Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, ich habe die Freude, noch nachträglich Herrn Dr. Erhard zum 76. Geburtstag zu gratulieren.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Bundesvermögensrechnung für das Haushaltsjahr 1967— Drucksache VI 559 -zuständig: HaushaltsausschußEntlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 1967Drucksache VI/667 —zuständig: HaushaltsausschußEntlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und Bundesvermögensrechnung für das Rechnungsjahr 1967— Drucksache VI/786 —zuständig: HaushaltsausschußRechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungsholes für die Rechnungsjahre 1967 und 1968 — Einzelplan 20 —— Drucksache VI/472 —zuständig: HaushaltsausschußBundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1967;hier: Nachtragsgenehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben— Drucksache V/4409 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 1. und 2. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1967— Drucksache V/2088 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1967- Drucksache V/2312 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 4. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1967 —— Drucksache V/3110 —zuständig: HaushaltsausschußEntlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 1968— Drucksache VI/787 —zuständig: HaushaltsausschußEntlastung der Bundesregierung wegen der Bundesrechnungen und der Bundesvermögensrechnungen für die Haushaltsjahre 1968 und 1969— Drucksache VI/2697 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 1. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1968— Drucksache V/3175 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 2. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1968— Drucksache V/3272 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1968— Drucksache V/3685 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 4. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1968— Drucksache V/4487 —zuständig: HaushaltsausschußEntlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 1969— Drucksache VI/1936 —zuständig: HaushaltsausschußRechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1969 — Einzelplan 20 —— Drucksache VI/2136 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1969- Drucksache VI/247 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 4. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1969— Drucksache VI/1054 —zuständig: HaushaltsausschußEntlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Bundesvermögensrechnung für das Haushaltsjahr 1970
— Drucksache VI/3347 —zuständig: HaushaltsausschußRechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1970 — Einzelplan 20 —— Drucksache VI/3497 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1970— Drucksache VI/1557 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 4. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1970— Drucksache VI/2426 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 1. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1971— Drucksache VI/2459 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 2. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1971— Drucksache VI/2545 —zuständig: HaushaltsausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 4. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1971— Drucksache VI/3628 —zuständig: HaushaltsausschußFinanzplan des Bundes 1971 bis 1975 - Drucksache V1/2651 —zuständig: Haushaltsausschuß
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496 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1973
Präsident Frau RengerInvestitionsprogramm des Bundes 1971 bis 1975 - Drucksache VI/3290 —zuständig: Haushaltsausschuß
Ausschuß für WirtschaftBericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1969 bis 1972 gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967— Drucksache VI/2994 —zuständig: Haushaltsausschuß
Ausschuß für WirtschaftFinanzausschußÜber- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1971— Drucksache VI/2945 —zuständig: HaushaltsausschußSicherheit des Luftverkehrs;hier: Bericht über die notwendigen gesetzlichen und organisatorischen Maßnahmen zur Verstärkung der Gefahrenabwehr im Luftverkehr
— Drucksache VI/3317 —zuständig: Ausschuß für Verkehr InnenausschußJährlicher Bericht über den Fortgang des Bundesfernstraßenbaues
— Drucksache VI/'3512 —zuständig: Ausschuß für VerkehrBericht der Bundesregierung zu den Entschließungen des Deutschen Bundestages zum Verkehrsbericht 1970
— Drucksache VI/3620 —zuständig: Ausschuß für VerkehrBericht der Bundesregierung über Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr für das Jahr 1971
Drucksache VI/3718 —zuständig: Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Jugend, Familie und GesundheitEmpfehlungen und Übereinkommen der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation auf ihrer 55. Tagung im Oktober 1970— Drucksache VI/3407 —zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für VerkehrEntschließungen der 60. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union vom 21. bis 29. September 1972 in Rom— Drucksache 7/15 -zuständig: Auswärtiger AusschußBericht über die Tagung der Beratenden Versammlung desEuroparats vom 17. bis 24. Oktober 1972 in Straßburg— Drucksache 7/19 — zuständig: Auswärtiger AusschußBericht des Bundesministers für Verkehr 1972 über den Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes— Drucksache 7 64 —zuständig: Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen
Ausschuß für VerkehrBericht über die Tagnung der Westeuropäischen Union vom 5. bis 7. Dezember 1972 in Paris— Drucksache 7/66 — zuständig: Auswärtiger AusschußBericht der Bundesregierung über die Art, den Umfang und den Erfolg der von ihr oder den Länderregierungen vorgenommenen Beanstandungen betreffend die Anwendung des Artikels 119 des EWG-Vertrages— Drucksache 7/90 —zuständig: Ausschuß für Arbeit und SozialordnungBericht der Bundesminister des Innern und für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen betr. Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen und technischen Personals an den hochschulfreien Forschungseinrichtungen des Bundes und bei Zuwendungsempfängern des Bundes— Drucksache 7/93 —zuständig: Innenausschuß
Ausschuß für Forschung und Technologie und für das Post- und FernmeldewesenErhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Punkte:Abgabe einer Erklärung der BundesregierungErste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes— Drucksache 7/173 —Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geflügelfleischhygienegesetzes — GFlHG —— Drucksache 7/155 —Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäߧ 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkungdes Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses— Drucksache 7/159 —Ist das Haus damit einverstanden? — Dann ist damit die Erweiterung der Tagesordnung beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 31. Januar 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Hammans, Stahl , Dr. Hirsch, Hauser (Krefeld), Kratz, Ollesch, Dr. Stienen, Esters, Solke, Dr. Becker (Münchengladbach) und Genossen betr. Übungslandeplatz für den Senkrechtstarter Harrier — Druchsache 7/65 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/95 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 9. Februar 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Freiherr von Fircks, Dr. Jahn , Dr. Wittmann (München), Dr. Czaja, Wohlrabe, Frau Benedix, Dr. Hupka, Dr. von Bismarck und Genossen betr. Dokumentation zum Lastenausgleich — Drucksache 7/82 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/157 verteilt.Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 2. Februar 1973 zu dem vom Deutschen Bundestag am 20. Dezember 1972 verabschiedetenGesetz zur Änderung von Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherungen
den Vermittlungsausschuß angerufen. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/96 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 23. Januar 1973 über die Änderung des Bußgeldkatalogs gemäß Beschluß des Bundestages vom 4. Mai 1972 berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/135 verteilt.Der Vorsitzende des Innenausschusses hat am 7. Februar 1973 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen dieVerordnung des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werdenkeine Bedenken erhoben habe.Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 12. Februar 1973 gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 7. August 1953 den Geschäftsbericht 1971 der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übersandt.Dann rufe ich als ersten Punkt der Tagesordnung auf :Abgabe einer Erklärung der BundesregierungDamit soll die Beratung des Bardepotgesetzes verbunden werden. Ich rufe daher gleichzeitig den zweiten Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes— Drucksache 7/173 —Die Debatte zu beiden Punkten soll miteinander verbunden werden.Zunächst hat der Bundesminister der Finanzen das Wort.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1973 497
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die aktuelle Währungskrise, die zehn Tage lang die weltweite Szene beherrscht hat und die auch die europäischen und unsere eigenen Devisenmärkte in Mitleidenschaft gezogen hat, ist zu einem befriedigenden Ende geführt worden. Die Entscheidungen, mit denen die schwierige Situation überwunden wurde, sind Ihnen bekannt. Ich wiederhole das Wichtigste.Erstens. Die amerikanische Regierung hat den Kongreß gebeten, den Dollar um 10 % abzuwerten. Praktisch ist diese Änderung aber schon wirksam geworden. Im gleichen Zusammenhang hat die amerikanische Regierung angekündigt, daß der Präsident dem Kongreß in Kürze eine umfassende Handelsgesetzgebung zur Ermächtigung vorlegen werde, über den weiteren Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse zu verhandeln. Schließlich sollen bestimmte Kapitalverkehrskontrollen der Vereinigten Staaten bis Ende 1974 auslaufen; u. a. soll damit auch die ausländische Direktinvestition in den Vereinigten Staaten gefördert werden.Zweitens. Die japanische Regierung hat ihrerseits angekündigt, daß sie den Kurs des japanischen Yen freigeben werde. Das ist heute mit Wiedereröffnung der Devisenmärkte in Japan auch geschehen. Der De-facto-Aufwertungssatz des Yen belief sich heute mittag auf 4,1 %. Ich nehme an, daß er noch erheblich steigen wird.Drittens. Mit Ausnahme Italiens haben die wichtigsten europäischen Währungen ihre Kurse beibehalten; das englische Pfund bleibt beim Floaten.Die Bundesregierung hat diese zusammenhängenden Entscheidungen, in denen auch ihre eigene enthalten ist, sofort nach ihrer Bekanntgabe am Dienstagvormittag begrüßt. Sie wiederholt heute die positive Bewertung vor diesem Haus.
Wir sind der Meinung, daß die Vereinigten Staaten von Amerika die Konsequenzen aus der internationalen Währungslage an der richtigen Stelle gezogen haben. Die amerikanische Regierung hat mit ihrer Entschlossenheit und ihrer Bereitschaft zum schnellen Handeln gleichzeitig der Festigkeit des Atlantischen Bündnisses und der Freiheit des internationalen Handels enen wichtigen Dienst erwiesen. Diesen Grundlagen der Zusammenarbeit ist auch die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet.Die Bundesregierung begrüßt auch die Entscheidung der japanischen Regierung, einen spürbaren Beitrag zu einem besser ausgeglichenen Kursverhältnis zwischen Dollar und Yen zu leisten. Das Mißverhältnis in der Bewertung dieser beiden Währungen war bisher für zwei Drittel des Ungleichgewichts der amerikanischen Handelsbilanz und der Anfälligkeit des Dollars verantwortlich. Das amerikanische Handelsdefizit beispielsweise betrug 1972 mehr als 6 Milliarden Dollar, davon allein 4 Milliarden Dollar im Handel mit Japan und lediglich eine halbe Milliarde Dollar im Handel mit ganz Europa.Die internationale Lösung der Währungskrise ist durch enge Kooperation innerhalb Europas sowie zwischen Europa und den Vereinigten Staaten sowie schließlich durch deren und ein wenig auch durch unsere Gespräche mit Japan wesentlich gefördert und erleichtert worden. Allein dieser weite, die ganze Welt umspannende Rahmen war der Dimension der Probleme angemessen. Der mitdenkende Staatsbürger wird schon im Verlauf der vergangenen Woche bemerkt haben, daß eigentlich der währungspolitische Bereich überschritten war und daß die Lösung im Rahmen der politischen Allianzen gefunden werden mußte. Dabei war naturgemäß die Zusammenarbeit innerhalb Europas und mit den Vereinigten Staaten besonders intensiv und besonders vertrauensvoll, und zwar sowohl direkt zwischen den Regierungschefs und Staatspräsidenten als auch zwischen den unmittelbar verantwortlichen Ministern. Ich darf hier ganz besonders die enge und fruchtbare Verbindung mit dem französischen Finanzminister Giscard D'Estaing und mit dem britischen Schatzkanzler Anthony Barber hervorheben und für diese Zusammenarbeit Dank sagen.
In diesem Rahmen hatten wir unseren speziellen deutschen Beitrag zur Vorbereitung der notwendigen Entscheidungen zu leisten. Unsere Rolle konnte nach Art der Ursachen der Krise, die ich schon gestreift habe, nicht etwa darin liegen, uns im Alleingang zu einer hastigen Aktion zu drängen oder uns zu einem solchen Alleingang drängen zu lassen. Unser Vorgehen erforderte freilich eine gewisse Nervenstabilität, zumal es, da man die Zusammenhänge in den kritischen Tagen nicht auf dem Marktplatz erläutern und erklären kann, zunächst nicht überall verstanden werden konnte. Die öffentlichen Erklärungen durch die Opposition waren in den letzten Tagen nicht durchweg hilfreich; das gilt auch für die scharfen Vorwürfe, die man an die Adresse amerikanischer Politiker gerichtet hat.
Ich denke aber, daß im Lichte der Ergebnisse die Taktik der Bundesregierung wenigstens im Nachhinein auch dem Zweifler sich als richtig erwiesen hat. Dies muß auch gegenüber dem politischen und psychologischen Druck gesagt werden, der sich in den entscheidenden Tagen in Richtung einer einseitigen deutschen Aktion bemerkbar gemacht hat. Wenn wir wegen der Windstöße der Spekulation umgefallen wären und schon in der letzten Woche unsere Börsen geschlossen hätten, würden wir heute wohl in der Tinte sitzen. Das nämlich wäre der Auftakt zum Floaten des DM-Kurses im nationalen Alleingang gewesen. Dem hätten sich sicherlich die Japaner anschließen müssen, aber sonst niemand auf der Welt. Das wäre ein Alleingang mit allen politischen, besonders europapolitischen, und wirtschaftlichen Konsequenzen gewesen.Gegen einen Drang zu solcher Aktivität zum falschen Zeitpunkt mit falschen Mitteln sprachen aus der Sicht der Bundesregierung zunächst drei einfache Erwägungen.Erstens. Unsere Leistungsbilanz, d. h. die Bilanz aus unserem Außenhandel, aus den laufenden Zahlungen, z. B. der Gastarbeiter, aus den Dienstlei-
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Bundesminister Schmidtstungen, aus den Zahlungen, die reisende deutsche Staatsbürger im Ausland leisten, ist praktisch ausgeglichen. Aus unserer Leistungsbilanz heraus gibt es überhaupt kein Indiz für eine Aufwärtsbewegung der D-Mark. Die Leistungsbilanz ist bis auf einen Rest von einer halben Milliarde Dollar ausgeglichen. Es gibt ebenso kein Indiz in unserer Leistungsbilanz, gegenüber auch nur einem Teil unserer Handelspartner eine Bewegung der D-Mark nach oben vorzunehmen.Zweitens. Wir wollten kein Präjudiz für die in Gang befindlichen und in Gang kommenden Verhandlungen schaffen. Vielmehr wollten wir unsere Verhandlungsposition wahren.Drittens wollten wir auf keinen Fall den früheren Ruf der D-Mark bestätigen, daß nämlich die D-Mark immer und unter allen Umständen ein Aufwertungskandidat sei. Diesem alten Aufwertungsverdacht Vorschub zu leisten, wäre eine Belastung der künftigen Stabilität unserer Währung gewesen.Ein vierter Grund für unser Vorgehen war aber mindestens so wichtig wie die drei vorher genannten Gründe zusammen: Wir waren uns der Folgen für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft voll bewußt, die sich ergeben hätten, wenn wir die eine oder andere Bewegung im Alleingang eingeleitet hätten. Diese Folgen wären nicht nur wirtschaftlicher, sondern vor allem anderen politischer Natur gewesen. Das politische Problem, das sich insgesamt stellte, lag aus unserer Sicht also in dem Komplex von drei Maximen, denen zugleich gefolgt werden mußte: Wir hatten unsere Volkswirtschaft und ihren hohen Beschäftigungsstand zu schützen, wir durften und wollten aber auch die Zusammenarbeit in der EWG und die Ansätze zur Wirtschafts- und Währungsunion nicht gefährden, und wir durften und wollten drittens auch keineswegs unser gutes Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika gefährden. Aller menschlichen Voraussicht nach wäre das jetzt erreichte, weltweite, amerikanisch-japanisch-europäische Gesamtergebnis, das allen Maximen entspricht, nicht erzielt worden, wenn wir vorige Woche im Alleingang gehandelt hätten.Was nun die durch unsere „Sturheit" eingeströmte Liquidität angeht, so wird die Bundesbank unter den jetzt gegebenen Bedingungen mit ihr fertig werden. Ein Teil des Dollarzustroms wird unser Land wieder verlassen. Ein anderer Teil besteht aus vorgezogenen Zahlungen für deutsche Exporte und aus verzögerten Zahlungen für Importe. Diese „leads and lags" wie man im Englischen sagt, werden sich bald ausgeglichen haben.Ich will hier eines deutlich hervorheben, weil es für den Deutschen Bundestag sicherlich von großem politischen Interesse ist: Die Möglichkeit einer weltweiten Lösung hat keineswegs ausgeschlossen, daß wir auch ein europäisches Modell von Anfang an in unsere Überlegungen einbezogen. Es ist von Anfang an in den Gesprächen mit unseren Partnern einbezogen gewesen. Dieses Modell kam auch aus der Sicht der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika durchaus in Betracht. Es wäre auf eine Verabredung der EWG-Staaten hinausgelaufen, denKurs des Dollars nicht mehr zu stützen, durch Intervention in den EWG-Währungen aber gleichzeitig dafür zu sorgen, daß die Relationen der EWG- Währungen zueinander unverändert bleiben.Aus den Unterhaltungen und Untersuchungen zu diesem europäischen Modell im letzten Zeitabschnitt resultieren zwei Erfahrungen, die hier vorzutragen sind.Die erste Erfahrung ist eine ganz eindeutige Bereitschaft Frankreichs, am Zustandekommen dieses Modells mitzuwirken, allerdings unter der Voraussetzung, daß es wirklich ein europäisches Modell geworden wäre und nicht ein Modell, das sich nur auf Teile der EWG erstreckt. Der Vorzug dieses Modells hätte ja vor allem darin gelegen, daß es ein sichtbarer Ausdruck der europäischen Währungssolidarität gewesen wäre und der Wirtschafts- und Währungsunion den so notwendigen Auftrieb gegeben hätte. Freilich hätte es auch einige Konsequenzen verlangt, so für die Verwendung der zur Zeit national eingesetzten Währungsreserven. Es hätte auch Risiken mit sich gebracht, die bei einer Beschleunigung der Entwicklung der Wirtschafts-und Währungsunion vor allen Dingen darin liegen, daß natürlich ein weiterer und schneller Verlust an konjunkturpolitischer und kreditpolitischer Autonomie eingetreten wäre.Die zweite Erfahrung aus diesen Erörterungen mit unseren Partnern lag sodann in den objektiven Schwierigkeiten auf seiten unserer britischen Freunde. Die Gründe, die im vorigen Sommer zum Abwärtsfloaten des Pfundes geführt haben, erlaubten es der britischen Regierung auch jetzt noch nicht, wieder eine feste Relation zu den übrigen europäischen Währungen einzugehen, d. h. eine Parität oder einen Leitkurs festzulegen. Dies war so trotz aller Vorurteilslosigkeit, mit der die britische Regierung diesem Modell gegenübergestanden hat. Die gestern durch die italienische Regierung verkündete Kursfreigabe für die Lira zeigt, daß die britische Regierung mit ihren Sorgen nicht ganz alleinsteht.Dennoch wird nach allen positiven und auch negativen Erfahrungen ein europäisches Modell weiterhin für uns eine Aufgabe bleiben. Dies ist übrigens auch die Beurteilung durch unsere englischen Partner.Eine für heute abend anberaumte Ratssitzung in Brüssel wird eine erste Gelegenheit geben, die neue Lage nun mit allen neun Ländern der Gemeinschaft zu beraten.Unter dem Gesichtspunkt unserer nationalen, deutschen Interessen ist das jetzt gefundene Gesamtergebnis in der folgenden Weise zu beurteilen.Erstens. Dieses Ergebnis stellt unter Beweis, wie enges Zusammenwirken mit unseren Partnern ökonomisch wie politisch gleichermaßen vernünftige Lösungen hervorzubringen vermag, vernünftig im Sinne unserer besonders intensiven Zusammenarbeit innerhalb EWG-Europas und ebenso mit unserem amerikanischen Bündnispartner.Zweitens, Das Ergebnis ist aber auch ein Erfolg für unsere Wirtschaft und ihren hohen Beschäftigungsstand. Die Gesamtwirkung der amerikanischen,
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Bundesminister Schmidtjapanischen, italienischen wechselkurspolitischen Maßnahmen auf den Außenwert der D-Mark wird sich auf maximal 2 % belaufen, auch wenn sich noch einige kleinere Handelspartner dem amerikanischen Schritt ganz oder teilweise anschließen sollten. Es kann durchaus sein, daß es auch bei nur 1 % bleibt. Um es noch einmal etwas plastischer auszudrücken: Unsere Importe aus den Vereinigten Staaten von Amerika werden für uns etwas billiger; unsere Exporte in die Vereinigten Staaten von Amerika könnten etwas höhere Erlöse bringen. Hier stecken für eine Reihe von Branchen und Industrien dann natürlich aber auch die Schwierigkeiten. Sie werden ihre Preise in Dollar nicht in dem gleichen Maße heraufsetzen können, in dem der Dollar abgewertet wurde.Im Verkehr mit all den Ländern, mit denen wir den größten Teil unseres Außenhandels abwickeln, ändert sich überhaupt nichts. Ich bin überzeugt, daß unsere Wirtschaft im ganzen dieser geringfügigen Verschärfung des internationalen Wettbewerbs gewachsen ist, wenn es auch — ich wiederhole mich — einige Ausnahmen gibt, die Obacht und Sorgfalt erfordern. Ich bin davon überzeugt, daß sich unsere Wettbewerbsstellung gegenüber Japan tendenziell verbessert. Das wird sich auch auf dritten Märkten bemerkbar machen. Hervorheben möchte ich auch, daß die Phase der Unsicherheit in den Währungsbeziehungen so rasch hat beendet werden können.Als Fußnote zu dieser Bewertung des Ergebnisses möchte ich einfügen, daß es grober Unfug ist, zu behaupten, die Abwertung des Dollars und damit auch die Abwertung der Dollarreserven aller Zentralbanken der Welt würde hier in Deutschland den Steuerzahler sieben Milliarden DM kosten, wie ich gehört habe. Dies ist grober Unfug. Tatsächlich werden weder der Bundeshaushalt noch der Steuerzahler von den technischen Buchungsvorgängen bei der Bundesbank berührt werden.
— Ich ahne Ihren Zwischenruf, aber ich bin auch auf die Antwort präpariert, Herr Althammer.Die eng begrenzte Wirkung der währungspolitischen Maßnahmen auf unsere Volkswirtschaft macht aber auch eines ganz klar — und auch das muß hervorgehoben werden —: Wir haben mit der Währungspolitik keine Binnenkonjunkturpolitik getrieben. Mit anderen Worten: Die stabilitätspolitische Lage und die sich daraus ergebende Problemstellung sind durch die weltweite währungspolitische Operation kaum verändert worden und auch kaum erleichtert worden. In dieser Hinsicht werden wir in diesen Tagen, zunächst gemeinsam mit der Bundesbank, besonders sorgfältig überlegen müssen, wie unser Instrumentarium gleichzeitig auf die währungspolitischen Erfordernisse nach außen und auf die stabilitätspolitischen Ziele nach innen auszurichten ist.Im übrigen verfolgt die Bundesregierung die Absicht, die Kontrolle nach § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes in absehbarer Zeit abzubauen. Die Novellierung der gesetzlichen Bestimmungen über das Bardepot ist dazu eine notwendige Voraussetzung.Am Schluß muß mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß die Bewältigung dieser Krise in keiner Weise schon etwas mit der Reform des Weltwährungssystems zu tun hat.
Sie hat durch eine Tendenz zur Gesundung der amerikanischen Zahlungsbilanz höchstens etwas die Umweltbedingungen verbessert, unter denen diese Reform erarbeitet werden muß. Die Bundesregierung mißt der Reform des Weltwährungssystems eine sehr hohe wirtschaftliche und politische Bedeutung bei. Deshalb beteiligt sie sich, gemeinsam mit der Bundesbank, mit ganzer Kraft an dieser Arbeit, die im Rahmen des Internationalen Währungsfonds geleistet wird.Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Sprung. Er hat eine Redezeit von 20 Minuten beantragt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister der Finanzen hat die Entscheidungen der amerikanischen und japanischen Regierung als einen Erfolg der Bundesregierung und ihrer Politik dargestellt. Er hat zum Ausdruck gebracht, daß damit die internationale Zusammenarbeit Früchte getragen habe, die ohne den deutschen Beitrag und den Beitrag anderer europäischer Länder nicht gereift wären.In der Tat, meine Damen und Herren: die amerikanischen und japanischen Maßnahmen sind Zeichen einer internationalen Solidarität, die für die Zukunft hoffen läßt. Die amerikanische Regierung hätte auch ganz anders handeln können; sie hätte die Hände in den Schoß legen und es den Europäern, insbesondere aber der Bundesrepublik, überlassen können, wie wir mit dem Problem der Dollarzuflüsse der letzten beiden Wochen fertig werden würden. Sie hat das nicht getan.Als sich die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen als wirkungslos erwiesen, als der Dollarzufluß trotz der Devisenabwehrmaßnahmen der Bundesregierung in wenigen Tagen die schwindelnde Höhe von 20 Milliarden DM erreichte, hat die amerikanische Regierung zusammen mit der japanischen Regierung gehandelt. Sie hat damit die Bundesregierung aus einer äußerst schwierigen Lage befreit und nicht nur ihr, sondern letztlich allen westlichen Industrienationen den Weg für eine Lösung auch anderer Probleme in der Zukunft eröffnet.
Die amerikanischen und japanischen Maßnahmen werden sicherlich dazu beitragen, die Handels- und Zahlungsbilanzprobleme beider Staaten zu vermindern. Das wird beim Blick auf das Jahr 1972 deutlich — die Zahlen sind hier von Herrn Minister Schmidt schon vorgetragen worden —, in dem das
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500 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1973
Dr. SprungUS-amerikanische Handelsbilanzdefizit von 6,4 Milliarden Dollar einem Handelsbilanzüberschuß im Warenverkehr zwischen Japan und den USA zugunsten von Japan von 4,4 Milliarden Dollar gegenüberstand.Meine Damen und Herren, es ist zu erwarten, daß mit der Abwertung des Dollar um 10 % und der Freigabe des Wechselkurses des Yen diese Defizite bzw. Überschüsse abgebaut werden können.Die Hilfe, die Europa, insbesondere aber der Bundesrepublik aus den amerikanisch-japanischen Maßnahmen erwächst, liegt in der Beruhigung der Devisenmärkte, die nunmehr eintreten sollte und ganz sicher auch eintreten wird. Immer wieder ist auch von Ihnen, Herr Minister, erklärt worden, daß die Währungsfrage eine Dollarfrage sei; solange die amerikanische Regierung das Dollarproblem nicht löse, seien neue Währungskrisen nicht auszuschließen. Nun hat Amerika gehandelt, nun sollte das Vertrauen in den Dollar zurückkehren; daran sollten und müssen wir alle interessiert sein. Das heißt nicht, daß die Dollarabwertung für die Wirtschaft der Bundesrepublik nicht auch Schwierigkeiten mit sich bringen wird. Durch die Abwertung des Dollar wird der Export in die Vereinigten Staaten erschwert werden; einige Produktionszweige werden davon besonders betroffen sein. Man sollte diese Schwierigkeiten nicht bagatellisieren; sie haben vor allem unter regionalpolitischen Aspekten Bedeutung.Man kann jedoch nicht immer wieder von den USA verlangen, ihr Haus in Ordnung zu bringen, die Dollarfrage also in erster Linie selbst zu lösen, dann aber die zwangsläufig sich einstellenden und auch erhofften Wirkungen der ergriffenen Maßnahmen attackieren.Meine Damen und Herren, die USA und Japan haben uns, wie ich bereits gesagt habe, aus einer schwierigen Lage befreit. Das wirft die Frage auf, wie wir überhaupt in diese Lage kommen konnten.
Wie war es möglich, daß in kürzester Frist Dollar im Gegenwert von 20 Milliarden DM in die Bundesrepublik einfließen konnten? Die Maßnahmen vom Juni 1972, Maßnahmen nach § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes und das Bardepotgesetzes reichten offensichtlich nicht aus, der Spekulation gegen den Dollar zu begegnen, als diese in Verbindung mit den italienischen und Schweizer Maßnahmen unter Bekanntgabe der Handelsbilanzüberschüsse der wichtigsten westlichen Industrienationen für das Jahr 1972 wieder auflebte.
— Ich sage dazu noch etwas, Herr Wehner. — Die Bundesregierung verschärfte daraufhin — so sind die Dinge gelaufen, sehen wir uns den Gang der Ereignisse noch einmal an — ihre dirigistischen Abwehrmaßnahmen. Ohne Erfolg, meine Damen und Herren!Die öffentliche Verbreitung Ihrer Meinung, Herr Minister, daß dieser Dollarkrise weitere folgenwürden, bis die Reform des Weltwährungssystems endlich zustande kommen würde, hatte sicher auch keinen dämpfenden, sondern eher einen die Spekulation erneut anheizenden Effekt,
übrigens genauso wie die Äußerung von Herrn Apel zum gespaltenen Devisenmarkt.Meine Damen und Herren, Dollar im Gegenwert von 20 Milliarden D-Mark sind bis zur Schließung der Devisenbörsen Ende letzter Woche in die Bundesrepublik eingeflossen. Wie hoch, Herr Minister, ist der Abwertungsgewinn, wieviel Milliarden sind es, die der Steuerzahler zu zahlen hat und die diejenigen nunmehr einstecken können, die diese Dollarmengen ins Land gebracht haben und denen Sie als Warnung zuriefen, diesmal würden sie sich die Finger verbrennen?
Sie haben sich die Finger nicht verbrannt. Deshalb können Sie, Herr Minister, hier auch nicht sagen, daß die Behauptung Unsinn sei, daß trotz der Maßnahmen, die ergriffen worden sind, Abwertungsgewinne erzielt worden seien. Sie sind eingetreten. Die Leute, die auf die D-Mark gesetzt haben, haben künftig einen entsprechenden Gegenwert in ihrer nationalen Währung, insbesondere in Dollar, in der Hand.
Das ist jedoch vielleicht das geringste Problem, das es jetzt zu lösen gilt. Von den eingeflossenen Dollar im Gegenwert von 20 Milliarden D-Mark konnte nur ein Teil durch die Maßnahmen der Bundesbank dem volkswirtschaftlichen Kreislauf entzogen werden. Wie werden die verbleibenden Summen auf Preisentwicklung und Stabilität wirken? Die Bundesregierung verwendet fast kein anderes Wort so häufig wie das Wort Stabilität bzw. Stabilitätspolitik. Wie konnte die Bundesregierung für 20 Milliarden D-Mark Dollar ins Land fließen lassen, bevor sie den Zufluß abriegelte? Was wird in Zukunft aus den eingeflossenen Dollar-Beträgen? Werden Sie wieder abgebaut werden? Wir alle hoffen, daß sie so schnell wie möglich das Land wieder verlassen. Gibt es aber eine Gewähr dafür? Und wenn sie nicht wieder abfließen, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung oder die Bundesbank ergreifen, den inflatorischen Wirkungen zu begegnen? Die Antworten, Herr Minister, die Sie darauf gegeben haben, reichen meiner Meinung nach nicht aus.Was wird im übrigen aus den Maßnahmen, Herr Minister, die die Bundesregierung ergriffen hat, also die Maßnahmen nach § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes, die den Devisenzustrom aufhalten sollten, es aber nicht vermochten? Wird man sie wieder aufheben? Man braucht sie doch jetzt nicht mehr. Sie sollten daher so schnell wie möglich wieder verschwinden. Sie sind völlig nutzlos und behindern nur den freien internationalen Zahlungs- und Kapitalverkehr.
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Dr. SprungJetzt muß der Blick nach vorn gerichtet werden, jetzt muß Stabilitätspolitik betrieben werden. Jetzt, wo die außenwirtschaftliche Absicherung erfolgt ist, müssen intern im Lande selbst die Maßnahmen ergriffen werden, die zu einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung zurückführen.
Meine Damen und Herren, wenn schon die zur Abwehr des Dollar-Zuflusses ergriffenen Maßnahmen und ihre fast vollständige Wirkungslosigkeit zu äußerster Besorgnis Anlaß gaben, so gilt dies noch mehr für den Zustand der EWG und die Art und Weise, wie auf dieser Ebene die Währungskrise behandelt wurde. Seit zwei Jahren befinden sich die Mitgliedstaaten der EWG in der ersten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Regierung beteuert immer wieder, wie sehr ihr an Fortschritten gelegen sei, genauso wie uns an Fortschritten gelegen ist. Doch wo sind die Fortschritte? Nach zwei Jahren Wirtschafts- und Währungsunion ist die währungspolitische Zusammenarbeit nicht enger, sondern lockerer geworden. Da hilft auch kein Hinweis auf die Beschlüsse des Ministerrats vom März oder vom Oktober 1972.Zu Beginn der jüngsten Währungskrise befand sich die EWG in folgender Situation: Ein Land floatete, drei Länder hatten gespaltene Devisenmärkte, zwei Länder verteidigten nur mühsam die Washingtoner Währungsbeschlüsse von 1971. Zugegeben, Herr Minister, hierfür ist die Bundesregierung allein nicht verantwortlich gewesen und verantwortlich zu machen.
— Wir wollen die Dinge so darstellen, wir wollen sie so betrachten, wie sie sind.
— Aber auch das andere, Herr Wehner, müssen Sie sich dann anhören.
Auch die anderen Mitgliedstaaten haben wenig zu einer engeren währungspolitischen Zusammenarbeit beigetragen. Doch was geschah während der jüngsten Krisentage? Die drei größten EWG-Staaten verhandelten, ohne die übrigen hinzuzuziehen: EWG- Organe traten nicht zusammen; lediglich auf eine gemeinsame Schließung der Devisenmärkte konnte man sich einigen. Gestern, Dienstag, ging auch Italien zum vollständigen Floaten über, um die amerikanische Abwertung für den eigenen Außenhandel aufzufangen, offensichtlich ohne zuvor die anderen Mitgliedstaaten unterrichtet oder gar konsultiert zu haben. „Die schlechteste Figur in der Krise hat der europäische Geist gemacht", schreibt heute eine große Tageszeitung.
(CDas ist nicht die Art von Zusammenarbeit,
die nötig ist und die die Situation erforderte. Die Verärgerung der kleineren EWG-Staaten ist daher nur allzu berechtigt. Die EWG kann und darf nicht nur eine „Schönwetter-Gemeinschaft" sein. Sie muß auch dann zusammenhalten, wenn es einmal stürmt. Hier ist, meine ich, Versäumtes nachzuholen.Die Bundesregierung sollte und muß nunmehr alles daransetzen, daß insbesondere die währungspolitische Zusammenarbeit in der EWG die Mitgliedstaaten endlich einen Schritt voranbringt, und dafür scheinen ja gewisse positive Ansätze vorhanden zu sein.
Wenn es richtig ist — Herr Minister, Sie haben soeben darauf hingewiesen —, daß auch Frankreich einer europäischen Lösung schon im Juni 1972 zugestimmt hat und auch in den letzten Tagen wieder zu einer europäischen Lösung bereit war, dann sollte es endlich Fortschritte geben. Wir hören sehr gern, daß Sie es als Ihre Aufgabe und als eine Aufgabe der nächsten Zeit ansehen, solche Fortschritte zu erreichen.Aber auch noch auf einem anderen Gebiet muß sich die EWG künftig behaupten, nämlich in den handelspolitischen Gesprächen mit den USA, die vor der Tür stehen. Wir hoffen sehr, daß diese Gespräche nicht in einem handelspolitischen Protektionismus enden, sondern ebenso vom Geist der Solidarität getragen werden wie die jüngsten währungspolitischen Maßnahmen.Nun noch ein Wort zu der dringenden, nicht mehr aufschiebbaren Reform des Weltwährungssystems. Meine Damen und Herren, niemand wird behaupten wollen, daß mit den amerikanischen und japanischen Maßnahmen die uns beschäftigenden und belastenden Währungsprobleme gelöst worden seien. Nur die akuten Sorgen sind damit zunächst vom Tisch. Den westlichen Industrienationen ist damit aber andererseits auch eine Atempause verschafft worden, eine Atempause, die um jeden Preis genutzt werden sollte, um so schnell wie möglich die überfällige Reform des Weltwährengssystems in Angriff zu nehmen.
Im Jahreswirtschaftsbericht 1970 war zu lesen, daß die Beruhigung der Währungslage nach den Paritätsänderungen der D-Mark und des Französischen Franken von 1969 es erlaube, Überlegungen über eine Änderung des derzeit gültigen Währungssystems mit Sorgfalt und genügendem Abstand vom täglichen Geschehen anzustellen. Wir wissen alle, was dann folgte. 1971 hatten wir die nächste Währungskrise, Mitte 1972 abermals eine und Anfang 1973, in den letzten Tagen, eine weitere, hoffentlich die letzte.Warum sage ich dies? Warum weise ich auf diese Entwicklung hin? Ich tue das, um zu zeigen, daß wir wirklich nur eine Atempause haben, daß wir uns nicht erneut in der trügerischen Hoffnung wiegen sollten, genügend Zeit zu haben. Die Zeit zur
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Dr. SprungReform des Weltwährungssystems drängt wirklich. Wir sollten und müssen endlich Fortschritte erzielen. Solange die Fragen der Rolle des Goldes, der Reservewährungen und der Sonderziehungsrechte nicht gelöst sind, solange es über die Wechselkurspolitik keine einheitliche Auffassung und vielleicht bestimmte Regeln gibt, solange das Problem der Dollarkonvertibilität im Raum steht, solange 60 bis 80 Milliarden Euro-Dollar von Land zu Land wandern, solange die Zinspolitik nicht nur als ein nationales, sondern auch als ein für die Währungsströme eminent wichtiges internationales Problem behandelt wird, so lange, meine Damen und Herren, bleibt die Währungssituation labil. Hier ist ein weiterer Aufschub nicht mehr zulässig.Doch wie sieht es damit aus? Zwar tagt die Zwanziger-Gruppe, die entsprechende Vorschläge prüfen soll. Von seiten der USA sind solche Vorschläge inzwischen gemacht worden. Die EWG jedoch hat Vorschläge bisher nicht vorlegen können, weil sie nicht dazu in der Lage war, sich intern zu einigen, weil es ihr bisher nicht gelungen ist, dafür einen gemeinsamen Nenner zu finden.Hier, meine Damen und Herren, liegen die Aufgaben der nächsten Zukunft: in der EWG bei einer besseren Zusammenarbeit, der Gewinnung wirklich gemeinschaftlicher Lösungen und nicht nur ihrer Ankündigung und international bei der Reform des Weltwährungssystems. Hierfür, Herr Minister, haben Sie auch die volle Unterstützung der CDU/CSU- Fraktion.
Nicht die Betonung und Hervorhebung von Grundsätzen sind das Gebot der Stunde, sondern konkrete Maßnahmen und Entscheidungen. Seien wir froh darüber, daß die amerikanische und die japanische Regierung gehandelt haben! Nutzen wir jetzt aber auch gemeinsam die uns damit verschaffte Atempause, und lösen wir die drängenden, nach wie vor ungelösten Probleme der Weltwährungsordnung, damit Währungskrisen wie die der letzten Jahre bald für immer der Vergangenheit angehören!
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff. Er hat eine Redezeit von 40 Minuten beantragt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Dr. Sprung, wir waren heute — jedenfalls ich — eigentlich darauf eingerichtet, eine stabilitätspolitische Debatte zu führen, nachdem wir doch monatelang von Ihnen gehört haben, daß außenwirtschaftliche und außenwährungsmäßige Einflüsse mit Stabilitätspolitik überhaupt nichts zu tun haben.
Dies ist uns ja lange genug vorgehalten worden. Aber wir werden auch dazu noch mit einigen Bemerkungen Stellung nehmen.
— Das müßten Sie einmal in den zahlreichen Wahlkampfveröffentlichungen nachsehen, aber, Herr Müller-Hermann, es waren so viele, daß Sie sie selber wahrscheinlich gar nicht alle lesen konnten.Meine Damen und Herren, was ich im Namen meiner Fraktion hier vorzutragen habe, darf ich mit folgender Feststellung beginnen: Wir betrachten die Behandlung, die die Währungsprobleme in den vergangenen zehn Tagen durch die Bundesregierung erfahren haben, als eine ausgesprochene Wohltat.
Nach unserer Ansicht ist es seit langer Zeit das erstemal, daß diese Dinge behandelt wurden, ohne das Licht der Fernsehscheinwerfer einzuschalten und ohne, wie es der Herr Bundesfinanzminister ausgedrückt hat, über diese Fragen auf dem Marktplatz zu diskutieren. Die Nervenkraft, die dazu notwendig war, und der Sachverstand, mit dem das geschehen ist, veranlassen uns, Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, mit aller Betonung den Respekt meiner Fraktion auszusprechen.
Wir schließen in diesen Respekt den Sprecher der Bundesregierung, der diesmal auftragsgemäß der Schweiger der Bundesregierung war, ausdrücklich ein.
Die Erfahrungen, die wir diesmal gemacht haben, sind auf dem Hintergrund früherer, vergleichbarer Erfahrungen besonders wohltuend: von zunächst eingestimmten Duetten über Duette mit Dissonanzen bis zu Auftritten von Starsolisten. Das alles ist uns diesmal erfreulicherweise erspart geblieben. Wenn in der Öffentlichkeit erklärt wird, daß diese Bundesregierung bei der Behandlung und Lösung der Probleme Glück gehabt habe, so möchten wir mit aller Deutlichkeit betonen, daß das richtig ist, aber daß nach einem bekannten Sprichwort der Tüchtige eben Glück hat und auch eine tüchtige Bundesregierung einmal das Glück, das der Politiker nötig hat, haben kann und hier gehabt hat.
Am Anfang der Behandlung dieser Probleme stand die Ausweitung des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes. Der eine oder andere hat ja noch in Erinnerung, zu welcher Zeit dieses Gesetz verabschiedet worden ist und wessen Unterschriften es trägt. Es ist ohne Zweifel richtig, daß sich hier das geflügelte Wort vom Fluch der bösen Tat bewahrheitet, daß ein einmal eingeschlagener dirigistischer Weg die nachfolgende böse Tat erzeugen muß. Aber zunächst einmal hat niemand in der Bundesregierung — dies, Herr Dr. Sprung, haben Sie, glaube ich, übersehen oder übersehen wollen — geglaubt, mit einer Erweiterung des Instrumentariums des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes eine Springflut dieses Ausmaßes bekämpfen zu können. Wohl aber hat jeder in der Bundesrepublik deutliche psychologische Zeichen setzen wollen, daß wir bereit waren, die Parität der D-Mark zu verteidigen und vertragstreu innerhalb der Europäischen Ge-
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Dr. Graf Lambsdorffmeinschaft und des Smithsonian Agreement zu den Vereinbarungen zu stehen. Und dies, meine Damen und Herren, diese Entschlossenheit und die Bekundung dieser Entschlossenheit, waren wesentlich, waren richtig, angemessen und angebracht.
Es ist erfreulich, zu sehen, daß sich der Markt gegenüber dem § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes als stärker erwiesen hat — auch wenn es ein Markt war, der uns Probleme bereitet hat.Ich warne aber davor, hier nun wiederum vorzutragen, daß etwa in der Einführung gespaltener Kurse ein Rezept oder ein Allheilmittel liegen könnte. Das ist diskutiert worden, und meine Freunde und ich sind nach wie vor der Ansicht, daß dies kein Rezept ist, weil die Kontrollmöglichkeiten fehlen und weil wir eben nicht — wie andere Länder — 5000 Bankbeamte in verstaatlichten Banken haben. Und wer glaubt, er müßte aus den bisherigen privaten Bankangestellten staatliche Bankbeamte machen, also das Bankwesen vielleicht auch bei uns verstaatlichen, der befindet sich, was diesen Punkt anbetrifft, jedenfalls mit meinen Freunden schnell auf dem Kriegspfad — aber gegeneinander!Herr Dr. Sprung, Sie haben beklagt — und ich verstehe gar nicht, warum —, daß der § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes nicht wieder aufgehoben werden solle bzw. daß die Maßnahmen, die jetzt ergriffen worden sind, nicht zurückgezogen würden. Der Herr Bundesfinanzminister hat ausdrücklich mitgeteilt,
daß nach Verabschiedung der Änderung des Bardepotgesetzes mit der Anhebung auf 100 Prozentdiese Maßnahmen zurückgenommen werden sollen.
Dies halten wir für notwendig, dies begrüßen wir, und ich darf gleich formell bemerken, daß meine Fraktion gemeinsam mit dem Koalitionspartner die Änderung des Bardepotgesetzes hier einbringt, der Anhebung der Ermächtigung auf den Satz von 100 Prozent zustimmt und um die Überweisung an den zuständigen Ausschuß bittet.Wir wollen die genannten Maßnahmen aufheben, weil in der Tat der § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes in die ordnungspolitischen Vorstellungen von der Wirtschaftsordnung, die wir wollen, nicht hineinpaßt. Wir glauben z. B. auch — das darf ich vielleicht am Rande bemerken —, daß man die Beschränkung des Aktienkaufs durch Ausländer erst gar nicht hätte einführen sollen, denn erstens geht es da um einen Betrag, den die Katze auf dem Schwanz wegträgt, und zweitens ist dies in der Tat nicht zu kontrollieren. Aber das kann korrigiert werden; dies ist ein unbeträchtlicher Schönheitsfehler.Meine sehr verehrten Damen und Herren, welche Alternativen hätten denn eigentlich bestanden, wenn Sie diese Politik kritisieren? Welche Alternativen hätten Sie vorgeschlagen? Da wären doch wohl nur das Aufwerten und das Floaten gewesen.Aufwerten? Es sind sich doch alle darüber einig, daß wir im Vergleich zu unseren Nachbarländern— ich meine die europäischen Länder — ganz sicherlich keine Unterbewertung der D-Mark fest-stellen konnten. Und wir müssen ja daran denken- der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hin-gewiesen —, daß der bei weitem größte Anteil unseres Exports in die Länder der Europäischen Gemeinschaft geht. Überbewertet war allenfalls der Dollar, und hier war der Schlüssel zur Lösung des Problems zu suchen; aber der war natürlich, wie wir alle wissen, nicht von vornherein vorhanden.Und Floaten? Nun, meine Damen und Herren, daß das Floaten letztlich bei der Aufwertung landen würde, wissen wir alle. Diese Erfahrung haben wir gemacht, und in der Situation, in der wir uns diesmal befunden haben, wäre das nicht anders gewesen.Die Entscheidung des Jahres 1971, zum Floaten zu kommen, wird von meinen Freunden und mir auch heute noch für richtig gehalten; aber ich gestehe, daß ich, der ich ursprünglich ein Anhänger freier Wechselkurse war, damals mit Schrecken gesehen habe, welch desintegrierende Wirkung das Floaten gehabt hat. Und so glaube ich, daß wir jedenfalls dann liberale handels- und währungspolitische Spielregeln nicht verfechten und nicht durchhalten können, wenn sich nicht alle an diese liberalen Spielregeln halten. Das ist beim Floaten eben nicht der Fall gewesen. Sie wissen, daß das verschmutzte Floaten eingeführt worden ist. Und das, was die Zentralbank in Japan heute morgen getan hat, ist im Grunde nichts anderes; auch dies ist schon wieder kein reines Floaten der Wechselkurse mehr.
— Ich komme auf das Thema der Italiener noch zu sprechen. — Beim Floaten da kann ich dem Bundesfinanzminister nur zustimmen — hätte außer den Japanern niemand in der Welt mitgemacht, man hätte uns in dieser Situation sitzenlassen, hätte sich die Hände gerieben, und wir hätten die negativen Folgen für die Gesamtwirtschaft — ich verkenne die negativen Folgen für einzelne Bereiche unserer Wirtschaft überhaupt nicht — alle miteinander ausbaden müssen.
Ganz gewiß, meine Damen und Herren, hat natürlich auch diese Lösung, hat auch das, was wir in den letzten zehn Tagen erlebt haben, eine Schattenseite. Ich meine, daß es nicht erfreulich ist, daß Abwertungsgewinne gemacht werden konnten. Ich stimme aber dem Herrn Bundesfinanzminister darin zu, daß es Unfug ist, von Abwertungsgewinnen in der Größenordnung von 7 Milliarden zu reden, denn dies zu vermeiden hätte ja zur Voraussetzung gehabt, daß wir unsere laufenden Währungsreserven außer Landes geschickt hätten. Wohin denn wohl? Nach Tokio? Das einzige, was uns zusätzlich auf den Hals gekommen ist, sind die 20 Milliarden D-Mark,
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Dr. Graf Lambsdorffdie in der vergangenen Woche hereingekommen sind.
— Natürlich ist das ganz nett, ein ganz erklecklicher Betrag. Hier muß man einfach auf die Waagschale legen, welche Lösung teurer, kostspieliger und für die Gesamtwirtschaft vertretbarer gewesen wäre. Da sage ich Ihnen: die Lösung, die wir hier gefunden haben, ist die weniger kostspielige, die für die Gesamtwirtschaft vertretbarere als jedes Floaten und jede Aufwertung.
In diesem Zusammenhang eine Bemerkung! Es wird ja immer wieder von den sogenannten „Spekulanten" gesprochen. — Entschuldigung, ich habe das Wort „sogenannten" gebraucht; dann ist man gleich bei „Phänomenen", und das sollte man ja wohl ebenfalls aus dem politischen Sprachschatz ausmerzen. Aber ich würde es ganz gern immer in Anführungsstriche gesetzt sehen. Denn im Grunde sind das Leute, die sich wirtschaftlich vernünftig verhalten. Solange wir unsere Währungssysteme nicht in vernünftiger wirtschaftlicher Ordnung halten, können wir niemandem vorwerfen, daß er versucht, Verluste zu vermeiden. Man kann nicht erwarten, daß sich irgend jemand einfach auf seinen Dollarbeträgen niederläßt, um dann stillschweigend und murmellos zuzusehen, bis ihn die Abwertung überrascht und er damit einen beträchtlichen Vermögensverlust erlitten hat.Allerdings darf man vielleicht die Frage stellen, ob es internationaler währungspolitischer Solidarität entspricht, wenn nun auch ausländische Zentralbanken es für richtig halten, ihre Dollars in die Bundesrepublik Deutschland zu schicken.
Ein Thema, das ich hier ohne jeden sozialrevolutionären Unterton anschneiden möchte, sind die erheblichen Milliardenbeträge, die in ölproduzierenden Ländern entstanden sind. Das ist eine Erscheinung, mit der wir uns auf dem internationalen Währungsgebiet auseinandersetzen müssen, die ganz sicherlich auch bei der Frage der Neuordnung des Weltwährungssystems — ich komme darauf noch zu sprechen — behandelt werden muß.In den Augen meiner Freunde ist die politische Seite dieser Regelung — darauf hat der Herr Bundesfinanzminister hingewiesen — einer der entscheidenden Gesichtspunkte. Wir haben uns Europa gegenüber vertragstreu verhalten, und wir haben unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten eher verbessert als verschlechtert und uns auch dort vertragstreu verhalten im Sinne des Smithsonian Agreements. Dies ist nach den Erfahrungen der letzten Jahre, wie wir meinen, ein wesentlicher Aktivposten, der zu dem wirtschafts- und währungspolitischen Ergebnis auf der Habenseite zu verbuchen ist.
Ich erwähne noch die Einsicht der Vereinigten Staaten, die wir begrüßen — auf die Handelsbilanzzahlen brauche ich nicht einzugehen, sie sind erwähntworden —, und die schließliche Bereitschaft der Japaner, aus ihrer meisterhaften Verzögerungsrolle etwas freundlich herauszutreten und uns bei der Lösung dieser weltweiten Probleme zu helfen. Die Solidarität, die sich zwischen den europäischen Ländern gezeigt hat, läßt mich aber die Gegenfrage stellen, Herr Dr. Sprung, warum um alles in der Welt man sagen oder es auch nur zitieren kann —, daß die europäische Zusammenarbeit in diesem Rahmen die schlechteste Figur gemacht habe. Ich halte das Gegenteil für wahr. Ich glaube, daß sich hier zum erstenmal unter dem Zwang der Ereignisse — und der Zwang der Ereignisse ist nun einmal das, was zum Handeln und zum gemeinsamen Handeln führt —, europäische Zusammenarbeit in einem Ausmaße bewährt hat, wie wir es alle — seien wir doch einmal ehrlich — am Freitagabend vergangener Woche für ausgeschlossen gehalten haben. Niemand hat es geglaubt.
Die Italiener — ich bin eben durch einen Zwischenruf darauf aufmerksam gemacht worden — sind aus diesem Bereich ausgeschert; das ist richtig. Aber das erinnert mich an eine alte und, wie ich meine, sehr kluge jüdische Geschäftsweisheit, wonach Kasse sinnlich und Dalles schofel macht, wenn man in schwierigen Situationen steckt. Wir sollten nicht den Stab brechen, wir sollten versuchen zu helfen. Dies scheint mir die sinnvolle Reaktion darauf zu sein, obwohl es natürlich nicht begrüßenswert ist, daß hier einer alleine aus der gemeinsamen Front ausschert.Lassen Sie mich noch einige Worte zu der Frage sagen, wo denn eigentlich Ursache und Anlaß dieser Krise zu finden sind, die ja nicht plötzlich aus der Nacht gekommen sein kann. Sie sind in der Tatsache zu finden, daß das Weltwährungssystem nicht in Ordnung ist. Sie sind darin zu finden, daß das System von Bretton Woods, das auf der Rolle eines Leitwährungslandes und eines Weltbankiers beruht, dann nicht mehr funktioniert, wenn dieser Weltbankier aus welchen Gründen auch immer — und ich möchte sagen: aus verständlichen Gründen —, nicht mehr bereit ist, die Last oder die Verantwortung dieser Rolle zu tragen. Damit ist dieses Weltwährungssystem aus den Angeln gehoben. Dies ist nach meiner Meinung nach wie vor die Ursache dieser Währungskrise, hoffentlich nicht auch die Ursache weiterer Währungskrisen; aber dazu sage ich noch ein paar Worte.Die Frage nach dem Anlaß! Anlaß ist nach meiner Überzeugung — und dies sollte uns zu denken geben — eine falsche nationale Zinspolitik in Italien gewesen, die zum Abfluß von Dollarliquidität geführt hat, weil man aus den verständlichen Gründen, die ich eben mit dem Sprichwort angedeutet habe, künstlich ein Niedrigzinsniveau produzieren wollte. Und letztlich eine, vielleicht darf man sagen: hypernervöse Reaktion der Schweizerischen Nationalbank, die bei einem Angebot von 270 Millionen Dollar bereits zum Floaten übergegangen ist.In diesen Zusammenhang gehört natürlich das inzwischen zur stereotypen Redensart gewordene Wort: Die nächste Krise kommt bestimmt. Des-
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Dr. Graf Lambsdorffwegen bin ich dem Herrn Bundesfinanzminister besonders dankbar, daß er — für mich jedenfalls hat er damit auch einige frühere mißverständliche Äußerungen klargestellt — mit aller Eindeutigkeit die Vorrangigkeit der Reform des Weltwährungssystems und die Unterstützung dieses Vorhabens durch die Bundesregierung klargestellt hat.
In der Tat, Herr Minister, wir kurieren allemal — das gilt auch für das erfolgreiche Kurieren der letzten 10 Tage - an den Symptomen herum, und wir packen nicht die Ursache. Wir haben sie bisher immer noch nicht erreicht.Welche Punkte — um es mit ganz wenigen Sätzen zu sagen — muß diese Reform enthalten? Sie muß zunächst dafür sorgen, daß die 60 bis 70 Milliarden Dollar überschüssiger Liquidität, die durch die Welt geistern, eingefroren werden. Ich glaube, es würde zu weit führen, hier über die technischen Möglichkeiten zu sprechen. Aber dies ist ein Zentralproblem: daß der Liquiditätsüberschuß der Welt verschwindet.Die Reform muß zweitens dafür sorgen, daß neue Liquidität nur durch ein Weltwährungsgremium zugeteilt wird, das eine unabhängige Entscheidung treffen kann. Das kann nur dadurch geschehen, daß ein anderes Reservemedium an die Stelle des Dollars tritt, der nicht mehr bereit ist, diese Rolle zu spielen. Das werden nur die Sonderziehungsrechte sein können. Aber es ist notwendig, meine Damen und Herren, daß unabhängige Gremien entscheiden können. Es ist erforderlich, daß Liquidität nicht nach Gefälligkeitsgesichtspunkten, sondern nach den Grundsätzen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zugeteilt wird. Mit internationaler Liquidität kann nicht Sozialpolitik und auch nicht Entwicklungspolitik betrieben werden. Insofern gibt mir die Zusammensetzung der Zwanziger-Gruppe gelegentlich zu leichten Bedenken Anlaß; ich sage das hier ganz offen.Das muß zur Folge haben — und so muß dieses System aussehen —, daß sich eine nationale defizitäre Zahlungsbilanzpolitik alsbald auf die Liquiditätssituation des betreffenden Landes auswirkt, so daß es zur Zahlungsbilanzdisziplin schlichtweg gezwungen wird. Ich glaube, daß dies erreichbar ist, zumal die Vereinigten Staaten seit dem Herbst des vorvergangenen Jahres grundsätzlich erklärt haben, daß sie sich einem solchen Automatismus unterwerfen würden. Dies ist ein ganz wesentlicher Fortschritt gewesen; denn bis dato klang das immer ganz anders.Natürlich bedeutet das, auf längere Sicht gesehen, einen eingeschränkten Spielraum nationaler Konjunkturpolitik. Dies müssen wir sehen, und wir müssen erkennen, daß die Wechselkurspolitik — wenn sie überhaupt je ein geeignetes Mittel war — in Zukunft dafür vermutlich nicht zur Verfügung stehen kann.Schon heute sollten wir uns fragen — ich habe das bei der Erwähnung der Zinssituation in Italien angeschnitten —, ob es nicht notwendig ist, die nationale Zinspolitik der Länder mindestens in der Europäischen Gemeinschaft untereinander und aufeinander abzustimmen.
Wenn es richtig ist, daß diese Krise zinsinduziert gewesen ist, dann müssen wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Dann ist es nicht mehr richtig — ich glaube, es ist schon lange sachlich nicht mehr gerechtfertigt —, davon auszugehen, daß man Diskontsätze miteinander vergleicht, weil bei einem funktionierenden Interbankengeldapparat der Diskontsatz nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Das gilt für die Schweiz und am Züricher Bankplatz schon lange, und dies gilt zunehmend auch in Frankfurt. Sie können das auch deutlich sehen: Wenn die prime rate in Amerika zur Zeit 6¼% beträgt, so liegen die Kreditkosten für erstklassige Kreditnehmer bei 7¼%. Wir haben einen Diskontsatz von 5%. Das hört sich erfreulich niedrig an. Aber die Kreditkosten liegen bei 9 %. Das ist der eigentliche vergleichbare Satz. Das ist das Gefälle, dem dann die überschüssige Liquidität folgt. Hier liegt ein Problem, mit dem wir uns, wie ich glaube, beschäftigen müssen, worüber wir nachdenken müssen. Mehr läßt sich dazu hier und heute an dieser Stelle nicht sagen.Meine Damen und Herren, die Reform des Weltwährungssystems ist in der Tat — da kann ich Herrn Dr. Sprung nur zustimmen, und ich unterstreiche, was der Herr Bundesfinanzminister gesagt hat — eine Existenzfrage. Sie ist eine Existenzfrage auch und gerade für die gesellschaftspolitische Weiterentwicklung in diesem Lande und in anderen Ländern. Wir brauchen — so meinen meine Freunde und ich — einen engen Kontakt zwischen Regierung und Parlament. Wir möchten, daß die Bundesregierung das Parlament in diesen Fragen gründlich und fortlaufend unterrichtet. Wir fordern die Bundesregierung auf — und freuen uns, heute ein derartiges Bekenntnis gehört zu haben —, in ihrem Bemühen nicht nachzulassen, daß die Bundesrepublik Deutschland ihren Anteil zu der Lösung dieser Probleme beiträgt.Ich glaube, wir sollten die Fundamente dieser Weltwährungsordnung, die arg gefährdet sind, sichern, bevor sie zu Treibsand zerbröseln.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt . Für ihn sind 30 Minuten Redezeit beantragt.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Öffentlichkeit hat den Sachverständigenrat kennen und schätzen gelernt. Sie weiß von seinen Jahresgutachten.Die Jahresgutachten des Sachverständigenrates hatten bisher ein erstes Kapitel „Zur Konjunkturlage" — internationale und nationale Szenerie. Das hat sich geändert. In seinem neuesten Jahresgutachten 1972 — Drucksache 7/2 — ist das erste Kapitel nicht mehr die weltweite Lage, sondern das erste Kapitel heißt: „Auf dem Wege zu einer euro-
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Dr. Arndt
päischen Wirtschafts- und Währungsunion". Es ist der Untersuchung vorangestellt.Die Beschreibung dieses Weges hat der Sachverständigenrat mit Unterüberschriften gepflastert. Eine heißt: „Europäische Tatsachen". Diese Tatsachen sind Zollunion, gemeinsamer Agrarmarkt, Freizügigkeit aller Arbeitnehmer; sie sind durchgehende Einführung der Mehrwertsteuer in allen neun Ländern der Gemeinschaft, Gemeinschaftsverantwortlichkeit für die Handelspolitik, weite Zuständigkeiten im Bereich der Wettbewerbspolitik, in der Politik der Beihilfen. Das sind die europäischen Tatsachen, Tatsachen von Messina, von Rom.Es sind neue hinzugekommen, nämlich die Tatsachen der Gipfelkonferenz von Den Haag:
Kein Kleineuropa mehr, dafür ein Europa erweitert um Irland, England, Dänemark; offen für jedes frei regierte Land auf diesem Kontinent.Die Beschreibung der Wegstrecke durch die Gutachter — eine sehr freimütige und umfassende Beschreibung — hat noch andere Unterüberschriften. Eine heißt: „Die Lücke zwischen dem Verlust an nationaler Autonomie und gemeinschaftlichem Handeln", oder die Lücke zwischen dem, was die Gemeinschaft stabilitätspolitisch schon tun kann, und dem, was die einzelnen Länder nicht mehr zu tun vermögen. Diese Lücke besteht zwischen der Wirtschafts- und der Währungspolitik, sie besteht aber auch innerhalb der Währungspolitik, sie besteht auch innerhalb der Wirtschaftspolitik. Es ist eine Lücke zwischen Zielen und Aktionen.Europa hat gemeinsame Ziele. Europa hat auch gemeinschaftliche Organe, aber noch fehlt es diesen Organen an Macht, mitunter auch an Freude und Wille zum Handeln, zur Macht. Von dieser Lücke und in dieser Lücke lebt allerhand: z. B. der EuroDollarmarkt — 90 Milliarden Dollar, und fast alles davon eigene Geldschöpfung — natürlich auch diejenigen, die die „Wohnsitze" von Bankguthaben zwischen den europäischen Bankplätzen verlagern. Genau in dieser Lücke zwischen dem gemeinsamen europäischen Ziel und dem raschen gemeinschaftlichen Handeln hatten sich in den letzten Wochen die Bundesregierung, die französische Regierung und die europäische Kommission zu bewegen. Es ist die Auffassung auch der sozialdemokratischen Fraktion, daß sich alle drei in dieser Lücke meisterhaft bewegt haben.
Unser besonderer Dank gebührt dem Wirtschaftsminister und dem Finanzminister und ihren engsten Mitarbeitern. Dazu vielleicht ein Zitat aus einem Buch „Strategie des Gleichgewichts":In jedem Fall ist klar, daß unsere Außenwirtschafts- und Außenwährungspolitik eines der wichtigsten Instrumente deutscher Außenpolitik geworden ist im Verhältnis zum Westen wie zum Osten wie zur Dritten Welt. Das Instrument bedarf in seiner Handhabung bewußt ausgeübter außenpolitischer Kontrolle und Beeinflussung.Der Autor: Helmut Schmidt.Die währungspolitischen Entscheidungen der letzten Tage für den Dollar und für den Yen auf „Veränderung" und für die maßgeblichen europäischen Währungen auf „keine Veränderung" begrüßen wir Sozialdemokraten auch aus folgenden Gründen. Erstens scheint doch eine der großen Streitfragen der Weltwährungsreform der Lösung nähergebracht worden zu sein, nämlich die Frage: Wann hat eine Währung aufzuwerten, und wann hat eine Währung abzuwerten? Dies hat in praktischem Handeln erneut eine Antwort gefunden. Wir hoffen, daß dieser erneute Erfolg auch die juristische Definition des schwierigen Falles in der „Gruppe der 20" erleichtert.Das Zweite ist: Die amerikanische Regierung hat den neuen Wechselkurs des Dollars nicht nur in Goldpreisveränderung ausgedrückt, sondern auch in Veränderung der Sonderziehungsrechte von 0,9 auf 0,8. Wir hoffen, daß dieser neue Maßstab einer vernünftigen und planvollen internationalen Währungspolitik sich nach und nach durchsetzt. Wir unterstützen dabei die Bemühungen des amerikanischen Kongresses, diese Sonderziehungsrechte als internationales Zahlungsmittel zwischen den Notenbanken voll zu etablieren, insbesondere auch die Anstrengungen des zuständigen Unterausschusses unter seinem Vorsitzenden Reuss. Zur Zeit sind die Sonderziehungsrechte weitgehend als internationales Zahlungsmittel ungenutzt wegen ihrer verhängnisvollen Bindung an einen irrealen blockierenden Goldpreis.Drittens bedeuten die Wechselkursbeschlüsse der letzten Tage auch für die Konvertierung der riesigen Dollarüberhänge, einen Schritt nach vorn. Das ist eines der großen Probleme der Weltwährungsreform. Seine Lösung hängt weniger von Kunstgriffen in der Technik der Konsolidierung ab als davon, daß die amerikanische Handelsbilanz nach und nach von einem kriegsbedingten Defizit in einen friedensstabilisierten Überschuß hineinwächst.Da hilft Währungspolitik doppelt, sie begrenzt das Wachstum der amerikanischen Einfuhren, verstärkt das Wachstum der Ausfuhren und lenkt außerdem die Investitionsentscheidungen der großen amerikanischen Unternehmen stärker in das eigene Land, stärker auf die eigenen Probleme und auf die eigenen Arbeitsplätze.Viertens. Neben diesen Fortschritten und Hoffnungen für internationale Währungsreform und für amerikanische Stabilität: die europäische Koordination. Herr Dr. Sprung, sie war eng und sie war gut. Sie war so eng, daß zeitweise gemeinsame europäische Währungsbeschlüsse greifbar zu sein schienen. Allein daß dies möglich war, ist eine neue europäische Tatsache im Sinne des Sachverständigenrats.
In wenigen Wochen wird der europäische Währungsfonds arbeiten. Man kann darüber denken, wie man will, aber es ist für diesen Währungsfonds eine gute Ausgangsinformation, daß das möglich ist;
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Dr. Arndt
denn wir wollen für den Fonds eine Eigendynamik. Wir wollen, daß er arbeiten, daß er gemeinschaftlich entscheiden kann. Sicherlich — Herr Dr. Sprung hat das auch gesagt — ist diese europäische Schlange im Tunnel noch ein seltsames Tier. Zeitweise war mehr Schlange draußen als drinnen: die Dänen waren drinnen, die Deutschen waren drinnen, die Engländer waren ganz draußen, die Iren waren ganz draußen und die anderen zum Teil innen und zum Teil draußen - ein seltsames Reptil. Aber auch das ist nach den währungspolitischen Entscheidungen besser geworden. England ist noch draußen, Italien ist draußen, aber die anderen sind im Tunnel. Man wird Italien wie England zugestehen müssen, daß sie besondere Probleme haben: Schottland, Irland, Nordirland; Süditalien. Das sind Probleme, die nicht mit einer europäischen Regionalpolitik allein zu lösen sein werden, so großzügig sie auch immer dotiert sein mag. Es wird auch anderer Wechselkurse bedürfen, und es ist besser, wenn sie vor der gemeinsamen Steuerung festgesetzt worden als später. Doch es wird gemeinsame Wechselkurse geben; die Entscheidung wird morgen oder übermorgen fallen. Die berühmte Lücke beginnt sich zu schließen. „Europa" ist ein langer Marsch, man braucht für ihn einen langen Atem, keine Ungeduld, vor allen Dingen keine Ultimaten, keine Pressionen. Die Bunregierung hat diesen Atem, und das ist gut für Europa.Was bleibt außerdem? Graf Lambsdorff hat es gesagt: Zinspolitik. Wir, die Fraktionen der FDP und SPD, wollen heute das Bardepot-Gesetz einbringen, das verstärkte Möglichkeiten bietet. Es ist eine Unterstützung der Bundesbank. Es soll ihr ermöglichen, den Inlandzins stabilitätspolitisch höher zu halten, als das zahlungsbilanzpolitisch an sich möglich ist. Die beste Zeit, die zu verabschieden, ist eine ruhige Zeit wie heute. Dieses Gesetz kommt in einem Eilverfahren zu einem guten Zeitpunkt.Dennoch gibt es etwas zum Punkte „Bardepot" zu sagen. Im Bundesbankbericht vom Dezember vorigen Jahres ist ausgeführt, daß das alte Bardepot „zu 50 %" eine Zinsbarriere darstellt, deren Wirksamkeit getestet wurde: mit einer ersten Diskonterhöhung am 9. Oktober, mit einer zweiten am 3. November, mit einer dritten am 1. Dezember. Der Bericht über den letzten Test ist noch nicht heraus, nämlich den Test, der das deutsche Zinsniveau im Verhältnis zum amerikanischen trotz Bardepot zu hoch trieb.Wenn wir Parlamentarier der Deutschen Bundesbank dieses Mittel zur Verfügung stellen, sie ermächtigen, es im geeigneten Zeitraum zur hundertprozentigen Blockierung von Auslandskrediten anzuwenden, so haben wir einen Wunsch: daß die Bundesbank das Instrument nutzt, aber nicht abnutzt, damit die Möglichkeiten des Gesetzgebers und die Möglichkeiten der Bundesregierung für Liquiditätspolitik nicht verschüttet werden.
Das zweite, was noch bleibt, ist Handelspolitik. Die europäische Kommission hat mehrfach versucht, in der gegenwärtigen Lage eine generelle Zollsenkung im Ministerrat und auch eine Erhöhung derZollkontingente für Entwicklungsländer durchzubringen. Sie hat dabei die Unterstützung der Bundesregierung, und Kommission wie Bundesregierung haben dabei die volle Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion. Das wäre ein gutes Zeichen, auch für die kommenden handelspolitischen Verhandlungen, wenn Europa gewillt wäre, seiner Stärke entsprechend verantwortlich zu handeln. Verantwortlich handeln heißt nämlich in erster Linie mit Hinblick auf den amerikanischen Kongreß handeln, auf den es bei Vereinbarungen in diesem Fall fast allein ankommt.Dieses Zusammenspiel von europäischer Politik, atlantischer Gemeinsamkeit und dabei immer auch Schutz für die eigene Wirtschaft verlangt, eben die Suche nach ständiger Interessenidentität. Das ist das Geschäft der Währungspolitik: keine Drohungen, keine Kanonenboot-Ideen, keine scharfen Kritiken an ausländischen Interessen, die ja Interessen von Ländern sind, die in der Regel schwerwiegendere Probleme haben als wir, sondern Suchen nach Punkten der Gemeinsamkeit wie es in dem vorhin erwähnten Buch heißt: Währungspolitik bedarf der bewußten außenpolitischen Kontrolle.Wir haben das größte Interesse daran, daß die Vereinigten Staaten wieder auf ihre eigenen Füße kommen, daß sie auch wirtschaftlich sich aus ihren Schwierigkeiten voll herausarbeiten. Wir haben ein großes Interesse, daß die Entwicklung der französischen Wirtschaft gut weitergeht. Denn nur wenn beides zusammen möglich ist, wird auch eine Stärkung Europas möglich sein und wird niemand etwas dagegen haben, daß auch die deutschen Arbeitnehmer, daß auch die deutschen Unternehmen in dieser Welt weiter vorankommen.Dieses praktische Ziel ist in den letzten Wochen erreicht worden. Die sozialdemokratische Fraktion ist der Bundesregierung für diese Maßnahmen zu Dank verpflichtet.
Die Bundesregierung kann sicher sein, daß sie bei kommenden Krisen dieser Art, Krisen, in denen ja nicht Menschen ihren Wohnsitz verlassen müssen — man muß ja den Begriff der Währungskrise in Relation zu anderen Problemen auf dieser Welt sehen —, sondern Krisen, in denen Guthaben transferiert werden, bei der sozialdemokratischen Fraktion auf dieselbe Nervenstärke vertrauen kann wie die, die sie selbst bewiesen hat.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes dem Ausschuß für Wirtschaft — federführend —, dem Finanzausschuß — mitberatend — und dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei einer Stimmenthaltung ist die Überweisung beschlossen.
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508 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1973
Präsident Frau RengerIch rufe nunmehr die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung auf:Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes
— Drucksache 7/174 —Wahl der Vertreter der BundesrepublikDeutschland im Europäischen Parlament— Drucksache 7/175 —Wer den dazu vorliegenden Anträgen auf den Drucksachen 7/174 und 7/175 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Stimmenthaltungen? — Keine Stimmenthaltungen. Es ist so beschlossen. Damit sind die vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Vermittlungsausschusses und die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Europäischen Parlament gewählt, und die Fortgeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuß ist auch für die 7. Wahlperiode des Bundestages beschlossen.Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Punkt 1 der Tagesordnung auf:Fragestunde— Drucksache 7/156 —Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Walther auf:Treffen Presseberichte zu, wonach die acht zur Zeit im Kreisflüchtlingsheim in der Stadt Baunatal im Landkreis Kassel untergebrachten ehemaligen DDR-Häftlinge bei ihrem Eintreffen an der Demarkationslinie zur Bundesrepublik Deutschland durch „einen Rechtsanwalt" empfangen wurden und ihnen dabei eine Kur und hohe finanzielle Zuwendungen versprochen wurden, eine echte Betreuung jetzt aber am Instanzenweg scheitert und auch das Versorgungsamt Kassel nicht weiß, ob es für eine Betreuung zuständig ist?Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Herold.
— Meine Damen und Herren, ich bitte sehr herzlich, Platz zu nehmen und sich zu Gesprächen nach hinten zu begeben oder den Saal zu verlassen.
Herr Kollege Walther, es trifft nicht zu, daß den acht ehemaligen DDR-
Häftlingen, die im Kreiswohnheim in der Stadt Baunatal im Landkreis Kassel untergebracht waren, bei ihrem Eintreffen in der Bundesrepublik mitgeteilt wurde, sie hätten Kuren und hohe finanzielle Zuwendungen zu erwarten. Die Häftlinge kamen im Dezember 1972 bzw. im Januar 1973 in Sammeltransporten aus der DDR-Haft in die Bundesrepublik Deutschland. Um sie auf das vorzubereiten, was sie in der ersten Zeit nach der Übersiedlung in einer völlig anderen Umgebung erwartet, erhielten sie von einem Rechtsanwalt einige Hinweise und Ratschläge, wobei unter anderem erklärt wurde, daß sofortige medizinische Betreuung gewährleistet sei, sofern diese erforderlich wäre; von der Bewilligung von Kuren war dabei nicht die Rede.
Außerdem wurden Fragen der Regelung möglicher Ansprüche auf Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz angeschnitten. Finanzielle Zuwendungen wurden dabei nicht versprochen. Im übrigen wäre das Versorgungsamt Kassel für eine Betreuung nur zuständig, wenn bei einem der ehemaligen Häftlinge gesundheitliche Schäden vorliegen sollten, die erkennbar auf eine Haft aus politischen Gründen zurückzuführen sind.
Im weiteren trifft nicht zu, daß eine Betreuung am Instanzenweg scheitert. So wohnen z. B. zur Zeit von den acht Amnestierten nur noch drei in dem Kreiswohnheim in Baunatal; die übrigen sind bereits mit Wohnraum versorgt.
Von der Möglichkeit, Anträge auf finanzielle Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz zu stellen, haben bisher erst vier der ehemaligen Häftlinge Gebrauch gemacht. In einem Fall wurde vom Regierungspräsidenten in Kassel schon eine Auszahlung angewiesen. In den weiteren vier Fällen liegen dem zuständigen Landratsamt noch keine Anträge vor, obwohl sich die entsprechenden Antragsformulare in den Händen der Betroffenen befinden.
Abschließend weise ich darauf hin, daß die im Notaufnahmelager Gießen eingerichtete Einweisungsstelle für das Land Hessen auf Grund der Kenntnis der Anfangsschwierigkeiten im November 1972 an alle hessischen Kreiswohnheime mit der Bitte herangetreten ist, eine besondere, intensive Betreuung des hier in Frage stehenden Personenkreises sicherzustellen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Walther.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie nochmals fragen: Wer ist für die Betreuung solcher Häftlinge in der Bundesrepublik zuständig?
Für die Betreuung dieser Häftlinge sind die örtlichen Sozialhilfeämter zuständig. Die weitere Behandlung nach dem Häftlingshilfegesetz geht über die Ausgleichsämter. Schließlich schalten sich auch die zuständigen Stellen der Arbeitsverwaltung ein.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Walther.
Herr Staatssekretär, wie hat die Bundesregierung sichergestellt, daß die entsprechenden Behörden darüber Bescheid wissen, daß sie zuständig sind?
Die Bundesregierung hat die entsprechenden Behörden wiederholt auf ihre Zuständigkeit hingewiesen. In einigen Fällen wurde auch über die Länder die Zuständigkeit der in Frage kommenden Behörden noch einmal festgestellt.
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Keine weiteren Zusatzfragen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Meinecke auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Durchführung der Berufsgrundbildungsjahr-Anrechnungs-Verordnung vom 4. Juli 1972 von Ausbildungsbetrieben boykottiert wird?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Zander.
Herr Kollege Dr. Meinecke, der Bundesregierung sind einzelne Fälle mitgeteilt worden, in denen Absolventen beruflicher Vollzeitschulen Schwierigkeiten beim Eintritt in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis haben sollen. Danach lehnen es Ausbildungsbetriebe ab, mit Schülern, die eine zweijährige Berufsfachschule oder ein Berufsgrundschuljahr besucht haben, Ausbildungsverträge unter Berücksichtigung der Anrechnungsverordnung vom 4. Juli 1972 abzuschließen.
Diese Betriebe weigern sich nach der der Bundesregierung gegebenen Darstellung, die Schulzeit auf die betriebliche Ausbildungszeit anzurechnen, und verlangen die Ableistung der vollen Lehrzeit. Ob es sich bei diesem Vorgehen tatsächlich um einen Boykott im Sinne eines bewußten und gewollten Verstoßes gegen eine verbindliche Rechtsnorm handelt wovon Ihre Anfrage offenbar ausgeht — oder etwa um Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Anrechnungsverordnung erfüllt sind, ist der Bundesregierung nicht bekannt.
Im Rahmen der weiteren Arbeiten zur Berufsbildung wird die Bundesregierung dieser Frage jedoch verstärkte Aufmerksamkeit widmen. Sie hat bereits in dieser Woche den Bundesausschuß für Berufsbildung mit diesem Problem beschäftigt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung andererseits in der Lage, möglicherweise über das Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung, eine Liste von attraktiven, modernen, großen Firmen aufzustellen, die im Gegensatz zu der von Ihnen soeben genannten Praxis bereit sind, dieses eine Jahr anzurechnen und das Lehrlingsprogramm auf zwei Jahre umzustellen?
Herr Kollege Dr. Meinecke, ich würde die Hauptaufgabe darin sehen, sicherzustellen, daß diese Anrechnungsverordnung auch überall durchgeführt werden kann. Ob es darüber hinaus sinnvoll ist, solche zusätzlichen Anreize und Hinweise zu geben, vermag ich im Augenblick nicht zu beurteilen. Ich würde allerdings darin auch ein Wettbewerbsproblem sehen.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke auf:
Sind die Bedenken des „Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung", die zum Beispiel in der Erklärung vom Januar 1972 enthalten sind, durch die „Vorschläge für die Durchführung vordringlicher Maßnahmen" der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung ausgeräumt?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Die Vorstellungen des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung zum Berufsgrundbildungsjahr gehen davon aus, daß die beruflichen Bildungsinhalte nicht vernachlässigt werden dürfen. Erforderlich seien eine Abstimmung mit den Ausbildungsordnungen des Bundes, eine grundsätzlich berufsfeldbezogene Entwicklung der Lehrinhalte, eine Berufsfeldabgrenzung nach fachlichen Gesichtspunkten.
Eine Klärung dieser Fragen, die sich naturgemäß auch der Bund-Länder-Kommission stellen, hat bisher noch nicht in allen Einzelheiten vorgenommen werden können. Die Bundesregierung geht jedoch davon aus, daß die noch offenen Fragen in dem von der Kommission vorgeschlagenen zeitlichen Rahmen gelöst werden können. Gleiches gilt für die oben zitierte Anrechnungsverordnung des Bundes, die nach einer Erfahrungsphase überprüft werden soll. Die Probleme sind sowohl der Bundesregierung als auch der Bund-Länder-Kommission bekannt. Eine Außerung des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung liegt allerdings noch nicht vor.
Herr Abgeordneter, bitte!
Herr Staatssekretär, das Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung hat in der Stellungnahme vom Jahre 1972 das Angebot gemacht, die Wirtschaft sei bereit, eigene Modelle für das Berufsgrundbildungsjahr in Zusammenarbeit mit den Schulen zu entwickeln und unter den aufgezeigten Bedingungen zu erproben. Ist dieses Kuratorium in dieser Weise aktiv geworden, hat es schon etwas entwickelt, oder ist das nur eine Deklaration geblieben?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Meinecke, mir sind im Augenblick keine derartigen Vorschläge bekannt.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, festzustellen, ob das Kuratorium zu einer Überprüfung seiner damaligen sehr kritischen und im Grunde genommen negativen Stellungnahme im Hinblick auf das Ergebnis einer Repräsentativbefragung von Auszubildenden im Auftrage des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung bereit ist? Diese
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510 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1973
Dr. Meinecke
Befragung wurde vom Kölner Institut für sozioökonomische Strukturforschung durchgeführt, und dabei war herausgekommen, daß die Wahrheit und die Wirklichkeit in der Berufsausbildung viel negativer aussehen, als wir uns das bis jetzt alle vorgestellt haben.
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Meinecke, ich würde sagen, es ist jetzt in erster Linie Sache des Kuratoriums, zu erklären, ob seine Bedenken ausgeräumt sind oder ob sich auf der Grundlage dieser Studie oder anderer Studien, die in den letzten Wochen bekanntgeworden sind, seine Auffassung geändert hat.
Die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Sperling wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Maucher auf. Ist Kollege Maucher im Saal? — Ich sehe ihn nicht; die Fragen 10 und 11 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden ebenfalls als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Dr. Emmerlich auf:
Trifft es zu, daß Unterhaltsschuldner sich ihren Verpflichtungen durch häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes entziehen?
Herr Staatssekretär, bitte!
Frau Präsidentin, darf ich beide Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten?
Sind Sie damit einverstanden? — Danke schön! Ich rufe auch die Frage 39 des Abgeordneten Dr. Emmerlich auf:
Kann diesem Mißstand insbesondere dadurch abgeholfen werden, daß wegen Unterhaltsansprüchen erlassene Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse auf künftige Arbeitsverhältnisse des Schuldners erstreckt werden- und für den Fall des Wechsels des Arbeitsplatzes eine Unterrichtung des neuen Arbeitgebers über das Bestehen der Pfändung sichergestellt wird?
Herr Kollege Emmerlich, es trifft zu, daß sich Unterhaltsschuldner häufig durch Wechsel des Arbeitsplatzes ihren Unterhaltsverpflichtungen entziehen. Deshalb bin ich mit Ihnen der Auffassung, daß die Zwangsvollstreckung gegen böswillige Unterhaltsschuldner effektiver gestaltet werden muß. Damit beschäftigt sich mein Haus bereits seit einiger Zeit.
Auch Ihr Vorschlag, Herr Kollege Emmerlich, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse auf künftige Arbeitsverhältnisse des Schuldners zu erstrecken und für den Fall des Wechsels des Arbeitsplatzes eine Unterrichtung des neuen Arbeitgebers über das Bestehen der Pfändung sicherzustellen, ist Gegenstand unserer Überlegungen gewesen. Ihm stehen jedoch
mehrere Bedenken entgegen. Die Erstreckung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen auf künftige Arbeitsverhältnisse, die wegen der Unbestimmtheit des künftigen Anspruchs auf Lohn- oder Gehaltspfändung für sich genommen schon nicht bedenkenfrei ist, stellt allein keine Lösung des Problems dar. Entscheidend ist nämlich, worauf Sie auch hinweisen, daß der neue Arbeitgeber von der Pfändung wegen einer Unterhaltsforderung Kenntnis erhält und daraus verpflichtet wird. Eine entsprechende gesetzliche Regelung wäre zwar denkbar, setzte aber voraus, daß gleichzeitig jeder Arbeitgeber verpflichtet würde, sich bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Pfändung Gewißheit zu verschaffen. Schon nach der jetzigen Rechtslage werden Arbeitnehmer häufig nicht eingestellt, weil der Arbeitgeber zufällig von einer Lohnpfändung erfährt. Es kommt nicht selten vor, daß sie entlassen werden, wenn der Arbeitgeber vom Bestehen einer Lohnpfändung Kenntnis erlangt, die sein Risiko vergrößert oder eine Belastung im Büro herbeiführt. Diese letzten Endes die Unterhaltsberechtigten treffende Situation würde sich noch weiter verschärfen, wenn der Arbeitgeber verpflichtet würde, sich in jedem Fall über das Bestehen einer Pfändung Gewißheit zu verschaffen.
Das Problem sollte deshalb durch Regelungen gelöst werden, die das Arbeitsleben weniger einschneidend belasten. In Betracht könnten Regelungen kommen, nach denen dem Schuldner die Verpflichtung auferlegt wird, jeden Arbeitsplatzwechsel dem Vollstreckungsgericht unverzüglich anzuzeigen. Die Verletzung dieser Pflicht wäre dann mit Sanktionen zu belegen. Darüber hinaus könnte in Betracht gezogen werden, jeden Arbeitgeber zu verpflichten, Unterhaltsgläubigern gegenüber auskunftspflichtig zu sein über das Arbeitsverhältnis sowie über die Gehalts-und Lohnansprüche des Unterhaltsschuldners.
Schließlich wird in meinem Hause auch darüber diskutiert, ob den Unterhaltsberechtigten durch die Einrichtung von Unterhaltsvorschußkassen nach skandinavischem Muster geholfen werden kann. Diese Einrichtung hätte sicherlich den Vorteil, daß die Notlage der Unterhaltsberechtigten schnell und wirkungsvoll gelindert werden könnte.
Welche dieser Möglichkeiten gewählt werden soll oder auf welchem anderen Wege etwa ein wirkungsvollerer Schutz der Unterhaltsberechtigten erreicht werden kann, bedarf noch weiterer und sehr eingehender Prüfungen.
Eine Zusatzfrage? — Bitte schön, Herr Kollege Erhard!
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß Sanktionen wegen Verletzung der Anzeigepflicht hinsichtlich des Arbeitsplatzwechsels, also Sanktionen strafrechtlicher oder ähnlicher Art, dann, wenn sich jemand der Unterhaltspflicht entzieht, irgendwelche Wirkungen haben könnten?
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Es ist sicherlich nicht an strafrechtliche Sanktionen, sondern höchstens an Bußgeldbescheide gedacht, Herr Kollege Erhard. Ich bin aber mit Ihnen der Überzeugung, daß das kein hundertprozentiges Druckmittel sein wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn also schon das Sich-der-Unterhaltspflicht-Entziehen — nämlich der Arbeitsplatzwechsel, um sich der Pfändung zu entziehen — die Grundlage des Handelns ist und dies heute schon als strafbare Handlung nach dem Strafgesetzbuch gilt, was für Verbesserungen sollen denn dann Bußen bringen, die in die Staatskasse fließen und nicht zu dem Unterhaltsberechtigten gelangen? Hier wird doch der Teufel mit Beelzebub ausgetrieben. Oder sehen Sie das wirklich anders?
Herr Erhard, ist es nicht denkbar, daß der Unterhaltsschuldner den Arbeitsplatz schon deswegen nicht mehr so häufig wechseln wird, weil er erstens verpflichtet ist, diesen Wechsel anzuzeigen, und weil zweitens auch der Arbeitgeber verpflichtet ist, Auskunft über seine Lohnansprüche, Gehaltszahlungen und das Arbeitsverhältnis zu erteilen? Aber ich gebe zu, daß wir uns erst im Stadium der Prüfung dieser sehr schwer zu lösenden Frage befinden.
Weitere Zusatzfragen? — Bitte schön!
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß den Kommunen bzw. den Trägern der Sozialhilfe gerade durch den häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes, indem sich also jemand seiner Unterhaltsverpflichtung direkt entzieht, erhebliche Kosten insofern entstehen, als auf der einen Seite die Beträge nicht mehr hereinkommen und auf der anderen Seite ein sehr hoher Verwaltungsaufwand betrieben werden muß?
Daß dies heute schon so ist, kann ich Ihnen bestätigen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Frage 40 des Abgeordneten Dr. Riedl:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Einführung einer gesetzlichen Haftpflicht für Schäden jeglicher Art, die durch sogenannte Kunstfehler hei ärztlichen Leistungen entstehen, und welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen sonstigenfalls in solchen Fällen, Schadensersatzansprüche gegen Ärzte geltend zu machen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Riedl, für die Einführung einer gesetzlichen Haftpflicht für Schäden, die durch sogenannte Kunstfehler bei ärztlichen
Leistungen entstehen, besteht kein Bedürfnis. Ersatzansprüche für diese Schäden können aus dem Arztvertrag oder aus dem Recht der unerlaubten Handlung geltend gemacht werden. Natürlich besteht hierbei für den Geschädigten häufig die Schwierigkeit, einen schuldhaften Verstoß gegen die anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft beweisen zu müssen. Diese Schwierigkeit würde durch die Einführung einer gesetzlichen Haftpflicht nicht verkleinert werden. Für den Nachweis des Kunstfehlers gibt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings schon jetzt unter bestimmten Voraussetzungen zugunsten des Geschädigten Beweiserleichterungen.
Sollten Sie, Herr Kollege Riedl, mit Ihrer Frage auch die Einführung einer Gefährdungshaftung ansprechen wollen, teile ich Ihnen mit, daß die Bundesregierung hierzu nicht bereit ist. Das Haftpflichtrecht beruht auf dem Grundsatz, daß Schäden nur im Falle des Verschuldens des Schädigers zu ersetzen sind. Ausnahmen von diesem Grundsatz rechtfertigen sich nur dort, wo eine Tätigkeit typischerweise die Umwelt gefährdet, wie z. B. der Betrieb von Kraftfahrzeugen, von Atomreaktoren oder von Luftfahrzeugen. Diese eine Gefährdungshaftung rechtfertigenden Kriterien liegen bei der ärztlichen Tätigkeit jedoch nicht vor.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, beweisen nicht schon allein die in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit bekanntgewordenen tragischen Schicksale mit jahrelangen Prozessen und einem teilweise geradezu menschenunwürdigen Aushandeln des Schadenersatzes — ich denke jetzt insbesondere an den spektakulären Fall des Kunstturners Bischoff —, daß hier der Staat eine besondere Verpflichtung für eine gesetzliche Haftpflichtregelung hätte?
Herr Kollege Riedl, diese spektakulären oder tragischen Fälle können Sie auch mit einer gesetzlichen Haftpflichtregelung nicht ausschließen; denn sie beruhen doch darauf, daß einfach Beweisschwierigkeiten für den Geschädigten bestehen, nämlich erstens den Kunstfehler und damit das Verschulden des Arztes und zweitens den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Handeln des Arztes und dem Schaden nachzuweisen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Dr. Riedl.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wird es also auch in Zukunft so bleiben wie in dem genannten Fall dieses Turners. Dabei könnte ich sicher jetzt auch zwei bis drei Dutzend anderer Fälle nennen, wo die Opfer ärztlicher Kunstfehler — es ist leider Gottes so vom Erbarmen mildtätiger Bürger und Institutionen abhängig bleiben.
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512 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1973
Herr Kollege Riedl, Sie gehen von einer falschen Prämisse aus. Ist es ein Opfer eines ärztlichen Kunstfehlers, wie Sie sagen, dann besteht ein Anspruch aus dem ärztlichen Vertragsrecht oder aus dem Recht der unerlaubten Handlungen. Ich wiederhole: Die Schwierigkeit besteht gerade in den Fällen, wo ein ärztlicher Kunstfehler nicht nachgewiesen werden kann. Diese Schwierigkeit beseitigen Sie auch nicht mit einer gesetzlichen Haftpflichtregelung.
Zu einer Zusatzfrage Herr Dr. Wittmann.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß gerade diese Fälle, die an der Grenze liegen, wo also ein Verschulden und damit eine Haftung auf Grund des Rechts der unerlaubten Handlung oder möglicherweise des Arztvertragsrechts nicht in Betracht kommt, im Rahmen eines sozialen Entschädigungsrechts geregelt werden könnten, wie es der letzte Deutsche Juristentag auch in einigen Leitsätzen festgelegt hat?
Ich bin der Meinung, daß man diesen Grenzfällen nur nach sozialen Kriterien begegnen kann, und ich glaube, daß das Bundessozialhilfegesetz hierfür ausreichend sein müßte.
Die Frage 41 des Abgeordneten Dürr wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Lohnforderungen der Arbeitnehmer im Falle des Konkurses des Betriebes durch die Möglichkeit der Aussonderung von Gegenständen, der abgesonderten Befriedigung sowie der Regelung der Vorwegbefriedigung unzureichend gesichert sind und daß deshalb eine Änderung der Konkursordnung mit dem Ziele der besseren Sicherung der Lohnforderungen der Arbeitnehmer geboten ist?
Herr Kollege Jobst, auch ich bin der Auffassung, daß die Situation des Arbeitnehmers im Falle des Konkurses des Arbeitgebers verbessert werden muß. Die Überlegungen meines Hauses gehen dahin, der Lohnforderung des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen anderer Gläubiger im Rahmen der Konkursordnung Vorrechte einzuräumen, durch die der Arbeitnehmer erheblich bessergestellt wird als heute.
Anknüpfungspunkte hierfür könnten sich einmal aus unserer Rechtsordnung ergeben. So sieht schon jetzt die Regelung des § 59 Nr. 2 der Konkursordnung vor, daß Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Massegläubiger sind. Es handelt sich um Lohnansprüche, die für die Zeit nach der Konkurseröffnung zu erfüllen sind. Diesen Forderungen könnten Lohnansprüche für eine bestimmte Zeit vor der Konkurseröffnung gleichgestellt werden. Eine ähnliche Regelung besteht in der österreichischen Konkursordnung.
Ob die in § 10 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung getroffene Sonderregelung, nach der bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken für Forderungen aus Dienst- oder Arbeitsverhältnissen ein vorrangiges Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück besteht, auch eine Grundlage für eine Verbesserung der Stellung des Arbeitnehmers allgemein im Konkurs sein kann, bedarf noch sorgfältiger Prüfung.
Weiterer Anknüpfungspunkt könnten Regelungen des französischen Rechts sein, nach denen Bargeldbestände zur vorrangigen Befriedigung eines Teils der rückständigen Lohnforderungen zu verwenden sind und Lohnforderungen in bestimmten Umfang an Mobiliar und Liegenschaften gesichert sind.
An mein Haus ist die Anregung herangetragen worden, die Gründung eines von der Wirtschaft zu speisenden Fonds vorzusehen, aus dem im Falle des Konkurses eines Erwerbsunternehmens unmittelbar die fälligen Lohn- und Gehaltsansprüche befriedigt werden könnten. Dieser Vorschlag wirft allerdings sowohl verfassungsrechtliche als auch noch zu klärende wirtschaftspolitische Fragen auf.
All diese Lösungsmöglichkeiten bedürfen noch einer sehr eingehenden Prüfung. Dabei muß neben den berechtigten Anliegen der Arbeitnehmer auch den Bedürfnissen des Wirtschafts- und des Geschäftsverkehrs Rechnung getragen werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich freue mich über die Übereinstimmung unserer Ansichten auf diesem Gebiet. Jetzt meine Frage: Wird die Bundesregierung auf diesem Gebiet gesetzgeberisch initiativ werden?
Ja.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wann kann mit der Einbringung entsprechender Gesetzentwürfe durch die Bundesregierung gerechnet werden?
Herr Dr. Jobst, ich bitte um Verständnis, daß diese Frage für mich sehr schwer zu beantworten ist. Es sind eine Menge Verhandlungen nicht nur mit den beteiligten Ressorts, sondern auch mit Verbänden und den Ländern zu führen. Aber es kann sicher damit gerechnet werden, daß das in dieser Legislaturperiode geschieht.
Damit sind die Zusatzfragen erschöpft und die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1973 513
Präsident Frau RengerIch rufe die Frage 78 des Abgeordneten Dr. Wörner auf:Wie will die Bundesregierung in Besoldung und Beförderung der herausgehobenen Dienststellung und besonderen Verantwortung der Kompanie- und Batteriefeldwebel gerecht werden?Das Wort zur Beantwortung hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan.
Frau Präsident! Herr Dr. Wörner! Die rund 2800 Dienstposten für Kompaniefeldwebel einschließlich Batterie- und Staffelfeldwebel — sind mit dem Dienstgrad Hauptfeldwebel in der Besoldungsgruppe A 8 bewertet. Daneben erhalten sie eine Stellenzulage von 35,85 DM. Bei der Vergabe der A 9-Stellen für Hauptfeldwebel werden selbstverständlich auch die Kompaniefeldwebel berücksichtigt, wenn sie die nach den Richtlinien für die Einweisung festgelegten Voraussetzungen erfüllen.
Kompaniefeldwebel werden in der Regel zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu Hauptfeldwebeln befördert, nämlich gemäß der Soldatenlaufbahnverordnung nach 8 Dienstjahren. Der Bedeutung und besonderen Verantwortung der Kompaniefeldwebel wird somit bereits jetzt weitgehend Rechnung getragen.
Die Bundesregierung prüft aber dennoch, ob eine weitere Verbesserung möglich ist. Diese Frage kann aber erst nach Erstellung eines Gesamtkonzepts für die weitere Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern beantwortet werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, bis wann rechnen Sie mit der Vorlage eines solchen Konzepts bei den zuständigen parlamentarischen Körperschaften?
Herr Staatssekretär!
Es ist sehr schwer für mich, das zu sagen, weil ich dafür nicht zuständig bin. Aber nach meiner Kenntnis wird der Gesetzentwurf noch im Laufe dieses Jahres den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden. Ich bitte aber, die Einschränkung, daß ich nicht genau informiert bin, zu berücksichtigen.
Bitte, die zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, is daran gedacht, bei der geplanten Einführung eines neuen Spitzendienstgrades die Gruppe der Kompanie- und Batteriefeldwebel besonders zu berücksichtigen?
Das bleibt abzuwarten
Ich mache Sie darauf aufmerksam, Herr Kollege Dr. Wörner, daß ich bereits in meiner ersten Antwort darauf hingewiesen habe, daß die Kompaniefeldwebel schon nach 8 Jahren den Dienstgrad eines Hauptfeldwebels erreichen. Wenn wir sie jetzt noch heraushöben, würden sie einen Vorrang vor anderen qualifizierten Soldaten erreichen, der mir im Moment — wenn ich das so spontan sagen darf — nicht als in jedem Falle gerechtfertigt erscheint.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 79 des Herrn Abgeordneten Grobecker auf:
Trifft es zu, daß, ohne Kenntnisnahme der zuständigen Ausschüsse des Bundestages, ein Vertrag über die Lieferung von fünf Flugzeugen des Typs Hawker Siddely 748 für Zwecke der Flugvermessung durch die Bundesregierung abgeschlossen wurde?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort!
Frau Präsident! Herr Kollege Grobecker, das Bundesministerium der Verteidigung hat mit Schreiben vom 13. Juni 1972 dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages die Vorlage zur Beschaffung von 5 Sonderflugzeugen des Typs Hawker Siddely 748 für die Flugvermessung zugeleitet. Die Vorlage sollte in der Sitzung des Ausschusses vom 15. Juni 1972 behandelt werden, wurde jedoch im Einvernehmen mit allen drei Fraktionen von der Tagesordnung abgesetzt.
Im September 1972 legte das Bundesministerium der Verteidigung durch meinen Kollegen Staatssekretär Dr. Mann dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses und den drei Obleuten der Fraktionen des Verteidigungsausschusses noch einmal die Gründe für die Notwendigkeit der Beschaffung der Vermessungsflugzeuge dar. Hierbei wurde insbesondere darauf hingewiesen, daß die Beschaffung im Monat September eingeleitet werden muß.
Der Herr Vorsitzende des Ausschusses und die Herren Obleute hatten sowohl gegen die Notwendigkeit der Beschaffung als auch gegen den Zeitpunkt ihrer Einleitung keine Bedenken. Sie waren damit einverstanden, daß der Verteidigungsausschuß der 7. Legislaturperiode nachträglich mündlich über das Beschaffungsvorhaben unterrichtet werden sollte.
Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen? — Bitte!
Herr Staatssekretär, es ist mir leider nicht möglich, hier Feststellungen zu treffen. Ich darf Sie deshalb fragen, ob Sie mit mir einer Meinung sind, wenn ich sage, daß die zuständigen Ausschüsse in dieser Frage also nicht ordnungsgemäß konsultiert worden sind.
Hinsichtlich des „nicht konsultiert worden" wäre ich mit Ihnen einer Meinung; über das „ordnungsgemäß" gibt es eine sehr lange und schwierige Diskussion, die ich hier im Rahmen einer Fragestunde nicht aufnehmen kann. Das Recht der Ausschüsse — hier sind es also der
Parl. Staatssekretär Berkhan
Verteidigungsausschuß und der Haushaltsausschuß —, konsultiert zu werden und ein Votum abzugeben, d. h. Kenntnis genommen zu haben, ist nirgends, in keinem Gesetz und auch in keiner Verfahrensordnung, festgelegt, sondern hat sich seit Gründung dieses Parlaments eingespielt.
Ich will mich darauf beschränken, Sie hierauf hinzuweisen. Daher kann ich nur sagen: nicht konsultiert. Das „nicht ordnungsgemäß" kann ich nicht hinnehmen.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob bei Ihrer Entscheidung auch noch andere Typen zur Auswahl standen und ob Sie noch im nachhinein dem Haushaltsausschuß detailliert Kenntnis davon geben wollen, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist.
Herr Kollege Grobecker, bereits im .Jahre 1971 wurde eine interministerielle Kommission vom Bundesminister der Verteidigung und vom Bundesminister für Verkehr eingesetzt -
ich habe dieser Kommission angehört und bin daher sehr gut informiert , die sich mit den Fragen der Flugsicherung zu beschäftigen hatte. Diese Kommission hat folgenden Plan entwickelt.
Erstens. Die Stellen der zivilen und der militärischen Flugvermessung werden auf dem Flugplatz Lechfeld zusammengefaßt.
Zweitens. Zwecks wirtschaftlicher Durchführung der Flugvermessung sollte auch die Bundeswehr den bei der Bundesanstalt für Flugsicherung bereits bewährten Flugzeugtyp HS 748 für ihre Vermessungsstelle beschaffen.
Drittens. Zwischen der zivilen und der militärischen Flugvermessung sollte eine Arbeitsteilung vorgenommen werden. Es sollten übernehmen: die heutige zivile Flugvermessungsstelle die gesamte Wartung der Flugzeuge einschließlich der elektronischen Meßausstattung und die heutige militärische Flugvermessungsstelle den gesamten Flugbetrieb.
Erste Schritte zur Übernahme des Flugbetriebs der Bundesanstalt für Flugsicherung durch die Bundeswehr sind bereits durch die Abstellung von Militärflugzeugführern eingeleitet worden. Wenn Sie also davon ausgehen, daß hier ohnehin Flugzeuge des zu beschaffenden Typs zulaufen werden, werden Sie Verständnis dafür haben, daß aus Rationalisierungsgründen die nachfolgenden Flugzeuge vom gleichen Typ sein müssen, - ganz davon abgesehen, daß der Markt kein für diese Aufgabe so geeignetes Flugzeug wie die HS 748 zur Verfügung gestellt hat.
Eine weitere Zusatzfrage von Herrn Dr. Wörner.
Herr Staatssekretär, angeregt durch die Beantwortung der vorletzten Zusatzfrage darf ich nun meinerseits fragen, ob es
zutrifft, daß der Haushaltsausschuß nach dem Haushaltsgesetz bei bestimmten Beschaffungsvorlagen der Regierung zustimmen muß oder mindestens Kenntnis nehmen muß.
Ich bin überfragt, Herr Kollege Dr. Wörner. Ich gehöre dem Haushaltsausschuß nicht an und gehöre auch nicht dem Finanzministerium an. Ich kann Ihnen hier nur sagen, ich werde die Rechtslage durch meine Rechtsabteilung prüfen lassen. Ich kann Ihnen keine Antwort darauf geben.
Danke, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Reiser auf:
Welche Absichten verfolgt die Bundesregierung mit der Broschüre „Verteidigung + Entspannung = Sicherheit", die in einer Auflage von 50 000 Exemplaren an Lehrer verteilt wird, die in Geschichte, Sozial- oder Staatsbürgerkunde unterrichten?
Herr Staatssekretär, bitte!
Frau Präsident! Herr Kollege Reiser, die Sicherheit der Bundesregierung und deren Komponenten „Verteidigung und Entspannung" werden in den letzten Jahren in den Fächern „Geschichte, Sozial- und Gemeinschaftskunde" der öffentlichen Schulen mit großem Interesse verfolgt und behandelt. Die Bereitschaft zur Diskussion ist sehr groß, der Mangel an Information leider oftmals auch.
Das war auch der Grund, weshalb der Herr Bundeskanzler sich in seinem Schreiben vom 19. November 1970 an den damaligen Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Herrn Ministerpräsidenten Dr. Helmut Kohl, wandte und u. a. feststellte, daß Fragen der Verteidigung im Rahmen der Friedenssicherung in den Lehrbüchern der einzelnen Länder unterschiedlich, teilweise auch unzureichend behandelt werden.
Deshalb hat die Bundesregierung 50 000 Exemplare des Buches von Günter Walpuski „Verteidigung + Entspannung = Sicherheit" angekauft, um sie den Lehrern für den Sozial- und Gemeinschaftskundeunterricht als Unterrichtshilfsmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie ja hier im Auftrage der Bundesregierung antworten, möchte ich fragen: Ist Ihnen vielleicht bekannt, ob gegebenenfalls eine ähnliche Broschüre über das Grundrecht der Wehrdienstverweigerung herausgegeben werden soll?
Ich glaube nicht, dat; diese Zusatzfrage einen unmittelbaren Zusammenhang mit Ihrer Frage hat, Herr Kollege.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1973 515
Ich bin aber bereit, zu antworten, Frau Präsident.
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
— Verzeihen Sie, das können Sie nicht entscheiden.
Das von Ihnen angesprochene Buch von Walpuski hat nicht die Aufgabe, die Zahl der Freiwilligenmeldungen zur Bundeswehr zu erhöhen, hat also keine werbende Aufgabe für die Bundeswehr, sondern diese Broschüre hat die Aufgabe, Verständnis für die Sicherheitspolitik der Bundesregierung schlechthin zu wecken, für Sicherheits- und Entspannungspolitik.
Darüber hinaus möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Bundesregierung Ihrem Petitum nachgekommen ist. Sie hat im vorigen Jahr oder in dem Jahr davor ein Buch „Wehrdienst und Zivildienst" von Franz W. Seidler und Helmut Reindl, Günter Olzog Verlag, gefördert. Dieses Buch hat auf den Seiten 86 ff. — bis über 100 — einen Abschnitt „Die Kriegsdienstverweigerung". Hier werden auch die Rechte und die Möglichkeiten ausreichend dargestellt.
Es gibt ein weiteres durch die Bundesregierung gefördertes Buch, verfaßt von Herrn Baumann, „Verteidigungsrecht und Kriegsdienstverweigerung", 1971 erschienen. Dieses Buch ist ebenfalls angekauft und in breiter Auflage Lehrern und interessierten anderen Bürgern zur Verfügung gestellt worden. Ihrem Petitum ist die Bundesregierung vorsorglich schon vorher nachgekommen, Herr Kollege.
Herr Kollege Damm zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß sowohl in dem Brief des Bundeskanzlers, von dem Sie vorhin gesprochen haben, als auch in den Bemühungen der einzelnen Länder immer nur davon geredet worden ist, daß es nötig sei, das Verständnis der Schüler für die militärische Friedenssicherung durch eine Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland am Nordatlantischen Bündnis angesichts der Tatsache zu heben, daß die Möglichkeiten und vielfältigen Wege, vom Recht auf Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes Gebrauch zu machen, sehr weit bekannt sind?
Herr Staatssekretär, wollen Sie darauf antworten?
Herr Kollege Damm, ich habe den Brief im Moment nicht da, aber wenn
mich meine Erinnerung nicht trügt, ist es richtig, was Sie sagen. Um ganz klar zu machen, welche Ziele diese Politik hat, ist eben diese Broschüre, die ich jetzt hier in der Hand habe, „Verteidigung +
Entspannung = Sicherheit. Texte und Materialien zur Außen- und Sicherheitspolitik", herausgegeben worden. Aber auch diese Broschüre — das habe ich gerade eben noch festgestellt — hat auf den Seiten 62 ff. eine erhebliche Passage, die sich mit Wehrund Kriegsdienstverweigerung befaßt. Sie weist auch — auf der Seite 118 — diejenigen Institutionen aus, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Wehrund Kriegsdienstverweigerer im Rahmen des zivilen Dienstes zu Dienstleistungen heranzuziehen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es Aufgabe des Verteidigungsministeriums ist, entsprechend dem Titel jenes Buches — „Verteidigung + Entspannung Sicherheit" — vorrangig für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und damit für die Gewinnung von Wehrpflichtigen Sorge zu tragen, während für die Ersatzdienstleistenden ein anderes Ministerium zuständig ist, daß es also nicht Ihre Aufgabe und die Ihres Ministeriums ist, Ersatzdienstleistende oder, noch krasser gesagt, Kriegsdienstverweigerer gewissermaßen zu werben?
Herr Kollege, würden Sie sich auf den Gegenstand der Frage beschränken.
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kolege Biehle, in der Sache stimme ich Ihnen zu. Aber ich habe hier für die Regierung geantwortet und habe das so gut oder so schlecht gemacht, wie ich es kann. Wenn Sie mit dieser Antwort nicht zufrieden sind, müssen Sie die Frage wiederholen, müssen sie aber an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung richten. Ich bin sicher, mein Kollege Rohde ist gern bereit, in der nächsten Fragestunde darauf einzugehen.
Die letzte Zusatzfrage zu diesem Thema.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß die Bundesregierung nicht nur ein Recht, sondern eine Verpflichtung hat, für die Aufgaben der Bundeswehr und für die Bundeswehr als solche Verständnis in der Öffentlichkeit zu wecken?
Herr Kollege Dr. Jobst, die Bundeswehr und der Verteidigungsminister haben sicher die Pflicht, um Verständnis für ihren Auftrag zu werben und Verständnis zu wecken. Das
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Parl. Staatssekretär Berkhantun wir auch in erheblichem Maße. Ich bin gern bereit, Sie darüber zu informieren, was wir tun. Ich habe hier auf eine Frage geantwortet, die sich im Grunde genommen nur am Rande mit der Bundeswehr beschäftigt. Hier geht es um die Politik der Bundesregierung, die eben die Bundeswehr als ein Instrument ihrer Sicherheitspolitik und am Ende auch der Entspannungspolitik betrachtet, weil wir sonst nur auf einem Bein ständen. Wir müssen — vielleicht darf ich dieses Beispiel hier wiederholen — das Standbein fest auf dem Boden haben, um mit dem Spielbein überhaupt Politik der Entspannung betreiben zu können.Aber im Grundsatz bin ich mit Ihnen einig. Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister der Verteidigung tritt in der Öffentlichkeit auf und erklärt allen Bürgern, die Interesse daran haben, welche Ziele und Zwecke die Bundesregierung damit verfolgt, daß sie Truppen zur Verfügung hält, die im Rahmen eines Bündnisses der Sicherheitspolitik dieser Bundesregierung zu dienen haben.
Danke schön, Herr Staatssekretär. Die Frage ist damit beantwortet.
Ich rufe die Frage 81 des Abgeordneten Möhring auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die öffentliche Kaufmöglichkeit von Bundeswehr-Uniformteilen im Gebrauchtzustand der unkontrollierbare Zustand eintritt, daß Reservisten, die zur Heimaufbewahrung neuer Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände verpflichtet sind, die Möglichkeit erhalten, billig erworbene, ausgesonderte Uniformteile gegen wertvolle neue auf den Bekleidungskammern umzutauschen, zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland?
Bitte sehr!
Frau Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich die Frage 81 und 82 im Zusammenhang beantworten dürfte.
Einverstanden; dann rufe ich auch die Frage 82 des Abgeordneten Möhring auf:
Sieht die Bundesregierung darin eine Kontrollmöglichkeit, daß ausgesonderte Uniformteile, die zum Verkauf freigegeben sind, nur in einem umgefärbten Zustand in den freien Handel gelangen dürfen?
Frau Präsident! Herr Kollege Möhring, gebrauchte Uniformstücke, die wegen ihres geringen Tragewertes ausgesondert sind, gelangen zum Teil über eine Verwertungsgesellschaft in den freien Handel. Darunter sind auch solche Artikel, die im Rahmen des Ausstattungssolls mob-beorderter Reservisten mit nach Hause gegeben werden, unter anderem auch der hier angesprochene Feldparka. Um einen Mißbrauch dieses besonders begehrten Bekleidungsstückes durch Umtausch anläßlich von Wehrübungen auszuschließen, wird der Feldparka vor dem Verkauf durch zweifachen Stempelaufdruck als ausgesondertes Material besonders gekennzeichnet. Lediglich in wenigen Einzelfällen sind in betrügerischer Absicht die Stempelaufdrucke durch chemische Mittel entfert worden, so daß die Bekleidungskammer bei Umtausch nicht erkennen
konnte, daß es sich um ausgesonderte Stücke handelte.
Bei anderen in den freien Handel gelangten Bekleidungsstücken ist bisher ein mißbräuchlicher Umtausch nicht bekanntgeworden.
Ein Umfärben ausgesonderter Uniformstücke würde zwar zu einer besseren Kontrollmöglichkeit führen; die hierfür aufzuwendenden Kosten würden jedoch den Verkaufserlös nahezu aufzehren. Auch andere Maßnahmen, die zu einer Kennzeichnung der ausgesonderten Kleidungsstücke dienen, wären mit einem finanziell nicht vertretbaren Aufwand verbunden. Im übrigen ist auch der Bundesrechnungshof der Ansicht, daß derart kostenaufwendige Maßnahmen zur Verhütung einer mißbräuchlichen Wiederverwendung der Altbekleidung nicht vertretbar sind.
Haben Sie eine Zusatzfrage?
Ja. Ist Ihnen, Herr Staatssekretär, bekannt, daß ich aus eigener Erfahrung in den Materialdepot der TV und auch in Bekleidungskammern der Standortverwaltungen Kenntnis davon genommen habe, daß der Brauchbarkeitsgrad zurückgegebener Kleidung — ich meine jetzt: zurückgegeben im Zusammenhang mit der Auskleidung der aus der Wehrüberwachung ausscheidenden Reservisten — einschließlich Stiefel und auch Schuhe, also Fußbekleidung, so erschreckend niedrig ist, daß a) der Prozentsatz der totalen Unbrauchbarkeit von mir sehr hoch vermutet wird und b) dieser hohe Verschleißgrad keinesfalls nur durch die Beanspruchung in Wehrübungen entstanden sein kann?
Herr Kollege Möhring, ich bin dankbar für diese Anregung. Wir werden der Sache nachgehen. Aber ich werde mir hier auch nicht den Zorn der jungen Mädchen und jungen Männer zuziehen, die aus diesem sonst ja nicht geliebten Uniformstück eine Modebekleidung gemacht haben und die in gewissem Sinne — ich komme auf die vorige Frage zurück — damit eine gewisse Äußerlichkeitswerbung für unsere Streitkräfte vornehmen. Ich weiß jedoch, Herr Kollege Möhring, daß wir die Pflicht haben, mit dem Gut des Steuerzahlers sorgsam umzugehen. Wir werden der Sache nachgehen.
Ich glaube allerdings, daß Sie in einer Kleiderkammer gewesen sind, wo es besonders übel aussieht. Vielleicht flüstern Sie mir bei einer passenden Gelegenheit ins Ohr, wo das gewesen ist. Dann werden wir dort eine strenge Untersuchung einleiten.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Möhring.
Die zweite Zusatzfrage ist in diesem Zusammenhang hier sicher nicht voll auszudiskutieren. Ist es möglich, Herr Staatssekretär,
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Möhringdaß Ihr Haus eine Frage, die dieses Problem tangiert, mir einmal schriftlich beantwortet? Es geht um die Frage, ob nicht auch das Uniformtrageverbot außerhalb von Dienst und Wehrübungen hier tangiert wird und welche wirksamen Möglichkeiten das Bundesministerium der Verteidigung sieht, dieses Verbot in Zukunft wieder in den Griff zu bekommen.
Der Zusammenhang ist mir auch schwer erklärbar. Aber wenn Sie antworten wollen, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Möhring, bei der Aussonderung von rund 114 000 Feldparkas — um die geht es ja im wesentlichen — wird ein Gewinn von 1 Million DM erzielt. Wenn ich das sehe und an das knappe Geld denke, dann frage ich mich, ob es gut ist, daß man nun mit Hilfe einer juristischen Konstruktion versucht, diese Bekleidungsstücke, die ja gern getragen werden, vorzeitig irgendeiner anderen Verwertung, bei der sie nicht getragen werden, zuzuführen. Ich kenne sehr viele Facharbeiter und Bauarbeiter, landwirtschaftliche Arbeiter und Forstarbeiter, die diese ausgesonderten Bekleidungsstücke gerne kaufen, weil sie Außenarbeit leisten, und die sich in diesem Bekleidungsstück, welches sie als Arbeitsbekleidung bei schwerem Wetter nutzen, sehr wohl fühlen. Das gibt es also noch neben der Erscheinung, daß die Jugend mit diesen Dingen herummarschiert.
Ich bin gerne gewillt, das einmal zu untersuchen, Herr Kollege Möhring. Aber ich würde da sehr behutsam herangehen. Was hilft es uns eigentlich, wenn die Stücke vorzeitig in den Reißwolf kommen, bloß um irgendeiner Rechtskonstruktion zu folgen?
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Heyen.
Herr Staatssekretär, ist seit Bestehen der Bundeswehr ein Fall bekanntgeworden, der befürchten läßt, daß mit diesen Uniformen in ähnlicher Weise wie beim Hauptmann von Köpenick Mißbrauch getrieben wird?
Ich müßte jetzt tief zurücktauchen. Es gibt tatsächlich so etwas Ähnliches. Davon ist keine Gesellschaft frei. Sie wissen, daß eine bestimmte Gruppe von Menschen sich immer gern mit Uniformen schmückt, insbesondere wenn sie einen Dienstrang kennzeichnen, den sie während ihrer militärischen Laufbahn nicht erreicht haben.
Aber das alles hängt nicht damit zusammen, daß ausgesonderte Bekleidungsstücke gekauft und getragen werden können, sondern derartige eigenartige Menschen — ich will das sehr vorsichtig ausdrücken — werden immer Gelegenheit haben,
sich eine Uniform zu beschaffen. Sie können ja zu einem Schneider gehen und sich eine anfertigen lassen. Das können wir gar nicht kontrollieren.
Ich weiß nicht mehr genau, wie es damals gewesen ist. Aber ich finde, die deutsche Geschichte wäre um eine Episode ärmer, wenn es keinen Hauptmann von Köpenick gegeben hätte.
Letzte Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Wittmann.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen nicht auch Fälle bekannt, in denen gerade Uniformstücke dazu benutzt wurden, bei strafbaren Handlungen den Anschein zu erwecken, als handelte es sich bei den Straftätern um Angehörige der Bundeswehr?
Das ist richtig. Aber bei den Feldparkas ist das nicht auszuschließen. Denn ein ähnlicher Parka wird ja auch aus amerikanischen Beständen verkauft, und dies kann ich überhaupt nicht unterbinden, selbst wenn ich es wollte. Außerdem gibt es viele Parkas, die seit Jahren in privatem Besitz sind. Das kann man nicht wieder einschränken. Die Käufer haben sie zu vollem Recht erworben.
Ich erinnere mich aus der Zeitungslektüre auch — das muß ich beschämt sagen —, daß es in meiner Vaterstadt einen Polizeibeamten gegeben hat, der unter Ausnutzung seiner Dienstpistole seine kargen Bezüge bei den Sparkassen aufgebessert hat. Das kann mich aber nicht dazu bringen, nun die Institution Polizei scheel zu betrachten.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung ausgiebig beantwortet. Ich danke Ihnen sehr herzlich, Herr Staatssekretär.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung, Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen. Die Fragen 2 und 3 des Herrn Abgeordneten Lenzer werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Gallus auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Raum; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Die Frage 5 ist von Herrn Abgeordneten Dr. Böhme gestellt. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Härzschel auf:Trifft die Auskunft der Oberpostdirektion Freiburg zu, daß eine Übereinkunft zwischen den Rundfunkanstalten und der Deutschen Bundespost dahin gehend besteht, daß keine Füllsender errichtet werden, wenn die Einwohnerzahl weniger als 800 beträgt, und hält die Bundesregierung im Blick auf die Chancengleichheit der Bevölkerung eine solche Regelung für gerechtfertigt?Bitte, Herr Staatssekretär!
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Frau Präsident, Herr Abgeordneter, erlauben Sie mir eingangs den Hinweis, daß Rundfunkangelegenheiten Sache der Bundesländer sind. Über den weiteren Ausbau der Fernsehnetze entscheiden letztlich die Länder und die Rundfunkanstalten. Wegen der zu erwartenden hohen Aufwendungen für die Schließung der Vielzahl kleiner Versorgungslücken ist zwischen dem Vorsitzenden der Rundfunkkommission der Länder, den Rundfunkanstalten und dem Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen abgesprochen worden, daß vorerst keine Füllsender errichtet werden, wenn nicht mindestens 800 Einwohner dadurch versorgt werden können. Eine Veränderung dieser Versorgungsgrenze bedarf des Einverständnisses der Länder, der Rundfunkanstalten und der Deutschen Bundespost.
Eine Zusatzfrage, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, Sie sind sicher mit mir einig, daß das Fernsehen heute zum modernen Leben gehört. Sind Sie nicht der Meinung, daß dadurch die ländliche Bevölkerung in erheblichem Maße benachteiligt ist, vor allen Dingen jene, die in topographisch ungünstigen Gebieten wohnen, die zudem oft noch durch schlechte Verkehrswege behindert sind und die das dritte Programm, in dem erhebliche Bildungsangebote gegeben werden, nicht empfangen können? Sind Sie nicht der Meinung, daß hier die Bundesregierung von der Bundespost her, die diese Sender baut, auch eine Aufgabe hat, sich zu bemühen, etwas mehr in dieser Richtung zu tun?
Herr Abgeordneter, ich stimme mit Ihnen überein, daß die Bundesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine solche Verpflichtung hat. Sofern die Finanzmittel das erlauben, werden wir selbstverständlich auch darauf hinwirken, daß in Zukunft Füllsender unterhalb der „800-Einwohnergrenze" gebaut werden. Aber ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Mittel dafür beschränkt sind und daß wir uns zunächst darüber Gedanken machen müssen, wie die beschränkten Mittel optimal eingesetzt werden können.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es auch eine Solidarität der Fernsehteilnehmer geben muß, die dazu führt, daß auch in jenen Bereichen der Fernsehempfang möglich ist? Darf ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, diese Frage noch einmal zu prüfen und auch zu prüfen, ob nicht etwa durch Gemeinschaftsantennen und längere Zuleitungen möglicherweise eine Abhilfe geschaffen werden kann?
Selbstverständlich ist die Bundesregierung bereit, das noch einmal zu prüfen. Falls Sie eine besondere regionale Einheit ansprechen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir das mitteilen würden, damit wir die Frage an Hand dieses konkreten Falles noch einmal prüfen könnten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Biehle.
Herr Staatssekretär, würden Sie dafür Sorge tragen, daß künftig auch zur Wirtschaftlichkeit von Füllsendern alle Programme über einen Füllsender abgewickelt werden und nicht, wie es in der Vergangenheit häufig geschah, nur ein oder zwei Programme und daß dies auch in künftigen technischen Planungen berücksichtigt wird.
Herr Abgeordneter, ich will die Frage gern noch einmal in meinem Hause prüfen lassen; aber soweit ich weiß, bemüht man sich, alle drei Programme auf einmal auszustrahlen.
Damit sind die Fragen zu diesem Geschäftsbereich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Wolfram auf. Ist er im Saal? — Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Diese Antwort und auch die Antwort zur Frage 54 werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Biehle auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß innerhalb kurzer Zeit in Playa del Inglés auf der Ferieninsel Gran Canaria laut Meldungen der Bild-Zeitung und der Würzburger Main-Post vom 27. Januar 1973 innerhalb weniger Tage drei Menschen von zwei Familien aus Bad Brückenau und Wuppertal in ihren Hotelzimmern durch Gasvergiftungen zu Tode kamen und außerdem auch noch ein Schweizer Ehepaar und ein 14jähriger englischer Junge in einem anderen Hotel durch Gasvergiftung ihr Leben lassen mußten, und treffen Äußerungen zu, daß ähnliche Todesfälle dort immer wieder in den Touristenhotels zu verzeichnen sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Biehle, die Unfälle in Playa del Inglés auf den Kanarischen Inseln sind der Bundesregierung durch Zeitungsberichte bekannt. Nach inzwischen bekanntgewordenen spanischen Untersuchungsergebnissen sind zwei Personen Opfer eines Gasunfalls geworden. Die anderen Todesfälle haben andere Ursachen, die nichts mit der Sicherheit in den Hotels zu tun haben.Die Bundesregierung bedauert den Gasunfall, dessen Ursachen noch nicht abschließend geklärt sind. Geprüft wird noch, welche Rolle dabei die tech-
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Parlamentarischer Staatssekretär Grünernische Sicherheit der im Hotel verwendeten Propangasgeräte gespielt hat. Deren Bedienung verlangt besondere Sorgfalt, worauf allerdings in den Hotelzimmern hingewiesen wird. Andere vergleichbare Todesfälle in Touristenhotels auf den Kanarischen Inseln sind der Bundesregierung nicht bekannt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie nachprüfen lassen, inwieweit außer bei den bekanntgewordenen Todesfällen von Deutschen auch Todesfälle bei Ausländern — ich meine damit die Todesfälle eines schwedischen Ehepaares und eines englischen Kindes — vorgekommen sind?
Wir haben nachgeforscht und haben dafür keine Anhaltspunkte gewonnen. Der Bundesregierung ist also nichts davon bekannt.
Ich rufe die Frage 56 des Abgeordneten Biehle auf:
Ich frage die Bundesregierung, was sie zu unternehmen gedenkt, um zu erreichen, daß die Sicherheit deutscher Touristen im Ausland erhöht wird, und ob sie bereit ist, entsprechende Schritte hei den Reiseunternehmen in Deutschland zu unternehmen, um zu erreichen, daß die Ferienunterkünfte im Ausland, insbesondere in der Ferienstadt Playa del Inglés, nicht nur unter merkantilen, sondern vor allem auch nach sicherheitstechnischen Gesichtspunkten im Interesse der Touristen auszuwählen, wie dies auch für Chartermaschinen gefordert werden sollte.
Bitte, Herr Staatsekretär!
Herr Kollege Biehle, die Reiseveranstalter sind rechtlich verpflichtet, Transportmittel und Unterkünfte so auszuwählen, daß die Sicherheit der Touristen gewährleistet ist. Diese eindeutige Rechtslage ist durch eine Reihe von Gerichtsurteilen konkretisiert und den Reiseveranstaltern auch hinlänglich bekannt.
Die Sicherheit der Touristen und das unternehmerische Interesse der Reiseveranstalter sind in der Touristik in der Regel keine Alternativen. Die Bundesregierung hält es deshalb nicht für erforderlich, besondere Schritte gegenüber den Reiseveranstaltern zu unternehmen. Die heutige Fragestunde wird allerdings allen Beteiligten erneut bewußt machen, welche Verantwortung die Reiseveranstalter für die Sicherheit der Touristen tragen, die sich ihnen anvertrauen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, an Stelle der „nicht vorgesehenen Schritte", wie Sie es formuliert haben, den Reisebüros zumindest die Empfehlung zu geben, bei der Auswahl der Quartiere in solchen Ballungszentren, wie sie auf den Kanarischen Inseln gegeben sind, Sicherheitserfordernisse nach deutschen Gesichtspunkten zugrunde zu legen, und würden Sie darüber hinaus von der Bundesregierung aus dem spanischen Touristenministerium entsprechende Vorstellungen unterbreiten, damit man auch von dieser
Seite im Hinblick auf den Fremdenverkehr verstärkte Sicherheitsbestimmungen zugrunde legt?
Herr Kollege Biehle, ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Sicherheitsbestimmungen den Touristikunternehmungen bekannt sind. Sie legen in ihrem eigenen unternehmerischen Interesse auf deren Einhaltung großen Wert. Der Bundesregierung ist bekannt, daß das tatsächlich geschieht, so daß die Bundesregierung, von daher gesehen, keine Veranlassung sieht, hier Schritte zu unternehmen. Sicher ist, daß wir nach Klärung aller Ursachen der bedauerlichen Todesfälle auf den Kanarischen Inseln prüfen werden, ob ein solcher Schritt etwa gegenüber dem Touristikministerium, wie Sie ihn andeuten, unternommen werden soll.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 57 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. .Jahn eingebracht. — Er ist nicht im Raum. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Immer auf:
Ist damit zu rechnen, daß bei der geplanten Überprüfung der bisher nach dem Inveslitionsförderungsprogramm geförderten strukturschwachen Gebiete bzw. Orte in bestimmten Bereichen die Einstellung der Förderung zugunsten anderer bisher benachteiligter Gebiete bzw. Orte erfolgt, und nach welchen Kriterien werden in Zukunft die förderungswürdigen Gebiete bzw. Orte bestimmt?
Herr Kollege, zur Zeit wird innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ein umfangreiches Forschungsprogramm durchgeführt, das der Vorbereitung von Beschlüssen über eine Neuabgrenzung der Fördergebiete, eine bundeseinheitliche Festlegung der Förderungsziele, der Überprüfung des Verteilungsschlüssels der öffentlichen Mittel sowie der Entwicklung einer exakten Erfolgskontrolle dient. Dabei werden auch die von Ihnen genannten Probleme eingehend untersucht. Die Forschungsergebnisse werden bis Sommer dieses Jahres vorliegen. Ich kann Ihnen daher im Augenblick noch keine abschließende Antwort geben. Nach dem einstimmigen Beschluß der Wirtschaftsminister des Bundes und der Länder im Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe vom 29. Juni 1971 steht jedoch fest, daß die Neuabgrenzung bis zum 1. Januar 1975 wirksam werden soll.
Eine Zusatzfrage. Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie fragen, inwieweit das Problem der Aktiv- und Passivsanierung, das immer wieder in der Diskussion auftaucht, hier Berücksichtigung findet.
Diesem Problem wird besondere Aufmerksamkeit zugewandt werden. Ich
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520 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1973
Parlamentarischer Staatssekretär Grünervermag allerdings, wie ich schon sagte, vor Abschluß des Forschungsauftrages nicht zu sagen, in welcher Richtung die Lösungsvorschläge gehen werden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Unter dem Gesichtspunkt, daß die Förderung ja trotzdem weiter betrieben wird, möchte ich fragen, inwieweit gewährleistet ist, daß in Zukunft die bisherige Praxis einiger Bundesländer, z. B. von Rheinland-Pfalz, statt ganz bestimmter sachlicher Kriterien wahltaktische Gesichtspunkte bei den vorzuschlagenden Gebieten und Orten in Ansatz zu bringen, vereitelt werden kann.
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß wahltaktische Gesichtspunkte bei der Auswahl der zu fördernden Gebiete oder Orte eine Rolle gespielt haben. Das ist nach den Förderungsrichtlinien auch nicht möglich, die ja nach einheitlichen Kriterien gehandhabt werden.
Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Sieht die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß im Jahr 1972 in einigen Zentren des südbayerischen Fremdenverkehrs ein erheblicher Rückgang von Gästen zu verzeichnen war, einen Anlaß, besondere Förderungsmaßnahmen in den traditionellen Schwerpunkten des südbayerischen Fremdenverkehrs in Erwägung zu ziehen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Kahn-Ackermann, die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung des Fremdenverkehrs in allen Regionen unseres Landes sehr aufmerksam. Ihr ist auch die Entwicklung in den traditionellen Fremdenverkehrsgebieten Südbayerns bekannt, soweit darüber bereits Statistiken vorliegen.
Die Bundesregierung muß jedoch darauf hinweisen, daß sie selbst nichts unternehmen kann, um dem Rückgang der Fremdenübernachtungen in diesem Teil Bayerns unmittelbar zu begegnen. Nach der Aufgabenabgrenzung des Grundgesetzes ist hierzu das Land Bayern berufen. Die Aufgaben des Bundes liegen demgegenüber bei der überregionalen Förderung. Art und Umfang dieser Förderung hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zur Situation und Förderung des deutschen Fremdenverkehrs — Drucksache VI/3287 — im März 1972 dargelegt. Alle dort genannten Förderungsmaßnahmen werden unverändert fortgeführt.
In der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" sind für den Zeitraum 1972 bis 1975 Investitionszulagen, Investitionszuschüsse und Zuschüsse für öffentliche Fremdenverkehrseinrichtungen von insgesamt 523 Millionen DM vorgesehen. Sie werden von Bund und Ländern gemeinsam aufgebracht. Für kleine und mittlere Betriebe stehen außerdem ERP-Mittel zur Verfügung, von denen jährlich rund 60 Millionen DM an Fremdenverkehrsbetriebe gehen. Die Gewerbeförderung für das Hotel- und Gaststättengewerbe aus Haushaltsmitteln des Bundes wird mindestens im bisherigen Umfange weitergeführt. 1972 wurden 1,6 Millionen DM für diesen Zweck eingesetzt.
Eine Zusatzfrage. Wenn Sie sich kurz fassen, Herr Kollege, kann Ihre nächste Frage auch noch behandelt werden.
Herr Staatssekretär, ich bin Ihnen für diese Antwort sehr dankbar. Ich möchte Sie fragen, ob Sie bereit sind, das bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr darauf aufmerksam zu machen, daß seine Vertreter bei Fragen nach besseren Hilfen künftig darauf hinweisen, daß die bayerische Staatsregierung spezifisch für regional gezielte Unterstützung zuständig ist — und nicht andere.
Herr Kollege, die Bundesregierung geht davon aus, daß es einer solchen Anregung nicht bedarf. Bayern hat ja bekanntlich selbst wiederholt sein starkes Interesse an einer guten Entwicklung seiner Fremdenverkehrsgebiete betont. Ich nehme an, daß die Erörterung in dieser Fragestunde Ihrem Anliegen sicher Rechnung tragen wird.
Die Fragen 60 und 61 des Herrn Abgeordneten Zebisch werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 62 der Abgeordneten Frau Dr. Riedel-Martiny auf:
Welche konkreten gemeinsamen Aktionen haben der Interministerielle Ausschuß für Verbraucherfragen, der Verbraucherausschuß beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Länderausschuß für Verbraucherfragen sowie der Verbraucherbeirat, die laut Verbraucherberichte der Bundesregierung vom 18. Oktober 1971 ihre Arbeit koordinieren sollten, bisher unternommen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Frau Kollegin, Aktionen werden im allgemeinen nicht von diesen Gremien, sondern von den einzelnen Ressorts oder aber von Verbraucherorganisationen durchgeführt. Die in der Frage genannten Gremien sollen lediglich die einzelnen Aktionen aufeinander abstimmen, Anregungen geben oder gegebenenfalls auch konkrete Vorschläge ausarbeiten.Sofern bestimmte Aktionen von mehreren Ressorts gemeinsam getragen werden, werden die dabei auftretenden Fragen auch durch bilaterale Kontakte unter den unmittelbar beteiligten Stellen geklärt. Als solche gemeinsamen Aktionen kann ich neben der Finanzierung der Verbraucherorganisationen die Unterstützung des Verbraucherfilm-Wettbewerbs, der Verbraucherwoche und die Entwicklung eines Informationssystems für die Beratungsstellen nennen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1973 521
Parlamentarischer Staatssekretär GrünerIn den nächsten Monaten wird vor allem der Beitrag des Bundes zur Entwicklung von Lehr- und Lernmaterial zur Verbraucherbildung in den Schulen hinzukommen.
Eine Zusatzfrage.
Einer besseren Koordination könnte doch sicherlich der Zusammenschluß dieser Organisationen dienen. Ist daran gedacht? Wenn ja, unter der Führung welches Ministeriums?
Die Frage wird geprüft. Unter welcher Federführung etwa eine solche Möglichkeit betrieben würde, ist bisher nicht Gegenstand der Diskussion gewesen.
Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?
Ich möchte hier keine zeitlichen Voraussagen machen. Ich bitte sehr um Verständnis dafür, Frau Kollegin.
Ich rufe die Frage 63 der Abgeordneten Frau Dr. Riedel-Martiny auf:
Was hat der Verbraucherbeirat, der in der vergangenen Legislaturperiode berufen wurde, seither geleistet?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Der im Mai 1972 errichtete Verbraucherbeirat ist seither erst einmal zusammengetreten. Eine zweite, für Dezember 1972 vorgesehene Sitzung ist mit Rücksicht auf die Vorverlegung der Bundestagswahl und die Regierungsneubildung verschoben worden. Sie soll nunmehr am 9. März 1973 stattfinden. Arbeitsgruppen des Beirats über Verbraucherpolitik, über Allgemeine Geschäftsbedingungen sowie über Verbraucherbildung und -information sind mehrfach zusammengetreten, um die weiteren Sitzungen des Beirats vorzubereiten. Der Beirat wird in seiner Sitzung am 9. März 1973 die Berichte dieser Arbeitsgruppen
erörtern und voraussichtlich zu bestimmten Punkten
Empfehlungen an die Bundesregierung beschließen.
Ist daran gedacht, den Verbraucherbeirat bei gesetzgeberischen Maßnahmen in dieser Legislaturperiode beratend hinzuzuziehen?
Es ist daran gedacht, das zu tun.
Eine zweite Zusatzfrage.
Hat die Bundesregierung die Absicht, den Verbraucherbeirat über nationale Grenzen hinweg zu institutionalisieren und den Interessen der Verbraucher, die ja zum Teil im EWG-Rahmen betrachtet werden müssen, zu größerem Nachdruck zu verhelfen?
Eine solche Entwicklung wird ins Auge gefaßt. Wir sind aber der Meinung, daß sie im Augenblick noch nicht spruchreif ist.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 64 und 65 des Abgeordneten Müller werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ebenso werden die Fragen 66 und 67 des Abgeordneten Dr. Schwörer schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Damit ist die Fragestunde beendet.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende unserer heutigen Plenarsitzung.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 15. Februar 1973, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.