17. August 1975 heißt es in Textziffer 15:Mag es vor dem Einbruch der Auslandsnachfrage noch zweifelhaft gewesen sein, ob so massive expansive Impulse der Finanzpolitik konjunkturgerecht waren, — heute sollte unstreitig sein, daß die Defizite der öffentlichen Hand, so beklagenswert sie im übrigen sein mögen, konjunkturpolitisch gerechtfertigt sind.Man muß sich auch an solche Begutachtungen und Urteile Sachverständiger gewöhnen. Wenn man diese Institute selber mit ins Leben gerufen hat, darf für die Wertung ihrer Aussagen nicht entscheidend sein, ob einem das eine oder andere Urteil paßt, ob es in die eigene politische Landschaft paßt. Vielmehr sollte man den Sachverständigenrat, wenn man ihn in solchen kritischen konjunkturellen Situationen benötigt, achten und respektieren.
Meine Damen und Herren, wem vor diesem Hintergrund nichts Besseres einfällt, als vom „Schuldenmacher" und vom „Offenbarungseid in Raten" zu sprechen, entfernt sich von der notwendigen Glaubwürdigkeit, die jeden demokratischen Politiker auszeichnen sollte.
In den letzten Tagen ist in den Zeitungen viel über die Reisen von Bundestagsabgeordneten geschrieben worden. Ich empfehle, daß noch mehr Bundestagsabgeordnete reisen, aber in die richtigen westlichen Länder, um sich dort von den Fachleuten und Politikern sagen zu lassen, wie sie diese Bundesregierung sehen und die konjunkturpolitische Lage der Bundesrepublik beurteilen.
Wenn man überall herumkommt und feststellt, daß man uns durchaus zutraut, in dieser Politik der Konsolidierung und der herbeizuführenden Stabilität mit Erfolg fortzufahren, und wenn man insbesondere das Urteil über den Herrn Bundeskanzler und seine Minister hört und miterlebt, wie der Herr Bundeskanzler für eine Koordinierung der konjunkturpolitischen Maßnahmen angesichts der Weltrezession in Anspruch genommen wird, dann muß man sich wundern, daß das von den eigenen, von den deutschen Politikern nicht anerkannt und gewürdigt wird.
Das sind mir schlechte demokratische Patrioten, Herr Kohl, die sich so verhalten!
: Hätten Sie sich mal das
Ansehen von Herrn Erhard in Erinnerunggerufen, als Sie ihn attackiert haben! —Weitere Zurufe von der CDU/CSU)— Herr Erhard wird mir bestätigen, daß ich ihn immer sehr geschätzt und daraus nie ein Hehl gemacht habe.
Für unsere Vorstellungen ist es unmöglich, einen Mann, der nach der Währungsreform den kühnen Sprung ins Wasser gewagt hat, am Schluß einer politischen Arbeit so abzuschießen, wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion das getan haben.
Wer höchste Kürzungsforderungen öffentlich bekanntgibt, muß sich fragen lassen: Soll die Steuer-und Kindergeldreform zum Teil rückgängig gemacht werden? Und wenn ja: in welchen Teilen? Soll die dynamische Rente Änderungen erfahren? Und — wenn ja: in welchem Umfang? Sollen Universitäten als Privatunternehmen betrieben werden? Und wenn ja: wie und wo und mit welchen Zuschüssen der öffentlichen Hand?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12949
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. MöllerWill man eine höhere Eigenverantwortung in der Krankenversicherung? Und wenn ja: wie soll sie aussehen und was soll sie den Krankenversicherten kosten? Wann und wo wird nach Ansicht der Opposition der Sozialstaat zur Plage werden?Diese Fragen, meine Damen und Herren, haben ihre Berechtigung. Die CDU macht sich jetzt, wohl mehr einem modischen Trend gehorchend als aus programmatischen Grundüberzeugungen, daran, die „neue soziale Frage" zu konstruieren. Der kritische Wähler muß dem Angebot des Oppositionskandidaten auf die Kanzlerschaft, „einen neuen Anfang für eine bessere Zukunft unseres Vaterlandes" zu machen,
sehr skeptisch gegenüberstehen.
Wie vereinbaren sich sonst Ihre verlockenden Forderungen nach Partnerrente, Erziehungsgeld und umfassender Neuorientierung in der Sozialpolitik mit den Stellungnahmen der Herren Carstens und Kohl zum Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung?Auf der einen Seite werden Steuererhöhungen abgelehnt, womit der finanzpolitische Spielraum jeder Bundesregierung nach den Wahlen 1976 unverantwortlich eingeengt würde. Auf der anderen Seite wird von der Bundesregierung verlangt, weitergehende Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite in solcher Höhe vorzulegen, daß schließlich in unserer Beurteilung ein erheblicher Abbau von staatlichen Leistungen die Folge sein würde.Herr Kollege Strauß hat bereits in der Sendung „Report" vom 1. September 1975, knapp drei Monate nach Verabschiedung der Mannheimer Erklärung, eine kritische Distanz zu den Beschlüssen der Schwesterpartei eingenommen.
Herr
Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kroll-Schlüter?
Bitte sehr.
Herr Dr. Möller, darf ich Sie fragen, ob Sie nicht zur Kenntnis genommen haben, daß heute morgen auch Herr Dr. Kohl ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hat, daß wir auf jegliche ausgabenwirksamen Beschlüsse verzichten?
Ich habe das von Herrn Kohl nicht gehört, obwohl ich aufmerksam zugehört habe.
— Entschuldigen Sie, ich will es gerade sagen: von Herrn Carstens habe ich es gehört.
— Es genügt ja, wenn man das sagt. Nun wollen wir erst einmal abwarten, wie das weiterläuft. Zunächst liegt noch nichts vor. Ich muß feststellen:das haben Sie aus dem Februar 1965 abgeguckt, als die Sozialdemokratische Bundestagsfraktion in der damals sehr kritischen Situation alle Anträge und Gesetzentwürfe mit finanzwirtschaftlichen Auswirkungen zurückgezogen hat mit der Aufforderung an die Regierungsparteien, sich genauso zu verhalten, damit sich die Krise nicht noch mehr verschärft. Das haben Sie also nur abgeschrieben, — wogegen von meiner Seite aus nicht das geringste einzuwenden ist. Wenn sich diese Ihre Auffassung im Deutschen Bundestag durchsetzen sollte, würde es ein sehr vernünftiges Wettrennen zwischen den Vorstellungen geben, was an ausgabewirksamen Maßnahmen in nächster Zeit und mindestens so lange vermieden oder verhindert werden muß, wie wir nicht eine festere finanzwirtschaftliche Basis zurückgewonnen haben. Insoweit begrüße ich natürlich einen solchen Beschluß und ein solches etwaiges Verhalten der Opposition in dieser Richtung uneingeschränkt.Nun darf ich doch das Zitat von Herrn Str a u ß bringen. Sie waren so kühn, mich gerade da unterbrochen zu haben. Sie wissen, daß er in China und weit vom Schuß ist und Sie nicht kontrollieren kann. Wie gesagt, in der Sendung „Report" vom 1. September 1975 hat Herr Strauß folgendes erklärt:Ich habe in Mannheim gesagt, wir haben die Grenzen des Sozialstaates erreicht. Heute ist die Zeit vorbei,— und nun kommt eine ganz wichtige Passage —in der gesellschaftliche Probleme oder politische Konflikte durch materielle Gratifikationen gelöst werden können. Das geht nicht mehr.Soweit Herr Strauß. Bisher war ich der Meinung, daß die Parteien im Deutschen Bundestag stolz darauf sind, daß sie die großen gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit oder auszugleichende politische Konflikte im Sinne einer demokratischen Fortentwicklung unserer Staates, manchmal bei Überwindung größter Schwierigkeiten, gelöst haben. Es ist bei dem hohen und mühevollen Aufwand, der mit dieser Zielsetzung verbunden ist, unfaßbar, jetzt von Herrn Strauß zu hören, daß das alles „materielle Gratifikationen", also sozusagen „Ehrengaben" waren. Ein Arbeitnehmer, der davon hört, stellt sich vor, daß er eine materielle Gratifikation in Höhe von 100 DM zu Weihnachten steuerfrei erhält. Das ist ungefähr das Niveau, von dem Herr Strauß bei diesem Interview ausging.Unabhängig von diesem Strauß-Ausspruch muß an dieser Stelle festgehalten werden, daß der Generalsekretär der CDU, Herr Professor Biedenkopf, in einem Interview des SFB vom 13. September dieses Jahres auf die sehr interessante Schlüsselfrage „Müssen Sie an dem, was Sie in Mannheim ausgeführt haben, etwas korrigieren angesichts der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Situation, in der die Bundesrepublik sich heute befindet?" im Gegensatz zu Herrn Strauß schlicht und einfach mit „Nein" geantwortet hat.Die sozialliberale Bundesregierung und die sie tragenden Parteien wollen und werden das System der sozialen Sicherheit aufrechterhalten und absi-
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerchern, um über diese schwierige Phase hinwegzukommen, die der amerikanische Finanzminister Simon als den „schwersten weltweiten Konjunktureinbruch seit der Weltwirtschaftskrise" bezeichnet hat. Daß dabei auf das ausgewogene Gleichgewicht zwischen Ansprüchen und Leistungen, zwischen Rechten und Pflichten geachtet werden muß, ist jedem selbstverständlich, der die Grenzen der Gesetzgebung in einem sozialen Rechtsstaat nur halbwegs realistisch einschätzt. Das tiefgestaffelte Angebot solidarischer Hilfen wird nur dort überprüft werden können, wo die Möglichkeiten des Mißbrauchs und die Verführung zur Sorglosigkeit gegeben sein könnten.Wenn die Opposition diesen Maßnahmen der Bundesregierung eine politisch glaubwürdige Position gegenüberstellen will, dann müßte endlich der Bekennermut zu klaren Alternativvorschlägen bemerkbar werden. Die widersprüchlichen Aussagen der Union zum Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung beweisen nichts anderes als ein hohes Maß an Ratlosigkeit.
Lassen Sie mich deswegen, Herr Kohl, auch offen betonen, daß für uns die politischen Auseinandersetzungen mit den Vorstellungen der Union durch die vielen widersprüchlichen Äußerungen,
die es bisher bei Ihnen gegeben hat, außerordentlich erschwert worden sind. Sie selbst wurden in einem „Bild"-Interview am 9. August 1975 gefragt:Einige CDU-Politiker sorgen ständig für Schlagzeilen über interne Streitigkeiten. Hat die Union die nötige Geschlossenheit?So fragt die „Bild-Zeitung", nicht die SPD-Bundestagsfraktion. Sie, Herr Ministerpräsident, haben geantwortet:Die Zeit dieser Schlagzeilen ist vorbei. Dafür werde ich schon sorgen.Erfolge dieses Versprechens, sehr geehrter Herr Dr. Kohl, sind leider noch nicht sichtbar. Wir haben aber Verständnis für Ihre Schwierigkeiten bei all den vorhandenen Rivalitäten.Für die Gesamtbeurteilung der Haltung der Opposition möchte ich das ins Gedächtnis rufen, was Herr Kollege Strauß am 26. Februar 1975 im Fernsehen gefordert hat — ich zitiere wörtlich —:Es ist unerläßlich, daß 1976 Steuern erhöht und gesetzlich beschlossene Leistungen vermindert werden müssen.Daß sich vom 26. Februar dieses Jahres bis heute die Situation so geändert hätte, daß diese Erklärung von Herrn Strauß in Zukunft unbeachtet bleiben müßte, wird keiner in diesem Hohen Haus behaupten.
Sie selbst, Herr Ministerpräsident Kohl, haben laut „Stuttgarter Zeitung" vom 23. August 1975 die Bundesregierung aufgefordert, eine klare Rechnung darüber vorzulegen, was auf die Wirtschaft insbesondere mittel- und langfristig an Steuern und Soziallasten zukommen würde.
Das ist nun geschehen,
und zwar in einem Umfange, den Sie beanstanden. Sie beanstanden, daß wir von Steuererhöhungen ab 1. Januar 1977 reden. Man müßte doch auf Grund dieser Unterlagen wirklich in der Lage sein zu disponieren. Wenn Sie, Herr Kohl, so oft von der Verunsicherung in der Wirtschaft sprechen, kann ich nur fragen: Von wem geht die Verunsicherung der Wirtschaft eigentlich aus?
Was Sie hier der SPD bzw. der Koalition unterstellen, ist doch bei genauer Prüfung einfach nicht haltbar.
Sie können mir doch nicht weismachen, daß, wenn wir morgen eine Erweiterung der Abschreibungsmöglichkeiten beschlössen, die Wirtschaft übermorgen von diesen erweiterten Abschreibungsmöglichkeiten Gebrauch macht. Sie wird sich dann immer noch den ihr geeignet erscheinenden Zeitpunkt aussuchen, und der muß durchaus nicht in diesem oder im nächsten Jahr liegen. Die Männer in der Wirtschaft müssen erst einmal zu sich selbst Vertrauen schaffen
und müssen dafür sorgen, daß sie über eine lange Zeit kritischer und weniger kritischer Jahre die Unternehmensdispositionen treffen, die sich in den kommenden Zeiten dann auch bewähren.
Das gehört zu den Verpflichtungen des Managements.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, spielen mit diesem Verunsicherungsfaktor insbesondere gegenüber den Unternehmern, weil das in Ihren politischen Kram paßt,
nicht weil das die Ursache des Ganzen wäre.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Niegel?
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Herr Kollege Möller, war es auch Verunsicherung, als Sie in diesem Hause am 20. November 1966 folgendes zur CDU/CSU-Regierung sagten:
Die Finanz- und Haushaltspolitik hat ein Stadium an Unvermögen erreicht, das wirklich nicht mehr zu überbieten ist, wobei Staat und Wirtschaft ernsthaft Schaden nehmen.
Meine Damen und Herren, das war eine vorsichtige Umschreibung der festzustellenden Realitäten. Zurückhaltender konnte man sich bei der damaligen Sachlage wohl kaum ausdrücken.
Meine Damen und Herren, nach der Klausurtagung der CDU/CSU-Spitzenpolitiker am 6. September 1975, die doch wohl der Herstellung von Geschlossenheit dienen sollte, sprach Herr Stoltenberg von der Zustimmung der Opposition zur Erhöhung der Tabak- und Branntweinsteuer. Diese Passage fehlte heute übrigens bei Herrn Kohl, sicher, weil am 10. September 1975 Herr Kollege Strauß in der Sendung „Bilanz" anders entschieden hat. Er hat nämlich für die CDU/CSU — selbstverständlich verbindlich — entschieden: „Jetzt keine Steuererhöhungen, auch nicht die Erhöhung der indirekten Steuern, auch nicht am 1. Januar 1977." Nach dieser Befehlsausgabe müssen Sie natürlich eine andere Strategie anwenden, was ich gern zugebe.
Nach den schwerwiegenden Diskussionen in Mannheim — auf diesen Vorgang möchte ich doch zurückkommen — schrieb Ihnen Herr Professor Erhard einen Brief. In dem Brief heißt es:Ich fürchte, daß die „neue soziale Frage", die die Autoren dieses Entwurfs— also der Mannheimer Beschlüsse —plötzlich entdeckt zu haben glauben, in der Wirkung lediglich der Auftakt zu neuen Forderungen und Belastungen der öffentlichen Haushalte sein wird ... Was aus der Mannheimer Erklärung in diesem Punkt herauszulesen ist:— meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, das sage nicht ich Ihnen, sondern Ihr von Ihnen hoffentlich noch immer hochgeschätzter Professor Erhard —mehr Staat, aber weniger persönliche Verantwortung, das weist uns einen falschen Weg.Professor Erhard fährt fort:Ich möchte nicht durch Schweigen mitschuldig werden an einer Entwicklung, ,die auch unsere Partei näher zum Kollektivismus hinführt und ihr die Chance verbaut, durch überzeugende Alternativen zur SPD den Wähler zu veranlassen, ihr wieder die Mehrheit im DeutschenBundestag zu geben. So gewinnt man keine Wahlen.So wird es sicherlich bleiben.
Diese Auffassung teile ich. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben keine Alternativen und schon gar keine überzeugenden Alternativen.
Ihnen, Herr Ministerpräsident Kohl, wurde in dem bereits zitierten Interview mit der „Bild-Zeitung" die Frage gestellt: „Was wollen Sie gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise unternehmen?" Ihre Antwort lautete dort anders als heute hier im Deutschen Bundestag. Sie erklärten nämlich:Wir werden den Bürgern sagen, daß wir es heute für modern halten,— man muß sich einmal die Formulierung überlegen! —auch wieder Fleiß, Arbeitsmoral, Pünktlichkeit und Aufrichtigkeit zu fordern.
Ist das, Herr Ministerpräsident, Ihre Antwort auf die „neue soziale Frage" ? Sagen Sie bitte den Bürgern, wo Sie Fleiß, Arbeitsmoral, Pünktlichkeit und Aufrichtigkeit vermissen.
Allein schon die Aufrichtigkeit fehlt, wenn Sie Ihre Forderung nicht im einzelnen genau begründen. Ich halte sie in dieser pauschalierten Form für eine Beleidigung unserer arbeitenden Menschen.
Meine Damen und Herren, wir haben heute vormittag die Stellungnahme des Herrn Ministerpräsidenten Kohl zu Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers gehört, wobei sich Herr Kohl mit Bundestag und Bundesrat in einem Zusammenhang beschäftigt hat, der höchst bedauerlich ist. Wir alle würden gern darauf verzichten, von solchen Zusammenhängen Kenntnis zu nehmen. Aber daß ein gewaltiger Unterschied zwischen den Funktionen des Deutschen Bundestages und denen des Bundesrats besteht, können Sie unschwer dem Artikel 38 des Grundgesetzes entnehmen, der die Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl bestimmt, und dem Artikel 51 des Grundgesetzes, der für den Bundesrat schlicht feststellt, daß er aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sie bestellen und abrufen, besteht. Hier wird weiter gesagt, daß sie durch andere Mitglieder ihrer Regierungen vertreten werden können.Ich weiß nicht, wie es jetzt in den Landtagen aussieht. Zu der glücklichen Zeit, als ich noch Mitglied eines Landtages war, bestand die Praxis — und die Länderregierungen haben ängstlich darauf geachtet, daß diese Praxis nicht gestört wurde —, daß
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllernicht einmal die Länderparlamente ihren Länderregierungen in wichtigen sie berührenden politischen Fragen Weisungen für die Haltung im Bundesrat geben konnten, sondern die dort vertretenen Mitglieder der Regierungen waren von ihren Landtagen unabhängig und nicht weisungsgebunden. Wer sagt, daß da kein Unterschied zwischen einer Meinungsbildung im Deutschen Bundestag und einer Meinungsbildung im Bundesrat besteht, den vermag ich über die wirklichen Zusammenhänge nun auch nicht mehr aufzuklären. Daß der Bundesrat aus der ganzen Struktur des Grundgesetzes eine andere Aufgabe hat, als parteipolitisch Obstruktion gegen eine ihm nicht genehme Bundesregierung zu treiben, soweit sich dazu eine Mehrheit findet, ist an vielen Vorgängen klarzustellen.
Die widersprüchliche Haltung der Opposition kennzeichnet auch das ganze Bund-Länder-Verhältnis. Der Forderung nach mehr Ausgabenkürzungen ist die Äußerung des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein entgegenzuhalten, der laut Frankfurter Zeitung vom 5. Juli 1975 in bezug auf die Länderhaushalte davon spricht — ich zitiere wörtlich —, „daß weitere Kürzungen ... die wesentlichen Aufgaben der Länder zur Existenzsicherung von Betrieben und Arbeitsplätzen sowie in der Bildungs-, Sozial- und Gesundheitspolitik in nicht mehr vertretbarer Weise gefährden" würden.Damals ging es um den Steuerstreit, wobei dann der Bund 2 Milliarden DM weniger von den Ländern erhalten hat, als sich eigentlich aus einem Gentlemen's-Agreement ergibt. Aber in dieser Erklärung des Herrn Stoltenberg vom 5. Juli 1975 kommt doch eine Auffassung zum Ausdruck, die dem Prinzip der Gemeinsamkeit der Verantwortung von Bund und Ländern nicht mehr entspricht.Ich will in diesem Zusammenhang auf eine äußerst bedeutsame finanzwirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik aufmerksam machen: 1965 flossen 55,3 % des gesamten Steueraufkommens dem Bund zu. 1974 waren es nur noch 49,5 %; 1976 werden es wahrscheinlich um die 49 % sein. Gleichzeitig stieg der Anteil der Länder am Steueraufkommen von 30,7 % im Jahre 1965 auf 35,1 % im Jahre 1974 an. Er wird 1976 bei über 34 % liegen.Wir müssen uns daher ernsthaft die Frage vorlegen, inwieweit dieser Abfluß aus den Einnahmequellen, die dem Bund zur Verfügung stehen, einem Wandel in der bundesstaatlichen Aufgabenstellung entspricht. Das Grundgesetz weist den Ländern wichtige Aufgaben insbesondere im Bereich des Bildungswesens und der inneren Sicherheit zu. Das Schwergewicht der Bundesaufgaben und -ausgaben liegt bei der äußeren und der sozialen Sicherung, auf die allein über die Hälfte der Bundesausgaben entfallen. Es geht nicht an, den Aufgaben, die der Bund zu erfüllen hat, einen minderen Rang einzuräumen. Ich warne vor einer Bund-Länder-Konfrontation, die die Machtverteilung im Bundesrat zu einer Erzwingung von Finanzierungsanteilen ausnutzt, die die gleichmäßige Erfüllung der staatlichen Aufgaben beeinträchtigen würde.
Meine Damen und Herren, nach den Geburtstagsfeiern des „Herkules der Geschichte"
— so der stellvertretende CSU-Vorsitzende Franz Heubl — hat sich das „Urtalent der Politik" — wieder ein Zitat — in die Volksrepublik China begeben, in die Nähe des großen Vorsitzenden Mao Tsetung. Der ihn ersetzende Vorsitzende der CDU ist schon auf dem CSU-Parteitag in München zur Erleichterung dieser heutigen Rolle von einer Gemeinsamkeit beider Unionsparteien ausgegangen. Bereits in München erklärte Herr Kohl, daß man gemeinsam gegen jede Art sozialistischer Indoktrination in diesem Lande kämpfen werde".
Der demokratische Staat müsse ein starker Staat mit Autorität als Schutz und Schirm für die Bürger sein.
Im freien Rechtsstaat müsse die Gewissensfreiheit ihren Raum besitzen.
Auf diese Äußerungen des CDU-Vorsitzenden kann ich nur erwidern: Die deutschen. Sozialdemokraten haben in ihrer 112jährigen Geschichte für einen demokratischen Rechts- und Sozialstaat gekämpft und in diesem Kampf besonders unter der Nazi-Diktatur große Opfer gebracht. Wer garantiert in diesem Lande besser als die Sozialdemokraten, daß der soziale Rechtsstaat als ein unverzichtbarer Bestandteil der politischen Ordnung und die freie Selbstbestimmung des Menschen im Rahmen unseres demokratischen Grundgesetzes gesichert sind?
Der Ruf konservativer Kreise nach dem „starken Staat" muß befürchten lassen, daß die Interessen organisierter Gruppen — insbesondere auf die Gewerkschaften reflektieren derartige Ansprüche — gegenüber vermeintlichen „Interessen der Allgemeinheit" zurückgedrängt werden sollen. Die durchsichtige Taktik dieser Strategie geht von dem Bekenntnis zur pluralistischen Gesellschaft bei gleichzeitiger Disqualifizierung von Gruppeninteressen als „schädlich für das Allgemeinwohl" aus. Daß dabei eine Diffamierung von Sozialdemokraten und Gewerkschaften sehr gut in das Konzept der sich aufdrängenden Staatsretter und Bewahrer unseres Grundgesetzes paßt, liegt auf der Hand.Um dem einseitigen Staatsverständnis der CDU/ CSU zur notwendigen Breitenwirkung zu verhelfen, scheut sich die Opposition nicht, den aus den 50er Jahren noch bekannten Kollektivismusvorwurf auch mit ins Spiel zu bringen. Der CDU-Vorsitzende Kohl lieferte dafür einen Beweis, indem er im CDU-Informationsdienst 2/75 folgendes schrieb:Die SPD interpretiert das Gleichheitsprinzip nach wie vor egalitär. Sie strebt eine Egalisierung der Gesellschaft an. Die Gleichheit zeigt hier ihr freiheitsfeindliches Gesicht. Während die CDU mehr Gleichheit um der Freiheit wil-
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerlen will, schiebt sich bei der SPD Gleichheit vor die Freiheit.
Wir Sozialdemokraten sehen uns außerstande, solche Auffassungen des CDU-Vorsitzenden — und des Zwischenrufers — von Gleichheit und Freiheit in unserer Gesellschaft zu akzeptieren,
weil die Freiheit, die Herr Kohl verwirklichen will, den privaten Geltungsanspruch — meist handelt es sich um den Anspruch von Privilegierten — gegenüber den gesellschaftlichen Grundsätzen dominieren lassen möchte. Das führt zu der Konsequez, daß das private Interesse gegenüber der gemeinschaftlichen Sphäre absoluten Vorrang erhält. Sozialdemokratische Politik kann nicht für das autonome Glied einer Gesellschaft gemacht werden, ohne die Bedingungen dafür zu schaffen, daß sich das private Leben als mitmenschliches Leben entfalten kann.
Unsere Auffassung vom demokratischen Staat, Herr Kohl, unterscheidet sich sehr klar von der Ihrigen. Wir sind der Meinung, daß die Sozialstaatsklausel unseres Grundgesetzes vorschreibt, die Gesellschaft im Interesse seiner Bürger im Sinne größerer Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität fortzuentwickeln. Es ist deswegen um so bedauerlicher, wenn der Chefstratege und Vermarkter christdemokratischer Politik einen neuen Stil in die politische Auseinandersetzung eingeführt hat; denn von Herrn Biedenkopf stammt folgendes Zitat:Die Wirtschaft- und gesellschaftlichen Konzeptionen der deutschen Sozialdemokratie tendieren heute zur kollektivistischen Gesellschaft und zu totalem Staat.
Hier muß doch einmal deutlich der Widerspruch hervorgehoben werden zwischen der Forderung der CDU/CSU nach dem „starken Staat" und der Panikmache, mit der die Bevölkerung mit dem Hinweis auf den „totalen Staat" verunsichert werden soll. Diese Strategie wird nicht zu der von der Opposition beabsichtigten Erfolgsserie mit dem Wahlerfolg von 1976 führen, weil die sozialdemokratische Auffassung vom demokratischen Staat in dieser Bevölkerung nicht nur richtig verstanden, sondern auch akzeptiert wird.Ich darf Ihnen zum Schluß ein Zitat aus einer Rede von Alexander Mitscherlich aus dem Jahre 1969 anläßlich der Buchmesse ins Gästebuch schreiben. Ich zitiere:Die Zielvorstellung aller Kultur, sobald das nackte physische Elend überwunden ist, besteht in der Milderung der feindseligen und zerstörerischen Formen von Aggression durch die Förderung ausgleichender seelischer Kräfte wie Mitgefühl, Verständnis für die Motive des anderen und ähnliches. Dieser Förderung— so Mitscherlich —steht die Dummheit im Wege. Ich meine damitnicht die Begabungsdummheit, sondern die anerzogene Dummheit, die sorgfältig durch die Erziehung zu Vorurteilen herbeigeführte Dummheit. Im Erfolgsfall solcher Erziehung — und er tritt leider massenhaft ein — ersetzt dann bei dem Versuch einer Konfliktlösung mit steigender Erregung das Vorurteil die Arbeit kritischer Reflexion.Machen Sie sich daher, meine Damen und Herren von der Opposition, in dieser Konfliktsituation von allen uns betreffenden Vorurteilen bitte frei;
denn jeder, der sich zu der Verantwortung für das Ganze, für unser ganzes deutsches Volk bekennt, muß die vor uns liegende, die Zukunft der Demokratie wesentlich mit entscheidende Aufgabe lösen helfen.
Meine Damen und Herren, auf der Diplomatentribüne hat eine Delegation der Volksversammlung der Arabischen Republik Ägyptens Platz genommen, die unter Leitung ihres Vizepräsidenten, Herrn Dr. el Oteifi, zu einem mehrtägigen offiziellen Besuch in der Bundesrepublik Deutschland eingetroffen ist. Ich habe die Ehre, Sie, Herr Vizepräsident, und meine Damen und Herren der Delegation, im Deutschen Bundestag zu begrüßen. Es ist uns eine besondere Freude, Sie als Gäste in unserem Land und im Deutschen Bundestag willkommen zu heißen.
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Herr Ministerpräsident Kohl hat heute, wie wir meinen, eine in der Form eindrucksvolle Rede im Plenum des Deutschen Bundestages gehalten. Herr Kohl, Sie werden es uns nicht verübeln, daß wir sagen: Ihr Appell an unsere Verpflichtung zur sozialen Marktwirtschaft war überflüssig. Aber wenn Sie in diesem Falle Missionskraft übrig haben, so widmen Sie sie doch dem von Ihnen so besonders geförderten Kollegen Blüm; Franz Josef Strauß wird Ihnen dankbar dafür sein.
Meine Damen und Herren, in der Sache will ich mich nur sehr kurz äußern, Herr Kohl, weil es sich um eine Reihe von Punkten handelt, die wir seit vielen Jahren von den Kollegen der CDU/CSU-Fraktion entgegengehalten bekommen, einer Fraktion, meine Damen und Herren, die in wirtschaftspolitischer Hinsicht auch durch personelle Vielfalt die Einfalt der Argumente nicht immer verdecken kann.Herr Ministerpräsident, daß die Inflation ein Dauerzustand sei, ist eine Allerweltsweisheit. Aber Sie werden nicht übersehen haben, daß sie sich in diesem Lande auf einem Niveau abspielt, das im Vergleich zu allen andern Ländern der Welt glück-
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Dr. Graf Lambsdorfflicherweise wieder die unterste Position in der Rangordnung erhalten hat.Über Jugendarbeitslosigkeit haben wir hier schon häufig gesprochen. Sie würden diesen in der Tat ernsten Problemen einen Dienst erweisen, wenn Sie in der Lage wären, wozu wir alle miteinander nicht in der Lage gewesen sind: einen Lösungsvorschlag anzubieten, der neben der Rückführung der allgemeinen Arbeitslosigkeit einen speziellen Erfolg auf diesem Gebiet gewährleisten könnte.Daß die soziale Sicherheit gefährdet sei, Herr Ministerpräsident, ist eine sehr allgemeine Behauptung. Im übrigen trägt sie nicht dazu bei, die von Ihnen beklagte, weit verbreitete Verunsicherung abzubauen oder dem entgegenzuwirken, sondern sie tut das Gegenteil. Wir können feststellen, daß sich unser soziales System trotz aller Bedrohungen, trotz aller Gefährdungen bisher — der Herr Bundeskanzler hat heute morgen darauf hingewiesen — als widerstandsfähig und erfolgreich erwiesen hat.
Sie haben, Herr Kohl, weiter gesagt, die CDU habe nie die außenwirtschaftlichen Einflüsse auf die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik geleugnet.
Herr Ministerpräsident, das können Sie nur deswegen sagen, weil Sie an den Diskussionen der Jahre 1972 und 1973 in diesem Raum nicht teilgenommen haben, als ein großer Teil von Ihnen nicht wahrhaben wollte,
daß es diese Einflüsse gibt.Sie haben außerdem gesagt, Herr Ministerpräsident, die Koalition suche die Schuldigen nur und ausschließlich anderswo.
— Auch dies ist nicht zutreffend, Herr Kollege Stücklen. Vielleicht waren Sie damals gerade nicht im Saal. Wer sich an die Diskussion erinnert, die wir in der zweiten Lesung des Haushalts des Jahres 1973 mit dem verehrten Herrn Altbundeskanzler und dem unvergeßlichen Kollegen Klaus Dieter Arndt gehabt haben, weiß sehr genau, wie wir damals über die Prozentsätze diskutiert haben, wie hoch denn wohl der hausgemachte Anteil an der Entwicklung gewesen sei und wie hoch die exogenen Faktoren zu bewerten seien.
— Ich beziehe mich im Augenblick auf das Jahr 1973, eine im Grunde abgehakte Diskussion, Herr Müller-Hermann,
nur, Herr Ministerpräsident Kohl hat sie noch einmal aufgegriffen.Aber, meine Damen und Herren, wichtiger als die Form ist natürlich, Herr Ministerpräsident, daß Sie zur Sache eigentlich nur eine halbe Rede gehalten haben.
— Wir werden uns von Ihnen nicht genehmigen lassen, wie wir Reden der Opposition beurteilen, Herr Kollege. Das wird unsere eigene Beurteilung sein.
Ich glaube, der eine oder andere von Ihnen hätte es gern so, daß Sie vorschreiben können, wie wir was beurteilen. Aber soweit sind wir noch nicht. Wir werden auch zu verhindern wissen, daß Sie in diese Position gelangen.
Nicht nur wir in diesem Hause, nicht nur die Koalitionsfraktionen, Herr Kohl, erwarten von Ihnen Vorschläge, handfeste Vorschläge; auch die Öffentlichkeit tut es ja — Sie wissen das ganz genau —, auch die Ihnen nahestehende Presse tut es ja. Nein zur Einnahmeverbesserung und sonst gar nichts — dies ist in der Tat zuwenig. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat es gestern in einer Karikatur dargestellt — Sie kennen sie alle, Sie werden sie gesehen haben —: „Erst muß er den Bankrott erklären, worauf wir dann erklären, daß wir einem Bankrotteur nicht helfen werden." Dies, meine Damen und Herren, ist genau die Position, die unzulänglich und unbefriedigend ist.Der CSU-Vorsitzende hat am Sonntag in München in einer Rede, die er sonst wahrscheinlich hier gehalten hätte, sehr eindeutig zur Frage der langfristigen Überlegung und zur Frage der Einnahmenverbesserung der öffentlichen Haushalte Stellung genommen. Franz Josef Strauß sagte — ich darf mit Genehmigung der Frau Präsident zitieren —:Was wir für richtig halten in dieser Situation? Wir halten es für richtig und notwendig, 1. weder jetzt noch im Jahre 1976 nur für die Verbesserung der Einnahmenseite und damit für die Verminderung des Defizits wirtschaftsschädigende, der Vollbeschäftigung abträgliche Steuererhöhungen vorzunehmen.Abgesehen von den Verbrauchsteuern will im Jahre 1976 niemand die Steuern erhöhen. Dies wäre in der Tat konjunkturell und konjunkturpolitisch nicht sinnvoll.Mit anderen Worten: Sie können diesem sehr vorsichtigen und alles offenlassendem Zitat und dieser Bemerkung des CSU-Vorsitzenden entnehmen, daß er genauso weiß wie Sie, daß jede Regierung, auch eine wider Erwarten von Ihnen geführte Regierung, zu Beginn des Jahres 1977 sich vor genau diese Alternative gestellt sähe, nämlich vor den Zwang, die Einnahmenverbesserungen zu beschließen.
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Dr. Graf LambsdorffHerr Professor Carstens, es ist eine Haltet-denDieb-Methode, zu sagen, weil wir dies schon jetzt den Bürgern bekanntgeben, weil wir heute schon sagen, was im Jahre 1977 wird, täuschten wir die Wähler. — Nein, wir legen mit aller Offenheit auf den Tisch, welche Belastungen die Bundesbürger ertragen müssen, um mit dieser Situation fertig zu werden.Herr Ministerpräsident Kohl, Sie kritisieren die Regierung mit der Bemerkung, sie spare ja nur an Vorstellungen, aber nicht an wirklichen Ausgaben. Zunächst einmal stimmt das nicht. Aber was haben Sie selber gemacht? Herr Professor Carstens hat heute morgen dasselbe gemacht. Sie streichen Vorhaben, die ohnehin aussichtslos sind und rühmen das als eine große finanzpolitische Tat.
Das ist doch das Motto „Wasch' mir den Pelz, aber mach' mich nicht naß!", oder „Vor dem Wahljahr will ich am liebsten niemandem wehe tun".Dieser opportunistische Zug kann auch durch Lautstärke und auch durch eine — ich wiederhole das — gekonnte Darbietung, Herr Ministerpräsident, nicht verdeckt werden.Diesen Gesichtspunkt der Opportunität führt uns, Herr Ministerpräsident, der Generalsekretär der Partei — er ist Ihr Mann, der Mann des Vorsitzenden —, Professor Biedenkopf, vor, der leider nicht im Bundestag ist. Es geht uns ja mit sovielen Rednern der CDU/CSU so, daß sie nur im Lande und nicht hier sprechen können. Professor Biedenkopf vertritt genau diese Position auch im Lande. Er stellt alles unter das Wahlziel 1976. Wir meinen, daß diese kurzfristige Betrachtungsweise der Forderung der Stunde nicht entspricht.Ich darf ganz kurz aus einem Bericht der Frankfurter Rundschau vom 11. September mit Genehmigung der Frau Präsident zitieren:Professor Biedenkopf: „Wir müssen die Regierung zwingen das Richtige zu tun, ohne es selbst zu machen." So definierte Generalsekretär Biedenkopf bei einem Gespräch mit Journalisten in Frankfurt die derzeitige Strategie der Opposition. Innerhalb der Partei sei genau abgewogen, ob es für die CDU vorteilhafter sei, wenn sie jetzt keine konkreten Kürzungsvorschläge auf den Tisch lege und dennoch gegen Steuererhöhungen votiere.Ja, meine Damen und Herren, wenn die Lage danach beurteilt wird, ob es einer Partei nützlich ist, dann wiederhole ich: Diese Haltung wird der Forderung der Stunde nicht gerecht.
Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel für diese Haltung anführen — Herr Ministerpräsident Kohl, Sie haben es heute selber in die Debatte eingeführt —: Als der Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten und mein Kollege Hansheinrich Schmidt das Thema der Beteiligung der Versicherten an den Krankheitskosten angeschnitten haben, hat sich Herr Biedenkopf in einer öffentlichen Diskussion mit mir— ich verrate hier keineswegs Vertraulichkeiten — entschieden dagegen ausgesprochen, während gleichzeitig der Kollege Professor Klein von der CDU/ CSU-Fraktion in einem Brief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" darzustellen versuchte, daß man das doch in Mannheim eigentlich beschlossen habe. Herr Kohl, Sie müssen uns nicht gerade in diesem Punkt auffordern. Hier erwarten wir eine Antwort auf unsere Forderungen, unsere Anregungen. Wir sind zu jeder Ausgestaltung bereit. Der Kollege Professor Möller hat mit Recht die Frage gestellt: Wie sieht das denn dann im einzelnen aus? Aber wir warten zunächst einmal auf eine grundsätzliche, positive Reaktion von Ihrer Seite.Statt dessen haben Sie sich auf dem Mannheimer Parteitag das Schlagwort von der „sozialen Demontage" zu eigen gemacht und damit eine Hürde aufgebaut, die es uns allen und Ihnen natürlich auch schwerer macht, im Ernstfall darüber hinwegzukommen.
— Auch hier war die öffentlich gegebene Begründung, Herr Kollege Barzel, von Herrn Professor Biedenkopf: Dies hat der Bundeskanzler getan; aus Wahlrücksichten müssen wir uns dagegen wehren und das gleiche Stichwort aufgreifen. Das ist wieder die gleiche opportunistische, kurzfristige Betrachtung.Meine Damen und Herren, wenn man sich die Frage stellt, warum wir in diesem Hause und draußen im Lande in der politischen Argumentation so häufig und so nachhaltig aneinander vorbeireden, dann scheint mir der Grund sehr oft darin zu liegen, daß die Regierung versucht, die Zukunft zu meistern, und die Opposition versucht, die Vergangenheit zu bewältigen oder uns mit beckmesserischem Maßstab vorzuhalten, und zwar eben mit dem Ziel, kurzfristig die nächste Wahl zu gewinnen. Das ist ein völlig legitimes Ziel. Nur, wenn man alles diesem Ziel unterordnet, dann nimmt das große Ganze Schaden.
— Hier, Herr Kollege, im Plenarsaal kennen wir ja diese Form der Vergangenheitsdiskussion seit mindestens zwei, drei Jahren.
Das läuft unter dem Stichwort: Ihr habt alles falsch gemacht; wir hätten selbstverständlich alles richtig gemacht.
— Es ist freundlich von Ihnen, daß Sie das bestätigen. Sie können davon ausgehen, daß Ihnen dieses Urteil draußen sowieso niemand glaubt.Die Vorwürfe, die erhoben werden, werden nuanciert vorgebracht, entweder mit der Deutlichkeit, um nicht zu sagen, Grobheit, des 60jährigen Vorsitzenden, der jetzt nach China fährt, um mit chine-
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12956 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Graf Lambsdorffsischen Kommunisten zu sprechen, uns aber gleichzeitig verbieten möchte, mit deutschen Kommunisten zu sprechen,
oder mit der Delikatesse des Herrn von Weizsäcker — er war vorhin im Hause; ich hoffe, er ist noch hier —,
der die Vornehmheit so weit treibt, daß er Interviews zur Wirtschaftspolitik gibt, ohne in deren Verlauf auch nur eine einzige Zahl zu nennen. Schon bei der vielgepriesenen Haushaltsrede, die Herr von Weizsäcker im Jahre 1975 hier gehalten hat, habe ich mich gefragt, was denn nun eigentlich daraus für konkrete Schlüsse gezogen werden sollen. Facts, Entscheidungen, Tatsachen müssen angesprochen und auf den Tisch gelegt werden. Mit allgemeinen, abstrakten Betrachtungen, so lesenswert sie sein mögen, ist Entscheidungs- und Handlungshilfe nicht gegeben.Ich will mich auf die Auseinandersetzungen oder die Überlegungen in bezug auf die Vergangenheit nur kurz einlassen. Weder meine Fraktion noch die Koalition braucht, meine ich, diese Auseinandersetzung zu scheuen.Wir sind uns im ganzen Hause einig in der Feststellung, daß in der Vergangenheit die Ansprüche aller an das Bruttosozialprodukt und damit an den Staatshaushalt überzogen worden sind und daß daraus eine Reihe von Fehlentwicklungen erklärt werden kann. Aber es ist allzu einfach und allzu billig, wenn die Opposition glauben machen will, dies sei allein und ausschließlich der Regierung vorzuwerfen. Wenn Sie sich die Geschichte und die Anfänge der Bundesrepublik noch einmal in Ihr Gedächtnis zurückrufen, meine Damen und Herren, werden Sie zugeben müssen, daß das Stichwort „Wahlgeschenke" sozusagen als Synonym für Teile der Adenauerschen Innenpolitik stand.
: Sehr richtig!)
Damals ist bei der Bevölkerung das Gefühl verbreitet worden und das Gift langsam in uns eingedrungen, daß die Republik eine Gefälligkeitseinrichtung für jederman sei. Mit der Plünderung des vom damaligen sehr tüchtigen, sehr haushälterischen, sehr hausväterlichen Bundesfinanzminister
aufgebauten „Juliusturmes" hat doch einiges in diesem Lande begonnen.Ich will aber, nicht lange bei dieser weit zurückliegenden Vergangenheit bleiben, sondern nur an beschlossene Gesetze aus der Zeit der Großen Koalition erinnern. Meine Damen und Herren, die Opposition mag uns mit Recht vorwerfen — wir können darüber diskutieren —, daß die Unternehmensbelastung zu hoch geworden ist. Aber unabhängigdavon, ob dieses Gesetz wünschenswert war und ist und ob es bleiben soll oder nicht — es soll bleiben, und ich halte es für wünschenswert —, ist doch die arbeitsrechtliche Lösung der Lohnfortzahlung eine gewaltige Belastung geworden. Das ist doch objektiv nicht zu bestreiten. Wir alle haben es gemeinsam beschlossen. Wir müssen auch alle gemeinsam dazu stehen und nicht so tun, als sei nur eine Hälfte des Hauses für eine solche Entscheidung verantwortlich.Das Arbeitsförderungsgesetz, Herr Kollege Katzer, ist unter Ihrer Federführung entstanden. Sie haben es noch vor wenigen Tagen als ein exzellentes Gesetz verteidigt und gefeiert. Sie haben allerdings Ihren mäßigen Informationsstand — das darf ich vielleicht sagen — unter Beweis gestellt, als Sie berichteten, es habe sich — —
— Darf ich mich mit Herrn Katzer unterhalten? Sie machen das so schwierig, über Sie wegzusprechen.- Herr Kollege Katzer, Sie haben in einem Interview erklärt, es seien Ihnen in der ganzen Zeit bisher keine konkreten Fälle des Mißbrauchs dieses Gesetzes vorgelegt worden. Es war leicht, solche Fälle festzustellen.Ich muß gestehen, es hat mir imponiert, daß der Kollege Ehrenberg, der an der Ausarbeitung der Grundgedanken dieses Gesetzes mitbeteiligt war und der hinter diesem Gesetz stand, den Mut gehabt hat, in einem Zeitungsgespräch in diesem Sommer zu sagen: „Es geht nicht an, Mittel aus der Arbeitslosenversicherung weiterhin strukturpolitisch zu verwenden." Mit Recht, Herr Katzer, haben Sie darauf hingewiesen — aus meiner Sicht sage ich: leider —, daß das Gesetz einstimmig verabschiedet worden ist. Aber zu Unrecht gehen Sie durch die Lande und zeigen mit dem Finger immer nur auf andere.
— Nein, ich war noch nicht da. Man wird über die Vergangenheit auch reden dürfen, wenn man an ihr selber noch nicht mitentscheidend beteiligt war; irgendeinen Zeitraum, in dem Sie noch nicht hier waren, wird es auch geben.
Diese Gesetze wurden verabschiedet, als der Weltuntergangsverkünder Franz Josef Strauß Finanzminister war. Jetzt will er, wie man hört, Schattenschatzkanzler werden. Das hat einige Folgen, aber damit wird sich Herr Ministerpräsident Kohl auseinanderzusetzen haben. Das ist nicht unsere Sache.Lassen Sie mich bitte die Frage stellen, seit wann es denn eigentlich bei uns die Vorboten struktureller Krisen, wirtschaftlicher Krisen gibt. Herr Kohl, Sie haben heute gesagt: Ihr habt von dem Bundeskanzler Kiesinger ein blühendes Gemeinwesen übernommen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12957
Dr. Graf LambsdorffIst dies eigentlich bei genauer und sorgfältiger Betrachtung und bei Berücksichtigung dessen, was wir heute wissen können und damals vielleicht nicht wissen konnten, eine zutreffende Behauptung? Ich habe meine Zweifel.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich einmal mit der Literatur dieses Sommers beschäftigen — lesen Sie einmal bei Peter Rogge: „Tendenzwende" oder bei dem Professor Mensch: „Das technologische Patt" nach —, dann werden Sie finden, daß vermutlich in den Jahren 1966/67 der Beginn dieser strukturellen Krisen in der Bundesrepublik und in ihrer Wirtschaft sichtbar geworden ist. Es gibt manche überzeugende Darlegung und Argumente, daß die Erbfolge der Großen Koalition zu einem guten Teil — von heute aus betrachtet; ich sage das nicht beckmesserisch, sondern nur um daraus Erfahrungen abzuleiten — Scheinerfolge gewesen sind. Wir können heute Dinge erkennen, die wir damals alle nicht gesehen haben, ich betone: alle. Insofern sitzen wir allesamt im gleichen Glashaus.
— Nein, ich habe gesagt: allesamt. Wenn ich „alle" sage, dann meine ich auch uns.Aber die Expansion, die damals 1967/68 auf zu hohem Inflationssockel vor sich ging, die in der Tat ungewöhnlich folgenschwere Unterlassung der Aufwertung in den Jahren 1967 bis 69 — ich erinnere an die Diskussion, die damals geführt wurde — haben diese strukturellen Prozesse verkleistert und zugedeckt. Wir haben sie nicht gesehen. Erst 1973 haben wir mit dem Floating korrigieren können. Da allerdings, meine Damen und Herren, war es in vieler Hinsicht zu spät. Diese objektive Feststellung, es sei zu spät gewesen, um sich ernsthaft gegen die Inflation zu wehren, haben wir immer akzeptiert, nur den subjektiven Vorwurf, den haben wir nicht akzeptiert, weil es vor dem Abkoppeln der Ankaufsverpflichtung für den Dollar eben nicht möglich war. Ich kann das von dieser Stelle aus nur immer wiederholen und hoffe, davon langsam auch den Ministerpräsidenten Stoltenberg überzeugen zu können.Deswegen begrüßt es meine Fraktion ausdrücklich, daß der Herr Bundesfinanzminister auf der letzten IMF-Tagung in Washington noch einmal für die Bundesregierung deutlich erklärt hat, daß unter den gegenwärtigen Umständen eine Rückkehr zu festen Wechselkursen nicht möglich ist. Genauso begrüßen wir es, daß die Bundesminister Genscher und Bahr auf der Sonderversammlung der Vereinten Nationen deutlich gesagt haben, daß es einen Link zwischen der Entwicklungspolitik und Sonderziehungsrechten nicht geben könne.Jede Empfehlung zu neuem Inflationieren und zu überzogenem Schuldenmachen, das nur auf inflationäre Weise finanziert werden kann, weisen wir zurück, und zwar ganz gleichgültig, ob die Empfehlungen von dem Kollegen Katzer, von Frau Wieczorek-Zeul, von dem Kollegen Blüm oder von Herrn Nölling kommen.
Wir wissen, daß Arbeitslosigkeit die Folge von Inflation ist. Wer die Krankheitsfolgen mit dem Krankheitserreger heilen will, kann den Prozeß nur verschlimmern. 1977 oder 1978 wären nach unserer Überzeugung die Schwierigkeiten, ja vielleicht die Katastrophe, noch viel größer und kaum zu bewältigen, verglichen mit dem heutigen Stand. Es muß bei einer auf Stabilität gerichteten Wirtschafts- und Finanzpolitik bleiben. Auch die Rücksicht auf bevorstehende Wahltermine wird meine Freunde und mich von dieser Haltung nicht abbringen.Eine gleich harte Haltung, meine Damen und Herren, besteht bei uns nach wie vor — wir hoffen, daß wir die Unterstützung des Hauses haben und uns darin einig wissen mit allen — gegen die Indexierung. Daran ändert das in dieser Sommerpause vorgelegte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsminister nichts. Die dort vorgeschlagene Teilindexierung muß zur Lohnindexierung und damit zur Abschaffung der Tarifautonomie führen. Sie läßt sich nicht auf Neusparprozesse beschränken und führt damit zur Spaltung des Kapitalmarktes. Sie ist mit Recht allseitig abgelehnt worden.Daß es im Konzert der Ablehnung eine Ausnahme gegeben hat, nämlich den Deutschen Industrie- und Handelstag, gibt zum wiederholten Male Anlaß zur Verwunderung — auch in diesem Hause und von dieser Stelle. Vielleicht haben einige eifrige Referenten die Urlaubsabwesenheit ihrer Chefs genutzt. Ich weiß das nicht. So etwas soll ja im Sommer einmal passieren können.Alle gelegentlichen Äußerungen dieses Sommers lassen sich allerdings mit solchen Umständen nicht erklären; der Herr Bundeskanzler hat das heute schon erwähnt. Wenn nämlich der Präsident der Sparerschutzgemeinschaft für die völlige Streichung der Sparprämien eintritt, dann hängt dort wohl das Schild vor der Tür „Hier kocht der Chef selbst".
Wir haben den Eindruck, daß Herr Poullain sich hier vergeigt — um nicht zu sagen: vergeigest — hat. Die Sparförderung ist nach unserer Überzeugung ordnungspolitisch der Strukturpolitik zuzuordnen, und sie kann nicht allein aus kurzfristiger konjunkturpolitischer Erwägung behandelt werden, ganz abgesehen von den vom Herrn Bundeskanzler mit Recht erwähnten vermögenspolitischen Komponenten. Wir empfehlen deswegen dem Präsidenten der Sparerschutzgemeinschaft das nachfolgende Zitat aus der Deutschen Sparkassenzeitung vom 1. August zum Studium. Ich darf mit Genehmigung der Frau Präsident zitieren:Gerade durch ihre langfristige Ausgestaltung, die konjunkturelle Einflüsse ausschaltet, trägt die Sparförderung zur Stabilisierung des Sparverhaltens bei. Dies mag in rezessiven Phasen
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12958 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Graf Lambsdorffüberflüssig, in guten Zeiten wünschenswert erscheinen. Aber hieraus darf kein Wechselbad für bestimmte Sparerschichten werden. Aufgabe der Vermögenspolitik, wozu die Sparförderung als wichtigste Maßnahme rechnet, ist es ja gerade, dauerhafte Verhältnisse und Proportionen der Wirtschaftsstruktur zu prägen.Dem, meine Damen und Herren, ist nichts hinzuzufügen. Dem vorgeschlagenen mäßigen Abbau der Sparförderung pflichtet die FDP-Fraktion bei. Eine völlige Streichung ist auch mit Rücksicht auf den Kapitalmarkt nicht empfehlenswert. Im übrigen werden die Aufwendungen für die Sparförderung durch Auslauf der Anlagefrist und die Auswirkungen der Steuerreform ab 1976 ohnehin zurückgehen.Natürlich kann man angesichts einer so hohen Sparquote nach dem derzeitigen konjunkturpolitischen Nutzen der Sparförderung fragen. Die Antwort heißt aber, daß der Sparer psychologisch zum Ausgeben motiviert werden muß und motiviert werden sollte. Die überaus hohe Sparquote von 17 °/o wird sich nicht ewig halten. Sie ist im übrigen eine typische Begleiterscheinung des Beginns einer rezessiven Phase. Ich bin der Auffassung, daß wir schon im zweiten Halbjahr 1975 einen Abbau dieser Sparquote erleben werden. Wir sehen im übrigen auch hier einen mit der Entwicklung in den USA parallelen Verlauf. Auch dort wird um 50 % mehr als in normalen Zeiten gespart, wahrscheinlich — um der Argumentation der Opposition zu folgen —, weil der Sparer in den Vereinigten Staaten durch die Mitbestimmungspläne der sozialliberalen Koalition total verunsichert ist und deswegen mehr spart.Meine Damen und Herren, unter den sommerlichen Äußerungen, die wir aus den Reihen der Opposition gehört haben, möchte ich nur ganz kurz auf eines eingehen, nämlich auf die gegensätzlichen konjunkturpolitischen Stellungnahmen: auf der einen Seite mehr Staatsverschuldung, auf der anderen Seite mehr Sparsamkeit, die wir insbesondere aus dem Mund des Kollegen Katzer einerseits und des Ministerpräsidenten Stoltenberg andererseits gehört haben. Hier wüßten wir nun wirklich gern, welche Meinung bei Ihnen die entscheidende, die richtige oder, ich darf es sagen, die parteiamtliche ist. Auch der Parteitag in Mannheim hat konjunkturwirksame Programme beschlossen. Zwei Tage später haben Sie, Herr Stoltenberg, gesagt: Keine weitere Verschuldung! Wir stimmen Ihnen in diesem Punkt zu. Aber wir wüßten gern, wo wir denn nun wirklich dran sind.Auf die merkwürdigen und wohl auch etwas gegensätzlichen Ausführungen von Herrn Strauß einerseits im „Bayernkurier" zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen und von Herrn Blüm in „konkret" will ich nicht näher eingehen.Aber ich möchte einige Worte zu dem sagen, was Sie, Herr Professor Carstens, heute morgen vorgetragen haben. Sie haben zunächst — aber das ist wahrscheinlich nur ein Versprecher gewesen; ich nehme es jedenfalls an — dargelegt, daß die Politik der Bundesbank weitere Zinssenkungen verhinderthabe. Sie hat weitere Zinserhöhungen verhindert, sie bemüht sich darum, weitere Zinserhöhungen zu verhindern. Ich bin mit Ihnen einig, wenn Sie ein Fragezeichen dahintersetzen, wie lange man diese Politik so fortsetzen kann.Sie haben weiter, Herr Professor Carstens, von einem Exportboom im Jahre 1974 in der Größenordnung von 50 Milliarden DM gesprochen. Aber dies ist doch wohl ein Mißverständnis oder mindestens eine irrtümliche Darstellung. In Wirklichkeit meinen Sie mit diesen 50 Milliarden DM den Handelsbilanzüberzuschuß im Jahre 1974. Wir werden vermutlich zu unser aller Erstaunen auch 1975 noch einen Handelsbilanzüberschuß von über 40 Milliarden DM erwirtschaften. Aber das ist natürlich nur der Saldo zwischen Import und Export. Er läßt überhaupt keinen Schluß darauf zu, wie groß der Boom nun eigentlich ist.
— Deswegen, Herr Zeitel, ist es eine ganz andere Relation und eine völlig zutreffende Argumentation, wenn wir gemeinsam mit dem Sachverständigengutachten sagen, daß ein Ausfall von 40 Milliarden DM Exportbeschäftigung in der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr bei einem geschätzten Ansatz von 250 Milliarden DM ein Ausfall ist, den wir durch keinerlei binnenwirtschaftliche Nachfragemaßnahmen ersetzen können. Ich habe mich angesichts der irrtümlichen Darstellung bemüßigt gefühlt, das hier darzulegen.Aber, Herr Professor Carstens, worum es uns ernster ist, ist der Täuschungsvorwurf, den sowohl Sie wie auch Herr Ministerpräsident Kohl erneut gegen den Bundeskanzler, ja, gegen uns alle erhoben haben.
Dies haben wir nun schon mehrfach gehört.
Dieser Täuschungsvorwurf, meine Damen und Herren, erstreckt sich keineswegs nur auf die Genannten, sondern darin müssen Sie gleich die fünf Sachverständigen, die Gemeinschaftsgutachten, also die Konjunkturforschungsinstitute, die Deutsche Bundesbank, den Zentralbankrat, also alle diejenigen einbeziehen, die im Frühjahr 1975 den Aufschwung vorhergesagt haben.
Alle diejenigen, die sich bei der Beurteilung der konjunkturellen Lage geirrt haben, müßten in diesen Vorwurf einbezogen werden.
Der Bundeskanzler hat vor wenigen Wochen in einem Interview einer Fernsehsendung mit aller Deutlichkeit erklärt: Ich und alle anderen — oder,
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Dr. Graf Lambsdorffich glaube, er war sehr viel höflicher und hat gesagt: Alle anderen und ich — haben uns in dieser Vorhersage geirrt. Wenn Sie den Vorwurf der Täuschung erheben, Herr Professor Carstens und Herr Ministerpräsident Kohl, dann müßten Sie dartun und beweisen, daß wir bewußt und wider besseres Wissen und in Kenntnis einer schlechteren Entwicklung eine bessere Entwicklung vorhergesagt haben.
Sonst ist dieser Vorwurf ungerechtfertigt. Ich weise ihn mit aller Deutlichkeit und aller Entschiedenheit zurück.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann?
Herr Kollege Graf Lambsdorff, darf ich Sie an die Debatte über die Konjunkturmaßnahmen im Dezember des vergangenen Jahres erinnern, wo von unserer Seite von allen Sprechern auf die Gefahren hingewiesen worden ist, die sich aus einer weltwirtschaftlich rückläufigen Entwicklung für den deutschen Export und damit auch für die Sicherung der Arbeitsplätze ergeben würden? Erinnern Sie sich daran, daß alle Redner der Koalition, angefangen vom Herrn Bundeskanzler, uns als die großen Schwarzmaler dargestellt haben?
Herr Kollege Müller-Hermann, wir haben über die Gefahren und die Entwicklung insbesondere sich parallel verhaltender Konjunkturverläufe in der gesamten Weltwirtschaft schon zu einem viel früheren Zeitpunkt miteinander diskutiert. Wir haben zu dem Zeitpunkt, in dem Sie diese Warnungen ausgesprochen haben, ernsthaft darüber miteinander diskutiert. Ich kann mich nicht an Einzelheiten erinnern, aber in der Tendenz haben Sie recht.
— Meine Damen und Herren, auch wir haben natürlich unsere Maßnahmen für richtig gehalten. Wir haben ein Konjunkturprogramm verabschiedet, das sicher nicht falsch, sondern richtig war. Wir können uns fragen, ob wir es schon damals hätten höher dimensionieren sollen.
In der Tendenz war es aber völlig richtig. — Herr Zeitel, Sie müßten sich doch fragen, ob ohne das Konjunkturprogramm unsere heutige Lage nicht erheblich schwieriger wäre als mit den beschlossenen und inzwischen durchgeführten Maßnahmen.
Herr Kollege!
Herr Kollege, wollen Sie dann bitte für die Zukunft, wenn Sie von den Irrtümern und den großen Irrenden gesprochen haben oder weiter sprechen, die Opposition ausnehmen?
Herr Müller-Hermann, sicher würde das Ihrem Absolutheitsanspruch und Ihren Vorstellungen entsprechen, daß Sie immer recht hätten, alles gut machten und immer der Wahrheitsliebende seien. Aber für so vollkommen halten wir Sie nach den Erfahrungen, die wir einige Jahre mit Ihnen gemacht haben, nicht.
Meine Damen und Herren, wer sich mit der zukünftigen Entwicklung in der Bundesrepublik und der zukünftigen Entwicklung unserer wirtschaftlichen Lage beschäftigt, nämlich mit der Frage, was wir mit unseren Mitteln in der gegenwärtigen schwierigen Situation erreichen können, dem stellt sich doch ein Bündel von ungewöhnlich schwierig zu beantwortenden Fragen. Sind die .Haushaltskürzungen, die wir jetzt vornehmen, angemessen und ausreichend?
Der Herr Bundeskanzler hat die Antwort gegeben. Sie sagen „Nein". Neue Vorschläge jederzeit gerne willkommen! Das Büro ist immer offen.Brauchen wir Einnahmeverbesserungen über Steuererhöhungen? Gibt es eine Möglichkeit, den Exportausfall des Jahres 1975 zurückzuholen?
Können wir eine erneute Erhöhung der Ölpreise verkraften? Sind frühere Wachstumsraten überhaupt wieder erzielbar? Ist die Wettbewerbsstruktur der deutschen Volkswirtschaft nicht nur verbesserungsbedürftig, sondern auch verbesserungsfähig? Stimmen die Theorien recht alter Nationalökonomen, nämlich Schumpeter und Kondratjew, über die Zusammenhänge von Konjunkturverläufen und technischen Basisinnovationen, die in diesem Sommer sehr gründlich untersucht worden sind?
Brauchen wir mittelfristig wirkende Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragssituation der Unternehmen, um die Investitionsneigung zu verbessern? Und schließlich: Werden die gemeinsamen konjunkturpolitischen Anstrengungen unserer Partner Erfolg haben? Oder anders formuliert: Sind die Vorhersagen des Sondergutachtens des Sachverständigenrates als optimistisch oder realistisch zu betrachten?
— Sie sagen, sie seien zu optimistisch. Die Begründung vortragen! Hier darüber diskutieren, Herr Kollege Zeitel, nicht einfach in Bausch und Bogen sagen,
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Dr. Graf Lambsdorffsie seien zu optimistisch! Damit ist doch nicht geholfen.
Alle diese Fragen sind sicher in aller Kürze und in der hier zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu beantworten.Lassen Sie mich etwas zur Frage der Steuererhöhung sagen. Ich will nicht wiederholen, was mein Kollege Kirst bereits für meine Fraktion gesagt hat. Herr Ministerpräsident Kohl, Sie stellen den Tod von möglichen Reformvorhaben voreilig und zu früh fest. Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Punkte im Jahre 1977 sind natürlich das Anpassungsvolumen und die Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Harmonisierung im europäischen Markt keinesfalls ausgeschöpft. Man kann sagen: leider, aber dem ist so. Für die alte Forderung meiner Fraktion, über die Gewerbe-, mindestens die Gewerbekapitalsteuer in diesem Zusammenhang nachzudenken und diese Steuern europäisch zu harmonisieren — im übrigen Europa gibt es sie bekanntlich nicht —, ist der Spielraum nach wie vor ausreichend vorhanden. Er wäre es ja auch bei dem von Ihnen zitierten Vorschlag der Steuerreformkommission — meines Wissens aus dem Jahre 1968 — gewesen.
Meine Damen und Herren, wir werden uns darüber zu unterhalten haben. Wenn Sie die Lage so sehen, was, wie ich meine, überzogen ist, dann sollte das Anlaß für Sie sein, doch etwas ernsthafter über die Frage nachzudenken, ob Sie eigentlich so rundherum nein sagen können. Das ist aber eine Geschichte, die sich bei allen steuerpolitischen Entscheidungen abspielt. Herr Ministerpräsident Kohl, es ist keine erfreuliche Entwicklung, daß die steuerpolitischen Entscheidungen immer erst im Vermittlungsausschuß fallen.Herr Kohl, Sie haben eine Frage an die FDP gerichtet, und zwar zu mittelfristig wirkenden Maßnahmen zur Verbesserung der Investitionsneigung. Sie meinten, wir würden heute nur ganz leise darüber sprechen. Sie haben in eine schriftliche Stellungnahme von Herrn Genscher — das spricht für Ihr Einfühlungsvermögen oder auch für Ihre Phantasie — gleich den Groll hineininterpretiert. Das war eine schöne Formulierung. Ich will den Parteivorsitzenden der FDP mit Genehmigung der Frau Präsident zu diesem Thema wörtlich zitieren:Unser Hauptaugenmerk gilt jetzt Maßnahmen zur dauerhaften Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Auch wenn es mancher nicht gern hören mag: Neben den Willen, eine gesamtwirtschaftlich tragbare Staats- und Lohnquote zu erreichen, muß auch die Bereitschaft treten, über mittelfristig wirkende steuerliche Investitionsanreize zu sprechen. Die Bundesregierung prüft diese Frage. Fallen wir nicht auf die klassenkämpferischen Parolen herein, dies sei eine einseitige Bevorzugung der Unternehmer. Was wirwollen, sind investitionsbereite und investitionsfähige Unternehmen. Nur wirtschaftlich gesunde Unternehmen nützen auch dem Arbeitnehmer.Meine Damen und Herren, ich sage ganz offen: Wir denken in erster Linie und vorwiegend an die kleinen und mittleren Unternehmen. In diesem Zusammenhang, Herr Bundeskanzler, müssen wir sehen, daß die Aufteilung in Unternehmen auf der einen Seite und Unternehmer auf der anderen Seite gerade in der kleinen und mittleren Industrie nicht ganz einfach ist, daß also Unternehmen und Unternehmer nicht voneinander getrennt werden können.
Deswegen wird sich die FDP in dieser Richtung weiter bemühen. Den Auftrag des Herrn Bundeskanzlers an die zuständigen Minister, dieses Feld zu prüfen, begrüßen wir ausdrücklich.
Natürlich ist es für uns selbstverständlich, daß die Körperschaftsteuerreform, wie vorgesehen und in der Regierungserklärung festgehalten — darüber gibt es keine Meinungsverschiedenheiten —, zum 1. Januar 1977 mit der Einführung des Anrechnungsverfahrens in Kraft tritt.Dies ist im übrigen ein wichtiges Datum für Vermögenspolitik. Die weitere Diskussion zur Vermögensbildung und zur Vermögenspolitik muß, so meine ich jedenfalls, die Ergebnisse der Untersuchung von Professor Engels berücksichtigen. Dies ist die gründlichste Untersuchung, die nach meiner Kenntnis in den letzten Jahren erschienen ist.
Wir stimmen ihr zwar nicht in allem zu, aber der Nachweis, wie wenig Vermögen und Vermögenseinkünfte zur Wohlstandsverteilung beitragen, macht doch nachdenklich. Wenn aus Ihren Reihen zu dieser Anregung „Bravo" gerufen wird, so möchte ich die Anregung gleich ausdehnen und Sie auffordern, die Vermögensbildungsvorschläge Ihrer Fraktion einmal neben das zu legen, was in dem Buch von Professor Engels erarbeitet und als Ergebnis festgehalten worden ist. Sie werden zu einigen, wie mir scheint, notwendigen Revisionen kommen müssen.
— Ich will über meine Vorschläge zwei Worte sagen. Ich glaube, daß es außerordentlich schwierig ist, einen Weg zu einer vermögensbildenden Maßnahme zu finden, der betriebswirtschaftlich nicht gleichzeitig eine Kostenbelastung bedeutete. Zur Zeit hieße dies beinahe die Quadratur des Zirkels finden. Darüber nachzudenken und zu Lösungsvorschlägen zu kommen, die uns doch einen solchen Weg finden lassen, scheint mir aber eine einkommenspolitisch außerordentlich wesentliche Aufgabe zu sein.
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Dr. Graf LambsdorffMeine Damen und Herren, lassen Sie mich ein paar Worte zu den konjunkturellen Aussichten, wie wir sie sehen, sagen, auch auf das Risiko hin, Herr Professor Carstens, daß wir in einigen Monaten wieder der Täuschung bezichtigt werden. Ich sage aber noch einmal, was ich hier schon so oft gesagt habe: Wer Konjunkturpolitik betreiben will, muß den Mut zur Vorhersage haben. Das Risiko, falsch zu liegen, ist darin immer inbegriffen. Es ist sozusagen in der Besoldung oder im Gehalt mit drin. Die Weltabhängigkeit der deutschen Wirtschaft wird nicht mehr bestritten. Deswegen lohnt es sich natürlich nicht nur, sondern es ist einfach notwendig, einen Blick auf die konjunkturelle Entwicklung der Vereinigten Staaten als Schrittmacher für Europa und damit auch für unser Land zu werfen. Die Lageschilderung ist erfreulicherweise so, daß man mit gedämpftem Optimismus von dort zurückkehren kann. Die industrielle Produktion steigt, der Lagerabbau hat aufgehört, die Verbraucherausgaben steigen wieder. Wir sehen aber, daß sich dies auf einem viel höheren inflationären Sockel als bei uns abspielt. Deswegen ist es richtig gewesen, daß wir von unserer Seite her nicht — ich will nicht sagen: zusätzlichen Druck — zusätzliche Wünsche auf mehr Ankurbelung in den USA angemeldet haben.In den Vereinigten Staaten steht die Wirtschaft vor dem gleichen Problem wie hier, nämlich vor unausgenutzten Kapazitäten mit der Folge, daß der erste Anstieg in der Ausnutzung der Kapazitäten erst mit zeitlich verzögerter Wirkung einen Abbau der Beschäftigungslosenzahlen am Arbeitsmarkt mit sich bringen wird. Jeder wird versuchen, zunächst einmal mit den vorhandenen Belegschaften mehr zu produzieren und in eine bessere Ertragssituation zu kommen. Die Ertragssituation ist auch drüben schlechter geworden. Wir werden davon auszugehen haben, daß die Arbeitsmarktzahlen vermutlich auch bei uns die letzte sich befriedigend entwickelnde statistische Position sein werden. Dagegen ist wenig Kraut gewachsen. Es ist notwendig und, wie mir scheint, richtig, dies offen und deutlich zu sagen und niemandem etwas vorzumachen.Meine Damen und Herren, in den Vereinigten Staaten wird es im Jahre 1975 einen realen Einkommensverlust der Arbeitnehmer geben; in der Bundesrepublik, wie Sie wissen, einen realen Einkommenszuwachs, natürlich nicht zuletzt durch die Steuerreform. Ob wir das werden halten können, ist eine Frage, die sich auch in den nächsten Tarifrunden entscheidet, wobei wir unter Tarifrunden mit aller Deutlichkeit die Verhandlungsrunden verstehen, die von zwei Parteien bestritten werden, und Vereinbarungen meinen, die von zwei Parteien unterschrieben werden und nicht nur von einer Seite. Aber wir sagen, man sollte lieber einmal einen Rückgang oder einen Stillstand, wenn es nottut und wenn es nicht anders geht, hinnehmen, um dabei Maß und Ziel zu halten und das Tal gemeinsam zu durchschreiten, durch das wir jetzt zu gehen haben. Es wird ein schwieriger konjunktureller Winter werden, und es wird auch kein strahlendes Jahr 1976 geben, aber ein Jahr, das uns die reelle Chance verschafft, bei entschlossenen Maßnahmen die Tendenzwende zu erreichen. Das, was die Nationalökonomen einen V-Aufschwung nennen, wird es aller Voraussicht nach nicht geben können. Die Dinge werden sich langsamer entwickeln. Sorgen wir mit unseren Möglichkeiten dafür, daß diese Entwicklung stetig verläuft, und wehren wir der Gefahr, diese Chance durch Illusionen und neue Überforderungen zu verspielen. Wer heute von Umverteilung spricht, den sollte man daran erinnern, daß zunächst einmal am Ende des Jahres wahrscheinlich minus 3,5 °/o Bruttosozialprodukt umzuverteilen sind, und dies ist kein spaßiger Vorgang.
Meine Damen und Herren, die Frage ist, ob die Bundesregierung dieser Aufforderung und dieser Situation gerecht wird. Unsere Antwort ist: Jawohl, sie wird dem gerecht und sie schafft das.
Die Bundesregierung hat klare und eindeutige Zahlen genannt. Die Bundesregierung hat Ihnen und uns einschneidende Beschlüsse vorgeschlagen. Sie hat international Handlungsfähigkeit bewiesen und sie hat das Gesetz des Handelns in der Hand behalten. Die Möglichkeiten der Bundesregierung, in der Bundesrepublik den wirtschaftlichen Aufschwung zu steuern, sind — darüber gibt es wohl keine Meinungsverschiedenheiten — heute begrenzt. Diese begrenzten Möglichkeiten müssen wir entschlossen wahrnehmen. Dann, so hoffen wir und so nehmen wir an, können wir der Probleme Herr werden. Wie wir sehen und bisher sahen — Herr Ministerpräsident, Ihre Äußerungen heute haben uns, weil die Konkretisierung fehlt, noch nicht vom Gegenteil überzeugt —, können wir dabei auf die Opposition kaum zählen. Wir machen uns da keine Illusionen. Manchmal hat man den Eindruck, die eine Hälfte der Opposition will nicht und die andere darf nicht.
Um so mehr, meine Damen und Herren, wird die FDP-Fraktion den einzig handlungsfähigen Akteur auf dieser Bühne, den Bundeskanzler und seine Regierung, stützen. Die Wähler wissen, wer seine Verantwortung wahrnimmt, und sie werden auch klar erkennen, wer sich vor seiner Verantwortung drückt. Wir werden nicht in der Reihe der Drückeberger zu finden sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dollinger.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die Ausführungen des Kollegen Lambsdorff überdenkt, muß man sich eigentlich fragen, warum wir so schlechte Verhältnisse haben; denn hier wird doch alles so dargestellt, als wenn es einwandfrei und in Ordnung wäre. Wenn man wirklich nicht mehr anders kann und Fehlentwicklungen zugeben muß, verfährt man — ich darf das in Abwandlung eines Dichterwortes einmal sagen — nach dem Motto:
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12962 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. DollingerLaßt uns in die Ferne schweifen, denn das Schlechte liegt so nah!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es werden hier immer wieder zwei Themen unter dem Motto Sparen beim Staat und Steuern erörtert. Ich glaube, die breite Masse der Bevölkerung denkt beim Sparen in erster Linie daran: Was bleibt von dem Verdienst übrig, was kann man auf die hohe Kante legen? Sparen beim Staat bedeutet etwas anderes. Es bedeutet nämlich das Streichen von Leistungen, die bisher den Bürgern oder Institutionen gegeben worden sind. Das scheint mir ein fundamentaler Unterschied zu sein. Daß wir das Sparen für den Bürger wollen, steht außer Zweifel. Daß wir keine Verschwendung bei den öffentlichen Händen haben wollen, waben wir immer wieder betont.Das Thema Steuererhöhung in einer solchen Situation! Ich meine, das Primitivste, was man machen kann, wenn das Geld nicht mehr reicht, ist in die Tasche der anderen zu langen, um die Einnahmen zu erhöhen. In dieser Situation ist man heute.
Ob das in die Konjunktur hineinpaßt oder nicht, scheint gar nicht so sehr abgewogen zu werden.Meine Damen und Herren, ich möchte neben Sparen und Steuererhöhungen ein paar andere Gedanken anfügen. Es wurde heute immer wieder vom Steuerausfall gesprochen. Ich glaube, wenn man von Steuerausfall gegenüber den Schätzungen, die vorhanden waren, spricht, dann ist es ein deutliches Zeichen dafür, daß die Ertragskraft unserer Wirtschaft nachgelassen hat. Es muß hier noch einmal darauf hingewiesen werden, daß wir eine Entwicklung haben, die nun einmal in Deutschland selbst begann. Man könnte auch hier sagen: Wer kennt die Völker, nennt die Namen, die alle hier zusammenkamen, wenn man hört, wer an dieser Entwicklung schuld sein soll. Aber wenn wir uns einmal die Inflationsentwicklung ansehen, müssen wir feststellen, daß bereits im Jahre 1971 der Durchschnitt der Lebenshaltungskosten um 5,3 % höher lag als im Jahre 1970 und im Jahre 1974 bereits der Satz von 7 % erreicht war. Das war ein Zeitpunkt, zu dem man mit dem besten Willen nicht behaupten kann, daß das Folgen einer internationalen Entwicklung gewesen sind. Nur war es so, daß die Regierung und die sie tragende Koalition uns immer wieder erklärt haben, es gebe ja gar keine Inflation. Wie oft haben wir hier gehört: Wir setzen unsere Stabilitätspolitik fort! Die Wirklichkeit hat sich dann so herausgestellt, daß die deutschen Sparer im Jahre 1974 nach den Berechnungen der_ Bundesnotenbank rund 50 Milliarden DM durch die Inflation verloren haben. Es läßt sich eben nicht bestreiten: Inflation war zu allen Zeiten und wird zu allen Zeiten sein ein Betrug am arbeitenden und am sparenden Menschen.
Meine Damen und Herren, in der Wirtschaftsgeschichte hat sich gezeigt, daß alle länger andauernden, großen Inflationen letzten Endes mit Währungsreformen geendet haben. Eine Folge dieserInflation ist die Arbeitslosigkeit. Ich hatte heute den Eindruck, daß man davon nicht allzu viel spricht. Man sagt ja, hier ist soziale Vor- und Fürsorge getroffen. Aber ich glaube, man sollte auch ab und zu daran denken, was Arbeitslosigkeit an menschlichen Problemen für die Betroffenen und für die Familienangehörigen mit sich bringt.
Hier tauchen doch Probleme auf, die man finanziell gar nicht ausgleichen kann, wenn eben der Mann, der Familienvater nicht mehr weiß, was er tun soll, weil er keinen Arbeitsplatz mehr hat. Man muß weiter darauf aufmerksam machen, daß die Probleme nach den 312 Tagen, wenn man vom Arbeitslosengeld zur Arbeitslosenhilfe kommt, für die Familie noch weit schwieriger werden, als sie bisher diskutiert und erkannt worden sind. Halten wir uns nur vor Augen, daß 100 000 Erwerbslose im Jahresdurchschnitt 900 Millionen DM kosten, 100 000 Kurzarbeiter rund 300 Millionen DM. Denken wir daran, daß 100 000 Arbeitslose beim Bruttosozialprodukt zu einem Ausfall von 1,5 Milliarden DM führen und Steuern und Abgaben in Höhe von 600 Millionen DM ausfallen. Die Arbeitslosigkeit sollten wir aus diesem Grunde sehr ernst nehmen und nicht nur finanziell sehen, sondern auch als eine Entwicklung, die viele Menschen in erster Linie in seelische Not hineintreibt und, wenn sie länger dauert, auch noch in finanzielle.
Die Geschichte hat ja schließlich auch gezeigt, daß Dauerarbeitslosigkeit in hohem Maße den radikalen Kräften rechts und links immer einen enormen neuen Auftrieb gegeben hat. Die Entwicklung 1933 wäre mit Gewißheit nicht möglich gewesen, wenn wir damals nicht die Millionen von Arbeitslosen gehabt hätten.Eine Folge von Inflation und Arbeitslosigkeit ist die Tatsache der Entwicklung des Wachstums unserer Wirtschaft. Meine Damen und Herren, es werden geradezu akrobatische Kunststücke mit der deutschen Sprache gemacht. Da spricht man von „Null-Wachstum", da spricht man von „MinusWachstum". Das ist doch alles ein Unfug! Null-Wachstum ist Stagnation, und Minus-Wachstum — unter null — ist einfach wirtschaftliche Schrumpfung.
Ich glaube, das sind die Tatsachen. Und wenn wir heute lesen, daß das wirtschaftliche Wachstum verschwunden ist und wir im ersten halben Jahr eine Schrumpfung um 5 % zu verzeichnen haben, hat das natürlich sehr weitgehende Folgen.Meine Damen und Herren, Inflation, Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Schrumpfung führen eben zwangsläufig zu den Defiziten in den Staatshaushalten. Es führt auch dazu, daß all das, was man — berechtigt oder unberechtigt — an Reformen in Aussicht gestellt hat, durch diese Entwicklung nicht mehr möglich ist. Auch das Wort von der Lebensqualität verschwindet bei einer solchen Entwicklung. Ich habe die Sorge, daß auch das immer wieder beschworene Netz der sozialen Sicherheit hier
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Dr. Dollingerlangsam in Gefahr kommt. Denn dieses Netz ist doch an zwei Pfosten aufgehängt. Diese zwei Pfosten heißen Stabilität und Vollbeschäftigung, und wenn die einmal nicht mehr vorhanden sind, wird auch dieses Netz der sozialen Sicherheit früher oder später gefährdet sein.
Meine Damen und Herren, Inflation, Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Schrumpfung, das alles führt doch letzten Endes — das sollten wir als Demokraten uns auch immer wieder vor Augen halten — dazu, daß Bürger in unserem Lande enttäuscht werden. Und die Enttäuschung führt früher oder später zum Verlust der Glaubwürdigkeit. Das zwingt eigentlich alle guten Demokraten in unserem Lande dazu, nicht übertriebene Hoffnungen zu erwecken oder gar Phantasien zu entwickeln, die früher oder später zu diesen Enttäuschungen und zur Unglaubwürdigkeit führen.
Wenn ich diese drei Punkte noch einmal zusammenfasse und auf ein Eingehen auf das außenwirtschaftliche Gleichgewicht verzichte — davon wurde heute schon gesprochen —, bleibt doch eine Feststellung: das, was das Stabilitätsgesetz der Bundesregierung auferlegt, ist von dieser Regierung nicht eingehalten worden. Es bleibt die Feststellung, daß wir im Endergebnis heute einen Zustand haben, der, gemessen am Gesetz über Wachstum und Stabilität, als gesetzwidrig zu bezeichnen ist.
Der Herr Kollege Möller hat vorhin von dem „Zusammenbruch" des Jahres 1966 gesprochen. Herr Kollege Möller — ich sehe ihn nicht —, wenn das Jahr 1966 ein Zusammenbruch war, bin ich allerdings der Meinung, wir haben im Jahre 1975 bereits ein Chaos.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei dieser Diskussion werden wir immer wieder darauf hingewiesen, daß ja die Entwicklung vom Ausland kommt. Es wird völlig vergessen, daß in verschiedenen Bereichen auch der Staat auf die wirtschaftliche Entwicklung einen besonderen Einfluß hat. Ich meine hier sehr bewußt das Problem der administrativen Preise. Gestern — ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung" vom 17. September 1975 — hat die Bonner Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher zur Frage der administrierten Preise Stellung genommen. Es heißt in dieser Meldung:Während sich die Gesamtkosten der Lebenshaltung gegenüber August vorigen Jahres um 5,9 % erhöht haben, wurden die staatlich beeinflußten Preise seitdem um 12,1 % angehoben. Gegenüber 1970 beträgt der allgemeine Preisanstieg 35,2 %, der Anstieg der administrierten Preise aber 55,7 %.
Ich glaube, das müßte uns allen zu denken geben; denn es ist ja immer wieder vorgekommen, daß man die gesamte Verantwortung für die Preisentwicklung auf die Wirtschaft oder auf das Ausland abgelenkt hat.Ich will auf weitere Zahlenbeispiele verzichten. Aber es sei mir doch gestattet, auf einen großen Staatsbetrieb hinzuweisen, nämlich auf die Deutsche Bundespost. Die Deutsche Bundespost hatte im Jahre 1969 einen Schuldenstand von 17 Milliarden DM und hat heute einen Schuldenstand von über 40 Milliarden DM,
und wir haben vier Gebührenerhöhungen mit einer jährlichen Mehrbelastung von rund 7,2 Milliarden DM gehabt.
Die administrierten Preise, für die die Regierung in erster Linie mitverantwortlich ist, zeigen also, daß hier gefährliche Entwicklungen eingeleitet worden sind.Es gab eine Zeit — noch nicht allzu lange her —, da sagte der heutige Bundeskanzler und damalige Finanzminister, die deutsche Wirtschaft stehe vor einer Gewinnexplosion. Was haben wir heute zu verzeichnen? Wir haben Mangel an Kapazitätsauslastungen. Die Regierung selbst — der Herr Bundeswirtschaftsminister z. B. — beklagt die fehlenden Investitionen. Die ganze Entwicklung wird eigentlich am deutlichsten an der Zahl der Konkurse und Vergleiche. Gewiß gehört zur Marktwirtschaft die Auslese, die Chance zu gewinnen, das Risiko zu verlieren. Aber wenn man sich einmal vor Augen hält, daß die Zahl der Konkurse im Jahr 1969 3 809 betragen hat, 1974 7 722 und im ersten halben Jahr 1975 bereits 4 481, dann bitte ich, doch einen Augenblick darüber nachzudenken, daß diese Zahlen Vernichtung von wirtschaftlichen Existenzen in einem sehr großen Stil beinhalten.
In diesen Zahlen sind all die Betriebsaufgaben oder Fusionen nicht enthalten, die dadurch verursacht wurden, daß die inflationäre und konjunkturelle Entwicklung bei vielen Unternehmungen dazu geführt hat, daß sie nicht mehr lebensfähig waren, einfach deshalb, weil steigende Kosten nicht über höhere Preise oder durch Umsatzausweitung ausgeglichen werden konnten.Ich meine, daß gerade hier für die weitere Zukunft ein sehr böses Problem liegt. Ich meine mit Unternehmern im übrigen nicht nur die Großunternehmungen. Ich denke hier auch an die Landwirtschaft. Wenn ich so lese, was der Landwirtschaft im Rahmen dieser Aktionen nun zugemutet wird, dann stellt sich wirklich die Frage, ob das zumutbar ist. Man hat Berichte gelesen, daß der Bundeslandwirtschaftsminister hart gekämpft hat, aber daß er im Endergebnis doch nachgegeben hat. Auch in der Landwirtschaft gehen auf Grund dieser Entwicklung selbständige Existenzen unter, genauso wie im Handwerk, Einzelhandel und Großhandel.
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12964 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. DollingerDas ist die Konsequenz dieser Entwicklung. Wenn sich auch von dieser Seite — neben den Beeinflussungen durch die Technik — der Konzentrationsprozeß fortsetzt, dann stellt sich früher oder später die Frage, ob wir in der Bundesrepublik Deutschland noch eine Wettbewerbswirtschaft haben, die eine Voraussetzung für die soziale Marktwirtschaft ist.Es stellt sich noch eine andere Frage; ich möchte das nur am Rande erwähnen. Ich glaube — das bekommt in Zukunft noch mehr Bedeutung —, es stellt sich die Frage, ob z. B. bei dem ständigen Eingehen von Einzelhandelsgeschäften auf die Dauer die Versorgung in dünn besiedelten Räumen überhaupt noch möglich ist.
Nun wurde von dem Herrn Bundeskanzler heute immer wieder sehr deutlich unterschieden in Unternehmen und Unternehmer. Gewiß besteht ein Unterschied zwischen Unternehmen und Unternehmern. Aber ich glaube, wir haben in Deutschland nicht zuviele, ich fürchte manchmal, wir haben zuwenige unternehmerische Persönlichkeiten. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Organisation eines Unternehmens nur dann mit Leben erfüllt sein wird, wenn unternehmerische Persönlichkeiten an der Spitze stehen. Wir kennen ja viele Fälle, wo bekannte Unternehmen ihre Bedeutung eines Tages verloren haben, weil die unternehmerischen Persönlichkeiten gefehlt haben. Diese kann man auch nicht vererben. Das ist eine Frage der Veranlagung, sicher auch des Fleißes. Aber man sollte vorsichtig sein, wenn man versucht, zu sagen: Unternehmungen und Unternehmer. Ich möchte hier nicht Unternehmer verteidigen, neureiche Typen, Protze und Angeber. Solche Erscheinungen, die einem nicht gefallen, gibt es überall. Aber ich meine, daß der Unternehmer auch in Deutschland nicht nur eine Notwendigkeit für unser Wirtschaftssystem, sondern auch eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, daß die Wirtschaft — und damit die gesamte Volkswirtschaft — floriert und sich fortentwickelt.
Diese unternehmerische Wirtschaft und die soziale Marktwirtschaft werden von einer Reihe von Faktoren in Frage gestellt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Scheu?
Bitte schön!
Herr Kollege, wäre es nicht denkbar, daß die CDU, die doch ihre Klientel in erster Linie bei den Unternehmern hat, einmal konkret darüber nachdächte, ob es nicht wenigstens steuerlich einen Unterschied zwischen Unternehmen und Unternehmer geben würde?
Gegen ein solches Nachdenken haben wir gar nichts einzuwenden, aber es
geht hier nicht allein um die steuerliche Frage, sondern es geht vor allem auch darum, ob man den Unternehmer als Persönlichkeit anerkennt und haben will oder nicht.
Meine Damen und Herren, wir hören immer, was der demokratische Sozialismus will. Wenn ich das alles lese, stelle ich mir manchmal die Frage, ob das noch etwas mit demokratischem Sozialismus zu tun hat oder ob man einfacher sagen sollte: Sozialismus. Wenn ich an die Forderungen, einschließlich des SPD-Orientierungsrahmens '85, denke — was hören wir alles? Wir hören erstens die Forderung nach der paritätischen Mitbestimmung, die bis zu einem hohen Grade eine Fremdmitbestimmung der Funktionäre ist. Ich darf einen zweiten Punkt anfügen: die Forderung nach Investitionskontrolle und Investitionssteuerung. Als dritten Punkt darf ich die Überlegungen hinsichtlich der Steuern in Erinnerung bringen, wo man ja immer wieder sagt: Entlastung unten, Belastung oben, wo aber doch praktisch die Leistung bestraft wird und ein Nivellierungsprozeß stattfindet. Ich erwähne viertens die ständige Forderung nach gesellschaftlicher Umverteilung, fünftens Formulierungen, die die Auflösung des Eigentumsbegriffes andeuten.
— Herr Wehner, wenn Sie es als lächerlich betrachten, so ist das Ihr Recht, aber es gibt solche Dinge.
— Es ist leider so, daß eben der Marxismus und der Sozialismus olle Kamellen sind — da gebe ich Ihnen recht —, weil diese Lehre alt genug ist.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ehrenberg?
Ja bitte!
Herr Kollege, wenn Sie den Orientierungsrahmen '85 zitieren, darf ich vielleicht davon ausgehen, daß Sie ihn gelesen haben, und Sie bitten, diesem Hohen Hause mitzuteilen, wo dort eine Auflösung des Eigentumsbegriffes gefordert wird.
Vielleicht darf ich Sie auch bitten, mitzuteilen, daß dort konkret unter Bezugnahme auf das Godesberger Programm das Privateigentum an Produktionsmitteln anerkannt wird.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12965
Herr Ehrenberg, Sie wissen ganz genau, daß es sehr starke Stimmen gibt,
deren Verwirklichung den Eigentumsbegriff auflöst oder aushöhlt.
Ich darf einen sechsten Punkt nennen, das ist die Anspruchsinflation, die laufend fortschreitet. Ich nenne siebtens die Aktionen der Gewerkschaften über den sozial- und lohnpolitischen Bereich hinaus. Ich erwähne achtens die permanente Kritik an der Marktwirtschaft, die Verteufelung des Gewinns ohne Einsicht in dessen ökonomische Funktion — hier, das gebe ich zu, ist zwischenzeitlich ein gewisser Wandel im Gange —, neuntens die wachsende Macht von Linksradikalen im Rahmen der Regierungsparteien und ihre Einschleichung in Organisationen, Verbände, Unternehmungen und Universitäten. Ich nenne zehntens den Beschluß des Langzeitprogramms, durch das der demokratische Sozialismus als künftige offizielle Wirtschaftsordnung etabliert werden soll; elftens die Ausgestaltung der Mißbrauchsaufsicht zu einer Preisfestsetzung durch das Kartellamt; zwölftens das erneute Vordringen des Klassenkampfdenkens in den Orientierungsrahmen der Wirtschaftspolitik; dreizehntens die Forderung, das Wachstum durch NullWachstum zu ersetzen; vierzehntens die Verstaatlichung von Banken und Schlüsselindustrien;
und letzten Endes fünfzehntens, Herr Wehner, die Forderung
nach kollektiven Vermögensbildungsfonds unter gewerkschaftlicher Kontrolle.Meine Damen und Herren, das sind Punkte, die man einfach nicht bestreiten kann. Hier ist nun in den letzten Wochen eine interessante Entwicklung zu verzeichnen. Der Koalitionspartner FDP hat offenbar in einer Reihe von Punkten gemerkt, daß sich hier problematische Dinge entwickeln. Ich muß noch einmal auf das zurückkommen, was Herr Ministerpräsident Kohl heute schon angedeutet hat, nämlich die Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers Friderichs am 23. Juni dieses Jahres vor dem Bundesvorstand der FDP.
Ich meine, der Herr Bundesminister hat recht, wenn er feststellt, daß die Lohnkosten je Produkteinheit, der wichtigste inländische Kostenfaktor, von 1970 bis 1974 mit durchschnittlich 8,4 % erheblich stärker als vorher gestiegen sind. Herr Friderichs hat sicher recht, wenn er sagt, daß die Staatsquote — ich zitiere ihn wieder — „von 1962 bis 1970 lediglichum knapp zwei Punkte stieg, von 1970 bis 1974 um fast sechs Punkte auf 43 % zunahm". Die Zahlen von 1975 werden noch höher liegen, füge ich hinzu. Herr Friderichs stellt nach meiner Meinung auch mit Recht fest, daß sich die Zwangsabgabenquote, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, die von 1962 bis 1970 lediglich um ein halbes Prozent gestiegen ist, von 1970 bis 1974 um runde vier Punkte erhöht hat.Schließlich sagt Herr Friderichs, daß die notwendige Korrektur dieser Defizite und die Unsicherheit über die Methoden dieser Korrektur wesentliche Belastungsfaktoren für die Unternehmerposition sind. Schließlich noch ein Zitat von Herrn Minister Friderichs. Er sagt, daß deutliche Anzeichen von Unsicherheit über sich hinziehende Diskussionen betreffend bestimmte Reformvorhaben der Koalition und insbesondere eine nachhaltige Verunsicherung durch öffentliche Auseinandersetzungen über systemverändernde Forderungen (z. B. Investitionslenkung, Vergesellschaftung der Banken, permanente Kritik an der Markwirtschaft und Verteufelung des Gewinns ohne Einsicht in seine ökonomischen Funktionen) erkennbar sind.Meine Damen und Herren, wir freuen uns über dieses Erkenntnisse des Herrn Bundeswirtschaftsministers. Wir müssen aber einmal die Frage stellen, was eigentlich die FDP in der Regierung und als Koalitionspartner tut, um diese _Thesen zu verwirklichen.
Hier ist man doch offenbar bereit, trotz der Erkenntnisse an den tatsächlichen Verhältnissen nichts ändern zu wollen. Wir werden erleben, ob das nur der Zustand vor dem SPD-Parteitag ist und ob das nachher anders wird.Ich glaube, daß hier Entwicklungen im Gange sind, die uns alle mit Sorge erfüllen müssen, weil letzten Endes bei dieser Entwicklung das System der sozialen Marktwirtschaft in Gefahr kommt. Wenn nun der Herr Bundeskanzler heute erklärt hat, daß auf dem Steuersektor und ähnlichem alles aus Mut heraus geschieht, um den Wählern die Wahrheit zu sagen, dann darf ich noch darauf hinweisen, was das „Handelsblatt" am 10. September 1975 geschrieben hat. Ich meine den Kommentar „Eigenlob stinkt" von Herrn Bernhard. Da heißt es:Tatsächlich aber hat das mit Kraft und freiwilliger Ehrlichkeit überhaupt nichts zu tun. Vielmehr mußten die Sozialliberalen ihren ersten finanzpolitischen Offenbarungseid vor dem Bundestag leisten, weil es die Gesetze so befehlen.Es wird dann auf § 9 des Gesetzes zur Förderung von Stabilität und Wachstum
und auf § 50 des Haushaltsgrundsätzegesetzes hingewiesen. Ich glaube, Herr Bundeskanzler, man sollte das, was man zu tun gesetzlich gezwungen ist, nicht in eine Form hineinbringen, als wäre es eine besondere Leistung.
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12966 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. DollingerMeine Damen und Herren, wenn wir eine Änderung der Entwicklung haben wollen, dann, glaube ich, muß man dies in ein paar Thesen noch einmal ganz deutlich ansprechen. Ich darf sie hier zusammenfassen.Ich bin der Meinung, daß nach wie vor alles versucht werden muß, um die Inflationsrate zu senken. Wir dürfen uns nicht an diese hohen Sätze gewöhnen, weil die Konsequenzen, wie aufgezeigt, nicht zu verantworten sind und sehr schädlich für unsere Entwicklung wären. Ich meine auch, daß dazu eine maßvolle Haushaltspolitik, eine entsprechende Tarifpolitik der Tarifpartner und eine entsprechende Politik der Bundesnotepbank gehören.Ich bin — zweitens — der Meinung, daß eine Reduzierung der übermäßigen Belastung der Unternehmungen erforderlich ist, wenn eine wirtschaftliche Belebung stattfinden soll. Ich verweise hier auf eine Reihe von Anträgen, die im Bundesrat liegen, und auf eine Reihe von Erklärungen. Hier wäre es notwendig, zu entscheiden, was man will. Ich erinnere z. B. an das „kleine carry-back", ich erinnere an die Frage Investitionszulage in strukturschwachen Gebieten, ich erinnere auch an die Frage der ertragsunabhängigen Steuern, die ja in der heutigen Situation für die Unternehmungen besondere Probleme darstellen.
Ein dritter Punkt. Ich glaube, ein angemessenes Wachstum der wirtschaftsfördernden Investitionen ist bei gleichzeitiger Beschränkung des öffentlichen Konsums erforderlich. Das, was gestern in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" über die Entwicklung der konsumativen und der investiven Ausgaben berichtet worden ist, ist letzten Endes als erschreckend zu bezeichnen.Viertens. Wir brauchen eine wirksame Wettbewerbspolitik, wobei allerdings Wert darauf gelegt werden muß, daß nicht Großunternehmungen die mittelständischen Unternehmen durch einen Verdrängungswettbewerb früher oder später in die Vernichtung hineinbringen.Fünftens. Wir sollten alle überspannten Reformforderungen des sogenannten demokratischen Sozialismus aufgeben, und wir sollten — sechstens — überall dort, wo Unsicherheit ist, dafür sorgen, daß diese Unsicherheit beseitigt wird.Siebentens. Die Aufgabe der Pläne für Investitionslenkungen scheint absolut erforderlich zu sein. Denn, meine Damen und Herren, wenn man nicht mehr weiß, ob nun die Verantwortlichen im Unternehmen oder ob irgendwelche Gremien über Produktion oder Distribution entscheiden, dann wird das mit Gewißheit kein Anreiz sein, hier etwas zu tun.Achtens. Wir sollten überlegen, wo durch Privatisierung und Reprivatisierung eine Entlastung der öffentlichen Haushalte erfolgen kann. Das gilt nicht nur, wie heute gesagt worden ist, für Kommunen und Länder, das gilt letzten Endes auch für den Bund.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin zutiefst davon überzeugt, daß die Beibehaltung des Systems unserer Wirtschaftsordnung nicht nur im Interesse der Unternehmungen und der Unternehmer ist, sondern daß letzten Endes davon auch Entscheidendes für den Bürger schlechthin abhängt. Denn die Freiheit der Unternehmungen und der Unternehmer ist letztlich auch die Freiheit der Verbraucher und die Freiheit der Arbeitnehmer, ist freie Konsumwahl und freie Wahl des Arbeitsplatzes.
Überall, wo diese Freiheit in Frage gestellt wird, muß man sich vor Augen halten, daß mit der Einschränkung ein gefährlicher Weg beschritten wird. Die Freiheit ist auch in diesen Bereichen unteilbar.Nun wurde hier sehr oft gesagt, wir brauchten Optimismus, wir brauchten Vertrauen. Ich bin von Natur aus ein optimistischer Mensch; aber ich glaube, man darf den Optimismus nicht so weit treiben, daß er Leichtsinn wird. Ich bin der Meinung, daß die Entwicklung der letzten Jahre einschließlich der vielen Aussagen, die zum Teil heute schon zitiert worden sind, nicht dazu beigetragen hat, das Vertrauen in die Regierung zu stärken. So hat z. B. der Herr Bundeskanzler am 8. Februar 1975 gesagt — ich darf zitieren —:Ich würde mit Ihnen eine Wette eingehen, daß in Annäherung an den 30. Juni die Pferde so gewaltig saufen, daß der Finanzminister Angst kriegen wird wegen seiner Steuereinnahmen in den nachfolgenden Jahren.Auch das scheint mir sehr plastisch den Widerspruch zwischen dem zu zeigen, was man vermutet hat, und dem, was eingetreten ist. Die Entwicklung der letzten Jahre spricht einfach gegen die Regierung.Der Herr Bundeskanzler hat heute gesagt, daß seine Politik Kontinuität bedeute. Es gibt — insofern gebe ich ihm allerdings Recht — eine Kontinuität seit 1969, und die betrifft all die Dinge, die gegen das Stabilitätsgesetz verstoßen und die unsere Wirtschaft, den Bürger und den Arbeitnehmer nicht besser-, sondern schlechtergestellt haben, die nicht Not weggenommen, sondern neue Not geschaffen haben.
Dies ist die Folge einer Serie von Fehlern, von Irrtümern und von Unterlassungen. Davor ist niemand gefeit. Aber wenn sie in diesem Ausmaß zusammenkommen, dann muß man sich doch die Frage stellen, ob hier eine geeignete Pronose gestellt worden ist oder nicht.Meine Damen und Herren, Graf Lambsdorff hat davon gesprochen, daß der Vorwurf von Täuschungen gemacht worden ist. Man muß sich einmal vor Augen halten, was man im Wahlkampf von Nordrhein-Westfalen gelesen hat: Der Aufschwung ist wählbar — so Herr Kühn. Glauben Sie, daß man eine solche Parole überhaupt herausgeben kann? Ist das keine Überheblichkeit? Ist das nicht eine falsche Parole? Eine Wirkung auf den Wähler war doch mit Gewißheit beabsichtigt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12967
Dr. DollingerMeine sehr verehrten Damen und Herren, wir können also der Regierung nicht das Vertrauen schenken, von dem sie immer spricht, und wir können ihren Optimismus nicht teilen. Wir wissen nicht, welche Entwicklung sich in der SPD weiter vollziehen wird. Wir müssen auch die Frage stellen: Was geht eigentlich in der FDP vor? Ist das Schwäche oder ist das Zwiespalt? Zwischen der Rede von Herrn Friderichs, der von einer klaren Politik sprach, und den getroffenen Entscheidungen liegt ein Widerspruch, der nach meiner Meinung aufgeklärt werden sollte.
Wenn ich mir den Zustand von SPD und FDP und der Regierung selbst vor Augen halte, dann muß ich sagen: Man kann bei dieser Regierung und bei dieser Koalition keine Hoffnung auf einen Wandel setzen. Das ist bedauerlich. Aber es ist eine Feststellung, die sich durch Zahlen immer wieder erhärten und beweisen läßt.Meine Damen und Herren, die Opposition wird weiterhin ihre warnende Stimme erheben, und nicht nur die warnende Stimme erheben, sondern auch sagen, was sie für richtig hält, was sie für falsch hält und was sie für unmöglich hält. Das hat sich heute wie in der Vergangenheit gezeigt. Wie oft wurde Franz Josef Strauß wegen seiner Prognosen verlacht und wie zutreffend waren sie! Manchmal waren sie im Vergleich zu dem, was sich tatsächlich ereignet hat, noch harmlos.
Meine Damen und Herren, da und dort klang die Überlegung durch, daß man die Chance habe, vielleicht von den eigenen Schwierigkeiten dadurch ablenken zu können, daß man auf Differenzen innerhalb der CDU/CSU verweist. Machen Sie sich keine Hoffnungen! Unser Parteitag in München hat es klar gezeigt: Die CDU/CSU — —
— Herr Wehner, ich verstehe Ihre Aufregung; denn Sie hatten etwas anderes erwartet. In München hat sich eines gezeigt: eine geschlossene Union, eine geschlossene CSU unter Franz Josef Strauß und eine geschlossene Gemeinschaft CDU/ CSU unter Führung des Kanzlerkandidaten Ministerpräsident Kohl.
Sie werden sich darauf verlassen können, meine Damen und Herren, daß CDU und CSU unter Führung von Kohl und Strauß dafür sorgen werden, daß unser Volk eine Alternative hat, eine Alternative durch CDU/CSU mit dem klaren Ziel,
daß das, was Sie an gutem Erbe verspielt haben,nicht zu einem Chaos führt, sondern rechtzeitiggewendet wird. Der deutsche Wähler wird im nächsten Jahr darüber entscheiden.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz hat mich darüber unterrichtet, daß er morgen vormittag leider nicht anwesend sein kann. Deswegen habe ich die Chance genommen, heute, in seiner Anwesenheit, auf einige seiner Bemerkungen zu antworten. Ich gehe auf Herrn Carstens dabei weiter nicht ein.
Das hat Herr Kirst schon in ausreichender Weise getan. Bei den vielerlei verfälschten und verkürzten, zum Teil mißverstandenen oder absichtlich mißverständlich dargestellten Zitaten, Herr Carstens, die Sie sich aus Ihrem Zettelkasten haben bringen lassen, ist das nicht angebracht.
— Z. B. die verkürzte Zitierung über die Mehrwertsteuer aus der Regierungserklärung vom Mai 1974, z. B. die verkürzte und verfälschende Zitierung aus dem Bulletin der Bundesregierung, z. B. die verfälschende Zitierung aus der Rede, die ich hielt und die Sie selber schriftlich vor sich hatten, Herr Carstens.
— Ich bitte den Bundestag wirklich um Entschuldigung. Wir haben soeben aus dem Munde von Herrn Dollinger gehört,
es komme auf Herrn Kohl an und auf Herrn Strauß. Von Herrn Carstens war nicht die Rede; also brauchen wir auch nicht über ihn zu reden.
Übrigens, Herr Dollinger, die Wette, die Sie erwähnt haben, wurde abgeschlossen unter der wissenschaftlichen Oberaufsicht eines Mitglieds des Sachverständigenrats. Er hat inzwischen schriftlich festgestellt, daß ich die Wette gewonnen habe; ich kriege eine Kiste Schampus. Sie haben Glück gehabt, daß Sie diese Wette nicht eingegangen sind.
— Schönen Dank!
Bundeskanzler Schmidt
Aber nun zu dem Anlaß meiner Intervention.
Herr Ministerpräsident Kohl war auch nicht ganz redlich,
obwohl er sich in mancher Weise unterschied
von der Redeweise Ihres ersten Sprechers. Ein Beispiel: Sie sagten — woher wissen Sie das eigentlich, Herr Kohl? —, wir hätten steuerliche Maßnahmen vorbereitet, die wir aber erst nach dem sozialdemokratischen Parteitag öffentlich kundmachen würden. Ich weiß nicht, ob Sie das belegen können. Ich versichere Ihnen, daß dies nicht der Fall ist. Richtig wäre es, zu sagen,
daß in der Tat — vielleicht noch sehr viel länger als bis zum Parteitag —, z. B. im Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerreform, die wir ja noch gemeinsam zustande bringen wollen, viel Nachdenken über die Besteuerung der Unternehmen im Gange ist. Wie lange das dauert und ob das zu positiven Ergebnissen führt, ist eine sehr offene Frage.
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Althammer?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte um Nachsicht: ich möchte jetzt auf Herrn Kohl antworten dürfen. Herr Althammer. Nur deswegen habe ich mich ja zu Wort gemeldet.
Es war auch nicht ganz redlich, Herr Kohl, zu sagen, Sie stünden hier als ein kooperationsbereiter politischer Führer der CDU und CSU in Bundestag und Bundesrat, aber wir ergriffen die Chance nicht. Worin besteht Ihre Kooperationsbereitschaft? Das ist mir — und wahrscheinlich vielen anderen auch — nicht ganz deutlich geworden.Eines habe ich verstanden: Diese Bereitschaft besteht darin, daß Sie sagen: Ich, der Kanzlerkandidat der Unionsparteien, bin bereit, Ihnen zu helfen, wenn Sie noch zusätzlich zu dem, was Sie jetzt schon streichen und sparen, weitere 7 bis 10 Milliarden DM sparen wollen. — So verstehe ich Sie. Es war nicht redlich, Herr Kohl, nicht eingegangen zu sein auf das allerdings gewichtige Argument — und das ist nicht nur ein Argument, es ist ein Motiv; es ist eine innere Überzeugung —, daß man eben nicht die Fehler der Jahre 1930 und folgende wiederholen und in eine deflatorische Ausgabenkürzungspolitik ohne Maß und Ziel eintreten dürfe.
Ich räume Ihnen gern ein, daß man über weitere Sparmaßnahmen in Höhe einiger hundert Millionen, vielleicht auch in Höhe von einer oder anderthalb Milliarden DM gut streiten könnte. Aber Sie sprechen hier von weiteren Sparmaßnahmen in der Größenordnung von 10 000 Millionen, von 10 Milliarden DM. Dies allerdings haben Sie selbst bisher vielleicht nicht ausreichend geprüft. Jedenfalls wäre das Hilfsangebot doch nur dann etwas wert, wenn Sie darlegen könnten, daß ein weiterer Sparprozeß allein beim Bund — die Länder müßten wohl dazukommen, auch Rheinland-Pfalz müßte mit dem Sparen in seinem Haushalt ja mal anfangen — in dieser Höhe
volkswirtschaftlich notwendig sei. Das haben Sie nicht getan.Übrigens haben Sie auch ein gutes Wort ausgesprochen, wie ich denke.
Sie haben gesagt: Wir wollen die Bundesrepublik Deutschland nicht mit Weimar vergleichen. Ich habe daran nichts zu kritisieren. Im Gegenteil, ich bin derselben Meinung wie Sie, daß wir, alle drei Parteien, die Gewerkschaften und, Herr Dollinger, auch die Unternehmer, viele Kräfte, auch die geistigen Kräfte in unserem Land, froh und zum Teil sogar auch stolz darüber sein dürfen, daß diese zweite deutsche Demokratie nach 25 Jahren unendlich viel vitaler und lebenskräftiger dasteht als die erste nach 12 Jahren. Darin stimmen wir überein. Aber wenn es so ist und mit der zweiten deutschen Demokratie so bleiben soll, dann setzt das ja voraus, daß man an den Punkten, wo es schwierig wird, die Lehren, die aus dem Weimarer Fehlschlag zu ziehen sind, nicht in den Wind schlägt.
Eine der Lehren — nun muß ich etwas ausführlicher werden, als ich es heute morgen verkürzt war —, genauer gesagt: zwei Lehren sind aus den Ereignissen des März 1930 zu ziehen. Es war nicht so, wie der Herr Professor Carstens meinte, daß ich hier Geschichte fälschte. Mir sind diese Ereignisse seit 20 oder 25 Jahren als eine ganz ungeheuer wichtige Epoche, nein, als eine dramatisch-zerstörerische Episode
beim Niedergang der ersten Weimarer Demokratie allerdings im Bewußtsein.
Ich hatte heute morgen gemeint, wir sollten nicht dasselbe tun wie damals. Wir, das heißt: Sie nicht, die Rechte nicht und auch wir, die Linke, nicht.
— Nun warten Sie es doch nur ab! Es ist in diesem Hause sehr schwierig, einen Gedanken, selbstwenn man versucht, ihn mit allem Ernst und aller
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12969
Bundeskanzler SchmidtEindringlichkeit vorzutragen, auch nur sätzeweise zu Ende zu bringen, Herr Kollege.
Ich will die Vorgeschichte noch einmal in die Erinnerung rufen. Es war so: Im März 1930 bestand die damalige Reichsanstalt erst wenige Jahre. Die Arbeitslosigkeit — zu dem Zeitpunkt 3 Millionen — war sehr viel größer als die Finanzkraft der Reichsanstalt, die das Arbeitslosengeld zu zahlen hatte.
Der Reichshaushalt war nicht in der Lage, in dem Maße steigende Finanzzuschüsse zu leisten, wie es notwendig gewesen wäre, um die bisherigen Leistungen der Arbeitslosenversicherung an die Arbeitslosen aufrechtzuerhalten.
Die Reichsanstalt war finanziell darauf eingerichtet, das Arbeitslosengeld für 800 000 Arbeitslose zu finanzieren; es handelte sich aber bereits um 3 Millionen Arbeitslose.
In dieser Lage gab es seit Wochen öffentliche Auseinandersetzungen über die Frage: Sollte man entweder mit Kraft und mit allen Mitteln die Zuschüsse und die Darlehen aus dem Reichshaushalt verstärken, oder sollte man die Leistungen an die Arbeitslosen verringern? Dann gab es eine dritte Variante: Sollte man nicht, um die Leistungen nicht verringern zu müssen, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erhöhen? Für das Kürzen der Leistungen an die Arbeitslosen sind damals eingetreten: einige prominente Sprecher der damaligen Arbeitgeberverbände, des Reichsverbandes der deutschen Industrie, die Hugenberg-Presse und die Deutsche Volkspartei, die von daher am stärksten beeinflußt war. Die Sozialdemokraten und natürlicherweise die Gewerkschaften sind in jener Zeit dafür eingetreten, daß die Leistungen an die Arbeitslosen nicht gekürzt werden; mit Recht!Nach mehrfacher Befassung mit dieser selben Materie — das ging schon über Monate — hat sich dann Ende März 1930 das Reichskabinett der Großen Weimarer Koalition einschließlich der Volkspartei — Stresemann war schon tot — erneut mit dieser Frage beschäftigt. Es hat in diesem Dilemma beschlossen, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu erhöhen, damit die Leistungen an die Arbeitslosen nicht gekürzt werden müssen. Dieser Beschluß des Reichskabinetts
ist dann bei einigen Parteien der damaligen Koalition im Reichstag auf Widerspruch gestoßen. Sie haben diesen Beschluß nicht tragen wollen. Erst in diesem Augenblick, Herr Kollege Carstens, kommt dann der von Ihnen erwähnte Vermittlungsversuch, an dem Herr Brüning und noch andere beteiligt gewesen sind.
Nun kommt der Punkt, an dem beide Seiten, wie ich dachte, Lehren ziehen müssen.
Der Brüningsche Vermittlungsversuch wollte denArbeitslosenversicherungsbeitrag um 1/4 % erhöhen,
aber die Frage der Konsolidierung der Finanzlage der Reichsanstalt offenlassen und auf die Zukunft verschieben.
Gleichzeitig fand in der Presse ein großer Feldzug statt, der darauf hinauslief, diese Frage zu benutzen, um die parlamentarisch gestützte Reichsregierung zu zerbrechen.
— Dieser Feldzug kam aus der Hugenberg-Presse, und er kam von rechts; aus Ihrer geographischen Gegend kam dieser Feldzug.
Jetzt kommt der Fehler, den die Sozialdemokraten gemacht haben.
Die Sozialdemokraten haben in jener Lage verlangt, daß es bei dem alten Kabinettsbeschluß bleibe. Sie haben diesen sogenannten Vermittlungsvorschlag, der nur scheinbar einer war, abgelehnt. Übrigens wurde er auch von der Bayerischen Volkspartei abgelehnt, aus was für Gründen immer.
— Lassen Sie mich bitte zu Ende sprechen, Herr Kollege Haase. — In dieser Lage, wo die parlamentarische Vertretung der Gesetzgebungskoalition, der Regierungskoalition die Beschlüsse des Reichskabinetts im Reichstag nicht realisieren wollte, aber ein Reichstagsbeschluß notwendig war,
machten die Sozialdemokraten ihrerseits den Fehler, die Regierung zu verlassen. Das führte dann zu dem Kabinett nach Art. 48 der Weimarer Reichsverfassung, führte zu den Notverordnungen. Im Ergebnis führte es genau zu dem, was die Gewerkschaften und die Sozialdemokraten befürchtet hatten, nämlich zur Verringerung der Sozialleistungen auf dem Tiefpunkt der Rezession.
Beide Seiten, Herr Ministerpräsident Kohl,
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12970 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Bundeskanzler Schmidtdie hier heute und morgen miteinander debattieren, haben daraus je für sich eine Lehre zu ziehen.
Die Sozialdemokraten — und ich hatte diese Passage mindestens zur größeren Hälfte an meine gewerkschaftlichen Freunde draußen im Lande gerichtet, die sich ein bißchen murrend darüber empören, daß wir heute den Arbeitslosenversicherungsbeitrag erhöhen —, die Linke in Deutschland hat die Lehre daraus zu ziehen, daß man wegen solcher Fragen, wenn man Augenmaß hat, nicht eine Gesetzgebungs-und Regierungskoalition aufs Spiel setzt.
Die Rechte, Herr Kollege Haase sollte daraus lernen, daß man über Fragen des Intakthaltens des Netzes der sozialen Sicherheit nicht versuchen soll, parteitaktische Vorteile einzuheimsen, die sich dann hinterher so niederschlagen.
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Haase?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn es bei einer bleibt, bitte sehr!
Verehrter Herr Bundeskanzler, wollen Sie bestreiten, daß an jenem 28. März 1930, als um das Geschick der Großen Koalition gewürfelt wurde, die Zentrumsfraktion jenen Vermittlungsvorschlag von einem Viertel, der geeignet gewesen wäre, die Regierung zu retten, ohne Aussprache annahm und daß auch die Deutsche Volkspartei diesem Vorschlag zugestimmt hat? Wollen Sie dies bestreiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Was die Zentrumspartei angeht, will ich das nicht bestreiten, Herr Haase. Was die Deutsche Volkspartei angeht, so war sie im Deutschen Reichstage gespalten.
Darüber hinaus, Herr Kollege Haase: Entscheidend ist, daß der Vorschlag, wie die spätere Geschichte der Regierungen nach Art. 48 zeigt, eben in Wirklichkeit nicht die Absicht hatte, die Sozialleistungen auf dem bisherigen Niveau zu halten.
Aber offenbar kann man aus der Geschichte verschiedene Rückschlüsse ziehen.
Mir liegt daran, bei Ihnen wenigstes nachträglich Verständnis dafür zu wecken, daß ich in allem Ernste glaube, daß das Schicksal der letzten parlamentarischen Reichsregierung über dieser Frage Anlaß gibt, auf beiden Seiten der heutigen zweiten deutschen Demokratie darüber nachzudenken.
Es gibt ja auch in der heutigen zweiten deutschen Demokratie Kräfte, die sagen: Man kann das halbe Prozent zusätzlichen Arbeitslosenversicherungsbeitrags den Unternehmen nicht zumuten; das könnten sie nicht tragen. Es gibt Kräfte — sie sitzen hier vor mir —, die diese Beitragserhöhung ablehnen. Ich vermute, es gibt auch Kräfte, die, wenn sie könnten, an Stelle dessen tatsächlich das Arbeitslosengeld kürzen wollten.
Wenn diese Möglichkeit von Ihnen ausgeschlossen werden soll, dann erklären Sie bitte durch einen Ihrer Sprecher, daß Sie zwar 7 bis 10 Milliarden DM zusätzlich sparen wollen, aber nicht beim Kurzarbeitergeld, nicht beim Arbeitslosengeld. Wir kämen dann schon etwas näher an den Bereich heran, in den Sie wirklich hineinschneiden wollen.
Der Herr Ministerpräsident Kohl hat mich über die Bedeutung belehrt, die der Deutsche Bundesrat nach dem Grundgesetz hat.
Er ist aber wirklich kein gewähltes Parlament. Das konnte er nicht bestreiten, trotz allen Aplombs, mit dem er seinen Satz aussprach. Er ist wirklich kein gewähltes Parlament. Er hat mich dann an die eigene Zeit erinnert, als ich einmal vier Jahre im Bundesrat war. Schauen Sie einmal in die Protokolle aus jener Zeit oder lassen Sie hineinschauen! Sie werden nicht finden, daß der damalige Senator, den Sie apostrophiert haben, dort große Reden gehalten hat, nicht deshalb, weil er sich vielleicht nicht versucht gefühlt hätte, es zu tun, sondern deshalb, weil er schon damals der Meinung war, daß jene Kammer, die manchmal auch andere Namen bekommt — auch im Länderbotenkreise; ich will sie hier nicht wiederholen —, sich bei der Politik tunlichst etwas zurückhalten sollte.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12971
Bundeskanzler SchmidtAber, Herr Ministerpräsident Kohl, wenn Sie so auf das eigenständige Recht des Bundesrates pochen — und das gestehe ich Ihnen ja zu: er ist ein Organ der Bundesgesetzgebung, ein Bundesorgan —, dann müssen Sie ja doch auch ansonsten die Kleiderordnungen einigermaßen sauber voneinander trennen. Sie haben heute ausdrücklich gesagt, Sie sprächen nicht nur für die CDU/CSU im Bundesrat, sondern auch für die im Bundestag. Genau das hatte ich Ihnen vorgeworfen, daß Sie alles miteinander vermanschen.
Sie haben einen früheren Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen, den Professor Schiller, zitiert, der auf einem sozialdemokratischen Parteitag gebeten hat, doch bitte die Tassen im Schrank zu lassen.
Das ist zutreffend, das hat er gesagt. Ich frage mich aber, wenn Sie hier eine große Zahl von unbestimmten, aber doch deutlich ausgesprochenen Vorwürfen erheben, wir hätten zuviel Geld ausgegeben, zuviel hier und zuviel dort: Können Sie sich erinnern, daß Sie als Ministerpräsident und Herr Kollege Stoltenberg neben Ihnen heute vor gut einem Jahr in einem abseits des Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und Bundesrat stattfindenden vorbereitenden Gespräch diejenigen waren, die die staatlichen Steuerausfälle aus der Kindergeldreform und der Steuerreform um mehrere Milliarden erhöht haben, weil Sie gesagt haben, sonst stimmten Sie im Bundesrat nicht zu? Das ist doch nicht erfunden.
Der Herr Kollege Strauß, der jetzt in China ist, war damals dabei und hat noch gewarnt. Das heißt, der Treiber — —
— Ja, man muß der Wahrheit die Ehre geben:
Der Herr Kollege Strauß hat noch gewarnt. Der eigentliche Treiber war nicht Herr Kohl, sondern der neben ihm sitzende schlewig-holsteinische Kollege. Dies ist eines der vielen Beispiele, Herr Kohl, dafür, daß Sie parteiliche Anliegen, die Sie im Bundestag mit Recht durch Ihre Kollegen verfolgen und bei denen Sie hier unterliegen, dann mit Hilfe der verfassungsrechtlich unüberspringbaren Hürde der Zustimmungsbedürftigkeit an anderer Stelle doch wieder durchsetzen.
— Ich habe nichts dagegen, wenn Sie das „kooperativ" nennen, nur ist das keine Kooperation mit der Bundestagsmehrheit, sondern eine Kooperation mit den Herren Carstens und Stücklen. Das haben Sie ja heute auch ganz klargemacht.
Jetzt muß ich ein Wort zu Ihren Sparappellen sagen. Als ehemaliger Finanzminister hat man immer noch Möglichkeiten, sich einen Überblick über die Finanzen der deutschen Bundesländer zu verschaffen.
Nun werfe ich Ihnen nicht vor, daß Sie und der Kollege Gaddum in Rheinland-Pfalz sich relativ hoch verschuldet haben. Sie liegen in Rheinland-Pfalz beim Anderthalbfachen des Durchschnittes der Verschuldung der deutschen Länder. Ich werfe Ihnen das aber nicht vor.
Ich frage mich nur, warum angeblich das Heil des deutschen Volkes davon abhängt, daß der Bund sich weniger verschuldet. In Wirklichkeit wollen Sie doch die Lücke ausnutzen, um Rheinland-Pfalz am Kreditmarkt mit einer höheren Verschuldung zum Zuge zu bringen. Das macht keinen Sinn.
— Ja, das gilt auch für Schleswig-Holstein. Es gibt drei Bundesländer, die in der Verschuldung pro Kopf hoch über dem allgemeinen Durchschnitt liegen. Das ist Schleswig-Holstein, das ist das Saarland, und das ist Rheinland-Pfalz. Das muß man auch einmal ganz deutlich aussprechen.
Sie haben von der Jugendarbeitslosigkeit gesprochen.
Herr Ministerpräsident Kohl, Sie könnten den arbeitslosen jungen Leuten, die eine Lehrstelle brauchen, durchaus mit einem Beitrag — kooperativer Föderalismus nennt sich das in ihrem Munde — helfen: Sorgen Sie dafür, daß das Gesetz zur Reform der Berufsausbildung, das hier im Bundestag eine Mehrheit hat, endlich auch im Bundesrat eine Mehrheit bekommt.
Sie haben jüngst in einer öffentlichen Rede gesagt: Wir wollen hier in Deutschland keine italienischen Verhältnisse. Ich weiß nicht, ob das ein besonders geschmackvoller Vergleich mit einem Bündnis- und EG-Partner gewesen ist. Wenn Sie das aber so gemeint haben, wie es aus dem Handgelenk herauskam und wie es klingt, wenn Sie nämlich gemeint haben, bei uns sei es besser und solle es besser bleiben, dann darf ich Sie wohl darauf aufmerksam machen: Hier in Bonn regieren aus diesem Bundestag heraus und in dieser Bun-
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12972 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Bundeskanzler Schmidtdesregierung Freie Demokraten und Sozialdemokraten;
in Rom regieren seit 25 Jahren Ihre Parteifreunde.
Sie haben eine Bemerkung über die Bildungspolitik gemacht. Ganz gewiß haben Sie recht, daß in allen drei Parteien, in allen elf Ländern und im Deutschen Bundestag bildungspolitische Übertreibungen vorgekommen sind im Laufe der letzten zehn Jahre. Ich bin bereit, Ihnen weiß Gott in dieser Allgemeinheit zuzustimmen. Nur ist diese Erkenntnis nicht auf Sie beschränkt. Hoffentlich ist das Ziehen von Konsequenzen aus der Erkenntnis nicht auf uns beschränkt. Auf der anderen Seite: So schlecht war es ja nicht, Herr Kohl, daß der Geist einmal ein bißchen aufgelockert wurde. Sie sind doch noch 1966 im Landtag Ihres Landes öffentlich für die einstufige Dorfschule eingetreten.
Der Maßstab, an dem die innere Wahrhaftigkeit der Sparappelle des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz gemessen werden muß,
ist das Verhalten in eigenen Landeshaushalt. Nun können Sie mir sagen, Herr Kohl: „Ich habe ja noch Zeit, das Jahr 1975 ist noch nicht zu Ende. Ich kann in Rheinland-Pfalz immer noch einen Nachtragshaushalt machen." Das ist vielleicht Ihre Antwort.Sie könnten mir auch antworten: „Ich habe ja soundsoviel Stellen gespart." Ich habe den Trick in der Zeitung gelesen. In Wirklichkeit haben Sie in einem Zweijahreshaushalt 5 800 zusätzliche Stellen vorgesehen, dann haben Sie davon 3 500 gespart, so daß es immer noch ein Plus an Stellen von 2 182 in Rheinland-Pfalz gibt. Aber öffentlich verbuchen Sie die Streichung von 3 500 als eine große Stellenersparnis. Sie vermehren im eigenen Lande Rheinland-Pfalz die Zahl der Stellen beträchtlicher als die ganze Bundesregierung für die ganze Bundesverwaltung.
Wissen Sie, wenn ich dann hören muß, wie Herr Professor Carstens über die Erweiterung des Bundeskanzleramtes in den letzten Jahren spricht, dann will ich nicht widersprechen, daß sie Kritik herausfordern mag. Es sind zwar auch die einen oder anderen Ministerien darin aufgegangen, es ist auch eine Vertretung in Ost-Berlin eingerichtet worden, die dazuzählt; trotzdem kann man solche Erwägungen weiß Gott mit Recht anstellen. Aber dann gucken Sie sich doch bitte einmal das geradezu explosionsartige Anwachsen der Planstellen in der Kanzlei des Herrn Ministerpräsidenten Kohl undinsbesondere in seiner hiesigen Bonner Vertretung an.
Ich habe dafür durchaus Verständnis: Herr Kohlbereitet sich auf die Übernahme der KanzlerschaftVOL
Das macht er mit Hilfe seiner Staatskanzlei. —Mit dem Klatschen wird das ja noch nicht erreicht,es gehört noch ein bißchen mehr dazu, nicht wahr.
Das macht er mit Hilfe der Aufblähung des Personalhaushalts seiner Staatskanzlei im Laufe der letzten fünf Jahre um 122 % und seiner hiesigen Bonner Landesvertretung sogar um 150 %.
Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, Herr Kohl, daß diese vielen Beamten nicht alle landespolitische Aufgaben wahrnehmen, sondern wohl mehr etwas andere politische Aufgaben wahrnehmen.
Ich will Sie damit — es ist auch im Gesamtzusammenhang nicht so furchtbar wichtig — nicht unnötig harassieren. Aber wegen Ihrer Glaubwürdigkeit mit den Sparappellen: Das Sparen fängt in Ihrem eigenen Hause an, Herr Ministerpräsident!
Der Herr Altbundeskanzler Professor Erhard hat Ihnen einen Brief geschrieben, wie wir alle aus den Zeitungen erfahren haben. Sie haben den Brief nicht beantwortet; das hat der außerparlamentarische Professor gemacht.
— Natürlich ist das Herrn Kohls Sache. Vielleicht auch wäre es für Herrn Kohl nicht so angenehm gewesen, auf die besorgte Frage in Professor Erhards Brief zu antworten, wie es denn zusammenpasse, wenn man auf der einen Seite hier mit innerer Überzeugung — wie es schien — Sparappelle ausspricht und auf der anderen Seite auf seinem eigenen Parteitag zusätzliche Ausgaben als dringend notwendig beschließen läßt.
Sie haben die Frage nach der Wahrheit gestellt, Herr Ministerpräsident.
Die Wahrheit ist, daß für alle Industrieländer — das gilt dann auch für Ludwigshafen und für Mainz genauso wie für die Ruhr und für das übrige Deutschland — die Abhängigkeit von der Welt draußen größer geworden ist.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12973
Bundeskanzler SchmidtDie Wahrheit ist zweitens, daß jede Prognose über diese weltwirtschaftliche Entwicklung von wachsenden Unsicherheiten bestimmt wird. Wer von uns will sagen, ob die Ölpreise in diesem Winter um 15 oder 20 oder 30 % erhöht werden? Und wer von uns will sagen, welche Konsequenzen das für die Zahlungsfähigkeit anderer Länder haben wird, die das bezahlen müssen und die sich dann bei ihren Aufträgen und Bestellungen, bei ihrer Orderung bei der deutschen Industrie entsprechend einschränken müssen? Wer will das vorhersagen? Es ist eine Wahrheit, daß es immer schwieriger wird, das zu prognostizieren.Es ist drittens die Wahrheit, daß in einer solchen Lage der Zwang zur weltwirtschaftlichen Kooperation immer größer wird.Es ist die Wahrheit, daß das Weltwährungssystem nicht in einem gesicherten Rahmen funktioniert.Es ist die Wahrheit, daß die Europäische Gemeinschaft uns in einer außerordentlichen Weise zu Opfern bittet. Heute mittag habe ich im Kabinett erfahren, daß der Haushalt der Europäischen Gemeinschaft für 1976 nach den Vorschlägen der Kommission um 27 % — der Verwaltungshaushalt allein um 38 % — steigen soll,
daß allein die Bundesrepublik Deutschland nach diesen Vorschlägen 1976 fast eine Milliarde zusätzlich — zusätzlich zu dem, was wir uns ausgerechnet hatten — zahlen soll.
Das ist ein zufällig heute eingegangener Beweis für die von mir morgens dargetane These, daß der Bundeshaushalt immer mehr in die Schere zwischen den verschiedenen Finanzebenen kommt. Außerdem: Wenn die EG ihren Haushalt um 28 % steigert und der Bundeshaushalt 1976 um 4,1 % anwächst, dann können Sie daran den Unterschied zwischen Sparsamkeitsmaßstäben draußen und Sparsamheitsmaßstäben hier in Bonn erkennen.
Die Wahrheit ist infolgedessen, daß wir so weit wie irgend möglich internationale Kooperation brauchen, daß wir uns so weit wie möglich abschotten müssen vor der Weltinflation — das ist bisher auch sehr gut gelungen — und daß wir drittens so weit wie möglich die Auswirkungen der Weltrezession und all dieser Weltunordnung auf unsere eigene Volkswirtschaft abfangen müssen, daß wir Konjunkturbelebung im Innern, so weit wie dies geht, ohne ein zusätzliches Inflationsrisiko treiben müssen.Nun hat sich Herr Professor Carstens
— ein Wort wird ja erlaubt sein; immerhin ist er der Oppositionsführer —
ja schon auf dem CSU-Parteitag — wir haben Ihre Rede in den Zeitungen lesen können —
der Sonthofener Strategie des Kollegen Strauß voll angeschlossen. Das klärt ein bißchen die Fronten im Deutschen Bundestage.
Was nun aber den Ministerpräsidenten Kohl angeht: Herr Kohl, Sie haben im Laufe Ihrer Ausführungen die rhetorische Frage gestellt: Für was halten Sie mich eigentlich?
Ich habe in dem Augenblick gedacht: Die Frage ist gar nicht so falsch gestellt. Ich weiß wirklich nicht so genau, ob Sie eigentlich die Strategie von Herrn Strauß verfolgen.
Vielleicht ist es so, daß Herr Carstens und Herr Kohl beide die Strategie von Herrn Strauß verfolgen, nur Herr Kohl sehr viel gefälliger. Das könnte so sein.
: Wo ist Ihr großer
Vorsitzender heute? — Weitere Zurufe vonder CDU/CSU)Ich habe gelesen, was der Kollege Franz Josef Strauß in München im Vorwege zu der heutigen Debatte gesagt hat. Herr Ministerpräsident Kohl, auf Seite 28, ziemlich gegen Schluß von Straußens Rede heißt es:Meine Damen und Herren, dies sind unsere Vorschläge.— Es waren keine. —Sie werden nächste Woche im Bundestag vertreten werden von einem anderen Redner als von mir; denn ich bin auf einer großen Auslandsreise.Ich nehme an, Sie sind der andere Redner.
Aber ob er Sie nun gemeint hat oder nicht, Herr Kohl
— nein, das wollen wir Herrn Dollinger nicht antun —:
Im Inhalt, in der Substanz besteht zwischen Ihren Darlegungen heute und denen des Herrn Kollegen Strauß in München kein großer Unterschied.
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12974 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Bundeskanzler Schmidt— Ich begrüße diesen Beifall von der CSU. Er stellt klar, wer der eigentliche Führer der Opposition in Deutschland ist.
Schmidt?)Es kann trotzdem sein, Herr Kohl,
daß der Beifall eben Ihnen unrecht tut.
Es kann auch sein, daß ich Ihnen unrecht tue. Dann müssen Sie selbst im Ernst und ohne jede Polemik über die Frage nachdenken, die ich Ihnen am Anfang stellte,
über die Frage nämlich, ob bei aller Hilfsbereitschaft, die Sie dartun, angesichts von 8 Milliarden DM Einsparungen und Kürzungen, angesichts von weiteren 4 Milliarden DM Arbeitslosenversicherungsbeitragserhöhung — gleich Ersparnis im Bundeshaushalt von zusammen 12 oder 13 Milliarden DM im Jahr 1976 — im Ernst Ihre Meinung ist, daß dazu im selben Jahr noch einmal 7 bis 10 Milliarden DM gespart werden sollen. Wenn das Ihr wirklicher Ernst ist, müssen Sie sich fragen, ob Sie das ökonomisch für vertretbar halten angesichts der dann ganz zweifellos eintretenden zusätzlichen Schrumpfungseffekte des deutschen Bruttosozialprodukts, des deutschen Volkseinkommens und der Beschäftigung.Das ist eine wirklich ernst zu nehmende Frage, die bisher zwischen den Rednern der beiden Seiten dieses Hauses nicht sorgfältig genug ausgesprochen oder beantwortet worden ist. Hier stellt sich dann zugleich auch wirklich die Frage, ob sich aus den Jahren der Weimarer Zeit
etwas lernen läßt, ob etwas daraus gelernt werden muß oder ob die Parallele nicht stimmt.Das kann man alles vertreten. Nur: Dies sind, soweit ich sehe, bisher die wirklichen Meinungsverschiedenheiten. Alles andere war mehr Schall und mehr Rauch und viel Zitate — manche nicht ganz in Ordnung.
Nur, wenn Sie, Herr Kohl, der Meinung sein sollten, wenn das Ihr Ernst bleibt, daß Sie darüber hinaus tatsächlich so viel mehr sparen wollen, d. h. darüber hinaus so viele Staatsausgaben streichen, d. h. darüber hinaus so viele Einkommensbestandteile bei Rentnern, bei Arbeitslosen, bei Kriegsopfern, bei der Landwirtschaft verkürzen wollen
—ja, ja, man kann beim Staat nicht sparen, ohneanderen weh zu tun; denn sonst würden die dochnicht alle so schreien, von Herrn Heereman bis zu Herrn Krause —,
wenn es Ihre wirkliche Meinung ist, daß dies gespart werden soll, dann allerdings müßten Sie uns schon, nachdem die Wahrheit in Ihrem Munde eine so große Rolle spielte,
sagen, was denn in Wahrheit Ihre Absicht ist, wo Sie es sparen wollen. Man kann das bei der Landwirtschaft tun, man kann es bei der Arbeitslosenversicherung zum Teil tun, zum Teil bei den Renten, zum Teil bei den Kriegsopfern. Nur, Sie müssen sich darauf gefaßt machen, daß wir Sie im Laufe der nächsten Wochen und Monate — und nicht nur wir allein — überall öffentlich fragen werden: Wem wollen Sie wann was wegnehmen, Herr Kohl?
Das, was die sozialliberale Koalition für notwendig hält, daß es heute geschieht und daß es 1976 und 1977 geschieht, haben Sie ohne Rückhalt und ohne reservatio mentalis, ohne inneren Vorbehalt, wahr dargelegt bekommen. Welches Ihre tatsächlichen Absichten sind, das bleibt uns heute genauso verborgen wie bei der Rede des Kollegen Strauß in München.
Und nun ein letztes Wort, weil auch Sie gemeint haben, Sie sollten gegen sozialistische Gesinnung polemisieren. Das sage ich jetzt nicht als Bundeskanzler, wenn meine freidemokratischen Kollegen und Koalitionspartner mir erlauben, auch einmal ein Wort nur für meine Person hier zu sagen, wenn Sie so wollen vielleicht für meine Parteifreunde mit.
Sie mögen das mit Absicht und Sorgfalt in einer ganz anderen Tonart, in einer anständigen Tonart gesagt haben — im Gegensatz zu manch anderen, die ich über Marxisten, Marxismus, Sozialismus und alle Wege, die nach Moskau führen, in der deutschen Politik schon habe reden hören. Das mag bei Ihnen so sein. Nur, wenn Sie sich Europa anschauen — Norwegen, Schweden, ganz Skandinavien, Holland, Deutschland bis hin zu Osterreich — und diese Staaten und ihre Gesellschaften mit jenen Randbezirken im Süden Europas vergleichen, in denen konservative oder reaktionäre Regierungen am Ruder sind, dann fällt der Vergleich ja wohl zugunsten des demokratischen Sozialismus in Europa aus.
Als Vertreter des Bundesrates hat das Wort der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, Herr Dr. Gerhard Stoltenberg.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12975
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler ist zweifellos in der Lage, mit scharfer Polemik und Ironie den Beifall seiner Parteifreunde zu erzeugen. Das war heute nachmittag stärker als bei den sachbezogenen Partien seiner Rede am Vormittag.
Nur glaube ich, daß sich die Erwartungen der deutschen Öffentlichkeit, der Bevölkerung an den Regierungschef in einer zunehmend kritischen Lage in einer anderen und anspruchsvolleren Weise richten.
Die Regierungserklärung von heute morgen ist den sachlichen Notwendigkeiten und Erwartungen in dieser wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Lage in keiner Weise gerecht geworden.
Wenn man die Antwort vor allem an den Kollegen Helmut Kohl und die Zwischenbemerkungen, die dann doch etwas ausführlicher wurden als angekündigt, auch zu Herrn Kollegen Carstens auf den Kern abklopft, dann kann man sagen, daß diese zweite Rede noch enttäuschender als die erste war.
Was muß die deutsche Öffentlichkeit in dieser Situation des Spätsommers 1975 bei den vorliegenden Daten über die wirtschaftliche Lage, den Arbeitsmarkt, die Sorgen der jungen Generation und nicht zuletzt die Finanzkrise verlangen? Sie muß verlangen, daß ein Bundeskanzler seine Richtlinienkompetenz nicht nur verbal, sondern in klaren programmatischen Aussagen tatsächlich wahrnimmt.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir verlangen ein Regierungsprogramm zur Förderung des wirtschaftlichen Aufschwungs, zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit, zur langfristigen Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und in diesem Zusammenhang auch eine Antwort auf die schweren Probleme der Finanzkrise. Nur in eine solche Gesamtkonzeption eingebettet gewinnen die konkreten und notwendigen Vorlagen zur Sanierung der Staatsfinanzen ihren Sinn, gewinnen sie ein Fundament, daß in dieser Finanzplanung, in den wirtschaftlichen Tatbeständen überhaupt noch nicht gewährleistet ist, daß bis jetzt vollkommen fehlt.Meine Damen und Herren, für mich gehört zu den bemerkenswerten Feststellungen dieser Tage: Nicht nur zwischen Regierung und Opposition, nicht nur zwischen den beiden großen politischen Lagern in unserem Lande ist die Bewertung der Ursachen für die Krise strittig, über die der Bundeskanzler auch wieder soviel, aber so einseitig gesprochen hat, sondern es gibt in der Bewertung der Ursachen für diese Krise auch einen fundamentalen Gegensatz innerhalb der Koalition selbst. Wir haben heute wieder gleichsam die Monokausalität der Weltrezession in einer neuen Variante gehört. Aber der Vizekanzler dieser Regierung, der Vorsitzende des Koalitionspartners, spricht draußen im Lande ganz anders und der Wirtschaftsminister hat in seiner heute schon zitierten Rede vom 23. Juli ein vollkommen entgegengesetztes Bild entworfen. Ich zitiere hier aus einer der letzten öffentlichen Reden des Vizekanzlers nach dem Bericht des Norddeutschen Rundfunks über eine Ansprache, die er auf einer Parteiveranstaltung im Lande Schleswig-Holstein gehalten hat. Nach diesem Bericht erklärte Bundesminister Genscher, hinter dem einfachen Satz, „man könne dem Staat nicht mehr abverlangen, als man vorher gemeinsam erarbeitet habe", stecke in Wahrheit eine neue Politik. Es heißt dann:Genscher trat auch der Darstellung entgegen, Weltrezession und Ölscheichs allein seien schuld an der Wirtschafts- und Finanzkrise.
Entscheidender sei, daß es eine Anspruchsinflation gegeben habe.
Alle hätten über ihre Verhältnisse gelebt
und eine dauerhafte Reduzierung der Arbeitslosigkeit sei nur möglich, wenn es bei den Tarifabschlüssen keine realen Einkommenszuwächse gäbe und man den Unternehmern steuerliche Investitionsanreize biete.Hier heißt es übrigens „den Unternehmern", um diesen feinen Unterschied zunächst einmal zu beleuchten.
Aber entscheidend ist doch die Tatsache, daß der Vizekanzler draußen im Lande in dem Bemühen um Selbstprofilierung seiner Partei bei gewissen Wählerschichten vollkommen anders spricht als der Bundeskanzler hier für die gemeinsame Regierung.
Ich kenne die Technik der Mitwirkung des Herrn Vizekanzlers und des Herrn Wirtschaftsministers an Regierungserklärungen nicht, aber dieser Gegensatz, wie immer sie zustande kommen, ist unverkennbar. Das gleiche hat auch der Wirtschaftsminister in seiner schon zitierten Rede vom 23. Juli deutlich gemacht, als er von den langangelegten Gründen für den Investitionsrückgang sprach. Nur, Herr Friderichs — ich darf das auch Graf Lambsdorff sagen —, man darf es nicht so machen, daß man einmal monokausal von der Weltrezession dieses Jahres spricht, um dann bei den tiefer angelegten Ursachen am liebsten in die Jahre 1966 bis 1969 zurückzugreifen, die drei Jahre, in denen Sie nicht an der Regierung beteiligt waren. Ich glaube, diese Dialektik der Sprache ist in keiner Weise
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Ministerpräsident Dr. Stoltenbergüberzeugend. Am 23. Juli ist das offener ausgesprochen worden. Die Regierung zeigt hier in keiner Weise Einheitlichkeit.Aber auch der Bundeskanzler redet jenseits der deutschen Grenzen etwas anders als hier. Er hat bei dem Treffen mit seinem dänischen Kollegen in Sonderburg in Nord-Schleswig, jenseits der Landesgrenze, gesagt, die entscheidende Ursache für die Krise sei, daß wir alle über unsere Verhältnisse gelebt hätten. Einen solchen klaren Satz haben wir von ihm in diesem Hause nicht gehört.
Zur Führungsaufgabe einer Regierung gehört es, im eigenen Verhalten, in der eigenen Planung und Konzeption, in der Anlage der eigenen Gesetzgebung, in der eigenen Repräsentation die Maßstäbe zu setzen, die dann auch für andere gelten können. Dazu gehören auch Orientierungsdaten in der Konzertierten Aktion, die in diesem Herbst besonders wichtig wären und die nicht vorliegen. Deswegen ist jene Feststellung eine Selbstanklage.In der Tat — es ist schon gesagt worden —, in dem Bild der Regierungserklärung haben immer die anderen schuld, Herr Bundeskanzler: die Weltrezession, die Europäische Gemeinschaft, die Bundesländer. Diese Art zu sprechen ist kein Zeichen von Stärke, sondern trotz aller Verbalismen ein Zeichen der Schwäche.
Das Bild der zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und den Bundesländern andererseits bedrängten Bundesregierung, in der Gefahr, von den beiden „Mahlsteinen" zerrieben zu werden, mutet mich als einen der Mitbetroffenen sozusagen sehr eigentümlich an. Das ist doch nicht Ausdruck der wirklichen Machtverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland! Davon kann doch überhaupt keine Rede sein! Es entspricht auch nicht dem Anspruch, mit dem Sie selbst einmal nach 1969 und in etwas bescheidenerer Form auch im vergangenen Jahr bei Ihrer Regierungsübernahme angetreten sind, um Politik in diesem Lande zu machen.
Jahrelang galten die Bundesländer, bis heute belastet von der Überfülle neuer Gesetze, Programmet und Versprechungen, als die Bremser und die Reformgegner.
Ich bin noch im Frühjahr dieses Jahres wegen der Verweigerung der Zustimmung im Bundesrat zu neuen finanzwirksamen Gesetzen vor der Landtagswahl von Abgeordneten der SPD und FDP persönlich angegriffen worden.
Jetzt sollen wir plötzlich diejenigen sein, die denHerrn Schmidt und den Herrn Apel gemeinsam mitder EG finanzwirtschaftlich zwischen die Mahlsteinenehmen. Das können Sie doch selber nicht mehr ernst nehmen, was hier gesagt wird.
Zur Rolle des Bundesrates, die der Bundeskanzler in der Polemik gegen den Kollegen Kohl hier behandelt hat, möchte ich einen sehr einfachen Satz sagen: Wir stimmen nach unseren politischen Überzeugungen ab. Wonach denn sonst, meine Damen und Herren?
Wir haben es uns nicht ausgesucht, zu jedem einzelnen Punkt Stellung zu nehmen. Die Tagesordnungen sind mir — im wesentlichen wegen der Vorlagen dieser Regierung — im Grunde sehr oft etwas zu lang. Aber wir sind durch das Grundgesetz verpflichtet, abzustimmen. Selbstverständlich sind unsere politischen Überzeugungen für das Wohl des eigenen Bundeslandes und für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland insgesamt der einzige Maßstab, nach dem wir abstimmen. Das ist unser gutes Recht, so wie es das Recht jedes Mitgliedes dieses Hohen Hauses ist.
Um hier nur einen kurzen Exkurs über die Rolle der Länder einzuschalten: Es war schon etwas erstaunlich, was hier vom Bundeskanzler zum Teil in Form einer persönlichen Polemik gegen den Kollegen Kohl und etwas am Rande dann auch gegen mich gesagt wurde. Er hat gemeint, die Bundesländer Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Saarland stünden in der Verschuldung an der Spitze. Er hat verschwiegen, daß Hamburg, sein eigenes Heimatland, eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung hat als das Land Schleswig-Holstein und seine Gemeinden zusammen.
Alles, was diese Regierung sagt, muß man sehr kritisch auf den Wahrheitsgehalt untersuchen; selbst solche Kleinigkeiten machen das deutlich.
Aber es ist richtig, daß etwa ein Land wie Schleswig-Holstein eine überdurchschnittliche Verschuldung hat — in den Kommunen ist sie unterdurchschnittlich —, und das trifft auch für Rheinland-Pfalz und Saarland zu. Nur sollte der Bundeskanzler dann auch hinzufügen, daß nach den soeben getroffenen Feststellungen der Bundesbank die traditionell strukturschwachen Länder Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz in den letzten fünf Jahren das stärkste wirtschaftliche Wachstum aller Länder der Bundesrepublik Deutschland erzielt haben. Das ist die andere Seite dieses Bildes.Wir haben uns nicht verschuldet, um zu repräsentieren, um einen unangemessenen Verwaltungsaufwand zu betreiben oder um Konsumleistungen zu beschließen, sondern um den dort durch den Krieg und die Grenzlage besonders hart betroffenen Menschen mit einer aktiven regionalen Wirtschaftspolitik und Infrastrukturpolitik zu helfen, ihre Lebens-
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Ministerpräsident Dr. Stoltenbergbedingungen zu verbessern. Darin haben wir in den genannten Ländern große Erfolge errungen.
Im übrigen, meine Damen und Herren, ist es ein sehr eigentümlicher Widerspruch — aber das paßt so zu der Mobilität in der Gedankenführung, aber auch der Logik des Herrn Bundeskanzlers und seines Finanzministers —, wenn man uns auf der einen Seite die hohe Verschuldung vorhält und dann plötzlich sagt, wir hätten bei der Steuerneuverteilung den vitalen Interessen des Bundes nicht genügend Rechnung getragen. Weil wir durch die Entwicklung der fünfziger und sechziger Jahre — jedenfalls die Länder und Gemeinden in den strukturschwächeren Teilen der Bundesrepublik — eine überdurchschnittliche Verschuldung hatten, konnten wir, gestützt auf solide Berechnungen aller Bundesländer, die vollkommen überzogenen Vorstellungen des Bundesfinanzministers über die Steuerneuverteilung nicht honorieren.Es ist schon etwas eigentümlich — meine Damen und Herren, wir sind von dieser Regierung schon einiges gewöhnt; der Stil hat sich da seit 1969 geändert, Herr Bundeskanzler Kiesinger —: Nachdem wir uns in monatelangen Sitzungen schließlich Anfang Juli auf einen Kompromiß geeinigt hatten, den die Bundesregierung zur Grundlage ihrer Gesetzesvorschläge in Bundestag und Bundesrat macht, erklärt der Finanzminister vor der Presse, das skandalöse Verhalten der Länder sei einer der Gründe für die Steuererhöhungen. Herr Kollege Apel, wenn das ein skandalöses Verhalten war, dann hätten sie dem Bundesrat und Bundestag nicht einen Gesetzesvorschlag auf dieser Basis zuleiten dürfen.
Skandalös sind Ihre ständigen Fehlinformationen, die Sie seit Monaten den Ländern über die finanz-und steuerpolitischen Pläne der Bundesregierung geben. Wenn ich einmal nach dem Stil des Bundeskanzlers anfinge, meine Aufzeichnungen über interne Sitzungen hier zu verlesen, meine Damen und Herren, dann würden sich einige der Beteiligten und Nichtbeteiligten wundern. Lassen wir diese massiven und polemischen Attacken hinüber und dann auch gerne herüber! Aber, Herr Finanzminister, es geht nicht an, daß wir in einer durch Ihre verfehlte Politik rapide verschlechterten Lage eine frühere Vereinbarung zugunsten des Bundes honorieren und Sie anschließend nur massive Polemik üben.Übrigens ist auch die Art und Weise — ich habe dankenswerterweise gestern Ihre Gesetzentwürfe mit einer ersten Begründung lesen können —, in der Sie — und auch der Bundeskanzler heute — die Kürzungen bei den Gemeinschaftsaufgaben begründen, sehr eigentümlich. Es kann ja sein, daß man in einer so schweren Finanzkrise auch bei lebenswichtigen Investitionen eingreifen muß, wie Sie es tun. Sie tun es in den Gemeinschaftsaufgaben, die für die wirtschaftliche Entwicklung große Bedeutung haben, ab 1977. Sie tun es auch in anderen Bereichen der gemeinsamen Finanzierung. Heute morgen haben wir vom Bundeskanzler in der Regierungserklärung gehört, daß unter dem Vorzeichen der Verbesserung der Haushaltsstruktur auch bei der Krankenhausinvestitionsfinanzierung gespart werden müsse. Das ist ein Satz, der für sich selbst und auch für die Überschrift dieses famosen Gesetzes spricht.
Es mag ja so sein, daß diese Eingriffe unvermeidlich sind. Auch wir stehen ja vor ähnlichen Entscheidungen und haben sie teilweise schon aus der Not getroffen. Nur sollte man da nicht von Verbesserung der Haushaltsstruktur sprechen. Man sollte nicht die Sprache der Täuschung und Irreführung wählen. Da waren wir doch noch ehrlichere Leute, Herr Professor Erhard; wir haben noch von einem Haushaltssicherungsgesetz gesprochen.
— Ehrlichere Leute, jawohl! Ich sage das, nachdem Sie heute morgen Ihre Ehrlichkeit und Ihren Mut noch einmal selbst gepriesen haben. — Meine Damen und Herren, man sollte das aber vor allem nicht mit einer Begründung tun, wie sie der Bundeskanzler gebraucht hat: als ob das so eine Art Strafexpedition gegen unbotmäßige Länder wäre. Dies halte ich für ganz schlecht. Es ist nicht nur die berühmte Mehrheit der fünf Länder mit den 21 Stimmen, es sind auch andere, unter Federführung der SPD und FDP, die in der Frage der Steuerverteilung und in der Bewertung dieser Probleme der Gemeinschaftsaufgaben völlig denselben Standpunkt einnehmen wie wir. Der Bundeskanzler weiß es, und er will hier einen anderen Eindruck erwecken.Über das, was der Kanzler hier zum Kollegen Kohl in der Frage der Bildungspolitik gesagt hat, kann ich mich wirklich nur wundern. Ich habe hier einmal, bis 1969, in diesem Bereich Regierungsverantwortung mitgetragen. Für mich war es ein wirklich erstaunlicher Vorgang, als wenige Monate nach der Übergabe der Amtsgeschäfte an Herrn Leussink und Frau Hamm-Brücher — sie gehören zu den vielen, die damals mit großen Plänen antraten und hier heute zu Recht, würde ich sagen, nicht mehr auf der Regierungsbank sitzen — die Bundesregierung ihren Bildungsbericht vorlegte mit dem phantastischen Ziel, 50 % eines Jahrsgangs zum Abitur und 25% in die Hochschulen zu bringen.
Jetzt haben wir, nachdem wir in jahrelangen mühsamen Verhandlungen in den Bund-Länder-Gremien diese Planung auf ein geringeres, realistischeres Maß reduziert haben, aus der heutigen Sicht immer noch zu hohe Werte. Die geradezu beunruhigende Situation, daß von 15 % Abiturienten ein Großteil immer noch nicht in die Hochschulen kann und daß bei einer Studentenquote von 12 % ein wachsender Teil der Absolventen der Hochschulen wie auch andere junge Menschen nicht wissen, welche beruflichen Chancen sie haben, ist nur ein Beispiel dafür, wie Sie geplant haben, vor allem auch im Verantwortungsbereich der Länder. Wer damals die begründeten Bedenken anmeldete, war ein „Reformgegner" und ein „Bremser" . Und heute halten Sie Herrn Kohl und mir vor, daß wir zuviel Personal —
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Ministerpräsident Dr. Stoltenbergauf Deutsch: zu viele Lehrer — eingestellt haben.Absurdität im Quadrat, meine Damen und Herren!
Weil das hier in der Polemik gegen die sogenannte Mannheimer Erklärung noch einmal anklang, will ich dazu noch wenige Sätze sagen. Der Bundeskanzler hat hier zum Schluß für seine Partei gesprochen; es sei also auch mir wie dem Kollegen Kohl gestattet, das mit demselben Recht zu tun. Die Mannheimer Erklärung, verabschiedet auf unserem Parteitag im Juni, hat keinen finanzwirksamen Antrag in diesem Bundestag ausgelöst. Wir haben in Mannheim klargemacht, daß es sich in den finanzwirksamen Vorstellungen um eine langfristige Perspektive handelt und daß der Zeitpunkt der Konkretisierung und Einbringung abgestimmt sein muß mit dem vorrangigen Ziel der Wiedergewinnung der Stabilität, der Vollbeschäftigung und der Ordnung der Staatsfinanzen.
Die Tatsache, daß es auch nach der Kindergeldreform, die ja noch einmal korrigiert wird — ich verstehe gar nicht, daß der Bundeskanzler hier gegen eine Korrektur der Kindergeldreform polemisiert hat; das haben Sie doch vor einigen Tagen selbst gemacht, nachdem festgestellt wurde, daß ein Staatssekretär a. D. und Abgeordneter einer Regierungsfraktion für seine mehr als 20jährige Tochter auch noch Kindergeld bekommt, wie auch andere, die ein anständiges Gehalt haben; das zeigt die Art, wie Gesetze gmacht werden, auch jetzt bei den Sparbeschlüssen —,
noch einen Nachholbedarf im Bereich der Familienpolitik gibt, kann doch auch von Ihnen nicht ernsthaft bestritten werden.
Eine programmatische Aussage zu diesem Punkt, in der wir die Konkretisierung abhängig machen von einer Politik der wirtschaftlichen Stabilität, des Wachstums und der Sanierung der Staatsfinanzen, verstößt überhaupt nicht gegen die hier vertretenen Grundsätze. Das gilt auch für das Schreiben an Professor Erhard, auf das Sie sich bezogen haben. Wir haben unter dem Eindruck der internen Diskussion und aller Beiträge die endgültige Fassung der Mannheimer Erklärung so formuliert, daß sie von allen Mitgliedern der Union und auch von einem Mann wie Professor Ludwig Erhard mitgetragen werden kann.
Nun fordern wir seit Monaten wie andere von der Bundesregierung Klarheit in den gesellschafts-, den ordnungs- und den finanzpolitischen Rahmenbedingungen für die Bürger und Betriebe unseres Landes. Diese Klarheit hat die heutige Regierungserklärung in keiner Weise gebracht, ja, wenn wir den Dialog zwischen einem Sprecher der FDP und dem Bundeskanzler in der Frage steuerlicher Anreize sehen, sogar ein zusätzliches Maß an Unklarheit.Wir haben das vierte Konjunkturprogramm. Es ist vom Regierungssprecher als ein Überwinterungsprogramm bezeichnet worden, nicht als der neue Ansatz für den Aufschwung und die langfristige Sicherung der Vollbeschäftigung, was der Vizekanzler mit der „neuen Politik" offenbar gemeint hat. Wir haben, meine Damen und Herren, massive Steuerhöhungen statt der versprochenen Begrenzung des Staatsanteils. Es geht nicht an, daß der Bundeskanzler die Fülle der korrekten Zitate aus seinen eigenen Reden und denen seines Wirtschafts- und seines Finanzministers bis in das Frühjahr und den Frühsommer dieses Jahres hinein gegen eine solche Politik jetzt einfach pauschal und ungerechtfertigt als verkürzt oder irreführend abtun will. Diese Zitate liegen ja vor. Sie können, meine Damen und Herren, noch jetzt am Kiosk — ich will hier keine Zeitschriftenwerbung betreiben — die neueste Ausgabe eines bekannten Wirtschaftsmagazins kaufen, in der der Bundeswirtschaftsminister in einem Interview erklärt hat, im Interesse des Aufschwungs und der Gesundung der Wirtschaft sei eine Entscheidung gegen Steuererhöhungen und für gezielte steuerliche Erleichterungen notwendig.
Was die Herren der Regierung in diesem Fall bis zur Sommerpause sogar einvernehmlich gesagt haben, soll jetzt nicht mehr zutreffen!Hier wird heute der Versuch gemacht, die gesamte Debatte gleichsam an die Adresse der Opposition zu richten. Die Regierung will sich aus dem Sachzwang der Verpflichtung zur Rechtfertigung ihrer Vorschläge herausziehen, indem sie versucht, die öffentliche Debatte an die Opposition zu lenken: Wie hättet ihr es denn gern, oder was wollt ihr denn machen? Das, meine Damen und Herren, ist die zweite Frage. Die erste Frage — das Gesetzgebungsverfahren beginnt im Oktober — ist die Angemessenheit, die Überzeugunskraft und die Sachgerechtigkeit der Beschlüsse der Regierung. So schnell werden wir dieses Thema sicher nicht verlassen können.
Wir sind der Überzeugung — das haben wir in der gemeinsamen Erklärung der Union gesagt, ich wiederhole es nur kurz —, daß bestimmte steuerliche Erleichterungen für die Betriebe notwendig sind. Es hat nicht viel Sinn, wenn der Bundeskanzler, offenbar inspiriert von Herrn Palme, jetzt neue Modelle sucht, die bis in das Gesellschaftsrecht hineinreichen, mit dem Unterschied zwischen Unternehmen und Unternehmern. Das hat um so weniger Sinn, nachdem hier deutlich geworden ist, daß die Koalition darüber offenbar in keiner Weise einig ist.Diese Entscheidung muß bald fallen. Oder wieviel Arbeitslose und Konkurse wollen wir in Deutschland eigentlich noch haben,
ehe diese Koalition in der Lage ist, die notwendigen Beschlüsse zu fassen, die den starken Worten nun endlich folgen müssen?!
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12979
Ministerpräsident Dr. StoltenbergMeine Damen und Herren, ich begrüße, daß hier auch von den Sprechern der Koalition sehr kurz — jedenfalls bei der FDP, wie in der Rede des Wirtschaftsministers im Juli — auch das Stichwort „Vermögensbildung" aufgenommen wurde. Wir haben diesen Zusammenhang immer betont. Es ist der Zusammenhang zwischen der Stärkung der Eigenkapitalbasis unserer Betriebe, auch bei den jetzigen Eigentümern, aber nicht nur bei diesen, dem notwendigen wirtschaftspolitischen Ziel der Stärkung der Investitionen und dem großen gesellschaftspolitischen Ziel der Verbreiterung der Basis der Eigentümer am Produktivvermögen. Dieser Zusammenhang gilt weiterhin.
Wir vermissen die Verdeutlichung dessen, was der Wirtschaftsminister am 26. Juli angesprochen hat: die Dringlichkeit einer Förderung der Innovationen und verbesserter Bedingungen für Forschung und Technologie. Meine Damen und Herren, wir vermissen das, nachdem diese Regierung zweimal in Steuergesetzen gegen unsere Bedenken steuerliche Erleichterungen für die Förderung der Innovation, der Forschung und Technologie abgebaut hat. Man sagt, diese Formen seien nicht mehr angemessen gewesen. Dann hätte man aber andere suchen müssen. Denn es ist nicht zu bestreiten, daß das Kostenniveau in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur durch Tarifvereinbarungen so hoch ist. Der Bundeskanzler hat neulich abends in München im Fernsehen in einem Nebensatz hörbar gesagt, die Lohnquote sei zu hoch. Ja, wenn jemand von uns so etwa vor dem 4. Mai gesagt hätte, wäre er gesteinigt worden. Ich zitiere hier den Bundeskanzler.Aber es ist nicht nur eine Frage der Lohnquote, es ist eine Frage der Gesetzgebung dieser Koalition, daß die Lasten für die Betriebe und weithin auch für die Arbeitnehmer so exorbitant gesteigert worden sind.
Deshalb muß die Politik langfristiger angelegt sein. Sie muß, von höchsten Kosten ausgehend, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und die Arbeitsplätze in einer zeit härteren Wettbewerbs festigen und erweitern.Die finanzpolitischen Beschlüsse der Bundesregierung sind im Grunde zu spät gekommen, und sie sind falsch gewichtet. Sie sind zu spät gekommen. Alle Dialektik auch dieses Tages kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß Sie auch nach Ihrer Konzeption für das Jahr 1976 einen fast unlösbaren Zielkonflikt geschaffen haben.
Sie müssen im nächsten Jahr selbst bei optimistischen Wachstumserwartungen eine gleiche Verschuldung aufnehmen wie in diesem Jahr. Sie fordern zum Konsum auf und wissen, daß ein Absinken der sehr hohen, vielleicht überhöhten Sparquote dazu führt, daß im nächsten Jahr der exorbitante Bedarf der öffentlichen Hand und die erhofften Investitionen für die Belebung des Aufschwungs nicht gleichzeitig zu vernünftigen Bedingungen finanziertwerden können. Das ist Ihr schuldhaftes Versäumnis, meine Damen und Herren.
Sie hätten, statt im Frühjahr vor den Wahlen falsche Parolen auszugeben, damals die notwendigen Beschlüsse fassen sollen. Das wäre eine mutige und ehrliche Politik gewesen.
Im übrigen muß man dem Bundeskanzler sagen, er sollte die Kritiker nicht so abtun. Es sind ja nicht nur die besoldeten Interessenvertreter der Verbände, von denen die einen, wie Herr Vetter, offenbar zunächst gerügt werden, um dann zum Schluß der Rede enorm gelobt zu werden. Das ist eine Art Doppelstrategie, die wir mit besonderem Interesse sehen. Es sind ja auch unabhängige Sachverständige, namhafte Stimmen der Wissenschaft und viele unabhängige Publizisten, die diesen Ansatz mit uns für falsch halten.Wir brauchen von der Bundesregierung vor allem ein Programm zur Förderung des Wachstums, zur Stärkung der Finanzkraft des Staates. Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Es wurde schon gesagt, die neue Finanzplanung mit einem Wachstum von 5 % als Voraussetzung beruht auf einer höchst unsicheren Schätzung. Was bedeutet eine Abweichung von 1 % mehr oder weniger für den Staat? Eine Abweichung von 1 % mehr bedeutet 2,5 Milliarden DM mehr Steuern, 31/2 Milliarden DM bis 4 Milliarden DM mehr Steuern und Abgaben. Entsprechend bedeutet eine Abweichung von 1 % nach unten gegenüber der Verbesserung eine Differenz von über 5 Milliarden DM alleine bei den Steuern.Ich weiß, daß der Bundeskanzler nach manchen Erfahrungen der letzten Jahre dem Wert solcher Finanzplanung mit einer gewissen Zurückhaltung gegenübersteht. Ich tue es auch. Finanzplanungen sind nichts Statisches wie ein Vertrag, den man nach Hause nehmen kann. Finanzplanungen sind in den Prozeß einer dynamischen, einer positiven oder negativen Wirtschaftsentwicklung eingebunden. Hier müssen wir deshalb ansetzen.
In diesem Jahr gehen die Prognosen des vergangenen Herbstes, als die Bundesregierung noch bestritt, daß es überhaupt eine Rezession geben werde, und das voraussichtliche Ist des Jahres 1975 um etwa 6 % auseinander. Statt Wachstum um 2 % oder 3 % eine Rezession von 31/2 % oder 4 %! Das macht im Ergebnis über 20 Milliarden DM aus. Zahlen sind hier genannt worden. Von hier wird sichtbar, daß eine Politik zur Wiederbelebung der Wirtschaft und zur Sicherung der Arbeitsplätze Vorrang hat und daß sie überfällig ist.Wenn der Bundeskanzler sich hier auf seine europäischen Konsultationen beruft, so kann ich nur sagen: Die Dänen, mit denen er in Sonderburg gesprochen hat — es waren die Sozialisten in diesem Falle —, und die Holländer, mit denen er, wenn ich mich richtig erinnere, am Brahmsee gesprochen hat, machen genau das Gegenteil von dem,
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12980 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Ministerpräsident Dr. Stoltenbergwas er hier als Rezept verschreiben wird. Sie senken die Mehrwertsteuer für dauernd oder temporär und haben damit, glaube ich, einen richtigeren Ansatz gewählt.
Meine Damen und Herren, worin besteht die Kooperationsbereitschaft, die hier bezweifelt wurde? Sie besteht in der Bereitschaft, notwendige unpopuläre Sparbeschlüsse — auch bei gesetzlichen Leistungen — grundsätzlich mit zu tragen.
— Verehrter Herr Kollege, wir gehen von der Regierungsvorlage aus; wir werden sie sorgfältig prüfen. Wir werden, wie ich glaube, einen wesentlichen Teil mit tragen können. Wir behalten uns vor, zu einzelnen Punkten auch andere Anträge und Vorstellungen zu entwickeln. Das ist bei Ihnen ja auch der Fall. Der Landesvorsitzende Ihrer Partei in meinem Lande hat zwei Tage vor den Beschlüssen des Kabinetts erklärt, eine Mehrwertsteuererhöhung komme überhaupt nicht in Frage. Der Landesvorsitzende der SPD und der Fraktionsvorsitzende der SPD in meinem Lande erklärten vorgestern einmütig, eine pauschale Mehrwertsteuererhöhung sei unsozial und mit dem moralischen Standard der Sozialdemokraten nicht zu vereinbaren.
Angesichts dieses derzeitigen Standes der innerparteilichen Debatte in der SPD und der FDP dürfen wir doch auch noch ein bißchen nachdenken, ausgehend von den Beschlüssen der Bundesregierung unter Einbeziehung weiterer Möglichkeiten.Die heutige Debatte — das sage ich hier in aller Offenheit — und vor allem das Auftreten des Bundeskanzlers, insbesondere in seinem zweiten Beitrag
— ich werte das im Augenblick nicht weiter; ich kenne nicht die Gründe —, haben bei mir den Eindruck verstärkt, daß man auf der einen Seite durch freundliche Worte — Herr Genscher hat ein paar freundliche Worte an unsere Adresse gefunden — die Opposition einladen will, im Bundesrat nun doch konkrete Sparempfehlungen über die Beschlüsse der Regierung hinaus zu machen, um dann auf der anderen Seite, wie wir es heute in einer bestimmten Kostprobe wieder erlebt haben, damit den Vorwurf der sozialen Demontage, also Diffamierung zu verbinden.
Dies allerdings werden wir so nicht machen, meine Damen und Herren!
Herr Bundeskanzler, erlauben Sie mir, nachdem Sie freundlicherweise wieder da sind, diese Bemerkung: Es muß schlecht um eine Bundesregierung bestellt sein, wenn Sie in einer Regierungserklärung von so grundlegender Bedeutung, in einem extemporierten Beitrag im Blick auf die Opposition nichtsweiter als ein Papier eines von 120 Angestellten der CDU/CSU-Fraktion anzuführen haben, der ohne Auftrag, Ermächtigung und ohne Deckung durch die Fraktion gehandelt hat. Was Sie damit beabsichtigen, ist hier für jedermann deutlich geworden.
— Bringen Sie mal Beweise, lieber Herr Ehrenberg! Ich sage nur, daß dies eine Doppelstrategie ist, die wir nicht mitmachen werden. Wir werden uns konkret und verantwortungsbewußt zu Ihren Kürzungsbeschlüssen im Deutschen Bundestag und im Bundesrat äußern. Wir werden uns nicht nur äußern —wir werden darüber abstimmen, und wir werden dann in eigener Verantwortung entscheiden, wann und wie wir unsere weiteren programmatischen Einzelentscheidungen zum Thema der Begrenzung des Staatsanteils, zur Neugewichtung der Aufgaben treffen. Wir entscheiden selbst, wann und wie wir es in der Perspektive dieser Gesetzgebungsberatung und natürlich der großen politischen Auseinandersetzung vor dem nächsten Herbst tun. Herr Wehner, wir sind hier nicht in der Klippschule der sozialdemokratischen Fraktion. Das bestimmen wir selbst.
Uns kommt es vor allem darauf an, das heute vorn Bundeskanzler — ich glaube, zum großen Bedauern einer weiten Öffentlichkeit — Versäumte deutlich zu machen: Diese fiskal- und finanzpolitische Diskussion muß eingebunden werden in eine Gesamtdiskussion über die Frage der Überwindung der Rezession im Rahmen unserer nationalen Möglichkeiten zur Wiederbelebung der Wirtschaft und damit auch zur Überwindung der Arbeitslosigkeit. Diese Einordnung ist uns die Bundesregierung schuldig geblieben, weil offensichtlich die in ihr vertretenen Kräfte nicht in der Lage sind, die notwendigen Entscheidungen für ordnungspolitische, gesellschaftspolitische und finanzpolitische Rahmenbedingungen zu fällen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vom Ressort her, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, hatte ich an sich nicht die Absicht, heute das Wort zu ergreifen, aber nachdem Reden von FDP-Politikern auf Sie doch eine gewisse Faszination auszuüben scheinen, möchte ich diesem un- stillbaren Bedürfnis nachkommen.
Herr Kollege Stoltenberg hat von meinen freundlichen Worten gesprochen, die ich in seinem Land
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12981
Bundesminister Genscheran ihn gerichtet habe. Ich wiederhole das, Herr Kollege Stoltenberg: Wir sind bereit — und das sage ich nicht nur für die Freie Demokratische Partei, sondern für die ganze Bundesregierung —, unvoreingenommen und objektiv jeden Ihrer zusätzlichen Kürzungsvorschläge zu prüfen.
Nur, sie müssen auf den Tisch, bevor sie geprüft werden können.
Herr Kollege Stoltenberg, wenn Sie schon auf das Papier Bezug nehmen, das in Ihrer Fraktion erarbeitet worden ist: Ich weiß, kein Ministerium kann darauf verzichten, daß Gedankenmodelle entworfen, daß Gedankenskizzen erstellt werden. Das kann auch eine Partei nicht. Ich werde niemals ein Ressort oder eine Regierung oder eine Partei auf ein solches Gedankenmodell festlegen. Wichtig ist aber, daß man dann politisch sagt, welche dieser Gedanken gelten, welche nicht gelten oder welche Gedanken und Vorschläge man an Stelle dieser Skizze auf den politischen Markt bringen will.
Dazu haben wir in der heutigen Debatte bis zur Stunde nichts gehört, und das ist auch der Grund dafür, warum die beiden zuständigen Minister, die Kollegen Friderichs und Apel, mit ihrer Wortmeldung immer noch zurückgehalten haben, weil sie ja gern in eine sachliche Diskussion über die Vorschläge der Opposition eintreten würden.
— Herr Kollege Müller-Hermann, Sie kennen die Vorschläge der Bundesregierung, die der Bundeskanzler heute in der Regierungserklärung vorgetragen hat. Ich habe den Eindruck, daß sich die Opposition als Strategie für diese Sitzung vorgenommen hat, sich auf den Bundeskanzler einzuschießen. Sie wissen, der Bundeskanzler ist auch hart im Nehmen und ebenso hart im Geben. Trotzdem finde ich, daß man in einer so schwierigen Situation bei aller Kritik und bei aller parlamentarisch ausgesprochen wünschenswerten Angriffslust doch auch die Kraft haben sollte, Leistungen der eigenen Regierung anzuerkennen.Ich nenne nur zwei Punkte, von denen, die unbestreitbar sind — auch in dieser Diskussion. Es ist erstens unbestreitbar, daß es dieser Regierung in einer inflationären Umgebung gelungen ist, im eigenen Land die Inflationsmentalität zu brechen und damit eine gesunde und stabile Grundlage für den Aufschwung zu legen.
Zweitens ist unverkennbar, daß es angesichts einer international notwendigen Abstimmung über die Maßnahmen, die, Herr Kollege Stoltenberg, je nach der unterschiedlichen Ausgangssituation ganz sicher auch unterschiedlich sein müssen, richtig war,daß der Bundeskanzler in dieser Frage die Initiative ergriffen hat, und zwar nicht nur innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, sondern auch im Verhältnis zu allen Industrienationen. Das ist im Ausland auch überall anerkannt worden. Es hätte deshalb der Opposition überhaupt nichts von ihren Möglichkeiten der Profilierung abgeschnitten, wenn sie die Ernsthaftigkeit dieser Bemühungen und auch das sich einstellende Ergebnis als einen Erfolg deutscher Politik hier gewürdigt und anerkannt hätte.
Dies vorausgeschickt, meine Damen und Herren. Jetzt würde ich gern eine Bemerkung zu einem Thema machen, das der Bundeskanzler heute aus guten Gründen aufgegriffen hat, nämlich zu den Vereinbarungen mit Polen. Der Bundeskanzler hat die erste parlamentarische Möglichkeit benutzt, um dem Hohen Hause über diese Vereinbarungen zu berichten; denn es besteht ganz sicher auch ein sachlicher Zusammenhang mit dieser Debatte, weil diese Vereinbarungen, wie für jedermann klar ist, auch finanzielle Auswirkungen haben.Herr Kollege Carstens hat — und nur darauf möchte ich jetzt eingehen — heute gesagt: „Aber zu unseren Vorstellungen gehört es nicht, daß wir der polnischen Regierung jeweils die Beträge zahlen, die sie von uns verlangt." Meine Damen und Herren, das gehört auch nicht zu unseren Vorstellungen. Nur bitte ich Sie, jene 120 000 bis 125 000 Menschen nicht außer acht zu lassen, die in den nächsten vier Jahren auf der Grundlage dieser Absprache zu uns kommen sollen,
bevor Sie sich in allen diesen Fragen Ihre Meinung bilden.
Mehr möchte ich in diesem Zusammenhang nicht sagen, weil es nicht üblich ist, Vereinbarungen dieser Art vor der Unterzeichnung im Parlament zu diskutieren.Ich möchte nur jedem, der hier mit zu entscheiden hat, das eine mit auf den Weg geben: Sie mögen Ihre Meinung — das habe ich schon einmal gesagt — über das Zustandekommen der Verträge damals haben. Heute stehen wir alle gemeinsam in der Verantwortung, das, was notwendig ist, um die Ausreise von Deutschen, die zu uns kommen wollen, möglich zu machen, auch zu tun. Ich denke, daß wir ohne Leidenschaft und ohne daß wir unsere früheren Gegensätze dabei begraben müssen, uns dieser Verantwortung gemeinsam stellen sollten. Es wird in den zuständigen Ausschüssen genügend Gelegenheit geben, über diese Fragen noch im einzelnen zu sprechen.Meine Damen und Herren, es ist davon gesprochen worden, welche Bedeutung der Bundesrat hat, welche Rolle er spielt, ob er als Organ auftritt. Herr Kollege Kohl hat recht: Der Bundesrat tritt als Verfassungsorgan auf und bildet seine Meinung mit der Mehrheit der dort vertretenen Stimmen wie der12982 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975Bundesminister GenscherBundestag auch. Das hat der Bundeskanzler auch nicht anders gesagt und gemeint.Nur, meine verehrten Damen und Herren: In einer Verfassungsordnung, in der der anderen Kammer so weitgehende Rechte gegeben sind, in einer Verfassungsordnung, in der die andere Kammer sogar Gesetze aufhalten kann, ist es ganz undenkbar, daß dieselben politischen Kräfte, die in dieser anderen Kammer Gesetze haben passieren lassen, jetzt die Konsequenzen dieser Gesetze nur denen anlasten wollen, die hier im Bundestag die Mehrheit haben.
Das ist eine Logik, die Sie nicht werden vertreten können.Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien entziehen sich doch in keiner Weise der Verantwortung für die Gesetze, die jetzt in dieser Legislaturperiode, in der Legislaturperiode davor und auch in früherer Zeit beschlossen worden sind. Ich denke, daß jede Fraktion und auch jede Landesregierung ihr Verhältnis zu einem Gesetz danach bestimmen sollte, ob sie dem Gesetz zugestimmt oder ob sie es abgelehnt hat, aber nicht danach, ob die jeweilige Partei bei Verabschiedung des Gesetzes in der Regierung oder in der Opposition war.
— Herr Kollege, da will ich Ihnen etwas sagen. Eine Fülle von Bedenken, die Kollegen meiner Fraktion damals gegen diese Struktur — gegen den Versuch, über eine europäische Bürokratie politische Prozesse in Gang zu setzen — vorgebracht haben, bewahrheiten sich leider heute in der vollkommensten Weise. Das hat mit einer Ablehnung der europäischen Einigung, wie Sie wissen, überhaupt nichts zu tun.
Meine verehrten Damen und Herren, ich will damit sagen, daß es Ihnen in einer Finanzsituation, in der Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betroffen sind, in der, von wenigen Ausnahmen abgesehen, alle ausgabenwirksamen Gesetze von Regierungskoalition und Opposition gemeinsam beschlossen worden sind, nicht gut ansteht, wenn Sie die Verantwortung ausschließlich bei den Regierungsparteien suchen, Ihre eigene Verantwortung aber vor der Öffentlichkeit nicht bekennen wollen. Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung!
Aus dieser Verantwortung heraus, meine Damen und Herren, habe ich auch die von Herrn Kollegen Dr. Stoltenberg zitierte Rede gehalten, aus einer Verantwortung heraus, die besagt, daß wir alle — nicht nur wir in der Bundesrepublik Deutschland, sondern die Industrienationen überhaupt — über unsere Verhältnisse gelebt haben. Aus dieser Verantwortung heraus habe ich auf diesem Parteitag gesprochen, und aus dieser Verantwortung heraus wiederhole ich das auch heute.Sie werden der Gefahr, daß man Ihre Vorstellungen über Kürzungsvorschläge mißdeutet — mißdeutet möglicherweise auch als „soziale Demontage", was ich nicht tue, was aber z. B. in der Presse geschehen ist —, am besten dadurch entgehen können, daß Sie Ihre eigenen Vorschläge konkretisieren.
Meine Damen und Herren, es ist heute sehr viel davon die Rede gewesen, es sei jetzt die Stunde der Wahrheit. Ich versichere Ihnen: Nachdem Sie, meine Kollegen von der CDU/CSU, die Mehrwertsteuererhöhung ablehnen wollen, wird für Sie sehr bald die Stunde der Wahrheit kommen, in der Sie bekennen müssen, wie Sie selbst das entstehende Defizit durch andere Steuererhöhungen — vielleicht bei den Investitionen? — oder durch Einsparungen im Haushalt decken wollen.
Das, meine Damen und Herren, ist eine Frage, die Sie sich wirklich stellen sollten.Ich habe Verständnis dafür, wenn Sie sagen: Wir sind bereit zu kooperieren. Aber Kooperation bedeutet eben in einem bundesstaatlichen System, in dem auch das andere Verfassungsorgan Initiativrecht hat, auch die Möglichkeit und die Notwendigkeit, mit eigenen Anträgen zu kommen.Und damit komme ich zu den Ermahnungen an die Freien Demokraten. Da ist gefragt worden, was denn nun geworden sei aus unseren Vorstellungen von der Notwendigkeit steuerlicher Anreize für die Belebung der Wirtschaft. Wir sind der Meinung, daß es in der Tat notwendig ist, unvoreingenommen darüber zu diskutieren, ob und wie auch durch Veränderung der steuerlichen Begünstigung der Investitionen mittel- und langfristig ein stetiges Ansteigen der Investitionen möglich ist. Darüber wird in der Regierung diskutiert, darüber wird in unserer Partei diskutiert. Und der Tatsache, daß Sie selbst, die Sie offenbar diesen Vorstellungen nahestehen, noch keine Anträge im Bundestag oder im Bundesrat eingebracht haben, muß ich entnehmen, daß auch Sie noch über diese Frage diskutieren. Ich werfe Ihnen das gar nicht vor; aber, bitte, richten Sie dann auch den entgegengesetzten Vorwurf nicht an uns.Meine Damen und Herren, Gegenstand der Debatte heute kann leider nur sein, was die Bundesregierung vorgelegt hat. Die Opposition hat zu unserem Bedauern ihr Vorschlagsrecht nicht gebraucht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wenn der Kollege Genscher soeben eine Entlastungsoffensive für den
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12983
Dr. BarzelBundeskanzler begonnen hat, kann ich das gut verstehen; denn der Bundeskanzler hatte heute offenbar nicht seinen besten Tag.
: Groggy war er!)
wo Sie uns „soziale Demontage" vorwerfen. Herr Bundeskanzler, sozial demontiert, wer Arbeitslosigkeit und Schulden und Steuererhöhungen verantwortet. Das ist dieser Bundeskanzler dieser Bundesregierung.
Wir sind in einer Lage der nun bewiesenen Reform- und Fortschrittsunfähigkeit dieser politischen Führung, mit einem infolge Konkursrekord nicht anders als Mittelstandsvernichtung zu bezeichnen-den Strukturproblemen. Wir sind in einer Lage, die gekennzeichnet ist durch den Export von Arbeitsplätzen, in einer Lage, die vielfach politische Ungewißheit produziert hat.Diese Lage zu debattieren macht mir keinen Spaß. Es macht auch dann keinen Spaß, wenn man rechtzeitig vor ihr gewarnt und Abhilfe angeboten hat. Mit dem Blick auf die Lage der betroffenen Menschen ist mir, Herr Bundeskanzler, Ihre Intervention heute abend völlig unverständlich. Was sollte die Rechthaberei, mit der Sie versuchten, Ihre Geschichtsklittereien in einem anderen Licht darzustellen?
Meine Damen und Herren — das sage ich nun ganz persönlich —: Diese Lage hätten wir gerne allen erspart. Es ist genau die Lage, die wir im April 1972 dem Bundestag und im Herbst 1972 den Wählern als Sorge voraussagten, die Lage, die wir vermeiden wollten.
Es ist auch die Lage — jetzt darf ich unseren herausragenden Kollegen Alex Möller ansehen —, die dieser erste sozialdemokratische Finanzminister dieser Bundesrepublik Deutschland seiner Partei, dieser Koalition und den Deutschen gerne erspart hätte, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Denn Sie traten doch 1971 zurück, um durch dieses Signal, so hieß es damals, das mittelfristig bevorstehende Finanzchaos abzuwenden.
Lesen Sie die Dokumente nach. Das ist jetzt die Lage, die Alex Möller befürchtete.Dieses Signal wurde übersehen, die Ratschläge der Opposition wurden überhört, die der Wissenschaft übergangen. Die Zeche, meine Damen, meine Herren, zahlen nicht wir hier, die zahlt der „kleine Mann". Und die, die das verantworten, sitzen hier hochtrabend, fahren mit Blaulicht und wollen ausgerechnet uns den Rotstift in die Hand drücken, meine Damen, meine Herren.
Nein, mit Verlaub, meine Damen und meine Herren, diesen Weg bergab verantworten SPD und FPD allein.
Sie sind diesen Weg gegen uns gegangen, der Rotstift gehört in Ihre Hand. Haushalt ist Ausdruck der Regierungspolitik. Wenn Sie die Kasse nicht schaffen können, um Ihre Politik zu finanzieren, dann müssen Sie schon sagen, wo Sie sich wie übernommen haben, meine Damen, meine Herren.
Wir verantworten es nicht, daß durch Ihre Politik aus einem greifbaren Überschuß in der Kasse von Kurt Georg Kiesinger es ist heute morgen davon
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12984 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Barzeldie Rede gewesen; im September 1969 betrug der reale Überschuß in der Kasse 2,2 Milliarden DM — innerhalb sechs Jahren im September 1975 ein Fehlbetrag von 40,86 Milliarden DM geworden ist. Meine Damen, meine Herren, ich hatte vor Amtsantritt dieser Koalition Sie gewarnt, „erst einmal einen auszugeben". Ich habe bilanziert.
ich habe hier alles vorgelegt — innen- und außenpolitisch —, in welcher Lage der Bundeskanzler Brandt antrat. Ich habe dieses Zitat beim Amtsantritt von Bundeskanzler Helmut Schmidt wiederholt. Sie können sich nicht beklagen, daß wir Ihnen nicht rechtzeitig gesagt haben, daß dies für alle am Schluß zu teuer sein würde.Wir verantworten es nicht, meine Damen und Herren, daß sich der Staatsanteil — in der Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung — in v. H. des Bruttosozialprodukts von 37,3 % im Jahre 1970 auf 47 % im Jahre 1975 gesteigert hat, daß also — im Klartext — der Anteil der Bürger am Erarbeiteten sinkt und der des Staates galoppierend anschwillt, daß die Hälfte der Staat beansprucht.Wir verantworten es nicht, daß trotzdem die Investitionsquote des Bundes, d. h. die Aufwendungen für eine moderne Zukunft, von 17 % im Jahre 1970 auf 12,8 % im Jahre 1978 sinkt und daß mit diesen immer mehr Milliarden immer weniger öffentliche Leistungen erbracht werden, daß also die Bürger dem Staat immer mehr abgeben und dafür weniger bekommen. Wir verantworten es nicht, daß die Bundesregierung diese tiefgehende Strukturkrise in ihrer Analyse und in ihrem Konzept nicht einmal zur Kenntnis nimmt.
Und wir verantworten auch nicht, daß sich der Personalbestand im öffentlichen Dienst im Bund so ausgeweitet hat, wie das mein Kollege Carstens immer treffend sagt: verdoppelt hat in den Jahren 1969 bis 1973, verglichen mit den Jahren 1961 bis 1969.Wenn man jetzt, meine Damen, meine Herren, auf die ehrenwerte Zunft der Beamten, von der ich herkomme, das müssen Sie verstehen, so schimpft — ich komme aus der Zunft der Ministerialbeamten —, so muß man sagen: Die Herren haben sich doch nicht selbst vermehrt!
Da gab es doch eine Politik, die immer mehr Stellen und Stellenanhebungen bewirkt hat. Und ich als gelernter Ministerialrat muß Ihnen sagen: Ich halte etwas von meiner Zunft. Wir sind dann besonders gut, wenn wir uns nicht durch zu große Zahl gegenseitig im Wege stehen.
Wir verantworten es nicht — Graf Lambsdorff, Sie gucken mich so an , wenn der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums im August 1975 feststellt, das Defizit der öffentlichen Finanzen — insgesamt der Haushalte, nicht allein des Bundes — betrage über 60 Milliarden; nur etwa die Hälfte davon sei auf die schlechte Konjunktur zurückzuführen; die andere Hälfte sei Ausdruck eines strukturellen Haushaltsungleichgewichts. Das heißt im Klartext: 30 Milliarden unseriöse Schulden. Das verantworten wir nicht. Das verantworten auch nicht, meine Herren aus der Baracke und aus den anderen Propagandabüros und Herr Bundeskanzler, die Ölscheichs, das verantworten nicht die Unternehmer, nicht die Opposition, nicht die Weltwirtschaft — vielleicht der Mann im Mond, aber den hat der Kanzler heute noch nicht erfunden, weil er zwischendurch noch die Europäische Gemeinschaft und die Länder erst einmal als Verantwortliche genannt hat.
Dies alles soll doch nur ablenken von Ihrem Versagen und von Ihrer Schuld.Dies alles — das muß ich leider sagen, Herr Bundeskanzler Schmidt; Sie wissen, daß ich das nicht gern tue — verantwortet ganz zuerst der frühere Finanzminister Helmut Schmidt, der ja als Bundeskanzler sein eigenes finanzielles Erbe übernommen hat. Von Ihrem unverantwortlichen Satz: „Lieber 5 % Inflation als 5 % Arbeitslosigkeit" — unsere Antwort war: „Sie kriegen beides!" —, bis in diese Lage ist ein gerader Weg; leider bergab. Das verantworten Sie, Herr Bundeskanzler.
Wenn man Sie heute morgen hörte, gewann man eigentlich den Eindruck: Hier ist alles in Ordnung, vor allem der Kanzler; gäbe es nicht die böse Umwelt, wäre überhaupt alles in Ordnung. Ich glaube, Herr Carstens hat es heute morgen gesagt: man soll sich in derselben Rede möglichst nicht widersprechen. Das ist natürlich in dieser Lage ein sehr starkes Qualitätserfordernis.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
die Binnennachfrage ist doch ein Jahr früher umgekippt als die Außennachfrage! Warum haben wir dann eine Million Arbeitslose, wenn Sie die Binnennachfrage wirklich in der Hand haben? Ich will Ihnen sagen, warum. Sie wissen das doch selber. Sie wissen doch auch, was jetzt zu tun wäre. Ich komme am Schluß darauf, warum Sie das nicht machen.Sie sagen — ich zitiere Sie —: „Vertrauen ist die Hälfte der Konjunktur." Leider haben Sie diesen wahren Satz erst am 29. Mai, nämlich in Hamburg, ausgesprochen — vier Wochen nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen. Aber wie soll eigentlich Vertrauen wachsen, wenn Sie selbst, Herr Bundeskanzler, mit Ihren Prognosen und Meinungen schneller wechseln, als selbst die interessierte Öffentlichkeit noch folgen kann; und wenn Sie, nachdem Sie sich geirrt haben, sich hinstellen und sagen, wir alle hätten uns geirrt? Das ist nicht einmal pluralis majestatis, dies ist einfach nicht wahr. Wir haben Ihnen rechtzeitig von Ihrem falschen Weg abgeraten.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12985
Dr. BarzelWenn aber Vertrauen die Hälfte der Konjunktur ist, dann ist doch, andersherum, die Hälfte der Misere, des Rückgangs, der Rezession eben zurückzuführen auf fehlendes Vertrauen, auf Mißtrauen, auf Unsicherheit. Was tun Sie eigentlich, Herr Bundeskanzler, um Vertrauen, diese Basis, diese unerläßliche Voraussetzung jedes Aufschwungs herzustellen?Ich muß Ihnen leider sagen, Sie treiben es noch ärger. Ihr neues Programm ist schon das dritte. Man hat es in Großbritannien lernen können, was „stop and go" bedeutet. Aber wir müssen es unbedingt nachmachen: jeden Tag was anderes. Da kann sich keiner darauf einrichten. Ihr drittes Programm preisen Sie öffentlich an mit dem Argument — so am 11. September aus Bremen in der Tagesschau zu sehen; ich sehe Sie noch vor mir , Sie müßten jetzt bei den laufenden Staatsausgaben sparen, um besser die künftigen Investitionsausgaben finanzieren zu können. Sie wissen, Herr Bundeskanzler, daß das ein Wunsch ist. Aber in Ihrer Vorlage steht das nicht. Sie wissen, daß nach Ihren Vorlagen die Investitionsquoten der geplanten Haushalte absinken, daß sich die investiven Ausgaben des Bundes verringern, auch nach Ihrer mittelfristigen Finanzplanung. Warum sagen Sie dann den Menschen das Gegenteil.Sie wissen weiter, daß die Annahmen Ihrer mittelfristigen Finanzplanung sich gegenseitig ausschließen. Sie unterstellen ein reales Wachstum des Bruttosozialprodukts von 5 % je Jahr. Dabei wissen Sie, Herr Bundeskanzler, daß Sie in der Zeit Ihrer Regierung — die Ihres Vorgängers eingeschlossen — dieses Datum durchschnittlich noch nie erreicht haben. Wie wollen Sie dies eigentlich in der Zukunft erreichen? Sie wissen, daß Sie diesen Zuwachs nur dann erreichen können, wenn die Investitionen je Jahr um wenigstens 8 % real steigen. Dazu gehört ein steigender Staatsanteil. Diesen bringen Sie aber in Ihren mittelfristigen Zahlen nicht bei. Das Gegenteil ist wahr; Ihre Zahlen, Herr Bundeskanzler, sprechen eine andere Sprache als Ihre Worte.Ich räume ein, daß dies ein Versuch war, auf den Weg zur Ehrlichkeit zu kommen. Aber, Herr Bundeskanzler, fliehen Sie ganz nach vorn! Fliehen Sie in die Wahrheit! Machen Sie nicht den Versuch, in Raten und durch weitere — sagen wir es höflich — Widersprüchlichkeiten neben dem Vertrauen noch ein Stück Autorität dieser Republik insgesamt in den Strudel zu bringen! Das ist die Sorge, die wir haben.
Heute war die Rede davon, daß natürlich diese böse Opposition die Verunsicherung produziert. Ich sehe, Herr Ehrenberg bereitet sich schon darauf vor — —
— Herr Kollege Wehner, es gelingt nicht einmal mehr Ihnen, böse zu sein.
Meine Damen, meine Herren, warum soll eigentlichein Unternehmen ein neues Wagnis auf sich nehmen, also etwas unternehmen, wenn der Mann, derdas macht, prinzipiell verteufelt wird, wenn er weder über die Zinsen noch über die Steuern, noch über die Löhne, noch über die Wechselkurse hinlängliche Gewißheit hat,
— wenn er nicht weiß, Herr Kollege Ehrenberg, wer morgen die Investitionsentscheidung für den Anschluß treffen wird,
wenn er nicht weiß, wem die Bank gehören wird und wer dort die Entscheidungen treffen wird, wenn es übermorgen weitergehen soll?
Das sind doch alles Punkte, die Gift sind. Lesen Sie nach, was der jetzige Kanzler in der Zeit vor seiner Wahl zum Kanzler Ihnen allen in einem Papier unterbreitet hat: „Unsicherheit ist Gift!" So damals der Kanzler. Dies ist Gift, und das muß weg.
Ich hatte beim Amtsantritt des Bundeskanzlers Schmidt, gestützt — ich muß dies sagen — auf damals noch aussagekräftigere Bundesbankberichte, versucht, Ihnen auch noch folgendes nahezubringen. Ich habe damals gesagt, der überproportionale Zuwachs an Steuern werde nicht für Investitionen, sondern zur Finanzierung des überproportionalen Zuwachses an konsumtiven Ausgaben verwendet; das sei für die Arbeitsplätze gefährlich. Auch die Bundesbank hat damals gemahnt — ich zitiere —:Die Beschäftigungsrisiken sind weitgehend die direkte oder die indirekte Folge von Verzerrungen und strukturellen Problemen, die der Inflationierung zuzuschreiben sind.Diese Warnungen haben wir damals an Sie gerichtet. Es ist doch gar keine Frage, daß der Präsident der Bundesbank die Inflationierung als ein überwiegend hausgemachtes Problem ansieht. Dies hat er oft genug gesagt. Denn Inflation und Arbeitslosigkeit bei einem Rückgang der Investitionen hatten schon begonnen, bevor die Ölscheichs in Erscheinung traten.
Der Investitionsabfall, der nun eintrat, führte zu der Arbeitslosigkeit, die Sie kennen. Es wird sicher, wenn die Debatte weitergeht und man sich später den konkreten Dingen zuwendet, von dem Investitionsverlust in Höhe von über 100 Milliarden DM noch die Rede sein. Dies alles begann doch vor dem Thema Ölscheichs. Wenn Sie sich die internationale Statistik des Investitionszuwachses ansehen, werden Sie feststellen, daß die Bundesrepublik Deutschland mit Null auf die letzte Stelle zurückgefallen ist. Das ist Betrug an der Zukunft der jetzt jungen Menschen.
Ich will nun nicht auch noch meine Sammlung von Kanzlerworten, die sich als Blech erwiesen haben, hier vortragen. Herr Bundeskanzler, der Aufschwung, den Sie vor den Mai-Wahlen befohlen haben, gehorchte Ihrem barschen Kommando nicht.
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12986 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Barzel.„Zahlen marsch!" geht eben nicht; das ist noch nicht machbar. Die Wähler sehen sich an der Nase herumgeführt. Ihr Konjunkturprogramm vom letzten Winter ist verpufft. Das waren Milliarden, geträufelt durch den Gartenschlauch auf die Blätter des Baumes, statt ihm von den Wurzeln her neue Kraft zuzuführen.
Aber es fehlte eben damals eine Analyse, und es fehlte — wie jetzt wieder — die richtige Konsequenz. Solide begründet — verzeihen Sie! — und seriös ist das Ganze, was hier vorgetragen wird, nicht. Die Frage, woher denn der Aufschwung kommen soll, welche Wirtschaftspolitik wieder Arbeit, Steuern und Wachstum bringen soll, die fundamentale Frage also, die klammern Sie aus. Attentismus ist hier ganz bestimmt keine Politik.Wie Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, angesichts der Lage der Städte und Gemeinden der Krankenhäuser und Krankenkassen, der Bahn und der Post, der Zinsen für Ihre Schulden und der gesetzlichen Verpflichtungen in Ihrer Rechnung mit einem Etatzuwachs für 1977 von 3 % durchkommen wollen, das wissen Sie wohl selbst nicht zu sagen. Den Kollegen Apel mag ich danach nicht fragen; denn den hat ja — nach eigenen Worten — das Pferd getreten. Ich würde ihn nur gerne fragen, wann und wohin eigentlich.
Meine Damen, meine Herren, wie hätten Sie sonst hier bei der letzten Haushaltsdebatte und im Mai, Herr Kollege Apel, unsere Lage als „beneidenswert" und besonders erfolgreich bezeichnen können!
Wenn Sie jetzt in dieser Lage die Steuern erhöhen — es tut mir leid —, ist das der Tritt des Elefanten gegen den Aufschwung. Deshalb hat es wohl keinen Zweck, da Fragen zu stellen.Wir stimmen der Wochenzeitung „Die Zeit" zu. Ich stimme ihr zu, wenn sie am 12. September schreibt — ich zitiere —:Ein zukunftsweisendes Konzept fehlt noch. Mit der dauerhaften Sanierung der Staatsfinanzen ist bisher nicht einmal begonnen worden.Die fundamentale Frage, meine Herren: Schulden, wozu? Diese Frage haben Sie doch überhaupt nicht beantwortet. Machen Sie Schulden für Investitionen oder für laufende Rechnung — das ist doch die entscheidende Frage — oder vielleicht nur für alte Zinsen?
Diese entscheidende Frage klammern Sie aus. Das kann vielleicht am Kabinettstisch gehen, vielleicht sogar in Ihren Fraktionsberatungen. Die wirkliche Welt wird diese Frage auf den Kabinettstisch zurücklegen.
Das Zahlenwerk, das Sie hier nun vorlegen und an dem Sie sich — ich habe fast den Eindruck —berauschen, steht doch auf tönernen Füßen. Wenn Sie, meine Damen und Herren, das nur nicht schon im November alles wieder revidieren müssen, wenn die neuen Steuerschätzungen vorliegen! Was ist nach dem nächsten Tarifabschluß? Was ist, wenn der Aufschwung nicht so kommt
: Arbeitslosenzahl!)
und wenn die Arbeitslosenzahl sich wieder — leider — nach oben bewegt? Woher soll der Aufschwung eigentlich kommen, den Sie mit real 5 % quantifiziert haben — was Sie in sechs Jahren nicht geschafft haben —, wenn der Staat das Geld pumpt, das die Wirtschaft für diesen Aufschwung brauchen würde? Was ist, wenn der Aufschwung nicht kommt?Ich fürchte, daß Sie sich im Grunde mit diesem Zahlenwerk in einen Inflationsrausch begeben.
Dieser Zahlenrausch löst kein Problem. Er ist mehr Schleier als Wahrheit. Es stimmt hinten und vorne nicht. An diesem Ablenkungsmanöver, meine Damen und Herren, werden wir uns nicht beteiligen!
Und hierzu noch eines: Sowohl der Bundeskanzler heute morgen wie der Kollege Möller heute nachmittag haben noch einmal auf die ungeheure internationale Wirksamkeit der Bundespolitik hingewiesen. Es ist wahr, daß hier mit einem ungeheuren publizistischen Aufwand von einer gemeinsamen Konjunkturpolitik mit den USA und Frankreich gesprochen worden ist. Herr Kollege Möller, Herr Bundeskanzler, viel Gemeinsames scheint dabei aber nicht herausgekommen zu sein; denn die USA und die Franzosen setzen doch ganz andere Akzente.Es ist wohl doch schon so, wie Friedrich Nowottny in diesem Monat in „Capital" schrieb — ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten —:In dem dann folgenden strategisch glänzend abrollenden Dreiersprung der Spitzengespräche ... wurde die Idee der weltweiten Konjunkturpolitik ... hochstilisiert ... In Helsinki dann wurde das Bild der weltweiten Einigkeit der Industriestaaten zum Ereignis. Der große Bluff hatte seinen Höhepunkt. Kein Zweifel: Die Sache ist gut gemacht. Nur sie bringt nichts.
Der große Bluff bringt eben insgesamt nichts. Dafür können wir keine Mitverantwortung übernehmen.Wir bekennen uns natürlich dazu, daß die Opposition in keiner anderen Lage ist als alle unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die für eine Politik der Regierung mithaften. Deshalb müssen wir alle sehen, wie wir aus dieser Lage wieder herauskommen.Ich fand eigentlich die Antwort — ich nehme an, es war eine erste, flüchtige Antwort —, Herr Bundeskanzler, die Sie auf die Ausführungen des Kollegen Kohl gegeben haben, nicht ausreichend im
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12987
Dr. BarzelHinblick auf die Ernsthaftigkeit des Angebots, das er hier gemacht hat.
Aber richtige Antworten setzen richtige Analysen voraus. Von der Bundesregierung hören wir bisher Ausreden, nicht Diagnosen. Solange Sie mit der Wünschelrute durchs Gelände tapsen, ist für seriöse Mitwirkung kein Raum; denn all Ihre psychologische Geschicklichkeit und alle Darstellungskunst des Bundeskanzlers können doch die Tatsachen nicht ersetzen. Tatsache aber ist: Die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung erbringt nicht die Steuerkraft, aus der die herausragende Sozialqualität unseres Staates und die möglichen und nötigen Reformen bezahlt werden könnten.Wir leugnen nicht weltwirtschaftliche Einflüsse. Kollege Kohl hat dies dargetan. Aber diese Tatsache zwingt doch, sich jetzt mit dem Blick nach vorn den wirklichen Fragen und den Ursachen zuzuwenden.Es ist doch nicht wahr, Herr Bundeskanzler, daß überall alles sehr viel schlimmer sei. Warum haben wir so lange so viele Arbeitslose? Warum mehr als andere — Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien?
Warum haben wir weniger wirtschaftliches Wachstum, Herr Kollege Ehrenberg? Sie werden sicher herkommen und das erklären. Warum haben wir weniger Wachstum als andere, z. B. als Frankreich? Warum stagniert unser Export, während der Export anderer Länder in diesem schwieriger gewordenen Weltmarkt zunimmt, z. B. der der USA? Warum sinkt unsere Steuerkraft und mit der Steuerkraft die Modernität?
— Es wird auch Zeit, daß Sie langsam aufwachen, meine Damen, meine Herren!
Ich merke, daß es Sie aufs höchste interessiert hat, mal die wirklichen Fragen zu hören. Denn keine dieser Fragen hat die Regierung bisher gestellt, und geantwortet hat sie sowieso nicht. Nur wenn sie das täte und die Strukturprobleme dazunähme, könnte man doch anfangen, darüber nachzudenken, ob hier ein Weg bergauf begonnen wird. Noch ist er doch nicht zu sehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Tendenzwende — so sein beachtlicher Vortrag — sei bisher nicht erkennbar; die Perspektiven blieben unsicher. Der Staatsanteil am Bruttosozialprodukt sei von 1962 bis 1970 um zwei Prozentpunkte, von 1970 bis 1974 aber um sechs Prozentpunkte gestiegen. Weitere Unsicherheiten belasteten die Unternehmen ebenso wie eine nachhaltige Verunsicherung durch öffentliche Auseinandersetzungen über Forderungen nach Systemveränderung. Die Klärung der mittelfristigen Horizonte sei nötig, dazu gehöre eine entsprechende Korrektur der mittelfristigen Finanzplanung sowie eine Durchforstung der Sozialausgaben. In der Steuerpolitik sei ein Verzicht auf weitere zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft und speziell für Klein- und Mittelbetriebe anzustreben. Der Verlustrücktrag solle eingeführt und die Sätze der Vermögen- und der Gewerbesteuer sollten überprüft werden.
Das ist das Konzept, von dem ich dachte, der Vorsitzende der FDP, der vorhin hier sprach, würde davon gesprochen haben.
Von diesem richtigen Ansatz ist in dem Paket der Bundesregierung nichts zu sehen. Warum, Herr Kollege Friderichs, tragen Sie dann dieses Paket mit? Sie haben doch nun erfahren, daß das Notwendige in dieser Kombination nicht durchzusetzen ist. Ich will Sie da nicht drängen; denn Sie sind ja erst am Beginn eines sehr schwierigen Weges. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie, Herr Kollege, vergessen haben sollten, daß der frühere Bundesgeschäftsführer der FDP fragte: Koalitionen, wozu? Und daß Ihr Nachfolger, Herr Flach, in breiten Anzeigen alle die kritisierte, die da — so die Worte — „einfach weiterregieren", obwohl ihre Meinung und ihre Beschlüsse aufs Abstellgleis geschoben wurden. Die Frage bleibt auf der Tagesordnung.
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12988 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Müller-Armack behauptet hier nichts, sondern geht mit wissenschaftlicher Akribie hin und nennt 23 solche Scheibchen. Das ist etwas, Herr Kollege Friderichs, was Sie sich einmal ansehen sollten.In den USA, wo die Wirtschaftspolitik doch langsam, wie es scheint, Früchte zu tragen beginnt — und diese Hoffnung haben doch auch wir, auch wir wollen Aufschwung; wir haben doch keinen Spaß an dieser Situation in der Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren! —, wo es anfängt, bergauf zu gehen, stand am Beginn eine nüchterne Lagebeurteilung. Man ging nicht mit dem Stock durch den Nebel — wie hier — und arbeitete nicht mit der Propagandasonde, sondern dort ging der Präsident der Notenbank, Mr. Arthur F. Burnes, in ein Hearing und bezeichnete vor dem Wirtschaftsausschuß des Kongresses die Gefahren der wirtschaftlichen Entwicklung in sechs Punkten. Ich nenne sie mit seinen Worten: 1. die Verengung der Erträge; hierbei erwähnt er die Preise für Rohstoffe, für Zinsen und Personal, 2. die zunehmende Verschuldung, 3. die schrumpfenden Rationalisierungsmöglichkeiten und die Verringerung der Produktivitätszuwächse, 4. steigende Steuerlasten, 5. Inflation, 6. unsichere Wechselkurse. — Das dürften auch für uns wesentliche Punkte analytischer Bemühungen sein, falls wir ein Programm suchen, das auf Wahrheit gestützt ist und deshalb Erfolg sucht. Bestimmt gilt das, meine Damen, meine Herren, für den Kern der Warnung von Mr. Burnes.Die Überlegenheit der Sozialen Marktwirtschaft beruht doch auf der unbürokratischen und raschen Reaktionsfähigkeit gegenüber neuen Problemen, also auf der Elastizität der Privatwirtschaft, dies vor allem dann, wenn sie eine Struktur mit vielen Mittel- und Kleinbetrieben hat. Wenn aber die Elastizität durch Kahlschlag vieler kleinerer und mittlerer Betriebe, wie vorher dargetan, eingeengt wird, wenn die Elastizität durch Kosten und von außen bestimmte Daten gleich Null wird und wenn sich die Unsicherheit über den ordnungspolitischen Rahmen festsetzt, dann, meine Damen, meine Herren, ist Elastizität eben gleich Null. Dann treten Starrheit, Unbeweglichkeit und Unvermögen, rasch zu reagieren, an die Stelle von Elastizität. Wenn Elastizität gleich Null ist, dann ist das das Ende des Wachstums, die Unmöglichkeit des Aufschwungs und der Sozialen Marktwirtschaft.
Deshalb: Wenn das der Kernpunkt ist, ist das Gesamtprogramm der Bundesregierung im Kern falsch; denn diese gesamte Regierungspolitik engt den Spielraum für die Unternehmen weiter ein, statt ihn zu vergrößern.Wenn ich hier „Unternehmen" sage, dann meinen wir damit den Sozialverband in Partnerschaft aus Arbeitnehmern und Eigentümern. Die Sache ist im Kern falsch, weil durch neue Abgaben und Steuern die Starrheit der außenbestimmten Daten vermehrt wird, statt sie wegzunehmen. Dies ist nicht der Weg zu Initiative und Investition, sondern der Weg in neue Schwierigkeiten. Das ist der Weg zu noch teureren Waren auf dem noch schwierigeren Weltmarkt; ist der Weg in sinkende öffentliche Investitionen. Dies — es tut mir leid — ist nicht der Weg aus der Krise, sondern der Weg in den Strudel.Ich will noch einmal die „Zeit" — diesmal einen anderen Autor — zitieren:Die Regierung hat harte Entscheidungen getroffen, doch unsere ökonomischen Probleme sind damit nicht gelöst. Die Chancen für einen konjunkturellen Aufschwung haben sich nicht verbessert, eher vermindert. Die Krise wird also weiterschwelen.Dies, meine Damen, meine Herren, machen Sie gegen unseren Rat. Dies machen Sie nicht mit unserer Verantwortung, und dies machen Sie auch nicht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Wirtschaftswissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums der Finanzen von Anfang August. Das muß hier gesagt werden.Ich möchte nun gerne — das werden Sie verstehen — noch ein Wort zu der Vergangenheit in den Jahren 1965, 1966 und 1967 sagen. Ich habe nichts dagegen einzuwenden, daß diese Punkte in die Debatte eingeführt werden.Erstens. Rückblickend muß man feststellen, daß die Rezession von 1967 eine flache Mulde war verglichen mit dem Tal, in dem sich die deutsche Wirtschaft heute befindet.
Ich will hier ein paar Zahlen — immer für 1967 und für 1975 — nennen: Wachstum damals minus 0,2 %, heute minus 3 %; Arbeitslose damals 459 000, heute 1,1 Millionen; Preise damals plus 1,7 %, heute plus 6 %, Export damals plus 8,1 %, heute minus 5,5 %. Der Tatbestand ist unvergleichbar.Zweitens. Was die Finanzen betrifft, ging es damals um knapp 3 Milliarden DM bei einem Haushaltsvolumen von 70 Milliarden DM. 1976 geht es um fast 50 Milliarden DM bei einem Haushalt von 170 Milliarden DM. Das kann jeder werten.Drittens — und hier stimme ich der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 1. September zu; das ist kürzer, als wenn ich es sage —:Zwischen den Beschlüssen des Jahres 1967 und denen dieses Jahres gibt es freilich einen entscheidenden Unterschied: Damals wurden die Finanzen des Staates und der Sozialversiche-
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Dr. Barzelrung tatsächlich für eine überschaubare Zeit saniert. Heute ist das nicht der Fall.
Bleibt, Herr Bundeskanzler, Ihr Selbstlob. Sie sagten vor den Wahlen, was Sie wollten, und schoben eigentlich dem Bundeskanzler Professor Erhard ein anderes Verhalten zu. Auch das ist durch die Tatsachen nicht gedeckt. Die Regierung Erhard, eine Koalition aus CDU/CSU und FDP, hatte vor der Bundestagswahl 1965 beschlossen und verkündet, a) daß sie nur deshalb von Art. 113 des Grundgesetzes nicht Gebrauch mache, weil damit der gesamte Inhalt dieser Gesetze entfalle, ihre Bedenken sich aber nur gegen Teile davon richteten, b) daß sie alle ausgabenwirksamen Gesetze und Ausgaben darauf überprüfen werde, ob sie voll oder nur teilweise aufrechterhalten werden könnten oder ob sie zunächst zurückgestellt werden müßten. Wer sich an den Wahlkampf damals — 1965 — erinnert, weiß was das für eine Rolle spielte. Die genauen Zitate sind im Bulletin der Bundesregierung vom 15. Juli und 13. August 1965 nachzulesen. Dies ist die Wahrheit.Nun rühmen Sie sich, Herr Bundeskanzler, jetzt kühner Entschlossenheit und mehr noch lassen Sie das rühmen und sind bemüht, den Pleitegeier als einen kraftvollen Bundesadler erscheinen zu lassen. In Wirklichkeit ist das alles ganz anders. Das, was der Bundeskanzler jetzt macht, m u 13 er nach geltendem Recht tun; denn die Gesetze verpflichten ihn dazu! § 9 des Stabilitätsgesetzes und § 50 des Haushaltsgrundgesetzes verpflichten jede Regierung, wer immer sie stellt, dazu, die Finanzplanung der Entwicklung anzupassen und rechtzeitig Maßnahmen zu treffen, um eine geordnete Haushaltsentwicklung unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Leistungsvermögens in den einzelnen Planungsjahren zu sichern. Das ist das geltende Recht.Wir haben auch nichts — Sie haben das gehört — gegen die Frage nach der Alternative. Wir werden im Laufe der Debatte noch manches verdeutlichen. Nur sind wir nicht bereit, uns an einem Schleiertanz zu beteiligen.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, Herr Kollege Ehrenberg. Ich weiß nicht, ob mir jetzt am Abend ein gutes Beispiel einfällt; vielleicht ist das Beispiel nicht so gut. Mir kommt es so vor, als wenn jemand bei schlechtem Wetter das Fenster aufmacht, so daß die Menschen drinnen vom Zug krank werden, außerdem noch Geld zum Fenster hinausschmeißt und mich dann nach der Alternative fragt, ob ich lieber das andere Fenster oder Scheine statt Münzen nehmen will. Dann sage ich: Fenster zu und Heizung an! Das Nein zum falschen Weg ist die Voraussetzung für den richtigen Weg.
Die Frage ist doch: Wie kommen wir wieder zu Wachstum? Dazu haben wir Ihnen hier einiges gesagt. Sie werden nicht daran vorbeikommen, vondem, was der Kollege Friderichs vorgeschlagen hat, im Laufe der Monate doch noch einiges zu tun.
Nun hat mich heute eigentlich nichts so beschäftigt wie der eine Satz unseres Kollegen Schmidt von der IG Bergbau, in dem er sagte — ich habe versucht, mir darüber ein Bild zumachen —, diese Lage sei von der Politik nicht verschuldet.
Meine Damen, meine Herren, es sind immer die anderen bei Ihnen, weil Sie doch — das bestreite ich überhaupt nicht — das Gute wollen und sich nicht vorstellen können, daß Ihnen trotzdem das Schlechte passiert.
Ich kann mir die Stimmung unter Sozialdemokraten sehr gut vorstellen. Warum soll ich es leugnen: Ich habe Freunde unter Sozialdemokraten. Sie stöhnen und ächzen jetzt: Warum mußte uns das passieren? Wir wollen doch keine Arbeitslosen. Wir wollen doch nicht hoffnungslose junge Leute. Wie konnte ausgerechnet uns das passieren? — Herr Kollege Ehrenberg, Sie machen noch ein fröhliches Gesicht bei dieser Lage. Dann kenne ich eben doch noch nettere Sozialdemokraten, als Sie vielleicht einer sind.
Meine Damen, meine Herren, ich möchte Ihnen dies sagen: Es ist Ihnen doch nicht „passiert" ; es ist doch bewirkt. Das fiel doch nicht vom Himmel. Das hat Ihnen doch kein fremder Dritter in den Tee getan. Dies ist eben — das möchte ich Ihnen doch sehr deutlich sagen — eine Folge davon, daß es eben etwas anderes ist, im Ortsverein oder in Hessen-Süd — fernab vieler Realitätsbezüge — zu diskutieren, als dieses Gemeinwesen, einen Industriestaat mit einer komplexen Gesellschaft, politisch zu führen.
Das verlangt viel Rücksicht, und das verlangt viel Sensibilität im Hinblick auf viele und nicht nur auf einige, und es verlangt natürlich Sachkenntnis. Dies ist Ihnen nicht „passiert". Sie müssen nicht ertragen, was überwiegend andere bewegten. Sie selbst haben dies zwar nicht gewollt, aber Sie haben es überwiegend bewirkt, und zwar nicht einer von Ihnen, nicht der frühere Bundeskanzler, nicht der jetzige, nicht der Finanzminister, sondern Sie alle; denn Ihr grüner Tisch und die wirkliche Welt passen nicht zusammen.
Keines Ihrer mittelfristigen Ziele haben Sie erreicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, obwohl Sie es gewollt haben. Wo sind die besseren öffentlichen Leistungen? Wo die wachsenden Investitionen? Wo das moderne Deutschland? Wo die bessere Lebensqualität? Wo mehr Demokratie?
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12990 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. BarzelMan muß eben nicht nur regieren wollen, sondern auch regieren könne n. Das ist der wichtige Punkt.
Und dabei muß man schon die wirkliche Welt im Blick haben. Sie haben doch schon jetzt — nehmen Sie Ihren Orientierungsrahmen zur Hand — den Staatsanteil — nämlich 47 % — erreicht, den Sie 1985 erreichen wollten. Was haben Sie für diesen hohen Preis, zehn Jahre früher, alles bewirken wollen? Und was haben Sie erreicht? Die Krise! Die Bürger haben weniger, und der Staat hat weniger.Eine Koalition, in welcher, wie wir das jetzt in diesen Tagen sehen, der eine den anderen belauert und jeder mehr sein Profil als den gemeinsamen Erfolg sucht, eine Koalition mit einer Hauptregierungspartei, die Mühe hat, sich in der Politik des Kanzlers selbst wiederzuerkennen, führt zu nichts Gutem!
Wenn Sie, was ich nicht bezweifle, wie wir, was Sie nicht bezweifeln sollten, aus der tiefen Krise heraus wollen, müssen Sie den Mut zu einem neuen Anfang aus einem neuen Geist und zur Wahrheit der Realität finden. Wenn nicht, meine Damen, meine Herren, wird eine neue Mehrheit den neuen Anfang bewirken müssen.Der Weg dahin aber würde leider wieder gekennzeichnet sein durch viele Arbeitslose, viele Konkurse, viele verzweifelte junge Menschen. Wachsende soziale Spannungen würden diesen Weg markieren. Auch das würden Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, verantworten müssen.Mit unserem Nein zu Ihrem falschen Weg schaffen wir Ihnen die Möglichkeit der Besinnung und damit zu einer neuen besseren Wirklichkeit.
Statt eines neuen Anfangs, meine Damen, meine Herren, hat aber der Bundeskanzler heute nicht nur verbal die „Kontinuität" beschworen. Er ist auch in der Kontinuität der Täuschung und der halben Schritte und der halben Wahrheit geblieben. Das ist der Weg bergab. Und den gehen Sie alleine und gegen unseren Rat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehrenberg.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es ist erst einige Monate her, daß ich in diesem Hohen Hause von dieser Stelle aus nach einer Rede des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Herrn Professor Carstens, gar nicht anders konnte, als die Fraktion der CDU/CSU wegen ihres vor einiger Zeit erfolgtenWechsels im Vorsitz zu bedauern. Ich mußte das damals nach einer Rede des verehrten Herrn Kollegen Barzel tun. Leider kann ich dasselbe heute nicht, verehrter Kollege Barzel.
Verehrter Herr Kollege Barzel, war es wirklich notwendig, daß Sie sich auf dieses Niveau begaben?
Sie haben so oft von der wirklichen Welt, von der Welt, wie sie ist, gesprochen.
Ich möchte dieses Stichwort von der „wirklichen Welt" hier aufnehmen, um Ihnen an einigen Beispielen der realen Welt zu zeigen, wie die Welt ist und wie Sie im Gegensatz dazu versucht haben, in dieser Rede diesem Hause und der Bevölkerung eine Scheinwelt vorzuzaubern.
Ich beginne mit Ihren Ausführungen, verehrter Herr Kollege Barzel, über die Situation 1966, 1967 und heute. Sie sprachen davon, die Krise damals sei im Gegensatz zur heutigen Situation wie eine flache Mulde gewesen. Wäre es nicht eines Stückchens Ihrer gelegentlich geübten Fairneß wert gewesen, gleichzeitig zu sagen, daß sich diese flache Mulde, wie Sie sie nannten — es war etwas mehr, aber bleiben wir bei der „flachen Mulde" —, in einer Umwelt der Welthochkonjunktur und einer Weltmarktidylle ersten Ranges herausbildete, während die gegenwärtige Situation bei uns verspätet nach der schwersten Weltrezession seit Mitte der 30er Jahre eingetreten ist?
Das ist die wirkliche Welt, Herr Kollege Barzel.Sie zitieren hier Herrn Professor Müller-Armack, den intellektuellen Erfinder der sozialen Marktwirtschaft, wie jedermann weiß. Dann wollen Sie uns als Konjunkturanalyse beibringen, daß Herr Professor Müller-Armack nachgewiesen habe, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen wir uns jetzt befinden, seien die Folge dessen, was Herr Müller-Armack sich wohltuend unterscheidend von der Sozialistenschelte des Herrn Carstens — das will ich anerkennen — den demokratischen Sozialismus nennt und den er für diese Zustände verantwortlich macht. Herr Barzel, wenn es Herr Müller-Armack schon nicht weiß, Sie sollten wissen, daß die Schwierigkeiten in den Vereinigten Staaten, in Frankreich, in Italien, in Japan unendlich größer sind als bei uns. Oder glauben Sie, dort existiert der demokratische Sozialismus?
Sie sollten ebenso wissen, daß die Schwierigkeiten in Norwegen, in Schweden und in Osterreich sehr viel kleiner sind als bei den vorhin genannten Staaten und erst recht sehr viel kleiner als in der Bundesrepublik, weil dort tatsächlich — noch nicht
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Dr. Ehrenbergvöllig, aber Schritt für Schritt — demokratischer Sozialismus praktiziert wird.
An diesen Verhältnissen, an dem, was Sie die wirkliche Welt genannt haben, sollte ein Mensch Ihres Beurteilungsvermögens und Ihrer Weltkenntnis nicht vorbeigehen können. Das, glaube ich, wären Sie sich schuldig gewesen vorurteilsloser und objektiver zu behandeln. Ich kann es nur bedauern.Wenn Sie hier nochmals als Beispiel diesen ewig wieder falsch zitierten Ausspruch des Bundeskanzlers mit den 5 % Arbeitslosigkeit und den 5 % Inflation aufwärmen und gleichzeitig ein bißchen später darauf hinweisen, Herr Barzel, daß die Arbeitslosigkeit in Großbritannien kleiner sei, so kann ich das nicht verstehen. Das stimmt um ein paar Zehntelchen Prozent. Aber gleichzeitig hätte man wohl dazusagen müssen, daß die Preissteigerungsraten dort inzwischen die 25-Prozent-Marke überschritten haben. Wer diese Zusammenhänge so darstellt wie Sie, der darf dies auch nicht verschweigen, wenn er redlich argumentieren will.
Der Hinweis auf den steigenden USA-Export bei einer Exportquote von knapp einem Zehntel des Sozialprodukts, während unser Export ein Viertel des Sozialprodukts überschritten hat, Herr Barzel, ist doch falsch, zumal dann, wenn Sie die Exportquoten im Vergleich bringen. Auch ein Nichtökonom sollte das nicht tun.Sie brachten auch ein Beispiel der Verunsicherung der Unternehmen. Glauben Sie wirklich daran? Wenn wir um uns schauen, wie die Investitionsneigung in jenen Staaten ist, wo es keine Sozialdemokraten in der Regierung gibt, glauben Sie dann, für die Bundesrepublik damit argumentieren zu können, daß hier, wie Sie es nannten, die flexiblen Wechselkurse und die Unsicherheit die Unternehmer dazu gebracht haben, nicht mehr zu investieren? Glauben Sie nicht selber, daß es gerade die flexiblen Wechselkurse waren, die uns in die Lage versetzt haben, in diesem Meer weltwirtschaftlicher Unsicherheit auf einer Insel der relativen Stabilität zu bleiben, was bis zur Befreiung der Bundesbank von der Ankaufspflicht des Dollar nicht möglich war? Aber Sie und Ihre Kollegen werden mir das nicht glauben.Gestatten Sie mir hier ein Zitat, in dem in der Bundesrepublik Deutschland zur Lagebeurteilung folgendermaßen Stellung genommen wurde. Es ist nachzulesen im Manager-Magazin vom September dieses Jahres. Es heißt dort:Der harten Stabilitätspolitik der Bundesregierung, die im gesamtwirtschaftlichen Interesse notwendig war, stimmten wir voll zu. Ohne gesundes Geld keine gesunde Wirtschaft. Erst erheblich später erkannten auch andere Industriestaaten, daß es für die Rückgewinnung der Geldwertstabilität keine wirtschaftspolitische Alternative gibt. Ich bin davon überzeugt, daß wir nach dieser weltwirtschaftlichen Umstrukturierung in einen gesünderen Prozeß des realen Produktions- und Einkommenswachstums zurückfinden werden.So gesprochen auf der Hauptversammlung der Bayer AG Leverkusen am 25. Juni 1975 vom Vorstandsvorsitzenden dieser Gesellschaft, Herrn Prof. Dr. Herbert Grünewald.Das, meine Damen und Herren von der Opposition, ist eine Unternehmermeinung vor Ort, eine Unternehmerbeurteilung der Wirtschaftspolitik dieser Regierung und der wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik, die jenseits aller verbandstaktischen Strategien dort ausgesprochen wurde, wo die Verhältnisse eines Unternehmens nüchtern und objektiv, nämlich an Hand der Bilanzstrukturen, dargelegt werden: in einer Hauptversammlung. Es gäbe viele Zitate dieser Art mehr, und das sollte man, verehrter Herr Kollege Barzel, als die wirkliche Welt zur Kenntnis nehmen.In diesem Ausspruch von Herrn Grünewald ist gleichzeitig auch eine Erklärung dafür gegeben, daß Sie bezweifelten, daß der Bundeskanzler bei seinen Anstrengungen zur Koordinierung der Weltkonjunktur erfolgreich gewesen sei. Sie sagten, die Franzosen und die Vereinigten Staaten setzen andere Akzente. Das tun sie selbstverständlich, nur: auf das gleiche Ziel gerichtet. Wer zwei bis drei Jahre Rückstand in der Stabilitätspolitik hat — wie unsere Handelspartner das leider haben —, der muß mit anderen Maßnahmen ansetzen als jemand wie wir,
der den stabilitätspolitischen Zug hinter sich hat und schon vor zwei Jahren Schritt für Schritt die Weichen in die andere Richtung gestellt hat.Ich würde nicht so leichtfertig sagen, das Konjunkturprogramm sei verpufft. Ich warne vor der Vorstellung, wie es in der Bundesrepublik ohne diese Konjunkturprogramme ausgesehen hätte.
Man kann vor allem nicht sagen, dieses Programm sei verpufft, wenn man gleichzeitig, wie Sie es zum Schluß getan haben, ein Konzept anbietet, das viel weniger enthält, nämlich außer einer Rücknahme der Steuerreform gar nichts. Damit die Wirtschaft dieses Landes in Ordnung bringen zu wollen heißt nun wirklich, das, was Sie „wirkliche Welt" nennen, nicht zu kennen.
Die wirkliche Welt und die Kernfragen, um die es in dieser politischen Auseinandersetzung geht, haben Sie gestreift. Sie haben gefragt, wie denn der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister bei der Lage der Städte und Gemeinden in der Lage wären, ihre Politik zu vertreten. Genau von dieser Kernfrage ausgehend hat der Bundeskanzler — leider vergeblich — an Herrn Kohl die Kernfrage dieser Auseinandersetzung gestellt, ob nämlich in Zukunft eine ausgewogene Konjunkturpolitik der expansiven Anstöße und gleichzeitig der mittelfristigen Haushaltskonsolidierung die Grundlinien unserer weiteren Entwicklung bestimmen wird oder ob die Bundesratsmehrheit und Ihre Meinung — wenn wir ihr folgen würden — uns in eine Politik hineinführen würden, wie Brüning und Luther sie uns vor mehr als vier Jahrzehnten vorexerziert haben — mit dem heute hier schon besprochenen Endergebnis.
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12992 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. EhrenbergDiese Kernfrage konnte zugegebenermaßen der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, nachdem er sie selber nicht angesprochen hatte, nicht mehr beantworten. Aber es wäre bei Herrn Stoltenberg genug Gelegenheit gewesen, auf diese Fragen Antwort zu geben. Und auch Sie, Herr Barzel, hätten es gekonnt, aber Sie sind dieser Frage ausgewichen. Sie sind ihr ausgewichen, was man Ihnen auch gar nicht übel zu nehmen braucht; denn — da stimme ich Ihnen zu — die parlamentarische Opposition hier ist nicht in die Pflicht zu nehmen, der Regierung Vorschläge auf den Tisch zu legen. Sie kann sich, wenn sie will — das gute Recht wird ihr niemand abstreiten —, auf das bloße Nein beschränken. Abstreiten muß man dieses Recht allerdings den Ministerpräsidenten der Bundesländer. Wenn die Ministerpräsidenten in ihren Ländern wie im Bundesrat die Aufgabe ernst nehmen, die ihnen von der Bevölkerung ihres Landes durch Wahl übertragen wurde, nämlich für das Wohl des Landes zu sorgen und gesunde Staatsfinanzen vorzulegen, dann ist diese Haltung dort nicht mehr zu entschuldigen, und sie ist auch nicht zu verteidigen.
Herr Stoltenberg hat hier sehr viel dazu gesagt. Aber noch deutlicher hat er sich — das ist noch gar nicht so lange her — am 5. Juli dieses Jahres ausgedrückt. Da stand in der FAZ — ich darf sie mit Genehmigung des Präsidenten zitieren — folgendes:Die Grenze der Verschuldungsfähigkeit der Bundesländer sei erreicht. Weitere Kürzungen auf Grund überhöhter Bundesforderungen würden die wesentlichen Aufgaben der Länder zur Existenzsicherung von Betrieben und Arbeitsplätzen sowie in der Bildungs-, Sozial- und Gesundheitspolitik in nicht mehr vertretbarer Weise gefährden.Wie dieser Ausspruch und auch vieles von dem, was Herr Stoltenberg heute hier gesagt hat, mit dem bloßen Nein zur Mehrwertsteuererhöhung ab 1977, wie diese Haltung und die Pflicht eines Ministerpräsidenten mit dieser hier wiederholt von Herrn Kohl, von Herrn Stoltenberg und von allen christdemokratischen Rednern vorgetragenen Haltung zu vereinbaren ist, wird wohl ein christdemokratisches Geheimnis bleiben.Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Herr Kohl, hat, glaube ich, mit Recht darauf hingewiesen, daß die Verfassungsväter, als sie diesen kompliziert strukturierten föderativen Staat geschaffen haben, bewußt nicht den Weg der Bequemlichkeit gegangen sind. Aber ich nehme an, die Verfassungsväter haben auch nicht vorausgesehen, daß wir jemals in ihrer Verantwortung so bequeme Ministerpräsidenten haben werden, wie uns das heute vorexerziert worden ist.
Es ist natürlich, Herr Zeitel, sehr bequem, nein zu sagen. Es ist viel bequemer, nein zu sagen, als den notwendigen Verbesserungen der Staatsfinanzen durch Beschlüsse beizukommen.
Und drastische Ausgabenkürzungen ohne jeden konkreten Ansatz zu fordern ist auch sehr bequem.
— Aber, lieber Herr Zeitel, es kam kein konkreter Ansatz.
Das Angebot, Vorschläge zu prüfen, das Herr Kohl und Herr Stoltenberg gemacht haben, mag für die Opposition dieses Hauses genügen. Für die im Bundesrat vertretenen Ministerpräsidenten genügt dieser Vorschlag, wenn sie nein sagen, nicht.
— Er hat an konkreten Vorschlägen leider nicht mehr gebracht.
— Das ist nachlesbar.
Der einzige, der mehr gesagt hat — darauf haben sich dann einige Redner bezogen —, ist Herr Strauß, der dazu auf seiner Geburtstagsparty, genannt CSU-Kongreß, eine Rede gehalten hat. Dort hieß es — der Bundeskanzler hat diese etwas sehr merkwürdige Einleitung schon zitiert — nach Darstellung seiner Vorschläge: Das sind unsere Vorschläge. Sie werden diese Woche im Bundestag vertreten werden von einem anderen Redner als mir, weil ich auf einer großen Auslandsreise bin.
— Herr Zeitel, ich gönne Herrn Strauß seine Reise nach Peking. Darum geht es nicht. Es geht darum, daß wir wohl ein Anrecht darauf haben, zu erfahren, wer denn nun dieser andere Redner gewesen ist. Es gab viele.
Haben die alle für Herrn Strauß gesprochen?
— Gut, Herr Höcherl. Ich nehme das zur Kenntnis. Ich wollte ja nur wissen, wen Herrn Strauß als einen anderen Redner bezeichnet hat bzw. bezeichnet wissen wollte.Aber lassen Sie mich Herrn Strauß' Vorschläge darstellen. Er hat seine alten Vorschläge aus dem Dezember 1974, die damals in schöner finanzwirksamer und teurer Gemeinsamkeit mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag durch die Presse gegeistert sind, in seiner CSU-Parteitagsrede wiederholt. Sie lassen sich zusammendrängen auf: keine Erhöhung der vermögensabhängigen Steuern, Verbesserung der Abschreibungen, Verlustrücktrag und Änderung des Gewerbesteuersystems. Mehr war in den Vorschlägen von Herrn Strauß nicht enthalten. Wie jemand glauben kann, die Unsicherheit der Unternehmen hinsichtlich ihrer Absatzerwartungen, ihre Investitionsneigung mit diesen Vor-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12993
Dr. Ehrenbergschlägen so zu verändern, daß wir positive Wachstumsraten haben könnten — mit diesen Vorschlägen allein —, hat hier bisher niemand überzeugend dargestellt, und es kann auch von niemandem erwartet werden, daß er das darstellen kann.Herr Strauß hat dann für seinen anderen Redner — ich darf das vielleicht noch einmal wörtlich zitieren — gesagt:Erstens: Nein zur Steuererhöhung unter diesen Umständen und zu diesem Zweck. Zweitens: Ja zu Einsparungen, aber Offenbarungseid und die Zahlen auf den Tisch, wie sich das Ganze entwickelt. Und drittens: Ich würde die Einkommensminderungen für ein Wirtschaftsprogramm der eben skizzierten Art— also das, was da oben gesagt wurde —in Kauf nehmen können. Denn von denen kann man mit Recht sagen: Was hier an Steuern jetzt nicht eingeht, das kommt mehrfach wieder herein.Wie es hereinkommen soll, wo mehr eingespart werden soll, hat auch Herr Strauß auf seinem CSU-Parteitag nicht gesagt. Aber was ich für viel schwieriger halte und was schon in der ständigen Wiederholung, wie sie hier vorgebracht wird, eine sehr gefährliche Tendenz ist, das ist jene ständig bemühte Floskel vom Offenbarungseid, von der schonungslosen Offenlegung der Finanzen und anderem mehr.
Ich habe das Gefühl, daß Sie sich hier so ein wenig auf einer alten APO-Linie bewegen.
Auch die APO hat den Versuch gemacht, der Bevölkerung zu suggerieren, es gebe irgendwo so etwas wie Herrschaftswissen der Regierenden, die den anderen das vorenthielten
und es jetzt offen auf den Tisch legen müßten. Dabei sollte selbst ein Abgeordneter im ersten Lehrjahr wissen, daß nichts in diesem Staat so transparent ist wie die öffentlichen Finanzen, daß diese für jedermann, der Zahlen lesen kann, einsichtig sind. Warum schauen Sie nicht in die Haushaltspläne hinein, wenn Sie Offenlegung verlangen! Sie liegen auf den Tischen!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Kühlmann-Stumm?
Gern!
Herr Kollege Ehrenberg, ist Ihnen bekannt, daß im Finanzministerium, das von einem Finanzminister geleitet wird, der Ihrer Fraktion angehört, ein Papier existiert, in dem konkrete Vorschläge gemacht werden, wie man dieser Wirtschaftsmisere, die Sie zu verantworten haben, begegnen könnte, daß aber die Herren des Ministeriums, die ja meistens Ihrer Partei angehören, der Auffassung sind, daß dieses Programm in Ihrer Fraktion nicht durchsetzbar sei?
Ich weiß nicht, verehrter Herr Kollege, von wem Sie diese Meldung haben.
In unserer Fraktion ist alles durchsetzbar, was vernünftig ist. Eine Brüning-Politik allerdings, wie sie vielleicht irgendwelchen Fiskalisten im Finanzministerium auf irgendwelchen Rängen vorschwebt, wäre bei uns in der Tat nicht durchsetzbar. Das ist von diesem Pult hier heute des öfteren gesagt worden.
Herr Abgeordneter Ehrenberg, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Nein, im Augenblick nicht. Vielleicht nach einem Weilchen wieder, aber auf Zwischenfragen am laufenden Band möchte ich mich nicht einlassen.
— Habe ich den benutzt? Doch wohl nicht!
— Also, dann lassen Sie mich doch meine Rede weiterführen. — Wenn die CDU ernst genommen werden will — wenn schon nicht hier, dann wenigstens in den Bundesländern —, dann wird es Ihnen nach diesen großen Worten, nach dem Angebot hier, Verantwortung zu übernehmen, was Herr Kohl, Herr Stoltenberg und natürlich auch Herr Carstens alle miteinander gesagt haben, nun wirklich nicht erspart bleiben, konkret und deutlich zu sagen, was Sie nun wirklich wollen. Die Mehrwertsteuererhöhung wollen Sie nicht zu dem von uns gesehenen Zeitpunkt. Herr Stoltenberg hat hier gesagt: Wir werden selber in eigener Autonomie entscheiden, wann und wo wir das tun. Natürlich Ihr gutes Recht! Nur: da jetzt die Vorlage der Bundesregierung zur Konsolidierung der Finanzen auf dem Tisch des Bundesrates liegt, muß dort, wenn nein gesagt wird, ja wohl gesagt werden, was sonst geschehen soll. Und wenn Sie sich die Größenordnungen der Mehrwertsteuer mit runden 10 Milliarden DM Einnahmen vorstellen — da muß ich noch etwas aus dieser Debatte einschieben. Herr Kirst hat Herrn Carstens schon korrigiert, hat gesagt,
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12994 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Ehrenbergdaß man nicht dem Bundeskanzler Fehler nachweisen sollte, wenn man übersieht, daß die Mehrwertsteuer sich zwischen Bund und Länder verteilt. Aber auch Herr Ministerpräsident Kohl sollte nicht unbesehen die Größenordnungen, die Herr Gaddum irgendwo einmal errechnet hat, übernehmen und sich dann hier hinstellen und sagen: Was soll das alles, 10 Milliarden Erhöhung durch die Mehrwertsteuer bringen ja eigentlich nur 5 Milliarden ein, weil 5 Milliarden wieder die Ausgaben des Staates versteuern. Wenn das so wäre, dann wäre der logische Rückschluß daraus ja wohl der, daß zur Zeit das Mehrwertsteueraufkommen zur Hälfte von der öffentlichen Hand selber aufgebracht wird. Das kann ja wohl auch Herr Kohl ernsthaft nicht gemeint haben. Der unbezweifelbare Effekt, daß die Sachausgaben bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer natürlich auch dieser Steuer unterliegen, führt bei einem Mehraufkommen von 10 Milliarden bestenfalls zu 1,5 bis höchstens 2 Milliarden und nicht zu mehr. Frage, wo die 5 Milliarden herkommen, es sei denn, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz glaubt, daß beispielsweise die Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung mit der Mehrwertsteuer belegt werden oder das Kindergeld oder die Sozialhilfe oder sonst einer der vielen großen Ausgabeposten. Dann kann seine Rechnung mit den 5 Milliarden zustande kommen. Die kommt noch nicht einmal zustande, wenn man Herrn Gaddums Trick ernst nimmt, der nämlich bei seinen Berechnungen unterstellt hat — vielleicht hat das Land Rheinland-Pfalz die Absicht, sich in den kommenden Tarifverhandlungen so zu verhalten —, daß die öffentlichen Bediensteten die Mehrwertsteuererhöhung voll auf ihre Bezüge draufgelegt bekommen. Dann kommt Herrn Gaddums Rechnung den Zahlen von Herrn Kohl ein wenig näher, aber auch noch nicht ganz heran. So, glaube ich, sollte man mit diesem Finanzproblem nicht umgehen. Aber die Größenordnung von 10 Milliarden DM ist nun wirklich eine Größenordnung, die von der CDU/CSU beantwortet werden muß. Wenn sie zu dieser Erhöhung nein sagt, wo will sie es dann hernehmen?Wenn man dann unter den Bundesetats umschaut, wo Größenordnungen von 7 Milliarden unter noch so konsequenten Ansatz zu holen wären, stellt man fest, daß nur zwei Etats übrigbleiben, die groß genug sind: der Sozialetat und der Verteidigungsetat. Irgendwann, Herr Zeitel, werden Sie sagen müssen, ob Sie nun die Demontage der Verteidigung oder die Demontage der sozialen Sicherheit wollen. Etwas anderes können Sie nicht wollen, wenn Sie bei Ihrem Nein bleiben. Sie werden Antwort darauf zu geben haben. Der heute schon so oft zitierte Planungsstab hat ja auch Antworten darauf gegeben, und Herr Professor Carstens hat sich dann sofort von diesem Papier hier distanziert. Das ist Ihr gutes Recht. Niemand kann eine Fraktion für die Gedankengänge der Mitarbeiter verantwortlich machen. Selbstverständlich nicht! Aber eines, Herr Professor Carstens, hätten Sie nicht tun sollen — aus Loyalität diesen Mitarbeitern gegenüber —, nämlich sagen, er habe ohne Auftrag gehandelt.
Das, glaube ich, sollten Sie nicht tun.
Ich habe hier zufällig die Kopie eines Schreibens, da steht oben: „CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, Arbeitskreis IV, Gesellschaftspolitik", und dann steht da „Sehr geehrter Herr Dr. Müller-Hermann! Auftragsgemäß übergebe ich Ihnen hiermit eine 72seitige Ausarbeitung zum Komplex soziale Demontage" und so weiter und so fort. „Auftragsgemäß", schreibt der Verfasser. Ich glaube nicht, daß er ohne Auftrag „auftragsgemäß" schreiben würde. Das kann ich einem Angestellten der CDU-Fraktion nicht zutrauen.
— Zumindest stand über dieser Studie nicht „auftragsgemäß" ; das kann ich Ihnen versichern. — Ich habe gar nichts dagegen, daß sich Leute Gedanken machen. Nur, man sollte sich von den Aufträgen nicht distanzieren.
Man sollte noch etwas nicht tun: man sollte diese berühmte Planungsgruppe nicht auf die Angestellten schieben. Ich habe nämlich noch ein anderes Papier, eine Kopie Ihres Schreibens. Darüber steht: „CDU/ CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, Planungsgruppe — Elmar Pieroth, MdB, Dr. Rudolf Sprung, MdB."
Zwei Abgeordnete legen dieses Papier vor. Wollen Sie sich von denen auch distanzieren, Herr Carstens?
— Die laufen durch den Deutschen Bundestag.
— Nein, Herr Carstens. Mir wäre es peinlich, wenn ich meine Mitarbeiter so desavouiert hätte, wie Sie es getan haben.
Sie sollten es zumal in diesem Hause heute von Ihnen, Herr Carstens, von Herrn Kohl und von Herrn Stoltenberg oft das Wort „redlich" verwendet worden ist, vermeiden, so zu tun, als hätten Sie mit dieser Planungsgruppe nichts zu tun. Sie ist nun einmal in der Welt.
— Nein, bei uns wird gedacht. Nur, es wird besser gedacht. Es wird nicht über soziale Demontage nachgedacht, sondern es ist erfolgreich darüber nachge-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12995
Dr. Ehrenbergdacht worden, wie man die soziale Sicherung in diesem Lande erhalten und festigen kann. Darüber haben wir erfolgreich nachgedacht.
Die Erfolge dieses gemeinsamen Nachdenkens der Bundesregierung und der Regierungsfraktionen
liegen auf dem Tisch dieses Hauses,
und Sie sagen nein zu diesem erfolgreichen Nachdenken, ohne irgendwo auf den Tisch zu legen, worüber Sie denn nun nachgedacht haben.
Sie haben darüber nachgedacht, nein zu sagen. Das ist zu wenig, Herr Höcherl; das ist wirklich zu wenig.
— Nun, dann habe ich es eben gesagt, weil ich es wirklich für erfolgreich halte. Der Sachverständigenrat hat die Aufgabe, die die Bundesregierung zu lösen hatte, die schwierigste politische Aufgabenkombination der letzten Jahrzehnte genannt. Es ist gelungen, diese Aufgabenkombination mit diesem doppelgleisigen Programm zu lösen. Ich stehe nicht an, diese Kraftanstrengung als erfolgreich zu bezeichnen, Herr van Delden. Ich würde die CDU beglückwünschen, wenn sie sich mit der CSU nur auf halb so viel einigen und dies dann hier auf den Tisch legen könnte. Aber sie kann es nicht.
— Zu dieser späten Stunde sollte man kein Klatschen erwarten,
zumal die Kontrahenten, um die es geht, nicht mehr hier sind.Ich glaube, eines muß noch — wiederum unter dem Aspekt der Redlichkeit — richtiggestellt werden. Herr Stoltenberg, der hier so oft das Wort „wahrhaftig" gebraucht hat, hat u. a. auch gesagt, daß der Bildungsbericht 1970 mit einer 50 %igen Abiturientenquote Illusionen geweckt habe. Erstens steht diese Quote dort nicht in dieser Form, sondern sehr viel differenzierter. Zweitens hätte es zu der von Herrn Stoltenberg beschworenen Wahrhaftigkeit gehört, zu sagen, daß er, der Ministerpräsident Stoltenberg, den Bildungsgesamtplan mitbeschlossen hat. Das zu sagen gehört auch dazu, wenn man redliche Politik treiben will. Es hätte bei seinen weiteren Ausführungen zur Bildungspolitik auch der Redlichkeit entsprochen, zu sagen, daß die Abiturientenquote, die nach dem Vorschlag im Bildungsgesamtplan 22 bis 24 % betragen soll, auf die im christlich-demokratisch regierten Land Baden-Württemberg erarbeitete Zahl von 23 % zurückgeht. Ich würde gerade Herrn Stoltenberg gern um Nachsicht dafür bitten, daß wir diese Quote nicht nur für das Musterländle Baden-Württemberg, sondern auch für die regional benachteiligten Gebiete in dieser Republik für vernünftig und richtig hielten.
Auch das gehört zur Redlichkeit.
— Der Ministerpräsident Filbinger hat diese Zahl in den Planungsbericht hineingebracht, Herr Höcherl.Wenn der Herr Stoltenberg hier von Kostensenkungen spricht, dann sollte er sich daran erinnern, daß in der Bildungspolitik nur der glaubwürdig über Kostensenkungen sprechen kann, der endlich dazu beiträgt, daß im Bundesrat das kostensenkende Hochschulrahmengesetz verabschiedet und dort nicht länger festgehalten wird.
Lassen Sie uns doch damit einmal anfangen!
Die Bürger in der Bundesrepublik werden Ihre Wahlmanöver, auch wenn sie ein Jahr vor der Bundestagswahl beginnen und dann vielleich strategisch aussehen könnten anstatt taktisch, weil das bis dahin noch so lange hin ist, trotzdem durchschauen, und sie werden Ihnen auf Ihrem Wege nicht folgen.
Die sozialliberale Koalition hat mit diesen notwendigen Entscheidungen unter Beweis gestellt, daß sie unseren demokratischen Sozialstaat nicht als Gefälligkeits- oder Bewilligungsdemokratie mißversteht. Sie hat bei ihren Entscheidungen aber auch deutlich gemacht, daß es keinen Abbau der sozialen Sicherung gibt, sondern daß dieses doppelgleisige Programm die Grundvoraussetzungen der sozialen Sicherheit und des Lebensstandards in der Bundesrepublik festigt. Wer bereit ist, die Lage in der Bundesrepublik und in der Welt vorurteilslos zu sehen, der wird auch erkennen, daß wir in unserem Lande keine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Kurskorrektur brauchen. Dieses merkwürdige Wort von Herrn Steinbuch, das heute so oft benutzt wurde, kann man auf die Bundesrepublik nicht anwenden.
— Wir lassen uns jedenfalls nicht einreden, Herr Höcherl, daß es die Überforderungen durch den Sozialstaat oder eine zu hohe Lohnquote oder gar
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12996 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Dr. Ehrenbergdie Verunsicherungen der Wirtschaft durch die Reformpolitik der sozialliberalen Koalition waren, die zu der gegenwärtigen Wirtschaftsschwäche geführt haben. Im Gegenteil,
unserem dichten Netz sozialer Sicherung und der konsequenten Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, Herr Zeitel, ist es zu verdanken, daß wir diese immer noch in der Welt so günstige Stellung wahrnehmen können und weiterhin wahrnehmen werden.
Und, um auf diese Forderungen zurückzukommen: In dem heute schon öfter — nicht von unserer Seite — zitierten Nachbarstaat Italien gibt es keine Forderungen nach mehr Mitbestimmung, auch keine nach besserer Berufsausbildung. Aber die Unternehmer investieren weniger als in der Bundesrepublik. Warum wohl? Das kann doch wohl seine Ursachen, Herr Carstens, jedenfalls nicht in sozialdemokratischer Regierungstätigkeit haben, daß in Italien weniger investiert wird.
— Das hat mit uns ja wohl nichts zu tun, Herr Carstens; das werden ja vielleicht selbst Sie uns noch zugute halten wollen.
Herr Abgeordneter Ehrenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Zeitel?
Ja.
Herr Ehrenberg, ist Ihnen bekannt, daß der Herr Finanzminister in einem Interview als eine der Ursachen neben der weltwirtschaftlichen Entwicklung die hohe Lohnquote angegeben hat und daß dieselbe Äußerung auch vom Wirtschaftsminister, Herrn Friderichs, stammt?
Beide Minister haben über die Lohnquote gesprochen, aber etwas differenzierter, als Sie es jetzt gesagt haben.
Herr Zeitel, ich muß Sie da bitten nachzulesen. So global und pauschal als eine der großen Ursachen steht das dort nicht.
wie ich Sie auch — jedenfalls diejenigen unter Ihnen, die bereit sind, nicht nur nein zu sagen, sondern nachzudenken — sehr herzlich bitten würde, über die sehr wohl überlegte Unterscheidung von Unternehmen und Unternehmern nachzudenken, über die heute so gelegentlich hinweggegangen wurde, die aber nicht interessant ist. Interessant ist die Unterscheidung zwischen entnommenen und nicht entnommenen Gewinnen.
— Das ist keine Dialektik.
Wer ernsthaft bereit ist, die Investitionskraft der Unternehmen zu stärken, der muß sein Augenmerk auf den nicht entnommenen Gewinn richten und auf nichts anderes.
— Herr Carstens hat heute früh bestritten, daß das vernünftig sei. Wenn Sie einverstanden sind: herzlich willkommen!
— Er hat es so gesagt, daß dies eine völlig belanglose und nicht ernst zu nehmende Unterscheidung wäre. Das lesen Sie bitte nach, Herr van Delden.
Ich glaube, es lohnt sich, darüber nachzudenken, ebenso wie es auch notwendig ist, nochmals an das zu erinnern, was mein Kollege Adolf Schmidt hier gesagt hat, wie die soziale Situation und der soziale Frieden in der Bundesrepublik durch die Reformpolitik dieser Koalition gefestigt worden sind und daß sie die einzige Grundlage sind, auf der auch künftig diese Stabilität erhalten bleiben kann.Ich kann Ihnen zum Schluß ein Zitat nicht ersparen. Ich hätte es nicht gebracht, wenn nicht Herr Todenhöfer zu den Ausführungen meines Kollegen Schmidt einen etwas schnellen Zwischenruf gemacht hätte, einen Zwischenruf, der, obwohl Herr Todenhöfer selbstverständlich, wie ich annehme, auf dem entwicklungspolitischen Kongreß der CDU anwesend war, doch den Fakten nicht entsprach, zumindest — ich kann das natürlich nur so sagen — nicht dem Manuskript, das unter der Überschrift „Partnerschaft und Solidarität — CDU Entwicklungspolitischer Kongreß" öffentlich verteilt worden ist. Da Sie das, was mein Kollege Schmidt gesagt hat, mit dem Zwischenruf von Herrn Todenhöfer bezweifelt haben, muß ich Ihnen das leider etwas ausführlich vorlesen, damit Sie zur Kenntnis nehmen, was auf Ihrem entwicklungspolitischen Kongreß über die Situation der Bundesrepublik Deutschland von dem Direktor der persischen Ölkompanie gesagt worden ist.
Er begann sein Referat mit dem Satz:Ich bin mir der Tatsache bewußt und tief beeindruckt davon, daß die Bundesrepublik heute die stärkste Wirtschaftsmacht in Europa ist.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12997
Dr. EhrenbergDann kamen, wie Sie zuriefen, ein paar Höflichkeitsfloskeln, und dann sprach der Ölbeauftragte des Schahs von Persien — —
— Seinen Namen kann ich nachlesen, er steht hier oben auch drauf: Herr Dr. Reza Fallah.
— Er wußte, wo er war, nehme ich an. Daß Sie Ihre Einladung anonym ausgesprochen haben, kann ich Ihnen nun wirklich nicht zutrauen. Etwas Selbstbewußtsein erwarte ich doch von der CDU, daß sie sagt, wer sie ist, wenn sie jemanden einlädt.
— Ja, da steht dann:Der im Westen am meisten publizierte Gesichtspunkt — —
— Wenn Sie diesen Herrn hier lächerlich machen wollen, dann verstehe ich nun wirklich nicht, warum Sie ihn als Redner zu Ihrem entwicklungspolitischen Kongreß eingeladen haben. Ich finde, das ist eine wirklich merkwürdige Art!
— Nein, das glaube ich nicht. Das klang dort sehr anders. Ich bin jedenfalls kein Direktor einer persischen Ölkompanie. Ich habe weder dessen Einkommen noch bin ich es.Es wird dort gesagt:Die Auswirkungen der Ölpreisexplosion waren vergleichsweise besonders schwerwiegend für die Länder der Dritten Welt. Die mächtigen Industriestaaten waren weniger schwer betroffen. Wären ihre wirtschaftlichen und sozialen Strukturen gesund gewesen, so wären die Auswirkungen minimal geblieben, wie das Beispiel der Bundesrepublik beweist. Dieses Land war in größerem Maße als andere von importierter Energie abhängig und hat in der Vergangenheit wenig Aufmerksamkeit auf die Suche nach 01 im Ausland und den Erwerb eigener ausländischer Ölreserven gerichtet. Trotzdem verfügt es über die stärkste Währung und die mächtigste Wirtschaft in Europa, das siebenthöchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt und die größten Devisenreserven der Welt. Wie war das möglich?
— Herr Dr. Fallah gibt eine nicht Freudsche Antwort. Er sagt nämlich:Die Antwort liegt ohne Zweifel in der Tatsache, daß Ihre Politik, das Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Gesamtgesellschaft in Ihrem Lande und der sprichwörtliche Fleiß der Deutschen insgesamt besser waren als bei Ihren Nachbarn.
Infolgedessen und als Ergebnis der insgesamt gesunden Situation Ihrer Wirtschaft sind Sie in der Lage, Konjunkturprogramme durchzuführen, sobald diese erforderlich werden, gekoppelt mit entsprechenden Sparplänen für einen späteren Zeitpunkt. Erst in der letzten Woche haben Sie ein solches Konjunkturprogramm gestartet, um die langfristigen Aussichten auf Wachstum und Stabilität zu korrigieren und um die Arbeitslosigkeit insbesondere in der Bauindustrie einzudämmen. Die Politik und die Einstellungen, die sich im Inland so gut bewährt haben, waren nicht weniger erfolgreich im Ausland.Nochmals: Das wurde so auf Ihrem entwicklungspolitischen Kongreß gesprochen. Vielleicht sollten Sie das, was auf Ihren Kongressen gesprochen wird, auch ein wenig ernst nehmen.
— Lassen Sie das Urteil bei Ihnen! Ich lasse es bei anderen.Eine Schlußbemerkung zu Herrn Barzel. Herr Barzel hat hier abschließend als Ergebnis der Politik der Bundesregierung mit Emphase gesagt: Die Bürger haben weniger in diesem Land, und der Staat hat weniger. Herr Barzel scheint Statistik nicht zu lesen und auch nicht zuzuhören, obgleich er ständig von der „wirklichen Welt" spricht. Denn er müßte wissen, daß auch in dieser schwierigen Situation 1975 die Realeinkommen in der Bundesrepublik um rund 4 °/o steigen werden, während die Realeinkommen selbst in den Vereinigten Staaten von Amerika um diesen gleichen Betrag rückläufig sind. Wer das weiß und dann davon spricht, die Bürger in diesem Land hätten weniger, kann jedenfalls keinen Anspruch auf Redlichkeit erheben.
Meine Damen und Herren, nach den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Ehrenberg unterbreche ich die Aussprache zu den Punkten 2 bis 5. Wir fahren morgen früh fort.Ich bitte nur noch einen Augenblick um Geduld. Wir können in den verbleibenden Minuten jetzt noch zahlreiche Punkte erledigen, die hier ohne Aussprache erledigt werden können.Ich rufe Punkt 6 der heutigen Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 1. Juni 1967 über das Verhalten beim Fischfang im Nordatlantik— Drucksache 7/3501 —Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 7/3796 —Berichterstatter:Abgeordneter Schröder (Erste Beratung 167. Sitzung)
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12998 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDer Berichterstatter verzichtet auf eine Ergänzung seines schriftlichen Berichts.Ich rufe Art. i bis 8 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wir können die Abstimmung mit der Schlußabstimmung verbinden. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? — Keine Stimmenthaltungen. Meine Damen und Herren, damit ist das Gesetz angenommen. Ein weiterer Ausschußantrag liegt nicht vor.Ich rufe die Punkte 7 bis 19 auf:7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen von 9. April 1975 über einen Finanziellen Beistandsfonds der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung— Drucksache 7/3869 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Finanzausschuß HaushaltsausschußAusschuß für Wirtschaft8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Titels IV der Gewerbeordnung— Drucksache 7/3859 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Eichgesetzes— Drucksache 7/4016 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft10. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und mietpreisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin— Drucksache 7/3795 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
RechtsausschußAusschuß für innerdeutsche Beziehungen11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten— Drucksache 7/3918 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Rechtsausschuß
Ausschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Finanzausschuß12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gebühren des Patentamts und des Patentgerichts— Drucksachen 7/3939, 7/4023 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Rechtsausschuß Haushaltsausschuß13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 23. September 1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt— Drucksache 7/3982 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Rechtsausschuß
InnenausschußAusschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften— Drucksache 7/3838 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Rechtsausschuß Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen— Drucksache 7/3913 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 2. Dezember 1972 über sichere Container— Drucksache 7/3917Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen17. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen über den Luftverkehr— Drucksache 7/3821 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen18. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Rahmenvorschriften für Naturschutz und Landschaftspflege sowie zur Anpassung bundesrechtlicher Vorschriften an die Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege
— Drucksache 7/3879 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
InnenausschußAusschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß19. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Tierzuchtgesetzes— Drucksache 7/4008 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975 12999
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenInterfraktionell ist zusätzlich vereinbart worden, die Tagesordnung zu erweitern um dieErste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des BenzinbleigesetzesDrucksache 7/4020 — Das Haus ist damit einverstanden. Das Wort wird nicht gewünscht.Die Überweisungsvorschläge des Altestenrats ersehen Sie aus der Tagesordnung. Der Gesetzentwurf zur Ergänzung des Benzinbleigesetzes soll überwiesen werden an den Innenausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zur Mitberatung, an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung, und gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Ich frage, ob das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden ist. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr die Punkte 20 bis 23 der Ihnen vorliegenden Tagesordnung auf:20. Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs
— Drucksache 7/3937 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft21. Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen-TeilZolltarifs
— Drucksache 7/3962 —Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für Wirtschaft22. Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen-TeilZolltarifs
— Drucksache 7/3984 —Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für Wirtschaft23. Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen-TeilZolltarifs
— Drucksache 7/3992 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für WirtschaftIch frage, ob einer der Herren Berichterstatter das Wort wünscht. — Das ist nicht der Fall. Ich frage, ob das Wort zur Aussprache verlangt wird. — Auch das ist nicht der Fall.Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir darüber der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/3937, 7/3962, 7/3984 und 7/3992. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe!— Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich rufe den Punkt 24 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu dem von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entschließungsantrag betreffend Berichterstattung über Erfahrungen mit der neuen Tarifüberwachung im gewerblichen Güternahverkehr— Drucksachen 7/3662, 7/3807 — Berichterstatter: Abgeordneter MahneIch frage, ob eine Ergänzung des Berichts gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.Wer dem Vorschlag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr die Punkte 25 bis 33 der Tagesordnung auf:25. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Entscheidung des Rates betreffend Maßnahmen gegen die Maul- und Klauenseuche— Drucksachen 7/3608, 7/3804 — Berichterstatter: Abgeordneter Rainer26. Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Entscheidung des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens für einen Informationsaustausch über die Luftverschmutzung durch Schwefelverbindungen und Schwebstoffe zwischen den Überwachungs-und Kontrollnetzen— Drucksachen 7/3035, 7/3823 — Berichterstatter:Abgeordneter VolmerAbgeordneter Konrad27. Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eineRichtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betr. Baugeräte und BaumaschinenRichtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betr. Baugeräte und Baumaschinen; Messung des Geräuschemissionspegels
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13000 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. September 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenRichtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betr. den zulässigen Geräuschemissionspegel von Betonbrechern und Preßlufthämmern— Drucksachen 7/3180, 7/3824 — Berichterstatter:Abgeordneter VolmerAbgeordneter Konrad28. Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für einen Entwurf einer Entschließung des Rates betr. eine überarbeitete Liste der im Rahmen des Aktionsprogramms für den Umweltschutz zu untersuchenden Schadstoffe der zweiten Gruppe— Drucksachen 7/3034, 7/3825 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Gruhl Abgeordneter Konrad29. Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für einen Beschluß des Rates zur Eindämmung der Verunreinigung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft— Drucksachen 7/2821, 7/3826 — Berichterstatter:Abgeordneter Biechele Abgeordneter Wittmann
30. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten ersten Vorschlägen der EG-Kommission für prioritäre Aktionen auf dem Gebiet der Informatik — Drucksachen 7/3437, 7/3836 —Berichterstatter:Abgeordneter Kern Abgeordneter Lenzer31. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eineVerordnung des Rates zur Einbeziehung von Frühkartoffeln in den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1035/75 über eine gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse.— Drucksachen 7/3635, 7/3841 — Berichterstatter: Abgeordneter Saxowski32. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Ergänzung zum Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" für den Zeitraum 1974 bis 1977— Drucksachen 7/2587, 7/3842 — Berichterstatter: Abgeordneter Gallus33. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Sanierung der Erzeugung von Unterglasgartenbauerzeugnissen— Drucksachen 7/3659, 7/3870 — Berichterstatter: Abgeordneter EigenIch frage, ob einer der Berichterstatter das Wort wünscht. — Das ist nicht der Fall.Wird das Wort zur Aussprache verlangt? — Auch das ist nicht der Fall.Meine Damen und Herren, ich schlage auch hier vor, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/3804, 7/3823, 7/3824, 7/3825, 7/3826, 7/3836, 7/3841, 7/3842 und 7/3870. Wer den Vorschlägen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Gegen eine Stimme und bei Stimmenthaltungen ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Plenarsitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 18. September, 9 Uhr ein. Wir fahren mit der Aussprache zu den Punkten 2 bis 5 fort.Die Sitzung ist geschlossen.