Protokoll:
6048

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 48

  • date_rangeDatum: 29. April 1970

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 11:08 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 48. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. April 1970 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Lemmer 2415 A Eintritt des Abg. Hein in den Bundestag 2415 A Absetzung von Tagesordnungspunkten . 2415 B Amtliche Mitteilungen 2415 B, C Fragestunde (Drucksachen VI/688, VI/694) Dr. Schmid, Vizepräsident (zur GO) . 2415 D Fragen der Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern), Dr. Kliesing (Honnef), Dr. Gradl und von Eckardt: Brief des Bundeskanzlers an den 1. Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei Brandt, Bundeskanzler . 2416 A, B, C, D, 2417 A, B, C, D, 2418 A, B, C, 2419A, B, C, D, 2420 A, B, C, D, 2421 B, C, D, 2422 A, B, C, D, 2423 A, C, D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) . . . . 2416 A, B, 2418B, 2421 A, B, 2422 A, 2423 B, C Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) . . 2416C, 2420 D, 2422 A Dr. Barzel (CDU/CSU) . . 2416 D, 2419 A, 2422 D Baron von Wrangel (CDU/CSU) . . 2417 A, 2418 C, 2422 C Dr. Kraske (CDU/CSU) . 2417 A, 2418 A, 2420 B, C Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) 2417 C, D, 2421 C Raffert (SPD) . . . . . . . . . 2418 A Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . . . 2418 B Dr Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2418 D Dr. Schmid, Vizepräsident . . . 2419 A, C, 2421 A, B Schulte (Unna) (SPD) . . . . . . 2419 A Mattick (SPD) . . . . . . . . . 2419 B Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . . 2419 C Dr. Gradl (CDU/CSU) . . . . . 2420 A Frau Renger (SPD) 2420 C von Eckardt (CDU/CSU) . . . . 2421 D Dr. Wörner (CDU/CSU) . . . . 2422 C Wienand (SPD) . . . . . . . 2423 D II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 48. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1970 Fragen des Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Stellungnahme der deutschen Delegation zur Oder-Neiße-Linie bei den Gesprächen in Warschau — Berücksichtigung humanitärer Probleme Scheel, Bundesminister 2424 A, 2425 A, B, C, D, 2426 A, B, D, 2427 A, B, C, D, 2428 A Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 2424 D, 2425 A, B, C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU): . 2425 C, D Dr. Barzel (CDU/CSU) . . 2425 D, 2426 A, 2427 D Wienand (SPD) 2426 B, C Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 2426 D Dr. von Bismarck (CDU/CSU) . 2427 A, B Kiep (CDU/CSU) . . . . . . . 2427 B Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . . 2427 C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 2428 A Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (Drucksache VI/504) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache VI/669) — Zweite und dritte Beratung — . . . 2428 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. Juli 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweier/Lauterburg (Drucksache VI/309) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/636), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (Drucksache VI/633) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — . . . 2428 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Revisionsprotokoll vom 9. Juni 1969 zu dem am 21. Juli 1959 in Paris unterzeichneten Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (Drucksache VI/503) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache VI/668) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — . . . . . . . 2428 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Schlachtgewichtsstatistik (Drucksache V1/566); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache VI/689) — Zweite und dritte Beratung — 2429 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt (Drucksache VI/674) — Erste Beratung — 2429 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 118 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1962 über die Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern in der Sozialen Sicherheit (Drucksache VI/650) — Erste Beratung — 2429 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes (Bundesrat) (Drucksache VI/670) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (Abg. Vogel und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/665) — Erste Beratung — Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) . 2429 C Dr. de With (SPD) . . . . . . . 2430 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 2431 A, 2434 C Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . 2431 D Dr. Beermann (SPD) . . . . . . 2433 B Dr. Schmid, Vizepräsident . . . . 2436 A Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 2436 A Entwurf eines Umstellungsschlußgesetzes (Drucksache VI/673 — Erste Beratung — 2436 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit über den Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Kaseine und Kaseinate (Drucksachen VI/285, VI/679) 2436 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit über den Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Mayonnaise, Soßen auf Grund von Mayonnaise und andere emulgierte Gewürzsoßen (Drucksachen VI/286, VI/678) 2437 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit über die Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für Richtlinien Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 48. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1970 III des Rates zur Festsetzung der Einzelheiten der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des Krankenpflegers für die allgemeine Pflege (Drucksachen VI/73, VI/644) 2437 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Vorschläge der EWG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse hinsichtlich der Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 986/68 hinsichtlich der Beihilfen für Magermilch für Futterzwecke Verordnung (EWG) des Rates zur Ergänzung der Verordnung (EWG) Nr. 2599/69 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Äpfel Verordnung (EWG) des Rates betreffend den Rückgriff auf bestimmte Verwendungsarten für Apfelsinen, die Gegenstand von Interventionen waren Verordnung (EWG) das .Rates zur Änderung der Prämienregelung für die Schlachtung von Kühen Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 823/68 zur Festlegung der Erzeugnisgruppen und der besonderen Vorschriften für die Berechnung der Abschöpfungen für Milch und Milcherzeugnisse hinsichtlich bestimmter Käsesorten (Drucksachen VI/443, VI/444, VI/493, VI/494, VI/570, VI/583, VI/647) 2437 B Mündlicher Bericht des Innenausschusses über den Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 422/67/EWG, Nr. 5/67/EURATOM des Rates vom 25. Juli 1967 über die Regelung der Amtsbezüge für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des Gerichtshofes (Drucksachen VI/568, VI/680) 2437 B Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft über den Vorschlag der EWG-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1541 und 1542/69 des Rates über die Einfuhr von Zitrusfrüchten aus Spanien und Israel (Drucksachen VI/317, VI/677) 2437 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung (einschließlich der Bundesvermögensrechnung) für das Haushaltsjahr 1967 (Drucksache VI/667) 2437 D Ubersicht 4 des Rechtsausschusses über die dem Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht Drucksache VI/671) . . . . . . . . 2437 D Nächste Sitzung 2438 Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2439 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Funcke betr. Einbruchdiebstähle in Juwelier- und Pelzgeschäften 2439 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Breidbach betr. Aktientransaktion zwischen den Verlagshäusern Bertelsmann und Springer . . . . . . 2439 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des .Abg. Wagner (Günzburg) betr. die Broschüre „ERP-Kredite für die deutsche Wirtschaft" 2439 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 48. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1970 2415 48. Sitzung Bonn, den 29. April 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Behrend * 30. 4. Berlin 4. 5. Dr. Birrenbach 8. 5. Dr. Brand (Pinneberg) 1. 5. Dröscher * 30. 4. Flämig * 29. 4. Frau Geisendörfer 30. 4. Gerlach (Emsland) * 30. 4. Gottesleben 8. 5. Dr. Häfele 1. 5. Dr. Hein * 29. 4. Dr. Hermesdorf (Schleiden) 29. 4. Dr. Jahn (Braunschweig) * 30. 4. Dr. Koch * 29. 4. Köppler 30. 4. Kriedemann * 30. 4. Lange * 30. 4. Lautenschlager * 30. 4. Dr Löhr * 29. 4. Meister * 30. 4. Memmel * 30. 4. Müller (Remscheid) 30. 4. Dr. Pohle 3. 5. Richarts * 29. 4. Schneider (Königswinter) 3. 5. Sieglerschmidt 29. 4. Dr. Starke (Franken) 30. 4. Dr. Stoltenberg 29. 4. b) Urlaubsanträge Dr. Schulz (Berlin) 8. 5. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 24. April 1970 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Funcke (Drucksache VI/635 Frage A 39) : Trifft es zu, daß seit Bestehen der Preisauszeichnungspflicht für hochwertige Güter auf Grund der Preisauszeichnungsverordnung vom 18. September 1969 (BGBl. I S. 1733) die Zahl der Einbrüche in Geschäfte mit hochwertigen Gütern, insbesondere mit Juwelier- und Pelzwaren sich erhöht hat und Versicherungsgesellschaften ihre Diebstahlversicherung für hochwertige Güter gekündigt oder die Prämie erhöht haben? Nein, dies trifft nicht zu. Nach Auskunft des Bundeskriminalamtes halten sich die Einbruchdiebstähle in Juwelier- und Pelzgeschäften im Rahmen des leider Gewöhnlichen. Es gibt keine Hinweise, daß Juweliergeschäfte mit Anlagen zum Stenographischen Bericht sichtbarer Preisauszeichnung durch Einbruchs- oder Trickdiebstähle sowie Raubüberfälle besonders gefährdet sind. Über Kündigungen oder Prämienerhöhungen in der Einbruchdiebstahlversicherung für hochwertige Güter als Folge der Preisauszeichnungspflicht ist der Bundesregierung nichts bekannt. Auch der Verband der Sachversicherer hält es für unwahrscheinlich, daß Kündigungen oder Prämienerhöhungen schon jetzt mit der Einführung der Preisauszeichnungspflicht begründet werden, da es erfahrungsgemäß geraume Zeit dauert, bis sich derartige Ursachen, soweit sie sich isoliert überhaupt statistisch erfassen lassen, auf die Prämien auswirken. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 24. April 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Breidbach (Drucksache VI/635 Fragen A40 und 41): Ist es zutreffend, daß im Zuge der Gespräche zwischen den Verlagshäusern Bertelsmann und Springer über den Verkauf von Aktien des Axel Springer Verlages das Bundeswirtschaftsministerium oder ein anderes Bundesministerium beratende Funktionen auf dem Gebiet der Steuerverrechnung oder Steuererleichterung ausgeübt hat, hauptsächlich in der Annahme, der Hamburger Verleger werde nicht nur ein Drittel, sondern bis zu 74 V. seiner Anteile veräußern und somit seine starke Position im Pressebereich aufgeben? Ist es zutreffend, daß im Rahmen der Verkaufsverhandlungen Gespräche zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium oder einem anderen Bundesministerium und der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen stattgefunden haben mit dem Ziel, die unter der Aufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen stehende Westdeutsche Landesbank an der Transaktion zu beteiligen und diese in der Hoffnung ,auf einen Verkaufsanteil von bis zu 74 % zu unterstützen? Die Frage ist zu verneinen. Das Bundeswirtschaftsministerium oder ein anderes Bundesministerium hat zu keiner Zeit beratende Funktionen steuerlicher oder anderer Art im Zusammenhang mit der Anteilstransaktion zwischen den beiden Verlagshäusern ausgeübt. Die zweite Frage ist ebenfalls zu verneinen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 24. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (Drucksache VI/635 Frage A 42) : Beabsichtigt die Bundesregierung, die in den vergangenen Jahren aufgelegte Broschüre „ERP-Kredite für die deutsche Wirtschaft" auch für das Jahr 1970 zu erstellen? Die Bundesregierung beabsichtigt, die Broschüre „ERP-Kredite für die deutsche Wirtschaft" nach Verabschiedung des ERP-Wirtschaftsplans durch Bundestag und Bundesrat der Öffentlichkeit zu übergeben.
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604800000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich einiges 'bekanntzugeben.
Am 28. April dieses Jahres hat Herr Kollege Lemmer seinen 72. Geburtstag gefeiert. Ihm gelten die besonderen Glückwünsche des ganzen Hauses.

(Beifall.)

Für den verstorbenen Abgeordneten Burgemeister ist am 27. April der Abgeordnete Hein in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße ihn und wünsche ihm eine gute und erfolgreiche Arbeit in unserer Mitte.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sollen die Punkte 10 und 11 der heutigen Tagesordnung abgesetzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen hat am 20. April 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Dr. Hauser (Sasbach), Dr. Riedl (München), Geisenhofer und Genossen betr. Sicherung des Kundengeldes bei Betreuungsbauten — Drucksache VI/404 beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/683 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates
zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Italien dienstlich verwendet werden
zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden
— Drucksache VI/651 —
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die Erzeugung von und Verkehr mit Bruteiern und Küken von Hausgeflügel
— Drucksache VI/660 — überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten des Güterkraftverkehrs
Richtlinie des Rates zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten der Personenbeförderung im Straßenverkehr
Richtlinie des Rates zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten der Güter- und Personenbeförderung auf Binnenwasserstraßen
— Drucksache VI/672 —
überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksache VI/688 —
Einige Mitglieder dieses Hauses haben Dringlichkeitsfragen vorgelegt. Die Dringlichkeit ist vom Herrn Präsidenten bestätigt worden. Es handelt sich um Fragen, die sich — mit einer Ausnahme — um ein begrenztes Thema bewegen. Der innere Zusammenhang der Fragen könnte in die Versuchung führen, die Fragestunde in eine Debattestunde zu verwandeln. Ich werde das nicht zulassen. Es wird gefragt, wie es die Geschäftsordnung vorsieht, und geantwortet, wie es die Geschäftsordnung vorsieht.

(Abg. Dr. Barzel: Wir haben keine andere Absicht, Herr Präsident!)

Man kann nachher eine Aktuelle Stunde anhängen, wenn es gewünscht wird. Zu dieser Stunde werde ich keine Dialoge zulassen.

(Abg. Dr. Barzel: Wir danken für die Belehrung!)

— Das war kein Versuch, Sie zu belehren. Ihre Kenntnis der Geschäftsordnung habe ich immer bewundert, auch dort, wo sie im Stillschweigen manifest wurde; sie war immer sichtbar und erkennbar. Klarstellungen sind nicht immer Belehrungsversuche. Aber dem Präsidenten steht es manchmal an, aus Erfahrungen, die er gemacht hat, gewisse Konsequenzen zu ziehen und vorzubeugen. Sie werden damit einverstanden sein.



Vizepräsident Dr. Schmid

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604800100

Aus welchem Grund hat der Bundeskanzler den Bundesaußenminister nicht von dem Brief informiert, den er als Bundeskanzler und als Vorsitzender der SPD durch Staatssekretär Duckwitz dem 1. Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei geschickt hat?
Bitte, Herr Bundeskanzler!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604800200
Herr Abgeordneter, die Information ist aus einem technischen Versehen, das mir leid tut, unterblieben. Der Bundesminister des Auswärtigen ist weder wissentlich noch willentlich uninformiert gelassen worden. Zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen und mir ist seither sichergestellt worden, daß sich eine derartige Unzulänglichkeit nicht wiederholen kann.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604800300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604800400
Herr Bundeskanzler, trifft es zu, daß der Herr Außenminister, wie er dies jetzt öffentlich mitgeteilt hat, bei einigen Vorbesprechungen um einen solchen Brief anwesend war, daß er aber bei diesem Brief selbst weder mitgewirkt noch den Zeitpunkt der Abschickung als günstig und zweckmäßig angesehen hat?
Brandt: Bundeskanzler: Sie hatten nach der Information gefragt, Herr Abgeordneter. Das Thema Ihrer Frage ist in einer weiteren mir vorliegenden Frage enthalten. Aber warum soll man das nicht jetzt schon vorwegnehmen? Ich kann nur sagen, daß meine Entscheidung — ich würde das sonst nachher sagen — darüber, einen solchen Brief zu schreiben, am Montag, dem 20. April, gefallen ist. An diesem Tage war der Kollege Scheel nicht in Bonn.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604800500
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604800600
Herr Bundeskanzler, können Sie hier verbindlich erklären, daß sich ähnliche Vorgänge bei der Vorbereitung anderer Gespräche oder bei der Durchführung anderer Gespräche — ich nenne z. B. die in Moskau — nicht ereignet haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604800700
Nein.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604800800
Ich hatte gefragt: können Sie es verbindlich erklären? Sie sagen nein.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604800900
Es gibt hierzu keine Parallele.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604801000
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten von Guttenberg.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0604801100
Herr Bundeskanzler, halten Sie es nicht für unerläßlich, daß der Herr Außenminister nicht nur über die Tatsache informiert wird, daß Sie beabsichtigen, einen solchen Brief zu schicken, sondern daß er bei der Abfassung dieses Briefes und seiner Formulierung beteiligt wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604801200
Hierzu darf ich zunächst einmal sagen, Herr Abgeordneter, Herr Präsident, daß dies gleichfalls ein Thema berührt, das in einer besonderen Frage enthalten ist. Aber warum soll ich nicht auch hier schon vorgreifen, anschließend an eine Frage, die sich auf etwas anderes bezieht? Ganz gewiß bedarf jede außenpolitische Aktion der Abstimmung, auch wenn es eine bescheidene oder eine der Unterstützung eines Vorhabens dienende Aktion ist. Im konkreten Fall ging es aus meiner Sicht überhaupt nicht um eine sachliche Abstimmung, weil der Außenminister und ich im Inhalt der Politik übereinstimmen. Die Form, das Methodische und der Zeitpunkt sind, wie gesagt, von mir an diesem Montag entschieden worden, bevor der Staatssekretär am nächsten Morgen relativ früh gefahren ist. Ich habe gesagt, es tut mir leid, daß die Unterrichtung und die Abstimmung an jenem Tage unterblieben ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604801300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0604801400
-Herr Bundeskanzler, bedauern Sie auch, daß es nicht nur hinterher keine Unterrichtung gegeben hat, wie Sie eben schon zum zweiten Mal sagten, sondern daß es vorher keine Absprache mit dem Herrn Außenminister gegeben hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604801500
Diese Zusatzfrage verstehe ich nicht. Ich sage, daß ich an jenem Montag, als der Außenminister nicht hier war, entschieden habe, einen solchen Brief zu schreiben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604801600
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0604801700
Darf ich also daraus entnehmen, daß Sie solche Entscheidungen treffen, ohne vorher mit dem Außenminister zu sprechen?

(Oh-Rufe bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604801800
Ich habe gesagt, es wird Vorsorge getroffen, daß wenn der eine nicht da ist, der andere gleichwohl versucht, ihn zu erreichen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604801900
Ich habe Zweifel, ob Fragen solchen hypothetischen Charakters Fragen im Sinne der Geschäftsordnung sind.
Herr Abgeordneter von Wrangel.




Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0604802000
Herr Bundeskanzler, welches sind die psychologischen und politischen Gründe für die doppelte Absenderangabe, also auch die Angabe „SPD-Parteivorsitzender"?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604802100
Herr Präsident, ich weiß, daß es mir nicht zusteht, Gegenfragen zu stellen. Aber ich weiß nicht recht, welchen Sinn es hat, wenn eine Serie von Fragen vorliegt und dann in Zusatzfragen zur ersten die Themen aller weiteren Fragen enthalten sind.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604802200
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kraske.

Dr. Konrad Kraske (CDU):
Rede ID: ID0604802300
Herr Bundeskanzler, be-bedeutet die in den Nachrichten des Presseamtes verbreitete Erklärung von Botschafter Böx, ein Brief von Ihnen an Herrn Gomulka existiere nicht, weder er noch Herr Duckwitz kennten ihn, daß Herr Duckwitz nicht nur seinen Minister, sondern auch seinen wichtigsten Mitarbeiter in Warschau über diesen Brief nicht unterrichtet habe?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604802400
Ich vermute, daß die Frage an Herrn Böx gelautet hat, ob ein Brief des Bundeskanzlers an Herrn Gomulka überreicht worden sei. Diese Frage hat Herr Böx zu jenem Zeitpunkt zu Recht mit Nein beantwortet.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604802500
Keine Zusatzfrage mehr.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0604802600

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die vom Pressesprecher der Bundesregierung am 27. April 1970 mitgeteilte Tatsache, W. Brandt habe seinen Brief an W. Gomulka in seinen Eigenschaften als Bundeskanzler und als Vorsitzender der SPD geschrieben und daß dieser Brief vom Staatssekretär des Auswärtigen Amtes übergeben wurde, eine unzulässige Vermischung von Partei und Staat bedeute?
Bitte, Herr Bundeskanzler!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604802700
Herr Abgeordneter, eine unzulässige Vermischung von Partei und Staat liegt hier nicht vor. Sie hat übrigens auch nicht vorgelegen, als frühere Bundeskanzler, die ebenfalls Parteivorsitzende waren, Schreiben an ausländische Empfänger — einschließlich kommunistischer Parteivorsitzender — richteten.
Im konkreten Fall handelt es sich bekanntlich darum, daß Herr Gomulka in einer Rede vom 17. Mai 1969 zu Ausführungen Stellung genommen hatte, die ich ein gutes Jahr vorher, im Frühjahr 1968, als Vorsitzender der SPD auf dem sozialdemokratischen Parteitag in Nürnberg gemacht hatte.
Unbeschadet dieses besonderen Hintergrundes — Bezugnahme auf eine Rede auf einem deutschen Parteitag durch den Chef der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei — ist in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969, die ja dem Haus bekannt ist, die Rede erwähnt, und zwar unter Nennung Herrn Gomulkas, obwohl wir auch damals wußten, daß er ein Staatsamt in unserem Sinne des Wortes nicht bekleidet.
Da diese Rede fast ein Jahr zurückliegt, hielt ich es für ratsam, mich an Herrn Gomulka zu wenden und ihm zu sagen, daß wir es mit dem Wunsch nach einem Ausgleich und nach einer sachlichen Regelung ganz ernst meinen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604802800
Eine Zusatzfrage.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0604802900
Herr Bundeskanzler, wenn Sie, wie nun festzustehen scheint, diesen Brief in doppelter Eigenschaft geschrieben haben, wie kommt es denn, daß am Freitagnachmittag lediglich die Information gegeben wurde, Sie hätten diesen Brief nur in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender der SPD geschrieben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604803000
Das kann ich mir auch nicht erklären. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht da und habe eine solche Information nicht veranlaßt.

(Abg. Rasner: Eine Panne mehr! — Abg. Dr. Barzel: Noch 'ne Panne! — Abg. Rasner: Pannenkanzler!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604803100
Die zweite Zusatzfrage.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0604803200
Herr Bundeskanzler, wäre es nicht in jedem Fall unmißverständlicher gewesen, wenn Sie bei dieser Kontaktaufnahme mit dem Führer der polnischen Kommunistischen Partei in Ihrer Eigenschaft als Parteivorsitzender sich einer ähnlichen Mittelsperson bedient hätten wie bei dem Besuch des Bundesgeschäftsführers der SPD beim Zentralkomitee der ungarischen Kommunistischen Partei im Februar dieses Jahres?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604803300
Ich will durchaus zugeben, Herr Kollege, daß man das von Fall zu Fall prüft. Ich darf aber darauf hinweisen, daß es zu der Zeit, als ich Außenminister war, Fälle gegeben hat, in denen es völlig unumstritten war, daß auch ein Mitglied der Regierung, in welcher zusätzlichen Eigenschaft sonst auch immer, sich — ich nehme den Vergleichsfall — an den damaligen Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei Rumäniens wenden konnte. Dieser war damals noch nicht Staatspräsident seines Landes, was er heute ist, was aber seinem Einfluß im Lande — ich trete ihm damit sicher nicht zu nahe — nicht besonders viel hinzugefügt hat gegenüber der Stellung, die er auch zuvor schon gehabt 'hat.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Aber das war im Kabinett klar!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604803400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.




Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0604803500
Herr Bundeskanzler, ist der Vorgang, über den wir hier sprechen, in Ihren Augen ein ungewöhnlicher, nämlich die Tatsache, daß sich ein Bundeskanzler gleichzeitig in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender an einen ausländischen Empfänger mit einem Brief wendet?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604803600
Ich kenne keinen Vorgang aus den vergangenen Jahren, in dem eine solche Bezugnahme eines anderen Bundeskanzlers, der auch Parteivorsitzender war, gegenüber irgendeinem östlichen führenden Politiker erfolgt ist. Aber in einer anderen Himmelsrichtung hat es das sicher im Laufe der Jahre auch gegeben.

(Abg. Dr. Barzel: Der Brief ist dann erst dementiert worden; darum geht es doch!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604803700
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kraske.

Dr. Konrad Kraske (CDU):
Rede ID: ID0604803800
Herr Bundeskanzler, würden Sie mir erlauben, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß die Frage an Botschafter Böx in dem offiziell vom Presseamt herausgegebenen „Nachrichtenspiegel" nicht lautete, ob der Bundeskanzler einen Brief habe übergeben lassen, sondern „ob es einen Brief von Brandt an Gomulka" — so wörtlich abgedruckt — gebe.

(Abg. Dr. Barzel: Das wurde bestritten!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604803900
Das ist mir nicht bekannt.

(Abg. Dr. Barzel: Das ist doch der ganze Punkt! Es wird erst bestritten und dann mitgeteilt!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604804000
Herr Abgeordneter Marx, eine Zusatzfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604804100
Herr Bundeskanzler, da Sie soeben auf Ihre frühere Eigenschaft als Außenminister und Ihre Gespräche mit Herrn Ceaucescu hingewiesen haben, darf ich Sie fragen: Sind Sie nicht der Meinung, daß die Verhältnisse damals im Kabinett völlig offenlagen und es keine Verwischung der Tatsachen gab? Erinnern Sie sich nicht daran, daß Sie in Ihrem „Spiegel"- Interview vom 15. September des vergangenen Jahres für sich, falls Sie wieder Außenminister werden würden, ein hohes Maß an Selbständigkeit verlangt haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604804200
Ich vermag nicht einzusehen, welchen Zusammenhang diese Zusatzfrage mit der von Herrn Kollegen Kliesing gestellten Frage hat.

(Beifall bei der SPD. — Oh-Rufe bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Das war dünn!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604804300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0604804400
Herr Bundeskanzler, können Sie bestätigen, daß der erst am 20. April auch vom Parteivorsitzenden der SPD abgefaßte Brief keine sachlichen Aussagen enthielt, 'die über das hinausgingen, was vorher zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundeskanzleramt als Weisungsrahmen für die deutschen Vertreter festgelegt oder vorgesehen war, bzw. ob dieser Brief den Entscheidungsrahmen neu und wesentlich beeinflußt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604804500
Ich kann voll bestätigen, daß der Brief in seinem sachlichen Gehalt — er wird im übrigen, wenn der Wunsch besteht, den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses zur Kenntnis gebracht — hinter dem zurückbleibt, was dem Delegationsleiter vorzutragen aufgegeben war.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604804600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Wrangel.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0604804700
Herr Bundeskanzler, Sie haben in diesem Hause wiederholt von mehr Demokratie und mehr politischer Transparenz gesprochen. Entspricht das ganze Hin und Her dieses Vorgangs Ihren Vorstellungen von politischer Transparenz in diesem Hause?

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Apel: Das hat doch nichts mehr mit der Frage zu tun!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604804800
Die Frage kann nicht so ernst gemeint sein, wie sie gestellt worden ist,

(Abg. Dr. Apel: Sie muß doch etwas mit der eigentlichen Frage zu tun haben!)

nachdem ich vorhin erklärt habe, daß ich die Unzulänglichkeiten in diesem Fall bedaure. Angesichtsdieser meiner Antwort kann man doch nicht unterstellen, ich hielte das für ein Illustrationsbeispiel in bezug auf demokratische Transparenz.
Ich füge aber ebenso deutlich hinzu: Kein Bundeskanzler, wie immer man diesen Vorgang, so wie er gelaufen ist, beurteilt, kann im Grundsatz auf die Möglichkeit verzichten, auch Briefe zu schreiben, von denen aus Gründen der Staatsräson öffentlich nicht Kenntnis gegeben wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU. Das ist nicht unser Problem!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604804900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0604805000
Herr Bundeskanzler, da Sie soeben selbst Ihre Verhandlungen als Außenminister mit den Rumänen erwähnt haben und es bei dieser Frage heute im Kern um den nichtinformierten Außenminister geht, darf ich einmal konkret fragen: Wie hätten Sie gehandelt, wenn damals der Bundeskanzler an Ihnen vorbei mit den Rumänen verhandelt hätte? Welche Folgen hätte das damals `gehabt?

(Lachen und Zurufe von den Regierungsparteien.)





Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604805100
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg, diese Frage lasse ich nicht zu. Es ist keine Frage im Sinne der Geschäftsordnung.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604805200
Herr Abgeordneter Barzel!

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0604805300
Herr Bundeskanzler, halten Sie es denn im Sinne der Tranzparenz der demokratischen Vorgänge und des richtigen Umgangs miteinander für einen guten Stil, Herrn Kollegen von Wrangel hier dahin gehend zu zensieren, daß seine Frage wohl nicht ernst gemeint sei, und sie in der Weise zu beantworten, wie Sie es getan haben?

(Beifall bei der CDU/CSU. — Oh-Rufe bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604805400
Ich habe 'dem, was ich dazu gesagt habe, nichts hinzuzufügen, Herr Kollege Barzel.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604805500
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Schulte.

Manfred Schulte (SPD):
Rede ID: ID0604805600
Herr Bundeskanzler, wie beurteilt die Bundesregierung den Wirbel, der in der Öffentlichkeit um diesen Brief entstanden ist, im Hinblick auf die außenpolitische Situation?

(Lachen bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604805700
Die Bundesregierung nimmt den Vorgang nicht ernster, als er genommen werden muß. Aber hilfreich ist er nicht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604805800
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Mattick.

Kurt Mattick (SPD):
Rede ID: ID0604805900
Herr Bundeskanzler, ist der Bundesregierung bekannt, ob im amerikanischen Kongreß, im britischen Unterhaus oder in der französischen Nationalversammlung von der dortigen Opposition jemals eine so offene Diskussion innerhalb einer Episode von Verhandlungen mit der Sowjetunion oder anderen kommunistischen Staaten herausgefordert worden ist?

(Zurufe von der CDU/CSU: Ist das eine Zusatzfrage?)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604806000
Nein, mir sind vergleichbare Vorgänge nicht bekannt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Weil Sie sich nicht informieren! — Abg. Rasner: Da gibt es solche Pannen auch nicht!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604806100
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0604806200
Herr Bundeskanzler, wird sich die Bundesregierung durch diese sich nun in der Öffentlichkeit vollziehenden Vorgänge in ihrer Politik der Verständigung gegenüber den östlichen Nachbarn beeinträchtigen lassen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604806300
Nein, Herr Abgeordneter. Die Bundesregierung wird sich insoweit sicherlich nicht in ihren Überlegungen und Entscheidungen beeinflussen lassen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604806400
Meine 'Damen und Herren, diese Zusatzfrage halte ich für erlaubt. Die vorletzte hätte ich nicht zugelassen, wenn nicht der Herr Bundeskanzler mit seiner Antwort schneller gewesen wäre als ich mit meiner Beanstandung.
Keine Zusatzfrage mehr? — Dann rufe ich die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Gradl auf:
Dient es dem Ansehen deutscher Außenpolitik und der Ernsthaftigkeit ihrer Aussagen, wenn — wie im Falle des am 21. April an Herrn Gomulka gerichteten Briefes — ein entscheidende Verhandlungen betreffender Schritt des Bundeskanzlers im Ausland unternommen wird, ohne daß dieser Schritt vorher mit dem Außenminister erwogen und sachlich und taktisch abgesprochen worden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604806500
Herr Abgeordneter Dr. Gradl, eine kleine Korrektur. Sie haben sich sicher auf Pressemeldungen gestützt, als Sie sich auf einen Brief vom 21. April bezogen. Ich muß, da das hier zu Protokoll des Bundestages genommen wird, sagen: der Brief trägt das Datum des 20. April. — Das einfach nur der vollen Korrektheit wegen.
Wie bereits in der Beantwortung der ersten Frage des Abgeordneten Dr. Marx gesagt wurde, besteht in der prinzipiellen Betrachtungsweise keinerlei Unterschied zwischen dem Fragesteller und mir. Es bedarf kaum einer Unterstreichung und Wiederholung, daß eine Abstimmung zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen und mir oder, von den Personen abgesehen, ganz allgemein zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundesminister des Auswärtigen notwendig war und ist. Im konkreten Fall — ich habe das vorhin anklingen lassen, Herr Kollege Gradl — darf man wirklich davon ausgehen, daß es sachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Außenminister und mir nicht gibt.
Es ist auch auf das Taktische Bezug genommen worden. Ich nehme an, Sie denken dabei auch an das Zeitliche. Der Zeitpunkt eines bestimmten Schrittes gehört mit zu dem, was man Taktik nennen könnte. Da hat es für mich bestimmte Gründe für einen bestimmten Tag gegeben, an dem die Verständigungsmöglichkeit für andere und mich — oder: mich und andere, um mich nicht hinter anderen zu verstecken — dadurch erschwert war, daß wir nicht beide am selben Ort, nämlich in Bonn, sein konnten,




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604806600
Eine Zusatzfrage.

Dr. Johann Baptist Gradl (CDU):
Rede ID: ID0604806700
Herr Bundeskanzler, wie haben Sie für die Zukunft sichergestellt — Sie sprachen davon in der Antwort auf die erste Frage —, daß in der Außenpolitik der Regierung die Rechte immer weiß, was die Linke tut,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU — Abg. Dr. Barzel: Zwei linke Hände!)

oder, anders ausgedrückt, wie sind im Hinblick auf diesen Vorgang die Zuständigkeiten geregelt und die Kommunikationen gesichert?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604806800
Ich glaube, Herr Kollege Gradl, es muß in diesem Zusammenhang reichen, wenn ich nicht nur sage, sondern versichere, dies ist im einzelnen schon am Sonntagabend, als wir beide wieder in Bonn waren, zwischen dem Kollegen Scheel und mir durchgesprochen worden. Es wäre nicht üblich, vor dem Hohen Hause Einzelheiten unserer Büroorganisation und damit Vergleichbares darzulegen.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das steht doch in der Zeitung!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604806900
Bitte!

Dr. Johann Baptist Gradl (CDU):
Rede ID: ID0604807000
Herr Bundeskanzler, Sie haben eben gesagt oder jedenfalls doch erkennen lassen, daß es in einem früheren Stadium der Erwägungen dieses Schrittes keine sachliche Meinungsverschiedenheit zwischen Ihnen und dem Herrn Außenminister gegeben habe. Darf ich daraus schließen, daß der Herr Außenminister bei früheren Erwägungen diesem Schritt voll zugestimmt hat, oder hat er das nicht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604807100
Ich habe nicht von diesem Schritt gesprochen, sondern vom Inhalt der Politik, Herr Kollege Gradl, und dazu habe ich gesagt, daß es keine sachlichen Unterschiede zwischen Herrn Kollegen Scheel und mir gibt.

(Abg. Dr. Barzel: Der Schritt ist also vom Außenminister nicht gebilligt, das ist doch ganz klar!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604807200
Herr Abgeordneter Kraske!

Dr. Konrad Kraske (CDU):
Rede ID: ID0604807300
Herr Bundeskanzler, da es hier um prinzipielle Fragen des Verhältnisses zwischen Bundeskanzler und Außenminister geht, darf ich Sie fragen: Stehen Sie nach wie vor zu den Auffassungen, die Sie während des Wahlkampfes über das angemessene Verhältnis von Verantwortung und Einfluß zwischen Kanzler und Außenminister vertreten haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604807400
Ja.

Dr. Konrad Kraske (CDU):
Rede ID: ID0604807500
Oder hat hier auch ein Sinneswandel stattgefunden, weil inzwischen Wahlen waren? Brandt, Bundeskanzler: Nein, ich stehe zu dem, was ich damals gesagt habe.

Dr. Konrad Kraske (CDU):
Rede ID: ID0604807600
Sie stehen zu dem, was Sie damals gesagt und geschrieben haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604807700
Ja.

(Abg. Rasner: Festhalten, Herr Scheel!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604807800
Frau Abgeordnete Renger!

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0604807900
Herr Bundeskanzler, sehen Sie die Möglichkeit, diplomatische Verhandlungen schon in einem frühen Stadium öffentlich zu machen, ohne etwa das Verhandlungsergebnis dadurch zu gefährden, wenn man im besonderen auch an die Berlinverhandlungen der Alliierten denkt?

(Abg. Rasner: Thema verfehlt!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604808000
Das ist in der Tat, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen, ein wirklicher Hinweis. Ich kenne niemanden, auch nicht hier bei uns, der erwartet, daß die Verhandlungen, die die Westmächte mit der Sowjetunion über Berlin führen, und damit verbundene Zusatzschritte öffentlich dargelegt werden sollten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604808100
Zusatzfrage, Abgeordneter von Guttenberg.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0604808200
Herr Bundeskanzler, müssen Sie nicht einräumen, daß die Tatsache Ihrer Nichtinformation des Herrn Außenministers über diesen Brief und der Nichtmitwirkung des Herrn Außenministers bei der Abfassung dieses Briefes im Ausland Zweifel darüber hervorrufen muß, ob Sie den amtierenden Außenminister Ihrer Regierung immer voll informiert haben, und muß dies, Herr Bundeskanzler, nicht selbstverständlich die Wirksamkeit Ihres Herrn Außenministers im Ausland einschränken?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604808300
Nein, dem kann ich nicht folgen. Zweifel im Ausland hätten höchstens auftreten können durch .das, was z. B. durch den Vorsitzenden der CSU über eine kommunistisch-sozialistische Internationale in die Welt gesetzt worden ist.

(Beifall bei der SPD.)

Aber das war wohl nicht so gemeint und ist wohl auch draußen nicht ganz für bare Münze genommen worden. Nein, draußen zweifelt unter denen, um die es geht, niemand daran, daß der Außenminister und der Bundeskanzler in der Sache übereinstimmen und zusammenarbeiten, und das wird auch so bleiben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604808400
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marx.




Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604808500
Herr Bundeskanzler, ich gehe auf Ihre eben gegebene Antwort ein und frage: Was haben Sie sich bei Ihrem Brief von dem Zusatz „Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei" versprochen, und welche Überlegungen verbinden Sie persönlich mit diesem Zusatz?

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604808600
Herr Abgeordneter, die Fragestunde dient nicht der Motivforschung!

(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Das ist eine Sachfrage! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Nein, diesem Zweck dient sie nicht. Es geht um faktische Fragen, und was Sie erfragen wollen, ist kein Faktum, sondern eine Bewertung.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604808700
Herr Präsident, ich frage nach einer jedermann offenbaren Tatsache.

(Abg. Rasner: Genau! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604808800
Das verstehe ich nicht. Wenn die Tatsache jedermann offenbar ist, warum fragen Sie dann?

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)


Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604808900
Herr Präsident, ich frage denjenigen, der die Tatsache geschaffen hat, warum er sie geschaffen hat.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604809000
Gut, das ist etwas anderes.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

— Aber meine Damen und Herren, es ist etwas anderes, ob ich frage: Welche Motive haben Sie bewegt? oder ob ich sage: Warum haben Sie das getan?

(Zurufe von der CDU/CSU: Na also! — das das hat er gefragt!)

Herr Bundeskanzler, wollen Sie die Frage bitte beantworten!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604809100
Herr Abgeordneter, ich habe in diesem Fall nicht extra auf einem Briefbogen etwas hinzugefügt — so könnte man es aus Ihrer Frage entnehmen —, sondern ich habe einen Briefbogen,

(Abg. Dr. Barzel: Welcher ist es denn nun gewesen?)

auf dem mein Name und die Worte „Bundeskanzler, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" stehen. Ich habe den Brief auf diesem Briefbogen schreiben lassen und habe mich — ich habe das vorhin gesagt — auf die Rede Gomulkas bezogen, in der er sich auf meine Rede, auf die
des Vorsitzenden der SPD im Frühjahr 1968 bezogen hatte. Weil dies der Hintergrund war, gab es einen guten Sinn, diesen Briefbogen zu benutzen.

(Abg. Rasner: Schicker Briefkopf!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604809200
Noch Zusatzfragen? — Herr Kliesing!

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0604809300
Herr Bundeskanzler, im Zusammenhang mit der Zusatzfrage, die Frau Kollegin Renger hier gestellt hat, möchte ich Sie fragen: Würden Sie es als für die Stellung des Herrn Bundesaußenministers förderlich ansehen, wenn im Zusammenhang mit dieser Zusatzfrage und Ihrer Beantwortung der Eindruck entstehen würde, als ob eine Information des Herrn Außenministers über Ihren Brief ein Öffentlichmachen diplomatischer Verhandlungen bedeutet hätte?

(Beifall bei der CDU/CSU).


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604809400
Die Zusatzfrage der Frau Abgeordneten bezog sich aber nicht darauf, sondern stand in Verbindung mit dem, was außerhalb dieses Hauses daraus gemacht worden ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604809500
Keine Zusatzfrage mehr. Dann rufe ich die Dringliche Mündliche Frage 4 des Abgeordneten von Eckardt auf.
Wie kann die Bundesregierung die sich widersprechenden Äußerungen von Staatssekretär Duckwitz, daß der Brief des Bundeskanzlers und Parteivorsitzenden Brandt seinen Adressaten Gomulka erst nach Beendigung der Gespräche in Warschau erreicht habe, einerseits, und die Mitteilungen der Herren Ehmke und Ahlers andererseits, nach welchen dieser Brief die Gespräche in Warschau gefördert habe, miteinander vereinbaren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604809600
Herr Abgeordneter von Eckardt, die Herren Ehmke und Ahlers haben gesagt, der Brief sei zur Unterstützung der Gespräche gedacht. Ein Widerspruch, wie er in Ihrer Frage vermutet wird, liegt nicht vor, denn der Abschluß der Gesprächsrunde von Staatssekretär Duckwitz in Warschau bedeutet ja keineswegs den Abschluß der deutsch-polnischen Gespräche, denn diese werden im Juni in Bonn fortgesetzt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604809700
Zusatzfrage.

Felix von Eckardt (CDU):
Rede ID: ID0604809800
Darf ich demnach annehmen, Herr Bundeskanzler, daß der Inhalt Ihres Briefes auch im Juni den Verhandlungen mit Polen noch förderlich sein wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604809900
Wenn er nicht durch die öffentliche Erörterung für den Empfänger entwertet worden ist, dann ja.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Unruhe und Zurufe bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604810000
Herr Abgeordneter von Guttenberg!




Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0604810100
Herr Bundeskanzler, wenn also mit diesem Brief keineswegs auf diese Verhandlungen jetzt gezielt und wenn auch nicht sichergestellt war, daß er zu diesen Verhandlungen seinen Empfänger erreichen würde, frage ich Sie: Aus welchen Gründen war diese Sache dann so dringend, daß Sie nicht mehr warten konnten, um Herrn Scheel zu informieren?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604810200
Verehrter Kollege von Guttenberg, jemand, der so intensiv und mit so viel Scharfsinn außenpolitische Meldungen verfolgt, wird wissen, daß dieser Brief zu einem Zeitpunkt geschrieben worden ist, an dem der Briefschreiber nicht nur an eine Gesprächsrunde von einigen Tagen zu denken hatte, sondern im Kopf hatte, was in den Tagen unmittelbar zuvor an Presse- und Rundfunkäußerungen, die unsere Motive fehldeuteten, aus Polen vorlag.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604810300
Herr Abgeordneter Marx!

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604810400
Herr Bundeskanzler, wegen der vorhergehenden Antwort frage ich: Sind Sie sich klar darüber, daß das, was Sie eben die „öffentliche Erörterung" nannten, provoziert worden ist, durch die Fehlauskünfte und verwirrenden Auskünfte Ihrer Regierung,

(Beifall bei der CDU/CSU)

durch eine Auskunft im Auswärtigen Ausschuß, die nicht den Tatsachen entsprach,

(erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

und glauben Sie nicht, daß es die Pflicht und die Aufgabe dieses Hauses ist, eine solche verwirrende Darstellung mit Hilfe der Regierung wieder klarzustellen?

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604810500
Schon die erste Erklärung, die Sie, Herr Abgeordneter, dazu abgegeben haben — andere sind dem gefolgt —, erweckte bei manchem, der sie zur Kenntnis nahm, nicht den Eindruck, als ob sie einer kritischen Durchleuchtung dienen sollte, sondern eher den Eindruck, als ob sie das gefundene Fressen für eine parteipolitische Aktion sei.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/ CSU: Keine Antwort! — Weitere Zurufe.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604810600
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604810700
Herr Bundeskanzler, wären Sie nach dem abebbenden Beifall bereit, meine Frage zu beantworten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604810800
Nein.

(Oho-Rufe und Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604810900
Herr Abgeordneter von Wrangel!

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0604811000
Herr Bundeskanzler, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie der Meinung sind, daß es diplomatischen Verhandlungen nicht dienlich ist, wenn die öffentliche Erörterung zu stark ist, und würden Sie mir darin zustimmen, daß man mit diesem Argument jede Erörterung im Deutschen Bundestag töten könnte?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604811100
Diese Absicht hat die Bundesregierung ganz gewiß nicht; sie wird sicher zu differenzieren wissen.

(Abg. Rasner: Das haben wir gerade eben erlebt!)

Sie war dazu bisher auch in der Lage.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604811200
Herr Abgeordneter Wörner!

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0604811300
Herr Bundeskanzler, ich knüpfe an Ihre Feststellung an, daß bei den Äußerungen über diesen Vorgang nach Ihrer Meinung parteipolitische Erwägungen eine wesentliche Rolle gespielt haben könnten,

(Zuruf von der FDP: Die Rolle!)

und frage Sie, ob Sie in diese Motivforschung in der
Öffentlichkeit gemachte Äußerungen von führenden
Politikern der FDP zu diesem Vorgang einbeziehen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604811400
Ich weiß nicht, an welche Sie denken. Ich habe mehr an Herrn Marx und Herrn Strauß gedacht, verehrter Herr Abgeordneter.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604811500
Herr Abgeordneter Barzel!

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0604811600
Herr Bundeskanzler, können Sie bestätigen, daß die Frage, ob es einen solchen Brief gebe oder nicht, zum erstenmal im Zusammenhang mit Meldungen aus Warschau im Nachrichtenspiegel I der Bundesregierung am Freitag früh aufgetaucht ist, daß die Opposition daraufhin im vertraulichen Auswärtigen Ausschuß Fragen gestellt hat und daß erst durch Mitteilungen aus dem Auswärtigen Amt, die zum Inhalt hatten, daß die Beantwortung unserer Fragen vom Vormittag nicht korrekt gewesen sei, das entstanden ist, was ein Kollege den öffentlichen Wirbel genannt hat?

(Beifall bei der CDU/CSU.)





Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604811700
Herr Kollege Barzel, ich muß Ihnen zustimmen, was den zeitlichen Ablauf angeht. Das ändert aber nichts an meiner Qualifikation einiger der Äußerungen, die dann abgegeben worden sind.

(Abg. Rasner: Schuld hat immer die CDU/ CSU! Das ist am einfachsten!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604811800
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Dringliche Mündliche Frage 5 des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) auf:
Welchem Grundverständnis demokratischen Verhaltens wollte der Bundeskanzler Ausdruck geben, als er in Oslo seine Haltung in der Briefaffäre so kommentierte: Manchmal habe ich Lust Briefe zu schreiben, auch .an Herrn Gomulka. Manchmal habe ich Lust sie zu veröffentlichen. Diesmal hatte ich keine Lust." (Bild, 25. April 1970) ?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604811900
Herr Abgeordneter, diese Äußerung habe ich in Oslo nie getan.

(Zurufe von der SPD: Bild-Zeitung! — Springer! — Gegenruf von der CDU/CSU: Springer ist schuld!)

Ich habe vielmehr gesagt — was sich nachweisen läßt —: „Wenn ich Briefe schreibe, die für die Veröffentlichung bestimmt sind, veröffentliche ich sie auch." Das war es, was gesagt worden ist. Aber wie dem auch sei, diese Äußerung, die getan wurde — ich habe sie hier vorgetragen —, aber auch die falsch wiedergegebene Äußerung haben mit dem Grundverständnis demokratischen Verhaltens nichts zu tun.
Es geht hier um den sicherlich nicht ungewöhnlichen Brauch, daß zwischen führenden Politikern in Ost und West, auch zwischen führenden Politikern im Westen, vielleicht sogar auch zwischen führenden Politikern nur im Osten, jedenfalls zwischen Ost und West, Briefe gewechselt werden, deren Existenz nicht immer bekannt wird und die üblicherweise auch nicht veröffentlicht werden. Ich weise hier darauf hin, Herr Abgeordneter, daß z. B. Bundeskanzler Dr. Adenauer, wie ich heute noch besser weiß als früher, eine Reihe von Briefen geschrieben hat, deren Existenz bisher nicht bekanntgegeben worden ist und deren Empfänger sich sowohl im Westen wie im Osten befanden. Die Bundesregierung beabsichtigt auch nicht, diese Briefe zu veröffentlichen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Vizepräsident Dr. Schmid: Zusatzfrage.


Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604812000
Herr Bundeskanzler, ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen,

(Zurufe von der SPD: Frage!)

daß dieser allgemeine diplomatische Brauch für uns völlig unbestritten ist. Ich frage aus diesem Grunde, warum Sie nun diese beiden Vorgänge vermengen, wo es hier doch um eine ganz andere Frage geht,

(Zuruf von der SPD: Das war beantwortet!)

nämlich darum, daß der Brief in diesen beiden Eigenschaften unterzeichnet ist und daß seine Existenz zunächst geleugnet und dann zugegeben wurde. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604812100
Dieser Punkt Ihrer Frage, verehrter Herr Abgeordneter, ist ein Zitat, und zwar ein falsches. Ich habe das richtige wiedergegeben und es erläutert.

(Beifall bei der SPD.) Vizepräsident Dr. Schmid: Zusatzfrage.


Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604812200
Herr Bundeskanzler, würden Sie mir zugestehen, daß ich, ehe ich diese Frage mit diesem Zitat gestellt habe, alle Anstrengungen gemacht habe, um dieses Zitat zu verifizieren, und daß die Versicherung, die die Korrespondentin abgegeben hat, die dieses Gespräch mit Ihnen offenbar geführt hat, lautet, dieses Zitat entspreche genau der Wahrheit? Nur deshalb habe ich natürlich gefragt; denn ich lasse mich nicht auf irgendwelche indirekten Redewendungen ein, um in diesem Hause zu diskutieren.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604812300
Ich habe deshalb hinzugefügt, Herr Abgeordneter, daß meine Äußerung in bezug auf das Grundverständnis demokratischer Einstellung auch gelten würde, wenn die Äußerung so gefallen wäre, wie Sie glauben, daß sie gefallen ist.

(Ah-Rufe von der Mitte. Jawohl! — Abg. Rasner: Sehr vorsichtig!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604812400
Herr Wienand!

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0604812500
Herr Bundeskanzler, sieht sich die Bundesregierung in der Lage, meinen Eindruck zu bestätigen, daß durch solche Fragestellungen, nachdem ein zeitlicher Ablauf klargestellt worden ist, hier mit Bedacht auch der Eindruck erweckt wird, als könnten Schreiben eines Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers, gleichviel, in welcher Eigenschaft geschrieben, in solchen Verhandlungen schädlich sein?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604812600
Ich bin überzeugt, daß jeder objektive Betrachter zu dem Ergebnis kommt, daß ein solcher Schaden natürlich nicht beabsichtigt war und tatsächlich nicht eingetreten ist, sondern daß es allein darum ging, wie eine diplomatische Aktion durch einen zusätzlichen Schritt oder Appell, oder wie Sie wollen, gestützt werden könnte.

(Zuruf von der CDU/CSU: Konzertierte Aktion! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604812700
Im übrigen war auch diese Frage reichlich abstrakt. Sie dürfen die Pflichten des Präsidenten nicht strapazieren. Auch er muß gelegentlich einmal nachdenken können, wenn auch nur für zehn Sekunden. Aber manchmal



Vizepräsident Dr. Schmid
fallen die Antworten so schnell, daß — wie soeben gesagt — der Befragte rascher ist als er.
Die Dringlichen Mündlichen Fragen aus diesem Geschäftsbereich sind damit erledigt.
Wir kommen zu den Dringlichen Mündlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zunächst rufe ich die Frage 6 ,des Abgeordneten Freiherr von Guttenberg auf:
Entspricht die in der deutschen Presse wiedergegebene Formel „Die Bundesregierung und die Regierung der Volksrepublik Polen stellen fest, daß die Oder—Neiße—Linie die Westgrenze Polens ist. Die Bundesrepublik Deutschland wird die Integrität
des polnischen Territoriums auch künftig achten. Bestehende Verträge werden hiervon nicht berührt." (NDR 22. April 1970) wörtlich oder sinngemäß dem, was die deutsche Delegation in Warschau zu dieser Frage vorgetragen hat?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604812800
Herr Präsident, die beiden Fragen, die Herr Kollege von Guttenberg .gestellt hat, stehen in einem engen Zusammenhang, so daß ich darum bitten möchte, sie gemeinsam beantworten zu dürfen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604812900
Einverstanden. Ich rufe auch die Frage 7 des Abgeordneten Freiherr von Guttenberg auf:
Hat die Bundesregierung bei ihren Gesprächen mit der polnischen Regierung die Regelung der großen offenen humanitären Probleme — insbesondere der Familienzusammenführung und des Minderheitenrechtes — so in den Vordergrund gestellt, wie dies notwendig ist?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604813000
Seit der Regierungserklärung der Bundesregierung vom 28. Oktober 1969, Herr Kollege, ist es die erklärte Politik, das Verhältnis zum polnischen Volk im Interesse der Festigung der Sicherheit in Europa und der Schaffung einer gerechten und dauerhaften Friedensordnung zu regeln. Mit großem Ernst ist die Bundesregierung um eine umfassende Verständigung und einen Interessenausgleich zwischen den Völkern in Europa bemüht.
Im Rahmen dieser Bemühung kommt der Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen eine zentrale Rolle zu. Bei der Aufnahme der Gespräche mit Polen konnte die Bundesregierung davon ausgehen, daß sie für dieses Ziel, eine Aussöhnung und eine Befriedung unseres Verhältnisses zu Polen zu erreichen, ,der Zustimmung der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes und auch dieses Hauses gewiß sein konnte. Dabei war ihr klar, daß die Gespräche schwierig und langwierig sein würden. Gerade ist, wie Sie wissen, die dritte Gesprächsrunde in Warschau zu Ende gegangen, und ich glaube Ihr Verständnis dafür zu finden, daß eine breit angelegte Diskussion über den in Gang befindlichen Meinungsaustausch der Gesprächsführung nicht dienlich sein kann. Es ergibt sich auch aus der Natur der Sache, daß die Regierung hier in einem Dilemma ist, nämlich auf der einen Seite die Vertraulichkeit der Gespräche zu wahren und auf der anderen Seite doch die Zustimmung der Öffentlichkeit und des Parlaments für ihre Gesprächsführung zu finden.
Was nun die konkrete Frage des Abgeordneten von Guttenberg betrifft, so lassen Sie mich betonen, daß die Bundesregierung noch nicht in Vertragsverhandlungen eingetreten ist, sondern daß lediglich ihre Gedanken und Überlegungen in formlosen Arbeitspapieren ihren Niederschlag gefunden haben, die ich hier im einzelnen aus verständlichen Gründen nicht erläutern kann. Aber ich darf jetzt schon ankündigen, daß im Auswärtigen Ausschuß, wie in der letzten Sitzung dort vereinbart, auch über die letzte Gesprächsrunde eingehend berichtet werden kann. Ich kann dem Hohen Hause versichern, daß die Bundesregierung, wenn es zu Vertragsverhandlungen kommt, keinen Vertrag schließen wird, der mit anderen Verträgen oder Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland in Widerspruch stehen wird.
Im übrigen haben die drei Westmächte besondere Rechte und Pflichten in bezug auf Deutschland als Ganzes. Wir haben die Absicht, diese Rechte und Pflichten zu achten. Wir haben also allen Anlaß, in jeder Frage nur in voller Übereinstimmung mit ihnen zu handeln. Das gilt insbesondere für die Behandlung der Grenzfragen.
In den jetzigen Gesprächen, Herr Abgeordneter, geht ,die Bundesregierung, die selbstverständlich nur für die Bundesrepublik Deutschland sprechen kann, von der wirklichen Lage aus. Sie ist bereit, dem berechtigten Wunsch der Polen Rechnung zu tragen, in gesicherten Grenzen zu leben. Die Bundesrepublik erhebt gegen Polen keine territorialen Forderungen und wird dies auch nicht tun. Wir sind davon überzeugt, daß jede Verständigung mit Polen über die schwebenden Fragen auch positive Auswirkungen auf unser Verhältnis zu den anderen osteuropäischen Staaten und auf die Sache des Friedens in Europa überhaupt haben wird.
Jetzt kommen wir zum zweiten Teil Ihrer Frage, Herr Kollege zu Guttenberg.

(Abg. Dr. Barzel: Zum ersten Teil haben Sie noch nichts gesagt!)

Die Grenzfrage ist natürlich nicht das einzige Problem, das für unser Verhältnis zu Polen von Bedeutung ist. Wir sind uns bewußt, daß die in Ihrer zweiten Frage genannten Probleme, insbesondere das der Familienzusammenführung, von ganz besonderer Wichtigkeit sind und in den Gesprächen ihre gebührende Behandlung finden müssen. Ich muß auch daran erinnern, daß wir erst am Anfang eines auf längere Zeit angelegten Meinungsaustauschs stehen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604813100
Zusatzfrage!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0604813200
Herr Außenminister, nach Ihrer eben abgegebenen Regierungserklärung frage ich Sie noch einmal, was der eigentliche Hintergrund meiner eingereichten Frage ist: glauben Sie, Herr Außenminister, hier einfach sagen zu können, daß die Regierung es ablehnt, Stellung zu nehmen zu einer von ernstzunehmenden deutschen Presseorganen veröffentlichten Formel, welche eine substantielle Verfügung über ein Viertel des Territoriums bedeuten würde, das



Freiherr von und zu Guttenberg
auch durch Äußerungen der Siegermächte nach dem
Kriege als deutsches Territorium bezeichnet wurde?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604813300
Herr Abgeordneter, ich habe eben gesagt, daß ich hier im Bundestag aus begreiflichen Gründen nicht über Texte, die Grundlagen der Verhandlungen sind, über formlose Formulierungsversuche der Delegationen, sprechen kann. Ich kann nur über die Sache sprechen. Ich habe das soeben getan und wiederhole hier noch einmal, daß die Bundesregierung die Absicht hat, mit der Regierung der Volksrepublik Polen über eine Regelung der Grenzfrage vertragliche Abmachungen zu finden. Ich will eindeutig sagen, daß das ein Abkommen sein wird, das die polnische Westgrenze in -ihrem jetzigen Verlauf respektiert. Ich habe aber ebenso deutlich gesagt, daß wir kein Abkommen treffen werden, das die vertraglichen Rechte und Pflichten unserer Verbündeten durch eine solche Abmachung berühren könnte.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604813400
Eine Zusatzfrage.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0604813500
Herr Außenminister, teilen Sie meine Auffassung, daß eine Grenzformel, die in der Essenz etwa dem entspräche, was in der Presse in drei Sätzen wiedergegeben wurde, dazu führen müßte, daß die einen dann von einer vollzogenen Anerkennung, die anderen aber von der Aufschiebung der Festlegung dieser Grenzfrage sprechen würden?

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604813600
Herr Kollege von Guttenberg, ich teile Ihre Sorge, daß es zu interpretationsfähigen Abmachungen kommen könnte. Wir werden das nicht tun. Die Abmachungen, die die Bundesregierung zu treffen bereit ist, werden auf beiden Seiten gleich interpretiert werden müssen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604813700
Eine Zusatzfrage.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0604813800
Herr Außenminister, nachdem Sie vorhin gesagt haben, daß die Bundesregierung nur für die Bundesrepublik sprechen könne, frage ich Sie, ob dies nicht selbstverständlich einschließt, daß diese Bundesregierung die Rechte jener Deutschen zu vertreten hat, die aus diesen Gebieten stammen, und daß also in den Gesprächen mit Polen auch der Obhutspflicht gegenüber diesen Gruppen entsprochen werden muß.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604813900
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung vertritt die Rechte derjenigen, auf deren demokratischem Urteil ihre Handlungsfähigkeit beruht.

(Oho-Rufe von der CDU/CSU.)

Wir vertreten die Rechte aller Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604814000
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Guttenberg hat vier Zusatzfragen. Drei Fragen hat er gestellt. — Eine weitere Zusatzfrage.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0604814100
Ich bedanke mich, Herr Präsident. — Herr Außenminister, teilen Sie meine Überzeugung, daß die Probleme der Familienzusammenführung an Gewicht verlieren würden, wenn es gelänge, Freizügigkeit zwischen Polen und Deutschland bezüglich dieser Gruppen nach Möglichkeit sicherzustellen?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604814200
Herr Abgeordneter, ich teile Ihre Auffassung. Das ist so, und es ist das Ziel unserer Verhandlungen mit Polen, auf allen Gebieten mehr Freizügigkeit zu erreichen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604814300
Herr Abgeordneter Becher!

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0604814400
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die in der Anfrage des Kollegen Freiherr von und zu Guttenberg zitierte Formel weit über Potsdam hinausginge und das Recht auf Heimat und Selbstbestimmung der betroffenen Deutschen völlig außer acht ließe?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604814500
Herr Abgeordneter, Sie können die von Herrn Baron von Guttenberg hier erwähnte Formel nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang aller Elemente sehen, die Teil eines Vertrages sein werden. Es wird ja in einem möglichen Vertrag mehr als das stehen, was hier in übrigens nicht zutreffenden Formulierungen genannt worden ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604814600
Eine letzte Zusatzfrage.

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0604814700
Herr Minister, sollen diese von Ihnen zitierten Elemente einem Vertrag über Gewaltverzicht angehören, oder soll das ein eigener spezieller Grenzvertrag sein?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604814800
Die Form des Vertrages liegt noch nicht fest, Herr Abgeordneter. Auf jeden Fall werden die Grenzfragen geregelt werden müssen und eine vertragliche Abmachung über Gewaltverzicht wird ebenfalls getroffen werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604814900
Herr Abgeordneter. Barzel!

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0604815000
Herr Bundesaußenminister, verstehe ich Ihre Einlassung richtig, daß Sie diese Formel hier öffentlich weder bestätigen noch dementieren können und wollen, aber bereit sind, sie dem Auswärtigen Ausschuß mitzuteilen und dort darüber zu diskutieren?
2426 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 48. Sitzung. Bonn, •Mittwoch, den 29. April 1970

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604815100
Sie verstehen das richtig.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604815200
Noch eine Zusatzfrage.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0604815300
Darf ich Sie bitten, zu folgendem noch eine Erklärung abzugeben, nachdem Sie verschiedentlich von den Rechten der Alliierten gesprochen haben. Geht die Bundesregierung mit uns davon aus, daß der Art. 7 des Deutschlandvertrages nicht nur Rechte der Alliierten, sondern zunächst die Rechte des ganzen deutschen Volkes festhält und daß nur mit Zustimmung dieses deutschen Volkes endgültige Regelungen möglich sind?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604815400
Herr Abgeordneter, ich habe eben erklärt, daß unsere Handlungsfähigkeit beim Abschluß von Verträgen durch internationale Bindungen bestimmt ist, die wir nicht aufgeben wollen. Dazu zählen die uns auferlegten Pflichten des Potsdamer Abkommens, dazu zählen die Verträge, die wir mit den westlichen Verbündeten geschlossen haben, u. a. die Art. 2 und 7 des Deutschlandvertrages. Diese Verträge räumen unseren Verbündeten Rechte ein für die Lösung der Deutschlandfrage als Ganzes und für den Friedensvertrag, in dem nach dem Potsdamer Abkommen Grenzfragen allein endgültig geregelt werden können.

(Abg. Dr. Barzel: Aber diese Bestimmungen halten auch Rechte des deutschen Volkes fest!)

— Das ist damit ja gesagt, Herr Abgeordneter.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604815500
Abgeordneter Wienand!

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0604815600
Herr Bundesaußenminister, nachdem — ich glaube, richtig gehört und verstanden zu haben — von Ihnen dargelegt wurde, daß geltende Verträge nicht verletzt werden, daß die Regierung offen dargelegt hat — letztmalig in der Regierungserklärung vom 14. Januar —, daß an diesem Hause nichts vorbeigeht und Ihre Politik zum Osten hin — die jetzt besprochen wird — eindeutig präzisiert worden ist, frage ich Sie: Alle weitergehenden Fragen könnten nur in dem bekannten Gremium weiter behandelt werden und in der Öffentlichkeit den Stand der Verhandlungen stören?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604815700
Herr Abgeordneter, ich habe eben schon gesagt, daß die Bundesregierung bereit ist, im Auswärtigen Ausschuß — wie bisher — diese Frage weiter zu diskutieren.
Die Bundesregierung strebt eine vertragliche Regelung mit Polen an. Das wird ein Vertrag sein, der der Ratifikation bedarf. Dieses Haus wird diesen Vertrag ratifizieren müssen. Die Bundesregierung wird, um eine Mehrheit für einen Vertrag zu finden, den sie abzuschließen gedenkt, selbstverständlich alle Auskünfte geben, damit das Haus diesen Vertrag ruhigen Gewissens ratifizieren kann. Das ist ganz selbstverständlich.
Die Rolle der Alliierten, die Rolle unserer westlichen Verbündeten — ich möchte das einmal eindeutig sagen — besteht nicht nur darin, Rechte für sich in Anspruch nehmen zu können, sondern unsere westlichen Verbündeten werden auch bei einer zukünftigen Friedensordnung in Europa eine wichtige Rolle zu spielen haben. Sie sind bei einer gesamteuropäischen Friedensordnung nötig, auch in ihren Vorbehalten für die Politik, die Deutschland als ganzes angeht. Deswegen achten wir so peinlich darauf, gerade mit ihnen in einem ständigen Gedankenaustausch zu bleiben und jede unserer diplomatischen Aktionen auch mit ihnen zu konsultieren.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604815800
Eine Zusatzfrage.

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0604815900
Ist meine Annahme dann richtig, daß alles das, was beim derzeitigen Stand der Verhandlungen öffentlich erörtert und von der Bundesregierung gesagt werden kann, erörtert und gesagt worden ist?

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer bestimmt das?)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604816000
Herr Abgeordneter, in dem dafür zuständigen Gremium des Deutschen Bundestages finden diese Erörterungen ständig statt, und zwar in umfangreicher Weise. Es ist ganz unüblich, daß, während Vertragsverhandlungen laufen, Einzelteile von Verträgen in der Öffentlichkeit diskutieren werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Bundesregierung weigert sich auch, das zu tun, weil ihre Stellung dadurch in unerträglicher Weise eingeengt würde. Es kann aber nicht im Interesse des deutschen Volkes liegen, wenn die Verhandlungsposition der Regierung, die alleine für die Deutschen verhandeln kann, eingeengt wird. Aus diesem Grunde diskutieren wir diese Fragen in den dafür zuständigen Gremien.

(Abg. Dr. Barzel: Einverstanden! Aber Sie müssen die Auskunft auch geben!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604816100
Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist in vier Minuten zu Ende. Ich habe auf meinem Zettel noch fünf Zusatzfragen vermerkt. Die werde ich noch zulassen, keine weiteren.
Herr Abgeordneter von Fircks!

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0604816200
Herr Bundesminister, Sie sprachen von der gerechten Friedensordnung und von den Verpflichtungen, die die Regierung achten wird. Ich frage Sie: dürfen die Ost- und Mitteldeutschen davon ausgehen, daß nirgendwo Verpflichtungen eingegangen werden, die es



Freiherr von Fircks
dem deutschen Volk erschweren oder gar unmöglich machen, ihre Rechtsauffassung und ihre politischen Vorstellungen nach wie vor auch in der Öffentlichkeit zu vertreten?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604816300
Es ist das Recht eines jeden Bürgers unseres Staates, seine Meinung in der Öffentlichkeit zu vertreten. Das wird durch unsere Verhandlungen naturgemäß nicht eingeschränkt werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604816400
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Bismarck.

Dr. Philipp von Bismarck (CDU):
Rede ID: ID0604816500
Herr Bundesaußenminister, Sie haben uns soeben gesagt, daß zu Ihrem Programm gehört, in diesem Vertrag festzulegen, daß die Bundesregierung die Grenzen Polens nicht in Frage stellt und auch nicht in Frage stellen wird. Ich darf Sie fragen: geht die Bundesregierung dabei noch von der Identitätstheorie aus, oder verläßt sie diese mit dieser Erklärung in diesem Augenblick?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604816600
Ich darf wiederholen, Herr Abgeordneter, was ich soeben gesagt habe, daß die Bundesregierung für sich selbst handelt und keine territorialen Forderungen an irgend jemanden hat, daß sie aus diesem Grunde die bestehende Grenzführung Polens respektiert und auch in einem Abkommen zu respektieren bereit ist.

(Abg. Rasner: Das ist überhaupt keine Antwort!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604816700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Bismarck.

Dr. Philipp von Bismarck (CDU):
Rede ID: ID0604816800
Herr Bundesaußenminister, ich darf die Frage noch einmal stellen: verläßt die Bundesregierung damit die Identitätstheorie, oder hat sie sie damit schon verlassen?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604816900
Herr Abgeordneter, ich möchte die Haltung der Bundesregierung nicht auf eine Theorie stützen, sondern an den praktischen Erfordernissen messen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Aha-Rufe von der CDU/CSU.)

Das habe ich soeben getan.

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604817000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0604817100
Herr Bundesaußenminister, nachdem der Kollege Wienand hier dargelegt hat, daß die öffentliche Diskussion über Teile von Vertragstexten etc. während schwebender Verhandlungen zu unterbleiben habe und solche Diskussionen, wenn überhaupt, in den zuständigen Ausschüssen stattfinden müßten, darf ich Sie fragen: würden Sie, wenn dem so ist, dem Hohen Hause mitteilen, daß Sie die Absicht haben, die Informationspolitik der Bundesregierung und die Äußerungen führender Politiker der beiden Parteien, die diese Regierung tragen, diesem vom Kollegen Wienand hier vorgeschlagenen Verhalten anzupassen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604817200
Herr Kollege, die Informationspolitik der Bundesregierung in dieser Frage stützt sich erstens auf die Regierungserklärung, ferner auf die Erklärungen der Bundesregierung zur Lage der Nation und im übrigen, soweit es das Haus angeht, auf ihre Darlegungen im Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Abgeordneten dieses Hauses, gleich welcher Partei sie angehören, sind völlig frei darin, ihre eigenen politischen Meinungen auszudrücken, wo sie es wollen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Aha! — Abg. Dr. Barzel: Danke schön!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604817300
Herr Abgeordneter Czaja!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0604817400
Herr Bundesaußenminister, mit welchen Gründen könnte die Bundesregierung bei einem von Ihnen soeben angekündigten Grenzvertrag den von Anfang an offenen völkerrechtlichen Dissens zwischen der sogenannten Feststellung einer angeblichen, bisher völkerrechtlich nicht fixierten Grenze ganz Deutschlands im Osten und der Unberührtheit der von Ihnen angeführten Verträge widerlegen, und wie könnte sie die sich daraus ergebende Nichtigkeit solcher Verträge widerlegen?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604817500
Es gibt darin keinen Dissens, Herr Abgeordneter. Ich darf wiederholen: wir werden ein Abkommen anstreben, in dem wir die Westgrenze Polens respektieren und feststellen, daß die Integrität des Territoriums von uns geachtet wird. Wir stellen die in den Verträgen mit unseren westlichen Verbündeten vorbehaltenen Rechte nicht in Frage, in einem Friedensvertrag eine endgültige Regelung der deutschen Grenzfragen zu finden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ein offener Dissens! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604817600
Herr Abgeordneter Barzel hat das Wort zu einer Zusatzfrage.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0604817700
Herr Bundesaußenminister, ist die Bundesregierung auch dabei, eine Absichtserklärung für die Haltung der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland für den Fall, daß es zu einer friedensvertraglichen Regelung kommt, abzugeben?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604817800
Nein, Herr Abgeordneter.




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604817900
Herr Abgeordneter Marx als letzter.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604818000
Herr Bundesaußenminister, darf ich noch einmal präzisierend fragen, ob Sie bereit sind, im Auswärtigen Ausschuß — ich frage deshalb, weil es Diskussionen über Einlassungen unserer Regierungsvertreter in den Kommissionen von Zentralkomitees in Osteuropa gibt — die notwendige und eingehende Information zu geben und dort auf die gestellten Fragen auch zu antworten?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604818100
Herr Abgeordneter, das ist bisher immer geschehen. Es wird auch weiter geschehen, und zwar je nach dem Verlauf der Verhandlungen, die wir führen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604818200
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604818300
Herr Bundesaußenminister, ich frage, ob Ihnen denn entgangen ist, daß bei einigen der letzten Sitzungen zumindest eine Seite des Hauses durchaus nicht den Eindruck hatte, daß ihre Fragen dort beantwortet worden seien.

(Abg. Mattick: Unerhört!)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604818400
Herr Abgeordneter, das muß ich Ihrer Beurteilung überlassen. Die Bundesregierung gibt auf jeden Fall die Antworten, die sie für richtig hält.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604818500
Meine Damen und Herren, die 60 Minuten der Fragestunde sind nicht nur abgelaufen, sondern überschritten. Ich schließe die Fragestunde. Wir werden die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Czaja auf die nächste Fragestunde übertragen.

(Unruhe.)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes
— Drucksache VI/504 —
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (6. Ausschuß)

— Drucksache VI/669 —
Berichterstatter: Abgeordneter Meinike

(Oberhausen)


(Erste Beratung 39. Sitzung)

Wird ein mündlicher Bericht erstattet? — Das wird nicht gewünscht. Dann kommen wir zur Aussprache. Ich rufe Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift, auf. Wer einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Anhaltende Unruhe.)

— Sind so wenige Abgeordnete einverstanden? Meine Damen und Herren, ich bitte doch, Gespräche außerhalb des Sitzungsraums zu führen. Die Gespräche stören den Ablauf unserer Beratungen.
Ich lasse noch einmal abstimmen. Ich rufe Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift, auf. Wer einverstanden ist, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Ich schließe die zweite Beratung.
Wir kommen zur dritten Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift, auf. Wer zustimmen will, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltung? — Das Gesetz ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. Juli 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl/ Straßburg und Neuburgweier/Lauterburg
— Drucksache VI/309 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/676 —Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (13. Ausschuß)

— Drucksache VI/633 —Berichterstatter: Abgeordneter Wende (Erste Beratung 33. Sitzung)

Ich rufe Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift, auf. Wer in der zweiten Beratung und gleichzeitig in der Schlußabstimmung zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Enthaltungen? — Gegenstimmen ?
— Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 4:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Revisionsprotokoll vom 9. Juni 1969 zu dem am 21. Juli 1959 in Paris unterzeichneten Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern
— Drucksache VI/503 —
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (6. Ausschuß)

— Drucksache VI/668 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile (Erste Beratung 39. Sitzung)




Vizepräsident Dr. Schmid
Herr Berichterstatter? — Das Haus bezieht sich auf den Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich lasse abstimmen. Wer dem Gesetzentwurf in der zweiten Beratung und gleichzeitig in der Schlußabstimmung zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Haus hat dem Gesetzentwurf zugestimmt.
Punkt 5:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Schlachtgewichtsstatistik
— Drucksache VI/566 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (9. Ausschuß)

— Drucksache VI/689 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritgen (Erste Beratung 42. Sitzung)

In zweiter Beratung rufe ich auf: Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
In der
dritten Beratung
rufe ich Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift auf. — Wer zustimmen will, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen jetzt zu den ersten Beratungen, zunächst zu Punkt 6:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt
— Drucksache VI/674 —
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat verzichtet das Haus auf eine Begründung und auf die Aussprache. Der Vorschlag des Ältestenrates lautet: Überweisung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit als federführenden Ausschuß und an den Rechtsausschuß als mitberatenden Ausschuß. Ist das Haus einverstanden? — Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 7:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 118 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1962 über die Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern in der Sozialen Sicherheit
— Drucksache VI/650 —
Auch hier wird nach einer Vereinbarung des Ältestenrates auf Begründung und auf Beratung verzichtet. Der Vorschlag des Ältestenrates lautet: Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung. Ist das Haus einverstanden? — Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 8 a und 8 b der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes
— Drucksache VI/670 —
Erste Beratung des von dem Abgeordneten Vogel und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes
— Drucksache VI/665 —
Herr Dr. Stark hat ums Wort gebeten. Ich erteile ihm das Wort.

Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0604818600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion darf ich erklären, daß wir der Vorlage Drucksache VI/670 — dem Gesetzentwurf des Bundesrates — grundsätzlich zustimmen. Wir halten es für sinnvoll und erforderlich, daß bei der Kompliziertheit des Wirtschaftslebens und auch des Wirtschaftsstrafrechts die Möglichkeit geschaffen wird, im Bereich von Oberlandesgerichtsbezirken — es wird eine Streitfrage sein, ob auch darüber hinaus — ,die Verfolgung und Ahndung der Straftaten auf dem Wirtschaftsgebiet einem bestimmten Landgericht zuzuweisen.
Voraussetzung ist hierfür allerdings, daß man sich über die rechtlichen Schwierigkeiten verständigt, die dieser Gesetzentwurf in sich birgt, vor allem was den Instanzenzug betrifft. Denn hier ist nur vorgseehen, für die Strafkammer erstinstanzlich die Zuweisung zu ermöglichen. Das führt zu gewissen Schwierigkeiten, wenn das Amtsgericht als erste Instanz zuständig ist; dann kommt in der Berufungsinstanz praktisch die Sache nicht zu der 74 c-Kammer, wie sie der Entwurf nennt. Darüber muß also gesprochen werden.
Auch muß darüber gesprochen werden, ob, wenn die Strafkammer erstinstanzlich tätig wird, im Bereich der Oberlandesgerichte ein besonderer Senat für die Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten geschaffen werden sollte.
Wir sagen also ein grundsätzliches Ja zu diesem Entwurf. Über die rechtlichen Fragen, die auch in der. Stellungnahme der Bundesregierung aufgeworfen sind, müssen wir uns noch unterhalten.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang die Anregung an die Bundesregierung, sich nicht nur Gedanken zu machen, wie begangene Wirtschaftsstraftaten in Zukunft besser verfolgt werden können. Darüber hinaus müssen wir uns, glaube ich, einmal eindringlich darüber unterhalten, wie sie besser verhindert werden können. In der Presse liest man, daß der Schaden, der zur Zeit durch Wirtschaftsstraftaten angerichtet wird, in die Milliarden geht. Sehr oft werden kleine Leute und kleine Betriebe



Dr. Stark (Nürtingen)

durch die Schuld sogenannter „Weißer-Kragen-
Täter" in Konkurse und finanzielle Zusammenbrüche hineingezogen, wofür sie selbst überhaupt nichts können. Das ist, glaube ich, Anlaß genug, daß sich Bundesregierung und Bundestag einmal darüber unterhalten, ob dafür das materielle Strafrecht ausreicht und ob von den Gewerbeaufsichtsämtern und anderen Institutionen wirklich alles getan wird, um solche Straftaten zu verhindern, die — ich habe das selber als Anwalt erlebt — oft die Schwächsten der Schwachen treffen und mittelständische Betriebe in den Konkursstrudel hineinziehen, für deren Folgen diese Betriebe keinerlei Verantwortung trifft.
Wir sollten uns daher, meine Damen und Herren, bei der Beratung des vorliegenden Entwurfs auch darüber unterhalten, ob auf diesem Gebiet nicht eine Initiative möglich und notwendig wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604818700
Das Wort hat Herr Abgeordneter 'de With.

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0604818800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der SPD-Bundestagsfraktion darf ich die Gesetzesvorlage des Bundesrates, nach welcher die Möglichkeit gegeben werden soll, durch eine Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes die Zuständigkeit für Wirtschaftsstrafsachen von mehreren Landgerichten auf eines zu übertragen, begrüßen. Damit wird unserer Auffassung nach eine Möglichkeit zur besseren Bekämpfung der sogenannten „Weißen-Kragen-Kriminalität" geschaffen. Der Weg zur Bekämpfung dieser Kriminaliät ist bekanntermaßen schwierig und mühselig. Gestatten Sie mir hierzu einige kurze Anmerkungen.
Der in unserer Gesellschaft gestiegene Wertfaktor Geld hat nach den Kriminalstatistiken nicht nur zu einem Anstieg der Zahl der klassischen Vermögensdelikte, nämlich der Diebstähle, sondern auch — das ist jedenfalls zu vermuten — zu einem größeren Anstieg der Zahl der sogenannten Wirtschaftsstrafdelikte geführt. Die Dunkelziffer ist hier sehr, sehr groß. Sowohl bei der Aufklärung der klassischen Vermögensdelikte, der Diebstähle, als auch bei der von Wirtschaftsstrafdelikten gibt es bekanntlich Schwierigkeiten, obwohl wir besonders bei den Wirtschaftsstrafdelikten ein gesteigertes Interesse nicht nur daran halben sollten, möglichst viele aufzuklären, sondern auch daran, den Verfahrensgang zu beschleunigen, und zwar hauptsächlich aus drei Gründen.
Es ist schon 'darauf hingewiesen worden, daß der Schaden durch die „Weiße-Kragen-Kriminalität" sehr groß ist. Hier einige Zahlen, die das näher 'beleuchten. Nach der offiziellen Feststellung des Bundeskriminalamts betrug der Schaden bereits im Jahre 1964 92 586 000 DM. 'Das spricht dafür, daß wir heute im Schnitt pro Jahr nicht nur einen Schaden von etwa 100 Millionen DM, sondern einen weit größeren Schaden haben. Gemeinhin wird nämlich immer mit der Zahl von 100 Millionen DM Schaden operiert.
Zweitens. Es geht unserer Auffassung nach nicht an, daß auf dem Gebiet des Wirtschaftsstrafdelikts im Legalitätsprinzip, wenn man so sagen darf, ein großes Loch klafft. Eine gute Aufklärungsquote ist nach wie vor — das gilt auch hier — die beste Methode zur Abschreckung. Durch eine gute Aufklärungsquote muß der Vorstellung entgegengewirkt werden, daß Wirtschaftsstrafdelikte etwas Kavaliermäßiges an sich hätten und 'der Unwertgehalt solcher Delikte nicht groß sei. Denn hier kann man der Vorstellung begegnen, daß es nicht so schlimm sei, wenn eine „Finanzkrähe" der anderen ein Auge aushacke, und 'daß man doch ein Lächeln nicht unterdrücken könne, wenn einer dem anderen ein Millionen-Schnippchen schlage. Die Kriminaliät ist hier genauso verwerflich — und oft brutaler in ihrer Auswirkung — wie sonst. Ich darf hierzu den Moraltheologen Professor Schöllgen zitieren, der gesagt hat:
Einige menschliche Wölfe, die keine Hemmungen kennen, können eine ganze Gemeinschaft vor die Alternative von Mittun und Untergang stellen. Die „White-Collar-Kriminalität" setzt die Dynamik eines Sogs nach unten in Kraft.

(Abg. Vogel: Das gilt aber in vielen Bereichen!)

Drittens. Unsere Meinung ist, daß wir ein gesteigertes Interesse daran haben sollten, daß gerade hier der Verfahrensgang beschleunigt wird. Wer etwas mit solchen Straftaten zu tun hat, der weiß, daß das Verfahren nirgends mühseliger ist und länger währt als gerade hier. Ein rasches Urteil hilft nicht nur, dem Verlust von Beweismaterial entgegenzuwirken; ich meine, es trägt auch zur Rechtssicherheit bei.
Nun, das Aufzeigen der Probleme ist relativ einfach. Die Schwierigkeit besteht darin, Methoden zu ihrer Lösung zu finden. Es geht dabei nicht nur darum, die Tatbestände klassischer Delikte, wie den Betrugstatbestand, zu verbessern. Wir sollten uns Gedanken machen — und das gilt für das Parlament genauso wie für die Bundesregierung —, ob wir nicht Vorstellungen wie die 'des Kölner Staatsanwalts Franzheim entwickeln sollten. Ich verweise auf seinen Aufsatz in der „Zeitschrift für Rechtspolitik" 1969, Seite 203. Wir müssen durch Bestimmungen vorbeugender Art frühzeitiger in den Prozeß eingreifen, damit Millionenschäden verhindert werden.
Die Polizei hat auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität gute Vorarbeit geleistet. Ich meine, ihr gebührt ein Sonderlob. Ich erinnere nur an die vielen Aufsätze in der Zeitschrift „Kriminalistik".
Die Länder haben das Ihre getan durch Zusammenfassung bei Staatsanwaltschaften und, soweit möglich, bei Strafkammern eines Gerichts. Aber hier klafft eine Lücke. Bei kleinen Gerichten ist das schon nicht möglich. Deswegen ist es zu begrüßen, daß hier die Möglichkeit geschaffen wird, durch Konzentration auf ein Landgericht aus dem Bereich mehrerer Landgerichte Kammern mit großer Sachkunde zu schaffen, die in der Lage sind, dem zu begegnen, was uns, wie ich ausgeführt habe, alle bedrückt.



Dr. de With
Noch zwei kurze Bemerkungen zur Notwendigkeit von Überprüfungen. Es ist hier bereits darauf hingewiesen worden, daß die Vorlage des Bundesrates eine Zusammenfassung bei den Landgerichten nur für die erste Instanz vorsieht. Wenn ein Ver: fahren beim Amtsgericht beginnt und dann in die Berufung geht, kommt die Berufung nicht zu einer solchen Strafkammer mit Sachkunde, die hier vorgesehen ist, sondern zu einer, die auch andere Delikte aburteilen muß. Es wäre also zu prüfen, ob man nicht durchgängig eine Konzentration ermöglicht. Des weiteren sollte geklärt werden, ob die Zuständigkeitskonzentration lediglich im Bereich eines Oberlandesgerichts oder im Bereich mehrerer erfolgen kann.
Abschließend darf ich noch einmal sagen, daß wir diese Initiative begrüßen. Es wäre wünschenswert, wenn von dieser Vorlage aus die Diskussion über die Bekämpfung der Wirtschaftsdelikte erneut einen Anstoß erhielte.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604818900
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0604819000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Grund dessen, was meine beiden Herren Vorredner gesagt haben, kann ich mich kurz fassen. Für die Freie Demokratische Partei darf ich erklären, daß auch wir diesem Gesetzentwurf im Prinzip zustimmen. Wir begrüßen es, daß eine derartige Vorlage hier zur Diskussion gestellt ist und daß sich die zuständigen Ausschüsse und nachher der Bundestag mit den schwerwiegenden Problemen der Wirtschaftskriminalität einmal eingehend befassen werden. Ich kann die Ausführungen meiner beiden Vorredner in vollem Umfang unterstreichen.
Ich möchte auf folgendes hinweisen. Wenn Herr Kollege de With darauf hingewiesen hat, es komme darauf an, diese Verfahren vor allen Dingen zu beschleunigen, so kann ich ihm in vollem Umfang zustimmen. Ich weiß aus Besprechungen mit Staatsanwälten, die schon mit der Verfolgung derartiger Wirtschaftskriminalität zu tun hatten, daß bei der Staatsanwaltschaft insofern sehr schwierige Verhältnisse vorliegen. Nicht, daß die Staatsanwälte keine entsprechende Eignung besäßen, aber es handelt sich dabei um sehr umfangreiche Komplexe. Damit es den Kollegen und Kolleginnen etwas anschaulicher wird, möchte ich auf ein Beispiel verweisen. Vor einigen Jahren ist eine große Reklame für sogenannte Ferienheimzertifikate angelaufen. Es wurde angekündigt, wenn man für 1400 DM das Zertifikat erwerbe, werde man Miteigentümer von den und den Ferienheimkomplexen, die dort und dort erstellt würden. Natürlich wurden Orte im Ausland genannt. Bei der Strafverfolgung kommt dann die Schwierigkeit hinzu, daß diese Gesellschaften außerordentlich verschachtelt sind und natürlich den Sitz ihrer Hauptverwaltung nicht in Deutschland haben, sondern irgendwo draußen, wodurch für die Staatsanwaltschaften die Verfolgung außerordentlich erschwert wird, Mit diesen Ferienzertifikaten — das ist nur ein kleines Beispiel — wurden keine Großkapitalisten geschädigt, sondern hauptsächlich solche Leute, die eben auch für ihre Ferien ein Heim haben wollten und die mit ihren Ersparnissen hereingelegt wurden.
Hier fragt sich, wie die Ermittlungen beschleunigt werden können. Hier sollte vor allen Dingen auch das eine geprüft werden: Ist es wirklich notwendig, in derartigen Fällen, wo es sich um tausende von Einzelfällen handelt, alles bis ins letzte restlos aufzuklären, oder sollte man nicht einige prägnante Fälle herausgreifen und schon einmal Anklage erheben, damit den betreffenden Leuten das Handwerk gelegt wird?
Ein anderer Komplex, den ich in diesem Zusammenhang ansprechen möchte, ergibt sich aus der Kompliziertheit der EWG-Gesetzgebung. Hier handelt es sich um Gelder der öffentlichen Hand, die gegebenenfalls in unrechtmäßiger Weise in Anspruch genommen werden, etwa durch Subventionen und was da alles möglich ist. Ich erinnere an das Getreideschiff, das von einem Hafen zum anderen gefahren ist und 'der öffentlichen Hand einen Schaden von Hunderten von Millionen verursacht hat. Um derartigen Dingen auf die Spur zu kommen, gibt es bereits Konzentrationen für die Strafverfolgung auf internationaler Ebene, was wir in vollem Umfang unterstützen. Das wird vor allen Dingen dazu beitragen, derartige Wirtschaftskriminalität zu verhindern. Wir werden uns dabei nicht auf den deutschen Bereich beschränken können, sondern müssen zur Verhinderung gerade dieser allergrößten Fälle zu einer internationalen Zusammenarbeit kommen.
Damit habe ich nicht die rein juristischen Probleme angesprochen; aber nachdem die juristischen Probleme schon von meinen Vorrednern ausgeführt wurden, wollte ich einmal konkret auf diese Beispielsfälle hinweisen.
Wir hoffen, daß es gelingt, durch Konzentration auf entsprechende sachverständige Staatsanwaltschaften, wie es bei den Ländern schon geschehen ist, und nachher auf entsprechende Kammern, die ihren Erfahrungsschatz auf Grund einzelner Verfahren später bei anderen Verfahren mitverwerten können; dazu zu kommen, wirksam die Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen. Den kleinen Dieb hängt man — natürlich hängt man ihn bei uns nicht mehr —, d. h. man bestraft ihn; ich bin aber der Meinung, daß es nicht so sein darf, daß die Strafe um so länger auf sich warten läßt, je größer der „Diebstahl" und je größer der Betrug ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604819100
Wird noch das Wort zu Punkt 8 b der Tagesordnung gewünscht? — Abgeordneter Vogel!

Friedrich Vogel (CDU):
Rede ID: ID0604819200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem Ihnen vorliegenden Entwurf zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes darf ich namens der Fraktion der CDU/CSU folgendes erklären:



Vogel
Kürzlich haben sowohl der Bundesarbeitskreis Christlich-Demokratischer Juristen als auch der vom Kollegen Dr. Jaeger geleitete Arbeitskreis Juristen der Christlich-Sozialen Union Vorschläge zu einer Reform der Juristenausbildung vorgelegt. Der Ihnen vorliegende Entwurf stellt ein wichtiges Teilstück der Maßnahmen dar, die zur Verwirklichung dieser Vorschläge erforderlich sind. Wir befinden uns zur Zeit mitten in einer zum Teil heftig geführten Diskussion über die Ausbildung der Juristen. Es ist eine Diskussion, die sich nicht nur mit den Mängeln der bestehenden Ausbildung und des bestehenden Ausbildungssystems, nicht nur mit der Frage befaßt, wie diese Mängel behoben werden können, sondern die wesentlich weiter geht, die an die Grundlagen der Juristenausbildung herangeht, die sowohl Aufgabe als auch Zielsetzung der Juristenausbildung und damit den Inhalt der Ausbildung unserer Juristen betrifft, die die Frage der Juristenausbildung also grundsätzlich angeht.
Ich glaube, daß es sehr gut ist, wenn wir uns auch mit dieser Diskussion hier beschäftigen, vor allen Dingen wenn wir sehen müssen, daß diese Diskussion über die Ausbildung der Juristen auf dem tieferen Hintergrund einer Auseinandersetzung um die Stellung der Rechtswissenschaft und um die Stellung des Juristen in unserer Gesellschaft stattfindet. Sicherlich erfordert diese Diskussion über die Stellung der Rechtswissenschaft, über die Stellung des Juristen in der Gesellschaft die volle Aufmerksamkeit der Politiker und auch die volle Aufmerksamkeit des Gesetzgebers, gerade deshalb des Gesetzgebers, weil es hier gewisse radikale Vorstellungen gibt, die, wenn sie sich durchsetzten, unsere Funktion als Gesetzgeber, um es überspitzt zu sagen, überflüssig machen würden.
Wir dürfen nicht übersehen, daß es hier nicht nur um eine Diskussion über den sinnfälligen Inhalt der Rechtswissenschaft und um eine sinnvoll geordnete Ausbildung der Juristen, um eine möglichst effektive, möglichst intensive Ausbildung der Juristen geht, sondern daß hier aus bestimmten Ecken eine Diskussion auch mit einer ideologisch-politischen Zielsetzung geführt wird. Wir werden nicht umhin können, uns mit diesen ideologisch-politischen Zielsetzungen auseinanderzusetzen.
Dort gibt es die Zielsetzung einer politischen Rechtswissenschaft, der es darum geht, das Recht ideologisch zu verändern. Wir haben im anderen Teil Deutschlands erlebt, wie eine Rechtsordnung von einer Ideologie her aufgebrochen werden kann. Wir werden hier, glaube ich, den Anfängen zu wehren haben.
Mit der Zielsetzung einer politischen Rechtswissenschaft ist verbunden auch die Zielsetzung eines politischen Juristen. Nun werden wir uns alle darüber unterhalten können, daß Jurist sein und Politiker sein, daß Juristerei und Politik nicht Dinge sind, die nebeneinanderherleben, und daß sicherlich auch die Aufgabe desjenigen, der das Recht anwendet, eine eminent politische Aufgabe ist.
Aber eben darum geht es denjenigen, von denen ich spreche, nicht. Die Vorstellung des politischen
Juristen ist die Vorstellung eines Juristen, der als Jurist Politiker ist, die Vorstellung vom „Rechtsanwender", der gleichzeitig. „Rechtsetzer" ist. Und das ist die Frage, um die es hier geht. Wir werden dies, meine Damen und Herren, hier sicherlich in der ersten Lesung dieses Entwurfs nicht vertiefen können, aber ich meine, hier ist eine Diskussion in Gang gekommen, die unsere Aufmerksamkeit erfordert und an der wir uns zu beteiligen haben, eine Diskussion, die sicherlich Anregungen auch für unsere Überlegungen bietet und die sicherlich den Vorteil hat, daß sie gewisse Erörterungen in Gang gebracht hat, mit deren Tendenz wir uns aber auseinandersetzen müssen, deren Zielsetzung wir kennen müssen und über deren Zielsetzungen wir hier miteinander zu sprechen haben.
Wenn wir über eine Reform der Juristenausbildung sprechen, dann ganz klar unter dem Tenor, daß wir die dringend notwendige Reform der Juristenausbildung wollen. Wir erklären gleichzeitig, daß wir jeden Versuch bekämpfen, die Rechtswissenschaft, die Ausbildung der Juristen und die das Recht anwendenden juristischen Berufe ideologischpolitisch umzufunktionieren. Dieses Thema haben wir vor uns. Ich kann hier nur mit Hanno Kühnert sagen: „Das Grauen vor dem politischen Richter sitzt tief bei uns in Deutschland."
Meine Damen und Herren, der uns vorliegende Entwurf öffnet den Weg zu einer grundlegenden Reform der Juristenausbildung. Er bezieht alles das mit ein, was bezüglich des Inhalts und der methodisch-didaktischen Seite der Juristenausbildung in der Diskussion ist. Dieser Entwurf eröffnet den Weg zur Erprobung von neuen Ausbildungsmodellen, insbesondere von solchen Ausbildungsmodellen, die Studium und praktische Erprobung der Juristen in einer sogenannten einstufigen Ausbildung zusammenfassen. Um die Landschaft aufzuzeigen, brauche ich hier nur das Loccumer Modell, das Hamburger Modell, das Münchener Modell zu erwähnen. Wir sind der Auffassung, daß all das, was hier vorgeschlagen ist, auf seine praktische Brauchbarkeit erprobt werden muß. Aber natürlich braucht eine solche Modellerprobung ihre Zeit. Das vergessen die Eiferer in der Diskussion über die Reform der Juristenausbildung manchmal. Dieser Prozeß dauert zwangsläufig Jahre. Man ist sicherlich realistisch, wenn man davon ausgeht, daß ein Zeitraum von zehn Jahren, in dem Erfahrungen mit solchen Modellen gewonnen werden müssen, ehe der Gesetzgeber praktische Konsequenzen für eine grundlegende Reform oder, wenn Sie so wollen, für den großen neuen Wurf in der Juristenausbildung ziehen kann, nicht zu gering angesetzt ist.
Deshalb ist es notwendig, auf der Grundlage des derzeitigen Ausbildungssystems so schnell und so nachhaltig wie möglich Sofortmaßnahmen zu treffen, um das jetzige Ausbildungssystem so intensiv und effektiv wie möglich zu gestalten und gleichzeitig dafür zu sorgen, daß die Ausbildung der Juristen nicht immer länger wird, sondern kürzer als heute werden kann, daß der Leerlauf, der heute in der Ausbildung überall feststellbar ist, verschwindet. Die Zeit darf nicht unnütz vergeudet werden.



Vogel
Wir müssen dafür sorgen, daß der junge Jurist so früh wie möglich in das Berufsleben eintreten kann. In allen Bereichen stellt sich die Aufgabe, die Ausbildung abzukürzen, statt sie immer mehr zu verlängern. Das bedeutet aber, daß die Ausbildungsgänge intensiver und effektiver werden müssen. Das bedeutet aber auch — das muß man hinzufügen —, daß der Student, der junge Referendar an seiner Ausbildung persönlich intensiver und effektiver arbeiten muß, als das heute vielfach der Fall ist.
Zu den Sofortmaßnahmen, die zur Verbesserung des jetzigen Ausbildungssystems erforderlich sind, gehören nicht zuletzt Maßnahmen zur besseren Gestaltung des praktischen Vorbereitungsdienstes. Ich will hier gar nicht die ganze Geschichte, die zu dem derzeitigen System des praktischen Vorbereitungsdienstes geführt hat, aufzeigen. Diese Geschichte ist nicht frei von einer Menge von Kuriositäten und Zufälligkeiten. Aber eines steht fest: der Vorbereitungsdienst in der heutigen Form ist nicht geeignet, den Juristen zum Ziel seiner Ausbildung zu führen. Gerade beim Vorbereitungsdienst sind grundlegende Reformmaßnahmen erforderlich. Dazu gehört sicherlich auch die Abkürzung des Vorbereitungsdienstes. Ich warne allerdings davor, die Frage der Abkürzung des Vorbereitungsdienstes zum Hauptproblem dieser Diskussion zu machen.
Es wird darüber diskutiert, ob der Vorbereitungsdienst 21 oder 24 Monate dauern soll. Ich würde sagen, bleiben wir zunächst einmal bei 24 Monaten und versuchen wir, daraus etwas Vernünftiges zu machen! Dazu gehört das, was in unserem Entwurf vorgeschlagen ist: neben der Abkürzung die Konzentration auf weniger, dafür längere Ausbildungsblöcke. Dazu gehören aber mit Sicherheit — und das ist noch wichtiger — ergänzende Maßnahmen in den Ländern. Weiter gehört dazu, daß die Ausbildung in den einzelnen Ausbildungsstationen effektiver und besser wird, daß die Auswahl der Ausbilder besser wird. Ferner gehört dazu, daß der Referendar in der Ausbildung bereits selbstverantwortlicher tätig sein kann, als es heute der Fall ist. Sicherlich gehört dazu auch, daß wir die Arbeit in den Referendararbeitsgemeinschaften intensiver als heute gestalten. Das Schwergewicht wird stärker in die Arbeitsgemeinschaften verlagert werden müssen. Auch hierüber hat meine Partei Vorstellungen entwickelt.
Meine Damen und Herren, ich will abschließend sagen: was wir wollen, ist eine zwar kürzere, aber bessere und deshalb für die Betroffenen auch anstrengendere Ausbildung. Das ist die Zielsetzung dieses Entwurfs. Ich bin sicher, daß wir uns in der Grundtendenz dieses Anliegens einig sind und hier einen Beitrag zur Reform zur Juristenausbildung leisten können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604819300
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Beermann.

Dr. Friedrich Beermann (SPD):
Rede ID: ID0604819400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können dem Kollegen Dr. Vogel insoweit zustimmen, als die derzeitige Ausbildung der Juristen in der Tat dringend reformbedürftig ist. Selbstverständlich muß die Reform, wie auch wir sie vorantreiben wollen, auf dem gesamten geistesgeschichtlichen Hintergrund gesehen werden, wie er sich jetzt in unserer Gesellschaft darstellt.
Wir kennen auch die radikalen Strömungen, die es zum Teil gibt und die in die Richtung gehen, diesen Staat, diese Gesellschaft zu negieren und die Richterausbildung in eine Richtung hinein umzufunktionieren, die ihre Basis nicht mehr in den ethischen Grundwerten unserer Verfassung hat. Trotzdem müssen wir sehen, welche Kräfte und welche Initialzündungen gerade auch aus diesem Bereich kommen, um die Basis zu überprüfen, von der wir ausgehen müssen, wenn wir diese Reform hier ansetzen.
Nun zum einzelnen. Es hat sich herausgestellt, daß die Ausbildung der Juristen viel zu lange und zu wenig effektiv ist und in ihrer Ausgestaltung in der Praxis in einem von den betroffenen Referendaren mit Recht wiederholt gerügten krassen Gegensatz zu den Prüfungsanforderungen steht. Das Prüfungswissen vermittelt weit mehr der Repetitor und viel weniger die Universität. Wir müssen als Ziel der Reform eine Juristenausbildung vor Augen haben, die einen qualifizierten Juristen heranzieht, der nicht nur mit der modernen Rechtswirklichkeit vertraut ist, sondern Recht, Gesellschaft und — ich möchte hinzufügen — die ethischen Grundsätze unserer Verfassung und ihre Zusammenhänge begreifen und begreiflich machen kann. Ich meine, daß damit die Reform der gesamten Juristenausbildung in einen ganz engen Zusammenhang mit der Justizreform rückt

(Abg. Vogel: Sehr richtig!)

und damit zugleich Voraussetzung und Teil des von der Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung entworfenen rechtspolitischen Konzepts ist.
Der Bundesjustizminister hat mit dieser Zielsetzung in seinem Hause einen Referentenentwurf erstellen lassen, der bereits vor Monaten den Landesjustizverwaltungen zur Stellungnahme zugeleitet worden ist. Am 20. April hat im Bundesjustizministerium eine Aussprache über diesen Entwurf mit Vertretern zahlreicher interessierter Gruppen stattgefunden. Die bei dieser Anhörung abgegebenen, zum Teil unter sich sehr differierenden Stellungnahmen bedürfen einer sorgfältigen Auswertung, mit der das Bundesjustizministerium zur Zeit befaßt ist.
Angesichts dessen ist es zwar erfreulich, daß nun auch die Opposition die Dringlichkeit des Anliegens unterstützt, in der Sache selbst jedoch Ist ihr Tätigwerden zu diesem Zeitpunkt wenig hilfreich, wenn sie, ohne die noch erforderliche Vorklärung abzuwarten, mit ihrem Gesetzentwurf, der dem Referentenentwurf des Justizministeriums in weiten Teilen, so möchte ich es einmal sagen, „nachempfunden" worden ist, nunmehr vorprellt. Der Entwurf der Opposition wirkt, was nach dem Voranstehenden wenig verwunderlich ist, noch nicht ausgereift.
Der Entwurf enthält, insoweit wiederum in völliger Übereinstimmung mit dem Referentenentwurf



Dr. Beermann
des Bundesjustizministers, die folgenden zwei wesentlichen Punkte. Einmal soll der Vorbereitungsdienst verkürzt und umstrukturiert werden. Zum anderen soll in das Richtergesetz eine sogenannte Experimentierklausel eingebaut werden, die es den Ländern gestattet, die Juristenausbildung grundlegend neu zu gestalten und insbesondere in einem einstufigen Ausbildungsgang zusammenzufassen. Nur durch die auf diese Weise gewonnenen neuen Erfahrungen wird auf die Dauer die Ausbildung wirklich entscheidend reformiert und auf eine neue, den heutigen Verhältnissen angemessene Basis gestellt werden können.
Die Ausgestaltung, die dieses Konzept in dem Gesetzentwurf der Opposition jedoch gefunden hat, wird noch sorgfältig überprüft werden müssen.

(Abg. Vogel: Dazu sind wir bereit!)

Folgende Gesichtspunkte seien erwähnt. Es wird zu überprüfen sein, ob im Hinblick auf eine möglichste Straffung des Vorbereitungsdienstes die Verkürzung von bisher 30 auf immerhin noch 24 Monate genügt. Allerdings setzt eine weitere Straffung voraus, daß Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen weitgehend übereinstimmen. In dieser Hinsicht sagt der Entwurf selbst nichts.
Es wird ferner zu überprüfen sein, ob die im Entwurf der Opposition vorgesehene Zweijahresfrist für den Vorbereitungsdienst genügend abgestimmt ist mit der in § 113a vorgesehenen Mindestausbildungsfrist von fünfeinhalb Jahren.
Es wird weiter zu prüfen sein, ob die von der Opposition vorgeschlagene Aufteilung des Vorbereitungsdienstes nicht noch wesentlich besser ausgestaltet werden könnte. Insbesondere wird zu überlegen sein, in welchem Umfang der Referendar die Möglichkeit haben sollte, schon im Rahmen des Vorbereitungsdienstes Stationen zu durchlaufen, die im Hinblick auf seine spätere Berufspraxis für ihn besonders geeignet sind.

(Abg. Vogel: Ist ja vorgesehen!)

Schließlich wird zu überlegen sein, ob man nicht wenigstens den Stadtstaaten die Möglichkeit geben sollte, künftig allein die einstufige Ausbildung anzubieten.

(Abg. Vogel: Da wird sicher ein Dissens liegen!)

Durch eine solche allein auf die Stadtstaaten bezogene Einschränkung der überkommenen zweistufigen Ausbildung würde der Grundsatz der Freizügigkeit nur unwesentlich eingeschränkt.

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Aber eingeschränkt, Herr Kollege!)

Andererseits würde auf diese Weise den genannten Justizverwaltungen die Möglichkeit gegeben werden, sich ganz auf das neue Ausbildungsexperiment zu konzentrieren, eine Voraussetzung, die nach allen bisherigen Erfahrungen entscheidend dafür
ist, daß es günstig aufgenommen wird und, wie zu hoffen, auf einen fruchtbaren Boden fällt.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Vogel: Soll künftig in Hamburg kein Vorbereitungsdienst mehr möglich sein?)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604819500
Das Wort hat Frau Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0604819600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht das erstemal, daß wir uns hier im Hohen Hause über die Juristenausbildung, insbesondere über die Gestaltung der Referendarzeit, unterhalten. Eine Reform nicht nur der Juristenausbildung, sondern auch der Ausbildung in anderen Wissenschaftszweigen — ich erinnere nur an die Philologie — ist heute dringlicher als je zuvor. Insofern habe ich natürlich Verständnis dafür, daß ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde, der dieses Problem anpackt.
Andererseits muß ich allerdings sagen, Herr Kollege Vogel, daß mich der Zeitpunkt außerordentlich überrascht. Sie haben erklärt, daß sich die CDU/CSU mit diesem Problem seit längerem befasse. Ich muß dann davon ausgehen, daß die CDU/ CSU zunächst einmal die Frage einer Änderung des § 5 des Richtergesetzes verfolgt hat, um gegebenenfalls die einstufige Ausbildung zu ermöglichen, und daß dies schon Gegenstand der Fragestunde gewesen ist. Der CDU/CSU-Fraktion ist sicherlich bekannt, daß sich der diesjährige Juristentag im September eingehend mit der Frage der Juristenausbildung befassen wird. Sie kennen doch die hockqualifizierten Gutachten, die gerade in diesem Gremium schon vor den Verhandlungen vorgelegt und an die Teilnehmer verschickt werden. Ich meine deshalb, daß man zunächst einmal diesen Juristentag und auch den Referentenentwurf abwarten sollte, damit man nachher ein vollständiges Material zur Hand hat und auf dieser Grundlage eine gute Arbeit hier im Hohen Hause leisten kann.
Vielleicht darf ich einmal eine Prognose stellen, Herr Kollege Vogel. Es ist ganz selbstverständlich, daß der Initiativantrag Ihrer Fraktion an den Rechtsausschuß überwiesen wird. Ich würde es aber nicht für sachdienlich halten, wenn man, obwohl man weiß, daß in Kürze qualifizierte Gutachten kommen, schon vor einer von den Praktikern getragenen Diskussion auf dem Juristentag zu einer Verabschiedung Ihres Entwurfs käme. Wenn man das Problem anpacken will, sollte man die Sache auch so gründlich machen, wie es die Materie verdient.
Mit Ihrem Gesetzentwurf wird nur die Referendarausbildung angesprochen. Zu einer modernen Ausbildung unserer Juristen, zu einer Ausbildung, die sich nicht nur auf das streng Juristische beschränkt, sondern die die Rechtsprechung und alle Aufgaben, die mit dem Recht zusammenhängen, in unsere gesellschaftlichen Verhältnisse und in die wirtschaftlichen Beziehungen eingebettet sieht, die also nicht abstrakt denkt, sondern das Recht in



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
seiner Vielgestaltigkeit, in seinen konkreten Beziehungen zum Leben betrachtet, gehört natürlich auch die Überlegung, wie die Ausbildung der Studenten an den Universitäten zu ändern ist. Wie können wir die Referendarausbildung besser gestalten, wenn nicht auf den Universitäten die entsprechenden Grundlagen dafür gelegt werden? Beides muß harmonisiert werden.
Hier ist schon auf verschiedene Modelle hingewiesen worden. Ich darf auch auf die konkrete Vorstellung des Süddeutschen Juristen- und Referendarverbandes hinweisen. Ich habe mit Juristen, die einer einstufigen Ausbildung sehr positiv gegenüberstehen, gesprochen, und mir ist gesagt worden, daß die einstufige Ausbildung in der Theorie leichter sei als in der Praxis. In der Praxis sei die Gestaltung insofern schwieriger, als das theoretische Wissen, das an der Universität erworben werde, durch entsprechende praktische Ausbildung bei den jeweiligen Gerichten — nehmen Sie ein ganz nüchternes Beispiel: Strafrecht, Strafprozeß — auf der Universität durch die praktische Ausbildung bei einem Schöffengericht oder einer Strafkammer ergänzt werden müsse. Das ist nicht immer sehr einfach. Aber man darf vor Schwierigkeiten nicht kapitulieren, wenn man der Meinung ist, daß Theorie und Praxis in der Ausbildung jeweils aufeinander abgestimmt sein müssen, was ich im Prinzip für richtig halte. Die Ausbildung wird dadurch tatsächlich intensiver. Sie wird vor allem dem Juristen plastisch die Zusammenhänge vor Augen führen. Sie wird zeigen, daß die Theorie ihre Berechtigung hat und für die Praxis von Bedeutung ist. Es darf nicht so bleiben, wie es jetzt manchmal ist, daß der Student nach einer qualifizierten Referendarprüfung aufs Gericht kommt und ihm dort gesagt wird: Das brauchst du hier alles nicht. Da zeigt sich manchmal die Diskrepanz, die besteht. Es ist zwar nicht überall so, aber es kommt immerhin vor. Die FDP ist deshalb der Meinung, daß die Juristenausbildung — gerade bei der Bedeutung, .die heute die Rechtsprechung in unserem sozialen Rechtsstaat erhalten hat — tatsächlich so effektiv und intensiv wie möglich gestaltet werden muß.
Ich bin auch der Meinung, daß wir bei uns in der Bundesrepublik zu einer Ausbildungszeit kommen sollten, wie sie im Ausland üblich ist. Ich habe mich vor kurzem auf einer internationalen Tagung mit einem französischen Professor der Rechtswissenschaften unterhalten. Ich habe ihn gefragt: Wie lange dauert es, bis die Juristen in Frankreich ausgebildet sind? Im Ausland ist es gang und gäbe, daß die akademische Ausbildung mit 25 Jahren abgeschlossen ist. Bei uns treten die jungen Akademiker durchschnittlich dagegen erst mit 30 Jahren oder noch später in das Berufsleben. Herr Furler, ich will auf dieses Problem im einzelnen nicht eingehen, zumal meine Redezeit abläuft. Ich habe jedenfalls festgestellt, daß die ausländischen Juristen nicht minder qualifiziert sind als die deutschen Juristen mit ihrer wesentlich längeren Ausbildungszeit. Manchmal sind die ausländischen Juristen sogar qualifizierter als die deutschen.

(Abg. Dr. Furler: Das hat andere Gründe als ,die Länge der Ausbildung!)

Ich sage das nur, um zu zeigen, daß man mit einer echten Reform, die gleichzeitig auch eine Verkürzung der Ausbildung mit sich bringt, zu einer guten Ausbildung kommen kann.
Es ist an dem Leerlauf in der heutigen Referendarausbildung ziemlich herbe Kritik geübt worden. Ich muß sagen, .daß es während meiner Referendarausbildung keinen Leerlauf gegeben hat.

(Abg. Vogel: Das lag vielleicht an Ihnen, gnädige Frau!)

— Nein! Das liegt an den Ausbildern. Ich kann nur sagen: auch die Arbeitsgemeinschaften, die ich in Stuttgart erlebt habe, waren außerordentlich fruchtbar und intensiv. Ich glaube, Herr Kollege Vogel, man darf diese Dinge nicht so generalisieren, wie Sie es machen. Die Ausbildung wird doch von den ,einzelnen Richtern und an den einzelnen Gerichten verschieden gehandhabt.
Vergessen Sie nicht, daß viele der Referendare den Wunsch haben, während ihrer Referendarzeit auch noch ihre Dissertation zu schreiben. Ich habe schon sehr oft erfahren, daß Referendare so intensiv eingesetzt wurden und sich so intensiv auf das Assessorexamen vorbereiten mußten, daß ihnen dazu keine Zeit mehr blieb.

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach]: Das ist ja auch nicht der Sinn der Referendarausbildung!)

— Herr Kollege Hauser, ich möchte Sie doch einmal
fragen: Wollen Sie, daß unsere jungen Juristen nach
dem Referendarexamen noch einmal zusätzlich
— außerhalb der Referendarzeit! — ein Jahr aufbringen müssen, nur um eine Dissertation zu schreiben?

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Wenn es eine anständige ist, ja!)

— Das entspricht aber nicht unserem Wunsch, daß unsere jungen Akademiker eher in den praktischen Beruf eintreten!
Im Zusammenhang mit der sogenannten einstufigen Ausbildung möchte ich auf folgende Problematik hinweisen. Wenn wir in einigen Ländern die Möglichkeit der einstufigen Ausbildung haben — ich bin nicht dafür, daß wir diese Möglichkeit nur den Stadtstaaten geben; wir können die Länder nicht ungleich behandeln — und -in anderen Ländern noch .die hergebrachte zweistufige Ausbildung, wird das natürlich eine ganze Reihe schwieriger Probleme mit sich bringen: nicht nur die gegenseitige Anerkennung der Examen — das wäre vielleicht noch nicht einmal so schwierig —,

(Abg. Vogel: Das ist ja doch wohl Grundvoraussetzung!)

sondern auch die Frage der Bindung der Juristen an ihre jeweiligen Heimat- bzw. Studienländer. Ich würde es begrüßen, wenn die Freizügigkeit, die in unserem Grundgesetz verankert ist, nicht nur an den Universitäten, sondern auch bei der Frage, wo eine Referendarausbildung stattfinden soll, erhalten bleibt.
Wir sind dankbar, daß die Reform der Juristenausbildung jetzt hier beraten wird. Wir sollten sie



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
gründlich beraten. Wir sollten sie im Zusammenhang mit einer Reform des juristischen Studiums sehen und danach streben, zu guten Lösungen zu kommen. Ich bin aber auch der Meinung, daß wir mit ganz besonderem Interesse verfolgen sollten, was der Juristentag uns in der Beziehung an qualifizierten Gutachten und Stellungnahmen in seiner Herbstsitzung vorlegen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604819700
Ich bin überzeugt, daß die Beratung außerordentlich gründlich und wohl auch grundsätzlich sein wird. Nur fürchte ich eines: In der Praxis wird nachher alles doch im Zeichen des Repetitors bleiben.

(Heiterkeit. — Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Das sollte nicht sein, Herr Präsident!)

Herr Staatssekretär Beyerl!

Dr. Alfons Bayerl (SPD):
Rede ID: ID0604819800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister der Justiz halten eine Reform der Juristenausbildung für dringend erforderlich. Aus diesem Grunde wurde in unserem Hause ein Referentenentwurf erstellt, der den Länderjustizverwaltungen — Herr Kollege Beermann hat bereits darauf hingewiesen — und den anderen Beteiligten im Februar dieses Jahres zur Stellungnahme zugeleitet wurde.
Herr Vogel, zufällig oder nicht zufällig — ich kann das nicht beantworten — entspricht der Initiativgesetzentwurf der CDU/CSU in fast allen Punkten im wesentlichen diesem Referentenentwurf unseres Hauses. Sollte diese Deckungsgleichheit kein Zufall sein, so würde ich es mindestens für kein glückliches Verfahren halten, einen unfertigen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums in diesem Hohen Hause als Initiativgesetzentwurf einzubringen.

(Abg. Vogel: Aus Ihrem Hause haben wir gar nichts! — Abg. Dr. Pinger: Unser Entwurf ist sachlich ausgereifter.)

Ich möchte den Damen und Herren der CDU/CSU sagen, daß die urheberrechtliche Frage dabei nicht unsere Sorge ist. Unsere Sorge gilt einer sachgerechten, modernen und vernünftigen Reform der Juristenausbildung.

(Abg. Vogel: Da stimmen wir überein!)

Mir scheint aber, daß der Initiativgesetzentwurf der CDU in der Entwicklung etwas nachhinkt. Sie haben anscheinend nicht bedacht, daß wir in unseren Referentenentwurf, der als Arbeitsgrundlage gedient hat, die Stellungnahmen der Länderjustizverwaltungen einarbeiten werden und daß wir diesen Referentenentwurf mit Sicherheit noch mit den Ergebnissen des Hearings anreichern werden, das unser Haus mit Referendaren, Professoren, Verbandsvertretern und mit den Länderjustizverwaltungen am 20. April durchgeführt hat.

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Schön!)

Darüber hinaus meinen wir, daß man mit der Änderung des Richtergesetzes gleichzeitig auch das Beamtenrechtsrahmengesetz, das Bundesbeamtengesetz und das Steuerbeamtenausbildungsgesetz ändern müßte, um eine einheitliche Juristenausbildung sicherzustellen.

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach]: Darüber läßt 'sich reden!)

Der Bundesminister der Justiz wird in Kürze — mit Sicherheit noch vor der Sommerpause — einen in dieser Weise überarbeiteten 'Referentenentwurf dem Bundeskabinett zuleiten. Grundsätzlich sind wir natürlich sehr froh darüber, daß sich die CDU/CSU-Fraktion so sehr der Juristenausbildung und der Reform dieser Ausbildung annimmt.

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach]: Wie schon seit langem, Herr Staatssekretär!)

Wir hoffen aber, Herr Hauser, daß Sie sich in Zukunft genau so offen für unsere neueren Erkenntnisse zeigen werden, die wir aus umfangreichen Arbeiten gewonnen haben. Dann, glaube ich, werden wir zu einem vernünftigen Reformwerk kommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0604819900
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage unter Punkt 8 a nur an den Rechtsausschuß zu überweisen, die unter Punkt 8 b an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Innenausschuß. Ist das Haus einverstanden? — Dann ist so beschlossen.
Punkt 9 der Tagesordnung:
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Umstellungsschlußgesetzes
— Drucksache VI/673 —
Auch hier haben die Fraktionen vereinbart, daß eine Begründung und eine Debatte nicht erfolgen sollen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Ausschuß für Wirtschaft und gemäß § 9 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Die Punkte 10 und 11 sind abgesetzt.
Ich rufe die Punkte 12 bis 15 sowie ' 18 und 19 der Tagesordnung zusammen auf:
12. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (12. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates



Vizepräsident Dr. Schmid
zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Kaseine und Kaseinate
— Drucksachen VI/285, VI/679 —Berichterstatter: Abgeordneter Dasch
13. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (12. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Mayonnaise, Soßen auf Grund von Mayonnaise und __andere emulgierte Gewürzsoßen
— Drucksachen VI/286, VI/678 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmidt (Krefeld)

14. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (12. Ausschuß) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für Richtlinien des Rates zur Festsetzung der Einzelheiten der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des Krankenpflegers für die allgemeine Pflege
— Drucksachen VI/73, VI/644—
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Schimschok
15. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (9. Ausschuß) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der EWG-Kommission für eine
Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse hinsichtlich der Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr
Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 986/68 hinsichtlich der Beihilfen für Magermilch für Futterzwecke
Verordnung (EWG) des Rates zur Ergänzung der Verordnung (EWG) Nr. 2599/69 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Apfel
18. Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 422/67/EWG, Nr. 5/67/EURATOM des Rates vom 25. Juli 1967 über die Regelung der Amtsbezüge für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des Gerichtshofes.
Drucksachen 11I/568, VI/680 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)

19. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (8. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EWG-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1541 und 1542/69 des Rates über die Einfuhr von Zitrusfrüchten aus Spanien und Israel
— Drucksachen VI/317, VI/677 —Berichterstatter: Abgeordneter Schollmeyer
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Die Ausschüsse empfehlen Kenntnisnahme der Vorschläge und darüber hinaus ,die Annahme von Entschließungen.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber über die Punkte 12 bis 15, 18 und 19 gemeinsam abstimmen? — Kein Widerspruch. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge in den Drucksachen VI/679, VI/678, VI/644, VI/647, VI/680 und VI/677. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Es ist einstimmige Annahme erfolgt.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung (einschließlich der Bundesvermögensrechnung) für das Haushaltsjahr 1967
— Drucksache VI/667 —
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Es wird Überweisung an den Haushaltsausschuß vorgeschlagen. — Das Haus ist einverstanden.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung der Ubersicht 4 des Rechtsausschusses (5. Ausschuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
— Drucksache VI/671 — Auch hier wird das Wort nicht gewünscht.
Wer der Empfehlung des Rechtsausschusses folgen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.



Vizepräsident Dr. Schmid
Meine Damen und Herren, die Tagesordnung ist damit erschöpft. Ich rufe den Bundestag auf Donnerstag, den 30. April, 9.00 Uhr zu einer Fragestunde ,ein.
Ich schließe die heutige Sitzung.