Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.Vor Eintritt in die Tagesordnung teile ich folgendes mit. Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Vorlage des Präsidenten des Europäischen ParlamentsBetr. Entschließung über die von einer. Delegation des Europäischen Parlaments vom 17. bis zum 20. Januar 1969 unternommene Studienreise zur Ostafrikanischen Gemeinschaft in Arusha— Drucksache V/4089 —zuständig: Auswärtiger Ausschuß , Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Ausschuß für EntwicklungshilfeVorlage des Bundesministers des InnernBetr. Änderung der Durchführungsverordnung zum AusländergesetzBezug: Beschluß des Bundestages vom 26. Juni 1968— Drucksache V/4166 —zuständig: Innenausschuß , Auswärtiger AusschußErhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Ich stelle fest, daß so beschlossen ist.Ich teile Ihnen ferner mit: Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 23. April 1969 die vom Bundesrat in seiner 336. Sitzung am 28. März 1969 gemäß Art. 76 Abs. 2 des Grundgesetzes beschlossene Stellungnahme zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates übersandt. Das Schreiben ist als Drucksache zu V/3970 verteilt.Ist das Haus damit einverstanden, daß auch diese Vorlage entsprechend dem bereits in der 222. Sitzung überwiesenen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Sozialpolitik — federführend —, dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — und dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen wird? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich teile schließlich mit, daß mich ein Schreiben der Fraktion der CDU/CSU erreicht hat, die mitteilt, daß sie auf ihrer heutigen Sitzung beschlossen hat,Herrn Kollegen Reinhold Rehs als Mitglied in die Bundestagsfraktion der CDU/CSU-Fraktion aufzunehmen.Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 9. Mai 1969 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen vom 7. März1966 zur Beseitigung jeder Form von RassendiskriminierungDrittes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Häftlingshilfegesetzes
Entwicklungshelfer-Gesetz
Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes... Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes— Artikel 74, 75, 96 Abs. 4 —... Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes— Finanzreformgesetz —Der Bundesminister des Innern hat am 7. Mai 1969 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Deringer, Petersen, Dr. Lenz , Häussler, Meister und Genossen betr. Fernlehrinstitute — Drucksache V/4033 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/4177 verteilt.Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 9. Mai 1969 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mauk, Reichmann, Sander und der Fraktion der FDP betr. Einfuhr von Tafeläpfeln aus Ländern der südlichen Hemisphäre — Drucksache V/4121 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/4190 verteilt.Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen hat am 29. April 1969 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die Verordnung Nr. 406/69 vom 4. März 1969 über die zeitweilige Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs für Pfeffer der Tarifstelle 09.04 A I keine Bedenken erhoben habe.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Verordnung des Rates betreffend die Einfuhren von Zitrusfrüchten mit Ursprung in TunesienVerordnung des Rates betreffend die Einfuhren von Zitrusfrüchten mit Ursprung in MarokkoVerordnung des Rates über die Einfuhren von Zitrusfrüchten mit Ursprung in der TürkeiVerordnung des Rates über die Einfuhren von Zitrusfrüchten mit Ursprung in der TürkeiVerordnung des Rates über die Einfuhren von Zitrusfrüchten mit Ursprung in SpanienVerordnung des Rates über die Einfuhren von Zitrusfrüchten mit Ursprung in IsraelVerordnung des Rates betreffend die Einfuhr von Hartweizen aus Marokkosowie den Entwurf füreine Verordnung des Rates über den Abschluß des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko, die zu seiner Durchführung zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahreneine Verordnung des Rates über den Abschluß des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Tunesischen Republik, die zu seiner Durchführung zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren— Drucksache V/4174 —
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12888 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Präsident von Hasselüberwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatErgänzende Vorschriften für die Gemeinsame Marktorganisation für Wein— Drucksache V/4165 —überwiesen an den Ausschuß für Gesundheitswesen , Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung Nr. 787/69 des Rates vom 22. April 1969 über die Finanzierung von Interventionsausgaben auf dem Binnenmarkt für Getreide und Reisüberwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden.Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:Fragestunde— Drucksachen V/4191, V/4183 —Die Dringlichen Mündlichen Anfragen Drucksache V/4191 werden nicht heute, sondern während der Fragestunde morgen früh behandelt.Die Frage 1 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz wurde vom Fragesteller, Herrn Abgeordneten Dichgans, zurückgezogen.Ich rufe die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers auf, und zwar Frage 2 des Abgeordneten Dichgans:Trifft es zu, daß die Zahl der Arbeitnehmer unserer bundeseigenen Betriebe größer ist als die Zahl der Arbeitnehmer der staatlichen Unternehmen in Frankreich?Der Fragesteller ist mit einer schriftlichen Beantwortung einverstanden. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt anwesend. Frage 26 des Abgeordneten Ott:Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß im Augsburger Raum in den letzten Monaten drei Textilunternehmen mit zusammen 1000 Beschäftigten entweder ihre Liquidation beschlossen oder die Stillegung von Werken in Aussicht gestellt haben?Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielen Dank, Herr Präsident.
Herr Kollege Ott, nach den uns vorliegenden Informationen können zumindest zwei der drei Stilllegungen als eine innerbetriebliche Straffung größerer Unternehmen angesehen werden. Im übrigen gehört die Baumwollindustrie zu den Sparten der Textilindustrie, die durch das Aufkommen der Chemiefasern und durch die Änderung von Verbrauchergewohnheiten einem schmerzhaften strukturellen Anpassungsprozeß unterworfen sind. Die ,Zahl der Betrebe hat sich laufend verringert. 1960 betrug sie 664, 1965 535 und 1968 454. Glücklicherweise macht die zur Zeit gute Konjunktur auch auf dem Arbeitsmarkt dieses Raumes diesen notwendigen Entwicklungsprozeß ohne große Schäden für die betroffenen Arbeitnehmer möglich.
Schließlich darf ich bemerken, daß das Bundesministerium für Wirtschaft vor zwei Jahren den Versuch unternommen hat, zur Strukturverbesserung dieses Industriezweiges beizutragen. Die Pläne für ein gemeinsames Anpassungsprogramm sind damals daran gescheitert, daß die Unternehmen nicht bereit waren, sich an den Maßnahmen zu beteiligen. Die drei Fälle im Augsburger Raum werden dem Bundesministerium für Wirtschaft jedoch erneut Gelegenheit geben, das Thema aufzugreifen. Diese Besprechungen sind in nächster Zeit mit allen Beteiligten, d. h. sowohl mit den Unternehmen als auch mit den Gewerkschaften, vorgesehen.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Ott.
Herr Staatssekretär, wie vereinbaren Sie diese Ihre Äußerungen über die Unsicherheit des Arbeitsplatzes in der Textilindustrie mit einer Anzeige in der Bild-Zeitung vom 30. April — mit dem Bild des Herrn Wirtschaftsminsters —, in der steht: „Wir wollen Stabilität durch technischen Fortschritt und Produktionssteigerung. Nur das bringt uns sichere Arbeitsplätze."?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist vereinbar, Herr Kollege Ott. Die Gesamtheit der Arbeitsplätze ist heute so sicher wie nie. Einige sagen bereits, wir hätten eine zu starke Nachfrage nach Arbeitskräften. Andererseits ist es selbstverständlich, daß es für das eine oder andere Unternehmen und für die eine oder andere Form der Produktion im Zuge des technischen Fortschritts keinen Anspruch auf Dauerexistenz geben kann.
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Abgeordnete Ott.
Herr Staatssekretär, interpretiere ich diese Anzeige — in der Bild-Zeitung — des Herrn Wirtschaftsministers dann richtig, wenn ich davon ausgehe, daß hier nicht d e r sichere Arbeitsplatz gemeint ist, sondern ein sicherer Arbeitsplatz?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
E i n sicherer Arbeitsplatz, und zwar auch an Ort und Stelle. Nach Auskunft des zuständigen Arbeitsamtes wartet nämlich die dortige Industrie — so bedauerlich die Betriebsschließungen sind — bereits auf die freiwerdenden Arbeitskräfte.Ende April standen im Arbeitsbezirk Augsburg 3110 offene Stellen für Männer und 1671 offene Stellen für Frauen gegenüber. Auch in der Berufsgruppe Textil gibt es 222 offene Stellen für Männer und 311 offene Stellen für Frauen. Im übrigen ist es der zuständigen Gewerkschaft gelungen, mit den in Frage kommenden Unternehmen Sozialpläne aufzustellen, die eine gewisse Linderung und Milderung der Härten ermöglichen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969 12889
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kohlberger.
Herr Staatssekretär, wie ist es miteinander zu vereinbaren, daß sich die Unternehmer nicht zu einem Gespräch mit dem Bundeswirtschaftsministerium und mit den Gewerkschaften bezüglich der Strukturveränderungen bereit erklärten — wie Sie es anführten — und daß dann bei den Strukturveränderungen, wie wir sie jetzt in Augsburg feststellen können, die Belastung einseitig auf die Arbeitnehmer zukommt, insbesondere auf die älteren Arbeitnehmer, die schlecht unterkommen und denen die große Zahl der offenen Stellen in Augsburg kaum zugute kommt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Kohlberger, das ist damals an der Kostenfrage gescheitert.
Ich will mich nicht dazu äußern, wie wir jetzt bei den kommenden Gesprächen weiterkommen. Die Lage der Textilindustrie insgesamt ist gut, vor allem gemessen an den Problemen, die wir 1967 bei ihr vorgefunden haben. Die Exporte ,steigen, auch der Inlandsabsatz ist befriedigend. Es ist die Frage, ob im Rahmen der allgemeinen Vorschriften bei Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmen über Sozialpläne und über die notwendige Übernahme der Kosten für die stillgelegten Kapazitäten in dieser Situation nicht Fortschritte erzielt werden können. Ich habe die starke Hoffnung, daß das möglich ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kohlberger.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß es die richtige Art ist, in einer Betriebsversammlung den 600 Beschäftigten dieses einen Betriebes der Baumwollindustrie, den Sie angeführt haben, mitzuteilen, daß der Betrieb aufgelöst wird, ohne daß vorher von Sozialplänen oder Unterstützung der zu entlassenden und der freigesetzten Arbeitskräfte gesprochen wurde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Kohlberger, ich würde sagen, das widerspricht nicht nur dem Betriebsverfassungsgesetz, sondern den primitivsten Umgangsformen, an die wir uns alle gewöhnen mußten.
Herr Kollege Ott, Sie haben keine weitere Zusatzfrage? — Dann rufe ich die Frage 27 des Abgeordneten Ott auf:
In welcher Weise haben sich Textilimporte, besonders in der Baumwollindustrie, entwickelt in den Jahren 1966, 1967 und 1968?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Ott, die Textilimporte ohne Rohstoff betrugen im Jahre 1966 6,0 Milliarden DM, 1967 5,1 Milliarden DM, 1968 6,4 Milliarden DM. Die Einfuhr von Baumwollgarnen, Geweben und Fertigerzeugnissen aus Baumwolle betrug — jetzt kommt es in Millionen DM, weil die Zahlen niedriger sind —: 1966 976, 1967 792, 1968 1098.
Herr Präsident, vielleicht darf ich die nächste Frage gleich mit beantworten.
Haben Sie Bedenken? — Keine Bedenken. Bitte schön. Dann rufe ich auch die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Ott auf:
In welcher Hohe belaufen sich die Importe bei Baumwollgeweben jeweils in den ersten drei Monaten der Jahre 1969, 1968, 1967 und 1966?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Einfuhr von Baumwollgeweben /in den jeweils ersten drei Monaten betrug 1966 131 Millionen DM, 1967 — jetzt wieder der Rezessionsabfall — 102 Millionen DM, 1968 110 Millionen DM, 1969 145 Millionen DM.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Ott.
Herr Staatssekretär, in welcher Weise ist durch ein Gespräch von Ihnen mit dem Zonenhandelsminister auf der Messe in Hannover eine Aufstockung der Kontingente aus der Zone im Sektor Baumwollgewebe erfolgt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Problem der Erhöhung unserer Einfuhrkontingente ist mit Herrn Minister Behrendt überhaupt nicht besprochen worden. Das war eine Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers, die vor diesem Gespräch erfolgt ist, und selbstverständlich ohne eine derartige Fühlungnahme.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, darf ich damit zur Kenntnis nehmen, daß nicht beabsichtigt ist, die Einfuhren von Baumwollgeweben, ganz gleich, woher, prozentual und absolut zu erhöhen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben die Interzonenhandelskontingente für Textilien erhöht. Es handelt sich um einen Betrag von sagen wir rund 25 Millionen DM, gemessen an Milliardenumsätzen. Ich habe die Hoffnung, daß es zu Gegenbezügen kommt und daß umgekehrt die Bevölkerung in Mitteldeutschland die Möglichkeit hat, westdeutsche Textilerzeugnisse in stärkerem Maße zu beziehen als bisher, vielleicht sogar etwa in der gleichen Größenordnung.Es ist die Linie unserer Politik, Einfuhren oder Bezüge ebenso zu erleichtern wie Ausfuhren oder Lieferungen. Den von mir genannten Steigerungen
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12890 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndtder Importe an Textilien im Jahre 1969 steht auch eine sehr starke Steigerung unserer Exporte in die übrige Welt gegenüber.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kohlberger.
Herr Staatssekretär, gehen Sie mit mir einig, daß die einheimische Produktion sich entsprechend Ihrer Aussage in der 111. Sitzung weitaus stärker entwickelt hat als die Einfuhr von Baumwollgarnen und daß diese erhöhte Produktion trotz kürzerer Arbeitszeit und trotz Freisetzung von Arbeitskräften den Umsatz pro Mann und Stunde wesentlich erhöht hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist richtig; die Produktivitätssteigerung in der deutschen Textilindustrie ist enorm. Ihre Unternehmen gehören zu den wettbewerbsfähigsten dieser Branche auf der ganzen Welt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Dorn auf:
Was ist von der Bundesregierung in Brüssel unternommen worden, um entsprechend dem einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 11. Oktober 1967 die Belange der deutschen Ingenieurschulstudenten zu vertreten?
Herr Staatssekretär, zur Beantwortung!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dorn, die Beratung der Richtlinienvorschläge „Architekten", die der Beschluß des Bundestages vom 11. Oktober 1967 betraf, ist erst im März dieses Jahres 1969 in der Arbeitsgruppe beim Rat aufgenommen worden. Die Anerkennung der Diplome ist aber bisher noch nicht erörtert worden. Voraussichtlich wird dies in der nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe im Juni geschehen. Die deutsche Delegation wird dabei in voller Übereinstimmung mit ihren bisherigen und mehrfachen Stellungnahmen vorschlagen, die Abgangszeugnisse der Fachhochschulen und die der Ingenieurschulen in die Anerkennung einzubeziehen, letztere vielleicht mit einer Übergangsregelung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, darf ich die Auffassung der Bundesregierung so verstehen, daß, wenn die belgischen Ingenieurschulen, die SaintLuc-Schulen z. B., in der Richtlinie bleiben, auch die deutschen Ingenieurschulen in diese selbe Richtlinie aufgenommen werden müssen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die deutsche Bundesregierung verhandelt von dieser Position aus.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Dorn auf:
Ist der heutige Stand der Dinge noch so, wie von der Bundesregierung in ihrer Antwort — Drucksache V/3221 — auf die Kleine Anfrage der FDP vom 19. August 1968 angenommen, daß die beabsichtigte Ländergesetzgebung auf dem Ingenieurschulwesen die Schwierigkeiten in der EWG vermindert und die Chancen für Kompromißlösungen erhöht?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dorn, die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß die Reform der Ingenieurschulen die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen in Brüssel vermindert und die Chancen für vernünftige Kompromisse erhöht. Sie sieht sich darin auch durch die in der vergangenen Woche von der Kommission verabschiedeten Richtlinienvorschläge „Ingenieure" bestätigt. Diese sehen nunmehr vor, daß neben den Absolventen der Hochschulen mit vierjähriger Ausbildung durch Bildung zweier Kategorien „Ingenieure" auch diejenigen Ingenieure in die Anerkennung einbezogen werden, deren Ausbildung der der vorgesehenen Fachhochschulen und der der Ingenieurschulen entspricht. Hier ist an eine Übergangsregelung für die letzteren gedacht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, da Sie von zweierlei Kategorien von Ingenieuren sprechen: Heißt das denn nicht, daß die Gefahr bestehen könnte, daß die eine Kategorie, nämlich die Absolventen der Fachhochschulen, dann mit minderen Rechten ausgestattet würde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dorn, die Bundesregierung hielte es nach wie vor für das Beste, wenn eine einheitliche Gruppe „Ingenieure" ohne Differenzierung gebildet werden würde. Die Bundesregierung verhandelt auch in dieser Richtung. Inwieweit das Verhandlungsergebnis uns in diesem Punkte befriedigen wird, können wir noch nicht voll übersehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, können Sie schon ungefähr übersehen, wann mit einer abschließenden Beratung über die Ingenieurrichtlinien in Brüssel zu rechnen sein wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich im Moment nicht sagen; ich werde Ihnen die Antwort schriftlich zukommen lassen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969 12891
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, in der Europäischen Gemeinschaft einer Regelung zuzustmmen, die den Ingenieuren mit Fachhochschulbildung nicht die gleichen Rechte gibt wie den anderen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung strebt an, auch diese Ingenieure voll einzubeziehen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leisler Kiep.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß sich die Kultusministerkonferenz als Sprecherin der Länder in Fragen der Kulturpolitik als gegeignetes Instrument für die bevorstehende Harmonisierung im Bereich der gesamten Bildung und Kultur in Europa erwiesen hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicherlich ist das ein geeignetes Gesprächsgremium, um derartige Verhandlungen zu führen. Letzten Endes muß dieses Thema aber nun in Brüssel auch in der Kommission und im Ministerrat beraten werden; das ist nun wieder ein Vorgang, für den die Bundesregierung verantwortlich ist.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Leisler Kiep.
Hat sich die Konferenz der Kultusminister, die ja in Brüssel, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sozusagen durch die Bundesregierung vertreten wird, damit dann als fähig erwiesen, in wichtigen Fragen der europäischen Kultur- und Bildungspolitik mit einer Stimme zu sprechen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das müßte erst noch einmal geprüft werden, Herr Abgeordneter Kiep.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß alle Verhandlungen in Brüssel bisher daran scheiterten, daß die Voraussetzungen zur Anerkennung bzw. zur Niederlassung ja doch in der Frage des Abiturs liegen, und inwieweit ist die Bundesregierung in der Lage, künftig dieses Abitur auch bei den Ingenieurakademien als Grundlage für die Aufnahme des Studiums durchzusetzen — sei es das Abitur 1 oder 2, wie es dann genannt wird; ich weiß es nicht —?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das hat sich bisher bei den Verhandlungen in Brüssel nicht als das Hauptproblem bei den Ingenieuren der Fachhochschulen herausgestellt, Herr Kollege Jung. Es ging vielmehr um das Problem: Studium an den Fachhochschulen drei oder vier Jahre? In dieser Frage wollen wir die deutsche Verhandlungsposition nicht verändern und hoffen, daß wir mit der vollen Anerkennung der gegenwärtigen Vorschläge durchkommen. Ob eine solche Änderung bildungspolitisch erwünscht ist, wollen wir — wie man so schön sagt — „außen vorlassen". Das heißt, wir wollen die Verhandlungen in Brüssel nicht mit diesem Problem belasten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie bereit sind, in Brüssel in jedem Fall durchzusetzen, daß die Absolventen unserer Ingenieurschulen oder Fachhochschulen nicht mit denen der in der EWG vorhandenen Technikerschulen gleichgesetzt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir wollen, daß sie als Ingenieure anerkannt werden, wobei wir nicht sicher sind, ob es zu vermeiden ist, daß zunächst zwei Gruppen von Ingenieuren geschaffen werden. Aber sie sollen diese Berufsbezeichnung wie in Deutschland führen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß sich die Kultusminister der Länder beim Beginn der Brüsseler Gespräche über dieses Problem offensichtlich wenig bemüßigt gefühlt haben, hier einzugreifen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich nicht bestätigen. Darüber müßte ich mich erst informieren; ich bin über die Aktivitäten der Kultusministerkonferenz anscheinend nicht so gut orientiert wie Sie.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Hauser auf:
Teilt die Bundesregierung die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 18. April 1969 zum Ausdruck gekommene Auffassung, daß das seit 1. Dezember 1968 in Kraft befindliche Bundeswaffengesetz Lücken aufweist, insbesondere bei den Vorschriften, die den Erwerb und das Führen einer Waffe betreffen, da diese Bestimmungen dem Landesgesetzgeber vorbehalten sind, in den Ländern aber noch sehr unterschiedliche waffenrechtliche Vorschriften bestehen?
Herr Staatssekretär, zur Beantwortung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, vielleicht ist mir gestattet, die drei Fragen zusammen zu beantworten.
12892 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Keine Bedenken; dann rufe ich auch die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Dr. Hausur auf:
Sieht die Bundesregierung bei Bejahung der Frage 31 eine Notwendigkeit, auf Grund der in dem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mitgeteilten Erfahrungen über Praktiken im Waffenhandel, insbesondere durch einzelne Versandhäuser, das Gesetz zu ergänzen?
Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, die Arbeiten der Länder an einem einheitlichen und damit verschärfenden Gesetz über den Erwerb und die Führung von Waffen zu fördern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung teilt die Auffassung, die in der „FAZ" zum Ausdruck gekommen ist. Nach den Vorschriften des Grundgesetzes kann aber der Bund lediglich den gewerblichen Bereich des Waffenrechts regeln. Von dieser Kompetenz ist mit dem Bundeswaffengesetz vom 14. Juni 1968 auch umfassend Gebrauch gemacht worden.
In dem Artikel beschäftigt man sich aber in erster Linie mit dem Erwerb und mit dem Führen von Schußwaffen und von Munition, und dieser Bereich fällt in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Die Länder sind bestrebt, mit neuen Landeswaffengesetzen das veraltete Reichswaffenrecht von 1938 abzulösen. Nach Erlaß der Landesgesetze werden die heute noch bestehenden Lücken geschlossen sein.
In diesem Zusammenhang ist wichtig, daß nach den künftigen Landeswaffengesetzen auch der Erwerb vom Versandhändler den gleichen verschärften Vorschriften unterworfen sein wird, die für den Waffenhandel generell vorgesehen sind.
Im übrigen verstoßen die in dem „FAZ"-Artikel geschilderten Werbepraktiken in der Regel auch gegen die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Die Bundesregierung hat daher die zuständigen Landesbehörden gebeten, diese Fälle zu prüfen.
Schließlich liegt den in Vorbereitung befindlichen Landeswaffengesetzen ein Musterentwurf zugrunde, der von den Ländern gemeinsam mit dem Bund erarbeitet worden ist. Die Innenministerkonferenz der Länder hat ihn gebilligt. Das weitere Gesetzgebungsverfahren ist Sache der zuständigen Landesorgane.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser.
Darf ich Sie, Herr Staatssekretär, fragen, ob Sie auch die Mitteilung der „Frankfurter Allgemeinen" bestätigen, daß der Versandhandel gerade bei den Waffengeschäften einen sehr beachtlichen Anteil hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser.
Ist es dann, Herr Staatssekretär, nicht um so mehr von Gewicht, daß man derartigen Praktiken, wie sie im Beitrag der „Frankfurter Allgemeinen" zum Ausdruck kommen, .entgegenwirkt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben die zuständigen Landesbehörden darauf hingewiesen und hoffen, bald über das Ergebnis dieser Prüfung zu hören.
Eine dritte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser.
Können Sie darüber Auskunft geben, Herr Staatssekretär, ob derartige Praktiken auch schon von den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden geahndet worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde das prüfen und Ihnen schriftlich Auskunft geben.
Keine weiteren Zusatzfragen? — Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen aus seinem Geschäftsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte auf. Frage 3 des Herrn Abgeordneten Weigl:
Ist die Bundesregierung bereit und in der Lage, im Falle der Entsendung einer Delegation von Staatsanwälten aus osteuropäischen Ländern in die Bundesrepublik Deutschland Einblick zu geben in Dokumente über die Ermordung wehrloser deutscher Zivilpersonen in den letzten Jahren des Krieges und in der ersten Nachkriegszeit?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung der Herr Bundesminister Windelen.
Herr Kollege Weigl, es ist immer ein wenig schwierig, auf eine hypothetische Frage eine konkrete Antwort zu geben. Aber natürlich wäre die Bundesregierung, wenn ein solches Ersuchen an sie gestellt würde, in der Lage, Einblick in die Dokumente zu geben. Ich sehe auch im Augenblick keinen Grund, warum die Bundesregierung nicht dazu bereit sein sollte. Aber diese Frage kann man eigentlich konkret erst dann beantworten, wenn sie konkret gestellt wird.
Eine Zusatzfrage des Herr Abgeordneten Weigl.
Herr Bundesminister, darf man davon ausgehen, daß die vorliegenden Dokumente so vollständig sind, daß auch im gegebenen Fall — Sie sprachen ja von einer hypothetischen Frage — wirklich das entsprechende Material vorgelegt werden könnte?
Die vorliegenden Dokumente sind sicher nicht so vollständig, daß
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969 12893
Bundesminister Windelenman von einer lückenlosen Dokumentation sprechen könnte. Sie reichen aber zweifellos aus, um einen eindeutigen Querschnitt über das in Frage stehende Problem zu ermöglichen.
Keine weiteren Zusatzfragen? — Ich danke dem Herrn Bundesminister Windelen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Ich rufe zunächst Frage 4 des Herrn Abgeordneten Sänger auf. Sollen wir die Fragen 4, 5 und 6 miteinander verbinden, Herr Parlamentarischer Staatssekretär?
Ich wäre dankbar, Herr Präsident, wenn ich die Anworten miteinander verbinden dürfte.
Ich rufe dann die Fragen 4, 5 und 6 auf:
Billigt die Bundesregierung die in dem Abteilungsbefehl Nr. 8/68 vom 28. Oktober 1968 vom Kommandeur des Bundesgrenzschutzes See enthaltene Anordnung, daß „Anreden von oben nach unten mit Dienstgrad und Name, Anreden von unten nach oben mit Herr und Dienstgrad" zu erfolgen haben?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß eine solche „Oben-und-unten-Ordnung" dem Beamtengesetz und den Grundsätzen entspricht, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgestellt wurden?
Kann die Bundesregierung der Auffassung zustimmen, daß die in der genannten Anordnung befohlene Anredeform „als Gewohnheitsrecht anzusehen" ist?
Herr Kollege Sänger! Der Abteilungsbefehl des Kommandeurs des Bundesgrenzschutzes See vom 28. Oktober vorigen Jahres geht unzutreffenderweise davon aus, die darin getroffene Anordnung sei durch die Standortdienstvorschrift des Bundesgrenzschutzes und den Erlaß vom 14. September 1952 gedeckt, insbesondere insoweit, als sie sich mit der Anrede des jeweils niedriger eingestuften Beamten befaßt. Für die Beamten des Bundesgrenzschutzes ist durch den erwähnten Erlaß aus dem Jahre 1952 bestimmt worden, daß der jeweils höher eingestufte Beamte mit „Herr" und der Amtsbezeichnung angesprochen wird. Aber wenn .Sie sich diesen Erlaß ansehen, werden Sie mir zugeben, daß er ausschließlich zu dem Zweck ergangen ist, die damals, ich will nicht sagen in Übung gewesene, aber in Übung geraten drohende Anrede in der dritten Person aus dem Bundesgrenzschutz wieder hinauszubringen.
Seit vielen Jahren sind Bestrebungen im Gang, das ganze Anredeproblem neu zu regeln, Herr Kollege, und es haben auch noch in jüngster Zeit darüber Besprechungen des Bundesinnenministers mit den beteiligten Hauptpersonalräten, insbesondere dem Grenzschutz-Hauptpersonalrat, stattgefunden. Der Bundesinnenminister legt Wert darauf, eine solche Regelung, wenn überhaupt, dann nur im Einvernehmen mit dem Hauptpersonalrat zu treffen.
Insgesamt möchte ich sagen: Die Anrede der Beamten untereinander sollte man weitgehend dem Takt überlassen. Ich halte das für richtig. Wir sollten nicht alles reglementieren wollen.
Vorschriften gerade auf diesem Gebiet ist es eigen, daß sie rasch veralten und nicht mehr den modernen Lebensanschauungen entsprechen. Ich fürchte, Herr Kollege, auch mit dem von Ihnen erwähnten Befehl ist es so. Ich habe veranlaßt, daß der Kommandeur auf seinen Irrtum hingewiesen worden ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sänger.
Dann habe ich nur die Zusatzfrage, Herr Staatssekretär Köppler: Würden Sie es verstehen — ich muß es ja in die Frage kleiden —, daß ich Ihren Bemühungen vollen Erfolg wünsche?
Ich darf mich dafür bedanken.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Anrede, wie sie der Kommandeur in diesem Abteilungsbefehl angeordnet hat, durchaus üblich und an der Tagesordnung ist, auch bei der Bundeswehr?
Eine solche Übung kann ich nicht und will ich nicht in Abrede stellen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung bereit, die soziale Gleichstellung von Naturwissenschaftlern und Diplom-Ingenieuren im Staatsdienst mit anderen staatlichen Bediensteten, z. B. nach dem Vorbild des britischen Scientific Civil Service, mit dem Ziel der dringend erforderlichen Erleichterung der europäischen, technischen Zusammenarbeit durch Einfluß der heute noch sozial minderbewerteten deutschen Partner durchzuführen?Die Frage wird mit Einverständnis des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Köppler vom 13. Mai 1969 lautet:Mit Ihrer Frage haben Sie die soziale Stellung von Naturwissenschaftlern und Diplom-Ingenieuren im deutschen öffentlichen Dienst im Vergleich mit entsprechenden Bediensteten anderer Staaten angesprochen. Allgemein gehören zur sozialen Stellung die Besoldung, die Vergütung, Sozialleistungen sowie die Versorgung. Hierzu sind im System des deutschen Dienstrechts keine Regelungen getroffen, die Naturwissenschaftler und Diplom-Ingenieure gegenüber anderen Bediensteten mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung benachteiligen. Insbesondere richtet sich, soweit es sich bei diesem Personenkreis um Beamte handelt, die Besoldung nach den für vergleichbare Beamte allgemein festgelegten Grundsätzen der Besoldungsgesetze des Bundes und der Länder. Für die Angestellten gilt der Bundes-Angestelltentarifvertrag. Nach den gesetzlichen und tariflichen Vorschriften sind für die jeweilige Einstufung der Bediensteten in die Besoldungs- oder Vergütungsgruppen einheitlich die fachliche Vorbildung, die Bedeutung des Aufgabengebiets, die Verantwortung und der Schwierigkeitsgrad der Tätigkeit und damit auch die geforderte Leistung maßgebend.
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12894 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Präsident von HasselEin Vergleich mit den Regelungen für das entsprechende Personal im Staatsdienst anderer Länder begegnet Schwierigkeiten. Er könnte nur nützlich sein, wenn die ausländischen dienstrechtlichen Regelungen im Verhältnis zu den in der Bundesrepublik geltenden miteinander vergleichbar wären. Das ist angesichts der zahlreichen Besonderheiten, die sich aus der geschichtlichen Entwicklung der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den einzelnen Staaten ergeben, im allgemeinen nicht der Fall. Die Bundesregierung widmet aber auch ohne hinreichende Vergleichbarkeit den Problemen einer angemessenen Besoldung und Vergütung der genannten Kräfte ihre besondere Aufmerksamkeit. Dies kommt zum Ausdruck z. B. in zahlreichen Verbesserungen der besoldungsrechtlichen Einstufung, der Berechnung des Besoldungsdienstalters und der Planstellensituation bei Beamten sowie bei Angestellten in der Eingruppierung, in gezielten Leistungszulagen, in der Vorwegnahme von Steigerungsbeträgen und in Sonderverträgen.Sicherlich sind in gewissen Fällen Unterschiede im internationalen Vergleich noch vorhanden. Hier bedarf es weiterer sorgsamer Beobachtung und, wenn es von der Sache her notwendig erscheint, weiterer Verbesserungen. Dabei werden Lösungen angestrebt werden müssen, die sich nicht so sehr an den in anderen Staaten bestehenden Verhältnissen als vielmehr an den Maßstäben sachgerechter Bewertung naturwissenschaftlicher und technischer Aufgaben im Vergleich mit anderen Tätigkeiten im Inland orientieren. Auch wird den Auswirkungen auf die Gesetzgebung der Bundesländer Rechnung zu tragen sein.Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß in einer Zeit rascher wissenschaftlicher und technischer Fortentwicklunng der internationalen Zusammenarbeit besondere Bedeutung zukommt. Sie glaubt jedoch, daß das fachliche Gewicht der bei dieser Zusammenarbeit auf deutscher Seite Beteiligten nicht allein durch ihre soziale Stellung, sondern in erster Linie durch ihre Sachkunde bestimmt wird.Frage 8 der Abgeordneten Frau Griesinger:Wann gedenkt die Bundesregierung, die in § 8 des Katastrophenschutzgesetzes vorgesehenen Regelungen über den Kräfteausgleich zwischen Bundesverteidigungsministerium und Bundesinnenministerium zu erlassen?
Ich bitte um die Genehmigung, Herr Präsident, die drei Fragen der Frau Abgeordneten wegen ihres inneren Zusammenhangs zusammen beantworten zu dürfen.
Keine Bedenken. Ich rufe auch die Fragen 9 und 10 der Abgeordneten Frau Griesinger auf:
Wie wird dieser Kräfteausgleich zwischen der militärischen und zivilen Verteidigung aussehen?
Werden dabei auch die berechtigten Anliegen der privatrechtlichen Organisationen, die bereits eine grundsätzliche Erklärung über ihre Bereitschaft im Katastrophenschutz abgegeben haben, berücksichtigt?
Frau Kollegin, für die Fragestunde am 23. April dieses Jahres waren bereits einschlägige Fragen von den Kollegen Dröscher und Ertl gestellt worden. Mit den Antworten, auf die 'ich verweisen darf, habe ich die jetzt von Ihnen angesprochenen Fragen im wesentlichen beantwortet. Ich darf noch einmal zusammenfassen:
Erstens: Mit dem Abschluß der Vereinbarung nach § 8 Abs. 2 des Katastrophenschutzgesetzes zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und dem Bundesinnenminister ist in nächster Zeit zu rechnen.
Zweitens: Die Art des Kräfteausgleichs ist in § 8 Abs. 2 des Katastrophenschutzgesetzes in den Grundzügen bestimmt; die Einzelheiten werden sich dann aus der erwähnten Vereinbarung ergeben.
Drittens: Die berechtigten Anliegen der privatrechtlichen Organisationen, die bereits eine grundsätzliche Erklärung über ihre Bereitschaft im Katastrophenschutz abgegeben haben, werden selbstverständlich berücksichtigt. Die Entscheidung hierüber wird im Rahmen der Richtlinien auf der Kreisebene in ihren Einzelheiten zu fällen sein.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Griesinger.
Herr Staatssekretär, wird bei den privatrechtlichen Organisationen auch das Deutsche Rote Kreuz in gebührendem Maße einbezogen werden, das ja insbesondere seine Bereitschaft erklärt hat und nicht in Nachteil geraten sollte ,gegenüber den öffentlichen Katastrophenschutzorganisationen, die zum Teil überbesetzt sein sollen?
Selbstverständlich werden insbesondere auch die Belange des Deutschen Roten Kreuzes dabei berücksichtigt.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Griesinger.
Herr Staatssekretär, ist es Ihnen heute schon möglich, etwas präziser zu sagen, wann diese Vereinbarung getroffen werden und wann sie den praktizierenden Stellen zugestellt werden kann, damit die Schwierigkeiten, die durch das Gesetz zwischen den konkurrierenden Stellen — die beide Wehrpflichtige beanspruchen — entstanden sind, im Interesse beider gemildert werden können?
Sie wissen, Frau Kollegin, daß schon jetzt entsprechende Regelungen getroffen werden können, ein vorläufiges Verfahren im Einvernehmen mit dem Bundesverteidigungsministerium praktiziert werden kann. Wann die endgültigen Richtlinien erlassen werden, kann ich Ihnen nicht mit Bestimmtheit vorhersagen. Die Verhandlungen zwischen den beiden hauptbeteiligten Häusern stehen aber vor dem Abschluß.
Eine weitere Zusatzfrage. Ich darf aber darauf aufmerksam machen: die zweite Zusatzfrage schien mir sehr lang zu sein und eigentlich einige Unterfragen zu enthalten. Das ist nicht gestattet. — Zu einer dritten Zusatzfrage Frau Kollegin Griesinger.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. Ich wollte nur noch eine Frage stellen: Dürfen wir eventuell damit rechnen, daß die Richtlinien noch vor dem Herbst erlassen werden können?
Davon gehe ich aus.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Leisler Kiep.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, dem Lande Hessen im Rahmen des Katastrophenschutzes zu-
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Kiepsätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, nachdem dieses Land auf Grund von Einsparungen im Haushalt eingegangene Zusagen für die Ausrüstung solcher Gruppen nicht erfüllen kann?
Ich will das gern nachprüfen. Generell möchte ich aber sagen, daß die Bundesregierung angesichts der angespannten Haushaltslage für diesen Bereich das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wird leisten können.
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Schwabe.
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär — im Zusammenhang mit der letzten Frage —, daß solche Einsparungen teilweise vernunftbezogen, teilweise zwangsläufig auch in anderen Bundesländern notwendig geworden sind?
Herr Kollege Schwabe, ich weiß über die Lage in den Ländern nicht genügend Bescheid, um das beurteilen zu können. Ich stelle nur fest, daß auch der Bundesinnenminister immer wieder die für ihn schmerzliche Erfahrung machen muß, daß übergeordnete Gesichtspunkte ihn zu Einsparungen in diesem Bereich zwingen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schwabe.
Wird es, wenn die von Frau Kollegin Griesinger in ihrer Frage angeschnittene Regelung in Kraft getreten ist, nicht mehr so sein wie seither, daß z. B. Garmisch-Partenkirchen im Klagewege wegen der Erstattung von Bundeswehrhilfeleistungen vor Gericht gehen muß?
Herr Kollege Schwabe, die Frage von Frau Griesinger bezog sich auf einen ganz anderen Sachverhalt, nämlich auf die Freistellung von Personen, die für die zivile Verteidigung von Bedeutung sind, vom Wehrdienst.
Wir kommen zur Frage 11 des Abgeordneten Dröscher:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, der ablehnenden Haltung des Ressorttarifausschusses, der sich aus den Leitern der für die Tarifangelegenheiten zuständigen Referate bei den obersten Bundesbehörden zusammensetzt, in der Frage der Anrechnung von Zeiten als Berufssoldat auf die Beschäftigungszeit nach § 19 BAT entgegenzuwirken, nachdem offensichtlich hier die Leiter der Referate bei den obersten Bundesbehörden eine andere Meinung vertreten, als sie der Bundesinnenminister in der Fragestunde des Deutschen Bundestages geäußert hat?
Der Fragesteller ist mit schriftlicher Beantwortung
einverstanden. Die Antwort des Parlamentarischen
Staatssekretärs Köppler vom 13. Mai 1969 lautet:
Nach den geltenden tarifrechtlichen Vorschriften über die Festsetzung der Beschäftigungszeit — sie hat ausschließlich Bedeutung für die Kündigungsfristen und die Unkündbarkeit der Arbeitnehmer — sind der Bund ebenso wie die übrigen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes gehalten, grundsätzlich nur solche Zeiten auf die Beschäftigungszeit anzurechnen, die bei demselben öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis verbracht worden sind.
Darüber hinaus verpflichtet das Soldatenversorgungsgesetz die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, bei Berufssoldaten, wenn ihr Dienstverhältnis wegen Berufsunfähigkeit geendet hat, die Zeit des Grundwehrdienstes voll, die übrige Zeit zu einem Drittel als Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Ähnliches gilt für Soldaten auf Zeit.
Während somit für die aus der Bundeswehr ausscheidenden Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit eine begrenzte Anrechnungsmöglichkeit besteht, hat das G 131, das die Rechte der Berufssoldaten der früheren Wehrmacht abschließend regelt, diesen in keinem Falle einen Anspruch auf Anrechnung von Soldatendienstzeiten auf die Beschäftigungszeit zuerkannt.
Auf diese Überlegungen hat der Ressorttarifausschuß seine Stellungnahme, die ich Ihnen mit meinem Schreiben vom 13. Februar 1969 noch näher erläutert habe, gestützt.
Ich bin der Auffassung, daß diese Gründe überzeugen. Ich wiederhole jedoch ausdrücklich meine Ihnen bereits schriftlich mitgeteilte Bereitschaft, in Zweifelsfällen durch übertarifliche Maßnahmen Abhilfe zu schaffen.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Fritsch auf:
Trifft es zu, daß der Straßenübergang zur CSSR bei Bayerisch Eisenstein am 1. Juli 1969 geöffnet wird?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, wie der Bundesminister der Finanzen aus Prag erfahren hat, wird der Straßenübergang bei Bayerisch Eisenstein am 1. Juli dieses Jahres wieder geöffnet. Inzwischen haben die tschechoslowakischen Grenzbehörden dies der Bayerischen Grenzpolizei bestätigt. Einzelheiten hat Ihnen ja inzwischen der Bundesminister der Finanzen mitgeteilt, der die in der Fragestunde vom 28. März dieses Jahres zugesagte weitere Unterrichtung übernommen hatte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fritsch .
Gestatten Sie mir die Zusatzfrage, da ich noch nicht im Besitz dieser Antwort des Herrn Bundesministers der Finanzen bin, ob Mitteilungen zutreffen, nach denen auch der Übergang auf der Schiene in Bayerisch Eisenstein geöffnet werden soll.
Uns liegen keine weiteren Informationen als die Ihnen soeben mitgeteilte über die Öffnung des Straßenüberganges vor.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fritsch .
Herr Staatssekretär, können Sie darüber Auskunft geben, ob neben dieser beabsichtigten Öffnung des Überganges in Bayerisch Eisenstein noch andere Übergänge in der Oberpfalz geöffnet werden sollen, nachdem die Meldung, die durch die Presse ging, auch von solchen Zusagen der tschechischen Seite berichtet hat?
Bisher hat sich nichts in dieser Richtung bestätigt; uns liegen keine neueren Informationen in dieser Beziehung vor.
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12896 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Fritsch auf:
Ist es möglich, die Richtlinien zur Regelung des Allgemeinen Dienstalters vom 17. Oktober 1957, bezogen auf die Anrechnung von Zeiten stationärer oder ambulanter Behandlung nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft, auch auf nichtbeamtete Angehörige des öffentlichen Dienstes anzuwenden?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Ich gehe davon aus, Herr Kollege, daß sich Ihre Frage auf die Anrechnung von Zeiten stationärer oder ambulanter Behandlung nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft auf die Dienstzeit der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bezieht.
Nach den tarifrechtlichen Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages und des Manteltarifvertrages für Arbeiter des Bundes werden diese Zeiten im Gegensatz zu den von Ihnen angeführten Bestimmungen und zu § 6 Abs. 3 Nr. 4 Buchstabe e des Bundesbesoldungsgesetzes nur dann als Dienstzeit berücksichtigt, wenn sie sich an die Entlassung aus dem Kriegsdienst oder aus der Kriegsgefangenschaft unmittelbar angeschlossen haben.
Die Bemühungen des Bundesministers des Innern, die Tarifvorschriften den für Beamte geltenden Bestimmungen anzunähern, haben bisher weder bei den Ressorts innerhalb der Bundesregierung noch bei den Ländern und Gemeinden die für eine Tarifänderung notwendige Unterstützung erhalten. Diese Bemühungen werden jedoch fortgesetzt.
Im übrigen hat der Bundesinnenminister bisher schon in besonders gelagerten Fällen auf Grund der ihm durch Kabinettsbeschluß erteilten Ermächtigung außertarifliche Anrechnung zugelassen. Der Bundesminister des Innern ist bereit, auch künftig so zu verfahren, falls es nicht zu einer allgemeinen tariflichen Regelung kommt.
Keine Zusatzfragen.
Die Fragen 14 und 15 des Abgeordneten Baier:
Warum hat die Bundesregierung seit dem 1. Januar 1964 von der Ermächtigung des Bundesbesoldungsgesetzes zur Änderung beziehungsweise Ergänzung des Ortsklassenverzeichnisses keinen Gebrauch gemacht?
Was wird die Bundesregierung veranlassen, damit beispielsweise die Stadt Wiesloch , die nach Auffassung des Finanzministeriums Baden-Württemberg seit 1965 die Voraussetzungen zur Hebung in die Ortsklasse S erfüllt und vier Jahre später immer noch nicht höhergestuft wurde, endlich zu ihrem Recht kommt?
werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Köppler vom 13. Mai 1969 lautet:
Zur Frage einer weiteren Änderung des Ortsklassenverzeichnisses hat die Bundesregierung im Jahre 1968 wiederholt dem Hohen Hause gegenüber Stellung genommen. Bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage — Drucksache V/2853 — und in der Fragestunde vom 9. Mai 1968 ist darauf hingewiesen worden, daß Bund und Länder die für eine Höherstufung bestimmter Orte erforderlichen Mittel von damals jährlich insgesamt 140 Millionen DM zunächst wegen der schwierigen Haushaltslage nicht bereitstellen konnten; später seien die für Besoldungsverbesserungen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für vordringlichere Maßnahmen der Besoldungsneuregelung benötigt worden.
Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang weiter erklärt, daß wegen der geplanten Beseitigung des derzeitigen Ortsklassensysteme eine nochmalige Änderung des Ortsklassenverzeichnisses nicht beabsichtigt sei. An dieser Ansicht hält die Bundesregierung fest.
Der Plan, den Ortszuschlag abzuschaffen, beruht auf der Erkenntnis, daß das gegenwärtige Ortsklassensystem überholt ist. Wegen der weitgehenden Angleichung der Lebenshaltungskosten in Stadt und Land lassen sich aufgrund der in den Ortsklassenrichtlinien vom 18. Juni 1965 enthaltenen Abgrenzungsmerkmale keine sachgerechten Unterscheidungen mehr treffen. Bei dieser Sachlage müßte eine Vorwegregelung für die seit 1965 für eine Höherstufung vorgeschlagenen 514 Orte der Ortsklasse A als willkürlich empfunden werden. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß vor einer solchen Änderung des Ortsklassenverzeichnisses die seit 1965 hier vorliegenden Höherstufungsvorschläge der Länder zunächst im Hinblick auf etwaige zwischenzeitliche Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse nochmals überprüft werden müßten.
Die Bundesregierung hält es daher für richtiger, die zur Verfügung stehenden Mittel nicht für eine Höherstufung einiger Orte, sondern für eine allgemeine stufenweise Heranführung des Ortszuschlages der Ortsklasse A an den der Ortsklasse S zu verwenden. Einen ersten entscheidenden Schritt hierzu enthält das kurz vor der Verkündung stehende Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz, das einen teilweisen Abbau der auf dem gegenwärtigen Ortsklassensystem beruhenden Gehaltsunterschiede vorsieht. Danach werden mit Wirkung vom 1. April 1969 die Unterschiede zwischen dem Ortszuschlag der Ortsklasse S und dem der Ortsklasse A in der Tarifklasse III um die Hälfte und in der Tarifklasse II um ein Drittel verringert. Das Ziel der völligen Beseitigung des Ortklassensystems ist für weitere Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet der Beamtenbesoldung vorgemerkt. Neben der stufenweisen Verringerung der Unterschiede des Ortszuschlages zwischen den Ortsklassen S und A ist — als zusätzliche Maßnahme — eine Höherstufung der genannten Gruppe von Orten schon aus finanziellen Gründen nicht erreichbar
Bei dieser Sachlage bitte ich um Ihr Verständnis, daß eine Änderung des Ortsklassenverzeichnisses zugunsten auch nur einzelner Orte nicht vertretbar erscheint.
Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Dr. Imle auf:
Welchen Sinn sieht die Bundesregierung darin, daß die von Besoldungsgruppe III BAT im Bewährungsaufstieg nach Besoldungsgruppe II b BAT eingegliederten Angestellten keine materielle Besserstellung erfahren?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Die Vergütungsgruppe II b BAT ist zwar durch den Tarifvertrag über den Bewährungsaufstieg für die Angestellten des Bundes und der Länder vom 25. März 1966 geschaffen worden, Herr Kollege, sie hat aber mit dem Bewährungsaufstieg selbst nicht das geringste zu tun. Die Gründe für die Verschaffung dieser Vergütungsgruppe waren vielmehr folgende:Durch den Tarifvertrag über den Bewährungsaufstieg für Angestellte des Bundes und der Länder vom 25. März 1966 sind u. a. die früheren Vergütungsgruppen III und II zu der jetzigen Vergütungsgruppe II a BAT zusammengefaßt und eine bis dahin nicht bestehende, mit der Besoldungsgruppe A 12 vergleichbare neue Vergütungsgruppe III eingeführt worden. Bei dieser strukturellen Änderung haben die Tarifvertragsparteien auch eine Neubewertung der der früheren Vergütungsgruppe III zugeordneten Tätigkeiten vornehmen müssen. Hierbei ergab sich, daß einige Tätigkeiten der früheren Vergütungsgruppe III nach ihrer Wertigkeit im Vergleich zu anderen Tätigkeiten dieser Vergütungsgruppe der neuen, mit der Besoldungsgruppe A 12 vergleichbaren Vergütungsgruppe III hätten zugeordnet werden müssen.Um jedoch die bisherige Rechtsstellung dieser Angestellten, nämlich ihre bisherige Gleichstellung mit Beamten der Besoldungsgruppe A 13 — z. B. hinsichtlich der Höhe des Ortszuschlags —, nicht zu ändern, haben die Tarifpartner die Vergütungsgruppe II b als Besitzstandsvergütungsgruppe geschaffen. Für diese Vergütungsgruppe, in die nach dem Willen der Tarifpartner keine neuen Tätigkeitsmerkmale mehr aufgenommen werden. sollen, sind
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Parlamentarischer Staatssekretär Köpplerdie Grundvergütungssätze der damaligen Vergütungsgruppe III übernommen worden. Die Vergütung der Angestellten in der Vergütungsgruppe II b ist wegen des höheren Ortszuschlags auch höher als die Vergütung der Angestellten der Vergütungsgruppe III. Eine weitergehende materielle Besserstellung dieser Angestellten ist, wie Sie nach dem Gesagten verstehen werden, nach Sinn und Zweck der Vergütungsgruppe II b nicht gerechtfertigt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Imle.
Herr Staatssekretär, hätte man nicht die früheren Inhaber der Stellen nach BAT III, wenn man davon ausgeht, daß sie, weil es sich um ältere Personen handelt, durchweg akademische Vorbildung haben, nicht nach BAT II a einreihen müssen, damit sie auch hier nicht einen gewissen Rückschritt in Kauf nehmen müssen?
Herr Kollege, die Eingruppierung nach BAT II a hängt mit der Neubewertung der Tätigkeitsmerkmale nach dem insofern geänderten Bundesangestelltentarif zusammen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Imle.
Darf ich aus dieser Antwort die Folgerung ziehen, Herr Staatssekretär, daß jemand, der diese Tätigkeitsmerkmale erfüllt, jetzt auch von BAT II b nach II a übernommen werden könnte?
Selbstverständlich.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die nach wie vor in rechtlicher, vertraglicher und sozialer Hinsicht äußerst ungesicherte Position eines großen Teils der deutschen Zeitschriftenredakteure in einer der rechtlichen und sozialen Stellung der Zeitungsredakteure angenäherten Weise zu ändern?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung erwartet — wie sie dies in ihrer Stellungnahme zum Schlußbericht der Pressekommission bereits dargelegt hat —, daß bei Zeitungen wie bei Zeitschriften das Verhältnis zwischen Verleger und Redakteur und damit auch die soziale Sicherung des Redakteurs in erster Linie von den Beteiligten selbst geregelt wird. Ihre Bereitschaft, dabei jede mögliche Hilfe zu leisten, hat die Bundesregierung ausdrücklich erklärt. Sie hatte schon in ihrer Stellungnahme zu dem Vorbericht der Pressekommission den Zeitschriftenverlegern nahegelegt, einen Manteltarifvertrag, wie er zwischen Zeitungsverlegern und -redakteuren längst besteht, auch für ihren Bereich abzuschließen. Erst dann, wenn sich die Beteiligten selbst innerhalb einer angemessenen Frist nicht einigen sollten, will die Bundesregierung ihrerseits einer gesetzlichen Regelung nähertreten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Antwort des Vorsitzenden des Zeitschriftenverlegerverbandes auf diesen Wunsch der Bundesregierung und die Motive bekannt, mit denen er glaubt, begründen zu müssen, daß ein solcher Manteltarifvertrag nicht abgeschlossen werden könne, weil in vielen Verlagen diese Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien?
Herr Kollege, mir ist bekannt, daß über diese Frage mittlerweile zwischen dem Verband der Deutschen Zeitschriftenverleger und dem Deutschen Journalistenverband, der Deutschen Journalistenunion in der Industriegewerkschaft Druck und Papier und der Deutschen Angestelltengewerkschaft Besprechungen aufgenommen worden sind und daß auch vereinbart wurde, die Beratungen über diesen Gegenstand fortzusetzen. Ich würde also zunächst das Ergebnis solcher Beratungen abwarten wollen und mich vor allen Dingen nicht durch Wertungen einzelner Äußerungen im Zusammenhang mit einer Tarifverhandlung möglicherweise störend verhalten wollen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, ist Ihre erste Antwort so auszulegen, daß die Bundesregierung im Falle des Scheiterns dieser Bemühungen sehr rasch zu einer gesetzlichen Regelung schreiten wird?
Sie haben mich richtig verstanden, Herr Kollege. Wenn es innerhalb einer angemessenen Frist zu keinem Verhandlungsergebnis kommen sollte, sieht sich die Bundesregierung gezwungen, ihre anderen Möglichkeiten auszuschöpfen.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Staatssekretär, welches Ressort innerhalb der Bundesregierung wäre nach der Erfahrung mit der Pressekommission und dem Bericht dazu für die Vorlage eines Redakteurgesetzes allgemeiner Art federführend?
Da es sich hier um eine grundlegende Frage des Presserechts handelt, darf ich — ohne Ressortegoismus zu zeigen — die Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern annehmen.
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Eine weitere Zusatzfage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Staatssekretär, da es sich hier im wesentlichen um eine soziale und arbeitsrechtliche Frage, die zu lösen ist, handelt — nämlich tarifvertraglicher Art —, darf ich fragen: Ist es nicht so, daß man neuerdings in bezug auf Pressefragen das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung federführend einschalten müßte, das bisher in diesen Fragen nicht beteiligt war?
Wenn es zu einem Tarifvertrag kommen sollte, wird natürlich für die Konsequenzen, die sich aus dem Abschluß eines Tarifvertrags ergeben, innerhalb der Bundesregierung das dafür zuständige Ministerium, nämlich das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, zu handeln haben.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Ich komme nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Die Fragen 18, 19 und 20 werden schriftlich beantwortet, da Abgeordneter Hirsch nicht im Saal ist.
Ich rufe nunmehr die Frage 21 des Abgeordneten Peters auf:
Auf Grund welcher neuen Erkenntnisse, die bei der Haushaltsverabschiedung noch nicht bekannt waren, möchte der Bundesfinanzminister die vom Kabinett im März gesperrten 1,8 Milliarden DM Bundesausgaben jetzt in eine echte Haushaltskürzung umgewandelt wissen?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Leicht.
Ich nehme an, Herr Kollege Peters, daß Ihre Anfrage auf die Veröffentlichungen in verschiedenen Tageszeitungen vom 6. Mai 1969 über die vom Herrn Bundesminister der Finanzen am 5. Mai 1969 vor dem Deutschen Steuerkongreß gehaltene Rede zurückgeht. Die vom Herrn Bundesminister der Finanzen ausgesprochene Hoffnung, daß die Bundesregierung spätestens im Juli 1969 die vorläufige Ausgabensperre in Höhe von 1,8 Milliarden DM in eine endgültige umwandeln möge, geht zurück auf die zwischenzeitlich für jeden deutlich wahrnehmbare konjunkturelle Entwicklung.
Während Ende 1968/Anfang 1969 noch nicht hinreichend genug zu erkennen war, ob die damals sich erst abzeichnenden — wenn Sie so wollen — Erwärmungserscheinungen der Konjunktur anhalten oder mit Hilfe der Stabilisierungsmaßnahmen der Bundesregierung vom 18. März 1969 bis Mitte des Jahres 1969 abklingen würden, erscheint nach Auffassung des Herrn Bundesministers der Finanzen zur Sicherung der Preisstabilität und des angemessenen Wirtschaftswachstums nunmehr, und zwar auf Grund der neuesten Erkenntnisse, eine endgültige Ausgabensperre angebracht. Die Entscheidung über das Weiterbestehen der Verfügungssperre hat jedoch nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz allein die Bundesregierung zu treffen.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß der Herr Bundesminister der Finanzen bereits während der zweiten Beratung des Entwurfs des Bundeshaushalts 1969 zum Ausdruck gebracht hatte, daß die von der Bundesregierung zur Konjunkturstabilität getroffene vorläufige Verfügungssperre spätestens im Juli 1969 unter Berücksichtigung der weiteren konjunkturellen Entwicklung überprüft werden müsse. Diese Erklärung entsprach dem Kabinettsbeschluß vom 18. März 1969, und es gilt jetzt, danach zu handeln.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters.
Herr Staatssekretär, erinnern Sie sich daran, daß wir in der Haushaltsdebatte über dieses Thema gesprochen haben und die FDP-Fraktion schon damals vorgeschlagen hat, nicht erst eine Sperre zu verfügen, sondern gleich zur Kürzung zu schreiten?
Ich kann dies nachprüfen. Ich erinnere mich nicht so genau, Herr Peters; ich bin auch nicht so davon überzeugt.
Zu einer zweiten Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir beipflichten, wenn ich sage, daß damals eine Kürzung psychologisch stärker gewirkt hätte als zunächst die Sperre und jetzt nachher die Kürzung?
In der jetzigen Beurteilung würde ich diese Frage verneinen.
Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Dr. Nann auf:
Können die Hohenloher Landkreise Crailsheim, Bad Mergentheim, Künzelsau und Öhringen auf Grund der schlechten Verkehrserschließung in Bälde damit rechnen, daß die Steuer für Beförderungen von oder nach bestimmten Teilen des Bundesgebiets auf 50 % ermäßigt wird?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Ich beantworte die Frage des Herrn Kollegen Dr. Nann wie folgt. Die Verordnung zu § 6 Abs. 3 des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs, durch die die Steuer für Beförderungen von und nach bestimmten Gebieten auf 50 v. H. ermäßigt wird, ist am 6. Mai 1969 im Bundesgesetzblatt Teil I S. 337 verkündet worden. In dieser Verordnung sind die von Ihnen gewünschten Landkreise nicht enthalten. Auf Grund Ihrer Anfrage ist das Institut für Raumordnung in Bad Godesberg, das die Auswahl der zu begünstigenden Gebiete nach objektiven Kriterien vorge-
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Parlamentarischer Staatssekretär Leichtnommen hat, um Auskunft gebeten worden, ob insoweit ein Irrtum vorliegt. Das Institut hat jedoch ausdrücklich bestätigt, daß nach den Auswahlgrundsätzen die Voraussetzungen für eine Begünstigung dieser Landkreise nicht vorliegen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Nann.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, da es sich bei den Landkreisen Bad Mergentheim und Crailsheim um Bundesausbaugebiete handelt, daß die Versagung einer solchen Begünstigung den strukturellen Absichten in diesen Gebieten geradezu widerspricht?
Das glaube ich nicht. Man muß sehen, unter welchen Voraussetzungen eine Begünstigung möglich ist. Nach den Auswahlgrundsätzen muß eine verkehrsmäßig schwache Aufgeschlossenheit des Gebietes vorhanden sein. Das trifft nicht zu, wie die Feststellungen ergeben haben. Zweitens trifft es auch nicht zu, daß es sich um verkehrsungünstig in Randlage gelegene Gebiete handelt. Das waren die beiden Voraussetzungen für die Entscheidung, die hierzu treffen war.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Nann.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es günstig wäre — zumal da ich diese Angaben anzweifle —, diese Kriterien noch einmal zu überprüfen?
Ich glaube, daß die Sorgfalt des Instituts so groß war, daß eine neue Überprüfung nach kurzer Zeit, nämlich jetzt nach sieben Tagen, zu keinem anderen Ergebnis führen wird.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Dr. Staratzke auf. Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Fellermaier auf. — Er ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 25 des Abgeordneten Fellermaier wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf, zunächst die Frage 46 des Abgeordneten Dr. Imle:
Hält es die Bundesregierung für richtig, daß langdienenden Unteroffizieren in bestimmten Standorten während der Grundausbildung für neu eingezogene Rekruten kein Urlaub gewährt wird und damit diese Unteroffiziere nicht in der Lage sind, während der großen Sommerferien mit ihrer Ehefrau und ihren Kindern einen gemeinsamen Urlaub zu verbringen?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Adorno.
Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß ein beantragter Erholungsurlaub dem Soldaten in aller Regel zu erteilen ist, sofern der Urlaubsgewährung nicht zwingende dienstliche Erfordernisse entgegenstehen. Sie hat auch mit Nr. 4 der Ausführungsbestimmungen zum § 1 der Soldatenurlaubsverordnung eine entsprechende Regelung getroffen.
Erschwerend kann für die Führer von Ausbildungstruppenteilen sein, daß in einigen Bundesländern ein Teil der Sommerschulferien mit dem ersten Ausbildungsmonat der Rekruten zusammenfällt, die jeweils am .1. Juli ihren Dienst antreten. Gerade im ersten Ausbildungsmonat kommt es auf die Anwesenheit der älteren und erfahrenen Unterführer an. Es kann vorkommen, daß in bestimmten Einheiten eine verhältnismäßig große Zahl der Unterführer verheiratet ist und schulpflichtige Kinder hat. Sie alle zur gleichen Zeit in Urlaub zu schicken, ist nicht zu verantworten.
Aus Fürsorgegründen wird der für die Gewährung des Erholungsurlaubs zuständige Vorgesetzte bemüht sein, in dieser Hinsicht einen möglichst gerechten Ausgleich zu finden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Imle.
Herr Staatssekretär, besteht die Möglichkeit, die Kommandeure darauf aufmerksam zu machen und darauf hinzuwirken — vielleicht darf ich das aus Ihren letzten Worten schließen —, daß dann, wenn nicht zahlreiche verheiratete Unteroffiziere mit Kindern da sind, wenigstens den Unteroffizieren mit Kindern in solchen Fällen Urlaub erteilt wird?
Diese Möglichkeit besteht durchaus. Danach wird auch gehandelt.
Würden Sie darauf noch einmal hinweisen, Herr Staatssekretär?
Ich bin gerne bereit, das zu veranlassen.
Die Frage 47Hält es die Bundesregierung im Sinne der Wehrgerechtigkeit für vertretbar, daß, wie dies geschehen ist, ein Wehrpflichtiger in den Jahren 1964/1965 18 Monate seines Grundwehrdienstes abgeleistet hat und, nachdem er danach bereits zu drei Wehrübungen einberufen worden ist, er nun schon den Stellungsbefehl zu seiner vierten Wehrübung bekommen hat, während keinem anderen Bürger seines Dorfes bisher Ähnliches auferlegt worden ist?
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12900 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Präsident von Hasseldes Abgeordneten Dröscher wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 13. Mai 1969 lautet:Die Bundeswehr ist grundsätzlich bemüht, die Reservisten —auch im Sinne einer Wehrgerechtigkeit — gleich häufig mit Wehrübungen zu belasten. Bei dem in Ihrer Frage vorgebrachten Fall handelt es sich, wie wir überprüft haben, um einen Reservisten der Heimatschutztruppe. Die Ausbildung der in die Heimatschutztruppe mobbeorderten Reservisten erfolgt in insgesamt 4 jährlich aufeinanderfolgenden Ausbildungsabschnitten von je 12 Tagen Dauer in Form der Mobilmachungsübung.Da die für Wehrübungen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auch in den nächsten Jahren noch nicht ausreichen, mußten Ausbildungsschwerpunkte befohlen werden, zu denen auch der Aufbau der Heimatschutztruppe gehört.In diesem Jahr schließen die ersten Reservisten der Heimatschutztruppe den 4. Ausbildungsabschnitt ab. Aus diesem Grund werden zur Zeit Bestimmungen erarbeitet mit dem Ziel, Reservisten der Heimatschutztruppe als Ausgleich für ihre stärkere Belastung mit Wehrübungen nach Abschluß des 4. Ausbildungsabschnittes von weiteren Wehrübungen freizustellen. Auf Grund des Fehls an Offizieren der Reserve und Unteroffizieren der Reserve wird eine solche Regelung zunächst nur für Mannschaften gelten.Ich rufe die Fragen 48 und 49 des Abgeordneten Reichmann auf:Ist zutreffend, daß durch den Wegzug der französischen Luftstreitkräfte vom Flugplatz Bremgarten viele Bundeswohnungen in der Stadt Müllheim leer stehen?Ist zutreffend, daß für die Angehörigen des Jagdgeschwaders Immelmann, die jetzt den Flugplatz Bremgarten beziehen, nicht alle leeren, freigewordenen Bundeswohnungen benutzt werden, sondern im benachbarten Staufen beabsichtigt ist, neue Wohnungen zu bauen?Sie werden vom Abgeordneten Wächter übernommen.Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, wegen des Sachzusammenhangs wäre ich dankbar, wenn ich die beiden Fragen zusammen beantworten dürfte.
Keine Bedenken. Bitte schön!
Die französischen Streitkräfte verfügen in Müllheim über 380 Wohnungen. Hiervon haben sie 44 Wohnungen für die Bundeswehr freigegeben. Diese Wohnungen werden gegenwärtig instand gesetzt und alsdann von Angehörigen der Bundeswehr bezogen. Die Freigabe der restlichen 336 Wohnungen ist von den französischen Streitkräften bisher abgelehnt worden. Die Bundeswehr benötigt über die von den französischen Streitkräften in Freiburg und Müllheim freigegebenen Wohnungen hinaus etwa weitere 200 Wohnungen. Es ist beabsichtigt, hiervon einen Teil in der Gemeinde Staufen zu bauen.
Keine Zusatzfrage? — Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zunächst die Frage 50 des Abgeordneten Horstmeier. Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht im Saal; die Fragen 50 und 51 werden schriftlich beantwortet.
An welchen Stellen des Straßennetzes im Raume Braunschweig bestehen besondere Engpässe des Verkehrs, an denen es zu erheblichen Verkehrsstauungen und Beeinträchtigungen des Verkehrsflusses kommt?
Wie kann durch Ausbaumaßnahmen zu einer Beschleunigung des Verkehrsflusses beigetragen werden?
Die Fragen werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 54 des Abgeordneten Dr. Bardens. Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht im Saal; die Fragen 54 und 55 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 56 des Abgeordneten Dr. Imle auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, in Verhandlungen mit der Deutschen Bundesbahn anzustreben, daß bei künftigen Sonderangeboten im Reiseverkehr Fahrten von und nach Berlin insbesondere für ältere Leute und Rentner in die Vergünstigungen mit einbezogen werden?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Wittrock.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Einwohner Berlins können alle bei der Deutschen Bundesbahn eingeführten Ermäßigungen in Anspruch nehmen — auch die von Ihnen hier erwähnte Ermäßigung —, wenn und soweit sie auf Bundesbahnstrecken fahren. Die Deutsche Reichsbahn hat eigene, abweichende Tarife. In die Sonderaktionen der Deutschen Bundesbahn war sie leider und naturgemäß nicht einbezogen, und nach Mitteilung der Bundesbahn besteht auch keine Aussicht, daß den Berlinern Sonderermäßigungen der erwähnten Art auf den Strecken der Deutschen Reichsbahn eingeräumt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Imle.
Herr Staatssekretär, besteht eine Möglichkeit, einmal zu prüfen, ob die Deutsche Bundesbahn nicht für diese Rentner für Fahrten von Berlin in das Bundesgebiet eine entsprechende weitere Ermäßigung auf den Bahnstrecken der Deutschen Bundesbahn gewähren könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Ihre Frage, ob die Möglichkeit besteht, dies zu prüfen, ist bejahend zu beantworten. Hinsichtlich des Prüfungsergebnisses allerdings bin ich skeptisch. Sie wissen, daß die Bundesbahn die Tarifhoheit in eigener Zuständigkeit wahrnimmt; der Bundesminister für Verkehr ist Genehmigungsbehörde. Ich kann also nur mit dieser Einschränkung, die ich der Ordnung halber gegeben habe, Ihre Bitte um Prüfung in positivem Sinne beantworten.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Imle.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesbahn zu einem positiven Ergebnis käme,
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Dr. Imlewäre damit ja eine Einnahmeverminderung verbunden. Wäre die Bundesregierung in diesem Falle gemäß § 28 a bereit, der Bundesbahn den Einnahmeausfall zu ersetzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben die gesetzliche Grundlage zutreffend dargestellt. § 28 a des Bundesbahngesetzes böte eine Basis. Ob und inwieweit sich aus dieser gesetzlichen Regelung bei einem etwaigen positiven Ergebnis der Überprüfung seitens der Bundesbahn ein Ausgleichsanspruch ergibt, bedarf der Abstimmung zwischen den Ressorts. Sie wissen, das ist nicht allein Sache des Bundesministers für Verkehr. Ich glaube, man sollte hierzu erst dann Stellung nehmen, wenn ein konkreter Anlaß gegeben ist.
Frage 57 des Abgeordneten Dröscher:
Wurde bei den Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung Rheinland-Pfalz in bezug auf die weitere Elektrifizierung des Bundesbahnstreckennetzes berücksichtigt, daß auf der Strecke Saarbrücken—Bingerbrück die Elektrifizierung demnächst bis Türkismühle/Nahe gediehen sein wird und nur noch eine Lücke von rund 80 km zu schließen sein wird, um eine durchgehende elektrifizierte Verbindung zwischen Bingerbrück—Bad Kreuznach—Idar-Oberstein—Saarbrükken zu schaffen und damit einer traditionellen Ost-West-Verbindung wieder das ihr zukommende Gewicht zu geben?
Die Frage wird im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 13. Mai 1969 lautet:
Wie Ihnen, Herr Abgeordneter, in der Fragestunde am 24. Oktober 1968 bereits mitgeteilt worden ist, kann mit einer Elektrifizierung des über Türkismühle hinausgehenden Streckenabschnitts bis Bingerbrück vorerst nicht gerechnet werden. Während die Strecke zwischen Saarbrücken und Türkismühle wegen des dort vorhandenen erheblichen Nahverkehrs eine entsprechende Belastung aufweist, ist der Verkehr auf dem Abschnitt Türkismühle—Bingerbrück so gering, daß eine Elektrifizierung nicht wirtschaftlich wäre. Diese Strecke ist deshalb auch bei den Regierungsverhandlungen nicht berücksichtigt worden.
Frage 58 des Abgeordneten Zebisch. — Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Fellermaier auf. — Er ist nicht im Saal; sie wird schriftlich beantwortet.
— Ich bin damit einverstanden, daß wir die Frage
58 des Abgeordneten Zebisch noch einmal aufrufen:
Stimmen Meldungen der Bildzeitung vom 6. Mai 1969, daß die Autofahrer infolge des Geschäftsgebarens der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen durch regionale Preisunterschiede bis zu 10 Pf/l übervorteilt werden?
Zur Beantwortung der Frage 58 Herr Staatssekretär Wittrock. Bitte schön!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es trifft nicht zu, daß infolge des Geschäftsgebarens der GfN der Autofahrer übervorteilt wird. Die Preise an den Bundesautobahn-Tankstellen werden von den Kraftstoffgesellschaften ohne Mitwirkung der GfN festgesetzt. Eine frühere Vertragsklausel in den Verträgen zwischen der GfN und den Kraftstoffirmen, die diesen Firmen eine gewisse Bindung an das regionale Kraftstoffpreisgefüge auferlegte, wurde bereits im Jahre 1961 durch das Bundeskartellamt für nichtig erklärt.
Es trifft zu, daß Preisunterschiede zwischen Autobahn-Tankstellen und Tankstellen in dem jeweiligen regionalen Bereich außerhalb der Autobahn bestehen. Auch Herr Bundesminister Leber — ich darf das nachdrücklich betonen — ist überzeugt, daß die Preise für Normalbenzin und für Superbenzin an den Bundesautobahn-Tankstellen zu hoch sind. Aber ich möchte bemerken, daß die Unterschiede zwischen BAB-Tankstellenpreisen und Preisen an anderen Tankstellen in der gleichen Region nicht mit der Bemessung der Provision begründet werden können, die die Kraftstoffirmen an die GIN als den Eigentümer der Bundesautobahn-Tankstellen zu zahlen haben. Soweit mir bekannt ist, berufen sich die Kraftstoffirmen zur Begründung des erhöhten Kraftstoffpreises auch nicht auf die an die GfN zu zahlende Provision, sondern sie berufen sich ausschließlich auf die allgemeine Wettbewerbslage.
Ich darf noch folgendes hinzufügen, Herr Präsident. Da sich die ungenügende Möglichkeit der Einflußnahme der GfN als verbraucherfeindlich erwiesen hat, wird zur Zeit geprüft, in welcher Weise künftig eine Einwirkung auf die Preisgestaltung ermöglicht werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zebisch.
Wie hoch ist die Provision, die die GfN gewährt, und wohin fließen die Gewinne der GfN?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die GfN ist eine selbständige Gesellschaft. Die Provision entspricht der Höhe nach dem, was die Kraftstoffirma einem anderen Tankstellenbesitzer, der eine Tankstelle als Eigentümer errichtet hat, zu zahlen hat. Es gibt einen kleinen Unterschied zwischen dem, was in diesen anderen Fällen von der Kraftstoffirma an Provision zu zahlen ist, und der Bemessung der Provision, die an die GfN zu zahlen ist, die ja Eigentümerin der Tankstellen ist. Der Unterschied liegt bei etwas über einem Pfennig. Sie können aus dieser geringen Bemessung des Unterschieds, der sich dadurch rechtfertigt, daß die GIN-Tankstellen geschäftlich außerordentlich interessant sind, nicht ableiten, daß die preislichen Überhöhungen, die der Kunde bei den Tankstellen auf der Autobahn in Kauf nehmen muß, bloß wegen der Bemessung der Provision gerechtfertigt seien.
Sie haben schon zwei Zusatzfragen gestellt. Die Zusatzfragen sind für Sie erschöpft.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde angelangt.
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Präsident von Hassel
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Arbeitsförderungsgesetzes
— Drucksache V/2291 —
aa) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/4180 —Berichterstatter: Abgeordneter Krampe
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit
— Drucksachen V/4110, zu V/4110 —Berichterstatter: Abgeordneter Porten,
Abgeordneter Jaschke
b) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Beschäftigung älterer Arbeitnehmer
— Drucksachen V/3418, V/3957 —
Bevor wir in die Beratung dieses Tagesordnungspunktes eintreten, glaube ich, daß ich auf ein internationales Ereignis von weltweiter arbeits- und sozialpolitischer Bedeutung hinweisen darf. In diesem Jahr feiert die 1919 gegründete Internationale Arbeitsorganisation, der das Deutsche Reich bereits 1919 und die Bundesrepublik Deutschland 1951 als Mitglieder beigetreten sind, ihr 50jähriges Bestehen. In dieser heute 120 Mitgliedstaaten aus aller Welt umfassenden größten internationalen Organisation auf dem Gebiete der Arbeits- und der Sozialpolitik arbeiten Vertreter der Regierungen, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zum Wohle der schaffenden Bevölkerung der ganzen Welt zusammen. Diese enge und fruchtbare Zusammenarbeit hat ihren sichtbarsten Niederschlag in einer großen Zahl von Übereinkommen und von Empfehlungen gefunden. Die Erfolge dieser Organisation in dem letzten halben Jahrhundert sind überaus wertvolle Beiträge zur Erhaltung des sozialen Friedens und zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit in der Welt gewesen.
Ich möchte der Internationalen Arbeitsorganisation im Namen des Deutschen Bundestages zu ihrem 50jährigen Bestehen herzlichste Glückwünsche und den Wunsch aussprechen, es möge dieser Organisation beschieden sein, ihre für die ganze Menschheit so segensreiche Tätigkeit auch in den kommenden Jahren erfolgeich fortzusetzen.
Zunächst spreche ich meinen Dank den Berichterstattern für die Vorlage ihrer Schriftlichen Berichte aus. Mit dem Dank an die Berichterstatter verbinde ich die Frage, ob die Berichterstatter eine zusätzliche mündliche Berichterstattung wünschen. — Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Porten von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich als Berichterstatter vorab noch eine Korrektur des Schriftlichen Berichtes bekanntgebe, die vom Ausschuß für Arbeit beschlossen worden ist, nachdem der Bericht ausgedruckt war. Auf Seite 92 der Drucksache V/4110 muß bei § 214 in der rechten Spalte der letzte Halbsatz „soweit Besonderheiten der Bundesanstalt nicht entgegenstehen" gestrichen werden. Diese Streichung ist jedoch in der Drucksache zu V/4110 bereits berücksichtigt.Der Haushaltsausschuß hat im Rahmen seiner Mitberatung den Wunsch geäußert, diesen Halbsatz zu streichen, weil er eine mit dem Haushaltsrecht nicht zu vereinbarende präjudizielle Bedeutung habe. Der Ausschuß für Arbeit hatte sich zunächst dafür ausgesprochen, dieser Anregung nicht zu folgen. In seiner Sitzung vom 7. Mai hat der Ausschuß jedoch auf Grund der Vorstellungen des Berichterstatters im Haushaltsausschuß, des Herrn Kollegen Krampe, beschlossen, dem Wunsche zu entsprechen, um die Verabschiedung des Gesetzes in dieser Woche nicht in Frage zu stellen.Ich bin der Auffassung, daß der Haushaltsausschuß einen mit dem geltenden Parlamentsrecht unvereinbaren Weg beschreitet, wenn er ein Junktim zwischen der Berücksichtigung seiner Wünsche als mitberatender Ausschuß und seiner Berichterstattung nach § 96 der Geschäftsordnung beschließt. Denn es handelt sich um zwei voneinander unabhängige Fragen. Die Nichtberücksichtigung des Wunsches des Haushaltsausschusses hätte nämlich keine finanziellen Auswirkungen auf die Haushaltslage des Bundes gehabt. Ich möchte diese Problematik hier aber nur erwähnen, damit sich die Kommission zur Vorbereitung auf eine Parlamentsreform mit ihr befassen kann. Dies scheint mir unumgänglich notwendig zu sein, um für die Zukunft Klarheit in einer solchen Frage herbeizuführen.Nun lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zu dem vorgelegten Schriftlichen Bericht machen. Der Ausschuß für Arbeit, als dessen Berichterstatter ich zu Ihnen spreche, hat in 23 Sitzungen den Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes beraten. Die Ergebnisse dieser Beratungen sind im Schriftlichen Bericht, auf die ich Sie wegen der Einzelheiten verweisen darf, ausführlich dargestellt. Gestatten Sie mir noch einige ergänzende und zusammenfassende Bemerkungen zunächst zum Gesetzentwurf im allgemeinen und dann zu einzelnen Schwerpunkten.Erstens. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes zielt darauf ab, das gesamte Recht der Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung oder, wie man heute sagen muß, der Arbeitsförderung neu zu ordnen. Es soll auf die Bedürfnisse einer modernen Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik zugeschnitten werden und mehr als bisher ein vorausschauendes Tätigwerden der Arbeitsverwaltung ermöglichen. Hierzu sieht der Entwurf neben bewährten alten Regelungen zahlreiche Verbesserungen und Ergänzungen des geltenden Rechts vor. Der Ausschuß für Arbeit bejaht übereinstimmend Zielsetzung und Konzeption des Gesetzentwurfes. Soweit er die Regierungsvorlage ergänzt und geändert hat, hat er
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Portendies getan, um den Bedürfnissen des heutigen Arbeitslebens noch mehr entgegenzukommen.Zweitens. Die Berufsberatung gehört nach wie vor zu den wichtigsten Tätigkeiten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, die durch das Arbeitsförderungsgesetz die umfassende Bezeichnung „Bundesanstalt für Arbeit" erhält. Die Berufsberatung wird mit der fortschreitenden Änderung der arbeitenden Berufswelt mehr und mehr an Bedeutung gewinnen; die zunehmende Differenzierung der betrieblichen und schulischen Ausbildung, das Auftauchen neuer, das Verschwinden bewährter Berufe machen es dem jungen Menschen oft nicht leicht, sich für den Beruf zu entscheiden, der seinen Fähigkeiten und Neigungen .entspricht und ihm gleichzeitig eine sichere und berufliche Zukunft bietet. Der Ausschuß begrüßt es daher, daß der Entwurf das geltende Recht an die neuen Gegebenheiten anpaßt und die Aufgaben der Berufsberatung erweitert.Drittens. Eine gezielte und sinnvolle Tätigkeit der Bundesanstalt isst nur möglich, wenn ihren Dienststellen zuverlässige, ausreichende Informationen über Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die im Gesetz vorgesehene Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist deshalb auch nach Auffassung des Ausschusses unerläßlich.Darüber hinaus hat der Ausschuß es für erforderlich angesehen, daß die Dienststellen der Bundesanstalt rechtzeitig über alle betrieblichen Veränderungen unterrichtet werden, die zu Arbeitslosigkeit oder unterwertiger Beschäftigung führen können. Er hat deshalb in dem neu eingefügten § 8 a eine entsprechende Mitteilungspflicht der Betriebe begründet.Es ist dem Ausschuß bekannt, daß gerade in Bereichen der Wirtschaft über diesen Paragraphen keine absolute Zufriedenheit herrscht; ich darf aber darauf verweisen, daß nach § 8 a Abs. 2 die Bundesanstalt bei ihren Maßnahmen eine Mitwirkung der Selbstverwaltung zu gewährleisten hat, und ich habe das Vertrauen in die Selbstverwaltung, daß die Ausführungsbestimmungen zu diesem Paragraphen sinnvoll und zweckmäßig den wirtschaftlichen und betrieblichen Notwendigkeiten angepaßt werden.Viertens. Die Förderung der beruflichen Bildung — und nur um die Förderung handelt es sich hier — wird in Zukunft eine bedeutsame Aufgabe der Bundesanstalt sein. Die Bildungsförderung dient dem einzelnen, indem sie seine berufliche Mobilität stärkt oder seinen beruflichen Aufstieg erleichtert und dadurch das berufliche Risiko herabmindert, das mit den ständigen Wandlungen in der Wirtschaft verbunden ist. Sie dient aber auch einem reibungslosen Ablauf der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung, indem sie an der Steigerung des Sozialprodukts mitwirkt und die notwendigen Anpassungsprozesse ermöglicht. Individuelle Förderung und institutionelle Förderung sollen einander sinnvoll ergänzen.Fünftens. Der Gesetzentwurf enthält in § 38 Vorschriften über die Förderung der beruflichen Ausbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen. Es liegt nahe, diese Regelungen mit denVorschriften über die Förderung der gesamten schulischen Ausbildung in einem einheitlichen Gesetz zusammenzufassen. Der Ausschuß hat deshalb die Vorschriften über die Förderung der beruflichen Ausbildung nur als vorläufigen Bestandteil des Arbeitsförderungsgesetzes angesehen und begrüßt es, daß die Arbeiten an einem umfassenden Ausbildungsförderungsgesetz schon weit fortgeschritten sind.Außerdem trägt das Arbeitsförderungsgesetz in vollem Umfang den möglichen Auswirkungen eines Strukturwandels Rechnung. Es bezieht daher die Selbständigen, die infolge des Strukturwandels eine Tätigkeit als Arbeitnehmer aufnehmen wollen, in alle Maßnahmen der beruflichen Fortbildung — § 41 — oder der beruflichen Umschulung — § 47 — ein.Sechstens. Besondere Bedeutung wird in Zukunft die berufliche Rehabilitation gewinnen. Es gibt z. B. etwa 1,5 Millionen Frühinvaliden, von denen etwa 50 v. H. durch rechtzeitige und gezielte Rehabilitationsmaßnahmen für das Erwerbsleben hätten zurückgewonnen werden können. Der Ausschuß hat, um der Bedeutung dieser Frage gerecht zu werden, die in der Regierungsvorlage verstreuten Vorschriften über die berufliche Rehabilitation in einem besonderen Unterabschnitt zusammengefaßt. Die Bundesanstalt hat danach körperlich, geistig und seelisch Behinderte zu fördern, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern oder wiederherzustellen, soweit nicht andere Träger, z. B. die Unfallversicherung mit ihren bewährten Maßnahmen, vorrangig zuständig sind.Der Ausschuß hat die im Regierungsentwurf vorgesehene Regelung, nach der bestimmte Gruppen besonders schwer Behinderter weiterhin nach dem Bundessozialhilfegestz gefördert, also von den Rehabilitationsmaßnahmen der Bundesanstalt ausgeschlossen werden sollten, in Übereinstimmung mit dem Ausschuß für Sozialpolitik gestrichen. Dadurch wird es möglich, die Maßnahmen der Bundesanstalt allen Betroffenen gleichmäßig zugute kommen zu lassen.Siebentens. Mit der neu eingeführten produktiven Winterbauförderung soll die Entwicklung zu einem ganzjährigen Bauen weiter gefördert werden. Die Bundesanstalt zahlt den Bauunternehmern Zuschüsse für die Mehrkosten des Winterbaus, wenn die Baustellen hinreichend geschützt sind und die Bauarbeiten bei normalem Witterungsablauf in der Schlechtwetterzeit nicht unterbrochen werden. Der Ausschuß glaubt mit der Bundesregierung, daß der volkswirtschaftliche Nutzen der produktiven Winterbauförderung beträchtlich höher einzuschätzen ist als die hierfür erforderlichen Aufwendungen, zumal durch die produktive Winterbauförderung erhebliche Beträge beim Schlechtwettergeld eingespart werden können.Achtens. Die überdurchschnittlich hohen Arbeitslosenzahlen bei älteren Arbeitnehmern in bestimmten Bezirken haben den Ausschuß veranlaßt, sich der Frage, wie diese Arbeitnehmergruppe gefördert und betreut werden kann, besonders anzunehmen. Der Ausschuß hat mehrere Förderungsmöglichkeiten geprüft, so unter anderem die Festsetzung von Be-
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Portenschäftigungsquoten. Um aber jede Diskriminierung älterer Arbeitnehmer zu vermeiden, hat sich der Ausschuß hier auf ein einfaches Zuschußsystem beschränkt. Danach erhalten Betriebe, die arbeitslose und schwer unterzubringende ältere Arbeitnehmer beschäftigen, Lohnzuschüsse, die bis zu 50 v. H. des tariflichen oder ortsüblichen Arbeitsentgeltes betragen. Darüber hinaus hat der Ausschuß die institutionelle Förderung solcher Betriebe vorgesehen, die ausschließlich die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zum Ziele haben.Neuntens. Die Gewährung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gehört zu den klassischen Aufgaben der Bundesanstalt. Diese Leistungen behalten ihre bisherige Bedeutung unverändert. Der Ausschuß hat die im Regierungsentwurf vorgesehenen Regelungen, die sich eng an das geltende Recht anlehnen, teilweise vereinfacht und die Leistungen noch über die Regierungsvorlage hinaus verbessert.Zehntens. Besonders intensiv hat sich der Ausschuß um eine Neufassung der Vorschriften über die Gewährung von Arbeitslosengeld bei Streiks bemüht. Die vom Ausschuß beschlossene Fassung dürfte eine angemessene Lösung der Interessenkonflikte darstellen, wobei zu betonen ist, daß der gefundene Weg hierbei zweifellos ein vertretbarer Kompromiß ist, wenn er auch nicht in allen Teilen der Wirtschaft und draußen absolutes Verständnis findet. Ich möchte aber auch hier ergänzend darauf hinweisen, daß die Selbstverwaltung der Bundesanstalt nach Ziffer 3 der Richtlinien ja zweifellos noch eine praktikable und sinnvolle Lösung finden wird. Auch hier möchte ich betonen, daß ich dieses Vertrauen zur Selbstverwaltung der Bundesanstalt habe.Elftens. Der Ausschuß hat sich lange und eindringlich mit der Frage befaßt, aus welchen Mitteln die zahlreichen Aufgaben der Bundesanstalt finanziert werden sollen. Nach der Regierungsvorlage soll die Finanzierung ausschließlich aus Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer erfolgen. Viele Leistungen der Bundesanstalt kommen aber nicht nur Arbeitnehmern zugute, sondern einem erweiterten Personenkreis, so etwa die Arbeitsvermittlung, die Berufsberatung und die Förderung der Berufsbildung. Es wird daher in Zukunft zu überlegen sein, ob nicht die Leistungen der Bundesanstalt, die nicht zum engeren Bereich der Arbeitslosenversicherung gehören, aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden müssen. Der Ausschuß sieht deshalb die im Gesetz vorgesehene Regelung nur als eine vorläufige Lösung an. Um die Frage demnächst endgültig klären zu können, soll die Bundesregierung nicht erst bis Ende 1974 — wie im Regierungsentwurf vorgesehen —, sondern bis Ende 1972 berichten, welche Aufwendungen für die Förderung der beruflichen Bildung erforderlich waren und sein werden und welche gesetzlichen Möglichkeiten für eine andere Regelung des Finanzierungsproblems bestehen.Zwölftens. Der Ausschuß hat die Vorschriften über die Organisation der Bundesanstalt in mehreren Punkten verbessert. Er hat sich dabei bemüht, dasPrinzip der Selbstverwaltung, das für die Bundesanstalt nach wie vor uneingeschränkte Bedeutung hat, mit den Anforderungen an eine moderne und schlagkräftige Verwaltung in Einklang zu bringen.Dreizehntens. Die Vorschriften über die Anlage der Rücklage hat der Ausschuß weitgehend neu gefaßt. Er hat dabei die Voraussetzungen für die im Regierungsentwurf vorgesehene Bindung bei der Anlage der Schwankungsreserve an das Einvernehmen mit der Bundesbank enger gefaßt. Die Entscheidungsfreiheit — das möchte ich hier betonen — des Vorstands bei der Anlage ist nicht stärker eingeschränkt, als dies aus konjunktur- und währungspolitischen Gründen unbedingt erforderlich ist. Nach einer Rezession, in der auf die Rücklage zurückgegriffen werden müßte, ist zuerst wieder die Schwankungsreserve — d. h. die liquiden Mittel — auf den im Gesetz vorgesehenen Normalstand zu bringen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter Porten und erteile das Wort dem Mitberichterstatter, Herrn Abgeordneten Jaschke von der Fraktion der SPD.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Bericht Stellung nehme, möchte ich eine Feststellung treffen, und zwar eine unangenehme. Ich habe feststellen müssen, daß der von den beiden Berichterstattern abgestimmte Bericht geändert worden ist und daß die ursprüngliche Fassung nicht so ist wie die jetzt im Druck vorliegende. Ich glaube, daß das nicht geht und daß man, wenn man vor der Drucklegung Änderungen vorsehen möchte, das mit den Berichterstattern abzusprechen hat.
Als das Arbeitsförderungsgesetz 1967 eingebracht wurde, konnte ich damals darauf verweisen, daß der Vorgänger, nämlich das AVAVG, vierzig Jahre alt geworden war. Es hatte sich in den letzten Jahren gezeigt, daß man die notwendige Anpassung dieses Gesetzes an die Erfordernisse der heutigen Zeit durch Novellierungen nicht mehr erreichen kann. Deshalb entstand der Vorsatz, ein neues Gesetz zu schaffen, das eben diesen Erfordernissen entspricht.Die SPD-Fraktion brachte aus diesem Grunde im Jahre 1966 das Arbeitsmarktanpassungsgesetz ein. Ein Jahr später folgte der Regierungsentwurf des Arbeitsförderungsgesetzes. Die Fraktionen kamen überein — die SPD gab ihr Einverständnis —, daß beide Gesetzentwürfe gemeinsam beraten werden. Das Ergebnis liegt nun vor.Dieses Gesetz versucht, alte und bewährte Grundsätze zu erhalten; ich denke an die Unparteilichkeit und an die Unentgeltlichkeit. Aber es hat auch eine Reihe neuer Akzente gesetzt. Das geht schon aus dem § 1 hervor, den man als Präambel zu diesem Gesetz ansehen kann. Ich zitiere diesen § 1 mit Genehmigung des Herrn Präsidenten:Die Maßnahmen nach diesem Gesetz sind imRahmen der Sozial- und Wirtschaftspolitik derBundesregierung darauf auszurichten, daß ein
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969 12905
Jaschkehoher Beschäftigungsstand erzielt und aufrechterhalten, die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert und damit das Wachstum der Wirtschaft gefördert wird.Dieser § 1 enthält den Leitgedanken, der dieses Gesetz bestimmt.Was will nun dieses Gesetz an Neuem? Es will nicht, wie es vordem war, daß das Kind erst in den Brunnen fallen muß, damit man es wieder herausholt, sondern es will vielmehr das Kind vor dem Sturz bewahren. Mit anderen Worten: es will Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung nach Möglichkeit von vornherein ausschließen und verhindern, es also nicht dazu kommen lassen, daß der Arbeitnehmer arbeitslos wird, vielleicht sogar eine Zeitlang bleibt, um dann wieder in eine andere Stelle vermittelt zu werden. Um das zu erreichen, sind der Arbeitsverwaltung eine Reihe neuer Instrumente an die Hand gegeben worden, so z. B. — der Herr Kollege Porten machte schon darauf aufmerksam — das wichtige Instrument der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die unter anderem eine sinnvolle Arbeitsberatung erst möglich macht.Die Arbeitberatung wird im Vordergrund zu stehen haben und mit der Berufsberatung gemeinsam ausgebaut werden müssen. Es geht nicht mehr an, daß ein Arbeitnehmer oder ein Arbeitsuchender zum Arbeitsamt kommt und ihm dann eine gerade zur Verfügung stehende Stelle angeboten wird, sondern der Vermittlung hat ein Beratungsgespräch vorauszugehen, in dem auf alle Förderungsmöglichkeiten dieses Gesetzes aufmerksam gemacht wird und eine Vermittlung oder aber Berufsförderung in eine sinnvolle Tätigkeit erfolgt.Deshalb sind auch die Vorschriften über die Förderung der Aus- und Fortbildung und der Umschulung wesentlich verbessert worden. . Dabei konnte jedoch nicht eine Bestimmung erreicht werden, daß für die berufliche Bildung auch entsprechender Urlaub zu gewähren ist. Eine derartige Vorschrift war in diesem Gesetz nicht unterzubringen. Der Ausschuß richtet deshalb den Appell an die Tarifpartner, einen solchen Bildungsurlaub in der Zukunft tarifvertraglich zu regeln, weil das ein erster Schritt zur Erreichung dieses Zieles sein könnte.Wir haben auch ein schweres Problem in der Beratung gehabt, das die Erhaltung oder Abschaffung der Heuerstellen betraf. Die widersprechendsten Meinungen waren in Petitionen enthalten, so daß sich der Ausschuß entschloß, einen Unterausschuß nach Hamburg zu schicken, um sich an Ort und Stelle ein wahrheitsgemäßes Bild über diese Einrichtung zu machen. Wir haben feststellen können, daß die Praxis in diesen Heuerstellen nicht mit dem übereinstimmt — und eine solche Übereinstimmung wohl auch in der Zukunft nicht zu erreichen ist —, wie wir die Aufgaben nach diesem Gesetz sehen. Der Ausschuß hat sich deshalb entschlossen, die Heuerstellen abzuschaffen und ihre Aufgabe der Arbeitsverwaltung zu übertragen. Selbstverständlich ist dabei daran gedacht, daß an Stelle dieser Heuerstellen Fachvermittlungsstellen, die wir heute schon für Schiffsoffiziere haben, eingerichtet werden und daß beratend auch ein Fachausschuß tätig ist. Wir glauben, daß wir damit auch dem internationalen Übereinkommen gerecht werden.Zu den Fragen der Rehabilitation hat Herr Kollege Porten Stellung genommen, und ich meine, ergänzend noch etwas dazu sagen zu müssen. Aus drei Ausschüssen, nämlich dem Ausschuß für Sozialpolitik, dem Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden und dem Ausschuß für Arbeit, wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die als erstes, wie schon erwähnt, die verstreuten Paragraphen wegen der Wichtigkeit dieser Materie zu einem Unterabschnitt zusammengezogen hat. Mit diesen Bestimmungen soll nun erreicht werden, daß für den zu Rehabilitierenden eine zentrale Anlaufstelle da ist, und das ist die Arbeitsverwaltung oder sprich: das Arbeitsamt.Die oft unerträglich langen Wartezeiten zwischen den einzelnen Rehabilitationsphasen, von der medizinischen vor allem zur beruflichen Rehabilitation hin, müssen beseitigt werden. Durch diese Bestimmungen muß es möglich sein, zu einem nahtlosen Übergang zu diesen einzelnen Phasen zu kommen. Dazu ist es erforderlich, daß sowohl bei der individuellen als auch bei der institutionellen Förderung eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Bund, den Ländern und den Trägern der sozialen Sicherung besteht. Nur durch eine umfassende und vertrauensvolle Zusammenarbeit können wir dieses Ziel erreichen, Menschen, die an Leib und Leben gelitten haben, so schnell wie möglich wieder zu rehabilitieren.Wir glauben, daß auch die Ärzte in dieser Richtung eine wichtige Aufgabe haben. Sie haben Beschädigte oder, sagen wir, Arbeitnehmer, die mehrmals wegen des gleichen Leidens bei ihnen erscheinen und bei denen nach wiederholter Behandlung festzustellen ist, daß dieses Leiden eben durch das Arbeitsleben aufgetreten ist und es sich am gleichen Arbeitsplatz immer wiederholen wird, auf diese Rehabilitationseinrichtungen zu verweisen und die Betroffenen zu der Arbeitsverwaltung zu schikken, damit sie beraten und gegebenenfalls umgeschult werden können.Diese vertrauensvolle Zusammenarbeit und die Koordinierung sind aber nicht nur bei der Rehabilitation erforderlich, sondern ebenso — und zwar da zwischen Bund und Ländern — bei den beruflichen Bildungsmaßnahmen, sowohl den individuellen als auch den institutionellen. Das betrifft den § 37 und die §§ 50 ff. Der Ausschuß erwartet, daß, damit gemeinsame Maßnahmen eingeleitet werden können, auch in diesem Falle koordiniert wird.Zur produktiven Winteraufbauförderung hat Kollege Porten ebenfalls Stellung genommen. Ich möchte aber sagen, daß eine starke Meinung im Ausschuß dahingehend bestand, man sollte mit der Zeit vom Schlechtwettergeld wegkommen — weil dieses, glaube ich, zu einseitig einem bestimmten Teil der Versicherten zugute kommt — und dafür die Winterbauförderung mehr ausbauen.Zu dem Problem der älteren Arbeitnehmer, wo wir versucht haben, soweit das in diesem Gesetz
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Jaschkemöglich ist, Bestimmungen zu schaffen, um ihre Lage zu erleichtern, wird sicher im Laufe der Beratungen noch Stellung genommen werden; es ist ja ein eigener Tagesordnungspunkt.Das gleiche gilt — worauf Kollege Porten schon aufmerksam machte — für die nicht ganz befriedigenden Regelungen, die die Finanzierung dieser Aufgaben durch die Bundesanstalt betreffen. Wir wissen, daß im Moment durch die mittelfristige Finanzplanung Grenzen gesetzt sind und deshalb, wenn wir diesem Gesetz zum Zuge verhelfen wollen, die Bundesanstalt einspringen muß. Wir haben aber den Termin, zu dem zu berichten ist, was diese Aufgaben, die an sich nicht mit den Mitteln der Versicherten zu bezahlen sind, kosten, von 1974 auf 1972 zurückverlegt und hoffen, dann zu einem neuen Finanzierungssystem kommen zu können.Ebenso waren für alle nicht ganz befriedigend — wie Herr Kollege Porten schon sagte, war die Meinung geteilt — die Bestimmungen über die Zahlung von Arbeitslosengeld an die mittelbar vom Streik Betroffenen. Auch da hoffen wir, daß, je nachdem, was die Praxis ergibt, später eine bessere Regelung gefunden werden kann.Erfreulich ist bei den Bestimmungen über das Arbeitslosengeld, daß wir das diskriminierende Stempeln durch Bestimmungen abgeschafft haben, die es der Arbeitsverwaltung ermöglichen, durch Datenverarbeitungsmaschinen die Unterstützungen ausrechnen zu lassen. Das wird eine sehr zügige Errechnung ermöglichen.Ferner ist bestimmt worden, daß die Arbeitslosenunterstützung bargeldlos ausgezahlt wird und daß — das ist, glaube ich, neu — dieses Arbeitslosengeld nicht gepfändet werden kann.Der Ausschuß glaubt vertreten zu können, daß das Gesetz bereits am 1. Juli in Kraft tritt, weil sich die Arbeitsverwaltung bereits seit geraumer Zeit auf die Übernahme dieser Aufgaben vorbereitet und, wie wir meinen, zu diesem Zeitpunkt durchaus in der Lage sein wird, sie zu erfüllen.Wir wollen hoffen, daß dieses Gesetz hilfreich sein wird, um dem Willen des Gesetzgebers, sichere Arbeitsplätze und eine vollbeschäftigte Wirtschaft zu erhalten, zu entsprechen, und daß es damit dem Einzelnen, aber auch der Wirtschaft dienen wird.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kollege Jaschke, wenn Sie mich darüber unterrichten würden, wo die Änderung des Berichts liegt, die ohne Ihre und des Mitberichterstatters vorheriges Einverständnis vorgenommen wurde. Ich habe das bisher nicht feststellen können. Ich wäre Ihnen für einen solchen Hinweis dankbar, weil ich dann dieser Frage nachgehen möchte.
Zum Ablauf ist folgendes zu sagen.
Erstens. Dem Hause liegen die Umdrucke 656 *), 657 **), 658 ***), 659 ****) und 660 *****) vor. Erledigt . ist der Umdruck 659, und zwar dadurch, daß er praktisch durch Umdruck 658 übernommen wurde. Diesen Umdruck 659 können Sie also aus Ihren Unterlagen herausnehmen.
Zum zweiten. Man ist sich dahin einig gewesen, daß eine allgemeine Aussprache nicht stattfinden soll. Wir werden aber, da sich bereits zahlreiche Wortmeldungen auf unserem Blatt befinden, ein wenig eleganter verfahren, damit nicht zu detailliert nur zu einem Punkt gesprochen werden kann, sondern damit wir — ich glaube, Ihr Einverständnis voraussetzen zu dürfen — etwas flexibel bleiben.
Zum dritten. Es liegt eine Reihe von Wortmeldungen zum Thema ältere Arbeitnehmer vor. Wir werden diese Wortmeldungen beim Aufruf des § 89 a — Seite 42 Ihrer Vorlage — berücksichtigen. Wenn wir also in die Beratung des Abschnittes „Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung für ältere Arbeitnehmer" eintreten, werden die vorliegenden Wortmeldungen zum Thema ältere Arbeitnehmer berücksichtigt werden.
Wir treten jetzt in die Einzelberatung ein. Ich rufe den § 1 auf. Dazu liegen drei Wortmeldungen vor. Ich erteile das Wort zunächst dem Abgeordneten Müller . Es folgen dann Herr Abgeordneter Liehr und Herr Abgeordneter Buschfort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns sicher alle darin einig, daß mit der Verabschiedung dieser wichtigen Gesetzesvorlage ein bedeutsamer neuer Abschnitt in unserem sozialen und wirtschaftlichen Geschehen eingeleitet wird. Die Fraktion der CDU/CSU ist deshalb der Auffassung, daß wir aus Anlaß der zweiten Lesung, auch wenn keine Änderungsanträge vorliegen, doch zu den einzelnen Abschnitten oder Unterabschnitten je nach ihrer Bedeutung einige Ausführungen machen sollten. Der Herr Präsident hat soeben schon darauf hingewiesen.Lassen Sie mich aus diesem Grunde, ohne die Gefahr einer Debatte über das Ursprungsrecht hier erneut aufleben lassen zu wollen, nur ein paar Bemerkungen zu dem Ersten Abschnitt, Aufgaben, und dem Ersten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts machen.Bekanntlich soll das heute in zweiter Lesung anstehende AFG das bisherige Gesetz über die Arbeitsvermittlung und Arbeitlosenversicherung ablösen. In einem weit verbreiteten und viel benutzten Kommentar zum AVAVG von Dr. Horst Schieckel ist gleich nach dem ersten Paragraphen folgendes zu lesen — ich zitiere —:Hauptaufgabe der Bundesanstalt ist — wiefrüher der Reichsanstalt — die Arbeitsvermitt-*) Siehe Anlage 2**) Siehe Anlage 3 ***) Siehe Anlage 4 ****) Siehe Anlage 5 *****) Siehe Anlage 6
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Müller
lung, die Berufsberatung und die Arbeitslosenversicherung. Dazu kommen als im Gesetz nicht ausdrücklich aufgeführte, aber sich aus der Materie ergebenden Nebenaufgaben: die Maßnahmen zur Verhütung und Beendigung der Arbeitslosigkeit, die allgemeine und die produktive Arbeitslosenfürsorge.Nichts kennzeichnet den Unterschied des bisherigen Rechts zu dem Recht, das wir uns anschicken neu zu schaffen, deutlicher als dieser Kommentar. Hauptaufgabe des neuen Gesetzes soll es sein, vorbeugend eine Arbeitslosigkeit überhaupt so weit wie möglich zu verhüten und einen ständig flexiblen und mobilen Arbeitsmarkt zu sichern.Der erste Abschnitt umfaßt nur drei Paragraphen. Diese geben dem ganzen Gesetz aber sein Gepräge. Zwar hat die Bundesanstalt auch schon jetzt nach § 38 AVAVG im Rahmen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung dahingehend zu wirken, daß Arbeitslosigkeit und Mangel an Arbeitskräften vermieden oder behoben werden. Aber nun soll gleich am Anfang richtungweisend und im Vordergrund, gewissermaßen schwergewichtig, der Auftrag an die Bundesanstalt stehen, ihre Maßnahmen darauf auszurichten, daß ein hoher Beschäftigungsstand erzielt und aufrechterhalten, die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert und damit das Wachstum der Wirtschaft gefördert wird — also alles Maßnahmen und ein ständiger Auftrag im Sinne einer aktiven Beschäftigungspolitik.Dies ist ein klares Bekenntnis zu der Tatsache, daß Arbeitsmarktpolitik als Sozialpolitik in unserer modernen, technisch hochentwickelten Industriegesellschaft nicht mehr losgelöst von der Wirtschaftspolitik — und umgekehrt — betrieben werden kann; das eine ist von dem anderen abhängig. Zur Unterstreichung dessen, was der Gesetzgeber will, setzt er also klare Prioritäten.Um dem immer größer werdenden, technologisch und strukturell bedingten Bedarf an beruflichen Qualifikationen Rechnung tragen zu können, ist die Förderung der beruflichen Bildung und Beratung in die vorderste Reihe gerückt.Ebenso ist in § 2 ganz konkret aufgeführt, wozu die Maßnahmen nach dem Gesetz insbesondere beitragen sollen, nämlich dazu, daß „weder Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung noch ein Mangel an Arbeitskräften eintreten oder fortdauern, ... die berufliche Beweglichkeit der Erwerbstätigen gesichert und verbessert wird ...". Ich glaube, ich kann es mir ersparen, die einzelnen Punkte weiter aufzuführen, zumal da einige meiner Kollegen beim Aufruf des jeweiligen Unterabschnitts oder Paragraphen Ausführungen machen wollen, z. B. zur beruflichen Rehabilitation usw.Ich darf nur noch die neue Nr. 3 b in § 2 hervorheben. Wir von der CDU/CSU haben die Anregung des DGB dankbar begrüßt, die in § 2 Nr. 3 b ihren Niederschlag gefunden hat. Danach wird die Bundesanstalt ausdrücklich verpflichtet, dazu beizutragen, daß „Frauen, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist, weil sie verheiratet oder aus anderen Gründen durch häusliche Pflichten gebunden sind oder waren, beruflich eingegliedert werden ...".Vielleicht ist es gut, daß wir uns noch einmal daran erinnern, was die Sachverständigen gesagt haben. Lassen Sie mich also in diesem Zusammenhang wiederholen, was der Sachverständigenrat in seinem zweiten Jahresgutachten zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 20. Dezember 1965 im 4. Kapitel „Wachstum und Strukturwandel", unter anderem ausführt. Er weist darauf hin, daß stabiles Geld und stetiges Wachstum den Wandel der Strukturen erfordert. Dies wiederum setzt ein flexibles Verhalten aller, insbesondere der Sozialpartner voraus, und verlangt vom Gesetzgeber die Bereitschaft, aus früheren Zeiten stammende Vorschriften und Traditionen im Arbeits- und Sozialrecht daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht durch moderne und vielleicht den Strukturwandel weniger hemmende Formen ersetzt werden können. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich im Ausschuß für Arbeit, so glaube ich sagen zu können, bemüht, dies zu tun. Wir glauben auch, bei den Beratungen in diesem Sinn unseren Beitrag geleistet zu haben.Vielleicht ist es gut, wenn wir uns daran erinnern, daß wir heute wieder eine ähnliche Situation wie damals auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen haben: etwas über 100 000 Arbeitslose, auf der anderen Seite fast 700 000 offene Stellen bei einer Zahl von zirka 1,2 Mio Gastarbeitern. Es war damals genau wie heute keine Zeit großer Arbeitslosigkeit, sondern im Gegenteil eine Zeit mangelnder Arbeitskräfte.Die berufliche Mobilität und ein mobiler Arbeitsmarkt bleiben also — ob aus konjunkturellen oder strukturellen Gründen — ein unbedingt zu lösendes Problem und eine ständige Aufgabe. Zur Erfüllung derselben soll dieses Gesetz die rechtliche Grundlage bieten.Die mit diesem Gesetzentwurf verfolgten Ziele sind natürlich nur allmählich und unter bestimmten Voraussetzungen zu erreichen. Als erstes ist die notwendige Aufgeschlossenheit und Bereitschaft zu erwähnen, sich von alten Vorstellungen und Traditionen zu lösen. Auch hierzu darf ich noch einmal die Sachverständigen zitieren. In dem Gutachten wird von den Arbeitnehmern die Bereitschaft gefordert, „erlerntes Wissen und Können zu erweitern und zu erneuern, gegebenenfalls sogar den Arbeitsplatz oder den Betrieb, den Beruf oder den Wohnort zu wechseln." Alle in der Wirtschaft Tätigen müssen bereit sein, „sich von überlieferten Vorstellungen vom sozialen Rang bestimmter beruflicher Lebensformen zu trennen, wenn der wirtschaftliche Fortschritt dieses veralten läßt".Das sind keine bequemen Forderungen. Wir messen deshalb der neu aufgenommenen Vorschrift in § 3 Abs. 2 a besondere Bedeutung bei und erhoffen von dieser Vorschrift eine gewisse Hilfe. Die Bundesanstalt soll nämlich die Öffentlichkeit über die Dienste und Leistungen nach diesem Gesetz aufklären.Zweitens. Natürlich kann die Bundesanstalt diese Aufgaben nur dann mit Erfolg erfüllen, wenn sie
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über Arbeitsmarkt- und Berufsforschung genaue Kenntnisse über die Sachlage in den einzelnen Wirtschaftszweigen, deren soziale Strukturen und die zu erwartende Entwicklung gewinnt sowie die zu verfolgenden Ziele mit dem Bundesminister für Arbeit bzw. der Bundesregierung abstimmt. Dies ist der Sinn der Vorschrift in § 7. In diesem Paragraphen heißt es weiter: „Die Bundesanstalt stimmt ihre Arbeitsmarkt- und Berufsforschung mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ab." Um einige Bedenken zu zerstreuen, möchte ich ausdrücklich betonen: dies bedeutet nicht — Herr Kollege Behrendt, Sie haben in Nürnberg davon gesprochen —, daß dadurch die Forschung beeinträchtigt werden darf. Das bei der Bundesanstalt geschaffene Forschungsinstitut muß selbstverständlich seine Forschungsarbeit unabhängig, unbeeinflußt von anderen Stellen durchführen können.Drittens. Zwischen der Bundesanstalt bzw. den Landesarbeitsämtern und den Betrieben muß ein Vertrauensverhältnis bestehen und eine gegenseitige Unterrichtung erfolgen, damit die erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können. Dies und nichts anderes ist der Sinn der neuen Vorschriften in § 8 a Diese Vorschriften sind, in abgewandelter Form, dem SPD-Entwurf über ein Arbeitsmarktanpassungsgesetz entnommen. Der Ausschuß hat sich meines Erachtens große Mühe gegeben, hierfür eine flexible Regelung zu finden, die den besonderen Verhältnissen im Einzelfall und den arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen Rechnung trägt, auf der anderen Seite aber dem Arbeitgeber eine Anzeigepflicht auferlegt.Abschließend möchte ich noch folgendes zum Ausdruck bringen. Was wir nicht durch Gesetz regeln können, ist die notwendige Bereitschaft aller Betroffenen, sich dem ständigen technischen Wandel anzupassen. Das ist sicher ein langwieriger Prozeß. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig.Als Mitglied des Arbeitsausschusses möchte ich bei dieser Gelegenheit noch einmal die loyale und gute Zusammenarbeit im Ausschuß für Arbeit hervorheben und mich namens meiner Kollegen bestens dafür bedanken.
Herr Kollege Müller, ich habe vorhin eingangs der Einzelberatungen gesagt, wir würden die Dinge vom Präsidium aus flexibel handhaben — aber nicht so flexibel, daß wir die Geschäftsordnung verlassen. Die Geschäftsordnung sagt in § 37, daß die Rede frei gehalten wird. Sie haben nicht einmal die Genehmigung des Präsidenten eingeholt. Ich möchte doch darum bitten, daß wir uns in Zukunft an diese Bestimmung halten.
Nunmehr erteile ich dem Abgeordneten Liehr das Wort.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Wenn wir heute das Arbeitsförderungsgesetz verabschieden, was wir ja wohlalle wollen, hätte damit der Entwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion für ein Arbeitsmarktanpassungsgesetz seine Erledigung gefunden. Von Fachleuten wurde meiner Fraktion immer wieder bestätigt, daß dieser Entwurf in der Tat einen großen Wurf darstelle, eine völlig neuartige Konzeption beinhalte und daß ganz offenbar ist, daß dieses Arbeitsmarktanpassungsgesetz auch das vorliegende Arbeitsförderungsgesetz ganz erheblich beeinflußt hat. Dies wird besonders daran deutlich, — lassen Sie mich das in Ihre Erinnerung zurückrufen —, daß wir schon 1966, damals noch in der Rolle der Opposition in diesem Hause, gesagt haben: Daß wir insbesondere die Anpassung des Arbeitsmarktes an die Entwicklung von Wirtschaft und Technik durch Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fördern müssen; die Berufsausbildung in der Wirtschaft der Entwicklung von Wirtschaft und Technik anzupassen haben; die Teilnahme der Arbeitnehmer an beruflichen Fortbildungsveranstaltungen fördern und nicht zuletzt Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung aus Anlaß von Betriebsveränderungen verhüten sollten.Meine Damen und Herren, dies noch einmal in Erinnerung gerufen, steht es außer Zweifel, daß der Boden für eine so weitreichende Zielsetzung, wie sie auch im Arbeitsförderungsgesetz zum Ausdruck kommt, erst durch die Bildung der Großen Koalition fruchtbar gemacht werden konnte, daß genau genommen erst durch sie eine große Lösung für eine moderne Arbeitsmarktpolitik durchgesetzt werden konnte. So gesehen, stellt dieses Arbeitsförderungsgesetz eine gemeinsame konstruktive Leistung beider Koalitionsfraktionen in völliger Übereinstimmung mit der Bundesregierung dar. Man wird nicht fehlgehen in der Einschätzung, daß es sich bei diesem Gesetz um eines der wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben der Großen Koalition für die Arbeitnehmer handelt. An diesem Gesetz werden die Arbeitnehmer die Leistung dieser Koalition mit zu messen haben.Die Initiative meiner Fraktion hat aber auch insoweit stimulierend gewirkt, als unverzüglich nach der Vorlage unseres Entwurfs ein zweiter Gesetzentwurf das Licht der Öffentlichkeit erblickte, nämlich die Vorlage für ein Berufsausbildungsgesetz. Auch hier sind wir nicht bei den ursprünglichen Fassungen stehengeblieben, sondern wir haben uns gemeinsam bemüht, ein modernes Berufsbildungsgesetz zu konzipieren.Angesichts dessen, daß dieses Gesetzeswerk, wie wir hoffen, in Kürze gleichfalls im Bundestag zur Verabschiedung anstehen wird, möchte ich aus dem Sachzusammenhang heraus doch noch einmal unzweideutig sagen, daß wir uns sehr dagegen wehren werden — wir hoffen, auch mit Unterstützung der anderen —, daß an den zum Teil mühsam gefundenen Kompromissen noch irgendwelche Abstriche zum Negativen hin vorgenommen werden.
Ich glaube, die arbeitende Jugend unseres Landeshat einen Anspruch darauf, daß nach nunmehr 50Jahren dieses Parlament mit innerer Aufgeschlos-
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Liehrsenheit und auch mit der erforderlichen Härte da, wo es notwendig ist, einer solchen modernen gesetzlichen Regelung zum Durchbruch verhilft.Beide Gesetze, meine Damen und Herren, stellen eine Einheit dar. Genau genommen stellt das Berufsbildungsgesetz den sachlich-fachlichen Unterbau für das Arbeitsförderungsgesetz dar, das ja im wesentlichen die materiellen Voraussetzungen regelt. Beide Gesetze zusammen — es gibt ja, wie Sie wissen, hier einen vorherrschend sachlichen Zusammenhang — stellen in der Tat einen ganz entscheidenden Schritt vorwärts im weiten Felde der Arbeitsmarkt- und Berufspolitik dar. Hier steht im Vordergrund, daß es im Gegensatz zu der bisherigen Rechtsauffassung nicht mehr darum geht, etwa Arbeitslosigkeit zu versüßen oder zu verschönern, sondern es kommt darauf an, mit einem breiten Fächer berufsbildender Maßnahmen Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung gar nicht erst entstehen zu lassen. Sie werden verstehen, daß an dieser Stelle eine berufliche Grundbildung eingreift in das, was berufliche Förderungsmaßnahmen wie berufliche Fortbildung und ständige Anpassung an veränderte Arbeitsmarkt- und Berufsstrukturen beinhalten.Dies alles, meine Damen und Herren, wäre sehr fragwürdig ohne eine ausreichende wissenschaftliche Fundierung. Es ist höchste Zeit — ich hoffe, daß wir auch darin übereinstimmen —, daß neben einer Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die, wenn auch noch in den Anfängen, so doch sehr zielbewußt und energisch vom Institut bei der Bundesanstalt vorangetrieben wird, nun auch in Kürze ein Institut für Berufsbildungsforschung geschaffen wird. Nur so lassen sich schließlich berufliche Fehlentscheidungen, mit denen wir in all den zurückliegenden Jahren in erheblichem Maße zu rechnen hatten, erkennen, und nur so kann man ihnen wirksam begegnen. Von hier aus sind nicht zuletzt auch neue Impulse für die Berufsaufklärung und Berufsberatung sowie für die neu geschaffene Arbeitsberatung zu erwarten.Wir stimmen sicher darin überein, meine Damen und Herren, daß eine so erweiterte Aufgabenstellung, wie sie das Arbeitsförderungsgesetz gerade auch für die Berufs- und Arbeitsberatung vorsieht, zu höheren Ansprüchen gegenüber einer öffentlichen Berufs- und Arbeitsberatung führen muß. Mir liegt sehr daran, in diesem Zusammenhang einfach auf die Stellungnahme der Bildungskommission beim Deutschen Bildungsrat zu verweisen, die sie Anfang des Jahres abgegeben hat. Es heißt dort — wenn ich zitieren darf —:Um möglichst viele Jugendliche hinsichtlich ihrer Eignung für verschiedene Lehrberufe, Ausbildungsstätten und programme beraten zu können, sind mehr Berufsberater mit praktischer Erfahrung und Fachpsychologen mit entsprechender wissenschaftlicher Qualifikation bei den Arbeitsämtern anzustellen, Hierfür ist es erforderlich, wissenschaftliche Ausbildungsgänge für Berufsberater einzurichten und die entsprechenden Ausbildungsstätten zu schaffen.Soweit die Empfehlung der Bildungskommission. Ichglaube, daß wir auch gestützt darauf alle Veranlassung haben, noch einmal zu prüfen, in welcher Verantwortlichkeit dies am zweckmäßigsten und am wirksamsten in die Wege geleitet und dann auch durchgeführt werden kann.Nachdem Sie gemerkt haben, wie stark sich Sozialdemokraten besonders auch bei diesem Arbeitsförderungsgesetz engagieren, möchte ich mir doch die Freiheit nehmen, ein kritisches Wort an der Stelle anzumerken, wo es um die Freistellung der Arbeitnehmer für Zwecke der beruflichen Bildung geht. Meine Fraktion hat im Ausschuß für Arbeit den Antrag gestellt, daß ohne Anrechnung auf den gesetzlichen oder tariflichen Urlaub dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an anerkannten beruflichen Bildungsveranstaltungen zu gewähren sei. Wir haben vorgeschlagen, daß dies bis zu zehn Werktagen im Kalenderjahr erfolgen sollte; bei Erfüllung bestimmter Kriterien auch unter Erstattung des Lohn- oder Gehaltsausfalls. Dieser Antrag ist im Ausschuß für Arbeit mit den Stimmen der CDU/CSU und der FDP abgelehnt worden.Ich wollte das nur der Vollständigkeit halber nachtragen und sagen, daß uns die Eindeutigkeit der Ablehnung nicht ermutigt, hier im Plenum etwa noch Pflichtübungen nachzuholen. So wie die Mehrheitsverhältnisse liegen, müssen wir, so leid es uns tut, offenbar davon ausgehen, daß auch hier keine andere Entscheidung zustande kommen würde, weshalb wir auf eine erneute Antragstellung verzichten. Ich komme nicht umhin, diese Entscheidung des Ausschusses für Arbeit insofern nachdrücklich zu bedauern, als wir fest davon überzeugt sind, daß ein modern konzipiertes Arbeitsförderungsgesetz gerade auch die Freistellung von Arbeitnehmern zu regeln hat, die im Wege eines so gearteten Bildungsurlaubs für berufliche Zwecke dann auch die notwendige Freistellung durch die Betriebe erfahren müssen. Daß dies nicht der Fall ist, betrübt uns zutiefst. Ich glaubte, ich sollte das der Vollständigkeit halber hier nachtragen.
Abschließend wollte ich mir die Empfehlung erlauben — insbesondere an das Bundesarbeitsministerium, aber auch an die Bundesanstalt —, noch mehr Informationen über das Arbeitsförderungsgesetz zu vermitteln. Ich weiß, daß da schon einiges vorsorgend in die Wege geleitet worden ist; doch bitte ich, diese Detailinformation noch zu verstärken, damit die Arbeitnehmer, die hier vorrangig und unmittelbar betroffen sind, auch die Möglichkeit haben, rechtzeitig von den Chancen Gebrauch zu machen, die in diesem Arbeitsförderungsgesetz für sie enthalten sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, im Rahmen der Debatte des Art. 1
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Schmidt
noch einmal eine Grundsatzaussprache zu eröffnen. Dazu haben wir in der dritten Lesung Zeit. Ich möchte zu diesem Zeitpunkt, Herr Kollege Liehr, nur eine kleine Klärung über das Erstgeburtsrecht anbringen, über das hier so gestritten wurde. damit das nicht etwa falsch im Raum stehenbleibt. Ich möchte noch einmal auf die erste Lesung in diesem Hause verweisen, als es diese Debatte bereits gab. Wir wollen diese Dinge einmal chronologisch genau sehen. Am Anfang der Vorbereitung dieses Gesetzes, das wir heute Gott sei Dank — das darf ich jetzt schon sagen — einstimmig und in guter Form verabschieden, stand die Bildung der Koalition CDU/CSU-FDP im Jahre 1965, standen die Gespräche zwischen der CDU/CSU und der FDP. Herr Minister, ich brauche nicht zu verlesen, was Sie bereits bei der ersten Lesung gesagt haben. Und am Anfang dieser Debatte — ich habe nichts gegen das Fruchtbarmachen durch die Opposition damals; wir sind heute dabei, uns mit darum zu bemühen — stand dann erfreulicherweise auch Ihr Arbeitsmarktanpassungsgesetz.Ich wollte nur klarstellen, daß die ersten berlegungen eines neuen Gesetzes zur Ablösung des AVAVG in der Koalition CDU/CSU-FDP nach dem Zusamemntritt des Bundestags 1965 im Vorstandszimmer der FDP im 2. Stock des Altbaus angestellt wurden. Herr Minister, Sie werden das sicher gern bestätigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Buschfort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte absprachegemäß versuchen, mit fünf Minuten Redezeit auszukommen. Deshalb in aller Kürze einige Bemerkungen zum Arbeitsförderungsgesetz, zu den aufgeworfenen Fragen der Arbeitsmarktpolitik und zu einigen sozialpolitischen Vorgängen.Erlauben Sie mir, daß ich zunächst mit einem kleinen Beispiel beginne. Der Kraftfahrzeughalter schließt in aller Regel eine Kfz-Versicherung in der Hoffnung ab, diese Versicherung, wenn eben möglich, nicht zu beanspruchen. Der arbeitslosenversicherte Arbeitnehmer hat ebenfalls einen Versicherungsschutz. Er muß Wert darauf legen, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben, um auch diese Versicherung, wenn möglich, nicht zu beanspruchen.Folgerichtig sind die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit davon ausgegangen, daß ein ständig hoher Beschäftigungsstand angestrebt werden muß, und zwar erstens durch die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, zweitens durch eine sinnvolle Arbeitsmarktpolitik und Berufsforschung, drittens durch Strukturverbesserungen nach Wirtschaftszweigen und viertens durch die besondere Beachtung schwieriger Vermittlungsvorgänge. Dieses beachtliche Ziel ist aber nur erreichbar, wenn alle Beteiligten erkennen, daß Arbeitsmarktpolitik nicht nur ein Hilfsmittel der Konjunkturpolitik in schlechten Zeiten sein darf, sondern ein ständiger Prozeß zu bleiben hat, damit Veränderungen in derWirtschaft rechtzeitig erkannt werden können und ihnen durch geeignete Maßnahmen entgegengewirkt werden kann.Die Erhaltung eines ständig hohen Beschäftigungsstandes setzt auch voraus, daß die Arbeitsverwaltung die betrieblichen Verhältnisse kennt. Daraus muß sich zwangsläufig ergeben — ich denke, das wird noch einige Schwierigkeiten mit sich bringen —, daß die Beamten der Arbeitsverwaltung künftig in einem außergewöhnlichen Maß draußen die Betriebe zu besichtigen haben. Sie müssen die Arbeitsplätze kennen und müssen wissen, wie und wo Arbeitskräfte vermittelbar sind. Wenn uns das nicht gelingt, wenn die Arbeitsverwaltung Innendienstbereich bleibt, wird dieses Gesetz nicht mit Leben erfüllt werden können. Es kann sogar notwendig sein, daß die Arbeitsverwaltung für bestimmte Bereiche, aber auch, wenn es notwendig ist, für eine einzige Person tagelang tätig ist, um einen Arbeitsplatz zu vermitteln.Wir wissen um die Freisetzung von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft, und wir kennen unter anderem die Schwächen in der Textilindustrie. Deshalb ist es zu begrüßen, daß nach dem jetzt zu verabschiedenden Arbeitsförderungsgesetz geeignete Eingliederungshilfen vorgesehen sind. Da gibt es insbesondere Zuschüsse zu Reise- und Umzugskosten, Trennungsbeihilfen und Überbrückungsgelder. Ziel aber muß es bleiben, so weit wie möglich dort Arbeitsplätze zu beschaffen, wo die Arbeitskräfte vorhanden sind, und durch Strukturmaßnahmen Dauerarbeitsplätze zu schaffen.Nun noch einige Bemerkungen zu den Leistungsverbesserungen für Kurzarbeiter und arbeitsunfähige Arbeitnehmer. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, kennen die Schwierigkeiten und kennen auch die Not der Kurzarbeiter. Wir haben es in den vergangenen Jahren immer wieder feststellen müssen, daß ein nicht unerheblicher Kreis von Arbeitnehmern bei der Rentenbemessung nur deshalb sehr erheblich benachteiligt wurde, weil sie in einem Textilbetrieb oder weil sie in einem Spielwarenbetrieb oder, sagen wir, weil sie in Wirtschaftszweigen tätig waren, wo gelegentlich Kurzarbeit aufgetreten ist. Diese Kurzarbeiterzeiten führten dazu, daß diese Arbeitnehmer eine Rentenminderung von 10, 15, 20 und mehr Prozent zu verzeichnen hatten. Mit diesem Vorgang ist es, wenn das vorliegende Gesetz verabschiedet worden ist, zu. Ende. Das ist sicherlich sehr zu begrüßen.Bedauerlich bleibt, daß wir nicht rückwirkend tätig werden können. Bedauerlich bleibt auch, daß diese Lösung nicht hundertprozentig ist und daß noch ein weiterer Schritt zu erfolgen hat. Dennoch ist diese Verbesserung, so meine ich, sozialpolitisch beachtlich.Auch ist zu begrüßen, daß es mit diesem Gesetz gelingt, die Nahtlosigkeit von Arbeitsfähigkeit, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit herzustellen. Dieser Streitpunkt hat uns im sozialpolitischen Bereich ja zur Genüge zu schaffen gemacht. Hier ist wohl die Feststellung angebracht, daß diese Veränderung besonders positiv zu bewerten ist.
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BuschfortIch darf zum Schluß kommen. Die herkömmlichen Aufgaben der Arbeitsverwaltung, wie die Auszahlung von Arbeitslosenversicherungsgeldern oder der Arbeitslosenhilfe, werden zukünftig hinter den Bemühungen der Arbeitsvermittlung, der Arbeitsplatzbeschaffung und -erhaltung, der Berufsforschung und Berufsberatung zurückzustehen haben. Ich denke, wenn wir dieses Gesetz in dieser aktiven Form sehen, dann wird es ein lebendiges und ein gutes Gesetz sein. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Damit sind die Wortmeldungen zum § 1 erschöpft. Wir kommen zur Abstimmung über den § 1. Wer diesem Paragraphen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — § 1 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den § 2 auf. Dazu hat das Wort Frau Abgeordnete Rudoll.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Verabschiedung des Arbeitsförderungsgesetzes sollte nicht vorübergehen, ohne daß auf die Verbesserungen bzw. Neuerungen, die sich daraus für Frauen ergeben, hingewiesen wird.
Bei der Debatte in diesem Hause anläßlich des Berichtes über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft wurde deutlich, wie schwierig es ist, Frauen, die verheiratet sind, Kinder zu betreuen haben oder aus anderen Gründen durch häusliche Pflichten gebunden sind, über den üblichen Arbeitsmarkt in entsprechende Arbeitsplätze einzuweisen. Schwierig ist weiter die Wiedereingliederung ,der Frauen in das Berufsleben, die einige Jahre ihre Pflichten als Mutter und in der Familie wahrgenommen haben. Dem haben der Ausschuß und die Gesetzesvorlage dadurch Rechnung getragen, daß der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Nürnberg die Verpflichtung auferlegt wird, sich dieser Aufgabe, im Interesse der betroffenen Frauen, durch entsprechende Maßnahmen anzunehmen.
Die Frauen werden nach diesem Gesetz einbezogen in die neuen Möglichkeiten, die sich durch Ausbildung, Fortbildung und Umschulung ergeben. Der Zweck soll sein, diese Hilfen für die Frauen zu benutzen, um ihre Kenntnisse aufzufrischen, sie zu befähigen, durch entsprechende Bildungsmöglichkeiten sich an die dauernd sich wandelnden Anforderungen im beruflichen Leben anzupassen. Ferner soll durch die Umschulung da, wo es notwendig ist, erreicht werden, daß die Frauen die Chance haben, in andere Berufe und Tätigkeiten eingewiesen zu werden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf einen zweiten Punkt eingehen. Schon im bisherigen, im .alten Gesetz gab es eine Vorschrift — sie war auch jetzt in der Regierungsvorlage vorhanden —, die die Vermittlung und berufliche Beratung von Frauen durch Frauen betraf, gewissermaßen ein Schutzparagraph. Hier waren es in der Hauptsache, im Grundsatz wenigstens, Frauen, die die Vermittlung vornahmen. Es ist das Anliegen dieses Gesetzes, den weiblichen Arbeitnehmern den Zugang zu allen Berufen und Tätigkeiten zu öffnen, für die sie entsprechende Eignung und Neigung besitzen. Die bisherige Vermittlung im Rahmen dieses Paragraphen bezog sich in der Hauptsache auf die Vermittlung von typischen Frauenberufen, von typisch weiblichen Berufen. Ich meine, dies entspricht nicht mehr den neueren Erkenntnissen, nach denen es typische Frauen- oder Männerberufe in immer geringerer Zahl gibt.
Wir glauben, den weiblichen Bediensteten, die von diesem bisherigen Paragraphen betroffen sind, größere Möglichkeiten der Chancengleichheit dadurch zu bieten, da wir den § 20 dieses Arbeitsförderungsgesetzes ganz gestrichen haben. Sie sollen in Zukunft auch Männer und nicht nur Frauen vermitteln können. Umgekehrt sollten natürlich auch Männer Frauen vermitteln können. Es sei zugegeben, daß dies ein neuer Weg ist. Aber wir meinen, dieser Weg liege im Interesse sowohl der Bediensteten bei der Bundesanstalt als auch der zu Vermittelnden. Wir sollten daher auf die Schutzbestimmungen verzichten.
Die Berufsberater und -vermittler müssen ja im Zuge dieses neuen Gesetzes weiter geschult werden bzw. Informationen erhalten. Wenn wir den Paragraphen beibehalten hätten, bestünde eventuell die Gefahr, daß man die Frauen von diesen Informationen ausschließt, weil sie weiterhin nur typische Frauenarbeit vermitteln.
Selbstverständlich hat die Bundesanstalt bei der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung von Frauen auch in der Zukunft den besonderen Belangen der Frauen durch geeignete organisatorische und personelle Maßnahmen Rechnung zu tragen.
Es ist hier also ein neuer Weg beschritten worden, von dem wir die Hoffnung haben, daß er dazu beiträgt jetzt noch vorhandene Voreingenommenheiten in diesem Punkt zu beseitigen; denn schließlich schaffen wir ein Gesetz für die Zukunft und nicht nur für die Gegenwart. Es hat sich hier doch einiges gewandelt. Um aber besonders den Bediensteten der Bundesanstalt, die bisher weibliche Arbeitnehmer vermittelt und beraten haben, einen Teil ihrer Sorge zu nehmen, daß sie keine entsprechenden Aufstiegsmöglichkeiten mehr hätten oder gar die Konkurrenz der Männer zu befürchten hätten, haben wir uns veranlaßt gesehen, für die dritte Lesung einen Entschließungsantrag vorzulegen, der noch besonders begründet wird. Wir erwarten darin nach vier Jahren von der Bundesregierung einen Bericht, der darüber Auskunft gibt, wie sich dieser neue Weg bewährt hat, ob man ihn weitergehen sollte oder ob man im Interesse der Betroffenen Änderungen vornehmen sollte. Aus diesen Überlegungen bitte ich schon heute, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Ich meine, wir haben in diesem neuen Gesetz im Interesse der Frauen einiges verbessern können.
Zu § 2 liegen keine Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung.
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Vizepräsident SchoettleWer stimmt dem Paragraphen zu? — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen; der Paragraph ist einstimmig angenommen.Ich rufe nun die §§ 3 bis einschließlich 10 auf. Dazu liegen keine Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt den aufgerufenen Paragraphen zu? Ich bitte um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe erübrigt sich nach dem Eindruck, den ich bei der Abstimmung gewonnen habe. Die Paragraphen sind angenommen.Ich rufe jetzt den § 11 auf. Dazu hat das Wort der Abgeordnete Dr. Freiwald.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich will mich bemühen, einen nur kurzen Beitrag zu den Kapiteln Arbeitsvermittlung und Berufsberatung zu leisten; denn gerade dieser Abschnitt des Gesetzes ist besonders wichtig. Er berührt unzählige Menschen in ihrer Berufswahl und in ihrem gesamten beruflichen Werdegang. Wir haben in dem § 11 nicht nur den arbeitsuchenden Arbeitnehmer angesprochen, sondern jeden Arbeitsuchenden, d. h. auch den Landwirt, der seine Bauernstelle aufgibt, oder den Einzelhändler, der sein Geschäft einstellen muß. Sie alle erhalten eine individuelle Beratung und Betreuung. Nur so kann man den unvermeidlichen Strukturveränderungen unserer Wirtschaft auch in menschlicher Hinsicht entsprechend Rechnung tragen.
Im Sinne einer möglichst umfassenden, einer vielseitigen und gründlichen, aber vor allen Dingen auch im Sinne einer völlig uneigennützigen Beratung und Vermittlung mußte das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt eindeutig im Gesetz klargestellt werden. Gerade auch in diesem Sinne sind die seemännischen Heuerstellen einer Umgestaltung unterworfen und in die allgemeine Arbeitsverwaltung mit all ihren zusätzlichen, neuen Beratungsfunktionen integriert und einbezogen worden.
Hinsichtlich der für die Wirtschaft und für die einzelnen Betriebe wichtigen Beratungsfunktionen der Betriebsberater und der Personalberater ändert sich an der bisherigen Praxis nichts. Sie werden bei ihrer beratenden Tätigkeit bei Auswahl leitender Angestellter lediglich als Erfüllungsgehilfen und Beauftragte der Arbeitgeber tätig, üben also ihrerseits keine echte Arbeitsvermittlung aus. Die zwischen der Bundesanstalt und den einschlägigen Verbänden vereinbarten Grundsätze bleiben insoweit unberührt und aufrechterhalten.
Mit erheblicher Sorge beobachtet der Ausschuß die Entwicklung, die das Verleihen von Arbeitskräften in der letzten Zeit annimmt.
Eine höchstrichterliche Klärung, unter welchen Voraussetzungen hier verbotene Arbeitsvermittlung vorliegt, ist in Kürze zu erwarten. Danach wird zu prüfen sein, ob gesetzliche Maßnahmen notwendig werden.
Im übrigen aber kann die Bundesanstalt in Ausnahmefällen auch weiterhin besondere Einrichtungen mit Arbeitsvermittlung beauftragen. Sie ist also in jeder Weise flexibel. Auf diese Möglichkeit müßte man auch die freien Wohlfahrtsverbände bezüglich der Vermittlung ihrer eigenen Mitarbeiter durch die Personalausgleichsstellen hinweisen. Die Bundesanstalt hat ausdrücklich zugesichert, die bisherige Arbeit hier nicht zu beeinträchtigen.
Das in dem Gesetzentwurf ursprünglich vorgesehene Prinzip, Arbeitsvermittlung und Berufsberatung für Frauen nur durch Frauen auszuüben, mußte angesichts des Gleichheitsgrundsatzes und angesichts der Gleichstellung von Frauen und Männern auch im beruflichen Leben fallen. Frau Rudoll hat dazu schon die entsprechenden Hinweise gegeben. Es ist sicherlich zu erwarten, daß der Entschließungsantrag, mit dem die Regierung aufgefordert wird, über entsprechende Erfahrungen zu gegebener Zeit zu berichten, auch von den männlichen Kollegen dieses Hauses in vollem Umfang unterstützt wird.
Die Berufsberatung hat über ihre traditionellen Aufgaben hinaus eine erkennbare Erweiterung erfahren. Neben der Berufswahl werden nun auch der Berufswechsel und das gesamte berufliche Fortkommen in die Beratung einbezogen. Die kontinuierliche Berufsberatung ist in Zukunft eine fortlaufende berufsbegleitende Funktion der Arbeitsverwaltung. Das ist ein sehr entscheidender Fortschritt. Außerdem ist in die Berufsberatung die berufliche Bildungsberatung ebenfalls miteinbezogen, über die auch noch gesondert zu sprechen sein wird.
Vor allem aber ist es für uns wichtig, daß die Arbeitsvermittlung künftig die persönlichen Verhältnisse, auch die individuelle Veranlagung des einzelnen, seine Fähigkeiten bis hin zu den physischen und psychologischen Gegebenheiten stärker berücksichtigt als bisher. Nicht nur die Fakten des Arbeitsmarktes spielen also eine Rolle, sondern eben auch alle diese persönlichen Fragen.
Alle die sehr berechtigten individuellen Gegebenheiten dürfen aber selbstverständlich nicht dazu führen, daß nun am Arbeitsmarkt und an der wirtschaftlichen Wirklichkeit vorbei beraten oder ausgebildet wird. Hier muß mehr denn je eine enge und ständige Verzahnung zwischen der Berufsberatung und der Arbeitsvermittlung, zwischen der Arbeitsvermittlung und der Berufsberatung sichergestellt werden, damit Fehlentwicklungen unter allen Umständen vermieden werden. Aber auch die Kooperation mit der Wirtschaft, mit den Gewerkschaften, mit Schulen und Hochschulen ist nun der Bundesanstalt durch Gesetz ausdrücklich auferlegt. Eine engere Zusammenarbeit mit der Studienberatung erscheint dringend und zwingend geboten. Wieviel Semester gehen heute jungen Menschen allein dadurch verloren, daß sie nicht rechtzeitig gründlich genug beraten worden sind!
Aber fast noch wichtiger ist diese Zusammenarbeit im Bereich der gewerblichen Wirtschaft. Ich denke nur an die verschiedenen Modeberufe, die plötzlich von vielen jungen Menschen gewählt werden und die dann sehr leicht zu Fehlentwicklungen führen. Auch hier muß uns die Arbeitsmarktforschung für
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Dr. Freiwald
die Zukunft deutlichere Hinweise für die kommende Entwicklung vermitteln.
Diese Erweiterung der Aufgaben der Berufsberatung und Berufsvermittlung macht es zwingend notwendig, daß die Ausbildung der Berufsberater und der Vermittler höchste Aufmerksamkeit erfährt. Von der richtigen Erfüllung dieser Aufgaben hängt das Schicksal unzähliger Einzelmenschen, aber auch die Funktionsfähigkeit unserer gesamten Wirtschaft ab. Die bisherige Ausbildung dieser Kräfte reicht für die neuen Aufgaben schwerlich aus. Hier wird zweifellos eine Vertiefung und Intensivierung der Ausbildung notwendig werden, vor allem auch im Hinblick auf die volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen.
Zum Schluß darf ich nochmals kurz die Datenverarbeitung ansprechen, die ja nicht nur bei der Auszahlung des Arbeitslosengeldes eine Rolle spielt, sondern die auch in die Vermittlung eingeschaltet werden muß. Sie muß vor allen Dingen dem überregionalen Ausgleich dienstbar gemacht werden. Es bleibt aber entscheidend, daß nicht nur mechanisch und schablonenhaft die einzelnen Berufe angesprochen werden, sondern daß sehr sorgfältig abgewogen wird, mit welchen Kriterien der Computer im einzelnen gefüttert wird.
Meine Damen und Herren! Mit diesen modernen Instrumenten und mit dieser modernen Auffassung wird die Bundesanstalt zweifellos einen entscheidenden Beitrag für die Produktivität unserer Wirtschaft und für das Wachstum unserer gesamten Volkswirtschaft leisten können.
Wir kommen zur Abstimmung über § 11. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe.! — Enthaltungen? — § 11 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe die §§ 12 bis einschließlich 33 b auf. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zu stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Paragraphen sind einstimmig angenommen.
Ich rufe den § 34 auf. Das Wort hat der Abgeordnete Ziegler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige wenige Bemerkungen zum Vierten Unterabschnitt, der sich mit der Förderung der beruflichen Bildung befaßt.Die Förderung der beruflichen Bildung ist zweifellos eine der wichtigsten Aufgaben, die mit diesem heute zu verabschiedenden Gesetz der Nürnberger Bundesanstalt übertragen wird. Sie umfaßt die berufliche Ausbildung, die Fortbildung und die Umschulung. Mit den vorgesehenen Regelungen sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Probleme, die sich aus dem strukturellen Wandel, aus der fortschreitenden Technisierung und aus der Automation ergeben, gemeistert werden können.Die Regelungen geben aber auch dem einzelnen die Möglichkeit, die seiner Begabung, seiner Fähigkeit und seiner Bildungsbereitschaft entsprechende berufliche Bildung zu erlangen.Das Gesetz trägt der Dynamik der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung. Die in der Wirtschaft Tätigen werden, davon bin ich überzeugt, von den gegebenen Möglichkeiten Gebrauch machen. Sie wissen, daß von ihrem Leistungswillen, von ihrem Leistungsvermögen, das Wachstum, der Leistungsstand und die Leistungskraft unserer Wirtschaft auch in den kommenden Jahrzehnten abhängig sind.Da in der bildungspolitischen Diskussion das Schwergewicht meist auf die Hochschul- und auf die sonstige Schulbidung gelegt wird, legen wir Wert darauf, mit der Verabschiedung dieses Gesetzes herauszustellen, daß die Bedeutung der beruflichen Bildung mindestens gleichrangig ist.Wir begrüßen es, daß in dieses Gesetz auch die Förderung des Fernunterrichts einbezogen worden ist. Mit dem Fernunterricht ist eine hervorragende Möglichkeit gegeben, Begabungsreserven zu mobilisieren. Auf der anderen Seite gibt der Fernunterricht aber auch gerade den in abseits vom Verkehr gelegenen, wirtschaftlich schwächer strukturierten Gebieten Wohnenden die Möglichkeit, sich zusätzliches oder auch neues berufliches Wissen, Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen. Wir haben allerdings die Einrichtung eines Beirats für berufliche Bildung für notwendig gehalten. Er hat die Aufgabe, sich auf Aufforderung der Bundesanstalt gutachtlich darüber zu äußern, ob für bestimmte Fernunterrichtslehrgänge die Voraussetzungen dafür gegeben sind, daß man sie fördern kann. Wir glauben, daß dies notwendig ist, damit die Bildungswilligen vor Schaden bewahrt werden. 'Die Bestimmung wird sicherlich auch von den seriösen, bewährten Fernlehrinstituten, die bisher gute Leistungen vollbracht haben, begrüßt werden.Frau Kollegin Rudoll hat bereits darauf hingewiesen, daß es uns im Ausschuß ein besonderes Anliegen war, den arbeitsuchenden Frauen den Eintritt oder Wiedereintritt in das Berufsleben zu erleichtern. Daß hier verstärkte Bildungsbemühungen erforderlich sind, ist jedem Kenner der Materie klar. Mit dem vorliegenden Gesetz sind nun genügend Möglichkeiten gegeben. Es wird die Aufgabe der mit der Durchführung betrauten Bundesanstalt und ihres Unterbaues sein, durch verstärkte Aufklärung gerade bei jungen Mädchen und auch bei den Eltern der in das Berufsleben Eintretenden das Interesse an der beruflichen Bildung der Frauen zu heben. Durch den Einsatz der modernen Publikationsmittel und durch Zusammenarbeit mit den Massenmedien sind hier noch sehr viele Möglichkeiten gegeben, Vorurteile gegen technische Berufe abzubauen und den Frauen neue Berufe nahezubringen.Bei der institutionellen Förderung, also der Förderung von Einrichtungen, die sich mit der beruflichen Bildung, sei es der Ausbildung, der Fortbildung oder der Umschulung, befassen, legen wir Wert darauf, daß diese in erster Linie von den bewährten und
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Zieglererfahrenen bisherigen Trägern der beruflichen Bildung ausgeübt wird und daß die Förderung in erster Linie diesen Trägern zuteil wird. Sie haben bisher vielfach bahnbrechende Arbeit geleistet und Erfahrungen gesammelt, die es auch bei dem weiteren Ausbau dieser Einrichtungen zu nutzen gilt. Ich benutze die Gelegenheit, an dieser Stelle den bewährten Trägern dieser Einrichtungen, die vielfach Pionierarbeit geleistet haben, den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern, den Gewerkschaften, aber auch den Wohlfahrtsverbänden, ausdrücklich Dank zu sagen. Die gemachten Erfahrungen werden uns jetzt auf jeden Fall zugute kommen.Ein ganz kurzes Wort noch zu den Bemerkungen des Kollegen Liehr zum Bildungsurlaub. Ich glaube, es hat wenig Sinn, die ausführlichen Beratungen, die wir gerade diesem Punkt im Ausschuß haben angedeihen lassen, hier zu wiederholen. Ich darf auf den Schriftlichen Bericht verweisen. Im Anliegen waren wir mit Ihnen, Herr Kollege Liehr, durchaus einig; das Anliegen ist von uns so ernst gesehen worden wie auch von Ihnen. Weshalb wir uns nicht dazu entschließen konnten, hier eine gesetzliche Regelung vorzunehmen, ist Ihnen klar. Sie wissen, daß es systematische Gründe gewesen sind. Wir waren der Auffassung, daß es sich hier in erster Linie um privatrechtliche Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern handelt, die in diesem Gesetz nicht geregelt werden können.
— Das wissen wir, daß Sie diese Auffassung nicht teilen. Ich muß es trotzdem noch einmal herausstellen. Sie wissen auch, daß die Materie sehr schwierig ist, daß hier noch wichtige Vorfragen zu klären sind und daß bei der Regelung des Problems die staatsbürgerliche Bildung nicht außer acht gelassen werden kann. Wir haben deshalb — das ist Ihnen bekannt — in § 233 festgelegt, daß die Bundesregierung über die weiteren Erfahrungen, die sie noch bis Ende 1972 macht, berichten soll. Wir werden das dann bei einer endgültigen Regelung auf jeden Fall berücksichtigen.
Ich stelle gleichzeitig mit dem § 34 a, über den soeben gesprochen worden ist, die §§ 34 b und 34 c und die weiteren Paragraphen bis einschließlich 56 zur Abstimmung. Wer ihnen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Paragraphen sind einstimmig angenommen.
Ich rufe den § 57 auf. Dazu hat das Wort der Abgeordnete Burger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst den Änderungsantrag auf Umdruck 660 zu begründen.Die Fraktionen der SPD und der CDU/CSU schlagen Ihnen erstens vor, den § 57 c dahin zu ändern, daß sich das Unterhaltsgeld für Behinderte, die bisher nicht beruflich tätig waren oder nur ein geringes Arbeitsentgelt bezogen haben, nach den Bestimmungen des § 101 Abs. 7 bemißt. Das heißt, das tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt ist jetzt das Maß für die Bemessung des Unterhaltsgeldes.Die zweite Änderung betrifft den § 57 g Abs. 2. Wir schlagen vor, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, soweit es sich um Bundesbehörden oder um Anstalten, die der Aufsicht des Bundes unterstehen, handelt, und die zuständigen obersten Landesbehörden für die entsprechenden Anstalten, die der Aufsicht einer Landesbehörde unterstehen, für die Einholung von Auskünften zuständig sein sollen.Wir empfehlen die Annahme dieser neuen Fassungen.Erlauben Sie mir nun einige Ausführungen zum Sechsten Unterabschnitt über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter, die berufliche Rehabilitation.Der Millionenzahl der Behinderten — jeder von uns kann es durch Arbeitsunfall, Verkehrsunfall oder Krankheit morgen sein — wirksam zu helfen, ist ein besonderes Problem. Die Behinderten müssen zu ihrem eigenen Wohl und dem Wohl ihrer Familie, aber auch im Interesse der Allgemeinheit in das Berufsleben eingegliedert werden. Beim Rehabilitationskongreß im Juni 1968 in Heidelberg führte Professor Schettler folgendes aus — Herr Präsident, ich bitte um Ihre Genehmigung zum Zitat —:Vor zehn Jahren herrschte noch die Auffassung, daß es zwei Phasen der Rehabilitation gebe. Die berufliche sollte sich der abgeschlossenen medizinischen Phase anschließen. Diese These ist heute nicht mehr haltbar. Unter Rehabilitation verstehen wir die Eingliederung oder Wiedereingliederung Behinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft. Sie ist ein integrierter Vorgang und soll daher auch ein ungeteilter Begriff sein. Sie erstreckt sich auf den ganzen Menschen. Sie wird daher sinngerecht als umfassende Rehabilitation bezeichnet.Medizinische und berufliche Maßnahmen ergänzen und fördern einander. Die Hilfen des Arztes drohen wirkungslos zu bleiben, wenn der Patient die Anpassung an den beruflichen und sozialen Lebensbereich verfehlt. Rehabilitation braucht sich heute nicht mehr damit zu begnügen, den Behinderten um jeden Preis einen Dauerarbeitsplatz zu erschließen. Krankheit und Körperbehinderung können mit Hilfe moderner Rehabilitation zum Ausgangspunkt beruflichen und sozialen Aufstiegs werden. Die erlebte Wirtschaftsrezession hat gelehrt, daß der sogenannte soziale Arbeitsplatz den Forderungen der Wirtschaftlichkeit und Rationalisierung nicht standhält. Der Behinderte und Gesundheitsgeschädigte kann in einer vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaft seinen Arbeitsplatz nur halten und bewahren, wenn er durch qualifizierte Anpassung und Umschulungsmaßnahmen auf diesen Arbeitsplatz vorbereitet worden ist.Man beklagt oft den Fluch der arbeitsteiligenspezialisierten Technik. Im Bereich der Rehabi-
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Burgerlitation erweist er sich als Segen. Sie schafft zahlreiche neue Berufsräume und Beschäftigungsmöglichkeiten, die auch den Behinderten ein weites Feld beruflicher Betätigung eröffnen.Soweit Professor Schettler.Es galt nun, meine Damen und Herren, diese neu gewonnenen Erkenntnisse in dem Entwurf des Arbeitsförderungsgesetzes zu verwerten. Daher wurde vom federführenden Ausschuß für Arbeit ein Gutachten bei der Kommission für Fragen der Rehabilitation im Kriegsfolgenausschuß angefordert. Auf der Grundlage dieser Ausarbeitung hat ein gemeinsamer Unterausschuß unter der Führung des Abgeordneten Franzen, bestehend aus den Abgeordneten des Sozialpolitischen, des Arbeits- und des Kriegsfolgenausschusses, diese gutachtliche Äußerung wesentlich ausgearbeitet, erweitert und sie in einem besonderen Unterabschnitt des Arbeitsförderungsgesetzes als eine sehr moderne Lösung der anstehenden Probleme heute dem Hohen Hause vorgelegt.Die Vorschrift des § 57 a2 enthält den Auftrag für die Bundesanstalt, bei ihren Maßnahmen die besonderen Verhältnisse der Behinderten zu berücksichtigen. Wir erwarten von der Bundesanstalt, daß sie mit ihrer Offentlichkeitsarbeit die Behinderten auf ihre Möglichkeiten hinweist und sie über die Hilfsmöglichkeiten im Rahmen der bestehenden Gesetze informiert, um den Eintritt der Berufsunfähigkeit zu verhindern.In § 57 b wird die Bundesanstalt aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um eine Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern oder herzustellen. Die Anstalt muß diese Maßnahmen selber treffen. Ist sie nicht zuständig, muß sie sie dem Träger vorschlagen. Unter den Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung im Sinne dieses Gesetzes verstehen wir allerdings lediglich Umschulung, Fortbildung und Ausbildung.Ein Kernbereich sind die Vorschriften des § 57 d. Sie beinhalten eine wesentliche Verbesserung. Die Vorschriften enthalten die Verpflichtung, daß die Bundesanstalt mit den zuständigen Trägern zusammenarbeitet, und die Pflicht der Träger, die Bundesanstalt zu beteiligen; dazu heißt es: „bevor" — der Flüssigkeit des Verfahrens wegen hätte man vielleicht besser „sobald" formulieren sollen — „sie eine Maßnahme der Arbeits- und Berufsförderung einleiten". Die Bundesanstalt wird weiter verpflichtet, die Behinderten möglichst frühzeitig zu beraten, bei einem Aufenthalt in einem Krankenhaus schon am Krankenbett. Dort soll im Einvernehmen mit dem Arzt und möglichst auch mit dem Kostenträger ein Rehabilitationsplan aufgestellt werden, und nach diesem Rehabilitationsplan soll dann die Eingliederung des Behinderten nahtlos erfolgen. Es ist leider so, daß die Kranken über die Möglichkeit der Rehabilitationsmaßnahmen zur Zeit nicht genügend informiert sind.Vielfach werden sie bei schweren Erkrankungen oder Verletzungen von der Krankenkasse aufgefordert, einen Rentenantrag zu stellen. Abgesehen von Arbeitsunfällen, die jeweils der betreffenden Berufsgenossenschaft gemeldet werden und daher dem Versicherungsträger bekannt sind, weiß in der Regel der Träger der Rentenversicherung von der Behinderung oder Erkrankung nichts. Wird dann der Rentenantrag abgelehnt, kommt es zu einem oft jahrelangen Streit vor dem Sozialgericht, wobei es passiert, daß Gutachteraufträge monatelang nicht erledigt werden.Im Rahmen eines zwischen den beteiligten Stellen abgestimmten Gesamtplans sollen also die Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung ohne Verzögerung nach den medizinischen Maßnahmen ineinandergreifen und zu einer dauerhaften Eingliederung des Behinderten führen. Die Bundesanstalt, die sich mit ihren Arbeitsämtern und dem dort bereits vorhandenen Fachpersonal hierfür geradezu anbietet, wird zu einer jedermann zugänglichen allgemeinen Beratungsstelle, an die sich nun jeder Behinderte wenden kann.Es kommt hierbei auf eine konstruktive Zusammenarbeit der Versicherungsträger an. Hierbei muß einmal gesagt werden, daß bisher in der Rehabilitation Beachtliches geleistet wurde. Das gilt einmal für die Berufsgenossenschaften, die die Wiedereingliederung immer vorrangig behandelt haben. Das gilt aber auch für die Rentenversicherung. Bei der Letzteren sollte allerdings der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente" gesetzlich verankert werden.Diese Bestimmungen beinhalten das Ziel einer engeren Zusammenarbeit der Beteiligten an der umfassenden Rehabilitation. Sie bedeuten keinen Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Träger; ebenso wenig wird eine Änderung der Kostenlast bewirkt.Nun noch einige Bemerkungen zu § 57 g. Er beauftragt den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, darauf hinzuwirken, daß die Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung Behinderter aufeinander abgestimmt werden. Die Koordinierung soll und kann nur durch Beratungen, Empfehlungen und Vorschläge eine Abstimmung der Versicherungsträger herbeiführen. Zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle könnten z. B. gehören die Beratung bei der Schaffung und dem Ausbau von Rehabilitationseinrichtungen, der Klärung der Bedarfs- und Standortfragen von Einrichtungen, die Entwicklung moderner Ausbildungsmethoden und Ausbildungsziele für 'erwachsene Behinderte, die Schaffung einer einheitlichen Statistik — dies ist besonders wichtig —, Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrens u. a. Dies ist eine etwas schwierige Frage, und es wird sehr viel von der Persönlichkeit und der umfassenden Erfahrung des Koordinators abhängen.Lassen Sie mich noch darauf hinweisen, daß die Träger der Rehabilitation am 6. Februar eine Arbeitsgemeinschaft gegründet haben. Wir begrüßen die Bestrebungen der Träger, ihre Maßnahmen auf dem Gebiet der Rehabilitation zu koordinieren und dafür eine Arbeitsgemeinschaft zu schaffen. Wir versprechen uns davon eine Erleichterung der dem Bundesminister für Arbeit aufgetragenen Koordinierungstätigkeit, weil er dadurch einen zentralen, kompetenten Gesprächspartner erhält.
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BurgerAbschließend sei noch einmal festgestellt, daß das soziale Werk der Rehabilitation für den Einzelnen und für die Gesellschaft von unschätzbarem Wert ist. Die Behinderten wünschen kein Mitleid, sondern die Chance, arbeiten zu können, um ihrem Leben Würde zu verleihen und das Gefühl der Nutzlosigkeit zu überwinden.Aber auch die volkswirtschaftliche Bedeutung ist eminent. Direktor Boll, der Leiter des Berufsförderungswerks Heidelberg, auf dessen hervorragende Arbeit besonders hinzuweisen ist, ist davon überzeugt, daß 75 % der Behinderten beruflich eingegliedert werden können. Nach dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente" können Milliardenbeträge eingespart werden. Die durchschnittlichen Kosten für die berufliche Umschulung eines 32jährigen verheirateten Behinderten belaufen sich auf 8000 DM. Dieser Betrag erspart etwa 83 000 DM an Rentenleistungen und erbringt einen Beitrag des Eingegliederten zum Bruttosozialprodukt von 384 000 DM. Diese Zahlen sprechen für sich. Überzeugender kann nicht demonstriert werden, welch unschätzbarer sozialer Wert einer sachgerechten Rehabilitation zukommt. Ich freue mich besonders, daß der Herr Bundesarbeitsminister Katzer sich der Rehabilitation so annimmt und sie zu einem Schwerpunkt in der Arbeit seines Hauses gemacht hat.Vielleicht gelingt es auch, die aufgespalteten Zuständigkeiten in den Ministerien für Arbeit, des Innern und der Gesundheit und schließlich auch die aufgespaltenen Zuständigkeiten in unseren eigenen Ausschüssen im Bundeshaus zu koordinieren. Im Interesse und zum Wohle der Behinderten wäre auch hier eine Koordination notwendig, denn die Arbeiten in der Rehabilitation sind keineswegs abgeschlossen, sondern werden uns in Zukunft zunehmend beschäftigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
der Rückgang der Zahl der Frühinvaliden durch optimale Entfaltung der Rehabilitationsleistungen um eine halbe Million in den nächsten zehn Jahren.
Meine Damen und Herren, ich denke, wir können über den Umdruck 660 insgesamt abstimmen, da die beiden Ziffern dieses Umdrucks § 57 c und § 57 g betreffen. Einverstanden? — Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 660 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Es ist so beschlossen.
Jetzt stimmen wir über die §§ 57, 57 a1 und 57 a2 und 57 b bis 57 g ab. Wer diesen Paragraphen mit den soeben beschlossenen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Rede des Herrn Abgeordneten Burger zum Anlaß nehmen, auf einen Punkt hinzuweisen, der den Präsidenten jeweils eine gewisse Heiterkeit bereitet, weil sie dabei eine durchaus passive Rolle spielen. Unsere Abgeordneten haben es sich angewöhnt, die Präsidenten um Erlaubnis zu bitten, wenn sie zitieren wollen. Das geht aber meistens so schnell, daß der Präsident gar keine Gelegenheit hat, diese Erlaubnis zu erteilen. Es ist also eine reine Formel, die wir uns angewöhnt haben, und ich glaube, auf diese Formel könnten wir verzichten.
Also zitieren Sie ruhig darauf los, mit einer Ausnahme: Wenn es einem der Herrn Abgeordneten —von den Damen rede ich gar nicht — einfallen sollte, ein gewisses Zitat aus einem gewissen Schauspiel von Johann Wolfgang Goethe zu zitieren, so müßte ich schon darum bitten,
daß Sie für das Zitat um Erlaubnis bitten, denn daraus könnten sich möglicherweise Folgerungen ergeben, die der Präsident zu ziehen hätte.
— Ich staune, daß die Herren Abgeordneten etwas lange gebraucht haben.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die §§ 58 bis 67. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer diesen Paragraphen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Paragraphen sind einstimmig angenommen.
Zu § 68 liegen mehrere Änderungsanträge vor, und zwar auf den Umdrucken 658 und 663.
Zunächst hat der Abgeordnete Weimer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Änderungsantrag zu § 68 auf Umdruck 658 *) ist folgendes zu sagen. Der Umdruck 658 ist das Ergebnis einer Initiative der Abgeordneten, die Sie aus dem vorhin zurückgezogenen Umdruck 659 ersehen konnten.
Mit diesem Antrag wird begehrt, sicherzustellen, daß der Kreis der Betriebe und ihrer Arbeitnehmer, die bisher von der Schlechtwettergeldregelung erfaßt waren, auch weiterhin von dieser Regelung erfaßt bleibt. Nichts anderes ist der Sinn dieses Änderungsantrages. Wir haben uns im Ausschuß für Arbeit bemüht, allen Bestrebungen, etwaige Ausweitungen zu dulden, entgegenzutreten. Aber als wir die Änderung der Regierungsvorlage beschlossen haben, übersahen wir nicht, welche Auswirkungen die aus dem Umdruck 658 ersichtlichen Worte haben würden. Ich bitte Sie daher, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
— „663" wird mir zugerufen. Ich habe hier den Antrag Umdruck 658 zu vertreten.
Zu dem Antrag Umdruck 663 **) hat der Abgeordnete Wurbs das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt der Änderungsantrag Umdruck 658*) Siehe Anlage 4 **) Siehe Anlage 7
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Wurbsvor, und ich darf Ihnen noch den Änderungsantrag Umdruck 663 vorlegen. In diesem Antrag bitte ich, die Worte „am Bau" bzw. „an Baustellen" zu streichen, da der Kreis der dem Baugewerbe Angehörigen durch diese Worte eingeschränkt wird. Es kann ja der Fall eintreten, daß in der Winterperiode Fertigteile an einem zentralen Ort gefertigt werden, und zwar nicht ausschließlich von einem Fertigbauhersteller, sondern von einem Betrieb, der an dem betreffenden Bauvorhaben beteiligt ist. Er kann, wenn die Winterperiode einsetzt, diese Fertigbauelemente nicht auf Lager legen, muß also seine Produktion einstellen. Auf diese Beschäftigten würden die Bestimmungen nicht zutreffen. Ich bitte also, den Änderungsantrag Umdruck 663 in der Form, wie ich ihn gestellt habe, anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf namens der FDP-Fraktion nur erklären, daß sie dem Antrag 658 beitritt. Es hat heute früh bei den Unterschriften eine Panne gegeben; wir haben nicht mehr erfahren, daß die CDU- und die SPD-Fraktion den Antrag als Fraktion unterschreiben. Ich bitte, das hier nur feststellen zu dürfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Behrendt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe geglaubt, ich würde zu diesem Antrag nicht mehr sprechen müssen, aber nachdem er hier wider Erwarten aufrechterhalten wird, muß ich folgendes sagen.
Heute morgen wurde ich gebeten, den Antrag Umdruck 658 zu unterschreiben. Ich muß Ihnen ehrlich sagen — und Kollege Weimer weiß das —, daß ich diesen Antrag schon mit erheblichen Bedenken unterschrieben habe. Wir haben seinerzeit — ich war dabei —, als wir die Winterbauförderung in das Gesetz hineinbrachten, sehr darum gerungen, sowohl aus volkswirtschaftlichen als auch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Winterbauförderung im Gesetz vorzusehen und entsprechende Anreize zu geben. Das aber durch Ausweitung der Tarifverträge auf immer weitere Gebiete auszudehnen, geht uns — das muß ich sagen, meine Damn und Herren — ganz entschieden zu weit. Das sind Versicherungsbeiträge, die in erster Linie dafür da sind, im Falle der Arbeitslosigkeit Arbeitslosengeld zahlen zu können oder, wie wir es jetzt mit dem Arbeitsförderungsgesetz vorhaben, Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung zu verhüten.
Ich muß Ihnen sagen: Der Antrag auf Umdruck 663 ist für mich unseriös und unzumutbar. Er muß ganz entschieden abgelehnt werden. Ich möchte das mit unmißverständlicher Deutlichkeit gegen den Antragsteller — gegen keinen anderen — sagen, weil der Antrag auf Umdruck 658 schon zu Auswirkungen führen kann, die voll zu übersehen ich im Augenblick nicht in der Lage bin, und da wir ja wissen, welche Schwierigkeiten bereits die jetzige Schlechtwettergeldregelung gebracht hat. Kollege Weimer, Sie wissen auch, welch kritische Bemerkungen es dazu gegeben hat und daß es nicht ganz einfach war, das hineinzubekommen. Entscheidend ist doch, was Sie hierbei wollen, daß nämlich auch die Unternehmer die Winterbauförderung endlich in dem Maße durchführen, wie wir das als Gesetzgeber wollen. Dazu scheint mir der Antrag 663 vollkommen ungeeignet zu sein, und ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag auf jeden Fall abzulehnen.
Meine Damen und Herren, die Sache ist sehr einfach. Der Antrag auf Umdruck 658 ist zweifellos weitergehend als der auf Umdruck 663. Wenn wir den Antrag auf 658 annehmen, ist der Antrag auf Umdruck 663 erledigt. Ist das Haus mit dieser Interpretation der beiden Anträge einverstanden? — Das scheint der Fall zu sein; dann werde ich so verfahren.
— Kopfschütteln zählt bei mir nicht.
Wir stimmen zunächst über den weitergehenden Antrag auf Umdruck 658 ab. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zwei Enthaltungen ist der Änderungsantrag auf Umdruck 658 angenommen. Damit erledigt sich der Antrag auf Umdruck 663.
Wir stimmen über den § 68 in der geänderten Fassung ab. Wer stimmt ihm zu? Ich bitte um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der § 68 ist angenommen.
Ich rufe die §§ 69 bis 88 auf. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe den § 89 a auf. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Frage der älteren Arbeitnehmer im Zusammenhang mit unserer Großen Anfrage zu diesem Thema und der von der Bundesregierung erteilten Antwort Stellung nehmen. Der CDU-Fraktion ging es bei dieser Großen Anfrage darum, einmal Klarheit zu bekommen, wie sich nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern wie sich auch der schnelle technische Fortschritt und der ständige Wandel in unserer Arbeitswelt gerade auf unsere älteren Arbeitnehmer auswirkt.Die Antwort der Bundesregierung liegt uns bereits seit einiger Zeit vor, und ich möchte von dieser Stelle ausdrücklich meinen herzlichen Dank für diese Antwort aussprechen. Sie gibt eine sehr gründliche Ubersicht über die Situation der älteren Arbeitnehmer, und sie enthält auch eine ganze Reihe sehr brauchbarer und guter Lösungsmöglichkeiten. Sicherlich sind inzwischen die Zahlen der Arbeitslosen gesunken, Gott sei Dank weiter gesunken, die der offenen Stellen gestiegen. Man könnte ver-
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Frau Schroeder
sucht sein, anzunehmen, daß sich in der augenblicklichen Lage auf dem Arbeitsmarkt — bei Vollbeschäftigung, ja sogar bei Arbeitskräftemangel — dieses Problem von selbst lösen würde. Die Antwort des Herrn Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf unsere Große Anfrage zeigt ebenso wie eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeit vom Dezember 1968 sehr deutlich, daß dies nicht so ist. Hier wird die Erfahrung erhärtet, daß ältere Arbeitnehmer gefährdeter sind, wenn durch konjunkturelle Schwankungen Arbeitslosigkeit auftritt, und daß gerade der technische Fortschritt für sie besondere Probleme mit sich bringt. Die zurückliegende Zeit der Rezession hat diese Erkenntnisse manchmal sehr bitter bestätigt.Diese Tatsachen machen es uns geradezu zur Pflicht, rechtzeitig, jetzt in einer wirtschaftlich guten Zeit Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Ich möchte einen Satz aus dem Bericht der Bundesanstalt für Arbeit, den ich soeben bereits erwähnt hatte, zitieren, in dem es heißt: „Die gegenwärtige Arbeitsmarktlage bietet sich geradezu an, durchgreifende Lösungen anzustreben."Wir müssen von der Feststellung ausgehen, daß der Schwerpunkt der Arbeitslosigkeit bei den Jahrgängen zwischen 55 und 65 liegt. Männer sind stärker betroffen als Frauen. Es ist auch nicht mehr nur eine Frage der älteren Angestellten, sondern entgegen früheren Zeiten stärker sogar eine Frage der älteren Arbeiter. Besonders groß ist der Anteil der Ungelernten und der Hilfskräfte, ja man könnte die Formel etwa aufstellen: Je weniger ausgebildet, je weniger auf dem laufenden gehalten, desto größer die Gefahr der Arbeitslosigkeit.Besonders gravierend scheint mir auch zu sein, daß die Zahlen sehr deutlich zeigen, daß ältere Menschen, wenn sie einmal den Arbeitsplatz verloren haben, außerordentlich schwer einen neuen finden. Im Jahre 1967, als die Zahl der Arbeitslosen den Höhepunkt erreicht hatte, hatten wir einen Anteil von 33,5 % der Jahrgänge zwischen 55 und 65 an der gesamten Zahl der Arbeitslosen. Wir haben heute einen Anteil von 58 %. Das heißt, daß bei den Menschen, die noch arbeitslos geblieben sind, der Anteil der älteren Menschen steigt. Die Wiedereingliederung ist eben so schwierig. Hier setzen die Schwierigkeiten sogar schon bel Menschen über 45 Jahren ein. Ich habe mir gerade in den letzten Tagen aus der Praxis der Arbeitsämter solche Fälle berichten lassen. Sie haben schon bei Menschen über 45 Jahren Schwierigkeiten, ihnen wieder geeignete Arbeitsplätze zu vermitteln.Lassen Sie mich vier Punkte nennen, die ich für besonders wichtig halte.Erstens. Alle Erfahrungen haben gezeigt, daß gute Ausbildung und rechtzeitige Anpassung und Fortbildung vor Arbeitslosigkeit schützen und den Arbeitsplatz sichern können. Mit Recht hat daher die Bundesregierung in einer gezielten Beschäftigungspolitik und vorrangig in solchen Maßnahmen den Schwerpunkt gesehen, die den Menschen in die Lage versetzen, auch in seinen späteren Berufsjahren eigenverantwortlich eine Anpassung an geänderteVerhältnisse in der Arbeitswelt zu ermöglichen; das sind eben rechtzeitige Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen.Das Gesetz, das wir heute nachmittag beraten und das wir verabschieden werden, wird in seiner Gesamtheit ganz besonders dem älteren Menschen zugute 'kommen. Voraussetzung ist allerdings, daß solche Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden. Man sollte gerade darauf achten, daß bei den Altersstufen zwischen 45 und 50 Anpassungsmaßnahmen und Fortbildungsmaßnahmen ergriffen werden, damit die Menschen in späteren Jahren die Sicherheit am Arbeitsplatz haben. In diesen Jahren darf man es nicht versäumen, sich seine Kenntnisse und seine Fertigkeiten zu ergänzen. Zum anderen ist es aber auch sehr wichtig, daß die Arbeitnehmer selbst von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Gerade die älteren muß man stärker als bisher ermutigen, die Vorteile dieses Gesetzes auszuschöpfen. Alle Erfahrungen haben gezeigt, daß der Mensch über 45 und über 50 noch nicht zu alt ist, um hinzuzulernen.Zweitens. Staat und Gesetzgeber allein können dieses Problem nicht meistern. Hier müssen alle an der Arbeitswelt interessierten gesellschaftlichen Kräfte mitarbeiten. Vor allem trifft die Betriebe selbst, die Arbeitgeber, auch die Tarifpartner, eine große Verantwortung. Auch der Herr Bundesminister für Arbeit hat in seiner Antwort auf unsere Große Anfrage die Bedeutung gerade der innerbetrieblichen Maßnahmen erwähnt. Ich teile seine Ansicht. Gerade die rechtzeitige Umsetzung innerhalb des gewohnten Betriebes ist natürlich für die betroffenen Menschen zunächst einmal das beste. Es müßte möglich sein, dort, wo es nun nicht so stark auf Wendigkeit, sondern mehr auf Erfahrung, auf Zuverlässigkeit ankommt, Arbeitsplätze mit älteren Arbeitnehmern zu besetzen und ihnen diese Arbeitsplätze auch vorzubehalten. Das würde manche Härten vermeiden. Manchmal geht es aber auch einfach darum, in unserer Öffentlichkeit Vorurteile zu überwinden.Ist es z. B. richtig, daß in den Zeitungen immer wieder Inserate mit Altersbegrenzungen erscheinen, so daß manchmal schon die über 40jährigen resignieren müssen, sich zu bewerben, selbst wenn sie selbst durchaus wissen, daß sie Fähigkeiten und Können haben. Ich freue mich, daß es in letzter Zeit gelungen ist, die Öffentlichkeit mit diesem Problem etwas mehr zu befassen. Wir haben den Appell des Herrn Arbeitsministers an die Betriebe und Arbeitgeber gehört, und ich meine, er sei auf einen fruchtbaren Boden gefallen.Das dritte ist: Es müssen zusätzliche gezielte Maßnahmen ergriffen werden. Das Arbeitsförderungsgesetz sieht diese zusätzlichen Maßnahmen vor. Wir finden in den §§ 49 und 57, die wir schon verabschiedet haben, das Instrument der Einarbeitungs-und Eingliederungshilfen, die den älteren Arbeitnehmern besonders zugute kommen werden. Der Ausschuß war aber der Meinung, daß es damit noch nicht genug sei, sondern daß weitere gezielte Förderungen gegeben werden müßten. Er hat in den jetzt anstehenden §§ 89 a bis c solche Förderungen für Betriebe vorgesehen, die, wenn es die Arbeits-
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Frau Schroeder
marktlage erfordert, ältere Arbeitnehmer zusätzlich einstellen und zusätzliche Arbeitsplätze für sie schaffen.Hier, meine ich, wäre ein ganz praktikabler Weg gefunden, um der Lösung dieses Problems näherzukommen. Wir wollen mit all diesen Maßnahmen die Barrieren durchbrechen, die der Wiedereinstellung älterer Arbeitsloser entgegenstehen. Sie sollen die Beschäftigung dieser Menschen auch für Betriebe interessant machen. Meine Fraktion ist mit der Bundesregierung der Auffassung, daß solche Anreize zur Einstellung ein sehr viel besserer Weg sind als der immer wieder genannte und vorgeschlagene Weg etwa der Beschäftigungsquoten, des Zwanges also, einen bestimmten Anteil älterer Arbeitnehmer einzustellen.Wir halten den jetzt beschrittenen Weg der Förderung auch für die Betroffenen für sehr viel besser und meinen, daß durch den Zwang unnötige Überprüfungen und Kontrollen nötig wären und daß hier der Verwaltungsaufwand in gar keinem Verhältnis zum Erfolg dieser Bemühungen stände. Dagegen halten wir den verbesserten Kündigungsschutz, wie wir ihn jetzt in dem jetzt vor uns liegenden Gesetz zur Bereinigung arbeitsrechtlicher Vorschriften haben, für richtig, um die Sicherheit zu erhöhen; ebenso wie die Möglichkeiten, die bezüglich der Abfindung und Lohnausgleichszahlung angesprochen sind.Viertens und letztens scheint es mir wichtig zu sein, die Forschung auf diesem Gebiet zu verstärken, zu intensivieren. Die Fragen, welche Arbeitsplätze und welche Arbeitsbedingungen unseren älteren Arbeitnehmern helfen können, ihren Platz in der modernen Arbeitswelt noch voll auszufüllen, welche besonderen Methoden auch der Anpassung, der Umschulung und der Fortbildung für sie als ältere Menschen notwendig sind, müssen möglichst intensiv erforscht werden. Auch die neuen Versuche wie etwa die Schaffung besonderer Werkstätten für ältere Arbeitnehmer sollten intensiv gefördert werden.Bei all dem geht es uns darum, daß der technische Fortschritt unseren älteren Mitbürgern nicht Sorgen und nicht Unsicherheit bringen soll, sondern Nutzen. Wir sehen dieses ganze Problem zunächst einmal als ein menschliches an. Es muß in einer gut funktionierenden Wirtschaft möglich sein, daß auch den Menschen im letzten Jahrzehnt ihres Arbeitslebens die volle Möglichkeit gegeben wird, für sich selbst zu sorgen und ihre Erfahrungen und ihr Können voll zum Tragen zu bringen. Es darf für sie keine Zäsur geben. Sie müssen ihrer Arbeitsplätze sicher sein. Es ist selbstverständlich auch ein wirtschaftliches Problem. Deswegen sind alle Mittel, die wir hier zur Förderung einsetzen, gut angewandte Mittel; denn unsere Volkswirtschaft könnte es sich gar nicht leisten, auf den richtigen Einsatz erfahrener und meist besonders zuverlässiger Arbeitskräfte zu verzichten.Wir stellen mit großer Befriedigung fest, daß die Bundesregierung diesem Problem große Bedeutung zumißt. Ebenfalls stellen wir mit Befriedigung fest, daß das Arbeitsförderungsgesetz brauchbare und konkrete Lösungen für dieses Problem anbietet.
Das Wort hat der Abgeordnete Wolf.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es muß uns nachdenklich stimmen, wenn wir feststellen müssen, daß es eine große Gruppe von Arbeitnehmern, Männern und Frauen, gibt, die vor Erreichen ihres Rentenalters schon zum sogenannten alten Eisen gehören. Nach den uns vorliegenden Erhebungen der Bundesanstalt gab es Ende September 1968 103 000 arbeitslose Männer und Frauen im Alter zwischen 45 und 65 Jahren. Das sind 61,8% der Arbeitslosen. Unsere Sorge hinsichtlich der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer gilt jedoch in erster Linie den Männern und Frauen zwischen 45 und 60 Jahren und manchmal sogar, in gewissen Fällen, nur denen zwischen 45 und 55 Jahren. Ich will hier die Arbeitnehmer nicht ansprechen, die für das vorgezogene Altersruhegeld oder für die Knappschaftsleistungen anspruchsberechtigt sind. Dieses Problem möchte ich im Moment nicht behandeln.Zur Verdeutlichung der Anzahl der Personen, die infolge ihres Alters Schwierigkeiten bei der Suche eines neuen Arbeitsplatzes haben, wäre es sicherlich besser gewesen, wenn die Statistiken die Altersgrenze vom 60. Lebensjahr an ausgewiesen hätten. Das soll zunächst eine Anmerkung für zukünftige Erhebungen sein.Im Herbst 1968 gab es 14 000 arbeitsuchende Männer im Alter vom 45. bis zum 55. Lebensjahr und 68 000 arbeitsuchende im Alter vom 55. bis zum 65. Lebensjahr. Bei den Frauen waren es im Alter vom 45. bis zum 55. Lebensjahr 10 000 arbeitsuchende, und 12 000 arbeitsuchende Frauen standen im Alter vom 55. bis zum 65. Lebensjahr. Betrachtet man die Zahl der männlichen Arbeitslosen über 45 Jahren nach ihren Berufsgruppen, so ergibt sich nach einer Erhebung im Frühjahr 1968, daß die im Bergbau beschäftigten Arbeitnehmer mit der Berufsgruppe der Wächter die Spitze der Tabelle anführen; daß aber dicht darauf die Berufsgruppen der Büroangestellten und Buchhalter folgen.Meine Damen und Herren, hinter diesen Zahlen stehen Einzelschicksale, Verminderung des Einkommens und damit verbunden die Schmälerung der zu erwartenden Rente. Aber was mir eigentlich noch viel schlimmer erscheint, ist die aufkommende Resignation der Betroffenen, nicht mehr als vollwertige Arbeitskräfte angesehen zu werden. In unserer Zeit der wirtschaftlichen Hochkonjunktur häufen sich die Meldungen über gewisse Schwierigkeiten bei der Einstellung älterer Arbeitnehmer. Obwohl uns die Kochkonjunktur in zunehmendem Maße offene Stellen beschert, die von den arbeitsuchenden älteren Arbeitnehmern zum Teil ausgefüllt werden könnten, ist die Öffentlichkeit eben über den Widerspruch solchen Verhaltens beunruhigt. Untersuchungen der Illustrierten und des
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12920 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
WolfFernsehens haben sich dieses Problemkreises angenommen. Es ist Zeit, daß auch hier die Politiker einmal prüfen, wie umfangreich dieses Problem ist und was wir tun müssen und können, um den älteren Arbeitnehmern Vertrauen auf ihre existenzielle und soziale Sicherheit zu erhalten.Es gab bereits im Jahre 1958/59 Untersuchungen einer Kommission der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, die allerdings wegen der anhaltend guten Konjunktur die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer nicht als besonderes Problem haben erscheinen lassen. Damals hat die Bundesregierung den Empfehlungen dieser Kommission keine Aufmerksamkeit geschenkt, teils weil sie nicht viel von Planungen hielt, teils aber auch aus Gründen einer guten Beschäftigungslage. Wir sind froh, daß wir über diese Zeit, in der man nicht viel von Planung hielt, hinaus sind. Es wird uns auch zukünftig die gute Beschäftigungslage nicht davon abhalten können, uns diesem Problem mit vollem Ernst zuzuwenden.Wir müssen zunächst feststellen, daß auch nach Wiederbelebung der Konjunktur durch die Maßnahmen der Regierung der Großen Koalition die älteren Arbeitnehmer in der Zahl der vorhandenen Arbeitslosen überproportional vertreten sind. Von der Gesamtzahl der Arbeitslosen waren Ende September 1968, wie schon gesagt, 61,8 % über 45 Jahre. Bei den Männern betrug der Anteil der Arbeitslosen im Alter von 45 Jahren und darüber an der Gesamtzahl der Arbeitslosen sogar 73,6 %, während der entsprechende Anteil bei den Frauen 38,2 % ausmachte. Noch mehr aufgeschlüsselt, liegt das Schwergewicht der Arbeitslosigkeit älterer Männer in den Altersgruppen der 55- bis 65jährigen.Meine Damen und Herren, ich bin mir darüber klar, daß sich auch aus diesen Zahlen zunächst nicht mehr als der erste Anschein dafür ergibt, daß das Alter für die Arbeitslosigkeit entscheidend sein könnte. Tatsächlich ergibt sich aus vielen Briefen, die meine Fraktion zu diesem Problem bekommen hat, aber auch aus den Befragungen der älteren Arbeitslosen, daß man sie wegen ihres Alters ablehnte, ohne dies mit Krankheiten oder fehlenden Qualifikationen begründen zu können. Die Antwort des Herrn Bundesarbeitsministers auf die Große Anfrage seiner Fraktion besagt leider nichts darüber, wie groß der Anteil der kranken und der infolge mangelnder Qualifikation nicht zum Zuge gekommenen Arbeitnehmer in diesen Personengruppen ist. Bei den weiteren Erhebungen zu diesem Thema wäre zu prüfen, wie hoch der Anteil des Personenkreises der älteren Arbeitslosen unter den längerfristig Arbeitslosen ist.Aus den Befragungen, die das Fernsehen in seiner Sendung am 26. Februar 1969 „Zum alten Eisen?" gezeigt hat, ergab sich, daß sich die Entlassenen weder besonders krank noch geistig den Jüngeren gegenüber unterlegen fühlten, daß ihnen aber trotzdem eine gleiche Leistungsfähigkeit abgesprochen wurde. Hier stellte sich die Frage: Wird höheres Lebensalter derzeit und in der Zukunft anders beurteilt als in der vergangenen Zeit? Meine weitereFrage: Inwieweit gewinnt die Auffassung des englischen Soziologen Lee Praxis, der alle Männer mit 55 Jahren pensioniert wissen möchte?Unter den älteren Arbeitslosen sind nicht nur die körperlich arbeitenden Berufe, sondern auch die geistig arbeitenden in beinahe gleicher Stärke vorzufinden. Hier stellt sich die Frage: Sollte die Abgeklärtheit und die Lebenserfahrung des älteren Menschen heutzutage nicht mehr gelten und nicht mehr genutzt werden? Ich kann mir das nicht vorstellen. Würde ich dieses Phänomen auf uns zur Anwendung bringen, was verbliebe noch von uns, von uns Abgeordneten, von unseren Bundesministern, von unseren Wissenschaftlern, von unseren Ärzten? Man könnte diesen Katalog weiter fortsetzen. Psychologen haben in einer Untersuchung festgestellt, daß die geistige Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer bei körperlich Gesunden generell erhalten bleibt und nicht automatisch abnimmt.Meine Damen und Herren! Das uns hier beschäftigende Problem ist noch zum überwiegenden Teil eine Folge der uns im Jahre 1966 überkommenen Krise. Bei vielen Entlassungen und bei Stillegungen von Zechen wurden auch ältere Arbeitnehmer auf die Straße gesetzt, die inzwischen erkennen mußten, wie schwierig es ist, wieder eine neue Stellung zu finden. Im Zuge des technischen Fortschritts und der ständigen Veränderungen in der Wirtschaft werden wir uns auch in der Zukunft in verstärktem Maße ähnlichen Problemen gegenübersehen. Wir müssen diese Probleme rechtzeitig erkennen, und wir können das nur dann, wenn auch der Arbeitsmarkt nach der technischen Seite hin untersucht wird und wir einigermaßen über den Umfang von Rationalisierungen und anderen technischen Veränderungen unterrichtet sind und wir uns dadurch imstande sehen, rechtzeitige Anpassungsmaßnahmen in die Wege zu leiten.Wir freuen uns, daß es der Großen Koalition gelungen ist, mit der Schaffung des Arbeitsförderungsgesetzes ein Gesetzeswerk vorzulegen, mit dem in erster Linie Arbeitslosigkeit verhindert und der Mangel an Arbeitskräften vermieden werden soll. Auch die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und die berufliche Wiedereingliederung hat in diesem Gesetz eine besondere Berücksichtigung gefunden. Es sollen nämlich durch finanzielle Anreize die Unternehmer zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer angehalten werden. Das ist eine Methode, meine Damen und Herren, die zwar in Schweden mit gewissem Erfolg durchgeführt wird, die jedoch nicht ganz unbedenklich sein wird. Weitaus wesentlicher dürfte das Berufsausbildungsgesetz, dessen Entwurf im Ausschuß für Arbeit die zweite Lesung passiert hat, für die Lösung des Problems der Beschäftigung älterer Menschen sein, wenngleich ich dabei zugeben muß, daß uns diese Gesetzgebung, da sie leider nicht vor 50 Jahren zustande kam, nur bei der Lösung künftiger Probleme erfolgreich zur Seite stehen kann. Die nach diesem Gesetzentwurf — und mein Kollege Liehr sprach schon davon — vorgesehene, breit angelegte Berufsausbildung wird dem Bedürfnis der Fortbildung und, soweit es notwendig ist, auch der Umschulung förderlich sein.
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WolfMeine Damen und Herren! Ich glaube, daß das nach diesem Gesetz vorgesehene Berufsbildungsinstitut durchaus auch damit beauftragt werden sollte, Untersuchung und Erforschung von Methoden der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und ihrer Fortbildung und Umschulung vorzunehmen. Diese Debatte soll also dazu beitragen, die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zu durchleuchten und Lösungsvorschläge für seine Beseitigung aufzuzeigen.Gestatten Sie mir noch ein paar Fragen an die Bundesregierung: Reichen nach Ansicht der Bundesregierung die bestehenden Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer aus, um Arbeitsplatzsicherheit und Mobilität zu verbessern? Hier stellt sich eine weitere Frage: Auf welchen Sektoren bestehen besondere Engpässe? Was muß ferner getan werden, um den Arbeitgeber zu veranlassen, durch frühzeitige Umschulung älteren Arbeitnehmern die notwendigen Kenntnisse für einen anderen Arbeitsplatz in dem Betrieb zu vermitteln? Was muß ferner getan werden, um den Arbeitgeber zu veranlassen, durch frühzeitige Umschulungen älteren Arbeitnehmern die notwendigen Kenntnisse für einen anderen Arbeitsplatz in dem Betrieb zu vermitteln?Wieviel getan werden kann, um die Sorge der älteren Arbeitnehmer abzubauen, zeigt ein weiteres Feld. Ich darf daran erinnern, daß meine Fraktion Ende 1968 ein Neuregelungsgesetz zur Betriebsverfassung vorgelegt hat. Danach sollen die Aufgaben; des Betriebsrates vermehrt und die Rechte des Betriebsrates wesentlich verstärkt werden. Seine Mitbestimmungsrechte in sozialer und personeller Hinsicht sollen ihm eine Kontrolle darüber geben, daß körperlich gesunde ältere Menschen nicht allein wegen ihres Alters entlassen werden können.Viele Arbeitsplätze werden heute von jüngeren Menschen ausgefüllt, die viel richtiger von älteren Arbeitnehmern eingenommen würden. Planungen, rechtzeitige Überlegungen und nötigenfalls nachdrückliche Ermahnungen gegenüber den Führungskräften im Betrieb von seiten der Betriebsräte dürften in diesem Zusammenhang vielfach Wunder wirken.Wenn ich mich im Zusammenhang mit dem Problem der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer an unsere Betriebsräte wandte, dann tat ich es auch in der Erkenntnis, daß das uns beschäftigende Thema seinen Anstoß durch die Führungskräfte unserer Wirtschaft zu erhalten hat. Nach der Devise: „Es gibt keine schlechten Orchester, es gibt nur schlechte Dirigenten" muß von hier aus der wesentliche Beitrag zur Lösung dieses Problems kommen. Der Meister, der Abteilungsleiter, der Betriebsführer, oder wie sonst die Führungskräfte anzusprechen sind, müssen wissen, was jeder einzelne zu leisten vermag, wie alt jeder ist und wann es zweckmäßig ist, ihm den Übergang zu einer ihm angemessenen Beschäftigung zu ebnen. Die älteren Arbeitnehmer haben ihre Erfahrungen an die jüngeren weiterzugeben. Ihre Umsetzung im Betrieb dürfte vielfach produktiver sein und entspricht auch dem moralischen Anspruch der älteren Arbeitnehmer, die nicht den Preis für den technischen Fortschritt allein zahlen sollen. Das Problem ist sehr vielschichtig. Darum will ich auch die psychologischen Fragen ansprechen, die sich für ältere Arbeitnehmer im Betrieb ergeben. Wir müssen uns davon frei machen, daß die Bewertung unserer sozialen Stellung und unserer gesellschaftspolitischen Position allein von der Berufsbezeichnung, vom Titel und von der Zahl der Untergebenen her bestimmt wird. Auch die existentielle Sicherung, aber in erster Linie die persönliche Zufriedenstellung soll die Persönlichkeit bestimmen und kennzeichnen. Hier müssen, so meine ich, überkommene gesellschaftliche Auffassungen abgebaut werden. Das wird dazu beitragen, daß man sich in dieser Gesellschaft besser behaupten und zurechtfinden lernt.Weiter sind die Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zu verschärfen. Wir beabsichtigen, noch in dieser Legislaturperiode im Zusammenhang mit der Bereinigung arbeitsrechtlicher Vorschriften auch das Kündigungsgesetz zu novellieren. Bei dieser Beratung werden wir prüfen müssen, ob sich das Kündigungsschutzgesetz für Angestellte bewährt hat und ob wir nicht auch für Arbeiter eine entsprechende Regelung vorschlagen müssen. Im Hinblick auf die Höhe der Abfindungen bei Kündigung wurde bereits eine erhebliche Verbesserung vorgesehen.Ich bin mit Frau Schroeder der Auffassung, daß nicht nur gesetzgeberische Maßnahmen Einfluß auf die Sicherung der Arbeitsplätze älterer Arbeitnehmer haben. Im Gegenteil, mehr als der gesetzgeberische Zwang wirkt die freiwillige Vereinbarung, die zwischen den Tarifvertragsparteien zum Zuge kommen sollte. Hierbei wäre auch zu untersuchen, wie sich nach den Erfahrungen der Bundesregierung die zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Rationalisierungsschutzabkommen, in denen auch Schutzvorschriften für ältere Arbeitnehmer vereinbart wurden, ausgewirkt haben.Dem Problem der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer wird man nicht gerecht, wenn man die Augen davor verschließt, daß es tatsächlich viele Arbeitnehmer in der Bundesrepublik gibt, die nur mit großer Mühe ihre Beschäftigung bis zur Erreichung der Altersgrenze für das Altersruhegeld bewältigen. Allein die Leistungen, die der deutsche Arbeitnehmer nach dem letzten Weltkrieg vollbracht hat und die ihn mehr als in normalen Zeiten in Anspruch genommen, aber auch verschlissen haben, sind ein wichtiger Grund für eine vorzeitige Minderung der Leistungsfähigkeit. Schließlich — so darf man folgern — haben Krieg, Kriegsgefangenschaft und Hunger sowie persönliches Leid einen weiteren Beitrag dazu geleistet, daß vorzeitige Minderungen von Leistungsfähigkeit bei Arbeitnehmern auftraten. Man darf aber bei aller Kritik auch nicht das Tempo unserer Wirtschaft, unserer Lebensweise in der Nachkriegszeit, ja überhaupt das Tempo unserer modernen Zeit vergessen, das eben schneller als in Zeiten unserer Großväter die menschlichen Fähigkeiten abbaut und verschleißt.Wenn die Wirtschaftsunternehmen dieser Tatsache auch Rechnung tragen, so stellt sich doch die Frage: inwieweit haben sie gleichzeitig auch die betrieb-
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12922 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Wolfliche Altersversorgung auf die Mobilität älter werdender Arbeitnehmer abgestellt bzw. wann werden sie dazu übergehen, die betriebliche Altersversorgung mit den Notwendigkeiten der Mobilität ihrer Arbeitnehmer in Übereinstimmung zu bringen? Hier hat die Bundesregierung, so meine ich, ein 'besonderes Augenmerk walten zu lassen. Notfalls müssen Änderungen der 'betrieblichen Altersversorgung eingeleitet werden.Schließlich muß aber auch der Gesetzgeber selbst der gegenwärtigen Situation Rechnung tragen und nach Möglichkeiten suchen, um den Bezug von vorgezogenem Altersruhegeld zu erleichtern, noch besser aber die Altersgrenzen zum Bezug von Altersruhegeld variabel zu gestalten. Ich darf daran erinnern, daß die Sozialdemokraten in ihrem Programm der Volksversicherung ihre Vorstellungen dazu haben erkennen lassen. Jetzt wäre die Bundesregierung an der Reihe, zu überprüfen, wie langfristig die Altersgrenzen zum Bezug von Altersruhegeld sowohl auf Grund der finanziellen Entwicklung der Rentenversicherung als auch auf Grund der Bedürfnisse der Arbeitnehmer verändert werden müssen. — Ich spreche bewußt von „langfristig".Schließlich muß das Problem aber auch von der Seite der Infrastruktur unserer Wirtschaft betrachtet werden. Sicherlich besteht hier ein Zusammenhang zwischen dem Mangel an Arbeitsplätzen in bestimmten Gebieten und einer nicht ausreichenden Infrastruktur. Die Ansiedlung neuer Industrien und Gewerbeunternehmen wird sich nicht nur generell auf die Arbeitslosigkeit, sondern auch auf die Zahl der älteren Arbeitnehmer auswirken.Hierher gehört, meine ich, auch die Frage an die Bundesregierung, ob sie bereit ist, mit ihren strukturpolitischen Programmen stärker als bisher die besondere Arbeitsmarktlage in wirtschaftlich schwachen Gebieten zu berücksichtigen und eine Abstimmung aller bisher vorhandenen Pläne der Raumordnung, der Wirtschaftsförderungsbehörden mit anderen Programmen, z. B. Verkehrs-, Agrar-, Schulbau- und Wohnungsbauprogrammen, herzustellen.Eine weitere Frage: Sieht die Bundesregierung überhaupt Möglichkeiten, in strukturschwachen Gebieten das Dienstleistungsgewerbe im weitesten Sinne, z. B. Fremdenverkehr, Sanatorien, Heime, verstärkt zu fördern, und was ist auf diesem Gebiet bisher von der Bundesregierung unternommen worden?Aus Untersuchungen wissen wir, daß mit zunehmendem Alter die Bereitschaft fehlt, den gegenwärtigen Wohnort im Interesse einer Arbeitsaufnahme zu wechseln. Diesen mit steigendem Alter stärker werdenden Verwurzelungen würde nur mit der Verbesserung der Infrastruktur zu begegnen sein.Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß kommen. Die Sozialdemokraten stellen mit Genugtuung fest,' daß mit dem Arbeitsförderungsgesetz ein Instrument geschaffen wurde, um auch den älteren Arbeitnehmern die Möglichkeit zur stetigen beruflichen Anpassung zu geben. Denn es ist auf die Dauer volkswirtschaftlich nicht zu vertreten, daß durch Arbeitslosigkeit der älteren Arbeitnehmer deren wertvolle Berufserfahrungen ungenutzt bleiben und daß durch ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsprozeß ihre soziale Sicherheit gefährdet wird. Aber die Arbeitsplatzsicherung und die berufliche Wiedereingliederung dieses Personenkreises kann nicht nur — das sollten wir uns alle klarmachen — durch gesetzgeberische Maßnahmen erreicht werden, sondern hier sind alle aufgerufen, ihren guten Beitrag zu leisten: Gesetzgeber, Arbeitgeber, aber auch die Betroffenen.
Das Wort hat der Abgeordnete Geldner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nehme als Sprecher der Freien Demokraten nun zu § 89 a Stellung. Wir erkennen an, daß § 89 a zwar einen Fortschritt für die älteren Arbeitnehmer bringt, im Endeffekt sollte er aber ein Fortschritt für die älteren Menschen schlechthin sein. Deshalb sehe ich mich veranlaßt, hier einige Anmerkungen zu machen. Nachdem sich der Kollege Wolf ausführlich mit dem Problem befaßt hat, will ich versuchen, die Problematik etwas kürzer von unserer Sicht her anzusprechen.Je mehr wir uns zu einer Arbeitnehmergesellschaft entwickeln, desto mehr ältere Menschen — nicht nur ältere Arbeitnehmer, wie ich schon sagte — werden wir haben, und dieses Problem haben wir zu bewältigen. Hier werden die Konsequenzen aus dem Wandel unserer Wirtschaftsstruktur und damit insbesondere unserer Erwerbsstruktur in aller Deutlichkeit sichtbar.Die Arbeitsteiligkeit, die unseren Wirtschaftsprozeß bestimmt, orientiert sich an der allgemeinen durchschnittlichen Leistungsfähigkeit der in Frage kommenden Beschäftigten. Die tatsächliche oder vermutete Minderung der Leistungsfähigkeit wird so nicht nur ein ökonomisches, sondern vor allem ein menschliches Problem im letzten Drittel des Erwerbslebens. Wir müssen erkennen, daß es im Bereich der Selbständigen — lassen Sie mich auch diesen Bereich etwas ansprechen — wie auch in dem der freien Berufe ein großer Vorzug sein kann, wenn der ältere oder älter werdende -Mensch seine Mitarbeit nach seiner Leistungsfähigkeit gestalten kann. Wir sehen selbstverständlich die Probleme, die heute manchen Selbständigen weit über das 65. Lebensjahr hinaus zu einer Erwerbstätigkeit zwingen, weil eine entsprechende Alterssicherung in Form von geldwerten Ansprüchen oder Vermögenserträgnissen oder Vermögensverzehr nicht vorhanden ist. Dieses Problem muß man auch für die Zukunft eingehend überdenken. Wenn wir dabei von den Fällen ausgehen, in denen die selbständige Existenz auch eine Lebensgrundlage in der Zukunft bietet, dann ist festzustellen, daß sich die Probleme eines abrupten Ausscheidens nach Vollendung des 65. Lebensjahres oder einer Anpassung der Arbeit an die Arbeits- und Leistungsfähigkeit bei den Selbständigen und freien Berufen leichter und besser lösen lassen als bei den Arbeitnehmern.
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GeldnerGerade in diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, daß die Erhaltung möglichst vieler selbständiger Existenzen in erster Linie eine gesellschaftspolitische Frage und nicht eine Frage der Erhaltung einer privilegierten Schicht oder ein Problem des Sozialprestiges ist. Die Fragen der Strukturpolitik werden häufig einseitig aus dem Blickwinkel angeblicher Verbraucherinteressen oder außenpolitischer Interessen betrachtet; ich denke an die Frage der EWG und der deutschen Landwirtschaft, wie sie häufig dargestellt wird.Bei dieser vordergründigen Betrachtungsweise werden jedoch die Konsequenzen, die solch ein natürlicher oder politisch zwangsweise betriebener Prozeß des Strukturwandels mit sich bringt, oft nicht gesehen und nicht bedacht. Deshalb lassen Sie mich auch detailliert einiges zur Frage der elastischen Altersgrenze darlegen. Die mehr oder weniger starren Altersgrenzen, die nur in Sonderfällen — für weibliche Beschäftigte oder bei Erwerbs- und Berufsunfähigkeit — durchbrochen werden können, stellen ein großes Problem für uns alle dar. Wenn wir nicht zu einer elastischen Altersgrenze mit einer entsprechenden Differenzierung der Renten- und Pensionsansprüche kommen, werden die Probleme der Arbeitslosigkeit, der Flucht in die Berufsunfähigkeitsrente, der Überforderung in den letzten Jahren der Berufstätigkeit bei älteren Arbeitnehmern nicht gelöst werden können. Wir haben daher sehr bedauert, daß auf unsere Kleine Anfrage betr. elastische Altersgrenze — Drucksache V/3232 — nur allgemein und nicht konkret geantwortet worden ist, Herr Minister.Die Bundesregierung und die Koalition haben ferner, wie Sie wissen, durch das Finanzänderungsgesetz aus rein fiskalischen Gründen ein weiteres dazu getan, die Beschäftigung arbeitsfähiger und arbeitswilliger Altersrentenempfänger zu erschweren. Abgesehen davon, daß dies in sozial unschöner und unfairer Weise geschehen ist, muß gefragt werden, ob es sozialpolitisch weiterhin zu verantworten ist, daß für beschäftigte Rentner ein Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung gezahlt wird, ohne daß sich diese Beiträge auch nur mit einem Pfennig in Form einer Rentenerhöhung für den Betroffenen auswirken. Man sollte überlegen, ob nicht durch eine entsprechende Gesetzesänderung auf eine entsprechende Beitragsleistung für beschäftigte und arbeitswillige Rentner vernichtet werden sollte.Es ist zu fragen, ob die volle Anrechnung der Altersrente auf das Arbeitslosengeld nicht ebenfalls überprüft und geändert werden sollte. Diese Fragen müssen wir ernsthaft diskutieren. Diese rein fiskalischen Beschlüsse sind nach unserem Dafürhalten im Hinblick auf die Situation der älteren Arbeitnehmer unsozial.In der Stellungnahme der Bundesregierung wird über eine mangelnde Mobilitätsbereitschaft älterer Menschen und Arbeitnehmer geklagt. In dieser Hinsicht gilt es, die Mobilitätsfähigkeit oder -bereitschaft generell zu stärken. Die Schwierigkeiten, die sich heute bei den älteren Arbeitnehmern zeigen, werden sich künftig in verstärktem Maße auch für die heute noch in jüngeren Lebensjahren Stehenden ergeben.Als erstes ist zu fragen, ob und in welchem Maße mit Hilfe der Strukturpolitik die Mobilität in bezug auf den Arbeitsplatzwechsel ohne Berufswechsel teilweise überflüssig gemacht werden kann. Solange jedoch nicht durch regionale Strukturpolitik die Konzentration in Ballungsräumen gebremst wird, wird dieses Problem des Arbeitsplatzwechsels ohne Berufswechsel größer werden.Die Mobilität könnte durch steuerliche Maßnahmen gefördert werden. Das psychologische Problem einer Bindung an ein Eigenheim, eine Eigentumswohnung muß selbstverständlich erkannt werden. Wenn man von der Bindung an ein bestimmtes soziales oder gesellschaftliches Milieu, die nicht zu unterschätzen ist, absieht, stellt sich zunächst die Frage des Angebots eines neuen oder vergleichbaren Eigenheims oder einer Eigentumswohnung ohne zusätzliche Belastung. Ich denke hier z. B. an die Grunderwerbsteuer usw. In solchen Fällen sollte auf derartige Belastungen verzichtet werden.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf eine Entschließung des Deutschen Ärztetages in Hannover vom 12. Mai dieses Jahres hinweisen, in der auch die Frage der älteren Arbeitnehmer eingehend gewürdigt wird. Es heißt hier:Technischer Fortschritt und Strukturveränderungen in der Wirtschaft stellen immer höhere Anforderungen an das Anpassungsvermögen auch der älteren Arbeitnehmer, die oft aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, ohne Mithilfe ihrer Umwelt die damit verbundenen Schwierigkeiten allein zu meistern. Folgen sind Arbeitslosigkeit, vorzeitige Invalidität oder Einkommensverlust durch Beschäftigung in unterwertiger Arbeit. Deshalb ist es eine Aufgabe aller in der Wirtschafts- und Arbeitswelt Verantwortlichen, durch gezielte Maßnahmen und aktive Beschäftigungspolitik rechtzeitig für die Erhaltung der beruflichen Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer, für die Vermeidung sozialer Härten Sorge zu tragen.So weit die Entschließung des Deutschen Ärztetages.Darf ich hier etwas ansprechen, was für die älteren Arbeitnehmer ebenfalls von sehr großer Bedeutung sein wird. Im meine das Problem der Bruttolohnfortzahlung für erkrankte Arbeiter. Als letztes sei die verstaubte Ideologie erwähnt, die in der Forderung nach der sogenannten arbeitsrechtlichen Lösung der Bruttolohnfortzahlung der Arbeiter steckt. Die beabsichtigte Gestaltung der Bruttolohnfortzahlung wird die Lage älterer Arbeitnehmer nicht verbessern, sondern verschlechtern und verschlimmern.
— Das wird sich eindeutig zeigen, Herr Kollege. Siehaben ja schon erklärt — und es ist doch auch inder Debatte eindeutig zum Ausdruck gekommen —,
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Geldnerdaß das Arbeitsangebot für ältere Arbeitnehmer schon heute sehr schlecht ist.Ich werde in meinen Ausführungen noch auf die Krankheitsanfälligkeit zu sprechen kommen. Dann wird deutlich werden, daß es gerade in dieser Frage für die älteren Arbeitnehmer Schwierigkeiten geben wird. Es wird die zwangsläufige Konsequenz der Bruttolohnfortzahlung — abgesehen von den anderen negativen Erscheinungen — sein, daß gerade die mittleren Betriebe und die lohnintensiven Unternehmen neuen unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt sein werden, die mit Arbeitskosten zusammenhängen. Diese Risiken müßten vermieden werden. Aber die Betriebe werden trotzdem damit belastet werden. Ihre Bereitschaft, krankheitsanfällige, obwohl arbeitswillige und fleißige Arbeitskräfte zu beschäftigen, wird durch die Bruttolohnfortzahlung — Herr Kollege, hier komme ich auf diesen Punkt, auf die arbeitsrechtliche Lösung zu sprechen — zwangsläufig eingeschränkt. Das wird die Situation sein. Wir werden diese Erfahrungen ja in nächster Zeit nach Einführung der Bruttolohnfortzahlung machen können.
Gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Bitte, Herr Abgeordneter Behrendt!
Herr Kollege, betrachten Sie das Problem der älteren Arbeitnehmer als ein Problem der älteren kranken Arbeitnehmer?
Ich betrachte das Problem der älteren Arbeitnehmer nicht allein als ein Problem der älteren kranken Arbeitnehmer, aber ich habe soeben ausgeführt, daß es ja krankheitsanfällige ältere Arbeitnehmer, die arbeitswillig sind, gibt, und diese werden sehr viel schwieriger zu vermitteln sein als diejenigen, die von Haus aus mit einer sehr robusten Natur ausgestattet sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus der Antwort der Bundesregierung geht hervor, daß weitgehend die berufliche Qualifikation die Möglichkeit der Arbeitslosigkeit bestimmt und daß der Anteil der arbeitslosen älteren Arbeiter im Vergleich zu den Angestellten in der Vergangenheit gestiegen ist. Durch die arbeitsrechtliche Lösung wird hier ein Problem verschärft, das ich Ihnen schon dargeleget habe, weil eine überholte Ideologie mehr in den Vordergrund gestellt wird als die unsozialen Konsequenzen, die aus ihrer Verwirklichung resultieren.
Wir Freien Demokraten teilen die Auffassung der Bundesregierung, daß die Fragen einer qualifizierten beruflichen Ausbildung, die Fragen der Fort- und Weiterbildung sowie der Umschulung in Verbindung mit der Arbeitslosigkeit speziell der älteren Arbeitnehmer gesehen werden müssen. Die Maßnahmen, die auf diesen Fragenkomplex bezogen sind, reichen jedoch nach unseren Vorstellungen nicht aus, wenn sie nicht durch weitere Maßnahmen der Steuerpolitik, der Strukturpolitik und einer praktikablen Sozialgesetzgebung ergänzt werden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bisherige Diskussion hat ergeben: Anders als zum Zeitpunkt der Stellung der Großen Anfrage seitens der CDU/CSU-Fraktion und auch schon anders als zu dem Zeitpunkt ihrer Beantwortung durch die Bundesregierung können wir heute erfreulicherweise davon ausgehen, daß die Arbeitslosenziffer erheblich gesunken ist. Trotzdem bin ich dankbar, daß das Hohe Haus mit Ernst diese Frage jetzt mid hier behandelt; denn nichts wäre schädlicher, als zu glauben, wir brauchten uns deshalb, weil die Arbeitslosenzahl zurückgegangen sei, um das Problem nicht mehr zu kümmern. Ich bin der Meinung: dem, der arbeitslos geworden ist, kann es gleichgültig sein, ob neben ihm Hunderttausende oder Zehntausende stehen. Um jeden einzelnen Menschen haben wir uns zu sorgen und zu mühen.
Das war doch, glaube ich, was alle drei Fraktionen als Tatbestand festgestellt haben; hier besteht Übereinstimmung.In der Tatbestandsaufnahme gibt es eine weitere Übereinstimmung: Wir haben einen harten Kern an Arbeitslosen — Frau Kollegin Schroeder hat mit Recht darauf hingewiesen — überwiegend bei den Männern über 55 Jahren. Sie stellen etwa die Hälfte aller arbeitslosen Männer.Nun, meine Damen und Herren, es werden Altersgrenzen genannt. Ich mußte natürlich in der Statistik auch Grenzen nennen, und die Bundesanstalt hat ebenfalls welche genannt, weil man das Problem ja einmal eingrenzen muß. Herr Kollege Wolf, man sollte aber tatsächlich einmal prüfen, ob nicht die Altersgruppen zwischen 55 und 60 Jahren besonders erfaßt werden sollten. Die 60er-Grenze scheint mir nicht unwichtig zu sein. Ich bin sehr dafür. Nur habe ich eine große Sorge. Das springt einen so an, wenn man selber an die fünfzig ist — ein Stückchen darüber — und auf einmal das Gefühl hat: die reden über dich, wenn sie über ältere Arbeitnehmer sprechen. Meine Damen und Herren, es darf doch gar nicht aufkommen, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, einer von 45 sei vielleicht, einer von 55 ganz bestimmt ein älterer Arbeitnehmer. Das mag statistisch für die Zusammenfassung zwar notwendig sein, aber der Deutsche Bundestag sollte nicht eine Sekunde lang Zweifel aufkommen lassen, daß das individuell sehr unterschiedlich ist, daß einer mit 70 Jahren ein ganz junger Mensch sein kann und daß es junge
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Bundesminister KatzerMenschen gibt, die schon greisenhafte Züge an sich haben.
Ich glaube, das sollte man hier einmal sehr deutlich und sehr klar herausstellen.Das zweite, was ich sagen möchte, ist dies: Aus der Tatsache, daß wir einen harten Kern von älteren Arbeitslosen haben, geht hervor — und das wurde in der Rezession besonders deutlich —, daß diese Altersgruppe durch die technische und die wirtschaftliche Entwicklung in ihrer beruflichen und damit natürlich auch in ihrer sozialen Existenz am ehesten bedroht ist. Mitten in der Hochkonjunktur und erst recht jetzt müssen wir deshalb darüber sprechen; denn ich fürchte, Herr Kollege Wolf, das Fernsehen wird sich jetzt nicht mehr so einschalten wie noch zu Beginn des Jahres, als diese Probleme noch „interessanter" waren. Für uns aber darf die Zahl der Arbeitslosen, wie ich vorhin schon sagte, keine Rolle spielen. Wir haben die Verantwortung, gerade dann zu sprechen, wenn andere Einrichtungen schweigen. Dann muß der Deutsche Bundestag darüber reden.
Nun, meine Damen und Herren, wir dürfen uns die Suche nach Lösungsmöglichkeiten nicht zu leicht machen. Ich betone ausdrücklich: das hat hier im Hause auch keiner versucht. Vor allen Dingen dürfen wir Lösungsmöglichkeiten nicht in der falschen Richtung suchen. Noch vor wenigen Monaten — in letzter Zeit Gott sei dank nicht mehr so stark — wurde der Vorschlag diskutiert, den Betrieben eine gesetzliche Verpflichtung zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer aufzuerlegen ähnlich den Regelungen des Schwerbeschädigtengesetzes. Teilweise wurde ein Entlassungsverbot gefordert. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: das alles halte ich nicht für brauchbare Lösungen. Ganz abgesehen von den technischen Schwierigkeiten derartiger gesetzlicher Regelungen bei dem sehr unterschiedlichen Arbeitslosenstand —in Stuttgart 0,1 %, im Bayerischen Wald das Vielfache, wie soll man da pauschalieren?. —, habe ich die große Sorge, daß ältere Arbeiter und Angestellte, wenn wir so verfahren würden, als Arbeitnehmer zweiter Klasse eingestuft würden. Genau das wollen wir doch verhindern.
Das ist doch unser Problem. Wir wollen dem älteren Menschen eben nicht bestätigen: Du gehörst zum alten Eisen. Wir wollen 'ihm im Gegenteil sagen, daß wir ihm Chancen einräumen. Das Arbeitsförderungsgesetz gibt eine Menge von Chancen. Ich brauche nicht zu wiederholen, was von meinen Herren Vorrednern schon gesagt wurde. In der dritten Lesung wird noch eine zusammenfassende, globale Würdigung gegeben.Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung anschließen. Ich glaube, die Öffentlichkeit muß in dieser Frage noch gründlich umdenken. Als ich einmal einen Appell an die Arbeitgeber richtete, wurde sehr unfreundlich zurückgerufen, das sei doch alles überflüssig, das geschähe doch längst. Wenn man die Antwort der Bundesregierung liest, sieht man, daß sie anders formuliert ist. Damit es aber ganz klar und für jedermann verständlich wird, möchte ich hier nachdrücklich sagen: wir müssen alle umdenken. Das gilt für die Arbeitgeber, das gilt aber nicht minder für die Betriebsräte. Das gilt für die Arbeitgeberverbände genausogut wie für die Gewerkschaften, und es gilt auch für uns, die wir politische Verantwortung tragen.Es gibt eine weitverbreitete, unterschwellige Meinung, geradezu eine Stimmung, die etwa darauf hinausläuft, die Jugend am Arbeitsplatz sei ein Wert an sich, der besonders hoch geschätzt und gepriesen werden müsse. Das zunehmende Alter wird als Verschleißerscheinung hingestellt, mit der man nichts mehr zu tun haben will. Und, Herr Kollege Geldner, ich war sehr unglücklich darüber, daß Sie hier die Lohnfortzahlung ins Spiel brachten. Ich will das begründen. Ihre These geht davon aus, daß der ältere Arbeitnehmer in aller Regel leistungsgeschwächter und öfter und mehr krank sei als der jüngere Arbeitnehmer. Das muß aus der Diskussion heraus; denn das ist sachlich falsch. Der ältere Arbeitnehmer hat eine ganze Reihe von vorbildlichen Eigenschaften im Laufe seines langen Arbeitslebens erworben, für die die Arbeitgeber dankbar sein sollten.
Sie müssen nur die richtigen Arbeitsplätze für diese Leute finden und müssen sich die Mühe machen, dafür zu sorgen, daß sie an der richtigen Stelle eingesetzt werden. Es ist sachlich falsch — deshalb stimmt das Argument der Lohnfortzahlung überhaupt nicht —, daß ältere Arbeitnehmer öfter krank seien als jüngere Arbeitnehmer. Wahr ist vielmehr, sie sind weniger oft krank; wenn sie allerdings krank sind, sind sie es länger. Von diesen Tatsachen müssen wir ausgehen. Ich wäre sehr dankbar, wenn sich der Deutsche Bundestag dazu bekennen würde.Der Bemerkung von der FDP wäre noch einiges hinzuzufügen, aber ich will diese harmonische Stimmung des gesamten Gesetzgebungsverfahrens und der Beratung der Großen Anfrage nicht stören. Ich kann nur mit Beglückung an die damalige Feststellung des Herrn Kollegen Spitzmüller und an Ihre eigene, Herr Kollege Geldner, erinnern, daß die FDP gegen die bruttolohnbezogene Rente keine Bedenken habe.Sie sprechen von der Arbeitnehmergesellschaft, Sie sprechen vom Platz der Arbeitnehmer in dieser Gesellschaft. Sie sprechen davon, daß das nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein persönliches Problem sei. Einverstanden. Aber es ist eben auch ein ökonomisches Problem. Deshalb haben wir seit 1957 darum gekämpft, daß die bruttolohnbezogene Rente erhalten blieb und daß die Rentner die finanzielle und materielle Grundlage haben, um ihr Leben in Anstand leben zu können.
Ich freue mich darüber, daß wir heute mit Ihnen darin offenbar übereinstimmen.Eine dritte Bemerkung! Ich möchte sehr gern noch stärker, als ich es bisher schon getan habe, die po-
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Bundesminister Katzersitive Seite der Tätigkeit des älteren Arbeiters und des älteren Angestellten herausstellen. Ich möchte noch einmal dartun und die deutsche Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, daß es einfach nicht stimmt, daß mit zunehmendem Alter das berufliche Können und die Leistungsfähigkeit abnehmen. In sehr vielen Fällen nehmen sie zu. Gewisse Eigenschaften verstärken sich sogar, z. B. ein diszipliniertes, sachbezogenes Mitdenken, Verantwortungsbewußtsein, Verantwortungsfreude und Einsichtvermögen, bis hin zur Nutzung des erheblichen Erfahrungsschatzes. Uns ist also die Aufgabe gestellt, den älteren Menschen im Betrieb zu helfen, alle diese Möglichkeiten einer produktiven Mitarbeit zu aktivieren und zur Geltung zu bringen. Denn wir wollen nicht die Desintegration oder das vorzeitige Ausscheiden, sondern die volle Integration des älteren Menschen in den Leistungsprozeß und damit auch in die Gesellschaft.Damit komme ich zu meiner letzten Bemerkung: praktische Lösungsversuche. Ich habe schon gesagt, was ich nicht für praktikabel halte und warum nicht. Ich möchte jetzt zwei Punkte aufgreifen, die wir, glaube ich, weiterverfolgen sollten. Wir sollten die Förderungsmöglichkeiten des Arbeitsförderungsgesetzes nutzen. Es ist vorgesehen, daß die Bundesanstalt Zuschüsse zu den Lohnkosten neueingestellter älterer Arbeitnehmer geben kann. Sie kann ferner Zuschüsse für Betriebe oder Betriebsabteilungen gewähren, in denen vor allem ältere Arbeiter und Angestellte beschäftigt werden. Derartige Betriebe sollten Modelle sein, die zeigen, wie wir den älteren Menschen in der schweren beruflichen Situation durch Anpassungs- und Bildungsmaßnahmen weiterhelfen können. Ältere Arbeitslose müssen in ihrem Leistungsbewußtsein gestärkt werden, damit sie in das normale Arbeitsleben zurückkehren können.Der andere Weg wurde — das ist vorhin von dem Kollegen Wolf dargestellt worden — mit dem Entwurf einer Novelle zum Kündigungsschutzgesetz beschritten, der zur Zeit im Ausschuß für Arbeit beraten wird. Ich kann nur wünschen und hoffen, daß er noch in dieser Legislaturperiode Gesetz wird. Denn es scheint mir gesellschaftspolitisch untragbar zu sein, daß ein kurzfristiger konjunktureller Rückgang zum Anlaß genommen wird, sich von langjährigen Mitarbeitern zu trennen und die Sorge um deren Eingliederung dann der gesamten Gesellschaft zu überlassen. Darum sollte sich die Kündigungsfrist mehr als bisher nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richten, und die Abfindungsbeträge sollten bei einer sozialwidrigen Kündigung entsprechend erhöht werden. Dabei scheint es mir von nicht unerheblicher Bedeutung zu sein, daß wir auch an die leitenden Angestellten denken. Denn die Notwendigkeit dafür hat die Rezession sehr deutlich gezeigt.Dann sind eine Reihe von Fragen zu konjunkturpolitischen und strukturellen Maßnahmen der Bundesanstalt angesprochen worden. Ich darf wegen der vorgeschrittenen Stunde darauf verzichten, im einzelnen darauf einzugehen. Herr Kollege Geldner, die Frage kam von Ihnen. Darf ich Sie nur auf dieAnlage 2 zu der Drucksache meiner Antwort hinweisen. Da sehen Sie, in welch hohem Maße die Bundesanstalt in Nürnberg bisher gerade hier strukturverbessernde Maßnahmen gefördert hat.Ich war in der vorvergangenen Woche zu einer Arbeitsmarktkonferenz in Düsseldorf, die wir voriges Jahr unter dem Eindruck der Rezession einberufen hatten. Dort haben wir mit allen beteiligten Stellen des Landes Maßnahmen überlegt. Ich bin in der nächsten Woche in Regensburg, um im bayerischen Bereich eine ähnliche Arbeitsmarktkonferenz durchzuführen, unter Einbeziehung aller Beteiligten. Dazu gehören Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, der Deutsche Industrie- und Handelstag, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und die örtlichen Behörden. Es soll ein gemeinsames Konzept entwickelt werden. Ich glaube, solche Arbeitsmarktkonferenzen an Ort und Stelle sind sehr viel sinnvoller und praktikabler als reine Schreibtischarbeit, wo man die Dinge häufig nur vor sich herschiebt. Ich glaube, das wird ein Modell sein, das wir demnächst auch im Saargebiet fortführen werden. Ich bin jedenfalls froh darüber, daß die bayerische Landesregierung das, was wir in Düsseldorf bereits verwirklicht haben, von sich aus aufgenommen hat.Wir müssen, glaube ich, bereit sein, noch sehr viel Kraft und Phantasie in dieses Problem hineinzugeben; denn das alles ist noch nicht die endgültige Lösung. Darüber muß weiter nachgedacht werden. Wenn es uns gelingt, mehr als bisher auch Teilzeitarbeitsplätze für Männer zu bekommen und nicht nur für Frauen, wird dies sicherlich den älteren Arbeitnehmern zugute kommen. Dabei glaube ich auch, daß es für die Zukunft von großer Bedeutung sein wird, die Arbeitsplätze im Betrieb an die besonderen Leistungsmöglichkeiten der älteren Arbeitnehmer anzupassen und notfalls selbstverständlich auch umzugestalten.Ich darf zusammenfassen:1. Der Arbeitnehmer selbst ist für seine persönliche Fortbildung und Anpassungsbereitschaft mit verantwortlich.2. Die Arbeitgeber sind aufgerufen, in ihrer betrieblichen Personal- und Sozialpolitik sowie in der Arbeitsorganisation den Berufsweg der älteren Arbeiter und Angestellten positiv mitzugestalten bis hin zur Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze.3. Die Betriebsräte sind aufgerufen, aktiv auf entsprechende Chancen für die älteren Arbeitnehmer hinzuwirken.Die Tarifpartner schließlich sollten ihre Lohnpolitik und ihre Tarifverträge über Arbeitsbedingungen in ihren Auswirkungen auf die Beschäftigungschancen der älteren Arbeitnehmer überprüfen.
— Ich bin sehr dafür, Herr Kollege, das werden Sie mir ja nicht bestreiten wollen. Am Arbeitsplatz, im Betriebsgeschehen, wo es nahe an den Mann herankommt, ist das sehr wichtig.
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Bundesminister KatzerEs gibt ein langfristiges und es gibt ein kurzfristiges Problem. Das kurzfristige Problem heißt, die älteren Arbeitslosen so rasch wie möglich in eine sinnvolle und produktive Beschäftigung zu bringen. Das langfristige Problem lautet, durch Beratung und Berufsbildung schon lange vor dem Alter vorsorgen, daß der alternde Mensch im Arbeitsprozeß anpassungsfähig und auf dem aktuellen Stand des Wissens und Könnens bleibt. In diesem Sachzusammenhang hat der Kollege Liehr vorhin darauf hingewiesen, daß in diesem Zusammenhang das Berufsbildungsgesetz eine wesentliche Rolle spielt. Diesen Sachzusammenhang — das möchte ich hier ausdrücklich unterstreichen — haben wir von der ersten Lesung dieses Gesetzes im Dezember vorvergangenen Jahres an deutlich und klar angesprochen. Das muß gemeinsam und zusammen gesehen werden, Arbeitsförderungsgesetz :und Berufsbildungsgesetz gehören zusammen und müssen gemeinsam und zusammen verabschiedet werden,
wie ich meine, noch von diesem Bundestag.
Ich bin der Auffassung, daß wir, wenn wir diese Gesetze — Arbeitsförderungsgesetz und Berufsbildungsgesetz — verabschiedet haben, zumindest auf einem Sektor eine klare Position bezeichnet haben. Und ich meine, wir könnten uns freuen, wenn in der gesamten deutschen Bildungspolitik die Positionen so klar abgesteckt würden, wie wir es bis jetzt bei der Beratung dieses Arbeitsförderungsgesetzes getan haben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, zu diesen §§ 89 a bis c wird nicht mehr das Wort gewünscht.
Wir stimmen ab über § 89 und die §§ 89 a bis c. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe den § 90 auf. Dazu hat Herr Abgeordneter Varelmann um das Wort gebeten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Aufgabe am heutigen Abend ist es, die Barleistung des Arbeitsförderungsgesetzes mit ein paar wenigen Worten anzusprechen. Der jüngste Zweig der deutschen Sozialversicherung ist die Arbeitslosenversicherung. Die Unfallversicherung, die Krankenversicherung und die Rentenversicherung sind bereits 50 Jahre älter. Das Arbeitslosenversicherungsgesetz wurde erst im Jahre 1927 geschaffen. Es war hart umstritten, hatte der Kritiker sehr viele, aber in der Praxis hat sich dieses Gesetz besser bewährt, als so manche Kritiker wahrhaben wollen. Wenn wir die Barleistung des Arbeitsförderungsgesetzes bewerten, müssen wir das sogenannte Vorschaltegesetz mit in Betracht ziehen, das im Jahre 1967 vom Deutschen Bundestag zum Arbeitsvermittlungs- und Arbeitslosenversicherungsgesetz verabschiedet wurde. Die Wertmaßstäbe in bezug des Arbeitslosengeldes wurden damals um 7,5 Punkte angehoben, nämlich von 55 auf 62,5. Auch die Familienzuschläge wurden wesentlich verbessert. Das bedeutet, daß in dem damaligen Gesetz die Leistung um etwa 15 % angehoben wurde. Darüber hinaus wurde die Leistung aus dem Schlechtwettergeldgesetz um 5 % über die Leistungen des Arbeitslosengeldes festgelegt.Ursprünglich hatte die Sozialversicherung nur den Zweck, einen katastrophalen Notzustand im Falle der Krankheit, des Alters und der Arbeitslosigkeit zu verhindern. In den letzten Jahren sind wir ein Stück weitergegangen mit dem Ziele, im Falle der Arbeitslosigkeit, der Krankheit und des Alters den in der beruflichen Arbeit erreichten Lebensstandard zu erhalten. Im Arbeitsförderungsgesetz wurde festgelegt, daß die Zahlung von Arbeitslosengeld erst am Ende des Monats ausläuft, in dem der betreffende Versicherte das 65. Lebensjahr vollendet. Damit ist ein nahtloser Übergang von der Zahlung des Arbeitslosengeldes zu den Rentenleistungen geschaffen.Zusätzlich wurde festgelegt, daß das Urteil der Rentenversicherung über die Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit auch für die Arbeitslosenversicherung bindend ist, so daß damit der einzelne Versicherte nicht zwischen zwei Stühlen sitzt, wie es in den letzten Jahren zeitweilig der Fall war.Die Anwartschaft auf Erwerb von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung wurde von zwei auf drei Jahre erweitert. Dieses ist besonders für den Arbeitnehmer bedeutsam, der lange erkrankt war und bei dem sich in diesem Falle an die Erkrankung Zeiten der Arbeitslosigkeit anschließen.Die Beitrags- und Leistungsbemessungsgrundlage wurde um 1700 DM angehoben. Zusätzlich wurde festgelegt, daß den Familien Zuschläge in jedem Fall gewährt werden, wenn der Ehegatte und die Kinder auf der Steuerkarte eingetragen sind. Darin einbezogen sind auch Kinder, die ein freiwilliges soziales Jahr leisten.Noch nicht voll befriedigend sind die Leistungen in jenen Fällen, wo der Versicherte nur ein geringeres Arbeitsverdienst und einen größeren Kreis von Familienangehörigen hat. Hier kommen die Familienzuschläge noch nicht voll zum Tragen, weil im günstigsten Fall nur eine Leistung bis zu 85 % des Nettolohnes gewährt wird.Für die Kurzarbeiter ist insoweit eine Verbesserung getroffen worden, als Kurzarbeitergeld bereits gezahlt wird, wenn sich die normale Arbeitszeit um 10 % verringert. Wenn jemand in einer Frist von vier Wochen zwei Ausfalltage wegen Kurzarbeit hat, hat er damit Anspruch auf Kurzarbeiterunterstützung.Weiterhin ist wichtig, daß auch die Heimarbeiter in das Recht auf Kurzarbeiterleistungen einbezogen wurden.Zusammenfassend dürfen wir mit Recht davon sprechen, daß die Novelle von 1967 und das Arbeits-
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Varelmannförderungsgesetz auf dem Gebiet des Bezuges vonBarleistungen einen echten Fortschritt beinhalten.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung über § 90 und alle folgenden Paragraphen, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen und auch nicht das Wort verlangt wird, bis § 214. In § 214 ist eine Streichung vorgenommen worden. Das Haus war sich darüber einig, daß der letzte Halbsatz, „soweit Besonderheiten der Bundesanstalt nicht entgegenstehen", entfällt. Mit dieser Maßgabe stimmen wir über §§ 90 bis § 214 ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich habe hier eine Notiz, daß zu § 160 Herr Abgeordneter Weimer das Wort verlangt hat. Das müssen wir nachholen. Da kein Änderungsantrag ansteht, können wir auch so verfahren. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem § 160 wird eine Neuerung des Inhalts eingeführt, daß die Betriebe der Bauwirtschaft und auch die Betriebe, für die Kurzarbeitergeld zugesagt und bewilligt ist, für den ausgefallenen Lohn den vollen Krankenversicherungsschutz mit dem dafür an die Krankenkasse abzuführenden Beitrag zu übernehmen haben. In der ursprünglichen Regierungsvorlage war eine Erstattung oder auch nur eine Teilerstattung nicht vorgesehen. Der Ausschuß für Arbeit hat die Regierungsvorlage insoweit abgeändert, als er in § 160 Abs. 2 vorschlägt, daß der Unternehmer auf Antrag von der Bundesanstalt die Hälfte seiner Aufwendungen für die Krankenkassenbeiträge erstattet bekommt. Darüber bestand im Ausschuß für Arbeit volles Einvernehmen. Das ist auch nicht der Punkt, den ich hier ansprechen möchte.
Aber nachdem wir nun mit der Einführung der produktiven Winterbauförderung durch die §§ 75 ff. einen völlig neuen Weg beschritten haben, um die kontinuierliche Bautätigkeit im Winter zu gewährleisten und stärker zu fördern, kann die Wirkung eintreten, daß die Unternehmer aus betriebswirtschaftlichen Gründen Überlegungen anstellen, inwieweit es sich auszahlt, von den Bestimmungen der §§ 75 ff. Gebrauch zu machen.
In den letzten Gesprächen mit Sachkennern der Materie bin ich noch darauf hingewiesen worden, daß bei den Steuerexperten Unklarheit darüber herrscht, ob die Erstattungen, die die Bundesanstalt dem Arbeitgeber in Höhe der Hälfte des Krankenkassenbeitrags auf Antrag gewährt, möglicherweise der Mehrwertsteuerpflicht unterliegen. Ich möchte diesen Anlaß benutzen, um festzustellen, ob in diesem Hause in der Tat jemand der Meinung sein kann, daß Erstattungen von Krankenkassenbeiträgen oder ähnlichen Leistungen als Umsätze im Sinne des Mehrwertsteuergesetzes anzusehen sind, und bei der Gelegenheit das zuständige Ministerium bitten, beim Bundesfinanzministerium völlige Klarheit darüber herbeizuführen, daß solche Erstattungen der Bundesanstalt der Mehrwertsteuer nicht unterliegen können. Das muß deshalb geklärt werden, weil wir es im Zweifel möglicherweise mit unterschiedlichen Auffassungen der einzelnen Oberfinanzdirektionen zu tun bekämen.
Das ist das Anliegen. Im übrigen darf bei der Gelegenheit gesagt werden, daß dann, wenn klar ist, daß eine Umsatzsteuerpflicht nicht gegeben ist — worüber zwischen den beteiligten Ministerien also Klarheit herbeigeführt werden müßte —, lediglich noch übrig bleibt, von diesem Hause aus einmal an die Unternehmer der Bauwirtschaft den Appell zu richten, von den wirklich einmaligen und bahnbrechenden neuen Regelungen zur Sicherung der kontinuierlichen Winterbautätigkeit mit den §§ 75 ff. auch den Gebrauch zu machen, der volkswirtschaftlich erwünscht ist, und andererseits einen Appell an die Bundesanstalt für Arbeit zu richten, in ihren Ausführungsbestimmungen über das Verfahren für die Anwendung des § 160 Abs. 2 ein Verfahren zu wählen, das den Gesichtspunkten modernster und einfachster Verwaltungshandhabung möglichst entspricht.
Wir kommen dann zur Abstimmung über die restlichen §§ 215 bis 243. Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ehe ich zur dritten Beratung aufrufe, gebe ich noch einmal dem Herrn Berichterstatter, Herrn Jaschke, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte zu Beginn meiner Ausführungen zum Bericht moniert, daß in der Urschrift, im Entwurf des Berichts mehr stand als in dem vorliegenden gedruckten Bericht. Das Mißverständnis ist in der Zwischenzeit aufgeklärt worden. Die fehlenden Zeilen sind auf Antrag des Kollegen Porten gestrichen worden, der darum gebeten hatte, das hier mündlich zu erläutern, aber nicht im Bericht zu belassen. Das Mißverständnis ist also aufgeklärt, und ich bitte um Entschuldigung, daß ich überhaupt geglaubt habe, das hier etwas Falsches getan wurde.
Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat der Herr Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Aus-
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Müller
schusses für Arbeit einige Worte sagen, ehe ich als Sprecher meiner Fraktion zur Verabschiedung des anstehenden Arbeitsförderungsgesetzes eine Erklärung abgebe. Der Ausschuß für Arbeit hat in ungefähr eineinhalbjähriger intensiver Arbeit das von der Bundesregierung vorgelegte Arbeitsförderungsgesetz beraten und ihm die Form gegeben, die Ihnen heute vorliegt.Die ungewöhnlich lange Beratungszeit war notwendig, weil wir etwas Neues schaffen wollten. Wir haben uns wirklich nichts geschenkt. Wir haben in vielen Sonderberatungen, Einzelbesprechungen und Sachverständigenanhörungen die gesamte Problematik dieses Gesetzes erörtert. Die gleichzeitige Beratung des Berufsbildungsgesetzes, das im Ausschuß in zweiter Lesung verabschiedet ist, zwang den Ausschuß zu vielen Sondersitzungen. Ich möchte hier, damit auch ein Wort des Dankes verbindend, die Mitglieder des Ausschusses nachträglich um Verständnis dafür bitten, daß das Arbeitstempo sehr intensiv war, und betonen, daß der Ausschuß für Arbeit seinem Namen „für Arbeit" sicherlich alle Ehre gemacht hat. Ich habe als Ausschußvorsitzender dem Herrn Bundesarbeitsminister Katzer zu danken, der selbst und durch seine Mitarbeiter — wobei ich namentlich die Herren Baden und Dr. Steinwender nennen möchte — die Beratungen durch die großen Hilfen wesentlich erleichtert hat.
Ich möchte aber auch — selbst wenn es ungewöhnlich ist — dem Sekretariat des Ausschusses, Herrn Sträter und Frau Wahlen, danken, die hier wirklich eine umfangreiche Arbeit bewältigt haben, die nicht in der normalen Arbeitszeit geleistet werden konnte.
Lassen Sie mich nunmehr im Namen der Fraktion der CDU/CSU zur bevorstehenden Verabschiedung dieses wichtigen, ich möchte fast sagen: des wichtigsten sozialpolitischen Gesetzes dieser Legislaturperiode einige Ausführungen machen.Arbeitsmarktpolitik muß sich an sozialen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten ausrichten. Bei allen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen muß diese Doppelfunktion für den Menschen und für die Wirtschaft gesehen werden. Der schnelle Wandel der Technik und der Berufe erfordert eine laufende Anpassung gesetzlicher Regelungen und arbeitsmarktpolitischer Möglichkeiten. Hier wird sichtbar, daß moderne Sozialpolitik nichts Starres ist. Sozialpolitik, besonders in ihrer engen Verflechtung mit der Wirtschaftspolitik, muß sich stets von neuem der Zeit und der Technik anpassen. Arbeitsmarktpolitik ist ein Teil der gesamten Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung. In dieser Gesamtfunktion der Sicherung und Förderung des wirtschaftlichen Wachstums und des stabilen Geldwertes ist es Hauptziel der Arbeitsmarktpolitik, die Vollbeschäftigung zu erreichen und zu sichern.Ein solches Ziel kann man nicht mit Zwangsoder Druckmitteln erreichen, sondern das muß in voller Freiheitlichkeit verwirklicht werden. Eine freiheitliche Arbeitsmarktpolitik bedeutet jedoch keineswegs Planlosigkeit. Gerade die Entwicklungen der letzten Jahre mit der Veränderung der Berufe und der Wirtschaftsstruktur zeigen deutlich, daß ohne eine vorausschauende Planung das Ziel einer kontinuierlichen Beschäftigung und die Sicherung der Arbeitsplätze nicht erreicht werden kann.Wir haben uns bei der Beratung des Gesetzes einige Richtpunkte gegeben. Wir sind davon ausgegangen, daß zu einer sinnvollen Arbeitsmarktpolitik die rechtzeitige Information gehört. Wir haben weiter erklärt, daß Mittel des Arbeitsmarktes die Förderung der regionalen Mobilität ist. Wir haben Maßnahmen 'der beruflichen Mobilität beraten. Wir haben darüber hinaus gesagt, daß die Förderung der Wirtschaftsstruktur ebenso Mittel der Arbeitsmarktpolitik ist wie auch die Rehabilitation. Mittel der Arbeitsmarktpolitik sind auch die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung und Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, wie ich schon erwähnt habe.Das sind die Grundsätze und Maßnahmen. Sie haben ihren Niederschlag in dem in der Fassung des Ausschusses für Arbeit vorgelegten Arbeitsförderungsgesetz gefunden.Während der Schwerpunkt der bisherigen gesetzlichen Möglichkeiten des Tätigwerdens der Bundesanstalt bei der Beseitigung von Arbeitslosigkeit lag, liegt der neue Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in der möglichen Verhinderung von Arbeitslosigkeit. Das heißt: die Bundesanstalt soll durch dieses Gesetz in die Lage versetzt werden, ihre Mittel so rechtzeitig einzusetzen, daß sie vorbeugend tätig werden kann, damit durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik Arbeitslosigkeit verhindert wird. Diese Arbeitsmarktpolitik kann die Bundesanstalt jedoch nicht durchführen, wenn sie nicht über die notwendigen Kenntnisse der Situation der Berufe und des Arbeitsmarktes und der künftigen Entwicklung, sowohl der strukturellen wie der technischen, verfügt.Eine der ersten Voraussetzungen für diese Aufgaben ist daher die Durchführung einer wirksamen Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Ohne eine solche Arbeitsmarkt- und Berufsforschung können diese Aufgaben der Bundesanstalt nicht gelöst werden.Ausgehend von dieser Erkenntnis hat der Ausschuß für Arbeit zusätzlich zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf den § 8 a beschlossen, der die Arbeitgeber verpflichtet, die Präsidenten der Landesarbeitsämter zu unterrichten, wenn erkennbare Veränderungen innerhalb der nächsten 12 Monate dazu führen werden, daß Arbeitnehmer in größerer Zahl entlassen oder auf eine andere Tätigkeit umgesetzt werden, für die das Arbeitsentgelt geringer ist. Wir verstehen die Haltung der Arbeitgeber, die das Interesse des Betriebes an einer Geheimhaltung geplanter Veränderungen deutlich gemacht haben. Dagegen haben wir aber auch das arbeitsmarktpolitische Interesse an der frühzeitigen Einleitung von Maßnahmen gesehen. Der Ausschuß hatte zwischen zwei Auffassungen zu wählen. Ich habe den Eindruck, daß die jetzt gefundene Lösung beiden Seiten gerecht wird. Ich möchte aber keinen Zweifel daran lassen, daß ohne diese Vorschrift die vorbeugende Tätigkeit der Arbeitsverwaltung nur
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auf dem Papier stehen würde. Im übrigen habe ich keinen Zweifel, daß bei der guten Zusammenarbeit der Wirtschaft mit der Arbeitsverwaltung diese Frage befriedigend gelöst werden kann.Wir begrüßen auch sehr nachhaltig die Verbesserungen für die Tätigkeit der Arbeitsvermittlung, wobei der neue Begriff der Arbeitsberatung besonders hervorzuheben ist. Die Arbeitsämter sollen, unabhängig von der Arbeitsvermittlung und der Berufsberatung, Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Fragen der Wahl oder Besetzung von Arbeitsplätzen beraten. Wir meinen, zu der Arbeitsberatung gehört auch die Aufgabe, nicht nur über die Notwendigkeit, sondern auch über alle Möglichkeiten beruflicher Bildung zu unterrichten.Daß die Berufsberatung ein immer größeres Gewicht bekommt, ist uns seit langem bekannt. Aus diesem Grunde begrüßen wir auch die Verbesserungen, die in dem Abschnitt Berufsberatung in das Gesetz eingebaut worden sind.Arbeitsvermittlung und Berufsberatung gehören zu den klassischen Aufgaben der Arbeitsverwaltung. Um aber eine aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik zu garantieren, ist es notwendig, diese Bundesanstalt zu einem Instrument der beruflichen Bildung auszugestalten. Dazu gehört sowohl die Förderung der beruflichen Ausbildung und beruflichen Fortbildung wie auch der Umschulung.Der wesentliche Unterschied zu den nach dem heutigen Recht gehandhabten Maßnahmen der Bundesanstalt besteht darin, daß auf diese Leistungen ein Rechtsanspruch besteht. Wir bejahen das, weil wir der Meinung sind, jemand, der sich einer solchen Maßnahme unterwirft, muß die Gewißheit haben, daß .er diese Maßnahme auch zu Ende führen kann. Daher kann es keine Kann-Vorschrift, sondern muß es eine Muß-Vorschrift in dem Gesetz sein.Die Fragen der Rehabilitation und die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung für ältere Arbeitnehmer sind heute schon so ausführlich behandelt worden, daß ich darauf verzichten kann, hier noch längere Ausführungen zu machen. Lassen Sie mich Ihnen nur eines sagen: Ich glaube, von der Art und Weise, wie es gelingt, das Problem des in der Wirtschaft alternden Arbeitnehmers zu lösen, wird auch die menschliche Situation der gesamten Arbeitnehmerschaft abhängen. Wenn der ältere Arbeitnehmer von einer Existenzangst ergriffen wird, so hat das zweifellos Auswirkungen auf seinen ganzen Lebensstil, auf seine Lebenshaltung und auf seine politische Einstellung. Wir sind daher alle aufgerufen, diesen im Gesetz ermöglichten Maßnahmen das notwendige Gewicht zu geben, damit der ältere Arbeitnehmer — nicht etwa als Almosen, sondern als selbstverständliche Pflicht der Gesellschaft, solange ihm seine Arbeitskraft erhalten bleibt — vollgültig in den Arbeitsprozeß eingegliedert bleibt.Wir begrüßen auch sehr nachhaltig die Verbesserungen bei den materiellen Leistungen bei Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. Das gilt auch für die Frage des Zusammentreffens sozialer Leistungen aus Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Wir hoffen, daß die getroffenen Entscheidungen dazu beitragen werden, daß der Arbeitnehmer nicht zwischen die Mühlsteine der verschiedenen Versicherungszweige gerät, sondern daß im Zweifel zu seinen Gunsten entschieden wird.Das gilt im übrigen auch für die Frage Kurzarbeitergeld und Rentenversicherung. Hier hat der politische Wille Ausdruck gefunden, daß der Arbeitnehmer, der von Kurzarbeit betroffen wird, nicht einen zweifachen Nachteil hat, einmal während der aktiven Zeit durch das geminderte Einkommen während der Kurzarbeit und dann, wenn er in das Rentenalter gekommen ist, durch eine geminderte Rente. Die jetzt gefundene Lösung stellt sicher, daß auch Zeiten der Kurzarbeit in der Rentenversicherung so behandelt werden, als ob der Arbeitnehmer seine volle Arbeitszeit abgeleistet hätte.Es würde zu weit führen, etwa auf alle materiellen Verbesserungen einzugehen. Ich möchte global sagen: Die Verbesserung der Vorschriften, der Wegfall der sturen Meldepflicht, alles das wird sicher dazu beitragen, auch im Bewußtsein der ratsuchenden Arbeitnehmerschaft von den Arbeitsämtern den Charakter der Stempelstelle wegzunehmen und die von uns gewünschte Beratung in den Vordergrund treten zu lassen.Nun sind in der Organisation der Bundesanstalt wesentliche Verbesserungen erzielt worden. Wir begrüßen diese. Dabei möchte ich eines sehr deutlich sagen: Ich habe kein Verständnis dafür, daß von gewisser Seite vorgetragen worden ist, das Gesetz schmälere die Rechte der Selbstverwaltung. Wie ein roter Faden ist bei allen Beratungen des Ausschusses der Wille deutlich geworden, der dreistufigen Selbstverwaltung der Bundesanstalt so viel Entscheidungsmöglichkeiten zu geben, wie es nach den Grundsätzen der modernen Arbeitsmarktpolitik als Teil der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung überhaupt irgendwie möglich war.In diesem Zusammenhang ist auch die Frage der Finanzierung der neuen Aufgaben, insbesondere der beruflichen Förderung und des Sonderabschnitts „Altere Arbeitnehmer" aufgeworfen worden. Meine Damen und Herren, das ist sicher einer der umstrittensten Punkte des Arbeitsförderungsgesetzes.Ich möchte hier eines deutlich sagen. In der öffentlichen Diskussion über die notwendige Bildungsförderung durch ein umfassendes Ausbildungsbeihilfensystem ist fast ausschließlich die Förderung des Besuchs der weiterbildenden Schulen, der Hochschulen und der Seminare gemeint.
— Sie sagen: Das stimmt nicht. Erst in der letzten Zeit ist davon gesprochen worden. Ich habe auch nicht von der Diskussion in diesem Hause gesprochen, Herr Kollege Moersch — vielleicht hören Sie zu —, sondern ich habe von der öffentlichen Diskussion gesprochen. Ich kann Ihnen jede Menge Schreiben von Hochschulen zeigen, wo das noch einmal ganz deutlich herausgestrichen worden ist.Von der beruflichen Ausbildung und Förderung spricht kaum jemand draußen. Es ist aber, meine Damen und Herren, nicht einzusehen, warum der
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Staatsbürger, der durch seinen Beruf und die laufende Anpassung des Berufs die wesentlichsten Voraussetzungen für das Funktionieren der Wirtschaft und damit für das Aufbringen der staatlichen Mittel für diese Gemeinschaftsaufgaben leistet, etwa gegenüber dem Personenkreis benachteiligt werden soll, der die wissenschaftliche Ausbildung vorzieht. Vergleichbares muß aus rechtsstaatlichen Gründen auch gleichbehandelt werden.
Wenn man sich aber über die Dringlichkeit der Ausbildungsförderung, der laufenden beruflichen Anpassung und Fortbildung und der Umschulung klar ist, dann sollte man auch hier nicht mit der Durchführung der Aufgaben warten. Damit ist weder der Wirtschaft noch den Arbeitnehmern geholfen. Jetzt muß schnell und umfassend gehandelt werden, um berufliche Mobilität als Voraussetzung gesunder Sozial- und Wirtschaftspolitik zu gewährleisten.
Um aber den Grundsatz deutlich zu machen, begrüßen wir nachhaltig die Entscheidung des Ausschusses in den Übergangsvorschriften, wonach die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften bis zum 31. Dezember 1972 — meine Damen und Herren, ,bis zu diesem Zeitpunkt steht die mittelfristige Finanzplanung, das ist also der erstmögliche Zeitpunkt — zu berichten hat, welchen Umfang die Förderung der beruflichen Bildung, die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung für ältere Arbeitnehmer in diesem Gesetz erreicht haben, welche Ergebnisse sie gehabt haben, wie hoch die finanziellen Aufwendungen hierfür sind, welche Möglichkeiten bestehen, diese Aufgaben anders als durch Beiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu finanzieren, und welche gesetzlichen Regelungen hierzu erforderlich wären.Sehen Sie bitte diese Ausführungen im Zusammenhang mit dem in Beratung stehenden Ausbildungsförderungsgesetz. Ich möchte noch einmal betonen: Gleiches darf nicht ungleich behandelt werden; die Fragen der beruflichen Bildung sind ebenso wichtig wie die Fragen der Hochschulbildung. Man muß das im Zusammenhang sehen. Das betonen wir anläßlich der Verabschiedung dieses Gesetzes noch einmal mit aller Deutlichkeit.
Es ist weiter über § 215 diskutiert worden, der die Finanzpolitik der Bundesanstalt regelt. Ich meine, gerade hier wird deutlich, wie eng die Arbeitsmarktpolitik mit der gesamten Wirtschafts-, Sozial- und auch Finanzpolitik des Bundes zusammenhängt. Ohne in die Rechte der Selbstverwaltung eingreifen zu wollen, mußte hier sichergestellt werden, daß zum einen die laufenden Leistungen finanziert werden können und daß zum anderen für diese laufenden- Leistungen auch bei ungüstiger Arbeitsmarktlage eine Rücklage gebildet werden kann. Diese Rücklage muß aber eben im Gesamtzusammenhang mit der Konjunktur- und Währungspolitik gegesehen werden.Als einen besonderen Fortschritt in diesen Bestimmungen betrachte ich die Möglichkeit der Bundesanstalt, nunmehr auch von Gesetzes wegen arbeitsmarkt- und strukturpolitische Belange zu berücksichtigen, insbesondere dazu beizutragen, daß die Struktur der Beschäftigung nach Gebieten und Wirtschaftszweigen verbessert wird. Hier hat die Bundesanstalt aus eigener Initiative schon Vorbildliches geleistet. Nunmehr kann sie es kraft Gesetzes noch gezielter tun. Ich glaube, die Anlagefrist entspricht nunmehr auch besser der Praxis, als dies bei den bisherigen Regelungen der Fall war.Das sind nur wenige Ausschnitte aus dieser umfassenden Regelung des Arbeitsförderungsgesetzes. Lassen Sie mich zum Abschluß für die Fraktion der CDU/CSU noch einmal sagen: Ausgangspunkt war der Antrag unserer Fraktion, die gesetzlichen Bestimmungen über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung dem technischen Fortschritt und der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Dieses Ziel ist mit dem Entwurf des Herrn Bundesarbeitsministers und durch die Beratungen im Ausschuß für Arbeit weitgehend erreicht.Dieses Gesetz trägt dazu bei, die sozialen, d. h. die menschlichen Folgen der Rationalisierung so zu kanalisieren und so zu regeln, daß das latente Gefühl der Unsicherheit von den Arbeitnehmern genommen wird. Es geht im Grunde um die Herstellung einer Ordnung, in der die Sorge und die Überlegungen um den Menschen genauso wichtig genommen und so vorrangig behandelt werden wie die Planung des Kapitaleinsatzes und die Pflege und Erhaltung von Maschinen.Das Arbeitsförderungsgesetz ist ein mutiger Schritt in einen neuen Abschnitt moderner Gesellschaftspolitik.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Folger.
Hochverehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr geehrten Herren! Vorweg möchte ich bemerken, daß ich weder den Werdegang des Gesetzes schildern noch den Inhalt erläutern werde, wie das manchmal bei solchen Gelegenheiten geschieht. Es gibt fast kein Gesetz, an dem nicht bis zum letzten Augenblick kritisiert wird. Häufig geschieht das sogar noch lange darüber hinaus, auch dann, wenn es so lange und so gründlich beraten worden ist, wie das mit dem Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes geschehen ist. Es bleiben immer noch Wünsche, Forderungen und Meinungsverschiedenheiten übrig.Auch wir Sozialdemokraten haben bezüglich des Entwurfs eines Arbeitsförderungsgesetzes noch manche Wünsche und sind noch nicht ganz damit zufrieden. Die schon wiederholt erwähnte Finanzierung ist unseres Erachtens nicht sehr lange haltbar. Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß aus Beiträgen der Bundesanstalt nur das Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld und Schlechtwettergeld finanziert werden darf. und daß alles andere Auf-
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12932 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Folgergabe der Öffentlichkeit, der Allgemeinheit ist, z. B. Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, berufliche Bildung, Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer und die Arbeitslosenhilfe. Alle diese Maßnahmen kommen einem sehr großen Personenkreis zugute, der keine Beiträge an die Arbeitslosenversicherung gezahlt hat.Ich möchte an dieser Stelle das unterstreichen, was der Kollege Müller eben gesagt hat. Auch wir sind der Meinung, daß diese im Gesetz festgelegten Aufgaben genauso wie etwa die Aufgaben im Bereich der Berufsschulen, Fachschulen und Hochschulen Aufgaben der Öffentlichkeit und der Allgemeinheit sind.Wir haben erreicht, daß die Bundesregierung bis Ende 1972 berichten muß — ursprünglich war als Termin für diesen Bericht Ende 1974 vorgesehen —, welche finanziellen Aufwendungen für die verschiedenen Maßnahmen notwendig waren. Wir haben uns wegen der mittelfristigen Finanzplanung nur widerwillig mit der jetzigen Regelung einverstanden erklärt und werden zum erstmöglichen Zeitpunkt, wenn der Bericht vorliegt und wenn die mittelfristige Finanzplanung fortgeschrieben wird, danach trachten, daß eine bessere, eine richtige Aufteilung der Lasten aus diesem Gesetz vorgenommen wird.Im Gegensatz zu Herrn Kollegen Müller sind wir der Meinung, daß der Bedeutung der Selbstverwaltung im Gesetzentwurf noch nicht ganz so Rechnung getragen wird, wie wir das für wünschenswert gehalten hätten. Die Vorschläge, die in dem Entwurf enthalten sind, sind zum Teil aus dem gegenwärtigen Recht abgeleitet, zum Teil beruhen sie auf dem Selbstverwaltungsgesetz für die Sozialversicherung, und zum Teil sind sie das Ergebnis hartnäckiger Verhandlungen im Ausschuß für Arbeit. Wir könnten uns aber vorstellen, daß an der einen oder anderen Stelle der Bedeutung der Selbstverwaltung noch mehr Rechnung getragen wird.Lassen Sie mich hier noch auf das Arbeitslosengeld für mittelbar von einem Streik betroffene Arbeitnehmer eingehen. Bisher wird in solchen Fällen das Arbeitslosengeld nur gewährt, wenn eine unbillige Härte vorliegt. Was eine unbillige Härte ist, bestimmt der Verwaltungsausschuß beim Landesarbeitsamt. In der Praxis hat sich gezeigt, daß die mittelbar vom Streik Betroffenen fast nie Arbeitslosengeld bekommen haben. Die jetzt gefundene Regelung stellt gegenüber dem bisherigen Zustand eine wesentliche Verbesserung dar — das sei nicht verkannt —, aber sie ist auch nicht über alle Zweifel erhaben. Sie läßt unseres Erachtens der Verwaltung und der Rechtsprechung zu viel Spielraum für eine negative Auslegung.Unsere Forderung auf Freistellung von der Arbeit für die Teilnahme an den im Gesetz vorgesehenen Förderungsmaßnahmen im Rahmen beruflicher Bildungsveranstaltungen ist gar nicht erfüllt worden. Wir haben uns in dieser Frage im Ausschuß für Arbeit nicht durchsetzen können. Geblieben ist nur ein Appell an die Tarifvertragsparteien im Bericht, diese Frage tarifvertraglich zu regeln. Wir werden die Anlaufzeit des Gesetzes in den ersten Jahren abwarten und dann feststellen, ob die von uns bemängelten Bestimmungen sich bewährt haben oder einer Verbesserung bedürfen. Wir werden da auf der Wacht bleiben, damit nicht ein unbefriedigender Zustand auf die Dauer zementiert wird.Die Abwägung der soeben erwähnten Mängel und Zweifel gegenüber den in ,dem Gesetzentwurf enthaltenen Fortschritten im Vergleich zum bisherigen Zustand spricht unseres Erachtens aber so gravierend für den Entwurf, daß wir bereit sind, ihm zuzustimmen. Wir wollen damit die Erreichung des großen Zieles, Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung zu verhindern, ermöglichen.Ich will mich darauf beschränken, einige der Fortschritte zu erwähnen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Es ging in der Regel nicht um „schwarze" oder „rote" Entscheidungen, sondern um die sachlich bestmögliche Lösung der uns mit dem Gesetz gestellten Aufgaben, nämlich einen hohen Beschäftigungsstand zu erreichen und aufrechtzuerhalten, die Beschäftigungsstruktur ständig zu verbessern und damit das Wachstum der Wirtschaft zu fördern. Die in dem SPD-Entwurf eines Arbeitsmarktanpassungsgesetzes vom 30. August 1966 enthaltenen Vorschläge und die von den SPD- Ausschußmitgliedern während der Ausschußberatung gestellten Anträge sind erfreulicherweise zum größten Teil in dem vorliegenden Entwurf berücksichtigt. In den Katalog von Maßnahmen, die zu treffen sind, wurde aufgenommen, daß Frauen, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist, weil sie verheiratet oder aus anderen Gründen durch häusliche Pflichten gebunden sind oder waren, beruflich eingegliedert werden. Ferner wurden aufgenommen: Förderung der beruflichen Eingliederung körperlich, geistig oder seelisch Behinderter,unverzügliche schriftliche Meldung der Betriebe mit 'Stellungnahme des Betriebsrats an den Präsidenten des Landesarbeitsamtes, falls innerhalb der nächsten 12 Monate Arbeitnehmer in einer im Gesetz näher 'bezeichneten Zahl entlassen oder unterwertig beschäftigt werden,Einführung einer Arbeitsberatung bei den Arbeitsämtern — nicht nur Anfänger oder Arbeitslose, sondern auch Berufstätige werden in Zukunft dort über bessere Arbeitsmöglichkeiten, über Umschulung und Fortbildung gründlich beraten —,Wegfall der unmodernen Vorschrift, daß Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung von Frauen nur durch Frauen zu geschehen hat,Wegfall der seemännischen Heuerstellen, die nicht mehr in unsere Zeit passen,Wegfall der Berücksichtigung freiwilliger Leistungen öffentlich-rechtlicher Stellen bei den in diesem Gesetz vorgesehenen Leistungen, um damit die Bereitschaft zur beruflichen Bildung zu stärken,Verpflichtung der Bundesanstalt zur vorläufigen Übernahme der Leistungen auch dann, wenn andere Träger dazu verpflichtet sind, damit die Antragsteller nicht von Pontius zu Pilatus geschickt werden müssen und dadurch benachteiligt werden,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969 12933
FolgerKurzarbeitergeld auch in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und der Heimarbeit — ein ganz ungerechter Zustand wird ,damit aus der Welt geschafft —, .besondere Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung für ältere Arbeitnehmer,Verweigerung des Urlaubsgeldes nicht mehr, wenn er eine nicht zumutbare Arbeit ablehnt,Verlängerung der Rahmenfrist, innerhalb der die Anwartschaftszeit erfüllt sein muß, von zwei auf drei Jahre,Arbeitslosengeld auch bei Gewährung eines Urlaubsentgelts, einer Urlaubsabgeltung, bei Abfindungen gemäß dem Kündigungsschutzgesetz, sowie Leistungen aus betrieblichen Sozialplänen und tariflichen Rationalisierungsabkommen,Sperrzeit nur, wenn der Arbeitslose keinen wichtigen Grund hatte, Einschränkungen der Sperrzeit auf vier Wochen, bei unbilliger Härte auf zwei Wochen,Beseitigung der regelmäßigen Meldepflicht, d. h. des Stempelns, und damit Wegfall der Diskriminierung der Arbeitslosen und der Arbeitsämter,Erhöhung der Freibeträge bei der Anrechnung von Einkommen der Angehörigen auf die Arbeitslosenhilfe,Möglichkeit der bargeldlosen Auszahlung der Leistungen mit Pfändungsschutz,volle Beitragszahlung an die Rentenversicherung auch bei Kurzarbeitern unter Ersatz von 75 % der Differenz an die Arbeitgeber,Beseitigung der zeitweiligen Beitragsfreiheit für Lehrlinge und damit Möglichkeit des Bezugs von Arbeitslosengeld bis zu einem Jahr,Wahrnehmung der Aufgaben der Bundesanstalt auch durch Angestellte, nicht nur durch Beamte, wie es angebahnt werden sollte,Möglichkeit der Gewährung des Familienzuschlags an den Vater für ein uneheliches Kind,vorläufige Förderung der Ausbildung auch für soziale Berufe,produktive Winterbauförderung.Meine Damen und Herren, ich möchte mich dem Dank des Herrn Ausschußvorsitzenden an den Herrn Minister und an die Beamten des Bundesarbeitsministeriums sowie des Ausschußsekretariats aufrichtig und herzlich anschließen. Ich bitte, das nicht als einen obligatorischen Dank aufzufassen, sondern so, wie er wirklich gemeint ist. Wir waren immer beeindruckt, wie flexibel und unbürokratisch die Herren Regierungsvertreter dem Ausschuß geholfen haben, seine Aufgaben zu erfüllen.
Wir sind sicher, daß mit diesem Gesetzentwurf ein gutes Werk vollendet ist, das sicher, wenn es einmal geändert werden muß, auch von denen temperamentvoll verteidigt wird, die es heute noch kritisieren.
Die Sozialdemokraten im Deutschen Reichstag haben das Gesetz über die Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenversicherung im Jahre 1927 hart erkämpft und einen Fortschritt für die damalige Zeit errungen. Die Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag haben maßgebend dabei mitgewirkt, daß ein weiterer Forschritt, der in unsere Gegenwart paßt, erreicht wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Derjenige, der die gesamte Debatte — man kann es eigentlich gar nicht eine Debatte nennen —, der die Ausführungen heute nachmittag verfolgt hat, müßte eigentlich zu der Erkenntnis kommen: Der Worte sind genug gewechselt, nun laßt uns endlich Taten sehen!
Wir haben heute nachmittag eigentlich keine Debatte geführt, sondern wir haben sehr viele Festreden auf dieses Gesetz gehalten, wir haben Festvorträge verlesen. Sogar der Herr Präsident hat zu Beginn der Sitzung darauf hingewiesen, daß heute ein ganz besonderer Tag ist, nämlich der Geburtstag der Internationalen Arbeitsorganisation.
— Bitte schön!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Folger?
Herr Kollege Schmidt, warum haben Sie denn dann nicht debattiert und sind nur still dabeigewesen und haben sich die sogenannten Festreden angehört?
Sehen Sie, Herr Kollege Folger, dazu wollte ich gerade etwas sagen. Ich habe mir vorhin schon einmal erlaubt, in einer kurzen Zwischenbemerkung festzustellen, daß ich glaube, daß dieses Gesetz einstimmig verabschiedet werden wird. Das sollte Ihnen im übrigen nicht ganz neu gewesen sein. Deshalb war eigentlich die Frage völlig überflüssig.
— Wieso, meine Damen und Herren? Ich war persönlich der Meinung — und das darf ich jetzt auch sehr deutlich sagen —, daß es bei diesem guten Gesetz, dem wir alle zustimmen — ich darf gleich noch einiges zum Inhalt sagen —, genügt hätte, wenn in drei ausgewogenen, guten Stellungnahmen der drei Fraktionen dazu etwas gesagt worden wäre. Das wäre vielleicht ein besserer Geburtstag gewesen, als die Dinge wieder in vielen kleinen Stellungnahmen über dreieinhalb Stunden hinauszuziehen.
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12934 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Ich darf hinzufügen: und wenn der § 37 mehr beachtet worden wäre.
Das außerdem, Herr Präsident. — Ich war dieser Meinung, und ich glaube, das wäre der Art dieses Gesetzes noch gerechter geworden.Wir Freien Demokraten sind völlig der Auffassung, die hier durch die beiden letzten offiziellen Sprecher bereits zum Ausdruck kam, daß es sich bei diesem Gesetz um eines der bedeutsamsten sozialpolitischen Gesetze handelt, die in der letzten Zeit verabschiedet worden sind. Es ist ein Gesetz, das nicht nur bestimmte Maßnahmen erweitert oder nach dieser oder jener Richtung Personenkreise verändert, sondern das die Weichen für die Gesellschaft der Zukunft stellt, das Weichen nicht nur für alle ' Arbeitnehmer stellt, sondern auch für unsere zukünftige Wirtschaftspolitik und all die Dinge, die auf Grund der Entwicklungen auf uns zukommen. Deshalb ist es ein so bedeutsames Gesetz.Ich stimme auch dem Kollegen Müller völlig zu— und darf das auch für meine Freunde sagen —, der das Gesetz als das wichtigste sozialpolitische Gesetz dieser Legislaturperiode ansieht. Ich möchte es sogar etwas abwandeln: ich sehe es als das für meine Begriffe — das darf ich dazu aus der Sicht der Opposition sagen — einzige wirklich vernünftige sozialpolitische Gesetz an, das in den letzten Jahren verabschiedet worden ist, weil es — —
— Haben wir noch nicht verabschiedet, abwarten!— Ich wiederhole: Weil es ein Gesetz ist, das frei von irgendwelchen parteidoktrinären, von irgendwelchen ideologischen Verkrampfungen ist. Wir haben das Gesetz eineinhalb Jahre lang beraten, in sehr sachlicher, in sehr nüchterner Weise und unter Berücksichtigung aller Vorstellungen und Einwände von allen Seiten der Betroffenen. Deshalb haben wir ein gutes Ergebnis. Deshalb haben wir heute keine harte Debatte. Denn es geht um ein Zukunftsgesetz, zu dem jeder von uns ja sagen muß. Wir haben alle die Dinge, die die Verabschiedung erschwert, die vielleicht wieder falsche Weichen gestellt hätten, vorher ausgebügelt.In diesem Zusammenhang möchte auch ich — und ich darf das für die Opposition ganz besonders sagen — Ihnen, Herr Minister, und den Herren Ihres Hauses sehr herzlich danken. Denn Sie hatten es mit uns ja nicht leicht. Wir hatten es aber auch — das darf ich ebenfalls sagen — mit Ihnen nicht leicht. Denn die Papierberge, die sich bei mir allein in den anderthalb Jahren allmählich aufgebaut haben und die ich gestern fortgeworfen habe, haben drei Papierkörbe gefüllt. Das war eine derartige Menge, was da in jeder Sitzung auf uns zukam. Aber es hat sich gezeigt, daß bei einem solchen Gesetz eingehende Beratungen das Richtige sind. Ich möchte hoffen, daß die Lehre, die wir alle daraus ziehen könnten, vielleicht bei manchen Überlegungen, bei manchen Beratungen, bei manchen Gesetzesmaßnahmen, die noch vorgesehen sind, etwas mehr ins Kalkül gezogen wird, als es bisher anscheinend geschieht.
— Auch die, wenn es sein muß, weil Sie dabei gleich die paritätische Mitbestimmung wieder haben wollen. Ich meine auch die Lohnfortzahlung, damit Sie es genau wissen. Aber davon haben wir schon einmal gesprochen, lassen wir das!Ich bedauere nur, daß nicht zum gleichen Zeitpunkt heute — das darf ich auch für meine Freunde sagen — das zweite wesentliche Gesetz mit verabschiedet werden konnte, wie es vorgesehen war, nämlich das Berufsausbildungsgesetz. Ich habe mich etwas gewundert, Herr Kollege Liehr und meine Damen und Herren von der SPD, daß davon heute so wenig zu hören war. Ich war — ich darf das offen sagen —, am vergangenen Wochenende von einer Auslandsreise zurückkommend, überrascht, daß plötzlich die zweite und dritte Lesung sein sollten; denn in der letzten Ausschußsitzung, an der ich teilgenommen hatte und wo es um diese Dinge ging, hieß es noch, das Berufsausbildungsgesetz solle gleichzeitig verabschiedet werden. Das wäre schöner gewesen. Nun, ich hoffe, das schaffen wir auch noch. Das ist jedenfalls die Auffassung meiner Fraktion.Nun, der Worte sind genug gewechselt, — noch nicht ganz bei mir —, die Weichen sind gestellt. Meine Damen und Herren, es kommt darauf an, daß auf diesen gestellten Weichen nun auch wirklich weitergearbeitet wird. Deshalb glaube ich, daß es nicht genügt, das Gesetz heute hier zu verabschieden, daß es nicht genügt, den guten Willen, der von allen Seiten heute erkennbar wurde, immer wieder deutlich zu machen, daß es vielmehr eine ganze Reihe von rasch zu ändernden Dingen gibt, daß Verordnungen geschaffen werden müssen, damit nun auch Taten folgen können.Es wird notwendig sein, daß die durch das Gesetz auf die Bundesanstalt zukommende Umstrukturierung und Umorganisation so rasch wie möglich erfolgt, daß sie so unkompliziert wie möglich erfolgt. Es wird auch, glaube ich, in diesem Zusammenhang notwendig sein, meine Damen und Herren, daß sehr schnell etwas aus der Welt geschafft wird, was immerhin in der Samstag/Sonntag-Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung" zu der wenig guten Schlagzeile geführt hat: „Nürnberger Bundesanstalt gegen das Arbeitsförderungsgesetz". Meine Damen und Herren, ich habe es sehr bedauert, daß eine solche Schlagzeile in der Ausgabe vom Samstag/Sonntag der „Süddeutschen Zeitung" erscheinen mußte. Ich habe es sehr bedauert, daß hier gewisse Hintergründe — ich will hier gar nicht auf die Einzelheiten eingehen — nun plötzlich auf dem offenen Markt in einer Form ausgetragen worden sind, die dazu führen können, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dieses Arbeitsförderungsgesetz sei gegen den Willen der Bundesanstalt gemacht worden, und daß hier plötzlich Gegensätze konstruiert werden. So war es nicht, so ist es nicht, meine Damen und Herren, so darf es nicht sein. Das muß aus der
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Welt geschafft werden; denn das wäre der erste Bremsklotz oder der erste Stein auf den Weichen, auf denen jetzt der Zug — Arbeitsförderungsgesetz — in die Zukunft fahren soll.Es gehört auch dazu, daß man sich nun im Rahmen der Durchführung dieses Gesetzes der notwendigen personellen Überlegungen annimmt, insbesondere auf dem Bereich der Berufsberatung, der Ausweitung dieser dritten, nun verstärkten Aufgabe der Bundesanstalt, der Forschung, vom Qualitativen und Quantitativen her. Das heißt auch, daß man die Berufsberater, die damit befaßten Menschen, besser einstuft, daß man sie sozial und finanziell besser stellt, als das zum Teil in der Vergangenheit der Fall war, damit sie. die Aufgaben, die auf sie zukommen, entsprechend lösen können und damit sich auch die qualifizierten Leute finden, die wir hierfür brauchen.Es heißt aber auch, ein Zweites zu schaffen. Wenn das Gesetz durchgeführt werden soll, verlangt es von der deutschen Wirtschaft und von allen Unternehmern eine Aufgeschlossenheit, nämlich überall dort, wo es notwendig ist, bei Umschulungs- und Fortbildungsfragen beispielsweise, Freistellungen zu ermöglichen. Es verlangt, daß hier eine Zusammenarbeit erfolgt. Es verlangt, daß die in der Wirtschaft angesprochenen Kreise sich der im Gesetz vorgesehenen Auflagen der Meldung usw. unterziehen, wobei ganz klar gesichert sein muß, daß die selbstverständlich notwendige Geheimhaltungspflicht interner Dinge usw. auch hier gewahrt bleibt. Bei einer Erforschung der zukünftigen Entwicklungen der Branchen usw. muß man natürlich die heutigen, die morgigen, die übermorgigen Daten laufend haben, sonst werden die Weichen eventuell wieder falsch gestellt.Es verlangt schließlich auch — und das nicht zuletzt, vielleicht sogar am meisten — trotz aller guten Reden heute, trotz des guten Gesetzes auch die Überzeugungskraft aller denen gegenüber, die durch dieses Gesetz in neue Berufe, zu Fortbildungsmöglichkeiten geführt werden sollen, denen dort die Möglichkeiten geboten werden; denn ich persönlich glaube, daß es nicht allein ausreicht, die materiellen Möglichkeiten durch Lohnausfallzahlung und dergleichen mehr zu schaffen, sondern daß es auch notwendig sein wird, in vielen Fällen ein gewisses Beharrungsvermögen zunächst einmal einzukalkulieren und es psychologisch geschickt für die Aufgaben der Umschulung, für die Fortbildung zu überwinden. Dies ist selbstverständlich in erster Linie eine Aufgabe der Bundesanstalt, der sie durch Information gerecht werden kann. Hier haben weiterhin einzelnen Arbeitgeber meines Erachtens eine Aufgabe. Vor allem aber sehe ich hier auch eine Aufgabe der Arbeitnehmerorganisation. Hier sehe ich einmal eine sehr gute Aufgabe für die Gewerkschaften,
sich in diesen Fragen für die Zukunft sozusagen etwas unter den Nagel zu reißen und vielleicht manchmal etwas Vergangenes, nicht mehr ganz Aktuelles dafür auf der Strecke zu lassen. Ichglaube, daß hier eine Weiche in der richtigen Richtung gestellt werden könnte.Ich will nicht noch auf einige an sich vorgesehene Dinge eingehen, sondern lediglich noch an zwei Dinge anknüpfen, weil sie uns besonders wichtig erscheinen. Das ist einmal die Tatsache der Zusammenfassung der gesamten Rehabilitationsmaßnahmen in einem eigenen Unterabschnitt. Wir begrüßen hierbei ganz besonders die Ausgewogenheit, die bei der Klärung der ganzen Dinge möglich war, die Ausgewogenheit, die der Bundesanstalt auf der einen Seite die Koordinierungsaufgabe gibt, die auf der anderen Seite aber die erfahrenen Träger der bisherigen Rehabilitation in ihren Aufgaben beläßt. Wir können nur hoffen, daß die Zusammenarbeit hier so ist, daß es nie notwendig sein wird, andere, etwas stärkere Maßnahmen zu ergreifen, daß also beide Teile ihre Aufgabe sehen und zusammenarbeiten.Ebenso begrüßen wir es sehr, daß die doch immer wieder etwas einseitige Schlechtwettergeldregelung nunmehr durch eine stärkere Förderung des produktiven Winterbaus, durch eine stärkere Möglichkeit — ich möchte beinahe sagen — der produktiven Schlechtwettergeldregelung einen Ausgleich erfahren hat, der dem mehr gerecht wird, was eine Winterbauförderung eigentlich sein sollte, und der wohl bereits gewisse Vorbilder in den nordischen Ländern hat; vielleicht hat das auch zumindest bei den Diskussionen im Arbeitsausschuß mit zur Schaffung dieser Regelung beigetragen. Wir hatten ja vor wenigen Jahren einmal Gelegenheit, das zu sehen, und ich habe mich damals immer gefragt: Warum geht bei uns so etwas nicht? — Gott sei Dank sind wir jetzt soweit, daß wir eine produktive Winterbauförderung und nicht so viel konsumtive Schlechtwettergeldbezahlung haben. Das halten wir im Sinne der neuen Maßnahmen auch für sehr gut.Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluß einiges überschlagen und nur noch folgendes sagen. Wir Freien Demokraten geben — das haben Sie vielleicht aus meinen Ausführungen schon entnehmen können — dem vorliegenden, sehr gut durchberatenen Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes gern unsere Zustimmung. Wir sehen darin ein gutes Instrument für eine flexible, zukunftsorientierte Arbeitsmarktpolitik nach dem Motto: Vorbeugen ist besser als Heilen; Arbeitslosigkeit verhindern ist besser, als sie überwinden müssen; wir sehen darin ein gutes Instrument, das sowohl von denen, die es handhaben müssen, nämlich von der Bundesanstalt, als auch von denen, für die es geschaffen ist, nämlich von denen, die umzuschulen und fortzubilden sind, optimal genutzt werden sollte und für dessen Anwendung wir alle, die wir ihm — so darf ich es von den Fraktionen her wohl annehmen — geschlossen zustimmen, uns nach besten Kräften einsetzen sollten. Denn erst dann, meine Damen und Herren, wenn den Buchstaben dieses Gesetzes und den vielen guten Worten, die heute dazu gesagt worden sind, auch die Taten folgen, werden auf den heute gestellten Weichen die Arbeitsmarktpolitik von morgen und die künftige Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik in eine Entwick-
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Schmidt
lung geführt werden können, die den zukünftigen Möglichkeiten und Notwendigkeiten und damit unser aller Zukunft gerecht wird.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Katzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zuerst sehr herzlich für die anerkennenden Worte bedanken, die von allen Fraktionen an die Adresse meines Hauses gerichtet wurden, und darf sie uneingeschränkt an meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weitergeben, denen ich auch hier für den über das normale Maß hinausgehenden Einsatz für das Zustandebringen dieses Gesetzesvorhabens während der letzten anderthalb Jahre persönlich danken möchte.
Ich will hier nicht den heute mittag ausgebrochenen Streit über Erstgeburtsrecht usw. noch einmal aufleben lassen. Ich erinnere mich an ein Sprichwort: Der Erfolg hat viele Väter. Dieses Gesetz scheint ein erfolgreiches Gesetz zu sein; denn alle sind die Väter dieses Gesetzes. Ich kann mich darüber nur freuen.
Nach anderthalbjähriger Arbeit an einem solchen Gesetzgebungswerk würde ich jetzt natürlich sehr gern eine zusammenfassende Übersicht geben, wofür Sie sicher Verständnis hätten und was an sich meine Pflicht wäre. Aber auf der anderen Seite sehe ich die Belastung des Hauses. Seit 3 Uhr befassen wir uns jetzt in erfreulich großer Zahl mit diesem Gesetzgebungswerk. Ich glaube, ich kann es Ihnen einfach nicht zumuten, jetzt eine solche geschlossene Darstellung entgegenzunehmen. Ich bin dem Herrn Präsidenten dankbar, daß er damit einverstanden ist, daß ich die geschlossene Darstellung zu Protokoll gebe. Ich lege natürlich Wert darauf, daß das als Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens nachlesbar ist. Jetzt möchte ich mich auf wenige Punkte beschränken, so daß ich meine Ausführungen um 1/28 Uhr beenden kann. Vielleicht wäre das eine Lösung, die sowohl der Sache als auch der Arbeitslage des Hauses angemessen ist. Ich darf mich jedenfalls sehr herzlich für das Verständnis bedanken.
Herr Minister, wir danken Ihnen, daß Sie es so machen wollen. Ich glaube, daß das ein sinnvolles Verfahren ist, daß nämlich das zu Protokoll gegeben wird, was für den weiteren Weg des Gesetzes notwendig ist. Es muß in diesem Hause nicht unbedingt alles gesagt werden, was da zu Protokoll gegeben wird. Vielen Dank, Herr Minister.
Ich darf dann drei Punkte des Gesetzgebungswerks herausgreifen, an denen ich die Grundkonzeption darzustellen versuchen möchte.Erstens ergänzt die moderne Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik notwendig und sinnvoll eine aktive und antizyklische Konjunkturpolitik. Sie trägt zweitens maßgeblich zur Lösung struktureller Aufgaben bei, und sie ist drittens in ihrem Kern auf Förderung des beruflichen Bildungswegs angelegt. Zu diesen drei Aspekten drei Bemerkungen.Erstens. Erstes Ziel der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik muß eine stabile Vollbeschäftigung auf hohem Produktivitätsstand sein. Sie ist lebensnotwendig für eine expansive Industriewirtschaft. Sie ist aber ebenso notwendig für die Erhaltung unserer Gesellschaft, sei es im Leistungswettbewerb, sei es in der Solidarität. Heute, im Aufschwung der Hochkonjunktur, vergißt man allzu leicht, daß unsere Volkswirtschaft wie die aller großen Industrieländer in einem Rhythmus von Über- und Unterbeschäftigung steht. Wir haben in dieser Legislaturperiode ein umfassendes Instrumentarium aktiver Konjunkturbeeinflussung geschaffen. Was dieses Instrumentarium leistet, in der Rezession wie im Konjunkturboom, müssen wir noch erproben. Zweifellos ist dabei das Verhalten der öffentlichen Haushalte ganz entscheidend, und einer dieser Haushalte, die auf die volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage Einfluß nehmen, ist der 3-Milliarden-Haushalt der Bundesanstalt mit einem Anlagevermögen von 6 Milliarden DM.Meine Damen und Herren, damit möchte ich den zweiten Punkt ansprechen. Noch wichtiger scheint mir die strukturpolitische Aufgabenstellung des Gesetzes zu sein. Sie ist Bestandteil einer modernen Arbeitsmarktpolitik. Der Bundesanstalt ist die Gewährung von Leistungen zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen aufgetragen. Dast hat Vorrang vor der Zahlung von Arbeitslosengeld. Ich wiederhole nur einen Satz aus der ersten Lesung: Jede Mark, die wir hier einsetzen, ist sehr viel sinnvoller ausgegeben, als wenn wir später Arbeitslosengeld zahlen. Ich glaube, dieser Grundsatz hat sich durchgesetzt.Damit komme ich zum dritten und wichtigsten Gesichtspunkt einer modernen Beschäftigungspolitik, zur Förderung der beruflichen Bildung. Ohne ausreichende berufliche Bildung gibt es kein Anpassungs- und Umstellungsvermögen der Arbeitnehmer. Berufliche Bildung ist weitgehend Voraussetzung für berufliche Mobilität. Deshalb sieht das Arbeitsförderungsgesetz ein beinahe komplettes System individueller und institutioneller Förderungsmaßnahmen der Berufsbildung vor bis hin zu den Maßnahmen zur Wiedereingliederung und zum Abschnitt Rehabilitation. Den Freunden, die daran besonders mitgewirkt haben, bin ich persönlich besonders dankbar, auch dankbar für die Ausführungen, die dazu heute in der Debatte gemacht worden sind, die ich in jedem Satz unterstreichen kann.Damit hat der vorwärtsstrebende Arbeitnehmer, aber im strukturellen Wandel auch der Selbständige bis hin zum Bauern, nicht nur eine abstrakte Bildungschance, er kann sie auch realisieren, sei es in der Fortbildung, sei es im Aufstieg, sei es in der Umstellung.
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Bundesminister KatzerMeine Damen und Herren, damit komme ich — um den Kreis zu schließen — zu den weiteren Gesetzgebungswerken. Und ich freue mich, daß der Sprecher der Opposition es bedauert hat, daß das zweite, noch ausstehende Gesetz, nämlich das Berufsbildungsgesetz heute nicht mitgelesen werden konnte. Aber ich habe vorhin schon im Zusammenhang mit der Großen Anfrage über die älteren Arbeitnehmer gesagt, das steht in einem unmittelbaren Zusammenhang, und wir werden es ja in 14 Tagen oder drei Wochen sicherlich hier im Hohen Hause gemeinsam zu beraten haben.
— Zu beschließen. — Das Berufsbildungsgesetz wird die gesetzlichen Grundlagen für die dringend notwendige einheitliche Entwicklung der Ziele, Inhalte und Methoden der beruflichen Bildung schaffen. Hierauf haben die Maßnahmen des Arbeitsförderungsgesetzes aufzubauen, ebenso die Hilfen des Ausbildungsförderungsgesetzes. Das Arbeitsförderungsgesetz verankert die Arbeitsmarkt- und die Berufsforschung, das Berufsbildungsgesetz legt die wissenschaftlichen Grundlagen für die Erforschung der entsprechenden Bildungsnotwendigkeiten, und so ergänzen sich beide Gesetze. Wenn beide Gesetze vom Hohen Hause verabschiedet sind, dann tun wir, Herr Kollege Moersch, doch, wie ich glaube, einen guten Schritt nach vorn, und ich glaube, wir beheben das, was vor eineinhalb Jahren von mir bedauernd festgestellt wurde, nämlich die große Schlagseite der bildungspolitischen Diskussion in Deutschland: daß man, wenn man von Bildungspolitik spricht, immer nur unsere Universitäten und Hochschulen meint und den gesamten Bereich der beruflichen Bildung ausläßt. Das holt der Deutsche Bundestag mit einem wesentlichen und wichtigen Gesetz auf.
Und wir werden es in 14 Tagen oder drei Wochen weiterführen, wenn das Berufsbildungsgesetz den gesamten Rahmen gibt und einen Abschluß herbeiführt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch, Herr Minister?
Bitte!
Bitte, Herr Moersch!
Herr Minister, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß ich Ihre Auffassung voll teile und um so mehr bedauere, daß die Bundesregierung z. B. nicht in einem umfassenden Ausbildungsförderungsgesetz und im Zusammenhang mit dem Bildungsrat und dem Wissenschaftsrat diese Gesichtspunkte durchgesetzt hat, die Sie hier genannt haben!
Ich bin Ihnen für Ihre Erklärung sehr dankbar, Herr Kollege.
Damit darf ich zum Abschluß kommen, meine Damen und Herren. Ich habe zum Abschluß sehr herzlich zu danken dem Vorsitzenden des Ausschusses für Arbeit, dem Kollegen Adolf Müller, und dem stellvertretenden Vorsitzenden
für die unermüdliche Arbeit, die geleistet worden ist. Ich habe zu danken der Bundesanstalt, der Selbstverwaltung und dem Präsidenten der Bundesanstalt, denen, die ich als eifrige Mitleser, Hörer und Schreiber den ganzen Tag auf der Tribüne des Hauses sehe.
Ich darf das als das werten, als was ich es sehe. Herr Kollege Schmidt, ich lasse mich von Schlagzeilen auch sehr guter Zeitungen nicht so leicht beeindrucken. Ich glaube, wir sollten dankbar sein für jedes kritische Wort, das uns entgegengebracht wird, dankbar dann, wenn wir spüren und wissen, es kommt aus dem Willen, Besseres zu schaffen. Und die Kritik der Bundesanstalt und aller Beteiligten — am Anfang waren ja alle gegen das Gesetz — hat, glaube ich, wesentlich dazu beigetragen, daß dieses Gesetz besser geworden ist. Ich gestehe es ganz freimütig: es ist im Ausschuß sehr viel besser geworden, als es von mir konzipiert wurde. Dafür sage ich dem Hohen Hause meinen aufrichtigen und herzlichen Dank.
Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Arbeitsförderungsgesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme des Gesetzes fest.Wir kommen zur Abstimmung über die Ziffern 2 und 3 des Ausschußantrages auf Seite 1 der Drucksache V/4110. Wer diesen beiden Anträgen zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die beiden Entschließungsanträge. Zunächst Antrag der Abgeordneten Burger, Bals, Reichmann und Genossen, Umdruck 656. — Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Dann der Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 657. Wer ihm zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ebenfalls einstimmig angenommen.Damit ist der große Tagungsordnungspunkt 2 erledigt.Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und
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12938 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Vizepräsident Dr. MommerPublizistik über die Anträge der Fraktionen zu Großen Anfragen und zur Aussprache über den Bericht der Bundesregierungbetr. bildungspolitische Fragen— Umdrucke 301, 302, 303, 357, 358, 359, 360,442, 443, 439, 440, 441, Drucksache V/3968 —Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Wex Abgeordneter Dr. Kübler Abgeordneter Dr. MühlhanIch bin unterrichtet, daß die Berichterstatter Ausführungen zu dem Gesetz machen wollen. Zunächst Frau Abgeordnete Dr. Wex.
Herr Präsident! Sehr geherte Damen und Herren! Der Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik legt diesem Hohen Hause heute das Ergebnis seiner langen Beratungen zur Schul- und Hochschulreform, Wissenschaftsplanung, Wissenschaftsförderung, zu den Schwerpunktaufgaben in Wissenschaft und Forschung sowie zur wissenschaftlichen Politikberatung vor. Gleichzeitig bittet er das Hohe Haus, dem vorgelegten Antrag zuzustimmen. Als Berichterstatterin darf ich ein paar Worte zur Erläuterung des Schriftlichen Berichts, der Ihnen in Drucksache V/3968 vorliegt, vorausschicken.Der Bericht geht zurück auf zahlreiche Anträge, die im Zusammenhang mit zwei Großen Anfragen der CDU/CSU-Fraktion und einer Großen Anfrage der SPD-Fraktion von allen drei Fraktionen dieses Hauses im Plenum gestellt worden sind. Die in diesen Anträgen enthaltenen Anliegen hat der Wissenschaftsausschuß in vier Schwerpunkte aufgegliedert:Erstens. Im Hinblick auf die dringend notwendige Reform unseres gesamten Bildungs- und Ausbildungswesens gilt es, wirksame Maßnahmen zur Schulreform, Berufsbildungsreform und Hochschulreform unverzüglich in Angriff zu nehmen, nach Möglichkeit ein Gesamtkonzept zu entwickeln und zielstrebig durchzuführen.Zweitens. Durch Systemanalyse müssen unverzüglich die Prioritäten in der wissenschaftlichen Großforschung festgelegt werden, so daß unsere Wissenschaft, Wirtschaft und Technologie die Aufgaben der Zukunft bestehen kann.Drittens ist es notwendig, Großrechenanlagen in verstärktem Umfange für wissenschaftliche Arbeiten einzusetzen, die Rechenkapazitäten weiter auszubauen und die Förderungsmöglichkeiten für die deutsche Computerindustrie zu verbessern.Viertens. Die wissenschaftliche Politikberatung der Bundesregierung muß auf eine tragfähige Grundlage gestellt werden.Bei seinen Beratungen über die in der vorliegenden Drucksache zusammengefaßten Empfehlungen zur bildungspolitischen Neuordnung hat der Wissenschaftsausschuß zwei Leitlinien in den Vordergrund gestellt, an denen er seine Meinungsbildung orientiert hat.Erstens. Das Bildungssystem muß so ausgebaut werden, daß eine der Eignung und schulischen Qualifikation entsprechende freie Wahl von Beruf und Ausbildungsstätte auf allen Ebenen des Bildungswesen praktisch garantiert wird.Zweitens. Das Ausbildungssystem muß so differenziert werden, daß die individuelle Nachfrage nach Bildung und der Bedarf von Wirtschaft und Gesellschaft, insbesondere auch der Bedarf im Bildungswesen selbst, einander möglichst angenähert werden können.Die vor Ihnen liegende Entschließung des Wissenschaftsausschusses zur Studienreform, die die bisherigen Erörterungen, Überlegungen und Meinungsbildungen im Sinne einer programmatischen Erklärung thesenartig zusammenfaßt, enthält die nach seiner Auffassung notwendigen Grundsätze a) für eine kooperative Zusammenarbeit von Bund, Ländern und wissenschaftlichen Organisationen auf dem gesamten Gebiet der Bildung, b) zur Entwicklung eines richtungweisenden Konzepts für einen einheitlichen Bildungsweg, c) für eine strukturelle Neuordnung des Hochschulwesens und für ein modernes Hochschulrecht.So weit meine Bemerkungen als Berichterstatterin. Ich habe nunmehr die Ehre, namens der CDU/CSU- Fraktion zu dem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag folgende Erklärung abzugeben.Die deutschen Universitäten werden dm Jahre 1980 nach Schätzung des Wissenschaftsrates 380 000 und nach Schätzung der Kultusministerkonferenz 480 000 Studenten aufnehmen müssen. Andere Zahlen, die auf Grund der Übergänge bzw. der Erfolgsquoten der Jahre 1967 und 1968 an den Gymnasien errechnet wurden, sprechen sogar von etwa 600 000 Studenten. Bedenkt man weiter, daß die vorgesehenen Ausbildungskapazitäten, wie sie der Wissenschaftsrat im Juli 1967 für das Jahr 1970 vorgeschlagen hat, bereits im Wintersemester 1967/68 bei den bevorzugten Disziplinen um zwischen 10 % und 70 % überschnitten wurden, so zeigt sich, daß die bestehenden wissenschaftlichen Hochschulen in der Bundesrepublik eine erhebliche Anzahl von Studienbewerbern in den kommenden Jahren nicht aufnehmen können. Gründe dafür sind: Erstens. Der Aufbau einer wissenschaftlichen Hochschule dauert in der Regel zehn Jahre; Zweitens. Zehntausend Studienplätze kosten unter Einbeziehung aller Nebenausgaben etwa 2 Milliarden DM; Drittens. Die Schaffung eines Studienplatzes kostet durchschnittlich 200 000 DM. Damit ist die Finanzkraft der öffentlichen Hand überfordert.Ein Ausbau der Hochschulen in dem Umfang, der künftig notwendig erscheint, ist daher nur möglich, wenn im Gesamthaushalt einschneidende Prioritätsverlagerungen vorgenommen werden. Zum mindesten aber muß gefordert werden, daß den Ausgaben für das Bildungswesen ein angemessener Anteil am Bruttosozialprodukt zukommt und die Gleichrangigkeit der Ausgaben für das Bildungswesen mit Verteidigungsausgaben und Soziallasten gesichert wird.
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Frau Dr. WexDie gegenwärtigen Schwierigkeiten an den wissenschaftlichen Hochschulen können nur dann bereinigt werden, wenn drei Gesichtspunkte bedacht und die politischen Konsequenzen daraus gezogen werden:Erstens. Die Kapazität unserer wissenschaftlichen Hochschulen muß sich u. a. auch an dem Bedarf von Staat und Wirtschaft orientieren. In diesem Rahmen sollen die individuellen Studienwünsche optimal erfüllt werden.Zweitens. Die gegenwärtige Form des Abiturs entspricht nicht in ausreichendem Maße den individuellen Begabungen und dem differenzierten Bildungsbedürfnis der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft.Drittens. Den gewachsenen Bedürfnissen in allen Schichten unseres Volkes nach weiterführender Bildung steht kein ausreichend differenziertes Bildungswesen gegenüber.Angesichts der zukunftsentscheidenden Bedeutung von Schul- und Hochschulreform haben sich Bundestag und Bundesregierung schon 1967 in die allgemeine Diskussion um das Bildungswesen eingeschaltet, obwohl die Kompetenzen auf diesem Gebiet seinerzeit allein zur Kulturhoheit der Länder gerechnet wurden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat schon damals darauf hingewiesen, daß die vielfältigen Fragen der Bildungsreform nur von einer Gesamtkonzeption aus gelöst werden können. Aus der Verantwortung für das Gemeinwohl f orderten wir schon vor geraumer Zeit eine Bundesrahmenkompetenz für Bildungsplanung und Hochschulwesen. Erfreulicherweise hat der Bundesrat in der vergangenen Woche einer Rahmenkompetenz des Bundes für allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens zugestimmt. Die CDU/CSU-Fraktion hat noch während der Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern im Vermittlungsausschuß eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Arbeitskreises für Wissenschaft und Publizistik eingesetzt, die ein Hochschulrahmengesetz des Bundes auf der Grundlage eines kooperativen Föderalismus in Kürze vorlegen wird.In der künftigen Nr. 1 a des Art. 75 Abs. 1 des Grundgesetzes ist die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens festgelegt. Wir gehen bei unseren Überlegungen zu einem Hochschulrahmengesetz davon aus, daß die Aufgaben der Universität — Forschung und Lehre — neu formuliert werden müssen. Dabei ist nach unserer Auffassung besonders herauszustellen, daß die Universitäten nicht zu Berufsschulen umfunktioniert werden. Die grundlegende Aufgabe der Universitäten besteht nach wie vor in der Gewinnung und Weitergabe wissenschaftlicher Erkenntnisse, der Weiterentwicklung der Forschung, in der Bildung und Ausbildung der jungen Menschen. Die Universitäten haben so vor allem auch dem Nachwuchsbedarf unseres Landes zu dienen, indem sie die Führungskräfte auf allen Gebieten zur Verfügung stellen. Für die Lehrer und Forscher muß dabei im Rahmen des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit gewährleistet sein, daß sie ihre Lehr- und Forschungstätigkeit in der für das kritische und schöpferische Denken unentbehrlichen Unabhängigkeit ausüben können.Die Stellungnahme der drei Wissenschaftspräsidenten in der letzten Woche, am 6. Mai, weist darauf hin, daß schematisierte Paritäten und Proporzsysteme keine Rezepte zur Reform unserer Hochschulen sind. Die Drittelparität hat die CDU/CSU immer abgelehnt. Vielmehr darf sich eine Reform der Universität nicht in der Erarbeitung von Organisationsformen erschöpfen, sondern sie muß vor allen Dingen die Fragen nach dem Standort der Universität im gesamten Bildungsgefüge und in der Gesellschaft beantworten und Lösungen für das Massenproblem anbieten sowie die Hochschulfinanzierung neu ordnen.Zur Hochschulorganisation muß rahmenrechtlich festgelegt werden, daß Kontinuität in der Universitätsleitung herrscht und daß die Fachbereiche — Fakultäten — klein genug sein müssen, um wirksam arbeiten zu können, und groß genug, um die Zersplitterung der Universität zu verhindern. Weiterhin ist die Stellung der Fachhochschulen gegenüber den Universitäten zu klären.Dem Massenproblem an unseren Universitäten ist auf der einen Seite durch intensiven Ausbau und Neubau der wissenschaftlichen Hochschulen zu begegnen. Man muß wohl davon ausgehen, daß unsere Universitäten auf eine Gesamtkapazität von zirka 400 000 Studienplätzen gebracht werden müssen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Bewältigung des Anwachsens an unseren Universitäten nicht möglich ist ohne strukturelle Veränderung der Universität und des gesamten Bildungswesens selbst.Nichtsdestoweniger ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Schritt der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Hochschulbauförderungsgesetzes im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben. Wir hoffen, daß das Gesetz eine funktionsgerechte Hochschulstruktur und eine Neuordnung des Studiums erleichtern möge, dabei jedoch die für die Universitäten notwendige Einheit von Forschung und Lehre wahrt. Es ist zu begrüßen, daß die Aufgaben in einem gemeinsamen Rahmenplan zwischen Bund und Ländern koordiniert werden — § 5 ff. Hochschulbauförderungsgesetz —.Durch die Zusammenarbeit zwischen Planungsausschuß und Wissenschaftsrat, wie sie im Gesetzentwurf vorgesehen ist, dürfte sichergestellt sein, daß der Rahmenplan ständig einer in die Zukunft weisenden Diskussion ausgesetzt und stets nach den modernsten Erkenntnissen ergänzt wird. Das Hochschulbauförderungsgesetz sollte möglichst schnell von diesem Hause verabschiedet werden, um den Beginn des ersten Rahmenplans im Jahre 1972 nicht in Frage zu stellen. Allerdings muß in diesem Gesetz ein Mitspracherecht des Bundes hinsichtlich der Anerkennung neuer wissenschaftlicher Hochschulen verankert werden.Der Bund hat keine ausreichende Rahmenkompetenz für die Bildungsplanung erhalten. Allerdings ist im künftigen Art. 91 b des Grundgesetzes ein
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Frau Dr. Wexbundesfreundlicher Hoffnungsschimmer hierzu enthalten; denn nach diesem Artikel können Bund und Länder auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung zusammenwirken. Wir sehen hier einen wichtigen Ansatzpunkt zu einer kooperativen und koordinierten Bildungsplanung von Bund und Ländern, welche die Einheitlichkeit des Bildungs- und Ausbildungswesens im Bundesgebiet verwirklichen könnte.Grundlage einer sachgerechten Bildungsplanung ist eine Prognose der zahlenmäßigen Entwicklung derjenigen Berufe bis 1980, die eine Vorbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule oder Fachhochschule erfordern. Der Bund muß hier in Zusammenarbeit mit den Ländern klären, welcher Bedarf an Hochschulabsolventen einschließlich der Fachhochschulabsolventen bis 1980 zu erwarten ist. Aus dieser Bedarfsanalyse sind dann die entsprechenden Konsequenzen für Bauinvestitionen und Personalausstattung zu ziehen.In diesem Zusammenhang ein Wort zur Sekundarschulempfehlung des Bildungsrates, die unter dem Schlagwort „Abitur I" und „Abitur II" in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist. Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß die Empfehlungen der Bildungskommission zwar jedem ein sogenanntes Abitur geben wollen, daß aber die Gefahr besteht, daß niemand ein wirkliches Abitur mit voller allgemeiner Hochschulreife erreicht. Manche Anregungen aus den Empfehlungen verdienen geprüft zu werden. Insgesamt erscheint das Modell jedoch nicht in dem erforderlichen Maße praktikabel. Ein realistischer Ansatz der Reformpolitik wird das differenzierte Bildungssystem weiter zu entwickeln haben, z. B. auch in der Richtung der jüngsten Beschlüsse der Ministerpräsidenten über die Fachoberschulen und vor allen Dingen über den praxisbezogenen Bildungsweg. Hand in Hand damit ist eine Reform der Laufbahnbestimmungen unerläßlich.Die CDU steuert nicht eine globale Lösung des Bildungswesens an. Der Wandel der Gesellschaft und der pädagogischen Einsichten ist so intensiv, daß man sich für zukünftige Entwicklungen offenhalten muß. Was aber jetzt schon geschehen kann, ist, daß das, was in der Psychologie, Pädagogik und Soziologie schon als gesichert angesehen werden kann, schon jetzt in das Gesamtbildungswesen eingebaut und weiter entwickelt wird. Totallösungen sind intellektuell befriedigend, aber in der Realität hindern sie daran, die wirklichen Einsichten zu verwirklichen.Die CDU hat sich schon im vorigen Sommer in einem Papier über die notwendigen Reformen geäußert. Dabei hat sie im einzelnen folgende Schwerpunkte gesetzt: Erstens. Ausbau der vorschulischen Erziehung ab 5. Lebensjahr unter Einbeziehung der freien Träger. Zweitens. Einführung des 10. Vollzeitpflichtschuljahres im Anschluß an die Hauptschule als Berufsgrundschuljahr. Drittens. Schaffung einer Berufsoberschule. Viertens. Ausbau der Fachhochschulen mit Fachoberschulen als den notwendigen Zubringern. Fünftens. Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen auf eine Kapazität von 400 000 Studienplätzen einschließlich Tutorenprogramm für die Anfangssemester und Einrichtung von Zentren für Hochschuldidaktik. Sechstens. Bundeseinheitliche Entwicklung und Ausbau des Universitätsfernsehens zur Entlastung unserer Hochschulen für die Anfangssemester.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Meinecke?
Frau Kollegin, darf ich Sie fragen, ob im Rahmen einer kommentierenden Berichterstattung der gemeinsamen Beschlüsse des Ausschusses Ihre Kritik an den jetzt erarbeiteten Vorschlägen des Bildungsrates ausreichend und tiefschürfend genug reflektiert ist.
Herr Kollege Dr. Meinecke, ich hätte Ihnen das Wort zu der Zwischenfrage nicht gegeben, wenn Frau Dr. Wex nicht vorher ausdrücklich gesagt hätte, bis dahin sei sie Berichterstatterin, und von da ab erkläre sie etwas für ihre Fraktion.
Natürlich, sonst hätte ich auch nicht gefragt.
Im Rahmen der Erklärung der Fraktion braucht sie sich nicht an das zu halten, was ein Berichterstatter berichten muß. Ich glaube, es war korrekt.
Ich möchte mit der Erklärung im Namen der CDU/CSU-Fraktion fortfahren.Die Reform des Bildungswesens muß in die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung des Landes eingebaut werden. Die Kosten der Bildungs- und Hochschulreform müssen ständig mit bedacht werden. Es ist inzwischen fraglich geworden, ob sie aus dem wachsenden Sozialprodukt finanziert werden können, wie das noch bis vor einiger Zeit maßgebende Bildungsökonomen geglaubt haben. Es ist vielmehr so, daß die Kosten für das Bildungswesen viel rascher ansteigen. So verdoppeln sich die Kosten für die Wissenschaft etwa alle sechs bis acht Jahre, wie die Entwicklung auch in Deutschland zeigt. Der Bildungsrat hat alein für das Schulwesen den Betrag von 25 Milliarden DM bis zum Jahre 1975 genannt.Alle für das Bildungswesen genannten Vorschläge zur Reform haben wenig Sinn, wenn sie nicht von realistischen finanziellen Vorstellungen begleitet sind. In der CDU/CSU werden gegenwärtig Kostenberechnungen angestellt, so etwa für die Fachhochschulen, die vorschulische Bildung, für die Pädagogisierung der Kindergärten, für die generelle Einführung des 10. Schuljahres und die Einrichtung der Fachoberschulen. Wir werden ein solches Zahlenwerk zusammen mit der Zusammenfassung unserer Vorstellungen über die Reform des gesamten Bildungswesens vorlegen.
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Frau Dr. WexDie CDU/CSU geht davon aus, daß Bildung die ständige Aufgabe von Schule und Hochschule ist und befindet sich damit in Übereinstimmung mit allen Parteien. Unser bildungspolitisches Konzept soll jedem die gleiche Bildungschance einräumen und durch ein reiches Bildungsangebot individuelle Bildungswünsche bei entsprechender Leistung optimal berücksichtigen.Selbstbestimmung des Menschen durch Bildung heißt für uns, daß jeder einzelne die Chance haben muß, gesellschaftliche Funktionen und soziale Aufgaben sachgerecht zu erfüllen, daß die Gesellschaft aber nicht über den einzelnen als Person verfügen darf.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kübler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gab eine Vereinbarung zwischen den Kulturpolitikern, in etwa zehn Minuten nur zu der Ausschußdrucksache zu sprechen. Ich werde mich an diese Vereinbarung halten, obwohl es mich in den Fingern juckt, auch zu den sonstigen Dingen Stellung zu nehmen.
— Natürlich, klarer Fall! Ein sehr guter Zwischenruf.
Wer in dem jetzt vorliegenden Antrag genannten Aufgaben und den ihnen nach der Meinung des Ausschusses gebührenden Vorrang mit der Negativliste vergleicht, die der erste Ausschußbericht vor etwa drei Jahren enthielt, bemerkt einen sehr entscheidenden Unterschied. Vor drei Jahren hatte der für diese Arbeit neu gebildete Ausschuß bei einer Fülle von Fragen mit den Versäumnissen der Vergangenheit zu ringen und dabei das Informationsrecht des Bundestags, des Parlaments für die in Wissenschaft und Technologie neu aufkommenden Fragen zu erstreiten. Der jetzt vorliegende Antrag dagegen ist von dem Initiativrecht des Parlaments geprägt und ersucht die Regierung, in ganz genau umschriebenen Fällen zu exakt genannten Terminen zu handeln.
Bericht und Antrag des Ausschusses liegen seit dem 14. Februar vor. In dem Bericht wird auf Sachverständige aus den verschiedensten Gebieten der Wissenschaftsorganisationen, der Forschung, der Industrie, der Verwaltungen der Länder und des Bundes hingewiesen, die durch ihre Spezialbeiträge den allgemeinen Informationsgrad des Parlaments erweiterten. Wir müssen ihnen dafür dankbar sein, daß dadurch die Fülle offensichtlicher und beziehungsloser Einzelprobleme von uns zu einer politischen Willenserklärung zusammengezogen werden konnte.
Aus dem vorliegenden Ausschußantrag will ich in der gebotenen und vereinbarten Kürze nur vier Folgerungen ziehen.
Erstens. Wir kommen nicht mehr darum herum, bei der Bedarfsfeststellung und -planung für akademische Berufe neben der Forderung nach einem Mehr in gewissen Zweigen auch das Genug in den anderen zu zeigen. Die Bedarfsplanung muß also auch dem einzelnen Studienbewerber oder Studenten die Chancen einer späteren Verwertung seines Wissens zeigen und vor Augen führen. Aus den Werten der Bedarfsplanung muß sich eine Beratungsmöglichkeit für Studienchancen ergeben.
Zweitens. Die finanziellen Dispositionen für die notwendigen Aufgaben der Förderung von Wissenschaft und Technologie dürfen nicht dauernd ein bloßes Reagieren auf die einzelnen Erweiterungen und Veränderungen sein. Wer qualitativ und quantitativ unsere wissenschaftliche Situation im Sinne des Ausschußantrags verbessern will, muß auch für die erhöhten Kosten geradestehen. Ich bin überzeugt, daß das Parlament den Mut haben wird, seinen Anteil an diesen Kosten der vom Ausschuß als notwendig angesehenen Maßnahmen mit zu verantworten. Aber die Regierung muß mit den hier zur Verfügung stehenden Möglichkeiten die Kosten nicht nur rechtzeitig berechnen, sondern auch bekanntgeben.
Drittens. Bei dem vom Ausschuß geforderten Gesamtplan für Bildung und Wissenschaft geht es nicht darum, eine auf eine ferne Zukunft projektierte Idealvorstellung irgendwie zu beschreiben, was ein absolutes Mißverhältnis unserer einzelnen Anliegen wäre. Wichtig ist vielmehr, daß bei der Koordinierung in der Bund-Länder-Kommission für Wissenschaft und Forschung gewisse Impulse auch in die Landespolitik getragen oder in die Problemstellung der Landespolitik übersetzt werden.
Viertens. Wenn in bezug auf die internationale Zusammenarbeit und die Technologie noch mehr vergleichende Informationen gefordert werden, so stehen doch die vom Ausschuß genannten Ziele im Vordergrund. Besonders im Blick auf diese Ziele soll das Informationsmaterial gesammelt werden. Wir wollen nicht in Informationen ertrinken, sondern wir brauchen sie als Hilfsmittel zur Erreichung der erarbeiteten Zielvorstellungen.
Zum Schluß: Der Ausschußantrag unterstreicht den Initiativwillen des Parlaments. Wir wollen uns den modernen Fragen der Wissenschaftspolitik nicht nur reagierend stellen, wir wollen Ziele setzen, und wir glauben, Ziele gesetzt zu haben. Wir erwarten, daß die Regierung gangbare Wege findet und uns diese auch in Alternativen beschreibt. Wir erwarten die wegweisende Antwort der Bundesregierung im nächsten Forschungsbericht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ursprünglich geplante Debatte zu Wissenschafts- und Bildungsfragen ist nun bezeichnenderweise von den beiden Koalitionsfraktionen auf diesen Zeitpunkt verschoben worden, so daß uns als Mitgliedern des Wissenschaftsausschusses auch nicht sehr viel anderes übrig bleibt, als hier Erklä-
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Moerschrangen abzugeben. Allein die Debatte, die wir vorhin in diesem Hause zum Arbeitsförderungsgesetz gehört haben, und die Einwürfe des Bundesarbeitsministers zu der Frage der Geringschätzung beruflicher Bildung insgesamt in unserem Bildungswesen — die ich für berechtigt halte — machen es offensichtlich notwendig, die Frage zu stellen, welche Konzeption die Bundesregierung für das gesamte Bildungswesen habe. Daß wir diesem Hohen Haus eine so umfängliche Vorlage des Wissenschaftsausschusses unterbreiten, impliziert gleichzeitig die Antwort auf diese Frage: Die Bundesregierung hat keine derartige Kozeption, sie ist auf diesem Gebiet nicht schöpferisch tätig, sonst hätte eine solche Vorlage durch die Initiative des Parlaments entstehen müssen.Zum anderen ist hinzuzufügen, daß die Verhältnisse innerhalb der Bundesregierung und gerade die Bemerkungen zum Berufsbildungs- und Arbeitsförderungsgesetz an diesem Abend eigentlich verlangten, daß bei einer solchen Debatte etwa das halbe Kabinett wegen der Zuständigkeiten, die hier gegeben sind, anwesend wäre: Der Bundesarbeitminister nach seinen eigenen Bekundungen, den wir im Wissenschaftsausschuß allerdings bisher nicht als besonders wichtigen Gesprächspartner angesehen haben — aber ich gebe zu, daß er es ist —, der Wissenschaftsminister, der nicht anwesend ist und sich vertreten lassen muß, der Innenminister, der an diesem Abend gar nicht vertreten ist — die Reihe läßt sich leicht fortsetzen —, vor allem der Wirtschaftsminister, der für das Ingenieurschulwesen zuständig ist, und viele andere Minister, die hier aufzumarschieren hätten. Allein dieser Zustand zeigt uns, in welchem Verhältnis die Bundesregierung sich zu den wichtigen bildungspolitischen Fragen unserer Zeit befindet, nämlich in gar keinem.
Bevor ich die vorbereitete und abgesprochene Erklärung der FDP-Fraktion verlese, möchte ich noch eine kurze Bemerkung zu dem Bericht bzw. zu den Meinungsäußerungen machen, die die CDU/CSU- Fraktion hier vortragen ließ. Ich würde die Absprache durchbrechen, wenn ich mich jetzt im einzelnen mit den Thesen auseinandersetzen wollte, die hier vorgebracht worden sind. Ich will nur pauschal sagen, daß mich diese Konzeption, die hier angeklungen ist, nicht überzeugt hat und mich auch nicht überzeugen kann, daß ich sie für einen späten Versuch halte, sich über diese Fragen zu einigen, was der CDU als Partei insgesamt nicht gelungen ist. Es vermittelt in der Öffentlichkeit ein falsches Bild über die wirklichen Machtverhältnisse in der CDU, dies als Meinung eines Arbeitskreises vorzutragen. Wenn Sie das, was auf dem Parteitag der CDU in Berlin beschlossen wurde, mit dem vergleichen, was Sie hier selbst initiiert haben, dann werden Sie dem wohl nicht widersprechen können, Herr Dr. Martin. Wenn Sie das, was Ihr Kollege, Kultusminister Dr. Vogel, der Öffentlichkeit mitteilt, mit dem vergleichen, was Sie selbst anstreben, sind das zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Von den anderen Unterschieden abgesehen, halte ich Ihre Art von differenziertem Bildungswesen für einen vollständigen Gegensatz zu dem, was ich aus den Bemerkungen Ihres Parteifreundes Katzer vorhin entnehmen zu müssen glaubte.Ich möchte also vorschlagen, daß wir, bevor wir die nächste größere Debatte in diesem Hause führen, doch einmal den gesamten Standpunkt der CDU zu diesen Fragen kennenlernen. Das wäre eine gute Grundlage für deutsche Politik auf diesem Gebiet.
— Es ist schwer, sich über die CDU-Haltung zu informieren, weil sie so facettenartig schillert und weil sie je nach Diskussionsort von verschiedenen Leuten verschieden vorgetragen wird und weil sie insgesamt nicht überzeugend ist. Diese Art von Konfusion scheint sich in diesem Punkt auch auf die Führung der Bundesregierung übertragen zu haben; sonst hätten wir nicht den desolaten Zustand, den wir heute haben. Ich fürchte, die nächste große Debatte können wir in diesem Hohen Hause leider erst dann wieder führen, wenn Anstöße von außen gekommen sind. Von innen ist bisher leider nicht das entscheidende Wort gesprochen worden. Das vermissen wir, und das ist die Folge einer mangelnden Führungskraft auch des Bundeskanzlers.Die Vorlage des Wissenschaftsausschusses, über die dieses Hohe Haus heute zu beschließen hat, ist ungewöhnlich umfangreich und zugleich detailliert ausgefallen. Es wird jedem bei der Lektüre des Antrages einleuchten, daß die Möglichkeiten des Bundes, diese Wünsche des Bundestages durchzusetzen, teilweise beschränkt sind.Wir Freien Demokraten bedauern, daß der 5. Deutsche Bundestag nicht dem Wunsch der FDP- Opposition nach einer stärkeren Mitverantwortung des Bundes in der Bildungs- und Hochschulpolitik durch Verfassungsergänzungen gefolgt ist. Die FDP bedauert ganz besonders, daß die wenigen vom Bundestag akzeptierten Ansatzpunkte bei der Finanzreform an dem Verhalten des Bundesrates gescheitert sind. Was übriggeblieben ist, ist ein Minimum, das nicht befriedigen kann. Nur eine klare parlamentarische Verantwortlichkeit, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wird auf die Dauer den Vorrang der Bildungspolitik in unserem Land sicherstellen können. Das undurchsichtige System geteilter Verantwortlichkeit, das jetzt — von Ihnen sogar noch gelobt — durch das Institut der Gemeinschaftsaufgaben mit dem Quasi-Verfassungsorgan der Planungsausschüsse noch undurchsichtiger geworden ist, stärkt leider die Positionen der Kritiker, die unserer Demokratie die Fähigkeit zu einer grundlegenden Reform rundweg abstreiten.Neben diesem allgemeinen Bedauern über die Versäumnisse der beiden Koalitionsparteien, die ja nicht nur im Bund die Regierungsverantwortung tragen, sondern auch in allen Bundesländern maßgebend mitwirken, ist besonders zu bemängeln, daß die Bundesregierung selbst nicht in der Lage war, durch eine neue Organisation innerhalb der Bundesressorts wirksamer zu werden. Dem Bundeskanzler ist der Vorwurf nicht zu ersparen, daß er seine Organisationskompetenz innerhalb der Bundesre-
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Moerschgierung nicht angewandt hat. Schließlich zeigt sich auch gerade in dem Antrag des Wissenschaftsausschusses, wie recht die Politiker hatten, die von Anfang an statt der getrennten Institutionen Wissenschaftsrat und Bildungsrat für eine gemeinschaftliche Institution plädiert haben, weil die Reform des Bildungswesens nicht von Reformen an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen getrennt werden kann.Die Aufforderung an die Bundesregierung, sie solle die parlamentarische Kontrolle über die Vergabe von Forschungsmitteln durch rechtzeitige genaue und ständige Information an den Bundestag erleichtern und sie solle dem Parlament die Begründung für wichtige finanzielle Dispositionen mitteilen, muß in engem Zusamenhang mit dem Wunsch nach einer Systemanalyse über die Prioritäten in dei Projektforschung gesehen werden. Was wir nach Ansicht der Freien Demokraten brauchen, ist ein viel größeres Maß an Öffentlichkeit bei den Entscheidungen über Forschungsschwerpunkte und den damit verbundenen Bau und die Einrichtung von Forschungsanlagen.Gerade die Abgeordneten in diesem Hohen Hause, die sich ernsthaft bemühen, die notwendigen Haushaltsmittel für Forschungsausgaben politisch durchzusetzen, müssen künftig sicher sein, daß es bei der Verwendung dieser Mittel nicht an Durchsichtigkeit mangelt. Sonst besteht die Gefahr eines schweren Rückschlages für die deutsche Forschung insgesamt. Es sollte das Bestreben aller beteiligten Stellen sein, das Vertrauen in die richtige Verwendung von Forschungsmitteln zu stärken. Das wird u. a. auch dadurch erreicht, daß in den bundesfinanzierten Forschungseinrichtungen eine neue Form der Mitsprache und Mitwirkung aller an der Forschung beteiligten Wissenschaftler gefunden wird.Die Fraktion der Freien Demokraten hofft, daß die Bundesregierung unverzüglich im Kontakt mit den Ländern und mit den Wissenschaftsorganisationen den Wünschen Nachdruck verleiht, die in der Drucksache V/3968 zum Ausdruck kommen. Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung zu dem Antrag in dieser Drucksache.
Das Wort hat der Staatssekretär Dr. von Heppe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, in Vertretung des Herrn Bundesministers für wissenschaftliche Forschung, der .es sehr bedauert, wegen einer seit langem geplanten Auslandsdienstreise heute nicht hier sein zu können, einige Bemerkungen zu dem zur Beratung stehenden Antrag zu machen.
Von mir aus, Herr Staatssekretär, können Sie sprechen von wo Sie wollen. Üblicherweise sprechen die Minister und Staatssekretäre von der Rednertribüne. Aber ich nehme an, daß Sie von dort aus auch verständlich sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Schon die vorangegangenen Wissenschaftsdebatten und die erfreulichen Zuwachsraten bei den Ausgaben für Wissenschaft und Forschung und die im Rahmen der Finanzverfassungsreform beschlossenen Grundgesetzergänzungen zeigen den besonderen Rang auf, den dieses Hohe Haus der Förderung von Wissenschaft und Forschung beimißt. Ohne der endgültigen Erledigung der heute zu fassenden Beschlüsse vorgreifen zu wollen, möchte ich über einige wesentliche wissenschaftspolitische Maßnahmen berichten, die den Intentionen des vorliegenden Antrags entsprechen.Der Bundesrat hat, wie vorhin erwähnt worden ist, der Finanzverfassungsreform und den mit ihr verbundenen Grundgesetzänderungen zugestimmt. Durch Art. 91 a des Grundgesetzes wird der Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Ferner erhalten Bund und Länder durch Art. 91 b eine eindeutige verfassungsrechtliche Ermächtigung zur Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung sowie eine Ermächtigung, bei der Bildungsplanung Verwaltungsvereinbarungen zu treffen und auf Grund dieser Vereinbarungen gemeinsam zu handeln. Die Bundesregierung erkennt gerade auch in den Möglichkeiten dieses Artikels 91 b einen bedeutenden Fortschritt. Sie wird die notwendigen Initiativen ergreifen, um Artikel 91 b zu einem wirksamen Mittel ihrer Forschungspolitik zu machen. Das gleiche, meine Damen und Herren, gilt für die neue Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für das Hochschulwesen in Artikel 75.Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag bereits den Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Art. 91 a vorgelegt. Ich darf an Sie alle die dringende Bitte richten, diesem Entwurf eines Hochschulbauförderungsgesetzes noch in dieser Wahlperiode ihre Zustimmung zu geben.Ich halte es für vordringlich, daß Bund und Länder so, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, unverzüglich auf der Basis einer gemeinsam zu ,erarbeitenden hochschulpolitischen Konzeption eine Rahmenplanung für den weiteren Ausbau und Neubau der wissenschaftlichen Hochschulen erarbeiten. Diese Rahmenplanung wird Bund und Landesregierungen verpflichten, die entsprechenden Ansätze in die Entwürfe ihrer Haushaltspläne einzusetzen. Ich hoffe, daß dann der Deutsche Bundestag und die Länderparlamente die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen werden, die im übrigen für die Bundesseite in der mittelfristigen Finanzplanung bereits vorgesehen sind.
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Staatssekretär Dr. von HeppeMan muß sich nun, meine Damen und Herren, allerdings darüber im klaren sein, daß sich mit dem Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen allein das durch die Folgen der Bildungsexpansion ausgelöste Problem der Überfüllung unserer Hochschulen nicht lösen läßt. Deswegen ist der Hochschulbau durch bildungspolitische und hochschulpolitische Maßnahmen anderer Art zu ergänzen — ein Gedanke, der auch in dem vorliegenden Antrag wiederholt anklingt. So müssen insbesondere neue Ausbildungskapazitäten im Bereich der Fachhochschulen geschaffen werden.Der künftige Fachhochschulbereich besteht gegenwärtig im wesentlichen aus den Ingenieurschulen. Welche vergleichbaren Bildungseinrichtungen diesem Bereich außerdem zugeordnet werden sollen, steht gegenwärtig noch nicht fest. Die Erarbeitung einer umfassenden Konzeption für diesen Bereich ist dringlich, da der Ausbau in relativ kurzer Zeit zu einer wirksamen Entlastung der wissenschaftlichen Hochschulen beitragen muß. Letzten Endes geht es dabei um die Neuordnung des gesamten tertiären Bildungsbereichs. Es steht fest und klingt auch in dem vorliegenden Antrag an, daß diese Neuordnung mit Strukturänderungen in dem gesamten Bildungswesen verbunden sein muß.Bund und Länder sowie die von ihnen eingesetzten Beratungsgremien, insbesondere der Wissenschaftsrat und der Deutsche Bildungsrat, stehen vor einer großen Neuordnungs- und Koordinierungsaufgabe. Die Diskussion hierzu ist erst in den letzten Tagen wieder belebt worden, nachdem der Deutsche Bildungsrat seine Empfehlungen zur Neugestaltung der Abschlüsse im Sekundarschulwesen der Öffentlichkeit vorgelegt hat.Die Bundesregierung erkennt mit Genugtuung an, daß ihr durch die Grundgesetzänderung im Zusammenhang mit der Finanzverfassungsreform auf dem Gebiete des Hochschulwesens und der Bildungsplanung erstmalig Möglichkeiten eröffnet worden sind, eigenständige, auf gesicherter Rechtsbass stehende Initiativen zu entfalten. Der Bundesgesetzgeber wird die Möglichkeit haben, Rahmenvorschriften über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens, die sich auch auf die Fachhochschulen erstrecken, zu beschließen. Ferner wird der Bund auf Grund des Art. 91 b mit den Ländern Abkommen über Fragen der Bildungsplanung schließen können. Die Verhältnisse an unseren Hochschulen erfordern es, daß der Bund bald von diesen Kompetenzen Gebrauch macht. So erscheint es wichtig, daß alsbald einheitliche Grundsätze für den Zugang zu den Hochschulen, für Studiengänge und insbesondere auch für das Prüfungswesen aufgestellt werden. Auf diese Weise ist eine bestmögliche Ausnutzung der vorhandenen Studienplätze und die Aufrechterhaltung der Freizügigkeit für Lehrende und Lernende im ganzen Bundesgebiet anzustreben.Sosehr hierbei aber die Fragen der Lehre und Ausbildung im Vordergrund stehen — nicht zuletzt wegen des schon bestehenden und für weitere Fächer drohenden Numerus clausus —, sosehr müssen wir zugleich im Auge behalten, daß der wesentliche Bereich der Hochschulen, d. h. die wissenschaftlichen Hochschulen, ein wichtiger Bestandteil unseres gesamten Forschungspotentiales sind und als solche dringend erhalten werden müssen. Zur effektiveren institutionellen Koordinierung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern wird die Bundesregierung mit den Ländern Verhandlungen aufnehmen.Ich bin auf diesen Bereich des Hochschul- und Bildungswesens wegen seiner aktuellen Bedeutung etwas ausführlicher eingegangen. Bei einigen anderen Punkten, die ich jetzt noch kurz berühren möchte, kann ich mich kürzer fassen.Zu dem Wunsch nach Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich ist erfreulicherweise festzustellen, daß die Zusammenarbeit im Rahmen der europäischen Gemeinschaften auch auf wissenschaftlichem Gebiet wieder Fortschritte macht.Für die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern erscheinen internationale Organisationen wie die UNESCO und die Europäische Kommission für wirtschaftliche Zusammenarbeit der Vereinten Nationen geeignete Ansatzpunkte zu sein. Große Möglichkeiten bietet die bilaterale Zusammenarbeit, insbesondere auch mit außereuropäischen Ländern. Dem mit Argentinien am 31. März 1969 abgeschlossenen Abkommen sollen Abkommen mit anderen Ländern folgen. Die Vorbereitungen hierfür sind zum Teil weit fortgeschritten.Ich begrüße es, daß der Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik in seinem Antrag den Fragen der Datenverarbeitung besondere Aufmerksamkeit zugewandt hat. Dieses wichtige Gebiet nimmt bei den Förderungsmaßnahmen des Bundes einen breiten Raum ein. Die Maßnahmen reichen von der Bereitstellung ausreichender Rechenkapazitäten bis zur Förderung von Pionieranwendungen. Die derzeit größte Rechenanlage in Europa ist vor wenigen Wochen im Institut für Plasmaphysik aufgestellt worden. Ein Forschungsprogramm „Informatik" soll Arbeiten auf neuen Fachgebieten initiieren und gleichzeitig den Engpaß an hochqualifizierten Datenverarbeitungsfachleuten beseitigen helfen.Wir sind in Übereinstimmung mit dem Ausschuß auch der Überzeugung, daß die industrielle Zusammenarbeit in diesem Sektor weiter verbessert werden muß. Dabei sind allerdings nicht nur deutsche, sondern auch europäische Kombinationen zu prüfen.In Übereinstimmung mit dem Ausschuß ist die Bundesregierung auch der Ansicht, daß das Instrumentarium für die Auswahl, Beurteilung und die Erfolgskontrolle wissenschaftlicher Vorhaben ständig verbessert und verfeinert werden muß, und daß die Kooperation auf allen Ebenen und unter allen Entscheidungsträgern ebenfalls verbesserungsfähig ist. Wir haben hier einige erste Erfolge erzielt. Die einzelnen im In- und Ausland entwickelten und angewandten Verfahren müssen kritisch geprüft werden. Als Diskussionsgrundlage hierfür wird die Bundesregierung noch in diesem Jahr eine Studie vorlegen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969 12945
Staatssekretär Dr. von HeppeAußerdem wird in Kürze diesem Hohen Haus der Bundesbericht Forschung 3 und etwas später auch ein Bericht über eine vergleichende Darstellung des Wissenschaftssystems und des Bildungswesens in der Bundesrepublik und in der DDR vorgelegt werden. In diesen Berichten werden nahezu alle in dem vorliegenden Ausschußantrag enthaltenen Probleme zum Teil ausführlich behandelt.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung begrüßt es, daß in dem vorliegenden Antrag eine Reihe von Initiativen aufgezeigt und unterstützt werden, die teilweise auch, wie ich glaube, für die Arbeit in der nächsten Wahlperiode bedeutsam sind.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht.Ich lasse abstimmen über den Ausschußantrag. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe den Punkt 4 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 10. April 1969 zum Abkommen vom 22. Dezember 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit und zu der Zusatzvereinbarung vom 10. April 1969 zu der Vereinbarung vom 22. Dezember 1966 zur Durchführung des Abkommens zwischen der Bndesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über Soziale Sicherheit— Drucksache V/4182 —Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik vor. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße
— Drucksache V/4185 —Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Verkehrsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Fahrlehrerwesen
— Drucksache V/4181 —Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Verkehrsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Punkt 7 der Tagesordnung wird am Mittwoch behandelt, Punkt 8 der Tagesordnung ebenso, desgleichen Punkt 9 der Tagesordnung.Punkt 10 der Tagesordnung wird in interfraktionellem Einverständnis abgesetzt.Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll über die Gründung Europäischer Schulen— Drucksache V/3516 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache V/4188 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Abeleinb) Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses
— Drucksache V/4134 —Berichterstatter: Abgeordneter Kahn-Ackermann
Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. Wird das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratungund eröffnen die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben; ich muß Sie leider inkommodieren. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 31. März 1953 über die politischen Rechte der Frau— Drucksache V/3448 —Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses
— Drucksache V/4135 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Kalinke
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12946 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969
Vizepräsident Dr. JaegerIch danke der Berichterstatterin, der Abgeordneten Frau Kalinke, für ihren Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratung.Wird das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe nunmehr Punkt 13 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem revidierten Abkommen vom 13. Februar 1961 über die Soziale Sicherheit der Rheinschiffer sowie zu der Verwaltungsvereinbarung zur Durchführung des am 13. Februar 1961 revidierten Abkommens vom 27. Juli 1950 über die Soziale Sicherheit der Rheinschiffer— Drucksache V/3535 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik
— Drucksache V/4162 —Berichterstatter: Abgeordneter Spitzmüller
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Spitzmüller, für seinen Schriftlichen Bericht und rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratungund eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung gebührenrechtlicher Vorschriften— Drucksache V/2981 — Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache V/4161 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Miessner
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Miessner, für seinen Schriftlichen Bericht und erteile ihm zu einer Ergänzung das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dieser Gesetzesmaterie kam es zu einer ganz interessanten Kontroverse zwischen dem mitberatenden Rechtsausschuß und dem federführenden Innenausschuß. Der Rechtsausschuß hatte ursprünglich gegen die Konzeption des Gesetzentwurfs der Regierung erhebliche rechtspolitische Bedenken. Der federführende Innenausschuß ist diesen Bedenken nicht gefolgt, weil er es als noch schwerwiegender ansah, wenn die eingetretene Rechtsunsicherheit über den Schluß dieser Wahlperiode hinaus fortbestanden hätte. Nach eingehender Konsultation zwischen dem Innenausschuß und dem Rechtsausschuß ist es schließlich zu dem vorliegenden Kompromiß gekommen. Der Kompromiß liegt darin, daß die Übergangsfrist des Regierungsentwurfs von drei Jahren erheblich gekürzt worden ist.
Das Gesetz tritt nämlich nunmehr in seinen wesentlichen Teilen zum 1. Juli 1970 wieder außer Kraft. Die Regierung wird nicht damit rechnen können, daß diese Frist dann etwa noch weiter verlängert wird.
Diese Anmerkung war der Hauptgrund dafür, daß ich hier noch eine mündliche Ergänzung machte. Namens beider Ausschüsse möchte ich darauf hinweisen, daß die Regierung eine weitere Verlängerung nicht wird erwarten können. Im übrigen bitte ich namens des Ausschusses um Annahme des Gesetzes.
Ich danke dem Berichterstatter.Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratung.Wird das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Der Antrag des Ausschusses lautet, die Petitionen für erledigt zu erklären. Ich nehme an, daß dem niemand widerspricht. — Dann ist so beschlossen.Punkt 15 wird am Mittwoch behandelt.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Mai 1969 12947
Vizepräsident Dr. JaegerIch rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1966 — Einzelplan 20 —— Drucksache V/4055 —Das Wort wird nicht begehrt. Ich schlage vor Überweisung an den Haushaltsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für das Bundesvermögen zur Mitberatung. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 17 der Tagesordnung:Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1966 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes— Drucksache V/4066 —Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag dem Haushaltsausschuß — federführend — und dem Ausschuß für das Bundesvermögen — mitberatend — zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.Wir kommen nunmehr zu Punkt 18 der Tagesordnung:Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des Grundstücks in München-Riem, Am Mitterfeld 114, an die Flughafen München-Riem GmbH— Drucksache V/4172 —Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag dem Ausschuß für das Bundesvermögen zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 19 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen über den Zweiten Bericht der Bundesregierung über die in den einzelnen Ländern gemachten Erfahrungen mit dem Wohngeldgesetz— Drucksachen V/2399, V/4152 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau BergerHeiseIch danke der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Berger-Heise, für ihren Schriftlichen Bericht.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wer dem Bericht zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren! Wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Plenarsitzung ein auf morgen, Mittwoch, den 14. Mai, 9 Uhr.Die Sitzung ist geschlossen.