Protokoll:
6103

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 103

  • date_rangeDatum: 3. März 1971

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:55 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Gleissner und Dr. Starke (Franken) 6003 A Absetzung der Punkte 10 und 11 von der Tagesordnung 6003 A Amtliche Mitteilungen . . . . . . . 6003 B Fragestunde (Drucksache VI/ 1882) Fragen des Abg. Sieglerschmidt (SPD) : Einwilligung der leiblichen Eltern bei der Adoption Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . 6005 A, B, C, D, 6006 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 6005 C, D Sieglerschmidt (SPD) 6005 D Frage des Abg. Josten (CDU/CSU) : Zahl der Interessenten für den Entwicklungsdienst Dr. Eppler, Bundesminister . . . 6006 A, C Josten (CDU/CSU) 6006 C Fragen des Abg. Ehnes (CDU/CSU): Einkommensteuernachzahlungen bei Auflösung landwirtschaftlicher Betriebe Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . 6006 D, 6007 A, B, C Ehnes (CDU/CSU) 6007 B, C Fragen der Abg. Frau Stommel (CDU/CSU) : Illegaler Waffenhandel und verbotener Waffenbesitz Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . 6008 A, C, D, 6009 A Frau Stommel (CDU/CSU) 6008 C, 6009 A Frage des Abg. Hansen (SPD) : Illegale Einreise ausländischer Arbeitnehmer Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 6009 B, D Hansen (SPD) 6009 D Geiger (SPD) 6009 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) : Zahl der Toten und Verwundeten an den Demarkationslinien zur DDR Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . 6010 A, B, C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 6010 B, C Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) : Zahl der an der Flucht über die Demarkationslinien behinderten Personen Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 6010C, D, 6011 A Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 6010 D, 6011 A Josten (CDU/CSU) . . . . . . . 6011 A Fragen des Abg. Baeuchle (SPD) : Mit dem graduierten Ingenieur vergleichbare Beamtengruppen Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 6011 B Baeuchle (SPD) . . . . . . . 6011 B II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 Frage des Abg. Rainer (CDU/CSU) : Einschleusen kommunistischer Propagandaschriften aus Nordvietnam Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 6011 C Frage des Abg. Rainer (CDU CSU) : Zusammenarbeit der Delegationen des Vietkong und Nordvietnams zu den Pariser Vietnam-Verhandlungen mit Nachfolgeorganisationen der KPD Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 6011 D, 6012 A Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . 6011 D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 6012 A Frage des Abg. Rollmann (CDU/CSU): Politische Einstellung der Angeklagten im Bergedorfer Brandstifterprozeß Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 6012 B, C Dr. Schmid-Burgk (CDU/CSU) . . 6012 C Frage des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Beziehungen zwischen der APO in Hamburg-Bergedorf und der BaaderMahler-Meinhof-Gruppe Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 6012 C, D, 6013 A Rollmann (CDU/CSU) 6012 D Hansen (SPD) 6013 A Frage des Abg. Berding (CDU/CSU) : Verwendung von Einwegflaschen durch die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 6013 A, C Berding (CDU/CSU) 6013 B Frage des Abg. Berding (CDU/CSU): Heranziehung der Hersteller von Einwegflaschen zu einer Abgabe zur Beseitigung des Müllanfalls Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 6013 C, D Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 6013 D Fragen der Abg. Frau Kalinke (CDU/CSU) : Erstattung der Kosten für privatärztliche Behandlung durch Träger der gesetzlichen Krankenversicherung Dr. Auerbach, Staatssekretär . . 6014 A, C Frau Kalinke (CDU/CSU) 6014 B Fragen des Abg. Wawrzik (CDU/CSU) : Frage der Verkürzung des Zeitraums für die Anpassung der Renten Dr. Auerbach, Staatssekretär . . . 6014 D, 6015 A Wawrzik (CDU CSU) . . . . . . 6014 D Härzschel (CDU CSU) . . . . . . 6015 A Fragen des Abg. Pawelzcyk (SPD) : Zahl der von Bundeswehrangehörigen besetzten bundeseigenen bzw. mit Bundesdarlehen geförderten Wohnungen Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 6015 B, C, 6016 A Pawelzcyk (SPD) . . . 6015 C, D, 6016 A Frage des Abg. Würtz (SPD) : Finanzielle Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 6016 B, C Josten (CDU/CSU) 6016 B, C Frage des Abg. Krall (FDP) : Frage der Schaffung einer Laufbahn der Unteroffiziere des technischen Dienstes Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 6016C, D, 6017 A Krall (FDP) . . . . . . 6016D, 6017 A Fragen des Abg. Storm (CDU/CSU): Bewirtschaftung der Soldatenheime Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 6017 B, D Storm (CDU/CSU) 6017 C, D Entwurf eines . .. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 74 GG — Tierschutz) (Drucksache VI/ l010) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache VI/1584) — Zweite und dritte Beratung — von Thadden (CDU/CSU) . . . . 6018 A Rollmann (CDU/CSU) 6018 C Dr. Schmude (SPD) 6018 D Kleinert (FDP) . . . . . . . 6020 A Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) (Erklärung nach § 59 GO) 6020 B Abwicklung der Tagesordnung Rasner (CDU/CSU) 6020 D Entwurf eines Gesetzes über Zuwiderhandlungen gegen weinrechtliche Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften (SPD, FDP) (Drucksachen VI/ 1593, zu VI/ 1593) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache VI/1883) — Zweite und dritte Beratung — 6021 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 III Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Abg. Köster, Frau Dr. Henze, Müller (Remscheid), Burger, Winkelheide und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1818) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (SPD, FDP) (Drucksache VI/ 1819) — Erste Beratung - Köster (CDU/CSU) . . . . . . . 6021 C Frau Schanzenbach (SPD) . . . . . 6023 A Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 6024 A Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 74 a GG) (Drucksache VI/ 1009) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache VI/1585) — Zweite und dritte Beratung — von Thadden (CDU/CSU) . . . . . 6025 A Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 6025 C Kleinert (FDP) . . . . . . . . 6026 C Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . . 6027 A Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (Drucksachen VI/9, VI/332, VI/1573, VI/ 1684) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/1893), Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (Drucksachen VI/1885, zu VI/ 1885) — Zweite und dritte Beratung —Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . . 6027 D, 6037 D Liedtke (SPD) . . . . . 6030 A, 6039 B Krall (FDP) 6032 C Vogel (CDU/CSU) 6033 C Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . 6034 D Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) 6035 C Becker (Nienberge) (SPD) . . . . 6036 C Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 6037 A Pfeifer (CDU/CSU) 6038 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 (Bundesrat) (Drucksache VI/1764) — Erste Beratung — Krause, Minister des Landes Baden-Württemberg . . . . 6039 D, 6053 B Dr. Evers (CDU/CSU) . . . . . . 6041 D Dr. Apel (SPD) . . . . . . . . 6044 C Ollesch (FDP) 6046 B, 6053 A Vehar (CDU/CSU) . . . . . . 6048 C Haar (Stuttgart) (SPD) 6051 B Entwurf eines Gesetzes über die Kassenzuständigkeit der Knappschaftsrentner (Abg. Müller [Remscheid], Burgbacher und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/1820) – Erste Beratung - Müller (Remscheid) (CDU/CSU) . . 6054 B Urbaniak (SPD) . . . . . . . 6055 A Schmidt (Kempten) (FDP) 6056 A Maucher (CDU/CSU) 6056 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (CDU/CSU) —Erste Beratung — Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 6056 D Hofmann (SPD) 6058 A Schmidt (Kempten) (FDP) 6059 B Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts (Drucksache VI/1834) Erste Beratung — 6060 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes (Abg. Dr. Evers, Dr. Pohle, Dr. Schmidt [Wuppertal], Höcherl, Dr. Schneider [Nürnberg] u. Gen.) (Drucksache VI/1844) — Erste Beratung - 6060 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Kanada und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Änderung des Abkommens vom 3. August 1959 über die Durchführung von Manövern und anderen Übungen im Raume Soltau-Lüneburg (Drucksache VI/ 1864) — Erste Beratung — . . . . . 6060 D Entwurf eines Gesetzes betr. die Änderung vom 28. September 1970 der Satzung der Internationalen Atomenergie-Organisation (Drucksache VI/1870) — Erste Beratung — 6061 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schaumweinsteuergesetzes (Drucksache VI/1871) — Erste Beratung — 6061 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Lohnstatistik (Drucksache VI/ 1878) — Erste Beratung — . . . 6061 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Siebenten Bundesmietengesetzes (Bundesrat) (Drucksache VI/ 1825) — Erste Beratung — 6061 A Antrag des Abg. Freiherr von Fircks und der Fraktion der CDU/CSU betr. verbesserte Familienzusammenführung aus den Ostblockstaaten (Drucksache VI/1619) . . 6061 C IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung über den Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik für das Jahr 1967 (Unfallverhütungsbericht 1967) (Drucksachen VI/ 183, VI/1775) Berding (CDU/CSU) . . . . . . . 6061 D Langebeck (SPD) . . . . . . . . 6062 D Geldner (FDP) . . . . . . . . 6063 B Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit über die zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten der Hebamme Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise der Hebamme Richtlinie zur Koordinierung der Rechts-und Verwaltungsvorschriften für die Aufnahme und Ausübung der selbständigen Tätigkeiten der Hebamme (Drucksachen VI/296, VI/ 1811) 6064 A Nächste Sitzung 6064 C Anlagen: Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 6065 A Anlage 2 Mitteilung des Präsidenten des Bundesrates vom 19. Februar 1971 zu dem Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1971 (Haushaltsgesetz 1971) 6065 B Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) nach § 59 GO zu dem Entwurf eines . . . Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 74 GG — Tierschutz) 6065 D Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Jaeger (CDU/CSU) nach § 59 GO zu dem Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 74 GG — Tierschutz) 6066 C Anlage 5 Entschließungsantrag Umdruck 160 zur dritten Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungswesens in Bund und Ländern (Drucksachen VI/9, VI/332, VI/1573, VI/ 1684, VI/ 1885) . . . 6066 C Anlage 6 Ergänzende Schriftliche Antwort auf die Frage des Abg. Dr. Unland (CDU/CSU) betr. Angestelltenprüfung und Berufsbildungsgesetz . . . . . . . . . . 6066 D Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Peters (Norden) (SPD) betr. deutsch-niederländische Verhandlungen über die Ableitung von Abwässern in die Emsmündung 6067 A Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Strohmayr (SPD) betr. Fluktuation beim Personal des öffentlichen Dienstes 6067 D Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) betr. die Einleitung ungereinigter Industrieabwässer in die Emsmündung durch die niederländische Erdölgesellschaft NAM . . . . . . . . 6068 C Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Funcke (FDP) betr. Freistellung des Abtransports von wertlosen und leicht verweslichen Abfallprodukten von der Straßengüterverkehrsteuer . . . . . . . . . . . . . 6069 A Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Lampersbach (CDU/CSU) betr. Einfuhren französischer Schaumweine unter 3 atü ohne Zahlung der Schaumweinsteuer unter der Bezeichnung „Sekt" 6069 B Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Slotta (SPD) betr. Berufsunfähigkeits-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Bühnenschaffenden 6069 C Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Bredl (SPD) betr. Erlaß der Rechtsverordnung nach § 393 a Abs. 1 RVO 6069 D Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Bredl (SPD) betr. Vorlegung eines Gesetzentwurfs über die betriebliche Altersversorgung oder betriebliche Zusatzversorgung . . . . . . 6070 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 6003 103. Sitzung Bonn, den 3. März 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 102. Sitzung, Seite 5968 B, Zeilen 4 und 5: Die Wörter „— federführend — und dem Haushaltsausschuß — mitberatend sind zu streichen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Adams * 4. 3. Bals ** 7. 3. Frau Brauksiepe 3. 3. Bühling 14. 3. Dasch 5. 4. Dr. Dittrich * 5. 3. Draeger ** 7. 3. Dröscher * 3. 3. Dr. Erhard 3. 3. Dr. Giulini 5. 3. Freiherr von und zu Guttenberg 13. 3. von Hassel 5. 3. Klinker * 3. 3. Dr. Koch * 4. 3. Kriedemann * 4. 3. Lautenschlager * 4. 3. Lenze (Attendorn) ** 7. 3. Meister * 4. 3. Memmel * 5. 3. Michels 10. 3. Müller (Aachen-Land) * 5. 3. Frau Dr. Orth * 3. 3. Dr. Pohle 5. 3. Pöhler ** 7. 3. Richarts * 5. 3. Riedel (Frankfurt) * 5. 3. Rosenthal 3. 3. Saxowski 4. 4. Schmidt (Hamburg) 3. 3. Schneider (Königswinter) 4. 3. Simon 5. 3. Spilker 3. 3. Dr. Tamblé 3. 4. Volmer 3. 3. Baron von Wrangel 5. 3. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Bonn, den 19. Februar 1971 An den Herrn Bundeskanzler Der Bundesrat hat in seiner 362. Sitzung am 19. Februar 1971 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 12. Februar 1971 verabschiedeten Gesetz über die Feststellung des Bundeshauswaltsplans für das Haushaltsjahr 1971 (Haushaltsgesetz 1971) Anlagen zum Stenographischen Bericht einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Außerdem hat der Bundesrat die aus der Anlage ersichtliche Entschließung angenommen. Koschnick Bonn, den 19. Februar 1971 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihre Schreiben vom 12. Februar 1971 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Koschnick Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 19. Februar 1971 an den Bundeskanzler Entschließung zum Gesetz über die Festellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1971 (Haushaltsgesetz 1971) Der Bundesrat geht von der Erwartung aus, daß die Bundesregierung spätestens nach der demnächst zu erwartenden endgültigen Fortschreibung des Gesamtkosten- und Finanzierungsplanes der Olympia-Baugesellschaft m. b. H. ihre bereits im Dezember 1969 gemachte Zusage einlöst und 50 v. H. der gesamten Investitionskosten des Baues von Sportstätten und Einrichtungen für die Spiele der XX. Olympiade 1972 trägt. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) nach § 59 der Geschäftsordnung. Ich vermag der Grundgesetzänderung in Art. 74 (Tierschutz), Drucksache VI/ l010, nicht zuzustimmen. Für jede Änderung des Grundgesetzes ist ein strenger Maßstab bei der Frage anzulegen, ob eine Verfassungsänderung wirklich unumgänglich ist. Die Verfassung ist nicht nur ein Gesetz wie andere, das sich von diesen lediglich dadurch unterscheidet, daß es nur mit qualifizierten Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat abgeändert werden kann. Das Grundgesetz ist vielmehr die positive Normierung für das Zusammenleben der Deutschen, die in seinem Geltungsbereich leben; es ist die Grundordnung des staatlichen Lebens schlechthin. Die Mutterverfassung 6066 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 jenes Verfassungstyps, zu dem auch unser Grundgesetz gehört, die Verfassung der USA, hat in fast 200 Jahren ihrer bisherigen Geltung insgesamt 25 Amendements erfahren (wobei der gesamte Grundrechtsteil erst auf diese Weise — und zwar unmittelbar nach dem Inkrafttreten -- eingefügt wurde). Wir haben bis heute unser Grundgesetz in wenig mehr als 20 Jahren bereits häufiger geändert. Dies scheint mir kaum erträglich, forert aber noch gebieterischer den Maßstab unumgänglicher Notwendigkeit für weitere Verfassungsänderungen, und zwar um so mehr, als bis heute keinerlei einheitliche Gesichtspunkte, kein durchdachtes und zielgerichtetes Reformsystem bei den bisherigen Änderungen erkennbar sind. Trotz intensiver Befragung hat die Bundesregierung in den Ausschußberatungen als Grund für die Notwendigkeit eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes nur angeführt, daß das Land Nordrhein-Westfalen ein milderes Gesetz gegen die Intensivgeflügelhaltung erlassen wolle als etwa das strukturell insoweit ähnliche Land Niedersachsen, weil die benachbarten Niederlande hier einen entsprechenden ökonomischen Druck ausübten. Dies kann ich hei Anlegung des von mir als erforderlich erkannten und oben dargelegten strengen Maßstabes für Verfassungsänderungen nicht als ausreichenden Grund für die vorgeschlagene Grundgesetzänderung anerkennen. Weitere Gründe konnte ich trotz intensiver Bemühungen nicht erfahren. Vollends unerträglich erscheint mir, diese Grundgesetzänderung jetzt und ohne Einpassung in einem systematischen Reformzusammenhang vorzunehmen, obwohl in der kommenden Woche die 1970 vom Bundestag eingesetzte Enquêtekommission zur Verfassungsreform ihre Arbeit aufnehmen wird, die gerade dazu geschaffen wurde, endlich einmal systematisch zu durchdenken, welche Änderungen des Grundgesetzes möglich, notwendig oder abzulehnen sind, um einerseits das Grundsystem zu erhalten und es zugleich dynamisch für die Zukunft im Sinne einer rationalen Reform weiterzuentwickeln. Soll die Würde unserer Verfassung respektiert werden, dann müssen alle heute nicht schlechthin unabweisbaren Grundgesetzänderungen zurückgestellt werden, bis das Ergebnis der Untersuchungen dieser Enquêtekommission vorliegt. Nach meiner Meinung darf daher die vorgesehene Änderung des Art. 74 gegenwärtig nicht verabschiedet werden. Wie systemgefährdend die Übertragung auch der Gesetzgebungskompetenz zum Tierschutz von den Ländern auf den Bund ist, zeigt die Tatsache, daß bisher alle Grundgesetzänderungen den Ländern Kompetenzen genommen und auf den Bund übertragen haben. Hierdurch werden diese quantitativen Änderungen zu qualitativen Verschiebungen unseres gesamten Verfassungssystems, die zunehmend das in Art. 79 GG als unabänderlich garantierte System des Föderalismus bedrohen. Die Aufteilung des Bundes in Länder ist gegenwärtig die realste Form einer demokratischen Gewaltenteilung in diesem Lande. Auch diese Sicherung der individuellen Freiheiten gefährdet die vorgesehene Grundgesetzänderung. Anlage 4 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Jaeger (CDU/CSU) nach § 59 der Geschäftsordnung. Bei der Schlußabstimmung in der dritten Lesung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 74 GG — Tierschutz) habe ich mit „nein" gestimmt, da ich die gegenwärtige Praxis häufiger Änderungen des Grundgesetzes prinzipiell für bedenklich halte und die Belange des Tierschutzes durch die Ländergesetzgebung ausreichend gewahrt werden können. Die geforderte Bundeszuständigkeit scheint mir nicht ausreichend begründet. Anlage 5 Umdruck 160 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungswesens in Bund und Ländern (1. BesVNG) — Drucksachen VI /9, VI /332, VI/ 1573, VI /1684, VI /1885 Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß die Lehrämter an Gymnasien in der Sekundarstufe II und an berufsbildenden Schulen bis spätestens 31. Dezember 1971 Besondern eingestuft (A 14) werden. Begründung: Die im Gesetzentwurf .vorgesehene Besoldungsneuregelung für die Lehrämter an Gymnasien (Sekundarstufe II) und an berufsbildenden Schulen kann nur eine Übergangslösung sein. Wenn diese Lehrämter nach einer Übergangszeit nicht unverzüglich höher eingestuft werden, wird es kaum noch möglich sein, geeignete Lehrkräfte insbesondere für die naturwissenschaftlichen Fachrichtungen zu gewinnen. Bonn, den 2. März 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 6 Ergänzende Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 25. Februar 1971 auf die Frage des Abgeordneten Dr. Unland (CDU/ CSU) *) Siehe 52. Sitzung Seite 2662 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 6067 Meine Erhebungen bei den Ländern haben ergeben, daß Prüfungen nach § 25 BAT und Anlage 3 dazu in den Stadtstaaten und in Hessen nicht stattfinden. In den übrigen Ländern finden Verwaltungs- und Sparkassenlehrgänge von unterschiedlicher Dauer teils dienstlich, teils nebendienstlich statt. Soweit es sich bei den entsprechenden Lehrgängen um berufliche Fortbildung handelt, bin ich der Auffassung, daß durch § 46 BBiG bereits bestehende tarifvertragliche Regelungen nicht hinfällig werden. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 3. "März 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Peters (Norden) (SPD) (Drucksache VI/ 1882 Fragen A 6 und 7) : wie gedenkt die Bundesregierung auf den Beschluß der niederländischen Regierung vom Dezember 1970, einen ersten Teilabschnitt der tehnkolonialen Schmutzwasserdruckleitunq mit Einmündung in den Dollart sulort zu -verwirklichen, zu reagieren, der den Ergebnissen der deutsch-niederländischen Regierungsverhandlungen über diesen Gegenstand einseitig vorgrerft? Gegenüber welchen Anliegerstaaten und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis kat die Bundesregierung bereits konkrete Schritte in Richtung auf den Abschluß eines regionalen Abkommens über die Reinhaltung von Nord- und Ostsee unternommen, wie von der Bundesregierung im Verkehrsbericht 1970 angekündigt wurde? Bei den bisherigen deutsch-niederländischen Regierungsverhandlungen war die Reinigung der Abwässer das Kernproblem. Auch beim ersten Abschnitt der Rohrleitung ist wegen der dann schon anfallenden großen Schmutzlast eine ausreichende biologische Abwasserreinigung notwendig. Dies ist der niederländischen Regierung durch den deutschen Botschafter in Den Haag am 12. November 1970 förmlich mitgeteilt worden; dabei ist die niederländische Regierung ersucht worden, den Bau des Projektes erst dann zuzulassen, wenn sichergestellt ist, daß nur gereinigte Abwässer in die Emsmündung geleitet werden. Dieser Standpunkt ist der niederländischen Regierung vielfach auch bei anderen Gelegenheiten dargelegt worden. Die Beschlüsse der 2. Kammer des niederländischen Parlaments vom 8. Dezember 1970, die Mittel für den Bau des ersten Abschnittes der Rohrleitung zu bewilligen, müssen nach niederländischer Auffassung nicht als einseitiger Vorgriff angesehen werden, denn die niederländische Regierung hält die Leitung für erforderlich, unabhängig davon, ob die Abwässer später ungereinigt oder gereinigt eingeleitet werden. Die Beschlüsse entsprechen allerdings nicht unseren Erwartungen, weil für den ersten Abschnitt weder Maßnahmen zur Reinigung der Abwässer vorgesehen, noch in Aussicht gestellt worden sind. Auch die Antwort der niederländischen Regierung vom 30. Dezember 1970 auf die Demarche des deutschen Botschafters vorn 12. November 1970 enthält keine zufriedenstellenden Vorschläge zur Oberwindung der Schwierigkeiten und geht auf unser Ersuchen nicht ein. Die Bundesregierung behält sich deshalb gegenüber der niederländischen Regierung weitere diplomatische Schritte vor und wird alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um im Rahmen der europäischen Bemühungen um eine Verringerung der Umweltverschmutzung zu einer zufriedenstellenden Regelung dieses Problems zu gelangen. Dabei wird sie sich auf das unsere Auffassungen bestätigende Gutachten der deutschen Sachverständigen zur Frage der Belastbarkeit der Emsmündung mit Abwässern stützen können. Zu diesem Gutachten steht allerdings eine Äußerung der niederländischen Sachverständigen noch aus. Die Bundesregierung ist Anfang Januar 1971 an Dänemark, Schweden, Norwegen, Großbritannien, Frankreich, Belgien und die Niederlande mit dem Vorschlag herangetreten, eine internationale Vereinbarung über die Verhütung der Verschmutzung der Nordsee durch Industrieabfälle und andere schädliche Stoffe abzuschließen. Sie hat sich bereit erklärt, bei Zustimmung der beteiligten Staaten bereits in der ersten Hälfte 1971 zu einer Vorkonferenz nach Hamburg einzuladen. Einige der angesprochenen Regierungen haben schon erklärt, sie würden eine Einladung annehmen; die anderen haben den Vorschlag mit wohlwollendem Interesse aufgenommen und eine endgültige Stellungnahme nach Prüfung durch die Fachbehörden zugesagt. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 3. März 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Strohmayr (SPD) (Drucksache VI /1882 Fragen A 10 und 11) : Hat die Bundesregierung Unterlagen darüber, aus welchen Gründen der Fluktuation beim Personal des öffentlichen Dienstes in der Zeit vorn 1. Oktober 1968 bis zum 30. September 1969 eine Quote von rund 30 Prozent erreichte? Gibt es Anzeichen dafür, daß die Fluktuation im öffentlichen Dienst sich seither verändert haben könnte? Einen Gesamtüberblick über die Fluktuation des Personals im öffentlichen Dienst hat erstmals die Personalstrukturerhebung aufgrund des Gesetzes über die Statistik des Personals, der Dienstbezüge, Vergütungen und Löhne im öffentlichen Dienst vom 15. Mai 1968 (BGBl. I S. 385) erbracht. Das Ergebnis ist vom Statistischen Bundesamt in der Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik" — Heft 1/1971 — veröffentlicht. Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß sich für den Erhebungszeitraum (1. Oktober 1968 bis 30. September 1969) — gemessen an der Zahl der Vollbeschäftigten — folgende Fluktuationsquoten ergeben haben: 6068 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 Abgänge Zugänge im unmittelbaren öffentlichen Dienst (Bund, Länder, Gemeinden) 12,5% 13,8 % im mittelbaren öffentlichen Dienst (Deutsche Bundesbank, Bundesanstalt für Arbeit, Sozialversicherungsträger, Bundes- und Länderaufsicht) .... 13,3 % 12,9 % Der Personalwechsel beruht, wie sich deutlich herausgestellt hat, auf einer Vielzahl von Faktoren. Folgende Auswertungen sind besonders aufschlußreich: — Gegenüber einem relativ geringen Personalwechsel bei der Bundesverwaltung und bei der Bundesbahn (7,5 %; 7,6 %) war die Fluktuation vor allem bei den Gemeinden überdurchschnittlich stark (30,3 %). Dies beruht offenbar darauf, daß hier erheblich weniger Lebenszeitheamte tätig sind. — Die Fluktuation bei den weiblichen Dienstkräften im unmittelbaren öffentlichen Dienst war mehr als doppelt so stark wie beim männlichen Personal (43,1% : 20,4%). Dieses Ergebnis dürfte sich vor allem daraus erklären, daß neben dem Ausscheiden von Frauen durch Heirat der Arbeitsplatzwechsel bei weiblichen Schreib- und Pflegekräften besonders stark ist. — Bei der Gliederung der Statistik nach Dienstverhältnissen entfällt auf die Angestellten im unmittelbaren öffentlichen Dienst weitaus die höchste Fluktuationsquote, an zweiter Stelle folgen die Lohnempfänger. Dies scheint vor allem in statusrechtlichen Unterschieden begründet zu sein. Hinzu kommt, daß Frauen relativ stärker in der Gruppe der Arbeitnehmer vertreten sind. Nach dem — allerdings weitgehend auf Schätzungen beruhenden — Ergebnis sind rund 82 % der auf eigenen Wunsch ausgeschiedenen Dienstkräfte in die gewerbliche Wirtschaft übergewechselt. Als Grund hierfür ist vielfach die dort erwartete höhere Bezahlung angegeben worden. Die verhältnismäßig hohe Abgangsquote beim höheren und einfachen Dienst und vergleichbaren Angestelltengruppen scheint auf im einzelnen unterschiedliche Gründe, darunter wiederum die Bezahlung, zurückzugehen. Beim höheren Dienst fallen zum Teil auch formale Gründe ins Gewicht wie etwa das normale Ausscheiden von Referendaren nach der Zweiten Staatsprüfung. Konkrete Anhaltspunkte konnten bisher noch nicht gewonnen werden. Es fehlt zur Zeit noch an einer gesetzlichen Grundlage für weitere Erhebungen zur Personalfluktuation im öffentlichen Dienst. Der Bundesregierung ist aber sehr daran gelegen, fortlaufend ein möglichst umfassendes Bild von den personalwirtschaftlichen Entwicklungen zu erhalten. Hierzu gehören vor allem auch Daten über die Personalzu- und -abgänge. So sehr die Bundesregierung die Durchlässigkeit und Flexibilität im öffentlichen Dienst zu fördern sucht — dazu dient auch das neue Laufbahnrecht —, muß andererseits doch vermieden werden, daß durch einen zu starken Personalwechsel die Stetigkeit der Aufgabenerfüllung und damit die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung beeinträchtigt wird. Die Bundesregierung wird darum die Entwicklung aufmerksam verfolgen. Die kontinuierliche Erfassung der Personalfluktuation soll durch die in Vorbereitung befindliche Novelle zum Gesetz über die Finanzstatistik erreicht werden, indem die jährliche Personalstandsstatistik entsprechend erweitert wird. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 3. März 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) (Drucksache VI /1882 Fragen A 15 und 16) : Sind der Bundesregierung die Feststellungen der Wasserschutzpolizei Emden bekannt, wonach die holländischen Charterschiffe der NAM (niederlandische Erdölgesellschaft) Adara und „Aludra" seit einiger Zeit fast täglich stark belastete Industrieabwässer in die Emsmündung pumpen, deren biochemischer Sauerstoffbedarf etwa 20mal so hoch ist wie durchschnittlich verschmutztes Stadtabwasser, und was gedenkt sie, dagegen zu tun? Wie weit ist die Bundesregierung mit der Prüfung über die Möglichkeiten von rechtlichen Schritten gegenüber der niederländischen Regierung in der Frage der Einleitung ungereinigter Industrieabwässer in das Emsästuar, wie sie der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern in der Beantwortung meiner Mündlichen Frage am 21. Januar zugesagt hat? Die Feststellungen der Wasserschutzpolizei in Emden, denen zufolge von zwei, rund 400 Ladetonnen fassenden niederländischen Tankschiffen, mehrmals täglich Industrieabwässer in das Mündungsgebiet der Ems abgelassen werden, sind bereits am 14. Dezember 1970 bei den Beratungen der deutschen und niederländischen Sachverständigen kritisch zur Sprache gekommen, die sich mit der Größe des Selbstreinigungsvermögens des EmsÄstuars auseinandersetzen. Diese Einleitungen finden mit Wissen und Billigung der zuständigen niederländischen Dienststellen in der Nähe des niederländischen Ufers bereits seit geraumer Zeit statt. Nach Prüfung der näheren Umstände wird die Angelegenheit gegebenenfalls im Rahmen der bevorstehenden Verhandlungen mit der niederländischen Regierung über die geplante Abwassereinleitung aus der Provinz Groningen in die Emsmündung erörtert werden. Die Prüfung rechtlicher Möglichkeiten gegenüber der niederländischen Regierung ist weitgehend abgeschlossen. Ich bitte um Verständnis, daß die Bundesregierung es nicht für tunlich hält, sich über das Ergebnis jetzt schon zu verbreiten. Ich bin aber selbstverständlich zu einem Gespräch darüber mit Ihnen bereit. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 6069 Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. März 1971 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Funcke (FDP) (Drucksache 171/1882 Frage A 27) : Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, den Abtransport von wertlosen und leicht verweslichen Abfallprodukten, insbesondere von Knochen und ungegerbten Hautabfällen, im Interesse einer aus gesundheitlichen Gründen erforderlichen schnellen Beseitigung oder Verarbeitung von der Straßengüterverkehrsteuer freizustellen? Von der Straßengüterverkehrssteuer sind u. a. solche Güterbeförderungen befreit, die von den Vorschriften des Güterkraftverkehrsgesetzes nach § 4 dieses Gesetzes ausgenommen sind. Dies gilt ebenso für weitere, im Rahmen des Gesamtverkehrs nicht ins Gewicht fallende Beförderungsfälle, die der Bundesminister für Verkehr auf Grund einer Ermächtigung im § 4 des Güterkraftverkehrsgesetzes durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates allgemein von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen hat. Im Bundesverkehrsministerium wird zur Zeit die am 29.7. 1969 erlassene Verordnung über die Befreiung bestimmter Beförderungsfälle von den Vorschriften des Güterkraftverkehrsgesetzes durch eine Kommission der Güterkraftverkehrsreferenten des Bundes und der Länder überarbeitet. Der Bundesminister für Verkehr wird sich dafür einsetzen, daß im Rahmen der Änderungsverordnung auch die Abbeförderung von Knochen und ungegerbten Hautabfällen von den Bestimmungen des GüKG ausgenommen wird. Dies hätte, wie erwähnt, automatisch eine Befreiung von der Straßengüterverkehrssteuer zur Folge. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. März 1971. auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Lampersbach (CDU/CSU) (Drucksache VI /1882 Fragen A 30 und 31) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß erneut Einfuhren französischer Schaumweine unter 3 atü erfolgen, die ohne Zahlung der Schaumweinsteuer in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „Sekt" vertrieben werden? Wie beurteilt die Bundesregierung derartige Einfuhren unter steuer- und wettbewerbspolitischen Aspekten? Der Bundesregierung ist bekannt, daß in den letzten Wochen über Zollstellen in den Bezirken der Oberfinanzdirektionen Freiburg und Saarbrücken erneut Erzeugnisse französischer Herkunft unter der Bezeichnung „Sekt" eingeführt worden sind, deren Kohlensäuredruck unter der in den geltenden schaumweinrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung vorgesehenen Grenze von mindestens 3 atü liegt. Schaumweinsteuer konnte aus diesem Grunde nicht erhoben werden. In der Vergangenheit ausgesprochene Beschlagnahmen solcher Erzeugnisse wegen Verstoßes gegen die EWG-Weinmarktordnung, die Vorschriften des Lebensmittelrechts und des Gesetzes über den Beitritt des Reichs zu dem Madrider Abkommen betreffend die Unterdrückung falscher Herkunftsangaben auf Waren vom 21. März 1925 sind zum Teil durch die Gerichte wieder aufgehoben worden. Die Einfuhr von Erzeugnissen, die Bezeichnungen wie „Französischer Sekt", „vin mousseux" oder ähnliche Angaben tragen, aber einen Kohlensäuredruck von weniger als 3 atü aufweisen, zielen darauf ab, die Schaumweinsteuer zu umgehen und dadurch ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile gegenüber den inländischen Herstellern von Schaumwein zu erlangen. Um dies zu unterbinden, hat die Bundesregierung am 2 Dezember 1970 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schaumweinsteuergesetzes beschlossen, der am 29. Januar 1971 vom Bundesrat behandelt wurde und dem Hohen Hause am 24. Februar 1971 zugeleitet worden ist. Die Bundesregierung hofft, daß das Gesetzgebungsverfahren möglichst bald abgeschlossen wird, damit das Schaumweinsteueraufkommen nicht weiterhin geschmälert wird und die ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteile für solche Erzeugnisse beseitigt werden. Das gleiche Ziel wie der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf verfolgt der von Ihnen, Herr Kollege, unterstützte Initiativantrag der Herren Kollegen Dr. Hauser (Sasbach) u. a. (BT-Drucksache VI /1635). Anlage 12 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Auerbach vom 3. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Slotta (SPD) (Drucksache VI /1882) Frage A 38) : Hat die Bundesregierung daran gedacht, die bisher mittels Tarifordnung durchgeführte Berufsunfähigkeits-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Bühnenschaffenden durch die Versorgungsanst. alt der deutschen Bühnen und der Orchestermusiker durch die Versorgungsanstalt für Kulturorchester nach der am 1. Januar 1971 erfolgten Außerkraftsetzung aller anderen Tarifordnungen durch Gesetzsverordnung zu bestätigen, um diese Künstler bzw. ihre Hinterbliebenen im Versorgungsfall sicherzustellen? Bei der Aufhebung aller noch bestehenden Tarifordnungen zum 1. 1. 1971 hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung drei Tarifordnungen ausdrücklich von der Aufhebung ausgenommen. Diese weitergeltenden Tarifordnungen bilden eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Versorgungseinrichtungen der Bühnenschaffenden und Kulturorchestermusiker. Zu weiteren Maßnahmen des Gesetzgebers besteht daher zur Zeit kein Anlaß. Allerdings handelt es sich hier um die drei letzten Tarifordnungen aus der Zeit der Lohndiktate. Ich hoffe, von den Tarifvertragsparteien bald zu hören, daß ein Tarifvertrag auch diese Überbleibsel ersetzen kann. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Auerbach vom 3. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Bredl (SPD) (Drucksache VI /1882 Frage A 41) : Wann ist mit dem Erlaß der Rechtsverordnung nach § 393 a Abs. 1 RVO zu rechnen, nach welcher den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 1969 noch eine Nachzahlung an Beiträgen zur Krankenversicherung der Rentner in Höhe von etwa 450 Millionen DM zusteht? 6070 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 Die nach § 393 a Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung zu erlassende Verordnung über die Bemessung der Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner für 1969, mit der die Nachzahlung der von den Trägern der Rentenversicherung an die Träger der Krankenversicherung zu zahlenden Beiträge für das Jahr 1969 geregelt wird, ist bereits vorbereitet. Der Erlaß der Verordnung hängt jedoch von den amtlichen Rechnungsergebnissen sowohl der Träger der Rentenversicherung als auch der Träger der Krankenversicherung ab. Diese liegen noch nicht vollständig vor. Sobald die amtlichen Ergebnisse festgestellt sind, wird die Rechtsverordnung dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet werden. Ich gehe davon aus, daß dies noch im Frühjahr dieses Jahres möglich sein wird. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Auerbach vorn 3. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Bredl (SPD) (Drucksache VI/ 1882 Frage A 42) : Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Regelung der Rechtsmaterie über die betriebliche Altersversorgung oder betriebliche Zusatzversorgung vorzulegen, um zu gewährleisten, daß eine Sicherung der erworbenen Ansprüche die Mobilität der Arbeitnehmer nicht behindert? Die sozialpolitischen Funktionen der betrieblichen' Alterssicherung werden anerkannt. Andererseits verkennt die Bundesregierung aber nicht, daß in der gegenwärtigen Praxis betrieblicher Altersversorgung Mängel bestehen. Zu diesen Mängeln gehört der mit Ihrer Frage angesprochene Verfall einer Versorgungszusage beim Wechsel des Arbeitsplatzes. Gerade dieses Problem wird zur Zeit in einer Arbeitsgruppe besprochen, die von der Sozialpolitischen Gesprächsrunde gebildet wurde und an der — neben Regierungsvertretern -- Vertreter interessierter Gewerkschaften und Unternehmerverbände beteiligt sind. Im Sozialbericht 1970 wurde diese Beteiligung der Organisation der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer angekündigt. Bei den Überlegungen geht es zur Zeit in erster Linie darum, wie die Bedingungen aussehen müssen, unter denen eine betriebliche Versorgungszusage unverfallbar werden soll. Angesichts der Vielfalt der Versorgungsformen müssen verschiedene Wege beschritten werden, die Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaften zu erreichen. Bei allen Lösungen, die zur Zeit geprüft werden, sind Fragen der betrieblichen Finanzierungsmöglichkeiten und steuerliche Konsequenzen zu beachten. Hierzu sind auch von der Steuerreformkommission Vorschläge zu erwarten, die ihren Bericht Ende März vorlegen will. Die Bundesregierung kann daher Entscheidungen erst in Zusammenhang mit ihren Gesetzentwürfen zur bevorstehenden Steuerreform treffen.
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610300000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich zwei Kollegen zu ihrem 60. Geburtstag zu gratulieren, dem Herrn Abgeordneten Dr. Gleissner, der ihn am 22. Februar, und dem Herrn Abgeordneten Dr. Starke (Franken), der ihn am 27. Februar gefeiert hat.

(Beifall.)

Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat werden die Punkte 10 und 11 von der Tagesordnung abgesetzt.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 19. Februar 1971 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes
Gesetz zu dem Vertrag vom 15. Oktober 1970 zur Änderung
des Protokolls über die Satzung der Europäischen Investitionsbank
Gesetz zu dem Abkommen vom 4. Dezember 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indonesien über den Fluglinienverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus
Gesetz zu dem Abkommen vom 26. Mai 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über den Luftverkehr
Gesetz zu dem Abkommen vom 15. Februar 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Singapur über den Luftverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus
Gesetz zu dem Übereinkommen vom 22. April 1968 über die Rettung und Rückführung von Raumfahrern sowie die Rückgabe von in den Weltraum gestarteten Gegenständen
Gesetz zur Änderung des Handelsklassengesetzes
Gesetz zur Ergänzung des Beamtenrechtsrahmengesetzes Gesetz über das Fahrpersonal im Straßenverkehr (FahrpersGSt)

Gesetz zur Änderung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG)

Gesetz über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten
Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt
Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz — GVfG)

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern
Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm
Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1971 (Haushaltsgesetz 1971)

Zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1971 (Haushaltsgesetz 1971) hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 10. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mick, Katzer, Freiherr von und zu Guttenberg und Genossen betr. Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung — Bundesentschädigungsgesetz — in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des BEG — BEG-Schlußgesetz vom 14. September 1965 (BGBl. I S. 1315) — Drucksache VI/1780 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1845 verteilt.
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat am 16. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Dr. Gölter, Dr. Martin, Frau Dr. Walz, Dr. Probst, Dr. Althammer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Abbau des Numerus clausus — Drucksache VI/1795 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1856 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 16. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ott und Genossen betr. steuerrechtliche Behandlung von Ausgaben im Fall Nannen/ Weidemann — Drucksache VI/1793 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1857 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen hat am 15. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Dr. Marx (Kaiserslautern), Gewandt, Geisenhofer, Reddemann, Werner, Dr. Martin, Pfeifer und Genossen betr. Hilfen der Bundesrepublik Deutschland für das I Hilfswerk der Vereinten Nationen für die Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten — Drucksache VL/1725 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI 1858 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat am 18. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen, Dr. Hupka, Schmidt (Kempten), Freiherr von Kühlmann-Stumm und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Eingliederung von Spätaussiedlern aus den Ostblockstaaten — Drucksache VI/1711 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1859 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 17. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Früh, Susset, Dr. Prassler, Berberich, Adorno, Dr. Wörner, Dr. Stark (Nürtingen), Frau Griesinger, Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Jenninger, Baier, Biechele, Dr. Häfele und Genossen betr. Agrarpolitik — Drucksache V1/1794 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1861 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 24. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Weigl, Stücklen und Genossen betr. Betriebsratswahlen — Drucksache VI/1822 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1872 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung hat am 26. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Picard, Wohlrabe, von Eckardt, Dr. Jenninger, Windelen, Vogel, Hussing, Bittelmann und Genossen betr. Förderung des Reitsports in der Bundeswehr — Drucksache VI/1826 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1880 verteilt.
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat am
24. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Walz, Pfeifer, Dr. Gölter, Dr. Probst und Genossen betr. Informationspolitik des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft — Drucksache VI/1817 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1881 verteilt.
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat am
25. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Probst, Dr. Martin, Dr. Hubrig, Dr. Riedl (München), Gerlach (Obernau), Dr. Schneider (Nürnberg), Roser, Niegel, Dr. Hermesdorf (Sehleiden), Pfeifer, Röhner, Geisenhofer und Genossen betr. Wohnheimbau für Studenten — Drucksache VI/1829 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1887 verteilt.
Gemäß § 5 Abs. 3 des Richterwahlgesetzes rückt die Abgeordnete Frau Huber aus der Reihe der nicht mehr Gewählten für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Hein als stellvertretendes Mitglied im Richterwahlausschuß nach.
Weiter rückt als stellvertretendes Mitglied im Richterwahlausschuß aus der Reihe der nicht mehr Gewählten Herr Dr. Rutschke für den Abgeordneten Dr. Brand (Pinneberg) nach, der sein Mandat im Richterwahlausschuß niedergelegt hat.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Der Präsident des Bundestages hat gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die
Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 5/71 — Waren der EGKS — 1971)

— Drucksache V1/1884 —
dem Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um fristgerechte Behandlung überwiesen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 12. Februar 1971 mitgeteilt, daß sie die
Große Anfrage des Abgeordneten Benda und der Fraktion der CDU/CSU betr. innere Sicherheit
— Drucksachen V1/620, VI/872 —und ihren
Antrag betr. Alternativrechnung zum Finanzplan 1970 bis 1974
- Drucksache VI/1632 — zurückzieht.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Oberweisung von Zollvorlagen
Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/71 — Zollkontingent für Bananen)

— Drucksache VI/1827 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1971
Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 21/70 — Erhöhung des Zollkontingents für Fische)

— Drucksache VI/1863 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um
Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1971
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
EWG-Vorlagen
Richtlinie des Rates zur Verlängerung der in Artikel 10 der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1968 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe vorgesehenen Frist
— Drucksache VI/ 1836 —
überwiesen an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitiq vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über Sondermaßnahmen, die auf bestimmten Agrarmärkten nach Auftreten gesundheitspolizeilicher Schwierigkeiten getroffen werden können
— Drucksache VI/1837 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates betreffend die Festsetzung gemeinsamer Sätze der Gesellschaftssteuer
— Drucksache VI/1849 —
überwiesen an den Finanzausschuß (federführend), Wirtschaftsausschuß, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 422/67/EWG, Nr. 5/67/Euratom des Rates vom 25. Juli 1967 über die Regelung der Amtsbezüge für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des Gerichtshofes
— Drucksache VI/ 1850 —
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte uns Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die Festlegung von Höchstgehalten an unerwünschten Stoffen und Erzeugnissen in Futtermitteln
Verordnung des Rates über den Verkehr mit Futtermitteln — Drucksache VI/1854 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die tiergesundheitlichen und hygienischen Bedingungen, denen rohe Vollmilch als Rohstoff für die Herstellung von wärmebehandelter Milch und Erzeugnissen aus solcher Milch entsprechen muß
Verordnung des Rates zur Regelung gesundheitlicher Fragen bei der Herstellung und dem Inverkehrbringen von wärmebehandelter Milch
— Drucksache VI/1855 -
überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dor endgültigen Beschlußfassung im Rat
Mitteilung und Entwurf einer Entschließung des Rates über die neue Ausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik
— Drucksache VI/1875 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaft, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Getreidepreise für das Wirtschaftsjahr 1971/72
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge der Preise für Getreide und Mehl, Grütze und Grieß von Weizen oder Roggen für das Wirtschaftsjahr 1971/72
Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 120/67/EWG hinsichtlich der Aufkaufverpflichtung der Interventionsstellen
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung des Richtpreises für geschälten Reis für das Wirtschaftsjahr 1971/72 Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 359/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Reis
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung des Zeitraums, während dessen Rohreis von der Interventionsstelle angekauft werden muß, und der monatlichen Zuschläge zu den Preisen für Rohreis und geschälten Reis im Wirtschaftsjahr 1971/72
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Richtpreise und der lnterventionsgrundpreise für Ölsaaten für das Wirtschaftsjahr 1971/72
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Hauptinterventionsorte für Ölsaaten und der dort geltenden abgeleiteten Interventionspreise für das Wirtschaftsjahr 1971/72 Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 1009/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Preise im Sektor Zucker, der Standardqualität für Weißzucker und für Zuckerrüben sowie des in Artikel 24 der Verordnung Nr. 1009/67/EWG genannten Koeffizienten für das Zuckerwirtschaftsjahr 1971/72
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der abgeleiteten Interventionspreise, der Interventionspreise für Rübenrohzucker, der Zuckerrübenmindestpreise, der Schwellenpreise, der Garantiemenge und des Höchstbetrags der Produktionsabgabe für das Zuckerwirtschaftsjahr 1971/72
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung des Richtpreises für Milch sowie der Interventionspreise für Butter,
Magermilchpulver, Grana Padano und Parmigiano Reggiano für das Milchwirtschaftsjahr 1971/72
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Schwellenpreise für bestimmte Milcherzeugnisse für das Milchwirtschaftsjahr 1971/72
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der im Milchwirtschaftsjahr 1971/72 gültigen Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver, die für Futterzwecke verwendet werden
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Orientierungspreise für Kälber und ausgewachsene Rinder für die Wirtschaftsjahre 1971/72 und 1972/73
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Ziel- und Interventionspreise und der Bezugsqualitäten für Tabakblätter für die Ernte des Jahres 1971
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Beihilfe für Flachs und Hanf für das Wirtschaftsjahr 1971/72
— Drucksache VL/1876 -
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaft, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) Nr. 166/71 des Rates vom 26. Januar 1971 zur Festlegung gemeinsamer Vermarktungsnormen für Garnelen der Gattung Crangon
Verordnung (EWG) Nr. 167/71 des Rates vorn 26. Januar 1971 zur Festlegung des Orientierungspreises für die in Anhang I Abschnitte A und C der Verordnung (EWG) Nr. 2142/70 aufgeführten Fischereierzeugnisse für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 1971
Verordnung (EWG) Nr. 168/71 des Rates vom 26. Januar 1971 zur Festsetzung des Orientierungspreises für die in Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 2142/70 aufgeführten Fischereierzeugnisse für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1971
Verordnung (EWG) Nr. 169;71 des Rates vom 26. Januar 1971 zur Festsetzung des gemeinschaftlichen Produktionspreises für Thunfische, die für die Konservenindustrie bestimmt sind, für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1971
Verordnung (EWG) Nr. 170'71 des Rates vom 26. Januar 1971 über die Anerkennung der Erzeugerorganisationen der Fischwirtschaft



Vizepräsident Dr. Jaeger
Verordnung (EWG) Nr. 171/71 des Rates vom 26. Januar 1971 über die Gewährung und die Erstattung der den Erzeugerorganisationen der Fischwirtschaft von den Mitgliedstaaten gewährten Beihilfen
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung, nämlich zur
Fragestunde
— Drucksache VI/1882 —
Ich rufe zuerst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Bayerl steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Frage 1 des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt:
Haben die Eltern insbesondere von in Heimen untergebrachten Kindern nach geltendem Recht die Möglichkeit, eine Annahme ihres Kindes an Kindes Statt durch Versagung der Einwilligung auch in Fällen zu verhindern, in denen durch dieses Verhalten der Eltern offensichtlich schwere Nachteile für das Kind zu befürchten sind, und wie häufig sind etwa solche Fälle?
Bitte sehr!

Dr. Alfons Bayerl (SPD):
Rede ID: ID0610300100
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich des Sachzusammenhangs wegen beide Fragen zusammen beantworte?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610300200
Bitte sehr! Dann rufe ich noch die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt auf:
Wann wird die Bundesregierung voraussichtlich, falls sie die vorstehende Frage entsprechend beantwortet, eine Vorlage zur Änderung der in Frage kommenden Rechtsvorschriften einbringen, und wie sollte nach den Vorstellungen der Bundesregierung das Aufeinandertreffen von Rechten der Eltern und Wohl des Kindes geregelt werden?

Dr. Alfons Bayerl (SPD):
Rede ID: ID0610300300
Herr Kollege Sieglerschmidt, nach § 1747 Abs. 3 BGB kann die Einwilligung eines leiblichen Elternteils in die Adoption ihres Kindes ersetzt werden, wenn er seine Pflichten gegenüber dem Kind dauernd gröblich verletzt oder die elterliche Gewalt verwirkt hat und wenn er die Einwilligung böswillig verweigert und das Unterbleiben der Adoption das Kind unverhältnismäßig benachteiligen würde. Da alle diese Voraussetzungen zusammentreffen müssen, kann sich ergeben, daß eine Adoption zum Nachteil des Kindes unterbleiben muß. Der Bundesregierung sind einige solcher Fälle bekannt, ohne daß ihr statistisches Zahlenmaterial hierüber vorliegt. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß Schäden vom Kind vielfach dadurch abgewendet werden können, daß nach § 1666 BGB den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen wird.
Die Bundesregierung und unser Haus werden eine Neuordnung des Adoptionsrechts vorbereiten. Dabei wird auch die Fassung des § 1747 Abs. 3 BGB überprüft werden müssen. Es ist beabsichtigt, dem Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf in der kommenden Wahlperiode vorzulegen.
Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollten das Wohl und das Recht des Kindes stärker als
im geltenden Recht berücksichtigt werden. Neben einer Änderung des Adoptionsrechts wird dies vor allem durch eine Neufassung des § 1666 BGB erreicht werden, die gleichfalls in Vorbereitung ist. Bei der Reform muß jedoch das in Art. 6 GG verankerte Elternrecht beachtet werden. Da durch die Adoption künftig sämtliche Rechtsbeziehungen zwischen den leiblichen Eltern und ihrem Kind erlöschen sollen, muß die Adoption gegen den Willen der Eltern ein letztes Mittel bleiben. Eltern dürfen keinesfalls allein deshalb die Wegnahme ihrer Kinder befürchten müssen, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen vorübergehend nicht in der Lage sind, ihr Kind selbst zu versorgen.
§ 1666 BGB soll im Rahmen einer Neuordnung des elterlichen Sorgerechts neu gefaßt werden. Ein Regierungsentwurf wird voraussichtlich noch in dieser Wahlperiode fertiggestellt werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610300400
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0610300500
Herr Staatssekretär, ich habe mit Genugtuung gehört, daß an einer Reform des Adoptionsrechts, die dringend notwendig ist, gearbeitet wird. Sie sagten nun, ein entsprechender Gesetzentwurf werde erst in der nächsten Legislaturperiode vorgelegt. Besteht keine Aussicht, daß die dringende Reform gerade auch des § 1666 BGB noch in dieser Legislaturperiode erfolgen kann?

Dr. Alfons Bayerl (SPD):
Rede ID: ID0610300600
Gnädige Frau, ich sagte bereits, daß wir § 1666 BGB im Rahmen der Neuordnung des elterlichen Sorgerechts in dieser Legislaturperiode neu regeln wollen.

(Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Und das übrige Adoptionsrecht?)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610300700
Sie wollten doch nur eine Frage stellen, Frau Kollegin.
Bitte sehr!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0610300800
Wollen Sie die Reform des übrigen Adoptionsrechts, die ebenfalls dringend notwendig ist, aufschieben?

Dr. Alfons Bayerl (SPD):
Rede ID: ID0610300900
Gnädige Frau, ich will nicht sagen: aufschieben. Wenn es möglich sein wird, es noch in dieser Legislaturperiode zu schaffen, wird der Bundesjustizminister noch in dieser Wahlperiode einen Reformentwurf vorlegen.

(Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Dafür wäre ich dankbar!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610301000
Bitte sehr!

Hellmut Sieglerschmidt (SPD):
Rede ID: ID0610301100
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt und wird die Bundesregierung berücksichtigen, daß die Reform des Adoptionsrechts



Sieglerschmidt
von nahezu allen sachkundigen Stellen dringend gefordert wird, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es deshalb sehr zu wünschen wäre, daß das so kurzfristig wie möglich geschieht?

Dr. Alfons Bayerl (SPD):
Rede ID: ID0610301200
Herr Kollege, das ist uns selbstverständlich bekannt. Ich teile Ihre Meinung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610301300
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen damit zu der Frage 5 des Herrn Abgeordneten Josten aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit:
Wie hoch ist die Zahl der Interessenten für den Deutschen Entwicklungsdienst 1970 gewesen und wie viele wurden berücksichtigt?
Zur Beantwortung ist der Herr Bundesminister anwesend.

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0610301400
Herr Kollege Josten, im Jahre 1970 gingen beim Deutschen Entwicklungsdienst 55 915 Interessentenanfragen ein; im Vorjahr, 1969, waren es 21 371. Die Zahl der Bewerbungen belief sich im Jahre 1970 auf 3153, im Vorjahr auf 1632, also etwa die Hälfte. Angenommen wurden im Jahre 1970 968 Bewerber. Mit 338 dieser 968 angenommenen Bewerber wurden Vorverträge nach § 22 des Entwicklungshelfergesetzes, das den Entwicklungsdienst statt des Wehrdienstes vorsieht, abgeschlossen.
Die beträchtliche Differenz zwischen der Zahl der Interessenten und der Zahl der Bewerber erklärt sich einmal daraus, daß sich ein großer Teil der Interessenten nicht zu einer Bewerbung entschließt, obwohl er die Voraussetzungen für den Entwicklungsdienst erfüllt, und zum anderen daraus, daß ein gleichfalls hoher Prozentsatz der Interessenten nicht die Voraussetzungen für den Entwicklungsdienst erfüllt, z. B. Mindestalter, abgeschlossene Berufsausbildung, Anfangskenntnisse einer Fremdsprache, bei Ehepaaren die Voraussetzung, daß beide Ehepartner eine Berufsausbildung abgeschlossen haben.
Die Differenz zwischen der Zahl der Bewerber und der Zahl der angenommenen Bewerber ist in erster Linie auf das strenge Auswahlverfahren zurückzuführen, z. B. schriftliche Tests, Einzel- und Gruppengespräche. Von den 3153 Bewerbern wurden 2508 zu Vorstellungstagungen eingeladen, zu denen jedoch nur 1730 Bewerber erschienen. Von diesen wurden dann die erwähnten 968 angenommen und 700 abgelehnt. 62 Bewerber zogen während der Vorstellungstagung ihre Bewerbung zurück.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610301500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0610301600
Herr Minister, was wird die Bundesregierung tun, um die von ihr vorgesehene Zahl von Freiwilligen trotzdem zu erreichen?

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0610301700
Herr Kollege, ich verstehe das „trotzdem" in Ihrer Frage nicht, nachdem ich Ihnen dartun konnte, daß sich die Zahl der Interessenten auf das Zweieinhalbfache und die Zahl der Bewerber etwa auf das Doppelte erhöht hat.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610301800
Eine zweite Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0610301900
Herr Minister, ich habe den Unterschied zwischen den Zahlen, den Sie hier nannten, durchaus verstanden. Glauben Sie aber nicht, daß auf Grund der Vorgänge in Guinea erst recht die Befürchtung besteht, daß sich die Zahl der Bewerber für den Deutschen Entwicklungsdienst, auch wenn sie zur Zeit noch erheblich über der Zahl derer liegt, die angenommen werden, zu unseren Ungunsten verändern wird?

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0610302000
Herr Kollege Josten, wir haben dies geprüft und festgestellt, daß höchstens 2 % der Interessenten, die sich beim Deutschen Entwicklungsdienst gemeldet haben, in ihrer Anfrage auf die Ereignisse in Guinea Bezug genommen haben. Wenn man die Zahl der Interessenten und die Zahl der Bewerbungen vom Februar 1970 und vom Februar 1971 vergleicht — das ist ein Vergleichsmonat nach den Ereignissen in Guinea —, ist festzustellen, daß wir im Februar 1970 1716 Interessenten hatten, im Februar 1971 3794 Interessenten und daß wir im Februar 1970 218 Bewerber hatten und im Februar 1971 236 Bewerber.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610302100
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Der Parlamentarische Staatssekretär steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frau Abgeordnete Funcke ist nicht da. Ihre Frage 27 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 28 des Abgeordneten Ehnes:
Trifft es zu, daß die Auflösung landwirtschaftlicher Betriebe nach Inanspruchnahme agrarsozialer Maßnahmen, wie Landabgaberente oder Landabgabeprämie, erhebliche Einkommensteuernachzahlungen auslöst, weil die Übernahme von Betriebsvermögen ins Privatvermögen nach der Bilanzordnung als Auflösung stiller Reserven zu gelten hat, die von der Einkommensteuer erfaßt werden?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0610302200
Herr Präsident,



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl
ich wäre dankbar, wenn ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Ehnes wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten könnte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610302300
Dann rufe ich auch die Frage 29 des Abgeordneten Ehnes auf:
Wenn ja, ist es dann richtig, daß bei diesem Vorgang nach den bisherigen Erfahrungen mit Einkommensteuerzahlungen von etwa 1000 DM je ha Betriebsvermögen einschließlich der dazugehörigen Inventarvermögensteile zu rechnen ist, daß also z. B. ein 8-ha-Betrieb nach Auflösung 8000 DM bis 10 000 DM Einkommensteuer nachzuzahlen hat?
Dr. ' Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Gibt ein Landwirt seinen Betrieb auf, indem er das Betriebsvermögen in sein Privatvermögen überführt, so muß er grundsätzlich die bei diesem Vorgang aufgedeckten stillen Reserven nach geltendem Einkommensteuerrecht genauso der Besteuerung unterwerfen, wie dies ein Gewerbetreibender oder selbständig Tätiger muß, der seinen Betrieb aufgibt. Dabei werden die Gewinne aus der Betriebsaufgabe wie Veräußerungsgewinne behandelt.
Nach der bisherigen Rechtslage blieb bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns im land- und forstwirtschaftlichen Bereich der Grund und Boden, der den wesentlichsten Teil des Betriebsvermögens darstellt, außer Ansatz. Es erscheint deshalb nicht richtig, daß in der Vergangenheit bei der Betriebsaufgabe je Hektar eine Einkommensteuernachzahlung von 1000 DM entstanden sein soll.
Veranlaßt durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Mai 1970 werden auf Grund des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1971, über dessen Entwurf in Kürze das Hohe Haus zu beschließen haben wird, auch die Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden grundsätzlich steuerlich zu erfassen sein.
Nach der Konzeption des Gesetzentwurfs werden insbesondere wegen der Zulässigkeit von zeitnahen Ausgangswerten und der Möglichkeit, den für den 1. Juli 1970 maßgebenden Teilwert als Buchwert anzusetzen, anläßlich der Betriebsaufgabe durch die Überführung von Grund und Boden in das Privatvermögen in den ersten Jahren kaum steuerpflichtige Gewinne entstehen. Im übrigen werden die bisher für eine Betriebsaufgabe maßgebenden steuerlichen Erleichterungen entscheidend ausgeweitet.
Durch diese Art der Neuregelung wird auch in Zukunft vermieden werden, daß anläßlich einer Betriebsaufgabe im landwirtschaftlichen Bereich Härten durch eine zu hohe Steuerbelastung entstehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610302400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ehnes.

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0610302500
Herr Staatssekretär, aus Ihrer Antwort entnehme ich, daß Sie meine Schätzung der Steuerhöhe von 1000 DM bei Veräußerungsgewinnen für zu hoch angesetzt halten. Wie hoch ist die Steuer nach Ihrer Auffassung etwa?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0610302600
Erheblich niedriger, Herr Kollege. Das kann man nicht generell berechnen. Nach dem jetzigen Recht ist es ja so, daß der Grund und Boden überhaupt nicht angesetzt wird. Das ist aber doch der Hauptwert. Wenn z. B. das Hausgrundstück inmitten des Dorfes — nicht der Grund und Boden, sondern die Gebäude — einen hohen Wert hat, kann es schon zur Besteuerung kommen - das möchte ich nicht ausschließen -, aber nicht in der Höhe.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610302700
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ehnes.

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0610302800
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welche die Wiederveräußerungsgewinne bei Grund und Boden einkommensteuerpflichtig macht, auch nach Verabschiedung des jetzt vorbereiteten Gesetzes über die Eingangswerte von landwirtschaftlichem Boden in all den Fällen Einkommensteuerpflicht auslöst, in denen Boden nach dem agrarsozialen Ergänzungsgesetz vom 11. November 1970 abgegeben wurde?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0610302900
Herr Kollege, das kann gar nicht der Fall sein; denn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts löst unseren neuen Entwurf aus. Erst wenn der Entwurf Gesetz ist, ist kraft Gesetzes eine Steuerpflicht eingetreten, Für alle Veräußerungsfälle, die vor dem 1. Juli 1970 lagen, habe ich damals durch einen allgemeinen Runderlaß ausdrücklich mitgeteilt, daß sie nicht in die Steuerpflicht einzubeziehen sind. Ich kann mir das also erst vorstellen, wenn das Gesetz da ist, dann allerdings rückwirkend ab 1. Juli 1970.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610303000
Eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Lampersbach werden schriftlich beantwortet, da der Abgeordnete nicht anwesend ist. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich darf Ihnen, Herr Staatssekretär, für Ihre Antworten danken und komme dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär I ist anwesend.
Herr Abgeordneter Peters (Norden) ist nicht im Saal. Seine beiden Fragen 6 und 7 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 8 und 9 sind von den Fragestellern zurückgezogen.
Die Fragen 10 und 11 des Herrn Abgeordneten Strohmayr werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 12 der Frau Abgeordneten Stommel auf:



Vizepräsident Dr. Jaeger
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um dem immer weiter um sich greifenden illegalen Waffenhandel entgegenzutreten?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610303100
Frau Kollegin, ich darf die Frage im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister der Finanzen wie folgt beantworten.
Der illegale Waffenhandel und die illegale Einfuhr von Waffen sind durch das Bundeswaffengesetz unter Strafe gestellt. Gleichwohl weist der illegale Waffenhandel eine steigende Tendenz auf. Begünstigt wird das u. a. dadurch, daß es in einzelnen europäischen Ländern möglich ist, Waffen lediglich gegen Vorzeigen eines Identitätspapiers zu erwerben, wenn man erklärt, daß man diese Waffen dort sofort ausführt.
Um einen Überblick über den Umfang des illegalen Waffenhandels, des illegalen Beschaffens sowie des Abhandenkommens und Diebstahls von Waffen zu erlangen, hat das Bundesministerium des Innern vor einiger Zeit die Innenminister und -senatoren der Länder gebeten, dem Bundeskriminalamt jeden bekanntgewordenen Fall zu melden. Auch ist bei den Bundesressorts sichergestellt, daß im Bereich der Zollverwaltung, der Bundeswehr und beim Bundesgrenzschutz anfallende Erkenntnisse sofort angezeigt werden. Seitdem hat das Bundeskriminalamt dreimal berichtet, zuletzt für das zweite Halbjahr 1970. Erkenntnisse und Folgerungen können aus den bisherigen Zahlenangaben wegen des relativ kurzen Berichtszeitraums noch nicht hergeleitet werden. Aus den Berichten kann jedoch bereits der Schluß gezogen werden, daß die Überwachung durch die zuständigen Behörden Schwierigkeiten bereitet. Die zuständigen Zolldienststellen und der Grenzschutzeinzeldienst sind angewiesen, verstärkt auf das illegale Einschleusen von Waffen, insbesondere durch Ausländer, zu achten und dabei alle Möglichkeiten auszunutzen, die die gegenwärtig geltenden gesetzlichen Bestimmungen bieten. Die Grenzdienststellen können jedoch vor allem im Interesse eines zügigen Reiseverkehrs die Einreisenden nicht so lückenlos kontrollieren, daß die illegale Waffeneinfuhr dadurch völlig verhindert werden könnte.
Einige Bundesländer haben im Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht, demzufolge durch Änderung des Grundgesetzes dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für das gesamte Waffenrecht übertragen werden soll. Gleichzeitig haben sie einen Entwurf zu einem neuen Waffengesetz eingebracht. Er wird von einer Kommission, die der Bundesratsausschuß für innere Angelegenheiten eingesetzt hat und in der die beteiligten Bundesressorts beratend mitarbeiten, zur Zeit zu einem „Entwurf eines Zweiten Bundeswaffengesetzes" umgearbeitet. Bei den Beratungen werden auch Überlegungen darüber angestellt, ob und gegebenenfalls wie die gesetzgeberischen Maßnahmen zur Eindämmung des illegalen Waffenhandels verstärkt werden können. Auch werden Möglichkeiten erörtert,
wie die behördliche Überwachung verbessert werden kann. Einzelheiten vermag ich jedoch zur Zeit noch nicht mitzuteilen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610303200
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Stommel.

Maria Stommel (CDU):
Rede ID: ID0610303300
Herr Staatssekretär, was gedenken Sie zu tun, um eventuell im Wege von Verhandlungen mit den Nachbarländern — die Erleichterung der Waffenkäufe im Ausland einzudämmen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610303400
Das ist eine Frage, die nur nach den landesgesetzlichen Bestimmungen der einzelnen Nachbarländer geregelt werden kann. Es gibt hier, glaube ich, nur die Möglichkeit, diese Frage bei zukünftigen Konsultationsverfahren und Beratungen mit ausländischen Regierungsvertretern anzusprechen. Ich glaube aber nicht, daß wir darüber hinaus irgendwelche Einwirkungsmöglichkeiten haben werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610303500
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Stommel.

Maria Stommel (CDU):
Rede ID: ID0610303600
Herr Staatssekretär, was gedenken Sie zu tun, um zu vermeiden, daß die aus den Beständen des Grenzschutzes und der Bereitschaftspolizei ausgemusterten Waffen in unrechte Hände gelangen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610303700
Ich habe vorhin schon erklärt, daß der Bundesgrenzschutz und auch die übrigen Dienststellen, bei denen Beamte tätig sind, die Waffen besitzen, Kontrollmeldungen machen müssen. Dadurch soll eben verhindert werden, daß die Waffen in den Besitz von Leuten übergehen, die diesen Besitz nach unserer Meinung nicht haben sollten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610303800
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 13 der Frau Abgeordneten Stommel auf:
Welche Maßnahmen bzw. Gegenmaßnahmen will die Bundesregierung einleiten bzw. verstärken, um einer Verunsicherung der Öffentlichkeit durch verbotenen Waffenbesitz entgegenzutreten?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610303900
Ich darf die Frage wie folgt beantworten.
Für die Regelung der Fragen, die mit dem Erwerb und dem Besitz von Waffen durch Privatpersonen zusammenhängen, sowie für den Vollzug der waffenrechtlichen Bestimmungen sind die Länder zuständig. Der Bund hat außer bei der Einfuhr keine rechtlichen Möglichkeiten, auf die Überwachung des illegalen Waffenbesitzes einzuwirken. Die Vorschriften über den Erwerb und das Führen von Waffen sollen in dem neuen Waffengesetz, von dem ich in



Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
meiner Antwort auf Ihre vorherige Frage sprach, neu geregelt werden. Es ist beabsichtigt, diese Bestimmung gegenüber der jetzigen Regelung zu verschärfen. Daneben werden Überlegungen angestellt, welche weiteren Maßnahmen erforderlich sind, um den verbotenen Waffenbesitz einzudämmen.
Vom Ergebnis der Gesetzesberatungen wird es abhängen, ob das neue Bundeswaffengesetz den Behörden eine wirksame Handhabe gibt, den illegalen Waffenhandel und Waffenbesitz weiter einzudämmen und so eine gewisse Beunruhigung in der Bevölkerung endgültig beizulegen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610304000
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Stommel.

Maria Stommel (CDU):
Rede ID: ID0610304100
Herr Staatssekretär, gedenken Sie, im Benehmen mit Ihren Bundesratskollegen auf der Länderebene hier für eine Sicherung der Bevölkerung in verstärktem Maße zu sorgen? Sie wissen sicher genauso gut wie ich, daß wir große Bevölkerungskreise haben, die in einsamen Gegenden in den Abendstunden nicht mehr ausgehen, weil sie sich verunsichert fühlen.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610304200
Die Sicherung der Bevölkerung ist das Ziel der gesetzlichen Neuregelung, die wir anstreben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610304300
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Hansen auf:
welche zusätzlichen Malinahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die illegale Einwanderung ausländischer Arbeitnehmer in die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern und damit spätere Ausweisungen, die zwangsläufig große Härten für die Betroffenen bedeuten, 711 vermeiden?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610304400
Herr Kollege Hansen, im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beantworte ich Ihre Frage wie folgt. Die Bundesregierung hat eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen gegen die illegale Einreise ausländischer Arbeitsuchender veranlaßt.
Erstens. Ich babe die Grenzsicherungsbehörden angewiesen, die Staatsangehörigen der Anwerbeländer bei der Einreise in die Bundesrepublik einer besonders sorgfältigen grenzpolizeilichen Kontrolle zu unterziehen. Besteht hinreichender Verdacht, daß sie ohne den erforderlichen Sichtvermerk zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in das Bundesgebiet einreisen wollen, werden sie an der Grenze zurückgewiesen. In den Fällen, in denen diese Absicht nicht nachgewiesen werden kann, wird die Einreise zwar gestattet, der Reiseausweis aber mit dem Vermerk „Tourist" versehen. Darüber hinaus habe ich veranlaßt, daß für diesen Personenkreis ein aufklärendes Merkblatt über die nachteiligen Folgen einer illegalen Arbeitsaufnahme in der Heimatsprache vorbereitet wird, das bei der Einreise in das Bundesgebiet ausgehändigt werden soll.
Zweitens. Nach einem kürzlich gefaßten Vorstandsbeschluß der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg sind Arbeitgeber, die Ausländer ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis beschäftigen, im Regelfall mit einer Geldbuße von 2500 DM zu belegen. Die Geldbuße kann je nach Lage des Falls auch auf einen höheren Betrag festgesetzt werden.
Drittens. Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat einen Gesetzentwurf zum Schutz der Leiharbeitnehmer fertiggestellt, der Verleiher, die ausländische Arbeitnehmer ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis unbefugt Dritten überlassen, mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr bedroht.
Viertens. Schließlich soll der illegalen Einreise und Arbeitsaufnahme durch verstärkte Aufklärung im Heimatland der Ausländer und im Bundesgebiet entgegengewirkt werden. Das Auswärtige Amt sowie der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung haben bereits entsprechende Schritte in die Wege geleitet. Da sich das Illegalenproblem bekanntlich insbesondere auf türkische Arbeitsuchende erstreckt, hat außerdem die Regierung der Türkei ihre Staatsangehörigen gründlich darüber belehrt, daß illegal in die Bundesrepublik einreisende Arbeitnehmer das Bundesgebiet unverzüglich wieder verlassen müssen. Die Belehrung soll durch Paßeintrag kenntlich gemacht werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610304500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0610304600
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß durch diese Maßnahmen sichergestellt ist, daß es in Zukunft nicht wieder die Notwendigkeit für Massenausweisungen gibt wie zuletzt im Fall der 40 000 Türken — das ist die Zahl, die genannt wird —, oder wird es doch noch bis zu einem gewissen Umfang die Möglichkeit der illegalen Einreise geben?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610304700
Ich glaube, Herr Kollege Hansen, daß auch durch diese Maßnahmen die völlige Einstellung der illegalen Einreise wahrscheinlich nicht verhindert werden kann. Aber es würden dann Einzelfälle sein, die uns zu entsprechenden Maßnahmen veranlassen müßten, und nicht mehr eine solch große Zahl, wie das in der Vergangenheit der Fall war.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610304800
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Geiger.

Hans Geiger (SPD):
Rede ID: ID0610304900
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, ausländischen Arbeitnehmern, die mit Deutschen verheiratet sind und seit vielen Jahren in der Bundesrepublik leben, eine ständige Aufenthaltsgenehmigung oder eine Einbürgerungsmöglichkeit zu geben?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610305000
Herr Kollege, diese



Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
Frage ist in den letzten Jahren in unserem Hause oft erörtert worden. Ich kann nur sagen, daß hier eine weitgehende Übereinstimmung mit den Ländern in der Form erfolgt ist, daß den Antragstellern weitgehend entgegengekommen wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610305100
Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Seine Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gleiche gilt für die Frage 16 des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof).
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) auf:
Wieviel Tote und Verwundete sind seit dem 12. August 1970 nach Eingreifen der NVA-Grenze an Mauer und Todesstreifen durch Organe der Bundesrepublik Deutschland festgestellt worden?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610305200
Herr Kollege Marx, die meisten Zwischenfälle an den Demarkationslinien zur DDR und an den Sektorenübergängen in Berlin ereignen sich erfahrungsgemäß nach Einbruch der Dunkelheit bis zum Tagesanbruch. Sie können nur in seltenen Fällen in allen Einzelheiten festgestellt werden. Dies gilt insbesondere für die in Betracht kommenden Personenschäden.
Dies vorausgeschickt, kann mitgeteilt werden, daß nach den mir zur Verfügung stehenden Unterlagen seit dem 12. August 1970 bei 35 Zwischenfällen an den Demarkationslinien zur DDR und an den Sektorenübergängen in Berlin zehn Personen festgestellt wurden, die durch Schüsse der NVA-Grenztruppe oder sonstiger Einwirkungen der Grenzsicherungsanlagen — Explodieren von Minen, Auslösen von Selbstschüssen oder dergleichen —Verletzungen erlitten haben. Ob verletzte Personen die von Angehörigen der NVA-Grenztruppe in das rückwärtige Gebiet der DDR abtransportiert wurden, später ihren Verletzungen erlegen sind, ist nicht bekannt.
Am 17. Dezember 1970 verstarb ein männlicher Flüchtling an Entkräftung und Unterkühlung, nachdem er im Raum Danneberg die Elbe durchschwommen hatte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610305300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0610305400
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, auch gleich in Verbindung mit Frage 18: Wie hoch ist etwa nach den einigermaßen verläßlichen Schätzungen der Bundesregierung die Dunkelziffer? Stimmt das, was man verschiedentlich hört, nämlich daß auf einen festgestellten Fall neun vermutete Fälle kommen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610305500
Darüber können wir keine konkrete Auskunft geben, weil uns Zahlenmaterial auch über die Vermutung der Dunkelziffer in diesem Umfang nicht vorliegt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610305600
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0610305700
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung irgendwelche Möglichkeiten genutzt, um in direkten oder indirekten Gesprächen den Behörden der DDR klarzumachen, daß der Schießbefehl, der die Grundlage aller dieser sogenannten Zwischenfälle ist, eine der entscheidenden Störungen des innerdeutschen Verhältnisses darstellt?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610305800
Sie können mit Sicherheit davon ausgehen, Herr Kollege Dr. Marx, daß die Bundesregierung bei den Gesprächen, die mit der Regierungsspitze der DDR stattgefunden haben, aber auch bei anderen Gelegenheiten diese Fragen mit angesprochen hat wie alle Fragen, die das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der DDR belasten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610305900
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) auf:
Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Zahl derjenigen, die durch tiefgestaffelte „Grenzsicherungsanlagen" und die uniformierten und zivilgekleideten „Sicherungskräfte" jenseits der Zonengrenzlinie an der versuchten Flucht in die Bundesrepublik Deutschland gehindert und festgehalten worden sind?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610306000
Eine auch nur einigermaßen zuverlässige Schätzung der Zahl derjenigen DDR-Bewohner, die die Flucht in die Bundesrepublik versucht haben, daran aber durch die Sperranlagen und durch die Sicherungskräfte der DDR gehindert worden sind, ist der Bundesregierung nicht möglich. Beobachtungen eigener Grenzsicherungsorgane und Angaben geflüchteter Angehöriger der NVA-Grenztruppe muß jedoch entnommen werden, daß der Anteil derer, denen die Flucht gelingt, in den letzten Jahren geringer geworden ist. Dies ist auf den zunehmenden Ausbau der Sperranlagen und den verstärkten Einsatz von DDR-Sicherungskräften zurückzuführen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610306100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0610306200
Herr Staatssekretär, gehört zu diesen DDR-Grenzsicherungskräften auch jener Bereich, der zivil gekleidet, aber nach militärischen Maximen geordnet, Ordnungs- und Überwachungsfunktionen in einem fünf Kilometer tief gestaffelten Bereich im Auftrag der SED und der Kampftruppen erfüllt?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610306300
Ja, davon würde ich ausgehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610306400
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.




Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0610306500
Herr Staatssekretär, ich komme noch einmal auf eine vorhergehende Zusatzfrage und die Antwort darauf zurück. Sind Sie mit mir der Überzeugung, daß der Gegenstand, über den wir jetzt handeln, in der Tat einen der besonders schwierigen und die Entspannungsbereitschaft der Regierung der DDR besonders charakterisierenden Zustände mitten in Deutschland betrifft?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610306600
Darüber gibt es keinen Zweifel.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610306700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0610306800
Herr .Staatssekretär, trifft es zu, daß trotz aller Bemühungen der Bundesregierung im Rahmen der Ostpolitik weiter an dem Ausbau der Grenzsicherungsanlagen der DDR gebaut wird?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610306900
Ja, davon kann man ausgehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610307000
Ich rufe nunmehr die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Baeuchle auf:
Gibt es im gehobenen Staatsdienst mit dem graduierten Ingenieur (mit einem Studium von drei Jahren an einer Akademie bzw. Fachhochschule) mit Ausnahme der Volksschullehrer und graduierten Betriebswirte vergleichbare Beamtengruppen?
Im Falle der Bejahung des ersten Teils der Frage: Welches sind die mit dem graduierten Ingenieur (ausbildungsmäßig) vergleichbaren Beamtengruppen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610307100
Herr Kollege Baeuchle, die Frage, die Sie gestellt haben, ist zu bejahen, weil die Vergleichbarkeit in vielen Fällen nicht nur von den Anforderungen der Funktionen und Funktionsbereiche der einzelnen Beamtengruppen abhängt, sondern weil auch die Vorbildung, die Dienstpostenbewertung und ähnliche Dinge eine entscheidende Rolle dabei spielen. Ich glaube, es gibt vergleichbare Gruppen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610307200
Eine Zusatzfrage.

Hans-Joachim Baeuchle (SPD):
Rede ID: ID0610307300
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß nach § 18 des Bundesbeamtengesetzes für den Einstieg in den gehobenen nichttechnischen Staatsdienst eigentlich die mittlere Reife genügt, die Bundesbehörden jedoch über diese Mindestanforderungen hinausgehen und noch den Abschluß einer Bank- oder kaufmännischen Lehre sowie für den Eintritt in den gehobenen technischen Staatsdienst zusätzlich das Abschlußzeugnis einer vom Bundesministerium des Innern anerkannten Ingenieurschule verlangen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610307400
Diese Voraussetzungen
und das Abitur werden für den gehobenen Dienst schon heute praktisch weitgehend gefordert. Sie wissen, daß für die verschiedenen Eingruppierungen in den einzelnen Laufbahnen der Beamtengruppen und der verschiedenen Berufsgruppen der Beamten im gehobenen Dienst unterschiedliche Voraussetzungen gefordert werden. So wird z. B. vom Lehrer ein sechssemestriges Studium an der entsprechenden Fachhochschule verlangt. Man kann also nicht davon sprechen, daß für den Einstieg in den gehobenen Dienst allgemein die gleichen Voraussetzungen verlangt werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610307500
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Rainer auf:
Beobachtet die Bundesregierung das Einschleusen kommunistischer Propagandaschriften aus Nord-Vietnam in die Bundesrepublik Deutschland, bzw. hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, ob dieses Film- und Propagandamaterial durch die Jusos Tiber Ost-Berlin bezogen wird?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610307600
Herr Kollege Rainer, der Bundesregierung ist bekannt, daß in der Bundesrepublik Deutschland verschiedentlich Propagandaschriften, die in Hanoi bzw. von der Botschaft der Republik Südvietnam (Viet-Cong) in der DDR herausgegeben wurden, angefallen sind. Außerdem bietet der „Landesrat der Friedensfreunde Niedersachsen" zur Zeit mehrere Filme für Vietnam-Veranstaltungen an, die überwiegend aus nord- und südvietnamesischem Material zusammengestellt worden sind oder von Kameraleuten aus der DDR gedreht worden sind.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610307700
Frage 22 des Abgeordneten Rainer:
Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Maße der Mitarbeiterstab von Madame ßinh mit den Nachfolgeorganisationen der KPD in der Bundesrepublik Deutschland zusammenarbeitet?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610307800
Diese Frage beantworte ich wie folgt: Politische Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland, die das amerikanische Engagement in Südvietnam besonders heftig bekämpfen, bedienen sich dazu gelegentlich der Hilfe der an den Pariser Vietnam-Verhandlungen teilnehmenden Delegationen des Vietkong und Nordvietnams. Angehörige dieser Delegationen sind wiederholt zu öffentlichen Kundgebungen und anderen gegen die amerikanische Vietnam-Politik gerichteten Veranstaltungen im Bundesgebiet gewesen und dort als Redner aufgetreten. Träger dieser Veranstaltungen und der sie umgebenden Propaganda waren zum Teil kommunistische Organisationen, allerdings auch Gruppen anderer politischer Richtungen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610307900
Eine Zusatzfrage.

Alois Rainer (CSU):
Rede ID: ID0610308000
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, welche andere politischen Gruppen ebenfalls dabei waren?




Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610308100
Her Kollege, ich kann das aus den Unterlagen im Augenblick nicht ersehen, aber ich bin gerne bereit, Ihnen diesen Teil Ihrer Frage schriftlich zu beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610308200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0610308300
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, welche Organisationen dieses eben von Ihnen charakterisierte Material auf welchen Wegen in die Bundesrepublik einschleusen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610308400
Ich nehme an, daß das auf dem normalen postalischen Wege geschehen ist.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0610308500
Können Sie auch etwas über die Organisationen sagen? In der ersten Frage des Kollegen Rainer ist danach gefragt worden.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610308600
Ich habe ja gesagt, ich kann das im Moment nicht konkret feststellen. Aber ich bin gerne bereit, diese Frage schriftlich zu beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610308700
Wir kommen zu Frage 23 des Abgeordneten Rollmann:
War dei Bundesregierung bekannt, daß das Landgericht Hamburg in seinem Urteil vom 5. Mai 1970 im Bergedorfer Brandstifterprozeß die APO-Einstellung der Angeklagten als „Nährboden für ihre Taten", denen die Bergedorfer Hansa-Schule und die Holzhandlung Behr mit einem Gesamtschaden von ca. 2,5 Millionen DM zum Opfer fielen, bezeichnet hat?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610308800
Herr Kollege Rollmann, das noch nicht rechtskräftige Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. Mai 1970 enthält folgende Feststellungen:
Die politische Einstellung der Angeklagten war jedoch der Nährboden für ihre Taten. Ihre Bereitschaft, solche Straftaten zu begehen, damit die Sicherheit der anderen in unverantwortlicher Weise aufs Spiel zu setzen und fremdes Eigentum zu zerstören, ist nach der Überzeugung der Kammer mit aus ihrer oppositionellen Einstellung gegen die Rechtsordnung und die sogenannte etablierte Gesellschaft erwachsen. Nach den Erklärungen aller drei Angeklagten ist in ihren Kreisen die Kritik, die sie an der Gesellschafts- und Rechtsordnung übten, ständig durch „Brandreden" bekräftigt worden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610308900
Eine Zusatzfrage hierzu.

Dr. Klaus Schmid-Burgk (CDU):
Rede ID: ID0610309000
Herr Staatssekretär, war der Bundesregierung bekannt, daß der von ihr in die deutsch-schwedische Kommission zur Demokratisierung von Bildung und Forschung berufene Hamburger Lehrer Alfred Dreckmann, der nach dem Urteil ja zur Bergedorfer Kerngruppe der APO gehört, Mitglied des Kreisvorstandes der DKP in Hamburg-Bergedorf ist?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610309100
Das war meines Wissens der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Berufung nicht bekannt. Ich nehme an, daß Sie dies genau wie ich — erst jetzt durch Zeitungsveröffentlichungen erfahren haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610309200
Jetzt kommt Frage 24 des Herrn Abgeordneten Rollmann:
Welche Verbindungen bestehen zwischen der APO in Hamburg-Bergedorf und der Baader-Mahler-Meinhof-Bande?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610309300
Herr Präsident, diese Frage beantworte ich wie folgt. Der gegenwärtige Stand der Ermittlungen in dem Verfahren gegen die Baader-Mahler-Meinhof-Gruppe verbietet es mir, diese Frage in der Sache so oder so zu beantworten. Ich nehme an, Herr Kollege Rollmann, daß Sie genauso wie die Bundesregierung daran interessiert sind, recht bald zu einem Ergebnis in der Fahndungssache zu kommen, und daß es dem abträglich wäre, diese Frage jetzt hier zu diskutieren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610309400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0610309500
Herr Staatssekretär, ist
Ihnen bekannt, daß in dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. Mai 1970 Formulierungen enthalten sind, die darauf hinweisen, daß Kontakte zwischen der Bergedorfer APO, der der von Ihrer Regierung berufene Lehrer Dreckmann ja angehört, und der Berliner APO bestehen können, und daß in diesem Urteil auch Herr Mahler genannt worden ist?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610309600
Das kann ich im Moment nicht konkret beantworten. Ich werde diese Frage prüfen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610309700
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0610309800
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, ob sich die Bundesregierung bei der Berufung von Mitgliedern für Regierungskommissionen eigentlich nicht davon zu überzeugen pflegt, daß die von ihr berufenen Regierungskommissionsmitglieder auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610309900
Herr Kollege Rollmann, normalerweise würde ich davon ausgehen, daß keine Regierung — egal, wie sie zusammengesetzt ist —

Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
frei von Fehlern sein wird, falls ein solcher Fehler in dieser Sache überhaupt passiert ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610310000
Herr Abgeordneter Hansen zu einer Zusatzfrage.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0610310100
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, dem Kollegen Rollmann mitzuteilen, daß die Berufung von Herrn Dreckmann inzwischen zurückgenommen worden ist?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610310200
Herr Rollmann hat es sicher trotz seiner Unterhaltung zur Kenntnis genommen, Herr Kollege Hansen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610310300
Ich komme damit zu Frage 25 des Abgeordneten Berding:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein seit einiger Zeit ihre einschlägigen Artikel statt bisher in vielfach verwendbaren Flaschen - gegen eine Pfandgebühr — nunmehr in sogenannten Einwegflaschen abgibt und die Kosten dafür ganz auf den Letztverbraucher abgewälzt hat, so daß z. B. für ein Liter Brennsniritus sich der Preis um 64,83 % erhöht het, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Maßnahme?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610310400
Herr Kollege Berding, im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen beantworte ich Ihre Frage wie folgt.
Die Bundesregierung ist darüber unterrichtet, daß die Bundesmonopolverwaltung Brennspiritus seit dem 1. Juli 1970 nicht mehr in Pfandflaschen, sondern in Einwegglasflaschen vertreibt. Das seitherige Vertriebssystem hat sich als unrationell erwiesen, nachdem zuletzt 15 % der Flaschen nicht- mehr zurückgegeben wurden. Bei der Umstellung spielte auch der Wegfall von Reinigungs-, Rückfracht- und Lagerkosten des Leergutes eine Rolle.
Trotz des Rationalisierungseffektes war eine Preiserhöhung nicht mehr zu umgehen. Der Verbraucherpreis war, abgesehen von einer Erhöhung um 1 Pfennig wegen Erhöhung der Umsatzsteuer von 10 auf 11 % seit dem 15. November 1955 praktisch unverändert geblieben, obwohl die preisbestimmenden Kasten für den Rohstoff, die Lagerhaltung, den Transport und das Personal erheblich gestiegen sind. Der Verbraucherpreis war daher seit langem nicht mehr kostendeckend. In dem neuen Preis ist ein Gewinn der Monopolverwaltung für Brennspiritus nicht enthalten. Mit der Preiserhöhung werden nur die Selbstkosten gedeckt. Von den Gesamtkosten in Höhe von 1,50 DM je Ein-Liter-Flasche Brennspiritus entfallen 0,41 DM auf anteilige Kosten für die Einwegflasche.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610310500
Eine Zusatzfrage.

Franz Berding (CDU):
Rede ID: ID0610310600
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß der Letztverbraucher deshalb in einer besonders schwierigen Lage ist, weil es bei der Preisgestaltung durch einen Monopolbetrieb nicht möglich ist, auf einen konkurrierenden Betrieb auszuweichen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610310700
Ich bin nicht dieser Meinung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610310800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Berding auf:
Wird die Bundesregierung bei ihren Überlegungen für den Umweltschutz, Hersteller von Einwegflaschen zu einer Abgabe zur Beseitigung des von ihnen verursachten „Müllanfalls" heranzuziehen, mich die Monopolbetriebe der öffentlichen Hand mit einzubeziehen und vor allem dafür Sorge tragen, daß nicht letzten Endes doch der Endverbraucher die Kosten allein tragen muß?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610310900
Die Bundesregierung wird Ihre Vorschläge in die Überlegungen zur Lösung des Problems der Beseitigung von Einwegflaschen mit einbeziehen. Sie wird zu dieser Frage ausführlich im Rahmen des angekündigten Programms zum Schutz und zur Gestaltung der Umwelt Stellung nehmen. Ohne die zu treffende Regelung vorwegzunehmen, möchte ich betonen, daß ich das von Ihnen angeschnittene Problem als ernst ansehe. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Beantwortung der mündlichen Anfrage des Herrn Abgeordneten Hansen in der 91. Sitzung am 21. Januar 1971 sowie auf die schriftliche Antwort auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher in der 69. Sitzung vom 7. Oktober 1970 hinweisen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610311000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt (Braunschweig).

Walter Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0610311100
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß das Problem der täglich in großen Massen als Abfall anfallenden Einwegflaschen im Zusammenhang mit der Frage eines umfassenden Umweltschutzes umgehend gelöst werden muß? Wir haben uns doch in diesem Hause schon wiederholt mit diesem Problem beschäftigen müssen.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0610311200
Die Bundesregierung hat bisher keine andere Meinung geäußert als die, die Sie vorgetragen haben. Aber Sie wissen auch um die Schwierigkeit des Zustandekommens einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Das Verhältnis von Bund und Ländern in diesem Bereich ist noch nicht abschließend geregelt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610311300
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Sie werden von Herrn Staatssekretär Dr. Auerbach beantwortet.
Ich rufe zunächst die Frage 36 der Abgeordneten Frau Kalinke auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß zahlreiche Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (RVO-Kassen und Ersatzkassen) anläßlich der Öffnung der gesetzlichen Krankenversicherung für höherverdienende, bisher nicht sozialversicherte Angestellte durch das 2. Krankenversicherungsänderungsgesetz potentiellen Mitgliedern mündlich und schriftlich die Gewährung von Kostenerstattung für privatärztliche ambulante Behandlung in Aussicht stellen?



Vizepräsident Dr. Jaeger
Die Fragestellerin ist nicht im Saal. - Entschuldigung, daß ich Sie übersehen habe.

(Heiterkeit und Zurufe.)

Herr Staatssekretär, darf ich bitten, die Frage 36 der Frau Abgeordneten Kalinke zu beantworten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610311400
Ich bitte um die Erlaubnis, Herr Präsident, die Fragen 36 und 37 gemeinsam zu beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610311500
Ich rufe ferner die frage 37 der Abgeordneten Frau Kalinke auf:
Halt die Bundesregierung die Gewährung von Kostenerstattung für vereinbar mit dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 225 RVO, und dürfen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung — außer in Notfällen — über haupt Vertragssätze erstatten und sogar das Mehrfache dieser Vertragssätze im Wettbewerb anbieten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610311600
Der Bundesregierung ist bekannt, daß einzelne RVO-Krankenkassen Versicherten u. a. anbieten, allgemein die bei Inanspruchnahme von privatärztlicher Behandlung entstehenden Kosten ganz oder teilweise zu erstatten.
Sofort nach Bekanntwerden dieser Vorgänge habe ich ein Fernschreiben an die zuständigen Aufsichtsbehörden gerichtet und gegen ein solches Verfahren rechtlich begründete Bedenken geäußert. Ich wiederhole den Schlußsatz meines Fernschreibens, damit deutlich wird, welche Rechtsauffassung ich gegenüber den Aufsichtsbehörden vertreten habe. Es heißt dort:
Nach geltendem Recht ist kein Fall denkbar, in dem die Krankenkasse berechtigt ist, an Stelle der freien ärztlichen Behandlung dem Versicherten seine Aufwendungen für die private Inanspruchnahme eines Arztes zu erstatten, und kein Fall, in dem der Versicherte Anspruch auf Ersatz für seine Aufwendungen geltend machen kann.
In meinem Fernschreiben habe ich die Aufsichtsbehörde um Mitteilung gebeten, ob sie sich meiner Auffassung anschließen und welche Aufsichtsmaßnahmen sie für angezeigt halten, um die ihrer Aufsicht unterstellten Krankenkassen zur Erbringung der ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise anzuhalten.
Bisher liegen drei Äußerungen von Aufsichtsbehörden vor. Übereinstimmend haben die Arbeits-und Sozialbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, der Niedersächsische Sozialminister und der Minister für Arbeit, Soziales und Vertriebene des Landes Schleswig-Holstein mitgeteilt, daß sie die dargestellte Rechtsauffassung teilen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610311700
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kalinke.
Frau Kalinke (CDU; CSU) : Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Aufklärung. Hält es das Arbeitsministerium für angebracht, in seiner Öffentlichkeitsarbeit zur gegebenen Zeit, d. h. möglichst noch vor dem 31. März, auch auf diese Sachlage hinzuweisen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610311800
Vorgestern hat eine Besprechung mit den Bundesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen stattgefunden, in der noch einmal über den Umfang möglicher Erstattungen diskutiert worden ist. Wir beabsichtigen, auch mit den Vertretern der Länder bis Mitte dieses Monats noch ein abschließendes Gespräch zu führen. Ich nehme nicht an, daß noch nennenswerte Schwierigkeiten entstehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610311900
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen dann zu der Frage 38 des Abgeordneten Dr. Slotta. — Er ist nicht im Saal. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 39 des Abgeordneten Wawrzik auf:
Treffen Meldungen zu, wonach die Bundesregierung überlegt, den bisherigen dreijährigen Zeitraum für die Anpassung der Renten auf zwei Jahre zu verkürzen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610312000
Ich möchte die beiden Fragen des Abgeordneten Wawrzik zusammen beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610312100
Bitte sehr! Dann I rufe ich noch die Frage 40 des Abgeordneten Wawrzik auf:
Welche Aufwendungen wären für eine solche Maßnahme erforderlich?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610312200
Die Meldungen treffen nicht zu. Die Beantwortung der Frage nach den etwaigen Aufwendungen würde umfangreiche Berechnungen voraussetzen, die zur Zeit wegen dringender anderer Arbeiten nicht vorgenommen werden können. Vielleicht wird der Computer in vier Wochen frei sein.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610312300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wawrzik.

Kurt Wawrzik (CDU):
Rede ID: ID0610312400
Sie stellen fest, daß diese Meldungen nicht zutreffen. Haben Sie eine Erklärung dafür, wie ein im allgemeinen gut, wenn auch nicht immer richtig informiertes Mitglied dieses Hauses dazu kommt, diese Maßnahmen anzukündigen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610312500
Herr Abgeordneter, es ist außerordentlich schwierig, zu raten, welche der nicht ganz zuverlässigen Informationsquellen, die es neben den zuverlässigen Informationsquellen gibt, von einem Abgeordneten des Hauses gelesen und für zuverlässig gehalten werden.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610312600
Herr Härzschel zu einer Zusatzfrage.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0610312700
Herr Staatssekretär, kann ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß die Bundesregierung aus finanziellen Erwägungen auch in Zukunft nicht daran denkt, diesen Modus zu ändern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610312800
Nein, für die Zukunft kann man überhaupt nichts voraussagen, da wir wissen, daß sich die Finanzen der Rentenversicherung mit dem Annähern und Überschreiten des Hochplateaus, wie man es jetzt zu nennen pflegt, des Rentenbergs vollkommen verändern werden. Für diese Zeit kann niemand voraussagen, welche Möglichkeiten der Gesetzgeber dann ins Auge fassen will. Wir sind dabei, in der Zwischenzeit genau durchzurechnen, welche finanziellen Auswirkungen die gemachten Vorschläge haben werden. Zur Zeit haben wir gar nicht die Möglichkeit, noch größere Rechenvorhaben in Angriff zu nehmen. In der Frage des Ob ist keine Entscheidung gefallen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610312900
Keine Zusatzfrage mehr.
Wir kommen zu den Fragen 41 und 42 des Abgeordneten Bredl. Der Abgeordnete hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Pawelczyk auf:
Wie viele bundeseigene und mit Bundesdarlehen geförderte Wohnungen sind z. Z. mit Bundeswehrangehörigen besetzt?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610313000
Herr Präsident, Herr Kollege, ich bitte die Fragen 43 und 44 im Zusammenhang beantworten zu dürfen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610313100
Bitte sehr! Dann rufe ich noch die Frage 44 des Abgeordneten Pawelczyk auf:
Wie viele dieser Wohnungen werden von Pensionären bewohnt?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610313200
136 938 zweckbestimmte Wohnungen sind zur Zeit von aktiven oder im Ruhestand befindlichen Bundeswehrangehörigen besetzt. Von diesen Wohnungen sind zur Zeit 10 786 Wohnungen von Pensionären bewohnt. Es kann davon ausgegangen werden, daß jährlich etwa 300 Pensionäre ein Eigenheim beziehen, so daß eine entsprechende Anzahl zweckbestimmter Wohnungen frei wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610313300
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Pawelczyk.

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0610313400
Herr Staatssekretär, wie viele der von Pensionären besetzten Wohnungen sind inzwischen infolge Änderung der Familienverhältnisse fehlbesetzt?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610313500
Die Gesamtzahl der Wohnungen, die Sie als fehlbelegt bezeichnen — schließlich und endlich ist die Belegung einer Wohnung durch eine Pensionärsfamilie nicht eine Fehlbelegung, sondern eine Försorgemaßnahme für den im Ruhestand befindlichen Beamten oder Soldaten —, ist nicht genau bekannt. Es wird aber geschätzt, daß etwa 10 bis 20 % der rund 10 000 Wohnungen durch Pensionäre bewohnt werden, wobei man vielleicht von unterbelegten Wohnungen sprechen könnte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610313600
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Pawelczyk.

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0610313700
Sind Maßnahmen vorgesehen, um diesen Zustand zu beseitigen? Wenn ja, welche?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610313800
Zur Zeit besteht noch eine allgemeine Verwaltungspraxis, nach der bei unterbelegten Wohnungen keine Kündigungen eingeleitet werden. Im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung sollen künftig abweichend von dieser Verwaltungspraxis, die ganz allgemein und nicht nur in unserem Bereich gilt, folgende Voraussetzungen für eine Kündigung angenommen werden, sofern Wohnungen unterbelegt sind: 1. wenn die Wohnung mindestens um zwei Zimmer größer ist, als man es bei einer familiengerechten Belegung erwartet, 2. wenn die Wohnung dringend für eine größere Familie benötigt wird und 3. dem Wohnungsinhaber überhaupt eine kleinere Wohnung angeboten werden kann, so daß man man ihn zum Umzug auffordern kann. Ein entsprechender Erlaß ist in Vorbereitung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610313900
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Pawelczyk.

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0610314000
Interpretiere ich Ihre Antwort richtig, wenn ich annehme, daß damit z. B. Probleme, die im Standort Hamburg vorhanden sind, nun bewältigt werden können? Dort sind von 315 Wohnungen, die von Pensionären besetzt sind, etwa 50 in diesem Sinne fehlbelegt. Das hat zur Konsequenz, daß nach Hamburg versetzte — —

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610314100
Herr Abgeordneter, bitte halten Sie keinen Vortrag, sondern stellen Sie eine Frage!

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0610314200
Das hat also zur Konsequenz, daß nach Hamburg versetzte Bundeswehrangehörige mit größeren Familien wegen dieser Fehlbelegung ihre Familien nicht nachholen können. Wird dieser Zustand damit beendet?




Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610314300
Herr Kollege Pawelczyk, die Verhältnisse in Hamburg sind mir natürlich bekannt, da mein Wahlkreis in Hamburg liegt und ich als Abgeordneter mit diesen Fragen ständig beschäftigt bin. Hier ist die Situation besonders schwierig. Ich scheue mich, Ihnen zu sagen, daß damit der Zustand beseitigt wird. Der Fehlbestand an Wohnungen in Hamburg ist nämlich so groß, daß wir selbst bei voller Durchführung dieser Maßnahme in Hamburg noch über eine Reihe von Jahren in einem Engpaß verbleiben müssen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610314400
Zur letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Pawelczyk.

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0610314500
Herr Staatssekretär, wird also in Zukunft von dieser Bestimmung sehr eng Gebrauch gemacht, so daß Fehlbesetzungen korrigiert werden?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610314600
Herr Kollege, ich bin mit Eigenschaftswörtern vorsichtig. Wir werden von der Bestimmung Gebrauch machen. Ich sage nicht, daß wir davon sehr eng oder sehr weit Gebrauch machen; denn ich bin sicher, daß ich dann in einem oder in einem halben Jahr mit Ihnen hier in der Fragestunde konfrontiert werde und Sie mich fragen, was die Bundesregierung unter „eng" oder „weit" versteht. Wir werden von der Bestimmung Gebrauch machen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610314700
Ich rufe die Frage 45 des Abgeordneten Würtz auf:
In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung die Öffentlichkeitsarbeit der Kompanien und Staffeln der Bundeswehr —z. B. bei Patenschaften -- finanziell zu unterstützen?
Bitte sehr!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610314800
Herr Kollege, die Bundesregierung unterstützt seit langem die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr. Im Jahre 1971 stehen Haushaltsmittel von 500 000 DM aus dem Haushaltsplan des Bundespresseamts für diese Zwecke zur Verfügung. Zu den Vorhaben der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr zählen Tage der offenen Tür, Informationsbesuche von Besuchergruppen bei der Truppe, Vortragsveranstaltungen, Pressetagungen und Führungen von Journalisten innerhalb der Einrichtungen und Standorte der Bundeswehr und anderes mehr. Finanziell unterstützt werden auch die Patenschaften zwischen Truppe, Ländern, Städten und Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610314900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0610315000
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, angesichts der wachsenden Bedeutung von Patenschaften bei Einheiten der Bundeswehr höhere Zuschüsse vorzusehen?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610315100
Für diese Zwecke, Herr Kollege Josten?
Josten (CDU, CSU) : Für diese Zwecke.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610315200
Herr Kollege Josten, wir werden das prüfen. Sie selbst sind langjähriges Mitglied dieses Hauses und wissen, daß die Mittel insbesondere im Einzelplan 14 angespannt sind. Wir haben die Pflicht, sie sorgfältig im Sinne der Bundeshaushaltsordnung zu verwenden. Wir werden das prüfen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610315300
Wir kommen zur Frage 46 des Abgeordneten Krall:
Ist die Bundesregierung bereit, die Soldatenlaufbahnverordnung dahin gehend zu erweitern, daß sie die Laufbahn der Laufbahngruppe der Unteroffiziere um eine Laufbahn der Unteroffiziere des technischen Dienstes ergänzt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610315400
Herr Kollege, im Weißbuch 1970 wurde eine Neubewertung und Klassifizierung der militärischen Funktionen angekündigt. Dabei sollen unter anderem in sich zusammenhängende und einander ergänzende Funktionen zu fachbetonten Verwendungsreihen zusammengefaßt werden. Ob das Ziel, die technischen Spezialisten in den Streitkräften funktionsgerecht einzusetzen, über die Schaffung einer neuen Laufbahn erreicht wird oder ob es zweckmäßiger ist, geeignete Verwendungsreihen innerhalb der bestehenden Laufbahnen zu bilden, müssen die Untersuchungen der damit zur Zeit befaßten Personalstrukturkommission ergeben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610315500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krall.

Lothar Krall (FDP):
Rede ID: ID0610315600
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es bei Bahn und Post mittlere Laufbahnen des technischen Dienstes gibt und daß die An- gehörigen dieser Laufbahnen teilweise gleiche Funktionen wie Soldaten ausüben und besser besoldet werden als die Soldaten in vergleichbarer Verwendung?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610315700
Herr Kollege Krall, das ist mir natürlich bekannt. „Besser besoldet" ist jedoch falsch. Sie erhalten vielmehr eine Zulage, die sie als graduierte Ingenieure oder als Techniker erhalten, je nachdem, in welcher Funktion sie sind.
Sie müssen aber wissen, Herr Kollege Krall, daß ein Soldat darüber hinaus auch in anderen Funktionen einsetzbar ist. Er wird nicht ausgesprochen als graduierter Ingenieur oder als Techniker verwendet, sondern er wird als Soldat eingesetzt. Sie selbst sind ja an einer Kommission beteiligt gewesen -ich habe jedenfalls die Unterschrift des Abgeordne-



Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
ten Krall unter einem Papier gesehen —, in der alle diese Dinge beraten wurden. Sie selbst hatten Gelegenheit, ihren Parlamentskollegen klarzumachen, welche Schwierigkeiten Soldaten in technischen Funktionen insbesondere bei der Bewertung der Zulagen machen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610315800
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Krall.

Lothar Krall (FDP):
Rede ID: ID0610315900
Das hat mich gerade zu dieser Frage veranlaßt, denn auf meine Frage in der Kommission, warum Soldaten diese Zulage nicht bekommen, habe ich die Antwort erhalten, daß es eben diese Laufbahn nicht gibt, während es für die vorhin Erwähnten bei Bahn und Post eine Sonderlaufbahn des technischen Dienstes gibt.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610316000
Herr Kollege Krall, bei Bahn und Post ist in der Regel der graduierte Ingenieur, der eingestellt wird, bereits graduiert, d. h. er hat sich auf Kosten seines Vaters oder mit Hilfe der vorhandenen Studienmodelle diesen Grad erworben. In der Bundeswehr — bei den Soldaten, nicht bei den Beamten — ist die Regel, daß der Soldat während der Dienstzeit unter Beibehaltung des erworbenen Dienstgrades - in der Regel Leutnant oder Oberleutnant — dieses Studium unter Fortzahlung der Bezüge auf Kosten der Bundeswehr erhält. Das ist der Grund, weshalb diese Zulage Soldaten nicht gewährt werden kann.

(Abg. Krall meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610316100
Nein, mit zwei Zusatzfragen ist ihr Maß voll.
Hat sonst jemand eine Zusatzfrage? Das ist
nicht der Fall.
Ich komme zur Frage 47 des Abgeordneten Storm:
Welche Erfahrungen liegen der Bundesregierung hinsichtlich des Betreibens bestehender Soldatenheime voi?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610316200
Herr Kollege, gestatten Sie, daß ich die Fragen 47 und 48 gemeinsam beantworte?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610316300
Fragen 47 und 48 gemeinsam, bitte sehr. Ich rufe dann auch noch die Frage 48 des Abgeordneten Storm auf:
Welche Planungen verfolgt die Bundesregierung hinsichtlich der Errichtung von neuen und des Betreibens bestehender Soldatenheime für die Zeit bis 1975?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610316400
Um Mißverständnissen vorzubeugen, darf ich zunächst klarstellen, daß die Soldatenheime von der Evangelischen und der. Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung betrieben und bewirtschaftet werden und nicht etwa, wie einige Leute meinen,
von der Bundesregierung. Die Soldatenheime werden aber weitgehend mit Darlehen der Bundesregierung finanziert, die auf diesem Wege auch Einfluß auf die Planung dieser Heime nimmt. Nach den bisherigen Erfahrungen haben sich diese Soldatenheime bewährt. Sie sind, wie beabsichtigt, zu einer Stätte der Begegnung zwischen der Bundeswehr und der Bevölkerung des Garnisonsortes geworden. Sie erleichtern damit sowohl den jungen wehrpflichtigen Soldaten als auch den Familien der Zeit- und Berufssoldaten das Einleben in den Standort. Es ist beabsichtigt, möglichst rasch weitere Soldatenheime in d e n Standorten zu errichten, die eine besondere Betreuung der Soldaten auch in der Freizeit erfordern. Da die bisherigen Trägerverbände, die Katholische und die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung e. V., zusammen nur jährlich zehn bis zwölf neue Heime errichten und in Betrieb nehmen können, wird versucht, durch das Gewinnen weiterer Heimträger die Durchführung des Soldatenheimbauprogramms zu beschleunigen. Bisher sind 51 Soldatenheime in Betrieb, 21 sind im Bau oder stehen kurz vor Baubeginn, 2 von diesen Heimen sind Ersatzbauten für Behelfsheime. Der Bau weiterer 67 Heime ist für 1971 bis 1976 geplant. In diesen 67 Heimen sind 3 Ersatzbauten enthalten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610316500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Storm.

Friedrich-Karl Storm (CDU):
Rede ID: ID0610316600
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Äußerungen bekanntgeworden, daß bestehende Soldatenheime aufgelöst werden sollen?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610316700
Herr Kollege Storm, mir sind solche Äußerungen nicht bekanntgeworden. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich in einem Brief oder in einem Gespräch wissen ließen, welcher Ort oder Standort davon betroffen sein soll. Ich werde die Sache dann prüfen und Ihnen eine Antwort geben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610316800
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Storm.

Friedrich-Karl Storm (CDU):
Rede ID: ID0610316900
Herr Staatssekretär, können Sie mir - vielleicht auch schriftlich — mitteilen, welche Planungen für Schleswig-Holstein vorgesehen sind?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0610317000
Ich habe die gesamte Planung hier vor mir liegen. Ich kann aber das, was für Schleswig-Holstein geplant ist, jetzt nicht so schnell aus den 67 Objekten heraussuchen. Ich werde Sie schriftlich informieren, Herr Kollege Storm.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610317100
Noch eine Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir stehen am Ende der heutigen Fragestunde.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 74 GG - Tierschutz)

Drucksache VI/ 1010 —
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (5. Ausschuß)

— Drucksache VI/1584 —
Berichterstatter: Abgeordneter von Thadden Abgeordneter Dr. Schmude

(Erste Beratung 72. Sitzung)

Der Berichterstatter Abgeordneter von Thadden wünscht den Schriftlichen Bericht zu ergänzen.
Ich erteile ihm das Wort.

Franz-Lorenz von Thadden (CDU):
Rede ID: ID0610317200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf gibt mir Veranlassung, eine Sorge auszusprechen, die von nicht wenigen Mitgliedern des Rechtsausschusses, und zwar quer durch die Fraktionen hindurch, geteilt wird, die Sorge nämlich, es könnte sich bei uns eine Praxis einschleichen, die aus dem Grundgesetz eine mehr und mehr zerfleddernde Sammlung von vielen Einzelvorschriften macht. Ich lege uns die Frage vor, wie es dazu kommen konnte, daß in den ersten Legislaturperioden des Bundestages ungefähr jedes Jahr einmal eine Grundgesetzänderung verabschiedet wurde. Im Jahre 1969 mußten wir aber schon erleben, daß Änderungen des Grundgesetzes bereits monatlich erfolgten. Heute haben wir die Besonderheit, daß gleich zwei Änderungen unseres Grundgesetzes auf der Tagesordnung stehen.
Zwar wird niemand von uns die Ansicht vertreten, das Grundgesetz sei so sakrosankt, daß es niemals und von keinem geändert werden kann. Aber es sollte ein Unterschied zwischen der Einstellung zu einer x-beliebigen Durchführungsverordnung zu einem Gesetz, die beliebig oft geändert werden kann, und unserer Einstellung zur Verfassung bestehen.
Aus diesem Grund bitte ich zu prüfen, ob nicht in Zukunft Wünsche zur Änderung des Grundgesetzes zunächst an die Enquete-Kommission, die sich mit der grundsätzlichen Prüfung beschäftigt, herangetragen werden sollten.
Wenn wir uns gemeinsam hier zu einer solchen Überprüfung entschließen, meine Damen und Herren, werden wir zu dem Ergebnis kommen, daß man zu der heutigen Änderung des Grundgesetzes ja sagen kann, weil es uns allen, auch denjenigen, die wegen der zu häufigen Grundgesetzänderungen Sorgen haben, darum geht, der leidenden Kreatur, soweit es von uns Menschen abhängt, zu helfen.
Aus diesem Grunde sagen wir ja zu dieser Änderung des Grundgesetzes. Wir richten aber noch einmal die Bitte an das Hohe Haus, zu prüfen: Wie halten wir es mit dem Grundgesetz?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610317300
Herr Abgeordneter Dr. Schmude, wünschen Sie das Wort als Berichterstatter?

(Abg. Dr. Schmude: Zur Aussprache!)

- Zur Aussprache! Das ist mir falsch gesagt worden. Entschuldigen Sie!
Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. I, II sowie Einleitung und Überschrift auf. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
'dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0610317400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU begrüßt es, daß wir heute mit der Verabschiedung dieser Grundgesetzänderung im Deutschen Bundestag in unserem Kampf für ein neues deutsches Tierschutzgesetz eine wichtige Hürde nehmen. In der 4. und 5. Legislaturperiode sind Gesetzentwürfe aus der Mitte dieses Hauses für ein neues Tierschutzgesetz daran gescheitert, daß es dem Bund an einer klaren und umfassenden Gesetzgebungszuständigkeit gefehlt hat. Diese Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes wird durch diese Grundgesetzänderung, für die wir auch die Zustimmung des Bundesrates erwarten dürfen, nunmehr geschaffen. Wir wünschen von der Bundesregierung jetzt die baldige Vorlage des Entwurfs eines neuen Tierschutzgesetzes, damit das neue deutsche Tierschutzgesetz noch in dieser Legislaturperiode Wirklichkeit werden kann. So wie die Bundestagsfraktion der CDU/CSU an dieser Grundgesetzänderung mitgearbeitet hat, werden wir auch bemüht sein, gemeinsam mit der Bundesregierung und den anderen Bundestagsfraktionen ein modernes, fortschrittliches deutsches Tierschutzgesetz in dieser Legislaturperiode zu schaffen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610317500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmude.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0610317600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion bitte ich um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz.
Es ist hier schon angedeutet worden, daß die Bemühungen des Bundestages in der 4. und 5. Legislaturperiode um eine umfassende Neuregelung des Tierschutzrechts gescheitert sind, als sich in der vorigen Legislaturperiode endgültig herausstellte, daß die Gesetzgebungskompetenz des Bundes hierzu nicht ausreichte. Wegen der damals vergeblich aufgewendeten Arbeit ist mancher Abgeordnete über diesen Ausgang verbittert gewesen. So ist die



Dr. Schmude
Entschließung dieses Hauses vorn 2. Juli 1969, die Bundesregierung möge ein neues Tierschutzgesetz vorlegen, nicht nur mit positiven Erwartungen begleitet worden.
Die jetzige Bundesregierung hat ihre ernsthafte Absicht, dieser Entschließung nachzukommen, bereits in der Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht. Das ist am 28. Oktober 1969 hier nicht nur mit Zustimmung aufgenommen worden, sondern hat dem Bundeskanzler auch kritische Zurufe aus den Reihen der Opposition eingebracht. Wir freuen uns, heute in diesem Bereich die Übereinstimmung aller Fraktionen feststellen zu können. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf schon so bald vorgelegt hat. Mit seiner Annahme werden die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß eines neuen Tierschutzgesetzes geschaffen sein, das im Entwurf bereits seit Mitte vergangenen Jahres fertig ist.
Die Notwendigkeit bundeseinheitlicher Regelung des Tierschutzes ist hier mehrfach erläutert worden. Sie hat sich vor allem aus drängenden Fragen der modernen Tierhaltung und der Tierversuche ergeben, die bisher der unterschiedlichen Behandlung durch die Landesgesetzgeber überlassen blieben.
Es sind aber auch Bedenken dagegen vorgebracht worden, aus diesem Grunde eine gesetzgeberische Maßnahme vom Rang und der Bedeutung einer Grundgesetzänderung vorzunehmen. Sie haben diese Bedenken auch aus dem Bericht des Herrn Berichterstatters von Thadden gehört. Diesen Bedenken wäre meines Erachtens selbst dann nicht zu folgen, wenn man dem Anliegen der Modernisierung des Tierschutzrechts besonderes Gewicht nicht zubilligen wollte. Der Text unseres über 20 Jahre alten Grundgesetzes ist bisher noch niemals als unantastbar behandelt worden, wenn es galt, geänderten Verhältnissen und neuen Einsichten Rechnung zu tragen. Vielfältige Grundgesetzänderungen mit zum Teil erheblichem Gewicht in der Sache beweisen das.
Um so leichter sollte es fallen, die Einbeziehung des Tierschutzes in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes zu akzeptieren. Hier sind die Auswirkungen eng begrenzt und gut überschaubar.

(Unruhe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610317700
Meine Damen und Herren, Sie werden gemerkt haben, daß am Mikrophon ein mir nicht bekannter Fehler ist, der behoben werden soll, aber im Augenblick nicht ganz behoben ist. Erleichtern Sie doch dem Redner das Reden, indem Sie jetzt besonders ruhig sind!

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0610317800
Vielen Dank, Herr Präsident.
Zudem wird das Gewicht dieser Änderung weiter gemildert durch die Erwägung, daß der Verfassungsgesetzgeber 1949 vermutlich nicht die Absicht gehabt hat, dem Bund die Zuständigkeit für das Tierschutzrecht vorzuenthalten. Sie werden sich erinnern, daß sich diese Erkenntnis der verfassungsrechtlichen Situation erst in der vorigen Legislatur-
periode durchgesetzt hat, nachdem auf die Sache selbst bereits erhebliche Arbeit verwandt worden ist.
Geringschätzung des Tierschutzes ist darüber hinaus nicht angebracht. Wir sind in diesem Bereich heute weniger denn je auf Vermutungen oder gefühlsbestimmte Einschätzungen angewiesen. Die Verhaltensforschung hat zu konkreten Ergebnissen geführt, die eine zuverlässige Grundlage für bestimmte Tierschutzregelungen bieten und darüber hinaus in gewissem Umfang psychische Gleichartigkeiten zwischen Mensch und Tier aufgezeigt haben. Die zuweilen von Emotionen geprägte und in der Form polemische Vertretung des Tierschutzgedankens durch seine Anhänger kann nicht rechtfertigen und darf uns nicht verleiten, in diesem Bereich unsere Aufgabe anders als mit der gebotenen Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit wahrzunehmen. Verschiedentlich anzutreffende historische Reminiszenzen, die eine Verbindung zwischen dem 1933 erfolgten Erlaß des jetzigen Tierschutzgesetzes und der gleichzeitig einsetzenden Abwertung des Menschen durch das nationalsozialistische Regime herstellen, wären kein sachlicher Beitrag zu unserem Vorhaben.

(Anhaltende Unruhe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610317900
Meine Damen und Herren, das Mikrophon hat sich zwar gebessert, aber die Zwischengespräche sind auch wieder sehr viel lauter geworden. Bitte, verlegen Sie die Gespräche hinaus in die Vorhallen und geben Sie dem Redner die Möglichkeit, seine Gedanken zu Ende zu führen!

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0610318000
Schon einmal ist an dieser Stelle, und zwar von dem Abgeordneten Büttner bei der Einbringung eines Tierschutzgesetzentwurfs am 12. Oktober 1966, ein Wort Fritz Erlers, des früheren Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, verlesen worden, das ich zum Schluß meiner Ausführungen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten noch einmal zitieren möchte:
Wie in einem Volk die Menschen miteinander und wie sie mit den Tieren umgehen, ob sie bereit sind, Menschen und Tiere, unsere Mitgeschöpfe, vor Grausamkeiten und Leiden zu bewahren, das ist Ausdruck der Humanität und der Kulturstufe eines Volkes. Tierschutz und Verachtung von Menschen anderen Glaubens, anderer Überzeugung oder aus anderen Völkern sollten genauso unvereinbar miteinander sein wie Hilfe für notleidende Menschen und Gedankenlosigkeit oder gar Grausamkeit gegenüber Tieren. Darum kann der Schutz der Tiere nicht nur Aufgabe einzelner sein. Parteien und Parlamentarier haben die Pflicht, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um an der Aufklärung der Bevölkerung und an der Schaffung geeigneter Gesetze mitzuwirken.
Meine Damen und Herren, auf diesem Wege wird uns die Annahme des heute behandelten Gesetzentwurfs ein gutes Stück weiterbringen.

(Beifall.)





Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610318100
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0610318200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Herren Vorredner haben die humanitären — oder soll man sagen: animalischen — Gesichtspunkte schon herausgestellt, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Ich möchte auf einen ökonomischen Gesichtspunkt hinweisen. Der Tierschutz ist keine Frage der Sentimentalität, sondern hat eine tiefgreifende wirtschaftliche Bedeutung für unsere Landwirtschaft, für unsere Veredelungswirtschaft. Es wäre im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung einer demnächst zu treffenden gesetzlichen Regelung geradezu unerträglich, wenn Unterschiede in einzelnen Ländern des Bundes gemacht würden. Deshalb sind wir der Meinung, daß gerade auch — ich sage ausdrücklich: auch — wegen dieser wirtschaftlichen Gesichtspunkte und der notwendigen Wettbewerbsgleichheit zwischen allen Betroffenen eine bundeseinheitliche Regelung unabweisbar notwendig ist.
Ich hoffe im übrigen, daß die Einheit, die das Haus hier offenbar — entgegen allem äußeren Anschein — bei der Verabschiedung der Grundgesetzänderung wieder einmal hat, sich bei der Verabschiedung des in Aussicht stehenden Tierschutzgesetzes, also bei der praktischen Auswertung der jetzt angestrebten Kompetenz, genauso überzeugend erweisen wird, zum Nutzen aller Betroffenen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610318300
Wird in der Aussprache in dritter Beratung noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Zur Abstimmung erteile ich dem Abgeordneten Dr. Arndt das Wort.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0610318400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! § 59 der Geschäftsordnung unseres Hauses sieht vor, daß jedes Mitglied des Bundestages zu allen Abstimmungen, die die Beratung eines Gegenstandes abschließen, eine kurze mündliche oder schriftliche Erklärung abgeben kann. Die schriftliche Erklärung ist dann in den Stenographischen Bericht aufzunehmen. Ich mache Gebrauch von der zweiten Alternative und gestatte mir, Ihnen, Herr Präsident, hiermit eine solche Erklärung nach § 59 der Geschäftsordnung zu überreichen mit der Bitte, sie in das Protokoll aufzunehmen.)

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610318500
Noch eine Erklärung zur Abstimmung? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Schlußabstimmung. Nach Art. 79 GG bedarf ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Nach § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung hat der Präsident, wenn für
Siehe Anlage 3
einen Beschluß die Zustimmung einer bestimmten Mitgliederzahl erforderlich ist, festzustellen, daß die Zustimmung der erforderlichen Mehrheit vorliegt. Da namentliche Abstimmung nicht beantragt ist, geschieht die Feststellung durch Auszahlung.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, den Saal zu verlassen und die Schlußabstimmung in dritter Beratung über den vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes durch Auszählung vorzunehmen.
Meine Damen und Herren, ich darf das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung bekanntgeben. An der Abstimmung haben sich 442 voll stimmberechtigte Mitglieder des Hauses beteiligt. Davon haben mit .Ja 428 gestimmt, mit Nein 7; enthalten haben sich 7.
Von den Berliner Abgeordneten haben 16 abgestimmt, davon 15 mit Ja und einer mit Nein; enthalten hat sich keiner.
Die erforderliche Zweidrittelmehrheit der stimmberechtigten Mitglieder des Bundestages beträgt 331 Stimmen; sie ist mit 428 Stimmen weit überschritten. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.
Die Fraktion der CDU/CSU bittet um eine Unterbrechung von einer halben Stunde für eine Fraktionssitzung. Wird dem widersprochen? — Das ist nicht der Fall. Ich unterbreche die Sitzung bis 11.05 Uhr.

(Unterbrechung von 10.36 bis 11.20 Uhr.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610318600
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Rasner das Wort.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0610318700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Punkte 3 und 4 der heutigen Tagesordnung für eine begrenzte Zeit zurückzustellen. Der Innenausschuß berät noch über den Punkt 4. Meine Fraktion hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß zwischen der Sacheinigung in Punkt 4 und der Verabschiedung von Punkt 3 ein politischer Zusammenhang besteht.
Ich schlage vor, Herr Präsident, daß wir jetzt mit Punkt 5 fortfahren. Punkt 6 kann noch nicht beraten werden, wir könnten dann die Beratung ab Punkt 7 fortlaufend fortsetzen. Über einen Zeitpunkt, zu dem die Abstimmung über die Grundgesetzänderung vorgenommen werden soll, werden wir uns noch interfraktionell verständigen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610318800
Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner für die Fraktion der CDU/CSU gehört. Ich nehme an, daß das Haus darin übereinstimmt, daß wir zunächst die Beratung der Punkte 3 und 4 der heutigen Tagesordnung zurückstellen.
Soweit ich es übersehe, können wir jetzt mit dem Punkt 5 der Tagesordnung fortfahren. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Zuwiderhandlungen gegen weinrechtliche Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften
— Drucksachen VI/1593, zu VI/1593 —
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (5. Ausschuß)

- Drucksache VI/1883 —
Berichterstatter: Abgeordneter Bauer (Würzburg)

Abgeordneter Dr. Stark (Nürtingen) (Erste Beratung 87. Sitzung)
Ich frage zunächst, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe die §§ 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Der Punkt 6 der Tagesordnung wird erst heute nachmittag aufgerufen; darüber besteht allseitig Übereinstimmung.

(Abg. Rasner: Um 16.00 Uhr!)

Ich rufe Punkt 7 a und b der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Köster, Frau Dr. Henze, Müller (Remscheid), Burger, Winkelheide und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung
— Drucksache VI/1818 —
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung
Drucksache VI/1819 —
Ich gehe davon aus, daß die Beratung der beiden Punkte verbunden werden kann.
Zur Begründung ihres Antrags zu Tagesordnungspunkt 7 a hat die Fraktion der CDU/CSU um das Wort für den Herrn Abgeordneten Köster gebeten. Ich erteile ihm das Wort.

Gottfried Köster (CDU):
Rede ID: ID0610318900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Anpassung der Bedarfssätze des Ausbildungsförderungsgesetzes, insbesondere für Schüler von Berufsschulen, Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen, Fachschulen, Abendgymnasien und Kollegs, an die Bedarfssätze des Honnefer Modells, wie diese seit dem 1. Januar dieses Jahres für Studenten gezahlt werden, ist bislang leider noch nicht erfolgt. Die CDU/CSU-Fraktion hat diese Anpassung der Bedarfssätze bereits am 10. Dezember mit Drucksache VI/1572 gefordert. Die Bundesregierung ist leider untätig geblieben.
Wir haben den Eindruck, daß die politisch-parlamentarische Spitze des Ministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit dem Arbeitsanfall nicht immer ganz gewachsen ist. Wenn man wie Frau Strobel jahrelang nur nach der Gesundheit gelebt hat, ist es schwer, allen Anforderungen der Jugend und Familie gerecht zu werden.
Die CDU/CSU-Fraktion hat am 9. Februar diesen Gesetzentwurf eingebracht, dem sich auf Tag und Drucksachennummer genau der Entwurf der SPD/FDP anschloß. Die Differenzen zwischen dem Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion und dem Gesetzentwurf der SPD/FDP machen uns auf dem Hintergrund des vorliegenden Regierungsentwurfs für das Bundesausbildungsförderungsgesetz eine erschreckende Entwicklung klar, die unterschwellig die Bemühungen des Parlaments um eine gerechte Ausbildungsförderung entscheidend gefährdet. Wenn diese Entwicklung weitergeht, kann man schon absehen, wohin die Reise geht. Es wird dann finanziell leichter sein, eine sogenannte gute Begabung auszubilden, als einer befriedigenden oder ausreichenden Begabung ihre Chance zu geben.
Die Bundesregierung will offensichtlich auf verschiedenen Wegen wieder zu einer elitären Bevorzugung der Studenten, die an Hochschulen studieren, kommen. Zu dieser Behauptung eine Begründung. Eine kurzfristige Benachteiligung der Studierenden des zweiten Bildungsweges liegt darin, daß man trotz der Aufforderung der CDU/CSU-Fraktion vom 10. Dezember von seiten der Bundesregierung keinen Gesetzentwurf eingebracht hat, der hätte verhindern können, daß Leistungen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz und dem Honnefer Modell auseinanderfallen, wie man das mit bemerkenswerter Eile noch im Juni vorigen Jahres zu verhindern versucht hat, damit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ausbildungsförderungsgesetzes Leistungen des Honnefer Modells und des Ausbildungsförderungsgesetzes nicht auseinanderfallen.
Offensichtlich mutet man von seiten der Regierung den Schülern und Studierenden des zweiten Bildungsweges zu, der Regierung neun Monate lang, nämlich vom 1. Januar dieses Jahres bis zum Inkrafttreten des Bundesausbildungsförderungsgesetzes am 1. Oktober dieses Jahres, sparen zu helfen. Die Bedarfssätze lassen diese Absicht noch viel deutlicher erkennen. Es gab vor der Wahl 1969 eine Zeit, in der die Chancengleichheit der Schüler und Studierenden des zweiten Bildungsweges und der Studierenden an Hochschulen gleich bemessen wurde. Damals gab es für alle den gleichen För-



Köster
derungsbetrag, für alle Schüler oder Studierenden, die auswärts untergebracht werden mußten, nämlich — jedenfalls war das im ersten Bundesausbildungsförderungsgesetz so vorgesehen — 320 DM monatlich. Alle Schüler, die sich zu Hause weiterbilden konnten, d. h. bei ihren Eltern wohnen konnten, hatten einen Betrag von 290 DM zu erwarten. Eine Ausnahme bildeten die Schüler der allgemeinbildenden Schulen und der Berufsfachschulen, deren Bedarf auf 150 DM festgesetzt wurde.
Wenn der Entwurf eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes so, wie es die Regierung vorgesehen hat, Gesetz wird, erreicht diese ungerechte Differenzierung ihren Höhepunkt. Studierenden an Hochschulen wird dann monatlich 420 DM gezahlt, auswärts untergebrachte Schüler einer Berufsfachschule oder Fachoberschule erhalten jedoch noch — wie 1969 vorgesehen — 320 DM; somit wird in den Leistungen für auswärts untergebrachte Schüler ein Unterschied von 100 DM monatlich bestehen.
Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion hält diese Entwicklung der Benachteiligung der Studierenden des zweiten Bildungswegs auf. Schüler der Abend- und Hauptschulen, der Berufsaufbauschulen und der Abendrealschulen sowie Studierende der Fachschulen, der Abendgymnasien und Kollegs erhalten den gleichen Förderungssatz bei auswärtiger Unterbringung, nämlich 400 DM.
Der Entwurf der SPD weiß vornehme Unterschiede zu machen: Schüler der Berufsaufbauschulen und der Abendrealschulen bekommen nicht mehr; es bleibt bei 350 DM. Studierende der Fachschulen, Abendgymnasien und Kollegs sollen etwas haben, nämlich 30 DM mehr; sie bekommen 380 DM. Studenten der Hochschulen allein erhalten in einsamer Höhe! — bei auswärtiger Unterbringung 400 DM.
Ein weiterer Punkt wäre zu beachten. Die bedeutendste Bedrohung der Gleichheit geht von einem Problem aus, das in keinem der beiden Gesetzentwürfe, weder in unserem noch in dem der SPD und der FDP, angesprochen ist, und ich weiß auch nicht, ob sich die Ausschußberatungen dieses Problems annehmen werden. Es handelt sich um die Freigrenzen der Unterhaltsverpflichteten. Die Freigrenzen der Unterhaltsverpflichteten betragen beim Ausbildungsförderungsgesetz im Augenblick 700 DM, für ein Kind unter 15 Jahren 160 DM, für ein Kind über 15 Jahre 240 DM. Für die Eltern beträgt die Freigrenze bei der Anrechnung des darüber hinausgehenden Einkommens 25 %, für jedes noch anspruchsberechtigte oder zu versorgende Kind 5 %. Beim Honnefer Modell gelten heute 850 DM als Freigrenze für die Eltern und 270 DM monatlich als Freigrenze für die Kinder, gleichgültig, ob über oder unter 15 Jahren. 50% des darüber hinausgehenden Einkommens bleiben ebenfalls anrechnungsfrei.
Meine Damen und Herren, wenn Sie diese Zahlen des Honnefer Modells mit denen vergleichen, die im Bundesausbildungsförderungsgesetz für den 15. Oktober dieses Jahres vorgesehen sind, zeigt das deutlich, daß man auch hier — wenigstens noch für ein
Dreivierteljahr --- an den Studierenden des zweiten Bildungsweges sparen möchte. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz sieht für Eltern 800 DM als Freibetrag vor, für Kinder unter 15 Jahren 200 DM monatlich, für Kinder über 15 Jahre — wie bereits jetzt im Honnefer Modell — 270 DM. Die Beträge, die von der Anrechnung freizuhalten sind, machen ab 15. Oktober 40% zuzüglich 5 % für jedes anspruchsberechtigte Kind aus.
Wir sind nicht damit einverstanden, daß die Bundesregierung in dem Fall, wo sie weniger Geld hat, als sie erwartet hatte, eine bestimmte Gruppe der Studierenden bevorzugt und die nicht so gut orientierten Schüler und Studenten des zweiten Bildungsweges sowie deren Eltern benachteiligt.
Der CDU/CSU-Entwurf greift allerdings noch ein anderes Problem auf, nämlich das der Fachoberschulen, wie sie vor allen Dingen im Land Nordrhein-Westfalen existieren. Die Fachoberschüler sind grundsätzlich den Schülern allgemeinbildender Schulen gleichgestellt. Wenn die Fachoberschüler jedoch vor dem Besuch der 12. Klasse eine Berufsausbildung hinter sich gebracht haben, haben sie prinzipiell den Anspruch, den Schülern von Berufsaufbauschulen gleichgestellt zu werden.
Dieser Anspruch ist sehr problematisch, wenn wir die Wirklichkeit sehen. Die Bundesregierung hat in Verwaltungsverordnungen eine noch fragwürdigere Lösung gefunden: Sie verlangt, daß nur dann der höhere Bedarfsatz anzurechnen ist, wenn die Fachoberschüler mit abgeschlossener Berufsausbildung außerdem noch in eigenen Klassen unterrichtet werden. Das Land Nordrhein-Westfalen hat das in einer schlauen Verfügung auch angeordnet. Nun beginnt es lächerlich zu werden: Clevere Oberstudiendirektoren melden, daß zwei Klassen eingerichtet sind, sie wegen Lehrermangels aber zusammen unterrichtet werden müssen. Andere, in der Verwaltungspraxis etwas weniger erfahrene Direktoren melden, daß wegen Lehrermangels keine zwei Klassen eingerichtet werden können. — In einem Fall erhalten also die Fachoberschüler den höheren Bedarfssatz, in einem anderen Fall nicht, obwohl beide Gruppen in gleichartigen Klassen unterrichtet werden.
Die CDU/CSU-Fraktion schlägt Ihnen eine Lösung vor, die auf die letzte Bedingung verzichtet. Wir sehen, daß damit die Gesamtproblematik nicht vollkommen gelöst ist. Vielleicht kommen uns in dieser Angelegenheit auch noch während der Ausschußberatungen einige gute Ideen. Der Gesetzentwurf der SPD und der FDP enthält solche Verbesserungen in den Abs. 1, 4 und 5 des Art. 1. Einen freundlichen Gruß möchte ich dem unbekannten Meister in einer Ihrer Fraktionen bestellen, der diese Verbesserungen gefunden hat.
Wir hoffen, daß in den kommenden Wochen in den Ausschüssen eine zügige Beratung möglich sein wird und daß zu Ostern den Schülern — rückwirkend zum 1. Januar — wenigstens die Versetzung in eine höhere Bedarfsklasse zuerkannt werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)





Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610319000
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Schanzenbach.

Marta Schanzenbach (SPD):
Rede ID: ID0610319100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe im Auftrage der SPD-Fraktion zu der vorliegenden Gesetzesvorlage eine Erklärung abzugeben. Vorher möchte ich aber doch zu dem Angriff, den Herr Köster auf die Frau Minister und die Spitze des Ministeriums geführt hat, ein Wort sagen. Herr Köster, Sie sind jetzt in Ihrer ersten Legislaturperiode im Bundestag und gehören zum erstenmal dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit an. Ich habe die Ehre, diesem Ausschuß seit 22 Jahren anzugehören, und weiß also, was früher geleistet worden ist und was jetzt geleistet wird. Ich kann aus meiner Erfahrung heraus sagen, daß wir noch nie einen Minister für Familie und Jugend hatten, der für die betreffenden Gruppen so intensiv gearbeitet hat und der so viele Gesetzesvorlagen in so kurzer Zeit eingebracht hat wie der jetzige, und wir hatten vor allen Dingen noch nie einen Minister, der sich so oft in diesem Ausschuß gezeigt hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich muß also auf Grund meiner Erfahrung Ihren Angriff als unsachlich zurückweisen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Weihrauch!)

Nun zur Sache. Das Ausbildungsförderungsgesetz, das im Sommer 1969 im Bundestag einstimmig angenommen und am 1. Juli 1970 in Kraft getreten ist, bringt der jungen Generation in unserem Lande die Möglichkeit einer besseren Ausbildung, wie sie noch keine Generation vordem hatte. Die wirtschaftliche Hilfe, die dieses Gesetz vorsieht, bringt uns in dem Streben nach Chancengleichheit für unsere Jugend ein großes Stück weiter. Aber wie jedes neue Gesetz hat auch dieses seine Mängel in der praktischen Anwendung. Die Regierung ist bestrebt, die Unzulänglichkeiten zu beheben, gewisse Weiterentwicklungen vorzunehmen und den nächsten Schritt zu einem umfassenden System der Ausbildungsförderung zu tun. Sie wird deshalb in der nächsten Zeit dem Bundestag ein Bundesausbildungsförderungsgesetz vorlegen, das im Parlament so rechtzeitig verabschiedet werden sollte, daß ein Inkrafttreten zum 1. Oktober 1971 möglich sein wird.
Der jetzt in der Drucksache VI/1819 vorliegende Gesetzentwurf der Koalitionspartner SPD und FDP unter der Bezeichnung „Dritte Änderung des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung und Ausbildung (Ausbildungsförderungsgesetz)" hat eine Regelung vorzunehmen, die nicht bis zum Oktober aufgeschoben werden kann. Es handelt sich in erster Linie um die Angleichung der im Ausbildungsförderungsgesetz für Schüler von Fachschulen, Abendgymnasien und Kollegs festgesetzten Bedarfssätze an die seit 1. Januar 1970 angehobenen Bedarfssätze des Honnefer Modells. Die Regierung war ja gar nicht in der Lage, früher einen Entwurf einzubringen, weil sie die Entscheidung der Bund-Länder-Kommissionen abwarten mußte, die die Festsetzung des Honnefer Modells vorgenommen haben.
Deshalb sind wir eingesprungen, damit die Sache schnell geht, und haben unseren eigenen Gesetzentwurf eingebracht.
Auch für die von mir vorhin angeführten Gruppen sollte genau wie für die Studenten an den Hochschulen die Erhöhung der Bedarfssätze vom 1. Januar 1971 an gelten. Durch eine stärkere Differenzierung wird den unterschiedlichen Aufwendungen für individuelle Ausbildungskosten Rechnung getragen. In der Vorlage der Koalitionsparteien ist eine Anhebung für Schüler von Berufsaufbauschulen und Abendrealschulen von 10 DM, für Schüler von Fachschulen, Abendgymnasien und Kollegs von 30 DM, für Schüler von Berufsaufbauschulen und Abendrealschulen ebenfalls von 30 DM vorgesehen.
Die Freibeträge bleiben nach dieser Gesetzesvorlage unverändert; denn eine neue Regelung würde so viele Schwierigkeiten in der Verwaltung mit sich bringen, daß die Auswirkungen der wirtschaftlichen Verbesserung sich wesentlich verzögern würden. Eine neue Regelung der Freibeträge bleibt dem Bundesausbildungsförderungsgesetz vorbehalten.
Die in der Vorlage vorgesehenen Verbesserungen kosten im Jahre 1971 24 Millionen DM, 1972 25 Millionen DM, 1973 26 Millionen und 1974 27 Millionen DM.
Der Gesetzentwurf der CDU/CSU Drucksache VI/1818 sieht höhere Beträge für die einzelnen Gruppen vor. Es wäre wünschenswert, diese Erhöhungen durchzusetzen, aber leider fehlen nach den Berechnungen der Regierung die Mittel dazu, zumal auch das Bundesausbildungsförderungsgesetz ab Oktober 1971 neue finanzielle Belastungen für den Bundeshaushalt bringen wird. Wir werden die Frage der höheren Beiträge bei den Ausschußberatungen gründlich behandeln.
Im Entwurf der CDU/CSU ist das Problem der Förderung der Fachoberschüler — das sind Studierende des zweiten Bildungsweges — angesprochen. Dieses Problem ist durch den Erlaß des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit geregelt, wonach die Fachoberschüler, die eine abgeschlossene Berufsausbildung haben, wie Berufsaufbauschüler gefördert werden, wenn sie sich in Klassen befinden, in denen ausschließlich Schüler mit abgeschlossener Berufsausbildung sind. Nach den Vorstellungen der CDU würden Schüler auf der gleichen Schulbank unterschiedlich gefördert. Hier erscheint es wichtig, diese Frage im Ausschuß an Hand der bereits gesammelten praktischen Erfahrungen zu behandeln, um keine neuen Ungerechtigkeiten zu schaffen.
Über die Gesetzesvorlage hinaus möchte ich noch auf ein Problem hinweisen, das uns vom Bundesrat her bekanntgeworden ist und im Rahmen dieses Dritten Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung eine Regelung erfahren sollte. Es geht um die Bewilligungsbescheide, die in den Monaten Juli und August 1971 auslaufen. Da das erste Gesetz am 1. Juli 1970 in Kraft getreten ist und nach § 34 Abs. 2 des Ausbildungsförderungsgesetzes Ausbildungsförderung in der Regel für ein Jahr bewilligt wird, werden



Frau Schanzenbach
schon am 30. Juni 1971 Bewilligungsbescheide auslaufen. Um zu verhindern, daß für den kurzen Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Bundesausbildungsförderungsgesetzes im Oktober neue Anträge gestellt und berechnet werden müssen, sollten die geltenden Bescheide kraft Gesetzes verlängert werden.
Wir schlagen deshalb vor, folgende Vorschrift in die Vorlage einzubauen:
Am 30. Juli 1971 gültige Bewilligungsbescheide, die auf Grund des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung vom 19. September 1969 ergangen sind, werden innerhalb desselben Ausbildungsabschnitts bis zum 30. September 1971 verlängert, es sei denn, daß der Auszubildende diese Ausbildung nicht fortsetzt.
Die SPD-Fraktion hält die Behandlung und Verabschiedung des Gesetzentwurfs Drucksache Vl/1819 für dringend notwendig. Sie bittet um die Überweisung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und an den Haushaltsausschuß.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610319200
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0610319300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Im Grunde sind wir uns im Ziele einig; nur über die Bedarfssätze gibt es kleine Meinungsverschiedenheiten.
Herr Kollege Köster, Sie haben der Frau Minister vorgeworfen, sie sei untätig gewesen. Ich glaube, das ist ein Vorwurf, der nicht berechtigt ist, denn im Bundesrat liegt bereits der Entwurf eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes vor. Diese Regierung und diese Ministerin haben sich schließlich an das Verfahren zu halten, das frühere Regierungen eingeführt haben und an das sich auch diese früheren Regierungen halten mußten: Es mußten Referentenbesprechungen und Besprechungen mit den Bundesländern geführt werden. Dann mußte der Gesetzentwurf im Kabinett behandelt werden und schließlich dem Bundesrat zugeleitet werden. Die jetzt notwendige Übergangslösung — dazu liegen Initiativanträge der Fraktionen vor — soll bis zum Inkrafttreten des Bundesausbildungsförderungsgesetzes hilfreich sein. Das Ministerium hat, wie ich erfahren habe, im Ausschuß die Anregung gegeben, daß die Fraktionen initiativ werden mögen, weil Initiativgesetze immer schneller zum Zuge kommen. Der Weg einer Gesetzesinitiative der Bundesregierung ist etwas mühseliger und schwieriger.
Meine Damen und Herren, wir werden uns im Ausschuß über die Einzelheiten noch unterhalten. In beiden Gesetzentwürfen wird doch nicht nur der Versuch, sondern der konkrete Vorschlag gemacht, Mängel, die sich gezeigt haben, zu beseitigen. Es handelt sich, wie gesagt, um eine Übergangslösung. Ich glaube, daß wir, über das, was Frau Kollegin Schanzenbach angeführt hat, hinausgehend, noch eine Übergangsregelung für Bescheide, die am 30. Juni 1971 auslaufen, einbauen müssen. Darüber werden wir uns im Ausschuß wahrscheinlich auch verständigen können.
Der Gesetzentwurf differenziert die jeweiligen Bedarfssätze stärker als bisher. Wir bejahen dies, weil damit den unterschiedlichen individuellen Kosten besser als in der Vergangenheit Rechnung getragen werden kann. Wir sind der Auffassung, daß mit den entsprechenden Leistungsverbesserungen und mit dem vorgeschlagenen Verfahren eine sachdienliche Lösung im Interesse der Betroffenen gefunden wird.
Am Ende meiner Rede möchte ich es nicht unterlassen, Herr Kollege Köster, darauf hinzuweisen, daß hier nichts Grundsätzliches strittig ist. Im Ziel sind alle drei Fraktionen einig. Vor zwei Jahren war das noch nicht der Fall. Herr Kollege Köster, im letzten Bundestag hatten wir drei Entwürfe vorliegen, wobei der CDU/CSU-Entwurf weder zeitlich noch im Hinblick auf die Leistung eine Spitzenstellung beanspruchen konnte.

(Beifall bei der SPD.)

Wir freuen uns deshalb, daß wir heute in dieser Frage — im Verhältnis zu vor zwei Jahren — etwas mehr Einigkeit und weniger Divergenzen erreicht haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610319400
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der ersten Beratung. Nach dem Vorschlag des Ältestenrates sollen die Gesetzentwürfe unter Punkt 7 a) und b) der Tagesordnung dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend —, dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zur Mitberatung und dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Andere Vorschläge werden nicht gemacht. — Dann ist es so beschlossen.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD hat mich wissen lassen, daß sie um eine Unterbrechung der Sitzung bittet. Sie will eine kurze Fraktionssitzung abhalten. Ich komme diesem Wunsch wie üblich nach und unterbreche die Sitzung bis 12 Uhr.

(Unterbrechung von 11.49 Uhr bis 12.22 Uhr.) Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 74 a GG)

— Drucksache VI/ 1009 —Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (5. Ausschuß) — Drucksache VI/1585
Berichterstatter: Abgeordneter von Thadden, Abgeordneter Sieglerschmidt

(Erste Beratung 67. Sitzung)

Ich frage zunächst, ob von den Herren Berichterstattern das Wort gewünscht wird. - - Das Wort wird nicht gewünscht.



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe die Art. 1, 2, Einleitung und Überschrift, auf. Wer dein Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Von der dritten Beratung sollen Erklärungen abgegeben werden. Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Thadden.

Franz-Lorenz von Thadden (CDU):
Rede ID: ID0610319500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundestag konnte nicht mehr länger untätig bleiben angesichts der Tatsache, daß sich das Besoldungswesen im öffentlichen Dienst so weit auseinanderentwickelt hatte, daß in einigen Ländern bis zu 5 % mehr für Angehörige des öffentlichen Dienstes bezahlt wurde, als dies in anderen Ländern oder beim Bund der Fall war. Das bloße Erfordernis der Fürsorgepflicht mußte den Bund und dieses Parlament auf den Plan rufen.
Wir wissen allerdings, daß das, was heute als schwere Entscheidung vor uns liegt, nicht mit einem Schlage alle Probleme beseitigen wird. Staatssekretär Dr. Hartkopf hatte bereits im Dezember einmal im Innenausschuß erklärt, daß eine Grundgesetzänderung, die dem Bund mehr Möglichkeiten zum Eingreifen gibt, der Tätigkeit eines Feuerwehrmannes vergleichbar sei. Wenn man schon bei diesem Bild bleiben will, dann ist zu fragen: Wann klingelt es bei der Feuerwehr? — In diesem Fall hat es bisher sehr oft geklingelt, ohne das der Einsatzbefehl erfolgte. Zum anderen ist zu fragen: Wer rückt dann aus, und wer fühlt sich angesprochen?
Wir als die Partei der Mitte dieses Hauses sind dankbar dafür, daß es möglich gewesen ist, ein Einverständnis quer durch das Parlament herbeizuführen. Es liegt uns am Herzen, allen denen, die daran mitgewirkt haben, daß wir heute diese Entscheidungen fällen können, die die detaillierte Arbeit geleistet haben, von dieser Stelle aus aufrichtig und herzlich zu danken. Diese Arbeit ist ein Beispiel dafür, daß es trotz aller Gegensätze, die immer wieder zwischen uns aufbrechen, möglich ist, Verbindendes und Gemeinsames zu finden.
Wenn wir ja sagen — und wir sagen ja zu dieser Änderung , dann wissen wir allerdings darum, daß einige Gefahrenpunkte weiterhin bestehen bleiben, die es — um im Bild des Feuerwehrmannes zu bleiben — immer noch möglich erscheinen lassen, daß im Brandfall beim Bund geklingelt wird. Ich weise darauf hin, daß die Länder, wenn sie es darauf anlegen, auch die erweiterte Zuständigkeit des Bundes umgehen könnten. Sie könnten beispielsweise im Bereich des Nebentätigkeitsrechts, des Laufbahnrechts, der Überstundenvergütung usw. mehr leisten, als billig ist. Dadurch könnten sie andere Länder oder den Bund wiederum in Schwierigkeiten bringen.
Wir übersehen bei unserem Ja letztlich nicht, daß es um drei Dinge geht: Es geht einmal darum, daß wir ein überzeugendes Bekenntnis zum modernen Staat ablegen, dessen Beamte und öffentliche Angestellte wir funktionsfähig erhalten wollen. Wir von der Mitte dieses Hauses verstehen unser Ja zur Grundgesetzänderung außerdem als das Bekenntnis zum Berufsbeamtentum. Wir sagen damit außerdem ja zur detaillierten Überprüfung der Leistungsfähigkeit und der Leistungsbereitschaft im öffentlichen Dienst.
Aber dieses Ja darf nicht so verstanden werden, als ob diese Grundgesetzänderung dem Lobbyismus bestimmter Interessengruppen Tür und Tor öffnen soll. Wir, die wir in der Sorge um den öffentlichen Dienst und seine Leistungsfähigkeit stehen, wissen darum, daß hier und da immer wieder der Versuch gemacht werden wird, partiellen Druck auf dieses Parlament auszuüben. Nur dann, wenn das Haus in der Verteidigung des Grundsatzes, allen gerecht zu werden, geschlossen bleibt, ist die Stunde, die wir hier heute erleben, eine gute Stunde gewesen. Nur dann können wir auch später noch unser Ja zur Grundgesetzänderung rechtfertigen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610319600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt (Hamburg).

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0610319700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens und im Auftrag der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses darf ich Ihnen mitteilen, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion der vorgeschlagenen Grundgesetzänderung zustimmen wird und daß sie es begrüßt, daß das Grundgesetz jetzt in dieser Weise geändert wird.
Ursprünglich besaß der Bund nach dem Grundgesetz zwei Kompetenzgrundlagen auf dem Gebiet des Beamtenrechts: Er hatte die Vollkompetenz für seine eigenen Beamten, und außerdem bestand eine Rahmenkompetenz im Rahmen des Art. 75 GG zur Regelung bestimmter Teilbereiche des Beamtenrechts. Diese Rahmenvorschriften reichten — das ist das Wesen' von Rahmenvorschriften — selbstverständlich nicht aus, um zu einheitlichen Richtlinien für alle Beamten in diesem Land zu kommen. Dieses hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem bekannten Urteil von 1954 deutlich ausgesprochen. Bundesrechtliche Festlegungen etwa von Mindest-und Höchstbeträgen bei gleichzeitiger Bindung der Länder an eine bundesrechtlich geordnete, lückenlose Besoldungsordnung waren damit nicht möglich, nicht zulässig, eben weil sie den Rahmen von Rahmenkompetenzen überschritten.
Der Bund hat ein Bundesbesoldungsgesetz erlassen, das versuchte, diesen Rahmen voll auszuschöpfen. Aber es hat sich im Laufe der Zeit gezeigt, daß die Entwicklung zwischen Bund und Ländern immer mehr divergierte. Schon damals hat man erwogen, hier zu einer einheitlichen Regelung für Bund und Länder zu kommen. Aber erst durch das Zweiundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, das im Mai 1969 verkündet werden konnte, ist sichergestellt worden, daß die Rahmenkompetenz



Dr. Arndt (Hamburg)

des Bundes erweitert wurde, wenn sie dennoch auch nur eine „Rahmen"-Kompetenz blieb. Hier wurden erstmalig einheitliche Ämterbewertungen und andere Dinge eingeführt, die nunmehr vereinheitlicht werden konnten.
Aber auch nach diesem Zweiundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes hat sich gezeigt, daß diese Bundeskompetenz nicht ausreichte, um eine ständige Auseinanderentwicklung der Besoldung im Bund und Ländern zu verhindern. Die Länder haben insbesondere das Zulagenwesen — das mit Recht weithin als ein Zulagenunwesen bezeichnet wird — so stark ausgebaut, daß hierdurch wieder eine ganz eminente Auseinanderentwicklung der Besoldung eingetreten ist.
In einigen Ländern sind darüber hinaus weitere Maßnahmen getroffen worden oder zur Zeit auch noch beabsichtigt. Erst gestern hat ein Landtag der Bundesrepublik wieder eine ähnliche Regelung getroffen, die eine Aushöhlung des einheitlichen Besoldungsgefüges zwischen Bund und Ländern zum Inhalt hat. Hierzu gehören z. B. das persönliche Vorrücken der Beamten in kommunalen Bereichen in die nächsthöhere Besoldungsgruppe, Änderungen der Stellensatzung, Verleihung des Eingangsamtes im mittleren Polizeivollzugsdienst vor Erwerb der Befähigung und ähnliche Dinge mehr.
Die angeführten Beispiele zeigen, wie sich hier ein immer größeres Besoldungschaos — so kann man bereits sagen — zwischen Bund und Ländern anbahnt. Weil dies so ist, müssen wir zusehen, daß der Bund hier seine helfende, ordnende Hand reicht.
1) Es ist heute müßig, darüber zu reden, wer die Schuld an dieser Entwicklung trägt. Wir haben nur das Faktum zu konstatieren, daß die Auseinanderentwicklung solche Ausmaße angenommen hat. Wir Sozialdemokraten haben es daher begrüßt, daß die Länder die Initiative ergriffen und den Bund aufgefordert haben, hier seine einigende Kraft hilfreich zur Verfügung zu stellen.
Dabei gab es — das soll nicht verschwiegen werden — Überlegungen, mehr zu vereinheitlichen, als jetzt in der Vorlage enthalten ist, die im Augenblick zur Debatte und zur Abstimmung steht. Herr Kollege von Thadden, der vor mir gesprochen hat, hat einiges hiervon bereits erwähnt — ich kann ihm da nur zustimmen , etwa beim Laufbahnrecht, bei der Arbeitszeitregelung und ähnlichen Dingen. Jedoch, meine Damen und Herren, bedarf es zur Änderung des Grundgesetzes in den beiden Häusern, die nach der Verfassung zur Gesetzgebung berufen sind, einer Zweidrittelmehrheit. Für alle diese Änderungen konnte eine derartige Mehrheit nicht sichergestellt werden; deswegen müssen wir uns mit dem bescheiden, was jetzt zur Debatte steht.
Wir Sozialdemokraten verbinden mit der Verabschiedung dieses Gesetzes heute die Erwartung, daß sich die Länder nun nicht bemühen, neue Lücken zu finden, und dadurch erneut eine Zersplitterung hervorrufen. Daher begrüßen wir es dankbar, daß sich der Bundesrat bereit erklärt hat, zum 1. Mai 1971 eigene Vorschläge zu machen und daß dann diese Probleme in Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern auf neue Weise geregelt
werden. Denn die Gesetze nach Art. 74 a GG bedürfen der Zustimmung des Bundesrates; die Länder sind also nach wie vor an dem beteiligt, was auf diesem Gebiete jetzt geschehen wird, wenn auch nur mit der Mehrheit, die sich im Bundesrat dann findet. Aber hier haben wir die Garantie dafür, daß zumindest die Mehrheit der Länder nicht übergangen werden kann und damit endlich die Möglichkeit einleitlicher Regelungen besteht — einheitlicher Regelungen, die letztendlich doch auch den Beamten in Bund und Ländern zugute kommen, und zwar dadurch, daß sie mehr Gerechtigkeit in der Besoldung schaffen.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten werden dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610319800
Meine Damen und Herren! Das Wort hat nun Herr Abg. Kleinert.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0610319900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir begrüßen es nachdrücklich, daß mit der jetzt in Aussicht stehenden Änderung des Grundgesetzes ein Zustand ein Ende findet, der unübersehbar unerträglich geworden ist. Gerade die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, die sich nicht wie andere Arbeitnehmer als Tarifpartner empfinden, die nicht entsprechend agieren können und auf Grund ihrer Entscheidung, sich dem Wohl des Staates zu widmen, eingezwängt sind in die starre Besoldungsordnung, die sie vorfinden, haben es nicht verdient, daß durch die uneinheitlichen Regelungen in den Ländern, die immer weiter auseinandergelaufen sind, eine ständige Unruhe entsteht, die ihnen das Gefühl gibt, anderen Berufsgruppen gegenüber benachteiligt zu sein, und die in diesem Personenkreis auch zu Erscheinungen führen muß, die für die ordentliche Ausführung des Dienstes Nachteile mit sich bringen müssen.
Der Bundesinnenminister ist in einer Person zuständig für das Wohl der Angestellten und Beamten des öffentlichen Dienstes wie auch für unsere Verfassung und die Einhaltung dieser Verfassung nicht nur durch den Bund, sondern auch durch die Länder. Wir begrüßen es, daß er nach so relativ kurzer Zeit nach seinem Amtsantritt mit der Unterstützung aller Fraktionen des Hauses in der Lage ist, diese Grundgesetzänderung hier vorzulegen und damit einem bedenklich gewordenen Zustand abzuhelfen.
Wir hoffen, daß sich nach Verabschiedung dieser Grundgesetzänderung die Verhältnisse im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes und in der Beamtenbesoldung aus dieser neuen und soliden Basis so klären, daß die Welle von Unzufriedenheit, die von den verschiedensten Seiten auf uns gebrandet ist, abebbt und daß auf diesem Gebiet wieder die Ruhe einkehrt, die so dringend erforderlich ist, damit die öffentliche Verwaltung das leisten kann, was der Bürger mit Recht von ihr erwartet.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)





Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610320000
Herr Kollege Dr. Lenz, Ihre Wortmeldung liegt noch vor? — Bitte schön, Sie haben das Wort.

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0610320100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es läßt sich manches nicht über Schlußerklärungen machen, was ich gerne über Schlußerklärungen gemacht hätte. Was mich veranlaßt hat, hier heraufzugehen, sind Ausführungen des Kollegen Kleinert. Meine Damen und Herren, es ist kein Geheimnis in diesem Hause, daß in allen Fraktionen die Frage, ob die derzeit zur Verabschiedung anstehende Grundgesetzänderung das leisten wird, was wir von ihr erwarten, äußerst umstritten ist. Wir alle wissen ganz genau, daß sie die Vereinheitlichung des Beamtenrechts nicht bringt, wir alle wissen ganz genau, daß sie die Vereinheitlichung der besoldungsrechtlichen Nebengebiete des Beamtenrechts nicht bringt. Mein Kollege von Thadden hat das ausgeführt.
Wir alle müßten wundergläubig sein, wenn wir glauben würden, daß diejenigen politischen Kräfte, die in der Vergangenheit dazu geführt haben, daß das Beamtenrahmenrecht des Bundes von den Ländern nicht angewandt worden ist, jetzt in einen ewigen Schlummer verfallen wären.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Wir müßten dann wirklich wundergläubig sein, und deswegen besteht hier die Frage, warum gewisse Initiativen, die die Bundesregierung in den letzten Tagen ergriffen hat, nicht zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens ergriffen worden sind, warum Anträge im Rechtsausschuß, die auf eine Verbesserung dieser Grundgesetzänderung abzielten, von der Koalition abgelehnt worden sind.
Meine Damen und Herren, wir können heute die Verabschiedung dieser Grundgesetzänderung aus Gründen der verfassungsrechtlichen Ästhetik nicht mehr aufschieben. Aber die Verantwortung für das, was folgt, liegt bei denen, die von ihrer Führungsposition in diesem Hause und in diesem Staate nicht genügend Gebrauch gemacht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610320200
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung. Nach Artikel 79 des Grundgesetzes bedarf ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Nach § 54 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hat der Präsident, wenn für einen Beschluß die Zustimmung einer bestimmten Mitgliederzahl erforderlich ist, festzustellen, daß die Zustimmung der erforderlichen Mehrheit vorliegt. Das geschieht in diesem Fall durch Auszählung. Ich eröffne die Auszählung. —
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Es sind 431 Stimmen abgegeben worden, davon 404 JaStimmen, 16 Nein-Stimmen und 11 Enthaltungen. Die Berliner Kollegen haben wie folgt abgestimmt: 16 Ja-Stimmen, i Nein-Stimme, enthalten hat sich niemand.
Die erforderliche Zweidrittelmehrheit der stimmberechtigten Mitglieder des Bundestages beträgt 331 Stimmen. Es sind 404 Ja-Stimmen abgegeben worden; die erforderliche Zweidrittelmehrheit ist daher erreicht. Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. Wir fahren dann fort mit der Beratung des Punktes 4 der heutigen Tagesordnung.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.56 Uhr bis 15.00 Uhr.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610320300
Die Sitzung wird fortgesetzt, und zwar mit Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (1. BesVNG)

— Drucksachen VI/9, VI/332, VI/1573, VI/1684 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/ 1893 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jenninger
b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)

— Drucksachen VI/1885,zu VI/1885 —
Berichterstatter: Abgeordneter Liedtke Abgeordneter Wagner (Günzburg)


(Erste Beratungen 10., 33., 93. Sitzung)

Wünscht der Herr Berichterstatter zur zweiten Lesung das Wort? — Bitte schön, Herr Wagner!

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0610320400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der Beratung im Haushaltsausschuß hat sich der Innenausschuß heute noch einmal mit dem Entwurf eines Ersten Besoldungsvereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetzes beschäftigt. Wir schlagen Ihnen in einem Nachtrag vor, folgende Änderungen vorzunehmen.
1. Art. V Abschnitt 1 § 5 wird gestrichen. Dieser Artikel betrifft das Rechtsstellungsgesetz. Hierzu gibt es in allen Fraktionen Vorschläge, die noch nicht ausdiskutiert sind. Deshalb ist die Streichung im jetzigen Zeitpunkt angebracht. Die Folge daraus: die §§ 6 bis 9 werden §§ 5 bis 8.
2. In Art. VII Nr. 6 werden die Worte „§§ 7 bis 9" durch die Worte „§§ 6 bis 8" ersetzt, — eine rein redaktionelle Änderung.
3. Ein weiterer Ergänzungsantrag bezieht sich auf § 60 dieses Gesetzes. Hier hat es Meinungsunterschiede in der Bewertung gegeben. Der Innenausschuß schlagt vor, den Entschließungsantrag unter Nr. III Abs. 1 wie folgt zu ergänzen: Nach den Worten „... Bund und Ländern ist." wird folgender Absatz eingefügt:



Wagner (Günzburg)

Der Gesetzgeber will durch § 60 des Bundesbesoldungsgesetzes den Gedanken Rechnung tragen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 11. Juni 1958 — Az. 1 BvR 1/52 und 46/52 — als Leitsatz 2 wie folgt zum Ausdruck gebracht hat:
Es ist ein „hergebrachter Grundsatz" im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, daß den Beamten nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards ein angemessener Lebensunterhalt zu gewähren ist. Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber zu beachten.
Die Entscheidung des Gesetzgebers in § 60 BBesG beinhaltet weder eine Automatisierung noch eine Dynamisierung der Beamtenbesoldung.
Ich bitte Sie, den Schriftlichen Bericht des Innenausschusses in diesem Sinne zu ergänzen.

(Beifall.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610320500
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Kann ich die Änderungen bekommen?

(Zurufe von der CDU/CSU) : Der Nachtrag

ist verteilt!)
— Liegen sie schriftlich vor?

(Zurufe von der CDU/CSU: Ja!) - Vielen Dank!

Wird das Wort zur zweiten Lesung gewünscht? -
Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung in zweiter Lesung, und zwar auch über die Änderungen, die Ihnen in dem Nachtrag zu Drucksachen VI/ 1885 vorliegen. Ich gehe davon aus, daß Sie sie zur Kenntnis genommen haben.
Wer diesem Gesetz - Art. I, II, III, IV, V, VI,
VII sowie Einleitung und Überschrift - die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme angenommen.
Wir kommen damit zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Wagner!

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0610320600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern hebt sich in entscheidenden Punkten von der Vorlage der Bundesregierung vom Spätherbst 1970 ab. Die Bundesregierung hat damals lediglich vorgeschlagen, die Ergebnisse der Tarifverhandlungen auch auf den Bereich der Beamten zu übertragen. Sie hat sich weiter darauf beschränkt, die in der Zwischenzeit in den
Ländern geschaffenen Zulagen zu registrieren und stufenweise auch für die Beamten des Bundes in Kraft zu setzen. Eigene Vorstellungen über die zwingend gebotene strukturelle Besoldungsverbesserung hat die Bundesregierung nicht entwickelt.
Demgegenüber enthält der von der interfraktionellen Arbeitsgruppe geschaffene Gesetzentwurf im Zusammenhang mit dem vorliegenden Entschließungsantrag — beide bitte ich Sie als Einheit zu sehen - ein Gesamtkonzept für die Neuregelung der Beamtenbesoldung. Ein solches Gesamtkonzept war und ist notwendig, um die gegenwärtige Unsicherheit im Besoldungsbereich, die sich in Auseinanderentwicklung und krassen Unterschieden ausdrückt, zu beseitigen.
Es ist nicht die Stunde, die Ursachen für diese Entwicklung zu untersuchen. Aber ich möchte mich doch mit Nachdruck gegen den einseitigen Versuch wehren, den Ländern die alleinige Schuld zuzuschieben und sie allein zum Sündenbock zu machen. Ich meine, daß angesichts unzureichender Regelungen im Bundesbereich den Ländern oftmals keine andere Wahl blieb als die, selbst die Initiative zu ergreifen, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes aufrechtzuerhalten.
Wenn nunmehr für eine einheitliche Besoldung der Beamten in Bund und Ländern eine Lösung gefunden worden ist, so ist damit zugleich der Beweis erbracht, daß die CDU/CSU im Dezember des vergangenen Jahres richtig gehandelt hat, als sie ihre Zustimmung zur Übertragung der Gesetzgebungsbefugnis auf den Bund für den Bereich der Besoldung der Beamten von der Erarbeitung eines solchen Gesamtkonzepts abhängig machte. Die Haltung der CDU/CSU-Fraktion war also nicht staatspolitisch gefährlich, wie dies damals ein Sprecher der Regierungsparteien zum Ausdruck gebracht hat. Sie war vielmehr notwendig und sachgerecht. Ich möchte hier in keiner Weise die Verdienste all derer schmälern, die an der Lösung beteiligt waren, wenn ich feststelle, daß der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ein Erfolg und ein Ertrag der konsequenten und folgerichtigen Haltung der CDU/CSU-Fraktion ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, der von der interfraktionellen Arbeitsgruppe konzipierte Gesetzentwurf ist nach meiner Meinung auch ein Erfolg dieses Parlaments. In einem vielleicht ungewöhnlichen Verfahren hat eine interfraktionelle Arbeitsgruppe in enger Zusammenarbeit mit den Vertretern der Bundesregierung und des Bundesrates den Gesetzentwurf erarbeitet. Wir haben hier in einem Teilbereich starre Frontstellungen, durch die sich die Debatte in diesem Haus häufig genug auszeichnet, überwinden können und sind in gemeinsamem Bemühen zu guten und sachgerechten Lösungen gekommen. Ich habe die Hoffnung für das Parlament insgesamt, daß dies öfter gelingt.
Die CDU, CSU hat heute früh ihre Zustimmung zur Grundgesetzänderung — Art. 74 a — gegeben. Sie hat damit zugleich zum Ausdruck gebracht, daß sie den vorliegenden Entwurf als das notwendige Gesamtkonzept zur Weiterentwicklung der Beam-

Wagner (Günzburg)

tenbesoldung ansieht. Diese Auffassung ist gerechtfertigt, wenn man erkennt, daß in den kommenden Jahren wesentliche Bereiche eine moderne Fortentwicklung erfahren sollen. Wir werden im Jahr 1971 die Harmonisierung der Zulagen einleiten. Die Beteiligung der Versorgungsempfänger an der Entwicklung wird gesichert. Wir finden Regelungen für die Richterbesoldung. Laufbahn und Besoldung im Kriminaldienst beim Bundeskriminalamt werden neu geordnet. Anliegen der Bundeswehr werden berücksichtigt. 1972 werden wir die Höherstufung der Eingangsämter in allen Laufbahnen vornehmen; damit wenden wir uns von der Regelbeförderung ab und rücken die leistungsbezogene Beförderung in den Vordergrund. 1972 werden auch die bisherigen Unterhaltszuschüsse durch Anwärterbezüge ersetzt. Damit erhält der öffentliche Dienst insgesamt mehr Attraktivität. Ich hoffe, daß dies ein Schritt ist, der es manchem jungem Menschen erleichtert, ja zu sagen zur künftigen Tätigkeit im öffentlichen Dienst. 1972 wird endlich die Vereinheitlichung der Ortszuschläge erreicht. Eine neue Grundgehaltstabelle unter Einbau der Zulagen wird diese Etappe abschließen.
Meine Damen und Herren, in all diesen Vorschlägen sind natürlich viele Interessen der Bundesländer mit berührt. Dies ist im besonderen der Fall bei den Gruppen Techniker, Programmierer, Steuerbeamte, Rechtspfleger und Polizeibeamte. Wir haben hier den Bundesrat gebeten, bis zum 1. Mai dieses Jahres möglichst exakte Vorstellungen für die Besoldung der Beamten in den erwähnten Laufbahnen vorzulegen. Wir sehen auch in der Bewältigung dieser Frage ein wesentliches Stück der Besoldungsneuregelung. Wir halten es für geboten, die Eingangsämter der graduierten Ingenieure anzuheben. Wir sind der Meinung, daß bei den Rechtspflegern besoldungsmäßige Konsequenzen aus dem Rechtspflegergesetz vom Jahre 1957 und den beiden Novellen, die im Jahre 1970 in Kraft getreten sind, gezogen werden müßten, Wir vertreten die Auffassung, daß die Besoldung der Polizeibeamten in etwa nach den Vorschlägen der Innenministerkonferenz geregelt werden soll und daß dabei vor allem die von uns anläßlich der Debatte über die Verbrechensbekämpfung eingebrachten Vorschläge Berücksichtigung finden sollten. Es geht hier darum, der Polizei den Nachwuchs und die Leistungsfähigkeit zu sichern, die den Anforderungen der modernen Industriegesellschaft entspricht. Wir behalten uns vor, nach Kenntnis der Vorschläge des Bundesrates gegebenenfalls eigene Initiativen in diesen Bereichen zu entwickeln.
Strukturelle Besoldungsverbesserungen im Bereich der Lehrer sind erforderlich. Diese Verbesserungen stehen jedoch in einem unlösbaren Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Bildungsreform. Übergangsweise ist die CDU/CSU damit einverstanden, daß die Besoldung der Lehrer entsprechend den Vorschlägen der Kultusministerkonferenz geregelt wird. Wir appellieren jedoch noch einmal eindringlich an die Kultusminister und an die Länder, ihre Beratungen zur Vereinheitlichung der Lehrerbildung noch in diesem Jahre abzuschließen, damit auch die Besoldung der Lehrer geregelt werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte dabei nicht unerwähnt lassen, daß eine differenzierte Lehrerbildung, die die CDU/CSU für notwendig und geboten erachtet, zwangsläufig auch eine Differenzierung in der Besoldung zur Folge haben muß.
Meine Damen und Herren, auf einen Mißstand muß ich noch aufmerksam machen. Viele Arbeiter, die ins Beamtenverhältnis überwechseln, stellen fest, daß sie dabei Einkommenseinbußen hinzunehmen haben. Hier muß eine Neuregelung erfolgen. Der Innenausschuß hat der Bundesregierung einen entsprechenden Auftrag erteilt.
Meine Damen und Herren, all diese Maßnahmen, die ich Ihnen hier nur stichwortartig aufzeigen konnte, ergeben ein Gesamtkonzept, das es jedem, der sich entschließt, im öffentlichen Dienst tätig zu sein, ermöglicht, sich darüber zu orientieren, wie die Besoldung seiner Laufbahn geregelt wird und welche Chancen er in der Zukunft hat. Damit erfüllt der Gesetzentwurf zusammen mit den bereits erwähnten Entschließungen die Forderungen, die man an ein Gesamtkonzept der künftigen Beamtenbesoldung stellen muß: die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes ist sicherzustellen, und der öffentliche Dienst ist auch in der Zukunft so attraktiv zu erhalten, daß qualifizierte Kräfte zu ihm Zugang linden.
Es liegt in der Natur der Sache, daß Reformen Geld kosten. Auch die Reform der Beamtenbesoldung erfordert ein hohes Maß an Aufwendungen. Es erscheint uns notwendig, neben den linearen Verbesserungen für einen bestimmten Zeitraum in besonderem Maße auch Aufwendungen für Strukturverbesserungen und Neuordnungen einzuplanen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich weiß, daß diese Forderung da und dort auf Kritik stößt, aber ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen, daß das Einfangen einer Auseinanderentwicklung insgesamt ein Vielfaches dessen kostet, was notwendig gewesen wäre, wenn man von Anfang an ausreichende und befriedigende Lösungen geschaffen hätte.
In jüngster Zeit wurden auch in der Presse Prozentzahlen über die Erhöhung der Beamtengehälter genannt. Es geht nicht an, von Gehaltserhöhungen in Höhe von beispielsweise 20 % zu sprechen, ohne zu erwähnen, daß dies die Summe von Verbesserungen ist, die teils in diesem Jahr, zum Großteil aber erst im kommenden und im übernächsten Jahr in Kraft treten werden. Hier wird die Öffentlichkeit irregeführt und der Versuch unternommen, die Angehörigen des öffentlichen Dienstes als diejenigen darzustellen, die gegenüber den in der Privatwirtschaft Beschäftigten privilegiert werden. Aus den bereits genannten Veröffentlichungen und auch aus zahlreichen sonstigen Stellungnahmen, denen die gleiche Tendenz zugrunde liegt, ist oft die Auffassung zu entnehmen, daß der öffentliche Dienst im wesentlichen nur ein lästiges Anhängsel unserer



Wagner (Günzburg)

Gesellschaft ist, das die Gesamtwirtschaft nur belastet, zur Produktivität aber nichts oder nur wenig beiträgt. Diese Auffassung ist grundfalsch. Ich möchte hier ganz klar und eindeutig betonen, daß eine Fortentwicklung unserer Wirtschaft und damit auch des Wohlstandes ohne einen funktionierenden öffentlichen Dienst nicht möglich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ein Blick in unsere Nachbarländer führt uns deutlich vor Augen, was es bedeutet, wenn beispielsweise Bahn und Post nicht mehr funktionieren.
Die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes muß, so meine ich, unser aller Interesse finden, nicht nur hier im Parlament, sondern auch draußen in der Öffentlichkeit. Dazu einen Beitrag zu leisten, wurde dieses Gesetz geschaffen. Die CDU/CSU-Fraktion wird ihm in dritter Lesung zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610320700
Das Wort hat der Abgeordnete Liedtke.

Karl Liedtke (SPD):
Rede ID: ID0610320800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn der Satz stimmt, daß große Dinge zuweilen schwer das Licht der Welt erblicken, dann hätte dieser Entwurf eigentlich in den frühen Morgenstunden schon einen ersten Qualifikationsnachweis erbracht; so schwer haben wir uns noch in der letzten Runde gemeinsam getan. Das ist ganz friedlich gemeint.
Mit der Verkündung dieses Gesetzes werden drei Besoldungsentwürfe aus dem Verkehr gezogen, und damit wird die Landschaft ein wenig übersichtlicher gestaltet. Als Schwergewichtler, so möchte ich einmal sagen, verabschiedet sich der Regierungsentwurf, also der Entwurf eines Ersten Besoldungsvereinheitlichungsgesetzes. Ehre, wem Ehre gebührt!

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Herr Barzel, ich bringe Ihnen den Beweis. — Welchen Anteil dieses Gesetz auch hier findet, sehen wir daran, daß es über 90 % der Kosten für sich beansprucht.
Zweitens verabschiedet sich der Entwurf eines Dritten Besoldungsneuregelungsgesetzes. Dies war ein Referentenentwurf aus dem Innenministerium.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Denkmodell!)

— Ein Denkmodell, das nie die lichte Höhe des Kabinetts erreichte, sich aber durch die Hintertür des Ministeriums stahl, prompt an den Angelhaken der Opposition geriet, die die Patenschaft für diesen Referentenknaben übernahm und ihm damit zu unverhofften Ehren verhalf.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist sehr verdienstvoll!)

- Es ist schön, zu wissen, wie ein Referent eine ganze Opposition beglücken kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien. -Abg. Rösing: Das war früher ähnlich!)

-„ Das war früher ähnlich", das paßt immer.
Als Drittes verschwindet der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes. Hier geht es um die Richterbesoldung. Hier übernahm der Bundesrat, der von Anbeginn mit an dieser Arbeit beteiligt war, die Vaterschaft. In dieses Gesetz wurden weiter die Maßnahmen aus dem Weißbuch für den Bereich der Bundeswehr mit 450 Millionen DM und die Maßnahmen aus dem Sofortprogramm zur inneren Sicherheit eingebaut.
Meine Damen und Herren, das ist prompte Arbeit; vor Weihnachten verkündet, nach den Weihnachtsfeiertagen gleich realisiert. Ich meine, wer heute noch die Kommödie liebt, am hellichten Tage mit einer Lampe durch die Lande zu gehen und verzweifelt zu fragen, wo es innere Reformen dieser Regierung gebe, dem sei einmal angeraten, in dieses Gesetz hineinzuleuchten; hier ist eine ganze Menge drin.

(Abg. Reddemann: Muß man das ernst nehmen? —Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

- Ich sehe Sie viel lieber fröhlicher.
Bei allen Unzulänglichkeiten, die ein erstes derartiges Gesetz enthält — das sei zugegeben —, ist es wohl ein gelungener Ansatz und ein Beitrag zur inneren Reform. Jetzt erst ist es möglich, die Beamtenbesoldung einheitlich in Bund und Ländern und damit, so glaube ich, auch gerechter zu gestalten. Wenn wir den Entschließungsantrag hinnehmen, so haben wir ein nachlesbares Strukturprogramm entwickelt, mittelfristig bis zum Jahre 1973, also für eine ganze Legislaturperiode.
Noch etwas Bemerkenswertes sollte man dabei sagen; Herr Wagner hat es schon formuliert. In nicht mehr Zeit als einem Monat haben alle drei Fraktionen des Hauses in Zusammenarbeit mit dem Bundesrat — das will ich ganz bescheiden sagen — ein sehr brauchbares Konzept entwickelt. Das reizt doch förmlich dazu, zu sagen: diese Art Parlamentsreform kann für die Zukunft nur bestens empfohlen werden.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

Sie nehmen es mir sicherlich nicht übel, wenn ich Ihnen gerne konzediere, daß hier ausnahmslos eine konstruktive Opposition mitgearbeitet hat.

(Abg. Rösing: Wem sagen Sie das? Das sind wir immer! Wir haben unsere Bereitschaft zur Gemeinsamkeit schon öfter hier betont; aber Sie haben sie abgelehnt!)

— Tut es Ihnen weh, wenn ich es Ihnen bestätige? Ich habe es in diesem Falle als gegeben unterstrichen.
Dieses Gesetz enthält Maßnahmen zur Anpassung an die allgemeine Entwicklung — das ist der lineare Teil —, zur Vereinheitlichung der Besoldung in Bund und Ländern - das ist der Harmonisierungsteil; die Einzelheiten sind aus dem Vorwort zu ersehen — und Strukturverbesserungen unter Einbeziehung des Entschließungsantrags bis 1973. Ich darf für die SPD-Fraktion das gleiche betonen, was Herr Wagner vorhin richtig zum Ausdruck brachte. Auch wir sind der Meinung, daß die Formel für die Zukunft heißen muß: Verbesserungen in der Beam-



Liedtke
tenbesoldung setzen sich aus linearen und strukturellen Maßnahmen zusammen. Das haben die Spitzenverbände im Hearing auch anerkannt.
Dieses Gesetz enthält auch eine soziale Komponente. Wenn man die typische Handschrift der SPD in diesem Gesetzentwurf sucht, findet man sie nicht zuletzt hier. Das ist die Anhebung der Bemessungsgrundlagen für die Mindestversorgungsbezüge. Das bedeutet für ein Ehepaar ohne Kinder rund 100 DM im Monat mehr, ohne linearen Zuschlag, ohne Ortszuschlag und all die anderen Dinge. Der einheitliche Ortszuschlag von 27 DM für alle Besoldungsgruppen bringt beispielsweise für ein Einkommen von 1000 DM eine Erhöhung von 2,7 %, bei einem Einkommen von 3000 DM wären es nur noch 0,9 %. Hier ist also der gewollte Effekt deutlich ablesbar.
Letztlich haben wir eine dringend notwendige Maßnahme in dieses Gesetz eingebaut: bei Dienstunfall und Diensttod fallen die Dienstzeitvoraussetzungen in Zukunft fort.
In großer Einmütigkeit haben wir auch die Versorgungsempfänger unmittelbar mit in dieses Gesetz hereingenommen.
Nun komme ich zu dem eigentlichen Kobold dieses Gesetzes, der immer wieder in neuem Gewand auftauchte: das ist der § 60. Ein erster Vorschlag — wohlgemerkt: kein Antrag —, der eingereicht wurde, war der Vorschlag des Deutschen Beamtenbundes, der einen jährlichen Bericht, eine jährliche Außerung der Regierung, eine jährliche Anpassung und eine vorherige Einbeziehung der beiden Spitzenverbände und die Mitanreichung ihrer Stellungnahmen an das Parlament beinhaltete. Das war nach Meinung meiner Fraktion eine nackte Dynamisierungsklausel. Bei allem Respekt vor dem Deutschen Beamtenbund muß ich sagen: Das war schon ein recht verwegener Vorschlag! Er verschwand auch sehr schnell im Papierkorb. Wir haben uns jetzt, nachdem Denkmißverständnisse zwischen den Fraktionen beseitigt wurden, auf diese im Gesetz verankerte Fassung geeinigt.
Die sozialdemokratische Fraktion hält es für selbstverständlich, daß die Beamtenbezüge an die allgemeine Entwicklung angepaßt werden. Sie hält es ebenfalls für selbstverständlich, daß die Beamten nicht über eine Sonderwurst eine Dynamisierungsklausel in ihren Bereich hineinbekommen können.

(Zustimmung bei der SPD.)

Nachdem der Vorläuferversuch des Deutschen Beamtenbundes als Versuchsballon anvisiert war, wurden wir die Befürchtung, daß in irgendeiner Formulierung doch versteckt noch die Dynamisierung enthalten sein könne, nur sehr schwer los. Das ist heute morgen mit dem Zusatzantrag, den wir gemeinsam formuliert haben, wie ich glaube, aus der Welt geschafft worden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein wenig erläutern, wie wir den § 60 sehen. Neben der selbstverständlichen Anpassung, wenn die Entwicklung es verlangt, geht es uns um folgendes. Zur Modernisierung des Besoldungsrechts konzipiert ist bereits der Fortfall der Regelbeförderung — sie ist nicht leistungsgerecht —, ebenso die Umwandlung der Unterhaltszuschüsse in Beamtenanwärterbezüge —das ist würdevoller und für die heutige Zeit angemessener -. Die Neuordnung der Besoldungsordnung B ist unvermeidlich geworden. Die Vereinheitlichung des Ortszuschlages steht bereits im Gesetz.
Ich bin sicher, daß es spätestens nach der Bildungsreform unvermeidlich sein wird, flexiblere Einstiege in den einzelnen Besoldungsgruppen zu finden. Ich glaube, das starre viergeteilte Laufbahnsystem wird der Zukunft kaum noch gerecht werden können. Das Lebensalter wird an die Stelle des Besoldungsdienstalters treten.
Ein sehr wichtiger Punkt scheint mir zu sein, daß die berufliche Weiterbildungsmöglichkeit für den Beamten auszubauen ist. Sie muß es ihm ermöglichen, sich selbst durch Qualifikationsnachweise zu einer höherwertigen Tätigkeit zu empfehlen. Das gilt„ glaube ich, besonders für junge Beamte, wenn wir sie in den öffentlichen Dienst hineinziehen wollen. Ich meine, das zielt in der Endentwicklung auf eine Einheitslaufbahn hin.
Es ist absurd und nicht mehr auch nur annähernd modern, wenn heute in einer Großstadt ein Fünfundzwanzigjähriger zwar Oberstadtdirektor nach B 9 werden kann,

(Abg. Vogel: Das ist dann ein SPD-Mann!) aber noch kein Amtmann nach A 11.

Viel Arbeit haben uns die Richter gemacht. Das R der Richterbesoldung — das sage ich ganz offen — rollte eine ganze Weile im Munde der Besoldungskommission. Wir haben uns dazu entschlossen, zu diesem Zeitpunkt die Vereinheitlichung nicht zu durchbrechen; die Richter werden durchgestuft. Eine Richterbesoldung gibt es damit zur Zeit nicht. Das ist kein Präjudiz für die Zukunft. Die Ergebnisse der Justizreform — so meine ich — bleiben davon unberührt.
Die Lehrer, vielgeliebt und viel gelästert — das gilt natürlich nicht für Rektoren! —(Heiterkeit — Abg. Dr. Apel: Paß auf!)

waren noch nicht modellierfähig. Da die Bildungsreform noch nicht abgeschlossen ist und ihr Ergebnis erst die endgültige Einstufung der Lehrer erlaubt, mußten wir sie vorläufig „einordnen" — so steht es auch im Gesetz; wer es etwas härter ausdrücken will, kann auch sagen: „vorläufig festschreiben". Um den Übergangscharakter dieser Maßnahme zu betonen, haben wir bewußt noch die alten Berufsbezeichnungen gewählt. Das also ist die Deutung. Wir gehen davon aus, daß bis Ende dieses Jahres die Bildungsreform so weit vonstatten gegangen ist, daß die Besoldungspolitiker Konsequenzen ziehen können. Bis dahin müssen die Lehrer halt warten. Ich meine: gar zu hart ist der Besoldungs-Stuhl, auf dem sie sitzen, auch nicht!
In einigen Bereichen erschien uns die besoldungsmäßige Behandlung noch völlig ungenügend durchdacht. So haben wir den Bundesrat gebeten, uns bis zum 1. Mai dieses Jahres für den Bereich der Polizei, der Ingenieure, der Rechtspfleger, der Programmierer und der Steuerbeamten detaillierte Vorschläge zu



Liedtke
unterbreiten. Vom Bundesrat wissen wir bereits, daß er diesen Termin einhält; sein Vertreter, Herr Minister Wertz, hat es zugesagt.
Das bedeutet, daß wir auf dem Wege der Rechtsermächtigung bis zur Sommerpause in diesen Bereichen durchaus weitere Regelungen treffen können. Sollte es sich als notwendig erweisen — ich denke hier besonders an die Polizei -, so wird zumindest auch der Innenausschuß - das hat er erklärt — zu einer Novellierung dieses Gesetzes bereit sein.
Erstmals haben wir den Paragraphen über die Mehrarbeitsvergütung in das Gesetz eingebaut. Die richtige Interpretation dieser Vorschrift ist, daß sie im wesentlichen auf die Betriebsverwaltungen anzuwenden ist. Wir legen keinen Wert darauf, hier eine Tür zu öffnen, daß Beamte, die regelmäßig 40 Überstunden im Monat ableisten, dann naturgemäß ständig übermüdet sind.
Lassen Sie mich noch ein kleines Guckloch nach vorn öffnen. Auf der Basis dieses Gesetzes wird es möglich sein, bis zum Herbst 1972 eine exakte Ämterbewertung durchzuführen. Auf dieser Grundlage ist eine Dienstpostenbewertung möglich, und diese erlaubt wiederum eine Differenzierung nach Funktionsgruppen. Ich persönlich glaube beispielsweise nicht, daß Steuerprüfer gleich Steuerprüfer ist. Die Prüfung eines großen Konzerns ist sicher schwieriger als die eines Kleinbetriebs. An diesem Beispiel ist leicht zu erkennen, wie kompliziert es ist, im öffentlichen Dienst nach Leistung gerecht zu bezahlen.
Zum Schluß möchte ich noch ein kritisches Wort sagen. In den letzten vier Wochen habe ich mindestens so viel Post erhalten wie in der gesamten letzten Legislaturperiode. Vielfach forderten die Einsender nicht einmal eine eigene Verbesserung; vielmehr warnten sie davor, anderen Gruppen im öffentlichen Dienst diese zukommen zu lassen.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Sehr richtig!)

Man erlebt es aber auch, daß die Gerechtigkeit der eigenen Bezahlung von dem abgeleitet wird, was andere Gruppen neben der eigenen verdienen. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: Dieses Abstandsdenken ist leider weit verbreitet in der Beamtenschaft und blockiert jeden Reformansatz; es stellt kein Hilfsmittel für unsere Bemühungen dar.
Meine Damen und Herren, dieses erste bundeseinheitliche Gesetz mit den im Entschließungsantrag festgelegten Strukturmaßnahmen ist ein Reformgesetz oder — so könnten wir bescheidener sagen — der Beginn einer Reform im öffentlichen Dienst. Daß in diesem ersten Anlauf naturgemäß nicht allen alles Erwünschte gegeben werden konnte, ist klar; dazu bedarf es, glaube ich, mehr als eines Weihnachtsfestes.
Auf einer Pressekonferenz bin ich gefragt worden, ob ich glaubte, daß die Beamten nun ruhig seien. Meine Antwort lautete: Ich hoffe, nein! Dieses Land braucht unruhige Beamte. Zu diesen unruhigen Beamten, die den Leistungsstand der Verwaltung nach vorn tragen, bekennt sich die SPD-Fraktion. Wir stimmen diesem Gesetz zu.

(Beifall bei der SPD.)


Lothar Krall (FDP):
Rede ID: ID0610320900
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nachdem in diesem Hohen Hause allgemein eitel Freude darüber zu herrschen scheint, daß wir zu einer gemeinsamen Verabschiedung eines bedeutenden Gesetzes kommen, darf ich für die Fraktion der Freien Demokraten erklären, daß wir in den Vorschlägen zur Beamtenbesoldung, die die interfraktionelle Arbeitsgruppe ausgearbeitet und der Innenausschuß bestätigt hat, ein zukunftsweisendes Gesamtkonzept sehen. Wir werden es als solches auch uneingeschränkt unterstützen.
Wir möchten dabei aber zugleich in den Vordergrund stellen, daß der Gesetzentwurf nicht für sich allein gesehen werden darf. Er stellt, wie es auch die Überschrift ausweist, den ersten Schritt zur Vereinheitlichung ,und Neuregelung des Besoldungsrechts im Bund und in den Ländern dar.
Der Gesetzentwurf sieht bedeutende Änderungen des Bundesbesoldungsgesetzes vor. Hervorheben möchte ich nur die Neuregelung des Verhältnisses der Beförderungsämter in den Besoldungsgruppen unterhalb der obersten Bundesbehörden, der Amts-
und Stellenzulagen, der Mehrarbeitsentschädigung für Beamte und die Anpassung landesrechtlicher Bestimmungen. Die Vereinheitlichung dieses Rechtsgebietes ist ein Gebot der Gerechtigkeit und der Vernunft. Darüber hinaus enthalten die Bestimmungen fühlbare Verbesserungen der Beamtenbezüge unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Belange unterer und mittlerer Einkommensgruppen.
Bedeutende Neuerungen bringen auch die Übergangsregelungen zur Vereinheitlichung der Besoldungsstruktur bei Bund und Ländern. Dies gilt insbesondere bezüglich der Zulageregelungen für einige Beamtengruppen im Bereich des Bundes und der Länder wie für die technischen Dienste und die Polizeivollzugsbeamten. Die Länder sind verpflichtet, ihr Besoldungsrecht innerhalb eines Jahres nach Verkündung dieses Gesetzes anzupassen.
Durch die Änderung des Gesetzes über vermögenswirksame Leistungen für die Bundesbeamten, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit vom 17. Juli 1970 werden die gemeinsamen Bemühungen aller für den öffentlichen Dienst Verantwortlichen, die zum erstenmal ihren Niederschlag im Ergebnis der Tarif- und Besoldungsbewegungen der Jahreswende 1969/70 fanden und diesen seinerzeit besondere Bedeutung verliehen, zielstrebig fortgeführt.
Was die jetzt zu verabschiedende besoldungsgesetzliche Regelung anbetrifft, wollen wir sie so verstanden sehen, daß dieses Gesetz zunächst einmal die notwendige Grundlage dafür schafft, das Besoldungsrecht für Bund und Länder konstruktiv und fortschrittlich weiterzuentwickeln. Schon in diesem Stadium ist herauszustellen, daß für uns die nun in großen Zügen verwirklichte Neuregelung alles andere bedeutet als Schablonisierung oder sture Gleichmacherei. Wir meinen vielmehr, daß konstruktive Weiterentwicklung der Besoldung nicht möglich ist im Wettlauf der verschiedenen
Deutscher Bundestag — G. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1971 6033
Krall
Dienstherren untereinander. Der erstrebten Besoldungsgerechtigkeit kommen wir auch nicht im geringsten näher, wenn wir heute dieser, morgen jener Gruppe Präferenzen unter Druck oder aus einseitigem Entgegenkommen verschaffen.
Aus diesem Grunde ist für die FDP-Fraktion das erste Vereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetz zur Besoldung Ausgangspunkt und Basis für eine Gesamtregelung, die die berufstypischen Anforderungen in den verschiedenen Zweigen des öffentlichen Dienstes angemessen berücksichtigt und die, worauf es besonders ankommt, auch nach einem einheitlichen Konzept für Bund und Länder und nicht unter Druck und Zwang einzelner Gruppen zustande kommt. In diesem Zusammenhang messen wir den Entschließungsanträgen, die mit diesem Gesetz verabschiedet werden sollen, eine ebenso große Bedeutung bei. Sie weisen bereits jetzt die Richtung für einen weiteren sachgerechten Ausbau unter Berücksichtigung unterschiedlicher beruflicher Anforderung sowie der gesellschaftlichen Entwicklung.
Urn zu einer so anspruchsvollen Lösung zu gelangen, bedrufte es intensiver Vorbereitung. In diesem Zusammenhang möchte ich den Mitgliedern der interfraktionellen Arbeitsgruppe und ihren beamteten Beratern Dank sagen — ich hoffe, das einmal ganz unbeschadet der Fraktionszugehörigkeit hervorheben zu können — für die Dynamik, mit der sie .den Weg in die Zukunft gewiesen haben, und für die zahlreichen Impulse, die von ihr in Richtung auf konstruktive und fortschrittliche Weiterentwicklungen ausgegangen sind.
Freilich muß das zugleich im Zusammenhang mit der nachhaltigen Unterstützung gesehen werden, die uns die Länder bei der Vorbereitung des Konzepts gewährt haben. Ohne die Unterstützung der politisch verantwortlichen Instanzen in den Ländern, ohne den umfassend zur Verfügung gestellten Sachverstand der Experten würden wir das heutige Ergebnis nicht vorweisen können.
Sicherlich sind nicht alle Wünsche der Beamten erfüllt worden. Da der Schwerpunkt der Arbeit zunächst in der Harmonisierung des Gehaltsniveaus in der Bundesrepublik lag, kann zur Zeit nicht ohne die viel kritisierten Zulagen ausgekommen werden. Auch die Stellung der Ingenieure und z. B. die der Lehrer ist noch nicht abschließend geregelt. Hier müssen zunächst Übergangsbestimmungen in Kauf genommen werden. Doch ist eine Besoldungsvereinheitlichung ohne eine zeitweise Fixierung der Gehälter mancher Beamtengruppen überhaupt nicht zu erreichen. Insoweit stellt der gegenwärtige Gesetzentwurf nur einen ersten, allerdings bedeutsamen Schritt dar.
Der nächste Schritt, der Teil des jetzt festzulegenden Gesamtkonzepts sein soll, weist die Initiative dem Bundesrat zu. Wir begrüßen daher besonders seine Bereitschaft, zum 1. Mai dieses Jahres Vorschläge zu einer näheren Ausgestaltung der Besoldungsverhältnisse in einzelnen bestimmten Gruppen und Tätigkeiten zu unterbreiten; die einzelnen Gruppen sind von meinem Herrn Vorredner bereits angesprochen worden.
Lassen Sie mich noch eine kurze Schlußbemerkung machen. Meine Fraktion begrüßt es besonders, daß die im Weißbuch des Bundesverteidigungsministeriums aufgezeigten besoldungspolitischen Maßnahmen für unsere Soldaten so schnell und einmütig in dieses Gesetz eingeflossen sind. Meinem Kollegen Kurt Jung und mir ist es eine ganz besondere Genugtuung, daß nunmehr auch die Flugzeugführer der Streitkräfte, die zur Führung sonstiger Flugzeuge berechtigt sind, endlich eine angemessene Stellenzulage erhalten. Damit ist eine seit Jahren bestehende soziale Ungerechtigkeit endlich ausgeräumt worden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610321000
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.

Friedrich Vogel (CDU):
Rede ID: ID0610321100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf enthält u. a. eine 'Regelung der Besoldung der Richter, durch die die Richterämter wie bisher in die Besoldungsordnung A und B eingeordnet werden. Wegen der Beibehaltung der sich an Beamtenmaßstäben orientierenden Regelung der Richterbesoldung sehe ich mich nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Das ist nicht in erster Linie eine Frage der Besoldungshöhe, sondern der Besoldungsstruktur.
Die Regelung der Richterbesoldung entspricht nicht der verfassungsrechtlichen Stellung der Richter. Sie ist nach meiner Überzeugung verfassungswidrig.
Der Rechtsausschuß hat wiederholt — mit entsprechender Begründung — die Auffassung vertreten, daß gegen diese Art der Regelung der Richterbesoldung durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Zuletzt wurde dies in einer gutachtlichen Stellungnahme zu dem vorliegenden Entwurf zum Ausdruck gebracht. Ich bedaure, daß sich der Innenausschuß um der Aufrechterhaltung des Prinzips der Besoldungseinheit willen über diese verfassungsrechtlichen Bedenken hinweggesetzt hat. Meine Damen und Herren, die Entscheidung, die hier heute getroffen werden soll, wird bei den Richtern Erbitterung und Resignation hervorrufen -
und das um so mehr, als die Bundesregierung den Richtern gegenüber im Wort steht.
In seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 hatte Bundeskanzler Brandt angekündigt, daß den Richtern eine ihrer verfassungsrechtlichen Stellung gemäße Besoldung gegeben werden solle. Vor dem Rechtsausschuß hat Bundesjustizminister Jahn am 19. März 1970 mitgeteilt, die Bundesregierung habe auf seinen Vorschlag folgenden Beschluß gefaßt — ich zitiere —:
„Die Bundesregierung bejaht den Grundsatz einer eigenständigen Richterbesoldung. Sie wird einen entsprechenden Gesetzentwurf im Zusammenhang mit strukturellen Verbesserungen in anderen Besoldungsbereichen im Jahre 1971 vorlegen."

Vogel
Noch vor der Vertreterversammlung des Deutschen Richterbundes am 27. November 1970 hat Bundesjustizminister Jahn unter Berufung auf diesen Kabinettsbeschluß die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes im Jahre 1971 angekündigt. Ich stelle fest, daß die Bundesregierung nicht mehr bereit ist, ihr gegebenes Wort einzulösen.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Woher wissen Sie denn das?)

- Hören Sie zu, Herr Kollege Schäfer! Aus der Ergebnisniederschrift der 6. Sitzung der interfraktionellen Arbeitsgruppe „Besoldungskonzept" vom 5. Februar 1971 geht hervor, daß Staatssekretär Hartkopf vom Bundesinnenministerium auf eine entsprechende Frage erklärt hat, seitens der Bundesregierung bestünde nicht die Absicht, eine eigene Besoldungsordnung für die Richter zu schaffen.

(Abg. Liedtke: Zur Zeit!)

— Ich habe wörtlich zitiert, Herr Kollege Liedtke.
Am 24. Februar 1971 empfing Bundeskanzler Brandt in Gegenwart von Bundesjustizminister Jahn den Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes und weitere Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Richterbundes. Laut Mitteilung im Bulletin der Bundesregierung vom 27. Februar 1971 stellte der Bundeskanzler bei diesem Gespräch zur Frage der Richterbesoldung folgendes fest — ich zitiere -:
1. Die allgemeine Situation der Besoldung im öffentlichen Dienst erfordert zunächst die vom Parlament vorgesehene Neuordnung allgemeiner Art. Sie kann den Grundsatz der Notwendigkeit einer eigenständigen Richterbesoldung nicht ersetzen.
2. Diese bleibt, wie in der Regierungserklärung vorgesehen, ein Ziel dieser Bundesregierung.
3. Der Bundeskanzler und der Justizminister werden dem Kabinett über die Aussprache mit den Vertretern des Deutschen Richterbundes berichten und die aufgeworfenen Fragen außerdem mit den Fraktionen des Bundestages — ebenso wie mit den Ländern — eingehend erörtern.

(Abg. Dr. Barzel: Dafür sind die Innenminister der Länder zuständig!)

Am Tage nach dem Gespräch des Bundeskanzlers mit den Vertretern des Deutschen Richterbundes, aber vor der Mitteilung dieser Feststellungen im Bulletin der Bundesregierung hat das Bundeskabinett am 25. Februar 1971 dann folgenden Beschluß gefaßt:
Die Bundesregierung begrüßt die von der inter- fraktionellen Arbeitsgruppe erarbeiteten Vorschläge zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern und die von der Arbeitsgruppe zur Fortentwicklung der Besoldungsstruktur beschlossenen Grundsätze. Sie ist der Auffassung, daß über diese Beschlüsse der Arbeitsgruppe hinausgehende Veränderungen der Besoldungsstruktur im Zusammenhang mit der eingeleiteten Reform des
öffentlichen Dienstrechts geregelt werden sollten.
Meine Damen und Herren, das bedeutet, konkret gesprochen, schlicht und einfach eine Vertagung der Entscheidung in der Frage einer eigenständigen Richterbesoldung auf die nächste Legislaturperiode.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Wieso?)

- Was die Vorarbeiten für die Reform des öffentlichen Dienstrechts angeht, so kennen Sie genau den Zeitplan. Sagen Sie mir bitte, wie Sie diese Frage in der jetzigen Legislaturperiode noch klären wollen!

(Abg. Dr. Arndt [Hamburg] : Dann gehören aber Ihre Auslegungskünste dazu!)

Damit reiht sich das Versprechen der Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zur Regelung einer eigenständigen Richterbesoldung vorzulegen, in die Reihe anderer nicht eingehaltener Versprechungen dieser Bundesregierung ein.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.) Ich möchte feststellen:

1. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vorgesehene Regelung der Richterbesoldung sind nicht ausgeräumt.
2. Der Bundestag kommt nicht darum herum — auch wenn die Bundesregierung nicht initiativ wird —, sich mit der Schaffung einer eigenständigen Richterbesoldung zu beschäftigen.
3. Es wäre bedauerlich, wenn sich der Gesetzgeber erst unter dem Druck einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung bereitfände, den Richtern eine ihrer verfassungsrechtlichen Stellung gemäße Besoldung zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610321200
Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0610321300
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung der Bundesregierung Brandt enthält die klare Aussage, daß im Rahmen der Justizreform auch der verfassungsrechtlichen Sonderstellung der Richter durch eine besondere Besoldungsregelung Rechnung getragen wird. Diese Regierungserklärung gilt aber, meine Damen und Herren, für die jetzt laufende Legislaturperiode. Herr Kollege Vogel, diese Legislaturperiode, ist, wie Sie wissen, noch nicht zu Ende. Wir haben noch nicht einmal ihre Halbzeit erreicht. Ich wiederhole daher, daß diese Regierungserklärung für die gesamte Legislaturperiode gilt. Die sozialdemokratische Fraktion wird das Ihre dazu tun, daß alles, was in dieser Regierungserklärung steht, so Wort für Wort und Punkt für Punkt verwirklicht wird.

(Abg. Vogel: Viel Glück auf der Reise!)

Dazu gehört auch dieser Teil der Regierungserklärung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ergänzungsabgabe! — Abg. Dr. Barzel: Arbeitnehmerfreibetrag!)




Dr. Arndt (Hamburg)

— Auch das wird verwirklicht werden. Herr Dr. Barzel, Sie werden sich eines Tages darüber noch wundern.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir wundern uns schon lange!)

Niemand im Land wird es Ihnen abnehmen, wenn Sie jetzt nach knapp anderthalb Jahren Regierungszeit behaupten, hier habe sich bereits gezeigt, daß diese Bundesregierung das, was sie in der Regierungserklärung versprochen hat, nicht verwirkliche.

(Abg. Ott: Sie vergessen den Arbeitnehmerfreibetrag!)

— Darauf habe ich soeben geantwortet, Herr Ott.
Da haben Sie wahrscheinlich nicht richtig zugehört.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird also dafür sorgen — damit komme ich zur Richterbesoldung zurück —, daß auch dieser Punkt der Regierungserklärung verwirklicht wird. Der heute hier zur Beratung anstehende Gesetzentwurf ist kein Gesetzentwurf zur Justizreform. Die Richterbesoldung ist aber ein Teil der Justizreform. Der hier heute vorliegende Entwurf verbaut nicht nur nichts auf diesem Gebiet,

(Abg. Vogel: Sondern schafft auch nichts!)

sondern läßt die Frage der Richterbesoldung offen für die Regelung, die wir im Sinne der Regierungserklärung anstreben und verwirklichen werden. Ich kann hier nur unterstreichen, was mein Freund Liedtke dazu vorhin gesagt hat.
Hier und heute gilt es allerdings, zunächst einmal die Grundlagen der allgemeinen Besoldungseinheit für den gesamten öffentlichen Dienst zu schaffen.
Noch etwas anderes, meine Damen und Herren: Die sozialdemokratischen Mitglieder des Rechtsausschusses haben seit 1949, solange der Bundestag besteht, die verfassungsmäßige besondere Richterbesoldung gefordert. Ich selber habe zuletzt 1968, also im vorigen Bundestag, von dieser Stelle aus darauf hingewiesen. 20 Jahre lang hatten Bundesregierungen und Bundestagsmehrheiten in diesem Hause Gelegenheit, Farbe zu bekennen.

(Abg. Vogel: Wieder die 20 Jahre, Herr Arndt!)

20 Jahre lang sind diese Vorstellungen der sozialdemokratischen Mitglieder des Rechtsausschusses von Ihrer Seite abgelehnt worden, warum auch immer.
Jetzt haben wir zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik eine Bundesregierung und eine sie tragende Koalition, die sich diese Forderung offiziell durch Aufnahme in die Regierungserklärung zu eigen gemacht haben.

(Abg. Reddemann: Sie haben sie nicht erfüllt!)

Sie werden sehen, daß diese Regierung diese Forderung auch bis zum Schluß der Legislaturperiode verwirklichen wird. Ich bedaure es, sagen zu müssen, daß die Christlich-Demokratische Union und die
Christlich-Soziale Union daher am wenigsten legitimiert sind, noch vor Ende der Halbzeit dieser Legislaturperiode beim ersten Anlaß einer Besoldungsregelung überhaupt zu kritisieren, daß nicht sofort das verwirklicht wird, was die CDU/CSU-Fraktion und die Bundesregierungen vor dieser Regierung 20 Jahre lang abgelehnt haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610321400
Das Wort hat der Abgeordnete Hauser.

Alo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0610321500
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel dieses Gesetzes, das wir in dritter Lesung gleich verabschieden werden, ist es, mehr Besoldungsgerechtigkeit durch Besoldungsvereinheitlichung zu erreichen. Wir müssen dabei auch von dem Grundsatz ausgehen, daß Besoldungsgerechtigkeit nur erreicht werden kann, wenn gleiche Leistung mit gleicher Besoldung bedient wird. Der interfraktionelle Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung stellt einen wesentlichen Schritt hin zu dieser Besoldungsgerechtigkeit dar, insbesondere durch Abbau des Besoldungsgefälles zwischen den Ländern und dem Bund.
Der zwischen den Fraktionen zustande gekommene Kompromiß ist jedoch nicht frei von Schönheitsfehlern. Ich glaube, das wissen wir alle. Auf ein ungelöstes Problem, das, wie mir scheint, mehr als ein Schönheitsfehler ist, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit lenken: das Problem der Ministerialzulage. Es ist zu begrüßen, daß die Ministerialzulage als eine steuerfreie Aufwandsentschädigung mit einem gewissen Anklang an Zeiten, als man von einem Ministerialbeamten einen besseren Anzug erwartete, in eine zu versteuernde Stellenzulage umgewandelt wurde. Es ist weiter zu begrüßen, daß seit dem 1. Januar 1971 auch die Arbeiter in den Genuß dieser Zulage kommen, und es ist ferner zu begrüßen, daß die Vereinheitlichung der Zulage auf einen gewissen Prozentsatz des Grundgehalts erfolgt ist, und zwar bei allen Häusern einschließlich der Bediensteten dieses Hohen Hauses und des Bundespräsidialamts und unter gleichzeitiger Wahrung des sozialen Besitzstandes auch derjenigen, die, wie die Letztgenannten, bisher bevorzugt waren. Schließlich freue ich mich auch aufrichtig darüber, daß mit der Anhebung der Ministerialzulage auf 12,5 % des Grundgehaltes trotz Steuerpflicht im großen und ganzen und in den meisten Fällen eine Verbesserung der Bezüge der Empfänger verbunden ist, die gleichzeitig den unbestreitbar noch vorhandenen Besoldungsrückstand verringert.
Der Grundsatz aber, von dem wir ausgingen: „gleiche Leistung, gleiche Besoldung", ist damit noch nicht verwirklicht. Wo bleiben beispielsweise die Bediensteten der Bundesoberbehörden? Es ist doch wirklich nicht feststellbar, daß etwa ein Oberinspektor im Bundesinnenministerium eo ipso qualifiziertere Arbeit leistet als ein Oberinspektor im Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz, das dem Innenministerium nachgeordnet ist, oder daß eine Schreibkraft nach BAT VII beim Beauftragten für



Hauser (Bad Godesberg)

den Steinkohlenbergbau andere und weniger qualifizierte Arbeit zu leisten hätte als eine Schreibkraft ebenfalls nach BAT VII beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Ich stelle auch die Frage, ob es etwa dem Betriebsklima dient, wenn die Bediensteten des Postamtes Bonn diese Zulage erhalten, falls sie zufällig zur Dienstleistung in die Nebenstelle im Bundeshaus abgeordnet sind, wenn auf der anderen Seite nur ein ganz kleiner Prozentsatz der Bediensteten des Postamtes Bonn nach hierher abgeordnet werden kann.
Es kommt etwas weiteres hinzu. Gerade im Bonner Raum findet zwischen den verschieden Behörden des Bundes, des Landes und der Stadt ein harter Wettbewerb um die knappen, weil zu wenigen Dienstkräfte des öffentlichen Dienstes statt. Die Ministerien werben mit der Ministerialzulage. Die anderen Behörden sehen sich, um ihre Dienstkräfte zu halten, genötigt, am Rande oder sogar neben der Legalität Tätigkeitsmerkmale und Arbeitsplatzbeschreibungen so zu verschönen, um nicht zu sagen, zu manipulieren, daß dann eine bessere Eingruppierung möglich ist und so ein Ausgleich für die Ministerialzulage geschaffen wird. Wenn z. B. auf diese Art und Weise aus einer Sekretärin nach BAT VII eine Sachbearbeiterin nach BAT VI b oder V c wird, dient das sicherlich der Erhaltung dieser Arbeitskraft, hat aber nichts damit zu tun, daß sie anschließend andere Tätigkeiten effektiv ausüben würde. Ich glaube, daß dieser mit solchen Methoden um die Dienstkräfte, um das Heranziehen und Abwerben ausgetragene Wettbewerb zwischen den verschiedenen hier ansässigen Behörden weder dem Arbeitseifer noch der Arbeitsleistung noch dem Betriebsklima dienlich ist.
Ich bin daher der Meinung, daß intensive Überlegungen darüber angestellt werden müssen, wie die Verzerrungen insbesondere im Gefüge des öffentlichen Dienstes im Bonner Raum beseitigt werden können. Dabei möchte ich betonen, daß ich die Verbesserungen, die jetzt vorgesehen sind, und zwar auch und gerade bei der Ministerialzulage, allen Empfängern von Herzen gönne. Dort, wo jedoch in einem Ministerium besonders qualifizierte und sich deutlich abhebende Arbeit zu leisten ist, scheint mir das nicht das Problem einer Zulage, sondern der richtigen Bewertung des Dienstpostens und damit der Ausgestaltung des Stellenplans zu sein. Im übrigen kann der Trend nur zu einer allgemeinen Angleichung im Bonner Raum gehen. Herr Bundesinnenminister, ob wir das „Kind" nun „Bundeshauptstadtzulage" oder wie auch immer nennen: es wäre mein herzlicher Wunsch und meine dringende Bitte, daß Sie sich mit diesem Problem intensiv beschäftigen.
Ich will den mühsam errungenen Kompromiß nicht stören, indem ich hier einen konkreten Antrag stelle; das ist auch so mit meiner Fraktion abgesprochen. Aber ich glaube, es darf die Erwartung ausgesprochen werden, daß dieses Problem erkannt wird und nicht unbearbeitet auf dem Tisch liegen bleibt, sondern beim nächsten Reformgesetz durch positive Erledigung vorn Tisch kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610321600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Becker (Nienberge).

Helmuth Becker (SPD):
Rede ID: ID0610321700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In genauso beredten Worten wie der Kollege Hauser hat uns der Kollege Ostmann von der Leye in unserer Fraktion die Notwendigkeit der Zahlung einer „Hauptstadtzulage" vor Augen geführt.

(Abg. Vogel: Er ist aber nicht da! Abg. Dr. Barzel: Wo ist er denn? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Dann soll er doch mal sprechen!)

Wir haben in der interfraktionellen Arbeitsgruppe übereinstimmend folgenden Weg beschritten. Wir wollen die vielen Zulagen, die in den letzten Jahren in allen möglichen Bereichen und aus allen möglichen Gründen — manche mußten sogar erfunden werden — gezahlt worden sind, nun im Rahmen einer Vereinheitlichung, soweit es geht, abbauen. Wir müssen dabei den unpopulären Weg gehen, daß wir erst noch Zulagen im Bund zahlen, um dann Mitte des nächsten Jahres in der Lage zu sein, diese gezahlten Zulagen in der neuen Grundgehaltstabelle zu vereinigen.
Wenn Sie jetzt die Frage stellen, wo Herr Ostmann von der Leye ist, muß ich Sie fragen: wo war die CDU zehn Jahre lang, als es um eine solche Zulage ging?

(Beifall bei der SPD. — Abg. Vogel: Sie sind mit den zehn Jahren schon bescheidener!)

Denn in diesen zehn Jahren hätten Sie so etwas schließlich durchsetzen können.
Ich möchte hier nur noch einmal unseren Grundsatz unterstreichen und darauf hinweisen, daß uns viele Anträge zugegangen sind, sei es vom Kohlebeauftragten, der in seiner Behörde vom Ministerium abgeordnete Leute beschäftigt, sei es von anderen, die etwa die Frage aufwarfen, ob man dieser oder jener Gruppe für eine besondere Tätigkeit noch eine weitere Zulage oder ob man bei den oberen Bundesbehörden solche Zulagen zahlen sollte. Alle diese Probleme sind uns, ich möchte sagen, waschkörbeweise auf den Tisch gelegt worden. Wir haben uns allesamt entschlossen, interfraktionell noch einmal festzustellen, daß wir das Gesamtproblem der Zulagenzahlung in einer weiteren Etappe unserer Beratungen erneut sehr sorgfältig durchleuchten wollen. Dabei werden wir sicherlich auch das vorhin angeschnittene Problem berücksichtigen.
Ich wollte hier nur begründen, warum wir uns jetzt nicht dazu durchringen konnten, eine Extralösung zu schaffen. Sie hätte nämlich Auswirkungen auf Zulagenzahlungen in Ballungsräumen, z. B. in Frankfurt am Main und im Ruhrgebiet, auf Sonderzuschläge in München und ähnliches mehr gehabt. Das war der Grund, und das wollte ich dem Kol-



Becker (Nienberge)

legen Hauser von dieser Stelle noch einmal gesagt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610321800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610321900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Vorsitzender des Innenausschusses möchte ich bei Abschluß dieser Beratungen einige Bemerkungen machen, weil die Art und Weise der Beratung der vorliegenden Gesetzentwürfe festgehalten werden sollte und weil sie vielleicht auch in Zukunft in schwieriger Situation helfen kann.
Dem Innenausschuß waren vier Gesetzentwürfe überwiesen worden, ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, zwei Initiativgesetzentwürfe aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion und ein Gesetzentwurf des Bundesrates, das ganze vor dem Hintergrund einer Änderung des Grundgesetzes. Man hat einen ganz neuen Weg beschritten, der in dieser Weise, soweit ich sehe, seit langem nicht mehr gegangen wurde. Es haben sich fünf Kollegen aus dem Innenausschuß, die Kollegen Liedtke, Wagner, Berger, Becker und Krall, der außerordentlich schwierigen Aufgabe unterzogen, ein Besoldungskonzept zu erarbeiten, und es haben sich vom Haushaltsausschuß die Kollegen Leicht, Jenninger, Hermsdorf, Säckl und Kirst der Aufgabe unterzogen, jeweils zu prüfen, inwieweit das Besoldungskonzept, das erarbeitet wurde, in den Haushaltsplänen dieses Jahres und der nächsten Jahre zu verkraften ist. Wir haben Anlaß, als Bundestag diesen Kollegen sehr herzlich zu danken für die außerordentlich schwierige Arbeit, die sie geleistet haben, und insbesondere dafür, daß sie diese Arbeit in so kurzer Zeit geleistet haben.

(Beifall.)

Es kam aber noch eine Besonderheit hinzu. Die Länder - nicht in ihrer Vielzahl, sondern: die Länder, vertreten im Bundesrat — haben diese Arbeit ganz entscheidend unterstützt. Hier dürfen wir insbesondere dem Herrn Finanzminister Wertz aus Nordrhein-Westfalen danken. Es hat sich auch hier ein ganz neuer Weg der Zusammenarbeit gezeigt, der so aussah: Die interfraktionelle Arbeitsgruppe hat ihr Konzept informell dem Bundesrat zugestellt, und informell haben sich drei Ausschüsse des Bundesrates, der Innenausschuß, der Rechtsausschuß und der Finanzausschuß, mit diesem Gesetzentwurf befaßt und haben ihre inoffizielle Meinung gesagt, so daß bei der Schlußberatung und insbesondere hei der Beratung im Innenausschuß die Vorstellungen des Bundesrates mit berücksichtigt werden konnten. Das ist ein anerkennenswerter Versuch, sich auch einmal über die Schranken der Geschäftsordnung hinwegzusetzen und einen Weg zur Zusammenarbeit zwischen den beiden gesetzgebenden Häusern zu finden.
Anerkennung verdient die Mitarbeit des Innenministeriums und des Finanzministeriums bei dieser
ganzen Arbeit und — ich darf das als Vorsitzender dieses Ausschusses sagen — die des Personals des Ausschusses für innere Angelegenheiten, die sich tagelang bis tief in die Nacht hinein dieser Aufgabe gewidmet haben.

(Beifall.)

Wir sollten uns als Bundestag gelegentlich an eine solche freischöpferische, flexible Arbeitsmethode erinnern, um in schwierigen Fällen eine Lösung zu finden. Das ist dann möglich, wenn sich Kollegen zusammenfinden, die gewillt sind, diesem Hause ein positives Ergebnis vorzulegen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610322000
Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung.
Bevor wir zur Schlußabstimmung kommen, möchte ich noch einmal auf den Nachtrag zur Drucksache VI/1885 und auf folgende Berichtigungen hinweisen.
Auf Seite 13 muß es in der linken Spalte bei § 13 Abs. 3 Satz 1 richtig heißen „und der Absätze 1 und 2 vermindern", nicht „Abs. 1 a".
Auf Seite 28 muß es richtig heißen „Mittelschulrektoren als Leiter von Mittelschulen mit bis zu vier Klassen", nicht „Mittelschulkonrektoren".
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Ich frage nun nach Gegenstimmen. — Stimmenthaltungen? — Keine Stimmenthaltungen. Das Gesetz ist in dritter Beratung mit sehr großer Mehrheit gegen einige Stirn-men angenommen worden.
Der Ausschuß beantragt ferner unter II, die zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. — Ich stelle Zustimmung fest.
Ich erteile nunmehr dem Herrn Abgeordneten Wagner das Wort zu den Entschließungsanträgen des Innenausschusses.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0610322100
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bitte Sie noch für eine kurze Zeit um Aufmerksamkeit für die Entschließungsanträge des Innenausschusses. Die vorliegenden Entschließungsanträge, um deren Annahme der Innenausschuß bittet, stehen in engem Zusammenhang mit dem soeben verabschiedeten Ersten Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern. Wie ich bei der dritten Beratung dieses Gesetzentwurfes bereits ausführen konnte, sind in dieser Vorlage nicht schon alle Maßnahmen endgültig geregelt, die insgesamt das Konzept zur Besoldungsneuregelung beinhalten. Einige Maßnahmen konnten deshalb noch nicht in Gesetzesform gebracht werden, weil noch Untersuchungen über ihre Auswirkungen anzustellen sind. Dies gilt insbesondere für die Höherstufung der Eingangsämter in allen Laufbahnen, die Einführung der Anwärterbezüge, den Einbau der Zulagen in die Grundgehaltstabelle und die Vereinheitlichung der Bestimmungen über Reisekosten, Umzugskosten, Beihilfen und Trennungsgelder.



Wagner (Günzburg)

Bei der dritten Lesung des Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts habe ich weiter betont, daß die Besoldung der Techniker, Steuerbeamten, Programmierer, Rechtspfleger, Polizeibeamten sowie die der Lehrer noch nicht endgültig geregelt werden können und der Bundesrat bzw. die Länder gebeten worden sind, bis zum 1. Mai den Entwurf eines Gesamtkonzeptes vorzulegen und die Beratung über die Vereinheitlichung der Lehrerbildung bis zum 31. Dezember 1971 abzuschließen.
Für die Weiterentwicklung der Beamtenbesoldung sind darüber hinaus Untersuchungen erforderlich, über deren Ergebnisse die Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr hätte berichten sollen. In dem Entschließungsantrag des Innenausschusses sind neue Termine für diese Vorlagen gesetzt. Es handelt sich um den Bericht über die Gewährung von vermögenswirksamen Leistungen, den Bericht über die Frage eines etwaigen Besoldungsrückstandes der Beamten, den Bericht der Bund-Länder-Kommission zur Ämterbewertung und den Bericht der Studienkommission zur Reform des öffentlichen Dienstrechtes. Das Ergebnis dieser Untersuchungen, meine Damen und Herren, wird es dem Deutschen Bundestag ermöglichen, auf gesicherter Grundlage das Besoldungs- und Dienstrecht so fortzuentwickeln, daß es den Erfordernissen der Zukunft gerecht wird. Um den weiteren Verfahrensgang, der in der interfraktionellen Arbeitsgruppe beschlossen worden ist und der dort auch die Zustimmung der Vertreter der Bundesregierung und des Bundesrates gefunden hat, verbindlich abzusichern und um weiter der Bundesregierung die Möglichkeit zu geben, die beabsichtigten Regelungen bei der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung zu berücksichtigen, ist eine entsprechende Willensäußerung des Deutschen Bundestages erforderlich. Soweit, meine Damen und Herren, zur Begründung.
Lassen Sie mich gleich an dieser Stelle die Auffassung der CDU/CSU-Fraktion zu dem Entschließungsantrag mitteilen. Die CDU/CSU-Fraktion wird den Entschließungsanträgen zustimmen. Wir halten die für 1972 und 1973 geforderten Maßnahmen für erforderlich. Es bleibt sicherlich noch einiges an Anträgen, an Wünschen und an Vorstellungen offen. Aber ich glaube, daß mit dem Gesetz und mit diesem Entschließungsantrag nun ein wesentlicher Schritt zur Vereinheitlichung und damit zur gemeinsamen Fortentwicklung des Besoldungsrechtes in Bund und Ländern getan wurde.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch namens der CDU/CSU-Fraktion allen an diesem Werk Beteiligten aufrichtigen Dank für die Unterstützung für die Anträge und für die Hilfen sagen.

(Beifall des Abg. Rösing.)

Die CDU/CSU-Fraktion stimmt insbesondere auch der im Zusammenhang mit § 60 des Ersten Vereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetzes erforderlich gewordenen Erweiterung der Entschließung zu,

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

weil wir in dieser Erweiterung ein deutliches Bekenntnis zum Berufsbeamtentum sehen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

ein Bekenntnis, das uns gerade in dieser Zeit angesichts der öffentlichen Diskussion in besonderem Maß erforderlich erscheint.

(Erneuter Beifall bei der CDU CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610322200
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich glaube, ich kann über die Entschließungsanträge insgesamt abstimmen lassen. Ich nehme noch einmal ausdrücklich auf die Ergänzung der Entschließungsanträge Bezug.
Wer den in der Drucksache VI/ 1885 vorgelegten Entschließungsanträgen mit der Ergänzung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? — Eine Stimmenthaltung. Meine Damen und Herren, ich stelle insoweit — bis auf die Stimmenthaltung — Einmütigkeit im Hause fest.
Ich rufe nunmehr den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 160 auf. Hierzu liegt eine Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Pfeifer vor.

Anton Pfeifer (CDU):
Rede ID: ID0610322300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde heute mehrfach hervorgehoben, daß die in dem Gesetz getroffene Regelung der Lehrerbesoldung nur eine Übergangsregelung ist. Das kommt auch in der Entschließung, die soeben verabschiedet worden ist, nochmals deutlich zum Ausdruck. Wir sind darüber hinaus der Meinung, daß durch dieses Gesetz und durch diese Entschließung auch ein Beitrag dazu geleistet worden ist, daß uns die Kultusminister hoffentlich sehr bald das Konzept vorlegen werden, das es dann erlaubt, die besoldungsrechtlichen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Wenn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nun noch einen weiteren Entschließungsantrag stellt, so deshalb, weil wir in diesem Hause bereits jetzt unmißverständlich deutlich machen wollen, daß die Eingruppierung der Eingangsstufe der Lehrämter an Gymnasien und an berufsbildenden Schulen in A 13 mit Zulage eine echte Stufung gegenüber der Eingruppierung des Lehramtes an Realschulen in A 13 darstellt. Die Stufung in A 13 und A 13 mit Zulage ist aber so gering, daß sie für uns auch als Übergangsregelung an sich nur schwer akzeptierbar gewesen ist. Wir haben sie nur deshalb akzeptiert, weil wir Rücksicht genommen haben auch auf die Eingruppierung der übrigen Beamten und weil unsere Vorstellungen hinsichtlich der Eingruppierung des Oberstudiendirektors nach A 16 im Gesetz ihren Niederschlag gefunden haben. Wir wollen aber keinen Zweifel daran lassen — und dies ist das Ziel dieses Entschließungsantrages —, daß zum frühestmöglichen Zeitpunkt diese Stufung auf eine volle Besoldungsgruppe erweitert und die Eingangsstufe für die Lehrämter an Gymnasien in der Sekundarstufe II und für die Lehrämter an berufsbildenden Schulen A 14 werden muß.
Lassen Sie mich dazu nur noch einen grundsätzlichen Gedanken sagen! Die CDU/CSU-Bundestags-



Pfeifer
fraktion stimmt — wie auch die Kultusminister der Länder — im Prinzip der Konzeption stufenbezogener Lehrämter zu. Wir betonen aber zugleich, daß auch bei der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Lehrämter der künftige Sekundarstufenlehrer II sowohl in den Gymnasien als auch in den berufsbildenden Schulen besondere Leistungsanforderungen erfüllen muß. Dies muß auch künftig nicht allein eine längere Ausbildungszeit, sondern auch die Eingruppierung in eine höhere Besoldungsstufe zur Folge haben. Denn auch wenn wir die Erweiterung aller Lehrämter wollen, darf dies nicht dazu führen, daß der Eindruck entsteht, es sollten sachlich notwendige Differenzierungen verwischt werden. Die Bildungssysteme aller Länder kennen den Grundsatz der Leistungs- und der Besoldungsdifferenzierung, und gerade wenn die auch im Bildungsbericht der Bundesregierung vorgeschlagene Sekundarstufe II als leistungsfähiger Teil eines zukunftweisenden Schulsystems eingerichtet werden soll — und das wollen wir — und wenn die Leistungsfähigkeit der Gymnasien und der Berufsschulen nicht weiter vermindert, sondern gestärkt werden soll, brauchen wir eine eindeutige gesonderte Stufung für die Besoldung des Lehrers an der Sekundarstufe II. Deswegen wollen wir diese Stufung für die Zukunft erhalten.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einen Satz zur Situation des Lehrermangels sagen, weil das in der schriftlichen Begründung unseres Entschließungsantrags angeführt ist. Ich habe die Zahlen der GEW vom Herbst letzten Jahres vor mir. Danach ergibt sich, daß nach den Zielwerten der Kultusministerkonferenz, die immerhin schon sieben Jahre alt sind, der Lehrermangel an den Grund- und Hauptschulen zur Zeit 31 % beträgt, in den Realschulen 42 %, in den Gymnasien 45 % und in den naturwissenschaftlichen Fächern der Gymnasien sogar mehr als 45 %. Das sind alarmierende Zahlen. Nun bin ich mir darüber im klaren, daß man durch besoldungsrechtliche Maßnahmen allein den Lehrermangel nicht beseitigen kann. Aber man muß auch im Besoldungsrecht Voraussetzungen dafür schaffen, daß dieser Lehrermangel allmählich abgebaut wird, daß er vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern gemildert wird. Dem dient dieser Entschließungsantrag.
Ich darf Sie bitten, daß Sie diesen Antrag an den Innenausschuß und an den Haushaltsausschuß überweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610322400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Liedtke.

Karl Liedtke (SPD):
Rede ID: ID0610322500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sprach vorhin für die SPD-Fraktion von den vielgeliebten Lehrern. Ich stelle fest, das ist bei der CDU desgleichen der Fall.

(Zuruf von der CDU/CSU: Er ist auch Lehrer!)

Es hat noch niemand fertiggebracht, ein Schwein zu verzehren, bevor man es geschlachtet hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das sind Vergleiche!)

- Ja, der Vergleich kommt jetzt. — Wir haben vorhin einmütig festgestellt - ich verlese einmal den
Gesetzestext —: „Die am 1. Januar 1971 bestehenden Lehrämter sind übergangsweise wie folgt in die Besoldungsordnungen einzustufen." Diese übergangsweise Regelung wird von uns beendet, sobald die Bildungsreform die Normen gesetzt hat. Wir wissen von den Kollegen, daß das vor Ende dieses Jahres nicht der Fall sein kann. Wir wissen von uns selbst, daß wir dann, wenn wir diese Maßstäbe haben, unverzüglich an die richtige Einstufung der Lehrer gehen. Wir nehmen also Ihren Entschließungsantrag gerne in den Innenausschuß mit. Nur müssen Sie wissen, was wir alle schon wissen: er muß bis Ende des Jahres liegenbleiben. Ob dann A 14 oder etwas mehr oder weniger herauskommt, muß man dann sehen; das entscheiden die Leute, die den Bildungsplan machen, und das sind nicht zuletzt die Kultusminister der Länder. Sie stoßen also auf unser Wohlwollen, und wir stoßen auf Ihr Verständnis, daß dieser Entschließungsantrag erst wieder lebendig werden kann, wenn das Jahr sich dem Ende zuneigt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610322600
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Entschließungsantrag Umdruck 160 *) wird entsprechend den Vorschlägen dem Innenausschuß — federführend — und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 GO überwiesen. Ich stelle allgemeine Zustimmung fest.
Ich rufe nun Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Verkehrsfinanzgesetzes 1955
— Drucksache VI/1764 —Es ist ein Vorschlag des Bundesrates. Das Wort zur Begründung hat der Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Herr Staatsminister Krause.
Krause, Minister des Landes Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich benutze gern die Gelegenheit, im Rahmen der allgemeinen Aussprache zu dem Initiativgesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 hier ein Wort der Begründung zu sagen. Dabei gehe ich davon aus, daß es in diesem Hohen Hause nicht notwendig ist, die finanzielle Situation des öffentlichen Personennahverkehrs in Einzelheiten darzulegen. Ich möchte aber eindringlich darauf hinweisen, daß die Kostenentwicklung der Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs im Verhältnis zu ihrer Ertragslage auf einen kritischen Punkt hintreibt.
Das Thema ist nicht neu. Die starke Kostenentwicklung einerseits und die stagnierenden oder nur in geringem Umfang steigenden Erträge haben schon seit Jahren dazu geführt, daß die Fehlbeträge der Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs von Jahr zu Jahr steigen. Sie betrugen im Jahre 1970 allein bei den kommunalen und gemischtwirtschaft*) Siehe Anlage 5



Krause, Minister des Landes Baden-Württemberg
lichen Verkehrsbetrieben über 600 Millionen DM. In diesem Jahr müssen wir mit einem starken Ansteigen dieser Defizite rechnen, wenn es nicht gelingt, durch Maßnahmen der Tarifanpassung oder durch Entlastung auf der Kostenseite den Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs zu Hilfe zu kommen.
Hierbei ist zu bedenken, daß es nicht nur darum geht, die Unternehmen existenzfähig zu erhalten, sondern es gilt, eine hohes verkehrspolitisches Ziel zu erreichen, nämlich das Ziel, Verkehr vom Individualverkehr auf den öffentlichen Personennahverkehr zurückzuholen. Es ist das Ziel, Pkw-Fahrer, insbesondere die Berufspendler, wieder in höherem Maße auf Verkehrseinrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs zurückzuholen. Alle Kenner der Verkehrspolitik wissen, daß das überhaupt nur erreichbar ist, wenn es uns gelingt, die Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs attraktiv zu machen. Das ist sicherlich auch, aber nicht in erster Linie eine Frage der Tarifgestaltung; es ist in erster Linie eine Frage der Attraktivität der Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs.
Ich möchte zunächst ein positives Wort sagen. Ich habe gesehen, daß die Bundesregierung in ihrer Äußerung zum Gesetzentwurf des Bundesrates auf die Zuwendungen hingewiesen hat, die der Bund seit 1967 den Ländern und Gemeinden zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, insbesondere auch zum Bau und Ausbau von Verkehrswegen des öffentlichen Personennahverkehrs, zur Verfügung stellt. Diese Leistung des Bundes verdient unbestritten allen Respekt. Hier ist Vorzügliches geschehen. Wenn das nicht so wäre, wäre auf der Investitionsseite der Zustand heute noch sehr viel schwieriger. Ich möchte aber an dieser Stelle darauf hinweisen, daß auch bedeutende Leistungen der Länder vorliegen. Beispielsweise gibt das Land Baden-Württemberg für jedes Vorhaben, das mit einem Betrag von 50 % der zuwendungsfähigen Kosten aus dem Mehraufkommen der Mineralölsteuer gefördert wird, einen weiteren Zuschuß in Höhe von 30 % der zuwendungsfähigen Kosten. Dabei wollen Sie bitte bedenken, daß die Länder im Gegensatz zum Bund keine zusätzliche Steuermasse zur Verfügung haben, sondern dies aus allgemeinen Haushaltsmitteln bestreiten müssen. Es gibt also auf dem Gebiet der Investitionen auch große Leistungen der Länder.
Der kritische Punkt, um nicht zu sagen: der wunde Punkt, jedenfalls der Ausgangspunkt für den Initiativgesetzentwurf des Bundesrats, liegt derzeit in den Betriebskosten, genauer gesagt: in dem Mißverhältnis der steigenden Betriebskosten zu den stagnierenden oder nur weniger steigenden Erträgen. Dieses Problem ist seit längerer Zeit bekannt. Die Bundesregierung hat schon damals, als der Bericht der Sachverständigenkommission über eine Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden vorgelegt wurde, zu diesem Problem Stellung genommen. Schon in diesem Bericht wurde empfohlen, die Höhe der Kraftverkehrsabgaben zu überprüfen,
und es wurde schon seit jener Zeit neben der Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer auch die Erstattung eines Teils der Mineralölsteuer in Form einer Betriebsbeihilfe erwogen.
Bei der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht der Sachverständigenkommission sind die Möglichkeiten einer teilweisen Entlastung der Nahverkehrsbetriebe von der Mineralölsteuer erwogen worden, und auch die Mitverantwortung des Bundes für die Verbesserung der kommunalen Verkehrsverhältnisse ist ausdrücklich anerkannt worden. Grundlage der heutigen Beurteilung sind immer noch die Empfehlungen des gemeinsamen Ausschusses des Bundes, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden, die am 12. November 1968 an Bund, Länder und Gemeinden gerichtet wurden.
Diese Empfehlungen enthalten drei Punkte. Der erste betraf die Befreiung des Omnibuslinienverkehrs von der Kraftfahrzeugsteuer; der zweite war der Verzicht auf die Erhebung von Wegenutzungsentgelt, der dritte die Erstattung der Mineralölsteuer an die Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehr.
Die beiden erstgenannten Punkte der Empfehlung des gemeinsamen Ausschusses sind erfüllt worden: Seit dem 1. Januar 1969 ist im Rahmen dieser Empfehlung die Kraftfahrzeugsteuer, die ja eine Landessteuer ist, durch Bundesgesetz, das im Spätjahr 1968 verabschiedet wurde,. mit Wirkung vom 1. Januar 1969 erlassen worden. Auf die Erhebung von Wegenutzungsentgelten ist inzwischen weitgehend verzichtet worden.
Der dritte Punkt der Empfehlungen ist bis heute nicht erfüllt; dies war die Empfehlung, die Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs von der Mineralölsteuer zu entlasten; es geht dabei um einen Betrag von rund 175 Millionen DM. Es hat in den vergangenen Jahren viele Bemühungen gegeben, die Realisierung dieser Empfehlung zu erreichen. Ich erinnere hier an mehrfache Appelle der Verkehrs-und der Finanzminister der Länder, an die Empfehlung des Deutschen Städtetages, an die wiederholten Forderungen des Verbandes öffentlicher Verkehrsbetriebe. Da alle diese Empfehlungen ohne Erfolg waren und in der Konferenz der Verkehrsminister der Länder sowie innerhalb des Bundesrates die Brisanz der Entwicklung besonders deutlich geworden ist, haben wir uns entschlossen, über den Bundesrat diese Gesetzesinitiative zu ergreifen; sie ist einstimmig beschlossen. Ich möchte Sie dringend darum bitten, sich mit dieser Frage so auseinanderzusetzen, daß es zu einer positiven Lösung kommen kann. Die Stellungnahme der Bundesregierung läßt ja — wenn ich sie richtig verstehe — im vorletzten Satz des letzten Absatzes ein Türchen offen; denn dort heißt es:
„Die Bundesregierung spricht sich darum unter den zur Zeit gegebenen Umständen gegen die Annahme des vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurfes aus."



Krause, Minister des Landes Baden-Württemberg
Ich lese aus dem Satz heraus, daß dies kein endgültiges Nein ist, sondern eine sicherlich auch aus der finanziellen Situation des Bundes geborene Stellungnahme. Die Bedeutung des Problems erfordert jedoch auch die Mitverantwortung des Bundes bei seiner Lösung.
Lassen Sie mich ein Letztes dazu sagen! Ich bin mir darüber im klaren, daß mit dieser vom Bundesrat vorgeschlagenen Maßnahme allein das Problem noch nicht endgültig zu lösen ist. Es ist gewiß richtig, daß es darüber hinaus zu einer einheitlichen Regelung im ganzen Bundesgebiet für eine Abgeltung gemeinschaftlicher Leistungen kommen muß, die auf dem Weg über die Tarife nicht abgedeckt werden können; das betrifft insbesondere die Situation im Schüler- und Berufsverkehr. Hier muß man daran denken, den Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs einen Ausgleichsanspruch zur Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen einzuräumen, deren Kosten nicht gedeckt werden können, damit ein Zustand entsteht, der etwa der Regelung entspricht, die durch § 28 a des Bundesbahngesetzes oder durch die EWG-Verordnung Nr. 1191 für die Staatseisenbahnen — bei uns also für die Deutsche Bundesbahn — gegeben ist.
Nun ist aber zweierlei in dieser Beziehung im Gange. Einerseits entnehme ich der Äußerung der Bundesregierung, daß sie beabsichtigt, ein Gesamtkonzept für den öffentlichen Personennahverkehr vorzubereiten, von dem sie eine wirksame Lösung der Probleme erwartet. Andererseits haben auch die Länder zur Lösung dieser Frage einen Arbeitskreis der Verkehrsministerkonferenz eingesetzt, der sich gegenwärtig mit diesem Komplex der Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Schienen-und Straßenverkehr befaßt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit einem Land oder einer kommunalen Körperschaft eine Ausgleichspflicht auferlegt werden kann.
Ich bitte Sie jedoch einzusehen, daß die Lösung der aktuellen Probleme nicht anstehen kann, bis diese schwierige Frage gesetzlich bewältigt ist; denn sicherlich wird auf der Länderseite bis zur Erarbeitung gesetzesreifer Vorlagen noch geraume Zeit ins Land gehen. Zwar soll die Kommission bis zum 1. Juli 1971 einen Bericht vorlegen; bis aber dann eine gesetzesreife Vorlage erstellt werden kann, wird weitere Zeit verstreichen. Andererseits ist auch noch nicht offenbar, bis zu welchem Zeitpunkt die Bundesregierung ihr Gesamtkonzept für den öffentlichen Personennahverkehr vorzulegen vermag und inwieweit dann eine befriedigende und dauerhafte Regelung der Probleme ermöglicht ist.
Ich bitte Sie auch zu verstehen, daß auf der Länderseite schon gegenwärtig in Vorwegnahme dieser zu erstrebenden Lösung vieles geschieht. So möchte ich darauf aufmerksam machen, daß beispielsweise im Haushaltsplan 1971 des Landes Baden-Württemberg ein Betrag von 57 Millionen DM zur Erstattung von Fahrkosten für Schüler veranschlagt ist. Das ist ein anderer Weg, der auch auf andere Weise geboren wurde, der eine bildungspolitische Motivation hat, der aber ein Beitrag dazu ist, das Problem
wenigstens nicht mit voller Schärfe entbrennen zu lassen, allerdings kein Weg, der in vollem Umfange eine Lösung des Problems herbeiführt.
Dies ist die Lage, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn der Bund aus seiner Verantwortung den ihm möglichen Beitrag leisten würde. Ich möchte Sie dringend darum bitten, die Hilfe des Bundes bei der Lösung dieser sehr prekär gewordenen Probleme nicht zu verweigern, und insbesondere auch darum bitten, daß nun nicht, wie das schon angedeutet worden ist, ein neues Junktim gesetzt wird, nämlich das Junktim, eine positive Entscheidung des Bundes könne nur dann getroffen werden, wenn es zu einer endgültigen gesetzgeberischen Lösung für die Abdeckung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen überhaupt kommen würde. Einerseits stellt sich dann die Frage, bis wann die Länder das schaffen, andererseits erhebt sich die Frage, bis wann der Bund seine Verantwortung in der Gesetzgebung wahrnehmen kann, die ihm ja auch obliegt, denn eine solche gesetzliche Regelung müßte doch in einer Änderung des Personenbeförderungsgesetzes bestehen, das ein Bundesgesetz ist.
Eine rasche Entlastung der Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs ist, meine Damen und Herren, angesichts der sich zuspitzenden Situation ein dringendes Gebot. Ich darf Sie deshalb bitten, den noch nicht verwirklichten Teil der Empfehlungen des gemeinsamen Ausschusses, die an den Bund, die Länder und die Gemeinden gerichtet waren, zu erfüllen und die Befreiung des Omnibuslinienverkehrs von der Mineralölsteuer zu einem möglichst naheliegenden Zeitpunkt zu ermöglichen.

(Beifall.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610322700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Evers.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0610322800
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe namens der Fraktion der CDU/CSU die Stellungnahme unserer Fraktion zu der Initiative des Bundesrates abzugeben und möchte sagen, daß diese Initiative von uns begrüßt und unterstützt wird und daß wir der Hoffnung Ausdruck geben, daß es gelingen wird, für diese Iinitiative des Bundesrates eine Mehrheit in diesem Hause herbeizuführen.
Wir unterstützen das Bestreben, den Linienverkehr mit Kraftomnibussen von der Mineralölsteuer zu entlasten, und wir glauben, daß es möglich sein wird, für den dadurch entstehenden Aufwand von 175 Millionen DM in gemeinsamer Anstrengung eine Deckungsmöglichkeit zu finden.
Ich weise darauf hin, daß von diesen 175 Millionen DM etwa die Hälfte den öffentlichen Nahverkehrunternehmen, die im Verband der öffentlichen Verkehrsunternehmen zusammengeschlossen sind, zugute kommen wird, daß etwa ein Drittel dieses Betrages den öffentlichen Nahverkehrsunternehmen von Bahn und Post zugute kommen wird, für die der Bund ohnehin eine Defizitübernahmeverpflichtung hat, und daß ein Betrag von rund 35 Millionen DM privaten Unternehmen zugute



Dr. Evers
kommen wird, die sich ebenfalls im öffentlichen Liniennahverkehr betätigen und für die es keinen Subventionsträger gibt.
Die Geschichte dieses Antrages beginnt im Jahre 1961 mit der Einsetzung der Sachverständigenkommission, von der hier bereits gesprochen worden ist. Diese Kommission hat 1964 ihren Bericht vorgelegt und darin vorgeschlagen, daß der öffentliche Nahverkehr wegen seiner weit über die kaufmännischen Interessen hinausgehenden Tätigkeit Steuererleichterungen erhalten sollte. Hierbei war an Steuererleichterungen in Form von Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer und durch Befreiung von der Mineralölsteuer gedacht worden.
Die damalige Bundesregierung hat dieser Empfehlung des Sachverständigenausschusses zugestimmt. Es hat sich im Jahre 1966 die Konferenz der Länderfinanzminister mit diesem Thema befaßt und entsprechende Maßnahmen befürwortet. Die Konferenz der Länderverkehrsminister hat im Oktober 1969 die gleiche Frage behandelt und damals an die Bundesregierung das dringende Ersuchen gerichtet, die Befreiung von der Mineralölsteuer vorzunehmen. Schließlich hat sich der von der Bundesregierung bereits 1966 auf Grund des Sachverständigenberichts eingesetzte gemeinsame Ausschuß des Bundes, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände für diese Maßnahmen eingesetzt. Der Ausschuß umfaßte auch Vertreter der beteiligten Bundesressorts. Er hat 1968 die drei Maßnahmen empfohlen, die bestehen in der Befreiung des Linienverkehrs von der Kraftfahrzeugsteuer, in der Befreiung des Linienverkehrs von der Konzessionsabgabe und in der Befreiung des Linienverkehrs von der Mineralölsteuer. Die Bundesländer haben Sorge dafür getragen, daß der ihnen obliegende Teil dieses Dreiervorschlages realisiert werden konnte. Die Gemeinden haben den auf sie entfallenden Teil der Verpflichtungen übernommen, indem von den Omnibusunternehmen keine Konzessionsabgaben mehr erhoben werden. Der Bund ist jetzt an der Reihe, seinen auf ihn entfallenden Teil zu übernehmen, so wie das dieser Vorschlag vorgesehen hat.
Die wirtschaftliche Lage der Unternehmen des Personennahverkehrs hat sich in den letzten Jahren zunehmend und beschleunigend verschlechtert. Das resultiert in erster Linie aus dem hohen Anteil der Personalkosten und der Lohnnebenkosten in diesen Betrieben. Zwei Drittel ihres Aufwandes entfallen auf Personal- und Personalnebenkosten. Es ist nicht möglich gewesen, eine Steigerung der Einnahmen dieser Betriebe im gleichen Umfang zu erzielen, wie die Kosten gestiegen sind.
Die Verluste nur der im Eigentum der Gemeinden stehenden öffentlichen Nahverkehrsunternehmen haben sich im vergangenen Jahr auf 600 bis 650 Millionen DM belaufen. Sie werden im Jahre 1971 weiter, und zwar wesentlich steigen, wahrscheinlich auf einen Wert von 900 Millionen DM.
Nur ein sehr kleiner Teil dieser Betriebe ist überhaupt noch in der Lage, das in den Betrieben liegende Eigenkapital zu verzinsen.. 10 % vermögen das in den Betrieben arbeitende Eigenkapital zu
verzinsen, 20 % sind in der Lage, die Zinsen für das in den Betrieben arbeitende Fremdkapital aufzubringen, und 70 %, d. h. die große Masse der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen, sind gerade noch in der Lage, die Abschreibungen zu erwirtschaften. Wenn es dennoch in diesem wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge noch nicht zu ernsthafteren Schwierigkeiten gekommen ist, liegt das daran, daß die kommunalen Nahverkehrsunternehmen durch den Verbund der Verkehrsunternehmen mit den Versorgungsbetrieben in gewissem Umfang in der Lage gewesen sind, einen Verlustausgleich herbeizuführen.
Das, was den kommunalen Versorgungsunternehmen zugunsten ihrer Nahverkehrsunternehmen möglich gewesen ist, ist in privaten Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs sicherlich nicht möglich, für die es keinen öffentlichen Träger gibt, der ihnen in ihrer Situation behilflich ist. Ich glaube, daß wir mit Leichtigkeit Einverständnis darüber erzielen können, daß auf die privaten Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs, die Linienverkehr betreiben, nicht verzichtet werden kann, weil bei Betriebseinstellungen privater Unternehmen zusätzliche Investitionen auf die öffentliche Ebene zukämen, die in der gegenwärtigen Situation nicht verkraftet werden könnten.
Wir müssen damit rechnen, daß sich die defizitäre Lage weiter verschlechtert, weil der Personalkostenanteil weiter steigen wird und es nicht möglich ist, durch weitgehende Rationalisierungsmaßnahmen noch wesentliche Einsparungen zu erzielen. Aus diesen Gründen ist es unabdingbar, daß die Wirtschaftskraft der Nahverkehrsunternehmen verbessert wird. Ich möchte sagen, daß die Maßnahmen, die hier zur Diskussion stehen und von diesem Hause beschlossen werden sollen, allen Nahverkehrsunternehmen zugute kommen sollen, den öffentlichen ebenso wie den privaten Verkehrsunternehmen, die in diesem Bereich tätig sind.
Wir alle wissen, daß der naheliegendste und marktwirtschaftlich richtigste Weg eigentlich darin besteht, den Nahverkehrsunternehmern die Auflage zu machen, kostendeckende Tarife zu verlangen. Wir alle wissen aber auch, daß es effektiv unmöglich ist, die volkswirtschaftlichen Aufgaben des Nahverkehrs in diesem Bereich durch Tarifanhebungen zu erreichen und die Einnahmen zu steigern. Das Monopol der Nahverkehrsunternehmen ist sehr viel schwächer als das anderer öffentlicher Dienstleistungsbetriebe. Die Nahverkehrsunternehmen befinden sich in einer Konkurrenzsituation zu dem individuellen Verkehr, der in den Städten erhebliche Aufwendungen der öffentlichen Hand erfordert. Wir wissen auch, daß es nicht möglich sein wird, unsere Städte so auszubauen, daß sie in der Lage sind, den individuellen Kraftfahrzeugverkehr überhaupt zu verkraften. Das bedeutet, daß es im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegen muß, den öffentlichen Nahverkehr zu unterstützen. Nur so kann er einen Beitrag zur freiwilligen Reduzierung des individuellen Verkehrs in unseren Städten auf ein vernünftiges Maß leisten. Diese Unterstützung kann aber nicht über Preiserhöhungen er-



Dr. Evers
folgen. Die öffentliche Hand muß sich der Aufgabe bewußt sein, die sie hier gegenüber der Allgemeinheit hat. Es ist auch nicht möglich, die in kommunalem Eigentum stehenden Verkehrsunternehmen auf eine finanzielle Unterstützung der Gemeinden zu verweisen. Dieser Weg wird aber in der Stellungnahme der Bundesregierung angedeutet.
Im Jahre 1969 hat der Bundestag eine Finanzreform zugunsten der Gemeinden beschlossen. Diese Reform hat auch eine effektive Verbesserung der kommunalen Finanzmasse um 2,7 Milliarden DM zur Folge gehabt. Wenn diese Finanzreform heute noch so beurteilt werden könnte, wie es bei ihrer Verabschiedung möglich gewesen ist, wäre zweifellos auch die Situation der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen weniger schwierig.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wir alle wissen aber, daß die wirtschaftliche Entwicklung, die seit dem Beginn des Jahres 1970 zu verzeichnen gewesen ist, diese Mehreinnahmen für die Gemeinden weitgehend illusorisch gemacht hat.

(Abg. Frau Griesinger: Sehr richtig!)

Die Steigerungen der Löhne und Gehälter und die Steigerungen der Investitionen, die im wesentlichen von den Gemeinden getragen werden, haben die beabsichtigte Verbesserung der kommunalen Finanzmasse weitgehend neutralisiert.

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Reform nach rückwärts!)

Vielleicht sollte in diesem Zusammenhang auch gesagt werden, daß diese Reform im Jahre 1969 durchgeführt worden ist, als Kurt Georg Kiesinger Bundeskanzler und Franz Josef Strauß Finanzminister gewesen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Damals wurden Reformen durchgeführt, ohne daß man das Wort „Reform" in der Weise strapaziert hat, wie es heute der Fall ist. Wir müssen aber feststellen, daß die damaligen Reformen den beabsichtigten Zweck auf Grund einer unerfreulichen Wirtschaftsentwicklung nicht zu erfüllen vermochten.
Ich erwähne nur kurz die Bedeutung - sie muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden —, die die Konkurrenzsituation zwischen öffentlichem Nahverkehr und individuellem Kraftfahrzeugverkehr im Hinblick auf den Umweltschutz und auf die Regionalerschließung unserer ländlichen Gebiete hat. Die Umweltverschmutzung in den Großstädten resultiert zu rund einem Drittel aus den Abgasen von Kraftfahrzeugen. Es besteht also ein gesamtwirtschaftliches Interesse daran, einen Teil des Verkehrs in unseren Städten vom individuellen Kraftfahrzeug auf das Massenverkehrsmittel zu verlagern. Die öffentliche Hand und insbesondere der Bund müssen an dieser Verlagerung ein Interesse haben.
Das gleiche gilt für die Ausdehnung des Verkehrsnetzes der Nahverkehrsunternehmen über die städtischen Gemarkungen hinaus. Es kann in Zukunft nicht mehr so sein, daß das Liniennetz der
kommunalen Verkehrsunternehmen im wesentlichen an der Gemarkungsgrenze endet. Die Liniennetze müssen über die Gemarkungsgrenzen hinausgeführt werden. Das scheitert im allgemeinen aber daran, daß keine Möglichkeit gefunden werden kann zu erreichen, daß die Einwohner der Randgebiete unserer Städte die Defizite der Nahverkehrsunternehmen mit decken helfen. Auch deswegen ist diese finanzielle Unterstützungsmaßnahme zugunsten unserer Nahverkehrsunternehmen eine Maßnahme, für die die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist.
An sich sollte es uns nicht schwerfallen, eine Mehrheit in diesem Hause für die nunmehr beantragte Maßnahme zu finden. Es gibt schließlich eine Reihe von zustimmenden Äußerungen auch aus dem Kreise derer, die glauben, heute eine kritische Haltung zu diesem Antrag einnehmen zu sollen. Der gegenwärtige Bundesfinanzminister hat sich als Abgeordneter vor seiner Ministerzeit sehr deutlich dafür ausgesprochen, daß die Aufhebung zwar nicht der Mineralölsteuer, aber, wie er damals sagte, der Mehrwertsteuer eine der ersten Aufgaben des neuen Bundestages sein werde. Dieser Steuernachlaß sei eine der Möglichkeiten, die Nahverkehrsbetriebe aus ihrer finanziell ungünstigen Situation zu befreien. Das war im Juni 1969, und es sollte für die heutige Einstellung des Bundesfinanzministers zu dieser Frage eigentlich keine Rolle spielen, daß damals Wahlkampf gewesen ist und daß er diese Äußerung in einer Diskussion mit Jungsozialisten gemacht hat.

(Zustimmung in der Mitte.)

Auch Bundesverkehrsminister Leber hat sich sowohl im Verkehrsausschuß des Bundestages wie an anderer Stelle für eine Entlastung des Linienverkehrs von der Mineralölsteuer ausgesprochen. In der Debatte dieses Hauses im September des vergangenen Jahres äußerte der Bundesverkehrsminister:
Wir haben zuwenig Mittel für die Gemeinden
zur Verfügung und müssen ihnen mehr helfen.
Er sprach damals im Zusammenhang mit dem Gemeindeverkehrsfinanzgesetz. Weiter sagte er:
Wir sind im Gespräch darüber, wie den Gemeinden mehr geholfen werden kann, wie wir den Finanzrahmen . . . in absehbarer Zeit erhöhen und vermehren können.
Er äußerte weiter:
Nach Klärung der jetzt noch nicht ganz abgerundeten Fragen wird der Bundesverkehrsminister in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzminister dem Kabinett seine Vorschläge unterbreiten. Ich hoffe,
— das sagte Verkehrsminister Leber vor einem halben Jahr —daß dann auch ein geneigtes Parlament in der Lage sein wird, dem zuzustimmen.
Ich darf heute für die Fraktion der CDU/CSU sagen: Wir sind geneigt, den jetzt vorliegenden Vorschlägen zuzustimmen, haben aber den Eindruck, daß die Regierung nicht mehr die gleiche Geneigtheit hat,



Dr. Evers
diese Vorschläge zu akzeptieren, die vom Bundesrat jetzt eingebracht worden sind.
Der Sprecher der SPD hat im Dezember 1970 geäußert, daß die Fraktion der SPD derartigen Überlegungen -- Befreiung von der Mineralölsteuer —mit großer Aufgeschlossenheit gegenüberstehe. Ich würde mich freuen, wenn diese Aufgeschlossenheit nach wie vor in der gleichen Weise gegeben wäre.

(Abg. Dr. Apel: Das ist nur halb zitiert! Aber es macht nichts!)

Ich darf schließlich an den Beschluß des SPD-Parteitags in Saarbrücken erinnern:
Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich die gesetzgeberischen Schritte einzuleiten, um .. die Befreiung des Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen von der Mineralölsteuer zu ... erreichen.
Das ist vollständig zitiert. Ich kann aber gern auch noch die anderen Anträge zitieren.
Vielleicht erleichtert es Ihnen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, Ihre Zustimmung zu dieser Initiative, wenn ich Ihnen sage, daß wir bewußt darauf verzichtet haben, einen Initiativentwurf unserer Fraktion einzubringen; wir wollten Ihnen die Zustimmung nicht unnötig schwer machen und Sie da nicht in gewisse Konflikte bringen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen. Wir glauben erstens, daß die Zielsetzung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs gerechtfertigt ist, und zwar sowohl aus betriebswirtschaftlichen wie aus volkswirtschaftlichen und aus gesellschaftspolitischen Gründen. Zweitens glauben wir, daß die tatsächliche Zuständigkeit des Bundes für die aus dem Antrag folgenden finanziellen Belastungen aus Gründen des übergeordneten öffentlichen Interesses gegeben ist. Drittens bieten wir an, zusammen mit Regierung und Koalitionsfraktionen nach Möglichkeiten zu suchen, wie der finanzielle Aufwand von 175 Millionen DM verkraftet werden kann.
Ich darf darauf hinweisen, daß wir Ihnen bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs in den Ausschüssen einen Deckungsvorschlag machen werden. Ich erinnere Sie daran, daß in der dritten Lesung des Etats für dieses Jahr von uns der Vorschlag gemacht worden ist, der von Ihnen nicht akzeptiert wurde, 200 Millionen DM zur Unterstützung der finanzschwachen Länder vorzusehen. Diese Mittel stehen gegebenenfalls zur Deckung zur Verfügung. Ich erwähne dies nur als ein Beispiel dafür, daß es uns gelingen kann — so wie es vorhin der Kollege Schäfer als ein vorbildliches Verfahren bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Beamtenbesoldung hingestellt hat
in dieser Frage, die von gemeinsamem Interesse ist, mit Ihnen nach einer Lösung zu suchen. Wir sind zu dieser Zusammenarbeit bereit. Wir sind auch bereit, mit Ihnen für die jetzt beantragte Regelung einen Zeitpunkt des Inkrafttretens festzulegen, der sowohl unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten wie im Hinblick auf den Haushalt 1971 Ihre Zustimmung finden kann.

(Beifall bei der CDU/ CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610322900
Meine Damen und Herren, ich darf erwähnen, daß dies die erste Rede des Kollegen Dr. Evers in diesem Hause war.

(Beifall.)

Es ist vielleicht kein Zufall, daß er als ehemaliger Stadtkämmerer zu diesem Thema das Wort ergriffen hat. Herzlichen Glückwunsch!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0610323000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen diese Debatte zu einer Zeit durch, in der es in unseren Landen eine sehr heftige Debatte darüber gibt, wie es mit den öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen weitergehen soll, ob es zulässig ist, daß maßvolle Tarifanhebungen durchgeführt werden oder nicht. Aus diesem Grunde möchte ich gern für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zu der aktuellen Debatte dieser Tage auch etwas sagen. Wir Verkehrspolitiker wissen, daß es nicht nur rationale Gründe gibt, die den Bürger veranlassen, mit dem eigenen Pkw zu fahren und die öffentlichen Nahverkehrsunternehmen zu meiden. Ihnen allen ist bekannt, daß der gefahrene Kilometer mit dem Pkw —nehmen wir einmal das Beispiel des Volkswagen 1200 — über 20 Pfennig kostet und daß die Kilometerpauschale nur einen ganz geringen Teil dieser Kosten ersetzt, nämlich nur etwa 3,5 Pfennig, wenn wir den normalen Steuersatz von 19 % annehmen. Dennoch wird dieses Individualfahrzeug verwandt, selbst in einer Stadt wie Hannover, wo man nach einer durch eine Rote-Punkt-Aktion erzwungenen Tarifsenkung den Kilometer für 1 Pfennig zurücklegen kann; selbst hier findet, wie' wir jetzt feststellen können, kein nennenswertes Umsteigen vom Pkw auf die Straßenbahn und auf den Bus statt.
Wir unterstreichen damit, daß natürlich die Tarifhöhe — ich werde darauf noch zurückkommen —eine Rolle spielt, daß es aber zweifelsohne unrichtig ist, zu meinen, der Tarif müsse nur niedrig genug sein, dann lösten wir das Problem des wachsenden Individualverkehrs. Aus diesem Grunde lehnen wir auch entschieden -- das haben wir hier wiederholt erklärt -- die Nulltarife ah, denn Nulltarife könnten nur Erfolg haben, wenn wir gleichzeitig den Pkw aus unseren Ballungszentren verbannten. Dann müßten die Bürger mit den öffentlichen Verkehrsmitten fahren. Was das für unsere Ballungszentren bedeuten würde, liegt auf der Hand: sie würden veröden. Das heißt nicht, daß wir der Einrichtung von Einkaufszentren, von autofreien Einkaufsstraßen nicht sehr positiv und aufgeschlossen gegenüberstehen, aber wir müssen einfach wissen, daß es hier Grenzen gibt.
Ein Wort zur Umweltverschmutzung, Herr Dr. Evers. Wir sehen das Problem ganz genau. Eine Delegation des Verkehrsausschusses hat dieses Problem in den USA studiert. Wir wissen, daß hier auch von uns große Anstrengungen erwartet werden. Unsere Automobilindustrie ist dabei, das ihre zu tun. Die Bürger müssen allerdings wissen, daß das sehr viel Geld kosten wird, daß wir nicht nur einen neuen Typ von Automobil brauchen, sondern



Dr. Apel
daß das auch die Autos beträchtlich verteuern wird. Wir sind dennoch der Meinung, daß das geschehen muß.
Die Nulltarife würden 3,5 bis 5 Milliarden DM jährlich kosten. Das entspricht in der Größenordnung dem gesamten Haushalt des Bundesfernstraßenbaus. Ich glaube, damit ist dieses Thema für uns alle erledigt.
Lassen Sie mich jetzt zu der aktuellen Vorlage kommen. Herr Landesminister Krause hat darauf aufmerksam gemacht, daß das Defizit in diesem Jahre 650 Millionen DM ausmacht. Vorsichtige Rechnungen lassen uns erwarten, daß in diesem Jahre die öffentlichen Nahverkehrsunternehmen außer Bahn und Post in ein Defizit von fast 1 Milliarde DM hineinfahren werden. Allein diese Größenordnung von 1 Milliarde DM macht deutlich, Herr Landesminister, daß das, was Sie heute von der Bundesregierung erwarten, nämlich den Erlaß der Mineralölsteuer für diese Unternehmen, nur ein Tropfen auf den heißen Stein wäre; denn wenn wir das abziehen, was für Bundespost und Bundesbahn dabei herauskäme — Herr Dr. Evers hat das hier ja vorgerechnet wären das in diesem Jahre vielleicht 10 % des Defizits. Ich glaube, damit wird auch deutlich, daß wir diesen Weg nicht gehen können. Es wäre wirklich nur eine Scheinlösung und nicht die echte Lösung des Problems.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie müssen zudem berücksichtigen, daß es natürlich zu Lasten des Bundesfernstraßenbaus gehen muß, wenn Sie dem Bund diese 175 Millionen DM wegnehmen und sie hier hineinstecken wollen, denn die Mineralölsteuereinnahmen in dieser Höhe würden für diesen Zweck ausfallen. Der Bundesfinanzminister würde uns sicherlich auf den Bundesfernstraßenbau verweisen, um die dann als Einnahme ausfallenden 175 Millionen DM auszugleichen. Und, Herr Landesminister Krause, hier muß ich wiederum an Sie als Mitglied eines Landeskabinetts appellieren, das insbesondere von der Bundesregierung noch mehr Aktivitäten im Bundesfernstraßenbau erwartet: Sie müssen wissen, daß Ihr Antrag auf der anderen Seite Löcher. aufreißt und daß damit der Bundesfernstraßenbau erschwert würde. Dennoch wollen wir Sozialdemokraten, nicht zuletzt eingedenk der bereits von mir zitierten Äußerungen, die Sie, Herr Dr. Evers, allerdings unvollkommen zitiert haben, unseren Beitrag leisten, um diesen Verkehrssektor, für den der Bund direkt keine Verantwortung trägt, zu sanieren.
Ich darf Ihnen im Namen der Fraktion unsere Konzeption vortragen, die vier wesentliche Elemente beinhaltet. Aus dieser Konzeption wird im übrigen deutlich, daß wir nicht daran denken, kostendeckende Tarife für den öffentlichen Personennahverkehr zu fordern.
Erstens. Wir unterstreichen, daß wir wie bisher auf Grund des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes weit über 500 Millionen DM, die der Autofahrer zur Zeit über die Mineralölsteuer aufbringt, für Investitionsvorhaben im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs einsetzen wollen. Wir erwarten, daß im Herbst dieses Jahres, wenn wir hier im Bundestag über die Anhebung der Mineralölsteuer debattieren werden, zusätzliche Mittel frei werden, um zusammen mit den Mitteln des Bundes, der Länder und der Gemeinden weitere Investitionen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs durchführen zu können. Wir sind auch der Meinung, daß es berechtigt ist, dann den Katalog der zu fördernden Maßnahmen auszuweiten. Wir kennen die Forderung, daß auch rollendes Material in diese Investitionsförderung mit einbezogen werden soll. Wir stehen dem durchaus aufgeschlossen gegenüber, müssen allerdings vorher die Erhöhung der Mittel durchgesetzt haben.
Zweitens. Der Bund wäre nach einer Anhebung der Mineralölsteuer .und nach einer Überarbeitung der spezifischen Verkehrsteuern eher in der Lage, zweckgebundene Betriebszuwendungen an den öffentlichen Personennahverkehr mindestens in der Höhe der Einnahmen aus der Mineralölsteuerbelastung des Personennahverkehrs zu zahlen. Ich spreche hier deswegen von zweckgebundenen Betriebszuwendungen, weil mir keineswegs sichergestellt zu sein scheint, daß nach dem Gesetzentwurf des Bundesrates nicht folgendes passiert: Wir erlassen diesen Unternehmen die Mineralölster, und die Länder und Gemeinden kürzen entsprechende Zuschüsse, so daß für die Unternehmen nichts gewonnen, sondern nur der Bund wieder einmal mehr zur Ader gelassen worden wäre. Wir wollen das auf jeden Fall vermeiden. Deswegen können wir auch dieser Art von Vorgehen nicht zustimmen, sondern wir müssen einen Weg finden, der uns zwar zur Ader läßt, aber nicht Mittel, die die Länder und Gemeinden heute geben müssen, ersetzt.
Drittens. Wir fordern, daß die Normaltarife der Nahverkehrsunternehmen mindestens die variablen Kosten decken sollen, d. h. im wesentlichen die Personalkosten, aber auch einen Teil der Abschreibungen. Das bedeutet, daß maßvolle Tarifanhebungen im öffentlichen Personennahverkehr auch in Zukunft erforderlich sein werden, weil wir uns sonst automatisch der Konzeption der von uns abgelehnten Nulltarife nähern würden.
Viertens. Wir wünschen, daß für festzulegende soziale Gruppen niedrigere Tarife als die Normaltarife eingeräumt werden, daß die hierdurch entstehenden Verluste aber voll und ganz von denjenigen ausgeglichen werden, die diese Sozialtarife politisch wollen. Das heißt also, daß hier wie hei der Bundesbahn eine Kontennormalisierung betrieben werden soll. Wir sind der Meinung, daß Schüler- und Studententarife Teil der Bildungspolitik sind und deswegen aus den Länder- bzw. Gemeindehaushalten bezahlt werden müssen. Wenn die öffentlichen Nahverkehrsunternehmen für sie unrentable Strecken unterhalten, gibt auch das ihnen einen Anspruch auf Kontennormalisierung.
Nun fragen Sie: Wie soll das von den Ländern und den Gemeinden bezahlt werden? Die gleiche Frage richtet sich natürlich auch an die Bundeskasse. Hier muß, glaube ich, klargestellt werden, daß wir nicht die Väter dieser von uns nicht „gezeugten" Kinder des öffentlichen Personennahverkehrs werden



Dr. Apel
möchten. Zahlen müssen die Väter, die hierfür verantwortlich sind. Hier darf nicht der Bund zur Ader gelassen werden, sondern die Eigentümer und Betreiber der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen.
Herr Landesminister Krause, Sie sagten: Dies alles dauert uns zu lange. Ich kann das nicht einsehen. Hierzu gehört nur der politische Wille, und dann können wir das Personenbeförderungsgesetz relativ schnell novellieren. Wir werden sowieso spätestens dann zu dieser Frage Stellung nehmen müssen, wenn die Bundesregierung die bereits angekündigte Initiative vorlegt, um den Nahverkehr insgesamt zu sanieren. Wir erwarten hier also eine kooperative Mitwirkung der Länder.
Lassen Sie mich abschließend folgendes feststellen. Wir sehen die krisenhafte Zuspitzung der finanziellen Lage der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen. Wir sind für eine schnelle Lösung. Wir sehen nicht ein, daß wir 175 Millionen DM Mineralölsteuer, die dem Bundesfernstraßenbau abgehen würden, in ein Faß ohne Boden werfen sollen.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Das ist doch Ihr Parteitagsbeschluß!)

Wir erwarten deswegen, daß alle zusammen mit uns schnell eine vernünftige Konzeption erarbeiten; an uns soll es nicht liegen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstreicht ausdrücklich ihre Verantwortung für diesen Bereich und auch die Bereitschaft, hierfür finanzielle Opfer zu bringen, wenn sie sinnvoll sind und zur Sanierung dieses Verkehrssektors führen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610323100
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0610323200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Verkehrsfinanzgesetzes 1955, eingebracht vom Bundesrat, ist veranlaßt durch die zur Zeit stattfindenden Diskussionen um die Sicherung der finanziellen Basis der Nahverkehrsunternehmen, die besonders im Jahr 1970 eine erhebliche Verschlechterung ihrer Ertragslage hinnehmen mußten. Die vornehmlich durch Personalkostensteigerung bedingten Kostensteigerungen konnten durch Rationalisierungen nicht mehr aufgefangen werden und hatten Tarifanhebungen zur Folge, die erhebliche Beunruhigung bei den Benutzern der Nahverkehrsmittel verursacht haben.
Die schwierige Situation der Unternehmen für den öffentlichen Personennahverkehr, worunter ich auch — das sei ausdrücklich festgestellt — die privaten Träger dieses Verkehrs verstehe, ist seit langem bekannt. Es hat in der Vergangenheit Versuche gegeben, ähnlich wie in diesem Gesetzentwurf vorgesehen, zur Entlastung der öffentlichen Nahverkehrsmittel beizutragen.
Herr Dr. Evers, wenn Sie hier schon vorab die Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion zu diesem Entwurf verkünden und wenn Sie Zitate vom derzeitigen Bundesverkehrsminister anführen, dann lassen Sie mich auch einen Kronzeugen für die im Gesetzentwurf angeführte Haltung der Bundesregierung aufzeigen, der Ihrer Fraktion angehört. Der damalige Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß, der von Ihnen heute noch als die Kapazität auf dem Gebiet des Finanzwesens gefeiert wird, hat mit eben den gleichen Argumenten wie die Bundesregierung Anträge der Verkehrsunternehmen abschlägig entschieden. Wir freuen uns über Ihren Sinneswandel. Nur scheint es, er ist durch die Oppositionsstellung bedingt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Na und?)

in der Sie nicht mehr Verantwortung für die Bundesfinanzen zu tragen haben.

(Abg. Dr. Wagner [Trier]: Da ging es den Gemeinden ja noch besser!)

— O nein, das war im August 1969 nach der von Ihnen durchgeführten Finanzreform. Die Lage der Gemeinden hat sich seit 1969 nicht wesentlich verschlechtert — —

(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Müller-Hermann: Der Verkehrsunternehmen!)

— Hören Sie doch einmal zu! — Die Lage der Gemeinden hat sich von 1969 bis heute nicht wesentlich mehr verschlechtert als die Lage der Länder und des Bundes. Darüber gibt es doch gar keinen Zweifel.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610323300
Herr Abgeordneter Ollesch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Evers?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0610323400
Gern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610323500
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Evers!

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0610323600
Herr Kollege Ollesch, sind Sie bereit, einzuräumen, daß die von mir als Junktim genannten beiden Voraussetzungen der Maßnahmen der Bundesländer und der Gemeinden überhaupt erst seit dem Jahre 1969 eingetreten sind?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0610323700
Ich bin bereit, Ihnen das einzuräumen. Aber da Sie so global darauf hinweisen und Zitate erwähnen, die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf bedeuten könnten, darf ich darauf hinweisen, daß Ihr Kollege Dr. Strauß die gleiche Argumentation vorgebracht hat, nämlich daß es nicht vornehmlich Sache des Bundes, sondern Sache der Länder und der Gemeinden sei, hier auf Abhilfe zu dringen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610323800
Herr Abgeordneter Ollesch, gestatten Sie nun eine Zwischenfrage des Abgeordneten Maucher?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0610323900
Ja, gern.

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0610324000
Herr Kollege Ollesch, Sie sagten vorhin, die finanzielle Lage der Gemeinden



Maucher
sei 1971 nicht schlechter als 1969. Wären Sie bereit, den Unterschiedsbetrag oder das Defizit, das den Gemeinden zum Teil entstanden ist, etwa durch eine entsprechende Regelung über die Länder auszugleichen?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0610324100
Es gibt keine besonderen Begründungen dafür, daß die finanzielle Lage der Gemeinden sich wesentlich mehr verschlechtert hätte als die finanzielle Lage von Bund und Ländern. Daran gibt es keinen Zweifel.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610324200
Gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Dr. Wagner?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0610324300
Bitte schön!

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0610324400
Herr Kollege Ollesch, darf ich Ihre letzte Antwort und auch Ihre vorherige Äußerung dann so verstehen, daß Sie den Gemeinden als Trost für ihre schlechte Finanzlage nun einfach ,die Tatsache anbieten wollen, daß seit dem Amtsantritt dieser Bundesregierung die Finanzlage des Bundes und der Länder sich ebenso verschlechtert habe wie diejenige der Gemeinden?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0610324500
Herr Kollege, Sie haben nicht genau zugehört. Wenn Sie hier argumentieren, daß die Finanzlage der Gemeinden sich seit 1969 so schrecklich verschlechtert habe, sag ich: es gibt keine Begründung dafür, daß sich gerade die Finanzlage der Gemeinden mehr hätte verschlechtern müssen als die Finanzlage von Bund und Ländern. Das müssen Sie halt verstehen. Das hat mit dem Amtsantritt der Bundesregierung allerdings überhaupt nichts zu tun. Es wäre ja etwas zu simpel, nun alles der Bundesregierung zuzuschreiben, was an Veränderungen eingetreten ist. Nicht einmal alle positiven Veränderungen schreiben wir nur der Aktion der Bundesregierung zu.
Die schwierige Situation ist seit langem bekannt. In der Vergangenheit ist versucht worden, im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes durch Bereitstellung von Mitteln aus der Mineralölsteuer Einrichtungen für den Personennahverkehr zu fördern. Dieser Weg wird fortgesetzt. Wir haben das vor kurzem in gesetzliche Form gegossen.
Dieser Weg ist aber keine Hilfe zur Abdeckung der Kosten bei der Durchführung der Verkehre. Die Fahrpreise besonders für Kurzstrecken haben eine Höhe erreicht, die die allgemein vertretene Zielsetzung der Verkehrspolitik, die Umleitung des Personenverkehrs vom Individualverkehr zum Massenverkehr zu erreichen, erheblich gefährden kann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610324600
Herr Abgeordneter Ollesch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hein?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0610324700
Bitte!
Hein (Salzgitter-Lebenstedt) (CDU/CSU) : Herr Kollege Ollesch, wären Sie bereit, zuzugeben, daß
die Erhöhung der Kosten bei den Investitionen und bei den Personalausgaben der Gemeinden mit 1,7 Milliarden DM im Jahre 1970 doch erheblich zu Buche schlägt?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0610324800
Das bestreite ich gar nicht. — Nein, ich habe gar keine Differenzierung angestellt. Sie haben versucht zu diffamieren, nicht ich.
Die Freien Demokraten sind der Auffassung, daß jede Beförderungsleistung ihren Preis verlangt und daß derjenige, der diese Leistung in Anspruch nimmt, also auch die Kosten der Beförderung zu tragen hat. Aus dieser Auffassung heraus kann die FDP-Fraktion auch nicht dem immer wieder geforderten Nulltarif zustimmen. Er würde keine Lösung des Problems bringen, im Grunde genommen eine Sanierung des öffentlichen Personennahverkehrs verhindern. Es muß jedoch beachtet werden, ob die Höhe der Tarife besonders bei den Kurzstrecken noch im Verhältnis zur gegebenen Leistung steht. Ziel wird es immer sein müssen, daß die Tarife die Betriebskosten und auch einen Teil der Abschreibungen decken. Von daher können auch Tariferhöhungen, die jetzt mit Anlaß dazu sind, daß dieser Gesetzentwurf vorgelegt wird, nicht generell abgelehnt werden. Andererseits sind aber zu hohe Tarife neben anderen Faktoren geeignet, die notwendige Attraktivität der Nahverkehrsmittel zu beeinträchtigen.
Aus diesen Überlegungen heraus sind in der Vergangenheit durch Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes Kraftomnibusse, die überwiegend im Linienverkehr eingesetzt sind, von der Kraftfahrzeugsteuer befreit worden, also auf Kosten der Länder. Hier sind die Länder in Vorlage getreten. Von daher ist es verständlich, daß nunmehr die Länder Erleichterungen zu Lasten des Bundes erwarten und beantragen, den öffentlichen Personennahverkehr mit Kraftomnibussen von der Mineralölsteuer zu befreien.
Die angespannte Finanzlage des Bundes ist den Freien Demokraten bekannt. Die Befreiung von der Mineralölsteuer würde den Bund mit Mindereinnahmen in Höhe von 175 Millionen DM jährlich belasten. Von daher, Herr Dr. Apel, stimmt natürlich Ihre Argumentation zum Teil, daß diese Entlastung der Nahverkehrsunternehmen zu einer Belastung des Bundes und damit zu einer Einschränkung des Fernstraßenbaus führen würde, allerdings nicht im gleichen Umfang, sondern eben nur zu 50 % des Betrages;

(Abg. Dr. Apel: Wenn Herr Möller sich darauf einläßt! Das ist nicht sicher!)

denn auch dieser Betrag ist ja Gegenstand der Teilung.
Auch erscheint die Entlastung der Nahverkehrsunternehmen im Umfang von 175 Millionen DM angesichts des zu erwartenden Defizits in Höhe von 1 Milliarde DM nur als ein Tropfen auf einen heißen Stein. Aus diesem Grunde sprechen sich die Bundesregierung und die SPD-Fraktion gegen die Annahme des vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurfes aus und verweisen darauf, daß sie ein Ge-



Ollesch
Samtkonzept für den öffentlichen Personennahverkehr vorbereiteten, das die Lösung der Probleme bringen soll. Dieses Gesamtkonzept ist auch nach Ansicht der FDP-Fraktion erforderlich. Es sollte aber recht bald vorgelegt werden, weil die Lösung der Finanzierungsprobleme im öffentlichen und privaten Personennahverkehr keinen Aufschub mehr duldet.
Die Freien Demokraten sind der Auffassung, daß bei der Erarbeitung des Konzepts folgende Punkte beachtet werden sollten:
1. eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes analog § 28 a des Eisenbahngesetzes mit der Übernahme der gemeinwirtschaftlichen Lasten durch die Verursacher,
2. Befreiung von der Mineralölsteuer,
3. Befreiung von der Mehrwertsteuer,
4. Freistellung des Veräußerungsgewinns von der Steuer bei Wiederinvestition zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Personennahverkehrs — besonders wichtig für die privaten Betriebe.
Der Inhalt dieses Konzepts würde naturgemäß der öffentlichen Hand erhebliche Belastungen auferlegen. Sie sollten von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam getragen werden unter Beachtung der vom Bund schon jetzt gegebenen Leistungen zur Aufrechterhaltung des Personennahverkehrs in dem Bereich, für den er zuständig ist. Wir sind der Auffassung, daß diese Gemeinschaftsarbeit vonnöten ist, weil die Ordnung unseres Verkehrs eine gemeinsame Aufgabe aller Ebenen ist.
Die Freien Demokraten möchten aber hier das Augenmerk auch auf folgende Tatsache lenken. Der Bund wendet hohe Beträge als Betriebsmittel für den Personennahverkehr von Bundesbahn und Bundespost auf. Die Gemeinden decken die Verluste der von den Gemeinden und Gemeindeverbänden betriebenen Personennahverkehre ab. Die Länder sind in weniger hohem Maße beteiligt. Es geht aber noch um 3000 private Verkehrsunternehmen, die heute zu den gleichen Bedingungen wie die öffentliche Hand im öffentlichen Personennahverkehr fahren und wichtige Aufgaben erledigen, die von der öffentlichen Hand nicht übernommen werden, zum Teil nicht übernommen werden können. Diese Betriebe erhalten aber keinen Ausgleich für die Untertarife im Sozialbereich und keine I Title zur Deckung ihres Defizits. Sie müssen versuchen, Kostensteigerungen durch Rationalisierung aufzufangen, und ihre Erträge haben sich ebenso wie die der anderen Verkehrsunternehmen erheblich verschlechtert. Auch im Interesse dieser notwendigen Unternehmen darf die Regelung der Finanzierungsprobleme der Nahverkehrsunternehmen nicht auf die lange Bank geschoben werden.
Die Freien Demokraten werden sich bemühen, unter Beachtung sowohl der Notwendigkeiten als auch der finanziellen Möglichkeiten aller beteiligten Stellen an einer zufriedenstellenden Lösung des zur Zeit ungelösten Problems der Verkehrsfinanzierung mitzuarbeiten. Nach diesen Grundsätzen werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf in den zuständigen Ausschüssen behandeln. Wir stimmen der Überweisung der Vorlage an die vorgesehenen Ausschüsse zu.

(Beifall bei den Regierungsparteien und vereinzelt in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610324900
Das Wort hat der Abgeordnete Vehar.
Vehar (CDU; CSU) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um zu einem bestimmten Thema Stellung zu nehmen, nämlich zu dem Anteil der privaten Unternehmer am öffentlichen Nahverkehr.
Bevor ich auf diese meine Ausführungen komme, möchte ich kurz auf das eingehen, was Herr Dr. Apel im Hinblick auf die Ausführungen des Kollegen Dr. Evers gesagt hat. Sie haben gesagt, Herr Dr. Apel, Herr Kollege Dr. Evers habe Sie nicht vollständig zitiert. Ich habe Ihre Ausführungen aus der Sitzung vom 2. Dezember vorigen Jahres vorliegen, Seite 4551. Sie haben zu dem Problem des öffentlichen Personennahverkehrs Ihre Ausführungen gemacht und dabei insbesondere das Problem der Befreiung des öffentlichen Personennahverkehrs von der Mineralölsteuer angeschnitten. Sie haben für die SPD-Fraktion erklärt, daß Sie dieser Forderung mit großer Aufgeschlossenheit gegenüberstehen. Sie haben daran allerdings einige Bedingungen geknüpft,

(Abg. Dr. Apel: Eben!)

die wir auch unterstreichen. Danach müßten natürlich die öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen ihrerseits auch darauf bedacht sein, die Preise zu erheben, die sie am Markt bekommen und die ihnen genehmigt werden. Ich glaube, daß im Prinzip das, was Herr Dr. Evers hinsichtlich Ihrer damaligen Einstellung gesagt hat, richtig ist. Ich darf dem sogar noch hinzufügen, daß der Kollege Ollesch in dieser Sitzung die gleichen Ausführungen gemacht hat. Ich wundere mich nicht darüber, daß diese damaligen Ausführungen heute etwas korrigiert werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610325000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Apel?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0610325100
Herr Kollege Vehar, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich damals gesagt habe, daß wir dem mit großer Aufgeschlossenheit gegenüberstehen, daß wir aber erwarten, daß von denjenigen Kontennormalisierung gemacht wird, die den öffentlichen Nahverkehrsunternehmen Lasten auferlegen, die betriebsfremd sind, daß dies ein wesentlicher Teil unseres Fraktionskonzepts war und daß ich insofern mit anderen Worten genau das gleiche wie damals gesagt habe und mich nicht korrigiert habe, wie Sie meinen?

Max Vehar (CDU):
Rede ID: ID0610325200
Ich nehme das sehr gern zur Kenntnis, Herr Dr. Apel. Ich werde Sie bei den Beratungen im Verkehrsausschuß unter noch vollständigerer Verwendung Ihrer Zitate aus der Sitzung vom 2. Dezember daran erinnern.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn., Mittwoch, den 3. März 1971 6049
Vehar
Dann haben Sie gesagt, Herr Dr. Apel, was die 175 Millionen DM Betriebsbeihilfen betrifft, um die es nach dem Gesetzentwurf des Bundesrates geht, es handle sich hier nur um einen Tropfen auf den heißen Stein. Dabei haben Sie auf die Situation der Bahn und der Post verwiesen. Dazu möchte ich sagen: das ist ein sehr schlechtes Beispiel. Denn Bahn und Post sind bei diesen Beihilfen „nur" mit 55 Millionen DM betroffen. Aber die Situation bei der Bahn und der Post ist eine ganz andere als bei den VÖV-Betrieben und insbesondere beim privaten Gewerbe. Bei der Bahn und bei der Post würde eine Zuwendung von 55 Millionen DM für Betriebsbeihilfen praktisch nur bedeuten, daß man das Geld, das man wegen der Defizite jährlich ohnehin gibt, in Höhe von 55 Millionen nur aus einer anderen Tasche nimmt. Anders ausgedrückt: praktisch handelt es sich hier im Augenblick gar nicht um eine zusätzliche Belastung des Bundes von 175 Millionen DM, sondern um eine Belastung von etwa 120 Millionen DM.
Ich möchte Ihnen sagen, wie die Situation bei den VÖV-Betrieben aussieht, beim Verband öffentlicher Verkehrsunternehmungen. Ihnen ist bekannt, daß das Defizit im vergangenen Jahr etwa 500 Millionen DM betragen hat. Bei einem Kostenaufwand von 2,6 Milliarden DM haben die Betriebe insgesamt 2,1 Milliarden DM eingenommen. Wenn den Betrieben 80 Millionen DM an Betriebsbeihilfen gewährt würden, wäre das doch immerhin eine Verminderung des Defizits um 15 %. Ich glaube, wenn die Betriebe selbst mit einer solchen Regelung sehr zufrieden wären, sollten wir nicht päpstlicher als der Papst sein und sagen, es handele sich nur um einen Tropfen auf den heißen Stein.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610325300
Herr Abgeordneter Vehar, gestatten Sie eine erneute Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0610325400
Herr Kollege Vehar, übersehen Sie dabei nicht, daß dieses Defizit der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen in diesem Jahr auf den Betrag von i Milliarde DM zusteuert so die Zahlen des Verbandes — und daß die Zahlung dann in der Tat nur noch runde 10 % ausmachte und bei Zunahme des Defizits laufend abnähme, wenn nichts geschähe?
Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es dann doch ein Tropfen auf den heißen Stein wäre, wenn von 10 DM Defizit gerade eine DM von uns abgegolten würde, 9 DM aber übrigblieben?

Max Vehar (CDU):
Rede ID: ID0610325500
Ich kann dieser Beweisführung nicht folgen, Herr Dr. Apel. Ich bin überhaupt der Meinung, daß die Hilfen von uns sukzessive gewährt werden können. Wenn Sie sagen, daß das Defizit in diesem Jahr 1 Milliarde DM betragen wird, frage ich Sie: Darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie an einer Lösung arbeiten, die diesen Betrieben das gesamte Defizit abnimmt? Ich meine, es wäre doch schon ein guter Schritt auf dem Wege der Hilfeleistung für die öffentlichen Verkehrsbetriebe, wenn man mit dem antinge, was die öffentlichen Verkehrsbetriebe selbst als eine wirkliche Hilfe bezeichnen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates verweisen. Dort wird nicht mehr auf die Steuersystematik hingewiesen, die einer solchen Regelung entgegenstünde, sondern es heißt schlicht. und einfach:
In der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes sind indessen keine Mittel für die geforderten Betriebsbeihilfen vorgesehen. Sie könnten nur eingesetzt werden, wenn andere Maßnahmen zurückgestellt würden. Die Bundesregierung sieht hierzu jedoch keine Möglichkeit.
Zwei Abschnitte weiter heißt es aber:
Die Bundesregierung spricht sich darum unter den zur Zeit gegebenen Umständen gegen die Annahme des vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurfs aus. Sie weist im übrigen darauf hin, daß sie Gegenwärtig
„gegenwärtig" ist groß geschrieben! —ein Gesamtkonzept für den öffentlichen Personennahverkehr vorbereitet, von dem sie eine wirksame Lösung der Probleme erwartet.
Das ist doch ein Widerspruch in sich! Wenn dieser letzte Satz etwas anderes bedeuten soll, als daß diese Lösung, die man vorbereitet, aus Phrasen und aus sehr netten Empfehlungen an die Betriebe selbst, an die Länder und Gemeinden bestehen soll, muß doch hinter dieser Lösung, die man verspricht, auch eine finanzielle Leistung stehen. Wenn das aber der Fall ist, dann fangen Sie bitte mit dieser finanziellen Leistung, die hier zur Debatte steht, schon einmal an!
Wenn Sie mir eine kleine ironische Bemerkung nicht übelnehmen: Ist es ein Zufall, daß das Wort gegenwärtig" in diesem Satz groß geschrieben worden ist, wo es sich um Planung und Vorhaben handelt? Schreiben Sie „gegenwärtig" in Zukunft groß, ganz groß, wenn es sich um konkrete Maßnahmen handelt, die Sie uns vorschlagen wollen!

(Abg. Dr. Apel: Kennen Sie das Wort Junktim?)

— Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen, Herr Dr. Apel.

(Abg. Dr. Apel: Können Sie sich vorstellen, daß wir die Länder und Gemeinden zwingen wollen, auch ihren Teil dazu beizutragen, damit wir das nicht allein tragen müssen?)

Natürlich, aber ich bin der Meinung, daß die analog der Mineralölsteuerbefreiung zu zahlende Betriebsbeihilfe eine Angelegenheit des Bundes ist. Das ist auch in den Ausführungen des Bundesrates sehr klar dargestellt und von der Bundesregierung in keiner Weise irgendwie angezweifelt worden.
Gestatten Sie mir, daß ich nun etwas zum Problem der privaten Unternehmungen sage. Ich tue dies zum einen deshalb, weil in der Stellungnahme der Bundesregierung zu den privaten Unternehmungen kein Wort gesagt ist. Erwähnt werden wohl die am öffentlichen Personennahverkehr beteiligten



Vehar
Verkehrsträger Deutsche Bundesbahn, Deutsche Bundespost und die VÖV-Betriebe, nicht aber die privaten Unternehmungen. Meine Damen und Herren, das ist gar kein so kleiner Bereich; denn die privaten Unternehmungen bewältigen immerhin 20 % des gesamten Personennahverkehrs mit Omnibussen im Bundesgebiet.
Dazu muß ich noch ein Zweites sagen, weil die Stellungnahme der Bundesregierung sowie auch jetzt die der Koalitionsfraktionen — im übrigen, das sagte ich eben schon, ganz im Gegensatz zu der Meinungsäußerung noch vor zwei Monaten — befürchten lassen, daß der Gesetzentwurf von Ihnen, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, unter 'Umständen abgelehnt wird. Aus diesem Grunde muß ich hier vor Eintritt in die Beratungen der Ausschüsse auf die gravierend unterschiedliche Lage der am öffentlichen Nahverkehr beteiligten Verkehrsträger hinweisen: einerseits auf die Situation der staatlichen und städtischen und auf der anderen Seite der privaten Unternehmen.
Die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Bundespost werden, soweit sie die zur Deckung der Kosten erforderlichen Betriebsergebnisse trotz aller Anstrengungen, die ich selbstverständlich unterstelle, nicht erzielen, vom Bund aus allgemeinen Haushaltsmitteln gestützt. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe — ob es sich nun um kommunale oder um gemischte Betriebe in der Form der AG oder der GmbH, meist aber mit Mehrheitsbeteiligung der Städte handelt — werden, rein rechtlich gesehen,
von den Gebietskörperschaften gestützt. Das gleiche Recht gilt für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen, die mit einem geringen Anteil am öffentlichen Personennahverkehr beteiligt sind, für die die Länder im Ernstfall geradestehen.
Ich möchte, sowohl was die VÖV-Betriebe als auch die nichtbundeseigenen Eisenbahnen angeht, in diesem Zusammenhang gern hinzufügen, daß sie nicht Subventionsempfänger sein möchten, sondern sich anstrengen, wirtschaftlich so zu arbeiten, daß zumindest das Ergebnis plus-minus Null herauskommt. Es ist jedoch eine selbstverständliche Forderung dieser Betriebe, auf eine Ausgangsposition gestellt zu werden, die ihnen das ermöglicht.
Eine ganz andere Situation aber, meine Damen und Herren, haben wir bei den Privatunternehmen. Ich denke dabei nicht an die Unternehmer, die im Auftrage der Deutschen Bundesbahn oder der Bundespost oder auch der VÖV-Betriebe fahren, dabei jedoch ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit erhalten können. — Übrigens sollten die großen staatlichen und städtischen Unternehmungen diese Kooperation meines Erachtens noch viel stärker ,ausbauen; dies läge im beiderseitigen Interesse nicht nur der Verkehrsträger, sondern auch der Verkehrsnutzer. Das wäre ebenfalls ein Beitrag zur Lösung der Personennahverkehrsprobleme. — Vielmehr denke ich in diesem Zusammenhang an denjenigen Teil der privaten Unternehmen, die selbst Konzessionsinhaber und damit denselben Verpflichtungen unterworfen sind wie die staatlichen und städtischen Unternehmungen: nämlich der Beförderungspflicht, der Tarifpflicht und der Verpflichtung, jede Tariferhöhung genehmigen zu lassen.
Dieser Kreis der selbständigen Omnibusunternehmer betreibt etwa 20 % des gesamten öffentlichen Linienverkehrs mit Bussen in der Bundesrepublik. — Meine Damen und Herren, es liegt in der Natur der Sache, daß diese privaten Unternehmer — von Ausnahmen abgesehen, meist mittelständische Betriebe — auf dem sogenannten flachen Land eingesetzt sind, wenn ich das, als Gegensatz zu den großen Städten und Ballungsgebieten vereinfachend so sagen darf.
Wie ich bereits ausführte, wird dieser Teil der Verkehrsträger in der Stellungnahme der Bundesregierung überhaupt nicht erwähnt, geschweige ,denn, daß etwas darüber gesagt würde, welche Stelle in unserer bundesstaatlichen Ordnung hier zur Hilfe verpflichtet ist oder ob überhaupt irgendeiner Stelle eine solche Verpflichtung obliegt. Denn darüber kann es wohl keinen Zweifel geben: Die privaten Unternehmungen im öffentlichen Nahverkehr haben die gleichen Schwierigkeiten wie die anderen Betriebe.
Ich darf an dieser Stelle meine Überzeugung wiederholen, die von den anderen Fraktionen geteilt wird, daß nämlich der öffentliche Personennahverkehr nicht nur als ein wirtschaftliches Unternehmen zu sehen ist, sondern auch eine ganz wesentliche gesellschaftspolitische Funktion erfüllt. Meine Damen und Herren, die Bewohner unserer ländlichen Gebiete haben dieselben Rechte auf die Inanspruchnahme von Bildungs-, Kultur- und Sportstätten usw. sowie auf Mobilität in der Ausübung ihres Berufs. Ein gesunder und in seiner Attraktivität verbesserter öffentlicher Nahverkehr ist darum in den ländlichen Bereichen genauso dringend notwendig wie in den großen Städten, wo die Wege zu Schulen, zu Kultur-, Bildungs- und Sportstätten dazu meist noch viel kürzer sind.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Wie aber sieht es bei diesen Trägern des öffentlichen Personennahverkehrs, den privaten Unternehmen, aus? Man spricht schon im allgemeinen von einer gerade in den letzten Jahren steigenden und besorgniserregenden Verdrossenheit im gewerblichen Mittelstand. Im Bereich der von mir genannten Busunternehmungen im Linienverkehr ist in vielen Fällen nicht nur diese Verdrossenheit vorhanden, sondern die Unternehmer sind geradezu der Verzweiflung nahe. Kostenerhöhungen auf allen Gebieten, die diese Unternehmer ja nicht zu vertreten haben, enorme Schwierigkeiten, Fahrer zu behalten oder gar neue zu gewinnen, stehen der Schwierigkeit gegenüber, a) kostendeckende Tarife genehmigt zu bekommen — und wenn man sie ihnen genehmigt, kann man unter Umständen damit rechnen, daß sie Fahrgäste verlieren, so daß als Effekt dasselbe herauskommt — und b) für die zwangsläufigen Defizite im Gegensatz zu allen Konkurrenten keinen Dritten in Anspruch nehmen zu können.
So stehen heute, meine Damen und Herren, hunderte früher gesunder, ohne staatliche und ohne



Vehar
städtische Finanzhilfen arbeitende Betriebe vor der schweren Entscheidung, entweder ihre Substanz weiter zu verzehren oder aber die Konsequenz zu ziehen — die viele übrigens schon gezogen haben —, ein oft seit Generationen betriebenes Unternehmen aufzugeben.
Ich warne vor voreiligen Schlüssen, wie man sie dann, wenn man so etwas ausspricht, oft leider zu hören bekommt: laßt sie doch, wir werden schon datür sorgen, daß diese Betriebe von anderen übernommen werden, die es besser können. — Das wäre nicht nur leichtfertig, sondern verantwortungslos. .Jede Linie, die ein privater Unternehmer heute aufgeben müßte, müßte von einem der anderen Verkehrsträger — in jedem Falle also von einem staatlichen oder städtischen Unternehmen -- übernommen und weitergeführt werden. Daß uns eine solche Entwicklung ein Vielfaches dessen kosten würde, was die privaten Unternehmen auf Bundesebene jetzt insgesamt von uns erwarten, nämlich eine Betriebsbeihilfe von insgesamt 35 Millionen DM, dürfte jedem Kenner dieses Spezialgebietes unserer Verkehrspolitik klar sein. Damit übe ich keine Kritik an den anderen Verkehrsträgern.
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren, und appelliere heute an Sie, appelliere an die Bundesregierung und an die Koalitionsfraktionen, für den Fall, daß dieses Gesetz in den Beratungen des Verkehrsausschusses und des Finanzausschusses keine Mehrheit finden und damit nicht zum Tragen kommen sollte, dem Bundestag schnellstens die vorgesehene andere Lösung vorzulegen. Diese Lösung aber müßte sicherstellen — und ich hoffe, daß Sie dazu auch noch spätestens in den Ausschußberatungen eine Erklärung abgeben werden —, daß die privaten Unternehmen von ihr nicht ausgeschlossen sind.

(Abg. Dr. Apel: Das ist völlig klar!)

Dies hier in der erforderlichen Kürze — ich habe wahrscheinlich meine Zeit etwas überzogen, Herr Präsident, weil ich noch einige Ausführungen zu den Bemerkungen von Herrn Kollegen Dr. Apel gemacht habe —, aber auch in der notwendigen Deutlichkeit und Klarheit auszusprechen, hielt ich nicht nur für mein gutes Recht, sondern auch für meine Pflicht. Ich hoffe, daß auch die anderen Fraktionen des Bundestages dieser Auffassung im Prinzip werden zustimmen können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610325600
Wenn immer nur eine Überziehung von einer Minute vorläge, wären wir in der Abwicklung der Geschäfte besser dran, Herr Kollege.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haar.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0610325700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab eine Bemerkung zu dem machen, was bezüglich der Existenzsituation der Privatunternehmer im Verkehrsgewerbe im Augenblick hier vorgetragen worden ist. Der Wind der freien Marktwirtschaft weht heute überall. Mich wundert im Grunde, mit welcher
Art von Begleitmusik hier Probleme vorgetragen werden, die anders aussehen, wenn es um den Erwerb von Konzessionen und die damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten geht.

(Beifall bei der SPD.)

Denn das Risiko kam auch im Bereich des Verkehrs, soweit sich die Ertragssituation verschlechterte, in der Vergangenheit auf öffentliche Unternehmen zu, und so wird es auch in Zukunft sein. Das bezieht sich nicht nur auf ländliche Bereiche, sondern das haben wir auch in städtischen Bereichen erlebt. Ich wollte damit nur die Einseitigkeit einer solchen Argumentation deutlich machen, die nicht notwendig ist bei der Grundsatzüberlegung, die wir hier anstellen, auch bei der Überlegung, zu welchen Ergebnissen wir für unsere öffentlichen Nahverkehrsbetriebe in einer Gesamtkonzeption kommen.
Die wirtschaftliche Lage der Nahverkehrsunternehmen ist dem Hohen Hause bekannt. Die naheliegende Lösung der Schwierigkeiten durch Steigerung der Verkehrseinnahmen ist aus politischen und marktwirtschaftlichen Gründen nicht möglich. Wir wissen auch, daß Nahverkehrstarife heute Eckdaten sind, die eine verantwortungsbewußte Sozial- und Konjunkturpolitik nicht beliebig verändern kann.
Mit dem Bundesrat, Herr Minister Krause, sind wir der Auffassung, daß der öffentliche Nahverkehr dringend der Förderung bedarf. Auf Grund dieser Erkenntnis ich glaube, es ist bemerkenswert, daß Sie das auch an die Spitze Ihrer Ausführungen gestellt haben — stellt der Bund schon seit 1967 den Ländern und Gemeinden Zuwendungen zur Verfügung. Man darf wohl auch noch einmal daran erinnern: im Zeitraum von vier Jahren wurden für Investitionen in Verkehrswege des öffentlichen Personennahverkehrs rund 2,2 Milliarden DM zusätzlich als Hilfen des Bundes gewährt. Das geht bei der Diskussion um die Entscheidung, die jetzt angestrebt wird, völlig unter. Das sollten wir noch einmal festhalten.

(Beifall bei der SPD.)

Die finanzielle Verantwortung für die Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs obliegt mit Ausnahme der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost den Ländern und Gemeinden. Das, was mein Kollege Dr. Hans Apel ausgeführt hat, macht doch im Grunde deutlich, um was es uns Sozialdemokraten bei dieser Auseinandersetzung geht: Wir wollen unter allen Umständen, daß neben den Leistungen, die wir zu erbringen bereit waren und künftig zu erbringen bereit sind, die Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen — daraus ergibt sich der entscheidende Anteil dessen, was wir heute Probleme und Krisen der Nahverkehrsbetriebe nennen — nicht nachläßt. Die Länderparlamente sollten durch Entscheidungen zusätzlich dazu beitragen, die Krise zu überwinden. Darum geht es bei der politischen Überlegung.

(Beifall bei der SPD.)

Die Argumentation, soweit sie sich gegen steuersystematische Bedenken gegen die Vorlage richtet,



Haar (Stuttgart)

läuft u. a. darauf hinaus, es handle sich darum, die Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs in die Lage zu versetzen, ihre im öffentlichen Interesse liegenden Erschließungs- und Straßenentlastungsfunktionen weiter zu erfüllen. Die verkehrspolitische und gesellschaftspolitische Bedeutung dieser Überlegung ist nicht zu bestreiten. Wir nehmen sie sehr ernst.
Wir sollten uns aber auch verdeutlichen, daß sich bei der Kostenaufgliederung der Nahverkehrsbetriebe Positionen ergeben, die klarmachen, daß der Kern der Probleme mit dieser Vorlage nicht zu lösen ist: Personalaufwand einschließlich Sozialaufwendungen 60 0/0; Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Energie 20 0!o; Abschreibungen und Kapitaldienst 15 %; Steuern, Versicherungen und Sonstiges 5 %. Die Zahlen beruhen übrigens auf Angaben des VöV.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610325800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0610325900
Bitte schön!

Max Vehar (CDU):
Rede ID: ID0610326000
Herr Kollege Haar, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Gutachterkommission, die 1961 auf einstimmigen Beschluß des Bundestages ihre Arbeit aufgenommen und 1964 ein Gutachten vorgelegt hat, dem Bundestag und der Bundesregierung ausdrücklich auch die Befreiung von gewissen Steuern dazu gehört auch die Mineralölsteuer —, mit der Begründung empfohlen hat, daß eine solche Befreiung eine wettbewerbsneutrale Hilfe für alle im öffentlichen Personennahverkehr tätigen Verkehrsträger darstellt?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0610326100
Dies ist von uns zu keinem Zeitpunkt bestritten worden, Herr Kollege Vehar. Ich möchte auf folgendes hinweisen. Neben dieser Empfehlung gab es auch Empfehlungen an die Länder und an die Gemeinden. Sie werden mir doch nicht vormachen wollen, daß neben der Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer z. B. die Konzessionsabgabe in politischen Entscheidungen, die auf anderer Ebene als der des Bundes lagen, ausgeschöpft worden sei. Darum geht es bei unseren heutigen Überlegungen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610326200
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Vehar.

Max Vehar (CDU):
Rede ID: ID0610326300
Ist es denn nicht so, daß, nachdem die Länder auf die Kfz-Steuer und die Gemeinden weitgehend auf die Konzessionsabgabe verzichtet haben, jetzt der Bund in diesem Bereich mit dem Verzicht auf die Mineralölsteuer am Zuge wäre?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0610326400
Auf diese Frage werde
ich noch kurz zurückkommen, Herr Vehar.

(Abg. Dr. Apel: Warum hat denn das die CDU nicht gemacht? Abg. Vehar: Warum haben Sie uns als Opposition dazu nicht aufgefordert? Sie sind doch auch einmal in der Opposition gewesen! Abg. Dr. Apel: Witze erzählen wir heute abend beim Bier!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610326500
Ich bitte die Debatte nicht in Zwiegesprächen zwischen Zuhörern ausarten zu lassen.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0610326600
Ich möchte hier noch eine allgemeine Bemerkung machen. Meine Herren von der Opposition, es würde uns leichtfallen, Äußerungen des früheren Verkehrsministers aus den Jahren 1962, 1964 oder 1966 zu ähnlichen Problemen zu finden, um den Widerspruch Ihrer heutigen Position zur damaligen Politik auch gegenüber den öffentlichen Nahverkehrsbetrieben deutlich zu machen. Herr Kollege, das wäre keine Schwierigkeit.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610326700
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Karl Heinz Lemmrich (CSU):
Rede ID: ID0610326800
Herr Kollege Haar, ist Ihnen denn nicht bewußt, daß die Finanzsituation dieser Betriebe erst in den letzten Jahren so prekär geworden ist, so daß Ihre Ausführungen von eben doch ein bißchen weit hergeholt sind?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0610326900
Ich denke, auch Sie begrüßen die Maßnahmen, die 1967 eingeleitet worden sind und die ich eingangs meiner Ausführungen hier dargestellt habe. Sie waren doch letztlich das Ergebnis gemeinsamer Bemühungen.

(Abg. Lemmrich: Das ging auf einen Antrag von Herrn Müller-Hermann und mir zurück!)

Tun Sie doch nicht so, als ob es nicht gemeinsame Anstrengungen im Bereich der Verkehrspolitik gegeben hätte. In den 18 Jahren Verkehrspolitik vorher hat es Versäumnisse genug gegeben.

(Beifall bei der SPD.)

Lassen Sie mich zum Thema zurückkommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Lassen Sie sich mal was Neues einfallen! — Zuruf des Abg. Lemmrich: Ein großer Unfug, was Sie hier von sich geben! So kann man nur reden, wenn man so wenig Ahnung wie Sie hat!)

Eine Befreiung von der Mineralölsteuer würde für die öffentlichen Verkehrsbetriebe eine Kostenminderung von etwa 3 bis 3,5% bedeuten.

(Unruhe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610327000
Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas Ruhe. Die Debatte läuft viel besser fort, wenn der Redner ungestört sprechen kann und ihm nachher jemand entgegnet.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0610327100
Wir suchen nicht den Weg des Geleitzugsystems, um uns nach jenen Ländern bzw. Gemeinden zu richten, die von der sogenannten Kostennormalisierung noch weit entfernt sind. Es muß aber nachdrücklich betont werden, daß ähnliche Maßnahmen, wie sie für die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Bundespost gelten, von allen Ländern erbracht werden sollen. Wir streben ein umfassendes Konzept zur finanziellen Gesun-



Haar (Stuttgart)

dung des öffentlichen Personennahverkehrs an. Dieses Konzept wird in diesem Jahre erarbeitet. Nach Anhebung der Mineralölsteuer sehen wir uns in der Lage, über zweckgebundene Betriebszuwendungen zu entscheiden, die sich auch in der Höhe der Mineralölsteuerbelastung des Personennahverkehrs bewegen. Fragen der Umweltverschmutzung, das weite Thema der Rückverlagerung des Individualverkehrs auf Nahverkehrsmittel und auch das Thema der wünschenswerten Attraktivität der Nahverkehrsbetriebe geht über den Bereich dessen hinaus, was vom Bundesrat in seiner Vorlage verlangt wird. Wir sind geneigt, diesen Erwartungen und Wünschen im Rahmen der von uns mit zu erarbeitenden Gesamtkonzeption zu entsprechen. Wir brauchen keine Schlaumeierei in Zwischenrufen. Wir brauchen vielmehr systematische Arbeit, um das aufzuholen, was in diesem Lande in zwei Jahrzehnten versäumt worden ist.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610327200
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0610327300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur wenige Sätze sagen. Herr Kollege Haar, Sie haben eingangs Ihrer Ausführungen erwähnt, daß die privaten Verkehrsunternehmen keinen Grund zur Klage hätten. In einer freien Marktwirtschaft bliese der Wind unter Umständen auch einmal ins Gesicht. Ich stimme Ihnen zu, man muß sich auch den Erschwernissen einer solchen Wirtschaft stellen. Aber hier ist bei
der Praktizierung unserer Marktwirtschaft doch Grundsatz gewesen, daß es gleiche Wettbewerbsbedingungen geben muß.
Andererseits steht auch fest, daß die privaten Verkehrsunternehmen kostenmäßig wirklich in der Lage sind, sehr wirtschaftlich zu arbeiten; sie müssen nur zu gleichen Bedingungen fahren können. Daß heißt, es kann nicht angehen, Tarife unter der Voraussetzung festzusetzen, daß Defizite öffentlicher Unternehmen von der öffentlichen Hand getragen werden, wobei dann die privaten Verkehrsunternehmungen, denen niemand ein Defizit abnimmt, gezwungen sind, aus Wettbewerbsgründen unter den gleichen Tarifen zu fahren. Wenn man das weiß, muß man gelegentlich daran denken, daß diese Betriebe, die eine wichtige Aufgabe erfüllen, vom Gesetzgeber bei Vergünstigungen nicht ausgeschlossen werden.

(Abg. Dr. Apel: Das ist völlig klar! Das läuft auf genau das gleiche hinaus!)

Das war der Sinn meiner Bemerkungen zu den privaten Verkehrsunternehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610327400
Das Wort hat der Herr Staatsminister des Innern des Landes Baden-Württemberg als Vertreter des Bundesrats.
Krause, Minister des Landes Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zum Schluß der Debatte noch einige Bemerkungen machen. Ich habe allen zustimmenden und auch kritischen Bemerkungen sehr aufmerksam zugehört. Ich möchte wenigstens einmal festhalten, worüber offenkundig Übereinstimmung besteht.
Es besteht Übereinstimmung darüber, daß Tarifanpassungen auch in Zukunft notwendig sind. Ich will das ganz klar aussprechen. Das ist auch meine Meinung.
Es besteht Übereinstimmung darüber, daß auf die Dauer eine befriedigende Regelung ober besser eine auf die Dauer befriedigende Regelung angestrebt werden muß. Auch darüber besteht, glaube ich auf allen Seiten des Hauses Einverständnis.
Dann ist, wenn ich es recht gehört habe, auch eingeräumt worden, daß die Lösung nur von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam gefunden werden kann. Wenn der Bund mit seiner Verantwortung an der Lösung teilnimmt, dann halte ich das für eine wichtige Prämisse bei den weiteren Beratungen.
Ich möchte, Herr Abgeordneter Dr. Apel, auch deutlich sagen: Es wäre ganz bestimmt keine Lösung, wenn etwa eine Zustimmung des Bundes um den Preis einer Reduzierung der Mittel für den Bundesfernstraßenbau erfolgen würde. Das will ich hier ganz klar sagen. Das ist, von den Ländern, den Gemeinden und auch von den Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs her gesehen, keine Lösung. In diesem Punkt bin ich der Meinung, die der Herr Bundesverkehrsminister Leber am 2. Dezember 1970 vor diesem Hohen Hause ausgesprochen hat. Hier müssen wir zu einer Verstärkung der Mittel sowohl für den Bundesfernstraßenbau als auch zugunsten des Straßenbaus in den Gemeinden kommen. Da bin ich also für den Weg, den der Herr Bundesverkehrsminister vor diesem Hause angedeutet hat. Ich mache mir das voll zu eigen. Ich will keine Lösung, die etwa ein anderes Loch aufreißt, wo wir es schon gar nicht vertragen können. Insoweit besteht Einigkeit.
Kritisch wird die Sache, wo Sie von dem „Tropfen auf den heißen Stein" reden. Ich muß sagen, das halte ich nicht für angemessen. Die Betroffenen würden sich sicherlich sehr erfrischt vorkommen, wenn sie von diesem Tropfen auf den heißen Stein getroffen würden. Ich verstehe Ihre Motive. Sie denken an die Relation zu dem Defizit der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen im kommunalen Bereich von 650 Millionen DM im Jahre 1970. Ein Sprecher hat gesagt, das Defizit werde sich 1971 auf 900 Millionen DM belaufen, und Sie haben gesagt, es werde 1 Milliarde DM betragen. Das steht noch nicht fest. Das würde eintreten, wenn es nicht zu Tarifanpassungen und nicht zu sonstigen Erleichterungen kommen würde. Da wollen wir uns bemühen — und die Träger müssen sich bemühen —, solche Wege zu finden, auf denen das Defizit nicht so groß wird.
Dennoch muß man sagen, daß die Träger von dem Anwachsen des Defizits unmittelbar betroffen werden. Sie können sich gar nicht wehren. Sie müssen, ob sie wollen oder nicht, noch mehrere hundert Millionen DM aufbringen, und wir können sie nicht im Stich lassen. Wenn uns der Bund seine Hilfe



Krause, Minister des Landes Baden-Württemberg
nicht gewährt, werden die Länder ganz sicher an dieser Stelle eintreten müssen. Aber man muß auch sehen, daß eine gemeinsame Lösung gefunden werden muß. Ich bin Ihnen allen sehr dankbar dafür, daß dies von allen Seiten des Hauses respektiert worden ist.
Meine Damen und Herren, die Empfehlungen, auf die wir uns beziehen, stammen ja noch aus der Zeit, in der die Große Koalition regiert hat. Insofern ist die Sache keineswegs mit irgendeiner politischen Schlagseite behaftet. Dies ist ein so bedeutsames Problem, daß es für den gesamten Deutschen Bundestag, für alle seine Seiten, und für den Bundesrat und seine Länder gestellt ist, d. h. für alle, die wir in der Fürsorge für die Gemeinden und die öffentlichen Nahverkehrsunternehmen stehen.
Die Gretchen-Frage ist die Deckungsfrage und dafür habe ich volles Verständnis. Ich stehe viel zu lange in der Kommunalpolitik und auch in der Verantwortung als Minister einer Landesregierung, als daß ich nicht wüßte, daß man für jede solche Frage eine Deckungsantwort haben muß. Ich verstehe die Stellungnahme der Bundesregierung ganz eindeutig so, daß durchaus daraus zu ersehen ist, daß ein Verständnis für die Bedeutung des Problems besteht — das wird ja auch mit der Ankündigung eines Gesamtkonzepts in der Stellungnahme der Bundesregierung offen dargelegt —, daß aber im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Deckungsmöglichkeit gesehen wird. Das ist mir völlig klar, und das will ich auch gar nicht verniedlichen. Ich möchte Sie aber herzlich bitten, mit den Ländern zusammenzuwirken, damit auch der Deutsche Bundestag eine positive Antwort auf dieses Problem findet.

(Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610327500
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt die Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen und den Haushaltsausschuß mitberatend — vor. Widerspruch erfolgt nicht. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Müller (Remscheid), Burgbacher und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Kassenzuständigkeit der Knappschaftsrentner
— Drucksache VI/ 1820 —
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Müller (Remscheid).

Adolf Müller (CDU):
Rede ID: ID0610327600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben einen Gesetzentwurf über die Kassenzugehörigkeit der Knappschaftsrentner eingebracht. Der Bezug einer Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung hat nach der jetzigen gesetzlichen Regelung zur Folge, daß der Berechtigte als Rentner in der knappschaftlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist, auch wenn er zuvor einer anderen gesetzlichen Krankenkasse, einer RVO-Kasse oder Ersatzkasse angehört hat. Wir erleben es oft, daß Versicherte, die nur zu einem größeren oder geringeren Teil ihres Arbeitslebens knappschaftlich versichert waren, also überwiegend der Arbeiter- oder Angestelltenversicherung angehörten, nach Bewilligung ihrer Rente durch die Bundesknappschaft nicht begreifen können, daß dadurch ihre bisherige Form der Krankenversicherung geändert wird. Diese Personen können es nicht verstehen, daß wegen der Feststellung und Zahlung ihrer Rente durch die Bundesknappschaft die bisherige Krankenkasse nicht mehr zuständig sein soll, der sie in der Regel oft seit langen Jahren angehört haben.
Dieser Wechsel der Kassenzugehörigkeit bringt nicht allein den Kassenwechsel, sondern er ist in der Regel mit einem erzwungenen Arztwechsel und einer sicherlich nicht unwesentlichen Einschränkung des Rechtes der freien Arztwahl verbunden. Diese Regelung wird von den Betroffenen als ungerecht empfunden. Sie fordern daher eine Gleichstellung mit ,den Rentnern aus ,der Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung, die sich bei der Krankenkasse als Rentner versichern lassen können, der sie vor dem Rentenbezug angehört haben.
Der nun vorliegende Gesetzentwurf will eine Gleichstellung der Knappschaftsrentner mit den Rentnern aus der Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung in bezug auf die Wahl der Krankenkasse beim Eintritt in das Rentenalter. Die neuen Knappschaftsrentner sollen sich in Zukunft auch in der Krankenkasse versichern können, der sie vor dem Bezug der Rente als Mitglied angehört haben. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, in der bisherigen Krankenkasse, mit der sie in der Regel zufrieden waren, zu bleiben. Sie sollen auch nicht gezwungen werden, ihren Arzt zu wechseln, der bisherige Hausarzt soll auch weiterhin in Anspruch genommen werden können. Knappschaftsrentner, die entsprechend der bisherigen Regelung gezwungen sind, sich in der knappschaftlichen Rentenversicherung zu versichern, sollen durch unsere Initiative die Möglichkeit erhalten, innerhalb einer gewissen Frist zu der Krankenkasse überzuwechseln, der sie vor Eintritt des Rentenfalles angehört haben.
Meine Damen und Herren, der Tatbestand ist wohl unbestritten, die Dringlichkeit der Regelung, glaube ich, auch. Denn der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rohde hat am 24. August 1970 auf die Frage meines Kollegen Dr. Hammans den Tatbestand bestätigt und mitgeteilt, daß im Ministerium für Arbeit und Sozialordnung geprüft werde, ob die Knappschaftsrentner nicht genauso behandelt werden könnten wie die Rentner in der Arbeiter- und der Angestelltenrentenversicherung.
Wir wollen nun im Interesse der betroffenen Rentner diesen Gesetzentwurf einbringen. Dabei sind wir uns darüber im klaren, meine Damen und Herren, daß das nur ein Teilproblem ist. Das Gesamtproblem, das Sprengelarztsystem, hängt wohl auch mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zusammen. Es könnte nach meiner Meinung



Müller (Remscheid)

sogar durch die Selbstverwaltung in der Knappschaft gelöst werden. Das ist aber eine Problematik, in die wir uns mit diesem Gesetzentwurf, bevor eine genaue Klärung erfolgt ist, zunächst nicht einmischen wollten. Wir möchten zunächst einmal diese Ungerechtigkeit beseitigen.
Wir beantragen Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610327700
Das Wort hat der Abgeordnete Urbaniak.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID0610327800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Namen der SPD-Fraktion zu dieser, wie der Kollege Müller sagte, Initiative der CDU/CSU eine Erklärung abzugeben, denn diese Initiative ist ja zur Lösung des Problems erfolgt. Die Vorlage ist aber völlig unzureichend.

(V o r s i t z: Vizepräsident Frau Funcke.)

Bereits während der Beratungen des Zweiten Krankenversicherungsänderungsgesetzes im Deutschen Bundestag hatte die CDU CSU-Fraktion einen Änderungsantrag eingebracht, der inhaltlich weitgehend mit dem Entwurf übereinstimmt, der heute dem Hause vorliegt. Dieser Antrag wurde nach der Aussprache im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung von der CDU/CSU zurückgezogen, weil die CDU/CSU-Fraktion einsehen mußte, daß damit auch die äußerst komplizierte Frage der Kassenzuständigkeit völlig unzureichend gelöst worden wäre. 1m Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung bestand die Auffassung — ich darf hierzu auf den Schriftlichen Bericht dieses Ausschusses zum Zweiten Krankenversicherungsänderungsgesetz verweisen daß die Frage der Kassenzuständigkeit insbesondere nicht isoliert von Finanzierungsfragen in der knappschaftlichen Krankenversicherung gelöst werden könne.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610327900
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Maucher?

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID0610328000
Bitte!

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0610328100
Herr Kollege, würden Sie so lieb sein und mir erklären, ob Sie bezüglich der Kassenzuständigkeit bei der zu erwartenden Regelung der Krankenversicherung der Landwirte die gleiche Auffassung vertreten werden.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID0610328200
Wir haben es hier, sehr verehrter Kollege, mit der Frage der Knappschaft zu tun. Der Ausschuß war sich seinerzeit schon darüber im klaren, daß diese Frage befriedigend und umfassend geregelt werden muß. Hier geht es also um die Regelung bei der Bundesknappschaft.

(Abg. Dr. Ritz: Ja, ja, das ist klar!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610328300
Eine zweite Zwischenfrage, bitte schön!

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0610328400
Meine Frage geht nur dahin, ob Sie den grundsätzlichen Standpunkt, den Sie liier vertreten, in allen Bereichen in gleicher Weise vertreten werden.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID0610328500
Ich kann nur wiederholen, dal) ich mich hier auf die Regelung bei der Bundesknappschaft beziehe und für eine umfassende Regelung eintrete.
Ich fahre in meinen Ausführungen fort. Dieser Entwurf der CDU/CSU-Fraktion läßt die am schwierigsten zu behandelnden Fragen unberührt. Ich bringe dazu drei Beispiele. Erstens: § 19 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes wird nicht beachtet. Das hat zur Folge, daß eine Frau, die auf Grund eigenen Rentenbezugs bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, zur Knappschaft überwechseln muß, wenn sie eine Hinterbliebenenrente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung beantragt.
Ein anderes Beispiel. In der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner beginnt die Versicherung mit der Zustellung des Rentenbescheides, frühestens mit dem Rentenbeginn. Abweichend davon soll nach dem Entwurf nur für die Rentenantragsteller, die zur Knappschaft überwechseln, die Mitgliedschaft bereits mit den Rentenantragstellung beginnen. Diese unterschiedliche Behandlung von Rentenantragstellern innerhalb der knappschaftlichen Krankenversicherung löst das Problem überhaupt nicht.
Der Entwurf läßt ungeklärt — und das ist das dritte Beispiel —, welcher Rentenversicherungsträger zur Beitragszahlung verpflichtet ist, wenn eine Rente aus der Knappschaft mit einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten zusammentrifft.
Daher sollte das Gesamtproblem der knappschaftlichen Rentnerkrankenversicherung wie auch das Knappschaftsarztsystem — ich betone: Arztsystem — zunächst von der Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der Krankenversicherung erörtert werden. Es sollte auch nicht unberücksichtigt bleiben Kollege Müller hat darauf hingewiesen—, daß das Bundesverfassungsgericht in der nächsten Zeit zu einer Entscheidung kommen wird, ob das Knappschaftsarztsystem mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Gemäß den Beschlüssen, die der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung am 27. Oktober 1970 gefaßt hat, beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen eines weiteren Gesetzentwurfs zur Weiterentwicklung der Krankenversicherung das Gesamtproblem der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner einer für die betroffenen Versicherten befriedigenden Lösung zuzuführen. Nach meiner Information ist die Sachverständigenkommission bereits mit vorbereitenden Beratungen befaßt, so daß die Aussicht besteht, daß der schwierige Vorgang der Kassenzuständigkeit für die Knappschaftsrentner in rechtlicher wie in finanzieller Hinsicht bald gelöst wird.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610328600
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Kempten).




Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0610328700
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der FDP-Fraktion darf ich zu dem Gesetzentwurf Drucksache VI /1820 folgende Erklärung abgeben. Ich kann mich dabei auf den Teil beschränken, der nicht mehr die Probleme der Vergangenheit anspricht, weil das der Kollege Urbaniak schon dargelegt hat. Ich wollte dazu sagen, daß wir uns über dieses Problem bereits einmal im Ausschuß unterhalten haben und dann zu anderen Überlegungen gekommen sind.
Zu dem Petitum, das dieser Antrag enthält, der freien Arztwahl, darf ich für die FDP folgendes erklären. Die Frage der freien Arztwahl ist nach Auffassung der FDP natürlich ein Grundsatzproblem, das allerdings nicht nur unter dem Teilaspekt der Krankenversicherung der Rentner in der Knappschaft, sondern im Hinblick auf alle betroffenen Versicherten gesehen werden muß. Wir Freien Demokraten haben daher große Zweifel, ob man mit einer Gesetzesänderung in der vorgeschlagenen Form nicht letztlich der eigentlichen Problematik, vielleicht ungewollt, ausweicht. Selbst wenn erklärt wird, hier handele es sich nur um einen ersten Schritt, dem weitere, entsprechende Schritte für die aktiven Beitragszahler der knappschaftlichen Krankenversicherung folgen sollten, erscheint uns die Sache in dieser Form problematisch. Die knappschaftliche Krankenversicherung hat ihre Tradition, die hier wie anderswo notwendige Reformen nicht sehr erleichtern, sondern oftmals erschweren. Gerade deshalb erscheint uns der vorgeschlagene Weg, wie schon gesagt, bedenklich. Es würde zwar eine Rechtsungleichheit — das geben wir zu — im Verhältnis zu Rentnern der Arbeiter- und der Angestelltenrentenversicherung beseitigt. Diese bliebe jedoch im Hinblick auf die Beschäftigten nach wie vor bestehen.
Wir Freien Demokraten sind daher der Meinung, daß es richtig wäre, wenn im Ausschuß das Problem der freien Arztwahl in der Knappschaft grundsätzlich erörtert würde. Der Überweisung an den Ausschuß stimmen wir natürlich zu.

(Beifall bei der FDP.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610328800
Wird noch das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Maucher!
Maucher (CDU/CSU) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich jetzt nur für einige kurze Bemerkungen zu Wort gemeldet, um einmal eine grundsätzliche Anmerkung zu machen. Es war erfreulich, daß das Parlament heute vormittag in der Beamtenbesoldung eine Entscheidung getroffen hat. Sie ist erstens eine der bedeutenden Entscheidungen dieses Hauses und zweitens ein echter Ansatz zu einer Reform. Mein Wunsch geht dahin, daß wir das, was wir heute morgen begonnen haben, im Parlament fortsetzen.
Im vorliegenden Falle werden zum Teil Auffassungen vertreten, die praktisch in eine völlig entgegengesetzte Richtung gehen. Das zeigen die Ausführungen, die mein Kollege Müller zu dem vorliegenden Gesetzentwurf gemacht hat, in aller Deutlichkeit. Ich sehe jetzt auf der einen Seite die Diskussion in dieser Frage hier durch die Vertreter der SPD und FDP und auf der anderen Seite die auf uns zukommende Problematik in der Krankenversicherung der Landwirtschaft. Nach meiner Meinung, meine Damen und Herren, sollten wir die Auffassung vertreten, die Kollege Müller hier vorgetragen hat. Er will, daß jemand, der bisher pflichtversichert war, die Möglichkeit erhält, sich dort weiter zu versichern, wo er bisher pflichtversichert war. Wir kennen die Situation auch der Allgemeinen Ortskrankenkassen. Auf diese Gesamtproblematik will ich aber hier nicht eingehen.
Ich möchte vielmehr auf einen Grundsatz hinweisen, der ganz entscheidend ist. Ich habe die dringende Bitte, daß wir diesen Antrag nicht nur der Form halber dem Ausschuß überweisen — das ist nämlich mein Eindruck , wobei wir vorweg schon wissen, daß er abgelehnt wird. Meine verehrten Damen und Herren, das würde bedeuten, daß wir die Arbeit in diesem Parlament nicht so erfüllen, wie sie uns vom Wähler aufgetragen ist. Das zu sagen, war der Sinn meiner Wortmeldung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610328900
Wird das Wort noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
-- Drucksache VI/ 1835 —Das Wort — ich nehme an, zur Begründung — hat Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0610329000
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion darf ich folgende Erklärung abgeben. Die CDU/CSU-Fraktion hat das 14. Änderungsgesetz zum Lastenausgleichsgesetz eingebracht, weil sie die Auffassung vertritt, daß wir, soweit und sobald eine Chance und Möglichkeit dazu besteht, unsere aus dem Grundgesetz resultierende Verpflichtung, zum Wohle und zum Nutzen des ganzen deutschen Volkes zu handeln, auch verwirklichen müssen. Die Verpflichtung, möglichst gleiche Lebensverhältnisse für alle Deutschen zu verwirklichen, beinhaltet unserer Auffassung nach auch die Pflicht, jede Möglichkeit dafür geradezu zu suchen, und dies nicht nur auf dem Territorium der Bundesrepublik.
Die Bundesregierung hat, wenn auch auf einem Wege, der nicht unsere Zustimmung findet, einerseits mit Inhalten, die nicht unsere Zustimmung finden, andererseits auch bei fehlenden Inhalten, der Volksrepublik Polen gegenüber eine Politik ein-



Freiherr von Fircks
geleitet, die wenigstens die Chancen eröffnen müßte, den in den von Polen verwalteten deutschen Ostgebieten lebenden Deutschen, die ja nach Art. 116 GG auch nach Auffassung der Bundesregierung deutsche Staatsangehörige sind, soziale Leistungen nach deutschem Recht zukommen zu lassen, sobald das möglich ist. Wir wissen, meine Damen und Herren, daß damit noch nicht alle Deutschen erfaßt werden. Aber die politischen Möglichkeiten innerhalb des Ostblocks werden hoffentlich eines Tages auch eine Ausweitung ermöglichen. Heute bietet sich die Chance leider nur für diesen Personenkreis. Es ist aber eine Chance, die wir, wie wir meinen, nutzen müssen und nicht verstreichen lassen dürfen. Auch in der Frage der Kriegsopferteilversorgung haben wir ja nur so verfahren können.
Durch dieses Gesetz sollen diejenigen, die in den genannten Gebieten als Selbständige tätig waren oder noch selbständig tätig sind, zu einer Altersversorgung kommen, die wenigstens annähernd der entspricht, die wir für den gleichen Personenkreis in der Bundesrepublik und im westlichen Ausland gesetzlich und auch tatsächlich schaffen konnten. Eine Initiative für die Unselbständigen wird sicher demnächst folgen müssen und auch folgen.
Das Gesetz soll sicherstellen, daß insbesondere Menschen in hohem Alter nicht gezwungen werden, noch ihren Wohnsitz zu wechseln. Es sollen diejenigen einbezogen werden, denen — aus welchen Gründen auch immer — vom polnischen Staat die Ausreise verweigert wird, aber auch diejenigen, die aus anderen, persönlichen Gründen nicht aussiedeln wollen. Wir sollten bei der Beratung dieses Gegenstandes nicht vergessen, daß nach allen uns bisher zugänglichen Informationen die polnische Regierung von den 1,2 Millionen dort lebenden Deutschen nur 5 %, nämlich zirka 60 000 — diese Zahl ist immer wieder genannt worden —, angesprochen hat, die ihrer Auffassung nach eine Ausreisegenehmigung erhalten werden.
Die Ostdeutschen in der Bundesrepublik sind zu ihrem Teil bereit, auf die zu diesem Zweck aus dem Lastenausgleich zu verwendenden Mittel zu verzichten. Wir müssen selbst dann bereit sein, wenn höhere oder andere Kosten entstehen sollten. Wir sind davon überzeugt, daß die Gesamtheit der Deutschen in der Bundesrepublik zu diesem Opfer bereit ist, wenn eine Regierung da ist, die sie darauf anspricht. Was, meine Damen und Herren, hat denn das Wort von „einer Nation" sonst für einen Wert, wenn es sich nicht auch in Leistungen zugunsten derer, die ohne eigenes Verschulden benachteiligt sind, manifestiert und bewährt?! Man kann — das müssen wir erkennen — keine Zukunft bauen ohne die Aufarbeitung der Probleme der Vergangenheit und der Gegenwart. Wer anders handelt, baut auf einem brüchigen Fundament ohne innere Substanz.
Wenn es hierbei ums Geld geht, sollte jeder von uns persönlich, aber auch jeder, der die Interessen anderer Gruppen von Menschen vertritt, die ihren Status auf Kosten des Staatshaushalts verbessern wollen, das Schicksal seiner Gruppe konfrontieren mit dem Schicksal, das die Menschen zu tragen haben, denen wir durch dieses Gesetz helfen wollen und für die, wie wir meinen, die Bundesregierung handeln sollte und schon bei den Verhandlungen selbst hätte handeln müssen.
Dieses Parlament, seine Koalitionsfraktionen und diese Regierung sollten sich auch einmal konfrontieren mit dem, was die Regierungen des Deutschen Reiches in der Zeit von 1919 bis 1932 für die deutschen Staatsangehörigen, aber auch für die deutschen Volksangehörigen mit anderer Staatsangehörigkeit erwirkt haben, ohne damals eine Bereitschaft zu dokumentieren, Verzichte ohne Gegenleistungen zu erbringen. Ich kann nur jedem empfehlen, die amtliche Dokumentation der Gegenvorschläge der deutschen Regierung zu den Friedensbedingungen von 1919, erschienen im Reiner Hobbing Verlag in Berlin, nachzulesen.
Ich möchte den Herrn Innenminister darauf ansprechen. Herr Innenminister, wenn Sie schon glauben, dieser Politik Ihre Zustimmung geben zu können oder geben zu müssen, dann ist es sicher Ihre Aufgabe in dieser Regierung, wenigstens alle sozialen Möglichkeiten durchzusetzen, die erreichbar sind; denn Ihrer Zuständigkeit und damit auch Ihrer Obhutspflicht sind diese deutschen Staatsbürger besonders anvertraut. Ich darf daran erinnern, daß der Herr Innenminister dies in den Gesprächen mit dem Präsidium des Bundes der Vertriebenen vor Jahr und Tag zugesagt hat. Dieser Personenkreis ist seiner besonderen Sorge und Fürsorge anvertraut.
Man muß doch auch ganz klar erkennen, daß die Bundesregierung bei der Vereinbarung über die Möglichkeit der Aussiedlung an alle Deutschen in den Ostgebieten gedacht hat und damit im Prinzip auch zu allen Leistungen für die Gesamtheit dieses Personenkreises entsprechend unseren gesetzlichen Möglichkeiten bereit war. Es wäre ein Schlag ins Gesicht in Anbetracht des auch von der Regierung und den sie tragenden Parteien ständig wiederholten Bekenntnisses zum Selbstbestimmungsrecht, wenn wir trotz der gebotenen Chance nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen schaffen und alle politischen Anstrengungen machen würden, um denen, die in ihrer Heimat bleiben wollen, und denen, denen die Ausreise verweigert wird, die ihnen zustehenden Leistungen unseres wie ihres Rechts da auch sie Staatsangehörige der Bundesrepublik sind — zukommen zu lassen. Hinsichtlich derer, denen die Ausreise verweigert wird, würden wir andernfalls vor der Gewaltherrschaft kapitulieren.
Ich bitte Sie, die materielle Begründung und die Formen der vorgeschlagenen Abwicklung dem vorliegenden Entwurf und der ihm angeführten Begründung zu entnehmen. Namens der CDU/CSU- Fraktion beantrage ich Überweisung an den Innenausschuß — federführend — und an den Auswärtigen Ausschuß zur Mitberatung sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610329100
Das Wort hat der Abgeordnete Hofmann.




Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0610329200
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht ganz uninteressant, die beiden Tagesordnungspunkte 9 und 19 einander gegenüberzustellen. Einerseits beantragt die CDU/CSU-Fraktion in Punkt 19, der Bundestag möge die Bundesregierung auffordern, sich für eine verbesserte Familienzusammenführung aus den Ostblockstaaten einzusetzen. Unter Punkt 9, um den es hier geht, beantragt die CDU/CSU-Fraktion, die Unterhaltshilfe an ehemals selbständige Deutsche in den unter polnischer Verwaltung stehenden Gebieten zu überweisen, falls es die Betroffenen vorziehen, nicht in die Bundesrepublik zu kommen. Da muß man sich fragen: Was gilt nun?

(Abg. Ott: Beides gilt!)

-- Aber was gilt nun richtig? Ist es die Forderung nach der verbesserten Zusammenführung und Rückführung, oder ist es — ich will es nicht so sehen, aber beinahe so ausdrücken quasi eine Art Ermunterung dazu, die Unterhaltshilfe auch in Polen entgegenzunehmen.

(Abg. Killat-von Coreth [zur CDU/CSU]: Sie glauben doch selbst nicht, daß das durchführbar ist!)

Dieser von der Opposition eingebrachte Entwurf auf Drucksache VI /1835 ist noch recht unausgereift. Herr von Fircks wird mir Recht geben, daß er nur globale Angaben für die gesamte Nation machen konnte. Mit diesem Antrag sind auch viele Bedenken verbunden. Sie sind so vielschichtig und so problematisch, daß ich nur einige davon in Fragen ansprechen will. Sollen nun die Leistungen nach dem Listenausgleichsgesetz auch jenen Deutschen zustehen, die nicht vertrieben wurden, die nicht ihren heimatlichen Besitz preisgeben mußten? Wenn ja, müßte dann das Lastenausgleichsgesetz in seinem Grundgedanken geändert werden oder nicht? Wenn ja, warum soll dann die Gesetzesänderung nicht für die zurückbleibenden Deutschen in jedem Vertreibungsland gelten? Warum schränken Sie den Kreis der eventuell Berechtigten auf die Gebiete ein, die unter polnischer Verwaltung stehen? Warum schaffen Sie zwei verschiedene Personengruppen? Der Hinweis auf das Bundesversorgungsgesetz reicht mir bei der Begründung und bei der Antwort auf diese Fragen nicht aus. Das dürfte auch gar nicht ganz vergleichbar sein. Soll der ehemals selbständige Deutsche in Stettin oder Breslau eine Unterhaltshilfe erhalten, aber der in Königsberg lebende Deutsche nur deshalb nicht, weil diese Stadt nicht unter polnischer Verwaltung steht?

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610329300
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0610329400
Herr Kollege Hofmann, werden Sie mir zugestehen, daß ich ausdrücklich gesagt habe, daß ich hoffe, daß sich demnächst auch in anderen Teilen dieses politischen Raumes die Möglichkeit ergeben wird, dafür einzutreten?

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0610329500
Sie sind genau an der Stelle, an der ich zu Ihren Ausführungen kommen wollte. Mir geht es um das, was in dem Antrag zur Gesetzesänderung steht, und nicht um das, was Sie dann zusätzlich dazu sagen. Sie sprachen heute von der Chance, die uns da gegeben ist. Ich bitte Sie, uns klipp und klar zu sagen, wodurch uns die Chance gegeben ist: durch den Vertrag mit Warschau. Sie sprechen die Hoffnung aus, daß wir in dieser Frage bald weitere Chancen und Möglichkeiten bekommen. Dann können Sie doch die Bundesregierung nur beglückwünschen, daß sie diesen Weg eingeschlagen hat, und sie auffordern, sehr rasch und zügig noch weitere solche Wege zu gehen, damit das erreicht wird, was Sie doch in der einen Nation hier wollen.

(Abg. Killat-von Coreth [zur CDU/CSU] : Sie wollen noch nicht einmal ratifizieren! Wie stellen Sie sich eine Verwirklichung vor? — Abg. Ott: Das sind doch Menschenrechte!)

Aber es kommen noch andere Probleme auf uns zu. Es kann nämlich auch so sein, daß der ehemals Selbständige aus Vertreibungsgebieten, der tatsächlich vertrieben wurde, der tatsächlich um seinen Besitz gekommen ist, in die DDR ausgewiesen wurde und dort als tatsächlich Vertriebener keinen Anspruch auf Unterhaltshilfe hat.

(Abg. Freiherr von Fircks: Weil Ulbricht es verhindert!)

— Sehen Sie, das sind die Dinge, die wir noch sehr durchdenken müssen. Deshalb habe ich gesagt, daß dieser Änderungsantrag noch recht, recht unausgereift ist.
Sie selbst, meine Damen und Herren von der Opposition, haben ja auch Ihre Bedenken aufgezeigt. Aber Sie haben dies nicht bis zu den Konsequenzen, bis zur praktischen Durchführbarkeit zu Ende gedacht. Wissen Sie, ob die Polen die eventuellen Leistungen der Bundesrepublik dem betroffenen Personenkreis auf die Eigenleistungen anrechnen werden oder nicht? Hätten nicht erst Verwaltungsvereinbarungen mit Polen getroffen werden müssen, bevor Gesetzesänderungen beantragt werden? Die bloße Formulierung: Beihilfen deren Höhe unter anderem auch danach festzulegen ist, welchen Umrechnungskurs der polnische Staat zubilligt und bis zu welchem Betrag der polnische Staat Anrechnung auf Mindestrenten begünstigt, dürfte nicht genügen.
Das allein sind in Ihrem Antrag zwei unübersehbare Unbekannte. Diese Formulierung verrät aber auch, daß die Höhe der erforderlichen tatsächlichen Gesamtmittel nicht überschaubar ist und auch gar nicht überschaubar sein kann. Darüber täuscht auch nicht die von Ihnen genannte Zahl von 100 Millionen DM hinweg. Woher nehmen Sie diese Zahl? Wie begründen Sie diese Zahl? Kennen Sie die Zahl der eventuell antragsberechtigten Personen, aus der der Bedarf in etwa errechnet werden könnte? Das dürfte die dritte Unbekannte sein.



Hofmann
Die vierte Unbekannte ist der Ausgleichsfonds, dem Sie die 100 Millionen DM entnehmen wollen. Wie hoch ist der Ausgleichsfonds? Reicht er aus bei der Fortführung der bereits beschlossenen Leistungen und deren Verbesserungen, oder ist bereits heute der Rand eines Difizits erkennbar? Sicher ist nur eines: Der Bundeshaushalt wird belastet, wenn der Ausgleichsfonds nicht ausreichen sollte. Das steht fest.
Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, daß der Gesetzentwurf präjudizierend wirken kann, und zwar zum einen auf andere Gebiete im übrigen Ausland — ich denke dabei etwa an die 1 1/2 Millionen Deutschen in Rußland , zum anderen aber auch auf andere Gesetze. Wäre es analog Ihrem Antrag nicht denkbar, daß Deutsche, die heute in Polen leben und Leistungen an die Reichsversicherungsanstalt erbracht haben, ebenfalls Renten beanspruchen könnten, sofern diese Menschen beabsichtigen, in Polen zu bleiben?

(Abg. Freiherr von Fircks: Wäre das fasch? — Abg. Killat-von Coreth: Natürlich ist das falsch!)

Das alles muß mit hereingebracht werden. Sie können nicht einfach von 100 Millionen DM sprechen, ohne das alles zu überlegen.
Ich denke ferner an die schwierigen Probleme der Vertriebenen in den USA, die keine Rente von der Bundesrepublik Deutschland erhalten, sofern sie nach 19d5 im Geltungsbereich des Grundgesetzes nicht einmal ihren ständigen Aufenthalt hatten, die z. B. ihren ständigen Aufenthaltsort in Österreich hatten und von dort in die USA oder nach Kanada auswanderten.
Aus allen diesen Gründen kann meiner Meinung nach dieser Antrag der CDU/CSU nicht isoliert betrachtet, sondern er muß im Gesamtrahmen unserer Sozialgesetzgebung gesehen werden. Ich glaube, da stehen wir noch vor ganz gewaltigen Aufgaben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610329600
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Kempten).

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0610329700
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach meiner Kenntnis waren nach der Vereinbarung im Ältestenrat zu diesem Tagesordnungspunkt an sich Erklärungen vorgesehen. Ich hatte an sich auch vor, für die FDP-Fraktion hier nur eine Erklärung abzugeben.

(Abg. van Delden: Tu's doch!)

Aber nachdem der Herr Kollege von Fircks, anstatt hier eine sicher berechtigte Erklärung zu einer sicher berechtigten Frage und deren Lösung abzugeben, versucht hat, seine Ausführungen gleich zu einer Art ostpolitischer Debatte umzufunktionieren, ist es, wie ich glaube, notwendig, einige Vorbemerkungen zu machen.
Eines hat Herr Kollege Hofmann schon einmal deutlich gemacht. Es ist wirklich etwas merkwürdig, wenn man am gleichen Tage bei gleicher Tagesordnung auf der einen Seite die Bundesregierung bittet, doch alles zu tun, um die Umsiedlungsmöglichkeiten im Rahmen des Vertrages, soweit das durchführbar ist, zu fördern und auf der anderen Seite in die Begründung eines Gesetzentwurfs hineinschreibt, es wollten sicher sehr viele drüben bleiben; das sollten sie auch tun, und man schicke ihnen das Geld über den Gesetzentwurf!

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.) Das ist doch wohl etwas merkwürdig.


(Zuruf von der SPD: Schizophrenie!)

Dann kommt man auch in irgendeiner Form zu der .Vermutung, daß es sich hier mehr um Optik als um die Sorge um eine materielle Lösung für diese Gruppen in Polen handelt.

(Zurufe von der SPD: Wo ist die überhaupt? — Das ist doch das größte Problem! Abg. Freiherr von Fircks: Eine ganz unzutreffende Behauptung!)

Die Behauptung ist keineswegs unzutreffend; denn das steht in Ihrer Begründung; ich könnte Ihnen das vorlesen, Herr Kollege Fircks, aber ich will mir die Zeit sparen.
Ein Zweites, und das möchte ich in meinen Vorbemerkungen begrüßen. Denn so, wie Sie diesen Antrag hier begründet haben und wie es in Ihren Texten steht, setzen Sie ja voraus, daß es notwendig ist, die vertraglichen Verhandlungen mit Polen noch weiterzuführen

(Abg. Killat-von Coreth: Zum Abschluß zu bringen!)

und daß es praktisch auch erforderlich ist, den Warschauer Vertrag in diesem Hause zu ratifizieren. Oder glauben Sie, daß Sie vorher vertragliche Möglichkeiten mit Polen bekommen, Renten nach deutschem Lastenausgleichsrecht oder anderen Rechtsbereichen in Polen auszuzahlen? Glauben Sie das vielleicht?

(Abg. Freiherr von Fircks: Nein! Richtig!)

— Bitte, wenn das so ist, dann freuen wir uns als Freie Demokraten darüber; dann wäre auch bei Ihnen persönlich ein Gesinnungswandel eingetreten, den wir sehr begrüßen.

(Abg. Schulte [Unna]: Nein, nein!)

Das muß dazu wohl gesagt werden. Denn wenn wir Ihrem Antrag in irgendeiner Form nähertreten und so eine Lösung dieser Frage erreichen wollen, setzt das einfach voraus, daß wir zu normalen völkerrechtlichen Beziehungen gelangen. Sie wissen sehr genau, Herr Kollege Fircks, daß es bei allen Bemühungen und Versuchen, im Rahmen des Bundesversorgungsgesetzes Kriegsopferrenten auch in Polen zu zahlen, bis heute noch nicht gelungen ist, daß der Bezieher in Polen die volle Rente in Höhe des Umrechnungskurses erhält, wie es normal wäre. Also müssen wir doch erst einmal zu ganz klaren vertraglichen Abmachungen kommen, um dieses Problem, das Sie heute auf den Tisch gelegt haben, zu lösen.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)




Schmidt (Kempten)

Es nützt den Betroffenen nicht viel — man macht dabei eigentlich nur etwas in Optik —, wenn wir hier ein Gesetz beschließen, dies alles zu tun und soundsoviel Mittel dafür aus dem Fonds zu nehmen, im Endeffekt aber nicht in der Lage sind, den Betroffenen, für die wir das Gesetz machen wollen, das Geld überhaupt zukommen zu lassen, weil entweder der Umrechnungskurs willkürlich festgesetzt wird oder Anrechnungen auf sonstige Leistungen in Polen erfolgen und dergleichen mehr. Da entsteht also ein riesiges Fragezeichen: Wie soll das, selbst wenn der gute Wille des Hauses vorhanden wäre, ohne Verträge und ohne entsprechende Abmachungen durchgesetzt werden?
Wir haben beim Versorgungsgesetz des Bundes Erfahrungen gemacht und machen sie noch. Eine gewisse Lösung haben wir zwar erreicht, zweifellos aber noch nicht den Endstatus. Vergessen Sie auch nicht den Unterschied, der bei denen besteht, die schon Renten aus dem Bundesversorgungsgesetz bekommen, und zwar in einem schlechteren Modus! Zum Teil handelt es sich um solche Anspruchsberechtigte, die als deutsche Soldaten gegen Polen gekämpft haben; man kann nicht erwarten, daß der polnische Staat ihnen Renten zahlt.
Ein Weiteres zur inhaltlichen Problematik. Auch das muß, glaube ich, gesehen werden, gerade von all denen, die im Lastenausgleichsrecht etwas Bescheid wissen. Bisher ist es nun einmal so, daß Entschädigungen, Leistungen, Unterhaltshilfen nur gezahlt werden können, wenn eine Schadensfeststellung vorhanden ist, auf Grund deren die entsprechenden Leistungen erst berechnet werden. Das ist, wenn wir diesem Antrag folgen wollen, natürlich nicht möglich, weil der Schaden — wie es in Ihrem Antrag begründet wird — zum Teil noch nicht eingetreten ist, sondern eines Tages erst eintreten könnte. Es ist also sehr schwierig, nach dem jetzigen Lastenausgleichsrecht den Weg zu gehen, den Sie vorschlagen.
Zudem geht es um die Frage der Fondsmittel. Sie waren doch selbst, Herr Kollege Fircks, bei der Sitzung des Kontrollausschusses zugegen, in der uns immerhin der Präsident zum jetzigen Zeitpunkt sagte, daß unter dem Strich 51 Millionen DM übrigblieben. Sie aber setzen hier 100 Millionen DM aus dem Fonds — vorläufig mit großem Fragezeichen — ein. Ich weiß zwar, daß mehr übrigbleiben wird, und ich teile Ihre Auffassung, daß die Schätzung nicht stimmt; aber die jetzige Zahl, von der wir ausgehen müssen, ist eine Restsumme von 51 Millionen DM, die sich aus den gegenwärtigen Vorausschätzungen ergibt. Und selbst wenn es 151 oder wenn es 300 Millionen sind, haben wir auf der anderen Seite — das wissen Sie auch, Herr Kollege Fircks — noch eine ganze Reihe von Heimatvertriebenen selbst in der Bundesrepublik, die aus Stichtagsgründen usw. noch nicht in den Genuß des Lastenausgleichs gekommen sind und die wir ja auch noch in diesen Genuß bringen müssen. Wie also diese Probleme so, wie Sie es vorgeschlagen haben, gelöst werden sollen, scheint mir eine große Frage zu sein.
Es erscheint mir auch problematisch, den § 10 Abs. 4 dahin gehend zu ändern, daß die Mittel, die bisher ja aus Steuermitteln genommen werden, dem Fonds entnommen werden. Ihr Vorschlag ist zwar sehr begrüßenswert, weil damit der Haushalt nicht belastet wird; aber das ist dann auch eine Systemveränderung. Ich weiß nicht, ob alle, die in diesen Fragen bewandert sind, da ganz Ihrer Auffassung folgen werden; denn früher, als beispielsweise für die Sowjetzonenflüchtlinge eine Milliarde aus dem Fonds genommen werden sollte, hat man sich immer sehr dagegen gewehrt, daß so etwas geschieht. Heute geht man den umgekehrten Weg, weil man hier einen Antrag auf den Tisch legen möchte, der, von außen betrachtet, vielleicht sehr schön aussieht, der aber sehr viele Probleme in sich birgt, Probleme, Herr Kollege Fircks, die ja auch in der Begründung deutlich geworden sind.
Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es notwendig sein wird, im zuständigen Ausschuß die Fragen, die hier schon kurz angesprochen worden sind, sehr eingehend zu diskutieren, weil es nur sinnvoll ist — sicher würde jeder sehr gerne all denen, die davon betroffen sind, helfen --, diesen Weg bis zum Ende, bis zu einer Hilfe zu beschreiten, wenn wir einmal die Möglichkeit haben, diese Hilfe jenen Personen auch zu geben und sie nicht bloß hier zu beschließen, und wenn wir zum zweiten die systematischen und sich daraus ergebenden anderen Rechtsfolgen im Bereich des Lastenausgleichs wirklich lösen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610329800
Wird das Wort noch gewünscht? Das ist nicht der Fall. Abweichend von den Vorschlägen des Ältestenrates wird interfraktionell vorgeschlagen, die Überweisung wie folgt vorzunehmen: federführend an den Innenausschuß, mitberatend an den Auswärtigen Ausschuß sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Wer mit dieser Überweisung einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen.
— Es ist so beschlossen.
Die Punkte 10 und 11 sind von der Tagesordnung abgesetzt.
Wir kommen zu den Punkten 12 bis 18 der Tagesordnung.
12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts
— Drucksache VI/ 1834 —
13. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Evers, Dr. Pohle, Dr. Schmidt (Wuppertal), Höcherl, Dr. Schneider (Nürnberg) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes
— Drucksache VI /1844 —
14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik



Vizepräsident Frau Funcke
Deutschland, Kanada und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Änderung des Abkommens vom 3. August 1959 über die Durchführung von Manövern und anderen Übungen im Raume Soltau—Lüneburg
— Drucksache VI /1864
15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Änderung vom 28. September 1970 der Satzung der Internationalen Atomenergie-Organisation
-- Drucksache VI /1870 16. Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Schaumweinsteuergesetzes
— Drucksache VI /1871 —Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Lohnstatistik
— Drucksache VI /1878 —Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Siebenten Bundesmietengesetzes
— Drucksache VI /1825 —
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Sie ersehen aus der Tagesordnung die Vorschläge des Ältestenrates zur Überweisung. Ist das Haus mit diesen Überweisungen einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit sind überwiesen:
der Gesetzentwurf Drucksache VI /1834 an den Verteidigungsausschuß - federführend - und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß, den Innenausschuß und den Haushaltsausschuß;
der Gesetzentwurf Drucksache VI/ 1844 an den Finanzausschuß - federführend und zur Mitberatung an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft;
der Gesetzentwurf Drucksache VI/ 1864 an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - sowie zur Mitberatung an den Innenausschuß und den Verteidigungsausschuß;
der Gesetzentwurf Drucksache VI /1870 an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — federführend — und den Auswärtigen Ausschuß — mitberatend —;
der Gesetzentwurf Drucksache VI/ 1871 an den Finanzausschuß - - federführend — und den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zur Mitberatung;
der Gesetzentwurf Drucksache VI /1878 an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend -- sowie zur Mitberatung an den innenausschuß und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten;
der Gesetzentwurf Drucksache VI /1825 an den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen — federführend — und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Abgeordneten Freiherr von Fircks und der Fraktion der CDU/CSU
betr. verbesserte Familienzusammenführung aus den Ostblockstaaten
-- Drucksache VI /1619 —
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß — federführend — und an den Innenausschuß zur Mitberatung. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (10. Ausschuß) über den Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik für das Jahr 1967 (Unfallverhütungsbericht 1967)
Drucksachen VI /183, VI /1775 — Berichterstatter: Abgeordneter Langebeck
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Abgeordnete Berding.

Franz Berding (CDU):
Rede ID: ID0610329900
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die CDU/ CSU-Fraktion habe ich diese Erklärung abzugeben.
Der Unfallverhütungsbericht 1967 beschränkt sich weitgehend auf die Wiedergabe von Ergebnissen, welche Unfallversicherungsträger und Arbeitsschutzbehörden aus dem Jahre 1967 mitgeteilt haben, und verzichtet auf eine eingehende eigene Berichterstattung.
Die im Unfallverhütungsbericht 1967 dargestellten Ergebnisse sind insoweit auch überholt, als ja bereits die Zahlen für die Jahre 1968 und 1969 sowie für das erste Halbjahr 1970 von den Versicherungsträgern veröffentlicht worden sind. Insoweit hat der Bericht nur historischen Wert.
Natürlich hat der Ausschuß in seinen Beratungen aus der Berichterstattung Konsequenzen gezogen.
In dem schriftlichen Ausschußbericht ist als Ergebnis der Ausschußberatungen insbesondere die Forderung nach ausgebildeten Sicherheitsingenieuren erhoben worden. Wir begrüßen die Einrichtung des Sicherheitsingenieurs in den Betrieben. Wir sind jedoch der Meinung, daß Unfallverhütung nicht schon durch gesetzliche Reglementierung bewirkt werden kann. Die Verhütung von möglichst vielen Unfällen am Arbeitsplatz wird nur dann möglich sein, wenn alle Beteiligten von der Notwendigkeit



Berding
intensiver Unfallverhütungsarbeit überzeugt werden.
Die dazu notwendigen Maßnahmen müssen jedoch auf die jeweiligen Verhältnisse des einzelnen Betriebes zugeschnitten sein. Nachhaltige Erfolge auf dem Gebiet der Sicherheit am Arbeitsplatz setzen voraus, daß alle Unfallverhütungsmaßnahmen in den allgemeinen Betriebsablauf systematisch eingeordnet und sinnvoll aufeinander abgestimmt werden. Gründliche Planung, zielstrebige Durchführung und gewissenhafte Überwachung sind erforderlich.
Sicherlich kann der Unternehmer diese Obliegenheiten im einzelnen vielfach nicht selbst wahrnehmen, sondern er muß je nach Größe des Betriebes geeignete Mitarbeiter damit beauftragen. Die Tätigkeit von hauptberuflichen Sicherheitsorganen kann nur dann zu einem erfolgreichen Wirken im Betrieb führen, wenn die zu Berufenden von ihrer Notwendigkeit und vom Wert ihrer Aufgabe auch innerlich überzeugt sind.
Sicherlich muß auch festgestellt werden, daß es schwer sein dürfte, für alle Branchen und Gefährdungsgrade gültige Merkmale in einem Gesetz festzulegen. Das kann nur von Betrieb zu Betrieb, von Unternehmen zu Unternehmen im Einzelfall unter Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse und der Gefahrensituation entschieden werden.
Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einstellung von Sicherheitsingenieuren wird im gegenwärtigen Zeitpunkt sicherlich auch dadurch fragwürdig werden, daß ausgebildete und qualifizierte Kräfte in ausreichender Zahl heute noch fehlen. Das gilt insbesondere für Betriebsärzte. Einer gesetzlichen Regelung für Betriebsärzte sollte deshalb nach unserer Meinung zur Zeit nicht nähergetreten werden, da der bisher im Gespräch befindliche Schlüssel bei weitem überzogen ist und wegen des eben bereits angedeuteten Mangels an Ärzten auch nicht erfüllt werden kann. Da außerdem eine Haftung des Betriebsarztes wie beim Sicherheitsingenieur nicht begründet werden soll, ist die schnelle Verabschiedung des Gesetzes insoweit auch nicht erforderlich.
Ich möchte jedoch noch einmal betonen, daß wir uns nicht gegen die Bestellung von Sicherheitsingenieuren wenden. Die Übertragung bestimmter Funktionen des Arbeitsschutzes auf hauptberufliche Fachkräfte kann unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen zweckmäßig und notwendig sein. Eine wirkungsvolle Arbeit eines Sicherheitsbeauftragten ist aber erst dann möglich, wenn solche Beauftragte sorgfältig ausgesucht und mit allen Erfordernissen des Arbeitsschutzes ausreichend vertraut gemacht worden sind. Nur aus der Tatsache des Vorhandenseins eines Sicherheitsbeauftragten ist die Sicherheit im Betrieb keineswegs garantiert.
Wie die für die Jahre 1968 und 1969 sowie für das erste Halbjahr 1970 vorliegenden Zahlen über Arbeitsunfälle zeigen, ist trotz der Einrichtung des Sicherheitsbeauftragten — im Jahre 1967 sollen es bereits 200 000 gewesen sein — nicht eine Senkung, sondern bedauerlicherweise wiederum eine Steigerung der Unfallzahlen seit 1967 zu verzeichnen. Die bloße Institutionalisierung genügt also nicht.
Nur durch intensive Sicherheitsbemühungen der Beriebe selbst, die die Unfallgefahren im Betrieb ja auch am besten kennen, sowie durch intensives Mittun der Beschäftigten wird es gelingen, die Zahl der Unfälle wieder rückläufig zu gestalten. Dabei muß sich die Stellung des Sicherheitsbeauftragten nach den jeweiligen Gegebenheiten der Betriebe richten. Insbesondere aber wird es erforderlich sein, die freiwilligen Maßnahmen der Betriebe zu unterstützen und auszubauen.
Ausdrücklich unterstützen wir die im Entschließungsantrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung geforderten Maßnahmen für die Unfallverhütung im häuslichen Bereich einschließlich der besseren Erfassung der häuslichen Unfälle und ihrer Ursachen.
Meine Damen und Herren, wir würden uns freuen, wenn unsere hier in aller Kürze vorgetragenen Erwägungen und in den Ausschußberatungen gegebenen Anregungen bei den zukünftigen Bemühungen um die Verbesserung des Unfallschutzes in allen Bereichen Berücksichtigung fänden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610330000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Langebeck.

Walter Langebeck (SPD):
Rede ID: ID0610330100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion gebe ich zum Unfallverhütungsbericht 1967 — Drucksache VI /183 folgende Erklärung ab.
Wir würdigen, daß dieser Unfallverhütungsbericht kürzer gefaßt ist als die Berichte der Vorjahre. Weil auf viele Einzel- und Sondererhebungen verzichtet worden ist, ist die Aussagekraft dieses Berichtes gegenüber den früheren Berichten selbstverständlich geringer. Dennoch gibt der Bericht einen allgemeinen Überblick über die Entwicklung des Unfallgeschehens, wenn man den Rückgang der Unfallzahlen des Jahres 1967 mit dem Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden in Beziehung setzt.
Das Ergebnis der Informationsreise des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung und das, was aus dem Unfallverhütungsbericht zu entnehmen ist, rechtfertigen den Entschließungsantrag des Ausschusses.
Danach wird die Bundesregierung erstens ersucht, dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf für Sicherheitsingenieure, Betriebsärzte und Sicherheitsbeauftragte vorzulegen. In Anknüpfung an die Ausführungen meines Vorredners weise ich darauf hin, daß Nr. 1 des Entwurfs des Entschließungsantrages im Ausschuß bei nur einer Stimmenthaltung im übrigen einstimmig angenommen wurde.
Die Bundesregierung wird zweitens ersucht, die neue Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung so auszubauen, daß die Aus- und Fortbildung der Sicherheitsfachkräfte auf den höchsten Stand gebracht wird. Damit wird auch das erreicht,



Langebeck
was mein Vorredner hier verlangt hat. Er sagte ja, es fehle an Fachkräften. Die Bundesanstalt soll gerade der Aus- und Fortbildung von Fachkräften dienen.
Drittens wird die Bundesregierung ersucht, eine bessere Erfassung der häuslichen Unfälle zu ermöglichen und die Maßnahmen für die Unfallverhütung im häuslichen Bereich zu intensivieren.
Viertens sollen gewisse Schwerpunkte der Unfallverhütung aufgezeigt werden. Dabei sollen das Unfallgeschehen und der Stand der Unfallverhütung getrennt nach Wirtschaftsbereichen erkennbar werden. Das Unfallgeschehen im Verkehr soll mit Unterstützung der Unfallversicherungsträger dargestellt werden, damit •der Gesetzgeber etwaige Malinahmen veranlassen kann.
Für meine Fraktion möchte ich noch folgendes sagen. Auch wenn der Ausschuß keinen Termin für die Vorlage eines Gesetzentwurfes für Sicherheitsingenieure, Betriebsärzte und Sicherheitsbeauftragte gesetzt hat, nehmen wir heute Gelegenheit, die Bundesregierung zu ermuntern, die Vorarbeiten für einen solchen Gesetzentwurf zu intensivieren, damit der technische und gesundheitliche Schutz in Form eines 'Rahmengesetzes eine feste Grundlage bekommt. Alles, was jetzt und künftig auf dem Gebiet der Unfallverhütung geschieht, soll das Leben des Menschen am Arbeitsplatz schützen, cien Menschen gesund erhalten und Wunden verhüten. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird dem Entschließungsantrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ihre Zustimmung geben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610330200
Das Wort hat der Abgeordnete Geldner.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0610330300
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten gebe ich zum Unfallverhütungsbericht folgende Erklärung ab.
Der Unfallverhütungsbericht 1967 weist eine bemerkenswerte Entwicklung auf. Die Zunahme der Zahl der Schulungskurse und der Zahl der geschulten Personen wie auch der ehrenamtlichen Sicherheitsbeauftragten in den Betrieben und Verwaltungen hat den Rückgang der Zahl der Unfälle in positiver Weise beeinflußt. Selbst wenn man für das Jahr 1967 berücksichtigt, daß die Zahl der Beschäftigten rückläufig war, läßt die gesamte Entwicklung doch erkennen, wie wichtig die verschiedensten Maßnahmen zur Unfallverhütung sind.
Die Informationsreise des Ausschusses sollte einen Eindruck vermitteln, in welchem Umfang sich die Vorschriften des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes in den verschiedensten Wirtschaftsbereichen und Betriebsgrößen auswirken. Gerade die Einsicht in die Praxis und die entsprechenden Diskussionen haben jedoch gezeigt, wo gewisse Grenzen der Beeinflussung des Unfallgeschehens durch außer- oder innerbetriebliche Aufsicht liegen und wo die bisherige Praxis ergänzt und verbessert werden sollte. Im Schriftlichen Bericht des Ausschusses sind diese Probleme im einzelnen dargestellt.
Auffallend ist die Entwicklung des Unfallgeschehens in den landwirtschaftlichen Betrieben im Berichtszeitraum. Während sowohl bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften als auch in der eigenen Unfallversicherung die Tendenz rückläufig war, hatten wir in der Landwirtschaft eine Zunahme. Das dürfte seinen Grund nicht zuletzt in den überaus schweren Arbeitsbedingungen der Landwirtschaft haben.
Der Ausschuß empfiehlt, in künftigen Berichten Schwerpunkte der Unfallverhütungsarbeit aufzuzeigen. Aus einer solchen differenzierten Darstellung sind dann unter Umständen bessere Rückschlüsse auf entsprechende Ansätze der Unfallverhütung in den jeweiligen Bereichen möglich.
Zweifellos spielt das Bewußtsein jedes einzelnen über die möglichen gesundheitlichen und sonstigen Folgen von Unfällen im Hinblick auf die Beachtung der Sicherheitsvorschriften eine Rolle. Wenn man sich die genannte Zahl von rund 150 Millionen durch meldepflichtige Arbeitsunfälle im engen Sinne ausgefallenen Arbeitsstunden sowie eine Gesamtbelastung von rund 3,8 Milliarden DM für 1967 aus alten und neuen Unfällen vor Augen führt, dann wird deutlich, daß die Unfälle nicht nur ein menschliches Problem für jeden einzelnen und seine Familie darstellen, sondern daß auch entsprechende
• finanzielle und wirtschaftliche Konsequenzen zu ziehen sind.
Mehr Einsatz in der Unfallverhütung ist daher
• kein Zeichen gesetzesperfektionistischen Übermuts, sondern ein Zeichen menschlichen und ökonomischen Verhaltens.
Der Ausschuß hat daher einige Vorschläge unterbreitet, durch deren Verwirklichung die bisherige Unfallverhütung in einer sinnvollen Weise ergänzt und verbessert werden soll. Auch hier wird es darauf ankommen, daß nicht nur durch neue Gesetze, neue Institutionen und sonstige Vorschriften Zusätzliches geschaffen wird, sondern daß auch alle Beteiligten aus entsprechender Einsicht das Ihre zu einem bestmöglichen Erfolg beitragen.
Die Fraktion der Freien Demokraten stimmt dem Antrag des Ausschusses zu.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0610330400
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist. nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Zunächst stimmen wir über den Antrag des Ausschusses ab, den Unfallverhütungsbericht zur Kenntnis zu nehmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. -- Gegenprobe! Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Wir haben weiter fiber den Entschließungsantrag des Ausschusses abzustimmen. Wer ihm die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? --- Es ist so beschlossen.



Vizepräsident Frau Funcke
Wir kommen zu Punkt 21 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (12. Ausschuß) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine
Richtlinie über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten der Hebamme
Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise der Hebamme
Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften für die Aufnahme
und Ausübung der selbständigen Tätigkeiten der Hebamme
— Drucksachen VI /296, VI/ 1811 —Berichterstatter: Abgeordnete Frau Stommel
Wünscht die Berichterstatterin das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wünscht sonst jemand das Wort? -- Auch das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag auf Drucksache VI/ 18l 1 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe das Haus auf Donnerstag, den 4. März, 14 Uhr, für eine Fragestunde ein.
Die Sitzung ist geschlossen.