Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die Tagesordnung ergänzt um die
Erste Beratung des von cien Abgeordneten Rollmann, Braun, Orgaß, Franke , Kroll-Schlüter, Frau Stommel, Josten, Nordlohne, Müller (Remscheid) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Gesetzes zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz)
Drucksache 7 615 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Innenausschuß
Das Haus ist einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird der für Freitag vorgesehene Tagesordnungspunkt 37
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes fiber die Gewährung von Erleichterungen, Vorrechten und Befreiungen an die ständige Vertretung der Deutschen Demokratischen Republik
Drucksachen 7'424, 7/720 —
bereits heute um 15 Uhr aufgerufen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 12. Juni 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Müller-Hermann, Gewandt, Eilers , Möller (Lübeck), Schröder (Wilhelminenhof), Dr. Ritz, Susset, Frau Tübler, Orgaß und Genossen betr. Hochseefischerei in den Gewässern um Island — Drucksache 7, 635 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/776 verteilt.
Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 7. Juni 1973 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, bereits verkündete Vorlage keine Bedenken erhoben habe:
Verordnung Nr. 984'73 des Rates vorn 2. April 1973 fiber die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in . . ." oder „Ursprungserzeugnisse" im Warenverkehr mit Finnland, Island, Norwegen, Osterreich, Portugal, Schweden und der Schweiz
Ich rufe nunmehr Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
-- Drucksache 7/76 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/697
Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft
--- Drucksachen 7/696, 7/765
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs Abgeordneter Dr. Jens
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachte Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wurde in der ersten Lesung am 1. Februar dieses Jahres federführend an den Ausschuß für Wirtschaft überwiesen. In sieben Sitzungen und in einer öffentlichen Anhörung wurde die Vorlage ausführlich beraten. Der von den Koalitionsparteien vorgelegte Gesetzentwurf entsprach vollinhaltlich dem von der Bundesregierung in der 6. Wahlperiode vorgelegten Entwurf, so daß der Ausschuß die diesem Entwurf beiliegende Begründung seiner Beratung zugrunde legen konnte.Im Wirtschaftsausschuß gingen alle Fraktionen davon aus, daß für die Sicherung der marktwirtschaftlichen Ordnung die Weiterentwicklung der Wettbewerbspolitik zentrale Bedeutung hat. Es war unstrittig, daß das geltende Wettbewerbsrecht in bestimmten Zeitabständen den sich ändernden wirtschaftlichen Gegebenheiten angepaßt werden muß, wenn es weiterhin die Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb in der Wirtschaft sichern soll. Aus aktuellem Anlaß sollte außer dem Erfordernis Sicherung der wettbewerblichen Ordnung die Förderung wettbewerblicher Aktivierung zur Wiedererlangung der Stabilität und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes mit Vorrang bedacht werden. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wurde die Beratung der Novelle so beschleunigt, daß sie noch vor der Sommerpause des Parlaments zusammen mit dem Stabilitätsprogramm in Kraft treten kann. Da die Fraktionen in dieser wichtigen Ausgangsposition übereinstimmten, kann jetzt das Ergebnis der Beratung als einstimmiger Beschluß des Wirtschaftsausschusses vorgelegt werden.
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2308 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. FrerichsNach dem vorliegenden Gesetzentwurf soll der Unternehmenskonzentration in der Wirtschaft dadurch begegnet werden, daß neben einer Verschärfung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen eine vorbeugende Fusionskontrolle eingeführt wird. Maßnahmen, die sich nur gegen eine zunehmende Vermachtung der Märkte richten, können aber sowohl nach Auffassung der Koalitionsfraktionen SPD und FDP als auch nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion allein nicht ausreichen, um den Wettbewerb zu sichern. Diese Maßnahmen müssen vielmehr durch Regelungen ergänzt werden, die die wettbewerbliche Marktstruktur auf Dauer gewährleisten können. Dies bedeutet, daß neben der verschärften Mißbrauchsaufsicht und der Fusionskontrolle gleichzeitig auch die Wettbewerbsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen spürbar verbessert werden, um sie instand zu setzen, im Wettbewerb gegenüber marktmächtigen Wettbewerbern zu überleben. Die Koalitionsparteien haben in ihrem Antrag zur Verwirklichung dieser beiden Ziele vorgeschlagen, Kooperationserleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen zu schaffen — §§ 5 b und 28 —, die Mißbrauchsaufsicht über Ausschließlichkeitsverträge zu verschärfen — § 18 —, die Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen zu verbessern — § 22 , eine vorbeugende Fusionskontrolle neu einzuführen — §§ 23 bis 24 b Der Antrag des Ausschusses für Wirtschaft zum Gesetzentwurf liegt Ihnen als Drucksache 7/696 vor. Da er einige wesentliche Änderungen gegenüber dem von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf vorsieht, sei auf die Hauptpunkte eingegangen.Bei den Kooperationserleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen in § 5 b hat der Ausschuß die Fassung einstimmig wie folgt abgeändert bzw. ergänzt: Der Begriff „Koordinierung einzelner Unternehmensfunktionen` wurde durch den Ausdruck „zwischenbetriebliche Zusammenarbeit" ersetzt. Damit soll klargestellt werden, daß § 5 b alle Formen der Kooperation einschließlich der Ausgliederung einzelner Unternehmensfunktionen erfaßt. Der Ausschuß hat die Entwurfsfassung ferner durch den Zusatz „und der Vertrag oder Beschluß dazu dient, die Leistungsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu fördern" ergänzt. Dadurch soll die Zielvorstellung des § 5 b, die Kooperationsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen zu verbessern, im Gesetzestext selbst zum Ausdruck gebracht werden. Die Formulierung schließt nicht aus, daß unter Umständen auch große Unternehmen an dem Vertrag beteiligt sind. Entscheidend ist jedoch, daß der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt wird und der Vertrag der Förderung der Leistungsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen dient. Dagegen ist die Kooperation zwischen Großunternehmen durch den § 5 b nicht gedeckt. Der Anregung des Bundesrates, Preisabreden in § 5 b völlig auszuschließen, ist der Ausschuß nicht gefolgt. Es gibt Fälle, in denen eine leistungssteigernde Kooperation ohne Preisabsprachen praktisch nicht möglich ist. Jedoch sind wegender in § 5 b geforderten Rationalisierung bloße Preisabsprachen nicht zulässig. Wichtig ist auch der Hinweis, daß die Kooperationsfibel des Bundeswirtschaftsministeriums von § 5 b nicht berührt wird.Die SPD und FDP haben während der Beratung den Antrag eingebracht, die vertikale Preisbindung bei Markenwaren nunmehr abzuschaffen. Nach Ansicht der Mehrheit des Ausschusses ist die Markenwarenpreisbindung überlebt. Die Bindung der Abnehmer von Markenwaren an einheitliche, vom Hersteller festgelegte Abgabepreise paßt nicht mehr in die Volkswirtschaft, die über einen leistungsfähigen Handel verfügt und in der auch der Verbraucher kritischer und beweglicher geworden ist. Überdies macht die zunehmende Verflechtung der europäischen Konsumgütermärkte die deutsche Markenwarenpreisbindung immer problematischer. Das Kartellrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verbietet es inländischen Markenwarenherstellern, ihre Preise durch vertragliche Import- und Exportbeschränkungen abzusichern. Daher ist es in den letzten Jahren gerade für die Produzenten international verbreiteter Markenartikel immer schwieriger geworden, die inländischen Preisbindungen lückenlos zu erhalten. Nach Ansicht der Ausschußmehrheit werden durch die Beseitigung der Markenwarenpreisbindung für den Verbraucher die Wahlmöglichkeiten erweitert. Damit werden zugleich die marktwirtschaftliche Steuerung verbessert und der Anreiz zur Leistungssteigerung in Industrie und Handel verstärkt.Die Preisbindung für Verlagserzeugnisse soll jedoch in der bisherigen Form beibehalten werden. Das System der festen Ladenpreise im Buchhandel kann unter Kulturgesichtspunkten oder, sagen wir besser, unter kulturpolitischen Gesichtspunkten hingenommen werden.Auf Grund der Ergebnisse der Sachverständigenanhörung vom 4. Juni 1973 vermochte sich eine große Mehrheit des Ausschusses nicht dazu zu entschließen, die Markenwarenpreisbindung partiell aufrechtzuerhalten. Auch die Schaffung weiterer Ausnahmebereiche wurde abgelohnt. Der Gruppenantrag einiger Mitglieder der CDU/CSU, ein verschärftes Erlaubnisverfahren für Preisbindungen vorzusehen, wurde nicht angenommen.Bei der modifizierten Fassung des § 18 betreffend Ausschließlichkeitsverträge folgte der Ausschuß der Anregung des Bundesrats aus der letzten Legislaturperiode.Bei den Beratungen über die Verschärfung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen konnte der Ausschuß an die Erörterung des § 22 während der Beratungen in der 6. Legislaturperiode anknüpfen. Durch ;die Neufassung wird ,die Marktbeherrschung zusätzlich durch den Begriff „überragende Marktstellung" sowie zwei Marktbeherrschungsvermutungen konkretisiert. Die Kartellbehörde ist nicht mehr wie nach der bisherigen Rechtslage gezwungen, an Hand einer Vielzahl negativer Merkmale nachzuweisen, daß kein wesentlicher Wettbewerb besteht. An Hand von fünf Kriterien — Marktanteil, Finanzkraft, Zugang zu denDeutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2309Dr. FrerichsBeschaffungs- und Absatzmärkten, Verflechtungen mit anderen Unternehmen sowie Marktzutrittsschranken — wird deutlich gemacht, daß der Marktbeherrschungsbegriff über die bloße Marktanteilsbetrachtung hinausgeht und eine umfassende Würdigung aller Ressourcen des Unternehmens voraussetzt. Der Wirtschaftsausschuß war der Auffassung, daß die Kartellbehörde zwar in einer Gesamtschau bei ihrer Prüfung alle Merkmale berücksichtigen muß, es aber für die Annahme einer überragenden Marktstellung ausreichen kann, wenn ein Merkmal in überragendem Maße vorhanden ist. Indessen wird eine überragende Marktstellung im Zweifel zu verneinen sein, wenn ein Unternehmen auf Grund seiner Ressourcen auf einem Markt einen größeren Verhaltensspielraum hat als andere Unternehmen, sein Vorsprung aber nur temporärer Art ist und die für wettbewerbliche Marktprozesse notwendige Chance zu einem Wechsel in der Führungsrolle vorhanden ist.Bei der Beurteilung des relevanten Marktes ist auch die Wettbewerbssituation auf ausländischen Märkten in Betracht zu ziehen, wenn sie auf den Wettbewerb des Inlandsmarkts einwirkt. Dies kann in der Form tatsächlicher Importe, möglicherweise aber auch schon durch den potentiellen Wettbewerb solcher ausländischen Unternehmen erfolgen, die zum Eintritt in den deutschen Markt bereit und in der Lage sind. Die ausländische Wettbewerbssituation kann ferner dann von Bedeutung sein, wenn ein inländisches Unternehmen auf Auslandsmärkten wirksamem Wettbewerb ausgesetzt ist und sich daraus eine Wettbewerbskontrolle auch für sein inländisches Marktverhalten ergibt.Der Wirtschaftsausschuß hat bei der Erörterung der Marktbeherrschungsvermutungen festgestellt, daß es sich dabei nicht um Vermutungen im zivilrechtlichen Sinne handelt. Die Vermutungen sind ihrer Art nach viel eher Aufgreiftatbestände, durch die die Kartellbehörde in diesen Fällen zur Einleitung eines Verfahrens veranlaßt werden soll. Liegen solche Vermutungsvoraussetzungen vor, so hat die Behörde auf Grund der in diesem Verfahren geltenden Offizialmaxime von Amts wegen allen von den Unternehmen vorgebrachten Einwänden nachzugehen, daß sie trotz des die Vermutung begründenden Marktanteils wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt sind und nicht über eine im Verhältnis zu ihren Mitbewerbern überragende Marktstellung verfügen. Lassen sich diese Gegengründe nicht feststellen, so ist davon auszugehen, daß Marktbeherrschung im Sinne des Gesetzes vorliegt. Die Mitglieder der CDU/ CSU-Fraktion haben sich aus grundsätzlichen und rechtspolitischen Bedenken gegen die Aufnahme der Vermutungstatbestände in den Gesetzentwurf ausgesprochen und diese abgelehnt.Bei der Fusionskontrolle stellt die Neufassung der sogenannten Abwägungsklausel in § 24 Abs. 1 klar, daß die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen die Tatsachen darlegen und gegebenenfalls zu beweisen haben, die nach ihrer Ansicht und zu ihren Gunsten die Feststellung gerechtfertigt erscheinen lassen, die Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen überwögen die Nachteile der Marktbeherrschung. Nach dieser Formulierung genügt es im Unterschied zum Entwurf nicht, daß die Verbesserungen die Nachteile der festgestellten Marktbeherrschung aufwiegen; sie müssen nach Ansicht des Wirtschaftsausschusses diese vielmehr überwiegen.Der Ausschuß nahm zwei Anträge der CDU/CSU-Fraktion an, wonach auch die Wettbewerbsverhältnisse auf den Märkten außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes zu berücksichtigen sind und eine Ausnahmeerlaubnis durch den Bundeswirtschaftsminister nur erteilt werden darf, wenn durch das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet wird.Eingehend hat sich der Wirtschaftsausschuß mit der Frage befaßt, ob bei der Erlaubnis eine unabhängige Monopolbehörde in der Weise eingeschaltet werden soll, daß der Bundesminister für Wirtschaft nicht gegen das Votum der Monopolkommission und des Bundeskartellamtes entscheiden kann. Die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion, die eine unabhängige Institution befürworteten, machten vor allem auf die Einflüsse aufmerksam, denen der jeweilige Bundeswirtschaftsminister von allen denkbaren Seiten und in unterschiedlichster Stärke ausgesetzt sei. In diesem Zusammenhang wurde von der Opposition die Ansicht vertreten, daß in der Marktwirtschaft dem Staat die Aufgabe zufällt, die notwendigen und unabdingbaren Rahmenbedingungen zu schaffen, es aber nicht seine Aufgabe sei, Einzelfälle zu entscheiden.Die Ausschußmehrheit aus SPD- und FDP-Fraktion hielt dem entgegen, daß so bedeutende politische Entscheidungen wie die Ausnahmeerlaubnis in Fusionsfällen nicht einer Instanz übertragen werden können, die nicht parlamentarisch kontrolliert ist. Zudem müsse berücksichtigt werden, daß sich das öffentliche Bewußtsein in Fragen der Konzentration wirtschaftlicher Macht mehr und mehr schärfe. Schließlich sei es Aufgabe der im Gesetz vorgesehenen Monopolkommission, durch kritische Würdigung der Erlaubnisse durch den Bundesminister für Wirtschaft zu einer effektiven Fusionskontrolle, beizutragen. Außerdem habe der Bundesminister für Wirtschaft die Möglichkeit, in Einzelfällen, die zur Erlaubnis beantragt sind, eine gutachtliche Stellungnahme der Monopolkommission einzuholen. Ferner sei die Monopolkommission ermächtigt, ihre Gutachten zu veröffentlichen.Auf Grund der fortschreitenden Konzentration und der auch gesamtwirtschaftlich bedeutenden Zusammenschlüsse in jüngster Zeit sah sich die SPD- und FDP-Mehrheit des Ausschusses veranlaßt, die Aufgreifkriterien von einer Milliarde DM auf 500 Millionen DM herabzusetzen. Dafür war auch die Erwägung maßgebend, daß sich nach Auskunft des Bundeskartellamtes die Zahl der kontrollpflichtigen Zusammenschlüsse nach den Erfahrungen der letzten Jahre nur um etwa ein Drittel erhöhen würde.Der Ausschuß hat einstimmig auf Antrag der SPD- und FDP-Mehrheit beschlossen, das aufeinander abgestimmte Verhalten in die Novelle einzube-
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2310 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. Frerichsziehen, da die Teerfarbenentscheidung des Bundesgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes eine Lücke des deutschen Kartellrechts offenkundig gemacht haben. Der Ausschuß sieht in der Einführung des Verbots eines aufeinander abgestimmten Verhaltens eine wesentliche Verbesserung des Kartellgesetzes über die Vorlage der Fraktionen hinaus. Er hat bewußt eine Formulierung verabschiedet, die sich an die Fassung des EWG-Vertrages anlehnt und durch die Rechtsprechung schon eine Auslegung erfahren hat. Der Begriff des Aufeinander-Abstimmens verlangt seinem Inhalt nach die Beteiligung von zwei oder mehr Unternehmen. Er setzt darüber hinaus nach dem üblichen Sprachgebrauch bei dem Sachverhalt, der vom Gesetzgeber geregelt werden soll, voraus, daß zwei oder mehr Unternehmen ihr Verhalten bewußt und gewollt voneinander abhängig machen, ohne damit schon eine vertragliche Bindung einzugehen. Damit scheidet ein bewußtes Nachmachen des Verhaltens eines anderen Unternehmens aus. Das Nachmachen ist kein Aufeinander-Abstimmen, weil es hier an einem Mitwirken der anderen Seite fehlt; es ist ein einseitiges Verhalten. Noch weniger erfüllt ein zufälliges gleichförmiges Verhalten den Begriff des Aufeinander-Abstimmens.Bei der Verschärfung des Diskriminierungsverbotes hat der Ausschuß den Entwurf eines neuen § 26 Abs. 2 Satz 2 in zwei Punkten ergänzt. Er hat beschlossen, das Diskriminierungsverbot auch auf Vereinigungen von Unternehmen auszudehnen und neben einer ausreichenden auch eine zumutbare Möglichkeit vorauszusetzen, auf andere Unternehmen auszuweichen. Der neue § 26 erfaßt auch diejenigen Diskriminierungsfälle auf Grund von Angebots- und Nachfragemacht, in denen das diskriminierende Unternehmen nicht marktbeherrschend ist. Nach übereinstimmender Auffassung des Ausschusses verbietet diese Vorschrift z. B. einem Konzernunternehmen, das auf mehreren nachgeordneten Wirtschaftsstufen tätig ist, die Belieferung mit der Begründung einzustellen oder abzulehnen, daß die vorhandene Kapazität nur für die Belieferung der konzerneigenen Verkaufsstellen ausreicht. In einem solchen Falle ist das Konzernunternehmen zur Repartierung verpflichtet und darf sich nicht auf die vorrangige Versorgung des eigenen Vertriebsnetzes als sachliche Rechtfertigung für die Lieferverweigerung berufen.Die Neufassung der Mittelstandsempfehlung im § 38 Abs. 2 Nr. 1 soll dem Gedanken des strukturellen Nachteilsausgleichs für kleine und mittlere Unternehmen im Wettbewerb mehr Raum geben. Zu diesem Zweck wurde der Ausdruck „wettbewerbsfördernde Bedingungen" durch den Ausdruck „Förderung der Leistungsfähigkeit" ersetzt, allerdings auch eine „Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen" vorausgesetzt. Die neue Mittelstandsempfehlung beschränkt sich nicht mehr auf Preis-und Kalkulationsempfehlungen. Preis- und Kalkulationsempfehlungen für einzelne Produkte sind im Wettbewerb nicht immer entscheidend. Für die mittelständischen Unternehmen kommt es vielmehr auf Empfehlungen an, die z. B. auch Werbung, Absatzgestaltung, Sortimentsgestaltung usw. umfassen. In diesem Zusammenhang geht es nach Auffassung des Wirtschaftsausschusses vor allem darum, daß die Empfehlung im ganzen konkurrenzfördernden Charakter gegenüber den Großwettbewerbern hat. Preistreibende Empfehlungen, die lediglich Preiserhöhungen zum Inhalt haben, sind von der Mittelstandsempfehlung nicht gedeckt.Der Ausschuß hat mehrheitlich mit den Stimmen der SPD- und FDP-Mitglieder zu der Auffassung Stellung genommen, daß es den Markenwarenherstellern nach Beseitigung der Markenwarenpreisbindung zumindest für eine Übergangszeit ermöglicht werden sollte, unverbindliche Verbraucherpreisempfehlungen als Orientierungshilfen auszusprechen. Zugleich wurde eine Einengung der Zulassungsvoraussetzungen und eine schärfere Mißbrauchsaufsicht über solche Empfehlungen vorgesehen. Unverbindliche Preisempfehlungen haben nach Ansicht der Mehrheit des Ausschusses nicht die gleichen wettbewerbspolitischen Nachteile wie die Preisbindung. Sie schließen den Wettbewerb auf der Handelsstufe nicht aus und ermöglichen es dem Hersteller, seinen Abnehmern in geeigneten Fällen Kalkulationshilfen zu geben und gegenüber dem Verbraucher mit einer Preisvorstellung zu werben.Die CDU/CSU-Fraktion hat sich im Ausschuß demgegenüber für die Beseitigung der unverbindlichen Preisempfehlung ausgesprochen. Nach ihrer Auffassung werde die Aufrechterhaltung der Empfehlung zu einer Flut von Markenwaren und Quasi-Markenwaren und zu einer Täuschung des Verbrauchers führen. Das Bundeskartellamt sei mit der Mißbrauchsaufsicht völlig überfordert.Im Hinblick auf die von allen Ausschußmitgliedern in Betracht gezogene Möglichkeit, daß trotz der scharfen Mißbrauchsaufsicht über unverbindliche Preisempfehlungen Mißbräuche, insbesondere sogenannte Mondpreisempfehlungen, nicht ausreichend eingedämmt werden können, wurde im Ausschuß erörtert, dem Bundestag die folgende Entschließung vorzulegen:Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, nach Ablauf von drei Jahren nach Beseitigung der Preisbindung für Markenartikel einen Bericht darüber vorzulegen, welche Erfahrungen mit den Vorschriften über unverbindliche Preisempfehlungen bei Markenwaren gemacht worden sind. Der Bericht soll gegebenenfalls auch Vorschläge für notwendige Änderungen des Gesetzes enthalten.Der Antrag eines Mitgliedes der CDU/CSU-Fraktion, die Anmeldevoraussetzungen und die Mißbrauchsaufsicht bei Verträgen nach § 102 GWB zu verschärfen, fand keine Mehrheit. Der Ausschuß, der sich bei dieser Novellierung nicht mit der Überprüfung der Ausnahmebereiche des Gesetzes befaßt hat, ist jedoch der Auffassung, daß die Ausnahmebereiche von der Bundesregierung überprüft werden sollten. Hierzu wird dem Bundestag ein Entschließungsantrag vorgelegt werden.Bezüglich der freien Berufe ist der Ausschuß der Auffassung, daß zu einer generellen Freistellung vom GWB kein Anlaß besteht. Die freien Berufe
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2311
Dr. Frerichsunterliegen dem Kartellrecht nicht, soweit staatliches oder auf staatlicher Ermächtigung beruhendes Berufsstandesrecht besteht.Meine Damen und Herren, soweit die wesentlichen Änderungen und Klarstellungen, die im Ausschuß für Wirtschaft gegenüber dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Gesetzentwurf vorgenommen worden sind.Als Berichterstatter möchte ich Gelegenheit nehmen, allen Dank zu sagen, die durch ihren Sachbeitrag zur Reform dieses wichtigen Gesetzes beigetragen haben, vor allem dem Kartell-Referat des Bundeswirtschaftsministeriums
Ich sage aber auch Dank für die hilfreiche Unterstützung durch das fleißige Sekretariat des Ausschusses für Wirtschaft.
Der Wirtschaftsausschuß hat einstimmig den nachstehenden Antrag vorgelegt:Der Bundestag wolle beschließen:1. Der Bundestag stimmt dem Gesetzentwurf — Drucksache 7/76 — in der aus der Anlage ersichtlichen Fassung zu;2. die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter Dr. Frerichs. Wünscht ein weiterer Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jens.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich zunächst dem Berichterstatter, Herrn Dr. Frerichs, für seinen sachlichen Bericht und auch für die sachliche Zusammenarbeit im Ausschuß recht herzlich danke.
Diese Novelle zum Kartellgesetz ist unseres Erachtens das erste wichtige Reformgesetz in der 7. Legislaturperiode. Die sozialliberale Koalition hat sie in kürzester Frist zur Verabschiedung gebracht. Damit haben wir gezeigt: die Koalition kann trotz aller Unkenrufe auch im innenpolitischen Bereich gut zusammenarbeiten und unsere Wirtschafts- und Sozialordnung fortschrittlich ausbauen.Der Entwurf, den die Koalitionsparteien vor viereinhalb Monaten eingebracht haben, ist von ihnen noch in wesentlichen Punkten verbessert worden. Endlich wurden einige Probleme gelöst, die noch vor zwei Jahren von den Spitzenverbänden der Großwirtschaft und der CDU nicht einmal diskutiert worden sind. Möglicherweise haben die ständigen Preissteigerungen manchem die Augen vor unkontrollierter wirtschaftlicher Macht oder den Machenschaften multinationaler Unternehmen geöffnet. Oder war es der Wahlausgang vom September1972? — Was der doch alles für heilsame Wirkungen zeigt!Wir Sozialdemokraten hatten in der ersten Lesung neun wichtige Ergänzungen und Verbesserungen vorgeschlagen, die wir in den Gesetzentwurf nach reiflicher Überlegung eingebaut haben. Nur ein Problem haben wir aus zeitlichen Gründen zurückgestellt.Jede Bestimmung in diesem Gesetz, das wir heute verabschieden, zielt darauf ab, unsere Wirtschaftsordnung zu verbessern. Die Stellung der kleinen und mittleren Unternehmen am Markt wird gestärkt, und die Macht der Großwirtschaft wird beschränkt. Damit dienen wir dem Verbraucher und verbessern seine Stellung in der Wirtschaft. Denn die Wirtschaft und die Unternehmen sind für die Verbraucher da und nicht die Verbraucher für die Wirtschaft.
Seit mehr als zehn Jahren wissen wir, daß die Nachteile der Preisbindung für den Verbraucher größer sind als die Vorteile.
Das hat die Bundesregierung bereits 1962 in einem Bericht des ehemaligen CDU-Bundeskanzlers Erhard festgestellt. Das letzte Hearing des Wirtschaftsausschusses über diese Frage brachte keine neuen Erkenntnisse. Die wahre Interessenvertreterin der Verbraucher, die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, hat noch im Februar festgestellt, daß die Preisbindung der Prüfstein für die Politiker wird.
Die sozialliberale Koalition war stark genug, die Interessen der Verbraucher nicht auf den Altären verschiedener Interessentengruppen zu opfern,
— die CDU hat es im Ausschuß doch versucht, Herr von Bismarck — weil möglicherweise die Automobilhersteller, die Keks- und Pralinenbäcker oder die Elektroindustrie so sehr danach gedrängt haben.
Endlich wird nach 15 Jahren ein Schlußstrich gezogen und dieses Privileg einer Gruppe von Unternehmen beseitigt.Die kleinen Handelsunternehmen sollten sich wegen der Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand keine Sorgen machen. Sie können, wenn die Preisbindung am 1. Januar 1974 ausläuft, den größeren Konkurrenten viel flexibler entgegentreten. Nur die Kaufhäuser und Supermärkte haben mit den preisgebundenen Artikeln bisher ihre Gewinne hereingeholt.Die CDU/CSU sollte meines Erachtens über ihre Haltung in dieser Frage noch einmal nachdenken. Ihr Ordnungsverständnis ist noch immer nicht in Ordnung.
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2312 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. JensDie Preisbindung, die den Preiswettbewerb zwischen den Händlern verbietet, will sie zum Teil beibehalten, während sie die unverbindlichen Preisempfehlungen, die den Preiswettbewerb nicht ausschließen, abschaffen will. Ich hoffe, meine Damen und Herren von der CDU, Sie erkennen diesen Widerspruch; in eine Wettbewerbsordnung paßt diese Haltung jedenfalls nicht hinein.
Sie führen wirklich ein Scheingefecht, um beim Einzelhandelsverband möglicherweise noch Stimmen zu gewinnen. Wahrscheinlich wird nicht einmal Ihre eigene Fraktion die Abschaffung der Preisempfehlung mit Mehrheit beschließen. Auf Ihre bayerischen Kollegen können Sie sich schon wieder einmal nicht verlassen.
Selbstverständlich wurden mit den alten Preisempfehlungen viele Verbraucher irregeführt. Aber wir versuchen es noch einmal mit völlig neuen, unverbindlichen Preisempfehlungen, bei denen der Mißbrauch scharf kontrolliert wird. Wenn der empfohlene Preis z. B. in mehreren Fällen mehr als 15% über dem tatsächlichen Preis liegt, kann das Kartellamt darin einen Mißbrauch sehen und die Preisempfehlung für die Zukunft verbieten. Die empfohlenen Preise sind auf alle Fälle Höchstpreise, und der Verbraucher sollte wissen, daß es irgendwo auch stets Unternehmen gibt, die diese Waren billiger verkaufen. Der Verbraucher sollte mal wieder um ,den Preis einer Ware handeln wie im Orient, werden Sie sagen; so etwas soll geistig jung erhalten.Auf mich wenigstens wirkt es geradezu erheiternd, wenn fast alle Wirtschaftsverbände aus Sorge um den Verbraucher für die Preisbindung und für die Preisempfehlung plädieren. Ich nehme das den Verbänden nicht ab. Die Verbände, so finde ich wenigstens, sollten sich angewöhnen, eine offene und ehrliche Sprache zu sprechen. Immer dieses Verschanzen hinter dem Gemeinwohl! Jeder Verband sollte seine Interessen deutlich vertreten und nicht, wie es häufig wenigstens aussieht, im geistigen Schlepptau des Bundesverbandes der Deutschen Industrie hängen. Nur die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer hat sich bisher, wie mir scheint, ihre Freiheit bewahrt. Hier sind noch Unternehmer zu finden, die Risiko tragen und die noch keine verbeamteten Manager sind.Der Einzelhandelsverband will wahrscheinlich keine Preisempfehlungen und gibt sich progressiv, weil ohne Preisempfehlungen die Gewinne des Handels höher ausfallen. Wir Sozialdemokraten wollen auch keine Preisempfehlungen mehr, wenn sich herausstellen sollte, daß auch mit dem neuen Instrument der Verbraucher wiederum hinter das Licht geführt wird.Der 2. Januar 1974 ist für den Verbraucher auf alle Fälle ein wichtiger Termin. Von diesem Tag an werden alle Preise in der Bundesrepublik mit Ausnahme von Verlagserzeugnissen nur vom Händler festgelegt. Es wäre sicherlich gut, dafür zu sorgen,daß die Preisvergleiche in Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen verbessert werden, damit der Verbraucher einen Teil der überhöhten Gewinne bei den Markenwaren abbekommt.Es ist schlichtweg falsch, meine Damen und Herren, wenn einige Mittelständler jetzt behaupten, die Novellierung des Kartellgesetzes würde die großen Unternehmen begünstigen und die kleinen nur benachteiligen. Dieses Grundgesetz der Wirtschaft ist für alle Beteiligten da. So wurde die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit nur vom Kartellverbot freigestellt, um den kleinen Unternehmen zu helfen. Große Unternehmen, die zum Zwecke der Rationalisierung zusammenarbeiten wollen, können sich auf diesen neuen Paragraphen nicht berufen.Den Gaststätten und vielen anderen kleinen Selbständigen wollen wir dadurch helfen, daß das Kartellamt in Zukunft nach § 18 sogenannte Ausschließlichkeitsvrträge verbieten kann, wenn eine erhebliche Zahl von Selbständigen auf gleiche Art und Weise geknebelt wird. Heutzutage sind viele Gaststätten durch Bierlieferungsverträge an die Brauereien gebunden. Sie zahlen zum Teil für einen Hektoliter Bier mehr als doppelt soviel wie Supermärkte für genau die gleiche Ware. An den hohen Bierpreisen in den Kneipen verdienen also vor allem die Brauereien und nicht die Gastwirte. Das müssen die Biertischpolitiker einmal wissen.
Aber diese Einführung eines meines Erachtens noch verhältnismäßig schwachen Individualschutzes zielt keineswegs nur auf Bierlieferungsverträge, obwohl die Brauereien immer wieder diesen Anschein erweckt haben. Wir sind davon ausgegangen, daß der Individualschutz im neuen § 18 auf alle Arten von Verträgen, auch auf Miet-, Pacht- und Handelsvertreterverträge anzuwenden ist.Die multinationalen Mineralölunternehmen können endlich die Belieferung der freien Tankstellen nicht mehr mit der Begründung einstellen, daß der Sprit nur für die konzerneigenen Verkaufsstellen ausreicht, und die Einzelhändler brauchen keine Angst zu haben, daß Markenwarenhersteller sie nicht beliefern, weil sie den empfohlenen Preis nicht einhalten. Solche Machenschaften würden gegen den neuen § 26 verstoßen und würden vom Kartellamt verboten.Schließlich können Vereinigungen von mittleren und kleinen Unternehmen ihren Mitgliedern unverbindliche Empfehlungen über Preise, Werbung und Sortimentsgestaltung geben. Damit helfen wir vor allem den genossenschaftlichen Ketten im Lebensmitteleinzelhandel, den kleinen Edeka- und ReweLäden, die dadurch den großen Filialunternehmen wie Kaiser und Tengelmann besser Konkurrenz machen können.
Uns ist es darum gegeangen, den Wettbewerb zu beleben, wo immer es möglich ist. Der Wettbewerb wird belebt, indem man die kleinen Unternehmen stärkt und ihre Nachteile gegenüber den großen ausgleicht. Unternehmer, die in dieser Beziehung
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2313
Dr. JensMätzchen machen, um dem Wettbewerb zu entgehen, plädieren im Grunde für eine gelenkte Wirtschaft; sie sollten ihre Tätigkeit aufgeben und Beamte werden.Marx hat das Verhalten vieler Unternehmen in einem Punkt durchaus richtig vorhergesehen. Er ging davon aus, daß die Unternehmer alles tun, um dem Wettbewerb zu entgehen. Nach dem Kartellgesetz waren Verträge in dieser Richtung seit langem verboten. Dafür wurde beim Kegelabend oder beim Sektfrühstück das Verhalten am Markt koordiniert. In Unternehmerkreisen heißt so etwas „unverbindlicher Informationsaustausch".
In Wirklichkeit trifft man sich, um dem lästigen Konkurrenzprinzip ein Schnippchen zu schlagen, um sich nur nicht gegenseitig etwas von den angestammten Gewinnen wegzunehmen. Auch dieses aufeinander abgestimmte Verhalten kann in Zukunft vom Kartellamt geahndet werden. In diesem Punkt haben wir nach langer Diskussion mit dem europäischen Wirtschaftsrecht endlich gleichgezogen.Die Hauptgefahr für unsere Wettbewerbsordnung geht allerdings von der ständigen Konzentration in der Wirtschaft aus. Eine Welle von Zusammenschlüssen von Unternehmen liegt gerade hinter uns; denn vom 7. Juni an - das wußten die Unternehmen sind die Fusionen beim Kartellamt anzumelden, wenn die beiden Unternehmen zusammen 500 Millionen DM Umsatz haben. Mit dieser 500Millionen-DM-Umsatz-Grenze haben wir es erreicht, daß auch Zusammenschlüsse von Springer, Gruner + Jahr, Bertelsmann oder z. B. dem Bauer-Verlag genehmigt werden müssen. Daß die „Welt" gestern übereifrig diese Fusionskontrolle sogleich abgelehnt hat, kennzeichnet natürlich ihren Charakter.Die aktienrechtlichen Haftungsbestimmungen zwingen auf alle Fälle jeden Vorstand und Aufsichtsrat dazu, vor dem Zusammenschluß eine Genehmigung des Kartellamtes einzuholen. Nur in ausgesprochenen Notfällen wird möglicherweise über diese vorbeugende Absicherung der Fusionskontrolle hinweggesehen werden können.Vor zwanzig Jahren hat die Wirtschaft diese Fusionskontrolle des Staates zu verhindern gewußt. Bereits im ersten Entwurf enes Kartellgesetzes aus dem Jahre 1952 war sie enthalten. Wir Sozialdemokraten haben sie dann 1964 durch einen Gesetzentwurf nochmals gefordert. Wäre man schon damals unserem Vorschlag gefolgt, dann wäre unsere Wirtschaftsordnung bei der jüngeren Generation sicherlich nicht so sehr in Verruf gekommen. Mit unserer Marktwirtschaft ist es wirklich fünf Minuten vor zwölf. Einzig und allein die Unternehmer haben darüber zu entscheiden, ob diese Frist fünf Minuten oder ewig dauern wird.
Unsere Fusionskontrolle, die wir heute einführen, ist jedenfalls schon Vorbild für eine europäische Lösung geworden.Bei Unternehmen mit einem überragenden Marktanteil wird jetzt der Mißbrauch ihrer wirtschaftlichen Macht durch Verschärfung des § 22 GWB stärker kontrolliert. Ein erneutes Mißbrauchsverfahren gegen die vier großen internationalen Mineralölfirmen wird nach der neuen Fassung des § 22 nicht mehr wegen Beweisschwierigkeiten schieflaufen. Jedenfalls hat es jetzt das Kartellamt viel leichter. Wenn ein Unternehmen einen Marktanteil von einem Drittel oder fünf oder weniger Unternehmen einen Marktanteil von zwei Dritteln haben, so kann es davon ausgehen, daß diese Unternehmen marktbeherrschend sind, und kann ihnen dann auch Mißbrauch verbieten. In England hat man mit dieser Mißbrauchsaufsicht bereits früher angefangen und ist von einem Marktanteil von 25 O/ o ausgegangen. Diese Kontrolle auch der Preisbildung der Großunternehmen ist meines Erachtens dringend notwendig gewesen. Machtmißbrauch liegt nämlich auch dann vor, wenn die Großunternehmen in der heutigen konjunkturellen Situation ihre Preise schamlos erhöhen ohne Rücksicht auf die vereinbarte Lohnentwicklung und den Produktivitätsfortschritt ihres Unternehmens.
Die CDU hat diese Art der Kontrolle über marktstarke Unternehmen nicht mitgemacht. Sie hat im Ausschuß außerdem alles versucht, um die Kontrolle über Unternehmenszusammenschlüsse aufzuweichen.
— Ich darf Sie doch an Ihre zusätzliche Einführung erinnern, an die Leitungsmacht, Herr Breidbach. -Offensichtlich will oder kann sie sich aus der unheilvollen Verklammerung mit den Interessen der Großwirtschaft nicht befreien.
Die CDU hat uns häufig vorgeworfen, wir würden die Ordnungspolitik vernachlässigen. Diesmal sind die Fachleute der CDU unseren Vorstellungen gefolgt. Ihren Vorwurf, wir nähmen die Marktwirtschaft nicht ernst, haben Sie damit an dem besten Beispiel, wie mir scheint, selbst entkräftet. Wir haben nicht groß geredet. Wir haben im Bereich der Ordnungspolitik endlich gehandelt. Ich muß Ihnen leider vorwerfen: Sie haben die marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht immer ganz ernst genommen.
Sonst wären Sie bereits 1965 den Vorschlägen Ihres damaligen Wirtschaftsministers Kurt Schmücker gefolgt. Der hat nämlich festgestellt: Das Preisbindungsprivileg der Markenwaren — ich zitiere — ist grundsätzlich mit einer nach dem Wettbewerbsprinzip geordneten Marktwirtschaft nicht vereinbar.Wir haben mit dieser Novelle erneut versucht, den Wettbewerb zum Lenkungsinstrument der Wirtschaft zu machen. Wo es allerdings keinen Wett-
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2314 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. JensBewerb gibt, da muß das Kartellamt kontrollieren. Diese Grundsätze können Sie in unserem Godesberger Programm nachlesen. Es ist für uns natürlich erfreulich, festzustellen, daß auch die CDU/CSU diesen Grundsätzen unseres Grundsatzprogramms mittlerweile folgt.
Ich hoffe nur, Sie werde es nicht ganz abschreiben.Es bleibt also, wie Sie sehen, bei einer Wirtschaftsordnung, in der die Entscheidungen über Investition und Produktion dezentral in den einzelnen Unternehmen fallen. Das Lenkungsinstrument Wettbewerb hat neue Kraft bekommen.Aber die Ausgestaltung der Unternehmensverfassung steht noch aus. Die Unternehmensführung kann nicht nur vom Kapital abhängen. Die Arbeitnehmer müssen — das wäre der weitere Ausbau unserer Wirtschaftsordnung — gleichberechtigt in den Entscheidungsorganen eines Großunternehmens vertreten sein. Erst wenn wir die paritätische Mitbestimmung eingeführt haben, werden wir eine freiheitliche Ordnung besitzen, die auch von den fortschrittlichen Kräften in der Jugend akzeptiert wird.
Es gibt bereits heute in der Bundesrepublik viele Wissenschaftler und Professoren, die die Ansicht vertreten, die schleichenden Preissteigerungen unserer Zeit seien das Ergebnis der ungleichen Machtverteilung in der -Wirtschaft.
Die Preissteigerungen werden noch zum Schwanengesang dieser Wirtschaftsordnung, wenn wir sie nicht in den Griff bekommen.
Auch diese Novelle trägt ein wenig — ein wenig! -zur Stabilisierung der Preise bei. Denn die konjunkturpolitischen Instrumente greifen bekanntlich am besten bei starkem, funktionierendem Wettbewerb. Dieses Gesetz stärkt damit die Fundamente unserer freiheitlichen Ordnung ganz entscheidend.Wir haben damit in der Bundesrepublik ein sehr fortschrittliches, ich würde sagen, das beste Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, um das wir von anderen Ländern beneidet werden. Aber wir haben auch ein Gesetz, auf das wir Sozialdemokraten stolz sein können. Denn manches von dem, was Sie heute hier beschließen, haben wir vor zehn Jahren bereits gefordert.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Lambsdorff.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten begrüßt es, daß wir heute in der Lage sind, uns nach so verhältnismäßig kurzer Zeit mit der zweiten und drittenI Lesung der Kartellnovelle zu beschäftigen. Darf ich ganz persönlich hinzufügen, verehrter Herr Kollege Jens: Auch in meiner Eigenschaft als — wie Sie es genannt haben — verbeamteter Manager schließe ich mich dieser Freude in vollem Umfang an.
Für die Freien Demokraten hat im Mittelpunkt des Wettbewerbsrechtes immer die Erkenntnis gestanden, daß wir für den Verbraucher einen leistungsfähigen Mittelstand in unserer Wirtschaftsordnung benötigen. Ich will mich, da wir noch mehrere Runden der Diskussion zu diesem Gesetzentwurf vor uns haben, bei meinen jetzigen Ausführungen auf diesen Kernpunkt beschränken.Das ist nicht zu verstehen unter dem Gesichtspunkt von Erhaltungssubventionen, Naturschutzpark oder gar Gartenzwergromantik. Es ist die Wahrnehmung von Verbraucherinteressen. Insofern, Herr Jens, stimmen wir überein: Diese Wirtschaftsordnung — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat das bereits in seinem Beitrag zur Regierungserklärung gesagt — muß dem Verbraucher dienen. Dem Verbraucher aber dient ein leistungsfähiger Mittelstand in Handwerk, Handel und Gewerbe. Wir können es uns nicht leisten, den Verbraucher nur noch zwischen Mammutkonzernen und Riesensupermärkten anzusiedeln. Das ist die grundsätzliche Überlegung in wenigen kurzen Worten, warum wir auf diesen Gesichtspunkt besonderen Wert legen.Der Mittelstand braucht Rahmenbedingungen einer Wirtschaftsordnung, die ihm in dieser marktwirtschaftlichen Ordnung seine Chance im Wettbewerb lassen; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das tut diese Novelle. Dafür sorgt sie.Lassen Sie mich das mit ganz wenigen Hinweisen belegen. Nach dem ausgezeichneten Vortrag des Herrn Berichterstatters kann ich das sehr kurz machen.Die Kooperationserleichterung des § 5 b ist ein altes Anliegen, das nach unserer Überzeugung notwendig ist, das erfüllt werden mußte und das den Mittelstand endlich in die Lage versetzt, Dinge zu tun, die wir in der Wettbewerbsordnung für richtig halten, ohne daß er ständig Sorge und Befürchtungen haben muß, deswegen mit dem Bundeskartellamt in Konflikt zu geraten. Diese Gesetzeserklärung, wie ich das nennen möchte, war notwendig.Es war auch notwendig — Herr Dr. Frerichs, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen —, daß wir hier dann die Großen einbeziehen und mitwirken lassen, um die Stellung der Kleinen und Mittleren auf dem Markt nicht durch eine entgegengesetzte Regelung etwa zu verschlechtern; natürlich nur, wenn dadurch Kleine und Mittlere Vorteile erlangen und wenn der Wettbewerb keine wesentliche Beeinträchtigung erfährt. Der Ausschuß war in dieser Frage einig.Auch in der Frage des § 18, der Verstärkung des Individualschutzes, glauben wir, einen Mittelweg gefunden zu haben, der den berechtigten Forderungen und Interessen, die von vielen Seiten angemeldet worden sind, Rechnung trägt und der Gesetz-
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Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2315
Dr. Graf Lambsdorffgebung ist ja auch sehr häufig die Kunst des Ausgleichs diesen Ausgleich bietet, nämlich die Verstärkung des Individualschutzes und die Erhaltung des Bierlieferungsvertrages als absatzpolitisches Instrument insbesondere der mittelständischen Brauereien, gleichzeitig aber auch als ein Mittel für Newcomer im Hotel- und Gaststättengewerbe, den Zugang zu diesem Gewerbe zu erleichtern und durch eine gesetzgeberische Regelung nicht etwa einen closed shop zu schaffen.Auch die Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen mußte verschärft werden; vor allen Dingen mußte sie anwendbar und praktikabel gemacht werden. Daran hat es bisher gefehlt. Daran ist das Kartellamt bisher gescheitert. Deswegen haben wir uns zu dieser Regelung entschlossen.Daß die Fusionskontrolle im Interesse der Erhaltung eines mittelständischen, ich will nicht sagen: Besitzstandes, aber Manövrierraumes liegt, braucht man im einzelnen nicht mehr darzulegen.Ganz wesentlich ist nach meiner Überzeugung die Vorschrift des § 26 Abs. 2 mit der Belieferungspflicht. Wir alle haben erlebt, wie es im freien Tankstellengewerbe in den letzten Wochen ausgesehen hat. Ich muß sagen, es war eine erfreuliche und schnelle Reaktion des Ausschusses, diese Gelegenheit zu benutzen, um diesem Mißstand alsbald abzuhelfen. Wir haben hier eine vernünftige Vorschrift im Ausschuß einstimmig verabschiedet.Die Mittelstandsempfehlung ist ein altes Anliegen der Freien Demokraten. Sie ist jetzt endlich klar und anwendbar. Sie hebt das, was gesetzlich noch erlaubt ist, und das, was schon verboten ist, aus dem Zwielicht. Das ist endlich eine klare Formulierung, zu der wir verpflichtet sind. Wir wollen uns dessen nicht rühmen. Der Gesetzgeber hat, wenn irgend möglich, klare Formulierungen zu liefern. Die Erfahrungen, die mit der Mittelstandsempfehlung in den vergangenen 15 Jahren gemacht worden sind, waren nicht gut. Sie waren deswegen nicht gut, weil die Auslegungsstreitigkeiten nie zum Ende gekommen sind.Zum Thema der unverbindlichen Preisempfehlung § 38 a — werde ich in der nächsten Runde Gelegenheit haben, Stellung zu nehmen. Der Streichungsantrag der Opposition ist angekündigt. Da ich mich nicht wiederholen will, will ich hier auf Ausführungen dazu verzichten.Dies, meine Damen und Herren, sind die Punkte, die wir unter mittelstandspolitischen Gesichtspunkten für wesentlich halten, die wir begrüßen und auf die wir bei der Verabschiedung dieser Kartellnovelle ganz besonderes Gewicht legen.In meinem Beitrag zur Diskussion über die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers habe ich im Namen meiner Fraktion sinngemäß erklärt, daß wir ein starkes und praktikables Kartellgesetz und eine Kartellbehörde anstreben, die dieses Gesetz liberal und pragmatisch anwendet. Dies ist auch heute noch unser Wunsch. Der Erfolg von Gesetzen hängt ganz wesentlich davon ab, wie sie praktiziert, wie sie ausgelegt, wie sie angewandt werden. Wir erleben in diesen Tagen ein Beispiel dafür, wiedie gute Absicht des Gesetzgebers durch schändlichen Mißbrauch eines Gesetzes — ich meine die Schutzvorschriften für die Arbeitnehmer im Krankheitfall — ins Gegenteil verkehrt wird. Wir wollen, daß uns Ähnliches mit dem Kartellgesetz nicht widerfährt.Deswegen unsere Bitte an das Kartellamt und auch an das Bundeswirtschaftsministerium — über die wir im Ausschuß häufiger gesprochen haben —, die Ausschußberichte und die Gesetzesmaterialien bei der Auslegung dieses Gesetzes in besonderem Maße zu berücksichtigen. Ich darf an das Kartellamt eine Bitte richten und dabei einen Vergleich aus einem Gebiet wählen, in dem ich nicht zu Hause bin - Walter Henkels und andere .Jäger mögen mir das verzeihen —: Wenn Sie die Wettbewerbsordnung als ein Revier betrachten, so meinen wir, daß die Aufgabe des Kartellamtes in erster Linie darin besteht, Hege und Pflege zu üben, und daß nicht das Beutemachen an erster Stelle steht. Die Buchstaben BKA — dies ist eine vielleicht etwas boshafte Formulierung — sind in diesem Falle nicht die Abkürzung für „Bundeskriminalamt", sondern die Abkürzung für „Bundeskartellamt".Wenn dieses Gesetz verabschiedet wird, ist das, was die Initiatoren des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Jahre 1958 eigentlich schon wollten, mit 15jähriger Verspätung in die Tat umgesetzt worden. Dies muß uns, glaube ich, auch die Opposition konzedieren. Es bedurfte der gesetzgeberischen Kraft der sozialliberalen Koalition, um die Absichten der Schöpfer der sozialen Marktwirt- a schaft und ihre Absicherung durch ein modernes, brauchbares und anwendbares Wettbewerbsgesetz in die Tat umzusetzen. In diesem Sinne bittet meine Fraktion, dem Entwurf in der vom Wirtschaftsausschuß beschlossenen Fassung zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Frerichs.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs am 1. Februar dieses Jahres angekündigt, daß sie gründlich und zügig an der Kartellnovelle mitarbeiten wird, um in den Ausschüssen durch Anträge und Klarstellungen eine Verbesserung des vorliegenden Koalitionsentwurfs zu erreichen.Wir haben unser Wort gehalten und durch eine aktive Mitarbeit und Mitgestaltung in den Ausschüssen unter Zurückstellung von Bedenken in Einzelfragen und hinsichtlich des erheblichen Zeitdrucks sichergestellt, daß die sehr wesentliche Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen noch rechtzeitig vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet und nach dem auch von uns erwarteten reibungslosen Durchgang durch den Bundesrat am 6. Juli bald verkündet werden kann.Da die jetzige Kartellgesetznovelle auf dem breiten Fundament des unter Bundeskanzler Konrad Adenauer und Bundeswirtschaftsminister Ludwig
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2316 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. FrerichsErhard geschaffenen Grundgesetzes der Marktwirtschaft weiterbaut und somit, meine Damen und Herren, gewachsener Bestandteil christlich-demokratischer und christlich-sozialer Wirtschaftspolitik ist, konnte die Opposition die Absichten der Regierungskoalition überall dort unterstützen, wo es um die Stärkung des Wettbewerbs und der marktwirtschaftlichen Ordnung zugunsten einer leistungsfähigeren Wirtschaft und der bestmöglichen und preisgünstigsten Verbraucherversorgung ging. Wir mußten jedoch dort ablehnen, wo wir befürchteten, daß der Schutz des Verbrauchers von Übervorteilung nicht ausreicht, und sich Ansätze zu einer dirigistischen Prozeßpolitik zeigten.Der Berichterstatter hat die Schwerpunkte der Änderungen herausgestellt, so daß ich aus der Sicht der CDU/CSU lediglich einige Anmerkungen im Stile des Pro und Contra zu machen brauche. Wir sind pro, also für die Erweiterung der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit zur Förderung der leistungssteigernden Kooperation kleiner und mittlerer Unternehmen und versprechen uns hiervon eine gute Hilfestellung für die gesamte mittelständische Wirtschaft.Jetzt wird es aber darauf ankommen, daß die mittleren und kleinen Unternehmen auch tatsächlich von den verschiedenen Möglichkeiten der Kooperation Gebrauch machen. Sie ist nunmehr in allen Unternehmensfunktionen möglich, wenn dadurch der Wettbewerb nicht wesentlich beeinträchtigt wird. hierzu gehören Einkauf, Verkauf, Produktion, Lagerhaltung, Sortimentsgestaltung, Werbung, Kundendienst, EDV-Nutzung, also praktisch die gesamte Palette betrieblicher Tätigkeit. Die CDU/CSU wünscht, daß sich vor allem die Organisationen der Wirtschaft, ihre Kammern, Innungen, Verbände der Information und Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen annehmen und ihnen dabei helfen, die Chancen, die diese neuen Bestimmungen bieten, auch voll zu nutzen. Modell- und Beispielsfälle sollten von den Selbstverwaltungsorganen entwickelt werden. Die Kooperationsbörse des Rationalisierungskuratoriums der Deutschen Wirtschaft und die Kooperationsausschüsse von Industrie, Handel, Handwerk und Gewerkschaften haben hierzu schon gute Vorarbeiten geleistet; aber die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit muß noch auf breiter Ebene zum Erfolg geführt werden. Dies gilt auch für die neugestaltete Mittelstandsempfehlung, die den strukturellen Nachteil gegenüber Großbetrieben auszugleichen helfen soll.Mit der erweiterten Fassung der Bestimmung über die Wettbewerbsregeln durch Klarstellung, daß sie auch zum Schutz des leistungsgerechten Wettbewerbs aufgestellt werden können, soll Wettbewerbspraktiken entgegengetreten werden, die dem Gedanken des Leistungswettbewerbs zuwiderlaufen. Mit dieser Neufassung wird sich eine Rechtsprechung entwickeln müssen, die, von der Beurteilung des Einzelfalles ausgehend, festzustellen versucht, was leistungsgerechter oder nicht leistungsgerechter Wettbewerb ist. Auch mit dieser wesentlichen Verbesserung erwachst den Wirtschafts- und Berufsvereinigungen ein neues Aufgabengebiet, nämlich fürI ihren Bereich Wettbewerbsregeln aufstellen zu können.Die CDU/CSU-Fraktion ist ebenso für die Verschärfung der Mißbrauchsaufsicht über Ausschließlichkeitsverträge eingetreten und hat die Koalition davon überzeugen können, daß der Vorschlag des Bundesrates, das Wort „Vielzahl" durch die Worte „für den Wettbewerb auf dem Markt erhebliche Zahl" zu ersetzen, dem beabsichtigten Verstärkungseffekt besser entspricht. Eine wirksamere Bekämpfung von Mißständen bei den hier schon angeführten Bierlieferungsverträgen oder im Vertragsverhältnis zwischen Mineralölgesellschaften und Tankstellenpächtern wird hierdurch ermöglicht.Das Pro der CDU/CSU gilt auch der Verschärfung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen. Wir mußten aber ein Kontra geben bei der Einführung von Vermutungen im Hinblick auf die Marktbeherrschung schon bei einem Marktanteil von mindestens einem Drittel und ebenso bei der sogenannten Oligopolvermutung.Ein Pro der CDU/CSU gibt es auch im Hinblick auf eine vorbeugende Fusionskontrolle, wenngleich die CDU/CSU aus ordnungspolitischen Gründen gegen die beschlossene Ministererlaubnis im Ausnahmefall größte Bedenken hat. Wir haben bei den Beratungen besonderen Wert darauf gelegt, daß bei der Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse auf einem bestimmten Markt die internationale Konkurrenzsituation der Unternehmen berücksichtigt werden muß und daß dies nicht nur in der Begründung, sondern im Gesetzestext selbst zum Ausdruck 1 kommt. Wir freuen uns, daß die Koalitionsfraktionen unserem Antrag gefolgt sind, daß auch die Wettbewerbsverhältnisse auf den Märkten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zu berücksichtigen sind. Die CDU/CSU hat bei den Beratungen deutlich werden lassen, daß Ausnahmen vom Fusionsverbot auch tatsächlich Ausnahmen sein müssen und nicht die Regel werden dürfen; ihr Ergänzungsantrag, die Erlaubnis dürfe nur erteilt werden, wenn durch das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet werde, fand die Unterstützung der Koalitionsfraktionen.Meine Damen und Herren, dem Bundeskartellamt ist mit der Verschärfung des Kartellgesetzes, insbesondere der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und der vorbeugenden Fusionskontrolle, ein Instrumentarium in die Hand gegeben worden, das der auf dieser Wettbewerbsordnung aufgebauten deutschen Wirtschaft mit der nach wie vor gesunden Mischung von Klein-, Mittel- und Großbetrieben zum Nutzen werden kann. Aus diesem Instrumentarium kann aber auch großer Schaden erwachsen, wenn es falsch angewandt wird: bürokratisch, dirigistisch, alles kontrollierend, schnüffelnd, die unternehmerische Initiative lähmend oder gar abtötend, kurz, wenn diese operativen Instrumente in falsche Hände gelangen, in solche, die keine Marktwirtschaft mehr wollen, die dieses System überwinden wollen, die selbst die Herrschaft über die Wirtschaftsabläufe antreten, Hersteller, Händler und Verbraucher bevormunden und ihnen befehlen wollen, was hergestellt, gehandelt oder
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Dr. Frerichsverbraucht werden darf. Wehe den deutschen Verbrauchern, Herstellern und Händlern, wenn Sozialisten die Macht im Bundeskartellamt übernehmen sollten.
Liebe Freunde, ich spreche diese Warnung mit allem Ernst aus,
weil ich die nun scharf geschliffenen Instrumente nur in der Hand von Beamten sehen möchte, für die unsere marktwirtschaftliche Ordnung auch eine Verpflichtung darstellt.
Heute stimmt in der Bundesrepublik Deutschland, wie Sie wissen, der Verbraucher täglich, stündlich mit dem Einsatz seiner Mark darüber ab, was hergestellt, eingeführt, gehandelt und schließlich gebraucht oder verbraucht werden soll. Der Verbraucher soll auch in Zukunft allein darüber befinden, welche Unternehmen und welche Unternehmer in diesem Leistungswettbewerb gewinnen und wer auch in der Zukunft noch seinen Markt hat. Die bunte Angebotsform und Vielfalt verschiedenster Betriebs- und Vertriebstypen und Absatzmethoden beweisen, daß in einer marktwirtschaftlich orientierten, freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Nährboden für die Lebensfähigkeit einer möglichst großen Zahl leistungsfähiger Unternehmen gesehen werden muß, ohne die eine gesund gegliederte Wirtschaftsstruktur im Rahmen einer rechtsstaatlichen Demokratie einfach nicht möglich ist.Herr Bundeswirtschaftsminister, ich richte daher namens der CDU/CSU-Fraktion auch an Sie persönlich den Appell, sich der großen Verantwortung bewußt zu sein, die Ihnen das Parlament anvertraut hat, mit der Möglichkeit zur Erlaubnis von an sich aus Wettbewerbsgründen verbotenen Fusionen, und natürlich zugleich auch als dem obersten Dienstherrn des Bundeskartellamts. Noch niemals hat das Wohl und Wehe der gesamten Wirtschaft so verantwortlich in einer politischen Hand gelegen. Nutzen Sie diese Chance in rechter Weise!
— Nicht in linker Weise, sondern in rechter Weise, habe ich gesagt.Ein klares Kontra der CDU/CSU mußte jedoch zu dem Antrag der Koalition gesagt werden, auch in Zukunft sogenannte unverbindliche Verbraucherpreisempfehlungen bei Markenwaren, wenn auch bei gleichzeitiger Verschärfung der Mißbrauchsaufsicht, zuzulassen. Es ist ein großer Irrtum, anzunehmen, daß hierdurch die Preistransparenz für die Verbraucher verbessert würde. Genau das Gegenteil ist der Fall.
In der öffentlichen Anhörung am 4. Juni haben die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher, beide großen Gewerkschaftsorganisationen und besonders eindrucksvoll an Hand von Beispielen die Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandelsdarauf hingewiesen, daß die Mißbräuche in den letzten Jahren ein solches Ausmaß angenommen haben, daß die Verbraucherpreisempfehlung heute die mit Abstand — ich zitiere häufigste Form der Irreführung der Verbraucher ist.Ich zitiere noch einmal aus dem Memorandum der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels vom Mai 1973 gegen Verbraucherpreisempfehlungen, das dem Wirtschaftsausschuß vorgelegt wurde Wortwörtlich heißt es dort:Eine solche Irreführung und Täuschung führt immer auch zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen seriösem und unseriösem Einzelhandel. 1m Gegensatz zur Preisbindung, die ein Höchstmaß an Preistransparenz gewährleistet, hat die Verbraucherpreisempfehlung eine zunehmende Preisverwirrung zur Folge. Die Verbraucherpreisempfehlung muß heute als Erscheinungsform der Wirtschaftskriminalität
angesehen und bekämpft werden. Wegen des Ausmaßes der Mißbräuche und der Unmöglichkeit, heute noch wirksam dagegen vorzugehen, bleibt nur die Möglichkeit einer ersatzlosen Streichung der Verbraucherpreisempfehlung.Wein das noch nicht reichen sollte, meine Deinen und Herren, sehe sich die tagtäglichen Beispiele in vielen Geschäften, Anzeigen, auf Handzetteln und Aufklebern an den Schaufenstern selber an. Die verschärfte Mißbrauchsaufsicht ist zwar gut gemeint, aber gar nicht durchführbar, weil Sie Regimenter von Preiskontrolleuren in unserem Lande aufstellen müßten,
um die Mißbräuche und Ordnungswidrigkeiten zu ahnden und den Verbraucher vor Irreführungen zu schützen.Der Präsident des Bundeskartellamts wußte genau, warum er sich gegen die jetzt noch bestehende Registrierpflicht zur Wehr setzt: weil eine systematische Überwachung einfach unmöglich ist. Von den inzwischen über 400 000 — ich wiederhole: über 400 000 — angemeldeten Verbraucherpreisempfehlungen werden zwar viele nicht mehr praktiziert, ohne daß eine Abmeldung erfolgt ist; aber dies erhöht die Verwirrung noch. Beim Wegfall der Preisbindung von Markenwaren wird eine unübersehbare Flut von Anmeldungen auf das Berliner Amt zukommen. Viele Hersteller werden ihre bisher markenfreien Artikel zu Quasi-Markenartikeln aufputzen und unter großem Kostenaufwand, der natürlich in die Preise eingehen wird, Werbung in jeder Gestalt treiben, um mit den bisher unbekannten Waren in das Bewußtsein oder, besser gesagt, Unterbewußtsein der Verbraucher vorzustoßen. Dies, meine Damen und Herren, wird die logische Folge der Freigabe von Verbraucherpreisempfehlungen ohne Anmeldung beim Bundeskartellamt sein. Wenn Sie alle möglichen und unmöglichen Praktiken cleverer Kaufleute oder, besser gesagt, solcher, die sich dafür halten, kontrollieren und verhindern wollen, müssen Sie die ganze Wirtschaft mit einem Netz von Preiskommissaren überziehen, das dann sehr
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Dr. Frerichsleicht zu einer perfektionistischen, generellen Kontrollbehörde fur die Wirtschaft ausgebaut werden kann. Das kann doch nicht beabsichtigt sein! Oder sollten einige dies doch wollen?Es verbessert die Situation auch nicht, wenn in drei Jahren die Verbraucherpreisempfehlungen überprüft werden sollen. Bis dahin geschieht so viel Unsinn und kann mit der Empfehlung so viel Unfug getrieben werden, daß die Glaubwürdigkeit des seriösen Einzelhandels und darüber hinaus der gesamten marktwirtschaftlichen Ordnung erheblich leidet. Ich sage noch einmal: Das kann doch nicht gewollt sein. Oder täuschen wir uns da?Wir wissen, daß die Preisbindung bei Markenwaren in Europa, in der größeren Wirtschaftsgemeinschaft, überlebt ist und nicht zuletzt viele namhafte Markenartikelhersteller die Preisbindung selbst aufgegeben haben. Der jahrelange Streit wurde jedoch emotional aufgeladen. Manche erweckten den Eindruck, als ob man nur die Markenwarenpreisbindung aufzuheben brauchte, um die Stabilität wiederzugewinnen. Die öffentliche Anhörung hat eindeutig die bei uns bereits vorhandene Erkenntnis bestärkt, daß — bezogen auf das gesamte Einzelhandelspreisniveau — keine Senkung durch die Aufhebung der Bindung erwartet werden kann. Es wird möglicherweise einige Lockvogelangebote bei bekannten Markenwaren geben, deren Spannenverlust im Regelfall bei markenfreien Waren vom Handel wieder hereingeholt werden wird.Täuschen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, nicht die Verbraucher, wenn Sie mit dem Verbot der Preisbindung gleichzeitig die unerfüllbare Hoffnung wecken, als ob nunmehr eine allgemeine Preissenkung — ein „Preissturz", wie ich es kürzlich las - einträte? Ich sage dies bewußt in Frageform. Steht nicht eher zu befürchten, daß in einer Zeit steigender Löhne und Preise die aufgehobene Bindung die Preise auch in diesem bisher fest gebundenen und vom Bundeskartellamt überwachten Sektor nach oben treibt?Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die Aufhebung der Preisbindung bei Markenwaren leistet keinen Beitrag zur Stabilität und zur Förderung der Verbraucherinteressen. Die Beibehaltung der unverbindlichen Preisempfehlungen ohne Anmeldung beim Bundeskartellamt beseitigt nicht die Irreführung der Verbraucher, sondern öffnet neuen Mißständen Tür und Tor.
Da hilft es auch nicht, daß Frau Bundesminister Dr. Focke durch die Lande zieht und die Verbraucher gegen die Preissteigerung mobilisiert. Preisempfehlungen an die Verbraucher durch die Industrie werden auf breiter Ebene beim Handel doch zu einer Art abgestimmten Verhaltens führen, das Sie im Rahmen der Novellierung dieses Gesetzes gerade unter die Verbotsnorm stellen möchten.Das paßt doch alles nicht zueinander und zeigt ganz offen, daß hier ein Kompromiß — sagen wir: ein schlechter Kompromiß — zwischen den Koalitionsfraktionen getroffen worden ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einmal vor der übertriebenen Hoffnung warnen, als ob die Kartellnovelle ein Zaubermittel sei, um die Stabilität wieder herbeizuführen. Sie ist es nicht und kann es gar nicht sein. Die Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen kann ein weiterer Schritt auf dem Wege zur Sicherung und zur Förderung des Leistungswettbewerbs in einer marktwirtschaftlichen Ordnung werden. Sie soll die preisgünstige Versorgung der Verbraucher ermöglichen, indem sie Marktmißbrauch und wettbewerbsschädliche Fusionen verhindern hilft sowie die Zusammenarbeit kleiner und mittlerer Unternehmen fördern will.Die CDU/CSU hofft, daß die Anwendung dieses Gesetzes zugleich dem Schutz des Verbrauchers dient. Die deutschen Kartellbehörden, denen damit ein sehr modernes Instrumentarium in die Hand gegeben wird, sollten nicht übersehen, daß unsere Wirtschaft weiter in die Europäische Gemeinschaft hineinwächst und eng mit ihrer Entwicklung und mit der gesamten Weltwirtschaft verbunden ist. Diese unauflösliche Verzahnung gilt es jederzeit zu beachten und vor allen Maßnahmen sorgfältig abzuwägen. Nur eine weiterhin voll leistungsfähige deutsche Wirtschaft als anerkannter Partner der Weltmärkte wird zugleich der beste Garant für die Sicherheit unserer Arbeitsplätze von morgen und die Quelle unseres Wohlstandes in einem sozialen Rechtsstaat sein. In diesem Sinne wird die Opposition, die CDU/CSU-Fraktion — wahrscheinlich zu Ihrem Erstaunen — dem Gesetzentwurf, der von Ihnen vorgelegt worden ist, ihre Zustimmung in der dritten Lesung geben.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen damit zur Einzelberatung. Ich rufe Art. 1 Ziffern 1, 2, 3, 4, 5 auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist das einstimmig angenommen.
Es liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Strauß, Stücklen, Schmidhuber, Gewandt, Lampersbach, Frau Tübler, Dr. Dollinger, Dr. Unland, Kiechle, Schedl, Dr. Kunz und Genossen auf Drucksache 7/773 vor. Danach soll eine Ziffer 5 a eingefügt werden, die §§ 16 und 17 in Ziffer 6 sollen neu gefaßt, und schließlich soll eine Ziffer 38 angefügt werden.
Hierzu hatte sich bereits der Herr Abgeordnete Schmidhuber zur Begründung zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Namens der Antragsteller darf ich die Änderungsvorschläge zu den §§ 15, 16, 17 und 106 a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wie folgt begründen.Sicherlich gehören die von den Koalitionsfraktionen in der Ausschußberatung erst in letzter Minute nachgeschobenen Änderungen, die auf eine
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2319
SchmidhuberAbschaffung der Preisbindung der zweiten Hand für Markenwaren abzielen, nicht zu den tragenden Säulen des Entwurfes. Ich möchte diese tragenden Säulen vor allen Dingen in der Verschärfung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, in der Einführung der Fusionskontrolle, in dem Verbot des abgestimmten Verhaltens 'und nicht zuletzt in den Kooperationserleichterungen für Klein-und Mittelbetriebe sehen. Die Abschaffung der Preisbindung hat aber zweifellos gewisse ökonomische Effekte, die allerdings — das hat die bisherige Debatte schon ergeben — nicht einheitlich beurteilt werden.Über die Problematik der absatzwirtschaftlichen Instrumente der Preisbindung der zweiten Hand und der Preisempfehlungen hat der Wirtschaftsausschuß am 4. Juni ein ganztägiges Anhörungsverfahren durchgeführt. Die Ergebnisse dieses Hearings möchten meine Freunde und ich allerdings anders interpretieren als die Mehrheitsfraktionen dieses Hauses. Nach unserer Auffassung sprechen — wenigstens für gewisse Bereiche — überwiegende Gründe für eine Beibehaltung der Preisbindung der zweiten Hand. Die Verbraucherpreisempfehlungen, die jetzt neu im Gesetz verankert werden sollen, betrachten wir allerdings mit größter Skepsis.Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß bei der Meinungsbildung der Koalitionsfraktionen das Wahlversprechen der SPD auf Abschaffung der Preisbindung stärkeres Gewicht hatte als die im Hearing vorgebrachten Argumente. Dies ist auchaus den Äußerungen des Kollegen Dr. Jens deutlich geworden. Er hat darauf verzichtet, die Gründe für und gegen die Preisbindung gegeneinander abzuwägen. Es wurden nur die sattsam bekannten polemischen Ausfälle wiederholt.Wir halten die Preisbindung der zweiten Hand im Grundsatz für ein sinnvolles Instrument der kooperativen Absatzwirtschaft. Wir leugnen aber nicht, daß es sowohl bei der Preisbindung als auch bei den Preisempfehlungen zu gravierenden Mißbräuchen gekommen ist. Es hat sich aber gezeigt, daß Preisbindungen, die nicht marktgerecht waren, rasch durchlöchert und dann vom Bundeskartellamt aufgehoben worden sind. Der Markt für Elektrogeräte und für Süßwaren liefert hierfür eine ganze Reihe von interessanten Beispielen. Diese Erfahrungen widerlegen die Ansicht, durch die Preisbindung könnten die Preise längere Zeit über dem Marktniveau gehalten werden.Wir treten dafür ein, daß die Möglichkeiten der Mißbrauchsaufsicht in Zukunft noch wesentlich verschärft werden sollen, und haben dies durch einen entsprechenden Änderungsvorschlag zu § 17 zum Ausdruck gebracht. Wir wollen weder preispolitische Naturschutzparks verteidigen noch irgendwelche Besitzstände von Markenartikelherstellern aufrechterhalten.Andererseits gibt es Bereiche, in denen die Preisbindung für Markenwaren eine echte ökonomische Funktion hat, in denen sie allen Marktpartnern, also auch den Verbrauchern, dient. Dies hängt zunächst einmal mit der sogenannten Überallerhältlichkeit desMarkenartikels zusammen. Der Markenartikel wird I überall zum gleichen Preis angeboten, auch außerhalb der Verbrauchsschwerpunkte, also auch in Gegenden, in denen der Wettbewerb auf der Handelsebene nicht so intensiv ist. Fällt die Preisbindung, so besteht die Gefahr, daß sich die Markenwaren dort verteuern, wo der Konkurrenzdruck eben nicht stark genug ist.Die Überallerhältlichkeit zum gleichen Preis hat da eine besondere Bedeutung, wo mit dem Absatz der Ware gewisse Serviceleistungen angeboten werden. Lassen Sie mich als Beispiel den Absatz von Automobilen und Kfz-Ersatzteilen anführen. Nahezu die Hälfte der beim Bundeskartellamt registrierten Preisbindungen entfällt auf Kfz-Ersatzteile. An der Vorhaltung eines möglichst umfassenden Sortiments von Kfz-Ersatzteilen hat der Automobilbesitzer ein großes Interesse; sie ist die Voraussetzung für kurze Reparaturzeiten. Wird die Preisbindung auch auf diesem Sektor aufgehoben, so ist die Gefahr einer Verteuerung der Teile sowie einer Verschlechterung der Bezugsmöglichkeiten in den dünner besiedelten Gebieten nicht von der Hand zu weisen. Die Aufhebung der Preisbindung dient auf diesem Sektor keineswegs den 'Interessen der Verbraucher, d. h. der PKW-Fahrer. Die Vorratshaltung von Kfz-Ersatzteilen durch die Reparaturwerkstätten, die weitgehend durch Händlerverträge geregelt ist, würde einen spekulativen Charakter annehmen, da die einzelnen Ersatzteile eine sehr unterschiedliche Umschlaghäufigkeit haben. Hinzu kommt, daß man dadurch die ohnehin schwierige Marktposition der Zulieferbetriebe gegenüber den großen Automobilherstellern zusätzlich verschlechtert.Die Aufhebung 'der Preisbindung auf diesem Sektor bringt daher den Verbrauchern nichts; ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 28. September 1972 in Sachen Kfz-Ersatzteile. Sie führt dagegen möglicherweise zu einer Verstärkung der Marktposition des ohnehin stärkeren Marktpartners, nämlich der Automobilindustrie. Ähnliche Argumente könnte man für andere Branchen anführen, z. B. für die Spielwarenindustrie oder für die Tabakwarenerzeugung.Die Aufhebung der Preisbindung trifft nicht so sehr den Produzenten starker Marken, dessen etwaige Rente ja nicht auf der Preisbindung, sondern in erster Linie auf seinem durch hohe Werbeaufwendungen geschaffenen und aufrechterhaltenen sogenannten Meinungsmonopol beruht, sondern trifft den Handel und in diesem Bereich vor allen Dingen die kleineren Betriebe, die schon heute unter der übermächtigen Konkurrenz der kapitalkräftigeren Handelsketten, Kaufhäuser und Verbrauchermärkte zu leiden haben.Wenn auch die preisgebundenen Artikel insgesamt heute nur noch einen relativ bescheidenen Teil des Einzelhandelsvolumens ausmachen, so entfallen doch bei knapp 20 000 Betrieben mehr als 50% des Umsatzes auf den Vertrieb von Markenwaren. Diese Betriebe würden zweifellos in eine Strukturkrise gestürzt werden, wenn die Preisbindung aufgehoben wird.
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2320 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
SchmidhuberDurch die Aufhebung der Preisbindung wird man die Absatzstrategie der Hersteller von Markenwaren nicht grundsätzlich verändern können. Der Erzeuger wird dann von der Preisbindung auf andere Vertriebsformen ausweichen, die ihm Einflußmöglichkeiten auf die Gestaltung der Einzelhandelspreise bieten. Diese anderen Einflußmöglichkeiten, die vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich nicht erfaßt werden, sind z. B. Franchise-Verträge, Errichtung von Herstellerdepots und Verkauf aus Konsignationslagern. Sie stellen eine Gefährdung der Unabhängigkeit der Klein- und Mittelbetriebe des Handels und damit einer ausgewogenen Vertriebsstruktur dar. Außerdem unterliegen derartige Praktiken grundsätzlich nicht der Mißbrauchsaufsicht des Bundeskartellamtes.Lassen Sie mich noch ein Wort zu der oft zitierten preisdämpfenden Wirkung der Aufhebung der Preisbindung sagen. Wir haben uns mit diesem Argument sehr intensiv auseinandergesetzt. Diese preisdämpfende Wirkung ist weitgehend eine Legende. Da weniger als 8 % des Einzelhandelsumsatzes auf Markenwaren entfallen, ergibt sich schon vom Volumen her, daß die Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau nur denkbar gering sein könnten. Ob es überhaupt zu Preissenkungen kommt, ist in der Wissenschaft und in der Praxis umstritten. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Untersuchungen von Professor Eichhorn von der Universität Karlsruhe.Die Fälle der Aufhebung bzw. des Zusammenbruchs von Preisbindungen kann man nicht als Bezugsfälle heranziehen. Denn hier handelt es sich gerade um Fälle der Aufrechterhaltung der Preisbindung gegen den Markt, d. h. also um mißbräuchliche oder eben nicht marktgerechte Preisbindungen. Dies kann jedoch von der Masse der preisgebundenen Artikel nicht behauptet werden.Selbst wenn man unterstellt — was von unabhängigen Wissenschaftlern, nicht bloß von Interessenten, bestritten wird , daß von der Aufhebung der Preisbindung ein geringer preisdämpfender Effekt in der Größenordnung von maximal 0,1 % bis 0,2 % ausgehen würde — wohlgemerkt: ein einmaliger Effekt --, trifft dies sicherlich nicht für die konjunkturelle Situation dieses Jahres zu.Bei dem starken Anwachsen der Massenkaufkraft und der daraus resultierenden steigenden Nachfrage nach Konsumgütern würde der etwaige geringe preisdämpfende Effekt überhaupt nicht zum Tragen kommen. Es ist sogar im Gegenteil zu befürchten, daß die Aufhebung der Preisbindung einen Anreiz für die Ausnützung von Preisspielräumen nach oben geben würde. Zur Preisberuhigung kann also die Aufhebung der Preisbindung im gegenwärtigen Zeitpunkt sicherlich nicht beitragen.Die Herauskehrung des angeblich preisdämpfenden Effekts der Preisbindung der zweiten Hand soll offenbar — diesen Eindruck muß man gewinnen — nur als ein Ablenkungsmanöver dienen, um darüber hinwegzutäuschen, daß die Regierung gegen die eigntlichen Ursachen der Inflation, z. B. gegen denI sich verschärfenden Verteilungskampf der gesellschaftlichen Gruppen, recht wenig unternimmt.Das Schicksal der Marktwirtschaft kann sich in der Tat daran entscheiden, ob es gelingt, den inflatorischen Prozeß zu bändigen. Dafür tragen Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, und die von Ihnen getragene Bundesregierung in erster Linie die Verantwortung.Wenn Sie, Herr Kollege Dr. Jens, sagen, daß es fünf vor zwölf in Sachen Marktwirtschaft sei, dann muß ich Ihnen entgegenhalten, daß die marxistischen Systemkritiker in Ihren eigenen Reihen zum Angriff auf diese Wirtschaftsordnung angetreten sind. Es stellt sich daher die Frage, ob ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft, wie Sie es formuliert haben, nicht ein Ablenkungsmanöver von weit realeren Gefahren darstellt, als dies endogene Wettbewerbsbeschränkungen, die ich ablehne und bekämpfe, je sein können.Lassen Sie mich in wenigen Punkten die Grundgedanken unseres Änderungsvorschlags zusammenfassen.Erstens. Das bisherige Anmeldeverfahren bei der Preisbindung wird durch ein Genehmigungsverfahren ersetzt. In den Genehmigungsvoraussetzungen ist klargestellt, daß die Preisbindung nicht zu einer Verteuerung der Waren führen darf, die durch die gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse nicht gerechtfertigt ist.Zweitens. Durch eine Neufassung des § 17 soll die Mißbrauchsaufsicht über die Preisbindung verschärft werden. Insbesondere sollen gewisse Praktiken der Markenartikelhersteller, z. B. eine ungerechtfertigte Preisdifferenzierung, unterbunden werden.Drittens. Die bisherigen auf Anmeldungen beruhenden Preisbindungen sollen ein Jahr nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes unwirksam werden. Somit sind nach Ablauf eines Jahres nur noch solche Preisbindungen zulässig, die vom Bundeskartellamt ausdrücklich und im Einzelfall genehmigt worden sind. Damit dürfte künftigen Mißbräuchen der Preisbindung ein Riegel vorgeschoben sein.Unser Vorschlag zielt auf eine echte Reform des Absatzinstruments der Preisbindung der zweiten Hand ab. Er ist nicht vergleichbar mit der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung. Unser Vorschlag berücksichtigt voll die Interessen des Verbrauchers. Er beschränkt die Preisbindung auf die Gruppe von Waren, bei denen sie im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegt. Sie lädt auch dem Handel nicht zusätzliche Lasten eines Umstrukturierungsprozesses auf. Wir nehmen für unseren Vorschlag in Anspruch, daß er in organischer Weise das Wettbewerbsrecht weiterentwickelt und mit der Wirtschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft vereinbar ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2321
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mir eine Stellungnahme zu dem soeben eingebrachten und begründeten Gruppenantrag des Kollegen Schmidhuber erlauben und möchte dies im Zusammenhang mit einer Betrachtung des Kartellgesetzes im allgemeinen und auch bezüglich des § 38 in der neuen Fassung tun. Übereinstimmend haben die Sprecher unserer Fraktion hier deutlich gemacht, daß wir befriedigt darüber sind, daß dieses Hohe Haus endlich über die längst überfällige Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen entscheiden kann. Wir waren immer für eine verstärkte Mißbrauchsaufsicht. Wir haben die Fusionskontrolle und die Kooperationserleichterung als notwendige Elemente zur Sicherung unserer Wettbewerbsordnung bejaht, d. h. der Marktwirtschaft. Es hat mich allerdings etwas amüsiert, wie unbefangen und wie unbekümmert der Kollege Jens die Marktwirtschaft für die SPD in Pach genommen hat. Ich möchte dem Herrn Kollegen Jens doch in Erinnerung rufen, daß wir diese Wirtschaftsform gegen Ihren Widerstand eingeführt haben und daß die Widerstände gegen diese Marktwirtschaft im wesentlichen aus Ihren Reihen kommen.
Meine Damen und Herren, eines muß zu diesem Gesetz noch gesagt werden dies wird auch im folgenden noch getan werden —, daß die Durchführung einzelner Maßnahmen rechtspolitisch nicht ganz unbedenklich ist. Allerdings bin ich sehr befriedigt darüber, daß die Mittelstandsempfehlungen gemeinsam erarbeitet werden konnten; denn diese fördern den leistungsbezogenen Wettbewerb, und das ist ein wesentliches Ziel der Novellierung dieses Kartellrechts.
Allerdings meine ich, daß eine Reihe von Problemen nicht sachgerecht gelöst worden ist. Bei dem Thema, über das wir uns hier im Augenblick zu unterhalten haben, gibt es auf der Seite der Regierung eine Reihe von politischen Kompromissen, die es leider nicht ermöglichen, dieses Gesetz als eine abgerundete Novelle zu bezeichnen. Hinzu kommt, daß eine Reihe von Tatbeständen, die in der vergangenen Legislaturperiode noch nicht diskutiert wurden und die erst vor kurzem in einem Hearing zur Kenntnis gebracht wurden, durch einen Versuch, zu einer gemeinsamen Regelung zu kommen, nicht voll berücksichtigt wurden. Ein bekannter Wirtschaftsjournalist hat mit Recht in diesen Tagen festgestellt, daß das Thema der Preisbindung sehr mit Emotionen belastet ist. Ich möchte nun keinen weiteren Beitrag zur Emotionalisierung leisten, glaube aber doch, man sollte dieses besondere Problem zum Anlaß nehmen, an Hand unseres Antrages deutlich zu machen, daß eine bessere Lösung im Interesse des Verbrauchers und einer ausgewogenen Struktur des Handels möglich gewesen wäre.
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— Natürlich kann man nicht von der Luft leben. Aber man sollte dann auch sagen, wovon man lebt, und nicht, für wen man lebt. Das ist der feine Unterschied, Herr Kollege Stücklen.
Daß Sie diesen Herren jetzt auch noch helfen wollen, wird also durch die Vorlage deutlich, die Sie eingebracht haben. So kommt es denn zu der verblüffenden Logik, daß sich die Herren von der CSU und der Anhang aus der CDU dafür einsetzen, die Preisbindung zu gestatten, damit ein bis auf den letz-
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ten Nietnagel gleicher Kühlschrank in einem Markengeschäft mindest um 100 DM teurer als in einem Kaufhaus angeboten, wo er entsprechend den tatsächlichen Möglichkeiten eben weit über 100 DM unter der Preisbindung verkauft wird. Der einzige Unterschied, den ich habe fststellen können, besteht darin, daß die Markenfirma nicht auf dem Kühlschrank aufgedruckt ist.Was das mit Ehrlichkeit und Preisklarheit zu tun hat, ist eine Frage, die Sie beantworten müssen. Aber das geht natürlich so ein bißchen nach dem überzeugenden Argument — auch nach dem verblüffend überzeugenden Argument, möchte ich hinzufügen — von Allensbach. Das Allensbacher Institut hat ja eine Umfrage gemacht, in der es hineingeschrieben hat: Lieber Verbraucher, sind Sie denn dafür, daß einzelne Firmen ihre Preiswürdigkeit dadurch unter Beweis stellen können, daß sie unter dem Richtpreis bleiben?
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Haase, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß in § 17 Abs. 1 in der Fassung unseres Vorschlags genau der Fall der Preisdifferenzierung verboten ist und zum Anlaß genommen werden kann, die Preisbindung aufzuheben?
Herr Schmidhuber, diese Zwischenfrage habe ich eigentlich nicht erwartet. Denn ich habe mir notiert, was Sie an dieser Stelle gesagt haben. Sie haben wörtlich gesagt: Zur Preisberuhigung kann die Aufhebung der Preisbindung nicht beitragen. Sie haben in der Begründung Ihres Antrages keinen Unterschied mehr zwischen Differenzierungen und der Aufhebung der Preisbindung gemacht. Sie haben recht gehabt, diese Unterscheidungen hier nicht zu treffen,
weil sie nämlich nicht praktizierbar sind. Die Einführung der Preisbindung durch die Hintertür sollten Sie hier auch offen zugestehen, Herr Schmidhuber. Das haben Sie getan. Deshalb besteht jetzt auch wohl keine Berechtigung für diese Zwischenfrage.
Auch das Argument, wenn die Preisbindung aufgehoben würde, käme es zu einer Minderung der Serviceleistungen und auch zu einer schwierigen Situation in den Sicherheitsfragen, sticht nicht. Gedacht ist ja wohl an Elektroartikel, Autoartikel usw. Nun, das ist ja das Argument derjenigen für die Preisbindung, die — jedenfalls so ungefähr — sagen: Im Interesse der Sicherheit des Verbrauchers ist uns kein Preis zu hoch. Aber wir sollten doch wohl sagen: Die Frage der Sicherheit, auch des Kraftfahrzeuges, ist keineFrage der Preisbindung, sondern gegebenenfalls eine Frage der gesetzlichen Bestimmungen, die die Industrie und der Handel einhalten müssen, damit die Autos sicher auf den Straßen fahren.Genauso ist es auch kein Argument, wir hätten dann nicht genügend Service. Man muß dann einmal nach Frankreich, nach England, noch Großbritannien, nach Schweden sehen. Dort gibt es auch keine Preisbindung, und Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, daß es dort schlechteren Service gebe.
— Na, wir wollen dann einmal hinfahren. Ich wünschte mir manchmal eine schottische Kundendienststelle hier in Deutschland; dann wüßte ich wenigstens, daß mein Auto in Ordnung gebracht würde.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine Bemerkung zu der hier auch diskutierten Frage des Rückgangs der Einzelhandelsgeschäfte infolge dieser schrecklichen Maßnahme der Aufhebung der Preisbindung zweiter Hand machen. Ich muß Ihnen da eine immerhin offizielle Verlautbarung eines der größten Genossenschaftsunternehmen der Bundesrepublik Deutschland entgegenhalten, die mit Einzelhandelsgeschäften zu tun hat. Diese Genossenschaft hat Anfang 1972 noch 31 700 Mitglieder gehabt, Anfang 1973 aber nur noch 29 000. Es ist also — wenn Sie rechnen können — ein Verlust von 2 700 Einzelhandelsgeschäften eingetreten, die alle dichtgemacht haben, weil sie aus verschiedensten Gründen gemeint haben, es rentiere sich nicht mehr, ihren Laden offenzuhalten. Es gibt aber jetzt noch die Preisbindung zweiter Hand, meine Damen und Herren, und ich möchte Sie fragen: Glauben Sie denn ernsthaft, daß die Preisbindung der zweiten Hand ein entscheidendes Argument dafür ist, ob ein Einzelhändler seinen Laden zumacht oder nicht? Da gibt es ganz andere Argumente: der Verkaufsdichte, des Umsatzes pro Quadratmeter Ladenfläche usw.Es bleibt eigentlich nur ein einziges Argument, das für die Preisbindung in die Waagschale geworfen werden kann. Es ist das Argument: Industrie und Handel werden dem Verbraucher in Zukunft, nach Wegfall der Preisbindung, mit Boxhandschuhen gleicher Größe gegenübertreten müssen. Das war bisher nicht der Fall. Bisher hat man doch in diesem Boxkampf aufeinander eingeschlagen, nur hatte der eine dabei ein bißchen größere Handschuhe, und darin war manchmal sogar noch ein Eisen versteckt. Und da haben sich einige gewundert, wenn dabei der Verbraucher zu Boden ging. Das ist in der Tat das einzige Argument, über das man erntshaft diskutieren kann.Es gibt nun noch einige, die sagen, die Heraus nahme der Verlagserzeugnisse sei doch der beste Beweis dafür, daß wir nicht konsequent gewesen seien. Ich muß sagen, ich mache auch einen Unterschied zwischen der Frankfurter Allgemeinen und den St. Pauli Nachrichten oder — wenn Sie so wol-
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') len und Ihnen das näher liegt — zwischen einer seriösen Illustrierten und der „Quick".
Das eine ist eben bedrucktes Papier — wir sagen: es ist die Meinungsäußerung vieler, die in der Publizistik tätig sind —, das nicht den Anspruch hat, als allgemeiner Artikel in den Verkehr zu kommen. Es ist sozusagen geistige Nahrung. Auch bei geistiger Nahrung kann man natürlich über den Geschmack streiten. Nur ist geistige Nahrung insgesamt ein Begriff, den man leider nicht auseinanderdividieren kann. Deshalb sagen wir: Die Verlagserzeugnisse fallen nicht unter den Begriff der Artikel, die man schlechthin auf dem Markt vertreibt, sondern stellen ein Erzeugnis geistiger Art dar und sind deshalb auszunehmen.Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Die Koalition hat in viereinhalb Monaten intensiver Arbeit erreicht, daß die Preisbindung nunmehr fallen wird. Das ist ein guter Start für diese Koalition.
Seit 1965, meine Damen und Herren — das hat auch gerade Herr Gewandt gesagt —, haben Sie hier über alle möglichen Dinge geredet: Novellierungen der Kartellgesetzgebung usw. Was haben Sie denn seit 1965 zustande gebracht? Wo liegt denn etwas auf dem Tisch?
Wir haben in viereinhalb Monaten das erreicht, was Sie seit 1965 nicht erreicht haben.
Deshalb muß ich hier sagen: dieser CDU-Antrag sollte nicht in letzter Minute die Vorteile für den Verbraucher verhindern, die wir ihm jetzt verschaffen wollen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich hoffe, die Antragsteller sind damit einverstanden, daß wir über den Antrag insgesamt abstimmen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 7/773. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke schön! Die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Mit großer Mehrheit angenommen.
- Pardon, ich darf mich korrigieren: mit großer
Mehrheit abgelehnt!
Wir stimmen dann über die Nrn. 6 und 7 in der Ausschußfassung ab. Wer der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke schön! Die Gegenprobe. — Enthaltungen? Einstimmig angenommen.
Wir kommen jetzt zu Nr. 8. Dazu liegt eine Wortmeldung vor. Der Herr Kollege Alber hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Der vorgeschlagene § 22, der die Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen verbessern will, ist eine der Hauptbestimmungen des Gesetzes. Auf dem hier definierten Marktbeherrschungsbegriff bauen die nachfolgenden Paragraphen auf. Es bestehen gegen § 22 grundsätzliche rechtliche Bedenken, weil die Bestimmung durch die Einführung von Vermutungen von der bisherigen Linie des Gesetzes abweicht.
Ausgangslage, Motiv des Gesetzes und insbesondere des § 22 ist es, die Voraussetzungen für einen funktionierenden Wettbewerb zu sichern. In dieser Zielsetzung sind wir uns alle hier im Hause einig. Wettbewerb ist nötig, weil nur eine Vielzahl von im Wirtschaftsverkehr miteinander konkurrierenden Unternehmen, die alle die verschiedenartigsten Interessen haben können, den Ausgleich zwischen Freiheit und Bindung erreichen können, der den Vorstellungen von Gerechtigkeit am nächsten kommt. Dies setzt voraus, daß sich gleichgewichtige Kräfte begegnen, solche, die anderen nicht diktieren können. Nur eine funktionierende marktwirtschaftliche Eigenlenkung garantiert diesen Ausgleich. Ist diese Eigenlenkung gefährdet, so dürfen nur systemimmanente Kontrollen und Schranken zur Sicherung der marktwirtschaftlichen Ordnung korrigierend eingreifen. Andere Lenkungseingriffe sind abzulehnen, da sie zwangsläufig zu dirigistischen Übergriffen führen würden.Dies muß vorab klargestellt werden, und es würde uns allen gut anstehen, dies auch draußen zu sagen, auch denen, die allzugern von Lenkungsdefizit, Investitionslenkung, kontrolliertem Kapitalismus, öffentlichen Preiskontrollen und von neuen Marktordnungssystemen sprechen, auch denen, die nur einseitig von der Vermachtung der Märkte durch Konzentration reden und dabei sinnigerweise selbst an der größten deutschen Fusion beteiligt sind. Mit Ideologien und Wunschvorstellungen ist das Problem nicht zu lösen. Das Gesetz muß daher über jeden Verdacht erhaben bleiben, daß unter seinem Deckmantel andere, nämlich wettbewerbsfremde wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ziele verfolgt werden oder verfolgt werden könnten.Leider sind einige Bestimmungen - insbesondere auch § 22 — nicht geeignet, diesen Verdacht von vornherein zu zerstreuen. Es ist nicht zu verkennen, daß es schwierig ist, beiriebs- und volkswirtschatfliche Kriterien, die vielfach nur Theorie sind, rechtlich hieb- und stichfest zu definieren. Die vielen früheren Formulierungsvorschläge mit beachtenswert wechselvollen Ergebnissen zeigen dies deutlich. Diese zugegebenermaßen schwierige Aufgabe darf aber nicht dazu führen, daß die gesetzlichen Bestimmungen selbst — je nach der politischen Einstellung desjenigen, der sie anwendet — anders interpretiert werden können.
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AlberDas Gesetz will unter anderem die Mißbrauchsaufsicht verbessern. Es ist aber auch notwendig, Vorsorge dafür zu treffen, daß das Gesetz selbst nicht mißbräuchlich angewendet werden kann. Die Novelle betritt in einigen Punkten gesetzgeberisches Neuland. Der bisherige § 22 ist ausschließlich materiell strukturiert. Die Novelle dagegen führt jetzt zu einem Mischsystem, indem sie mit Vermutungstatbeständen formelle Marktmachtkriterien einführt. Nach der Untersuchung der OECD „Marktmacht und Recht" werden formelle Kriterien in keinem OECD-Land außer in Großbritannien und Norwegen sowie in Österreich, dort allerdings nur zu Registrierzwekken, verwendet. Eine Gesetzesdefinition, die das Kriterium des fehlenden Wettbewerbs ausgliedert und statt dessen auf betriebswirtschaftliche Komponenten abstellt, ist kein Fortschritt. Eine solche Definition verwundert, da das Bundeskartellamt selbst vor noch nicht allzulanger Zeit ausgeführt hat, daß sich die Marktbeherrschung nicht allein durch einen hohen Marktanteil definieren lasse; es müsse vielmehr noch die Macht hinzutreten, diesen gegenüber der Konkurrenz abzusichern.Gegen den Begriff der überragenden Marktstellung müssen auch rechtliche Bedenken vorgebracht werden. Die zu ihrer Feststellung heranzuziehenden Kriterien, die Finanzkraft, der Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten, die Verflechtungen, die Marktzutrittsbeschränkungen, sind ungenau und unbestimmt formuliert. Sie führen, weil verschieden interpretierbar, nicht zu der Rechtsklarheit, die aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten notwendig wäre.Die schwerwiegendsten rechtlichen Bedenken bestehen jedoch gegenüber den Vermutungstatbeständen. Sie widersprechen nicht nur der im Gesetz verankerten Untersuchungsmaxime. Sie widersprechen auch rechtsstaatlichen Grundsätzen. Schuldhafte Zuwiderhandlungen gegen eine Mißbrauchsverfügung können mit einer Geldbuße belegt werden. Das bedeutet, daß Strafen gegen einen Vermutungstäter festgesetzt werden können, was verfassungsrechtlich höchst bedenklich ist.Auch verfahrensmäßige Bedenken sind hier vorzubringen. Die Kartellbehörde ist ermittelnde und entscheidende Behörde. Ganz anders verhält es sich bei einer Vermutung im bürgerlichen Recht. Derjenige, zu dessen Gunsten die Vermutung spricht, kann nicht auch gleichzeitig über die Rechtsfolgen entscheiden. Außerdem können Vermutungen nur auf solche typischen Sachverhalte gestützt werden, bei denen die Schlußfolgerung im Regelfall auch tatsächlich zutrifft. Aus einem prozentual bestimmten Marktanteil allein kann jedoch, wie sich aus mehreren höchtsrichterlichen Entscheidungen ergibt, in der Regel nicht auch auf eine Marktbeherrschung geschlossen werden.Es widerspricht auch generell dem Verwaltungsrecht, belastende Verwaltungsakte auf Vermutungen zu stützen. Ich bin sicher, daß diejenigen, die sich gegen die Allmacht des Staates wenden, energisch gegen ein en solchen Vermutungstatbestand vorgehen würden, wenn er sich gegen Einzelpersonen und nicht gegen Unternehmen richtete.Leider ist es nicht gelungen, im Gesetzestext selbst klarzustellen, daß die Vermutungen nur den Charakter von Aufgreiftatbeständen haben können und die Kartellbehörde nicht von einer Ermittlungspflicht befreien. Diese Auffassung war einheitliche Meinung des Rechtsausschusses. Leider war die Ausschußmehrheit nicht mit der Aufnahme dieser Klarstellung in das Gesetz einverstanden. Sie zog es vor, diese Auffassung nur in die Begründung aufzunehmen. Ich möchte deshalb hier mit Nachdruck darauf hinweisen, daß diese Motivation des Gesetzgebers von denen, die das Gesetz anwenden, auch zu berücksichtigen ist.Was die Unklarheit der gesetzlichen Bestimmungen anlangt, so gelten ähnliche Bedenken auch gegen die Definition der abgestimmten Verhaltensweisen in § 25. Der vorgeschlagene Begriff ist völlig unbestimmt und bedürfte der Konkretisierung, um ungewollte Interpretationen zu verhindern. Denn manche mögen versucht sein, auch nur gleichförmiges Verhalten einzubeziehen.Eine Bestimmung, bei der nicht klar zwischen ordnungswidrigem und erlaubtem Verhalten abgegrenzt werden kann, verbietet sich eigentlich im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts. Leider ist es auch hier nicht gelungen, den Begriff des gewollten und bewußten Zusammenwirkens in die Gesetzesbestimmung einzubeziehen. Auch hier konnte sich der Rechtsausschuß nur zu einer schriftlichen Ausführung in der Begründung des Gesetzes aufraffen. Ihr kommt aber als Bestandteil der Motive wichtige Bedeutung zu.Meine Damen, meine Herren, ich möchte den Katalog der sich stellenden Fragen nicht ausweiten. Es wäre noch zu fragen: Ist eine nationale Fusionskontrolle angesichts der jüngsten Entwicklung des EWG-Rechts sinnvoll? Wir bejahen die Fusionskontrolle. Es wäre aber zweckmäßiger, auf eine europäische Fusionskontrolle zu drängen.Es ist weiter zu fragen, ob es gerechtfertigt ist, die Eingriffstatbestände bei Zusammenschlüssen so perfektionistisch auszuweiten, daß Sachverhalte wie etwa Unternehmensverträge, Gemeinschaftsunternehmen und andere erfaßt werden, die nicht Zusammenschlüsse sind und auch nicht zu einer Bedrohung des Wettbewerbs führen.Fragen drängen sich auf im Hinblick auf die Doppelgleisigkeit des Verfahrens, des Untersagungs- und des Erlaubnisverfahrens, im Hinblick auf die „Minister-Fusion", das Negativattest, die einstweilige Vollziehbarkeit und anderes mehr. Wegen der Kürze der Zeit kann ich auf diese Fragen nicht eingehen.Zusammenfassend ist zu sagen: § 22 und andere Bestimmungen fördern nicht die Rechtsklarheit und -sicherheit. Viele Verweisungen komplizieren unnötig, und mancher zunächst harmlos klingende Halbsatz offenbart erst durch die Verweisung auf andere Bestimmungen die mögliche und zwar negative — Tragweite.Insgesamt führt das Gesetz zu einer Häufung von Aufsichts-, Verfolgungs- und Eingriffsbefugnissen beim Kartellamt. Wenn man dazu noch die reich-2326 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973Alberhaltigen Eingriffsmittel betrachtet, erheben sich rechtsstaaliche Bedenken. Sicher muß Macht kontrolliert werden. Diese Notwendigkeit darf aber keine Legitimation für die Ausuferung der Bürokratie sein. Fehlender Wettbewerb ist nicht durch Regierungsräte zu ersetzen.Wenn Graf Lambsdorff von dem Bundeskartellamt als dem Heger und Pfleger und nicht als dem Beutemacher sprach, so ist dem voll zuzustimmen. Gut wäre es aber gewesen, wenn das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen besser definiert hätte, was jagdbar ist; denn nicht alles, was Hörner hat, ist ein Hirsch.Trotz aller Bedenken stimmen wir § 22 und dem Gesetzentwurf insgesamt zu, weil wir die Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb sichern wollen. Die Bedenken, auf die ich hingewiesen habe, bestehen nicht in dieser Schärfe, wenn die Klarstellungen, die wir ergänzend vorgenommen haben und die in die Begründung des Gesetzes übernommen worden sind, von denen, die mit dem Gesetz umgehen, auch beachtet werden. Die Motive sind entscheidender Bestandteil des Gesetzes. Sorgen wir durch ihre Beachtung dafür, daß dieses Gesetz nicht als ein Ermächtigungsgesetz mißbraucht werden kann!
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schachtschabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, daß zu diesem § 22 in so ausführlicher und eingehender Form Stellung genommen worden ist. Denn ich glaube, es tut gut, daß man zu einigen Überlegungen, die auch außerhalb des Wirtschaftsausschusses in der sozialdemokratischen Fraktion angestellt worden sind, hier in aller Öffentlichkeit Stellung nimmt.Es geht im wesentlichen darum, wie mein Herr Vorredner bereits sagte, daß es sich bei der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen ganz zweifellos um eine Verbesserung der Wettbewerbspolitik handelt. Allerdings — darauf mache ich mit Nachdruck aufmerksam — hat diese Verbesserung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen insofern auch eine Wirkung und eine besondere Ausrichtung, als der neue § 22 einen verbesserten Schutz gerade von kleinen und mittleren Unternehmen vor der mißbräuchlichen Ausnutzung von Marktmacht durch große Unternehmen sicherstellen soll. Ich glaube, darüber sind wir uns völlig einig, und darüber waren wir uns auch in den langwierigen und eingehenden Verhandlungen im Ausschuß für Wirtschaft einig.Allerdings hatten wir wohl alle den Eindruck, daß gegenüber der bisherigen Fassung des § 22 doch einige wesentliche Verbesserungen eintreten sollten, um zugleich diesen § 22 auch praktikabler als bisher zu machen. Denn es besteht gar kein Zweifel darüber, daß das Bundeskartellamt nach dem, was bislang an praktischen Ergebnissen vorgelegt worden ist, nur selten den Nachweis der Marktbeherrschung führen konnte.Aus diesen Überlegungen heraus — ich glaube, darauf sollte man auch noch einmal mit Nachdruck aufmerksam machen — ist der Begriff der überragenden Marktstellung, sind die beiden an den Marktanteil anknüpfenden Vermutungen konkretisiert worden. Ich glaube, Sie alle wissen, daß wir uns auf Kriterien wie Marktanteil, Finanzkraft, Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, Verflechtungen mit anderen Großunternehmen sowie Marktzutrittsschranken eingelassen haben. Diese sind auch im Gesetz positiv umschrieben worden, ganz zu schweigen von einigen anderen ergänzenden Kriterien.Das Hauptanliegen, das eben vorgetragen worden ist, scheint darin zu bestehen, daß man die Vermutungstatbestände — darauf möchte ich besonders eingehen — einer Kritik unterzogen hat. Ich glaube, ich brauche nicht zu betonen, daß das in der Tat lange Zeit Gegenstand intensiver und eingehender Diskussionen gewesen ist. Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, daß weder wettbewerbspolitische noch verfassungsrechtliche Bedenken vorliegen.Um alle Mißverständnisse auszuräumen und unseren Standpunkt klarzumachen, darf ich darauf hinweisen, daß es aus unserer Sicht darum geht, festzustellen: Es handelt sich hier nicht um Vermutungen im zivilrechtlichen Sinne, sondern in den Verfahren vor der Kartellbehörde gilt vielmehr die sogenannte Offizialmaxime, d. h. die Behörde hat von Amts wegen alle Voraussetzungen aufzuklären. Ich betone noch einmal: die Behörde hat von Amts wegen alle Voraussetzungen aufzuklären. Damit entfällt ein ganz großer Teil dessen, was der Herr Vorredner hier angeführt hat.Wir können noch eine weitere Frage stellen, nämlich inwieweit diese Vermutungen im Verfahren selbst ihre Funktionen ausüben, welche Funktionen sie eigentlich haben. Wir richten uns hier nach den Ergebnissen des gemeinsam Erarbeiteten. Es geht in erster Linie darum, festzuhalten, daß diese Vermutungen Aufgreiftatbestände für die Kartellbehörde darstellen, die jedenfalls dann, wenn diese Vermutungen vorliegen, ein Verfahren eröffnen muß. Sie hat allen Einwänden der betroffenen Unternehmen nachzugehen. Dabei hat sie zu prüfen, obtrotz des hohen Marktanteils ich betone nochmals: ob trotz des hohen Marktanteils nicht andere Umstände auf das Fehlen von Marktbeherrschung schließen lassen. Das kann etwa bei einem Zulieferer der Fall sein, der für ein bestimmtes, stark spezialisiertes Produkt einen hohen Marktanteil hat. Gleichwohl kann in diesem Falle Marktbeherrschung zu verneinen sein, wenn z. B. hinter diesem Unternehmen nicht die Finanzkraft eines großen Konzerns steht und auch anderen Unternehmen die Produktionsaufnahme ohne Schwierigkeiten möglich ist.Dabei darf ich noch einfügen: die Vermutungen gelten nicht für die mittelständischen Unternehmen. Auch das ist hier noch zu verdeutlichen, und wir tun dies an dieser Stelle. Das ist ausdrücklich sicher-
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Dr. Schachtschabelgestellt. Diese Unternehmen sollen nicht mit den Vermutungen angegriffen werden können.Was die Höhe der Marktanteilsvermutung von einem Drittel für das einzelne Unternehmen angeht, so befinden wir uns dabei in guter internationaler Gesellschaft. In anderen Ländern, z. B. in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, gelten in vergleichbaren Regelungen noch niedrigere Grenzen, und auch das sollte hier wohl beachtet und berücksichtigt werden.Dies war für mich Anlaß, zu diesem besonderen Fall der Vermutungstatbestände hier aus unserer Sicht Stellung zu nehmen. Wir nehmen dankbar und mit Freude entgegen, daß dem § 22 auch von der Opposition zugestimmt wird, wie wir soeben gehört haben. Aber vielleicht ist es auch für die Öffentlichkeit wichtig, zu sagen: insgesamt sollten wir die praktische Bedeutung der Vermutungen, die hier vorhin nach meiner Auffassung ein bißchen zu stark akzentuiert worden sind, nicht, wie dies teilweise geschieht, überschätzen; da und dort werden diese Vermutungen zweifellos überschätzt. Sie werden neben dem neuen Begriff der überragenden Marktstellung — diese überragende Marktstellung scheint mir in der begrifflichen Fassung von wesentlicher Bedeutung zu sein — sowie den einzelnen Kriterien für einen besseren Schutz vor der mißbräuchlichen Ausnutzung von Marktmacht sorgen.Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Hinweis geben. Vielleicht ist es auch ein Anlaß, das einmal hier in diesem Hause auszusprechen. Manchmal habe ich den Eindruck, daß es sich die Juristen mit den Begriffen furchtbar schwer machen. Ich wünsche sehr, daß die Herren Juristen sich bei solchen Ausdrücken wie Marktanteil, Finanzkraft, Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten und was dann noch kommt, einmal an die Wirtschaftler, Wirtschaftspolitiker und unter Umständen auch an die Wirtschaftswissenschaftler wenden.
Ich glaube, die können den juristischen Kollegen sehr hilfreich zur Seite stehen, damit wir alle schneller vorankommen auf dem Weg, einen funktionsfähigen Wettbewerb zu praktizieren.
Weitere Wortmeldungen liegen zu Nr. 8 nicht vor. Es liegt kein Abänderungsantrag vor, so daß wir zur Abstimmung über die Ausschußvorlage kommen.
Wer der Nr. 8 in der vorliegenden Form zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Nr. 8 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Nr. 9 auf.
Zu § 23 liegt keine Wortmeldung vor.
Ich rufe § 24 auf. Dazu liegt der Antrag Drucksache 7/785 vor. Zur Begründung dieser Drucksache hat Herr Abgeordneter Dr. Luda das Wort.
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nicht selbständig kalkulieren und sich wettbewerbsgerecht verhalten, d) dem Verbraucher eine nicht ausreichende Marktmündigkeit unterschoben und auch e) die Tendenz zu Mondpreisen und zu Lockvögelpreisen verstärkt und damit schließlich auch das Mißtrauen zwischen dem Handel und dem Verbraucher geschürt.Drittens. Eine sogenannte unverbindliche Verbraucherpreisempfehlung, wie sie nach § 38 a geplant ist, als verbraucherfreundlichen Richtpreis ausgeben zu wollen, müssen wir zurückweisen. Der Verbraucher kann und will sich nicht an Unverbindlichkeiten orientieren. Der Verbraucher will die Tatsache, und die Tatsache ist für ihn zunächst einmal der tatsächliche Preis. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, im Interesse des Verbrauchers Tatsachen zu schaffen und nicht Unverbindlichkeiten als Orientierungshilfe zu institutionalisieren.Dies waren dann letztlich auch die Gründe, die die Gewerkschaften, die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände und die Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels veranlaßten, die Verbraucherpreisempfehlung abzulehnen. Wer die Preisbindung als unehrlich, als täuschend, als preistreibend und als wettbewerbsfeindlich deklarierte und gleichzeitig als Ersatz die Preisempfehlung schaffte, der hat A, aber nicht B gesagt. Wer die eingegrenzte Preisbindung ablehnt und eine schrankenlose Preisempfehlung zuläßt, unternimmt doch im letzten nur den Versuch, den Teufel mit dem Beelzebuben austreiben zu wollen. Die Preisempfehlung nach § 38 a ist darum für mich und meine Freunde der politische Salto mortale rückwärts der Koalitionsparteien.
Daran ändert auch die Drucksache 778 mit der Forderung nach einem Bericht über die Erfahrungen mit dem § 38 a überhaupt nichts. Im Gegenteil, dieser Antrag zeigt doch die Unsicherheit und kann wiederum nur als ein fauler Kompromiß eines noch fauleren Kompromisses, nämlich Abschaffung der Preisbindung zugunsten der Preisempfehlung, gewertet werden.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist gegen die Preisempfehlung. Sie hat sich damit sehr eindeutig, wie die Presse, die Publizistik, aber wie auch die Sachverständigenanhörung bewiesen hat, auf die Seite der Verbraucherverbände, der Gewerkschaften, des Einzelhandels und auf die Seite einer Vielzahl von Wissenschaftlern gestellt, die mit uns gemeinsam die Preisempfehlung für nicht wettbewerbsdienlich und für verbraucherfeindlich halten. Wir bitten Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien, jetzt noch um eine Revidierung Ihrer Meinung im Interesse einer verbraucherfreundlichen Haltung, die Sie klar und deutlich mit einem Ja zu unserem Änderungsantrag dokumentieren können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Graf Lambsdorff.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Der Herr Kollege Breidbach hat seinen Beitrag mit einigen koalitionspolitischen Reminiszenzen eingeleitet. Sie sprachen von der „von Ihnen so genannten sozialliberalen Koalition" und wollten gerne die Erinnerung an die Große Koalition wachrufen. Herr Breidbach, Sehnsüchte, saure Trauben! — Das ist zur Zeit nicht das aktuelle Thema.
Auch von einer „Abschaffung mit großem Tamtam" haben Sie gesprochen, Herr Kollege Breidbach. War das ein großes Tamtam? Ist das nicht eine sehr ernsthafte Diskussion gewesen, die monatelang im Ausschuß und dann mit einem großen Sachverständigenhearing geführt worden ist? Ich würde es als Sachverständiger nicht gerne hören, wenn mein Auftritt als Bestandteil eines Tamtams bezeichnet wird. Das, was wir heute in der Auseinandersetzung mit Herrn Schmidhuber gepflogen haben, war eine vernünftige und brauchbare Diskussion. Aber lassen wir das beiseite.Es geht um die Frage des § 38 a. Vielleicht noch einige Worte einleitend zur Frage der Preisbindung. Bei der Abschaffung der Preisbindung sind wir im Ergebnis völlig einig. Ob das für die Gründe in gleichem Umfange gilt, vermag ich nicht mit letzter Sicherheit zu sagen. Ich persönlich bin immer der Meinung gewesen, daß die Preisbindung mit rigoroser Mißbrauchsaufsicht in unser System ordnungspolitisch hineinpaßt, und bin auch nicht bereit, mit Vergnügen zu erklären, daß wir 25 Jahre lang ordnungspolitisch gesündigt hätten.Es ist aber eine andere Frage, ob sie heute noch wert ist, aufrechterhalten zu werden. Es ist eine andere Frage, ob die gedankliche Lückenlosigkeit noch möglich ist angesichts der Verflechtung der europäischen Konsummärkte, und ob man nicht aus dieser Situation der Reimportgefahr und auch wegen des geringen Anteils preisgebundener Markenartikel zu dem richtigen, politisch vernünftigen Ergebnis kommen müßte, sie abzuschaffen.Es war sehr interessant, Herr Frerichs, daß Sie in ihrem Beitrag darauf hingewiesen haben, mit der Abschaffung der Preisbindung könnten auch strukturelle Gefahren verbunden sein. Wer von uns weiß eigentlich, ob das endgültig eintritt? Ich komme auf dieses Argument bei der Regelung des § 38 a noch einmal zurück.Die Abschaffung der Preisbindung, das wissen Sie, ist auch von der Mehrzahl der Verbände gefordert worden. Das Hearing hat noch einmal ergeben: die Verbraucher, der Handel, die Gewerkschaften fordern das.Lassen Sie mich noch ein kurzes Wort zu den Ausnahmemöglichkeiten sagen. Es war für mich das interessanteste Ergebnis des Hearings, daß unsere sehr gezielten Fragen, ob solche Ausnahmen — Arzneimittel, Verlagserzeugnisse und Tabakwaren brauchen wir nicht mehr zu erwähnen — praktikabel sind, die schlichte Antwort: „Nein" gebracht haben. Es gibt keine brauchbare Abgrenzungsmöglichkeit.Dann könnten wir die Abschaffung der Preisbindung zweiter Hand bleibenlassen.Nun wird hier von einem faulen Kompromiß gesprochen. Von faulem Kompromiß wird immer dann gesprochen, wenn der Kompromiß einem nicht paßt. Ich wehre mich dagegen, jeden Kompromiß nach Möglichkeit als faul zu bezeichnen und ihn damit schlecht zu machen. Kompromisse sind in unserer Gesellschaftsordnung und in unserem parlamentarischen System notwendig. Es ist nur die Frage, ob der Gehalt dieses Kompromisses vertretbar ist: ja oder nein. Die Koalitionsfraktionen meinen, der Gehalt des Kompromisses ist vertretbar.Darf ich mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß wir die Preisempfehlung, ,der mit Recht Mißbräuche und Mißbrauchsmöglichkeiten vorgeworfen worden sind, mit unserer Entscheidung über § 16 des Kartellgesetzes abgeschafft haben. Diese Preisempfehlung hat niemals im Gesetz ,gestanden. Sie ist immer nur in Analogie zur Preisbindung zweiter Hand entwickelt worden. Mit der Abschaffung der Preisbindung zweiter Hand ist diese Analogiemöglichkeit nicht mehr gegeben. Die — darf ich einmal so sagen alte Preisempfehlung mit all ihren Mondpreisen und Lockvögelmöglichkeiten ist abgeschafft. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" irrt nach meiner Meinung, wenn sie schreibt: „Die in Verruf geratene Preisempfehlung für Markenartikel bleibt." Nein, diese Preisempfehlung bleibt nicht.Was wir wollen und in § 38 des Gesetzes klar und sauber definiert haben, ist eine unverbindliche Preisempfehlung mit einer scharfen Mißbrauchsaufsicht. Das, Herr Breidbach, kann nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden, auch nicht mit dem Ausdruckden Sie zwar nicht hier in der Debatte, aber in der Öffentlichkeit gebraucht haben —, die ganze Mißbrauchsaufsicht sei weiße Salbe. Das Mondpreisverbot, das wir in § 38 a an zwei Stellen formuliert haben — der Wirtschaftsausschuß hat darüber ausführlich diskutiert —, soll ,diese Entwicklungen verhindern. Allerdings bitte ich darum, uns davor zu hüten, jede Unterschreitung von Preisempfehlungen im Wettbewerb nun schlichtweg als Mondpreispraxis zu verteufeln.Das Diskriminierungsverbot ist einschneidend. Wir haben die Belieferungspflicht konstituiert, und wir haben Ausnahmen von der Belieferungspflichtparallel mit anderen Bestimmungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nur bei sachlich gerechtfertigten Gründen zugelassen.Entscheidend aber — das ist mein wesentlicher Einwand gegen die Kritik an der angeblichen Unmöglichkeit, die Mißbrauchsaufsicht durch das Kartellamt zu praktizieren — ist Abs. 6 des § 38 a, mit dem wir eine harte Schranke errichtet haben. Wer zweimal rechtskräftig beschieden worden ist, daß er Mißbrauch mit dem Institut der unverbindlichen Preisempfehlungen betrieben habe, wird auf Dauer davon 'ausgeschlossen, dieses Institut zu gebrauchen. Diese harte Schranke ist eine deutliche Warnung an alle Neugierigen, die es versuchen wollen.Warum keine Händlerpreisempfehlung, ist gefragt worden, warum eine Verbraucherpreisemp-
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Dr. Graf Lambsdorfffehlung? Meine Damen und Herren, ich verstehe die Argumentation jedenfalls dann nicht, wenn uns vorgehalten wird, bei Abschaffung einer unverbindlichen Preisempfehlung werde es Mondpreisauszeichnungen in deutschen Schaufenstern nicht mehr geben. Dies ist doch schlichtweg falsch. Im Gegenteil! Die völlige Abschaffung bedeutet praktisch die gesetzliche Billigung der Mondpreisauszeichnungen. Jeder, der in ein Land gereist ist, in dem es keinerlei derartige Vorschriften mehr gibt, weiß ganz genau denken Sie bitte an New York , daß es dort in den Schaufenstern nur Auszeichnungen mit zwei Preisen gibt, nämlich dem durchgestrichenen und dem angeblich — angeblich, betone ich herabgesetzten Preis.Insofern ist mir auch unverständlich, daß die Verbraucherverbände nicht in genügender Weise differenzieren. Damit wird Transparenz für den Verbraucher nicht bewirkt. Mit den Vorschlägen, die wir gemacht haben, wird Transparenz, so glauben wir, in einem Maße aufrechterhalten, wie wir sie durch gesetzliche Regelung erreichen können. Allerdings ist es richtig, daß eindeutig und klar die Aufgabe vor uns liegt, auch vor den Verbraucherverbänden und, wie ich meine, vor den Gewerkschaften Verbraucherinformation und Aufklärung in noch stärkerem Maße zu betreiben, als das bisher der Fall gewesen ist.Nun aber die letzte Frage: Warum denn überhaupt dieses Mittel aufrechterhalten oder neu einführen? Da, Herr Frerichs, komme ich zurück auf das, was Sie hinsichtlich der möglichen strukturellen Gefahren bei Aufhebung der Preisbindung angedeutet haben. Auch uns scheint, daß ein radikaler Eingriff in die vertikalen Beziehungen vom Produzenten bis zum Händler, um das alles mit Stumpf und Stiel auszurotten, in der Tat Entwicklungen mit sich bringen kann, die wir alle hier und heute nicht übersehen können. Deswegen diese Vorschrift, die wir ausdrücklich als eine Übergangsregelung bezeichnen. Deswegen auch die Ihnen vorgelegte Resolution, für die wir um Ihre Zustimmung bitten, die den Übergangscharakter dieser Vorschrift noch einmal betont. Wir werden nicht zögern, dem Hause die Abschaffung dieses Instituts vorzuschlagen, wenn sich herausstellen sollte, daß die Bedenken, die vorgebracht worden sind, zutreffen.lch darf zusammenfassen. Wir sind nicht der Meinung, wie es in der Presse formuliert worden ist, die Vernunft habe sich wieder einmal das „wieder einmal" wollen wir gleich streichen — nicht durchsetzen können. Wir meinen gerade: ja. Wir meinen, daß pragmatische Überlegungen, daß der Verzicht darauf, allzu hart in organisch gewachsene Strukturen mit einem Federstrich des Gesetzgebers einzugreifen, uns zu einer Lösung geführt haben, die stärker als ich darf es etwas überspitzt formulieren — Prinzipienreiterei und Dogmatismus ist. Wir glauben, eine aus der praktischen Erfahrung gebotene Konsequenz gezogen zu haben. Deswegen. beantrage ich namens der Koalitionsfraktionen, dem § 38 a in der Fassung des Wirtschaftsausschusses zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nun nicht mehr vor.
Mit der Drucksache 7/784 wird zunächst begehrt, den Art. 1 zu streichen. Ich mache darauf aufmerksam, daß wir nicht über den Antrag auf dieser Drucksache abstimmen, sondern über die ursprüngliche Ausschußfassung unter Nr. 16. Wird sie angenommen, entfällt der Änderungsantrag.
Wer der Ausschußfassung unter Nr. 16 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Die Ausschußfassung unter Nr. 16 ist mit den Stimmen der Koalition angenommen. Damit entfällt die Ziffer 2 des Änderungsantrags.
Ich komme zur Abstimmung über die Nr. 15 der Ausschußvorlage. Alsdann können wir, glaube ich, über die Nrn. 17 bis 35 der Ausschußvorlage zusammen abstimmen. Ich stelle Ihr Einverständnis fest.
Wer den aufgerufenen Ziffern der Ausschußvorlage zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? -Einstimmig angenommen.
Nach der Nr. 35 soll eine neue Nr. 35 a eingeschoben werden. Der entsprechende Änderungsantrag der Herren van Delden und Breidbach auf Drucksache 7/768 liegt Ihnen vor.
Zur Begründung dieses Änderungsantrags hat Herr Abgeordneter van Delden das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 102 in der alten Fassung des Gesetzes, der nach dem Willen der Koalitionsparteien wiederaufgenommen werden soll, hat es in sich. Dieser Paragraph gesteht nämlich einem Teil der Wirtschaft Ausnahmebereiche zu, ohne daß die notwendigen Kontrollmaßnahmen wirksam geregelt sind. Nach der bestehenden Fassung genügte es, daß z. B. Versicherungen, Banken oder Bausparkassen ein Kartell beim Aufsichtsamt anmeldeten. Eine vorherige Anhörung der Betroffenen war nicht erforderlich. Damit war allein schon die Anmeldung kartellwirksam.Im zweiten Absatz dieses Paragraphen ist geregelt, wie das Kartellamt im Falle eines Mißbrauchs wirksam werden kann. Nach dem bestehenden Gesetz kann das Kartellamt im Gegensatz zu allen anderen Regelungen für die sonstigen Ausnahmebereiche bei diesen Ausnahmebereichen nur im Einvernehmen mit der Bundesregierung wirksam werden. Das heißt, wenn jemand einen Mißbrauch beim Kartellamt anzeigen und es zum Eingreifen veranlassen wollte, mußte das Kartellamt erst das Einvernehmen mit der Bundesregierung herstellen. Die Herstellung eines solchen Einvernehmens dauert aber bekanntlich sehr, sehr lange. Mit anderen Worten, ein Wirksamwerden der Kartellbehörde war praktisch ausgeschlossen, eine Tatsache, die uns auch der Vizepräsident des Bundeskartellamts bei der Anhörung im Wirtschaftsausschuß bestätigt hat.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2333
van DeldenDemgegenüber soll durch diesen Antrag des Kollegen Breidbach und von mir nunmehr eine leichte Auflockerung dieses Ausnahmebereiches herbeigeführt werden. Ich bin mir darüber im klaren, daß man nicht ad hoc eine Genehmigungspflicht einführen kann, obwohl eine solche Genehmigungspflicht für einen Teilbereich der Versicherungen, nämlich für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, bereits besteht. Deswegen haben Herr Breidbach und ich einen Änderungsantrag gestellt, wonach der Anmeldung die Stellungnahmen der betroffenen Wirtschaftskreise beizufügen sind. Selbst wenn alle diese Stellungnahmen negativ sind, kann ein Kartell angemeldet werden. Nur hat das Kartellamt in diesem Fall auf Grund der Änderung des Absatz 2, wo es „im Benehmen" heißen soll, dann die Möglichkeit, sofort tätig zu werden.Meine Damen und Herren, ich darf daran erinnern, daß sich die ursprüngliche Fassung des Wirtschaftsministeriums sogar auf die Genehmigung selbst bezog. Wenn wir hier davon sprechen, daß die Mißbrauchsaufsicht allgemein strenger geregelt werden soll — das ist ja der Sinn der Kartellgesetznovelle , dann verstehe ich nicht, daß es nicht möglich sein sollte, diese geringfügige Erschwerung für einen Ausnahmebereich einzufügen. Auch die Anhörung der betroffenen Wirtschaftszweige dürfte nicht sehr schwierig sein. Sie braucht auch nicht weiter präzisiert zu werden, denn in § 2 des bestehenden und auch des zukünftigen Gesetzes ist eine Anhörung mit ungefähr den gleichen Worten definiert. Wenn wir im Absatz 2 die Worte „im Einvernehmen" nicht durch die Worte „im Benehmen" mit der zuständigen Aufsichtsbehörde ersetzen, ist das noch weniger als „weiße Salbe", von der vorhin so viel die Rede war. Ich erinnere auch daran, daß der Kollege Jens bei der Einbringung der Novelle in der ersten Lesung die Einbeziehung der Banken und Versicherungen unter Bezugnahme auf § 102 ausdrücklich gefordert hat. Herr Kollege Jens, wo bleibt denn Ihr Ordnungsverständnis, nachdem Sie uns heute morgen vorgeworfen haben, uns fehlte dieses Verständnis?
— Herr Kollege Jens, der Entschließungsantrag ist eben die berühmte „weiße Salbe", denn er beinhaltet ja nichts weiter, als daß wir innerhalb eines Jahres von der Bundesregierung mitgeteilt bekommen sollen, ob an dem, was ich hier erzählt habe, etwas dran ist oder nicht. Ich möchte Sie daran erinnern, daß im Ausschuß — die Beratungen fanden übrigens in einer sehr wohltuenden Atmosphäre statt — auch von den Gegnern dieses Antrages — die Gegnerschaft beruht offenbar auf einer Koalitionsabsprache; bei einer solchen Materie ist mir das unverständlich —, also auch von Ihrer Seite fairerweise gesagt worden ist, daß an diesem Antrag etwas dran sei. Das, was aus dem Entschließungsantrag hervorgehen soll, wird ja in keiner Weise durch diesen von dem Kollegen Breidbach und mir eingebrachten Änderungsantrag beeinträchtigt. Unser Antrag verhindert nur, daß noch ein Jahr weiter — ich scheue mich nicht, dieses Wort auszusprechen — Mißbrauch getrieben werden kann.Ich erininere daran, daß die ganze Debatte über- hauet erst in Gang gekommen ist, als der Kollege Kaffka und ich diese Dinge vor zwei Jahren aufgegriffen haben. Manche Kollegen sprachen daraufhin von einer unheiligen Allianz. So unheilig kann sie aber nicht sein, denn einer von uns beiden ist ja Pastor.
Wir haben damals alle diese Dinge zur Sprache gebracht.Wenn Sie sagen, daß wir uns im Schlepptau des BDI befänden, so muß ich Ihnen vorwerfen, daß Sie sich zumindest im Schlepptau des Präsidiums des BDI befinden. Das Präsidium hat sich freilich in bestimmter Weise gebessert. Herr Sohl, der sich ja auch in einer gewissen Interessenkollision befindet, hat mir nämlich bestätigt, daß dieser Antrag sehr maßvoll sei.Ich will mich aber nicht nur mit Ihnen befassen, sondern auch mit den Kollegen von der FDP-Fraktion. Ich muß hier insonderheit das aufgreifen, was der Herr Kollege Mertes gesagt hat. Der Herr Kollege Mertes hat im Ausschuß gesagt, man könne nicht ad hoc eine Änderung herbeiführen. Es handle sich doch um wesentliche und gravierende Änderungen. Dazu müßten die betroffenen Zweige gehört werden. Meine Damen und Herren, die von einem solchen Änderungsantrag negativ betroffenen Zweige haben in allen ihren Eingaben jedenfalls indirekt niemals bestritten, daß an diesem Antrag etwas dran ist. Sie haben diesen Punkt wohlweislich ausgelassen und lediglich gesagt, sie möchten dazu doch noch einmal ihre dezidierte Stellungnahme abgeben können, also angehört werden. Ich frage mich nur: Was bedeutet eine Anhörung zu dem Thema, ob man angehört werden soll, bevor man etwas anmeldet?Ich wundere mich ferner, daß die Jungdemokraten und die Jusos sich vor diesen Koalitionswagen gespannt haben. Sie haben uns gegenüber doch immer gefordert, daß Machtmonopole, Machtmißbrauch usw. abgebaut werden müßten. Hier bietet sich nun eine Gelegenheit, Farbe zu bekennen. Ich fordere also alle — angefangen bei der charmanten Frau Schuchardt über Herrn Bangemann bis hin zum Kollegen Gansel und Genossen — auf, hier noch einmal Farbe zu bekennen.Auch den Herrn Kollegen Möller möchte ich daran erinnern, daß er uns in der Aussprache zur Regierungserklärung immer wieder vorgeworfen hat, wir — dies habe der Wahlkampf eindeutig bewiesen — schützten nur die Interessen des Großkapitals und setzten uns für diese ein. Herr Möller, auch Sie haben hier Gelegenheit, trotz Interessenkollision, in der Sie sich möglicherweise befinden, Farbe zu bekennen und zu beweisen, daß es Ihnen damals nicht nur um Polemik, sondern um zukunfts- und richtungweisende Gedanken ging.Zum Abschluß noch ein Wort an Herrn Kollegen Graf Lambsdorff. Der Herr Kollege Graf Lambsdorff machte mich auf einen Artikel in einer großen Zeitschrift aufmerksam, in dem ich ihn als Lobbyisten bezeichnet und er darauf hingewiesen habe, er habevan Deldennichts gegen Lobbyisten; er hielte es sogar für begrüßenswert, wenn hier im Bundestag viele Interessengruppen, z. B. auch die Textilindustrie, vertreten wären. Auch ich habe nichts gegen Lobbyisten, Herr Kollege Graf Lambsdorff; allerdings gehören sie außerhalb des Plenarsaals, und dafür haben wir unsere Lobbyliste. Nur betrachte ich es als reichlich unzumutbar, wenn sich eine Lobby wider die Vernunft durchsetzt. Um das zu vermeiden, möchte ich Sie alle bitten, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ehrenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann Herrn van Delden nur zustimmen,
wenn er hier eingangs gesagt hat — — Vielleicht warten Sie mit Ihrem „Sehr gut!", bis ich meinen Halbsatz zu Ende habe. Wenn Sie dann auch noch „Sehr gut!" rufen, dann fände ich das sehr gut.
Ich kann ihm nur zustimmen, wenn er gesagt hat, daß § 102 es in sich hat. Aber gerade weil § 102 es in sich hat, Herr van Delden, kann man diese Sache mit der von Ihnen selbst beantragten geringfügigen Änderung mit Sicherheit nicht anfassen. Dafür ist der Ausnahmebereich des Kreditgewerbes und der Versicherungswirtschaft zu groß. Und weil er das ist, und weil ich es gegenüber den Betroffenen wirklich als etwas merkwürdig ansehen würde, wenn wir über den seit zehn Jahren eigentlich ausdiskutierten Tatbestand der Preisbindung der zweiten Hand trotzdem — in erster Linie auf Ihren Wunsch — ein großes SachverständigenHearing veranstaltet haben, würde ich eine Neuregelung der Bestimmungen ohne SachverständigenHearing und ohne ausreichende Zeit zur Prüfung wirklich als gegenüber der betroffenen Wirtschaft mit sehr ungleichen Maßen gemessen ansehen müssen.
Darum werden die Koalitionsfraktionen, einen Entschließungsantrag vorlegen, wonach die Bundesregierung aufgefordert werden soll, im Laufe eines Jahres — das ist eine kurz bemessene, aber für vernünftige Arbeit doch ausreichende Zeit — einen Bericht vorzulegen, der diese Ausnahmebereiche in der Kreditwirtschaft und im Versicherungsgewerbe überprüft. Nach einem Jahr, meine Damen und Herren von der Opposition, sind wir noch weit genug vom Ende der Legislaturperiode entfernt, um dann gestützt auf diesen gründlichen Bericht entsprechende Konsequenzen zu ziehen, wenn sie notwendig sein sollten. Ich kann nur hoffen, daß dann die heutigen Antragsteller van Delden und Breidbach genügend Einfluß und genügend Anhänger in ihrer Fraktion finden werden,
damit wir von der guten breiten Basis, mit der wir dieses gesamte Gesetz bearbeitet haben, auch diese vielleicht sehr einschneidenden, vielleicht sehr weitgehenden Konsequenzen zusammen ziehen können. Wenn das, Herr Kollege Breidbach, so selbstverständlich wäre, dann verstehe ich nicht, warum nur Sie beide auf diesem Antrag stehen. Also warten wir ab, wie es in einem Jahr aussehen wird, wenn der Bericht der Bundesregierung vorliegt.
Wir sind — das darf ich für beide Koalitionsfraktionen sagen — zu sehr gründlicher, umfassender Prüfung und auch zu entsprechenden Konsequenzen bereit, wenn sie notwendig sind. Aber weil wir diese gründliche, umfassende Bestandsaufnahme brauchen, bitte ich diejenigen, die es mit einer Neuordnung in diesem Bereich ernst meinen, den Änderungsantrag van Delden/Breidbach abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag Drucksache 7/768. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden.
Wir stimmen dann über die letzten beiden Nummern des Art. 1 ab, also über Nrn. 36 und 37, alsdann über Art. 2, 3 und 4 sowie über Einleitung und Überschrift. Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Unser wirtschaftliches Ordnungssystem ist heute mehr denn je der Kritik ausgesetzt. Das diffus sich äußernde Unbehagen gipfelt letztlich in dem Vorwurf, daß das marktwirtschaftliche System zu Mißständen und Fehlentwicklungen im gesellschaftspolitischen Bereich führe und die Erfüllung großer Zukunftsaufgaben — und eine Aufzählung möchte ich hier verzichten — verhindere.Diese Vorwürfe sind für diejenigen, die Marktwirtschaft wirklich wollen, eine politische Herausforderung. Nach meiner Meinung ist unser marktwirtschaftliches System im Augenblick nicht so sehr durch Ideologen am Rande der Demokratie gefährdet als vielmehr durch Unterlassungen und mangelnde Konsequenz derer, die dieses System bejahen und angeblich tragen. Dieser Vorwurf trifft auch das Verantwortungsbewußtsein derjenigen Politiker, welche die notwendige Weiterentwicklung und die Verbesserung des Wettbewerbsrechts hinausgezögert haben. Denn der Staat hat den Ordnungsrahmen zu setzen und zu gestalten, inner-Deutscher Bundestag-7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2335Bundesminister Dr. Friderichshalb dessen sich der Wettbewerb in Freiheit entfalten kann und soll.Pure Lippenbekenntnisse zu diesem System nutzen als Antwort auf die Kritik wenig. Ich bin sogar der Meinung: sie sind dann schädlich, wenn sie nicht von einem entsprechenden, nämlich wettbewerbsgerechten Verhalten begleitet werden. Wettbewerb und Freiheit sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille. Sie gilt es im Interesse der langfristigen Stabilisierung von Marktwirtschaft und damit auch von Demokratie zu sichern.Das bisherige Kartellverbot allein genügte nicht mehr. Wir müssen jetzt das nachholen, was in den 50er und 60er Jahren nicht realisierbar war: eine wirksame Kontrolle der Entstehung und Ausnutzung wirtschaftlicher Macht. Die Novellierung wesentlicher Elemente der Wettbewerbspolitik gebietet den Selbstzerstörungsprozessen unseres praktizierten Systems Einhalt. Gleichzeitig ist sie entscheidendes Element — vielleicht sogar das entscheidendste überhaupt — für die Fortentwicklung der Marktwirtschaft.Wir haben bei dieser Novellierung bewußt auf letzten Perfektionismus verzichtet. Der Ausbau der Wettbewerbs- und damit der freiheitlichen Gesellschaftsordnung mußte aber endlich erfolgen. Vorschriften zur Verschärfung des Wettbewerbs sind das Gegenteil von Dirigismus. Der Unternehmer wird mit Wettbewerb nicht dirigiert, da Wettbewerb nicht verordnet und positives Handeln nicht vorgeschrieben wird. Hier werden vom Staat nur Grenzen gesteckt und Regeln festgelegt, innerhalb deren sich das freie Spiel der Kräfte voll entfalten kann.Marktwirtschaft ist aber — dies soll immer wieder hervorgehoben werden — weder Selbstzweck noch gruppenbezogenes Herrschaftsinstrument, sondern sie ist geschaffen, dem Verbraucher zu dienen und die ökonomischen Grundlagen für mehr Lebensqualität für alle in persönlicher Freiheit zu schaffen. Deshalb muß der Gefahr des Umschlagens unserer Ordnung in die Unfreiheit vorgebeugt werden, damit der Ruf nach einem übermächtigen, allgegenwärtigen und alles regulierenden Staat, der den einzelnen mit seinen Vorstellungen nach einer absoluten Hierarchie der Werte eingruppiert und ihm sein Handeln positiv vorschreibt, nicht zur Wirklichkeit wird.
Wettbewerb übt in einem offenen und dynamischen System ständige Anreiz-, Auslese- und Entmachtungsfunktionen aus. Er ist vor allem Element der Kontrolle von Macht. Franz Böhm hat ihn, vielleicht etwas überspitzt, als das genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte bezeichnet. Wir als Politiker haben in erster Linie Sorge zu tragen, daß dieses Entmachtungsinstrument erhalten bleibt und damit Wettbewerb seine dienenden Charakterzüge für gesellschaftspolitische Aufgaben jenseits von Angebot und Nachfrage wahrnehmen kann.Wettbewerb wirkt nicht zugunsten einzelner, sondern wirkt zugunsten aller. Damit wird auch der eigentliche gesellschaftspolitische Gehalt des WettBewerbs — die Sicherung von Freiheit und sozialem Ausgleich — vollends deutlich. Maßstab unseres Handelns sind nicht Dogmen oder partikulare Interessen, sondern Maßstab unseres Handelns ist in diesem Zusammenhang der Mensch, der Verbraucher, sind letztlich alle Bürger in unserem Lande. Ludwig Erhard hat in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. März 1955 über die Ziele des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gesagt — ich erlaube mir, mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten zu zitieren —:Als Wirtschaftsminister aber habe ich nicht die Interessen gewerblicher Gruppen, sondern das Lebensrecht von 50 Millionen Verbrauchern zu verteidigen.
D a s , meine Damen und Herren, steht hier auf dem Spiel. Dies e Probleme sind mit dem vorliegenden Gesetz angesprochen und harren einer guten Lösung.So sprach der damalige Bundeswirtschaftsminister im März 1955. Wir müssen heute erkennen, daß die gute Lösung damals nur zum Teil erreicht wurde; und die gewandelten wirtschaftlichen Bedingungen haben die damalige Lösung noch weiter ausgehöhlt. Heute gilt es, eine bessere Lösung zu erreichen und die Wettbewerbswirtschaft als ökonomischste und zugleich demokratischste Ordnung weiter zu stabilisieren.Natürlich ist auch die heutige Novelle kein Jahrhundertgesetz. Wettbewerbsgesetze müssen nämlich 1 immer den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen entsprechen. Die heutige Novelle ist nach einem wahrlich „langen Marsch" rasch nach Beginn der neuen Legislaturperiode erfolgreich abgeschlossen worden. Sie alle in diesem Hohen Hause wissen, welche Widerstände auf diesem Weg überwunden werden mußten. Es gab nicht wenige, die bis vor kurzem noch glaubten — ich meine, zuweilen auch hofften —, die Kartellrechtsreform würde sich noch weiter in die Länge ziehen. Ich darf daran erinnern, daß mancher, auch mancher, der Kommentare schreibt, die Kartellnovelle zu Beginn dieser Legislaturperiode für tot erklärt hatte. Wieviel unbegründete Spekulationen auch seitens der Opposition, wurden z. B. an die Tatsache geknüpft, daß nicht die Bundesregierung, sondern die Koalitionsfraktionen die Novelle wieder eingebracht haben! Wir haben uns aber in unserem Willen, die unerläßliche Modernisierung unseres Wettbewerbsrechts baldmöglichst zum Ziel zu führen, weder durch den Widerstand von ewig Gestrigen noch durch die Zweifel Kleinmütiger beirren lassen. Ein neuer Bundestag und die wachsende Erkenntnis, daß Sicherung der Marktwirtschaft nicht Sicherung von Privilegien bedeutet, haben schließlich den Weg für die zügige Beratung und Verabschiedung dieser Novelle geöffnet.Ich werte es als ein günstiges Zeichen für die zukünftige Entwicklung unserer Wirtschaftspolitik, daß es gerade die Kartellnovelle war, die im Wirtschaftsausschuß einstimmig beschlossen worden ist. Ich bin zuversichtlich, daß diese Übereinstimmung
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2336 Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Bundesminister Dr. Friderichsauch bei der Schlußabstimmung hier im Plenum zum Ausdruck kommt. Ich meine, daß die Opposition dieses Hohen Hauses es ihrer Vergangenheit, aber wohl auch ihrer eigenen Zukunft schuldig ist, „ja" zu einer Novellierung des Wettbewerbsrechts zu sagen.
Die Bundesregierung dankt dem Deutschen Bundestag auch dafür, daß er mit der Verabschiedung der Kartellnovelle zum jetzigen Zeitpunkt die Zielsetzung des Stabilitätsprogramms vom 9. Mai 1973 unterstützt. Sie ist ein wichtiges Element dieser Stabilitätspolitik. Aber natürlich schlägt sich die Novellierung des Wettbewerbsrechts nicht schon morgen in Preisindices nieder. Niemand von uns sollte mit der Kartellgesetznovelle übersteigerte Erwartungen im Hinblick auf kurzfristige Stabilitätswirkungen verbinden. Aber ohne die Sicherung des Wettbewerbs durch eine effektive Wettbewerbspolitik würde der Stabilitätspolitik die Grundlage für einen dauerhaften Erfolg fehlen. In diesem Sinne ist Wettbewerbspolitik mittel- und langfristig Stabilitätspolitik und daher ein wesentlicher Bestandteil des Stabilitätspaketes dieser Bundesregierung.Unser freiheitliches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem hat sich bewährt. Diese Feststellung darf uns aber nicht dazu verleiten, die Augen vor den Gefahren zu verschließen, die unserer Wirtschaftsordnung nicht zuletzt aus der fortschreitenden Konzentration in weiten Bereichen der Wirtschaft erwachsen. Deshalb duldete eine wirksame Kontrolle wirtschaftlicher Macht, wie sie mit dieser Novelle jetzt verwirklicht wird, keinen Aufschub.In einer vermachteten Wirtschaft kann der Wettbewerb seinen Aufgaben nicht gerecht werden. Die Verbraucher finden keine optimale Versorgung. Die Chancen für eine selbständige unternehmerische Tätigkeit sinken. Macht wird zunehmend gegen Macht eingesetzt. Flexibilität und Leistungsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems werden gemindert.Dem neuen Wettbewerbsrecht liegt eine konsequente Konzeption zugrunde, die nämlich mehr unternehmerischen Wettbewerb gewährleisten soll: wo Marktmacht schon entstanden ist, wird sie schärfer als bisher kontrolliert, wo sie bisher durch Unternehmenszusammenschlüsse ungehemmt entstehen konnte, wird sie künftig durch die Fusionskontrolle verhindert werden können. Diese Fusionskontrolle richtet sich nicht gegen Unternehmenszusammenschlüsse schlechthin. Was wir aber verhindern müssen, ist das Übermaß, ist die Selbstzerstörung dieser Ordnung durch einen ungehemmten Konzentrationsprozeß.Sie wissen, daß die Fusionskontrolle jetzt auch auf dem Tisch der europäischen Wirtschaftspolitik liegt. Die Bundesregierung wird die Bemühungen um eine europäische Fusionskontrolle mit allem Nachdruck unterstützen. Ich bin zuversichtlich, daß sich die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer staatlichen Präsenz in diesem Bereich auch in den anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft durchsetzen wird, so wie umgekehrt das Verbot der aufeinanderabgestimmten Verhaltensweisen des EWG-Vertrages auch in unser neues Kartellgesetz gefundenEingang gefundenhat.Für eine eigene nationale Fusionskontrolle gilt natürlich, daß sie sich nicht nur an den Verhältnissen des inländischen Marktes orientieren kann, sondern die weltweite Konkurrenzsituation der an einem Zusammenschluß beteiligten inländischen Unternehmen berücksichtigen muß. Aber, das Streben nach Stärkung der Leistungsfähigkeit auf außereuropäischen Märkten darf nicht als Vorwand für Wettbewerbsbeschränkungen im Innern gelten.Wesentlich für die Zielsetzung des neuen Wettbewerbsrechts ist die Verbesserung der Wettbewerbschancen für kleinere und mittlere Unternehmen. Gerade in dieser Hinsicht sind in dieser Legislaturperiode verstärkte Akzente gesetzt worden. Wir alle wissen, daß unsere marktwirtschaftliche Ordnung eine ausreichende Zahl solcher selbständigen Unternehmen braucht. Die These, Großunternehmen seien per se leistungsfähiger, ist nicht richtig. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben immer wieder ihren Erfindungsreichtum unter Beweis gestellt und zur Differenzierung des Angebotes von Waren und Dienstleistungen beigetragen. Ich begrüße daher — lassen Sie es mich so ausdrücken — den „Positivkatalog" im neuen Gesetz, der den kleinen und mittleren Unternehmen den notwendigen Aktionsraum zur Entfaltung ihrer Leistungsfähigkeit im Wettbewerb mit Großunternehmen gibt. Ich denke hier an die erleichterte Zulassung von leistungssteigernder Kooperation für mittlere und kleine Unternehmen, den Ausbau der Mittelstandsempfehlung und die Zulassung von Wettbewerbsregeln zum Schutz des leistungsgerechten Wettbewerbs.Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang auch einige Worte zu dem besonderen Novellierungspunkt Preisbindung/Preisempfehlung.Der Wirtschaftsausschuß und auch die Bundesregierung haben sich nochmals sehr ernsthaft mit diesem Problemkreis auseinandergesetzt. Ich bin überzeugt, daß mit der Abschaffung der Preisbindung und der verschärften Mißbrauchsaufsicht über unverbindliche Preisempfehlungen eine ausgewogene Lösung gefunden wurde. Die Preisbindung hat sich auch im Hinblick auf die Verflechtung der europäischen Märkte überlebt. Die den Verbraucher täuschenden „Mondpreis-Empfehlungen" sollten durch die neue Fassung ausgeschlossen werden.Wir werden die weitere Entwicklung der Preisempfehlungen in der Praxis allerdings aufmerksam verfolgen müssen. Daher begrüßt die Bundesregierung den Entschließungsantrag, nach einem dreijährigen Erfahrungszeitraum diesem Hohen Hause einen entsprechenden Bericht vorzulegen. In einer Art Testperiode werden wir abwarten, wie sich dieses Institut bewährt. Für die Bundesregierung —dies möchte ich hervorheben — sind die Preisempfehlungen jedenfalls nicht per se ein Datum für ewig.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2337
Bundesminister Dr. FriderichsDie Marktwirtschaft, meine Damen und Herren, stellt heute ihre Reformfähigkeit überzeugend unter Beweis. Mit der Verabschiedung der Kartellnovelle erteilen wir all denen eine klare Absage, die einzelne Mängel bzw. Oberflächenerscheinungen des praktizierten Systems zum Vorwand nehmen, unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem als Ganzes in Frage zu stellen, zu diskreditieren oder die Forderung nach Abschaffung bzw. Systemüberwindung zu erheben. Ich bin sicher, daß sich die Verbesserung unseres Wettbewerbsrecht als Investition für diese Wirtschaftsordnung und damit für die Freiheit auszahlen wird.Abschließend möchte ich nicht verfehlen, dem Wirtschaftsausschuß dieses Hohen Hauses besonders zu danken. Nur wenige draußen im Lande haben geglaubt, daß wir jetzt - noch vor der Sommerpause — dieses wichtige Reformgesetz verabschieden könnten, von dem Sie selbst wissen, daß es in zwei Legislaturperioden nicht möglich war. Daß es jetzt möglich ist, ist. vor allem das Verdienst des ganzen Ausschusses und insbesondere der wettbewerbspolitischen Obleute der Fraktionen. Sie haben sich in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen des Bundeswirtschaftsministeriums und vor allem mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Grüner um realistische und meines Erachtens auch ausgewogene Lösungen bemüht.Durch dieses positive Zusammenwirken aller Beteiligten ist es gelungen, innerhalb kürzester Zeit ein Gesetzeswerk zu schaffen, das die Ausnutzung und Entstehung wirtschaftlicher Macht wirksam verhindert und damit die wirtschaftliche Freiheit besser sichert, das den kleinen und mittleren Unternehmen größere Chancen im Wettbewerb mit den großen eröffnet, das die Marktposition des Verbrauchers stärkt, das zu einer sozial gerechteren Einkommens- und Vermögensverteilung beiträgt und das schließlich durch verstärkten Wettbewerb zu größerer Stabilität des Preisniveaus beiträgt.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Carstens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir stimmen alle darin überein, daß die Gesetzesvorlage, über die wir heute zu beschließen haben werden, der Stärkung und Festigung unserer marktwirtschaftlichen Ordnung dient, und ich glaube, die meisten von uns in diesem Hohen Hause stimmen auch darin überein, daß die marktwirtschaftliche Ordnung ein wesentlicher Teil unseres freiheitlichen staatlichen und gesellschaftlichen Systems überhaupt ist.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß der Mann, der größere Verdienste als irgend jemand sonst um die Einführung der marktwirtschaftlichen Ordnung in unserem Lande hat und gehabt hat, von vornherein die Aufgabe der marktwirtschaftlichen Ordnung so gesehen hat, nämlichnicht nur als Instrument zur Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern zugleich als die Grundlage unserer staatlichen und gesellschaftlichen Freiheit.
Der damalige Wirtschaftsminister, spätere Bundeskanzler und das jetzige Mitglied dieses Hohen Hauses, Ludwig Erhard, hat die marktwirtschaftliche Ordnung in einem mühseligen Ringen gegen mancherlei Widerstände durchgesetzt. Von den politischen Widerständen ist schon gesprochen worden. Aber es hat auch in den Kreisen der damaligen Wirtschaft ganz erhebliche Widerstände gegeben, weil nämlich das vorangegangene System, so verheerend es in seinen Folgen war, doch mancherlei Bequemlichkeiten mit sich gebracht hatte,
die das jetzige System nicht, natürlich nicht kennzeichnen. Um so größer, meine ich, ist das Verdienst, das Ludwig Erhard hat, gegen diese Widerstände zielbewußt und klarsichtig die marktwirtschaftliche Ordnung in unserem Lande durchgesetzt zu haben.
Meine Damen und Herren, daran zu erinnern scheint mir um so wichtiger zu sein, als diese marktwirtschaftliche Ordnung zur Zeit sehr heftigen ideologischen Angriffen ausgesetzt ist. Der Herr Bundesminister für Wirtschaft, mit dessen Ausführungen ich in weiten Teilen übereinstimme, hat geglaubt, hier von Angriffen sprechen zu können, die von Ideologen am Rande der Demokratie ausgehen. Herr Bundesminister, ich habe den Eindruck, daß Sie damit das Problem bagatellisieren.
Es handelt sich um einen systematischen Versuch keineswegs nur von Gruppen am Rande der Demokratie, unser freiheitliches System, unsere marktwirtschaftliche Ordnung zu verändern.Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders die sogenannten Rahmenrichtlinien für das Schulfach Gesellschaftslehre hervorheben, die im Lande Hessen erlassen worden sind.
Aus der heutigen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" — mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, darf ich zitieren — entnehme ich, daß zwei Professoren, Nipperdey und Lübbe, die sicherlich nicht unter dem Verdacht stehen, politische Gegner der in Hessen regierenden Partei zu sein, mit Bezug auf diese Rahmenrichtlinien festgestellt haben, daß in ihnen „Verhaltensschulung ... vor selbständigem Urteil" rangiere und daß auf diese Weise „der Veränderungsaktivismus der Rahmenrichtlinien Erkennen und Denken zu Kampfinstrumenten in der antagonistischen Klassen- oder Schichtengesellschaft" mache.
Dies ist ein schwerwiegendes Urteil aus dem Mundevon Männern, die — ich sage es noch einmal — der
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Dr. Carstens
in Hessen regierenden Partei politisch nahestehen oder ihr angehören. Wir sollten uns nicht damit abfinden, daß es sich um Randerscheinungen handelt, die keine Bedeutung haben.
Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen muß es unser aller Aufgabe sein — ich wende mich hier an alle Fraktionen dieses Hohen Hauses , die soziale Marktwirtschaft gegen die falschen Propheten zu verteidigen, die mit pseudowissenschaftlichen Argumenten und mit dem Versuch einer Ideologisierung der Auseinandersetzung ihre Grundlagen zu beseitigen suchen. Dazu ist es nicht dienlich, wenn aus dem Lager der Regierung selbst von Zeit zu Zeit kleinere oder größere Seitenhiebe auf die soziale Marktwirtschaft ausgeteilt werden in dem Sinne, daß sie ja vielleicht für den Augenblick eine ganz gute Wirtschaftsform sein möge, daß aber keineswegs feststehe, ob das auch in Zukunft noch der Fall sein werde. Mit dieser Art von Beschreibung der sozialen Marktwirtschaft ist der Sache und der Auseinandersetzung, in der wir jetzt alle stehen, nicht geholfen, sondern es kommt darauf an, daß wir die Bedeutung dieses Systems erkennen, es herausstellen und seinen Gegnern mit der nötigen Entschiedenheit entgegentreten.
Dazu gehört auch — das ist schon von anderer Seite gesagt worden — die Bekämpfung der Inflation. Die Inflationsrate, die wir jetzt in unserem Lande erreicht haben, läßt — das kann doch niemand überhören — schon den Ruf nach Preisstopp und dann womöglich auch nach Lohnstopp lautwerden und gefährdet daher die soziale Marktwirtschaft.
Wir müssen sagen, daß die Bemühungen der Bundesregierung zur Wiederherstellung der Stabilität in den vergangenen drei Jahren völlig unzulänglich gewesen sind.
Schließlich gehört zur Sicherung der sozialen Marktwirtschaft — da stimme ich mit dem, was hier von einer Reihe meiner Vorredner gesagt worden ist, völlig überein — die Sicherung des Wettbewerbs, ohne daß allerdings durch die Hintertür der Dirigismus wiedereingeführt wird. Die CDU hat auf ihrem Düsseldorfer Parteitag im Jahre 1971dazu folgende Forderung erhoben ich darf auchdas mit Ihrer Erlaubnis zitieren, Herr Präsident Dem Mißbrauch wirtschaftlicher Machtausübung ist durch wettbewerbsgerechte Kontrolle vorzubeugen. Ein an Weisungen nicht gebundenes Kartellamt muß ein Widerspruchsrecht gegen wettbewerbsbeschränkende Konzentrationen und Preisabsprachen haben. Die notwendige Kontrolle des Wettbewerbs darf nicht zu Institutionen führen, die als Mittel einer dirigistischen Wirtschaftspolitik mißbraucht werden können. Funktionsfähiger Wettbewerb und staatlich organisierte Zwangskonzentration schließen einander aus.Wir begrüßen an dem uns vorliegenden Gesetzentwurf eine Reihe wesentlicher Punkte: die Einführung der vorbeugenden Fusionskontrolle, um dadurch Unternehmenszusammenschlüsse, die zur Beherrschung des Marktes führen würden, zu verhindern, die Verstärkung der Mißbrauchsaufsicht über den Bereich der marktbeherrschenden Unternehmen hinaus auf den Bereich sogenannter marktstarker Unternehmen und vor allem auch die Erleichterung der Zusammenarbeit kleiner und mittlerer Unternehmen mit dem Ziel, ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Diese Kooperationserleichterung bei Klein- und Mittelbetrieben soll die Produktivität und Rentabilität in diesem Bereich erhöhen und die Benachteiligungen gegenüber Großbetrieben mildern und abbauen.Die CDU/CSU - auch das ist hier schon vorgetragen worden - hat in den Beratungen zu demGesetzentwurf eine Reihe von Anträgen gestellt: zur Preisbindung, zu Preisempfehlungen, in der Frage der Zuständigkeiten. Hier hat es unterschiedliche Auffassungen gegeben. Die CDU/CSU ist mit ihren Vorschlägen zu diesen Punkten nicht durchgedrungen. Dennoch wird sie dem Gesetz zustimmen, weil sie in den wesentlichen soeben von mir genannten Punkten ihre eigenen Vorstellungen in dem Gesetz verwirktlicht sieht und außerdem der Meinung ist, daß ein weiterer Aufschub dieses Gesetzes nicht zu vertreten sein wird.Die Diskussion über die zweckmäßigste Form von Wettbewerbsregeln wird nach meiner Überzeugung niemals zum Abschluß kommen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse werden sich ändern, und es wird daher notwendig sein, die Regeln, die für den Wettbewerb aufgestellt werden, diesen Veränderungen anzupassen. Die CDU/CSU wird auch als Opposition ein Wächter und Verteidiger der sozialen Marktwirtschaft bleiben.
Vor allem aber werden wir die Grundlagen dieser sozialen und marktwirtschaftlichen Ordnung gegen diejenigen verteidigen, die sie mit pseudowissenschaftlichen Thesen, mit den Mitteln der sogenannten Bewußtseinsveränderung oder durch Propagierung des Klassenkampfes zu beseitigen suchen, um an ihre Stelle ein kollektivistisch-sozialistisches und dann in der Tat wahrhaft monopolistisches System zu setzen, das, wie wir überzeugt sind, das Ende unserer Freiheit wäre.
Das Wort hat ,der Abgeordnete Junghans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in dieser Debatte viele Reden der Opposition gehört, die sich durchweg kritisch — wenn auch aus den verschiedensten Richtungen, das muß man zugeben — mit der vorliegenden Kartellrechtsnovelle befaßt haben. Aber alle Reden der verehrten Kollegen von der Opposition können nicht überdecken, was in Sachen Kartellrecht der ganze Jammer der Opposition war und, wie die heutige Debatte gezeigt hat, noch ist. Da helfen auch,JunghansHerr Professor Carstens, keine platonischen Bekenntnisse zur Marktwirtschaft. Es gibt und gab das ist der entscheidende Punkt keine eigeneInitiative der Opposition, schon gar nicht eine einigermaßen geschlossene Meinung.
Das ist der ganze Jammer. Da hilft auch keine Rück-schau. Die Marktwirtschaft muß nämlich nach vorwärts und nicht nach rückwärts verteidigt werden.
Dazu waren Sie in der Vergangenheit, Herr Professor Carstens, nicht fähig und nicht in der Lage. Das ist der Jammer gewesen.
Die Gruppenmeinungen innerhalb der Opposition hatten sich gegenseitig aufgehoben. Sicher, da war etwas entworfen worden verdienstvoll von Herrn Frerichs --, aber es gab keine Meinung und keine Einigung bei der CDU/CSU. Eine Probe davon haben wir ja heute hier erlebt, vor allem bei der Debatte um Gruppenanträge und die Abstimmung darüber: der Führer der Opposition enthielt sich der Stimme,
Was hier heute abschließend in zweiter und dritter Lesung behandelt wird, ist ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen - das möchte ich noch einmal festhalten
der, wie verabredet und wie in der ersten Lesung hier angekündigt, durch Koalitionsanträge während der Ausschußberatung in entscheidenden, ich sage ausdrücklich: in entscheidenden Punkten verbessert wurde. Das, was wir heute verabschieden, ist keine skelettierte Wettbewerbsnovelle, sondern eine wohlabgerundete und gutabgewogene Sache geworden. Diese Wertung meiner Fraktion möchte ich deutlich aussprechen. Wir werden uns diesen Erfolg auch nicht zerreden lassen.Bundeskanzler Willy Brandt begründete in seiner Regierungserklärung vom 18. Januar dieses Jahres die Reform des Wettbewerbsrechtes wie folgt ich zitiere -:Zu den dringenden Aufgaben dieser Legislaturperiode zählt die Sicherung eines funktionsfähigen Wettbewerbs. Dieser aber ist unerläßlich für die Produktivität der Wirtschaft und des sozialen Fortschritts. Die Verschärfung des Wettbewerbs dient dem Interesse der Bürger; wer den Wettbewerb einschränkt, braucht sich nicht zu wundern, wenn die marktwirtschaftlichen Prinzipien in Mißkredit geraten.Mit der Verabschiedung dieser Kartellrechtsnovelle bewältigen wir heute eine der wesentlichsten wirtschaftspolitischen Aufgabenstellungen dieser Legislaturperiode.Der umfassende Ausbau des Wettbewerbsrechts nach vielen Jahren des Bemühens - ich bemühe mich praktisch schon seit 15 Jahren darum - kommt nicht von ungefähr. Er ist zum einen das Ergebnis einer immer bewußter geführten öffentlichen Diskussion über die Unternehmenskonzentration und die mißbräuchliche Nutzung von Marktmacht, vor allem aber ist er — das möchte ich auch festhalten — auch eine Folge des veränderten politischen Kräfteverhältnisses in der Bundesrepublik Deutschland nach den Wahlen im November vergangenen Jahres, eine Folge der aus diesen Wahlen gestärkt hervorgegangenen Koalition zwischen Freien Demokraten und Sozialdemokraten, die die Kartellrechtsnovelle als engagierte Verteidiger der Marktwirtschaft gemeinsam politisch durchgesetzt haben.Mit der Novelle schaffen wir ein Wettbewerbsrecht, das den ordnungspolitischen Anforderungen unserer Zeit tatsächlich entspricht. Allerdings, ich gebe den Kritikern voll recht: Aktive Wettbewerbspolitik bedeutet verstärkte staatliche Einflußnahme. Wir wollen dieser These nicht die Konsequenzen einer Politik des Laisser-faire gegenüberstellen. Das ist in der Vergangenheit zur Genüge geschehen. Die Waage hat sich längst zugunsten der Ordnungspolitik als staatlicher Aufgabe geneigt.Die Situation ist doch heute die: Nicht die Wirtschaft ist es, die sich auf eine neue Wirtschaftsdoktrin einzustellen hat, der Staat ist es vielmehr, der Mühe hat, sich mit seiner Ordnungspolitik und seinem wettbewerbspolitischen Instrumentarium auf eine sich rasch verändernde Marktwirtschaft einzustellen. Das hat mit staatlichem Dirigismus nichts zu tun. Es geht vielmehr darum, den Dirigismus der Großen gegenüber den Kleinen, der Mächtigen gegenüber den Schwachen in der Wirtschaft in Schranken zu halten. Mit der Kartellrechtsnovelle werden die Spielregeln der Marktwirtschaft verbessert, die Positionen der Spieler wie die Stellung des Schiedsrichters zugunsten eines fairen Spiels gestärkt.Schon in der Regierungserklärung seines ersten Kabinetts am 28. Oktober 1969 erklärte Bundeskanzler Willy Brandt:Ein verbessertes Kartellgesetz muß zum Instrument einer wirksamen und fortschrittlichen Mittelstandspolitik werden. Auf dieser Grundlage können dann weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten, zum Ausbau des Beratungswesens und zu einer vom Betrieb unabhängigen Alterssicherung für die Selbständigen aufbauen.Diese programmatischen Sätze aus der Regierungserklärung von 1969 sind nun erfüllt.Die Kartellrechtsnovelle zielt mit der Mißbrauchsaufsicht und der Fusionskontrolle auf der einen Seite und den neugeschaffenen Kooperationserleichterungen für kleinere und mittlere Unternehmen, dem verschärften Diskriminierungsverbot, dem verbesserten Schutz bei Ausschließlichkeitsverträgen, der Verbesserung der Wettbewerbsregeln und dem Ausbau der Empfehlungsmöglichkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen auf der anderen Seite auf das Gleichgewicht der Wirtschaft in sich, die
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JunghansAusgewogenheit zwischen kleinen und mittleren Unternehmen und den Großunternehmen.Die Kartellrechtsnovelle schafft in der Bundesrepublik ein auch auf Unternehmensgröße bezogenes Wettbewerbsrecht. Kleinere und mittlere Unternehmen haben von nun an das Recht auf ihrer Seite, wenn sie ihre Gegenpositionen gegenüber der Großwirtschaft organisieren. Die Kartellnovelle ist damit in der Tat ein Instrument einer wirksamen und fortschrittlichen Mittelstandspolitik.Ich möchte auch noch kurz auf die Frage eingehen, die hier vielfach gestellt wurde, welches denn der stabilitätspolitische Beitrag der Novelle sei. Für den Verbraucher ist die Kartellnovelle von erheblicher Bedeutung. Die Preisbindung der zweiten Hand wird abgeschafft. Viele Beispiele in der Vergangenheit haben gezeigt, daß Preisbindungen der Forderung überhöhter Preise dienten. Das ist jetzt nicht mehr möglich. Die unverbindlichen Preisempfehlungen werden erstmals einer strengen Mißbrauchsaufsicht unterzogen. Damit besteht alle Aussicht, die Mondpreise, die Täuschung des Verbrauchers über den Marktwert einer Ware zu beseitigen.Die Kartellrechtsnovelle ist aber auch generell für die Stabilitätspolitik von Bedeutung. Eine weitere Vermachtung der Märkte müßte die Chancen einer wirksamen Konjunkturpolitik weiter verringern. Eine Konjunktur-, Finanz- und Notenbankpolitik, die die Gesamtnachfrage einer Volkswirtschaft dämpft mit dem Ziel größerer Preisstabilität, wirkt dann nicht mehr, wenn ein großer Teil der Unternehmen Preise autonom, d. h. unabhängig von den Nachfrageverhältnissen, festsetzen kann. Der Erfolg des Stabilitätsprogramms der Bundesregierung hängt deshalb nicht zuletzt auch davon ab, ob sich Unternehmen mit ihren Preisforderungen marktwirtschaftlich an veränderten Konjunkturdaten orientieren werden bzw. orientieren müssen. Nur wenn der Markt funktioniert, meine Damen und Herren, gibt es eine Konjunkturpolitik mit marktkonformen Mitteln. Die Kartellrechtsnovelle eröffnet eine Chance, die Marktwirtschaft funktionsfähig zu erhalten und damit marktkonform steuern zu können. Das ist exakt der Hauptteil des stabilitätspolitischen Beitrags, den diese Novelle zu leisten vermag. Deshalb ist es auch von entscheidender Bedeutung, daß diese Novelle noch vor der Sommerpause verabschiedet wird.Zum Schluß noch einige Bemerkungen in Richtung auf die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Die Schaffung des Gemeinsamen Marktes und erneut dessen Ausdehnung haben den Wettbewerb auf den Märkten gestärkt. Diesen Wettbewerb wollen wir als einen Motor des wirtschaftlichen Fortschritts in Europa bewahren. Es wäre völlig überflüssig, das Wettbewerbsrecht in der Bundesrepublik, in England, in der gesamten Gemeinschaft erst dann auszubauen, wenn der Wettbewerb bereits erlahmt ist. Wir beobachten im Gemeinsamen Markt bereits eine auf Ausschaltung des Wettbewerbs gerichtete Tendenz. Es gilt, eine Entwicklung zu Monopolen oder geschlossenen oligopolistischen Gruppierungen im Gemeinsamen Markt zu verhindern. Wer sich fürMarktwirtschaft und Wettbewerb als geeignete Grundlagen einer westeuropäischen Wirtschaftsordnung entscheidet, muß heute eine wirksame Wettbewerbspolitik auf nationaler und europäischer Ebene auch durchzusetzen bestrebt sein. Wir haben mit Genugtuung festgestellt, daß sich in jüngster Zeit das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft fortentwickelt. Die bisherigen Rechtsgrundlagen sind allerdings noch unvollständig.Ein Beispiel: Wir haben in dieser Kartellrechtsnovelle jetzt das Verbot wettbewerbsbeschränkender Verhaltensabstimmung zwischen Unternehmen aus dem Recht der Gemeinschaft in das deutsche Kartellrecht übernommen. Umgekehrt sollte für die Ausgestaltung des europäischen Rechts die jetzt im deutschen Recht verankerte Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und die Fusionskontrolle bei großen Unternehmenszusammenschlüssen Vorbild sein. Deshalb, Herr Bundeswirtschaftsminister — und wir sind Ihnen für Ihren heutigen Hinweis sehr dankbar —, richten wir als Sozialdemokraten an Sie, an die ganze Bundesregierung die Bitte, auf europäischer Ebene Vorschläge für den Ausbau des europäischen Wettbewerbsrecht zu unterbreiten.Meine Damen und Herren, mit der Kartellrechtsnovelle, die wir heute verabschieden, schlagen wir wettbewerbspolitisch einen Nagel in die Wand, der, was die Qualität der gesetzgeberischen Arbeit anbelangt, sicher halten wird, was er verspricht.
Meine Damen und Herren, zur Geschäftslage möchte ich Ihnen folgendes mitteilen. Wir haben jetzt noch Herrn Graf Lambsdorff das Wort zu einer Erklärung in dritter Lesung zu geben, damit der Zusammenhang gewahrt bleibt. Danach werde ich in dritter Lesung abstimmen lassen. Die vorliegenden drei Entschließungsanträge w erden nicht mehr vor der Mittagspause behandelt, da wir ohnehin überziehen, sondern erst zu Beginn der Fortsetzung der eigentlichen Tagesordnung urn 15 Uhr.
Das Wort hat nunmehr Graf Lambsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir stehen vor der Verabschiedung des ersten abgeschlossenen Reformgesetzes der zweiten Legislaturperiode der Regierung Brandt/Scheel. Dies ist für uns ein Anlaß zur Befriedigung und Genugtuung. Wir stehen vor der Einlösung und Erfüllung eines Wahlversprechens dieser Regierung und der sie tragenden Parteien, und dies ist ebenfalls für uns ein Anlaß zur Befriedigung.
Wir verabschieden ein Reformgesetz, das - diesdarf ich anmerken nicht viel Geld kostet, wie esgemeinhin von Reformen landauf, landab behauptet wird. Es kostet einige Planstellen im Bundeskartellamt. Wir hoffen, daß uns der Herr Bundesfinanzminister hier bald hilfreich zur Seite stehen wird.
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Dr. Graf LambsdorffEs besteht Anlaß, Anerkennung für die Mitarbeit an diesem Gesetz auszusprechen. Das ist bereits getan worden; ich möchte es gern auch auf die Verbände ausdehnen, die uns beratend und hilfreich zur Seite gestanden haben. Wir haben in den letzten Monaten eine Versachlichung der Auseinandersetzung erlebt. Wir haben erlebt, daß auch Verbände, die die Wirtschaft, die Verbraucher und den Handel vertreten, Realisten sind, daß sie von politischen Gegebenheiten Kenntnis nehmen. Ich hoffe, daß sich diese rationale Art der Zusammenarbeit in Zukunft fortsetzen und vertiefen läßt.Darf ich die Namen zweier Herren nennen, denen ich im Auftrag meiner Fraktion — ich freue mich, daß ich diesen Auftrag habe — Dank sagen möchte. Der erste ist Herr Kartte aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Herr Kartte, dies muß ein Tag der Genugtuung für Sie sein, ein Tag, wie ich meine, berechtigter Genugtuung.
Der zweite ist der Kollege Frerichs. Herr Frerichs, ich bin, wie Sie wissen, Neuling in diesem Hause. Das, was Sie im Wirtschaftsausschuß geboten haben, war für mich beispielhaft, was Kooperation zwischen Regierung und Opposition anbelangt. Sie haben durch Ihre Anregungen sicher in dem einen oder anderen Punkt zur Verbesserung der Novelle, die wir heute verabschieden, beigetragen. Dafür vielen Dank!
Wir meinen festgestellt zu haben — wir wollen das aber heute nicht vertiefen—, daß es in sehr vielen Fragen bei der Opposition keine einheitliche politische Meinungsbildung gegeben hat. Wir haben meistens Gruppenanträge gesehen. Dies im gegenwärtigen Zeitpunkt noch einmal aufzurühren scheint mir aber nicht so wichtig zu sein. Aber für uns ist es natürlich bedeutsam, daß die Koalition und die sie tragenden Parteien die Kraft gefunden haben, in Fragen, in denen wir nicht von vornherein einer Meinung gewesen sind, zu einer einheitlichen politischen Auffassung zu kommen.
Herr Professor Carstens, Sie haben gesagt, daß die Kartellgesetzgebung im Zweifel nie abgeschlossen ist. Ich stimme Ihnen darin zu. Wir haben es in der Wirtschaft — es heißt Eulen nach Athen tragen, wenn man das noch einmal unterstreicht — mit einem dauernden Wandel zu tun. Der Gesetzgeber muß dem folgen. Er muß ihm allerdings nicht in Kurzatmigkeit folgen. Ich sage das im Hinblick auf einen bevorstehenden Änderungsantrag zu der Resolution, die wir heute nachmittag behandeln werden; denn auch die Wirtschaft hat natürlich Anspruch auf längerfristige oder, wenn es geht, langfristige Daten. Ich meine aber, daß diejenigen, die sich mit Wettbewerbsrecht zu beschäftigen haben, die Akte Kartellgesetznovelle nicht in das hinterste Fach ihres Schrankes stellen dürfen. Wir werden immer bei dieser Arbeit zu bleiben haben.Herr Professor Carstens, Sie haben vorhin den Bundeswirtschaftsminister zitiert. Sie haben ihn aberleider ungenau zitiert und aus diesem ungenauen Zitat Schlüsse gezogen, denen ich widersprechen muß. Ich darf das Zitat mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wiederholen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat heute morgen ausgeführt: Unsere Marktwirtschaft ist nicht so sehr durch Ideologen am Rande der Demokratie gefährdet als durch Unterlassung und mangelnde Konsequenz derer, die sie bejahen und angeblich tragen. Dies, Herr Carstens, ist etwas anderes als das, was Sie zum Gegenstand Ihrer Argumentation gemacht haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Carstens?
Aber selbstverständlich, jawohl!
Herr Kollege Graf Lambsdorff, würden Sie mir zugeben, daß der Bundeswirtschaftsminister von „Ideologen am Rande der Demokratie" gesprochen und mit Bezug auf sie gesagt hat, daß sie nicht die freie Marktwirtschaft gefährdeten?
Herr Professor Carstens, er hat gesagt, daß die Ideologen am Rande der Demokratie die Marktwirtschaft nicht so sehr gefährdeten wie die Unterlassung und die mangelnde Konsequenz derer, die sie angeblich bejahten.
Meine Damen und Herren, für meine Freunde und mich stelle ich folgendes fest — ich glaube, das darf ich auch für die Koalition tun —: Herr Professor Carstens, dieser Bundeswirtschaftsminister wird in der Grundsatzfestigkeit und in dem ordnungspolitischen Bewußtsein — bezogen auf die Marktwirtschaft — von niemandem in diesem Hause übertroffen.
— Ich bin gerne bereit, mich auch noch mit dem auseinanderzusetzen, was Sie, Herr Professor Carstens, über die Rolle der CDU im Hinblick auf die Marktwirtschaft gesagt haben. Diese Ihre Rolle ist unbestritten. Historische Abläufe sollte man nicht wegdikutieren wollen. Alleine haben Sie es jedoch nicht geschafft. Ich empfinde es — dies sage ich als ganz persönliche Bemerkung — als eine große Befriedigung, an der Fortsetzung und Weiterentwicklung der Gesetzgebung mitarbeiten zu dürfen, die Ludwig Erhard einmal initiiert hat. Sie müssen allerdings die Frage stellen, warum es eigentlich so gekommen ist, daß heute andere Kräfte diese Fortsetzung bewerkstelligen.
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2342 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. Graf Lambsdorff— Herr Müller-Hermann, über die letzte Legislaturperiode und darüber, warum die Kartellnovelle gescheitert ist, wollen wir jetzt nicht mehr diskutieren. Mir kommt es hier jedoch auf eines an. Wilhelm Röpke hat eines seiner bekanntesten Bücher mit dem Titel „Jenseits von Angebot und Nachfrage" versehen. Herr Professor Carstens, wir sind uns darüber einig: Marktwirtschaft ist mehr als bloße Effizienz. Es steht mehr dahinter. Sie ist Bestandteil unserer Lebensordnung. Sie ist nach meiner Überzeugung auch Bestandteil unserer freiheitlichen Grundordnung. Der Wettbewerb ist unlöslicher Bestandteil dieser Grundordnung. Deshalb stimmt meine Fraktion, die Fraktion der Freien Demokraten, dieser Kartellnovelle mit voller Überzeugung und mit Freude zu.
Weitere Wortmeldungen in der Aussprache in dritter Lesung liegen nicht vor.
Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß die Entschließungsanträge heute nachmittag gegen 15 Uhr als erstes behandelt werden. Auch über Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses werden wir heute nachmittag abstimmen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung in dritter Lesung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis 14 Uhr zur Fragestunde.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 7/690 —
Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Ravens zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 91 des Abgeordneten Dr. Marx auf. — Ich sehe den Fragesteller nicht im Saal,
die Frage wird daher schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 92 des Abgeordneten Baron von Wrangel auf:
Gibt es Gründe dafür, daß die Bundesregierung die Öffentlichkeit über den Besuch der Abgeordneten Wehner und Mischnick in Ostberlin nicht zuerst unterrichtet hat?
Herr Kollege von Wrangel, es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Öffentlichkeit über Besuche von Abgeordneten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu unterrichten. Die Veröffentlichung über die Tatsache einer solchen Reise und deren Inhalt liegt im alleinigen Recht der Abgeordneten. So hat die Bundesregierung z. B. auch nicht über die Reise des Herrn Abgeordneten Strauß nach Südafrika berichtet, und ich nehme wohl zu Recht an, daß Sie von der Bundesregierung nicht erwarten, daß sie in Zukunft die ihr bekanntgewordenen oder bekanntgegebenen Reiseabsichten von Abgeordneten der Öffentlichkeit bekanntgibt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie vielleicht sagen, in welchem Umfang die Bundesregierung in diesem Fall vorher unterrichtet worden ist, und hinzufügen, ob es möglicherweise Absprachen zwischen der Bundesregierung und der DDR in der Frage der Veröffentlichung gegeben hat?
Herr Kollege von Wrangel, die Bundesregierung ist von Herrn Abgeordneten Wehner über die Reise in vollem Umfang unterrichtet worden. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung gewesen, eine Verabredung mit den Stellen der DDR über diese Reise herbeizuführen und es hat sie auch nicht gegeben.
Zusatzfrage.
Würden Sie, Herr Staatssekretär, zugeben, daß diese Reise ein großes Politikum gewesen ist, und vielleicht sagen, in welchem Umfang alle Mitglieder der Bundesregierung von dieser Reise unterrichtet waren?
Herr Kollege von Wrangel, diese Reise ist ein Politikum gewesen, wie — so nehme ich an — alle Reisen von Abgeordneten dieses Hauses nach außerhalb der Bundesrepublik ein Politikum und keine Vergnügungsreisen sind. Die Bundesregierung ist unterrichtet worden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Mertes.
Ich darf folgende Frage an den Herrn Staatssekretär richten: Wann und durch wen ist der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Egon Franke, über das Vorhaben des Abgeordneten Wehner, nach Ost-Berlin zu fahren, seinen Reiseweg, seine Gesprächspartner und die Gesprächsgegenstände unterrichtet worden?
Herr Kollege Mertes, ich sagte: Die Bundesregierung ist unterrichtet worden. Herr Minister Franke ist Mitglied der Bundesregierung.
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Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, könnte im Rahmen des Geschäftsverteilungsplans der Bundesregierung und im Rahmen der üblichen gegenseitigen Unterrichtung der Kabinettsmitglieder dafür gesorgt werden, daß in einer solchen wichtigen Sache, die Herr von Wrangel eben als sehr spektakulär bezeichnet hat, der zuständige Minister tatsächlich unterrichtet wird?
Herr Kollege Marx, Herr Kollege von Wrangel hat die Reise nicht als spektakulär, sondern als ein Politikum bezeichnet. Dies als erstes. Zweitens sagte ich, daß Herr Minister Franke Mitglied der Bundesregierung ist und als solcher unterrichtet wurde.
Herr Abgeordneter Dr. Marx, Sie haben etwa um 14 Uhr und 35 Sekunden den Saal betreten. Ich habe die Sitzung genau um 14 Uhr wieder eröffnet. Ich rufe jetzt Ihre Frage, die Frage 91, noch nachträglich auf:
Wann und durch wen ist der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Egon Franke, über das Vorhaben des Abgeordneten Wehner, nach Ostberlin zu fahren, seinen Reiseweg, seine Gesprächspartner und die Gesprächsgegenstände unterrichtet worden?
Die Frage ist schon beantwortet, Herr Präsident, wenn ich mir diesen Hinweis gestatten darf; denn Herr Kollege Mertes hatte sie als Zusatzfrage wörtlich verlesen, und ich habe darauf geantwortet.
Herr Kollege Marx, ich bin bei meinem Hinweis davon ausgegangen, Sie verzichten auf eine nochmalige Beantwortung und machen nur noch von dem Recht, zwei Zusatzfragen zu stellen, Gebrauch. Sind Sie damit einverstanden?
Ich bin voll damit einverstanden. Herr Staatssekretär, bitte, machen Sie es uns nicht zu schwer. Nachdem Sie immer wieder sagen, die Bundesregierung sei unterrichtet gewesen, und nachdem wir doch alle wissen, daß der Chef des Bundespressamts gesagt hat, es seien vier Minister unterrichtet worden — er hat sie genannt: den Bundeskanzler, den Außenminister, den Finanzminister und Herrn Bahr als Minister im Bundeskanzleramt —, möchte ich gern noch einmal fragen: Wären Sie bitte bereit, die doch ganz eindeutig gestellte Frage über den Zeitpunkt, den Weg, die Gesprächspartner und die Gesprächsgegenstände hinsichtlich jenen Ministers zu beantworten, der hier in diesem Hause die Verantwortung für innerdeutsche Beziehungen trägt?
Herr Kollege Dr. Marx, darf ich — vielleicht gestattet der Präsident, daß ich ein wenig weiter aushole — zunächst einmal darauf verweisen, daß
es im alleinigen Ermessen eines Kollegen dieses Hauses liegt, wenn er eine Reise nach außerhalb der Bundesrepublik unternimmt, ob er davon die Bundesregierung und wen in der Bundesregierung unterrichtet. Ich glaube, dieses sollten wir erstens einmal festhalten; ich meine, das ist auch wichtig für das Verhältnis der Kollegen in diesem Hause zur Bundesregierung. Die Bundesregierung kann nicht erzwingen und nicht erwarten, daß auf alle Fälle eine solche Unterrichtung erfolgt. Das ist das Erste.
Das Zweite: Herr Grünewald hat in der Pressekonferenz — da ich annahm, daß Sie auf diese Frage kämen und daß das der Anlaß für diese Frage war, habe ich mir das herausgeschrieben, um es zu zitieren; ich bin gern bereit, Ihnen das Protokoll nachher an die Hand zu geben, damit Sie es noch einmal nachlesen — gesagt:
Über diese Reise waren informiert: der Bundeskanzler, der Bundesaußenminister, Herr Bundesminister Bahr, Herr Bundesminister Schmidt — diese mindestens. Es mag sein, daß es noch weitere Kabinettsmitglieder gibt, die davon wußten.
Als später noch einmal nachgefragt wurde, sagte Herr Grünewald:
Ich habe ja vorhin gesagt, die genannten Namen seien ein Minimum, also das, was ich in der kurzen Zeit heute morgen feststellen konnte. Es mögen mehr gewesen sein.
Aus dieser Formulierung von Herrn Grünewald herauslesen zu wollen, Herr Bundesminister Franke sei nicht unterrichtet worden, ist falsch.
Herr Abgeordneter Dr. Marx, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Danke, Herr Präsident. — Ich will versuchen, Herr Staatssekretär, möglichst positive Fragen auf Grund Ihrer Antwort zu stellen. Sie haben zitiert, daß Herr Grünewald gesagt hat „es mag sein ..." oder „es möge gewesen sein . ..". Wären Sie bitte bereit, über die Information hinaus, die zu diesem Zeitpunkt der Presse gegeben worden ist, diesem Hause eine Information zu geben, die der Frage entspricht, nämlich: Ist in dem „möge" oder „es mag sein ..." der zuständige Bundesminister Egon Franke einbegriffen?
Ich habe gesagt: ja. Ich habe schon in der Beantwortung der vorigen Frage gesagt: ja. Ich wiederhole das.
Keine weitere Zusatzfrage. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausendes Bundeskanzleramtes beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung. Wir kommen zunächst zur Frage 20 des Abgeordneten Barche:Was wird mit dem nach dem Zonenrandförderungsgesetz förderungswürdigen Status der zum Zonenrandgebiet gehörenden Gemeinden, wenn sie im Zuge von Verwaltungs- und Gebietsreformen einer Gemeinde bzw. einem Landkreis zugeordnet werden, die nicht zum Zonenrandgebiet gehören?Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Barche, § 9 des Zonenrandförderungsgesetzes bestimmt, daß als Zonenrandgebiet die Gebiete gelten, die am 1. Januar 1971 zu den in der Anlage zum Gesetz genannten Stadt- und Landkreisen gehörten. Mit dieser Festschreibung sollte sichergestellt werden, daß durch die seinerzeit bevorstehenden Gebiets- und Verwaltungsreformen der Gebietsumfang des Zonenrandgebiets, wie er bis dahin bestand, nicht verändert wird.
Es gehören also weiterhin auch diejenigen Gemeinden und Gemeindeteile zum Zonenrandgebiet, die nunmehr anderen Gemeinden oder Landkreisen zugeordnet werden, die überwiegend nicht im Zonenrandgebiet liegen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich über die Problematik klar, die entstehen kann, wenn Gemeinden durch die Verwaltungs- und Gebietsreform in Gebiete eingeordnet werden, die bisher nicht zum Zonenrandgebiet gehören? Das würde bedeuten, daß manche Ortsteile einer Gemeinde weiterhin zum Zonenrandgebiet gehören, andere Ortsteile nicht.
Die Bundesregierung ist sich dieser Problematik bewußt. Es war auch bei der Formulierung des Zonenrandförderungsgesetzes der Wille aller drei Fraktionen dieses Hauses, diese Konsequenzen in Kauf zu nehmen, was natürlich nicht ausschließt, daß im Rahmen einer Neuformulierung hier Korrekturen stattfinden, wenn die jetzigen Verhältnisse überschaubar geworden sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks.
Herr Staatssekretär, können Sie uns versichern, daß bei einer eventuellen Neuordnung auf keinen Fall ein Status minus, sondern ein Status plus entsteht?
Herr Kollege, die Prüfung wird sich auf jeden Fall auf den Gesamtkomplex erstrecken. Ich kann hier keine Voraussagen machen, was etwa ein Status minus aus Ihrer Sicht bedeuten würde. Es ist ganz sicher, daß wir mit großem Nachdruck an der bisherigen Förderung des Zonenrandgebietes festhalten werden, was natürlich nicht ausschließt, daß eine Änderung dieses Gesetzes hier im Hause auch für das eine oder andere Gebiet zu einer Benachteiligung führen kann. Ich will das nicht ausschließen. Das läßt sich erst am konkreten Fall beurteilen. Ganz generell läßt sich selbstverständlich sagen, daß wir an dieser Förderung festhalten wollen, daß hier keine Abstriche geplant sind.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Barche auf:
Denkt die Bundesregierung wegen der Neuordnung der Landkreise in den Zonengrenzländern an eine Veränderung bzw. flexiblere Anwendung der jetzt bestehenden 40-km-Grenze, um zu verhindern, daß die Förderungspräferenzen für das Zonenrandgebiet für Gebiete in Anwendung kommen, die mittel- und unmittelbar keinerlei Nachteile durch die innerdeutsche Grenze haben?
Die Bundesregierung denkt zur Zeit nicht an eine Änderung des § 9 des Zonenrandförderungsgesetzes. Sie verkennt jedoch auch nicht, daß durch die Gebiets- und Verwaltungsreformen im Einzelfall verwaltungstechnische Schwierigkeiten auftreten können. Zunächst sollen aber die Auswirkungen dieser Reformen abgewartet werden, I bevor eine neue Abgrenzung des Zonenrandgebietes und damit eine Änderung des Zonenrandförderungsgesetzes in Erwägung gezogen werden kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, offensichtliche Benachteiligungen zu berücksichtigen, die nach der bisherigen Grenzziehung für Gemeinden entstehen, die jetzt zwar im 40-km-Streifen liegen, aber infolge der Neugliederung zu einem Landkreis gehören, der von der Einwohnerzahl her nicht überwiegend im 40-km-Streifen liegt?
Herr Kollege Niegel, ich habe schon darauf hingewiesen, daß § 9 des Zonenrandförderungsgesetzes vorsieht, daß Gemeinden, die bisher im Zonenrandförderungsgebiet lagen, auch weiterhin darin bleiben, unabhängig von der Änderung der Verwaltungsgrenzen, daß aber neue Abgrenzungen, die in Zukunft notwendig werden, selbstverständlich möglich bleiben, wobei ich noch einmal erwähne, daß wir im Augenblick nicht an eine Neuformulierung des § 9 denken, sondern zunächst einmal die Erfahrungen mit der Verwaltungsneugliederung abwarten wollen. Dann wird es Sache dieses Hohen Hauses sein, die Abgrenzungen neu zu formulieren.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2345
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Lenders auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tendenz der Werbung, den Aufforderungscharakter zum Kauf von Gütern und Dienstleistungen nicht durch Anpreisung prinzipiell nachprüfbarer Eigenschaften der Produkte zu gewinnen, sondern durch Versprechungen, menschliche Bedürfnisse wie Sehnsucht nach Liebe, Freundschaft, Anerkennung befriedigen zu können, und wes beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die Informationsfunktion der Werbung zu verstärken?
Herr Kollege, Werbung wird sich nicht auf bloße Information beschränken lassen. Jeder Werbung wohnt ein emotionelles Element inne. Das sollte aber nach Meinung der Bundesregierung nicht in den Vordergrund treten und den Informationsgehalt überlagern. Die Werbung würde ihre Aufgabe in der Marktwirtschaft verkennen, wenn sie den Menschen vorgaukelt, durch den Kauf eines Produktes der Realisierung menschlicher Werte wie beispielsweise Liebe oder Freundschaft näherzukommen. Werden die Gefühle der Verbraucher durch grob unsachliche Werbung ausgenutzt, kann in besonders gelagerten Fällen das Verbot sittenwidriger Werbung nach § 1 des Gesetzes gegen de unlauteren Wettbewerb eingreifen. Die Bundesregierung begrüßt es, daß diese Grundfragen der Werbung in letzter Zeit auch in einer breiteren Öffentlichkeit kritisch erörtert werden.
Der Verbraucher wird nicht bereit sein, jede Werbung hinzunehmen; er erwartet Information. Die Bundesregierung sucht diese kritische Haltung durch ihre Verbraucherpolitik zu fördern, damit der Verbraucher in die Lage versetzt. wird, selbst seine Bedürfnisse zu formulieren und seine Kaufentscheidungen an ihnen auszurichten. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die werbungtreibende Wirtschaft dem Rechnung tragen wird. Sie wird die weitere Entwicklung aufmerksam beobachten, plant zur Zeit jedoch nicht, gesetzliche Maßnahmen vorzuschlagen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lenders.
Herr Staatssekretär, darf ich auf Grund Ihrer Ausführungen annehmen, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß der von mir geschilderte Trend in der Verbrauchswerbung, nämlich den Informationsgehalt der Werbung zugunsten einer mehr emotionalen Ansprache des Verbrauchers zurücktreten zu lassen, mit der Funktion der Werbung in einer Marktwirtschaft nicht vereinbar ist? Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, der Werbewirtschaft — gerade auch im Hinblick auf den in der Werbewirtschaft in Gang gekommenen Prozeß der Selbstkontrolle — diese Haltung klarzumachen, und besteht bei der Bundesregierung die Bereitschaft, —
Herr Kollege, bitte stellen Sie knappe und klare Zusatzfragen!
— diesen Maßnahmen der Selbstkontrolle bei der Werbewirtschaft notfalls durch ein Gesetz den richtigen Weg zu weisen?
Herr Kollege, ich glaube, Sie haben damit auch Ihre zweite Zusatzfrage konsumiert.
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung stimmt der in Ihrer Zusatzfrage zum Ausdruck gekommenen Auffassung zu. Ich habe ja schon betont, daß die Bundesregierung der Meinung ist, daß der Informationsgehalt der Werbung auf jeden Fall überwiegen muß, und daß sie die Tendenzen, diesen Informationsgehalt gegenüber emotionellen Werten zurücktreten zu lassen, mit Besorgnis verfolgt.
Die Bundesregierung hat die Werbewirtschaft mit Nachdruck auf diese ihre Auffassung aufmerksam gemacht. Sie ist allerdings der Meinung, daß innerhalb der Werbewirtschaft die Erkenntnis an Boden gewinnt, daß hier eine Gefahr für die marktwirtschaftliche Ordnung gegeben ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Einsetzung des Deutschen Werberats durch den Zentralverband der Werbewirtschaft. Dieser Werberat hat es sich zur Aufgabe gemacht, derartige Fehlentwicklungen innerhalb der Werbewirtschaft zu verfolgen und den Versuch zu machen, mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften gegenzusteuern.
Die Bundesregierung beobachtet diese Entwicklung mit Interesse und Aufmerksamkeit. Sie wird keine gesetzlichen Maßnahmen vorschlagen, solange nicht sichtbar wird, daß diese Entwicklung zu keinem positiven Ergebnis führen wird.
Ich rufe Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf:
Gibt es Richtlinien der Bundesregierung, nach denen Bundesbehörden bei Bauaufträgen den standortbenachteiligten Bewerbern im Zonenrandgebiet bevorzugte Aufträge erteilen können?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, schon im Jahre 1954 hat die Bundesregierung Richtlinien beschlossen, nach denen den durch die Teilung Deutschlands standortbenachteiligten Wirtschaftsunternehmen öffentliche Aufträge bevorzugt zu erteilen sind. Die jetzt geltenden Richtlinien für die bevorzugte Berücksichtigung von Personen und Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet und aus Berlin bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind 1968 verabschiedet worden. Sie sind für alle Behörden im Geschäftsbereich des Bundes eine zwingende Dienstanweisung. Nach diesen Richtlinien müssen die Vergabestellen Unternehmen und Personen aus dem Zonenrandgebiet bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt berücksichtigen.
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2346 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Parl. Staatssekretär GrünerAuch die von Ihnen besonders angesprochenen Bauaufträge fallen selbstverständlich unter diese Dienstanweisung. Die Bevorzugungsregelungen sind so beschaffen, daß Bewerber aus dem Zonenrandgebiet und aus Berlin den Auftrag auch dann noch erhalten, wenn ihr Angebotspreis bis zu einem gewissen Prozentsatz über dem von Konkurrenten aus dem übrigen Bundesgebiet liegt. Die Höhe des zulässigen Mehrpreises ist nach Angebotssummen gestaffelt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Baufirmen aus klimatisch ungünstigen Lagen um etwa 10 bis 15% höhere Gemeinkosten haben als solche aus günstigen Lagen und dadurch bei Wettbewerben auf Grund öffentlicher Ausschreibungen nahezu stets hoffnungslos unterliegen?
Herr Kollege, es ist mir leider nicht bekannt, daß derartige offenbar klimatisch bedingte Unterschiede bestehen. Wir haben aber bei der Formulierung dieser Vergaberichtlinien versucht, alle denkbaren Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, zu veranlassen, daß Untersuchungen darüber angestellt werden, inwieweit diese Benachteiligung die von mir angegebenen Zahlenwerte erreicht, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um das in etwa zu berücksichtigen?
Selbstverständlich ist die Bundesregierung gern bereit, solchen Anregungen nachzugehen. Ich wäre nur dankbar, Herr Kollege, wenn uns derartige Anregungen dann auch in substantiierter Form zugänglich gemacht würden.
Herr Abgeordneter Niegel!
Herr Staatssekretär, könnten Sie bei der Verfolgung der Frage von Herrn Kollegen Kunz veranlassen, daß alle offiziellen Bauvorhaben im Zonenrandgebiet von der Bundesregierung daraufhin untersucht werden, ob neben den Anbietern, die den Auftrag erhielten, auch solche aus dem Zonenrandgebiet vorhanden waren und welche Gründe dafür vorlagen, daß sie den Zuschlag nicht erhielten?
Ich halte es für denkbar, daß wir dieser Frage nachgehen, obwohl ich im Augenblick nicht übersehe, ob es hier besondere Komplikationen gibt. Ich kann Ihnen deshalb hier keine Zusage machen, weil ich, wie gesagt, nicht übersehe, ob es besonders schwierig wäre, sich eine einschlägige Statistik zu beschaffen.
Ich gehe allerdings davon aus, daß die Tatsache, daß solche Vergaberichtlinien bestehen, allen Anbietern bekannt ist und daß uns von einer Benachteiligung längst Nachricht gegeben worden wäre, wenn solche Benachteiligungen -- etwa unter Mißachtung solcher Vergaberichtlinien - vorgekommen wären.
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Amling auf:
Hat die Bundesregierung die Möglichkeit, zu überprüfen, ob die Mineralölkonzerne die entstehenden Verluste durch Niedriqstbenzinpreise über die in den letzten zwölf Monaten erfolgte fast 100%ige Erhöhung der Heizölpreise ausgleichen?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung hat sich bisher an den Grundsatz gehalten, die Preisgestaltung für Mineralölprodukte der unternehmerischen Entscheidung zu überlassen. Das gilt auch für Produkte, die, wie Motorenbenzin und leichtes Heizöl, aus einer Kuppelproduktion stammen.Die Bundesregierung fühlt sich in dieser Haltung durch die nicht ermutigenden Ergebnisse bestätigt, die in anderen Ländern mit Preisüberwachungs- und Höchstpreissystemen gemacht worden sind. Derartige staatliche Vorschriften wären als Grundlage für eine Überprüfung und Beeinflussung der unternehmerischen Preisentscheidungen notwendig.Hinsichtlich der Preise auf dem deutschen Mineralölmarkt kann festgestellt werden, daß der Preistrend auf dem liberalisierten deutschen Markt — in längerfristiger Sicht — jeweils der Preisentwicklung auf den Weltmärkten gefolgt ist.In Zeiten starker Preisbewegungen, wie in der jetzigen Zeit, vollzieht sich die Anpassung an das Weltmarktpreisniveau mit unterschiedlicher Schnelligkeit. So zeigen die deutschen Verbraucherpreise für leichtes Heizöl eine weitgehende Parallelität mit den Weltmarktpreisen — Ausgangspunkt Rotterdam -- und den deutschen Raffinerieabgabepreisen. Der Preiseinfluß des Weltmarktes ist in diesen Bereichen infolge des hohen Importanteils von 18 Millionen t bei einem Gesamtverbrauch von 48 Millionen t besonders durchschlagend.Demgegenüber ist das Niveau der Verbraucherpreise für Motorenbenzin den steigenden Import-und Raffinerieabgabepreisen bisher nicht gefolgt. Das liegt zum Teil daran, daß der Preiseffekt der importierten Mengen an Motorenbenzin in Höhe von 3,7 Millionen t bei einem Gesamtverbrauch von 18 Millionen t vergleichsweise geringer ist.Das führt - darauf habe ich im Zusammenhang mit anderen Anfragen vor dem Deutschen Bundestag
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2347
Parl. Staatssekretär Grünerhingewiesen zu einer schwierigen Wettbewerbs-position für solche Gruppen, die über keine eigene Raffinerieproduktion verfügen und mit ihren hohen Einkaufspreisen, sei es aus Importen oder Zukäufen bei inländischen Raffineriegesellschaften, nicht konkurrenzfähig sind.Betroffen davon sind vor allem der mittelständische Handel und die freien Tankstellen, die in erster Linie von der Lieferungsbereitschaft und der Preisgestaltung der Raffineriegesellschaften abhängig sind.Angesichts der Bereitschaft der Raffineriegesellschaften, in Zusammenarbeit mit den mittelständischen Gruppen Schwierigkeiten in diesen Bereichen zu verhindern, geht die Bundesregierung davon aus, daß die Raffineriegesellschaften ihren starken Einfluß auf die innerdeutsche Preisentwicklung nicht zu einer Verdrängung der mittelständischen Gruppen nützen werden.Ein Preisvergleich mit den übrigen europäischen Ländern ist, wie immer, in Zeiten starker Preisveränderungen äußerst schwierig.Bei beiden Produkten, Motorenbenzin und leichtem Heizöl, sind starke Abweichungen von den Preisen in den übrigen Ländern der Gemeinschaft nicht festzustellen. Man wird eher sagen können, daß sich unsere Preise auf dem mittleren europäischen Niveau bewegen.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf. Ich sehe den Herrn Abgeordneten nicht. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Warnke auf. Der Herr Kollege ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Hat die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung seit 1969 zu einem erheblichen Anstieg der Konkurse beigetragen, und welche wirksamen und praktischen Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um bei zahlreichen mittelständischen Unternehmern die hohen Zinslasten abzumildern?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, von 1969 bis 1972 ist die Zahl der Insolvenzen — das bezieht sich auf gewerbliche Unternehmen — von 2454 auf 3049 und die Insolvenzhäufigkeit in der gewerblichen Wirtschaft von 1,51 auf 1,92 je Tausend umsatzsteuerpflichtige Unternehmen gestiegen. Dies dürfte überwiegend dadurch zu erklären sein, daß nach einer Phase relativ großer nachkriegsbedingter Wachstumsspielräume in den letzten Jahren friktionelle und strukturelle Spannungen, verstärkt durch Konjunkturschwankungen, deutlich wurden. Zunehmende Arbeitskräfteknappheit, wachsender Wettbewerbsdruck auf vielen Inlandsmärkten, zunehmende
internationale Verflechtung im außenwirtschaftlichen Bereich sowie die Notwendigkeit zur Steigerung der Kapitalintensität erhöhen vielerorts die Schranken für eine Ausdehnung des Umsatzwachstums. Dies alles dürfte dazu beigetragen haben, daß der wirtschaftliche Ausleseprozeß in der gewerblichen Wirtschaft in den letzten Jahren schärfere Formen angenommen hat und daß sich die Liquiditäts- und Ertragslage vielerorts verengte.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung Chancen der Gewinnerzielung und finanzielle Risiken eng beieinanderliegen. Eine zur Bekämpfung der inflationären Entwicklung erforderliche global wirkende restriktive Finanz- sowie Geld- und Kreditpolitik erhöht insofern das unternehmerische Ertragsrisiko ebenso wie die Notwendigkeit zu unternehmerischer Sorgfalt in der Finanzierung. Eine diese Aspekte vernachlässigende unternehmerische Finanzierungspraxis kann im Rahmen der Globalsteuerung der Wirtschaft nicht durch eine sektorale Steuerung der Finanzpolitik sowie der Geld- und Kreditpolitik honoriert werden.
Den speziellen Verhältnissen der mittelständischen Wirtschaft trägt die Bundesregierung durch ihre Mittelstandspolitik mit zahlreichen Maßnahmen zur Verbesserung der Existenz- und Wettbewerbsfähigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen Rechnung.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß in unserer Wirtschaftsordnung jedem vorsorgenden Unternehmer jederzeit rechtzeitig ein ausreichender Überblick über die Risiken und Chancen möglich ist, die sich aus Maßnahmen der Wirtschaftspolitik ergeben können.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht besser, wenn Sie Ihren Ausführungen hinzufügten, daß neben den Faktoren, die zweifellos mit beitragen konnten, bei den Insolvenzen vor allem der Inflationsdruck eine Rolle gespielt hat?
Herr Kollege, das wird man in dieser Allgemeinheit nicht sagen können. Selbstverständlich gibt es eine Fülle denkbarer Auswirkungen auch einer hohen Geldentwertungsrate. Gerade der Blick in die Vergangenheit, nämlich in eine Referenzperiode, die Sie in Ihrer Frage nicht erwähnt haben, die Zeit vor 1969, zeigt aber in gewissen Zeitabschnitten eine wesentlich höhere Insolvenzrate als die, die Sie für die Zeit von 1969 bis 1972 erfragt haben. Das heißt, wir haben in der Zeit einer ausgesprochen schwierigen Wirtschaftslage mit rezessionsähnlichem Charakter eine höhere Zahl von Insolvenzen zu verzeichnen, obwohl in derselben Zeit die Geldentwertungsrate relativ gering war. Das zeigt die Relativität solcher Urteile, und man muß deshalb — ich habe das in meiner Antwort versucht den Gesamtkomplex schildern.
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2348 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnte durch bestimmte Maßnahmen, die Sie vorhin zum Teil nicht als möglich erachteten, bestimmten Gruppen mittelständischer Unternehmen, die auf Grund der Inflationsentwicklung stark verschuldet sind, etwa mit Zinszuschüssen oder Zinsverbilligungen geholfen werden?
Herr Kollege, ich habe in meiner Antwort schon darauf hingewiesen, daß unsere globale Strategie der Restriktionspolitik im Bereich der Geld- und Kreditpolitik nicht etwa durch Ausnahmeregelungen aufgeweicht werden kann. Hierfür besteht kein Anlaß und keine Möglichkeit. Wir sind der Meinung, daß die Möglichkeiten, zu einer soliden Finanzierung ihrer Vorhaben zu kommen, für die Unternehmer in jeder Phase der wirtschaftlichen Entwicklung sichtbar waren. Wir haben auch in jeder Phase der wirtschaftlichen Entwicklung immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß wir den Versuch machen würden, eine Tendenzwende in der Preispolitik herbeizuführen, und daß diese Versuche vor allem von der Möglichkeit einer restriktiven Geld- und Kreditpolitik abhängig sind. Ich glaube, das war jedem wirtschaftenden Unternehmer klar. Die entsprechende Ausrichtung seiner finanziellen Dispositionen ist dem einzelnen Unternehmer überlassen und muß ihm überlassen bleiben.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rohde zur Verfügung.
Die Frage 37 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen und die Fragen 38 und 39 des Abgeordneten Kater werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die an der Lohnsumme gemessene 4%ige Abgabe der Bauunternehmen für die Förderung des Winterbaus dazu führt, daß die klimatisch günstigen Gebiete überwiegend diesen Fonds ausschöpfen, während die klimatisch ungünstigen Gebiete bei der bestehenden einheitlichen Regelung der Winterbauförderung kaum davon Gebrauch machen können, und ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß bei der Winterbauförderung den unterschiedlichen Klima- und Winterbauverhältnissen hei der Höhe der Förderung und den Förderungsvoraussetzungen Rechnung getragen wird?
Herr Staatssekretär!
Es trifft zu, Herr Kollege, daß die Winterbauförderung in unterschiedlichem Maße in Anspruch genommen wird,
obgleich die Baubetriebe mit der Winterbauumlage einheitlich belastet sind. Als Ursache ist — neben anderen Gründen — das unterschiedliche Winterwetter im Bundesgebiet anzunehmen.
Das von Ihnen aufgezeigte Gefälle findet sich allerdings nicht nur zwischen Baubetrieben in benachteiligten und günstigen Klimagebieten, sondern auch zwischen Kleinbetrieben und Großbetrieben in ein und demselben Klimagebiet. Ein Ausgleich dieses Gefälles ist über die solidarisch die gesamte Bauwirtschaft einheitlich erfassende Winterbauumlage nicht möglich.
Er ließe sich jedoch auf andere Weise vollziehen. Nach dem Gesetz können die Zuschüsse für die auf der Winterbaustelle in der Förderungszeit geleisteten Bauarbeiten in klimatisch besonders benachteiligten Gebieten höher liegen als andernorts. Zur Vorbereitung einer Neufestsetzung dieser Förderungssätze hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ein Sachverständigengutachten über die durchschnittlichen Winterbaumehrkosten in Auftrag gegeben, das Ende Mai 1974 vorliegen soll.
Ergänzend dazu haben wir Erhebungen zu der Frage eingeleitet, wie die benachteiligten Klimazonen des Bundesgebiets von den anderen Zonen abgegrenzt werden können. Dabei wird sich herausstellen, ob und gegebenenfalls wie eine Differenzierung der Förderung nach Klimazonen möglich ist. Für den Winter 1973/74 werden die Förderungssätze noch für alle Klimazonen gleich bleiben. Eine vorgesehene allgemeine Erhöhung der Förderungssätze dürfte die Winterbauförderung jedoch auch für Baubetriebe in ungünstigen Klimagebieten attraktiver machen, zumal diese kostspieligen Investitionen längerfristig als andere eingesetzt werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, können Sie uns schon sagen, bis wann die Ergebnisse vorliegen werden und ob Sie bereit sind uns das Ergebnis der Untersuchungen zugängig zu machen?
Ich hatte gesagt, daß wir Ende Mai 1974 das Ergebnis des Sachverständigengutachtens erwarten. Ich werde veranlassen, daß Sie über die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens informiert werden.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Kiechle auf:
Warum ist im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtengesetzes keine Regelung der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für den Vertrauensmann analog der Regelung im Betriebsverfassungsgesetz, § 37 Abs. 6 und 7, enthalten?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Kiechle,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2349
Parl. Staatssekretär Rohdedie Bundesregierung hat in einem besonderen Abschnitt des Entwurfs eines Gesetzes für Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts für den Vertrauensmann Regelungen getroffen, die weit über das geltende Recht hinausgehen und die Rechtsstellung des Vertrauensmannes wesentlich verbessern. Der Entwurf stellt auch sicher, daß der Vertrauensmann an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teilnehmen kann. Das folgt aus § 19 e Abs. 4 des Entwurfs, der den Vertrauensmann von seiner beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge befreit, wenn und soweit das zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich wird.Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das Recht auf Freistellung auch für die Teilnahme des Vertrauensmannes an Schulungsveranstaltungen gilt, soweit das für eine ordnungsgemäße Durchführung seiner Aufgaben erforderlich wird. In § 21 Abs. 2 des Entwurfs ist demgemäß auch vorgesehen, daß die Hauptfürsorgestellen künftig Schulungs- und Bildungsmaßnahmen durchführen, und zwar in erster Linie zur Fortbildung der Vertrauensmänner.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf man u. a. aus der Formulierung in § 19 e Abs. 3, wo es heißt, daß er gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung besitzt, und wo dann ein Katalog folgt, entnehmen, daß die Schulungsmöglichkeit unabhängig davon, daß sie hier nicht genannt ist, gesetzlich absolut abgesichert ist?
Herr Kollege, das bewegt sich im Rahmen dessen, was ich im Hinblick auf § 19 in meiner Antwort auf Ihre eingebrachte Frage deutlich gemacht habe.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 42 der Abgeordneten Frau Verhülsdonk auf:
Auf wieviel Betriebsversammlungen haben der Bundeskanzler und Mitglieder des Kabinetts in der Zeit vom 1. September 1972 bis zum 19. November 1972 gesprochen?
Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die beiden Fragen der Abgeordneten Frau Verhülsdonk zusammen beantworte?
Die Fragestellerin ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 43 der Abgeordneten Frau Verhülsdonk auf:
Auf wieviel Betriebsversammlungen haben der Bundeskanzler und Mitglieder des Kabinetts in der Zeit vorn 1. Januar 1973 bis zum 31. Mai 1973 gesprochen?
Frau Kollegin, ich muß Sie um Verständnis dafür bitten, daß die von Ihnen gewünschten Angaben, auf wie vielen Betriebsversammlungen der Herr Bundeskanzler und Mitglieder des Kabinetts in den von Ihnen angegebenen Zeiträumen gesprochen haben, in der Kürze der für die Beantwortung Ihrer Fragen zur Verfügung stehenden Zeit noch nicht ermittelt werden konnten. Hierfür wäre eine Auskunft von sämtlichen Mitgliedern des Kabinetts notwendig gewesen, die in der kurzen Zeit nicht möglich war, zumal auch ZU berücksichtigen ist, daß in einzelnen Ressorts Ministerwechsel stattgefunden haben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, muß ich daraus den Schluß ziehen, daß die Bundesregierung in diesem Falle lieber eine schriftliche Antwort gibt als eine Antwort vor der Öffentlichkeit in diesem Raum?
Nein, die Antwort wird Ihnen zugehen. Sie können aus meiner heutigen Antwort nur cien Schluß ziehen, der sich aus ihr ergibt, daß nämlich allein mit dem Blick auf die Kürze der Zeit die Auskunft nicht gegeben werden konnte.
Frau Kollegin, Sie stellen keine weitere Zusatzfrage mehr? Bitte, Herr Kollege Meinecke.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob die Arbeit eines Ministeriums nicht in unzumutbarer Weise blokkiert wird, wenn es sich, statt sich wichtigen Dingen zuzuwenden, damit beschäftigen muß, solche Versammlungen zu zählen.
Das ist eine Zusatzfrage, die ich hier nicht zulassen kann. — Die nächste Zusatzfrage ist von dem Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht möglich gewesen, die Frist für die Beantwortung der Frage einzuhalten, wenn Sie die zentrale Wahlkampfführung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gefragt hätten?Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen l Auch diese Zusatzfrage kann ich nicht zulassen, Herr Abgeordneter Niegel. Ich lasse jetzt keine weitere Zusatzfrage mehr zu.Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Dr. Holtz auf:Beabsichtigt die Bundesregierung, das Mutterschutzgesetz dahin gehend zu ändern, daß auch jene Frauen, die eine Fehlgeburt
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2350 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenhaben, die viermonatige Kündigungsschutzfrist in Anspruch nehmen können?
Herr Kollege, zu der Frage, ob das Mutterschutzgesetz auf Frauen ausgedehnt werden soll, die eine Fehlgeburt erleiden, hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im November 1969 medizinische Sachverständige gehört. Sie haben die Auffassung vertreten, die Fehlgeburt sei im Unterschied zur Entbindung ein krankhaftes Geschehen; sie sollte daher auch hinsichtlich des Kündigungsschutzes nicht einer Entbindung, sondern einer Krankheit gleichgestellt werden. Seither sind zwar gegenteilige wissenschaftliche Erkenntnisse nicht bekanntgeworden, aber im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Mutterschutzes kann auch dieses von Ihnen aufgeworfene Thema erörtert werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist es nicht ein Widerspruch, daß das Mutterschutzgesetz zwar bei Fehlgeburten keine Anwendung findet, aber z. B. ohne weiteres dann gilt, wenn ein Kind, das mindestens 35 cm groß war, tot geboren wurde?
Herr Kollege, ich bin mir des Problems, das in Ihrer Frage steckt, bewußt und habe deshalb auch am Ende meiner Hauptantwort darauf hingewiesen, daß dies ein der Erörterung bedürftiges Thema ist.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß diese Erörterung dann auch zu einer konkreten Gesetzesinitiative führen sollte?
Herr Kollege, ich kann den vielfältigen Gesichtspunkten, die sich bei diesen Erörterungen ergeben werden, zumal es, wenn ich mich recht erinnere, auf diesem Gebiete auch höchstrichterliche Urteile gibt, hier nicht vorgreifen. Dafür bitte ich um Ihr Verständnis.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, diese Erörterungen mit dem Ziel zu führen, hier eine positive Regelung zu finden?
Herr Kollege, Sie konnten meiner Antwort entnehmen, daß ich mir der sozialen Bedeutung dieser Frage bewußt bin.
Insofern können Sie davon ausgehen, daß eine ernsthafte Prüfung eingeleitet wird. Es gibt aber eine Reihe von Problemen, die ich hier im Rahmen der Fragestunde aus Zeitgründen nicht darlegen kann und die eine Erörterung im einzelnen im Ausschuß für Sozialpolitik angezeigt sein lassen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Haar zur Verfügung.
Die Fragen 52 und 53 des Herrn Abgeordneten Mursch werden schriftlich beantwortet. Der Herr Abgeordnete hat darum gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Gerster auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß seit Inkrafttreten der Straßenverkehrs-Ordnung , die die Mittelmarkierungen auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Leitlinien) als Verkehrszeichen einstuft, deren Beachtung zwingend vorgeschrieben ist, Mittelmarkierungen nur noch auf Straßen mit einer Fahrbahnbreite über 5,50 m aufgebracht werden können, und teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß das Nicht-Aufbringen von Leitlinien auf Straßen mit einer Fahrbahnbreite unter 5,50 in zu Gefahren für den Straßenverkehr führen muß, und wie gedenkt sie, diesen neuen Gefahrenquellen zu begegnen?
Herr Kollege, Leitlinien sind wie andere Fahrbahnmarkierungen in der Straßenverkehrs-Ordnung als Verkehrszeichen eingestuft. Dies war bereits in der alten Straßenverkehrs-Ordnung so geregelt. Während die Straßenverkehrs-Ordnung über Fahrbahnbreiten keine Ausführungen enthält, legt deren allgemeine Verwaltungsvorschrift fest, daß Leitlinien außerorts auf ausreichend breiten Straßen zu markieren sind, wenn je Fahrtrichtung mindestens ein Fahrstreifen vorhanden ist. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei nicht ausreichender Fahrstreifenbreite Leitlinien angebracht werden sollten. Eine Regelung für Bundesstraßen ergeht in diesen Tagen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung demzufolge meine Meinung nicht, daß gerade auch auf schmalen Straßen eine Markierung notwendig ist, um z. B. bei Nebel oder starkem Regen einen Anhalt zu geben, d. h. es zu erleichtern, die Fahrbahn tatsächlich einzuhalten?
Herr Kollege, daß läßt sich pauschal nicht beantworten. Wir versuchen, Regelungen für die Praxis zu finden, und werden demnächst entsprechende Vorschriften, die in diesen Tagen in unserem Hause erarbeitet werden, ergehen lassen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2351
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich kann Ihrer Antwort also entnehmen, daß Sie die Möglichkeit prüfen, andere Zeichen, die eben dann keine Verkehrszeichen wären, zumindest auf schmalen Straßen zuzulassen?
Das kann ich mit Ja beantworten.
Herr Abgeordneter Immer, Sie haben eine Zusatzfrage.
Wäre es, wenn wir von einer Gefährdung in schmalen Straßen ausgehen, nicht richtig, wenigstens Seitenmarkierungen vorzuschreiben?
Wir wollen das gerne prüfen lassen, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Lemmrich auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Dr. Schäuble auf:
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß der Hinweis auf Arbeiten einer Arbeitsgruppe des Ausschusses „Planung" im internationalen Eisenbahnverband und auf den Verkehrsbericht 1970 nicht ausreichend ist, uni angesichts französischer Planungen für den Ausbau einer linksrheinischen Eisenbahnschnellfahrtstrecke zwischen Karlsruhe und Straßburg zu verhindern, daß der rechtsrheinische Abschnitt der südlichen Ober-rheinebene südlich von Karlsruhe in den Verkehrsschatten gerät, und ist die Bundesregierung bereit, entsprechende konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um innerhalb der europäischen Gemeinschaften zu einer gemeinsamen deutsch-französischen Verkehrsplanung für die südliche Oberrheinebene zu gelangen, die sowohl französischen als auch deutschen Interessen gerecht wird?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung ist, wie bereits in der schriftlichen Antwort zur Frage in gleicher Angelegenheit für die Fragestunde vom 24./25. Mai zum Ausdruck gebracht, der Auffassung, daß sich zunächst die benachbarten Bahnverwaltungen im internationalen Eisenbahnverband in diesem Fall besonders über die Achsengruppe „Schweizer Eisenbahn-Alpenübergänge" mit den Problemen eines Nord-Süd-Schienenschnellverkehrs auf deutschem bzw. französischem Territorium befassen sollten. Die Bundesregierung muß sich über diese Arbeiten der Bahnverwaltungen zunächst ein Bild über die Auswirkungen einer Schnellfahrstrecke von Karlsruhe über Straßburg nach Mühlhausen mit Anschluß sowohl nach Basel als auch über Lyon zum Mittelmeer verschaffen, bevor sie Verhandlungen auf Regierungsebene innerhalb der Europäischen Gemeinschaft aufnehmen kann.
Im übrigen sind diese Planungen nicht von offizieller französischer Seite an unsere Regierung her-
angetragen worden, sondern sie stammen von einer regionalen Institution des Elsaß. Wegen der noch nicht ausgeglichenen Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist gerade auf diesem Gebiet sehr behutsam vorzugehen.
Die Befürchtungen, daß der rechtsrheinische Abschnitt der südlichen Oberrheinebene durch die französischen Planungen in den Verkehrsschatten geraten könnte, ist unbegründet, weil das Verkehrsaufkommen für eine derartige linksrheinische Schnellfahrstrecke, die von Karlsruhe ausgehen soll, im wesentlichen durch die Bundesrepublik Deutschland bestimmt werden würde und zum zweiten die Verbindung Karlsruhe—OffenburgFreiburg—Basel für die Relation Bundesrepublik Deutschland/Schweiz/Italien kürzer und so stark ausgelastet ist, daß keinesfalls damit gerechnet zu werden braucht, daß das Gebiet südlich von Karlsruhe vernachlässigt werden würde.
Selbstverständlich wird die Bundesregierung die Weiterentwicklung dieser Bestrebungen der Region Elsaß sehr sorgfältig beobachten und unter Umständen zu gegebener Zeit Verhandlungen auf Regierungsebene aufnehmen, zumal auch im Rahmen der Europäischen Verkehrsministerkonferenz Fragen der großen Schienenverkehrsachsen behandelt werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, bis wann wird die Bundesregierung die Prüfung der Auswirkungen einer solchen linksrheinischen Schnellfahrstrecke abgeschlossen haben?
Das hängt mit vom Verlauf der internationalen Verhandlungen ab, Herr Kollege.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Regierung bei so schwerwiegenden Entwicklungen frühzeitig initiativ werden muß, um eine Benachteiligung bestimmter deutscher Landschaften zu verhindern?
Es ist Ihnen sicherlich nicht unbekannt, Herr Kollege, daß auch der Vorstand der Deutschen Bundesbahn in ständigem Kontakt mit anderen Eisenbahnverwaltungen steht. Darüber werden wir ebenfalls regelmäßig unterrichtet. Sie dürfen sicher sein, daß auch Ihr Bereich unter den Aspekten, die Sie vorgetragen haben, nicht benachteiligt wird.
Herr Kollege Lemmrich, ich habe Verständnis für Ihren Kummer. Ich bitte auch um Verständnis für den amtierenden Präsidenten.
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2352 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Dr. Klein auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Deshalb werden diese und die nächste von ihm eingereichte Frage schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 59 des Herrn Abgeordneten Wagner auf:Teilt die Bundesregierung die vom Verband der Flugleiter nach wie vor öffentlich vertretene Auffassung, daß ihnen im Herbst 1972 nach dem damaligen Bummelstreik Erschwerniszulagen und eventuelle weitere finanzielle Verbesserungen verbindlich zugesagt wurden, und welche Gründe veranlaßten die Bundesregierung, erst nach Ankündigung des neuen Bummelstreiks tätig zu werden, obwohl bereits im Herbst 1972 eine Fortsetzung dieser Maßnahmen angekündigt wurde?Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Wagner, ich habe bereits in meiner Antwort auf die Fragen des Kollegen Schröder am 6. Juni zum Ausdruck gebracht, daß in der Erörterung vom 5. Juli 1972 keine materielle Konkretisierung einer Regelung zugesagt werden konnte, weil die Empfehlungen der interministeriellen Arbeitsgruppe bis dahin noch nicht vorlagen. Die Bundesregierung hat sich sodann auf der Grundlage der von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Zulagenregelung für Flugverkehrslotsen weiterhin um eine angemessene Lösung bemüht, nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß der Vorschlag der Arbeitsgruppe von den Betroffenen als völlig unzureichend bezeichnet worden war.
Die erforderliche Abstimmung innerhalb der Bundesregierung hatte mit Rücksicht auf die zu bedenkenden Auswirkungen auf andere Bereiche erst am 30. Mai 1973 den Stand erreicht, daß der Bundesminister des Innern ermächtigt werden konnte, das Verfahren für eine Erschwerniszulage in Höhe von 160 DM bis 200 DM einzuleiten.
Herr Kollege Wagner, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann man nach Ihrer Auffassung von einer Erschwerniszulage sprechen, wenn sie allen Fluglotsen in gleichem Umfang ohne Rücksicht auf den Arbeitsanfall an dem jeweiligen Flughafen gewährt wird?
Auch diese Fragen werden innerhalb der -Ressorts eingehend auch mit den Gewerkschaften erörtert.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die jüngste Behauptung der Fluglotsen, die in einem Flugblatt, das an allen Flughäfen verteilt wird, aufgestellt wird, richtig, daß die Fluglotsen sich heute besoldungsmäßig relativ schlechter stehen als 1962?
Das stimmt in der Tat nicht. ich glaube, das ganze Haus weiß, Herr Kollege, welche Veränderungen sich im Vergleich zu anderen Gruppen vollzogen haben.
Ich rufe Frage 60 des Herrn Abgeordneten Wagner auf:
Welche beamtenrechtlichen Schritte hat die Bundesregierung ergriffen, um den Wahrheitsgehalt der schlagartigen Krankmeldungen sofort nachzuprüfen, und welche disziplinären Konsequenzen hat sie daraus gezogen?
Die Bundesregierung hat folgende Maßnahmen ergriffen:
Erstens. Alle Bediensteten der Bundesanstalt für Flugsicherung müssen im Falle einer Erkrankung bereits vom ersten Tage an eine ärztliche Dienstunfähigkeitsbescheinigung vorlegen.
Zweitens. Die Bediensteten sind darauf hingewiesen, daß bei unentschuldigtem Fernbleiben vom Dienst der Verlust der Dienstbezüge eintritt und eine disziplinarische Überprüfung eingeleitet wird.
Drittens. Gleichzeitig werden amtsärztliche Untersuchungen durchgeführt.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Dr. Oetting auf. — Ich sehe den Herrn Abgeordneten nicht. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Konrad auf:
Sieht die Bundesregierung in der Abpflanzung der Bundesfernstraßen, insbesondere der Bundesautobahnen, mit Hecken einen wirksamen Schutz der Bevolkerung vor verkehrsbedingten Bleirückständen in der Vegetation, und welche Umstände stehen dieser Maßnahme, die das ökologische Gleichgewicht in verschiedener Beziehung verbessern könnte, entgegen?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, mit der Straßenbepflanzung an Bundesfernstraßen ist kein wirksamer Schutz der Bevölkerung gegen die Einwirkung verkehrsbedingter Bleirückstände gegeben, da Straßenbepflanzungen nach anderen Kriterien geplant und angelegt werden. Maßgebend hierfür sind hauptsächlich bautechnische Gesichtspunkte, verkehrstechnische Gesichtspunkte und Gesichtspunkte der Landschaftsgestaltung. Es ist außerdem festgestellt worden, daß die Bepflanzungen und Grünanlagen an den Straßen die aus den Abgasen der Kraftfahrzeuge stammenden Bleirückstände aufnehmen. Das Blei tritt mit den Sträuchern, Hecken, Bäumen, Gräsern und anderem in eine Verbindung ein. Eine Übertragung auf Menschen und Tiere ist daher möglich. Das Problem kann also nicht durch die Bepflanzung der Straßenanlagen gelöst werden, sondern nur an der Quelle.Aus diesem Grunde ist das Benzinbleigesetz geschaffen worden, in dem bis 1. Januar 1976 eine
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2353
Parl. Staatssekretär Haarschrittweise Herabsetzung des Bleigehaltes in OttoKraftstoffen auf 0,15 Gramm pro Liter inzwischen zwingend vorgeschrieben ist.Wollte man — um auf Ihre Frage noch etwas näher einzugehen — einen wirksamen Schutz der Bevölkerung gegen Einwirkungen verkehrsbedingter Bleirückstände durch Bepflanzung erreichen, müßten auch außerhalb des Straßenraums noch umfangreichere Bepflanzungen vorgenommen werden. Hierbei würde u. a. das Problem auftreten, den dafür notwendigen Grund und Boden zu erwerben, und müßte geprüft werden, wer diesen Boden zur Verfügung zu stellen hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß durch den angestiegenen Kraftverkehr erwartete Veränderungen durch das Benzinbleigesetz teilweise aufgehoben worden sind oder aufgehoben werden?
Das ist nicht zu bestreiten, Herr Kollege.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Ist es völlig ausgeschlossen, daß das Ministerium die Kriterien erweitert, unter denen es die Abpflanzung von Straßen bisher betreibt?
Herr Kollege, ich habe die Problematik nach dem gegenwärtigen Stand der Untersuchungen und der Ergebnisse dargestellt. Ihre Frage und auch Ihre Zusatzfrage sind aber Anlaß, daß sich unser Haus erneut damit befaßt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Der Herr Abgeordnete Zebisch hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage 63 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 64 des Herrn Abgeordneten Büchner auf. Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Immer auf:
Unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß die Sicherung der Arbeitsplätze in dezentralisierten Werkstätten der Deutschen Bundeshahn durch die Zuweisung von neuen Aufgaben erreicht und damit ein Beitrag geleistet wird zur wirtschaftlichen Stabilisierung in strukturschwächeren Gebieten?
Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Immer wegen des
Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Der Herr Fragesteller ist einverstanden.
Ich rufe dann noch die Frage 66 des Herrn Abgeordneten Immer auf:
Aus welchen Gründen geht die Deutsche Bundesbahn nicht dazu über, Ausbesserungs- und Wartungsbetriebe bzw. deren Aufträge dorthin zu verlagern, wo in leistungsfähigen dezentralisierten Einrichtungen noch genügend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen oder mobilisiert werden können, während bekanntlich in den Ballungsräumen zunehmend weniger qualifizierte Arbeitskräfte zu überhöhten Lohnkosten eingestellt werden müssen?
Die Unterhaltung des rollenden Materials und der Anlagen ist nach dem Bundesbahngesetz Aufgabe des Vorstandes der Bundesbahn und hat unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Die Bundesbahn bemüht sich dabei im Rahmen der regional- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung auch um eine Erhaltung der Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten. Lediglich bei der Stillegung von Ausbesserungswerken führt der Bundesminister für Verkehr im Rahmen seines Aufsichtsrechtes ein gesetzlich vorgeschriebenes Genehmigungsverfahren durch. Derartige Verfahren stehen jedoch zur Zeit nicht an.
Mit dem technischen Fortschritt wird der Unterhaltungsaufwand ständig gesenkt, so daß die Werkstätten zur optimalen Ausnutzung der Anlagen und des dort investierten Kapitals konzentriert werden müssen. Wegen des überwiegenden Fahrzeugeinsatzes in Ballungsräumen ist es zur Vermeidung zusätzlicher Zuführungskosten nicht möglich, generell alle Fahrzeuge in abseits liegenden Dienststellen unterhalten zu lassen.
Bei der Deutschen Bundesbahn sind gelegentlich Personalengpässe in Ballungsgebieten aufgetreten, allerdings nicht im Werkstättendienst. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat daher vor kurzem unter dem Leitmotiv „Abbau von Personalengpässen durch Verlagerung von Leistungen" die Bundesbahndirektionen aufgefordert, systematisch die Möglichkeit der Aufgabenverlagerung in schwächer ausgelastete Gebiete zu überprüfen. Diese Untersuchungen dauern zur Zeit noch an. Speziell im Werkstättendienst sind diesem Bemühen allerdings durch die vorhandenen kapitalintensiven Anlagen sowie wegen der Notwendigkeit wirtschaftlicher Fahrzeugumläufe Grenzen gesetzt .
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, können Sie darüber Auskunft geben, ob vielleicht bei der Zentralisierung dieser Einrichtungen in früheren Jahren Fehler grundsätzlicher Art gemacht worden sind?
Ich glaube, eine so konkrete Frage läßt sich im Rückblick zumindest für die letzten 10 oder
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2354 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Parl. Staatssekretär Haar15 Jahre von dieser Stelle aus nicht ohne vorherige Prüfeng beantworten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sich bei den Bauzügen die Situation so darstellt, daß diese Bauzüge aus zentralen Gebieten, d. h. aus den Verdichtungsgebieten in die entfernteren Gebiete gebracht werden, daß in den entfernteren Gebieten jedoch geschultes Personal zur Verfügung stünde, welches es ermöglichte, daß die Bauzüge dort zusammengestellt würden, um dann auch in die Verdichtungsräume gefahren zu werden?
Herr Kollege, ich weiß, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn solche Überlegungen in den Fällen mit erörtert und prüft, in denen aus betriebswirtschaftlichen Gründen wie aus Gründen der Personalsituation derartige Regelungen möglich und durchführbar sind.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, besteht in Ihrem Hause die Meinung, daß bei der in Aussicht stehenden Entwicklung eines Gesamtverkehrsplans in den verschiedenen Räumen nicht nur die Belange der Wirtschaft und auch nicht nur die Belange der Beförderung im Vordergrund stehen sollten, sondern daß auch die Auswirkungen, die sich für die Dienstleistungsbetriebe, die unmittelbar für eine Verwirklichung dieses Planes bereitstehen müssen, auf dem Arbeitsmarkt ergeben, Berücksichtigung finden müßten? Ich frage dies gerade mit dem Blick auf die Gebiete, in denen es zu wenig Arbeitsplätze gibt.
Bei Einzelentscheidungen wird die Bundesregierung, soweit sie darauf Einfluß nehmen kann, sicher auch solche Überlegungen mit berücksichtigen, Herr Kollege.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe dann die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Schröder auf:
Stimmen Pressemeldungen, wonach die in Beantwortung meiner Mündlichen Fragen vom 1. Februar 1973 angekündigte Prüfung zu dem Ergebnis geführt hat, daß die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Aurich nach Bremen verlegt werden soll, und wenn ja, welche Gründe haben zu dieser Entscheidung geführt?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, über eine Zusammenlegung der Bezirke der Wasser- und Schiffahrtsdirektionen Bremen und Aurich und über den künftigen Standort der gemeinsamen Mittelbehörde ist noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Lediglich als Diskussionsgrundlage ist ein Entwurf über die Zusammenlegung mehrerer Wasser-und Schiffahrtsdirektionen erstellt und dem Hauptpersonalrat zur Abgabe einer Stellungnahme unterbreitet worden. Dabei ist Bremen als Sitz der künftigen Weser-Jade-Ems-Wasser- und Schiffahrtsdirektion vorgeschlagen worden. Bremen ist sowohl wegen des Vollzugs der Bundesaufgaben als auch aus personalwirtschaftlichen Erwägungen in Betracht gezogen worden.
Auch wenn die Entscheidung zugunsten Bremens fallen sollte, ist die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes weiterhin bereit, die Auftragsverwaltung für das Land Niedersachsen fortzuführen.
Eine Zusatzfrage.
Schröder (CDU/CSU) Herr Staatssekretär, nachdem Sie erklärt haben, daß die Entscheidung noch nicht getroffen ist, möchte ich Sie fragen: Wie erklären Sie sich die widersprüchlichen Aussagen, die nach Pressemeldungen Minister Lauritzen, Staatssekretär Wittrock und Sie zu dieser Frage gemacht haben?
Bei Erörterungen dieses Fragenkomplexes ist der Minister mit Sicherheit davon ausgegangen, daß in der Region, für die er bestimmte Überlegungen angestellt hat, auch die Möglichkeit der Verlagerung besteht, selbst dann, wenn eine Zentralisierung erfolgt. Ich habe ausdrücklich gesagt: eine endgültige Entscheidung ist noch nicht getroffen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege.
Muß ich das so verstehen, daß die Aussagen der drei genannten Herren in der ostfriesischen Presse nicht richtig wiedergegeben worden sind? Liegt also ein Versehen der Presse vor, oder ist es nicht vielmehr so, daß die führenden Herren in Ihrem Ministerium doch widersprüchliche Aussagen gemacht haben?
Ich darf folgendes feststellen. Für Presseveröffentlichungen in der Form, wie sie zum Teil auch meinem Hause bekannt geworden sind, sind wir nicht allein verantwortlich. Die Aussagen und Empfehlungen des Gutachtens wie auch die Gründe, die ich in der Beantwortung Ihrer ersten Frage angeführt habe, sprechen für die Überlegung, Bremen als Sitz zu wählen. Wenn — wie überall bei solchen Veränderungen — noch Zwischenregelungen angestrebt werden, liegt die Entscheidung letztlich beim Minister.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
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Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenWir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Zander zur Verfügung.Die erste Frage ist von Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke eingebracht.
Herr Präsident, wenn Herr Kollege Meinecke einverstanden ist, möchte ich gern seine beiden Fragen zusammen beantworten.
Der Herr Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe die Fragen 87 und 88 des Abgeordneten Dr. Meinecke auf:
Welche besonderen Schwierigkeiten haben bei der Zulassung zum Hochschulstudium in der Bundesrepublik Deutschland aus der Sicht der Bundesregierung deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz in der DDR, in Ostberlin oder in den Gebieten gemäß § 1 Abs. 2 Ziffer 3 des Bundesvertriebenengesetzes verlassen haben oder die als Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vorn 28. Juli 1951 bzw. nach dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967 (BGBl. 1969 II S. 1293) ihre rechtmäßigen Aufenthalte in der Bundesrepublik Deutschland haben?
Ist die Bundesregierung bereit, mittels ihrer Vertreter, die mit beratender Stimme im Verwaltungsausschuß der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen sitzen, dahin zu wirken, daß Bewerber der oben genannten Bevölkerungsgruppe außerhalb der Vorabzuweisung von 15 v. H. aller Studienplätze für sogenannte Härtefälle individuell und nicht über vorprogrammierte Fragebogen aufgenommen, betreut und dann den Hochschulen zugewiesen werden?
Die Zahl der Zusatzfragen, Herr Dr. Meinecke, wird dadurch nicht verringert.
Die Einordnung von Studienbewerbern aus der Gruppe der Spätaussiedler und DDR-Flüchtlinge in das Zulassungsverfahren nach dem geltenden Landesrecht wird durch die besonderen sozialen Hindernisse, Benachteiligungen im Herkunftsland, Zeitverluste und unterschiedlichen Vorbildungsnachweise erschwert. Darin liegen die besonderen Schwierigkeiten dieses Personenkreises.
Nach dem Staatsvertrag der Länder kann jedoch der besonderen Lage dieser Bewerber individuell innerhalb der von den Hochschulen zu vergebenden Quote von Studienplätzen für Fälle außergewöhnlicher Härte Rechnung getragen werden. Darüber hinaus ist es auch möglich, diese Bewerber in die auf Leistung beruhende Rangliste einzuordnen, indem hier nach dem geltenden Landesrecht eine bei der Rangbestimmung zu berücksichtigende Gesamtnote festgestellt wird .
Die Bundesregierung ist bereit, die ihr gegebenen Möglichkeiten zu nutzen, damit durch pragmatische Handhabung der Zulassungsregelungen die besonderen Belange der Spätaussiedler und DDR-Flüchtlinge bei der Entscheidung über die Zulassung berücksichtigt werden. Sie wird sich ferner dafür einsetzen, daß diese Personengruppe ausreichend über ihre Zulassungsmöglichkeiten informiert wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, wenn man von der jetzt gegebenen Gesetzeslage ausgeht, erklären sich also die Schwierigkeiten dieser Bevölkerungsgruppe dadurch, daß im Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen diese Bevölkerungsgruppe exakt und beim Namen genannt nicht berücksichtigt worden ist.
Das ist so. Aber durch pragmatische Handhabung, auch auf seiten der Länder, wird versucht, diese Schwierigkeiten auszugleichen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, Sie haben angeregt oder die Möglichkeit aufgezeigt, diese Bevölkerungsgruppe in die Vorab15 %-Gewährung für soziale Härtefälle einzubeziehen. Besteht dann nicht die Gefahr, daß man damit wiederum anderen sozialen Härtefällen nicht gerecht wird?
Herr Kollege Dr. Meinecke, Sie wissen, daß es Überlegungen gibt, diese Zugangsfragen, die jetzt im Staatsvertrag
wie viele meinen: unbefriedigend — geregelt sind, im Zusammenhang mit dem neu einzubringenden Hochschulrahmengesetz neu zu regeln. In diesem Zusammenhang wird diese Frage mit Sicherheit zu prüfen sein.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich im Interesse der Öffentlichkeit und in Anbetracht der Tatsache, daß es sich hier nicht um ein bildungspolitisches Problem, sondern um ein gesamtdeutsches Problem von besonderer Relevanz handelt, einmal danach fragen, ob Schätzungen oder exakte Zahlen darüber vorliegen, wie groß die benachteiligte Bevölkerungsgruppe eigentlich ist.
Herr Kollege Dr. Meinecke, nach den Unterlagen, die mir zur Verfügung stehen, haben sich im Jahr 1972 ca. 400 Personen dieser Bevölkerungsgruppe um eine Zulassung zu einem Numerus-clausus-Fach beworben. Man kann jedoch angesichts der Tatsache, daß die Zahl der Numerus-clausus-Fächer zunehmen wird, davon ausgehen, daß dieser Personenkreis in absehbarer Zeit größer werden wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
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2356 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Herr Staatssekretär, ich darf wiederholen: Ist die Bundesregierung also bereit, bei einer Neuformulierung des Hochschulrahmengesetzes und damit der gesetzlichen Bestimmungen über die Zulassung zu den Hochschulen diese Bevölkerungsgruppe gesondert zu berücksichtigen?
Sie ist bereit, Herr Kollege Dr. Meinecke, diese Frage bei ihren Überlegungen zur Vorbereitung des Entwurfs zu prüfen.
Zu einer letzten Zusatzfrage Herr von Fircks.
Herr Staatssekretär, ist es Ihnen möglich, uns zu sagen, wieviel von den 400 Personen, die sich für Numerus-claususFächer beworben hatten, nicht zugelassen werden konnten, weil die augenblicklichen Bestimmungen noch entgegenstanden?
Ich kann Ihnen das nicht präzise beantworten, Herr Kollege. Ich bin aber gern bereit, diese Unterlagen zusammenzustellen und Ihnen zugehen zu lassen.
Meine Damen und Herren, die Fragen 86 des Abgeordneten Ziegler und 89 und 90 des Abgeordneten Schedl werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich rufe nunmehr entsprechend den interfraktionellen Vereinbarungen und unter Änderung der Bekanntgabe des Herrn Präsidenten, der vor der Mittagspause amtierte, Punkt 37 der verbundenen Tagesordnung auf:
37. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Erleichterungen, Vorrechten und Befreiungen an die ständige Vertretung der Deutschen Demokratischen Republik
— Drucksache 7/424 —
Bericht und Antrag des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen
— Drucksache 7/720 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Abelein Abgeordneter Dr. Schmude
Ich frage, ob die Herren Berichterstatter das Wort wünschen. — Herr Dr. Abelein?
— Zunächst frage ich, ob Sie als Berichterstatter das Wort wünschen, nicht zu einer Ergänzung. Herr Abgeordneter Schmude?
-- Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen begrüßt in seiner Mehrheit, daß die Bundesregierung ohne Säumen mit der Verwirklichung der weiteren im Grundlagenvertrag vorgesehenen Schritte begonnen hat. Zu solchen Maßnahmen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten und zum Wohl der durch die Trennung betroffenen Menschen gehört die in Art. 8 des Grundvertrags vorgesehene Errichtung ständiger Vertretungen.Der Rechtsausschuß und der Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen werten die Regelung in Art. 8 des Grundvertrags und den vorliegenden Gesetzentwurf als erneute Bekräftigung der von allen Bundestagsfraktionen und der Bundesregierung vertretenen Auffassung, daß beide deutschen Staaten füreinander nicht Ausland sind.Der vorliegende Gesetzentwurf über die Gewährung von Erleichterungen, Vorrechten und Befreiungen macht die Besonderheit der Beziehungen insofern deutlich, als er eine besondere Rechtsgrundlage für die Gewährung solcher verbesserter Arbeitsmöglichkeiten schafft. Damit ist klargestellt, daß das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen aus dem Jahre 1961 anders als bei diplomatischen Missionen ausländischer Staaten für die ständige Vertretung der DDR nicht unmittelbar gilt.Beide Ausschüsse halten es für sachgemäß und für inhaltlich hinreichend bestimmt, daß das Gesetz hinsichtlich der Einzelheiten der noch zu erlassenden Verordnung auf das Wiener Übereinkommen und das dazu ergangene Zustimmungsgesetz Bezug nimmt.Der damit für ,die Verordnung gesetzte Ermächtigungsrahmen ist eindeutig abgegrenzt. Es handelt sich um Vorrechte, Befreiungen und Erleichterungen. Sie sind im Rahmen der Gegenseitigkeit zu gewähren.Dieser Ermächtigungsrahmen ist auch rechtsstaatlich unbedenklich; denn es wird auf ein Gesetz Bezug genommen, dessen verfassungsrechtliche Bedenklichkeit bisher nicht behauptet wurde. Es ist weiterhin nicht zu befürchten, daß bei Anwendung des jetzt beratenen Gesetzes aus der ständigen Vertretung eine diplomatische Mission wie bei einem ausländischen Staat wird; denn es bedarf noch der besonderen Verordnung, weil das Wiener Übereinkommen auch auf Grund des Gesetzes nicht unmittelbar Anwendung findet.Das Gesetz und die zu seiner Ausfüllung zu erlassende Verordnung sind im Bundesrat beide zustimmungsbedürftig. Insofern ist die Kontrolle der Einzelheiten durch ,den Bundesrat gewährleistet. Wir meinen, daß es eine unzulässige Gedankenverbin-
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Dr. Schmudedung ist, hier von einem „Ermächtigungsgesetz" zu sprechen. Wir halten diese Verbindung mit einem Jahrzehnte zurückliegenden und sehr unheilvollen Rechtssetzungsakt in Deutschland für absurd.Die Mehrheit des Ausschusses geht davon aus, daß hier die Zuständigkeit der Bundesregierung besteht, die Einzelfragen, die mit der ständigen Vertretung zusammenhängen, zu regeln und auszuhandeln. Dazu bedarf es aber einer inhaltlich unstreitigen Regelung, wie sie im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen ist und getroffen werden soll. Die Ausschußmehrheit ist nicht der Auffassung, daß über diese Gesetzgebungskompetenz in diesem Teilbereich die Erörterung der gesamten noch auszuhandelnden Fragen in die parlamentarische Behandlung hineinzuziehen ist. Dies würde ,den Verhandlungsspielraum der Bundesregierung einengen und den Erfolg gefährden, wenn nicht vereiteln.Um eine Nebenbemerkung zu machen: Wie so etwas aussieht, können Sie alle, meine Damen und Herren, auf dem Ihnen vorliegenden Abänderungsantrag 7/783 sehen, in dessen Anlage es eingangs heißt:Die Bundesrepublik Deutschland gewährt der Ständigen Vertretung der DDR ... Erleichterungen, Vorrechte und Befreiungen in folgendem Umfang ...Dann wird in folgendem eine Regelung entwickelt, die schon speziell auf das Verhältnis zur DDR zugeschnitten ist und mehr ein Verhandlungsergebnis als einen Rahmen darstellt. Dies wollte die Ausschußmehrheit bewußt vermeiden.Wir sehen auch nicht den geringsten Anlaß zu einem Mißtrauen gegenüber der Bundesregierung oder die Berechtigung der ständig wiederholten Verdächtigung, die Bundesregierung werde es entgegen ihrer eigenen Ankündigung doch, zum Beispiel durch die Hintertür, zu Beziehungen wie zwischen ausländischen Staaten kommen lassen. Spätestens seit der Text des Grundvertrages vorliegt, ist diese Verdächtigung vollends haltlos geworden.Die Ausschußmehrheit hält unabhängig von dem hier zu regelnden Gegenstand das dabei angewandte Gesetzgebungsverfahren für angemessen und begrüßt es. Bei einer allgemeinen und grundsätzlichen Betrachtung der Parlamentsarbeit wird in unserem Hause stets beklagt, daß wir als Abgeordnete unsere Arbeitskraft viel zu weitgehend mit der Ausgestaltung von Einzelregelungen verbrauchen und damit eigentlich eine uns nicht zukommende Funktion wahrnehmen. Unter diesem Gesichtspunkt mußte es sich bei der Regelung eines im Gesamtzusammenhang so begrenzten Teilbereichs wie der Gewährung von Vorrechten, Befreiungen und Erleichterung an die ständige Vertretung der DDR geradezu anbieten, den Bundestag nur mit der gesetzlichen Ermächtigung für eine Verordnung zu befassen. Es liegt in unserem Interesse als Parlament, daß die Bundesregierung diese Möglichkeit durch die Bezugnahme auf das Wiener Übereinkommen als Ermächtigungsrahmen für die nach dem Gesetz zu erlassende Verordnung eröffnet, statt uns ein umfangreiches Gesetzeswerk mit Einzelregelungen vorzulegen, die jeweils für sich Gegenstand der parlamentarischen Verhandlung sein müssen.Wir möchten auch deutlich machen, daß wir die öffentliche Auseinandersetzung über Einzelheiten der erst im Verhandlungswege zu klärenden Fragen für mißlich halten. Angesichts der unzweifelhaft gegebenen Zuständigkeit der Bundesregierung treten wir dafür ein, die Verabschiedung dieses notwendigen Gesetzentwurfs in hilfreicher Solidarität des Parlaments, d. h. ohne langwierige öffentliche Auseinandersetzungen, Verdächtigungen und Festlegungsversuche, vorzunehmen und damit der Anwendung des Grundvertrags im Interesse der menschlichen Erleichterungen und der größeren Durchlässigkeit der Machtgrenzen zu dienen.Diese von uns gewünschte Zurückhaltung bei der Erörterung von Einzelfragen soll nicht bedeuten, daß sich die Ausschußmehrheit der Prüfung von Alternativen zum vorliegenden Gesetzentwurf versagt hätte. Die in dieser Hinsicht vorgelegten Vorschläge der Opposition ließen aber weder eine sachliche Brauchbarkeit noch ernstzunehmende Ansatzpunkte für die verbal geforderte Zusammenarbeit erkennen. Am Beispiel des im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen vorgelegten Änderungsantrags sei dies kurz erläutert. Bei der abschließenden Beratung im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen am 6. Juni 1973 lag der Entwurf der Bundesregierung seit zwei Monaten dem Bundestag vor. Der Beginn der Beratungen und die Stellungnahme des mitberatenden Rechtsausschusses lagen immerhin zwei Wochen zurück. Für den 6. Juni war der Schluß der Beratungen vereinbart, um das Gesetz noch vor der Sommerpause hier im Plenum zu beraten. Trotzdem fand sich die Opposition erst während dieser Abschlußberatung dazu bereit, ihren Änderungsantrag dem Ausschuß vorzulegen, mit dem sie nicht weniger als die grundlegende Umgestaltung des ganzen Gesetzentwurfes anstrebte. Unverständlich war dieser Änderungsantrag aus sich heraus außerdem noch; denn es fehlten umfangreiche Anlagen, die überhaupt noch nicht fertig waren und die Ihnen jetzt in dieser roten Drucksache 7/783 vorliegen.Nicht nur dem mitberatenden Rechtsausschuß, sondern auch dem federführenden Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen wurde auf diese Weise die Möglichkeit umfassender Kenntnisnahme versagt. Das muß an dieser Stelle zu der Bemerkung führen, daß dieser umfangreiche Text, der jetzt erstmalig vorliegt, nach der Übung in diesem Hause, wenn er in Betracht gezogen werden sollte, in den Ausschuß zurückverwiesen werden müßte.
Der zweite Punkt ist eine politische Angelegenheit, nämlich der Versuch der Festlegung der Bundesregierung darauf, daß der Leiter der ständigen Vertretung beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen zu akkreditieren sei und nur mit diesem Umgang haben solle. Wir haben nichts dagegen einzuwenden, daß uns einmal ein solches Verhandlungsergebnis vorgelegt wird. Wer die Bun-
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Dr. Schmudedesregierung aber jetzt schon unter Ausschluß aller anderen Möglichkeiten darauf festlegt, muß wissen, daß er die Verhandlungen unsachgemäß und unnötig belastet. Die Behauptung, die Verhandlungsposition der Bundesregierung damit sogar noch stärken zu wollen, können wir nicht hinnehmen. Wir halten den Vorschlag nicht für akzeptabel.Das dritte. Der Änderungsentwurf, der dem Rechtsausschuß gar nicht und dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen erst in letzter Minute — und dann noch unvollständig — zuging, sah nichts weniger als die Möglichkeit der Einschränkung des Grundrechts der Freizügigkeit vor, wie es in Art. 11 des Grundgesetzes festgelegt ist. Wurde dies schon formal sehr bedenklich ausgeführt, so war es inhaltlich schlicht verfassungswidrig. Art. 11 Abs. 2 des Grundgesetzes zeigt besonders genau diejenigen Voraussetzungen auf, unter denen das Grundrecht der Freizügigkeit allein und ausschließlich eingeschränkt werden darf. Durch den Blick ins Grundgesetz kann sich auch der juristische Laie leicht davon überzeugen, daß dieser enge Katalog der Einschränkungen mit dem von der Opposition verfolgten Zweck nicht das Geringste zu tun hat. Das läßt für uns als Ausschußmehrheit nur die Folgerung zu, daß die Verfasser des Änderungsantrages die Einschränkung eines Grundrechts ausdrücklich vorgesehen haben, ohne auch nur einen einzigen Blick ins Grundgesetz zu werfen, um sich von den dort leicht erkennbaren Grenzen einer solchen Einschränkung zu überzeugen.Wir haben im Ausschuß die Behauptungen ernster Sorge um die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten ebenso wie das Angebot zur Zusammenarbeit zur Kenntnis genommen. Von der Ernsthaftigkeit dieses Vorbringens sind wir jedoch nicht überzeugt worden. Der ebenso nachlässige wie oberflächliche Ansatz zur Mitarbeit am Gesetzentwurf seitens der Opposition spricht eher für das Gegenteil.Unter den geschilderten Umständen sahen Rechtsausschuß und Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen in ihrer Mehrheit keinen Anlaß, den Gesetzentwurf über das im Einvernehmen mit Bundesrat und Bundesregierung vorgeschlagene Maß hinaus zu ändern. Wir schlagen dem Hause vor, der Vorlage in der Ausschußfassung zuzustimmen, und sind sicher, daß damit ein notwendiger und sehr förderlicher Schritt zur Verwirklichung des Grundlagenvertrags getan wird.
Meine Damen und Herren, wir sind inzwischen von der Berichterstattung zur allgemeinen Aussprache in zweiter Lesung übergegangen. Das Wort hat Herr Bundesminister Franke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aller Voraussicht nach wird am 21. Juni 1973 der Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten in Kraft treten. Wir alle in diesem Hause — gleich, wie der einzelnezu dem Vertrag selbst stehen mag — sind uns, so hoffe ich jedenfalls, in dem Wunsch einig, daß die ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland am Sitz der DDR-Regierung nun so schnell wie möglich errichtet wird.Beide Vertretungen, die ständige Vertretung der DDR in Bonn und unsere ständige Vertretung in Ost-Berlin, werden zum gleichen Zeitpunkt ihre Arbeit aufnehmen. Als Voraussetzung für die Aufnahme der Arbeit durch die DDR-Vertretung in Bonn ist zum einen die Regelung der mit der Errichtung der ständigen Vertretungen zusammenhängenden praktischen Fragen notwendig, wie sie nach Art. 8 Abs. 2 des Grundlagenvertrages im Augenblick zum Gegenstand von Verhandlungen zwischen den beiden Regierungen zu machen ist; zum anderen sind die Regelungen des Gesetzes erforderlieh, das wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten.Mit beidem, mit der Regelung der praktischen Fragen und mit dem Gesetz, müssen wir jetzt zu einem schnellen Abschluß kommen. Es ist nicht zu verantworten, bis zum Herbst, also bis zu einem Zeitpunkt nach der Sommerpause, zu warten. Dafür ist viel zu tun. Wir benötigen alle vorgesehenen Kontakt- und Verhandlungsstränge, um allmählich die Fülle dringender Probleme zu bewältigen. Ich darf dabei nur an die Vielzahl der Zuschriften erinnern, die ich aus diesem Hause von Kollegen aller Fraktionen bekomme und die zeigen, daß fast in jedem Wahlkreis im Bereich der persönlichen Dinge Anliegen existieren, die dazu führen, daß sich Bewohner der Bundesrepublik an die Abgeordneten wenden, um Regelungen herbeizuführen, wobei die Hilfe meines Hauses in Anspruch genommen werden sollWir brauchen also schnellstens die Möglichkeit, die seit langem anstehenden Probleme einer Lösung entgegenzuführen. Ich glaube, in diesem Punkte sind wir alle uns einig. Bei diesem Gesetz geht es nun um folgendes:Erstens: Wir müssen unsere ständige Vertretung arbeitsfähig machen. Dies erfordert Vorrechte und Befreiungen von Rechtsvorschriften der DDR. Nach dem Gundsatz der Gegenseitigkeit müssen wir für die ständige Vertretung der DDR hier bei uns die gleichen Arbeitsvoraussetzungen schaffen. Dagegen hat sich hier in diesem Hause niemand ausgesprochen.Zweitens: Für die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an diplomatische Missionen und ihre Mitglieder ist das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961, dem der Bundestag durch das Gesetz vom 6. August 1964 zugestimmt hat, die Rechtsgrundlage. Da wir aber mit der DDR keine diplomatischen Beziehungen aufgenommen haben und nach Art. 8 des Grundlagenvertrages keine Botschafter, sondern ständige Vertreter austauschen, können wir dieses Übereinkommen und das Gesetz dazu nicht anwenden. Die Einigung über den Austausch ständiger Vertretungen kann auch nicht durch den später erfolgten Beitritt der DDR zum Wiener Übereinkommen über diplo-
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Bundesminister Frankematische Beziehungen einseitig aufgehoben werden. Die Rechtsgrundlage für die Gewährung von Erleichterungen, Vorrechten und Befreiungen an die ständige Vertretung der DDR muß daher erst geschaffen werden. Auch dagegen hat sich hier in diesem Hause niemand ausgesprochen. Das Gesetz über die Gewährung von Erleichterungen, Vorrechten und Befreiungen unterstreicht daher die Tatsache, daß zwischen den beiden deutschen Staaten keine diplomatischen Beziehungen bestehen.Drittens: Wenn die ständigen Vertretungen wirklich arbeitsfähig gemacht werden sollen, müssen die üblichen Erleichterungen, Vorrechte und Befreiungen gewährt werden. Die Rechtsgrundlage dazu müssen wir erst neu schaffen, doch die Rechtsfolgen, die von dem bestimmt werden, was zu einer sachgerechten Arbeit erforderlich ist, müssen die im zwischenstaatlichen Verkehr üblichen sein. Sonst können die Vertretungen nicht effektiv arbeiten.Das, meine Damen und Herren, ist die Situation. Im Grundsatz sind wir uns doch alle einig.Der Gesetzentwurf sieht daher die für Bevollmächtigte und Vertretungen üblichen Befreiungen von der Ausweis- und Meldepflicht vor, Befreiungen von Steuern und Zöllen und den Schutz vor Festnahmen und Durchsuchungen. Beide Vertretungen brauchen ein Recht auf die Ausübung ihrer dienstlichen Funktionen und die Bewegungsfreiheit, die dazu erforderlich ist. Sie brauchen ein Recht auf die Befreiung von der Gerichtsbarkeit des empfangenden Staates.Von besonderer Bedeutung ist weiter das Recht auf unbehinderten und unkontrollierten Verkehr mit ihrer eigenen Regierung. Der Gesetzentwurf präjudiziert den genauen Inhalt der mit der DDR noch abzuschließenden Vereinbarungen über die mit der Errichtung der ständigen Vertretung verbundenen praktischen Fragen nicht. Die Regelungen im einzelnen bleiben einer Rechtsverordnung vorbehalten, zu deren Erlaß die Bundesregierung in dem Gesetzentwurf ermächtigt wird. Diese Rechtsverordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrats.Die Opposition hat im innerdeutschen Ausschuß einen Änderungsantrag eingebracht, von dessen Notwendigkeit die Bundesregierung nicht überzeugt ist. Sehen wir einmal davon ab, daß dieser Änderungsantrag Themen enthält, die nicht Gegenstand der Gesetzgebung sind, sondern in der Regelungskompetenz der Bundesregierung liegen. Sehen wir auch von der dort vorgesehenen Einschränkung des Art. 11 des Grundgesetzes ab, die ich für indiskutabel halte. Kernpunkt des Änderungsantrags ist die Spezifizierung der Vorrechte und Befreiungen, die von der Opposition für notwendig gehalten wird, weil der Regierungsentwurf angeblich zu pauschal auf die Regelungen des Wiener Übereinkommens abgestellt sei.Die in dem Gesetzentwurf enthaltene Ermächtigung ist jedoch nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt, da sie in Übereinstimmung mit den entsprechenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts so gefaßt ist, daß klar vorher-sehbar ist, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht wird.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang außerdem noch einmal an das erinnern, was ich eingangs gesagt habe. Wir schaffen ein Gesetz, eben weil der Status der ständigen Vertretungen das erforderlich macht. Die Existenz dieses Gesetzes in Verbindung mit dem Art. 8 des Grundlagenvertrages und den anderen hier relevanten Regelungen des Grundlagenvertrages ist ausreichend, um falschen Schlüssen über die Art der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten vorzubeugen.Man kann auch zu viel des guten tun. Es ist nicht einzusehen, warum es der von der Opposition vorgeschlagenen Änderung bedarf, um den Anschein einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR zu vermeiden. Wir stehen mit dem Grundvertrag auf einem soliden Fundament. Sie können, meine Damen und Herren, was die folgenden Verhandlungen und Vereinbarungen angeht, beruhigt sein; wir werden uns von diesem Fundament nicht entfernen.Aber man kann jetzt auch nicht verlangen, daß die Bundesregierung ihre Vorstellungen von den anzustrebenden Ergebnissen noch nicht abgeschlossener Verhandlungen auf den Tisch legt. Wir wollen jetzt an die Arbeit gehen, um das zu regeln, was notwendig ist, wenn der Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten mit Leben erfüllt werden soll. Dazu gehört nicht zuletzt die Errichtung der ständigen Vertretungen, und darum geht es bei dem anstehenden Gesetz.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Abelein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs auf einige Bemerkungen meiner Vorredner eingehen.Lieber Herr Kollege Dr. Schmude, obwohl es überhaupt nicht meine Aufgabe ist, zu Ihrem Bericht etwas zu sagen, da ich pauschal auf den Bericht der Berichterstatter verwiesen habe, meine ich, die Objektivität hätte es geboten, auch die Ansicht der gar nicht so kleinen Minderheit im Ausschuß mit anzuführen.
Das haben Sie nicht getan. Von einem Bericht war in Ihrem „Bericht" eigentlich nur noch wenig übriggeblieben. Es war im Grunde eine Rede für Ihre Fraktion und Ihre Standpunkte.
Darauf möchte ich nachher noch eingehen.Sehr geehrter Herr Minister Franke, wenn Sie sagen, am 21. Juni 1973 tritt dieser Vertrag in Kraft, und wir gleichzeitig hören, daß das Bundesverfassungsgericht Ende Juli sein Urteil über die Rechtmäßigkeit dieses Vertrages gesprochen haben wird,
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2360 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. Abeleinkennzeichnet das eine merkwürdige Einstellung dieser Bundesregierung zum Recht und zu unserer Verfassung.
Sie meinten im übrigen, wieso diese Erregung herrsche, dieser Gesetzentwurf präjudiziere die Einzelheiten einer Regelung der Stellung der Vertretung der DDR in der Bundesrepublik nicht. Aber das ist doch eigentlich der Witz der Sache. Weil er das nicht tut, unterhalten wir uns doch darüber.
Nun noch einiges zu dem, was Sie sagten und was meines Erachtens richtiggestellt werden muß, Herr Kollege Schmude. Sie meinten, eines der Hindernisse für Sie, einem Änderungsantrag von uns zuzustimmen, hätte darin gelegen, daß die Anlagen nicht vorgelegen hätten. Wenn es das nur war, können Sie ja heute zustimmen; denn jetzt haben Sie die Anlagen. Aber unabhängig davon, Sie waren doch eigentlich überrascht, als auf Ihre Offerte, d. h. auf die Ihres Sprechers im Ausschuß, ob wir denn einen solchen Antrag hätten, von uns ein solcher Antrag sofort vorgelegt wurde. Da zeigte sich nämlich, daß bei Ihnen überhaupt keine Bereitschaft vorhanden war, über einen solchen Änderungsantrag von uns, der eigentlich Ihre verbalen Absichten unterstützen wollte, auch nur zu diskutieren. Sie waren doch von vornherein auf Ihre Ablehnung dieses Antrags festgelegt. Wir werden sehen, welches heute Ihre Haltung dazu sein wird.Ich finde, die Ereignisse dieser Woche haben die Debatte über diesen Gesetzentwurf in einen sehr bedeutenden Zusammenhang gestellt. Als ich Sie, Herr Minister Franke, eben gerade hörte, bekam ich den Eindruck, daß Sie ganz offensichtlich die Auslassungen des Kabinetts der DDR gestern bei der Ratifizierung des Grundvertrages in Ost-Berlin noch gar nicht richtig zur Kenntnis genommen haben,
denn sonst könnten Sie doch eigentlich nicht sagen, Sie stünden auf einem festen Fundament im Zusammenhang mit dem Grundvertrag. Sie haben doch von drüben zu jedem Punkt, den Sie erklärt haben, genau das Gegenteil gehört.
Wenn man sich die Erklärungen der Bundesregierung und der Regierung der DDR vor Augen hält, kann man eigentlich diesen Vertrag nicht anders als einen Dissens von vorne bis hinten qualifizieren, d. h. als Ansammlung von Formulierungen, die ganz offensichtlich Meinungsverschiedenheiten mühsam überkleistert haben.
Wir haben gegen Vereinbarungen mit der DDR und gegen gesetzliche Regelungen, die diese Vereinbarungen ausfüllen, im Grunde überhaupt nichts einzuwenden. Was wir wollen, ist nur, daß diese Vereinbarungen und diese gesetzlichen Regelungen klar sind, denn das ist die Funktion des Rechts.Diese Funktion, diesen Zweck erfüllt dieser Gesetzentwurf in keiner Weise.
Wir haben mehrfach erklärt, wir wollen, daß aus dem Grundvertrag und aus den übrigen sogenannten Ostverträgen das Beste für unser Land und seine Menschen gemacht wird. Normalerweise könnte man eigentlich davon ausgehen, daß man aus Schaden klug wird. Das ist eine Volksweisheit, die für alle gilt; nur für diese Bundesregierung gilt sie nicht, denn die wird nicht klug aus Schaden. Denken Sie an all die üblen Erfahrungen, die wir im Zusammenhang mit Grundvertrag und Besucherregelungen gemacht haben, oder etwa an das Bei- spiel, wie durch eine Verordnung der Regierung der DDR Vereinbarungen über die Arbeit von Korrespondenten ausgehöhlt worden und heute noch ausgehöhlt sind, wobei noch hinzugesagt wurde, man werde diese Verordnung allenfalls großzügig auslegen — bei entsprechendem Wohlverhalten der Bundesregierung, versteht sich.All diese Erfahrungen hätten die Bundesregierung veranlassen müssen, bei einem so schwierigen Vertragspartner, wie ihn die DDR darstellt, auch in Gesetzestexten und Vereinbarungen ein Höchstmaß an Klarheit zu ,erreichen. Ich persönlich bin der Meinung, bei einem Vertragspartner, mit dem wir es zu tun haben — mit der Regierung der DDR oder aber mit den Sowjets generell —, muß man bis ins einzelne gehende Regelungen treffen. Man muß nahezu von vornherein jeden Buchstaben interpretieren. Nur dann sind Sie dagegen abgesichert, daß Ihnen die Begriffe nachher genau in ihr Gegenteil verkehrt werden.
Ich sagte es bereits: Wie notwendig diese rechtliche Klarheit ist, zeigen die Ausführungen, die gestern bei der Ratifizierung des Grundvertrages durch die Ostberliner Volkskammer gemacht wurden. Der Außenminister ,der DDR, Winzer, widerspricht ausdrücklich nahezu allem, was die Bundesregierung zum Grundlagenvertrag in diesem Hause erklärt hat. Die Bundesregierung erklärt, der Vertrag halte die deutsche Frage offen. Die Regierungskoalition und die Bundesregierung erklärten, der Vertrag gehe von der tatsächlichen gegenwärtigen Lage aus, er stelle einen Modus vivendi dar, der Brief zur deutschen Einheit stelle sicher, daß die Wiedervereinigung des ganzen deutschen Volkes in Selbstbestimmung auch in Zukunft notwendig sei. Darin werden wir die Bundesregierung unterstützen.Doch der Grundvertrag hätte all diese Dinge eindeutig klären müssen. Dann könnte nämlich die DDR die Interpretationen der Bundesregierung jetzt nicht als — so wörtlich Winzer — absurd hinstellen und erklären, auch eine friedliche Änderung der Grenzen komme nicht in Betracht. Die DDR sei für immer und unlösbar in die sozialistische Staatengemeinschaft eingegliedert, und das sei auch die Grundlage ihrer
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Dr. AbeleinBeziehungen zur Bundesrepublik Deutschland. Das sind Sätze, die für uns nicht akzeptabel sind.Für uns lautet die Frage jedoch erneut: Ist das denn für die Bundesregierung akzeptabel? Was hat denn die Bundesregierung gegen diese Interpretation von seiten des anderen Vertragspartners unternommen? bas wäre für uns nämlich im Zusammenhang mit gesetzlichen Regelungen, die ,den Grundlagenvertrag ausfüllen sollen, in hohem Maße interessant.Winzer erklärt bei der gleichen Gelegenheit, die Beziehungen zwischen den beiden Staaten in Deutschland seien auch völkerrechtlicher Art. Er sagt welter, es seien irreführende Behauptungen,die Bundesregierung von dem besonderen Vorhältnis zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland spreche. Darum geht es doch gerede, daß die besonderen Beziehungen — und hier welln wir die Bundesregierung ja unterstützen —erneut herausgestellt werden. Gerade das tun Sie aber in dem Gesetzentwurf nicht. Sie lassen die Frage offen.Lassen Sie mich an dieser Stelle noch auf folgendes hinweisen: Die Klage des Landes Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht zeigt sich für uns alle jetzt in einem neuen Licht. Denn es steht fest, daß sie unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens einen guten Zweck erfüllen wird. Auch für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht die Klage ablehnen wird, müßte es doch in einer verfassungskonformen Auslegung feststellen, daß der Grundvertrag eben kein Hindernis für die Wiederherstellung der deutschen Einheit und daß die deutsche Frage offen ist, daß das Selbstbestimmungsrecht in allen Teilen Deutschlands nach wie vor Aktualität besitzt. Ein solcher Spruch des Bundesverfassungsgerichts wäre für uns alle sehr wertvoll, wertvoller als eine Interpretation der Bundesregierung oder der Regierungskoalition, die hernach doch irgendwann einmal wieder relativiert werden könnte.
lch sagte bereits, Herr Winzer hat den Charakter der besonderen Beziehungen, den die Bundesregierung immer herausstellt, als absurd hingestellt. Deswegen muß in einer rechtlichen Regelung auch nur der geringste Anschein einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR ausgeschlossen werden. Denn die Aufnahme völkerrechtlicher Beziehungen in der Form der Anerkennung durch diplomatische Beziehungen mit der weiteren Folge, daß dann die DDR unbestritten Ausland wäre, hätte für uns alle nichts Gutes zur Folge. Es muß daher sichergestellt werden, daß sich aus der Errichtung dieser Vertretungen und aus deren rechtlichen Status keine Tatbestände ergeben die die Vertretungen in den Rang diplomatischer Missionen erheben und damit zur völkerrechtlichen Anerkennung der DDR beitragen könnten. Das aber ist zweifellos die Absicht der DDR, wie sich gestern erneut gezeigt hat.Die Bundesregierung hat viel getan, um uns mißtrauisch zu machen. Die verschiedenen Äußerungen der Bundesregierung und aus dem Lager der Bundesregierung und der Koalition, offizielle oder in-offizielle, geben im Grunde zu den verschiedenartigsten Interpretationen Anlaß. Es kommen Zweifel in die Absichten der Bundesregierung auf. Wir wissen, daß der ehemalige Chefredakteur des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel" Gauss, der der erste Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin sein soll, schon wiederholt und öffentlich für die völkerrechtliche Anerkennung der DDR und des SED-Regimes eingetreten ist.
Das ist ein weiterer Anlaß, hier Klarheit zu schaffen.Ich muß sagen: Wir stellen uns unter „besonderen Beziehungen" auch etwas anderes vor, als zuerst aus dem „Neuen Deutschland" über die besonderen Aktionen des Chefs der Mehrheitsfraktion in der DDR erfahren zu müssen.
Möglicherweise wurde auch dabei über diese Dinge gesprochen. Aber diese Art von Geheimdiplomatie gibt uns nicht die notwendigen Sicherungen, daß es der Bundesregierung mit ihren verbalen Absichten auch tatsächlich ernst ist.
Durch solche Äußerungen und Vorgänge gerät die Bundesregierung ins Zwielicht, und wir werden mißtrauisch. Der Regierungsentwurf sagt eben nichts über Errichtung, Form und Tätigkeit der ständigen Vertretung aus, sondern er fordert uns zu einer Blankoermächtigung für eine Rechtsverordnung auf, in der dann die Einzelheiten der ständigen Vertretung niedergelegt werden sollen. Hier sind wir überfordert.Es handelt sich um eine Ermächtigung. Irgendeine Parallele zu einem anderen Ermächtigungsgesetz ist überhaupt nicht beabsichtigt. Aber es ist eine Ermächtigung durch ein Gesetz und damit ein Ermächtigungsgesetz. Wir wollen aber dieser Bundesregierung eine so weitgehende Ermächtigung in einem so wichtigen Fall nicht geben.
Im übrigen bin ich nach wie vor der Ansicht, daß die Kontrolle der Bundesregierung eigentlich eine gemeinsame Aufgabe des gesamten Parlaments ist.
Sie entziehen sich doch dieser Aufgabe, wenn Sie dieser Bundesregierung von vornherein eine Blankoermächtigung geben. Es handelt sich hier doch darum, daß die parlamentarischen Gremien von der weiteren Beratung eines für die Zukunft unseres Landes — ja ich sage: des ganzen Deutschland — sehr wichtigen Gegenstandes ausgeschlossen und damit vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
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2362 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. AbeleinUm diesem Mißstand abzuhelfen, haben wir den vorliegenden Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Bundesregierung eingebracht. Dieser Änderungsantrag beinhaltet materiell die wesentlichen Voraussetzungen hinsichtlich Form, Einrichtung und Arbeitsweise der ständigen Vertretung der DDR in der Bundesrepublik Deutschland, allerdings in einer Weise, daß danach über Form und Tätigkeit der ständigen Vertretung eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR nicht konstruiert werden kann.Wenn Sie, wie Sie im Ausschuß beteuert haben, mit diesen Dingen weitgehend einverstanden sind, Herr Minister, meine Herren von der Koalition, dann frage ich mich: Wieso monieren Sie eigentlich, daß dadurch Ihr Verhandlungsspielraum eingeengt werde? Das ist doch ein weiteres Motiv für Mißtrauen. Denn wenn Sie inhaltlich genau der gleichen Ansicht sind, daß das dabei herauskommen muß, dann brauchen Sie doch in diesen Fragen keinen Verhandlungsspielraum mehr.
Bei unserem Vorschlag geht es um folgendes. Wir wollen Erleichterungen, Befreiungen und Vorrechte der ständigen Vertretung und ihrer Mitglieder, allerdings in einer Einzelaufzählung. Hierbei haben wir sicherlich eine Fülle von Einzelheiten auch der Wiener Konvention entnommen. Aber die Wiener Konvention soll durch eine direkte oder indirekte Bezugnahme wegen der Gefährlichkeit der Absicht der DDR-Regierung, aus einem solchen Gesetz und aus einer solchen Verordnung diplomatische Beziehungen zu konstruieren, eben nicht angewendet werden.Der Leiter der ständigen Vertretung der DDR in der Bundesrepublik Deutschland sollte nach unserer Ansicht beim Minister für innerdeutsche Beziehungen akkreditiert werden. So steht es in unserem Änderungsantrag. Wenn Sie meinen, er soll beim Bundeskanzleramt akkreditiert werden, dann lassen wir — im Gegensatz zu Ihnen mit uns darüber sehr wohl reden.
Wir wollen auch ausschließen, daß der Leiter der ständigen Vertretung gleichzeitig bei einem ausländischen Staat oder einer internationalen Organisation akkreditiert wird. Sie alle kennen entsprechende Gerüchte, wonach der Leiter der ständigen Vertretung gleichzeitig in einem benachbarten Staat Botschafter sein soll. Dann sitzt er hier mit dem Titel „Botschafter"; aber in der Bundesrepublik Deutschland ist er offiziell nur ständiger Vertreter. Bei jeder Gelegenheit wird er allerdings, und zwar sicherlich von vielen — irgendwann wahrscheinlich auch einmal von Ihnen —, mit „Herr Botschafter" angeredet.
— Ja, möglicherweise als „Exzellenz".
Damit hätten Sie einen weiteren Tatbestand für dieAufwertung in eine diplomatische Position gesetzt.Das wollen wir nicht; das wollen wir auch Ihrem Verhandlungsspielraum entziehen. Er soll nicht in die Liste des Diplomatischen Corps aufgenommen werden.Der Personalbestand der ständigen Vertretung der DDR sollte auf der Grundlage der Gegenseitigkeit geregelt werden. Dafür gibt es eine Reihe von Motiven, denn wie wir wissen haben sowjetische Vertretungen und auch DDR-Vertretungen eine Fülle von Aufgaben am Rande diplomatischer oder sonstiger Vertretungszuständigkeiten, die wir in unserem Lande gern etwas begrenzt sähen.
Das hängt zweifellos mit der Zahl der Mitglieder zusammen.Es lag uns fern, mit diesem Vorschlag den Verhandlungsspielraum der Bundesregierung für die bevorstehenden Verhandlungen mit Ost-Berlin einengen zu wollen. Wir wollen mit unseren Änderungsvorschlägen nur erreichen, daß garantiert ist, daß eine völkerrechtliche, eine diplomatische Anerkennung der DDR im Zusammenhang mit der Errichtung und der Tätigkeit einer ständigen Vertretung nicht erfolgen kann.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmude?
Ja, gern.
Herr Kollege Abelein, wollen Sie uns vielleicht einmal sagen, ob es auf einem Schreibfehler oder einem Mißverständnis beruht, daß es in Satz i der Anlage zu Ihrem Änderungsantrag ohne Rücksicht auf ein eventuelles Verhandlungsergebnis definitiv heißt: „Die Bundesrepublik Deutschland gewährt der Ständigen Vertretung ... Vorrechte und Befreiungen in folgendem Umfang:"?
Auf welcher Seite? Sagen Sie mir doch, wo das steht!
Es handelt sich um den ersten Satz der Anlage zu Ihrem Änderungsantrag, wo dies definitiv steht.
Das, was dort steht, wollen wir in der Tat. Diese Erleichterungen sollen nach § 1 Abs. 2 gewährt werden können.
— Im übrigen haben wir das im Ausschuß genau erklärt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2363
Dr. Abelein— Sie sollen gewährt werden können. Sie haben ja die Möglichkeit, noch eine Rechtsverordnung zu erlassen. Das wollen wir Ihnen nach wie vor lassen. Wir wollen diese Rechtsverordnung, die Sie beabsichtigen, hier keineswegs unmöglich machen. Wir wollen nur den Ermächtigungsspielraum für diese Bundesregierung einschränken,
im übrigen in einer Reihe von Punkten, bei denen Sie uns beteuern, daß Sie der gleichen Meinung wie wir seien. Wieso schreiben Sie es dann nicht in das Ermächtigungsgesetz? Darum geht es uns.
Damit bin ich eigentlich am Schluß. Wir wollten mit diesem Abänderungsantrag erstens einen Beitrag leisten zur Klarheit in einer unklaren Angelegenheit, und zweitens wollten wir einen Beitrag leisten für die Gestaltung einer — wie Sie sie doch auch wünschen — breiteren Basis für die Deutschlandpolitik. Das war unser Anliegen, und Sie haben die Chance, jetzt zu dieser breiteren Basis durch Ihre Zustimmung mit beizutragen.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Höhmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Abelein hat hier zu Beginn seiner Ausführungen die mündliche Berichterstattung unseres Kollegen Dr. Schmude kritisiert.
Wir sind der Auffassung, daß bei dem sehr knapp gehaltenen Schriftlichen Bericht beide Berichterstatter hier das Wort nehmen sollten und daß jeder Berichterstatter für die Mehrheits- wie für die Minderheitsauffassung jeweils erläutern würde, was die Auffassung seiner Seite ist. So ist also der Kollege Dr. Schmude anzusehen als der Berichterstatter für den Teil, der als Mehrheitsmeinung im Schriftlichen Bericht festgehalten ist.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie da jetzt Schwierigkeiten haben, so liegen diese nur darin begründet, daß es keine gründliche Abstimmung zwischen Ihnen und uns in dieser Frage gegeben hat, vielleicht auch nicht geben konnte, weil in der Festlegung des Zeitpunktes der zweiten und dritten Lesung, also eigentlich noch bis heute morgen — jedenfalls für uns, die wir von Berlin zurückkamen —, nicht völlige Klarheit bestanden hat. Dies war von unserer Seite keine Absicht; das möchte ich betonen. Ich finde, daß die Berichterstattung des Kollegen Dr. Schmude, da er die Mehrheitsmeinung in dieser Weise dargestellt hat, insofern korrekt war, denn er hat nicht vorgehabt undauch nicht vorgegeben, für den ganzen Ausschuß zu sprechen.
— Natürlich war es das.Die zweite und dritte Lesung dieses Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Erleichterungen, Vorrechten und Befreiungen an die Ständige Vertretung der Deutschen Demokratischen Republik basiert auf dem Grundlagenvertrag, den der Deutsche Bundestag schon verabschiedet hat und der hoffentlich bald in Kraft treten wird. Wir haben auch bei der Rede des Kollegen Dr. Abelein wieder gespürt, daß eine ganze Reihe von Kollegen mit diesem Grundlagenvertrag noch hadert. Wenn dann solche Bemerkungen kommen wie z. B. die, normalerweise werde man aus Schaden klug, nur die Bundesregierung werde es nicht, so muß ich sagen, sind das ein paar kleine spritzige Argumentchen, die wir aber, Herr Kollege Dr. Abelein — wie Sie vielleicht manches von unserer Seite — nicht ganz ernst nehmen. Denn ganz offensichtlich besteht bei der Opposition eine Schwierigkeit, die darin begründet ist, daß man nicht begreifen und verarbeiten konnte, daß die bisher erstarrten Fronten in Ost und West so schnell in Bewegung geraten sind. Wir haben mit dem Grundlagenvertrag das Prinzip Grabenkrieg nun endlich überwunden und sind zum Prinzip der Flexibilität gelangt.
Dies gereicht der Bundesrepublik zum Vorteil, Herr Kollege Dr. Marx, und gab auch der Bundesregierung einen erweiterten Handlungsspielraum. Besonders soweit es die Ostpolitik betrifft, hat noch keine der früheren Bundesregierungen einen solchen Handlungsspielraum gehabt, wie ihn heute unsere Bundesregierung hat.Die CDU/CSU demonstrierte in diesen Fragen zunächst Einigkeit. Das war sehr einfach; man war nämlich in Eintracht dagegen, befand sich aber dann in Zwietracht, wenn es darum ging, einmal zu erklären, wofür man denn sei. Ein aufmerksamer Beobachter der Bonner Szene, Kurt Becker, bemerkte am 17. Mai im „Kölner Stadt-Anzeiger" dazu — ich zitiere :Aus bloßem Public-Relations-Denken heraus ein Nein zu zelebrieren, stellt keinen ermutigenden Ansatz zur inneren Erneuerung der Unionsparteien dar.Man muß dies einmal auf der Zunge zergehen lassen:
aus Public-Relations-Gründen ein Nein zu zelebrieren.
Ich finde dies ganz hervorragend dargestellt.
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2364 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
HöhmannDies ist genau das, was hinter vorgeschobenen Gründen, die in der Öffentlichkeit vorgebracht wurden, eigentlich zu suchen ist.Der gleiche Verfasser trifft folgende zweite Feststellung:Bei allem Verständnis für die innere Krise der Unionsparteien aus Gründen der personellen Rivalität, die sich auch in der wechselseitigen Schwächung ihrer führenden Männer ausdrückt: die vordergründigen Motivationen der Oppositionsführung stehen in einem enttäuschenden Kontrast zur politischen Größenordnung der Deutschlandpolitik.In Umgangssprache übersetzt, heißt das: Die vordergründigen Motivationen der Opposition sind kleinkariert.Der Kollege Dr. Abelein hat hier — ich spreche ja noch vom Grundlagenvertrag - die Art und Weise der Reise des Chefs der Mehrheitsfraktion nach Ost-Berlin kritisieren wollen. Herr Kollege Dr. Abelein, ich weiß nicht, ob Sie in der Ausschußsitzung anwesend waren, in der der Kollege Wehner und der Kollege Mischnick über ihre Gespräche und deren Ergebnisse berichtet haben. Ich möchte darauf hinweisen, daß sich der Ausschußvorsitzende ausdrücklich für die Berichte bedankt hat, weil sie den Horizont und das Wissen der einzelnen Mitglieder des Ausschusses sicher erweitert hätten, daß man aber nicht — dies ist völlig klar in jeder Weise mit ihnen übereinstimme. Warum Sie dies nun zum Anlaß nehmen, die Reise an sich oder die Art und Weise, wie sie zustande gekommen ist, zu kritisieren, ist mir unerfindlich. Ich bin jedenfalls beiden Fraktionsvorsitzenden außerordentlich dankbar, daß auch sie den Versuch unternommen haben, noch etwas mehr Licht in die Probleme innerdeutscher Beziehungen und besonders in manche dunkle und für uns etwas mystisch klingende Aussprüche der anderen Seite hineinzubringen.
Auf der Suche nach der eigenen Identität, der Identität der Union, hat man nun — ich komme auf das zurück, was Kurt Becker angeführt hat — die Personen ausgewechselt, also die personellen Rivalitäten überwunden. Für uns war das allerdings noch kein eindrucksvoller Kraftakt. Für den Außenstehenden ist auch dies eine vordergründige Maßnahme, etwa nach dem Motto: Es rast der See, er will sein Opfer haben.Es geht darum, hier den dunklen Hintergrund zu erhellen. Dies ist dem Kollegen Dr. Strauß, dem Vorsitzenden der CSU, vor etwa drei Wochen fast gelungen. Die etwas gespenstische Szene wurde durch ein Zitat von ihm schlagartig erhellt. Dieses Zitat will ich hier zur Kenntnis bringen. Auf die Frage - ich zitiere jetzt wörtlich —: „Rainer Barzel hat nach seinem Rücktritt von Außensteuerung oder Fremdsteuerung gesprochen. Wie sehen Sie dieses Problem des inneren Zusammenhangs in der Fraktion?" antwortete der CSU-Vorsitzende:Wir können uns ja doch nicht, wenn die CDUgespalten ist, deshalb nur aus Sympathie eben-falls spalten. Unsere Abgeordneten sind ja keine Hampelmänner oder Marionetten, die um der Einigkeit willen eine geschlossene Stimmabgabe herbeiführen.Dies also gab Herr Strauß von sich. Ich habe dieses Zitat hier angeführt, weil ich denke, daß dieser Zeuge Ihnen einigermaßen unverdächtig ist. Herr Strauß spricht ganz offen von der Spaltung der CDU, und er ist sicher unverdächtig, weil er der Schwesterpartei angehört, Ihnen also nahesteht, wenn auch manchmal so nahe, daß er fast im Wege steht.
Es geht also im wesentlichen darum — das liegt in unser aller Interesse —, daß die programmatischen Entscheidungen fallen, wo Ihre eigentlichen Schwierigkeiten ja liegen. Dies liegt auch in unserem Interesse. Es geht der Koalition darum, Klarheit darüber zu gewinnen, was Sie denn eigentlich wollen. Wir möchten wissen, woran wir sind. Vorher, Herr Kollege Dr. Abelein, bevor die programmatischen Fragen entschieden sind, gibt es eigentlich keine ersprießliche Zusammenarbeit in wichtigen Fragen innerdeutscher Politik. Ich werde mir die Mühe machen, dies an Ihren eigenen Zitaten noch etwas näher darzulegen. Denn mit welchem Oppositionsabgeordneten immer man in der Vergangenheit sprach, er äußerte eine persönliche Meinung, wenn er nicht. nur einfach nein sagte und sich darauf beschränkte. Neinsagen ist ja wohl nicht der Weisheit letzter Schluß.
Das uns jetzt für die zweite und dritte Lesung vorliegende Gesetz ich komme noch auf alle Einzelheiten zurück, Herr Kollege Reddemann; Sie werden sich wundern, in wie kurzer Zeit Aussagen innerhalb Ihrer Fraktion wechseln — scheint jetzt also die gleiche Behandlung erfahren zu sollen wie der Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Manches, was in den Monaten April und Mai noch Geltung gehabt hat, wird heute am Ende der parlamentarischen Beratung dieses Gesetzentwurfs ganz verschämt zurückgehalten. Die ursprünglich in einigen Punkten offene Haltung der Opposition hat sich auf eine sehr schmale, vielleicht bayerische Route zusammengedrängt.Dafür einige Beispiele! Wir sind Ende des Monats Mai noch davon ausgegangen, daß die CDU/CSU-Fraktion neben anderen konträren Auffassungen folgende Gesichtspunkte mit der Koalition gemeinsam vertreten wolle. Erstens. Der Leiter der ständigen Vertretung der DDR soll nicht beim Bundespräsidenten und beim Auswärtigen Amt, sondern beim Minister für innerdeutsche Beziehungen oder beim Bundeskanzleramt akkreditiert werden.
Zweitens. Die arbeitsmäßige Zuordnung der ständigen Vertretung soll nicht zum Auswärtigen Amt, sondern zum Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen bzw. Bundeskanzleramt erfolgen. Drit-
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Höhmanntens. Eine Einordnung des ständigen Vertreters und der Angehörigen der ständigen Vertretung soll nicht in den drei diplomatischen Rangklassen nach Art. 14 des Wiener Abkommens vorgenommen werden.Dies, Herr Kollege Dr. Abelein, wird Ihnen sehr wohl in den Ohren klingen. Denn dies haben Sie als deutschlandpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion in Ihrem Pressedienst am 24. Mai 1973 verkündet. Am 8. Juni 1973 haben Sie dann wieder einen Artikel herausgegeben, nämlich im „Deutschland-Union-Dienst", da steht nun drin: Erstens. Der ständige Vertreter der DDR wird beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen akkreditiert. — Da stand früher „oder beim Bundeskanzleramt".Zweitens. Die Wahrnehmung dienstlicher Beziehungen zur ständigen Vertretung der DDR obliegt dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen. — Da stand früher „bzw. Bundeskanzleramt".
Ihr Antrag sagt auch gar nichts anderes, d. h. Ihre vorher etwas offene Haltung, Herr Kollege Dr. Marx, ist durch irgend jemanden von rechts und links zusammengedrückt worden auf eine ganz schmale Parteilinie.
Herr Abgeordneter Höhmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reddemann?
Herr Kollege Höhmann, auch wenn Sie Ihr Manuskript vorher schon fertig gehabt haben sollten: haben Sie eben nicht vernommen, daß der Herr Kollege Abelein in der Begründung unseres Antrages erklärt hat, wir seien durchaus flexibel, die Anbindung auch beim Bundeskanzler vorzunehmen, genau so, wie er es zu Beginn und weiterhin gesagt hat?
Ich habe dies zur Kenntnis genommen und habe mich deshalb gewundert, daß der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen dort mutterseelenallein steht. Ich muß mich fragen, was denn damit gewollt ist. Hat es bei der Verabschiedung dieses Antrages in Ihrer Fraktion Schwierigkeiten darüber gegeben, daß dies auch das Bundeskanzleramt sein könne? Das müssen wir vermuten. Wenn es diese nicht gegeben hat, dann muß irgend jemand uns erklären, was dies denn bedeuten soll.
Zum Dritten! Im „Deutschland-Union-Dienst" wird auch erklärt, daß die Gesetzesermächtigung nun mit einemmal eine Blankovollmacht sei, welche die Gefahr beinhaltet, daß Zugeständnisse eingeräumt werden — ich zitiere wörtlich —, welche die völkerrechtliche Anerkennung begünstigen, wenn nicht gar herbeiführen. Ich muß sagen, diese sichtbare Einengung der politischen Linie ist uns eben aufgefallen, und wir erwarten ihre Erklärung.
Das hat ja den Niederschlag in dem Antrag gefunden, den Sie uns vorgelegt haben. Herr Kollege Dr. Abelein, Sie haben hier noch einmal gesagt, Sie hätten, als wir danach fragten, diesen Antrag sofort vorgelegt und wir seien darüber sehr überrascht gewesen.
Nun muß ich das, was Herr Kollege Dr. Schmude in seinem Bericht schon angesprochen hat, hier noch einmal breitwalzen, damit völlig klar wird, was sich eigentlich abgespielt hat. Es ist nämlich eine Frage der Art und Weise, wie solche Dinge von wirklich erheblicher Bedeutung durch die Opposition behandelt werden.
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2366 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
HöhmannIch glaube also, besonders ernst mußten wir das nicht nehmen, und wir nehmen es auch heute noch nicht besonders ernst.Herr Präsident, ich darf die Zeit, die ich hier für die Beantwortung von Zwischenfragen aufwenden mußte, wohl noch nutzen, um zum Schluß zu kommen.
Herr Kollege, diese Zeit hatte ich bereits einbezogen. Aber bitte, sprechen Sie noch zu Ende!
Was uns unterscheidet, ist ja doch, daß Sie meinen, man müsse aus nach Ihrer Auffassung berechtigtem Mißtrauen gegenüber der Regierung dieser die Marschroute für Verhandlungen mit Ost-Berlin genau vorschreiben. Ich bin sogar bereit, zu sagen: Dies ist sogar die Pflicht der Opposition. Denn wohin wollten wir kommen, wenn die Opposition darauf vertraute, daß es die Regierung schon recht machen werde!
Unsere Stellung gegenüber der Regierung ist selbstverständlich eine ganz andere.
Sie ist etwa so wie die der Unionsparteien vor 1966,
Herr Kollege Dr. Marx. Da waren die Verhältnisse
fast genauso, nur die Vorzeichen waren umgekehrt.
— Herr Kollege Dr. Abelein, ich muß zum Schluß kommen, damit mich der Präsident nicht vom Podium verscheucht.
Wir sind der Meinung, daß diese Regierung Handlungsspielraum haben muß für das, was Sie ihr vorschreiben wollen. Wir wollen es daher nicht vorschreiben, sondern sie soll den Handlungsspielraum so ausfüllen, wie es das Gesetz vorsieht.
Es tut mir schrecklich leid, daß ich etwas abrupt abbrechen muß. Ich möchte aber noch eines sagen: Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht den Intentionen der SPD-Fraktion; denn beruhend auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit wollen wir unserer ständigen Vertretung in Ost-Berlin möglichst viel Bewegungsspielraum verschaffen. Dafür ist Voraussetzung, daß die DDR-Vertretung bei uns ebenso gestellt wird. Die Erleichterungen, die wir zugestehen, kommen also wiederum uns zugute. Dieses auszuhandeln ist Aufgabe der Regierung. Sie können sagen: Die Opposition hat auch die Macht, das der Regierung vorzuschreiben. Das werden wir nachher per Abstimmung erledigen müssen. Dann wissen wir, wie die Mehrheitsverhältnisse in diesem Bundestag sind. Die SPD-Fraktion jedenfalls stimmt diesem Gesetzentwurf zu.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt mir daran, Herrn Kollegen Schmude vor dem Vorwurf in Schutz zu nehmen, er habe in seiner Berichterstattung die Auffassung der Ausschußminderheit über Gebühr verkürzt. Wenn Sie kritisiert hätten, daß in der Berichterstattung eine Wertung enthalten gewesen wäre, würde ich darüber mit mir reden lassen; auch das sollte nicht geschehen. Aber der Inhalt der Kritik der Opposition ist, so scheint mir, sachlich korrekt dargestellt worden.Die politische Ausgangslage, aus der heraus die Opposition argumentiert, ist in bemerkenswerter Weise durch die Erregung gekennzeichnet worden, die die Ausführungen des Außenministers der DDR Winzer dort hervorgerufen hat. Wenn Sie sich darüber überrascht zeigen, daß Herr Winzer zur Frage der Nation vor der Volkskammer die Position der DDR vertritt und dazu entsprechende Ausführungen macht, so erscheint mir das fast unbegreiflich. Wir hatten bei der Beratung des Grundlagenvertrages gemeinsam davon auszugehen, daß es in dieser Frage eben nicht zu einem Einvernehmen gekommen ist und daß sich die Zielvorstellungen der Bundesregierung in diesem Punkt nicht erfüllen ließen. Allerdings konnten wir mit dem Vertrag gleichwohl die deutsche Frage offenhalten. Das ist und bleibt unsere Position. Wenn der Vertreter der Regierung der DDR dagegen die Auffassung der DDR stellt, sollte uns das nicht schrecken. Schon gar nicht lassen sich daraus aber rechtliche Wertungen für jene Vorlage ableiten, die heute zur Beratung und Beschlußfassung ansteht.Aus den Ausführungen des Sprechers der Opposition hörte man immer nur das Nein zur Deutschlandpolitik der Bundesregierung. Bei der formulierten Ablehnung des vorliegenden Gesetzentwurfs versuchen Sie allerdings, Ihre starre Grundhaltung mit juristischen Argumenten zu verbrämen. Aber dieses Mäntelchen ist schlecht geschneidert. Die rechtlichen Darlegungen werden auch dadurch nicht besonders überzeugend, daß eine vom Bundesrat vertretene Auffassung von Ihnen übernommen wird. Schließlich ist der Bundesrat keine gelahrte juristische Fakultät, sondern ein Verfassungsorgan, in dem handfeste Politik gemacht wird.
— Manchmal geschieht das sehr zupackend, Herr Kollege Reddemann; und ich nehme dies .den Mitgliedern des Bundesrats gar nicht übel. Aber wenn sie es tun und wenn sie sich dabei von parteipolitischen Erwägungen leiten lassen, dann leidet darunter oft auch die Qualität der Beweisführung. Genau einen solchen Fall haben wir hier vor uns. Der Bundesrat hat mit der Bundesregierung die Auffassung vertreten, daß eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR nicht in Frage kommt und daß folglich Befreiungstatbestände, wie sie für ausländische Angehörige der diplomatischen Vertretungen in der Bundesrepublik bestehen, auf die Angehörigen einer ständigen Vertretung der DDR nicht angewendet werden können. Deshalb muß die Rechtsstellung der ständigen Vertretung so be-
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Hoppestimmt werden, daß jeder Anschein vermieden wird, als handele es sich hier um diplomatische Beziehungen oder um die Vertretung eines ausländischen Staates. Insoweit besteht also eine völlige Übereinstimmung der Auffassungen.Nun schließt der Bundesrat an diese Argumentation die Feststellung an: Hierzu ist es notwendig, an Stelle der generellen Verweisung auf das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 lediglich dessen Bestimmungen über Erleichterungen, Vorrechte und Befreiungen einzeln im Gesetz aufzuzählen. Diese Schlußfolgerung ist nicht zwingend. Was hier verlangt wird, ist eine ganz bestimmte gesetzestechnische Lösung. Ich darf sagen: es ist ganz gewiß nicht die beste, allenfalls ist es eine unter vielen denkbaren Lösungen. Was uns dagegen als Lösungsvorschlag von der Bundesregierung unterbreitet wird, entspricht genau dem bekundeten politischen Willen und bringt die Lösung der anstehenden Fragen mit einem geeigneten und angemessenen Mittel. Auch die generelle Verweisung auf die Befreiungstatbestände des Wiener Übereinkommens ist so bestimmt, daß über den Inhalt der gesetzlichen Ermächtigung nicht gestritten werden kann. Gerade die Verweisung auf das Abkommen in Verbindung mit der Begründung, die die Bundesregierung für diesen Vorgang gegeben hat, macht überzeugend deutlich, daß wir wegen der Ausnahmesituation, in der sich die beiden Staaten im Verhältnis zueinander befinden, diesen Weg einer besonderen Gesetzgebung gehen mußten. Das Gesetz selbst verdeutlicht, daß es eine unmittelbare Erstreckung des Wiener Abkommens auf die Vertretung der DDR nicht geben kann.Aber was mich an der ganzen Auseinandersetzung am meisten stört, ist die Art und Weise, in der die Opposition argumentiert. Dabei wird der Bundesrat stets als Knüppel aus dem Sack bemüht, gewissermaßen als politische Zuchtrute, mit der Regierung und Koalitionsparteien die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Opposition eingebleut werden soll. Dazu bedarf es dieser Methode gar nicht. In dieser für die nationale Aufgabe so entscheidenden Frage würden wir mit Ihnen gern Gemeinsamkeit üben; aber die Opposition verwechselt offenbar Gemeinsamkeit mit Unterwerfung. Der Unterwerfungsprozeß hat sich in Ihrer Fraktion offenbar schon so häufig vollzogen, daß Sie fast drauf und dran sind, dies als einen normalen Vorgang zu empfinden.
Zu einer solchen Form von Gemeinsamkeit werden Sie uns nicht bringen; dafür werden wir uns auch weiterhin bedanken.
Und doch ist es bedauerlich, daß die Opposition Kritik um jeden Preis auch dann übt, wo es in der Sache überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten zu geben braucht!Ich glaube, ich habe deutlich machen können, daß wir den Vorgang völlig deckungsgleich beurteilen,und es ist sicher, daß die Lösung des Problems in der geeigneten gesetzgeberischen Weise herbeigeführt wird. Die Besonderheit der Stellung der zwei deutschen Staaten zueinander wird damit normativ bestätigt. Auch wenn es dem Außenminister der DDR nicht passen sollte, werden wir dieses spezifische Verhältnis weiterhin so kennzeichnen, wie es nun einmal zu umschreiben ist, nämlich dahin, daß die beiden deutschen Staaten füreinander nicht Ausland sind. Gerade das begründet den Ausnahmecharakter.Dem aber trägt der Gesetzentwurf der Bundesregierung voll Rechnung. Ja, er löst die rechtliche und politische Problematik in überzeugender Weise. Wer dennoch diesen Weg nicht mitgehen will, der setzt sich dem Verdacht aus, daß es ihm auf die vom Bundesrat verlangte Eindeutigkeit gar nicht so vorrangig ankommt.Offenbar entspricht es den Vorstellungen der Opposition sehr viel mehr, der Vertretung der DDR ihre Sonderstellung gewissermaßen als sichtbaren Makel aufzudrücken. Gerade dies muß aber nach unserer Meinung vermieden werden. Wir wollen Klarheit und Klarstellung, aber wir wollen keine Diskriminierung. Meine Damen und Herren, mit der von der Opposition gezeigten unversöhnlichen Haltung fällt die CDU/CSU auf eine Entwicklungsstufe zurück, die bereits Konrad Adenauer überwunden hatte. Verharren Sie nicht in dieser Position!Für die Arbeit der Vertretung der DDR werden mit dem vorliegenden Gesetz die erforderlichen Rechtsgrundlagen geschaffen. Das Parlament muß dieses Gesetz deshalb verabschieden; es kann es guten Gewissens tun.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Klein .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz ist nicht zuletzt deshalb so bemerkenswert, weil es entgegen der Funktion, die allem Recht ursprünglich zukommt, nicht Klarheit, sondern Unklarheit schafft
oder, genauer gesagt, eine Unklarheit aufrechtzuerhalten bestimmt ist, die seit der Paraphierung des Grundvertrages besteht. Denn es hat sich niemals — weder in den Ausschußberatungen noch während der Beratungen hier im Plenum — genau ermitteln lassen, was eigentlich die besonderen Beziehungen sind und welches der besondere Charakter ist, der die Beziehungen auszeichnet, die nun durch den Grundvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR — jedenfalls nach unserer Meinung — begründet worden sind
bzw. begründet werden sollen.
Die DDR jedenfalls das haben wir gestern nocheinmal in aller Deutlichkeit von ihrem Außenmini-
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Dr. Klein
ster gehört — will diese besonderen Beziehungen nicht.
Sie bezeichnet es als „unhaltbare Fiktion" oder als „substanzlose innerdeutsche Pflichtübung", wenn wir hier davon sprechen.Nun ist gesagt worden, wir müßten dafür Verständnis haben, daß Herr Winzer hierbei nur die Position der DDR vertritt. Gewiß habe ich Verständnis dafür, daß Herr Winzer die Position der DDR vertritt. Nur waren wir eigentlich der Meinung, daß darüber, daß die Beziehungen zwischen Bundesrepublik und DDR nicht völkerrechtliche, sondern besondere sind, zwischen den Vertragspartnern ein Konsens hergestellt worden sei.
Das war doch der Punkt!
Schon während der Beratungen zum Grundvertrag allerdings sind uns erhebliche Zweifel daran gekommen, und wir sind immer mehr zu der Überzeugung gelangt, die uns nun offenbar auch bestätigt wird : daß die eigentliche Grundlage der innerdeutschen Beziehungen, nämlich die spezifische Art dieser Beziehungen selbst, eben nicht vereinbarlich geregelt werden konnte. Hier klafft einer jener grundlegenden Dissense, auf die wir immer wieder stoßen, wenn wir die Ostverträge der Bundesregierung betrachten:
Meinungsverschiedenheiten, meine Damen und Herren, von denen ich befürchten muß, daß sie in den künftigen Beziehungen zwischen uns und unseren Nachbarstaaten im Osten zu schweren Belastungen führen werden.
Dieses Gesetz, so sagte ich eingangs, hat Verschleierungscharakter. Ich begründe das wie folgt.Ob das innerdeutsche Verhältnis ein Aliud oder ein Tertium im Vergleich zu normalen völkerrechtlichen oder staatsrechtlichen Beziehungen ist, das entscheidet sich wesentlich am Rechtscharakter dieser ständigen Vertretungen, die die beiden Staaten in Deutschland miteinander auszutauschen gedenken.Nun räume ich ein — dies ist, glaube ich, positiv zu verzeichnen —, daß dieses Gesetz offenbar davon ausgeht, daß das Wiener Übereinkommen nicht unmittelbar zwischen der Bundesrepublik und der DDR Anwendung finden soll. Allerdings muß ich warnend darauf hinweisen, daß der Gefahr, daß dieses Übereinkommen unmittelbare Anwendung zwischen den beiden deutschen Staaten findet, nicht durch ein solches innerstaatliches Gesetz allein ausreichend vorgebeugt werden kann.Bekanntlich ist die DDR am 6. Februar dem Wiener Übereinkommen beigetreten. Das hat die Konsequenz, daß dieses Abkommen im Zeitpunkt der Errichtung der ständigen Vertretungen, der Aufnahme wechselseitiger Beziehungen, zwischen der Bundesrepublik und der DDR anwendbar wird. Wenn das Inkrafttreten dieses Übereinkommens in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten wirksam ausgeschlossen werden soll, dann genügt dazu eben nicht ein solches Gesetz, sondern es bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung, die dem begegnet.Eine solche Vereinbarung nach Art. 8 des Grundvertrages liegt aber nicht vor. Es ist uns heute wieder bestätigt worden, daß dieser Art. 8, der von den ständigen Vertretungen spricht, insoweit eine Leerformel darstellt, als zwischen den Vertragspartnern überhaupt keine Einigkeit darüber hergestellt werden konnte, worin denn nun der Charakter dieser ständigen Vertretungen besteht. Wahrscheinlich, so muß man sagen, hat für diese Vereinbarung die Zeit nicht gereicht; denn man stand bekanntlich unter dem Druck des damals bevorstehenden Wahltermins.Dies nun, meine Damen und Herren, scheint mir also auch das einzig Positive an diesem Gesetz zu sein. Denn im übrigen soll dieses Gesetz — dies ist nicht erst in den letzten Tagen von uns erfunden, sondern dies ist schon im Bundesrat gesagt worden — der Bundesregierung eine Blankettermächtigung dafür geben, der ständigen Vertretung der DDR — zumindest äußerlich — einen Status zu verleihen, der sie den diplomatischen Missionen anderer Staaten zum Verwechseln ähnlich werden läßt. Das ist, wie gesagt, keine Erfindung der letzten Tage; das wurde im Bundesrat gesagt; das wurde ausführlich im Rechtsausschuß wie auch im innerdeutschen Ausschuß erörtert.Bei dieser Gelegenheit möchte ich eine Zwischenbemerkung machen. Herr Kollege Hoppe, Sie haben hier davon gesprochen, daß wir den Bundesrat dazu gebrauchten, die Koalition zur Zusammenarbeit, zu Gemeinsamkeit zu zwingen. Dazu kann ich nur sagen, daß der Bundesrat kein geeignetes Instrument ist, die Mehrheit in diesem Hause dem Willen der Minderheit zu unterwerfen; dazu hätte es Ihrer Belehrung nicht bedurft.
Wir sind in unserer Fraktion an Vorgänge der Unterwerfung weniger gewöhnt, als dies in anderen der Fall sein mag.
Allerdings — ich hatte das bei einer früheren Gelegenheit hier schon gesagt — wünschen auch wir Gemeinsamkeit; freilich weder auf der Basis Ihrer Unterwerfung unter unsere Wünsche noch aber auch — so ist es leider bisher immer praktiziert worden — umgekehrt.Ich möchte hier einmal ganz klar sagen, daß der CDU/CSU nichts daran gelegen ist, dem Wirken der künftigen Vertretung der DDR in der Bundesrepublik irgendwelche Schranken aufzuerlegen, die sich nicht aus der bei uns geltenden Rechtsordnung
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Dr. Klein
ergeben. Freilich wollen wir zuerst einmal abwarten, bis der Grundvertrag in Kraft getreten ist.Gestatten Sie mir bei dieser Gelegenheit eine Bemerkung zu der Eile, die die Bundesregierung an den Tag legt, einer, wie mir scheint, angesichts der erst am 31. Juli zu erwartenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unziemlichen Eile. Die beiden Professoren und früheren Bundesverfassungsrichter Friesenhahn und Leibholz haben in den letzten Tagen mit aller wünschenswerten Deutlichseit erkennen lassen, daß darin ein unfreundlicher Akt der Bundesregierung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht zu sehen ist. Zu weiteren Schlußfolgerungen will ich mich hier nicht verleiten lassen.Herr Kollege Hoppe, wir wollen auch keinen Status quo minus gegenüber anderen diplomatischen Vertretungen für die Vertretung der DDR in der Bundesrepublik, aber wir wollen, daß die Vertretung der DDR einen deutlich und für jedermann sichtbar und erkennbar anderen Status erhält als die diplomatischen Missionen ausländischer Staaten. Sie haben in einer Formulierung, die wir unterschreiben können, gesagt, Sie wünschten keine Diskriminierung. Die wollen wir auch nicht. Nur müssen wir die Frage stellen, was Sie gegebenenfalls unter Diskriminierung verstünden. Ist Diskriminierung für Sie schon das, was wir wollen, nämlich eine andere Behandlung als die, die diplomatische Missionen sonst zuteil wird? Wenn dies der Fall sein sollte, würden wir widersprechen.Diesem Postulat aber würde sich die Bundesregierung entziehen können, wenn dieser Entwurf Gesetz werden würde; denn er stellt es der Regierung gerade frei, eine Rechtsverordnung zu erlassen, die es der ständigen Vertretung der DDR gestattet, sich hier so zu gerieren wie jede beliebige diplomatische Vertretung eines anderen Staates. Und das wollen, so nehmen wir es jedenfalls an, Sie nicht, und das wollen wir auch nicht. Dann aber müssen wir fragen: Warum machen Sie dieses Gesetz?Daraufhin wird uns nun gesagt, man solle der Bundesregierung den Verhandlungsspielraum nicht einengen, den sie braucht, um für unsere eigene Vertretung drüben ein Maximum an Rechten durchzusetzen. Ich glaube, daß dies ein bedenkliches Argument ist; denn, so muß man ja wohl fragen, müßte die Bundesregierung, wenn es ihr wahrhaft ernst wäre mit dem besonderen Charakter der Beziehungen zur DDR, nicht dankbar sein, wenn ihr das Parlament für ihre Verhandlungen nicht Plein-pouvoir, nicht freie Hand gäbe, sondern eben durch einen gesetzgeberischen Akt deutlich machte, daß es die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR nicht für solche normaler völkerrechtlicher Art, sondern eben für besondere Beziehungen hält. Die Rückschlüsse, die sich aus Ihrer Ablehnung einer solchen parlamentarischen Hilfestellung ergeben, liegen, so fürchte ich, auf der Hand.Das wiegt, wenn ich das noch sagen darf, um so schwerer, als sich die Bundesregierung in diesen Stunden anschickt, eilenden Fußes dem Vorantritt der DDR zu folgen und die Aufnahme der Bundesrepublik in die Vereinten Nationen zu beantragen.Damit wird dann das letzte Mittel aus der Hand gegeben, mit dessen Hilfe es vielleicht noch gelingen könnte, die DDR von ihren Maximalforderungen bezüglich des Status der Vertretung abzubringen. Zudem wird die Gefahr heraufbeschworen, daß die DDR aus der gleichzeitigen Mitgliedschaft der beiden Staaten in Deutschland in den Vereinten Nationen ein zusätzliches Argument für ihre ohnehin bestehende Auffassung ableitet, daß die innerdeutschen Beziehungen von normaler völkerrechtlicher Qualität sind, wenn nicht vorher etwas anderes vereinbart wird. Wie ernst also, meine Damen und Herren von der Koalition, meinen Sie es mit dem besonderen Charakter dieser Beziehungen?Für uns ist es auch kein Trost, wenn — wie in den Ausschüssen geschehen — darauf hingewiesen wird, daß die Rechtsverordnung, zu deren Erlaß ermächtigt werden soll, der Zustimmung des Bundesrates bedürfen wird. Jedermann weiß, daß der Bundesrat diese Verordnung nicht etwa wird ändern, sondern eben nur ja oder nein wird sagen können, und das zu einer Verordnung, die das Ergebnis zwischenstaatlicher Verhandlungen widerspiegelt.Ein weiterer Punkt: die Frage der Gegenseitigkeit, auf die im Gesetzestext angespielt wird. Ministerratsverordnungen der DDR sehen bekanntlich vor, daß diplomatische Missionen und die ihnen gleichgestellten Vertretungen ausländischer Staaten beim Außenministerium der DDR beglaubigt werden. Soll das auch für die Vertretung der Bundesrepublik gelten — so meint es ja sicherlich die DDR —, und was will die Bundesregierung tun, um dem zu begegnen? Ebenso ist bekannt, daß der Verkehr von Bürgern der DDR mit ausländischen Vertretungen nur über das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten erfolgen darf, Deutsche in der DDR also mindestens mit Ordnungsstrafen werden rechnen müssen, wenn sie ohne behördliche Genehmigung die Vertretung der Bundesrepublik aufsuchen wollen. Will die Bundesregierung hier eine Sonderregelung für unsere Vertretung in Ost-Berlin erwirken und — wenn ja wie? Was hat die Bundesregierung eigentlich noch in der Hand, um 'der Vertretung der DDR im Sinne der Gegenseitigkeit gegebenenfalls entsprechende Beschränkungen aufzuerlegen?
Ich habe ein gewisses Maß von Verständnis dafür, daß sich die Bundesregierung scheut, auf diese Fragen in der Öffentlichkeit eine Antwort zu geben,
obwohl das hier heute in Andeutungen geschehen ist. Aber mir fehlt jedes Verständnis dafür, daß sie uns Auskünfte auch in den zuständigen Ausschüssen verweigert hat. Das kann — zusammen mit der blankettartigen Ermächtigung des Gesetzentwurfes — doch nur bedeuten, daß sich die Bundesregierung mit allen Mitteln der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen versuchen will.
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2370 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. Klein
Wenn man auch dafür noch ein von der Opposition freilich schwer zu verlangendes Verständnis haben sollte, so muß das Verständnis allerdings spätestens bei einem anderen Tatbestand sein Ende haben. Wir haben es im Rechtsausschuß erleben müssen, daß der dortige Sprecher ,der Koalitionsfraktionen die Vertreter der Bundesregierung ausdrücklich gebeten hat, auf Fragen der Opposition nach dem Stand der Verhandlungen mit der DDR, nach ihren Verhandlungszielen, nach ihren Vorstellungen über die Ausgestaltung der künftigen ständigen Vertretung der DDR — wohlgemerkt: in vertraulicher Beratung! — nicht zu antworten.
Ich kann darin nur die Bereitschaft .der Mehrheit dieses Hauses erblicken, sich selbst und damit dieses Parlament eines seiner vornehmsten Rechte zu begeben,
nämlich des Rechts der Kontrolle der Regierung.
Ich war bisher der Auffassung, daß das nicht nur eine Aufgabe der Opposition, sondern des ganzen Hauses sei. Diese Selbstentmündigung ist nach meiner Meinung ein beschämender Vorgang für uns alle.
Meine Damen und Herren, ich habe dem Haus bekanntzugeben, daß 'die Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses auf 17.30 Uhr verschoben worden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Wischnewski.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf in bezug auf Ihren Antrag, den Antrag der Opposition, und insbesondere in bezug auf die Rede von Herrn Kollegen Abelein einige Bemerkungen machen.
Ich bin ein bißchen verwundert, daß Sie die Rede des Außenministers der DDR gestern so überrascht hat. Es hat zu jeder Zeit Klarheit darüber bestanden, daß es unterschiedliche Auffassungen gibt. Herr Professor Abelein, ich habe den Eindruck, Sie haben den Grundlagenvertrag gar nicht richtig gelesen; denn in der Präambel wird ausdrücklich auf die unterschiedlichen Auffassungen hingewiesen. Das steht im Vertrag drin. Es heißt wörtlich:
ausgehend von den historischen Gegebenheiten und unbeschadet der unterschiedlichen Auffassungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zu grundsätzlichen Fragen, darunter zur nationalen Frage, ...
Es ist im Vertrag festgelegt, daß es unterschiedliche Auffassungen gibt. Deswegen kann ich nicht verstehen, ,daß Sie sich darüber wundern, daß nun diese unterschiedlichen Auffassungen auch in der Rede
des Außenministers der DDR gestern zum Ausdruck gekommen sind.
Herr Kollege Wischnewski, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes?
Wischnewski: : Ja, gern.
Herr Kollege Wischnewski, gehen also die Unterschiede zwischen den beiden vertragschließenden Regierungen so weit, daß selbst über die Rechtsnatur des Vertrages ein Dissens besteht?
Nein, ich gehe davon aus, daß unterschiedliche Auffassungen in bestimmten grundsätzlichen Fragen bestehen, insbesondere denen, die hier angesprochen worden sind, aber nicht in den Fragen, die zum Teil Ihren Antrag berühren. — Ich möchte jetzt die wenigen Minuten, die mir zur Verfügung stehen, in vollem Umfange ausnutzen.Ich muß auch auf Ihren Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren, eingehen, weil Herr Professor Abelein den Eindruck hinterlassen hat, es habe sich im Ausschuß gezeigt, daß es Übereinstimmung gegeben habe. In wesentlichen Punkten gibt es keine Übereinstimmung. Das soll hier auch ganz deutlich zum Ausdruck kommen.Der besondere Charakter der Beziehungen kommt in drei Punkten ganz klar und eindeutig zum Ausdruck.Erstens. In Art. 8 des Grundlagenvertrages heißt es:Die DDR und die Bundesrepublik Deutschlandwerden ständige Vertretungen austauschen.Das Wort „Botschaften" kommt hier nicht vor. Dies ist doch ganz sicher bewußt so geschehen.Zweitens. Eine besondere gesetzliche Regelung ist notwendig. Diese gesetzliche Regelung dokumentiert geradezu, daß diese Beziehungen anders sind als andere Beziehungen. Denn wir haben in den letzten Jahren viele Beziehungen aufgenommen, ohne daß es dazu eines Gesetzes bedarf. Die Tatsache des Gesetzes allein bringt die Besonderheit zum Ausdruck.
Drittens. Was unsere Seite anbetrifft, kommt noch hinzu, daß die Bundesregierung die Absicht hat, ihre Interessen durch einen Staatssekretär zu vertreten. Dies gibt es in keinem anderen Land der Welt.
Was Ihre grundsätzliche Haltung betrifft, muß ich Ihnen folgendes sagen. Sie sagen, Sie wollen die Wiener Konvention nicht. Aber dann machen Sie folgendes: Sie schreiben die Wiener Konvention ab,
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Wischnewskigeben ihr eine andere Überschrift und hängen sie dran.
Dies ist keine Politik, die wir mitmachen können. Da streut man sich doch gegenseitig Sand in die Augen.
Zu Ihrem Gesetzentwurf einige Bemerkungen.
Sie sagen: Der Leiter der ständigen Vertretung der DDR darf nicht bei einem ausländischen Staat akkreditiert sein. Auch ich gehe von der Voraussetzung aus, daß so viel Arbeit vorliegt, daß der ständige Vertreter eigentlich hier voll beschäftigt sein sollte. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden uns nicht dazu bewegen, daß wir hier Gesetze verabschieden, die die Entscheidungsfreiheit anderer Staaten einschränken, auch wenn es kleine Nachbarländer sind. Dies kommt für uns nicht in Frage.Das Zweite. Sie sagen: er darf auch nicht bei einer internationalen Organisation akkreditiert sein. Dies würde ich mir an Ihrer Stelle noch einmal ganz genau überlegen. Es können z. B. Gegebenheiten vorliegen, wo das sogar im Interesse der Sache ist. Zwischen der Bundesrepublik und der DDR gibt es nach wie vor eine Besonderheit, nämlich in bezug auf den Handel. Dafür ist weitgehend Brüssel zuständig. Ich würde es für unmöglich halten, wenn wir hier schon solche Ausschließlichkeiten in einem Gesetz festlegen wollten. Dies ist für uns unmöglich.Was im übrigen die Titularien anbetrifft, sollten wir daran denken: maßgebend ist immer der Name der Behörde. Hier heißt es also entsprechend dem Vertrag „ständige Vertretung". Der Titel ist nicht von entscheidender Bedeutung.
— Der Titel des Leiters ist für mich nicht die entscheidende Frage. Als der Kollege Dr. Schröder Außenminister war, haben wir eine Handelsvertretung in Polen eingerichtet und von uns aus Wert darauf gelegt, daß der Leiter dieser Behörde, obwohl es keine Botschaft war, den Titel „Botschafter" trug. Das wurde zu einer Zeit eingeführt, als Herr Kollege Dr. Schröder Außenminister war.
Was die Diplomatenliste anbetrifft, meine sehr verehrten Damen und Herren, so muß auch die Vertretung der Deutschen Demokratischen Republik hier ihren Platz haben. Ich bitte die Bundesregierung, einmal zu überlegen, ob man nicht so wie früher verfahren kann, als es einen Anhang zur Diplomatenliste mit der Überschrift „Andere Vertretungen" gab. So etwas hat es mehr als einmal in der Vergangenheit gegeben.
Jedenfalls müßte ich mich dagegen wehren, wenn man sagte: die haben überhaupt keinen Platz.
Wir haben alles, was wir in dieser Hinsicht tun, auch unter dem Gesichtspunkt zu betrachten: wie sind die Arbeitsmöglichkeiten unserer Vertretung drüben in Berlin?
— Wenn die Bundesregierung davon ausgeht, daß die dienstlichen Beziehungen zwischen der Vertretung der DDR und der Bundesregierung über das Kanzleramt abgewickelt werden, dann will sie, glaube ich, auf diese Art und Weise auch die hohe Bedeutung dieser Beziehungen zum Ausdruck bringen.Ein letztes Wort zu Ihrem Antrag. Sie sagen, der Personalbestand sollte gegenseitig vereinbart werden. Ich gehe von der Voraussetzung aus: entscheidend ist, daß die Rechte auf Gegenseitigkeit beruhen. Das ist die entscheidende Frage. Die Zahlen brauchen keineswegs auf Gegenseitigkeit zu beruhen; denn ich könnte mir durchaus vorstellen, daß wir, die wir die Interessen von mehr als 62 Millionen Menschen zu vertreten haben — deshalb haben bei uns auch mehr persönliche, familiäre Probleme —, unter Umständen gezwungen sein könnten, ein paar Leute mehr zu entsenden, und daß man das gegenseitig vereinbart. Sie dagegen wollen ein Gesetz machen, das so etwas überhaupt nicht zuläßt. Aus diesem Grunde, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.Wir bitten die Bundesregierung, die noch notwendigen Verhandlungen mit der Regierung der DDR so zügig wie möglich zu führen, damit die beiden Vertretungen hier in Bonn und drüben in Berlin ihre Tätigkeit so bald wie möglich zum Wohle der Menschen in beiden deutschen Staaten aufnehmen können.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache in zweiter Lesung liegen nicht mehr vor. Wir kommen damit zur Einzelberatung. Dazu liegt der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/783 vor. Kann ich davon ausgehen, daß dieser Antrag in der allgemeinen Aussprache bereits begründet worden ist? — Dann darf ich diesen An-
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2372 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Vizepräsident Frau Funcketrag nunmehr zur Abstimmung stellen. Wer dem Antrag der CDU/CSU
— Mir liegt keine Wortmeldung mehr vor.
— Zur Begründung, Herr Reddemann, oder wozu?
Dann bitte ich um Entschuldigung. Das Wort zur allgemeinen Aussprache hat der Abgeordnete Redde-m ann.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Ich halte es für notwendig, noch ein paar Sätze zum Verlauf dieser Debatte zu sagen. Zunächst möchte ich etwas zu den Erklärungen ausführen, die von verschiedenen Sprechern der Koalition im Zusammenhang mit den Beratungen im Ausschuß gemacht worden sind.
Es ist der Eindruck erweckt worden, die CDU/CSU habe im Ausschuß zwei Sitzungen oder mindestens eine Sitzung verstreichen lassen, ehe sie überhaupt mit ihrem Alternativvorschlag herausgekommen sei. Ich darf an Hand der Tagesordnung der Ausschußsitzungen feststellen, daß es keine zwei Lesungen dieses Gesetzentwurfs gegeben hat,
sondern daß wir zunächst einen Bericht der Bundesregierung über dieses Thema entgegengenommen haben, ohne bereits in die Beratung des Gesetzes eingetreten zu sein. Wir haben bei der zweiten Sitzung einen Bericht des Senats von Berlin entgegengenommen und sind dann anschließend in die Behandlung der Vorlage eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt hat die CDU/CSU-Fraktion ihren Änderungsantrag eingebracht, also ganz korrekt, wie es notwendig war.
Zum zweiten. Als dann die Frage von der Opposition kam, ob die Mehrheit des Ausschusses, ob die Koalition überhaupt daran interessiert sein könnte, über einen Änderungsantrag der Opposition zu beraten oder ihm gar näherzutreten — dann nämlich wollte die CDU/CSU-Fraktion die Anlage, die heute hier auf dem Tisch liegt, vorbringen —, ist von der Koalition erklärt worden, eine Änderung des Gesetzentwurfs der Regierung komme nicht in Frage. Die Anlage ist von den Vertretern der CDU/CSU nicht mehr im Ausschuß eingebracht worden, weil es geradezu Unfug gewesen wäre, einen Antrag vorzulegen, wenn bereits die Mehrheit erklärt, daß sie gar nicht die Absicht hat, über diesen Punkt noch zu verhandeln.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmude?
Aber gern!
Herr Kollege Reddemann, ist unsere Darstellung denn unrichtig, daß im Ausschuß während dieser Beratung gesagt worden ist die Anlage sei noch gar nicht fertig, sie werde ge. rade erst geschrieben?
Herr Kollege Schmude es ist in dieser Sitzung gesagt worden, die Anlage werde gerade geschrieben und wir seien bereit die Anlage noch während dieser Sitzung vorzulegen. Ich stelle Ihnen gern das Stenographische Protokoll in diesem Zusammenhang zur Verfügung.
Ich darf noch ein weiteres hinzufügen, Herr Kollege Schmude, da Sie selbst sich gerade gemeldet haben. Sie haben unseren Entwurf deswegen abqualifiziert, weil Sie meinten, wir hätten eine unzulässige Einschränkung des Grundrechtkatalogs des Grundgesetzes vornehmen wollen, da wir bestimmte Einschränkungen für die Mitglieder der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn in unserem Entwurf vorgesehen hatten.
Herr Kollege Schmude, ich darf Sie darauf hinweisen, daß es ein Mitglied der Bundesregierung war, nämlich der Bundesminister für besondere Aufgaben, Egon Bahr, der im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Grundvertrages erklärt hat, die Bundesregierung wolle niemanden, der die Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz nicht annehmen will, zwingen, diese Rechte und Pflichten anzunehmen. Herr Kollege Schmude, wir sind uns darüber im klaren, daß der ständige Vertreter der DDR und alle, die in diesem Zusammenhang hierher kommen, nicht im geringsten daran denken, diese Rechte und Pflichten in Anspruch zu nehmen. Wenn Sie also Vorwürfe erheben wollen, dann erheben Sie bitte diese Vorwürfe gegen Minister Bahr.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmude?
Wenn es sein muß, gern.
Herr Kollege Reddemann, sind Sie inzwischen nicht zu der Einsicht gekommen, daß die von Ihnen im Ausschuß vorgeschlagene Grundrechtseinschränkung schlicht verfassungsrechtlich unzulässig war?
Wenn dem so ist, Herr Kollege Schmude, hat der Minister für besondere Aufgaben Egon Bahr ebenfalls unzulässige Interpretationen des Grundgesetzes betrieben. Ich wäre dankbar, wenn Sie ihm das entsprechend mitteilen würden.
Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2373ReddemannGestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Herrn Kollegen Hoppe. Selbstverständlich, Herr Kollege Hoppe, haben Sie recht, daß Herr Winzer gestern nichts prinzipiell Neues gesagt hat. Einer unserer Gründe, den Grundvertrag abzulehnen, beruhte nicht zuletzt darauf, daß diese unterschiedliche Auslegung des Vertrages schon früher vorgenommen wurde. An Winzers Ausführungen gestern war nicht neu, daß man zum Thema „Einheit der Nation" unterschiedliche Auffassungen hat. Neu war vielmehr, daß die Interpretation des Vertrages durch die Bundesregierung jetzt von der anderen Seite schlichtweg als falsche Interpretation bezeichnet wird. Da wir in den letzten Jahren laufend erlebt haben, daß Positionen, die die Bundesregierung zunächst im Widerspruch zu den Positionen der DDR-Regierung aufgebaut hatte, dann, wenn die DDR-Regierung ihre Positionen lange genug vertrat, von unserer Seite geräumt wurden, müssen wir befürchten, daß wir die Interpretation der DDR-Regierung in ganz kurzer Zeit auch als die Interpretation der Bundesregierung wiederfinden.
Darum ging es im Augenblick. Ich meine, das müßte in diesem Zusammenhang mit aller Deutlichkeit gesagt werden.Lassen Sie mich schließlich eine Bemerkung zu der Art machen, wie dieser Gesetzentwurf juristisch gefaßt ist. Herr Bundeskanzler, Sie gehören gewiß zu denen, die mit Formulierungen nicht sparen: die Weltgeschichte sei kein Amtsgericht, man solle nicht über juristische Zwirnsfäden stolpern, man solle nicht juristischen Formelkram ins Spiel bringen. Nach dem Verlauf dieser Woche hatte ich allerdings angenommen, daß Sie sich von dieser Art des Umgangs mit juristischen Fragen distanzierten, denn, Herr Bundeskanzler, bei der Aufklärung des Korruptionsvorwurfes gegen ein Mitglied dieses Hauses wird doch im Augenblick jeder juristische Zwirnsfaden zu einem Tau gedreht, und die Öffentlichkeit fragt sich inzwischen, ob ihr dadurch nicht etwas verborgen werden soll.
Herr Bundeskanzler, mir wäre es lieber gewesen, wenn Sie heute bei diesem Gesetzentwurf zu einer normalen Rechtsetzung zurückgefunden hätten und wenn Sie beim Korruptionsvorwurf jeden Schein vermieden, daß man hier vielleicht jemanden mit Hilfe juristischer Zwirnsfäden decken möchte.Gestatten Sie mir schließlich noch eine Bemerkung zu den Argumenten, die in diesem Hause von Vertretern der Koalition angeführt worden sind. Meine Damen und meine Herren, es ist gesagt worden, das, was wir wollten, sei im Grunde genommen mit dem deckungsgleich, was die Koalition wolle. Wenn dem so wäre, hätten wir sehr schnell eine Übereinstimmung erzielen können, denn in den grundsätzlichen Erklärungen aller Fraktionen wurde deutlich, daß man ein Gesetz, das die ständigen Vertretungen ermögliche, schaffen wolle. Nun haben wir aber im Laufe der Debatte im Ausschuß erlebt, daß ein Bundesminister erklärte, mit diesem Gesetz sei es der Bundesregierung sogar möglich, über die Aussagen und die Bestimmungen der Wiener Konvention noch hinauszugehen. Der Vertreter der Regierung hat uns offiziell gesagt, das, was in diesem Gesetz stehe, sei durch die Verhandlungen mit der DDR-Regierung im Grunde genommen noch überholbar; trotzdem könne der Bundestag dann nichts mehr ändern. — Meine Damen und meine Herren, das ist für mich eine völlig unmögliche Situation. Das kommt einer Blankovollmacht für die Regierung gleich, die meiner Auffassung nach nicht nur eine Opposition nicht geben kann, sondern die auch eine Koalition nicht geben dürfte.
Nun hat man hier versucht — das ist ja im Augenblick die berühmte Masche , so zu tun, als sei eine kleine revolutionäre Minderheit bei uns in der Fraktion dabei, die große Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion auf ein Nein festzunageln. Ich habe den Eindruck, daß man innerhalb von SPD und FDP so tut, als gebe es lediglich bei uns unterschiedliche Auffassungen und als hatte die Öffentlichkeit, Herr Kollege Hoppe, nicht Ihren Berliner FDP-Parteitag erlebt, als hätte sie nicht den Parteitag der SPD in Hannover erlebt. Wir wissen alle, daß es quer durch die Parteien selbstverständlich unterschiedliche Auffassungen geben kann, und wir wissen alle, daß es gerade kleiner oder größer gewordene linke Gruppen in der Koalition gibt, die genau das tun wollen, was Sie uns hier vorwerfen.Meine Damen und meine Herren, ich möchte nur noch eines dazu sagen. Dieses Gesetz — darauf bezieht sich ein Teil unserer Kritik — ist nichts anderes als ein Folgegesetz zum Grundvertrag. Dieser Grundvertrag befindet sich im Augenblick in der verfassungsgerichtlichen Prüfung. Ich halte es von meinem Selbstverständnis und von meinem Verständnis des Grundgesetzes her einfach für unmöglich, das Gesetz bereits zu verabschieden, obwohl man noch gar nicht weiß, ob das Verfassungsgericht den Grundvertrag nicht für verfassungswidrig erklärt.
Selbstverständlich kann ich einen alten Spruch von Egon Bahr ein bißchen umwandeln und sagen: „Ich habe zwar den Auftrag des Grundgesetzes, mit der DDR zu reden, nicht aber, Entscheidungen des Verfassungsgerichts abzuwarten." Aber das ist doch wohl kein rechter Umgang mit dem obersten Gericht, und das ist schon gar nicht ein vernünftiger Umgang mit Verträgen.
— Herr Kollege Wehner, ich freue mich, Ihre liebliche Stimme wieder zu hören. Nachdem Sie bei meinen letzten Reden so geschwiegen haben wie in den letzten sechs Wochen vor der Wahl, hatte ich schon Sorge, ich hätte bei Ihnen Schwierigkeiten bekommen.
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2374 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
ReddemannEine Schlußbemerkung! Was der Herr KollegeWischnewski eben noch in der Debatte gesagt hat, war gerade das, was unsere Besorgnisse vergrößert hat. Denn er hat doch nun letztlich praktisch bestätigt, daß innerhalb der Bundesregierung Überlegungen im Gange sind, es zuzulassen, daß der Vertreter der DDR als Botschafter in Luxemburg akkreditiert wird und daß er uns dann eines Tages, wenn auch unter dem Messingschild „Ständige Vertretung", als Botschafter präsentiert wird. Herr Kollege Wischnewski hat für meine Begriffe eine höchst merkwürdige Parallele dazu gezogen, weil unsere Handelsvertretung in Polen früher einen Botschafter hatte. Ja, Herr Kollege Wischnewski, haben wir denn je in dieser Bundesrepublik daran gedacht, Polen etwa als dritten deutschen Staat mit besonderen Beziehungen anzusehen? Sie haben doch offensichtlich ,das Problem nicht begriffen, oder Sie haben es nicht begreifen wollen.
Herr Kollege Wischnewski, als Sie von der DDR-Regierung sprachen, sagten Sie: „die Regierung drüben in Berlin". Da muß ich sagen: das hat mich am meisten getroffen. Denn für uns ist Berlin der freie Teil Berlins und nicht die Regierung in Ost-Berlin.
Ich darf mir folgende Schlußbemerkung erlauben. Die Bundesregierung wird Herrn Gaus als Ständigen Vertreter nach Ost-Berlin schicken. Herr Gaus gehört zu den Leuten, die genau wie der Außenminister der DDR die These vertreten, die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR müßten völkerrechtliche sein.
Ich stelle mir die Frage, ob diese Erklärung nicht bereits genügt, das ganze Gesetz zurückweisen zu müssen.
Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache noch begehrt? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache zur zweiten Lesung.
Wir kommen zur Einzelberatung. Dazu liegt der Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Umdruck 7/783 zu § 1 vor. Ich nehme an, die Begründung ist gegeben. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe!
Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe nun in der Fassung des Berichts die §§ 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift auf. — Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen nunmehr zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Lesung die Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! —
Enthaltungen? — Das Gesetz ist mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Nr. 2 des Ausschußantrags, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nun die Punkte 17 bis 28 auf — es handelt sich um Wahleinsprüche —:
17. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Dr. Bernhard Schloh, Kraainem/Brüssel/ Belgien, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
— Drucksache 7/698 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Klein
18. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Günter-Arno Rische, Amberg, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
— Drucksache 7/699 — Berichterstitter: Abgeordneter Thürk
19. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über ,den Wahleinspruch des Heinz Neubert, Amsterdam, Postanschrift Düsseldorf, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
— Drucksache 7/700 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. ,de With
20. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Alfred Twisselmann, Lemkendorf a. F., gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
— Drucksache 7/701 — Berichterstatter: Abgeordneter Dürr
21. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Paul Voigt, Stuttgart, gegen ,die Gültig-
Vizepräsident Frau Funcke
keit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/702 - Berichterstatter: Abgeordneter Thürk
22. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Georg Wucher, Vogt, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/703 -
Berichterstatter:
Abgeordneter Mertes
23. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Dr. Joachim Rassat, seiner Ehefrau Leoni Rassat und seines Sohnes Marc Rassat, Villeneuve-Loubet Plage (via Nice), Frankreich, Bevollmächtigter: RA Dr. Volker Charbonnier, Köln, gegen 'die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/704 -
Berichterstatter :
Abgeordneter Dr. Klein
24. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Jürgen Horlemann als Vertreter des Zentralkomitees der KPD, Bevollmächtigte: RAe Brentzel, Kraetsch und Remé, Berlin, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972 - Drucksache 7/705 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. de With
25. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Adam Hofmann, HannMünden, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/706 -
Berichterstatter:
Abgeordneter Mertes
26. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Erwin Maier, Leonberg, gegen die Gültigkeit der Wahl des 7. Deutschen Bundestages vom 19. November 1972
- Drucksache 7/707 -
Berichterstatter:
Abgeordneter Mertes
27. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Ludwig Volkholz - zugleich im Namen
der Wählergruppe Bayernpartei -, Feßmannsdorf, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/708 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. de With
28. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Wahleinspruch des Hans-Peter Naß, Dinklage, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/709 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. de With
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht?
- Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Darf ich Ihr Einverständnis voraussetzen, daß wir über alle Anträge gemeinsam beschließen? - Ich höre keinen Widerspruch. Der Ausschuß schlägt in allen Fällen vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer diesem Vorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, auf Grund interfraktioneller Vereinbarung rufe ich nunmehr Punkt 5 der Tagesordnung auf - die Punkte 3 und 4 behandeln wir später -:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Adoptionsrechts
- Drucksache 7/421 -
Bericht und Antrag des Rechtsausschusses
- Drucksache 7/716 -
Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Schimschok Abgeordneter Dr. Stark
Wünschen die Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Lesung. Ich rufe Art. 1, 2, 3, 4 und 5 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen nunmehr zur
dritten Beratung.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schimschok.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung von Vorschriften des Adoptionsrechts und der Entschließungsantrag der Abgeordneten Rollmann, Dr. Stark
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2376 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Frau Schimschok
, Dr. Gölter, Dr. Wagner (Trier) und der Fraktion der CDU/CSU wurden dem Deutschen Bundestag am 28. bzw. 14. März 1973 zugeleitet. Beide Vorlagen wurden vom Deutschen Bundestag in seiner Sitzung am 18. Mai 1973 dem Rechtsausschuß federführend — und dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zur Mitberatung überwiesen. Der Rechtsausschuß beriet die Vorlagen in seiner Sitzung am 16. Mai dieses Jahres und, nachdem sie der Unterausschuß Familien- und Eherechtsreform am 23. Mai und am 6. Juni behandelt hatte, abschließend in seiner Sitzung am 6. Juni 1973. Der mitberatende Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit empfahl in seiner Stellungnahme vom 6. Juni 1973, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der Anregungen des Bundesrats, soweit diese die Zustimmung der Bundesregierung fanden, zu verabschieden.
Da eine umfassende Neuordnung des Adoptionsrechts vor Ende 1974 nicht möglich sein wird, sind jetzt einige Vorschriften, welche die Adoption besonders erschweren, vorab zu regeln. Der Ausschuß hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, die im Regierungsentwurf vorgesehenen Gesetzesänderungen zu empfehlen, weil er erwartet, daß die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur umfassenden Neuordnung des Adoptionsrechts bis spätestens 1. Juni 1974 vorlegen wird.Aus diesem Grunde verzichtete der Ausschuß auch darauf, den vorliegenden Antrag der CDU/CSU umfassend zu behandeln. Die Bundesregierung wird vielmehr ersucht, den Antrag anläßlich der Vorberatungen zur Gesamtreform des Adoptionsrechts zu prüfen und die Vorschläge in ihre Überlegungen einzubeziehen.Die im Gesetzentwurf vorgesehene Herabsetzung der Altersgrenze der Annehmenden von 35 auf 25 Jahre wurde vom Ausschuß einstimmig beschlossen.Eine wesentliche Änderung bringt das Gesetz hinsichtlich der Ersetzung der Einwilligung des Elternteils zur Adoption eines Kindes durch das Vormundschaftsgericht. Nach jetzt geltendem Recht ist die Ersetzung der Einwilligung des Elternteils an drei Voraussetzungen gebunden: 1. daß dieser seine Pflichten dem Kind gegenüber gröblich verletzt oder die elterliche Gewalt verwirkt hat; 2. daß er die Einwilligung böslich verweigert; 3. daß das Unterbleiben der Annahme an Kindes Statt dem Kind zu unverhältnismäßigem Schaden gereichen würde.Durch das erforderliche Zusammentreffen dieser drei Voraussetzungen war die Ersetzung der elterlichen Einwilligung nur schwer möglich, zumal sich eine böswillige Verweigerung der Einwilligung kaum nachweisen läßt. Die Folge davon ist, daß sich Kinder oftmals von der Geburt bis zur Schulentlassung und darüber hinaus in Heimen befinden.In dem Gesetzentwurf ist vorgesehen, daß die Ersetzung der Einwilligung außer bei gröblicher Pflichtverletzung auch bei Gleichgültigkeit der Eltern erfolgen soll. Die Ersetzung der Einwilligung der Eltern bei Gleichgültigkeit, die nicht zugleich eine anhaltende gröbliche Pflichtverletzung ist, darf erst erfolgen, wenn die Eltern über die Möglichkeit der Ersetzung vom Jugendamt belehrt worden sind und — dem Regierungsentwurf nach — mindestens vier Monate vergangen sind. Bei der Belehrung ist auf die Frist hinzuweisen. Der Belehrung bedarf es nicht, wenn der Elternteil seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne seine neue Anschrift zu hinterlassen, und es trotz angemessener Recherchen dem Jugendamt während eines Zeitraumes von vier Monaten nicht möglich war, den Aufenthaltsort zu erfahren. Die Fristen sollen frühestens sechs Monate nach der Geburt ablaufen.Die Mehrheit des Ausschusses beschloß demgegenüber, die Fristen jeweils um einen Monat zu verkürzen. Die Ersetzung der Einwilligung durch das Vormundschaftsgericht ist zwar eine einschneidende Maßnahme für die betroffenen Eltern, es wurde aber der Standpunkt vertreten, daß nach der Belehrung innerhalb von drei Monaten den Eltern genug Gelegenheit gegeben sei, das Verhalten dem Kinde gegenüber zu ändern. Das Interesse des Kindes macht es erforderlich, so früh wie möglich in eine Adoptivfamilie zu kommen, um Schäden, die bei längerem Heimaufenthalt entstehen können, zu verhindern.Der Bundesrat schlug vor, die Beratung des Elternteils nach § 51 a Abs. 1 des Jugendwohlfahrtsgesetzes nur in einer Sollvorschrift vorzusehen, da durch die Beratungspflicht des Jugendamtes das Verfahren eventuell länger dauern könne.Der Ausschuß ist aber mit der Bundesregierung der Meinung, daß ein so schwerer Eingriff in das Elternrecht nur erfolgen kann, wenn alle Beratungs-und Hilfsmöglichkeiten ausgeschöpft worden sind, die ein Verbleiben des Kindes in seiner eigenen oder in einer anderen geeigneten Familie ermöglichen. Das Jugendamt hat dem Vormundschaftsgericht im Verfahren über die Ersetzung der Einwilligung in die Annahme an Kindes Statt mitzuteilen, welche Hilfen gewährt oder angeboten worden sind.Die im Entwurf vorgesehene Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils, wenn er wegen besonders schwerer geistiger oder körperlicher Gebrechen zur Pflege und Erziehung des Kindes dauernd unfähig ist und das Kind durch das Unterbleiben der Annahme an Kindes Statt in seiner Entwicklung schwer gefährdet wäre, hielt der federführende wie auch der mitberatende Ausschuß nicht in vollem Umfang für vertretbar. Sofern der Elternteil geistig gesund ist, wird es ihm in der Regel möglich sein, von sich aus Gefahren abzuwenden, die dem Kind aus seinen körperlichen Gebrechen erwachsen können. Aufgabe des Staates soll es sein, hier die nötigen Hilfen anzubieten, durch die ein gedeihliches Aufwachsen des Kindes in seiner Familie trotz des körperlichen Gebrechens eines Elternteils ermöglicht wird.Es wäre wohl eine zu große Härte für ein Elternteil mit schweren körperlichen Gebrechen, wenn ihm zu seinem Leid auch noch das Kind für alle Zeiten genommen würde. Ein schweres körperliches Gebrechen eines Elternteils braucht den seelisch-geistigen Kontakt zwischen Eltern und Kind nicht zu beeinträchtigen. Aus diesem Grunde beschloß der
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2377
Frau SchimschokAusschuß die im Entwurf enthaltenen Wörter „oder körperlicher Gebrechen" zu streichen. Vor einer Ersetzung der elterlichen Einwilligung in die Annahme an Kindes Statt hat das Jugendamt bei schweren geistigen Gebrechen eines Elternteils zu prüfen, ob die Familienunterbringung des Kindes durch Gewährung von Hilfen ermöglicht oder die Gefahr für das Kind auf andere Weise behoben werden kann. Die Ersetzung der elterlichen Einwilligung soll hier nur das letzte Mittel sein.Dieses Änderungsgesetz erfüllt eine seit langem von den Jugendämtern erhobene Forderung, die Annahme an Kindes Statt zu erleichtern, um Heimkindern die für die Entwicklung so wichtige Aufnahme in Familien zu ermöglichen. Ein ganz wesentlicher Schritt zu diesem Ziel ist vor allem mit der Ausweitung der Ersetzung der Einwilligung auf den Tatbestand der Gleichgültigkeit der Eltern gegenüber dem Kind und dem Fortfall der böswilligen Verweigerung der Einwilligung des Elternteils getan.Ich bitte Sie im Namen meiner Fraktion, diesem Gesetz ihre Zustimmung zu geben. Wir wollen hoffen, daß es sich in der Praxis so auswirkt, wie es der Gesetzgeber für alle Betroffenen wünscht. Ich danke Ihnen sehr herzlich für ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Will-Feld.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften des Adoptionsrechts regelt nur einen Teil der vorgesehenen Erleichterungen zur Adoption. Es besteht Übereinstimmung, daß das Adoptionsrecht im ganzen neu geordnet werden muß. Es ist zu begrüßen, daß endlich einige, wenn auch nur der kleinste Teil der Änderungen durch die Vorabnovelle geregelt wird.
Die Altersgrenze des Annehmenden wird auf das 25. Lebensjahr herabgesetzt, und die Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils wird neu gefaßt. Wir waren aber in Übereinstimmung mit dem mitberatenden Ausschuß der Meinung, daß die ursprünglich vorgelegte Fassung des Gesetzentwurfes, wonach die Ersetzung der elterlichen Einwilligung auch dann zuzulassen ist, wenn ein Elternteil wegen besonders schwerer körperlicher Gebrechen zur Pflege und Erziehung des Kindes nicht in der Lage ist, einen zu schweren Eingriff in das Elternrecht darstelle, zumal für solche Eltern das Kind oft der einzige Lebensinhalt bedeutet und diese Eltern alles daransetzen werden, dem Kind alle elterliche Liebe zu geben. Ist der Elternteil geistig gesund, so wird es ihm möglich sein, das Kind aufzuziehen. Es wird dann Aufgabe des Staates sein, in sozialen Härtefällen Hilfe angedeihen zu lassen.
Die Belehrungsfristen bei der Ersetzung der elterlichen Einwilligung sind entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurf um je einen Monat verkürzt worden. Wir haben uns bei dieser Entscheidung davon leiten lassen, daß bei der Abwägung zwischen dem schweren Eingriff in das Elternrecht und den Interessen des Wohls des Kindes dem Wohl des Kindes Vorrang einzuräumen sei, um so größere Schäden von ,dem Kind abzuwenden.
Wir haben es begrüßt, daß der Ausschuß unserer Anregung zu einer gemeinsamen Entschließung gefolgt ist, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, bis zum 1. Juli 1974 eine umfassende Neuordordnung des Rechts der Volladoption vorzulegen. Wir sind der Meinung, daß in diesem neuen Gesetzentwurf die im CDU/CSU-Antrag auf Drucksache 7/328 aufgestellten Grundsätze — insonderheit Verzicht auf das Erfordernis der Kinderlosigkeit, Grundsatz der gemeinschaftlichen Adoption durch die Ehegatten, Mindestehedauer, Altersunterschid zwischen Annehmenden und Anzunehmenden, Absehen von der Einwilligung eines Elternteils in besonderen Fällen, Entscheidungsmaßstäbe des Gerichts und nicht zuletzt Neuregelung des Adoptionsvermittlungsrechts — zu beachten sein werden. Auch soll erwogen werden, für die Adoptionsform des geltenden Rechts vorzusehen, daß die Adoption und die Aufhebung durch staatlichen Hoheitsakt erfolgen können.
Die Fraktion der CDU/CSU stimmt dem Gesetzentwurf zu.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist innerhalb kürzester Zeit gelungen, mit dieser kleinen Novelle einige der Haupthindernisse für Adoptionen zu beseitigen. Dem zeitlichen Druck, noch vor der Sommerpause mit der Arbeit zu Ende zu kommen, sind weitergehende Vorstellungen zum Opfer gefallen; Vorstellungen, wie sie die Bundesregierung derzeit bei Vorbereitung der großen Adoptionsreform in Arbeit hat, Vorstellungen, wie sie im Antrag der CDU/CSU enthalten sind, und auch eine Reihe von Einzelvorstellungen, wie sie in die Beratung der Novelle eingeführt worden sind.Ich darf in diesem Zusammenhang den Vorschlag der FDP erwähnen, zu überlegen, ob nicht eine vorsorgliche Belehrung von Elternteilen, bei denen sich nach Erfahrung des Jugendamtes bereits kurz nach der Geburt des Kindes Gleichgültigkeit abzeichnet, dazu dienen könnte, Kinder alsbald adoptieren lassen zu können. Auch diese Frage wurde bei der Beratung schließlich zurückgestellt, damit hier noch vor der Sommerpause die zweite und die dritte Lesung durchgeführt werden können.Es ist trotzdem gelungen — und ich halte das für wichtig —, die Fristen zu verkürzen; von vier auf drei und von sechs auf fünf Monate zu gehen und damit weitgehend Forderungen der Praktiker aus dem Bereich der Jugendpflege nachzukommen.
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2378 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
EngelhardVon Bedeutung ist sicherlich auch, daß wir uns schließlich dazu entschlossen haben, die Frage der körperlichen Gebrechen eines Elternteils bei der Adoption völlig auszuklammern. Diese Frage hat gerade auch außerhalb dieses Hauses bereits zu einer ganzen Reihe von Mißverständnissen geführt. Es konnte sich dem flüchtigen Leser zumindest der Eindruck aufdrängen, als ob einem Elternteil, der an besonders schweren körperlichen Gebrechen leidet, sein Kind gewaltsam im Wege einer Art Zwangsadoption weggenommen werden könnte. Da sich in der Praxis kaum Beispiele anbieten, wo lediglich auf Grund besonders schwerer körperlicher Mängel sowohl die Pflege des Kindes als auch seine Erziehung dem betroffenen Elternteil nicht mehr möglich sein könnte, haben wir uns veranlaßt gesehen, diesen Passus zu streichen.Es wird sich künftig nach dem dann geltenden Recht so verhalten, daß die Einwilligung in die Adoption vom Vormundschaftsgericht nur dann zu ersetzen ist, wenn wegen besonders schwerer geistiger Gebrechen eines Elternteils der Kontakt im Sinne der einfachsten geistigen Kommunikation zwischen dem Elternteil und dem Kind nicht mehr möglich ist.Wir halten das in diesem Zusammenhang für eine gute Entscheidung und bitten Sie, dem Entwurf zuzustimmen.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Bayerl.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt, daß die beteiligten Ausschüsse die Novelle zum Adoptionsrecht so rasch beraten haben.
Seit der ersten Lesung des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs, der heute hier zur abschließenden Beratung und Beschlußfassung ansteht, sind gerade vier Wochen vergangen. Diese kurze Zeit kann allerdings nicht die durch die parlamentarische Situation des Vorjahres eingetretene Verzögerung wiedergutmachen.
Die Bundesregierung hatte den vorliegenden Entwurf bereits am 19. Juli 1972, Herr Erhard, beschlossen.
Ich will kurz auf die Kritik eingehen, die der vorliegende Entwurf erfahren hat.
Man hat hier und da von einer Mini-Reform gesprochen. Dabei ist bemängelt worden, daß die Bundesregierung nicht bereits jetzt den Entwurf vorgelegt hat, der die Gesamtreform des Adoptionsrechts bringt, nachdem sich die Behandlung der Vorabnovelle verzögert hat. Ich meine, daß hier die Dinge ungebührlich verkleinert werden.
Der Ausdruck „Mini-Reform" entspringt einem Mißverständnis. Das Gewicht einer Reformmaßnahme ist nicht nach der bloßen Anzahl der neuen
oder geänderten Paragraphen zu beurteilen. Die in dem Entwurf der Bundesregierung geregelte Frage der Ersetzung der Einwilligung des leiblichen Elternteils in die Adoption, also die zwangsweise Wegnahme des Kindes für immer, ist die wohl schwierigste Frage des Adoptionsrechts und seiner Neuordnung überhaupt. Es handelt sich hierbei um einen tiefen, unwiderruflichen Eingriff in das Elternrecht, dessen Zulässigkeit schon in der Vergangenheit zu verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen geführt hat.
Mit diesem Entwurf der Bundesregierung werden nicht nur vorläufige Maßnahmen zur Erleichterung der Adoption getroffen. Im Interesse der betroffenen Kinder wird vielmehr der heikelste Komplex der Reformproblematik mit diesem Gesetz vorweg reformiert Das geschieht in einer Weise, die die Gesamtreform in diesem Punkt präjudizieren wird.
Wie ich hier schon bei der ersten Lesung betont habe, ist die Bundesregierung gerne bereit, den heute vorliegenden Entschließungsentwurf des Rechtsausschusses in ihre Überlegungen mit einzubeziehen und nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Die Einigkeit, die auf allen Seiten des Hauses in der Frage der Neuordnung des Adoptionsrechts besteht, wird ihre Durchführung sehr erleichtern.
Der Entwurf zur Gesamtreform soll nach dem Entschließungsentwurf des Rechtsausschusses alsbald vorgelegt werden. Dies entspricht auch der Absicht der Bundesregierung.
Aber nicht nur das Adoptionsrecht wird neu geregelt, sondern — im Bereich des Bürgerlichen Gesetzbuches — auch das Recht der elterlichen Sorge. Die Arbeiten sind in unserem Haus bereits weit vorangekommen. Die Bundesregierung erwägt, beide Vorhaben — Adoption und elterliche Sorge — in einem Gesetzentwurf zusammenzufassen.
Die Verbesserungen, die die Gesamtreform des Adoptionsrechts bringen wird, betreffen nicht so sehr das Zustandekommen der Adoption als vielmehr das durch die Adoption begründete Rechtsverhältnis. Die künftigen Statusverbesserungen für adoptierte Kinder sollen nach meinen Vorstellungen soweit wie möglich auch den im Zeitpunkt des Inkrafttretens schon vorhandenen Adoptivkindern zugute kommen.
Die Bundesregierung bittet den Bundestag um die Annahme des von ihr vorgelegten Entwurfs. Er bildet den Auftakt zur Gesamtreform des Adoptionsrechts.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache in dritter Lesung. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Lesung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Wir stimmen noch über die Punkte 2 und 3 des Ausschußantrages ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe!Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2379
Bundesminister FrankeIch rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und der Verordnung über das Erbbaurecht— Drucksache 7/62Bericht und Antrag des Rechtsausschusses
— Drucksache 7/714Berichterstatter:Abgeordneter Gnädinger Abgeordneter Thürk
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Einzelberatung in der zweiten Lesung. Ich rufe die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich eröffne diedritte Beratung.Das Wort hat der Abgeordnete Gnädinger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes geht zu Recht davon aus, daß sich das Wohnungseigentumsgesetz bewährt hat. Deshalb werden in dieser Vorlage, die vom Bundesrat ausgegangen war, auch nur drei kleinere Veränderungen vorgeschlagen, die ohne Zweifel positiv zu bewerten sind und die nach Auffassung meiner Fraktion in der Tat eine Verbesserung des Wohnungseigentumsgesetzes darstellen. Die wichtigste Änderung ist die Einführung einer Befristung bei der Verwalterbestellung, auf die ich noch gesondert eingehen möchte. Die zweite Vorschrift bringt Klarheit in eine in Schrifttum und Rechtsprechung umstrittene Rechtsfrage. Es handelt sich dabei um die gesetzliche Festlegung, daß künftig Wohnungseigentum in einem Gebäude, das auf mehreren Grundstücken erstellt ist, nicht mit mehreren Miteigentumsanteilen an den verschiedenen Grundstücken verbunden werden kann. Zum dritten wird durch eine Reihe von Vorschriften, die das Grundbuch betreffen, für dessen größere Übersichtlichkeit gesorgt. Dies gilt auch für das Erbbaugrundbuch. All diesen Ergänzungen, wie sie im Bundesratsentwurf enthalten sind, stimmt meine Fraktion zu.
Erlauben Sie mir bitte, daß ich nunmehr in wenigen Worten auf die wohl entscheidende und wichtigste Neuerung in diesem Gesetz eingehe, nämlich auf die Frage der zeitlichen Begrenzung der Verwalterbestellung. Diese Neuregelung ist in der Öffentlichkeit — ich denke dabei an einen Aufsatz im „Handelsblatt" vom Anfang dieses Monats --nicht immer befürwortend aufgenommen worden. Deshalb halte ich es für notwendig, noch einmal darzustellen, daß es nicht angeht, daß die Bauträger
ihren wirtschaftlichen Einfluß auf das Wohnungseigentum durch langfristige, vielfach unwiderrufliche Verwalterbestellungen zu sichern suchen. Dies ist eine nicht hinzunehmende Bevormundung der Wohnungseigentümer. Dabei darf natürlich nicht übersehen werden, daß ein Verwalter, der vom Bauträger kommt, durchaus mit dem Objekt mehr vertraut sein kann als andere und daß dies auch Vorteile für den Wohnungseigentümer haben kann. Ich meine jedoch, daß die heute zur Abstimmung stehende Gesetzesformulierung eine ausgewogene Regelung darstellt. Es bleibt den Wohnungseigentümern weiterhin unmöglich, den Verwalter jederzeit abzuberufen, es sei denn, dies geschähe aus einem wichtigen Grunde.
Andererseits wird die Verwalterbestellung auf fünf Jahre beschränkt, wobei Wiederwahl zulässig ist. Man kann also in der Tat von einer ausgewogenen Lösung sprechen, die sowohl die Rechte der Wohnungseigentümer als auch die Interessen einer langfristigen und kontinuierlichen Verwaltung berücksichtigt.
In zwei wesentlichen Punkten hat der Rechtsausschuß die Bundesratsvorlage ergänzt. Auf Initiative meiner Fraktion wurde durch eine Übergangsregelung Rechtsklarheit für jene Wohnungseigentümer geschaffen, deren Gebäude auf mehreren Grundstücken stehen und bei denen die Miteigentumsanteile unterschiedlich groß sind.
Die zweite Ergänzung, die auf eine Anregung der Bundesregierung zurückgeht, betrifft den Streitwert bei gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Wohnungseigentümer und dem Bauträger. Bekanntlich ist es ja so, daß der Streitwert für die Kosten ausschlaggebend ist, die den Parteien entstehen. Das bisherige Gesetz sah vor, daß der jährliche Mietwert aller Wohnungen in dem Gebäude als Geschäftswert zugrunde gelegt wurde. Das führte zu sehr hohen Streitwerten. Sind jedoch hohe Kosten zu erwarten, so schreckt mancher Wohnungseigentümer davor zurück, seine Rechte geltend zu machen. Die Praxis hat gezeigt, daß das gerade bei großen Wohnanlagen zu einem unzumutbaren Kostenrisiko für den Wohnungseigentümer geführt hat. Wir waren sicher richtig beraten, als wir diese Vorschrift änderten. In Zukunft soll nun der Richter nach dem Interesse der Beteiligten den Geschäftswert von Amts wegen festlegen.
Insgesamt erlaube ich mir die abschließende Bemerkung, daß alle diese Ergänzungen und Änderungen nicht von allzu hervorgehobener Bedeutung sind. Ich glaube jedoch, daß sie im Detail Verbesserungen des Wohnungseigentumsgesetzes bringen, und zwar gerade an jenen Stellen, wo der Wohnungseigentümer bisher etwas ungerecht behandelt wurde. Die SPD-Fraktion wird dieser so geänderten Vorlage des Bundesrates daher ihre Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Thürk.
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2380 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Frau Präsidentin! MeineDamen und Herren! Im Prinzip kann den Ausführungen des Herrn Erstberichterstatters auch von unserer Fraktion zugestimmt werden. Es sei jedoch auf einige Punkte ergänzend hingewiesen, die nicht ganz untergehen sollen.Eine Besonderheit des Gesetzes, das jetzt bereits 22 Jahre alt ist, besteht darin, daß es bisher nur zweimal novelliert worden ist, und das lediglich in Nebenpunkten, in kostenrechtlichen Punkten. Wenn man bedenkt, daß es sich bei dem Wohnungseigentumsgesetz und die erstmalige Regelung von Eigentum an Teilen von Gebäuden handelt, daß von dem daß damals nahezu keine Vorlagen für dieses Rechtsinstitut bestanden haben, muß man der damaligen Bundesregierung und dem damaligen Bundestag das Kompliment einer sauberen, durchdachten Rechtsetzungstätigkeit machen.Wir stehen heute vor der ersten echten materiellrechtlichen Änderung des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht vom 15. März 1951. Dabei waren die Prognosen, die diesem Gesetz gestellt wurden, durchaus unterschiedlich. In der ersten Aufbauphase nach dem Krieg sollte das Gesetz zum Wiederaufbau durch Mobilisierung privaten Kapitals neben dem Einsatz öffentlicher Mittel — dienen und dabei auch solchen Bauwilligen zu Eigentum verhelfen, denen der Bau eines eigenen Hauses auf Grund ihrer wirtschaftlichen Lage ein zu großes Risiko und einen zu großen Einsatz von Finanzmitteln bedeutet hätte. Hierdurch wurde der Anreiz zum Bauen an eine wesentlich größere und breitere Bevölkerungsschicht herangetragen.Doch die an das Gesetz geknüpften Erwartungen schienen lange Zeit zu trügen. In der Nachkriegszeit wurden die Möglichkeiten des Wohnungseigentums in relativ geringem Umfange ausgeschöpft. Mehr Interesse erregte noch die Institution des Dauerwohnrechtes, im zweiten Teil des Gesetzes geregelt. Erst nach fast zehn Jahren konnte davon gesprochen werden, daß sich der Gedanke des Wohnungseigentums durchgesetzt hatte. Aber erst seit Mitte der 60er Jahre — und ständig bis zum heutigen Tage ansteigend — kann man von einer vollen und den Erwartungen des Gesetzgebers entsprechenden Ausnutzung des Instituts des Wohnungseigentums durch die private Bauwirtschaft, die Bauträgergesellschaften und auch die privaten Bauherren sprechen.Proportional dem Ansteigen des Wohnungseigentums sank die Einrichtung von Dauerwohnrechten. Das Dauerwohnrecht fand immer weniger Interesse und besitzt heute beinahe Seltenheitswert.Zu dem Umstand, daß der Erwerb einer Eigentumswohnung eine geringere Kapitalinvestition erfordert als der Bau eines Eigenheims, kommt noch hinzu, daß das persönliche Engagement bei der Eigentumswohnung geringer ist. Die Wohnungseigentümerversammlung mit der Einrichtung eines Verwalters übernimmt in weitem Umfange diejenigen Sorgen und Lasten, die der normale Wohnungseigentümer oftmals zeit- und geldraubend allein tragen müßte. Denn die meist gleichartigen Sorgenund Nöte der Wohnungseigentümer werden durch einen in der Regel sachkundigen Verwalter einfacher, effizienter und meistens auch kostensparender erledigt, als dies der einzelne Eigentümer könnte.Mit dem im Laufe der Jahre geradezu rasanten Ansteigen der Baupreise zum Ende der 60er und zum Beginn der 70er Jahre sprach das Wohnungseigentum eine neue Interessentenschicht an, nämlich Bürger, die aus berechtigter Sorge bemüht waren, ihr von der Entwertung bedrohtes Geld in Sachwerten anzulegen. Dadurch erhielt der Baumarkt auf dem Gebiet der Eigentumswohnungen neue Impulse, die auf jeden Fall den positiven Erfolg für sich hatten, neuen Wohnraum zu schaffen.Neben diesen Zweitwohnungen aus Vermietungsgründen wurde das neue Rechtsinstitut auch noch zu einer Form benutzt, die von den Vätern des Gesetzes sicher in dieser Form nicht vorausgesehen worden war, nämlich die Errichtung von Ferienwohnungen in landschaftlich besonders bevorzugten Regionen, die als Zweitwohnungen den Eigentümern selbst als Ersatz von Ferienappartements, Bungalows usw. zur persönlichen Erholung dienen sollten. Vorauszusehen ist weiterhin, daß in den Sanierungsgebieten der Großstädte die Bauträgergesellschaften zu größeren Wohneinheiten schreiten werden, die sie in Form von Wohnungseigentum an die früheren Grundeigentümer, aber auch an sonstige Interessenten abgeben werden.Das Besondere am Wohnungseigentumsgesetz ist folgendes: Es erlaubte erstmals das Sondereigentum an einer Wohnung in einem Gebäude, und zwar in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum. Dieses Sondereigentum wird, soweit es Wohnzwecken dient, als „Wohnungseigentum" bezeichnet, soweit es nicht Wohnzwecken dient, als „Teileigentum". Der Miteigentumsanteil wird am gemeinschaftlichen Eigentum erworben; dazu gehören das Grundstück sowie Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum stehen.Rechtsprechung und Schrifttum haben nun in den vergangenen Jahren einige Probleme herausgearbeitet, die einer Neuregelung durch den Gesetzgeber bedurften. In dieser Erkenntnis hat sich die Bayerische Staatsregierung das Verdienst erworben, die vorliegende Gesetzesinitiative ergriffen zu haben. Mit ein Grund für diese Maßnahme dürfte sein, daß Bayern in der Spritzengruppe derjenigen Bundesländer liegt, die die höchste Zahl von Eigentumswohnungen aufweisen,
wobei die Stadt München sogar die Spitzenstellung innerhalb der Städte der Bundesrepublik einnimmt. Die streitigen Probleme sind deshalb in diesem Raum besonders stark zutage getreten und haben auch zu einer Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes zur Frage des Miteigentums an mehreren Grundstücken im Juli 1970 geführt — im Widerspruch zu einigen anderen erstrichterlichen
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ThürkEntscheidungen —, die den Anstoß zur Novellierung gegeben haben dürfte.Das größte Interesse wird ohne Zweifel — das hat der Herr Erstberichterstatter bereits erwähnt — der § 26 bei den Wohnungseigentümern finden, der nach den Vorstellungen des Rechtsausschusses nunmehr die Überschrift „Bestellung und Abberufung des Verwalters" tragen wird. Die Bauträgergesellschaften, die in vielen Fällen zunächst auch die Wohnungsverwaltungsgesellschaften waren, hatten ein verständliches Interesse daran, die Verwalterbestellung auf möglichst lange Zeit vorzunehmen. Insbesondere zu Beginn der Wohnungsverwaltung, wenn die Eigentümer sich gegenseitig noch nicht kannten, mit den Problemen noch nicht vertraut und somit mehr oder minder dankbar für die Regelung der Wohnungsverwaltung waren, ergab es sich, daß die Gesellschaften unter Ausnutzung ihrer Position auf eine langfristige, teilweise unwiderrufliche Verwalterbestellung drängten. Die Vertragsfreiheit wurde bisweilen unter Inanspruchnahme der formalen Rechtsstellung zum Nachteil der Wohnungseigentümer in ungebührlicher Weise ausgenutzt. Andererseits darf jedoch auch nicht übersehen werden, daß eine kontinuierliche Vertretung der Wohnungseigentümer sich auch zugunsten ihrer selbst auswirkte. Es mußte also ein vernünftiger Kompromiß gefunden werden.Der Entwurf, der dem Rechtsausschuß vorgelegen hat und einstimmig angenommen worden ist, geht nun davon aus, daß die Verwalterbestellung auf höchstens fünf Jahre vorzunehmen ist. Die Bestellung verlängert sich also nicht automatisch um weitere Jahre. Es ist auch nicht notwendig, daß ein Beschluß über die Abberufung des Verwalters herbeigeführt wird, was dem einzelnen Wohnungseigentümer insbesondere dann unangenehm sein müßte, wenn der Verwalter gleichzeitig Miteigentümer ist. Vielmehr läuft die Bestellung jeweils nach höchstens fünf Jahren ab; es muß in jedem Fall nach dieser Zeitspanne eine neue Bestellung vorgenommen werden.Schon aus psychologischen Gründen wird es den Wohnungseigentümern leichter fallen, eine andere Persönlichkeit mit der Verwaltertätigkeit zu beauftragen als einen Mißtrauensantrag gegen einen bestellten Verwalter mit Mehrheitsbeschluß durchzusetzen. Sollte ein neuer Verwalter nicht ernannt werden, obwohl dies bereits ein Jahr vor Ablauf der Bestellungszeit beschlossen werden kann, so besteht der Ausweg einer gerichtlichen Verwalterbestellung.Eine die Öffentlichkeit weniger interessierende, aber für den Rechtsverkehr doch wichtige Vereinfachung ist in § 26 Abs. 4 aufgenommen worden. Die Verwaltereigenschaft kann danach in vereinfachter Form nachgewiesen werden.Meine Damen und Herren, problematisch ist im Laufe der Jahre weiterhin geworden, ob Sondereigentum, d. h. Wohnungseigentum oder Teileigentum, mit Miteigentum an mehreren Grundstücken verbunden werden darf. Ich denke an solche Fälle, in denen ein Gebäude auf mehreren Grundstückenerrichtet worden ist. Die Rechtsprechung zu diesem Problem war uneinheitlich. Dadurch ergab sich eine beachtliche Rechtsunsicherheit. Das neue Gesetz will dieser Unsicherheit abhelfen und bestimmt daher in einem neuen Abs. 4 zu § 1, daß das Sondereigentum nicht mit Miteigentum an mehreren Grundstücken verbunden werden darf. In den Übergangsvorschriften wird dann ergänzend bestimmt, daß in den Fällen, in denen bereits Sondereigentum mit gleichgroßen Miteigentumsanteilen an mehreren Grundstücken verbunden wurde, diese Grundstücke als bei der Anlegung des Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuchs zu einem Grundstück vereinigt gelten.Auf Einspruch des Rechtsauschusses ist diese Bestimmung nochmals überdacht worden, da sie den schwierigsten Fall, nämlich die Vereinigung von Sondereigentum mit ungleich großen Miteigentumsanteilen an mehreren Grundstücken, nicht geregelt hat. Dies ist nun nachträglich geändert worden. Die Bayerische Staatsregierung hat den Vorschlag unterbreitet, daß in diesem Fall die Eigentumsrechte bei der Anlegung des Wohnungs- oder Teileigentumsgrundbuchs als rechtswirksam entstanden gelten, soweit nicht andere, die rechtswirksame Begründung ausschließende Mängel vorliegen. Dem ist der Rechtsausschuß ohne weitere Bedenken beigetreten und hat die Annahme dieses Ergänzungsvorschlages einstimmig befürwortet.Der Novellierungsvorschlag enthält sodann noch eine Reihe von Gesetzesänderungen, die der Arbeitserleichterung der Grundbuchämter dienen und damit zu einer Beschleunigung des Eintragungsverfahrens beitragen. Sinn der gesetzlichen Regelungen ist es, entbehrlichen Formalismus auszuschließen und durch Vereinfachung des Verfahrens die Grundbuchämter zu entlasten. Diese Vorschriften dienen aber auch den Wohnungseigentümern, die wesentlich schneller zur Eintragung und damit zum Ende der oft sehr teuren Zwischenfinanzierung gelangen werden.Eine auch für die Wohnungseigentümer interessante Vereinfachung ist die grundbuchmäßige Behandlung von Garagenstellplätzen. In Fällen von größeren Wohneinheiten, zu denen Tiefgaragen gehören, mußten bisweilen z. B. Hunderte von Bruchteilseigentümern eingetragen werden. Bisher konnte lediglich an echten Garagen — also umschlossenen Räumen — wie auch an Keller- und Bodenräumen Sondereigentum bestellt werden. Um dies für die Praxis zu vereinfachen, wird nun in § 3 Abs. 2 der Garagenstellplatz als abgeschlossener Raum in dem Fall behandelt, in dem seine Fläche dauerhaft markiert ist. Diese Fiktion wird zweifellos eine erhebliche Erleichterung für die Praxis bedeuten.Interessant für die Wohnungseigentümer ist ferner noch die Aufhebung des § 48 Abs. 2 Satz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes. Bisher war es Aufgabe des Richters, den Geschäftswert für die Kostenberechnung nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung festzusetzen. Hierbei war ihm allerdings als Leitlinie vorgegeben, den Geschäftswert im Regelfall entsprechend dem jährlichen Mietwert der Gebäude und Grundstücksteile anzuneh-
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Thürkmen. Dies hat in der Praxis häufig zu einer unangemessen hohen Kostenbelastung der Beteiligten geführt. Aus diesem Grunde sieht der Gesetzentwurf vor, daß die letztgenannte Vorschrift entfällt; es bleibt also dabei, daß der Richter den Geschäftswert lediglich nach den Interessen der Beteiligten festzusetzen hat.Meine Damen und Herren, im Schrifttum sind auch noch im Hinblick auf weitere Fälle Gesetzesänderungen angeregt worden. Die Bayerische Staatsregierung wie auch das Bundesjustizministerium und der Rechtsausschuß haben jedoch davon abgesehen, diesen Anregungen zu folgen. Das Wohnungseigentumsgesetz, ,das sich in der ganz überwiegenden Anzahl seiner Bestimmungen in der Praxis bewährt hat, soll nur insoweit novelliert werden, als die Erfordernisse der Praxis dies gebieten. Dem ist nach unserer Auffassung durch den vorliegenden Gesetzentwurf in vollem Umfang Rechnung getragen worden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion kann daher nur empfehlen, diesem Gesetzentwurf die Zustimmung zu geben. Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Inhalt des Gesetzes und auch ein Großteil der noch bevorstehenden Kommentierung ist erschöpfend dargestellt worden. Ich kann mich deshalb insoweit kurz fassen.
Wir sind tatsächlich der Meinung, daß hier eine Sonderrendite in einer Anzahl von Fällen geflossen ist, die im Moment des besonderen Kaufinteresses von dem Käufer für den Erbauer von Eigentumswohnungen mitbewilligt worden ist. Dagegen ist unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit nichts zu sagen. Aber nach fünf Jahren sollte dann doch die Möglichkeit gegeben sein, daß die Wohnungseigentümer auch in der besonders wichtigen Frage, wer ihr Haus verwaltet, wirklich frei entscheiden. Diese Entscheidungsfreiheit ist hergestellt worden, und die Möglichkeit einer Sonderrendite, jedenfalls soweit sie nicht ganz freiwillig gegeben und zunächst nicht als solche gesehen wird, ist damit zeitlich begrenzt. Das ist gut so.
Die weiteren Änderungen sind hier in ihrer Bedeutung zutreffend gewürdigt worden.
Auch ist von den Herren Vorrednern bereits ein gewisses Jubiläum dieses Gesetzes angesprochen worden, das gerade wir Freien Demokraten für besonders wichtig halten.
— Sie werden gleich sehen, worauf ich hinaus will. Es ist in der Begründung von etwa zwanzig Jahren die Rede. Es ist aber schon fast ein Vierteljahrhundert her — im nächsten Jahr wird sich das jähren —, daß am 30. November 1949 die Abgeordneten Wirths, Dr. Schäfer und Fraktion — das war nämlich die Fraktion der Freien Demokraten — den ersten
Entwurf eines Wohnungseigentumsgesetzes in diesem Hause eingebracht haben. Da andere ungern solcher Daten gedenken, muß man schon einmal für die eigene Fraktion etwas tun und hier ein solches Ereignis bei dieser Gelegenheit auch einmal erwähnen dürfen.
Wir haben also damals als erste Fraktion in diesem Haus diesen Entwurf als Fraktionsentwurf vorgelegt und haben, wenn man die Schwierigkeiten der Anlaufzeit bedenkt, damit etwas recht Wagemutiges getan; denn zunächst sah es nicht so aus, als ob dieses Angebot des Gesetzgebers bereitwillig angenommen würde. Das hat sich erst im Laufe der Jahre geändert.
Dabei ist insbesondere aus der heutigen Sicht — leider etwas zu spät — festzustellen, daß hier nicht nur die Förderung von möglichst viel Eigentum, das möglichst breit gestreut ist, gelungen ist, wie sich in zunehmendem Maße zeigt, sondern es gibt hier auch eine Komponente, die meiner Ansicht nach erst in diesen Jahren richtig gesehen werden kann: die städte- und landschaftsplanerische Komponente. Es ist bedeutend besser, daß zehn oder auch nur sechs Familien in einem größeren Haus wirkliches Eigentum für ihre Wohnzwecke haben, als daß man diese sechs oder zehn Familien darauf verweist und durch die Förderung geradezu dahin schickt, sich auf einem noch unbebauten Stück Grünland jeweils auf 300 qm Fläche kleine Häuschen hinzusetzen, die einen geringeren Wohnwert haben, die aber unter dem Gesichtspunkt der Landschaftsplanung etwas ganz Schädliches sind und die früher leider auch in diesem Hause geradezu zu einer Ideologie hochstilisiert worden sind, von der heute niemand mehr etwas wissen will. Gerade unter diesem Gesichtspunkt sehen wir das Wohnungseigentum als eine ganz wichtige Unterstützung eines jetzt erst allgemein gesehenen Anliegens im Bereich vernünftiger Städteplanung und nicht immer weiterer Zersiedelung der zu anderen Zwecken so dringend benötigten noch unbesiedelten Landschaft
Darauf möchte ich aus Anlaß dieses Jubiläums und zusammen mit der Feststellung, daß sich dieses Gesetz erfreulich gut bewährt hat, noch einmal hingewiesen haben, ohne auf die sachlichen Probleme weiter einzugehen, weil das meine Herren Vorredner hervorragend besorgt haben.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen in dritter Lesung zur Abstimmung über dieses Gesetz. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenstimmen ? — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Wir müssen noch über die Ziffer 2 des Ausschußberichts abstimmen, die Petitionen für erledigt zu erklären. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
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Vizepräsident Frau FunckeIch rufe nunmehr Punkt 7 des Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den am 24. Juli 1971 in Paris unterzeichneten Übereinkünften auf dem Gebiet des Urheberrechts— Drucksache 7/274 —Bericht und Antrag des Rechtsausschusses
— Drucksache 7 715 Berichterstatter:Abgeordneter ThürkAbgeordnete Frau Däubler-Gmelin
Wünschen die Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist ebenfalls nicht der Fall.Wir kommen zur Einzelabstimmung über Art. 1, 2, 3, 4, 5 sowie Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? —Wir kommen zur Schlußabstimmung, Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. —Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe den Punkt 8 auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. Oktober 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über die Umsatzbesteuerung des Waren-und Dienstleistungsverkehrs zwischen den österreichischen Gemeinden Mittelberg und Jungholz und der Bundesrepublik Deutschland— Drucksache 7/259 --Bericht und Antrag des Finanzausschusses
— Drucksache 7/666 --Berichterstatter: Abgeordneter Halfmeier
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Ich verbinde diese Abstimmung mit der Schlußabstimmung. Wer. in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe den Punkt 9 auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 14. Januar 1969 zu dem Übereinkommen vom 7. September 1967 zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen und zu dem Protokoll über den Beitritt Griechenlands zu diesem Übereinkommen— Drucksache 7/470 Bericht und Antrag des Finanzausschusses
— Drucksache 7/689 --Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Köhler
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? -Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Beratung wird auch nicht gewünscht.Ich rufe Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Ich verbinde diese Abstimmung mit der Schlußabstimmung. Wer in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über gegenseitige Unterstützung in Zollangelegenheiten— Drucksache 7/517 —Bericht und Antrag des Finanzausschusses
— Drucksache 7/691 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Vohrer
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Beratung wird nicht gewünscht.Ich rufe in der Einzelberatung Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf und verbinde die Abstimmung darüber mit der Schlußabstimmung. Wer in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Juni 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen— Drucksache 7/471 —Bericht und Antrag des Finanzausschusses
— Drucksache 7/717 —Berichterstatter:Abgeordnete Eilers
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2384 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Vizepräsident Frau FunckeWünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort in der Beratung wird nicht gewünscht.Ich rufe die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung mit der Schlußabstimmung. Wer in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes— Drucksache 7/133 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr
— Drucksache 7/692 —Berichterstatter: Abgeordneter Vehar
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.Dann rufe ich in der Einzelberatung die Art. 1, 1 a, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Dann kommen wir zur Abstimmung in dritter Lesung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen?Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Kostenermächtigungsvorschriften des Seemannsgesetzes— Drucksache 7/482 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/788 —Berichterstatter:Abgeordneter Müller
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 7/718 Berichterstatter: Abgeordneter Gansel
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? Herr Kollege Gansel, zur Berichterstattung? — Nein?Dann rufe ich erst zur Einzelberatung in der zweiten Lesung auf: Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Dazu hat Herr Kollege Gansel das Wort. Wie ich höre, handelt es sich um eine Korrektur zur Ausschußvorlage in Form eines Änderungsantrags.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt werde ich fast noch darum gebracht, meine Jungfernrede zu halten. Das würde ich als besonders tragisch empfinden. Ich bin nämlich zu dieser Jungfernrede gewissermaßen wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. Denn der Anlaß ist die Folge eines Druckfehlers. Dabei hat menschliche Absicht noch nicht einmal insofern mitgespielt, als daß man einem Parlamentsneuling hätte Gelegenheit geben wollen, vor einem überfüllten Plenum zu sprechen.
Unter Art. 1 Nr. 1 heißt es in § 102 b Abs. 3 der vorliegenden Fassung der Ausschußbeschlüsse, daß die Kosten für die Seediensttauglichkeitsuntersuchung tragen soll, wenn es nicht die See-Berufsgenossenschaft tut, „wer sich hierzu durch eine der See-Berufsgenossenschaft abgegebene und ihr mitgeteilte Erklärung zur Übernahme verpflichtet hat" usw. Diese Formulierung ergibt keinen Sinn.Nun ist es ja eigentlich nicht immer ausreichender Anlaß, eine Vorlage zu korigieren, wenn sie keinen Sinn ergibt. In diesem Fall war aber beabsichtigt, eine Formulierung zu wählen, wie sie in § 13 Abs. 1 Ziffer 2 des Verwaltungskostengesetzes gewählt worden ist. Und zwar sollte es heißen, daß zur Zahlung verpflichtet ist, „wer sich hierzu durch eine v o r der See-Berufsgenossenschaft abgegebene oder ihr mitgeteilte Erklärung zur Übernahme verpflichtet hat . . .".Ich habe diesen Änderungsantrag mit dem Kollegen Franke abgesprochen. — Nachdem Herr Carstens heute morgen anstelle eines Sachbeitrages zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen konservative Köstlichkeiten verteilt hat, ist für mich die Versuchung ungeheuer groß, bei dieser Gelegenheit einige grundsätzliche Ausführungen zu machen über die Bedeutung eines Gesetzes zur Änderung der Kostenermächtigungsvorschriften des Seemannsgesetzes als Bestandteil einer Strategie systemüberwindender Reformen.
Diese Versuchung ist für einen Kieler Abgeordneten angesichts der revolutionären Tradition unserer Marine natürlich besonders groß.
— Nein, das war vor allem in Kiel. Wilhelmshaven ist dann nachgekommen. Aber solche Meinung hängt natürlich mit dem Lokalkolorit zusammen.
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GanselMeine Damen und Herren, nachdem der Ausschuß die Vorlage der Regierung verworfen hatte, hat er eine neue Fassung erarbeitet und einstimmig beschlossen. Wir haben es hier bei der vorliegenden Drucksache also mit dem nüchternen Denkmal eines rauschenden Sieges des Parlaments über die Regierung zu tun. Es ist sozusagen der späte Triumph des Parlamentarismus des 19. Jahrhunderts. Der Ausschuß hat die Fassung einstimmig beschlossen, und ich glaube, wir werden auch diesen Änderungsantrag einstimmig verabschieden können.
— Nein, den Finger haben wir beide gleichzeitig erhoben.Der Änderungsantrag lautet: In Art. 1 Nr. 1 § 102 b Abs. 3 Zeile 3 ist vor „der" einzufügen: „vor", und in Zeile 4 ist das Wort „und" durch „oder" zu ersetzen. Ich bin sicher, daß alle Kolleginnen und Kollegen jetzt wissen, worüber wir abstimmen werden, und hoffe Ihrer Zustimmung sicher sein zu dürfen.
Vielen Dank, Herr Kollege Gansel. Jetzt ist uns natürlich alles völlig klar.
Es bleibt zwar nicht immer das gleiche, wenn man „und" durch „oder" ersetzt, aber wenn Herr Kollege Franke bestätigt, daß das ungefährlich ist, werden wir das vielleicht miteinander beschließen können.
— Gut. — Ich höre auch keinen Widerspruch von seiten der FDP.
Dann können wir darüber abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wer dem Gesetz in dritter Beratung mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abwicklung der Reichsärztekammer
Drucksache 7/507 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/787
Berichterstatter:
Abgeordneter Carstens
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit
— Drucksache 7/713 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
Wünschen die Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe in der Einzelberatung die §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Rollmann, Dr. Eyrich, Dr. Stark und
Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Berufung einer Jugendstrafvollzugskommission
— Drucksache 7/648 -
Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Sonderausschuß für die Strafrechtsreform Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Rollmann das Wort.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur der Einblick in die Wirklichkeit unseres Jugendstrafvollzugs, sondern schon der Blick auf die Rückfallquote beweist, daß der Jugendstrafvollzug in Deutschland weitgehend wirkungslos ist. Anders würde es wohl nicht zu erklären sein, daß 50 bis 80 % der jugendlichen Straftäter wieder rückfällig werden. Wieviel an Leid und Schaden für die Opfer und für die Täter sowie für ihre Angehörigen, wieviel an sinnlosen Aufwendungen des Staates für die Polizei, für die Justiz und den Strafvollzug drücken sich in dieser hohen Rückfallquote aus!Der Jugendstrafvollzug in Deutschland ist reformbedürftig, nicht weniger als der Erwachsenenstrafvollzug. Das sagen alle, die mit ihm zu tun haben. Es geht dabei nicht um die sogenannte weiche Welle, sondern es geht darum, den Jugendstrafvollzug wirksamer zu machen, ihn so zu gestalten, daß die jungen Rechtsbrecher nach ihrer Entlassung aus der Jugendstrafanstalt nicht wieder straffällig werden, sondern in Zukunft die Gesetze beachten. Dem Erziehungsgedanken des Jugendgerichtsgesetzes muß im Jugendstrafvollzug mit allen Konsequenzen
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Rollmannendlich Geltung verschafft werden, und dafür fehlt. es doch allenthalben, so unterschiedlich die Situation auch im einzelnen ist: an geeigneten Strafvollzugsanstalten, an pädagogisch qualifizierten Mitarbeitern, an sinnvollen Möglichkeiten der Bildung, der Berufsausbildung, der Arbeit und der Freizeit.Die jungen Strafgefangenen werden auf die Rückkehr in die Freiheit und auf die Bewährung in der Freiheit unzulänglich vorbereitet. Unsere Jugendstrafanstalten sind noch weithin Stätten der kriminellen Infektion und hohe Schulen des Verbrechens, nicht aber Plätze des Neubeginns. Wissenschaftler und Praktiker des Jugendstrafvollzugs fordern seit langem die Reform des Rechtes und der Praxis des Jugendstrafvollzugs. Die Bundesregierung hat sich bisher über die Zukunft des Jugendstrafvollzugs ausgeschwiegen und keine wie auch immer geartete Initiative ergriffen.Die CDU/CSU-Fraktion greift mit ihrem Antrag die Forderung nach der Reform des Rechts und der Praxis des Jugendstrafvollzugs auf und macht sie sich zu eigen. Unser Antrag knüpft an die guten Erfahrungen an, die mit der Berufung einer Strafvollzugskommission zur Erarbeitung eines Strafvollzugsgesetzes für den Erwachsenenvollzug gemacht worden sind. Wenn auf Beschluß des Bundestages die Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern alsbald eine Jugendstrafvollzugskommission zur Erarbeitung eines Jugendstrafvollzugsgesetzes beruft, können wir erwarten, daß eine solche Kommission in absehbarer Zeit den Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes vorlegen und somit eine wichtige Grundlage für eine Jugendstrafvollzugsreform in Deutschland schaffen wird.
Wird das Wort gewünscht? Das Wort hat der Abgeordnete Brandt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Ihrem Antrag, Herr Rollmann, einem Antrag der CDU/ CSU-Fraktion, begehren Sie die Berufung einer Jugendstrafvollzugskommission. Aufgabe dieser Kommission soll es sein, ein Jugendstrafvollzugsgesetz vorzubereiten und schließlich auch vorzulegen. Nun gibt es ganz gewiß keinen Zweifel darüber, daß der Jugendstrafvollzug, obwohl noch relativ am besten geregelt, ebenso reformbedürftig ist wie der Strafvollzug überhaupt, übrigens einschließlich des Untersuchungshaftvollzugs. Ebenso reformbedürftig sind auch Aus- und Fortbildung der Bediensteten im Strafvollzug, ebenso reformbedürftig ist aber auch das Bewußtsein der Öffentlichkeit gegenüber denjenigen, die sich im Strafvollzug befinden, vor allem denjenigen gegenüber, die entlassen werden. Dies schaffen wir freilich mit keinem Gesetz.Alles in allem: Wir sind uns einig darüber, daß im Strafvollzug noch eine Menge zu tun ist, aber, Herr Kollege Rollmann, Ihr Antrag ist natürlich auch ein Symptom dafür, wie wenig der Ausbau der sozialen Infrastruktur der Bundesrepublik Deutsch-land mit dem wirtschaftlichen Ausbau Schritt gehalten hat.Der soziale Problemdruck verstärkt sich, und die Lösungsmöglichkeiten verkomplizieren sich, kosten im übrigen auch sehr viel Geld. Das wird von Ihnen keineswegs bestritten, wenn Sie in Ihrer Begründung darauf hinweisen, daß es sowohl an den geeigneten Anstalten als auch an den pädagogisch qualifizierten Mitarbeitern fehlt. Wir hätten es also alle ein bißchen leichter, wenn schon vorher einige Brocken aus dem Weg geräumt worden wären, insbesondere in den ersten beiden Jahrzehnten des Bestehens der Bundesrepublik.Sie wissen, daß im Augenblick der Strafvollzug zur Debatte steht. Damit werden die Bemühungen eines Jahrhunderts hoffentlich bald abgeschlossen, zu einem Strafvollzugsgesetz zu kommen. Dieses Strafvollzugsgesetz wird uns in der Zukunft zuerst einmal hier im Plenum und dann im Ausschuß zu beschäftigen haben, und Sie wissen auch, daß es in diesem Zusammenhang noch eine Fülle von schwierigsten Fragen zu klären gibt, insbesondere Fragen, die mit der Finanzierung zusammenhängen. Diese Fragen werden uns natürlich bei der Reform des Jugendstrafvollzugs ebenfalls zu beschäftigen haben. Aber das mag so schwierig werden, wie es will. Ich gehe davon aus, daß wir das gemeinsam schaffen.Daß dieses Strafvollzugsgesetz mittlerweile auch unter dem Druck des Urteils des Bundesverfassungsgerichts steht, ist hinlänglich bekannt. Nur teile ich Ihre Meinung in der Begründung durchaus nicht, daß das in gleichem Maße auch für das Jugendstrafvollzugsgesetz gilt, weil mir hier die verfassungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen durch das Jugendgerichtsgesetz gegeben scheinen. Aber das ist kein Ersatz für ein Jugendstrafvollzugsgesetz; dies ist unter uns wiederum nicht im Streit.Zusammenfassend möchte ich für meine Fraktion erstens sagen, daß der hier vorliegende Antrag auf Berufung einer Jugendstrafvollzugskommission in der Tendenz unsere Zustimmung findet. Auch wir halten den Jugendstrafvollzug für dringend und eingehender Regelung bedürftig.Zweitens hat im Augenblick das Strafvollzugsgesetz für den Erwachsenenvollzug Vorrang in der parlamentarischen Beratung. Dieser Entwurf wird — vor allem dann, wenn er Gesetz geworden ist — ganz ohne Zweifel auch Rückwirkungen auf den Jugendstrafvollzug haben. Darüber gibt es sicherlich keinen Zweifel.Drittens befürworten wir selbstverständlich die Überweisung dieses Antrags an den Sonderausschuß für die Strafrechtsreform und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zur Mitberatung. Dort wird man dann etwas genauer unter die Lupe nehmen müssen ob und wie ein Auftrag an eine Kommission konkretisiert werden kann. Ich denke, daß wir uns hier zu einer gemeinsamen Lösung zusammenfinden werden, die wir alle für dringend notwendig halten.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2387
Das Wort hat der Abgeordnete von Schoeler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Strafrechtssonderausschuß und das Plenum des Bundestages werden sich im nächsten Jahr in aller Ausführlichkeit — darauf ist hingewiesen worden — mit dem Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes beschäftigen müssen. Die Diskussion darüber wird seit geraumer Zeit in der Öffentlichkeit geführt. Ich möchte an dieser Stelle eine Bemerkung dazu machen: Wir laufen Gefahr, immer neue Pläne zu entwerfen, immer neue Kommissionen zu bilden und damit auch neue Hoffnungen bei allen Beteiligten zu wecken, bei den Bediensteten in der Anstalt und bei den Anstaltsinsassen. Wir müssen jetzt dafür Sorge tragen, daß diese Hoffnungen auf allen Seiten der Beteiligten auch erfüllt werden. Das ist eine Mahnung, die man im Zusammenhang mit dem Strafvollzugsgesetz bei dem derzeitigen Stand der Beratung im Bundesrat nur mit allem Nachdruck aussprechen kann.
Herr Kollege Rollmann, wir sind uns darüber einig, daß der Jugendstrafvollzug heute unter einem erschreckenden Mangel an geschultem Personal und an Ausbildungsstätten in den Betrieben leidet. Wir wissen, daß gerade eine abgeschlossene Ausbildung der Jugendlichen während der Strafverbüßung ein erhebliches Moment für geringere Rückfallziffern ist. Es besteht auch ein erheblicher Mangel an vernünftigen Arbeitsplätzen und — das möchte ich bewußt an die letzte Stelle setzen — auch an einem erheblichen Mangel an vernünftigen Gebäuden. Ich setze das hier im Gegensatz zu Ihrer Begründung, Herr Kollege Rollmann, ans Ende, weil es sicherlich nicht die vordringlichste Aufgabe im Rahmen der Strafvollzugsreform ist, neue schöne Gebäude zu errichten und damit die Gewissen verschiedener Leute zu beruhigen. Das Entscheidende ist, welches Milieu in diesen Gebäuden herrscht. Unsere Aufgabe ist es, mit einem Jugendstrafvollzugsgesetz die Grundlage für ein therapeutisches Milieu in den Anstalten zu schaffen.
In einigen Jugendstrafanstalten finden wir heute noch die Reste einer eigentlich vergessen geglaubten repressiven Erziehungsideologie. Es ist das Verdienst meines Kollegen Gallus, in den letzten Wochen und Monaten auf die Praxis der „harten Tage" im Justizvollzug insbesondere an jugendlichen Straftätern hingewiesen zu haben. Wenn man da heute noch liest und man kann es kaum glauben , daß an gewissen Tagen die Matratzen aus den Betten gezogen werden, daß weniger Essen ausgegeben wird und daß das Ganze unter der Überschrift „Erziehung im Strafvollzug" steht, zeigt das in der Tat, wie reformbedürftig hier auch das Denken der Menschen ist.
Aber und das soll nicht verschwiegen werden
— der Jugendstrafvollzug ist ein Gebiet des Strafvollzugs, wo traditionell — zumindest in einigen Anstalten -- immer einige Experimentierfreude vorhanden war. Das liegt wohl daran, daß nirgendwo sonst die Unsinnigkeit, weil Ineffektivität eines repressiven Strafvollzugs so deutlich wird. In keinem
anderen Bereich des Strafvollzugs ist die Chance, den Teufelskreis zu durchbrechen, der Menschen zu Dauerinsassen von Strafanstalten macht, größer als in diesem Bereich. Unsere Aufgabe ist es, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, den Teufelskreis, der in den Einzelschicksalen eben so aussieht, daß Schwierigkeiten in der Ehe bestehen, die sich auf die Kinder negativ auswirken, daß die Kinder dann Schwierigkeiten in der Schule haben oder unter Umständen in die Sonderschule kommen, daß die Schwierigkeiten sich in der Lehre fortsetzen, daß die Ausbildung abgebrochen wird und daß dann möglicherweise Heimerziehung die nächste Station ist, womit der Weg in den „Knast" schon vorgezeichnet ist. Das alles sehen die Praktiker heute, und sie müssen es sehenden Auges in Kauf nehmen.
Meine Fraktion ist der Auffassung, daß der Ausschuß über den vorliegenden Antrag in aller Sorgfalt beraten muß. Wir werden uns über die Aufgabenstellung der zu bildenden Kommission unterhalten müssen und werden dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, wieweit die sich gleichzeitig vollziehende Arbeit über die Neuordnung des Jugendhilferechts Auswirkungen auf diesen Bereich des .Jugendstrafvollzugs haben soll.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Bayerl.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Bereitschaft des ganzen Hauses, den Jugendstrafvollzug zu reformieren. Sie betrachtet die Reform des Jugendstrafvollzugs — nicht eine Kodifikation des derzeitigen Zustandes — als eine dringliche Aufgabe nicht nur des Gesetzgebers, sondern auch der Gesellschaft.Hier gilt aber, Herr Kollege Rollmann, wie in anderen Bereichen, daß nicht alle notwendigen Reformen gleichzeitig verwirklicht werden können; man kann nicht den zweiten, den dritten oder gar den vierten Schritt vor dem ersten tun. Wir sind dabei, den Erwachsenenstrafvollzug zu reformieren; der Entwurf wird in Kürze dem Bundestag vorgelegt werden, und er wird zur Klärung einer Reihe von Grundsatzfragen des Strafvollzugs führen, die unbeschadet der besonderen Aufgaben und der Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs auch auf diesen ausstrahlen wird. Damit wird ein notwendiger erster Schritt getan sein.Niemand sollte aber glauben, daß eine Reform des Jugendstrafvollzugs schon dann sinnvoll eingeleitet ist, wenn nur eine Kommission berufen wird. Vorab geht es darum, die Arbeiten an den gesetzlichen Regelungen des Jugendstrafvollzugs wie auch an seiner Reform in die Gesetzgebungsarbeit und in die Arbeit an der Reform der Strafrechtspflege sinnvoll einzubeziehen und für diese komplexe Aufgabe den besten Weg zu finden. Hierfür sind in unserem Hause schon weitgehende Vorarbeiten geleistet worden.
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Parl. Staatssekretär Dr. BayerlWir werden also im Strafrechtssonderausschuß nicht darüber sehr eingehend zu beraten haben, ob eine Kommission berufen werden muß, sondern über das Wie und über das Wann.Dabei wird sich zeigen, daß wir, wenn die Kommission sinnvoll arbeiten soll, eine Reformkonzeption und eine Konzeption für die Kodifikation benötigen. Es wird sich auch zeigen, daß wir z. B., wenn wir einzelne Reformmodelle diskutieren, beraten und beschließen wollen, den notwendigen Personal-und Finanzbedarf kennen müssen. Das sind notwendige Vorarbeiten, bevor wir an die Berufung einer Kommission denken können.Der Jugendstrafvollzug steht im Spannungsfeld zwischen dem Strafvollzug für Erwachsene und der Jugendhilfe. Beide Bereiche sind im Umbruch begriffen. Die Bundesregierung wird die Erfahrungen der Praxis des Jugendstrafvollzugs und der Wissenschaft rechtzeitig in die laufenden Arbeiten einbringen.Die Bundesregierung stimmt der Überweisung des Antrags an den Strafrechtssonderausschuß in der Überzeugung zu, daß es uns gelingen wird, einen gemeinsamen Weg zu finden, um die Reform des Jugendstrafvollzugs so rasch wie möglich voranzutreiben.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung an den Sonderausschuß für die Strafrechtsreform — federführend — und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — mitberatend — vor. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß ich noch mitteilen soll, daß der Punkt 14 zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften — auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung von der Tagesordnung abgesetzt werden soll. Ist das Haus einverstanden? Es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr Punkt 29 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
betr. Aufhebung der Immunität der Abgeordneten— Drucksache 7/710 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Klein
Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht; das Wort zur Aussprache auch nicht.Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 30 der Tagesordnung auf:Beratung der Ubersicht 3 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht— Drucksache 7/711 —Das Wort zur Berichterstattung und Aussprache wird nicht begehrt.Der Ausschuß schlägt vor, von Äußerungen oder einem Verfahrensbeitritt in den aufgeführten Streitsachen abzusehen. Wer dem Vorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 31 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Haushaltsausschusses über die Anträge des Bundesministers der Finanzenbetr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnungen für das Rechnungsjahr 1967 und für die Rechnungsjahre 1968 und 1969betr. Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1967hier: Nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben— Drucksachen V/4409, VI/559, VI/2697, 7/749 —Berichterstatter: Abgeordneter EstersWünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. -Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 32 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Haushaltsausschusses über die Anträge des Präsidenten des Bundesrechnungshofesbetr. Rechnungen und Vermögensrechnungen des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1967, 1968 und 1969 — Einzelplan 20Drucksachen VI/472, VI/2136, 7/750 — Berichterstatter: Abgeordneter EstersWünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Beschlußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 33 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags desAusschusses für Bildung und Wissenschaft
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Vizepräsident Frau Funcke
zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Walz, Pfeifer, Dr. Gölter und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Berufs-/Laufbahnreform — Drucksachen 7/330, 7/694 Berichterstatter:Abgeordneter Engholm Abgeordnete Frau BenedixWünschen die Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Dann kommen wir zur Beschlußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 34 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr zu dem Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr für das Jahr 1971 (Unfallverhütungsbericht — Straßenverkehr 1971)— Drucksachen VI/3718, 7/693 —Berichterstatter: Abgeordneter SeefeldWünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig beschlossen.Ich rufe die Punkte 35 und 36 der Tagesordnung auf:35. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften füreine Richtlinie zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die selbständigen Tätigkeiten des Kleinvertriebs von Arzneimittelneine Richtlinie zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des Kleinvertriebs von Arzneimitteln— Drucksachen 7/43, 7/674 —Berichterstatter: Abgeordneter Jaunich36. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission füreine Richtlinie des Rates zur Angleichung derRechtsvorschriften der Mitgliedstaaten überFunkstörungen durch Elektro-Haushaltsgeräte, tragbare Elektrowerkzeuge und ähnliche Geräteeine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Leuchtstoffröhren— Drucksachen VI/3739, 7/673 —Berichterstatter:Abgeordneter Weber Abgeordneter WuttkeWünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.Sind Sie damit einverstanden, wenn wir der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen? — Ich höre keinen Widerspruch. Wir kommen damit zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/674 und 7/673. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Wir haben noch einen Zusatzpunkt, der heute morgen auf die Tagesordnung gesetzt worden ist:Erste Beratung des von den Abgeordneten Rollmann, Braun, Orgaß, Franke , Kroll-Schlüter, Frau Stommel, Josten, Nordlohne, Müller (Remscheid) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Gesetzes zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz)— Drucksache 7/615 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit InnenausschußWünscht einer der Antragsteller das Wort? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Rollmann.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes ist bereits ein Punkt des Berliner Programms der CDU. Wir wollen, so heißt es dort, den Arbeits- und Gesundheitsschutz der arbeitenden Jugend in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten effektiver gestalten und weiter ausbauen.Seit langem drängt die arbeitende Jugend auf eine Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes, liegen konkrete Vorschläge für eine Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes von seiten der Jugendverbände, insbesondere des deutschen Bundesjugendringes, der DGB-Jugend und der DAG-Jugend vor. Wir arbeiten seit einem Jahr intensiv an der Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Wir haben uns mit vielen interessierten und betroffenen Kreisen beraten. Im vergangenen Herbst haben wir erstmalig die Öffentlichkeit von unseren Reformvorstellungen unterrichtet. Nun haben wir unseren Entwurf zur Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes im Bundestag eingebracht.Lassen Sie mich einige der wesentlichen Verbesserungen und grundlegenden Neuerungen nen-
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Rollmannnen, die unser Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes vorsieht:1. Das Jugendarbeitsschutzgesetz soll auf weitere Kreise der Jugendlichen ausgedehnt werden, auf junge Beamte, auf Jugendliche in Heimen, Schulen und Anstalten.2. Es soll eine Höchstarbeitszeit von 40 Stunden in der Woche eingeführt werden.3. Bei schweren Verstößen gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz soll das Beschäftigungsverbot von Kindern und Jugendlichen verschärft werden.4. Eine fachkundige arbeitsmedizinische Betreuung der Jugendlichen soll absolut sichergestellt werden.5. Bei den lokalen Aufsichtsbehörden sollen regionale Jugendarbeitsausschüsse geschaffen werden, in denen die jugendlichen Arbeitnehmer an der Durchsetzung der Ziele des Jugendarbeitsschutzgesetzes selbst maßgeblich mitwirken können.6. Neben den bisherigen Landesausschüssen für den Jugendarbeitsschutz, deren Zusammensetzung und Aufgaben neu bestimmt werden sollen, soll beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ein Bundesausschuß für den Jugendarbeitsschutz geschaffen werden.7. Der gewichtigste Vorschlag unseres Entwurfs ist die Einführung des Bildungsurlaubs. Die jugendlichen Arbeitnehmer sollen 12 Tage im Jahr bezahlt von der Arbeit freigestellt werden, wenn sie nachweisen, daß sie an einer Veranstaltung eines anerkannten Trägers teilnehmen, um sich berufsbezogen, staatsbürgerlich, sportlich oder musisch zu bilden. Damit wird der traditionelle Katalog von Rechten und Pflichten im Jugendarbeitsschutz entscheidend erweitert.Unser Gesetzentwurf hat in der Öffentlichkeit und vor allen Dingen bei der arbeitenden Jugend selbst ein großes Echo und eine positive Resonanz gefunden. Der DGB begrüßt in einer Presseerklärung unseren Gesetzentwurf und wertete besonders positiv, daß dem jugendlichen Arbeitnehmer ein zwölftägiger Bildungsurlaub gewährt werden soll. Die DAG-Jugend begrüßte, daß in unseren Entwurf mehr als die Hälfte aller im 20-Punkte-Programm der DAG-Jugend zur Novellierung des Jugendarbeitsschutzgesetzes enthaltenen Forderungen eingegangen ist. Der Christliche Gewerkschaftsbund begrüßte unsere Initiative und erinnerte daran, daß der CGB-Bundeskongreß erst kürzlich einstimmig eine Verbesserung des Jugendarbeitsschutzgesetzes, eine bessere Überwachung der Vorschriften und einen Bildungsurlaub gefordert hat. Lange ist keine unserer Initiativen von den Gewerkschaften so positiv aufgenommen worden wie diese.Es ist gut, daß der Deutsche Bundestag heute in erster Lesung unseren Gesetzentwurf berät und an die zuständigen Ausschüsse überweisen wird. Es ist unser Ziel, daß die Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes bereits zum 1. Januar 1974 in Kraft tritt.Wir hätten sehr begrüßt, wenn wir heute auch einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes vorliegenhätten und mitberaten könnten. Aber die Bundesregierung kommt seit Jahr und Tag über Vorankündigungen und Vorarbeiten zur Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes nicht hinaus. Wir kennen die Schwierigkeiten im Lager der Regierungskoalition.
: Ist das wahr?)
Selbst wenn sich die Damen und Herren von der Bundesregierung noch so sehr bemühten und beeilten, vor dem neuen .Jahr könnte die Bundesregierung im Bundestag gar keinen Regierungsentwurf einbringen. Da soll unserer Auffassung nach die Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes bereits längst Wirklichkeit geworden sein.Die Bundesregierung und die Regierungsparteien stehen heute mit leeren Händen da. Das bedauern wir. Das gibt Ihnen aber nicht das Recht -- lassen Sie mich das vorsorglich sagen —, die zügige Beratung unseres Gesetzentwurfs zur Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu verschleppen.Die Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes ist fällig. Wenn Sie schon jetzt in den nächsten Monaten keinen eigenen Entwurf vorlegen können, behindern Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, bitte nicht die Beratung unseres Entwurfs! Die arbeitende Jugend in diesem Lande wartet darauf, daß das Jugendarbeitsschutzgesetz den modernen Erkenntnissen und dem gesellschaftlichen Fortschritt angepaßt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Urbaniak.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit großem Interesse hat die Fraktion der SPD die Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Jugendarbeitsschutzgesetzes vernommen. Dabei fällt uns naturgemäß auf, Kollege Rollmann, daß es sich nicht um einen Antrag der Fraktion der CDU/CSU handelt, sondern um einen Gruppenantrag von 129 Abgeordneten. Das heißt, Ihre Fraktion konnte sich in ihrer Gesamtheit nicht einmal auf einen Minimalentwurf einigen, der entgegen der Behauptung seiner Verfasser nicht etwa die — das bedeutet alle — Forderungen der Jugendverbände, insbesondere der DGB-Jugend und deren konkrete Vorschläge, aufgreift, sondern nur einen Teil davon, und das noch in sehr, sehr abgeschwächter Form. Ich stelle fest, nicht die CDU/ CSU-Fraktion hat einen Entwurf zum Jugendarbeitsschutzgesetz vorgelegt, sondern lediglich ein Teil ihrer Abgeordneten. Das spricht für sich.
Diese parteipolitisch verständliche, bei Ihnen auch nicht ungewöhnliche, aber in ihrem sachlichen Gehalt doch recht unbefriedigende Initiative eines Teils der Fraktion erklärt sich aus den Fakten, die die Bundesregierung geschaffen hat. In der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 hat der Bundeskanzler die Ausgestaltung des Schutzes der Ju-
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Urbaniakgendlichen, der jungen Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zugesagt. Der Bundesarbeitsminister hat diese Absicht erläutert und in der Debatte über die Regierungserklärung am 25. Januar 1973 erklärt:Besonders ernst nehme ich dabei die Sorge um die jugendlichen Arbeitnehmer. Die heutigen Vorschriften zum Jugendarbeitsschutz entsprechen nicht mehr den veränderten Verhältnissen im Arbeitsleben. So kommt z. B. häufig der Ausbildungsanspruch der Jugendlichen zugunsten der wirtschaftlichen Ansprüche der Betriebe zu kurz.Wir werden deshalb das Jugendarbeitsschutzgesetz novellieren und uns dafür einsetzen, daß seine Vorschriften besser eingehalten werden.Das ist bereits von der Regierung angekündigt worden.Mit jener Gründlichkeit und Sorgfalt, die, wie ich meine, einer verantwortungsbewußten Regierung ansteht, wurden alle aufgeworfenen Fragen und Forderungen vom Bundesminister für Arbeit katalogmäßig erfaßt und den beteiligten Verbänden, vor allem den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden, zugeleitet. Am 19. März 1973 wurde eine Anhörung im Bundesarbeitsministerium durchgeführt, in der alle Beteiligten in breit angelegter Diskussion ihre Wünsche und Einwendungen vortragen konnten. Auf Grund dieser Vorbereitungen, aber auch auf Grund von Vorarbeiten, die in der vorigen Legislaturperiode geleistet wurden, steht ein Entwurf der Bundesregierung kurz vor seiner Fertigstellung. Er soll vor seiner Einbringung als Kabinettsvorlage allen beteiligten Kreisen, insbesondere aber den Landesregierungen zur Stellungnahme zugeleitet werden.Die Fraktion der SPD hält dieses Verfahren für notwendig und sinnvoll. Die Gewerkschaften, die beteiligten Wirtschaftskreise, die Ärzte, insbesondere aber die Länder müssen doch Gelegenheit haben, sich zu einer solchen Reform — und das Gesetz soll eine echte Reform bringen — zu äußern. Man sollte ein so vielschichtiges Gesetz nicht mit der heißen Nadel nähen. Der vordergründige Scheinerfolg politischer Fixigkeit darf nicht auf Kosten der sachlichen Richtigkeit und der Praxisnähe angestrebt werden. Wir hoffen, daß die Verbände und die Länder dem Appell der Bundesregierung auf konstruktive Mitarbeit in dieser Frage gern entsprechen werden, so daß die Bundesregierung den Entwurf sehr schnell den gesetzgebenden Körperschaften vorlegen kann.Zur gründlichen Vorbereitung einer echten Reform gehört die Auseinandersetzung mit allen Vorschlägen, gehört die Auseinandersetzung auch mit dem Entwurf der 129 Kollegen der Opposition. Dies kann hier nicht in voller Ausführlichkeit geschehen. Trotzdem bedarf es einiger Anmerkungen, die Gegenstände betreffen, deren Regelung aus der Sicht der SPD-Fraktion besonders vordringlich erscheint.Ihr vorliegender Entwurf läßt das Mindestalter für die Zulassung zur Arbeit unverändert bei 14 Jahren stehen. Wir sind der Ansicht, daß diese Altersgrenze heraufgesetzt werden muß.Der Entwurf verändert nichts an der Regelung der Kinderarbeit in der Landwirtschaft. Wir halten das für unvertretbar, Herr Rollmann.Nicht behandelt ist die Freizeit der Jugendlichen am Wochenende. Auch hierauf legen wir großen Wert.Völlig unverändert läßt der Entwurf den allgemeinen Erholungsurlaub der Jugendlichen. Statt dessen wird besonders auf die gesundheitspolitischen Belange hingewiesen, die Sie hier angeführt haben. Wir meinen aber, daß der Erholungsurlaub im engen Zusammenhang mit den gesundheitlichen Erfordernissen der arbeitenden Jugend zu sehen ist. Sie erwähnen den Bildungsurlaub. Wir werden diese Frage prüfen.Die Sondervorschriften für die Landwirtschaft und Binnenschiffahrt, deren Abschaffung im Sinne der Gleichbehandlung aller Jugendlichen zu fordern ist, lassen Sie völlig unberührt.Die sehr zaghaften Teilvorschläge zur Abschwächung der Akkordarbeit Jugendlicher werden den Vorstellungen der SPD nicht gerecht. Wir erwarten vom Gesetzgeber eine völlige Neuregelung und radikale Einschränkung der Beschäftigung Jugendlicher mit Arbeiten aller Art unter kommerziellem Leistungsdruck und einem besseren Schutz vor gefährlichen und schweren Arbeiten, wie überhaupt die Beschäftigung der Jugendlichen stärker unter Beachtung ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung gesehen werden muß.Den von Ihnen übernommenen Gedanken, Ausschüsse für Jugendarbeitsschutz bei den Aufsichtsinstanzen zu errichten, halten auch wir für richtig. Aber auch hier bleiben Sie auf halbem Wege stehen. Wir fordern eine entscheidende Verbesserung der Überwachungsmöglichkeiten, z. B. durch wirksamere Bußgeld- und Strafvorschriften, einen bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog und verwaltungstechnische Erleichterungen.Lassen Sie mich kurz zusammenfassen. Auch bei diesem Reformgesetz — ebenso wie seinerzeit beim Betriebsverfassungsgesetz — wollen wir kein Basteln am alten Recht, sondern ein in sich geschlossenes übersichtliches Gesetz in möglichst verständlicher Sprache, das in seiner Konzeption den Ansprüchen des modernen Arbeitsschutzes genügt und der Realität der Arbeitswelt entspricht. Das kann man jedoch von Ihrem Entwurf absolut nicht sagen.Diese Erklärung möchte ich nicht beenden, ohne darauf hinzuweisen, daß die SPD-Fraktion im Rahmen des Jugendarbeitsschutzgesetzes eine Regelung der brennenden Frage des Schutzes der Jugendvertreter erwartet. Sie beobachtet mit ernster Sorge, daß nach wie vor Jugendvertreter nach Beendigung ihrer Ausbildungszeit entgegen der betrieblichen Übung in zahlreichen Fällen nicht weiterbeschäftigt werden. Einem Zwischenbericht des Deutschen Gewerkschaftsbundes aus 123 Kreis- und Geschäftsstellen zufolge sind seit Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes 120 Jugendvertreter, acht Betriebsräte und ein Betriebsratsvorsitzender, die ihre Ausbildungszeit beendet hatten, vom Arbeitgeber entlassen worden; ein Arbeitsverhältnis wurde mit
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Urbaniakdiesen jungen Arbeitnehmern nicht geschlossen. Diese Verhaltensweisen, diese Aktionen der in Frage kommenden Arbeitgeber gegenüber den Jugendvertretern, Betriebsräten und dem Vorsitzenden halte ich für skandalös. Sie sagen dazu in Ihrem Entwurf nicht ein Wort.Wir gedenken, eine gründliche Reform des Jugendarbeitsschutzes zu betreiben. Der Gruppenantrag, der uns hier vorliegt, wird aber mit seinen Bestandteilen und Inhalten, die Sie vorgetragen haben, einer modernen Gestaltung des Jugendarbeitsschutzes nicht gerecht, da Sie sich im wesentlichen auf formale Inhalte beziehen und die materielle Weiterentwicklung des Gesetzes ziemlich unterbewerten.Die inzwischen bekanntgewordenen Vorstellungen der Bundesregierung zielen dagegen auf eine echte und umfassende Reform ab. Wir werden die Vorlagen, sobald sie da sind, zügig und schnell im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und im Plenum beraten.
Wird in der Aussprache noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit sowie an den Innenausschuß zur Mitberatung. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kehren jetzt zu Punkt 3 der Tagesordnung — Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen — zurück. Wir hatten über den Gesetzentwurf in der dritten Lesung bereits abgestimmt.
Die Abstimmung über Ziffer 2 des Ausschußantrags, die Petitionen für erledigt zu erklären, steht noch aus. Wer stimmt diesem Antrag zu? — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Es liegen uns nunmehr noch drei Entschließungsanträge vor, die ich in der Reihenfolge der Ordnungszahlen aufrufe. Wir kommen zunächst zum Entschließungsantrag Drucksache 7/766. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Engholm das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der fortschreitende Konzentrationsprozeß im Pressewesen ist nach unserer Auffassung besorgniserregend. Er hat eine Reihe von Begleiterscheinungen, über die nachzudenken wir die Regierung durch die vorgelegte Entschließung auffordern.
Wir haben eine Zusammenballung publizistischer und damit auch wirtschaftlicher Macht in den Händen weniger Großverlage zu verzeichnen, die sich so nicht weiter fortentwickeln darf. Diese wird begleitet durch eine Beeinträchtigung der Informationsvielfalt und eine Verkürzung des Meinungsspektrums der
Presse in der Bundesrepublik. Als eine weitere unangenehme Begleiterscheinung des Konzentrationsprozesses müssen wir feststellen, daß die freie Wahl des Arbeitsplatzes der Journalisten immer weiter eingeschränkt wird. Dies ist eine Entwicklung, die unseren Vorstellungen vom Ausbau der Demokratie in der Bundesrepublik, und das heißt ja wohl letztlich auch vorn Ausbau einer Gesellschaft mit mündigen, freien, kritischen, informierten Bürgern, zuwiderläuft.
Die schnelle und zügige Verabschiedung der Kartellnovelle hier im Hause hat leider dazu geführt, daß wir nicht mehr rechtzeitig eine verfassungsrechtlich abgesicherte und technisch zugleich griffige Lösung einer spezifischen präventiven Pressefusionskontrolle haben vorlegen können. Damit jedoch darf das Thema nicht von der Tagesordnung verschwinden, und aus diesem Grunde haben wir die Entschließung als Koalitionsfraktionen vorgelegt.
Wir fordern die Regierung auf, im Zusammenhang mit ihren Überlegungen zu einer kommunikationspolitischen Gesamtkonzeption auch das Thema der Pressefusionskontrolle auf die Tagesordnung zu setzen und dem Parlament Vorschläge zu unterbreiten, wie dieser unheilvolle Prozeß gebremst werden kann. Wir bieten mit dieser Entschließung zugleich als Koalitionsfraktionen von SPD und FDP unsere konstruktive Mitarbeit an der Lösung des Problems an. Wir bitten die Fraktion der CDU/CSU, dem Antrag zuzustimmen, weil wir glauben, daß im Grundsatz keine Meinungsunterschiede für die Lösung dieses gewichtigen Problems bestehen dürften.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Luda.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist völlig ausgeschlossen, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einem solchen Antrag hier zustimmen kann.
Meine Damen und Herren, die Art und Weise der Vorlage dieses Antrags durch die Koalition widerspricht in eklatanter Weise der Art, in der wir gemeinsam seit Februar dieses Jahres im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages die Frage der Kartellnovelle miteinander behandelt haben. Wir hätten in diesen Monaten Zeit genug gehabt, wenigstens eine Viertelstunde lang dieses Presseproblem zumindest in verfahrensmäßiger Hinsicht miteinander zu erörtern. Von der Seite der Koalition ist aber diese Gelegenheit kein einziges Mal ergriffen worden. Wenn das der Fall ist, wir aber andererseits in allen anderen Punkten, die hier heute morgen auf dem Tisch gelegen haben und jetzt noch liegen, solche Vorgespräche und Abstimmungen untereinander gepflogen haben, dann, meine Damen und Herren, kann ich den Stil, mit dem dieses wichtige Thema in allerletzter Sekunde von der Koalition aufgegriffen wird, nur bedauern und diese Methode zurückweisen.
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Dr. LudaWas stellt sich die SPD überhaupt unter einem solchen Antrag vor? Glauben Sie im Ernst, das Presserechtsthema nur unter dem Gesichtspunkt des Kartellgesetzes regeln zu können? Wissen Sie nicht, daß wir, wenn wir von Monopolisierung im Informationsbereich miteinander reden, dieses Thema unmöglich auf die Presse beschränken können? Es sollte Ihnen doch wohl bekannt sein, daß man dieses Problem nicht isoliert lösen kann. Die Monopolbildung in Presse, Rundfunk und Fernsehen ist eine Einheit, und das Problem kann nur insgesamt gelöst werden, aber nicht punktuell.
Meine Damen und Herren, wenn trotzdem in logischer Verfolgung entsprechender Vorstöße und Beschlußfassungen auf SPD-Kongressen und -Parteitagen jetzt dies hier als isolierter Vorstoß in Sachen Presse vorgelegt wird, dann können wir daraus nur folgern, daß Sie die Absicht haben, die Presse unter ein Sonderrecht zu stellen. Das weisen wir energisch zurück.
Wir beantragen, diesen Antrag an die Ausschüsse zu überweisen, und zwar mit dem Hinweis, daß nicht nur der Wirtschaftsausschuß im Zusammenhang mit der Kartellnovelle, sondern auch andere Ausschüsse dafür zuständig sind, nämlich alle, die mit dem Gesamtbereich des Presserechts zu tun haben, wobei ich noch anfügen möchte, daß, wenn es sich um Konzentration und Monopolisierung im publizistischen Bereich generell handelt, die Zuständigkeiten der Länder in gravierender Weise berührt werden, weshalb das in die Überlegungen mit einbezogen werden muß. Wir wären gern bereit — für uns ist dieses Thema kein Tabu —, in diesem globalen Sinne in den Ausschüssen über Ihre Resolution zu sprechen. Ihr jetzt zuzustimmen, lehnen wir aber kategorisch ab.
Herr Kollege Luda, würden Sie mir bis zur Abstimmung sagen, an welche Ausschüsse der Antrag zur Mitberatung überwiesen werden sollte, denn dann müssen wir es ja konkret wissen. Ich möchte Sie bitten, es mir nachher zu sagen.
Zunächst hat Herr Engholm das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es doch erstaunlich, daß in einer so aufgeregten Art über diesen Vorfall diskutiert wird. Ich will den Vorfall gern aufklären. Ich glaube kaum, daß man sagen kann, wir hätten aus bösem Willen so prozediert, wie hier prozediert worden ist. Ich bin gern bereit, vielleicht auch gleichzeitig namens einiger anderer, jüngerer Kollegen zu sagen, daß dies kein böser Wille von uns war, sondern mangelnde Parlamentserfahrung. Ich meine aber, daß auch dieser parlamentarische Fauxpas, wie Sie ihn skizziert haben, nicht dazu führen darf, mit einer falschen Aufgeregtheit dieses Grundproblem, das wir inhaltlich in keiner Form in unserer Entschließung vorformuliert haben, vom Tisch zu radie-
ren. Uns geht es im Prinzip um eine politische Willensbekundung sowie darum, die Regierung zu verpflichten, tätig zu werden, damit wir sie in den nächsten Monaten kritisch fragen können: Was habt ihr getan, wie weit sind eure Überlegungen gediehen? Es wird jederzeit möglich sein, im Parlament rechtzeitig und ausführlich über verschiedene Alternativen einer denkbaren präventiven Fusionsregelung für das Pressewesen zu reden.
Wenn Sie jedoch so argumentieren, Herr Kollege Luda, wie Sie hier argumentiert haben, bleibt nur der Schluß übrig, daß der CDU/CSU-Fraktion an einer Fusionsregelung überhaupt nicht gelegen ist. In diesem Fall allerdings können wir nicht kompromißbereit sein. Wir bitten deshalb dieser Resolution zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schulze-Vorberg.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Den Aufruf an die Bundesregierung unterstütze ich wärmstens; sie müßte endlich etwas für die deutsche Presse tun, und zwar nicht nur im negativen Sinne. Wir haben, wie Sie wissen, beklagt, daß z. B. die Postgebühren für unserer Presse in einer ungewöhnlichen Weise heraufgesetzt worden sind, für die Fernschreibstandleitungen bespielsweise, die unsere Zeitungen benötigen, bis zu 700%.
Hier hat also die Bundesregierung Konzentrationsbewegungen geradezu ausgelöst. Und nun beklagt sie durch die Regierungsfraktionen, daß so etwas passiert ist.Wir haben eine Mehrwertsteuerregelung für die deutsch Presse, die für ganz Europa ein negatives Vorbild ist.
— Ich spreche sehr deutlich zu dem Antrag. Man darf nicht Konzentrationsbewegungen beklagen, Herr Kollege, die man geradezu heraufbeschworen hat. Die CDU/CSU hat sich bemüht, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß es in Europa, in der Europäischen Gemeinschaft kein Land gibt, dessen Presse z. B. durch die Mehrwertsteuer so benachteiligt ist wie die deutsche Presse. Die CDU/CSU hat hier im Bundestag wiederholt zur Sprache gebracht, daß es UNESCO-Empfehlungen gibt, die Presse zu fördern, Konzentrationsbewegungen entgegenzutreten und um die Vielfalt der Presse besorgt zu sein. Diese Empfehlungen sind von der Bundesregierung schlechterdings nicht beachtet worden.Darum kann ich nur noch einmal sagen: ich empfehle der Bundesregierung dringend, die aufmunternden Worten von Sprechern der SPD-Fraktion zur Kenntnis zu nehmen. Wirken Sie der Konzentrationsbewegung entgegen!
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2394 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt?
Bitte sehr!
Herr Kollege Schulze-Vorberg, glauben Sie denn wirklich, daß man allein — vielleicht haben wir uns da mißverstanden — mit Maßnahmen dieser Art, zu denen noch eine ganze Menge im einzelnen zu sagen wäre, wenn da ein warmer Regen über Gerechte und Ungerechte niedergeht usw., das Problem der Konzentrationsbewegung lösen könne, oder sind Sie nicht auch der Ansicht, daß Maßnahmen im Bereich des Wettbewerbsrechts, spezifische Maßnahmen also, notwendig sind, um diesen Prozeß abzustoppen?
Herr Kollege, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, daß man es sicher nicht mit den Maßnahmen, die ich hier erwähnt habe, allein machen kann. Aber Tatsache ist, daß die Bundesregierung der Presse nicht geholfen, sondern durch ihre Maßnahmen — noch einmal wiederholt: Preisanhebungen bis zu 700 % — die Konzentrationsbewegung geradezu erzwungen hat in manchen Bereichen — gerade in den Bereichen, wo wir es am meisten bedauern, etwa bei den Lokalblättern.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch?
Bitte sehr!
Herr Kollege Schulze-Vorberg, Sie machen ja liebenswürdigerweise darauf aufmerksam, wie beachtlich die Konzentrationsbewegung im Pressebereich war. Sollte Ihnen wirklich entgangen sein, daß sie nicht erst 1969 begonnen hat, sondern schon lange vorher, also vor der Amtszeit der Regierung, die auch heute noch regiert?
Herr Kollege Hirsch, Konzentrationsbewegungen gibt es in der Wirtschaft überhaupt und in der Presse auch, und zwar in der ganzen Welt. Nun behaupte ich folgendes: daß wir in der Bundesrepublik Deutschland, solange die CDU/CSU regiert hat, ein Pressewesen hatten, das für die ganze Welt vorbildlich war, und zwar sowohl bezüglich der Pressefreiheit wie bezüglich der Pressevielfalt.
Ich behaupte, daß es darum geht, die Pressefreiheit heute zu bewahren. Wir haben sie noch, und ich hoffe, wir erhalten sie uns.
Aber diesen Antrag heute, der uns so plötzlich auf den Tisch gelegt worden ist, muß man natürlich im Zusammenhang mit den Aktivitäten sehen, die die SPD in den Ländern entfaltet, zuletzt in Hamburg. Ich darf „Die Zeit" zitieren. Da heißt es zu dem Entwurf der Hamburger SPD — —
— Verzeihen Sie, ich glaube, daß es ab und zu ganz nützlich ist, bei Problemen, die vor allem auch die Länder betreffen, sich darum zu kümmern, was in den Ländern geschieht, vor allen Dingen um das, was durch die Sozialdemokratie dort geschieht.
Es heißt also:
Für Streitfälle halten die Hamburger Sozialdemokraten gleich fünf Instanzen parat: Ressortsprecher, Ressortversammlung, Ressortleiter, Chefredakteur und Verleger. Im übrigen sollen Redaktions-, Ressort- und Volontärversammlungen die „Organe" der Redaktion bilden. Ein Rätesystem soll über Einstellungen, Versetzungen und Kündigungen wachen. Die Räte werden bei vollem Einsatz wohl verhindern, daß einem Journalisten Unrecht geschieht — freilich auch, daß eine Zeitung erscheint.
Und das schreibt „Die Zeit"!
Wenn man Pressepolitik, Medienpolitik in dieser Bundesrepublik Deutschland berät — und das haben Sie mit Ihrem Antrag nun heute hier geradezu provoziert, ohne das in irgendeiner Weise vorher abzusprechen; Sie haben das einfach mal so hingeschmissen —, dann kan man es nicht sehen ohne den Hintergrund dessen, was bei uns im Lande geschieht.. Es gilt, die Pressefreiheit zu bewahren. Wir werden uns weiterhin darum bemühen.
Die Bundesrepublik Deutschland war vorbildlich im Presserecht, solange die CDU/CSU regiert hat.
— Herr Professor, Sie beweisen Ihre Ahnungslosigkeit nur erneut. Es hat keinen Zweck, daß Sie über so etwas lachen. Das ist von den internationalen Presseinstitutionen immer wieder festgestellt worden. Wir waren das Land der Pressefreiheit, vorbildlich für die ganze Welt, solange die CDU/CSU regiert hat. Sie haben das in Gefahr gebracht.
Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Dann kommen wir zum Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD/ FDP auf Drucksache 7/766, zu dem der Herr Abgeordnete Luda beantragt hat, ihn an Ausschüsse zu überweisen.
— Sagen Sie es bitte von hier aus.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2395
Wir beantragen Überweisung an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft, an den Innenausschuß, an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaft. Denn auch wir sind der Auffassung, daß über diese Dinge gesprochen werden muß, daß man sich aber Zeit nehmen muß und das nicht heute übers Knie brechen kann.
Ich nehme an, daß der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft federführend sein soll und die anderen Ausschüsse mitberatend. Stimmt das so? — Jawohl.
Der Antrag auf Überweisung geht vor. Wer dem Antrag auf Überweisung, den der Abgeordnete Dr. Luda soeben gestellt hat, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu dem Entschließungsantrag selbst. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Mit Mehrheit angenommen.
Nunmehr rufe ich die Entschließungsanträge Drucksachen 7/778 und 779 der Fraktionen der SPD und der FDP auf. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Ehrenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden weiteren Ihnen vorliegenden Entschließungsanträge sind in Ihrem Inhalt und ihrer Zielrichtung in der zweiten Lesung bei der Behandlung entsprechender Änderungsanträge heute bereits ausführlich erörtert worden. Ich darf mich hier auf zwei Bemerkungen beschränken.
Mit dem Antrag Drucksache 7/779 soll erreicht werden, daß die Ausnahmebereiche des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gründlich und umfassend überprüft werden. Die Bundesregierung hat ein Jahr Zeit, hierüber einen Bericht vorzulegen, aus dem dann in diesem Hause gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen wären.
Mit dem Antrag Drucksache 7/778 soll das gleiche erreicht werden, nur in einem sehr viel längeren Zeitraum, weil wir der Meinung sind, daß dieses neue Institut der unverbindlichen Preisempfehlung, das nichts mehr mit jener Preisempfehlung gemeinsam hat, wie sie aus dem geltenden Kartellrecht herausinterpretiert wurde, der Bewährung unterworfen werden muß. Ein dreijähriger Zeitraum für eine vernünftige Überprüfung in einer ausgeglichenen Wirtschaftsentwicklung erscheint uns angemessen.
Darum die Bitte an das Haus, diese beiden Anträge mit den Aufträgen an die Bundesregierung anzunehmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Luda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ehrenberg hat recht, daß über diese beiden Anträge vorab gesprochen worden ist. Im Prinzip besteht hier Einigkeit. Wir stimmen dem Antrag Drucksache 7/779 betreffend die Außenbereiche vollinhaltlich zu. Es ist gut, wenn eine Überprüfung erfolgt und anschließend eine Berichterstattung stattfindet, mit der wir uns dann in gebührender Weise befassen können.
Was den Antrag Drucksache 7/778 betrifft, so sind wir hier wieder beim Thema der Preisempfehlungen. Auch hier halten wir es für richtig — wie schon vorher erörtert —, daß eine Untersuchung über die Auswirkung des jetzt zu fassenden Gesetzesbeschlusses veranlaßt wird und anschließend darüber befunden werden muß. Wir sind allerdings etwas befremdet darüber, daß eine dreijährige Frist abgewartet werden soll. Wir sind der Meinung, daß, wenn schon nicht dieselbe Frist wie in dem Antrag Drucksache 7/779 gewählt wird — nämlich die Jahresfrist —, optimal zwei Jahre ausreichen, um hinreichende Klarheit darüber zu erlangen, wie die Frage der Preisempfehlung abschließend auch von seiten der Koalition beurteilt werden muß.
Meine Damen und Herren, überhaupt kann ich in diesem Zusammenhang nicht umhin, nochmals darauf hinzuweisen, daß beim Hearing Experten erklärt haben, daß diese Preisempfehlung, welche die Koalition hier durchgesetzt hat, eine Erscheinungsform der Wirtschaftskriminalität ist. Wir teilen vollinhaltlich diese Auffassung. Wenn das aber der Fall ist, dann können wir in diesem Entschließungsantrag nur ein Feigenblatt erblicken, hinter dem die Peinlichkeit der Koalition verdeckt werden soll.
Meine Damen und Herren, wir beantragen, die Frist von drei Jahren auf zwei Jahre abzukürzen. Wir schlagen eine Frist per 31. Dezember 1975 vor. Daß das die Koalition in dem Jahr vor 1976 in eine politische Verlegenheit bringen könnte, kann uns nicht hindern, trotzdem diese Frist hier zu beantragen.
Herr Abgeordneter Dr. Luda, wenn Sie einen Antrag stellen, müssen Sie es auch schriftlich tun.
— Dann müßte das ganze Haus damit einverstanden sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Luda, Sie haben es für richtig befunden, jetzt noch einmal über die Frage „Erscheinungsform der Wirtschaftskriminalität" zu klagen. Das haben wir, wenn ich mich recht entsinne, heute vormittag beschlossen.Meine Damen und Herren, um was geht es denn hier? Es geht um die Frage der Frist. Ich verstehe
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2396 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. Graf Lambsdorffgar nicht, Herr Luda, daß Sie in einem Punkt, nämlich z. B. in der Frage der Medienpolitik, lange Fristen und lange Beratungsdauer fordern, hier aber der Meinung sind, daß wir ein neues Institut, das wir neu ins Gesetz eingeführt haben, bereits nach einem Jahr auf seine Auswirkung hin abschließend beurteilen können und einen abschließenden vernünftigen Bericht der Bundesregierung vorgelegt bekommen können. Dies scheint uns ausgeschlossen zu sein.Wenn Sie die Frist in ,den Anträgen auf Drucksache 7/778 und 7/779 miteinander vergleichen, so muß ich Ihnen leider sagen, daß Sie etwas völlig Unvergleichbares zueinander in Beziehung setzen. Im Antrag auf Drucksache 7/778 wird ein Bericht über eine gesetzliche Vorschrift, die seit rund 15 Jahren besteht, gefordert. Dies kann in einem Jahr geschehen. Im Antrag auf Drucksache 7/779 wird ein Bericht über eine gesetzliche Vorschrift gefordert, die in Kraft tritt, wenn dieses heute beschlossene Gesetz im Bundesgesetzblatt steht.Wir haben heute morgen, Herr Kollege Luda, mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden etwas über die Frage diskutiert: Wollen wir eigentlich kurzatmige Wirtschaftspolitik machen, oder wollen wir versuchen, etwas längerfristige Daten zu setzen, soweit das möglich ist? Dieser Antrag, auf der Basis von einem Jahr Erfahrung — es ist überhaupt keine Erfahrung — neue Gesetzesvorschläge und Berichte abzuliefern, ist ein Musterbeispiel für kurzatmige Wirtschaftspolitik; dies ist ein Musterbeispiel für nicht gründliche Arbeit. Wir sind der Auffassung: Es muß bei dieser Dreijahresfrist bleiben. Das ist ein angemessener, ausreichender Zeitraum. Nach Ablauf von drei Jahren muß uns die Bundesregierung einen Bericht vorlegen und Anregungen geben.Ich habe heute morgen sehr deutlich gesagt, Herr Kollege Luda — ich hoffe, Sie haben Idas gehört —: Sollte sich in der Zwischenzeit herausstellen —, was wir nicht erwarten; vielleicht tun Sie es —, daß sich dieses Institut als nicht zweckmäßig erweist, ohne daß wir große Berichte haben, werden wir nicht zögern, so habe ich wörtlich gesagt, dem Hause die Abschaffung vorzuschlagen. Wenn sich das aber nicht evident herausstellt, ist, so meine ich, eine Frist von drei Jahren wahrlich nicht zu lang. Die Wirtschaft ist nicht dazu da, daß man mit so kurzen Fristen in ihr herumfuhrwerkt. Ich bitte deswegen, dem Antrag in der vorgelegten Form zuzustimmen.
Wird zu den beiden Entschließungsanträgen noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zuerst zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache 7/778. Das Haus sieht von der in § 31 der Geschäftsordnung vorgesehenen schriftlichen Form des Änderungsantrags ab. — Es erhebt sich kein Widerspruch.
Wir kommen also zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Dr. Luda, die Worte „Ablauf von drei Jahren" durch „Ablauf von zwei Jahren" zu ersetzen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den hitte ich um das Handzeichen.! — Ich bitte um ,die Gegenprobe. — Das Zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zum Entschließungsantrag auf Drucksache 7/778 selbst. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich lasse nunmehr über den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache 7/779, der bereits begründet und diskutiert ist, abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen; er ist einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung abgeschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und des Arbeitsförderungsgesetzes
— Drucksache 7/556 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/789 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft - Drucksache 7/695 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Fuchs Abgeordneter Dr. Slotta Abgeordneter Möllemann
Ich danke den Berichterstattern für ihren Schriftlichen Bericht.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung. Ich rufe in der Einzelberatung in der zweiten Lesung den Art. 1 und damit den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/786 auf und erteile das Wort zur Begründung der ersten Ziffern dem Abgeordneten Dr. Fuchs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich die Begründung zu den Ziffern 1 und 2 gebe, muß ich zunächst den Druckfehlerteufel, der uns heute schon einmal einen Streich gespielt hat, auch jetzt bekämpfen, und zwar den der schlimmsten Sorte: es handelt sich nämlich um falsche Zahlen. Ich bitte in der Drucksache 7/786 unter Ziffer 2 die Zahl 200 durch die Zahl 120 zu ersetzen. Da ist offensichtlich ein gravierender Tippfehler unterlaufen.Nun zur Begründung der Ziffer 1. Es handelt sich hier darum, daß in § 5 Abs. 2 die Worte „in Europa" und als Folge davon der Abs. 3 gestrichen werden
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2397
Dr. Fuchssollen. Das bedeutet, daß das Studium in außereuropäischen Ländern unter den gleichen Bedingungen wie in europäischen Ländern zu fördern ist. Das heißt nicht, daß jeder, der im außereuropäischen Ausland oder im außerdeutschen Europa studieren möchte, gefördert wird, sondern es gibt nach dem Gesetz bestimmte Bedingungen. Die erste Bedingung ist, daß dieses Auslandsstudium förderlich ist. Die zweite Bedingung ist, daß wenigstens ein Teil anrechenbar ist, und die dritte Bedingung ist die Beherrschung der Sprache, oder daß überhaupt dieses Studium in Deutschland nicht möglich ist.Wir glauben, daß gerade jetzt der richtige Zeitpunkt ist, diese Gesetzesänderung durchzuführen. Wenn wir den uns allmählich total erfassenden Würgegriff des Numerus clausus etwas lockern wollen, können wir durch diese Gesetzesänderung einen möglicherweise kleinen, aber immerhin einen Beitrag leisten; denn jetzt ist auch der Zeitpunkt da, da durch die Währungs- und Paritätsänderungen von Dollar zur Mark z. B. in den Vereinigten Staaten wesentlich billiger zu studieren ist als noch vor zwei Jahren. Damit ist eine gewisse Möglichkeit der Entlastung gegeben. Ich darf in dem Zusammenhang auch auf die Vorschläge des hessischen CDU-Landtagsabgeordneten Schwarz-Schilling verweisen, dessen Vorschläge man nicht pauschal vom Tisch fegen, sondern ernsthaft prüfen sollte. Ich darf darauf hinweisen, daß für 1973 kaum finanzielle Auswirkungen zu befürchten sind und daß es die Bundesregierung mit dem Bundesrat auch in den weiteren Jahren nach dem bestehenden Gesetz in den Händen hat, die Kontrolle über die Mittel dadurch auszuüben, daß dazu ja eine Rechtsverordnung erlassen werden muß. Unter diesen Gesichtspunkten müßte man, glaube ich, diesem Antrag 01 die Zustimmung geben.Nun komme ich zur Begründung des weiteren Antrags, eine Nr. 02 einzuführen. Mit diesem Antrag zu § 11 Abs. 3 soll erreicht werden, daß Studierende, die als Teilnehmer des zweiten Bildungsweges während des Besuchs eines Abendgymnasiums oder eines Kollegs bereits nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz wegen der besonderen Bedingungen, denen sie unterworfen waren, familienunabhängig gefördert wurden, und Studierende, die nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung den Zugang zum Studium durch eine Sonderprüfung erreichen und insofern gleichzustellen sind, auch während des anschließenden Studiums an einer Hochschule diese familienunabhängige Förderung, die sie bereits hatten, behalten. Es erscheint als eine nicht zumutbare Härte, daß dieser verhältnismäßig kleine Kreis, der es schwerer hatte, zum Studium zu gelangen, als die anderen, plötzlich wieder auf das Einkommen der Eltern zurückgreifen muß. Es steht zu befürchten, daß dadurch eine ganze Reihe von solchen Studierwilligen die in ihrer Begabung liegende Chance nicht wahrnehmen können.
Es ist eine Tatsache, daß Studierende dieses Bildungsweges zum Teil auf die Ansprüche gegenüber dem Elternhaus verzichten und auf die wesentlich ungünstigere Darlehensförderung ausweichen müssen; dies wird uns heute schon von den Studentenwerken bestätigt. Diese Tatsache bestätigt die Dringlichkeit dieses Anliegens.
Wir sehen darin auch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gegenüber den Bewerbern des sogenannten ersten Bildungsweges; denn hier liegen schwierigere Bedingungen vor, hier ist der längere Weg, und vor allem, meine Damen und Herren, ist hier die Ablösung vom Elternhaus eben bereits vollzogen, und die kann man nicht hernach rückgängig machen wollen.
Ich komme zu unserem Antrag unter Ziffer 2. Hier geht es um die einzige materielle Verbesserung, die durch Ausschußbeschluß gegenüber dem Vorschlag der Bundesregierung erreicht werden konnte, nämlich die Anhebung des Waisenfreibetrages von 90 auf 120 DM. Ich darf daran erinnern, daß die CDU/CSU-Fraktion bereits bei der Verabschiedung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes 1971 gerade dieses Problem unter die besonders vordringlichen eingestuft hatte und daß ich dieses Problem in der ersten Lesung dieser Novelle als für uns gewichtig bezeichnet habe.Aber die Anhebung dieses Waisenfreibetrages von 90 auf 120 DM erscheint uns nicht ausreichend. Deshalb stellen wir den Antrag auf Erhöhung dieses Betrages auf 150 DM. Nur dadurch ist nämlich einigermaßen zu verhindern, daß nach dem Tode des Familienernährers die Ausbildungsförderung trotz meist geringer gewordenen Einkommens noch zusätzlich gekürzt wird. Ich meine, das sollten wir nicht zulassen.Die Mehrkosten für 1973 betragen hier 6,5 Millionen DM; in den folgenden Jahren werden es etwa 16 Millionen sein. Meine Damen und Herren, wir sind der Überzeugung, daß dieser Betrag von 6,5 Millionen im Haushaltsansatz leicht enthalten ist, da durch die starke nominelle Steigerung der Einkommen, der die reale Steigerung leider nicht folgt, ohnehin eine Reihe von Berechtigten ganz oder wenigstens zum Teil aus der Förderung hinauswachsen. Daher können wir mit Recht sagen, die finanzielle Absicherung ist gegeben.Das war, meine Damen und Herren, die Begründung zu den ersten beiden Ziffern des Änderungsantrages der CDU/CSU-Fraktion. Ich bitte darum, dem hernach zuzustimmen, und bitte den Herrn Präsidenten, die einzelnen Ziffern jeweils getrennt zur Abstimmung zu stellen.
Die Ziffern 1 und 2 des Antrags sind also begründet. Wer wünscht hierzu das Wort? — Herr Abgeordneter Dr. Slotta.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition hat zum Bundesausbildungsförderungsgesetz — Drucksache 7/695 —
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2398 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. Slottainsgesamt vier Änderungen beantragt. Wir müssen sie ablehnen, und zwar aus folgenden Gründen:Erstens. Die Änderungen, die die Opposition wünscht, haben unterschiedliche bildungspolitische Bedeutung und finanzielle Auswirkungen. Es wäre z. B. sicherlich eine schöne Sache, wenn Auszubildende, die außerhalb Europas zur Schule gehen oder studieren, in die Ausbildungsförderung mit einbezogen werden könnten. Aber aus dem Wünschenswerten mußten wir die dringlichsten Verbesserungen im Bundesausbildungsförderungsgesetz auswählen, z. B. die Einbeziehung der Kinder ausländischer Arbeitnehmer, um nur eines zu nennen.Zweitens. Es gibt wichtigere Änderungen, als sie in einzelnen Ihrer Anträge zum Ausdruck gelangen, z. B. eine Verbesserung der Ausbildungsförderung für Waisen und Halbwaisen, für Kinder aus geschiedenen Ehen und vor allem — wie es in unserem gemeinsamen Entschließungsantrag zum Ausdruck kommt, auf den ich in der dritten Lesung noch eingehen werde — die Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung für Behinderte.Drittens. Ihre Anträge enthalten Probleme, die erst noch ausdiskutiert werden müssen, und zwar sehr gründlich.
— Nein, da haben wir nicht alles zu Ende diskutiert, Herr Pfeifer.
Sie fordern z. B. die Einbeziehung der Berufsfachschulen schon ab Klasse 10 in das Bundesausbildungsförderungsgesetz. Wir meinen, daß eine solche Lösung aus zwei Gründen falsch ist: Zum einen werden dann Schüler an sogenannten allgemeinbildenden Schulen in Klasse 10 benachteiligt, zum anderen könnte die finanzielle Bevorzugung der Berufsfachschüler ab Klasse 10 falsche Entscheidungen über den weiteren Bildungsweg von Schülern zur Folge haben. Die Problematik des Berufsbildungsgrundjahres brauche ich hier nur zu erwähnen.Viertens. Nehmen wir alle Verbesserungen zusammen, und zwar nicht nur die von Ihnen gewünschten, sondern auch die von uns geforderten — in der dritten Lesung werde ich dazu noch etwas sagen müssen , dann müssen wir sorgfältig vorgehen und dürfen nicht wegen eines Augenblickserfolges Korrekturen vornehmen, die wünschenswert sind, aber nicht daraufhin überprüft worden sind, ob es nicht noch Notwendigeres gibt. Das heißt hier konkret: Wir müssen erstens alle Mängel feststellen, die in der Ausbildungsförderung enthalten sind, sie zweitens nach Prioritäten ordnen, sie drittens unter finanziellen Gesichtspunkten gründlich durchrechnen und viertens unter Beachtung dessen, was konjunktur- und stabilitätspolitisch zulässig und finanziell möglich ist, beseitigen.Aus den genannten Gründen lehnen wir den Änderungsantrag auf Drucksache 7/786 der CDU/CSU-Fraktion hier und heute ab.
Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
— Dazu kommen wir erst nachher. Wir werden jetzt erst einmal die Ziffern 1 und 2 behandeln; schön der Reihe nach. Dazwischen kommen ja unstreitige Dinge.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/786 Ziffer 1 zu Art. 1 Nr. 01. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem zweiten Antrag unter Ziffer 1, dem Antrag betreffend Art. 1 Nr. 02. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann rufe ich von Art. 1 in der Ausschußfassung die Nrn. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Nummern zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Nr. 9 auf und dazu den Änderungsantrag Ziffer 2 auf Drucksache 7/786. Der Änderungsantrag ist schon begründet worden.
Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Die Mehrheit ist dagegen.
Ich lasse über Nr. 9 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Nrn. 10, 11, 12, 13 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zu Nr. 14. Hierzu liegt auf Drucksache 7/786 unter Ziffer 3 ein Änderungsantrag vor. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Benedix.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Redner der Koalitionsfraktionen haben ihre Position zur Forderung unseres Antrages auf Einbeziehung der Berufsfachschüler betreffend Art. 1 Nr. 14 und Art. 3 § 2 bereits in der 34. Sitzung dargestellt. Herr Kollege Dr. Slotta hat nun noch einmal seine Ablehnung begründet, ohne unsere Antragsbegründung noch einmal anzuhören. Ich darf noch einmal konkretisieren, worum es sich handelt. Es handelt sich erstens um den Antrag, die Schüler der 11. Klasse der Berufsfachschule bereits vom neuen Schuljahr an, also von 1973 an, in die Förderung einzubeziehen, und zweitens ab 1974 die 10. Klasse mit in die Förderung
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2399
Frau Benedixhineinzunehmen, also die erste Klasse der zweijährigen Berufsfachschule.Meine Damen und Herren, ich meine, es gibt natürlich keine Probleme, die so einfach liegen, daß man sie mit einem Pro oder Kontra klären könnte, aber Ihre Ablehnungsbegründung — und ich muß leider sagen, auch Ihre eben, Herr Kollege Dr. Slotta — ist doch etwas sehr vordergründig, ich meine, fast so vordergründig, daß sich dahinter eigentlich nur Hintergründiges verbergen kann.Was den finanziellen Einsatz betrifft — darüber haben wir schon einmal gesprochen —, so kann ich nur betonen, daß es sich dabei um eine Prioritätsentscheidung handelt, und zwar im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung, und daß es zunächst einmal darum geht, die in der Finanzplanung 1971 für das Jahr 1974 vorgesehene Prozentzahl von 6,5 % und die für das Jahr 1975 von 7,2 % wiederherzustellen.Wenn Sie die Ablehnung mit dem Einwand begründen, man könne keine neuen gravierenden Ungleichheiten schaffen, indem man Berufsfachschüler einseitig bevorzuge, dann muß ich allerdings sagen, meine Damen und Herren, ignorieren Sie ganz einfach die Schulwirklichkeit in unseren Ländern. Diese Schulwirklichkeit stellt sich doch so dar, daß nur in einem Flächenstaat unsere Hauptschule neun Zeitschuljahre umfaßt. In allen anderen Flächenstaaten sind es acht Jahre und etwa vier Monate. Das bedeutet, daß es doch eines langen Zeitraumes bedürfen wird, eines unerträglich langen Zeitraumes, um auf zehn Vollschuljahre zu kommen.Natürlich gibt es Versuche mit dem zehnten Hauptschuljahr, und es gibt Versuche mit dem Übergang zur Realschule ohne Zeitverlust, also vom 9. in das 10. Schuljahr der Realschule. Erfaßt wird aber doch mit diesen Versuchen, mit diesen Modellen immer nur ein ganz kleiner Prozentsatz der Hauptschüler. Das Gros — es sind mindestens 80 % — endet nach Klasse 9 und erreicht damit auf normalem Wege nicht den Abschluß der Sekundarstufe I. Das wiederum bedeutet, daß nach Jahren der Proklamation der Priorität für die Bildungspolitik, der Proklamation der Chancengleichheit unsere Hauptschüler zunächst in einer Sackgasse landen.Möglichkeiten, aus dieser Sackgasse herauszukommen, gibt es natürlich. Die eine Möglichkeit ist die der Berufsaufbauschule, die, zumal dort, wo sie noch in Abendform oder in Wochenendform betrieben wird — ich glaube, darüber sind wir uns klar —, eine Art Ochsentour darstellt. Die zweite Möglichkeit, die einzige organische Möglichkeit, die weiterführt, ist die des Einstiegs in die Berufsfachschule nach der Klasse 9, in die Berufsfachschule sozialpflegerischer oder technisch-gewerblicher oder wirtschaftlicher Prägung.Eine Entscheidung von Schülern und Eltern für diesen Weg bedeutet gegenüber der anderen Entscheidung für die Lehre auf der einen Seite einen Verzicht auf Ausbildungsbeihilfe für zwei Jahre und auf der anderen Seite einen zusätzlichen Aufwand an Lehrmittelkosten, die deshalb so erheblich sind, weil es sich um eine völlig neue Schulformhandelt, und weiter einen Aufwand an Transportkosten, der auch deshalb so groß ist, weil die Einzugsbereiche viel größer sind als bei den allgemeinbildenden Schulen, also bei Haupt- und Realschulen, und weil die inflationäre Teuerung gerade in diesem Bereich sprunghaft angestiegen ist. Der Einzugsbereich der Berufsfachschulen — das sagte ich schon — ist deshalb so groß, weil wir diese Schulen fast nur in den Kreisstädten haben. Manchmal ist die Entfernung in den Flächenstaaten so groß, daß sogar eine Internatsunterbringung erforderlich ist.Nun wird durch das Gesetz zwar eine Art Silberstreifen angezeigt, nämlich das elfte Schuljahr. Aber man muß ja erst durch das zehnte hindurch mit der Kostenbelastung, die ich soeben aufgezeigt habe. Diese Tatsache ist deshalb so schwerwiegend — meine Damen und Herren, das scheint nicht deutlich geworden zu sein —, weil wir gerade hier Schüler und Eltern aus bildungsferneren Schichten erreichen wollen, für die jede Schwelle, eben auch ,die Schwelle der Klasse 10, schon eine Barriere darstellt. Gerade diese Schichten brauchen eine Entscheidungshilfe, um die Schwelle zu überschreiten. Sie müssen die Entscheidung ja für zwei Jahre, also ein Jahr länger, durchhalten.Wenn es gute Gründe für die etwas längere schulische Entwicklungszeit gibt, dann gibt es aber bestimmt keine Gründe für die finanzielle Belastung. Ich möchte sagen: Im Gegenteil; hier wird dem Gebot der Chancengleichheit geradezu ins Gesicht geschlagen.
Wir schaffen also, wenn wir hier fördern, nicht etwa neue Ungleichheiten, sondern genau das Gegenteil ist der Fall: Wir schreiten dann wenigstens für die Hauptschüler auf dem Weg zur Chancengleichheit weiter.Das zweite Argument — die Leistungen müßten hinsichtlich der Wahl der Ausbildungsstätten neutral sein, man dürfe nicht vorzeitig festlegen, man dürfe keine arbeitsmarktpolitischen Lenkungsmaßnahmen ergreifen; so etwa sagten Sie — ist deshalb nicht stichhaltig, weil doch auch Ihnen nicht verborgen geblieben sein dürfte, daß Bildungsförderung heute weitgehend eine Frage der Motivation ist. Sie können noch so herrliche Angebote machen, wenn sie nicht angenommen werden, ist der Erfolg gering.Wir wissen, ,daß genau in diesen Altersstufen allgemein eine Bildungsgesperrtheit eintritt, daß diese Schüler ihre Schule meistens als Glasglocke empfinden und nichts anderes im Sinne haben, als dieser Glasglocke zu entfliehen. Das zu überwinden müßte unsere Aufgabe sein, die wir die Bildungsförderung ja an die Spitze unserer Bemühungen stellen, meine Damen und Herren: Fragen Sie doch einmal die Kollegen aus den Berufsfachschulen. Die werden Ihnen sagen, daß Sie die Bildungsgesperrtheit nun mit einem Mal, wenn man die Schüler an ihren Einlaßstellen packt —, nämlich beim Berufskonkreten —, überwinden, daß plötzlich neue Lernantriebskräfte wach werden und daß man wieder bereit ist, bildungsmäßig voranzuschreiten, ja, daß manchmal
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2400 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Frau Benedixsogar eine gewisse Begeisterung, die sich nachher auch in den Zensurergebnissen ausdrückt, sichtbar wird.Ich meine also, wer gerade die bildungsfernen Schichten fördern will, muß sich hier beim Wort nehmen lassen. Nur wer diesen Eltern und diesen Schülern durch die Ausbildungsförderung eine wirksame Entscheidungshilfe gibt, kann mit der Forderung nach Chancengleichheit glaubwürdig bleiben. Ich appelliere noch einmal an ihre Einsicht.
Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die beiden Koalitionsfraktionen darf ich zu den Ausführungen der Kollegin Benedix kurz Stellung nehmen. Herr Kollege Slotta hat im Prinzip schon das Wesentliche gesagt. Er mußte auch nicht abwarten, bis er Ihre Ausführungen hörte. Sie haben das Ganze im Ausschuß ja schon ausreichend ausgebreitet. Ich kann also nur noch wiederholen:
Diese Maßnahme würde erstens zu bildungspolitisch von uns nicht erwünschten Reaktionen führen.
Sie waren doch auch im Ausschuß dabei und haben das ausführlich von uns gesagt bekommen.
Zweitens. Wir wollen hier jetzt nicht Veränderungen vornehmen, ohne das Gesamtpaket ausführlich diskutiert zu haben.
Und schließlich entspricht dieser Antrag natürlich nicht den stabilitätspolitischen Beschlüssen der Bundesregierung, nach denen kostenwirksame Maßnahmen jetzt nicht ergriffen werden sollen.
Insofern, Frau Benedix, war Ihre Rede jetzt natürlich ganz gut; nur wäre sie viel besser, wenn sie in der nächsten Woche von Ihrer Fraktion bei der Haushaltsberatung eingebracht würde. Darauf wollen wir dann einmal warten.
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/786 Ziffer 3 abstimmen. Wer der vorgesehenen Streichung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über Art. 1 Ziffer 14 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen beschlossen.
— Es war, wenn ich mich nicht irre, die Enthaltung einer ganzen Fraktion. Haben Sie es anders beobachtet?
Ich rufe Art. 2 auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer Art. 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Art. 3 auf, zunächst § 1. Der ist nicht strittig. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zu § 2 und rufe damit die letzte Ziffer, die Ziffer 4, des Änderungsantrags auf Umdruck 7/786 auf. — Er ist schon begründet. — Das Wort dazu wird auch nicht mehr gewünscht.
Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU unter Ziffer 4 abstimmen, also über die Neufassung des § 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse über § 2 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
— Die Enthaltung hat in diesem Fall nicht entschieden. Ich stelle also Enthaltungen fest.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Dann, meine Damen und Herren, komme ich zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Slotta.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der ersten Lesung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ist bereits ausführlich gesagt worden, was diese Novelle bringt. Ich darf und muß das hier noch einmal kurz zusammenfassen,Erstens. Die Schüler der Berufsfachschulen ab Klasse 11, deren Besuch den Realschulabschluß oder eine vergleichbare Vorbildung nicht voraussetzt, werden ab 1. August 1974 in die Förderung einbezogen, ebenso die ausländischen Auszubildenden nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 dieses Gesetzes. Die Einbeziehung der Ausländer, die bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich des Aufenthalts und der Erwerbstätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes erfüllen, in den Förderungsbereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bringt eine große Erleichterung vor allem für ausländische Staatsangehörige, die oft schon jahrzehntelang hier gearbeitet und gelebt haben und in vielen Fällen hier geboren sind, aber von den Förderungsmöglichkeiten dieses Gesetzes ausgeschlossen waren.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973 2401
Dr. SlottaZweitens. Die in § 14 a vorgesehene Rechtsverordnung erlaubt es, bisherige Erfahrungen bei der Ausführung des Gesetzes zu verwerten und Maßstäbe für die Beurteilung und Beseitigung von Härten, die bisher nur in Form von Verwaltungsvorschriften gesetzt waren, mit größerer Rechtsverbindlichkeit auszustatten. An diese Rechtsnormen werden auch die Verwaltungsgerichte gebunden sein.Drittens. Ab 1. August 1973 wird die Fahrtkostenpauschale für verheiratete Auszubildende mit eigener Familie, sofern sich die Wohnung nicht am Ort der Ausbildungsstätte befindet, erhöht; ebenso werden die Freibeträge vom Einkommen des Auszubildenden und die Kinderfreibeträge erhöht.Viertens. Im Laufe der Ausschußberatungen ist es uns gelungen, den Freibetrag für die Waisenrente und das Waisengeld der Auszubildenden von 90 auf 120 DM heraufzusetzen.
— Das ist bescheiden, aber Sie wissen, daß die Anhebung um je 10 DM immerhin insgesamt 8 Millionen DM ausmacht.Es ist mehr als merkwürdig, daß bei diesem Sachverhalt der damalige Sprecher der Opposition den Gesetzentwurf als „sehr kärgliche Kost" bezeichnete. Wir meinen demgegenüber, daß diese Novelle zwar nicht alle, aber doch wesentliche Mängel beseitigt hat.Es muß hier noch einmal nachdrücklich betont werden, daß es zwischen dieser Novelle und der in § 35 verankerten Berichtspflicht der Bundesregierung streng zu unterscheiden gilt. Nach § 35 ist die Bundesregierung verpflichtet, „die Bedarfssätze, Freibeträge sowie die Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 4 ... alle zwei Jahre zu überprüfen und durch Gesetz gegebenenfalls neu festzusetzen. Dabei ist der Entwicklung der Einkommensverhältnisse und der Vermögensbildung sowie den Veränderungen der Lebenshaltungskosten Rechnung zutragen". Die Bundesregierung wird dieser ihrer Pflicht nachkommen, wie sie es in ihrer Gegenäußerung zu ,der Stellungnahme des Bundesrates angekündigt hat.Heute und hier geht es um etwas anderes, nämlich um die Novellierung dieses Gesetzes, durch die einige Korrekturen — wie uns scheint, wesentliche Korrekturen — vorgenommen werden. Die Opposition sollte nicht immer wieder den unseriösen Versuch unternehmen, beide Dinge miteinander zu. vermischen. Herr Dr. Fuchs hat diesem Gesetz in der ersten Lesung eine „Alibifunktion" angedichtet. Niemand von uns wird das verstehen, wenn einerseits die Bundesregierung im Herbst ihrer Berichtspflicht nachkommen wird und andererseits die in diesem Gesetz vorgenommenen Verbesserungen gesehen werden.Natürlich hat die Ausbildungsförderung noch Mängel. Wir sehen sie auch. Das ist von uns bereits in der ersten Lesung gesagt worden. Wir müssen, wenn es um ihre Behebung geht, aber die Methode mit ihren vier Schritten einhalten, die ich in der zweiten Lesung hinsichtlich der konjunktur- undstabilitätspolitischen Machbarkeit genannt hatte. Bereits während der ersten Lesung und dann in den Ausschußberatungen haben wir auf jenen Mängelkatalog hingewiesen.Ich möchte ihn hier noch einmal kurz zusammenfassen. Wie kann die Förderung von erstens Waisen und Halbwaisen generell, zweitens Kindern aus geschiedenen Ehen und drittens nichtehelichen Kindern verbessert werden? Ferner viertens: Kann die Wehrdienst- und Zivildienstzeit als Erwerbstätigkeit im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes anerkannt, fünftens die Ausbildungsförderung auch Frauen über 35 Jahren gewährt werden, wenn diese ihre Ausbildung aus familiären oder sonstigen Gründen unterbrechen mußten, sechstens die Studienzeit nach dem Besuch eines Abendgymnasiums oder Kollegs elternunabhängig gefördert werden und können siebtens Prüfungsgebühren von den Ämtern für Ausbildungsförderung getragen werden?Meine Damen und Herren, trotz dieser Klarstellungen wird es die Opposition sicherlich nicht unterlassen, wegen noch bestehender Mängel diese Novelle und die damit erreichten Verbesserungen mieszumachen. Es wäre aber gut, wenn sich die Opposition doch einmal folgendes überlegte: Niemand wird bestreiten, daß es in vielen Gesetzen noch sehr viele Mängel und in unserem Staat noch viel soziale Ungerechtigkeit gibt. Wenn wir dies alles zusammennehmen und nicht nur das Bundesausbildungsförderungsgesetz sehen, wären für die Korrektur dieser Mängel und Ungerechtigkeiten Summen erforderlich, die niemand von uns — weder heute noch morgen - aufbringen kann, selbst wenn wir uns auf das Notwendige beschränken und nicht auch noch das Mögliche und Wünschenswerte berücksichtigen.
Die Opposition ist nicht gut beraten, wenn sie die Ausbildungsförderung als Alibi ihrer Progressivität benutzt, die ihr sowieso niemand abnimmt.
Im übrigen spiegelt sich in diesem Bereich abermals Ihr schizophrenes Verhalten wider, meine Damen und Herren von der Opposition, einerseits die Regierung zum Sparen aufzufordern und andererseits immer wieder neu Anträge zu stellen, die erhebliche finanzielle Mehrausgaben zur Folge hätten.
Allein die Ausbildungsförderung für Schüler der Klasse 10 der Berufsfachschule, wie Sie sie fordern, brächte für 1974/75 Mehrausgaben in Höhe von 356 Millionen DM mit sich.Meine Damen und Herren von der Opposition, lassen Sie sich folgendes sagen: Durch Ausgaben, wie Sie sie bei diesem Gesetz und bei anderen Gesetzen fordern, gewinnen Sie nicht politisches Profil, das Sie doch bitter nötig haben.
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2402 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Dr. SlottaLassen Sie mich zusammenfassend folgendes sagen. Erstens. Wir sehen wie Sie die Notwendigkeit, die Ausbildungsförderung zu verbessern und an den gestiegenen Lebenshaltungskosten zu orientieren, wenngleich sich die zeitliche Verwirklichung und die Höhe der Verbesserung nach dem finanziell Möglichen werden richten müssen.Zweitens ist die hier vorliegende Novelle des Bundesausbildungsförderungsgesetzes nicht ein Abschluß, sondern der Anfang eines Verbesserungsprozesses unseres Systems individueller Förderung,Mit anderen Worten: die Diskussion über die vorliegende Novelle muß zwangsläufig zur Diskussion über die weitere Entwicklung der Ausbildungsförderung und des Ausbildungsförderungsgesetzes führen. Diese vor uns stehende umfassende Aufgabe soll uns aber nicht das Bewußtsein nehmen für die Bedeutung der jetzt vorgesehenen Verbesserungen für diejenigen Fälle und Gruppen, auf die sie sich beziehen. Vielleicht sollte man, um die Bedeutung klarwerden zu lassen, nicht von Fällen und Gruppen sprechen, sondern von dem einzelnen Schüler und Studenten des Jahres 1974 zum Beispiel, der ohne diese Novelle nicht die Möglichkeit hätte, Schüler oder Student zu sein.Ich darf Sie namens der SPD-Bundestagsfraktion deshalb bitten, dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zuzustimmen.Abschließend darf ich darüber hinaus noch kurz zu dem Entschließungsantrag, der Ihnen als Drucksache 7/781 vorliegt und für den sich alle Fraktionen ausgesprochen haben, Stellung nehmen.Dieser Antrag hat das Ziel, die besonderen Belastungen behinderter Jugendlicher, die sich einer weiterführenden Ausbildung unterziehen, angemessen zu berücksichtigen. Es ist unbestritten, daß behinderte Jugendliche unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen als unbehinderte Jugendliche ihren Ausbildungsweg gehen müssen. Das bedeutet, daß sie nicht nur zusätzlichen physischen und psychischen Anstrengungen ausgesetzt sind, es bedeutet auch, daß sie selbst und ihre Eltern größere finanzielle Belastungen tragen müssen. Diese Chancenungleichheit muß beseitigt werden.Deshalb schlage ich Ihnen im Namen aller Fraktionen dieses Hauses die Annahme dieses Antrages vor. Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Fuchs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion stellt mit großer Enttäuschung fest, daß alle ihre Anträge im Ausschuß und eben in der zweiten Lesung im Plenum des Bundestages von den Koalitionsfraktionen abgelehnt wurden, obwohl die sachliche Berechtigung nicht bestritten wurde. Wir bedauern, daß das Bundesausbildungsförderungsgesetz nur in Randbereichen mit Wirkung vom 1. August 1973 verbessert wurde, daß dagegen die Einbeziehung der Förderung der Berufsfachschüler ab Klasse 11ohne Realschulabschluß erst zum 1. August 1974 erfolgen soll. Damit wird erneut dieser Berechtigtenkreis eindeutig benachteiligt.In dieser Novelle der Bundesregierung ist weiter kein Ansatz erkennbar, strukturelle Verbesserungen für eine größere Chancengleichheit der Schüler und Studierenden herbeizuführen. So ist zu unserem großen Bedauern die auch vom Bundesrat mit Zustimmung von SPD-regierten Ländern für notwendig erachtete Einbeziehung der 10. Klasse der Berufsfachschule ab 1. August 1974 von den Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Dabei würde gerade diese Regelung Kindern aus einkommensschwachen Schichten die Chance bieten, eine qualifiziertere Ausbildung zu erhalten, die ihnen dann weiterhin den Weg nach oben öffnet. Die CDU/CSU-Fraktion hofft, daß allerdings zu diesem Punkt das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, denn der Bundesrat wird sich erneut damit beschäftigen, und ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß er dazu den Vermittlungsausschuß anruft.Mit der Ablehnung der Anträge, meine Damen und Herren, hat sich nach Auffassung der CDU/CSU erneut und eindeutig bestätigt, daß die Priorität der Bildung und Ausbildung, die von der Bundesregierung und von der Koalition immer wieder betont wurde, bei dieser Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen nur auf dem Papier steht.
Wie anders könnte man es verstehen, daß im Haushaltsjahr 1973 195 Millionen DM weniger für die Ausbildungsförderung veranschlagt sind als 1972? Dies spricht eine überdeutliche und für die Regierung vernichtende Sprache.
Wir wollen nicht Prioritäten in Worten, sondern wir wollen Prioritäten in Taten; nur damit ist uns geholfen.
Die CDU/CSU-Fraktion bedauert ganz besonders, daß durch diese Gesetzesnovelle auch keine Anhebung der Bedarfssätze und der Freibeträge erfolgt. Die Annahme ihres Antrags, den Bericht der Bundesregierung nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes so rechtzeitig vorzulegen, daß die Frage der Bedarfssätze und der Freibeträge, der Vomhundertsätze und der Höchstbeträge in die Beratungen mit einbezogen werden kann, ist durch die von der Bundesregierung sicher so beabsichtigte Zeitplanung für die Verabschiedung des Gesetzes nicht möglich gewesen. Herr Kollege Dr. Slotta, hier machen Sie es sich etwas zu einfach. Wir sehen diesen Zusammenhang, und wir haben die Befürchtung, daß gerade wegen dieses Zusammenhangs die Vorlage des Berichts nach § 35 hinausgeschoben worden ist.Um so unverständlicher ist uns allerdings dann die Ablehnung des CDU/CSU-Antrages durch die Koalition im Ausschuß, die Bundesregierung solle den Bericht nach § 35 wenigstens bis zum 15. Oktober vorlegen, damit noch in diesem Jahr die für die Studierenden und für die Schüler besonders gravie-
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Dr. Fuchsrende Frage der Anpassung der Bedarfssätze und der Freibeträge parlamentarisch behandelt werden könne. Die Bundesregierung hat zwar erklärt, sie wolle diesen Bericht im Herbst vorlegen;
Dazu muß ich allerdings sagen: wenn mit Herbst wirklich das gemeint ist, was wir darunter verstehen, hätte man sich auch terminlich festlegen können. So befürchten wir eben, daß das erst gegen Ende des Jahres geschieht und daß dann keine Gelegenheit mehr besteht, diese Frage hier im Parlament zu behandeln.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung weicht offensichtlich aus schlechtem Gewissen dieser für sie unangenehmen Frage aus. Denn es unterliegt keinem Zweifel — die Studentenwerke bestätigen dies eindeutig und nachdrücklich —, daß durch die Preissteigerungen von rund 15 % innerhalb von zwei Jahren seit der Verabschiedung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes für die Studenten und Schüler aus einkommensschwachen Schichten eine schwer ins Gewicht fallende materielle Schlechterstellung erfolgt ist. Wenn man nur einen monatlichen Bedarf von 500 DM für einen Studierenden zugrunde legt dies ist, wie Sie nicht bestreiten werden, mit absoluter Sicherheit die unterste Grenze —, so bedeuten 15% eine Verschlechterung für die Studierenden um 75 DM pro Monat.
Hinzu kommt aber noch erschwerend, daß sehr viele der ursprünglich Förderungsberechtigten durch das starke Ansteigen der nominalen Einkommen, denen das Realeinkommen bei weitem nicht folgt, wenn es nicht zum Teil sogar zurückgegangen ist, aus der Förderung ganz oder teilweise herausgefallen sind.Das heißt in nüchternen Worten, meine Damen und Herren: die von der Bundesregierung so viel gepriesene Chancengleichheit ist in den letzten Jahren abgebaut worden. Die Studierenden aus einkommensschwachen Schichten müssen ihr Studium zunehmend mit zusätzlicher Werkarbeit verdienen
und müssen dazu eine Verlängerung des Studiums, das dann nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz im letzten Abschnitt nicht mehr gefördert werden kann, in Kauf nehmen.
Die eines sozialen Rechtsstaates unwürdige Gefahr eines sozialen Numerus clausus ist zweifelsohne gegeben.Auf Grund all dieser Erwägungen fordert die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung erneut und nachdrücklich auf, den Bericht nach § 35 so rechtzeitig vorzulegen, daß er noch in diesem Jahr einer parlamentarischen Behandlung zugeführt werden kann. Sie fordert die Bundesregierung weiter auf, strukturelle Verbesserungsvorschläge, wie sie von der CDU/CSU-Fraktion gemacht wurden — sie beziehen sich auf besondere Situationen, z. B. auf die besondere soziale Lage einer Familie, einer Teilfamilie oder auf besonders betroffene Beschädigte —, vorzulegen.Wir müssen bei einer Gesamtwürdigung des Gesetzes sagen: es ist, Herr Kollege Dr. Slotta, eine magere Ausbeute im Verhältnis zu den Ankündigungen über die Priorität der Bildung nach der Erklärung dieser Bundesregierung. Es ist eine Enttäuschung für viele Mitbürger aus einkommensschwachen Schichten, die sich eine Verbesserung ihrer Lage erhofft hatten.
Abschließend darf ich folgendes sagen. Wenn wir trotz dieser scharfen Kritik das Gesetz nicht ablehnen, dann nicht deswegen, weil wir die Bildungspolitik der Bundesregierung billigen oder weil wir dieses Gesetz für eine echte Errungenschaft halten. Vielmehr lehnen wir es aus der Erwägung nicht ab, daß man Teilverbesserungen für einen begrenzten Kreis nicht deswegen ablehnen soll, weil die eigentlichen Probleme nicht gelöst sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie häufig hat die Bildungspolitik auch heute wieder ihren Platz zu später Stunde. Ich hoffe, Sie haben trotzdem die Geduld, Ausführungen zu diesem Gesetz zu hören, die Ihnen möglicherweise teilweise bekannt vorkommen könnten.Nach kurzer, aber relativ intensiver Beratung haben der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft sowie die übrigen mitberatenden Ausschüsse die Behandlung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und des Arbeitsförderungsgesetzes sowie einen inhaltlich dazu gehörenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion abgeschlossen. Mit Drucksache 7/695 ist Ihnen der daraus resultierende Bericht und Antrag des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zugegangen. Die Beratungen des heute zu verabschiedenden Gesetzes wurden von drei wesentlichen Gesichtspunkten bestimmt.Erstens ging die Mehrheit davon aus, daß es Aufgabe dieser gesetzlichen Maßnahme sein sollte, den Kreis der anspruchsberechtigten Gruppen um zwei zu erweitern sowie Bestimmungen zu ändern, die zu nicht vertretbarer Ungleichbehandlung und zu ungerechtfertigten Härten für Schüler und Studenten geführt haben. Wie nun schon mehrfach hier dargestellt, wird also künftig an Schüler von Berufsfachschulen ab Klasse 11, deren Besuch den Real-schulabschluß oder eine vergleichbare Vorbildung nicht voraussetzt, sowie an ausländische Auszubildende nach § 8 Abs. 2 dafür Ausbildungsförderung geleistet werden. Darüber hinaus wird der Freibetrag für Empfänger von Waisenrente oder Waisen-
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2404 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Möllemanngeld auf monatlich 120 DM erhöht. Hier folgt der Ausschuß übrigens dem Bundesratsvotum. Schließlich werden in besonderen Härtefällen zusätzliche Leistungen ermöglicht. Das war also der erste Gesichtspunkt: die Durchführung von Detailmaßnahmen.Der zweite Gesichtspunkt, der die Beratungen im Ausschuß, die Diskussionen hier und auch viele Eingaben, die aus betroffenen Bevölkerungsgruppen in unsere Büros kommen, bestimmt hat, ist die generelle Frage, ob das Gesamtproblem der Ausbildungsförderung durch das derzeitige Ausbildungsförderungsgesetz zufriedenstellend gelöst ist, ob dieses Gesetz seiner Zielsetzung gerecht wird, die Ausbildungsförderung zum Zweck der Sicherstellung der beruflichen Chancengleichheit aller jungen Menschen zu gestalten. Damit ist die Frage verbunden, ob die Bedarfssätze und Freibeträge sowie die Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 4 unter diesem Gesichtspunkt ausreichen. Hierbei gingen und gehen wir davon aus, daß auf der Grundlage des von der Bundesregierung nach § 35 im Herbst zu erstattenden Berichts hier eine Debatte über die soziale Lage der in der Ausbildung befindlichen jungen Mitbürger geführt werden soll und muß. Es bedarf in der Tat wohl keiner besonderen Prophetic, um heute schon zu ahnen, daß wir danach um konkrete Maßnahmen zur Veränderung der vorhin genannten Bedarfssätze und Freibeträge sowie auch um einige Strukturveränderungen nicht herumkommen werden. Das wird Geld kosten, unter Umständen sogar ziemlich viel Geld.Damit sind wir beim dritten Gesichtspunkt. In den Ausschußberatungen und auch hier erwecken die Vertreter der Union einen doch recht zwiespältigen Eindruck. Einerseits fordern diese Kollegen, daß die Gesamtpolitik der Bundesregierung zum Zweck der Sicherung der Stabilität von Sparsamkeit geprägt sein sollte.
Herr Fuchs, ich muß es Ihnen immer wieder sagen, weil Sie bisher nicht verstanden haben, daß die öffentlichen Hände, vor allem die Mitte/Links-Hände sozialliberaler Herkunft, in ihrer Ausgabenpolitik zurückhaltend sein sollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pfeifer?
Herr Kollege Möllemann, wären Sie bereit, jetzt endlich zur Kenntnis zu nehmen, daß es uns nicht darum geht, eine Ausweitung des Etatvolumens insgesamt zu erreichen, sondern darum, den Anteil für Bildung und Wissenschaft am Gesamtetat so auszugestalten, daß man tatsächlich wieder von einer Priorität der Bildungspolitik reden kann?
Herr Kollege Pfeifer, ich bin bereit, das hier als Ihre persönliche Meinung zur Kenntnis zu nehmen. Ich habe hier im Laufe der letzten Wochen auch von vielen anderen Ihrer Kollegen gehört, daß sie ebenfalls für andere Bereiche ganz gern noch mehr Geld ausgeben würden. Ich habe noch von keinem einzigen gehört, daß er statt dessen irgenwo Geld einsparen wolle. Das ist einfach eine unlogische Haltung.
Eine Zusatzfrage.
Herr Kollege Möllemann, würden Sie dann bitte zur Kenntnis nehmen, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuß über 80 Anträge mit einem Gesamtkürzungsvolumen von über 2 Milliarden DM gestellt hat und daß ich einfach nicht verstehen kann, warum Sie hier einer Kürzung von 194 Millionen DM bei der Ausbildungsförderung das Wort reden, nachdem im Wahlkampf der Bevölkerung sowohl von Ihrer als auch von der anderen Regierungspartei etwas völlig anderes gesagt worden ist?
Herr Pfeifer, ich glaube, daß Sie das nicht verstehen können. Das dokumentieren Sie ja auch immer wieder.
— Vielleicht lassen Sie mich das eben freundlicherweise erklären, weil es Ihnen das Verständnis erleichtert. Es ist aber so, daß wir nun einmal die stabilitätspolitischen Beschlüsse der Bundesregierung haben, die derzeit kostenwirksame Maßnahmen ausschließen. Wir können nicht diesen Beschluß fassen und dann nachher von Fall zu Fall wieder davon abgehen; dabei würden wir unglaubwürdig werden.
Ich sagte, daß Sie andererseits ständig in allen möglichen Ausschüssen und allen möglichen Debatten Ihr Herz für alle möglichen Prioritäten und Mehrausgaben entdecken, die insgesamt wohl unserer Konzeption von einer Stabilitätspolitik widersprechen.Irgendwann, meine verehrten Kollegen von der dreieinigen deutschchristlich-sozial-demokratischen Fraktion — —
— Bis vorhin hat der Bundesvorsitzende der Jungen Union noch hinten gesessen. Ich hätte ihn gern begrüßt. Aber Sie können doch einfach nicht leugnen, daß es so ist.
Sie werden sich irgendwann entscheiden müssen, oh Sie Ihre Politik weiterhin unter das Motto „mehr Glück und mehr Geld für alle" stellen oder endlich auch einmal konstruktive Vorschläge einbringen
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Möllemannwollen. Da Sie sich in personeller Hinsicht in letzter Zeit etwas neu besonnen haben, können Sie es in sachlicher Hinsicht demnächst auch schaffen.Im übrigen, Herr Kollege Fuchs, sollten Sie hier nicht den Eindruck erwecken — das gilt auch für einige andere Kollegen der Union in unserem Ausschuß —, daß Ihre Gesamtfraktion und nur das zählt ja letztlich — so versessen auf Mehrausgaben für eine fortschrittliche Bildungspolitik wäre.Jetzt komme ich zum Haushaltsausschuß. In diesem Ausschuß haben, wie ich bei Lektüre der entsprechenden Protokolle feststellen mußte, jedenfalls die Vertreter Ihrer Fraktion keine Erhöhung des Etatansatzes für die Ausbildungsförderung beantragt bzw. keinen entsprechenden Vorbehalt angemeldet.Abschließend darf ich erklären, daß die FDP-Fraktion den vorliegenden Gesetzentwurf annehmen wird. Sie begrüßt diese Maßnahme, weil sie dazu beitragen wird, die Situation der in der Ausbildung befindlichen jungen Menschen weiter zu verbessern. Die Freien Demokraten werden darüber hinaus -das sei hier noch einmal angekündigt — im Herbst nach der Vorlage des Berichts der Bundesregierung die Gesamtproblematik der Ausbildungsförderung mit den notwendigen Konsequenzen zur Sprache bringen.Gestatten Sie mir eine letzte, nicht so ganz ernste Bemerkung: Herr Kollege Fuchs, ich weiß nicht, ob Sie in Bayern einen anderen Kalender haben; aber wenn wir vom Herbst und Sie vom 15. Oktober reden, dürfte das eigentlich nicht so weit auseinandergehen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete von Bothmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesausbildungsförderungsgesetz bedarf der Abstimmung in mehrfacher Hinsicht: Der Abstimmung mit den Beschlüssen der Bund-Länder-Kommission, mit den konjunkturellen und finanzplanerischen Erfordernissen und Möglichkeiten — es scheint mir, daß wir gerade diesen Punkt besonders betonen müssen — und mit den übrigen Sozialleistungen für die Auszubildenden. Wieviel an Erhöhung nötig ist, wird sich von Fall zu Fall neu errechnen lassen müssen. Zu diesem Zweck ist der Bericht nach § 35 des vorliegenden Gesetzes für den Herbst angesetzt.
Ich möchte noch einmal sagen, daß die vom Kollegen Fuchs vorgenommene Vermischung der augenblicklichen Novellierung mit dem Bericht eine unzulässige ist, weil es zwei Dinge sind, die durchaus nicht im Gegensatz zueinander stehen, sondern sich ergänzen. Vor allen Dingen hat niemand Zweifel daran geäußert, daß dieser Bericht im Herbst kommt.
Das Bundesausbildungsförderungsgesetz muß weiterentwickelt werden; das ist uns allen klar, über diesen Punkt sind wir uns einig. Ich begrüße die Punkte, die von der Opposition hier sachlich eingebracht wurden, weil sie zeigen, wie weit sie sich den Bildungsvorstellungen unserer Seite allmählich zuneigt; denn es gibt verschiedene Punkte, die wir gemeinsam als im Augenblick noch nicht erfüllbar beklagen. Auch wir gäben den Studenten, die dessen bedürfen, gern eine Förderung in der Form, daß sie nicht gezwungen sind, in den Ferien Geld zu verdienen, wodurch sich ihr Studium zu lange ausdehnt.
Was die Kollegin Benedix über das zehnte Schuljahr sagte, ist natürlich ein wenig einseitig; denn eine Förderung der Schüler der zehnten Klasse führte ja gerade auf das Bildungssystem zu, welches wir im Bildungsgesamtplan haben, nämlich auf die Gesamtschule. Wenn die Bund-Länder-Hürden genommen sind und diese Ausbildungsstufe in die Sekundarstufe eingebaut ist, wird die Schwelle zum zehnten Schuljahr, von der Sie gesprochen haben, leichter zu überschreiten sein, und die psychologische Sperre wird bei den Schülern in dieser Weise gar nicht mehr zum Tragen kommen. Förderten wir jetzt aber einseitig die zehnte Klasse in der Fachschule und in der beruflichen Ausbildung, so führte das zu neuen Benachteiligungen, zu Behinderungen bei der Wahl des Ausbildungsganges und zu einer neuen Chancengleichheit.
Was die Schüler angeht, so ist die Förderung hierbei schwieriger als die der Studenten, und zwar insofern, als viele Anspruchsberechtigte von dem Gesetz offensichtlich noch nicht genug unterrichtet sind, so daß bis jetzt tatsächlich nur etwa ein Drittel der zu Fördernden eine solche Förderung beantragt hat.
Zuletzt möchte ich noch ein Wort zum Thema Härtefälle sagen. Es ist konsequent, daß dieser Komplex nach § 14 a neu in das Gesetz einbezogen wird, denn eine weitere Flexibilität in bezug auf die Berücksichtigung der Lebensumstände der Antragsteller ist so natürlich wie sozial. Bisher ist das nur in Form von Verwaltungsvorschriften möglich gewesen; jetzt gibt es eine größere Rechtsverbindlichkeit.
Im übrigen wird natürlich niemand behaupten, daß wir mit dem, was das Gesetz jetzt ausweisen kann, zufrieden sind. Wenn jemand weiß, daß eine ganze Reihe von wichtigen Forderungen nicht erfüllt sind und im Augenblick nicht erfüllt werden können, dann sind es die Sozialdemokraten. Nur muß man, wenn man Stabilität fordert, auch mit der Vernunft einen Pakt schließen und den mißtönenden Kanon von Stabilitätsforderung einerseits und der Forderung nach mehr Ausgaben andererseits einmal verstummen lassen. Aufgegeben ist der Katalog weitergehender Forderungen deshalb keineswegs.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, ganz wenige Minuten in Anspruch zu nehmen. Zunächst
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2406 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Juni 1973
Bundesminister Dr. von Dohnanyimöchte ich dem Herrn Ausschußvorsitzenden, den Herren Berichterstattern, dem ganzen Ausschuß und dem Haus für das Tempo sehr herzlich danken, mit dem eine Verbesserung dieses Gesetzes möglich war. Wenn man bedenkt, daß die Kabinettsentscheidung im Februar fiel und die Einbringung erst im Mai nach der Bundesratsentscheidung erfolgte, ist die Verabschiedung des Gesetzes heute wirklich bewundernswert.Herr Kollege Fuchs, nur ein Wort zu dem, was Sie hinsichtlich der Priorität gesagt haben. Das Haus sollte nicht vergessen, daß es zwar die Vorgängerin dieser Bundesregierung, aber die gleiche Koalition war, die dafür gesorgt hat, daß in die Ausbildungsförderung zum erstenmal Schüler aufgenommen wurden. Wenn Sie bedenken, daß für 1972 im Bundeshaushalt 600 Millionen DM eingesetzt waren, aber über 1 Milliarde DM ausgegeben wurden, dann sehen Sie auch die Schwierigkeiten, mit denen wir hier in der Finanzplanung zu tun haben.
Diese Schwierigkeiten sind zurückzuführen auf einen — ich sage das einmal ganz ungeschützt — skandalösen Mangel in der Sozial- und Einkommensstatistik in diesem Land. Diesen Mangel, meine Damen und Herren von der Opposition, hat bestimmt nicht die Koalition verursacht, sondern der stammt aus Zeiten, in denen man nicht den Mut gehabt hat, eine vernünftige Einkommens- und Sozialstatistik zu machen, die auch eine zuverlässige Planung auf diesem Gebiet möglich machen würde.
Ich will ganz klar machen, daß wir selbstverständlich in diesem Herbst den Bericht nach § 35 vorlegen werden. Der Herbst geht ja in der Tat vom 21. September bis zum 31. Dezember. Bis wann wir in der Lage sein werden, das wirklich zu tun, hängt auch von der statistischen Berichterstattung ab, und das Ministerium ist gegenwärtig bemüht, sich auf der Grundlage der vorhandenen statistischen Datenbänder Berichte erstellen zu lassen, die eine bessere Planung ermöglichen und daher dem Bundestag und den Ausschüssen auch wirklich die Möglichkeit geben, vernünftig zu planen. Die Beratung im Ausschuß hätte keinen Sinn, wenn wir diese statistischen Unterlagen nicht vorlegen könnten. Wann wir die haben werden, läßt sich heute nicht auf die Woche genau sagen.Ich will noch hinzufügen -- hier bin ich der Kollegin von Bothmer besonders dankbar , daß die Regierung die Notwendigkeit sieht, den Zusammenhang der verschiedenen Bereiche der Ausbildungsförderung besser in eine Konzeption zusammenzufassen und dafür zu sorgen, daß nicht mit unterschiedlichen Förderungen in unterschiedlichen Gesetzen Zusammenhänge hergestellt werden, die dann den bildungspolitischen Zielsetzungen nicht mehr entsprechen. Das Problem des 10. Schuljahres der Berufsfachschule, das Sie angeschnitten haben, das man ja auch aus der Perspektive der Lehrlingsentgelte sehen könnte, gehört mit in diese Problematik. Ich glaube, es ist deswegen richtig, daß derBundestag jetzt in dieser Frage nicht entscheiden I will, aber die Problematik im Zusammenhang mit dem § 35 und der konzeptionellen Neuformulierung bestimmter Bereiche der Ausbildungsförderung berät. Dahin gehört natürlich auch — auch da bin ich wiederum der Kollegin von Bothmer dankbar — der Hinweis auf die Vorschläge der Bund-LänderKommission — von der ich übrigens hoffe, daß sie morgen den Bildungsgesamtplan verabschieden wird. Dabei wird neben der Herstellung der allgemeinen Zusammenhänge auch die Frage der eventuellen finanziellen Beteiligung der Empfänger an der Ausbildungsförderung mit zu beraten sein. Die Problematik des Darlehens wird als ein Teil der Ausbildungsförderung von der Bund-Länder-Kommission ausdrücklich angesprochen; sie ist im Bildungsgesamtplan mit einbezogen worden und gehört mit in die Beratungen, die wir in diesem Fragenkomplex anzustellen haben.Ich möchte zum Schluß kommen. Die Bundesregierung sieht in der Frage der Ausbildungsförderung einen Schwerpunkt ihrer bildungspolitischen Arbeit, und ich hoffe, Herr Kollege Fuchs, daß Sie, wenn wir in diesem Herbst über die Konzeption zu § 35 und die daraus folgenden Konsequenzen zu beraten haben, sicherlich erkennen werden, für wie bedeutsam die Bundesregierung das Gebiet der Ausbildungsförderung hält.
Meine Damen und, Herren, wird des weiteren das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache und komme zur Schlußabstimmung.
Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Entwurf ist einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zum zweiten Punkt des Ausschußantrages. Es handelt sich darum, daß der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/562 in der angegebenen Fassung angenommen werden soll. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe dann den Entschließungsantrag von SPD, CDU/CSU und FDP auf Drucksache 7/781 auf. Wird das Wort zur Begründung oder zur Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall; offenbar ist das Problem ausreichend erörtert. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? -- Keine. Einstimmig angenommen.
Damit .stehen wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 15. Juni 1973, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.