Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich zunächst unserem Kollegen Varelmann herzlich gratulieren, der am 3. November 65 Jahre alt geworden ist.
Alsdann teile ich mit, daß für den Abgeordneten Dr. Schmidt , der mit Wirkung vom 3. November ausgeschieden ist, der Abgeordnete Zander mit Wirkung vom gleichen Tage und für den Abgeordneten Brandes mit Wirkung vom 4. November 1969 der Abgeordnete Pohlmann in den Bundestag eingetreten sind. Ich darf die beiden Kollegen in unserer Mitte herzlich begrüßen und wünsche ihnen eine gute Zusammenarbeit mit uns.
Ich rufe dann Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache VI/34 -
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf. Ich frage, ob der Abgeordnete im Saale ist. — Der Abgeordnete ist nicht im Saale. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Dröscher auf:
Warum werden Berufssoldaten, die ihre Arbeitsdienstpflicht am 1. April 1935 begannen und unmittelbar anschließend in den Dienst der früheren deutschen Wehrmacht gelangten, für die 131er-Versorgung diese sechs Monate nicht angerechnet, während umgekehrt ehemaligen Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes die hei der Wehrmacht verbrachte Zeit angerechnet wird?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister Genscher.
Herr Abgeordneter, die Arbeitsdienstpflicht für die männliche Jugend ist erst durch das Reichsarbeitsdienstgesetz vom 26. Juni 1935 eingeführt worden. Vor dem 1. Oktober 1935 wurden sechsmonatige Dienstzeiten im freiwilligen Arbeitsdienst abgeleistet.
Davon ausgehend, beruht die in Ihrer Frage dargestellte Anwendung des Gesetzes zu Art. 131 des
Grundgesetzes auf dem zugrundeliegenden früheren Versorgungsrecht der Wehrmacht und des Reichsarbeitsdienstes. So wurde und wird bei der sogenannten Statuszeit der berufsmäßigen Reichsarbeitsdienstführer die Zeit der Erfüllung der aktiven Dienstpflicht in der Wehrmacht in bestimmtem Umfange als Arbeitsdienstzeit gerechnet. Dagegen war und ist eine Dienstzeit im freiwilligen Arbeitsdienst auf die Statuszeit der früheren Berufsunteroffiziere mit weniger als 12 Dienstjahren nicht anrechenbar. Auf die zehnjährige Statuszeit der früheren Berufsoffiziere wird eine nichtberufsmäßige Dienstzeit im freiwilligen Arbeitsdienst vom 1. April 1935 bis
30. September 1935 nicht mehr angerechnet, weil diese Anrechnung früher an der Ruhegehaltfähigkeit ausgerichtet war, die genannte Dienstzeit aber heute nach dem Bundesbeamtengesetz nicht ruhegehaltfähig ist.
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Dr. Meinecke auf — der Abgeordnete ist im Saal —:
Verfügt die Bundesregierung über annähernd exakte Zahlen der kriminalpolizeilich sichergestellten, illegal gehandelten Rauschgiftmengen während der abgelaufenen drei Quartale des Jahres 1969?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister Genscher.
Beim Bundeskriminalamt sind vom 1. Januar 1969 bis zum
31. Oktober dieses Jahres folgende Mengen in der Bundesrepublik kriminalpolizeilich sichergestellter, illegal gehandelter Rauschgifte registriert worden: Cannabis 1560 kg, Rohopium 34 kg, Heroin 1 kg, LSD 310 Portionen in Zuckerform, 208 Portionen in Blättchenform und 922 Tabletten.
Ich muß darauf hinweisen, daß die Menge der registrierten Rauschgifte in allen Fällen die Gesamtzahlen des vorausgegangenen Jahres zum Teil ganz erheblich übersteigt. Besonders deutlich wird das bei der Entwicklung von Cannabis und Rohopium. Beim ersteren nahm die Entwicklung seit 1965 folgenden Verlauf: 1965 45 kg, 1966 134 kg, 1967 167 kg, 1968 380 kg; bei Rohopium 1965 123 g, 1966 8 kg, 1967 19 kg, 1968 31 kg.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Meinecke.
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248 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1969
Herr Bundesminister, ist es richtig, wenn ich das, was Sie „ganz erheblich übersteigt" nennen, so interpretiere, daß es sich um fast das 25fache innerhalb der letzten vier Jahre handelt?
So ist es.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Dr. Meinecke.
Herr Bundesminister, sind diese erhöhten Mengen Ausdruck einer verbesserten kriminalpolizeilichen Technik, oder sind sie etwa ein Ausdruck des insgesamt gesteigerten Mißbrauchs dieser Rauschgifte, der der Polizei nicht zur Kenntnis kommt?
Ich glaube, daß beide Faktoren auf die Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, einwirken, also der erfreuliche Faktor einer Verbesserung der kriminalpolizeilichen Arbeit und damit auch eine Erhöhung der Aufklärungsquote, auf der anderen Seite aber auch der Faktor eines stärkeren Mißbrauchs. Die Bundesregierung widmet gerade diesem Problem ihre besondere Aufmerksamkeit. Ich weise darauf hin, daß gestern ein erster Meinungsaustausch zwischen den beteiligten Ressorts über diese Frage und über notwendigerweise zu ergreifende Maßnahmen in meinem Hause stattgefunden hat.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Rösing auf:
Wie viele Referenten der Bundesministerien sind seit dem 20. Oktober 1969 aus ihrem bisherigen Tätigkeitsbereich versetzt worden?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister Genscher.
Herr Abgeordneter, seit dem 20. Oktober 1969 sind 18 Referenten aus ihrem bisherigen Tätigkeitsbereich versetzt worden. Es handelt sich hierbei überwiegend, aber nicht ausschließlich um persönliche Referenten und Referenten aus dem Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rösing.
Herr Bundesminister, ist es zutreffend, daß im Bereich des Kanzleramtes, des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung und in anderen Ressorts im Zuge des Regierungswechsels Beamte und Angestellte von der Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte entbunden worden sind, und zwar auch, wenn sie nicht unter die Vorschrift des § 36 des Bundesbeamtengesetzes fallen?
Ich halte das für möglich. Da sich die Frage aber nicht auf
diesen Bereich bezog, fehlen mir im Augenblick Unterlagen, um diese Zusatzfrage genau beantworten zu können.
Auf welche rechtliche Grundlage stützen sich diese Maßnahmen?
Die Versetzung kann, wenn sie vorübergehend oder für wenige Tage geschehen ist, organisatorische Gründe gehabt haben. Ich sage aber noch einmal: Ich halte das, was Sie angesprochen haben, für möglich. Ich kann es jedoch nicht bestätigen.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Rommerskirchen.
Herr Bundesminister, nachdem es doch nicht so zu sein scheint, wie Sie sagen, daß es sich vornehmlich um persönliche Referenten handelt, sondern leicht nachweisbar auch um Fachreferenten handelt, frage ich: Hat der Dienstherr in diesen Fällen im Hinblick auf seine Fürsorgepflicht nach § 79 des Bundesbeamtengesetzes geprüft, ob diese Beamten adäquat an anderen Stellen eingesetzt werden können?
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Einzelfälle nennen würden.
Welche Folgewirkungen eine solche Umbesetzung im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit haben kann, könnte ich Ihnen z. B. an Hand meines Hauses darstellen. In dem Bemühen, nach Möglichkeit viele Stellen — in der Folge von notwendig gewordenen Veränderungen — mit Beamten aus dem Hause zu besetzen, habe ich einen Referatsleiter aus dem Hause zum Pressereferenten im Innenministerium bestellt, was die Notwendigkeit nach sich zog, die bisherige Stelle dieses Beamten als Leiter des Sachreferats neu zu besetzen. Das hatte wiederum Folgewirkungen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage der Abgeordnete Rommerskirchen.
Herr Bundesminister, Ihre Antwort läßt erkennen, daß Sie die Frage des Kollegen Rösing nur auf Ihr Haus beziehen. Die Frage ist im Hinblick auf alle Ressorts gestellt. Herr Präsident, darf ich die Frage des Herrn Ministers an Hand eines Beispiels sofort beantworten? Er bat mich, ihm Beispiele zu nennen.
Nein, das ist hier eine Fragestunde. Sie können diese Ihre Kenntnis schriftlich mitteilen.
Herr Minister, dann teile ich Ihnen Fälle mit.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1969 249
Herr Präsident, ich habe zur Darstellung, warum sich auch in Fachreferaten die Notwendigkeit der Umbesetzung ergeben kann, beispielhaft auf mein Haus verwiesen. Die genannte Zahl von 18 bezieht sich auf den gesamten Bereich der Bundesregierung.
Ich möchte noch hinzufügen, daß mit weiteren Umbesetzungen schon deshalb gerechnet werden muß, weil Ministerien, die in andere Ministerien überführt wurden, organisatorisch natürlich eingegliedert werden müssen. Denken Sie etwa an die Zentralabteilung des früheren Vertriebenenministeriums. Solche Referate und ähnliche Referate müssen in die bestehenden, mit gleichen Aufgaben beauftragten Referate des Bundesministeriums des Innern eingegliedert werden. Dasselbe gilt auch für andere Bereiche.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Benda.
Herr Bundesminister, halten Sie es für mit dem Grundgesetz und den Gesetzen vereinbar. wenn im Zusammenhang mit den hier zur Erörterung anstehenden Personalveränderungen ein beamteter Staatssekretär einen Beamten fragt, ob er selbst und/oder andere namentlich bezeichnete Beamte dieses Ministeriums der CDU angehören?
Ich würde eine solche Frage nicht für zulässig halten.
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Benda.
Würden Sie, Herr Bundesminister, wenn ich Ihnen einen solchen konkreten Fall — und ich habe vor, das zu tun — nenne, bereit sein, daraus die entsprechenden beamtenrechtlichen Konsequenzen zu ziehen?
Ich würde auf Grund Ihrer Angaben diese Frage überprüfen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Abgeordnete Moersch.
Herr Minister, sind Ihnen mehrere Fälle bekannt, in denen Beamte, die der CDU angehören, unter Angabe ihrer Parteizugehörigkeit um Beurlaubung aus dem Dienst des Bundes gebeten haben, um zeitweilig für die CDU/CSU-Fraktion als Berater tätig sein zu können?
Aus der Tatsache, daß Beamte Beraterfunktionen für eine bestimmte Fraktion wahrnehmen wollen, kann man schließen, daß sie dieser Fraktion politisch nahestehen. Wenn solche Fälle da sind, würde ich einen solchen Schluß ziehen.
Mir ist ein Fall bekannt, in dem ein politischer Beamter dem Minister, mit dem er sich über seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand unter-
halten hat, von sich aus gesagt hat, daß er auf Grund seiner Mitgliedschaft und Funktion in einer bestimmten Partei glaube, daß nicht die Voraussetzungen für das für einen Mitarbeiter in diesem Status notwendige Loyalitätsverhältnis gegeben seien. Ich habe das als eine besonders honorige Form gewertet.
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Moersch.
Herr Minister, können Sie den Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion bestätigen, daß bei der Ablösung des Bundeskanzlers Erhard durch Bundeskanzler Kiesinger der CDU nahestehende Beamte aus der Umgebung des Bundeskanzlers Erhard nachher nicht mehr sachgerecht beschäftigt werden konnten, weil Bundeskanzler Kiesinger das nicht wollte?
Herr Kollege, ich könnte den Kollegen der CDU auf jeden Fall bestätigen, daß Beamte im Bundeskanzleramt heim Kanzlerwechsel 1966 anders beschäftigt worden sind, als das vorher der Fall war. Hier sind ähnliche Vorgänge feststellbar gewesen, wie sie sich auch jetzt als notwendig erwiesen haben.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dichgans.
Herr Minister, ist die Bundesregierung bereit, zu überlegen, ob man nicht den verständlichen Wunsch eines neuen Ministers, Personen seines Vertrauens in seiner Umgebung zu haben, auf eine ganz andere Weise befriedigen könnte, etwa nach französischem Muster durch Einberufung eines größeren politischen Kabinetts, das mit dem Minister kommt und geht, mit dem Ziel, daß dem Berufsbeamtentum die gesamte Beamtenlaufbahn bis zum beamteten Staatssekretär erhalten bleibt?
Herr Abgeordneter, wir sind gern bereit, wenn konkrete Vorschläge in dieser Form unterbreitet werden, diese zu prüfen. Es lohnt sich ohne Zweifel, darüber nachzudenken.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dorn.
Herr Minister, können Sie bestätigen, daß auch in der Zeit zwischen der Bundestagswahl und der Vereidigung der neuen Bundesregierung solche von den Kollegen der CDU hier mit kritischen Bemerkungen bedachte Versetzungen von Referenten in einer Reihe von Häusern stattgefunden haben?
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Ich kann das bestätigen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Rasner.
Herr Minister, besteht die Absicht, auch in Zukunft den Minister im Plenum des Bundestages jeweils durch seinen Parlamentarischen Staatssekretär nach seiner Meinung fragen zu lassen?
Herr Kollege Rasner, ich würde es für grundgesetzwidrig halten, wenn die Rechte eines Abgeordneten im Parlament dadurch eingeschränkt werden, daß er Parlamentarischer Staatssekretär ist.
Zu einer zweiten Zusatzfrage der Abgeordnete Rasner.
Herr Minister, da Sie wissen, wie sehr ich immer auf die Wahrnehmung der Rechte der Abgeordneten gedrängt habe,
frage ich Sie nicht nach den Rechten der Abgeordneten, sondern frage, ob weiterhin die Praxis bestehen soll, daß der Parlamentarische Staatssekretär im Plenum seinen Minister befragt. Mehr habe ich nicht gefragt.
Herr Kollege Rasner, ich würde auch Ihnen, wenn Sie bei mir Parlamentarischer Staatssekretär wären — was aus politischen Gründen schwer vorstellbar ist -, jede Frage beantworten.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Kiesinger.
Im Anschluß an die Frage von Herrn Kollegen Moersch: Herr Minister, würden Sie bereit sein, Herrn Kollegen Moersch zu sagen, daß nach Ihrer Meinung die Nichtweiterbeschäftigung des einen oder anderen Beamten aus organisatorischem Grund im Falle der Neubesetzung eines Ressorts durch einen neuen Minister etwas von der Nichtweiterbeschäftigung aus Gründen irgendwelcher Parteizugehörigkeit völlig Verschiedenes ist?
Herr Abgeordneter Kiesinger, eine solche klare Aussage würde voraussetzen, daß die Motivprüfung in jedem einzelnen Fall bis in die letzten Verästelungen
dringt. Einer solchen Aufgabe möchte ich mich nicht unterziehen.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Köppler.
Herr Minister, nachdem Sie erklärt haben, Sie seien verpflichtet — und das trifft zu —, jede Frage eines Abgeordneten dieses Hauses zu beantworten, wären Sie bereit, mit Ihrem Parlamentarischen Staatssekretär außerhalb des Hauses darüber zu sprechen, daß es vielleicht nicht ganz stilvoll ist, wenn der Parlamentarische Staatssekretär seinen Minister befragt?
Herr Kollege, ich erkenne einen solchen Stilmangel nicht.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Mick.
Herr Minister, wenn Sie die Rechte des Parlamentarischen Staatssekretärs so verteidigen, halten Sie es dann auch für stilvoll, wenn in Zukunft ein Minister den anderen in seiner Eigenschaft als Abgeordneter hier befragt?
Ich würde hier deshalb einen qualitativen Unterschied machen wollen, weil die Bundesminister Mitglieder der Bundesregierung sind, und zwar derselben Regierung.
Herr Kollege Mick, darf ich darauf aufmerksam machen, daß diese Frage mit der eigentlich gestellten Frage nicht mehr in Zusammenhang steht. Das sind Stilfragen zwischen Ministern. Das steht nicht im Zusammenhang mit der Frage. Ich darf nur darauf aufmerksam machen. Ich habe vorher nicht gewußt, was Sie fragen wollten.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Dr. Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, würden Sie es nicht als eine Aufgabe eines Parlamentarischen Staatssekretärs ansehen, in der parlamentarischen Arbeit seinen Minister zu unterstützen, sei es auch durch einen Sachverhalt verdeutlichende Zwischenfragen?
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich bin jederzeit und in jeder Situation für Unterstützung dankbar. Aber ich glaube nicht, daß Herr Kollege Dorn mich unterstützen wollte. Er wollte vielmehr für die Aufklärung der Opposition einen Beitrag leisten.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Aigner.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1969 251
Herr Minister, Sie sprachen von 18 Referenten, die versetzt worden sind. Sind Sie bereit, den Fraktionsvorsitzenden dieses Hauses die Namen zu nennen, weil wir gern Ihre Angaben überprüfen möchten?
Ich habe den zweiten Teil Ihrer Frage oder die Begründung akustisch nicht verstanden.
Weil wir gern Ihre Angaben überprüfen möchten, Herr Minister.
Herr Abgeordneter, ich habe die Angaben auf Grund der Mitteilungen der Ressorts gemacht. Sie können gern von mir, wenn ich in den Ressorts nachfrage, die Namen bekommen. Ich möchte aber nicht annehmen, daß Sie mit dieser Überprüfung zugleich in die Organisationsgewalt der Ministerien eingreifen wollen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Aigner.
Herr Minister, ich hoffe nicht, daß Sie mit dieser Beantwortung das Kontrollrecht dieses Hauses bezweifeln wollen.
In keiner Weise.
Verzeihung, Herr Kollege Dr. Aigner, das war keine Frage. Sie hätten das in eine Frage kleiden müssen.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 20 der Abgeordneten Frau Brauksiepe auf:
Wie viele Staatssekretäre und Ministerialdirektoren bzw. leitende Angestellte im gleichen Rang sind bis zum 1. November 1969 entlassen worden bzw. für eine Entlassung in nächster Zeit vorgesehen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.
Frau Kollegin, nach dem 20. Oktober 1969 sind 9 Staatssekretäre in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden, einer von ihnen auf eigenen Antrag. Außerdem sind drei Staatssekretäre als Abgeordnete des Deutschen Bundestages auf Grund des Gesetzes über die Rechtsstellung der in den Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes in den Ruhestand getreten. Vier weitere Staatssekretäre werden voraussichtlich bis zum 31. Dezember 1969 ausscheiden. Bei einem der schon jetzt ausgeschiedenen Staatssekretäre steht die Verwendung im auswärtigen Dienst bevor.
Seit dem oben genannten Zeitpunkt sind sieben Ministerialdirektoren in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Vier weitere Ministerialdirektoren werden voraussichtlich bis zum 31. Dezember 1969 ausscheiden. Vergleichbare Angestellte
sind bisher nicht ausgeschieden und werden nach den mir zugegangenen Mitteilungen der Ressorts bis zum Jahresende voraussichtlich auch nicht ausscheiden.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 21 der Abgeordneten Frau Brauksiepe auf:
Wie viele Abteilungsleiter und Unterabteilungsleiter sind seit dem 20. Oktober 1969 abgelöst und mit untergeordneten Aufgaben betraut worden?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.
Im Bundeskanzleramt haben drei Abteilungsleiter und vier Unterabteilungsleiter seit dem 20. Oktober 1969 andere Aufgaben erhalten. Hiervon ist ein Unterabteilungsleiter in ein anderes Ressort versetzt worden. Die anderen Herren haben Sonderaufträge erhalten. Diese Sonderaufträge sind nach Auffassung der Bundesregierung nicht von untergeordneter Art.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Frerichs.
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß in der Woche vor der Wahl des neuen Bundeskanzlers der damalige Bundesminister der Justiz, Herr Professor Ehmke, den damaligen Chef des Bundeskanzleramtes über eine Liste von Beamten und Angestellten des Amtes, deren Entfernung aus den bisherigen Tätigkeitsbereichen gefordert werden sollte, unterrichtet hat?
Ich bin hier überfragt, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Moersch.
Herr Minister, können Sie bestätigen, daß einer der von Ihnen vorher genannten Beamten, die jetzt eine anderweitige Tätigkeit übernehmen sollten oder in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden sind, als Folge der Bildung der Regierung Kiesinger ins Bundeskanzleramt gelangt ist, ohne daß er dort zunächst eine adäquate Beschäftigung gehabt hätte?
Mir ist bekannt, daß einer der betroffenen Beamten schon in der Vergangenheit, nämlich in der Zeit von 1966 bis 1969, und später noch ein zweiter eine Aufgabe erfüllt haben, die man als Sonderaufgabe bezeichnen könnte.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Köppler.
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, Ihr auf die Frage des Kollegen Dr. Frerichs geäußertes fehlendes Wissen durch den an-
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Köpplerwesenden Herrn Bundesminister Dr. Ehmke ergänzen zu lassen?
Das ist eine Angelegenheit, die nicht ich zu entscheiden habe, Herr Kollege, sondern die Frage ist, ob der anwesende Bundesminister von sich aus antworten will.
Ich möchte noch einmal, obwohl es mit Ihrer Frage, Herr Kollege, nicht im Zusammenhang steht, ganz allgemein sagen, daß, insbesondere was meine Mitteilungen über Veränderungen in den Referaten angeht, natürlich fast täglich neue Entscheidungen durch die Veränderung der Struktur der Bundesregierung notwendig werden. Es können also Mitteilungen, die meinem Haus z. B. am Montag gemacht worden sind, heute schon überholt sein. Das möchte ich an die Adresse des Kollegen noch einmal gesagt haben.
Ich mache darauf aufmerksam, Herr Kollege Köppler, daß ich die Beantwortung einer Frage durch einen zweiten Minister nicht zulassen kann. Es ist in diesem Hause nicht üblich, daß andere Mitglieder der Bundesregierung antworten als die, an die die eingereichte Frage gerichtet wurde. Sie können für die nächste Woche eine entsprechende Frage stellen.
Herr Kollege Rommerskirchen!
Herr Minister, ist aus der Tatsache, daß Sie auf die Frage 21 von Frau Kollegin Brauksiepe nur die Zahlen aus dem Bundeskanzleramt genannt haben, zu schließen, daß in den anderen Ressorts keine Abteilungs- oder Unterabteilungsleiter versetzt und mit anderen, teilweise untergeordneten, Aufgaben betraut worden sind?
Herr Kollege, auch hier muß ich Ihnen z. B. aus meinem Ressort sagen, daß infolge der Veränderung der Organisationsstruktur Veränderungen notwendig geworden sind. So werden die bisherigen Abteilungsleiter im Bundesministerium für Vertriebene dieselben Personen in derselben Funktion bei in der Regel völlig unverändertem Aufgabenbereich im Bundesministerium des Innern Unterabteilungsleiter sein, während der bisherige Staatssekretär im Bundesministerium für Vertriebene als Abteilungsleiter fungiert. Sie wollen auch das bitte mit berücksichtigen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage der Abgeordnete Rommerskirchen.
Herr Minister, für den Fall, daß Sie uns in geraumer Zeit wahrscheinlich noch einmal einen Bericht geben werden, in dein Sie dann alle Ressorts bedenken: können Sie uns dann gleichzeitig die Mehrkosten mitteilen, die dadurch entstanden sind, daß eine so große Zahl von leitenden Beamten in den einstweiligen Ruhestand versetzt oder mit untergeordneten Aufgaben betraut worden sind?
Herr Kollege, die zweite Alternative Ihrer Frage muß ich verneinen. Was den ersten Teil angeht, so ist das eine Folgewirkung der Bestimmungen über den Status der politischen Beamten. Diese Folgewirkung ist durch den Umstand besonders groß geworden, daß der Deutsche Bundestag bei Beratung des Bundesbeamtengesetzes den zunächst — das war die Meinung des Beamtenrechtsausschusses — auf die Staatssekretäre beschränkten Kreis auch auf die Ministerialdirektoren ausgedehnt hat. Es wird Sie vielleicht interessieren, zu erfahren, daß diese Ausdehnung auf den Kreis der Ministerialdirektoren auf Grund eines Antrages der Fraktion der CDU/ CSU erfolgt ist.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Aigner.
Herr Minister, wären Sie als Beamtenminister bereit, Ihren Kollegen nahezulegen, zu überlegen, daß ein Parteibuch allein noch keine Qualifikation für Beamtentätigkeit ist?
Herr Abgeordneter, ich muß zunächst die Unterstellung, die in Ihrer Frage liegt, zurückweisen.
Ich möchte aber hinzufügen, daß in einer Demokratie, in der der Beamte, wie jeder andere Bürger, ein Recht auf staatsbürgerliche Betätigung hat, das Parteibuch nicht qualifiziert, daß es aber auch nicht disqualifiziert,
auch dann nicht, wenn ein Beamter das Parteibuch einer Regierungspartei in der Tasche hat.
Im übrigen möchte ich Ihnen noch sagen, Herr Kollege, daß bei Neuberufungen von politischen Beamten im Rahmen dieser Regierungsbildung auch solche neu berufen worden sind, die der Oppositionspartei angehören oder ihr mindestens nahestehen. Sie sehen daraus, daß wir auch das nicht als Hinderungsgrund betrachten.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Gscheidle.
Herr Minister, wären Sie bitte so freundlich, bei den erbetenen Überprüfungen, um das Problem zu relativieren, dem Hause oder den Anfragenden auch vorzutragen, wieviel Veränderungen in den einzelnen Ministerien bei früheren Regierungsumbildungen vorgenommen wurden, hei denen unterstellt werden kann, daß keine parteipolitischen Gesichtspunkte dafür maßgebend waren, um erkennbar zu machen, wie gering an und für
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Gscheidlesich das Problem ist, das uns in dieser Fragestunde beschäftigt?
Herr Abgeordneter, ich glaube, es würde sich lohnen, diese Fragen einmal auf Grund einer schriftlichen Kleinen Anfrage zu beantworten, weil die Antwort dann viel detaillierter sein kann. Ich möchte nicht verschweigen, daß eine kritische Beobachtung von Personalentscheidungen in allen Zeiten natürlich nicht nur parteipolitische Gesichtspunkte erkennen läßt. Es gibt, wie Sie wissen, auch innerparteiliche Gesichtspunkte, die man gelegentlich beobachten konnte.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Moersch.
Herr Minister, könnten Sie bei dieser Untersuchung vom Jahre 1949 ausgehen und nachprüfen, ob die Behauptungen, die vor 15 Jahren in einer deutschen Zeitung veröffentlicht worden sind, stimmen, daß bei der Berufung von Personalreferenten und Haushaltsreferenten in allen Ministerien 1949 nur eine einzige Studentenverbindung diese Stellen besetzt hielt?
Herr Abgeordneter, wenn diese Fragen an die Bundesregierung herangetragen werden, werden wir sie pflichtgemäß beantworten. Ich möchte aber ganz generell eine Feststellung wiederholen, die ich aus Anlaß der Aussprache über die Regierungserklärung getroffen habe. Ich habe damals den Wunsch der Bundesregierung ausgesprochen, die Auseinandersetzung im Parlament über die sachliche Politik der Regierung zu führen und in diese Auseinandersetzung nicht Beamte einzubeziehen, die sich im Parlament nicht stellen und nicht wehren können. Bei der Darlegung bestimmter personalpolitischer Entscheidungen wäre es nämlich, wenn für die Öffentlichkeit verständlich werden soll, warum diese oder jene Entscheidung getroffen oder unterlassen wurde, notwendig, auch Dinge zu sagen, die den Betroffenen möglicherweise nicht nützlich sind. Ich bitte die Bundesregierung nicht in diese Situation zu bringen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter von Guttenberg.
Herr Minister, würden Sie mir recht geben, wenn ich hier Herrn Kollegen Gscheidle, der sinngemäß gesagt hat, es handle sich hier um ein geringes Problem, angesichts der Tatsache widerspreche, daß bei der Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand von Ministerialdirektoren — mit Frauen und Kindern — wohl nicht in solcher Weise geredet werden kann?
Ich kann Ihnen auch in dieser Frage, Herr Kollege von Guttenberg, nicht recht geben. Wenn ich Herrn Gscheidle richtig verstanden habe, so wollte er nicht die Auswirkungen auf die Position des einzelnen Beamten darstellen, sondern er hat hier eine quantitative Wertung vorgenommen. Ich darf allerdings weiter hinzufügen, daß die Position des politischen Beamten nach unserem Beamtenrecht, aber auch die Rechte, die der politische Beamte dann, wenn er in cien einstweiligen Ruhestand versetzt wird, hat, ein solches Risiko mit einschließen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Köppler.
Herr Bundesminister, darf man aus Ihrer vorhin gegebenen Antwort schließen, daß Sie Fragen der Prinzipien und der Praxis der Personalpolitik nicht zu den Fragen sachlicher Politik zählen und deshalb aus der Diskussion dieses Hauses ausgeklammert sehen möchten?
Nein, das habe ich nicht getan. Ich habe mich zu den Prinzipien geäußert, Herr Kollege. Ich habe nur ganz generell davor gewarnt, die Regierung im Einzelfall möglicherweise zu zwingen, ihre Entscheidung zu begründen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Aigner.
Herr Minister, wären Sie, wenn das Ihre Auffassung ist, bereit, das Wort Ihres Ministerkollegen Möller zu mißbilligen, wenn er erklärt, daß Sonderzüge eingesetzt werden müßten,
um diese Beamten nach der Machtübernahme von den Ministerien wieder heimzuschicken?
Herr Abgeordneter, Herr Kollege Möller hat bei der Aussprache über die Regierungserklärung zu dieser Frage bereits für die Bundesregierung und für sich selbst Stellung genommen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gscheidle.
Herr Minister, würden Sie es zu den Fürsorgepflichten eines Dienstherrn zählen, daß er Beamte bei Darstellungen auch in solchen Fragestunden nicht in die Situation bringt, Inhalt von Personalakten erörtern zu müssen, die Beamten bei ihrem künftigen Berufsweg schädlich sein können?
Herr Abgeordneter, meine Sorge, die ich ausgesprochen habe, entspringt dem von Ihnen genannten Motiv.
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Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf, zunächst die Frage 1 des Abgeordneten von Fircks:
Steht der Bundeskanzler zu seiner zuletzt am 29. April 1969 gegebenen Zusage, keine die Vertriebenen betreffenden Entscheidungen hinter ihrem Rücken zu fällen?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister Ehmke!
Der Herr Bundeskanzler steht selbstverständlich zu seiner Zusage, daß es keine Politik hinter dem Rücken der Vertriebenen geben darf. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung ausgeführt, daß das Vertriebenenministerium in das Innenministerium eingegliedert und nicht, wie die Frage unterstellt, aufgelöst worden ist. Bei dieser Maßnahme handelt es sich um eine Organisationsentscheidung, die die materiellen Belange der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten in keiner Weise berührt. Die Frage des selbständigen Fortbestandes des Vertriebenenministeriums wurde nicht erst durch den jetzigen Beschluß der Bundesregierung aufgeworfen. Bereits ihre Vorgängerin hat hierüber Überlegungen angestellt. Ich verweise auf den 1. Bericht der Projektgruppe „Regierungs- und Verwaltungsreform"; der zu dem Ergebnis kommt, das gesamte Aufgabengebiet auf das Bundesinnenministerium zu übertragen. Auch die beiden letzten Vertriebenenminister haben sich in dieser Richtung geäußert. Herr Bundesminister von Hassel hat die Zusammenlegung des Vertriebenenministeriums mit einem anderen Bundesressort — wenn auch erst für 1971 — in Aussicht gestellt.
Noch deutlicher hat Bundesminister Windelen eine Angliederung dieses Ressorts als Ganzes an ein anderes Ministerium befürwortet, wenn sie im Zusammenhang mit einer Kabinettsreform stehe, in die auch andere kleinere Ressorts, wie es jetzt geschehen ist, einbezogen würden.
Auf Grund dieser öffentlich erfolgten Ankündigungen konnte niemand überrascht sein, als die neue Bundesregierung im Zuge der Kabinettsneugliederung diese Überlegungen nun in die Tat umsetzte.
Im übrigen vertrüge es sich schlecht mit den organisationsrechtlichen Kompetenzen der Bundesregierung, wenn organisatorische Entscheidungen im Bereich der Regierung von der Zustimmung der betroffenen Kreise und Verbände abhängig gemacht würden.
Daß sich die Bundesregierung ihrer Verantwortung gegenüber den Vertriebenen, Flüchtlingen und Kriegsgeschädigten voll bewußt ist, hat die Regierungserklärung klar zum Ausdruck gebracht.
Ein Gespräch mit dem Präsidium des Bundes der Vertriebenen über sich aus der Eingliederung des
Vertriebenenministeriums in das Innenministerium ergebende Fragen soll auf Initiative des Herrn Bundesministers des Innern am 26. November stattfinden.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete von Fircks.
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sich die Betroffenen nach der Eingliederung des Vertriebenenministeriums in das Innenministerium im Kabinett entsprechend vertreten fühlen können? Ich darf dabei daran erinnern, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung davon sprach, daß sich diese Bundesregierung nicht als Erwählte, sondern als Gewählte betrachtet.
Der Herr Bundesinnenminister hat bereits bei der Debatte über die Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht, daß er diese Interessen im Kabinett schon durch seine eigene Person vertritt, da er selbst in diese Personengruppe gehört. Das gilt übrigens auch von anderen Mitgliedern dieses Kabinetts.
Zu einer zweiten Zusatzfrage der Herr Abgeordnete von Fircks.
Herr Minister, darf ich noch fragen: Gehört nach den mancherlei Umschreibungen, die sowohl der Bundeskanzler als auch der Innenminister als auch der Fraktionsvorsitzende der SPD hier und auch anderswo gegeben haben, auch das Recht auf die Heimat für die Ost- und Sudetendeutschen zu den deutschen Essentials bei Verhandlungen in Ost und West gemäß unserer vertraglichen Verpflichtung aus der Europäischen Menschenrechtskonvention?
Ich glaube, diese Zusatzfrage gehört kaum noch in den Zusammenhang der Frage. Ich würde es vorziehen, sie, eine sehr wichtige Frage, dann in größerem Zusammenhang und nicht in der Kürze einer Fragestunde zu beantworten.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Köppler.
Herr Bundesminister, galten die von Ihnen soeben bekanntgegebenen Grundsätze über die Nichteinschaltung von Verbänden bei Organisationsentscheidungen der Bundesregierung auch im Falle des bestehengebliebenen Wohnungsbauministeriums?
Ja, Herr Kollege Köppler, die Entscheidung
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1969 255
Bundesminister Dr. Ehmkebeim Wohnungsbauministeriums ist aus sachlichen Gründen des Städtebaus,
— aus sachlichen Gründen des Städtebaus — ich bitte Sie, doch nun einmal etwa die Herren und die Gremien, die auf diesem Gebiet tätig sind, zu hören — erfolgt, und ganz sicher ist die Entscheidung in dieser Frage nicht von der Zustimmung irgendeines Verbandes abhängig gemacht worden.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Czaja.
: Herr Minister, können Sie bestätigen, daß Ihre Äußerung, nach der vor wichtigen Entscheidungen die Betroffenen gehört werden, auch für alle offenen und konkludenten Schritte in bezug auf Gebietsveränderungen gilt?
Herr Dr. Czaja, ich habe schon gesagt, daß hier zunächst einmal nicht die Frage der Anhörung entscheidend ist. Diese Regierung wird sich in keinem Punkte darauf festlegen wollen, vor jeder Entscheidung jeden der beteiligten Verbände zu hören. Aber es ist klar, daß hier, wie es der Herr Bundeskanzler gesagt hat — und ich bitte, dieses Wort doch schon aus Selbstrespekt unserer Demokratie dem Bundeskanzler abzunehmen —, selbstverständlich nichts hinter dem Rücken der Vertriebenen geschehen wird.
Zu einer zweiten Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Czaja.
Darf ich aus dem Wort „nichts" in Ihrer Antwort auch schließen, daß Sie klar bestätigen, daß alle Schritte — offene und konkludente — bezüglich Gebietsveränderungen von diesem Punkt ebenfalls betroffen sind?
Aber Herr Czaja, diese Fragen sind von so grundlegender Bedeutung, daß sie nicht nur mit den Vertriebenenverbänden, sondern mit unserem ganzen Volk in öffentlicher Diskussion erörtert werden müssen.
Herr Kollege Czaja, Sie haben nur zwei Zusatzfragen, und die sind konsumiert.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten von Fircks auf:
wann soll das Gespräch über die vollzogene Auflösung des Bundesvertriebenentnmisteriums mit dein Bund der Vertriebenen stattfinden?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister Professor Dr. Ehmke.
Herr Präsident, die Fragen I und 2 sind zusammen beantwortet worden.
In diesem Fall sind noch weitere Zusatzfragen zugelassen. Bitte schön, Herr Kollege Dr. Czaja!
Darf ich dann fragen, Herr Minister, warum bezüglich der Gespräche mit Polen der Herr Bundeskanzler unserem Fraktionsvorsitzenden zu dieser von Ihnen soeben als die ganze Nation angehend bezeichneten Frage eine Antwort nicht erteilt hat.
Ich glaube, eine geringe Kenntnis der Vorbereitung diplomatischer Verhandlungen beantwortet diese Frage von selbst.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Minister, würden Sie bestätigen, daß bei solchen Verhandlungen keine konkludenten Handlungen gesetzt werden, die Gebietsveränderungen betreffen?
Ich bin der Meinung, daß diese Frage — ich sage es noch einmal, wie ich es bereits in der Antwort auf die erste Zusatzfrage von Herrn von Fircks getan habe - so weit von diesem Thema abführt, daß wir diese wichtige Frage einer gründlichen Erörterung vorbehalten sollten, zu der in diesem Hause mehr Zeit als in einer Fragestunde zur Verfügung steht.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes sind beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe zunächst die Frage 3 des Abgeordneten Zebisch auf:Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung, uni im Falle einer eventuellen neuen Festsetzung der Pärität der Deutschen Mark Nachteile für die deutsche Landwirtschaft abzuwenden?Der Fragesteller bittet um schriftliche Beantwortung.
Die Antwort des Bundesministers Ertl vom 5. November 1969 lautet:Die Bundesregierung hat bereits in der Regierungserklärung vom 28. 10. 1969 dargelegt, durch welche Maßnahmen sie dafür Sorge trägt, daß der deutschen Landwirtschaft aus der Aufwertung der D-Mark keine Nachteile entstehen.Dabei hat sie erklärt, daß nach Ablauf des vom EWG-Ministerrat beschlossenen Grenzausgleichssystems die Landwirtschaft den vollen Einkommensausgleich erhält. Dieser Ausgleich kann zum Teil durch eine Änderung des Mehrwertsteuergesetzes herbeigeführt werden. über die Einzelheiten einer solchen Regelung
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Präsident von Hasselwird dieses Hohe Haus in Kürze beraten. Der übrige Teil wird durch direkte Ausgleichszahlungen gedeckt, an denen sich die Gemeinschaft beteiligen wird.Der Rat der Europäischen Gemeinschaften wird in Kürze auf neue zusammentreten, um die Einzelheiten einer längerfristigen Regelung zu beraten. Ich mochte betonen, daß die Bundesregierung entschlossen ist, die Einkommensverluste der deutschen Landwirtschaft in vollem Umfang auszugleichen.Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Weigl auf:Wenn wird die Bundesregierung die Mehrausgaben für die Einführung einer kostenlosen Schulmilchspeisung in die mittelfristige Finanzplanung aufnehmen?Ist der Abgeordnete im Saal? - Er ist im Saal. Zur Beantwortung Herr Bundesminister Ertl.
Herr Präsident! Herr Kollege Weigl! Ich beantworte die Frage wie folgt. Sie kennen meine positive Einstellung und meine Sympathie zur Einführung des Schulmilchfrühstücks in der Bundesrepublik. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß ich es war, der im Ernährungsausschuß einen Antrag stellte, für diesen Zweck im Haushaltsplan 1969 20 Millionen DM einzusetzen, daß dies aber am Widerstand des früheren Bundesfinanzministers gescheitert ist. Diese meine Einstellung habe ich im Ernährungsausschuß und im Plenum des letzten Bundestages oft und deutlich zum Ausdruck gebracht.
Die Frage der Mitfinanzierung einer solchen Maßnahme, die im Grundsatz Ländersache ist, durch den Bund muß jedoch erst eingehend geklärt werden. Ich bin bereit, das bereits auf der nächsten Agrarministerkonferenz besprechen zu lassen. Sobald Klarheit besteht, werde ich mir erlauben, Ihnen weitere Auskunft zu geben.
In diesem Zusammenhang lassen Sie mich mitteilen, daß, einen 3,3%igen Fettgehalt vorausgesetzt, durch die obligate Einführung der Schulmilchspeisung rund 18 500 t Butter und 39 000 t Magermilch weniger erzeugt würden. Schon aus dieser Sicht heraus würde ich das als einen nützlichen Beitrag auffassen.
Ich bedarf aber dazu — der letzte Teil Ihrer Frage ist ja eigentlich eine Frage an den Bundesfinanzminister — der Zustimmung der Länder und des Bundesfinanzministers. Was in meinen Kräften steht, wird geschehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Aigner.
Herr Minister, da die Überschüsse in der Milchproduktion hauptsächlich von Frankreich herrühren, frage ich Sie, ob Sie bereit sind, im Ministerrat eine solche generelle Anregung für alle Mitgliedsländer der EWG zu geben.
Ich darf mich für diese Anregung sehr herzlich bedanken und gleichzeitig die Kollegen des Hohen Hauses, die im Europäischen Parlament sitzen, bitten, mich dabei tatkräftig zu unterstützen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich rufe zunächst die Frage 5 der Abgeordneten Frau Renger auf:
Ich frage die Bundesregierung, ob sie bereit ist, eine früher bereits erlassene und dann widerrufene Verfügung des Bundesministers der Verteidigung wieder in Kraft zu setzen, nach der Studierende des zweiten Bildungsweges, die sich nachweislich erfolgieich auf die Hochschulreite oder den Besuch von Fachhochschulen vorbereiten, ant Antrag vom Grundwehrdienst freizustellen?
Die Abgeordnete ist im Saal.
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan. •
Bei der Beantwortung dieser Frage, Frau Kollegin, sind zwei Personenkreise zu unterscheiden: erstens Wehrpflichtige des zweiten Bildungsweges, die die Hochschulreife anstreben. Sie werden nach wie vor zurückgestellt, wenn sie gegenüber den Abiturienten des ersten Bildungsweges erst im vorgerückten Alter die Hochschulreife erlangen. Diese Vergünstigung kann aber wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Wehrpflichtigen in den Fällen nicht mehr gewährt werden, in denen durch die Erlangung der Hochschulreife im zweiten Bildungsweg eine zeitliche Verzögerung nicht eintritt. Das ist dann der Fall, wenn sie noch vor Vollendung des Alters von 231/2 Lebensjahren einberufen werden können. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, von dieser Regelung abzugehen, da dies sonst zu einer Ausweitung der Wehrdienstausnahmen führer müßte.
Der zweite Kreis umfaßt Wehrpflichtige des zweiten Bildungsweges, die die Fachhochschulreife anstreben. Sie werden zurückgestellt, soweit die Lehre, der Besuch der Berufsaufbauschule und der Fachoberschule nahtlos ineinander übergehen.
Im übrigen, Frau Kollegin, wird der gesamte Komplex der Wehrdienstausnahmen und damit auch die Frage der Zurückstellung vom Wehrdienst, wie schon in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 angekündigt, überprüft werden.
Eine Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung zusichern, daß während der Zeit der Überprüfung Nachteile für diejenigen Wehrpflichtigen nicht entstehen, die jetzt ihren Wehrdienst ableisten müssen, wenn in der Zwischenzeit etwa die Prüfungsordnungen geändert werden sollten, wie das z. B. für die Ingenieurschulen zu erwarten ist?
Herr Kollege, die Bundesregierung kann das nicht zusichern. Aber sie steht in Verhandlungen mit der Kultusministerkon-
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Parlamentarischer Staatssekretär Berkhanferenz. Dort fallen nämlich die Entscheidungen. Es besteht, wie ich Gesprächen mit hohen Beamten in einem Land entnehmen konnte, bei der Kultusministerkonferenz die Absicht, Übergangsordnungen einzuführen. Das Land, von dem ich spreche, rechnet mit einem fünfjährigen Übergang, währenddessen nach alter und neuer Ordnung die Aufnahme an diesen Schulen — Sie sprachen von den Ingenieurschulen — erfolgen soll.
Eine zweite Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung bemüht sein wird, vor allem für die Studierenden, die über den zweiten Bildungsweg zum Studium kommen, aber auch sonst für die Wehrpflichtigen, die jetzt ihren Wehrdienst ableisten, Nachteile während des Studiums absolut zu vermeiden?
Herr Kollege Schulze-Vorberg, Sie sprechen zwei Personenkreise an. Bei der Ableistung des Wehrdienstes entstehen für den jungen Mann sicherlich generell Nachteile wegen des Zeitverzugs. Ich darf Sie aber darauf aufmerksam machen, daß mancher junge Mann in den 18 Monaten Wehrdienst, die er ableistet, auch Dinge lernt, die für sein weiteres Leben von Nutzen sind. Die Bundesregierung wird sich bemühen, die Teilnehmer am zweiten Bildungsweg so weit zu fördern, wie es in ihren Kräften steht.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Cramer.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Absolventen von Technikerschulen und Technikerabendschulen, die auf dem zweiten Bildungsweg zur staatlichen Ingenieurakademie übergehen, ohne zeitliche Unterbrechung — Sie sagten: nahtlos — zurückgestellt werden können?
Herr Kollege Cramer, Sie müssen zwischen Ingenieurschulen und Fachhochschulen unterscheiden.
Eine zweite Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Cramer.
Herr Staatssekretär, würden Sie meine Frage im Hinblick auf staatliche Ingenieurakademien beantworten?
Herr Kollege Cramer, ich werde Ihnen die Antwort auf Ihre Frage schriftlich zustellen. Ich muß Sie nur darauf aufmerksam machen, daß ich mich soeben versprochen habe. Es handelt sich um Berufsaufbauschulen und Fachoberschulen, nicht um Fachhochschulen.
Keine weitere Zusatzfrage. Dann sind wir am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf, zunächst die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Dröscher:
Hält es die Bundesregierung mit den Sicherheitsbestimmungen im öffentlichen Straßenverkehr für vereinbar, daß für den Transport von Schulkindern zu Mittelpunktschulen normale Omnibusse benutzt werden, die keine Haltevorrichtungen für die Stehplätze in erreichbarer Griffweite für die Kinder haben?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär Börner.
Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich beide Fragen gemeinsam beantworten könnte, da ein Sachzusammenhang besteht.
Keine Bedenken. Frage 7 des Abgeordneten Dröscher:
Hält es die Bundesregierung unter den gegebenen Sicherheitsbestimmungen für zulässig, daß Omnibusse zum Transport von Schulkindern eingesetzt werden, die bis zu 180 Kinder aufnehmen, ohne daß dabei zusätzliche Aufsichtspersonen neben dem Fahrer mitgenommen werden?
Herr Kollege, nach § 34 a Abs. 4 der Straßenverkehrszulassungsordnung müssen alle Kraftomnibusse mit geeigneten Haltevorrichtungen für Stehplätze ausgerüstet sein. Das Fehlen von erreichbaren Haltevorrichtungen in Kraftomnibussen, die Schulkinder auf Stehplätzen befördern, ist deshalb mit den Sicherheitsbestimmungen nicht vereinbar. Soweit solche Haltevorrichtungen nicht vorhanden sind, müssen sie zusätzlich angebracht werden. Soweit in einem Kraftomnibus eine große Zahl von Kindern befördert werden soll, dürfte es zweckmäßig sein, daß Personen mitfahren, die für eine Beaufsichtigung der Kinder sorgen können. Ich werde diese Frage in Kürze mit den zuständigen Stellen der Länder erörtern.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dröscher.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich, nachdem Sie diese Antwort gegeben haben, die Stellungnahme der Bezirksregierung Koblenz, die ich in dieser Frage angesprochen habe, daß sie das Omnibusunternehmen nicht zwingen könne, die Haltegriffe so anzubringen, daß die Schulkinder sie erreichen können?
Herr Kollege, diese Stellungnahme war mir bis zu dieser Stunde nicht bekannt. Ich werde das gern nachprüfen. Ich halte das nicht für vereinbar mit den gesetzlichen Vorschriften.
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Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Staatssekretär, wäre es, nachdem heute durch die Mittelpunktschulen der Schulweg der Kinder und damit auch die Omnibusfahrt oft lang sind, nicht richtig, dafür Sorge zu tragen, daß die Schulomnibusse so eingerichtet werden, daß jedes Kind einen Sitzplatz hat und überhaupt keine Stehplätze mehr notwendig sind?
Ja natürlich, Frau Kollegin; das ist sicher ein erstrebenswertes Ziel. Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß es in erster Linie Aufgabe der Schulträger ist, hier für die entsprechenden Ausrüstungen zu sorgen. Ich habe angedeutet, daß gerade diese Entwicklung uns veranlaßt, das Gesamtproblem in nächster Zeit mit den Ländern zu besprechen.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dröscher.
Herr Staatssekretär, würden Sie bei der Rücksprache mit den Ländern, die wohl auch dadurch notwendig wird, daß das Ausmaß der Mittelpunktschulen größer wird und damit das Beförderungsproblem in den Mittelpunkt rückt, auch die Frage erörtern, ob man nicht die Transportzahlen pro Bus begrenzen könnte?
Herr Kollege, das ist ein durchaus ernstes Problem. Sie wissen, daß der Bundesminister für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen sehr bemüht ist, die Sicherheitsvorschriften zu verstärken. Wir werden selbstverständlich auch in dieser Richtung, die Sie angedeutet haben, weiter arbeiten.
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Abgeordnete Mertes.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, Überlegungen dahin gehend anzustellen, daß im Interesse der Sicherheit der Kinder Schulomnibusse farblich eindeutig gekennzeichnet werden, so wie das in anderen Ländern praktiziert wird?
Ich bin Ihrer Meinung, Herr Kollege, daß diese Frage in der von Ihnen angedeuteten Weise entschieden werden muß. Das ist ein Problem, das bei der Erarbeitung entsprechender Vorschriften vor Jahren noch nicht in der Deutlichkeit wie heute gesehen werden konnte.
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Abgeordnete Erhard.
Herr Staatssekretär, hat Ihr Ministerium die Absicht, die Zulassungsordnung für Omnibusse so zu ändern, daß Haltevorrichtungen nicht nur für Erwachsene, sondern überall auch für Kinder anzubringen sind?
Ich habe angedeutet, daß hier nach meiner Auffassung, die gesetzliche Grundlage heute schon besteht.
Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordnete Erhard.
Darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß Sie der Meinung sind, daß die Haltevorrichtungen für Erwachsene auch für kleine Kinder erreichbar sein müßten?
Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, daß dort, wo vorwiegend Kinder befördert werden, die Haltevorrichtungen selbstverständlich geändert werden müssen.
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen mehr. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Börner.
Ich rufe nunmehr die Frage aus dem Geschäftsbereich für Bildung und Wissenschaft auf. Frage 8 des Abgeordneten Dichgans:
Wie viele Studienanfänger der Fachrichtung Medizin haben die deutschen Hochschulen für das Wintersemester 1969/1970 zugelassen und wie viele Studienanfänger dieser Fachrichtung haben diese Hochschulen vor Einführung des Numerus clausus maximal eingeschrieben?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Dohnanyi.
Herr Präsident! Herr Dr. Dichgans, zunächst: Sommersemester 1969 und Wintersemester 1969/70 sind wegen des Zulassungssystems im Zusammenhang zu sehen. In diesen beiden Semestern sind nach unserer bisherigen Kenntnis insgesamt etwa 4750 deutsche Studienanfänger der allgemeinen Medizin aufgenommen worden. Das Jahr mit der höchsten Studienanfängerzahl vor der allgemeinen Einführung des Numerus clausus war das Jahr 1962. Damals sind 5900 deutsche Studienanfänger der allgemeinen Medizin aufgenommen worden.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dichgans!
Herr Staatssekretär, ist Ihr Ministerium bereit, eine Initiative zu ergreifen,
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Dichgansum zu erreichen, daß schon im Rahmen der heute vorhandenen Gebäude die Zahl der Studenten, die zugelassen werden können, durch organisatorische Maßnahmen erhöht werden kann?
Herr Dr. Dichgans, Sie wissen, daß bereits seit 1960 Empfehlungen des Wissenschaftsrates vorliegen, sogenannte akademische Krankenhäuser, d. h. Ausbildungsstätten außerhalb der Universitäten, einzusetzen. Die Bundesregierung ist bereit, diese Maßnahmen wie in der Vergangenheit intensiv zu unterstützen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Tamblé.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, die Zahlen, wie sie hier angefordert und gegeben wurden für die Allgemeinmedizin, auch für Studenten der Zahnheilkunde erstellen zu lassen und hier mitzuteilen?
Sehr gern.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Staatssekretär, es ist mir zwar bekannt, daß nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Numerus clausus als nicht verfassungswidrig gilt; aber ist es nicht eine vordringliche politische Aufgabe, auch von seiten der Bundesregierung dafür zu sorgen, daß so schnell wie möglich die Verhältnisse so werden, daß ein Numerus clausus nicht mehr notwendig ist?
Frau Abgeordnete, die Regierungserklärung hat dazu ausdrücklich Stellung genommen. Das wird selbstverständlich als ein vordringliches Ziel der Bildungs- und Wissenschaftspolitik angesehen.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Fuchs.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß einzelne medizinische Fakultäten die Zahl der Anfänger erst in den letzten Semestern herabgesetzt haben?
Diese Tatsache ist mir bekannt.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fuchs.
Worauf führen Sie diese Tatsache zurück?
Die Frage der Ausbildung an den verschiedenen Ausbildungsstätten, Herr Kollege, ist natürlich nach den vorhandenen Kapazitäten zu beurteilen, In Fällen, in denen sich z. B. die Ausbildung verändert haben mag, sind die Kapazitätsvorstellungen anzupassen. Wenn Sie mir die Fakultäten oder die Ausbildungsstätten nennen, um die es Ihnen im einzelnen geht, bin ich gerne bereit, Herr Kollege, dazu gesondert Stellung zu nehmen.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dichgans.
Herr Staatssekretär, wären Sie im Hinblick auf Ihre letzte Antwort bereit, mir die Zahlen, deren Summe Sie soeben angegeben haben, für jede einzelne medizinische Fakultät schriftlich mitzuteilen?
Das tue ich gern, Herr Dr. Dichgans.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit haben wir die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zunächst die Frage 22 des .Abgeordneten Cramer:
Wie lange dauert im allgemeinen die Bearbeitung eines Antrags bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder für Rentner, Hinterbliebene und bei Anträgen auf Sterbegeld?
Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Reischl.
Herr Kollege Cramer, Ihre Frage beantworte ich wie folgt:
Bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder beträgt die Bearbeitungsdauer für Anträge von Rentnern und Hinterbliebenen zur Zeit im allgemeinen drei bis fünf Monate und für Anträge auf Gewährung von Sterbegeld zwei bis drei Monate. In beiden Fällen verkürzt sich diese Frist jedoch zunehmend in dem Maße, in dem sich die aus der Reform des Satzungsrechts herrührenden erheblichen Umstellungsarbeiten verringern.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie groß die Zahl der rückständigen Fälle ist, die durch die Umstellung bedingt sind, und wie lange in solchen Fällen eine Bearbeitung dauert?
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Zur Zeit sollen etwa 220 000 Renten umgestellt werden. Das kann ich aus den mir vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das ist die einzige Zahl, die ich daraus ersehen kann.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie lange es dauern wird, bis die letzten Fälle bearbeitet sein werden?
Es werden zur Zeit erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Arbeit der Versorgungsanstalt zu rationalisieren. Zunächst hat man versucht, neues Personal dafür zu bekommen. Das ist aber wegen der angespannten Arbeitsmarktlage gerade in dem Raum um Karlsruhe sehr schwierig gewesen. Selbst der Versuch, durch Ausbildungsmaßnahmen zusätzliches Personal aus anderen Bereichen zu gewinnen, muß als gescheitert angesehen werden.
Es läßt sich also im Augenblick nur durch eine Rationalisierung innerhalb der Anstalt eine Beschleunigung erreichen. Hier werden aber erhebliche Anstrengungen gemacht. Es werden auch zusätzlich Überstunden gemacht, um so schnell als möglich zum Abbau dieser Schwierigkeiten zu kommen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind damit am Ende unserer Fragestunde.Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:Beschlußfassung über Zahl, Größe und Bezeichnung der AusschüsseZu diesem Tagesordnungspunkt liegt Ihnen auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung eine Ergänzung vor, in der die Drucksachen aufgeführt sind, über die heute Beschluß gefaßt werden muß:a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Anwendung des Systems d'Hondt für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen in den Ausschüssen— Drucksache VI/37 —b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Einsetzung von Ausschüssen— Drucksache VI/38 —c) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP betr. Einsetzung eines Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen— Drucksache VI'39 —d) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU! CSU betr. Einsetzung eines Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen— Drucksache VI/43 —e) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Einsetzung eines1. Sonderausschusses für Sport und Olympische Spiele— Drucksache VI/40 —f) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Einsetzung eines2. Sonderausschusses für die Strafrechtsreform— Drucksache VI/41 —g) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages— Drucksache VI/44 —Ich darf Sie bitten, diese Drucksachen zur Hand zu nehmen und weise auf folgendes hin. Die Anträge auf den Drucksachen VI/37, VI/38, VI/40, VI/41 und VI/44 sind interfraktionell gestellt. Lediglich die Anträge auf den Drucksachen VI/39 und VI/43 sind kontroverse Anträge. Ich schlage vor, daß wir über die unstrittigen Anträge auf den Drucksachen VI/37, VI/38, VI/40, VI/41 und VI/44 vorab entscheiden. Anschließend werde ich dann die Anträge auf den Drucksachen VI/39 und VI/43 zusammen aufrufen.Ich darf in diesem Zusammenhang auf folgendes aufmerksam machen. In dem Antrag auf Drucksache VI/44 wird von allen drei Fraktionen eine Änderung des § 7 der Geschäftsordnung — dem Hause ist das Thema bekannt — vorgeschlagen. Bei der Übernahme der Geschäftsordnung in der ersten Sitzung des Bundestages haben wir u. a. auch den § 67 ausgeklammert. Mit der Beschlußfassung über den Antrag Drucksache VI/37 ist diese Ausklammerung überholt, denn dieser Antrag betrifft auch die Frage der Besetzung des Vermittlungsausschusses. Deshalb haben mir die Fraktionen mitgeteilt, daß keine Bedenken bestehen, daß wir mit der Annahme des Antrags Drucksache VI/37 gleichzeitig auch den § 67 der Geschäftsordnung annehmen.Ich rege also an, daß wir wie folgt verfahren. Wir stimmen zunächst über die nicht strittigen Anträge ab, wobei der Antrag Drucksache VI/37 gleich eine Ergänzung in der Form findet, daß der § 67 der Geschäftsordnung mit übernommen wird.Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Anträge Drucksachen VI/37, VI/38, VI/40, VI/41 und VI/44. Ist das Haus damit einverstanden? - Dann sehe ich keine Bedenken, daß wir so verfahren. Wer diesen Anträgen seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zwei Enthaltungen ist die Annahme der aufgeführten Anträge — einschließlich der Übernahme des § 67 der Geschäftsordnung - beschlossen.Ich bitte, nun die Anträge Drucksachen VI/39 und VI/43 zur Hand zu nehmen. Ich empfehle, daß wir diese beiden Anträge, die das gleiche Thema zum Inhalt haben, gemeinsam behandeln, und eröffne die Aussprache über diese Anträge. Wer
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Präsident von Hasselwünscht dazu das Wort? — Zu welchem Antrag wollen Sie sprechen, Herr Abgeordneter Schultz?
Mir wird gesagt, die Anträge seien nicht verteilt worden.
Meine Damen und Herren, es handelt sich um die Anträge Drucksache VI/39 und VI/43. In Antrag VI/39 wird begehrt, daß nach § 61 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 der Geschäftsordnung ein ständiger Ausschuß, bestehend aus 25 Mitgliedern, mit der Bezeichnung „Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen" eingesetzt wird. Dieser Antrag kommt von den Fraktionen der SPD und der FDP.Dann liegt Ihnen der Antrag VI/43 vor. Er hat den gleichen Inhalt, sieht jedoch eine andere Bezeichnung für den Ausschuß vor. Die Bezeichnung soll „Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen" lauten. Die Mitgliederzahl ist die gleiche. Dieser Antrag kommt von der Fraktion der CDU/CSU. Ich glaube aber, daß, selbst wenn diese Anträge nicht verteilt wären., Inhalt und Thema bekannt sind.Das -Wort hat. Herr Abgeordneter Freiherr von Weizsäcker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU lautet, einen Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen einzusetzen und damit die Bezeichnung beizubehalten, die dieser Ausschuß seit Jahr und Tag gehabt hat. Ich möchte diesen Antrag kurz begründen und mich dabei bemühen, es mit der Behutsamkeit zu tun, die gerade in dieser Frage notwendig ist.Es liegt uns gar nichts daran, um jeden Preis eine neue Debatte über die Deutschlandpolitik zu führen. Der Name ist nicht Vorwand, wohl aber ist er ein Symptom dafür, ob wir über eine gemeinsame geschichtlich-politische Grundlage in unseren Tagesgeschäften verfügen und wie wir es mit der so notwendigen Gemeinsamkeit gerade in dieser Frage halten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst zu den praktischen Aufgaben des Ressorts und des dazugehörigen Ausschusses etwas sagen. Herr Bundesminister Franke hat in einem Interview mit dem RIAS am 23. Oktober gesagt, daß nach seiner Meinung alles, was in der Regierung gemacht werde, gesamtdeutsche Politik sei, in der Außenpolitik, in der Wirtschaftspolitik und in anderen Ressorts. Die Aufgabe seines Hauses sei vor allem, innerdeutsche Probleme einer Lösung zuzuführen. Meine Damen und Herren, diese innerdeutschen Probleme sind von besonderer Wichtigkeit, und wir wollen und werden an ihrer Lösung mitarbeiten. Es geht hier u. a. um Fragen aus dem Feld der Wirtschaftspolitik, der Verkehrspolitik, des Post- und Fernmeldewesens, aber auch um Fragen aus anderen Bereichen. Sie werden in den zuständigen Ressorts bearbeitet, in denen es nach den Worten von Bun-desminister Franke um gesamtdeutsche Politik geht. In seinem Haus soll es, wie er sich in demselben Interview äußerte, um Koordinierung gehen, und Koordinierung soll auch die Hauptaufgabe des zuständigen Bundestagsausschusses sein. Ich frage nun: Ist diese Koordinierung etwa keine gesamtdeutsche Aufgabe? Ich frage: Wohin soll diese Namensänderung führen? Ist sie Ausdruck der Kontinuität der Politik dieses Hauses, wie sie etwa in dem Beschluß vom September des Jahres 1968 zum Ausdruck gekommen ist?
Oder soll sie ein neues Programm signalisieren? Das würde uns besorgt stimmen.
Die Ostberliner Regierung will sich, wann immer sie öffentlich angesprochen wird, auf keine andere Art von Verhandlungen einlassen als auf die, die zu ihrer Anerkennung als Völkerrechtssubjekt führt. Wir alle wissen, daß es deshalb wichtig ist, in der Stille unablässig um Regelungen im einzelnen bemüht zu sein. Dann stellt sich aber die Frage, meine Damen und Herren: Was verspricht man sich, wenn man nüchtern und praktisch arbeiten will, von einem ersten Schritt, der in aller Öffentlichkeit die Namensänderung von Ministerium und Ausschuß ankündigt?
Es ist ein neuer Name, der gewiß auch nicht die ständig wiederholte Maximalforderung Ostberlins befriedigen wird.Aber entscheidend ist und bleibt: Was meinen wir mit „gesamtdeutsch"? Dieser Name sagt mehr und anderes, als es juristische Definitionen tun. Der Name besagt, daß durch die Demarkationslinie willkürlich getrennt ist, was menschlich und kulturell, geschichtlich, politisch und wirtschaftlich zusammenhängt.
Der Name sagt, daß hüben und drüben Deutsche einer Nation leben und geboren werden.
In ihnen lebt das elementare Bewußtsein, zusammenzugehören. Es äußert sich im Verlangen nach freier Kommunikation auf allen Gebieten. Trotz der ihnen aufgezwungenen Gegensätze kommen heide Teile nicht voneinander los. Die Zusammengehörigkeit ist stärker als diese Gegensätze, die ihre Wurzel in der Zugehörigkeit zu so grundverschiedenen gesellschaftlichen und politischen Systemen haben.Das Bewußtsein dieser Zusammengehörigkeit äußert sich darin, daß es den Menschen hüben und drüben unerträglich macht, den jeweils anderen irgendeinem Angehörigen eines anderen Nachbarstaates gleichzusetzen. Beide Teile wurzeln in derselben Geschichte und können sich in ihren Gegenwartsaufgaben davon nicht lossagen, auch wenn sie es wollten.In diesem Sinne gehören wir Deutsche auch im Bewußtsein der anderen Völker zusammen. Die Fortdauer cles ungelösten deutschen Problems erfüllt sie
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262 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1969
Dr. Freiherr von Weizsäckermit Sorge, und zwar auch angesichts der ihnen bedrohlich erscheinenden Vorstellung, daß die Lösung des Deutschlandproblems in einem neuen vereinigten deutschen Nationalstaat liegen könnte. Deshalb haben sie die Hoffnung, mit den Deutschen zu größeren politischen Einheiten zu kommen, die den Deutschen die Identität als ein zusammengehöriges Volk nicht rauben.Fir uns Deutsche bringt die exponierte Lage in der Mitte Europas besondere Notwendigkeiten und Chancen zur Befriedung Europas. Wir sind von der Spaltung am meisten betroffen. Von der Kraft unseres Zusammenhalts und unserer Einsicht wird es mit am meisten abhängen, ob die Spaltung Europas schrittweise überwunden werden kann. Es gibt kein befriedetes Europa ohne ein befriedetes Deutschland,
wie es auch kein befriedetes Deutschland gibt, es sei denn im Rahmen eines europäischen Friedens.Dies alles, das Bewußtsein dieses deutschen Zusammenhanges, seines menschlichen und seines geschichtlichen Rechts und seiner politischen Aufgabe, dies alles liegt im Begriff „gesamtdeutsch". Dies ist gemeint, wenn wir von gesamtdeutschen Lösungen sprechen, um die es geht. Gesamtdeutsche Politik, meine Damen und Herren, heißt nicht, Propaganda zu treiben, es heißt nicht, Illusionen am Leben zu erhalten,
es heißt nicht, praktische nüchterne Politik durch Definitionen und Deklamationen zu ersetzen; es heißt damit geradezu das Gegenteil von großdeutsch und alldeutsch unseligen Angedenkens. Gesamtdeutsche Politik heißt, den für ganz Europa lebensnotwendigen Weg voranzugehen, nämlich Grenzen durchlässig zu machen,
den überlebten Nationalstaat uneingeschränkter Souveränitäten zu überwinden und für Menschenrechte in allen Teilen einzutreten.
Dies alles, und gerade auch der Beitrag von uns Deutschen, den Europa trennenden Graben allmählich zuzuschütten, dies alles liegt im Wort „gesamtdeutsch". Es drückt aus, daß wir die politischen und die sittlichen Gebote lebendiger Geschichte zur unverrückbaren Basis unseres Handelns machen
und daß die Grundlage unserer Friedenspolitik für Europa eben diese sind und bleiben. Unsere Nachbarn, meine Damen und Herren, vor allem die. welche selbst über eine leidvolle Geschichte verfügen, wissen dies sehr wohl. Sie werden den Respekt vor unserer Politik nur behalten, ja, sie werden unsere Friedensbeiträge für Europa nur dann für glaubwürdig und beständig halten, wenn sie spüren, daß dies der Sinn dessen ist, was wir unter „gesamtdeutsch" verstehen.
Dieser Sinn bringt die Achtung vor dem langen Atem der Geschichte zum Ausdruck, der gute Politik durchdringt, und ich glaube, es ist keine gute Politik, gerade hier mit der Sorglosigkeit vor Experimenten zu beginnen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zur Gemeinsamkeit in den Fragen der Nation sagen. Wie es andere Fraktionskollegen schon getan haben, möchte auch ich sagen, daß ich ausdrücklich zu dem stehe, was in den vergangenen drei Jahren in der Großen Koalition auf deutschlandpolitischem Gebiet gemacht wurde. Es kam zu wichtigen Aussagen und Schritten. Das Wichtigste aber scheint mir zu sein, daß wir wieder gelernt haben, besser zusammenzuarbeiten, gelernt haben, bei allen Unterschieden der Meinungen und Urteile in einer Weise miteinander umzugehen, die uns lehrt, dieses uns alle so tief erregende Gebiet im Sinne der Gemeinsamkeit zu behandeln, es aber nicht zum polemischen Schlachtfeld werden zu lassen.
Meine Damen und Herren, wir haben Respekt vor der Arbeit, die Herbert Wehner im Gesamtdeutschen Ministerium geleistet hat.
Wir wollen auch mit seinem Nachfolger zusammenarbeiten. Die Opposition bejaht ausdrücklich die Aussage der Regierungserklärung über die notwendige Gemeinsamkeit in den Fragen der Nation. Der gegebene Platz hierfür ist der Bundestag im allgemeinen und der Gesamtdeutsche Ausschuß im besonderen.
Wir alle wissen, wieviel diese Gemeinsamkeit von uns fordert. Uns alle bedrückt die ungelöste Lage, und wir wissen, wie viele Menschen in unserem Lande — vor allem die jüngeren ungeduldig werden. Wir müssen uns gemeinsam darum bemühen, daß aus dieser Ungeduld heraus nicht manche das Vertrauen zur Deutschlandpolitik dieses Hauses verlieren und zu einer nationalistischen Einstellung, zu einem Weg des kalten Krieges, der immer in einen heißen umschlagen kann, zurückkehren.
Aber ebenso müssen wir verhindern, daß andere in ihrer Ungeduld die Lösung darin sehen, die Teilung der Deutschen in zwei Nationen einfach zu akzeptieren.
Beides, meine Damen und Herren, sind lebensgefährliche Fluchtversuche, die auch bei noch so viel verständlicher Ungeduld von keinem verantwortlichen Politiker zugelassen werden dürfen. Wir müssen uns mit aller Kraft dagegen wehren, daß auf diesem Feld aus der Ungeduld heraus wieder Spaltungen erwachsen, die dann auch wieder den Weg in dieses Hans nehmen wurden.Wir müssen festhalten, was wir im Stil des Umgangs in diesem Haus gelernt haben. Wir müssen
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1969 263
Dr. Freiherr von Weizsäckeraufhören, davon zu sprechen, wer heizt und wer bremst, und es darf nicht notwendig sein, daß wir uns hier gegenseitig sagen, daß „ich und meine Freunde sich von niemandem übertreffen lassen wollen" in der Frage, wer für das Recht auf Selbstbestimmung am besten eintritt. Uns allen gemeinsam ist die Sorge für das Recht auf Selbstbestimmung und für die Menschenrechte für alle Deutschen aufgegeben. Wir alle und wir gemeinsam tragen diese gesamtdeutsche Verantwortung.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Der Bundesminister Franke wurde am 27. Oktober im Norddeutschen Rundfunk gefragt, ob er und seine Fraktion die Umbenennung des entsprechenden Bundestagsausschusses zum Anlaß für eine Kampfabstimmung machen würden. Seine Antwort lautete - ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —:Wenn es darum geht, die erklärte Politik dieserRegierung zu praktizieren, wird man bemühtsein, zum Einvernehmen mit allen zu kommen.Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wissen, daß auch Sie eine Deutschlandpolitik nur im Einvernehmen mit allen werden machen können. Unsere Bereitschaft hierzu ist vorhanden. Was wir von Ihnen erwarten, ist nicht vorgefaßte Meinungen mit einer nur allzu knappen Mehrheit durchzusetzen, sondern, sich um die gemeinsame Grundlage selbst zu bemühen,
sich selbst zu bemühen, auch im Interesse Ihrer eigenen Politik. Hierfür allerdings ist die Frage, die vor uns steht, eine symptomatischer Prüfstein.
Das Wort hat der Abgeordnete Wienand.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zunächst einen Glückwunsch an meinen Vorredner, den Herrn Kollegen von Weizsäcker, zu richten. Er hat in einer Art, die das Haus ehrt, und in einer Form, die jeder gutheißen muß, seine erste Rede hier gehalten. Ich glaube, das sollte Anlaß sein, ihn dafür zu beglückwünschen.
Wenn ich diesen Glückwunsch vorausschicke und wenn ich sage, daß ich mich auch mit einer Reihe seiner Gedanken identifizieren kann, bedeutet das nicht, daß ich mich mit allen seinen Gedanken, bedeutet auch nicht, daß ich mich mit seinen Schlußfolgerungen identifiziere. Aber ich meine, es gehört auch zum Stil und zum Wesen eines Parlaments, dies klarzustellen.
Ich habe die Ehre, im Namen der Koalitionsfraktionen der FDP und der SPD eine Erklärung zu dem vorliegenden Antrag der beiden Koalitionsfraktionen auf Drucksache VI/39 abzugeben. Der neu konstituierte Deutsche Bundestag ist souverän in der Gestaltung seiner Arbeit, z. B. in der Festlegung der
Anzahl der Ausschüsse, der Stärke der Ausschüsse und deren Benennung.
Gleichwohl sind die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten der Auffassung, daß auch auf diesem Gebiet die Kontinuität vergangener Legislaturperioden gewahrt bleiben sollte. Wir halten es für erstrebenswert, daß die Ausschüsse nach Möglichkeit Bezeichnungen erhalten, die mit denen der entsprechenden Ministerien übereinstimmen.
Die Fraktionen der SPD und der FDP haben der Umbenennung des bisherigen Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen entsprechend seinen Aufgaben in „Ministerium für innerdeutsche Beziehungen" voll zugestimmt. Das ist bei der Debatte zur Regierungserklärung hier zum Ausdruck gebracht worden. Wir unterstreichen nochmals die Begründung, daß die Deutschlandpolitik insgesamt nicht Aufgabe eines Ressorts sein kann. Sie ist eine ständige Aufgabe der ganzen Regierung und umfaßt Aspekte der auswärtigen Politik, der Sicherheits- und Europapolitik ebenso wie die Bemühungen um den Zusammenhalt unseres Volkes und um die Beziehungen im geteilten Deutschland. Das gilt auch für den Deutschen Bundestag und für seine Ausschüsse.
Die Kontinuität in der Bezeichnung dieses Ausschusses wird dadurch gewahrt, daß bereits der zuständige Kabinettsausschuß für diese Fragen in der Zeit des Kabinetts Kiesinger am 8. Februar 1967 ganz bewußt „Kabinettsausschuß für innerdeutsche Beziehungen" genannt worden ist. Wie der Name des Ministeriums dem des in der vorigen Legislaturperiode so benannten Kabinettsausschusses angepaßt worden ist, so sollte auch der Name des Ausschusses dem des Ministeriums angepaßt werden.
Die Fraktionen der SPD und der FDP begrüßen die mit der Umbenennung des Ministeriums und des zugehörenden Ausschusses angestrebte Versachlichung der politischen Bemühungen. Sie sind sicher, daß weder im deutschen Volk noch im Ausland Zweifel an der Intensität der Bemühungen der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages um die Beziehungen und damit um den Zusammenhalt der Deutschen im gespaltenen Deutschland aufkommen werden.
Ich bitte deshalb, dem Antrag der SPD und der FDP zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es für meine Pflicht, den Versuch zu machen, anläßlich der Umbenennung dieses Ausschusses nicht die Gefahr eines weltanschaulichen Streites in diesem Hause um die Deutschlandpolitik aufkommen zu lassen.Sie wissen, daß ich der Bildung der neuen Bundesregierung während der Koalitionsverhandlungen mit einer gewissen Distanz gegenüberstand; nicht
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Dr. Mendeaus Sorge um die Sozialdemokratische Partei, die einen großen Wahlerfolg verzeichnen konnte, nicht aus Sorge um die Christlich-Demokratische Union, sondern aus Sorge um meine eigene Partei, aber auch aus gewissen Sorgen vor möglicherweise zu starken Auseinandersetzungen um Grundsatzfragen der deutschen Politik, in denen es gerade für die kommenden Reformen aber darauf ankommt, ein Höchstmaß an Gemeinsamkeit in diesem Hohen Haus auch im sechsten Deutschen Bundestag zu wahren.Aber gerade deswegen, meine Damen und Herren, halte ich es für meine Pflicht, zu sagen, daß diese neue Bundesregierung auf das Grundgesetz vereidigt ist, in dessen Präambel wir alle aufgefordert werden, die Einheit und Freiheit ganz Deutschlands zu vollenden. Das Bundesverfassungsgericht hat 1956 diese Präambel in den Rang eines Verfassungsgebots erhoben, bindend für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Es sollte daher niemand in diesem Hohen Haus, niemand im anderen Teil Deutschlands und niemand in der Welt daran zweifeln, daß diese Bundesregierung, vereidigt auf das Grundgesetz, sich um ein Höchstmaß auch gesamtdeutscher Verpflichtungen bemühen wird.
Die geringsten Zweifel in diese Verpflichtung .der Bundesregierung würden eine Ausgangsposition markieren, die verhängnisvoll für die Deutschland- und Außenpolitik der nächsten Jahre sein könnte.Lassen Sie mich Ihnen daher zur Versachlichung des anstehenden Themas folgendes mitteilen: Ich habe als früherer Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen bereits 1963 den Vorschlag gemacht, das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen in „Bundesministerium für innerdeutsche Angelegenheiten" umzubenennen. Dieser Vorschlag resultierte damals aus der Eikenntnis, daß die Übersetzung der deutschen Worte „gesamtdeutsche Fragen" ins Französische wie ins Englische verhängnisvolle Mißverständnisse auslösen muß. Ich selber habe in Paris bei der Vollversammlung der Westeuropäischen Union erlebt, wie unruhig es im Hause wurde, als meine Rede als die Rede des „ministre des affaires panallemandes" angekündigt wurde und dann die Journalisten mich um eine Interpretation des Wortes „des affaires pangermaniques" baten: ob denn auch Österreich, ob denn auch die Schweiz und die Deutschsprechenden in aller Welt zu meinem Ressort gehörten. Der englische Dolmetscher übersetzte dieses Ressort als ein Ministerium für „All-German Affairs". So ging es auch wieder in Washington los: „Ist unter ,All-German Affairs' auch die Verpflichtung für die deutschsprechenden Bereiche außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zu verstehen?"Sehen Sie, diese mißverständlichen Deutungen haben uns vielleicht mehr geschadet, als Verständnis für die gesamtdeutschen Belange gebracht.
Ich halte es daher für richtig, nunmehr Schaden von unserer gesamtdeutschen Politik dadurch zu wenden, daß wir uns um Wahrheit und Klarheit auch in der Benennung bemühen. In der Sache allerdings dürfte auch in Zukunft in diesem Hause unbestritten sein, daß wir die Einheit des deutschen Volkes als Nation und das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes
als die für uns hier im Haus größten Verpflichtungen neben der Wahrung des Friedens anerkennen.
Das Wort hat Herr Bundesminister Franke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zu der Umbenennung des bisherigen „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen" in ein „Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen".Für jeden, der den Gesamtkomplex Deutschlandpolitik in den vielen Jahren der Entwicklung und seine Möglichkeiten aufmerksam und kritisch beobachtet hat, ist immer deutlicher geworden, daß heute nicht mehr die Gegebenheiten vorhanden sind, die einst den Auftrag für dieses Ministerium bestimmten, sondern daß jener Auftrag, der am Anfang stand, eine festgelegte Beschränkung der Wirksamkeit, vor allem auf propagandistische und informative Tätigkeit, betonte und die Wirksamkeit einengte. Sie kennen diese Aufgabenzuweisung aus dem Jahre 1959. 1966 trat mit der Bildung der Großen Koalition an die Stelle dieser Zielsetzung die Aufgabe, das vielfältige Bemühen verschiedener Ressorts um die Herstellung eines geregelten Nebeneinander beider Teile Deutschlands sinnvoll zu koordinieren.Für diese Aufgabe der Koordinierung aller Bemühungen und Möglichkeiten, um die es bei den in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 erklärten Zielen des geregelten Nebeneinander ging, existierte Ende 1966 die notwendige Apparatur im Ministerium nur in Ansätzen. Seither wurde der für diese politische Aufgabe notwendige Apparat geschaffen und erkennbar tätig. Mit der Regierungserklärung vom 12. April 1967 wurden der DDR unter Hinweis auf die Leitsätze der Deutschlandpolitik der Regierung 16 konkrete Gesprächsthemen für Verhandlungen mit der Absicht angeboten, zur Erleichterung des täglichen Lebens für die Menschen in den beiden Teilen Deutschlands beizutragen sowie über Maßnahmen zur verstärkten wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Zusammenarbeit und über Rahmenvereinbarungen für den wissenschaftlichen, technischen und kulturellen Austausch vertragliche Vereinbarungen zu erreichen.Es kann gar kein Zweifel darüber bestehen, daß die politische Wirksamkeit des Ministeriums bei der Durchführung der von der Großen Koalition neu formulierten Deutschlandpolitik größer geworden ist. Danach hat der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen insbesondere die Aufgabe, sich mit der
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Bundesminister Frankeaus der Teilung Deutschlands resultierenden Problemen zu befassen und die Folgen der Spaltung für die Menschen in beiden Teilen Deutschlands zu mildern.
Er hat insbesondere die Aufgabe, die deutschlandpolitische Verantwortung der Bundesregierung wahrzunehmen, vor allem in den Bereichen der Gesetzgebung und Verwaltung die Bemühungen der verschiedenen Ressorts zu koordinieren. Er hat insbesondere die Aufgabe, alle innerdeutschen Beziehungen federführend zu koordinieren und mit den Fachressorts abzustimmen. Er hat weiterhin insbesondere die Aufgabe, im Rahmen seiner allgemeinen Zuständigkeit innerdeutsche Beziehungen wahrzunehmen, und er hat weiterhin die Aufgabe, bei der Vorbereitung von Sachentscheidungen der einzelnen Fachressorts mitzuwirken, wenn sie die Deutschlandpolitik berühren, auf dem Gebiet der Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit tätig zu sein, um eine objektive Information über die Entwicklung in der Bundesrepublik und über die Entwicklung in der DDR hinsichtlich der Beziehungen zwischen beiden Teilen Deutschlands zu fördern. Er hat weiter insbesondere die Aufgabe, Maßnahmen zur wirtschaftlichen Gesundung der Gebiete an der Demarkationslinie und an der Grenze zur CSSR zu koordinieren und dort sowie in anderen Grenzbereichen Förderungsmaßnahmen im Kultur- und Bildungsbereich durchzuführen. Weiter gehört es zu den j besonderen Aufgaben, an Forschungsarbeiten entsprechenden Charakters im Bereich der Wissenschaft und Erziehung mitzuwirken und diese Arbeiten zu fördern.Diese Aufgabenstellung des Ministeriums auch nach außen deutlicher erkennbar zu machen, gehörte mit zu den Überlegungen, die zur Umbenennung führten. Es erscheint der Bundesregierung zweckmäßig, die Koordinierungszuständigkeit des Ministeriums bei diesen Aufgaben besonders hervorzuheben. Für den Bereich der Deutschlandpolitik besteht eine Situation, die der im Bereich der auswärtigen Politik vergleichbar ist, wo dem Auswärtigen Amt die politische Koordinierung auch für jene Bereiche zukommt, in denen es selbst nicht federführend ist.Die Regierungserklärung, meine Damen und Herren, betont, daß es die Aufgabe der praktischen Politik in den jetzt vor uns liegenden Jahren ist, die Einheit der Nation dadurch zu wahren, daß das Verhältnis zwischen den Teilen Deutschlands aus der gegenwärtigen Verkrampfung gelöst wird und daß wir ein weiteres Auseinanderleben —
Einen Augenblick, Herr Bundesminister. — Darf ich bitten, meine Damen und Herren, daß Verhandlungen im Hintergrund des Saales geführt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
- der deutschen Nation verhindern, also über ein geregeltes Nebeneinander zu einem Miteinander kommen, d. h. daß wir das Bemühen um ausbaufähige Regelungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in den Vordergrund stellen, ohne uns je aus der nur selbstverständlichen Verpflichtung zu entlassen, das Ziel der deutschen Einheit und des freien Selbstbestimmungsrechts der Deutschen zu erreichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an den eigentlichen Aufgaben und an dem, was möglich ist, wird gar nichts geändert; es wird versachlicht! Wenn ich hier bei dieser Gelegenheit betone, daß es mein ganz besonderes Anliegen sein wird, über alle nur möglichen Dinge mit allen Damen und Herren dieses Hauses, soweit es nur geht, gemeinsame Beratungen zu führen und all das, was in jene vertraulichen Bereiche gehört, mit Ihnen von der Opposition genauso in aller Offenheit zu besprechen wie mit allen anderen, dann ist das kein billiges Versprechen, sondern dann ist das eine Selbstverständlichkeit, für die ich - auch entsprechend meiner Entwicklung aus diesem Hause heraus — eintrete. Der Respekt vor dem ganzen Parlament macht dies zum Gebot. Ich bin sicher, daß wir so zu einer großen Gemeinsamkeit kommen können.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir treten in die Abstimmung ein. Zur Abstimmung hat das Wort der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der Koalition beantrage ich namentliche Abstimmung über den Antrag auf Drucksache VI/39, soweit er die Bezeichnung des Ausschusses betrifft.
Ich stelle es in Ihr Ermessen, Herr Präsident, nach § 128 der Geschäftsordnung zu entscheiden, ob gleichzeitig in Abweichung von § 58 der Geschäftsordnung über die Stärke des Ausschusses abgestimmt werden kann. Mein Antrag bezieht sich auf die Bezeichnung des Ausschusses.
Ich sehe gar keinen Streit darüber, daß die Stärke des Ausschusses, wie auch immer die Annahme oder Ablehnung der einzelnen Anträge aussehen wird, 25 beträgt. Ich darf die namentliche Abstimmung nur zu dem Namen, nicht zur Stärke zulassen. Da beide Anträge eine Stärke von 25 Mitgliedern vorsehen, impliziert wohl die Annahme des einen wie des anderen Antrags die Festlegung auf diese Zahl der Mitglieder.Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktionen der SPD und der Freien Demokraten auf Drucksache VI/39 abstimmen. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich darf die Herren Schriftführer bitten, die Stimmkarten einzusammeln.Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag Drucksache VI/39 bekannt. Es haben insgesamt 503 Kollegen ihre Stimme ab-
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266 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1969
Präsident von Hasselgegeben. Es ist dem Hause bekannt, daß die Berliner Abgeordneten das volle Stimmrecht haben. Mit Ja haben 262, mit Nein haben 241 Abgeordnete gestimmt; keine Enthaltungen, keine ungültigen Stimmen.Ergebnis der Abstimmung:Ja SPDAdamsDr. Ahrens Dr. ApelArendt
Dr. Arndt
BaackBaeuchleBäuerleBalsBarcheDr. Bardens BatzBauerBayDr. BayerlDr. Bechert Becker (Nienberge)Dr. Beermann BehrendtBergmann BerkhanBerlinBiermann BöhmBörnerFrau von BothmerDr. Brand BrandtBrandt
BredlBrückBrünenBuchstallerDr. von BülowBuschfortDr. Bußmann ColletCorterierCramerDohmannDr. von DohnanyiDröscherDürrEckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Frau Dr. ElsnerDr. Enders EngholmDr. Eppler EstersFallerFellermaier FiebigDr. Fischer FlämigFrau Dr. FockeFolgerFranke
FrehseeFrau Freyh FritschGeigerGerlach
GertzenDr. Geßner GlombigGnädinger Gscheidle Dr. HaackHaage
Haar
Haase HaehserHalfmeier Hansen Hansing HauckDr. Hauff Dr. Hein HenkeHermsdorf HeroldHirschHöhmann
Hörmann HofmannHornFrau HuberDr. HupkaJacobi
Jahn
Jaschke Junghans Junker KaffkaKaterKernKillatDr. Koch Koenig KohlbergerKonradDr. Kreutzmann KriedemannKrockert Kulawig LangeLangebeckDr. Lauritzen LautenschlagerFrau LauterbachLeberLempLemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. LohmarLotzeMaibaum MarquardtMarx
Matthes MatthöferDr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MetzgerMichels MöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Dr. Müller Müller (Nordenham)Dr. Müller-EmmertDr. MüthlingNeemann Neumann Dr. NöllingOffergeld Frau Dr. OrthFrhr. Ostman von der Leye PawelczykPeiterPenskyPeters
Pöhler Porzner Ravens Dr. ReischlFrau RengerRichter RohdeRosenthalRoßSander SaxowskiDr. SchachtschabelDr. Schäfer Frau SchanzenbachScheuDr. SchillerSchiller
Frau SchimschokSchirmer SchlagaDr. Schmid Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)Dr. Schmidt Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeSchoettleSchollmeyerSchonhofenSchulte
Schwabe Seefeld Seibert Seidel Seifriz Frau SeppiSimonDr. SlottaDr. SperlingSpilleckeFrau StrobelStrohmayrSuckTallertDr. TambléFrau Dr. TimmTönjes VitWalkhoffDr. Weber WehnerWende Wendt WestphalDr. WichertWiefel WienandWilhelmWischnewskiDr. de WithWittmannWolfWolframWrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander ZebischBerliner AbgeordneteDr. Arndt BartschBühling Heyen Frau KrappeLiehrLöffler Mattick Dr. SchellenbergFrau SchleiDr. Schulz
Dr. SeumeSieglerschmidtFDPDr. AchenbachDr. DahrendorfFrau Dr. Diemer-Nicolaus DornErtlGenscher GraaffGrünerDr. Haas HelmsJungKienbaum KirstKleinertFrhr. von Kühlmann-Stumm LogemannDr. Mende MertesMischnick Moersch OlleschPeters
Dr. RutschkeSchmidt
Schultz Dr. Starke (Franken)WurbsZoglmannBerliner Abgeordnete BormNeinCDU/CSUDr. AbeleinAdornoDr. AignerAlbervon Alten-NordheimDr. AlthammerDr. ArnoldDr. ArtzingerDr. BachBaier BalkenholDr. BarzelDr. Becher
Dr. Becker
Becker BerberichBerdingBerger BewerungeBiecheleBiehleDr. BirrenbachDr. von Bismarck BittelmannBlank Blumenfeld
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1969 267
von BockelbergDr. BöhmeFrau BrauksiepeBreidbachBremmDr. Burgbacher BurgemeisterBurger Dr. CzajaDam Daschvan Delden DichgansDr. Dittrich Dr. Dollinger von Eckardt EhnesEngelsberger Dr. ErhardErhard ErnestiErpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Franke
Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. FrühDr. Fuchs Dr. Furler Dr. GatzenFrau Geisendörfer Geisenhofer Gerlach GewandtGierenstein Dr. Giulini Dr. GleissnerGlüsing Dr. GölterDr. GötzFrau GriesingerDr. GruhlFreiherr von und zu GuttenbergHaase
Dr. Häfele Härzschel HäusslerDr. Hallstein Dr. HammansHanzvon HasselHauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. HeckFrau Dr. HenzeDr. Hermesdorf HöcherlHöslHorstmeier HortenDr. Hubrig HussingDr. I-luysFrau Jacobi
Dr. JaegerDr. Jahn Dr. JenningerDr. Jobst JostenDr. JungmannKatzerDr. KempflerKiechleKiepDr. h. c. KiesingerFrau Klee Dr. Klepsch Dr. KleyDr. Kliesing KlinkerKöppler KösterKrammig KrampeDr. Kraske Dr. KreileFrau Dr. Kuchtner LampersbachLeichtLemmrich LensingDr. Lenz Lenze (Attendorn)LenzerLinkDr. Löhr Dr. LudaLücker MajonicaDr. MartinDr. Marx MaucherMeisterMemmel MickDr. Mikat Dr. MiltnerMüller Müller (Niederfischbach) Müller (Remscheid)Dr. Müller-Hermann MurschNiegelDr. von Nordenskjöld OrgaßOttPfeiferPicardPierothDr. Pinger Dr. Pohle Pohlmann Dr. Prassler Dr. PreißDr. ProbstRainerRasnerRaweReddemannDr. ReinhardRichartsRiedel
Dr. Riedl
Dr. RinscheDr. RitgenDr. RitzRockRöhnerRösingRollmannRommerskirchenRoserRufRussePrinz zu Sayn-Wittgenstein-HohensteinSchleeDr. Schmid-BurgkDr. Schmidt Schmitt (Lockweiler)Dr. h. c. Schmücker Schneider Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. SchoberFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) SchulhoffSchulte Dr. Schulze-VorbergDr. SchwörerSeitersDr. SiemerSolkeSpilkerSpringorumDr. SprungStahlbergDr. Stark
Stein
SteinerDr. StoltenbergFrau StommelStorm Strauß Struve Stücklenvon ThaddenTobabenFrau TüblerUnertlDr. UnlandVarelmannVehar Vogel VogtVolmerWagner
Dr. Wagner
Frau Dr. WalzDr. WarnkeWawrzikWeber
WeiglDr. Freiherr von Weizsäcker WernerWindelenWinkelheideWissebachDr. WörnerBaron von WrangelDr. WulffZieglerDr. ZimmermannZinkBerliner AbgeordneteBendaDr. GradlDr. Kotowski LemmerMüller Frau PieserWohlrabeDer Antrag Drucksache VI/39, den Ausschuß „Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen" zu benennen und mit 25 Mitgliedern zu besetzen, ist angenommen. Der Antrag Drucksache VI/43 der Opposition ist damit abgelehnt.Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 6. November, 9 Uhr.Die Sitzung ist geschlossen.