Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich bekannt, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung die Tagesordnung ergänzt werden soll um die.
Beratung des Antrags der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD, FDP betr. Weiterführung des
bisherigen Personalbestandes von Euratom
— Drucksache V/3632 —Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe diesen Punkt dann nach dem Punkt 3 der Tagesordnung auf.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 6. Dezember 1968 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr
Gesetz über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes Elftes Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes
Gesetz über das Verfahren bei der Erteilung von Zollkontingentscheinen
Gesetz zur Änderung des Zolltarifgesetzes
Zweites Gesetz zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes
Zweites Gesetz zur Änderung des Teesteuergesetzes
Gesetz zu dem Übereinkommen vom 18. März 1965 zur Betlegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten
Gesetz zu dem Genfer Protokoll von 1967 zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen, dem Übereinkommen vom 30. Juni 1967 zur Durchführung von Artikel VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens und dem Abkommen vom 30. Juni 1967 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie deren Mitgliedstaaten und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Uhrmacherwaren
Gesetz zu dem Übereinkommen vom 7. September 1967 zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen und zu dem Protokoll über den Beitritt Griechenlands zu diesem Übereinkommen
Gesetz zur Änderung von Vorschriften der Kostenordnung über den Geschäftswert
Der Bundesminister des Innern hat am 2. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Wörner, Frau Griesinger, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Kiep, Dr. Stark und Genossen betreffend Sportförderung nach den Olympischen Spielen in Mexiko — Drucksache V/3453 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3619 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 6. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Imle, Ramms, Graaff und der Fraktion der FDP betreffend Straßenbau und Zunahme der Motorisierung bis 1985 — Drucksache V/2989 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3624 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen:
Sechsunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —— Drucksache V/3576 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 5. März 1969
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 120/67/EWG im Hinblick auf die Bereitstellung von Getreide für die Nahrungsmittelhilfe
— Drucksache V/3587 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Dezember 1968 erfolgen wird
Verordnung des Rates über die Kriterien der Bereitstellung von Getreide für die Nahrungsmittelhilfe
— Drucksache V,3588 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Dezember 1968 erfolgen wird
Erste Verordnung des Rates betreffend die Festlegung von Höchstgehalten für die Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in Obst und Gemüse
Entwurf eines Beschlusses des Rates über die Einsetzung eines Ständigen Ausschusses für Pflanzenschutz
— Drucksache V/3589 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Januar 1969 erfolgen wird
Verordnung des Rates über die Herstellung und das Inverkehrbringen von Margarine
— Drucksache V/3621 —
überwiesen an den Ausschuß für Gesundheitswesen , Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Februar 1969 erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 172/67/EWG über die Grundregeln zur Denaturierung von Weizen und von zur Brotherstellung geeignetem Roggen
— Drucksache V/3563 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Dezember 1968 erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung Nr. 1042/68 des Rates betreffend die Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Apfel
— Drucksache V/3564 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Vorschläge erhoben werden
Richtlinie des Rates zur vierten Änderung der Richtlinie des Rates vom 5. November 1963 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen
11008 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Richtlinie des Rates zur dritten Änderung der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet Werden dürfen
— Drucksache V/3546 —
überwiesen an den Ausschuß für Gesundheitswesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Februar 1969 erfolgen wird
Zu der in der Fragestunde der 200. Sitzung des Deutschen Bundestages am 29. November 1968 gestellten Frage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, Drucksache V/3529 Nr. 109 *), ist inzwischen dieschriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 3. Dezember 1968 eingegangen. Sie lautet:
Auf Vorschlag des Ständigen Gemischten Ausschusses der deutsch-griechischen Kulturkommission vom November 1966 ist bereits ein besonderer Ausschuß aus zwei Angehörigen der griechischen Botschaft in Bonn und je einem Vertreter des Auswärtigen Amts und der Kultusministerkonferenz eingesetzt worden, dessen Aufgabe die Regelung von Fragen ist, die sich im Zusammenhang mit der Unterrichtung von Kindern griechischer Staatsangehöriger durch griechische Lehrer in der Bundesrepublik ergeben. Dieser Ausschuß hat in der Vergangenheit mit Erfolg getagt. Darüber hinaus sind in diesem Bereich aufgetretene Schwierigkeiten auch ohne Einschaltung des genannten Ausschusses durch unmittelbare Fühlungnahme zwischen den zuständigen Länderbehörden und der griechischen Botschaft bereinigt worden. Die Bundesregierung beabsichtigt, auch in Zukunft Angelegenheiten dieser Art — soweit erforderlich — dem Ausschuß zur Behandlung vorzulegen.
Damit kommen wir zur Tagesordnung. Ich rufe Punkt 1 auf:
Fragestunde
— Drucksachen V/3625, V/3618, zu V/3618 —
Vorab eine Dringlichkeitsfrage des Herrn Abgeordneten Josten aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen.
— Dann werden wir die weniger dringlichen Fragen vorziehen.
Ich rufe aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen die Frage 1 des Abgeordneten Strohmayr auf:
Entspricht es den gesetzlichen Bestimmungen, daß alleinstehenden Personen in öffentlich geförderten Altenwohnungen grundsätzlich nur eine 1-Raum-Wohnung zur Verfügung gestellt wird?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Ministers Dr. Lauritzen vom 11. Dezember 1968 lautet:
Es gibt keine besonderen Vorschriften für öffentlich geförderte Alten-Wohnungen, aus denen sich ihre zulässige Größe ergibt. Auf diese Wohnungen ist die allgemeine Bestimmung von § 5 Abs. 2 des Wohnungsbindungsgesetzes 1965 anzuwenden, daß in der Regel die Wohnungsgröße angemessen ist, bei der auf jedes Familienmitglied ein Wohnraum ausreichender Größe entfällt. Darüber hinaus sind nach dieser Bestimmung besondere persönliche und berufliche Bedürfnisse des Wohnungsberechtigten zu berücksichtigen.
Die Länder haben dazu nähere Vorschriften erlassen, die im wesentlichen übereinstimmen. So hat das Land Bayern bestimmt, daß in der Regel für Alleinstehende eine Wohnung mit 40 qm Gesamtwohnflädie als angemessen anzusehen ist. Für besondere persönliche oder berufliche Bedürfnisse ist in der Regel eine zusätzliche Wohnfläche von 15 qm zuzubilligen. Dasselbe gilt auch, wenn der Wohnungssuchende für den Bau der Wohnung einen nach den beiden Wohnungsbaugesetzen zulässigen angemessenen Finanzierungsbeitrag geleistet hat.
Die Ausführungsvorschriften sagen nichts darüber, wie die Gesamtwohnfläche, die einer alleinstehenden Person zusteht, aufzuteilen ist. Für Alleinstehende sind also 1-Raum-Wohnungen nicht zwingend vorgeschrieben.
*) Siehe 200. Sitzung, Seite 10759 A
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Ich rufe die Fragen 2 und 3 der Frau Abgeordneten Geisendörfer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten auf eine baldige Einigung über ein Mehrjahresforschungsprogramm für Ispra?
Welche Folgen würde eine Nichteinigung für das deutsche Per-
sonal bei den Forschungseinrichtungen von Euratom haben?
Wie ich bereits am 4. Dezember vor diesem Hohen Hause gesagt habe, ist es schwierig und verfrüht, schon jetzt präzise Aussagen über das künftige Schicksal des Forschungszentrums Ispra zu machen. Die bisherigen Verhandlungen bei Euratom haben gezeigt, daß zur Zeit noch kein Einvernehmen über einen großen Teil der in diesem Zentrum bisher verfolgten Arbeiten besteht. Ob sich bei bestimmten Programmen Ispras einige Mitgliedstaaten bereit finden, sogenannte Ergänzungsprogramme durchzuführen, wird sich ebenfalls erst in den weiteren Beratungen herausstellen.
Ich halte es jedoch im Interesse des Zentrums für unbedingt notwendig, die gemeinsame Basis zu verbreitern und gleichzeitig die politischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sich Ispra europäischen Aufgaben in Forschung und Entwicklung widmet, die am Rande oder jenseits der nuklearen Probleme liegen. Ich hoffe, daß es gelingt, auch die anderen Partner von der Wichtigkeit und Dringlichkeit dieser Lösung zu überzeugen.
Zusatzfrage!
Herr Minister, welche Folgen hätte eine Auflösung der Euratom-Forschungszentren für die zukünftige europäische Zusammenarbeit auf diesen und anderen Forschungsgebieten?
Die Folgen wären sicher sehr negativer Art.
Eine weitere Zusatzfrage.
Welche Vorschläge, Herr Minister, gedenkt die Bundesregierung eventuell zu machen, um durch Änderung des bisherigen finanziellen Verteilungsschlüssels für das gemeinsame Forschungsbudget und durch Beteiligung an der Finanzierung von Zusatzprogrammen den Fortbestand der Euratom-Forschungszentren im gegenwärtigen Umfang zu ermöglichen?
Die finanziellen Quoten der einzelnen Länder haben bisher nicht im Mittelpunkt der Diskussion gestanden. Bei Zusatzprogrammen können sich neue Quoten ergeben, je nach dem Interesse und dem Umfang der Beteiligung der einzelnen Länder. Darüber gibt es aber noch keine detaillierten Unterlagen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11009
Letzte Zusatzfrage!
Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung Vorstellungen über die praktische Durchführung der Vorschläge, die Sie vorhin gemacht haben, besitzt?
Die Bundesregierung besitzt sehr konkrete Vorstellungen. Sie muß jedoch bei unterschiedlichen Auffassungen ihrer Partner eine gewisse Flexibilität in den Verhandlungen beweisen.
Herr Abgeordneter Flämig zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, hat die Bundesregierung dem Ministerrat schon eigene Vorschläge für die Übertragung neuer Aufgaben der Forschung und Entwicklung auf die gemeinsame Kernforschungsstelle Ispra vorgelegt?
Die Bundesregierung hat in der Ratssitzung am 28. November folgende Auffassung vertreten. In den Forschungszentren sollten bisher überkommene und bewährte Arbeiten im nuklearen Bereich weitergeführt werden. Einzelne Programmelemente, an denen das Interesse zurückgegangen ist, sollten aufgegeben werden. Neu einbezogen werden sollten Aufgaben in den Grenzgebieten der nuklearen Forschung und Entwicklung, etwa auf dem Gebiet der Festkörperphysik oder der Werkstoffe. Schließlich ist die Bundesregierung der Meinung, daß auch neue Aufgaben außerhalb des nuklearen Bereichs, wie etwa auf dem Gebiet der Datenverarbeitung, gute Ansatzpunkte in den Zentren haben. Die gestrige Ratsentscheidung in Brüssel, die seit sechs Monaten unterbrochenen Gruppenarbeiten der sogenannten Gruppe Maréchal, die die Zusammenarbeit auf neuen Gebieten von Forschung und Technik überprüft, fortzusetzen, gibt einen positiven Anhaltspunkt.
Wir kommen zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Flämig.
Herr Präsident, hatte ich nicht eine weitere Zusatzfrage?
Nein, das kann man nicht einklagen. Wir haben neulich beschlossen, weniger Zusatzfragen zuzulassen, und zwar deshalb, weil nach unseren Erfahrungen jetzt etwas mehr als ein Drittel aller ordnungsmäßig eingebrachten Fragen nicht mehr beantwortet werden kann. Ich kann es leider nicht verhindern, daß dieser „Fragenkapitalismus" immer noch weitergeht; aber auch das werden wir noch ändern. Die Frau Kollegin Geisendörfer hatte zwei Fragen und vier Zusatzfragen. Darauf hatte sie ein Recht. So unvorsichtig haben wir die Richtlinieen formuliert. Aber das werden wir auch noch ändern.
Herr Präsident, aber zu den eigenen Fragen darf man doch zwei Zusatzfragen stellen?
Ja, darauf haben Sie bis jetzt noch ein verbrieftes Recht — bis jetzt noch. Das werden wir auch noch abschaffen; also nützen Sie es heute aus!
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Flämig auf:
Wird das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung sich bei der Ausarbeitung des Programmes für die Meeresforschung für eine Priorität der Grundlagenforschung oder der wirtschaftsrelevanten Forschung und Entwicklung einsetzen?
Zur Beantwortung der Herr Minister.
Das Programm für die Meeresforschung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1969 bis 1972 wird zur Zeit im einzelnen auf Grund der Beratungen der im September neu konstituierten Deutschen Kommission für Ozeanographie ausgearbeitet. Der Kommission gehören Vertreter des Bundes und der vier Küstenländer sowie Sachverständige der Wissenschaft und der Wirtschaft an. In diesem Programm wird sich der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung für die Priorität solcher Forschungs- und Entwicklungsarbeiten einsetzen, deren wirtschaftliche Bedeutung feststeht oder deren zukünftige wirtschaftliche Tragweite erkennbar ist. Dafür ist aber auch eine angemessene Förderung der zweckfreien Meeresforschung eine notwendige Voraussetzung, um — vor allem langfristig — eine effektvolle anwendungsbezogene Meeresforschung zu ermöglichen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, inwieweit, z. B. mit welchem Stimmengewicht, beeinflußt das BMwF die Mittelverteilung für die Sonderforschungsbereiche durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft?
Das Programm der Sonderforschungsbereiche ist der wissenschaftlichen Selbstverwaltung übertragen worden. Es sind jedoch im Wissenschaftsrat bestimmte Prinzipien für die Vergabe der Mittel und die Auswahl von Schwerpunkten unter maßgebender Mitwirkung des Bundes festgelegt. Außerdem wirkt die Bundesregierung in den Organen der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Flämig.
Herr Minister, wird das BMwF die Hergabe der Bundesmittel von einer überregionalen Schwerpunktbildung an den deutschen Universitäten abhängig machen?
11010 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Das ist ein unbestrittener Grundsatz dieses Programms der Sonderforschungsbereiche.
Wir kommen zu Frage 5 des Abgeordneten Flämig:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß das Verhältnis der für die Bereiche Kernforschung und Weltraumforschung aufgewendeten und bis jetzt geplanten Mittel insbesondere zu denen für die neuen Bereiche der Datenverarbeitung, Meeresforschung und neuen Technologien in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, wenn man die unterschiedliche Bedeutung dieser Gebiete für das künftige Wirtschaftswachstum und den gesellschaftlichen Fortschritt berücksichtigt?
Das Verhältnis der für die Kernforschung und für die Weltraumforschung vom Bund aufgewendeten und geplanten Mittel zu den für die neuen Bereiche der Datenverarbeitung, Meeresforschung und neuen Technologien vorgesehenen Mittel steht bisher noch nicht in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander und kann auch noch nicht in einem solchen stehen. Das hängt mit der völlig . verschiedenen zeitlichen und sachlichen Ausgangslage der Förderungstätigkeit auf diesen Gebieten, ihrer anders gearteten Struktur und anderen Umständen zusammen. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung für die nächsten Jahre, seine Förderungsmittel so zu planen, daß größtmögliche Ausgewogenheit und Effektivität erreicht wird. Die Aufwendungen für Kern- und Weltraumforschung, die einen hohen Stand erreicht haben, werden längerfristig nicht mehr im bisherigen Maße ansteigen. Die staatlichen Mittel für die Datenverarbeitung und die neuen Technologien werden wegen der besonderen Zukunftsbedeutung dieser Gebiete auch auf längere Sicht stark ansteigen müssen. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß die erforderlichen Forschungs-, Entwicklungs- und Ausbildungskapazitäten nur schrittweise ausgebaut werden können. Ob auch die Meeresforschung ein vergleichbar großer Ausgabenschwerpunkt werden muß, kann erst in einigen Jahren zuverlässig beurteilt werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie der Auffassung, daß das bisherige Verzeichnis der Sonderforschungsbereiche, das über 140 wissenschaftliche Disziplinen wie Patristik, Missionswissenschaft, Kanaanistik, Quantenelektronik etc. umfaßt, diese Konzeption allgemeinverständlich zum Ausdruck bringt?
Es ist zu unterscheiden, Herr Kollege Flämig, zwischen den direkten Förderungsprogrammen des Bundes, die wir in Abstimmung mit der Wissenschaft und auf Grund wissenschaftlicher Beratung in eigener Verantwortung durchführen, und dem Programm der Sonderforschungsbereiche, das in der Grundlagenforschung von den wissenschaftlichen Organisationen realisiert wird. Von den genannten 140 Schwerpunkten der Sonderforschungsbereiche ist nur ein kleiner Teil bisher in die tatsächliche Förderung aufgenommen worden. Diese Liste bedarf der ständigen Überprüfung. Ich würde jedoch im Hinblick auf die von Ihnen genannten Beispiele sagen, daß auch Spezialdisziplinen der Gelsteswissenschaften, zum Teil Fächer mit einer langen Tradition, unabhängig von ihren wirtschaftlichen Aspekten grundsätzlich eine Förderung an einzelnen Hochschulen schwerpunktmäßig verdienen. Wir dürfen dieses Programm der Sonderforschungsbereiche also nicht nur unter naturwissenschaftlichen und technologischen Gesichtspunkten sehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, die letzte Frage. Da nach Ihren Ausführungen die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Erfolgskontrolle ausübt, frage ich, ob es sich dabei nach Organisation und Besetzung der DFG nicht im wesentlichen um eine Selbstkontrolle handelt.
Diese Frage möchte ich verneinen. Ich glaube, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft auf der Grundlage der Richtlinien des Wissenschaftsrates und unter Mitwirkung des Bundes in der Lage ist, die nötige Objektivität der Beurteilung zu erzielen. Wir müssen aber natürlich einige Jahre abwarten. Über Erfolgskontrolle kann man in einem Programm, das im Jahre 1968 mit kleinen Mitteln angelaufen ist, frühestens in zwei oder drei Jahren, vielleicht auch erst etwas später sprechen.
Die Fragen 6, 7 und 8 des Herrn Abgeordneten Ollesch werden vom Herrn Abgeordneten Baron Gemmingen übernommen:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung über die Zusammenarbeit mit Großbritannien und anderen Ländern auf dem Gebiet der Anreicherung spaltbaren Materials?
Gibt es konkrete Angebote über eine derartige Zusammenarbeit?
Sind in der mittelfristigen Finanzplanung Dispositionen getroffen, die einer möglichen Veränderung bei Euratom Rechnung tragen?
Zur Beantwortung der Herr Minister.
Zunächst zu Frage 6. — Bei den Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden, über die die Presse vor allem anläßlich meines Treffens mit meinen Kollegen aus den beiden Ländern am 25. November 1968 in Den Haag berichtete, verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Nutzung der seit einigen Jahren in Deutschland betriebenen Forschungsarbeiten über die Anreicherung von Uran durch eine Verbindung mit anderen Ländern, die auf diesem Gebiet tätig sind, zu beschleunigen und zu verstärken. Fernziel unserer Bemühungen ist, neben der zur Zeit einzigen Bezugsmöglichkeit für angereichertes Uran, nämlich der in den Vereinigten Staaten, weitere
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11011
Bundesminister Dr. Stoltenberg
Quellen für diese für die Atomenergieentwicklung in Europa so wichtigen Materialien zu erschließen. Dabei soll grundsätzlich kein europäischer Staat von den Ergebnissen ausgeschlossen sein, die sich durch internationale Zusammenarbeit erzielen lassen.
Eine Zusatzfrage!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, können Sie mir Näheres sagen über die Beschleunigung in der Zusammenarbeit, von der Sie eben gesprochen haben?
Diese Formulierung kann man folgendermaßen erklären. Es gibt in den drei genannten Ländern Forschungs- und Entwicklungsvorhaben an Einzelproblemen dieses Systems der Urananreicherung durch das Gasultrazentrifugenverfahren. Eine erste provisorische Diskussion hat ergeben, daß jedes der beteiligten Länder auf Einzelgebieten besonders weit gekommen ist. Es liegt nahe — nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen der Wissenschaft und Wirtschaft —, daß man durch die Kombination solcher technologischer Entwicklungen eine Verbesserung und damit eine Beschleunigung erzielen kann.
Zweite Zusatzfrage!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, darf ich aus Ihrer Antwort auch schließen, daß von dem Ergebnis einer gemeinsamen Zusammenarbeit noch nicht viel zu spüren ist?
Das kann ja gar nicht der Fall sein, Herr Kollege, weil wir gerade vor wenigen Wochen mit den Verhandlungen über diese Zusammenarbeit begonnen haben. Es sind ja noch nicht einmal die Verträge abgeschlossen. Insofern verlangen Sie ein Ergebnis, bevor die Kooperation eingesetzt hat.
Aber die bisherigen Studien und Besprechungen haben ergeben, daß die angestrebte Verbindung der Entwicklungsarbeiten zu einer Beschleunigung führen muß, da jeder der drei Partner auf den verschiedenen Einzelgebieten einen unterschiedlichen Leistungsstand hat.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Flämig.
Herr Minister, nachdem der französische Wissenschaftsminister vor der Nationalversammlung behauptet hat, die Bundesrepublik sei nach dem WEU-Vertrag gar nicht berechtigt, Gasultrazentrifugen zu betreiben, frage ich Sie: ist vor Beginn der Verhandlungen mit unseren beiden anderen Partnern auf diplomatischem Wege klargestellt worden, daß sich Frankreich und die USA nicht auf eine für die Bundesrepublik ungünstige Auslegung des WEU-Vertrages berufen werden?
Herr Kollege Flämig, ich möchte Sie bitten, die Rede des französischen Wissenschaftsministers noch einmal sorgfältig nachzulesen. Er hat die von Ihnen zitierte Behauptung nicht aufgestellt, und sie wäre auch sachlich unzutreffend.
Nächste Frage, Frage 9 — des Abgeordneten Herold —:
Wird sich die Bundesregierung im Ministerkomitee des Europarates für den Vorschlag der Empfehlung 537 der Beratenden Versammlung des Europarates einsetzen, der dahin geht, eine Untersuchung über die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung und der Technologie in die Wege zu leiten, als Voraussetzung für die Aufstellung eines Programms auf lange Sicht?
Diese Frage beantworte ich wie folgt. Die Bundesregierung hat keine grundsätzlichen Einwendungen gegen die in der Empfehlung vorgeschlagene Untersuchung. Sie weist jedoch darauf hin, daß über die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung bereits eine Reihe von Studien vorliegen.
Der Generalsekretär des Europarates hat inzwischen erste Vorstellungen für die Aufstellung eines nach Sektoren — nicht nach Organisationen — gegliederten Inventars über die bestehende europäische Zusammenarbeit entwickelt, die auf der nächsten Tagung des Ministerkomitees erörtert werden. Um Doppelarbeit zu vermeiden, ist es zweckmäßig und notwendig, die Aufstellung eines solchen Inventars in Zusammenarbeit mit allen wichtigen europäischen Organisationen, die sich mit der Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung befassen, vorzunehmen.
Es bleibt abzuwarten, ob alle Mitgliedstaaten und Organisationen bereit sind, an dieser Aufstellung mitzuarbeiten, deren Wert maßgeblich von der Vollständigkeit des Inventars abhängt. Folgerungen für die Aufstellung von Programmen sind in jedem Falle erst möglich, wenn ein umfassendes Inventar vorgelegt worden ist.
Herr Bundesminister, ist das — ich habe den Eindruck — die Antwort auf die Frage 9?
Auf die Frage 9 des Kollegen Herold, ja.
Ich war der Meinung, daß wir noch bei Euratom seien!?
Nein, die Frage 9 bezieht sich auf die Empfehlung 537 der Beratenden Versammlung des Europarates.
11012 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Herr Abgeordneter von Gemmingen, damit ist Ihr Fragerecht erschöpft. Es ist überhaupt ein donum superadditum, daß einer noch für einen anderen einspringen darf. Das schaffen wir auch ab.
Aber die Antwort auf die Frage des Herrn Abgeordneten Herold ist insofern auch ein donum superadditum, Herr Minister, als er gar nicht da ist. Da hätte ich gar keine Antwort zugelassen.
Nun geht es weiter. Bevor ich die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung aufrufe, rufe ich jetzt die Dringlichkeitsfrage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf — Herr Abgeordneter Josten —:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, für die kommenden Festtage besondere Erleichterungen für Telefongespräche über die Zonengrenze zu schaffen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Der Fernsprechverkehr zwischen beiden Teilen Deutschlands ist überwiegend Privatverkehr. Dafür sind 34 Leitungen in Betrieb. Das ist selbst für den stark gedrosselten Verkehr, der gegenwärtig durchgeführt wird, viel zuwenig. Die Wartezeiten für gewöhnliche Gespräche betragen etwa 3 bis 15 Stunden; in vielen Fällen kann das Gespräch am Tage der Anmeldung nicht mehr hergestellt werden. Diese Zeiten werden sich wegen der Verkehrshäufung zu Weihnachten erfahrungsgemäß verdoppeln.
Ich habe alles mögliche versucht, um zusätzliche Leitungen zu schalten oder z. B. die zuletzt 1966 während der Leipziger Messe zusätzlich zugestandenen beizubehalten. Insbesondere mit meinem Schreiben vom 8. August 1968 habe ich dem Postminister der SBZ dazu eine Reihe konkreter Vorschläge gemacht. Aber alle diese Iinitiativen brachten bisher keinen Erfolg. Seitens der Deutschen Bundespost könnten ca. 100 zusätzliche Leitungen jederzeit kurzfristig in Betrieb genommen werden. Dies entspräche in etwa dem Verkehrsbedürfnis. Offensichtlich ist jedoch die andere Seite nicht an einer Verbesserung des Fernsprechverkehrs zwischen beiden Teilen Deutschlands interessiert. Die Deutsche Bundespost hat also zu meinem großen Bedauern keine Möglichkeit, den Fernsprechverkehr zwischen den beiden Teilen Deutschlands für die kommenden Festtage zu erleichtern.
Zusatzfrage!
Herr Minister, darf ich Sie fragen, nachdem wir seit Jahren in der Bundesrepublik im Fernsprechselbstwähldienst Gespräche ins westliche Ausland führen können, was von Ihrem Ministerium aus noch getan werden kann, um das Telefonieren nach Mitteldeutschland trotzdem zu verbessern.
Herr Kollege Josten, ich habe wiederholt mündlich und schriftlich erklärt, daß ich zu Verhandlungen mit der anderen Seite bereit bin. Ich habe konkrete Vorschläge in meinem Brief gemacht, welche Leitungen sofort geschaltet werden können, und ich will auch in Zukunft keine Gelegenheit auslassen, um zu versuchen, in Gespräche und Verhandlungen zu kommen, damit entsprechende Leitungen geschaltet werden. Weiter kann ich im Augenblick nichts tun.
Herr Minister, darf ich Sie auf Grund Ihrer Äußerung bezüglich der 100 freien Telefonleitungen fragen: Sind von unserer Seite aus die weiteren Telefonleitungen so vorbereitet, daß eine unmittelbare Schaltung für Gespräche nach Mitteldeutschland möglich wäre?
Diese Frage kann ich mit Ja beantworten. Für die Schaltung und Einmessung der Leitungen, die in unserem Bereich für die Verstärkung des Verkehrs vorgesehen sind, braucht man nicht mehr als einen bis zwei Tage. Es ist also auch kein technisches Problem, die Leitungen herzustellen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, zunächst zur Frage 10 des Herrn Abgeordneten Porsch:
Sind der Bundesregierung Rückstellungsgesuche vom Wehrdienst für Söhne von Politikern bekannt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesregierung ist bekannt, daß Rückstellungsgesuche vom Wehrdienst aus allen Kreisen der Bevölkerung vorgelegt werden. Darunter befinden sich mit Sicherheit auch solche für Söhne von Politikern.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung jeden Versuch von Politikern, ihre Söhne vom Wehrdienst zurückstellen zu lassen, vom Standpunkt der Wehrgerechtigkeit aus für unverantwortlich?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist der Auffassung — —
Päsident D. Dr. Gerstenmaier: Einen Augenblick! Diese Frage lasse ich nicht zu.
— Moment mal! Die Frage kann einfach deshalb nicht zugelassen werden, weil Wertungen nach der Geschäftsordnung nicht erlaubt sind. Ich muß mich daran halten, auch wenn die Fragen nicht ohne
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11013
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Pfeffer sind und die Fragestunde dadurch an Gewürzkraft verliert. Ich muß mich an die Geschäftsordnung halten. Die Frage wird nicht zugelassen. Bitte nachlesen! — Aber Sie können andere Zusatzfragen stellen, wenn Sie wollen.
Dann kommen wir zur Frage 11 des Herrn Abgeordneten Geldner:
Ist folgende Meldung richtig, die die „Fränkische Landeszettung" am 2. Dezember 1968 unter der Überschrift ,,Sowjet-Landetruppen kreisten über Nürnberg" verbreitete: Am 21. August 1968 hätten mehrere Luftraumverletzungen durch sowjetische Flugzeuge stattgefunden. „Sowjetrussische Truppentransporter, die sich ,verfranzt' hätten, seien völlig unbehelligt eine geraume Zeit über Nürnberg gekreist?"
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Am 21. August 1968 ist der Luftraum der Bundesrepublik zweimal verletzt worden. Erstens: Gegen 6.49 Uhr flog ein Düsenflugzeug unbekannter Nationalität 20 km südostwärts von Furth i. Wald in die Bundesrepublik ein und um 6.50 Uhr, also eine Minute später, wieder Richtung Tschechoslowakei aus.
Zweitens. Gegen 9.05 Uhr verletzte ein weiteres Düsenflugzeug unbekannter Nationalität im Grenzgebiet 15 km ostwärts Tirschenreuth kurzzeitig den Luftraum der Bundesrepublik. Beide Grenzverletzungen sind offensichtlich ungewollt geschehen.
Weitere Meldungen über sonstige Verletzungen des Luftraums der Bundesrepublik Deutschland am 21. August 1968 lagen weder von den Radarführungsdiensten noch von irgendwelchen anderen militärischen oder nichtmilitärischen Stellen noch von Grenzorganen vor. Insofern ist die Beobachtung eines einzelnen, die zudem erst nach 31/2 Monaten bekanntgegeben wird, sachlich unglaubhaft, da fremde Flugzeuge nicht über einer Großstadt wie Nürnberg kreisen können, ohne eine breite Offentlichkeit zum Zuschauer zu haben und dadurch eine sofortige Flut von Meldungen auszulösen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner auf:
Wie weit sind die Bemühungen der Bundesregierung gediehen, entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 8. Mai 1968 bei der Bundeswehr Fördergruppen für den Leistungssport einzurichten?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Dr. Marx übernommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesminister der Verteidigung plant an der Sportschule der Bundeswehr für bestimmte Sportarten den Aufbau von zwei Fördergruppen für Leistungssportler der Bundeswehr. Außerdem ist beabsichtigt, Soldaten als Spitzensportler in Standorte einzuberufen, an denen sich Leistungszentren des Deutschen Sportbundes befinden. Zur Zeit werden die organisatorischen, haushaltsrechtlichen und infrastrukturellen Grundlagen untersucht, wie der Auftrag der Bundesregierung erfüllt werden kann.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Schonhofen auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit zwischen den örtlich zuständigen Stellen der Sanitätstruppe der Bundeswehr und den Krankenanstalten der Stadt und des Kreises Minden, die einen Teil der praktischen Ausbildung von Sanitätern übernommen haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die seit Jahren bestehende Zusammenarbeit zwischen Sanitätseinrichtungen der Bundeswehr und zivilen Krankenanstalten allgemein sowie seit geraumer Zeit mit denen der Stadt und des Kreises Minden kann nur positiv beurteilt werden.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Schonhofen auf:
Sind die positiven Ergebnisse, die mit dieser praktischen Unterweisung von Sanitätern im Rahmen ihrer fachlichen Ausbildung sowohl für die Truppe als auch für die zivile Krankenversorgung verbunden sind, für die Bundesregierung Anlaß zu prüfen, ob eine solche Zusammenarbeit mit geeigneten Krankenanstalten zur ständigen Einrichtung gemacht werden kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie bereits erwähnt, besteht seit Jahren eine erfreuliche Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Sie kann allerdings nur dort stattfinden, wo sich auf Grund der örtlichen Gegebenheiten diese Möglichkeit anbietet. Zur ständigen Einrichtung kann eine solche Zusammenarbeit aus Gründen der Einsatzfähigkeit der Sanitätstruppe und zur Deckung des Eigenbedarfs nicht gemacht werden. Weiterhin schließt die notwendige Weiter-und Fortbildung der Sanitätssoldaten in Pflicht- und Verwendungslehrgängen eine kontinuierliche ständige Personalabgabe leider aus.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, läßt sich durch eine Ausweitung oder durch die Fortführung der bisherigen Zusammenarbeit, gegebenenfalls auch mit dem Einsatz von medizinischem Gerät, die Leistungsfähigkeit weiterer Unfallkliniken steigern und vor allem das Netz solcher Unfallstationen verdichten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die bisherigen Erfahrungen, die allgemein gemacht worden sind, und die besonderen Erfahrungen, die in Minden gemacht worden sind, lassen in der Tat erwarten, daß durch die von Ihnen soeben erwähnten Möglichkeiten die Intensität der Ausbildung noch verbessert werden kann.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Schonhofen auf:
Läßt sich eine solche Zusammenarbeit, vor allem mit Unfallkrankenhäusern, auch auf den Einsatz von medizinischem Gerät o. ä. ausdehnen?
11014 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In Einzelfällen und auf besonderen Antrag wurde für Forschungszwecke oder als Ausbildungsmittel für Sanitätssoldaten der Bundeswehr medizinisches Gerät leihweise überlassen. Eine weitergehende Möglichkeit besteht zur Zeit leider nicht, da dieses Gerät zur Durchführung des Auftrages den Sanitätseinheiten und Sanitätseinrichtungen zur Verfügung stehen muß.
Ich möchte aber noch einmal wiederholen, Herr Abgeordneter, daß auf breiter Front in Form jeglicher Verbindung des Sanitätsdienstes mit zivilen Krankeneinrichtungen gute Erfahrungen gemacht worden sind und die Bundeswehr diese Erfahrungen und diese Zusammenarbeit weiter ausbauen wird.
Die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Dröscher wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der für das Erziehungs- und Bildungswesen im Heer zuständige General mit der Feststellung, die er auf einer Parteiversammlung in Bonn getroffen haben soll, „vermehrter Geländedienst erledige zu viele Diskussion von selbst und so könne man mit der Unruhe in der Bundeswehr einfacher fertig werden", die Richtung vertritt, die die Bundeswehr für die innere Ausrichtung der Bundeswehr anstrebt?
Die Antwort des Staatssekretärs von Hase vom 11. Dezember 1968 lautet:
Es ist richtig, daß sich der General für das Erziehungs- und Bildungswesen — wie in der Frage dargestellt — geäußert hat. Er ist aber mißverstanden worden, wenn aus seiner Äußerung geschlossen wird, er betrachte den Geländedienst als eine Möglichkeit zum Mißbrauch erzieherischer Kollektivmaßnahmen. Der General für das Erziehungs- und Bildungswesen im Heer hat vielmehr mit seiner Feststellung lediglich eine Erfahrung erläutert, daß da, wo die Truppe besonders gefordert wird, bei Manövern, Scharfschießen und auch ganz allgemein im Geländedienst, Disziplinwidrigkeiten nur in verschwindend geringem Umfang festzustellen sind. Die weit überwiegende Mehrheit aller Disziplinarfälle ereignet sich nach Dienstschluß oder im Innendienst, zu dem man in diesem Zusammenhang auch den Dienst in den technischen Bereichen zählen muß. Hier gibt es eine große Anzahl rein manueller und häufig eintöniger Tätigkeiten, die Unlust wecken können, aus der heraus es dann leicht zu Fahrlässigkeit oder Unbotmäßigkeit kommen kann.
In dieser Erkenntnis forderte der General nur dazu auf, möglichst viel und solchen Dienst im Gelände anzusetzen, bei dem das Mitdenken des einzelnen Soldaten verlangt wird, und bei dem er sich in Einzelleistungen bewähren kann.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Ertl auf:
Trifft es zu, daß das Bundesverteidigungsministerium beabsichtigt, 25 % der bisherigen Planstellen für das Zivilpersonal am Fliegerhorst Erding einzusparen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Um die Organisation im Luftwaffen-Versorgungsbereich 1 zu straffen, ist in Erding unter Beteiligung des Bundesministers der Finanzen und des Bundesrechnungshofes eine örtliche Überprüfung durchgeführt worden. Die Prüfung hat ergeben, daß das Luftwaffenpark-Regiment 1 umgegliedert werden mußte. Mit der Umgliederung wurde am 1. Mai 1968 begonnen.
Außerdem hat sich ergeben, daß zur Erledigung der gestellten Aufgaben an Stelle von bisher 539 Beamten und Arbeitnehmern jetzt nur 436 Beamte und Arbeitnehmer, also über 100 weniger notwendig sind. Zur Zeit wird geprüft, wie das überzählige Zivilpersonal anderweitig untergebracht werden kann. Von Kündigungen soll möglichst abgesehen werden.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, haben Sie bei Ihren Überprüfungen festgestellt, daß es sich hier in der Regel um Personen handelt, die beinahe 20 Jahre im öffentlichen Dienst — sei es als Arbeiter, sei es als Angestellte — tätig sind, und darf ich daraus schließen, daß Sie sich auf Grund dieser Tatsache verpflichtet fühlen, dafür zu sorgen, daß diese Menschen nicht von heute auf morgen brotlos werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, in dieser Frage steht der Bundesminister der Verteidigung auch mit dem Hauptpersonalrat des Hauses in Verbindung, und es haben verschiedentlich Besprechungen stattgefunden. Selbstverständlich berücksichtigt die Bundesregierung bei ihren Maßnahmen die von Ihnen soeben erwähnten sozialen Tatbestände. Das geht auch schon daraus hervor, daß ich Ihnen sagte, daß wir bemüht sind, keine Kündigungen auszusprechen, sondern versuchen werden, die Angestellten in unserem anderen Bereich unterzubringen. Ein Teil der Angestellten konnte bereits in Beamtenstellen weiterverwandt werden.
Zweite Zusatzfrage!
Darf ich aus Ihrer letzten Antwort schließen, Herr Staatssekretär, daß Sie sich vor allem auch bemühen, Lösungen zu finden, die nicht Umzüge nach sich ziehen? Denn das ist gerade im Raum München ein besonderes Problem, und da es sich hier um Techniker handelt, ist es ja nicht sehr leicht, sofort einen gleichwertigen Platz in der Nähe zu finden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bemühen werden wir uns wohl, Herr Abgeordneter; aber ich kann nicht zusagen, daß nicht in dem einen oder anderen Falle ein Umzug notwendig sein wird, wenn der Betreffende Wert darauf legt, weiter im Bereich der Bundeswehr verwendet zu werden.
Frage 18 des Abgeordneten Schultz :
Auf welche Unterlagen kann sich das Bundesverteidigungsministerium stützen, wenn es feststellt, der Leser einer Fachzeitschrift, gemeint sind militärische Fachzeitschriften, unterscheide in der Regel nicht objektiv zwischen dem redaktionellen und dem Anzeigenteil bzw. einer Beilage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die gestellte Frage geht auf die Ablehnung der Bitte zurück, den Entwurf eines von einer Fraktion dieses Hohen Hauses eingebrachten Gesetzes betreffend die Spitzengliederung der Landesverteidigung in die Zeitschrift „Truppenpraxis" einzulegen. Der Bitte konnte nicht entspro-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11015
Staatssekretär von Hase
chen werden, weil die „Truppenpraxis" eine Ausbildungszeitschrift des Bundesministeriums der Verteidigung für die Offiziere der Bundeswehr ist, die ausschließlich dienstlichen Zwecken dient. Die militärischen Fachzeitschriften kennen bisher nur zwei Arten von Beilagen, und zwar Waffentafeln als Teil des redaktionellen Teils und Werbebeilagen der Wirtschaft, die als Reklame klar erkennbar sind. Das Beilegen eines Gesetzentwurfs einer politischen Partei würde diesen Rahmen sprengen und hätte zwangsläufig den Eindruck einer redaktionellen Beilage erweckt und damit möglicherweise zu Mißverständnissen geführt.
Zusatzfrage!
Schultz (FDP) : Herr Staatssekretär, ohne daß ich mich mit der von Ihnen gegebenen Wertung einverstanden erklären könnte, möchte ich doch fragen: Sie hatten nicht die Absicht, mit Ihrer Ablehnung und der Begründung der Ablehnung zu sagen, daß Offiziere besondere Fachidioten sind?
Das geht nicht! Das ist auch eine Wertung.
— Nein, nein; die Frage ist nicht zugelassen.
Warum hält die Bundesregierung in dem jetzt von ihr vorgelegten Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Soldatenlaufbahnverordnung es für erforderlich, daß diejenigen Stabs-und Oberstabsfeldwebel, die Offiziere des militärfachlichen Dienstes werden wollen, sich noch einer Offiziersprüfung unterziehen müssen, nachdem sie sich doch durch ihre bisherige Tätigkeit bereits für ihre zukünftigen Aufgaben als Fachoffizier qualifiziert haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es entspricht den im gesamten öffentlichen Dienstrecht geltenden Laufbahngrundsätzen, daß beim Aufstieg in eine höherwertige Laufbahn oder Laufbahngruppe eine entsprechende Laufbahnprüfung abzulegen ist. Dieser Grundsatz findet für den Aufstieg eines Unteroffiziers in eine Offizierslaufbahn seinen Ausdruck in § 27 Abs. 5 des Soldatengesetzes.
Eine Sonderregelung zugunsten der Stabs- und Oberstabsfeldwebel wäre nur durch eine Änderung des Soldatengesetzes möglich. Ihr stehen jedoch folgende Gründe entgegen. Die Laufbahn des militärfachlichen Dienstes ist eine Offizierslaufbahn, die gleichwertig neben den Laufbahnen der Offiziere des Truppendienstes, des Sanitätsdienstes, des Militärmusikdienstes und des militärgeographischen Dienstes steht. Sie ist den Unteroffizierslaufbahnen übergeordnet. Sie eröffnet den Zugang bis zum Dienstgrad Hauptmann hi der Besoldungsgruppe A 11, während die Unteroffizierslaufbahn mit der Besoldungsgruppe A 10 endet. Den Fachoffizieren steht außerdem die Übernahme in die Truppenoffizierslaufbahn offen, ohne daß eine weitere Laufbahnprüfung erforderlich ist. Der Fachoffizier soll schließlich als Einheitsführer eingesetzt und zu diesem Zweck mit den Vorgesetzten- und Disziplinarbefugnissen eines Kompaniechefs ausgestattet werden können. Aus diesen Gründen ist eine über die Anforderungen der Stabsfeldwebelprüfung hinausgehende Laufbahnprüfung notwendig, wobei allerdings die, bereits in der Stabsfeldwebelprüfung nachgewiesenen Kenntnisse angemessen berücksichtigt werden.
Zusatzfrage!
Schultz (FDP) : Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß mit dieser sehr strengen Auslegung des Gesetzes das, was mit dieser neuen Laufbahn eigentlich angestrebt wird, weitgehend zunichte gemacht wird, zum mindesten für die Personen, die die Aufgaben, die später der Fachoffizier übernehmen soll, jetzt schon wahrnehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, ich bin nicht dieser Auffassung, Herr Abgeordneter. Es handelt sich nicht um eine automatische Überführung eines Teils der bisherigen Besoldungsgruppen 9 und 10 in die Besoldungsgruppen 9, 10 und 11 im Rahmen der Laufbahn der Offiziere, sondern es handelt sich um den Umstieg in eine auf Grund der Anforderungen und der Qualifikation anders geartete Laufbahngruppe.
Frage 20 des Abgeordneten .Schultz :
Warum verzichtet die Bundesregierung nicht darauf, daß die Fachoffiziersanwärter und die Fachoffiziere im Schriftverkehr ihren Dienstgrad durch einen entsprechenden Zusatz kennzeichnen müssen, obwohl durch diese Kennzeichnung die Gefahr besteht, daß der Fachoffizier abgewertet und seine Integration in das Offizierskorps verhindert wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat bisher nur den Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes verabschiedet und dem Bundestag zugeleitet. Dieses Gesetz soll sowohl für die Offiziere der Laufbahn des militärfachlichen Dienstes als auch für die Dienstgrade Stabs- und Oberstabsfeldwebel die Einführung einer besonderen Altersgrenze von 52 Jahren bestimmen. Erst nach Verabschiedung dieses Gesetzes kann die Verordnung zur Änderung der Soldatenlaufbahnverordnung ihre endgültige Fassung erhalten. Im übrigen sieht die Bundesregierung in dem Zusatz „Fachoffizier" oder „Fachoffiziersanwärter" keinerlei Abwertung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schultz .
11016 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Schultz (FDP) : Herr Staatssekretär, steht die Beantwortung dieser Frage nicht in völligem Gegensatz zu dem, was Sie zur Frage 19 gesagt haben? Nachdem Sie sagten, daß eine Offiziersprüfung abgelegt werden muß, damit man in diese Gruppe hineinkommen kann, — wieso ist es dann notwendig, für diese Leute noch eine besondere Bezeichnung hinter dem Dienstgrad hinzuzufügen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, innerhalb der Laufbahngruppe der Offiziere gibt ,es insgesamt fünf Fachlaufbahnen, die ich in der Beantwortung der anderen Frage aufgezählt habe. Schon zur Unterscheidung untereinander ist ein solcher Zusatz erforderlich. Wir sind der Meinung, daß der Zusatz in gar keiner Weise eine Abwertung bedeutet, im Gegenteil die besonderen fachlichen Erfahrungen und den Vordienstweg des Betreffenden klar kennzeichnet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rommerskirchen.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für sinnvoll, daß zu einer Gesetzesmaterie Fragen gestellt werden, die gerade erst, nämlich vergangene Woche, vom Plenum dem zuständigen Ausschuß zur Beratung überwiesen worden ist?
Bei allem Wohlwollen, Herr Abgeordneter, das ist auch eine Wertung, und sie fordert dazu noch die Wertung eines Abgeordneten durch die Regierung. Das lasse ich nicht zu.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Marx .
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die soeben erörterte Materie von diesem Hohen Hause zur Erörterung morgen dem zuständigen Fachausschuß überwiesen worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das trifft zu, Herr Abgeordneter.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Funcke.
— Nein, die Fragen 138 und 139 der Nachtragsdrucksache sind für Freitag vorgesehen. Ich hätte zwar nichts dagegen, daß sie gleich beantwortet werden. Herr Staatssekretär, können Sie die beiden Fragen der Frau Abgeordneten Funcke aus der Nachtragsdrucksache, die Ihren Geschäftsbereich betreffen, jetzt schon beantworten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fragen liegen mir noch gar nicht vor.
Wenn Sie Ihnen nicht vorliegen, geht es nicht.
Ich rufe dann die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf, zunächst die Frage 21 des Abgeordneten Buschfort. — Herr Abgeordneter Buschfort ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Dann die Fragen 22, 23 und 24 des Abgeordneten Opitz:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß das Flugzeug im gesamten europäischen Verkehr eine ungenügende Rolle spielt?
Ist die Bundesregierung bereit, in der EWG Maßnahmen vorzuschlagen, um den Flugverkehr in Europa gegenüber anderen Verkehrsträgern wettbewerbsfähig zu machen, z. B. durch Absprachen oder neue Zusammenschlüsse zwischen Fluggesellschaften zugunsten der Reisenden?
Hat die Bundesregierung Unterlagen darüber, warum der Flugkilometerpreis in Europa höher ist als in den USA?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, bei der Beurteilung der Rolle des Flugzeugs im gesamten europäischen Verkehr muß berücksichtigt werden, daß Europa, im Gegensatz zu einigen anderen Kontinenten, bereits von einem dichten und hochentwickelten Oberflächenverkehrsnetz überzogen ist. Die im Verhältnis zu den übrigen Verkehrsträgern überdurchschnittlich hohen Zuwachsraten im europäischen Personen- und Güterluftverkehr beweisen, daß der Luftverkehr trotz der vorhandenen Wettbewerber die ihm auf Grund seiner spezifischen Vorteile gegebenen Marktchancen mit Erfolg genutzt hat. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sich der Luftverkehr in Europa weiterhin günstig entwickeln und seinen Anteil am gesamteuropäischen Verkehr weiter vergrößern wird.
Keine Zusatzfrage. — Nächste Frage.
Herr Kollege, bereits heute besteht eine weitgehende Zusammenarbeit der europäischen Flugliniengesellschaften auf technischem und wirtschaftlichem Gebiet. Die Bundesregierung hat solche Abmachungen im Hinblick auf die notwendigen Investitionen sowie aus Gründen der Rationalisierung und Kostenersparnis stets gefördert. Sie erblickt darin ein geeignetes Mittel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrs.
Soweit es sich um den Zusammenschluß von Luftverkehrsgesellschaften handelt, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß es in erster Linie Angelegenheit der Gesellschaften selbst ist, hierfür geeignete Formen zu entwickeln. Eine Beschränkung auf die in den Mitgliedsländern der EWG beheimateten Luftverkehrsgesellschaften erscheint wegen
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
der Weiträumigkeit des europäischen Luftverkehrsnetzes nicht zweckmäßig.
Keine Zusatzfrage. — Nächste Frage.
Der Bundesregierung ist bekannt, warum der Flugkilometerpreis in Europa höher als in den USA ist. An Hand einer hierüber von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation erstellten Studie prüft zur Zeit die Europäische Zivilluftfahrtkonferenz, zu deren 19 Mitgliedstaaten die Bundesrepublik Deutschland zählt, ob und gegebenenfalls welche Möglichkeiten für die europäischen Regierungen bestehen, Maßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung des Tarifunterschiedes zwischen dem europäischen und dem nordamerikanischen Luftverkehr zu ergreifen.
Zusatzfrage!
Herr Staatseskretär, sind Sie in der Lage, annähernd zu sagen, warum dieser Unterschied im Kilometerpreis vorhanden ist?
Ja, Herr Kollege, das bin ich. Es gibt z. B. einen Unterschied in der Produktivität der europäischen zu den amerikanischen Gesellschaften auf Grund der Struktur des europäischen Luftverkehrsnetzes. Das ist ein Grund.
Ein weiterer Grund ist, daß die Gesellschaften unterschiedlich groß sind, daß deshalb der Ausgleich von Einnahmen auf guten Strecken und weniger ertragreichen Strecken kaufmännisch gesehen in Amerika etwas ganz anderes darstellt als bei uns.
Drittens muß berücksichtigt werden, daß die Gebühren, die die Fluggesellschaften für Landungen und andere Dinge zu zahlen haben, in Europa teilweise sehr viel höher sind. Das hängt eben damit zusammen, daß sich in Europa eine andere historische Entwicklung des Luftverkehrs vollzogen hat als in den Vereinigten Staaten.
Fragen 25, 26 und 27 des Herrn Abgeordneten Ott:
Ist es richtig, daß bei einer beabsichtigten Auflösung der Bundesbahndirektion Augsburg die nach München verlagerten Dienststellen nicht zentral und räumlich unbefriedigend untergebracht werden müssen?
Inwieweit entsprechen Informationen den Tatsachen, daß zur ordnungsmäßigen Unterbringung aller Dienststellen einer vergrößerten Bundesbahndirektion München der Bau eines neuen großen Verwaltungsgebäudes notwendig ist, wofür bereits ein Grundstück vorhanden ist?
Hält die Bundesregierung es angesichts der in München herrschenden Ubernadifrage auf dem Bausektor für richtig, eine solche in Frage 26 erwähnte Baumaßnahme vor Abhaltung der olympischen Spiele durchzuführen?
Herr Präsident, da die Fragen der Herren Kollegen Ott und Dr. Althammer den gleichen Sachverhalt betreffen, bitte ich, mir zu gestatten, daß ich diese Fragen gemeinsam beantworte, wenn die Herren Kollegen damit einverstanden sind.
Einverstanden. Dann rufe ich noch die Fragen 28 und 29 des Abgeordneten Dr. Althammer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Vorschlag zuzustimmen, eine Bundesbahndirektion München-Augsburg an die Stelle der beiden Bundesbahndirektionen München und Augsburg zu setzen, um dadurch eine unnötige und unvertretbare Zusammenballung von Behörden in München zu verhindern?
Ist die Bundesregierung bereit, jede Unterstützung zu geben, um Dienststellen und Personal der Deutschen Bundesbahn in Augsburg zu halten, um München zu entlasten und eine sinnvolle Raumordnung in Bayern zu unterstützen?
Bitte sehr, zunächst zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Ott.
Wie ich dem Hohen Hause gegenüber bereits mehrfach ausgeführt habe, unterliegt die Auflösung von Bundesbahndirektionen einem besonderen Verfahren nach dem Bundesbahngesetz. Dem Bundesminister für Verkehr, als dem für die Deutsche Bundesbahn zuständigen Fachminister, sind danach entsprechende Anträge des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn erst vorzulegen, wenn der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn darüber positiv beschlossen hat. Zur Zeit werden sie noch in diesem Gremium behandelt.
Ich bitte daher um Ihr Verständnis, Herr Kollege, daß es mir nicht möglich ist, vor einer Beschlußfassung im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn auf Einzelheiten einzugehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gleissner.
Herr Staatssekretär, haben die immer wieder erhobenen Forderungen des Bundestages und des Bayerischen Landtages zur Raumordnungs- und Regionalpolitik im Fall der Organisation der Bundesbahndirektionen keine Bedeutung und keine Realität?
Herr Kollege, die Forderungen des Bundestages zur Raumordnungspolitik beziehen sich nicht auf den Sachverhalt, den Sie hier im speziellen ansprechen. Die Bundesregierung wird aber natürlich bei ihrer endgültigen Entscheidung über den Komplex, der hier zur Debatte steht, diese Fragen mit berücksichtigen. Ich habe in meiner ersten Antwort gesagt, daß sich zur Zeit das vom Gesetz vorgesehene Fachgremium, nämlich der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn, mit der Fülle der Probleme auseinanderzusetzen hat, die die Auflösung von Bundesbahndirektionen nun einmal beinhaltet. Ich habe die Diskussion im Hohen Hause darüber hinaus bis jetzt so verstanden, daß der Deutsche Bundestag wünscht, daß die Bundesbahn rationalisiert wird und daß insbesondere alles getan wird, um ihre Verwaltung auf einen modernen Stand zu bringen bzw. das Verhältnis von Verwaltung und Betrieb zu verbessern.
11018 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, da Sie soeben von der Rationalisierung der Bundesbahn sprachen, darf ich fragen: Ist Ihnen bekannt, daß das bei der Bundesbahn vorliegende Gutachten nachweist, daß die Bundesbahndirektion Augsburg nicht zu den unwirtschaftlichen Direktionen gehört?
Herr Kollege, wie Sie den Sachverhalt darstellen, entspricht er nicht den Informationen, die die Bundesregierung hat.
Zur zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, zu bestätigen oder zu dementieren, daß bereits mit der Vorbereitung eines neuen großen Verwaltungsgebäudes für die Bundesbahndirektion München begonnen wird und daß in dieses neue Verwaltungsgebäude die angeblich aufzulösende Direktion Augsburg hineinkommen soll?
Herr Kollege, Sie kennen das Programm der Bundesregierung zur Neuordnung des Verkehrs in der Bundesrepublik Deutschland, das hier im Hause behandelt worden ist und wo insbesondere der Teil Bundesbahn zu sehr eingehenden Ausschußberatungen geführt hat. In diesem Programm ist klar gesagt, daß sich in der Bundesbahn gewisse Dinge vollziehen müssen, um die vom Hohen Hause gewünschte Wirtschaftlichkeit des Unternehmens sicherzustellen. In diese große Frage sind eine Reihe von organisatorischen Veränderungen eingeschlossen, die bisher vom Vorstand der Bundesbahn veranlaßt wurden und die nicht im Gegensatz zu der Meinung des Hohen Hauses stehen.
Der spezielle Komplex der Direktionsauflösungen — das habe ich vorher schon ausgeführt — ist allerdings noch in der Schwebe bzw. in der Beratung im Verwaltungsrat. Ich bitte um Verständnis, daß ich nicht bereit bin, heute hier die Beratungen dieses Gremiums zu präjudizieren.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Herr Staatssekretär, sind Sie dann wenigstens bereit, diesem Hohen Hause mitzuteilen, was die Auffassung der Bundesregierung zur Frage 28 ist, die ich gestellt habe, nämlich zu der Frage, ob nicht eine Direktion München-Augsburg geschaffen werden kann, um zu verhindern, daß erneut ein erheblicher Zustrom an Personal und an Dienststellen nach München erfolgt?
Auch diese Frage, Herr Kollege, steht in engem Zusammenhang mit der Prüfung des Gesamtproblems, die noch nicht abgeschlossen ist. Ich kann hier doch nicht zu Detailfragen des großen Komplexes der Verwaltungsumorganisation . abschließend Stellung zu nehmen, ehe das dafür zuständige Gremium, nämlich der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn, seine Fachberatungen abgeschlossen hat.
Zur zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Herr Staatssekretär, ich würde Sie im Hinblick auf die verschiedenen Fragen, die zu dem Komplex in diesem Hohen Hause schon gestellt worden sind, trotzdem bitten, uns die Meinung der Regierung nicht vorzuenthalten.
Herr Kollege, wenn ich das, was Sie soeben gesagt haben, als Frage verstehen soll, so möchte ich sagen: die Bundesregierung wird in ihrem Gesamturteil über den Komplex der Verwaltungsrationalisierung und Umgruppierung in der Bundesbahn alle Gesichtspunkte berücksichtigen müssen, die sowohl in der Offentlichkeit von den verschiedensten Organisationen als auch aus dem Verwaltungsrat der Bundesbahn, als auch von bestimmten Länderregierungen geltend gemacht worden sind. Aber es entspricht bisher noch immer der Übung des Hohen Hauses, daß eine solche Frage hier erst dann abschließend diskutiert wird, wenn sich die Bundesregierung ihre Meinung gebildet hat, und nicht während des vorgeschalteten Beratungsverfahrens in den Fachgremien der Bundesbahn.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, würden Sie bereit sein, mir die Meinung der Bundesregierung dahin zu erklären, ob es die Bundesregierung für wünschenswert hält, daß die Bundesbahn in München vor den Olympischen Spielen ein neues großes Mammutverwaltungsgebäude erstellt?
Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen den Olympischen Spielen und dem Bau eines Verwaltungsgebäudes der Bundesbahn.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, habe ich Ihre bisherigen Antworten richtig verstanden, wenn ich annehme, daß Sie bei Ihren Überlegungen auch die finanziellen Leistungen auf die Dauer hin überprüfen, d. h. daß Sie feststellen, was für Kosten durch Neubau von Verwaltungsgebäuden entstehen und was durch Auflösung einer anderen Verwaltung gespart wird? Werden Sie dem Bundestag darüber ausführlich berichten?
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11019
Gerade das ist der Punkt, Herr Kollege, auf den ich zu sprechen kommen wollte. Die Bundesregierung muß bei der Behandlung des ganzen Themas Bundesbahn — das Hohe Haus wird ja heute in den Abendstunden eine Debatte über diese Frage haben — natürlich berücksichtigen, was für kurzfristige und langfristige finanzielle Konsequenzen bestimmte Veränderungen im Organisationsgefüge haben. Der Herr Bundesverkehrsminister hat dem Hohen Hause vor einiger Zeit deutlich dargestellt, daß ohne tiefgreifende Wandlungen in der Bundesbahn die öffentlichen Lasten für dieses Unternehmen immer größer werden. Ich weiß mich mit dem Hohen Hause darin einig, daß wir alles tun müssen, um sie zu senken, um die Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn in einem modernen Verkehrsbild der Zukunft zu erhalten und zu stärken. Das kann man nicht trennen von diesem Bemühen, eine Überprüfung der Organisationsform der Verwaltung der Bundesbahn vorzunehmen.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Weigl auf:
In welcher Höhe sind 1969 bzw. 1970 Mittel für den weiteren, besonders dringlichen Bau der Schnellstraße B 15 neu zwischen Regensburg und Weiden vorgesehen ?
Herr Kollege, für den Neubau der Bundesstraße 15 zwischen Weiden und Regensburg ist im Entwurf zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1969 ein Gesamtbetrag von 5,3 Millionen DM vorgesehen, und zwar 2,3 Millionen DM für den zweiten Bauabschnitt der Ortsumgehung Weiden und 3 Millionen DM für den Abschnitt Nabburg—Schwarzenfeld. Die Haushaltsansätze für das Jahr 1970 werden etwa in gleicher Höhe eingestellt.
Darüber hinaus ist beabsichtigt, den Abschnitt Nabburg—Schwarzenfeld mit Hilfe der Mittel im Strukturprogramm zu fördern. Hierzu ist in den Jahren 1968 bis 1970 eine Vorfinanzierung bis zu 12 Millionen DM vorgesehen.
Ich rufe die Fragen 31, 32 und 33 des Herrn Abgeordneten Reichmann auf:
Wird bei der geplanten Autobahn Stuttgart—westlicher Bodensee der Autobahnknotenpunkt Sunthausen — umfassend — mit eingeplant?
Wird für den Autobahnknotenpunkt Sunthausen gleichzeitig mit dem Bau der Nord-Süd-Autobahn nur der Grunderwerb vorzeitig durchgeführt oder der Knotenpunkt selbst in seiner Gestaltung so errichtet, daß man auf die Nord-Süd-Autobahn auffahren kann? '
Ist dem Bundesverkehrsministerium bekannt, daß der gleichzeitige , Gesamtausbau des Autobahnknotenpunktes Sunthausen wirtschaftlich und verkehrsmäßig für das dortige Gebiet dringend notwendig ist?
Herr Präsident, da die Fragen thematisch zusammengehören, wäre ich dankbar, wenn ich sie zusammen -beantworten dürfte.
Ich habe alle drei Fragen aufgerufen.
Herr Kollege, der Autobahnknotenpunkt Sunthausen wird gleichzeitig mit der Nord-Süd-Autobahn Stuttgart—Singen geplant, gebaut und an das bestehende Straßennetz angeschlossen.
Ich glaube, damit sind alle drei Fragen, die Sie gestellt haben, beantwortet.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der Baubeginn der Autobahn Stuttgart — westlicher Bodensee wiederum verschoben wird?
Das kann ich im Moment nicht bestätigen. Ich bin aber gerne bereit — wenn Sie sich auf irgendeine Pressemeldung stützen —, dem nachzugehen. Ich könnte mir nur vorstellen, daß bestimmte örtliche Schwierigkeiten in einem bestimmten Abschnitt zu einer Verzögerung führen würden. Es ist aber jedenfalls unsere Absicht, diese Autobahn so schnell wie möglich zu beginnen und zu bauen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß diese Äußerung vom zuständigen Autobahnamt erfolgt ist?
Herr Kollege, wenn es das zuständige Autobahnamt ist, dann bearbeitet dieses Amt wahrscheinlich ja auch nur einen Teil der Strecke. Ich kann mir gut vorstellen, daß die eine oder andere Grundstücksschwierigkeit den Baubeginn da oder dort verzögert oder daß bestimmte Einsprüche im Planfeststellungsverfahren hier noch Schwierigkeiten machen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Bemühungen unseres Hauses unterstützen könnten, hier mit diesen Fragen bald zu Rande zu kommen; denn es wird sicher zwischen uns kein Mißverständnis darüber geben, daß die Autobahn dringend notwendig ist.
Ich rufe dann die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Lemmrich auf:
Wann wird die Linienführung der künftigen Bundesautobahn Würzburg—Ulm festgelegt, nachdem bereits sechs Jahre lang darüber verhandelt wird?
Herr Kollege, sobald ein gemeinsamer Vorschlag der beiden an der Planung der Bundesautobahn Würzburg—Ulm beteiligten Länder Bayern und Baden-Württemberg vorliegt, kann die Linienführung dieser Autobahnverbindung nach § 16 des Bundesfernstraßengesetzes festgelegt werden.
11020 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß die lange Zeit, die hinsichtlich der Planung bereits verstrichen ist, endlich abgekürzt werden könnte?
Herr Kollege, der Bundesverkehrsminister würde es sehr begrüßen, wenn bestimmte Schwierigkeiten innerhalb der Auftragsverwaltung ausgeräumt werden könnten.
Zweite Zufrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie Ihren ganzen Einfluß geltend machen, daß diese Festlegung nun wirklich in absehbarer Zeit erfolgt?
Herr Kollege, wir werden unsere dringenden Bitten wiederholen.
Die Fragen 35, 36 und 37 stellt Herr Abgeordneter Müller :
Was kann die. Bundesregierung tun, um die seit Jahren andauernden und in jüngster Zeit offenbar festgefahrenen Verhandlungen der drei Bodensee-Anliegerstaaten über eine neue Internationale Schiffahrts-
und Hafenordnung zu beschleunigen?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es auf die Dauer unerträglich ist, wenn es in den drei Anliegerstaaten unterschiedliche Bestimmungen auch für Bootsführerscheine und Schifferpatente gibt?
Wie ist es zu erklären, daß im Bereich des Straßen- und Wasserbauamtes Konstanz für die Bootswerften keine Probefahrten mit Booten möglich sind, während dies auf der württembergischen Seite gestattet ist?
Die Fragen werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe dann die Fragen 38, 39 und 40 des Herrn Abgeordneten Dr. Gleissner auf:
Wird die Bundesregierung aus der aufsehenerregenden Veröffentlichung mit dem Titel "Flugsicherheit oder die Chance zu überleben", die der Schwede Arne Leibing „aus der Perspektive und auf Grund 20jähriger Flugpraxis" geschrieben hat und die sich u. a. mit „wachsenden Mißständen der Flugsicherung" in einem immer stärker expandierenden Luftverkehr beschäftigt, Konsequenzen ziehen?
Was ist zu dem .schweren Vorwurf zu sagen, daß das Flugsicherungssystem, mit dessen Hilfe „der Pilot seine Hochleistungs-Großraumtransportmaschinen mit großer Geschwindigkeit durch den Äther steuert", absolut unzureichend ist?
Ist die Kritik auch für die Bundesrepublik Deutschland zutreffend, daß die Luftfahrtbehörden als Arbeitgeber von ihren Flugsicherungsbeamten verlangen, daß sie „unter starken Beanspruchungen, wie großer Verkehrsdichte und unter ungünstigen physischen Bedingungen, wie schlechte Beleuchtung, hohe Lärmbelästigung, unzureichendem Arbeitsraum und veraltetem Gerät arbeiten", so daß die Arbeitsfähigkeit des Flugsicherungsbeamten in gefährlichem Maße beeinträchtigt wird?
Herr Kollege, die von Ihnen zitierte Veröffentlichung befaßt sich im weltweiten Rahmen mit Fragen, der Flugsicherung und der Flugsicherheit. Die Bundesregierung wird auch künftig wie bisher alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Flugsicherung mit den modernsten Anlagen und Einrichtungen auszustatten. Sie hat dazu ein umfangreiches langfristiges Investitionsprogramm aufgestellt, das der Entwicklung des Luftverkehrs laufend angepaßt wird.
Der Vorwurf des Schweden Leibing richtet sich nicht speziell gegen die deutsche Flugsicherung. Hier ist er unberechtigt.
Im übrigen stelle ich zur Frage der Ausrüstung der Flugsicherung fest: die in der Presse in letzter Zeit mehrfach verbreitete Nachricht, „auch die Bundesregierung kaufe in den USA überalterte Flugsicherungsgeräte aus zweiter Hand", ist unzutreffend.
Zu Frage 40: Es sind keine Umstände bekannt, die die Arbeitsfähigkeit der Flugverkehrslotsen in gefährlichem Maße beeinträchtigen. Im übrigen ist die Bundesregierung bestrebt, die Arbeitsbedingungen ständig zu verbessern.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Flugsicherung — laut einem Fachblatt der Bundesrepublik für Flugsicherung — durch Modernisierung erst jetzt allmählich den Stand erreicht hat, den sie hätte haben sollen, als sich die ersten Düsenflugzeuge in die Luft erhoben?
Ich würde sagen, das ist eine sehr überspitzte und zum Teil nicht zutreffende Formulierung. Richtig ist, daß die Geräteentwicklung bei Radareinrichtungen und ähnlichen Dingen in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat und daß wir mit den Mitteln, die das Hohe Haus bereitgestellt hat, die modernsten Anlagen dafür installieren konnten. Ich darf hier darauf hinweisen, daß z. B. die Anlage in Köln, die im vorigen Jahr übergeben wurde, zu den modernsten in Europa zählt.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind die von seiten der Vertretung der Flugsicherung wiederholt geäußerten Befürchtungen angebracht, daß das Flugsicherungssystem — ich zitiere — „noch lange ungesichert bleibt, weil die Luftfahrtbehörden nicht imstande sind, genügend Geld zur Verfügung zu stellen, um dieses lebenswichtige Gebiet der Luftfahrt so mit Menschen und Material auszurüsten, daß die Anforderungen eines ständig wachsenden Verkehrs an die Flugsicherheit erfüllt werden"?
Soweit diese Angaben auf die Bundesrepublik Deutschland gezielt sein sollten, würde ich sagen: das entspricht in dieser Form nicht den Tatsachen. Richtig ist, daß es immer eine Diskussion darüber geben wird, was notwendig wäre und was man tun könnte; aber genauso richtig ist, daß das Hohe Haus in den letzten Jahren erhebliche Mittel bereitgestellt hat und daß selbst in bestimmten Auseinandersetzungen der letzten Wochen der betroffene Verband zugeben mußte,
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11021
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
daß der technische Standard der Einrichtungen in den letzten Jahren sehr verbessert werden konnte. Ich möchte hier sagen, daß das, was wir gebaut haben, den Richtlinien der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation entspricht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Fragen 41, 42 und 43 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler auf:
Kann die Bundesregierung auf Grund des bisher vorliegenden statistischen Materials beurteilen, welche Abschnitte auf den Bundesfernstraßen durch Überwechseln des Wildes besonders gefährdet sind?
Decken sich diese Abschnitte auf den Bundesautobahnen mit denjenigen, die im Rahmen des „Versuchsprogrammes mit Wildzäunen" mit solchen Zäunen bereits versehen sind?
Um wieviel Prozent würden sich die Kosten für den Ausbau eines Kilometers Straßenlänge bei Bundesautobahnen und Bundesstraßen verteuern, wenn Wildzäune angebracht würden?
Herr Präsident, wegen des Sachzusammenhanges bitte ich, die Fragen 41 und 42 gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn Herr Kollege Dr. Kempfler damit einverstanden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr!
Herr Kollege, der Grad der Gefährdung eines Straßenabschnitts durch Wildwechsel ist abhängig von der Art und Dichte des vorhandenen Wildbestandes und der Höhe der gefahrenen Kraftfahrzeuggeschwindigkeiten. Die im Rahmen des Versuchsprogramms mit Wildsperrzäunen ausgerüsteten Teststrecken an Bundesautobahnen sind ausnahmslos solche, die durch Wildwechsel besonders gefährdet sind.
Keine Zusatzfrage?
— Die nächste Frage; bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Kosten für die beidseitige Ausrüstung eines Kilometers Straßenlänge mit Wildsperrzäunen betragen nach den bisherigen Erfahrungen etwa 20 000 DM. Geht man von einem durchschnittlichen Ausbaukostensatz für einen Kilometer Bundesstraßen von 2,5 Millionen bzw. für einen Kilometer Bundesautobahnen von 6 Millionen DM aus, so beträgt die prozentuale Verteuerung durch Wildsperrzäune etwa 0,4 bis 0,8 %; hierbei sind allerdings die Unterhaltungskosten noch nicht berücksichtigt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie einen ungefähren Überblick über die Schäden, die durch Wild auf den Bundesfernverkehrsstraßen pro Jahr verursacht werden?
Herr Kollege, es gibt bestimmte statistische Angaben, die ich Ihnen gern im einzelnen zuleiten würde; allerdings müssen sie sehr mit Vorbehalt gesehen werden, denn Unfälle durch Wild können ja unter Umständen auch durch überhöhte Geschwindigkeit eines Fahrers veranlaßt sein, der eine mit bestimmten Hinweisschildern versehene Strecke eben zu schnell gefahren ist. Insofern kann man also dann nicht den Wildbestand oder den fehlenden Wildzaun, sondern muß man das Fahrverhalten verantwortlich machen. — Weil diese Dinge sehr kompliziert sind, würde ich Ihnen gern einzelne Angaben dazu persönlich zuleiten.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht möglich, die großen Versicherungsgesellschaften an den Kosten für diese Wildzäune zu beteiligen, nachdem ja die Wildzäune weniger im Interesse der Jäger als vielmehr zur Erhöhung der Sicherheit des Straßenverkehrs errichtet werden?
Ich glaube nicht, Herr Kollege, daß die Versicherungsgesellschaften über diesen Vorschlag besonders erfreut sein werden. Die rechtlichen Fragen, die damit zusammenhängen, sind sehr umfangreich. Ich bin gern bereit, Ihnen dazu eine Ausarbeitung zuzuleiten.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für zweckmäßig, vorzuschreiben, daß bei der Durchführung von Treibjagden an stark befahrenen Straßen für die Dauer dieser Jagden zusätzliche Verkehrsschilder aufgestellt werden müssen?
Herr Kollege, das ist eine Frage, die die zuständigen Landesbehörden zu entscheiden haben. Sicher ist eine zusätzliche Absicherung — so will ich es einmal formulieren — für die Dauer einer solchen Treibjagd wünschenswert und im Interesse der Verkehrssicherheit dringend geboten. Ob das unbedingt durch eine Einschilderung geschehen muß, ist eine zweite Frage.
Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den Nachweis zu führen, daß ihre Beträge zum Bau gemeindlicher Kanalisationen, in die sie Straßenwässer der in ihrer Baulast stehenden Straßen einleitet, neben den Kosten der erstmaligen Herstellung auch die gemeindlichen Kosten der Unterhaltung und gegebenenfalls erforderlich werdenden Erneuerung sowie die Behandlung und Beseitigung ' der Abwässer in Kläranlagen abdecken?
Herr Kollege, die Frage beantworte ich mit nein. Da der Bund außer
11022 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
seinem Beitrag zu den Herstellungskosten keine Beiträge leistet, bedarf es insoweit keines Nachweises. Voraussetzung für den finanziellen Beitrag des Bundes zur Herstellung gemeindlicher Mischkanalisation in Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen in der Baulast des Bundes ist nämlich, daß die Gemeinden die Benutzung ihrer Kanalisation für die Straßenentwässerung unentgeltlich gestatten. Der Berechnungsmaßstab ist für die Gemeinden sehr vorteilhaft. Unterhaltungskosten können ihnen daher nicht erstattet werden. Sie müßten ihre eigene Kanalisation ja auch dann unterhalten, wenn sie nicht gleichzeitig der Entwässerung der Bundesstraße diente. Ob Unterhaltungsmehrkosten wegen der Straßenentwässerung überhaupt entstehen und wie hoch sie sind, müßten die Gemeinden wissen, die die Kanalisation unterhalten. Sie könnten aber nach meiner Auffassung praktisch kaum ins Gewicht fallen. Kläranlagen sind für das Oberflächenwasser der Straße nicht nötig, weil dieses Wasser ja nicht geklärt werden muß, sondern eher die Klärung der übrigen Abwässer erleichtert. Wird eine Erneuerung der Mischkanalisation im ganzen notwendig, wird sich der Bund in gleicher Weise wie bei der erstmaligen Herstellung an den Kosten beteiligen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Börner, muß ich nicht aus Ihrer Antwort entnehmen, daß der Bund durch seine Beteiligung nur an den Herstellungskosten besser gestellt ist als der Staatsbürger, der nicht nur die Herstellungskosten, sondern auch die Benutzungsgebühren bezahlen muß? Wäre es nicht richtiger, daß die Bundesregierung auch hier Gleichmäßigkeit walten läßt?
Ich kann, Herr Kollege, nicht sehen, daß hier ein gleicher Sachverhalt vorliegt. Der Bürger leitet ja von seinem Haus in dieses Kanalsystem Mischwasser ab, welches mit hohen Kosten geklärt werden muß. Der Bund aber gibt aus seiner Entwässerung der Straße praktisch reines Wasser dazu. Ich habe in meiner ersten Antwort darauf hingewiesen, daß das die Verarbeitung bzw. die Klärung des anderen von der Gemeinde bzw. von den Bürgern in die Leitung gegebenen Wassers erleichtert. Ich kann also nicht sehen, daß hier ein gleicher Sachverhalt vorliegt.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, Sie stellen in Ihrer Antwort Straßenoberflächenwasser mit sonstigem Grundstücksoberflächenwasser gleich. Ist der Bundesregierung nicht bekannt, daß im Straßenoberflächenwasser Öl und sonstige Schmutzstoffe enthalten sind, die dringend der Klärung bedürfen?
Herr Kollege, ich habe es nicht mit Oberflächenwasser aus Grundstücken gleichgestellt, sondern mit Wasser aus Häusern, d. h. also hier mit Wasser, dessen Reinigung wegen seines starken Verschmutzungsgrades erhöhte Kosten erfordert. Die Öl- oder Schmutzanteile von einer Straße sind demgegenüber so minimal, daß sie nicht ins Gewicht fallen.
Ich rufe die Fragen 45, 46 und 47 des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke auf:
Ist die Bundesregierung dafür, daß die Parkscheibe nach der neuen Straßenverkehrs-Ordnung auch für eine höchstzulässige Parkdauer unter 2 Stunden zugelassen wird?
Beabsichtigt die Bundesregierung, bei den Ländern darauf hinzuwirken, daß die Gemeinden, je nach den örtlichen Gegebenheiten, selbst über die höchstzulässige Parkdauer bestimmen können?
Hält es die Bundesregierung für richtig, die im Entwurf der neuen Straßenverkehrs-Ordnung vorgesehene und den CEMTRegeln entsprechende Einführung der Parkscheibe durch eine Ausführungsverordnung zum Teil außer Kraft zu setzen, nachdem unter anderem in Frankreich, Italien, Osterreich und in der Schweiz die Parkscheibe auch bei kürzeren höchstzulässigen Parkzeiten als zwei Stunden erlaubt ist?
Herr Kollege, in Übereinstimmung mit dem Bericht der Sachverständigenkommission nach dem Gesetz über eine Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und in Übereinstimmung mit den für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei zuständigen obersten Landesbehörden hält die Bundesregierung die Parkuhr für das geeignete Mittel, eine feinere Staffelung der Parkzeiten zu erreichen, als es mit der Parkscheibe möglich wäre. Die Parkuhr wird also durch die Parkscheibe nichtentbehrlich. Im Interesse eines sinnvollen Einsatzes beider Einrichtungen sollte dabei die Parkscheibe nur dort verwendet werden, wo ein Parken von mindestens zwei Stunden erlaubt werden kann. Eine entsprechende Regelung sieht der Entwurf der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur neuen Straßenverkehrsordnung vor.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wollen Sie mir bitte begründen, warum eine Parkscheibe nicht dieselben guten Auswirkungen haben kann wie eine Parkuhr, wie Sie soeben behauptet haben?
Herr Kollege, diese Frage berührt in erheblichem Maße den in einem bestimmten Gebiet einer Innenstadt vorhandenen Parkraum. Die Städte der Bundesrepublik sind, wie Sie wissen, sehr unterschiedlich aufgebaut worden, und bei diesem Aufbau ist die Vorhaltung von Parkraum kommunalpolitisch sehr verschieden entschieden worden. Die Parkuhr ist ja ein Instrument zur scharfen Überwachung des knappen Parkraums. Die Parkscheibe ist nach unserer Meinung dort geeignet, wo in den Randzonen einer City mehr Parkraum zur Verfügung steht, als .es in einigen Städten der Fall ist. Das wirft also die Frage der Überwachung oder der Selbstdisziplin des Kraftfahrers auf.
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Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist nicht auch Ihnen bekannt, daß beim Parken mit der Parkscheibe weniger 'Raum in Anspruch genommen wird als bei Parkuhren, weil bei einer Parkscheibe die jeweilige Größe des Wagens entscheidend ist, bei der Parkuhr aber ein Raum abgeteilt werden muß?
Das ist mir bekannt, Herr Kollege, und ich bin auch kein Gegner der Parkscheibe; im Gegenteil! Meine Heimatstadt hat damit sehr positive Erfahrungen gesammelt. Aber ich muß darauf hinweisen, daß diese Frage nicht nur in Verbindung mit der Überwachung bzw. mit der Markierung vor der Parkscheibe für einen bestimmten Wagentyp gesehen werden kann, sondern daß man den gesamten vorhandenen Parkraum einer Innenstadt und die Möglichkeit berücksichtigen muß, diesen Parkraum im Laufe eines Tages möglichst oft durch andere Fahrzeuge zu benutzen.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wollen Sie vielleicht doch einmal z. B. auf die Vorschläge des ADAC zurückkommen, der genaue Vorstellungen über dieses Problem hat. Ich habe bisher von der Bundesregierung keine überzeugende Gegendarstellung bekommen.
Ich habe Ihnen ja gesagt, Herr Kollege, daß wir uns auf sehr sorgfältige Untersuchungen der Sachverständigenkommission über die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden stützen. Natürlich werden in die weiteren Überlegungen auch die Vorschläge des ADAC mit einbezogen. Sie sind auch schon bisher einbezogen worden; nur sieht der ADAC die Dinge ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Kraftfahrers, während wir die Verpflichtung haben, auch die Frage zu berücksichtigen, wie die Städte mit dem Problem fertigwerden sollen.
Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist beendet.
Ehe ich Punkt 2 der Tagesordnung aufrufe, gebe ich dem Hause bekannt, daß die Vereinten Nationen beschlossen haben, das Jahr 1968 zum Jahr der Menschenrechte zu erklären. Aus dem Hause sind mehrfache Wünsche an das Präsidium herangetragen worden, dieses Jahres hier in angemessener Weise zu gedenken. Der Altestenrat hat nach vorheriger Fühlungnahme mit der Bundesregierung beschlossen, den Präsidenten des Hauses zu bitten,. dazu eine Erklärung abzugeben. Ich folge hiermit diesem Wunsch und rufe auf:
Erklärung des Präsidenten des Deutschen
Bundestages zum Jahre der Menschenrechte
Meine Damen und Herren! Am 18. November 1948 hat der in diesem Hause tagende Ausschuß für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates beschlossen, die universale Erklärung der Menschenrechte für seine Beratungen heranzuziehen. Damals war noch Entwurf, was einige Wochen später, nämlich am 10. Dezember 1948, von der Vollversammlung der Vereinten Nationen zum feierlichen Beschluß erhoben wurde. Die Vereinten Nationen wollten damit dem in ihrer Charta schon 1945 proklamierten Ziel näherkommen, den Glauben an die grundlegenden Menschenrechte, an die Würde und an den Wert der menschlichen Person zu befestigen. Die Väter unseres Grundgesetzes wußten sich damit so sehr in Übereinstimmung, daß ihnen jene Erklärung der Vereinten Nationen offenbar nicht mehr als eine Formulierungshilfe bedeutet hat.
Die tatsächliche Übereinstimmung des Grundrechtsteils unseres Grundgesetzes mit der Erklärung der Vereinten Nationen ist augenfällig. Ich gestehe, es gefällt mir, sagen zu können, daß in beiden, sowohl in der universalen Erklärung der Vereinten Nationen wie im Grundrechtsteil unseres Grundgesetzes, sich die elementaren Bestandteile des Rechtsgutes wiederfinden, das unter der Überschrift „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen" im Zweiten Hauptteil der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 niedergelegt wurde. Die leitenden Ideen dieses Rechtsgutes sind von Europäern geformt worden. Aber verwirklicht, zum ,ersten Male verwirklicht, wurden sie im Amerika des 18. Jahrhunderts. Der Staat Virginia kann den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, zum erstenmal der Überzeugung einen gesetzlich gültigen Ausdruck gegeben zu haben, daß alle Menschen frei und gleich an Würde und Recht geboren sind und daß sie deshalb bestimmte unantastbare und unveräußerliche Rechte — wie es in jenen Erklärungen heißt — besitzen.
In der Menschen- und Bürgerrechtserklärung der Französischen Nationalversammlung von 1789 finden sich dieselben Überzeugungen. Sie gaben den Auftakt zur französischen Revolution und wurden, damit zum Anstoß einer neuen Epoche der Geschichte. In ihr flossen Ströme von Blut. Es gibt jedoch große Beispiele dafür, daß auch die Gewaltlosigkeit, wenn sie mit einem fest gegründeten Rechtsbewußtsein im Bunde ist, der Welt ein anderes Gesicht zu geben vermag. In diesem Jahr gedenken wir auch des 100. Geburtstages Mahatma Gandhis. Er ist weit über Indien hinaus für viele in der Welt zu einer Hoffnung der Menschheit geworden, trotz der Tragik, die über seinem Ende liegt.
Das Gedenkjahr der Menschenrechte soll indessen mehr bedeuten als die Erinnerung an ein großes Kapitel der Geistes- und Rechtsgeschichte der Menschheit. Als die Vereinten Nationen vor 20 Jahren ihre universale Erklärung erließen, bezeichneten sie die darin proklamierten Menschenrechte als ein gemeinsames Ideal, das von allen Nationen angestrebt werden solle. Nun, wenn man die Welt
11024 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
heute daraufhin ansieht, könnte man freilich mit Ludwig Uhland .sagen: „Untröstlich ist's noch allerwärts."
— Wissen Sie auch, wie es weitergeht? — „Doch sah ich manches Auge flammen, und klopfen hört' ich manches Herz." Das habe ich des Pathos wegen in dieser Rede nicht aufgeschrieben, aber ich trage es nach.
Aber auch das kritische, jeder Illusion abholde Urteil bestätigt, daß die normative Kraft der proklamierten Menschenrechte in diesen 20 Jahren nicht schwächer, sondern stärker wurde. Die europäische Menschenrechtskonvention von 1950, die europäische Sozialcharta von 1961 und die internationalen Pakte der Vereinten Nationen vom 16. Dezember 1966 stehen alle darauf.
Aber auch dort, wo man von all diesen Pakten und Übereinkünften, Konventionen und Erklärungen wenig oder nichts weiß, wo man die in diesen Konventionen und Pakten verbürgten Rechte nicht einklagen kann, auch dort sind ihre leitenden Ideen lebendig und wirksam. Sie können zwar niedergedrückt, aber sie können nicht umgebracht werden. Mit Panzern, Konzentrationslagern und — am gefährlichsten wahrscheinlich — mit der fortgesetzten gelenkten Berieselung der öffentlichen Meinung ist zwar noch immer allerhand, und dazuhin meist Katastrophales in dieser Welt zu machen. Aber hat uns die Geschichte dieses Jahrhunderts nicht auch gezeigt, daß der Mensch, der Kern des Menschen, so anfällig, ja, fragwürdig er in vielem sein mag, doch nicht umzubringen ist? Es klingt paradox, weil es dem zu widersprechen scheint, was viele von uns selbst erlebt haben; aber es ist dennoch wahr: der Mensch, das Wesen des Menschen ist offenbar unzerstörbar. Ich fürchte, das gilt von seinem Bösen, aber ganz gewiß gilt es doch auch von seinem Guten. Der totalitäre Staat vermag zum Beispiel viel; wir haben es erlebt. Aber weder die Liste seiner Verführung noch die Gewalt seines Zwanges reichen verläßlich bis in die Gründe, aus denen sich die menschliche Sehnsucht nach Gerechtigkeit und die Begier nach Freiheit immer von neuem erheben.
Der Mensch ist nicht vollständig verplan- und verkalkulierbar. Darum ist der Staat der Unfreiheit, wie es auch immer um seine äußere Macht bestellt sein mag, von innen her fortgesetzt in Frage gestellt. Aus dem Wesen des Menschen droht seine Erosion.
Die Vereinten Nationen wollten mit ihrer Menschenrechtserklärung offensichtlich kein Kampfmittel
für die weltpolitische Auseinandersetzung zwischen
Ost und West liefern. Abgesehen von einer verurteilenden Formulierung in ihrer Präambel, die vor
allem auf unsere Kosten geht, weil sie dem nationalsozialistischen Deutschland galt, enthält diese
universale Erklärung der Vereinten Nationen keine
polemische Wendung nach irgendeiner Seite. Ihrer
Form und ihrem Gehalt nach ist sie die umfassende
Inschutznahme des einzelnen und seines Rechtes gegenüber den öffentlichen oder auch den anonymen
Gewalten, die über den Menschen verfügen oder zu
verfügen trachten. Diese Gewalten hausen keineswegs nur im faschistischen oder im kommunistischen totalitären Staat. Es wäre schon deshalb eine Mißdeutung, in dieser Menschenrechtserklärung nur ein antikommunistisches Manifest zu sehen. Sie greift dem naiven Demokratismus ebenso in die Zügel wie dem Machtwahn des totalen Staates. Daß der einzelne zur Verfügung der Mehrheit stehen müsse, das ist eine unreflektierte und deshalb naive Annahme, die es auch auf dem Boden von Demokratien gab. Es mag sein, daß diese fatale Annahme den kaum systematisierbaren Theorien Rousseaus von der „Volonté générale" entsprungen ist. Dem souveränen Volkswillen gegenüber darf es nach Rousseau kein Recht geben, auf das sich der einzelne berufen kann.
Das, was wir meinen, meine Damen und Herren, wenn wir von Demokratie sprechen, ist selbstverständlich etwas grundlegend anderes als die Diktatur der Mehrheit. Das Grundgesetz hat sich vorbehaltlos für den freiheitlichen Rechtsstaat, für den Verfassungsstaat, und das heißt: gegen jede Diktatur, auch die der Mehrheit, entschieden. Es hat zwar den demokratischen Grundsatz — wiederum ganz selbstverständlich — übernommen, daß legitimierte Mehrheiten entscheiden. Aber auch ihre Entscheidungen sind nur insoweit verbindlich, als sie mit den Auflagen der Verfassung in strikter Übereinstimmung stehen. Im Zweifelsfall müssen sie, Mehrheit hin, Mehrheit her, dem Spruch des Bundesverfassungsgerichtes weichen. Heute, nach 20 Jahren — wir wissen es — ist mancher der Meinung, daß wir dabei des Guten eher zuviel als zuwenig getan haben.
Das mag sein, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen; das mag sein. Aber das Bewußtsein, als einzelner oder als Minderheit auch gegen mächtige Gruppen, ja, auch gegen Regierung und Parlamentsmehrheit sein Recht verfechten zu können, das ist, wie ich glaube, für das Bewußtsein der Freiheit in einem Volk wichtiger.
Ich glaube, daß unsere Verfassung auch insoweit durchaus übereinstimmt mit der Menschenrechtserklärung von 1948. Beide wollen die Zähmung der Macht. Daß freilich auch einmal eine Lähmung der Macht drohen könne, das scheint vor 20 Jahren das öffentliche Bewußtsein nicht weiter beschäftigt zu haben.
Denn weder im Grundgesetz von 1949 noch in der Menschenrechtserklärung findet sich ein Hinweis auf die Grundpflichten, von denen die Weimarer Verfassung — vielleicht etwas altmodisch, aber immerhin noch in der amtlichen Überschrift zu ihrem Zweiten Hauptteil — feierlich gesprochen hat, es sei denn, daß man z. B. aus der universalen Erklärung von 1948 den Art. 29 heranzieht. Er heißt schlicht und kurz: „Jeder Mensch hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft."
Im Unterschied zu den in 30 Artikeln aufgezählten Rechten werden diese Pflichten jedoch nicht definiert. Das Grundgesetz ist darin inzwischen deut-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11025
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
licher geworden. Aber die Frage ist erlaubt, ob dieser Mangel an Balance, ob diese einseitige Betonung der Rechte nicht zu jener eben auch fatalen Gefühls- und Bewußtseinstrübung beigetragen hat, die wir heute keineswegs nur bei rebellischen Gruppen an deutschen Universitäten finden, sondern auch sehr in anderen demokratischen Ländern.
Daß mein Recht und m e in e Freiheit auch das gute Recht des anderen und seine Freiheit sind, und was sich daraus ergibt an Pflicht zu Einsicht und Ausgleich, das versuchte die Weimarer Verfassung mit ihrer Verbindung von Grundrechten und Grundpflichten auszudrücken. Diese Verbindung großer Rechte mit strengen Pflichten muß auch heute nüchtern und entschieden bejaht werden. Denn die Rechte jedes einzelnen, so groß und unbestritten sie auch sind, werden nur dort Wirklichkeit, wo sie kollektiv, gemeinsam im Staat durchgesetzt und vom Staat geschützt werden.
Die geheiligten Rechte des Menschen stammen, wie ich glaube, von oben. Sie sind vor dem Staat. Aber durchgesetzt, verwirklicht werden sie nur im Staat, im freiheitlichen Rechtsstaat. Wer will, daß das Menschenrecht mehr ist als 'ein hehrer Traum, der muß deshalb den freiheitlichen Rechtsstaat wollen, er muß ihm Achtung zollen und er muß, selbst wenn er dabei geschmäht wird, es für eine Ehre halten, diesem Staat zu dienen.
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 38 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen
— Drucksache V/3577 —
Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe den heute morgen noch auf die Tagesordnung gesetzten interfraktionellen Antrag auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Weiterführung des bisherigen Personalbestandes von Euratom
— Drucksache V/3632 —
Ich frage, ob zur Begründung dieses Antrags das Wort gewünscht wird. — Keine Wortmeldungen! Die Aussprache ist geschlossen.
Ich gehe davon aus, daß über diesen Antrag alsbald abgestimmt werden soll._
Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte
ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Wenn ich es recht sehe, ist dieser
Antrag der Fraktionen des Hauses einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
— Drucksachen V/2861, aus V/3040, V/3515, V/1086, V/2280, V/3483 —
Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3608 —Berichterstatter: Abgeordneter Bremer
a) Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksachen V/3605, zu V/3605 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Bayerl Abgeordneter Dr. Arndt
Ich frage zunächst den Berichterstatter des Haushaltsausschusses, den Herrn Abgeordneten Bremer, ob er das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.
Ich frage den Herrn Abgeordneten Dr. Bayerl und den Herrn Abgeordneten Dr. Arndt , ob sie als Berichterstatter des Rechtsausschusses das Wort wünschen. — Keine Wortmeldungen.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. 1 Nr. 1 auf. Hierzu liegen Änderungsanträge der Fraktion der FDP auf den Umdrucken 547 *) und 548 **) vor. Ich rufe beide zusammen auf.
Zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Emde das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begründe den Antrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei; Art. 74 des Grundgesetzes so zu fassen, daß in die konkurrierende Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern neben der Förderung der Ausbildung und der wissenschaftlichen Forschung auch das Hochschulwesen einbezogen wird. Dieser unser Antrag trifft voll die Problematik der Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern. Hier geht es um eine Aufgabe, deren Lösung wir uns in dieser Legislaturperiode im Rahmen der großen Finanzreform vorgenommen haben.
Die Bundesregierung hatte in ihrem ursprünglichen Vorschlag vorgesehen, daß die Ausbildungsförderung in die konkurrierende Gesetzgebung zu übernehmen sei. Sie hat in ihrer Begründung in Drucksache V/2861 auf Seite 48 dazu ausgeführt, daß der Bund auf Grund dieser Gesetzgebungskompetenz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebens-
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
11026 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Dr. Emde
verhältnisse im Bundesgebiet die verschiedenen Arten der Ausbildungsförderung bundesgesetzlich regeln soll. Für uns ist die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet ein ganz beachtlicher Grund in der Argumentation.
Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages hatte in seinem Vorschlag die Einbeziehung der Förderung der Ausbildung und der wissenschaftlichen Forschung vorgesehen. Er geht damit eine Idee weiter als die Bundesregierung. Er geht nicht so weit wie wir mit unserem Antrag, das Hochschulwesen in die konkurrierende Gesetzgebung zu überführen.
Was bezweckt unser Antrag? Die konkurrierende Gesetzgebung ist stärker als die Rahmengesetzgebung, die der Bund in dieser Frage anstrebt. Wir wünschen eine verstärkte Position des Bundes im Verhältnis zwischen seinen Institutionen und den Ländern.
Das Problem, das hier von der Bundesregierung aufgeworfen wird, ist das der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in unserem Lande. Tatsächlich geht es aber nicht darum, die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu sichern. Wir müssen in Wirklichkeit erst einmal einheitliche Lebensverhältnisse in unserem Lande schaffen! Das Gefälle der Lebensverhältnisse zwischen Nord und Süd, Ost und West, arm und reich, Großstadt und Kleinstadt ist so groß, daß wir von einheitlichen Lebensverhältnissen in unserem Lande weit entfernt sind.
Das erste Kriterium für die Beurteilung dessen, was die Regierung und die Ausschüsse getan haben, ist die Antwort auf die Frage, ob die Vorschläge geeignet sind, entsprechend dem Wunsch der Regierung einheitliche Lebensverhältnisse zu wahren oder zu schaffen. Die, Frage ist: Sind die Vorschläge, die dem Parlament heute zur Entscheidung vorgelegt werden, dafür nützlich? Nützen sie: ja oder nein?
Ich möchte sagen: der Vorschlag der FDP, das Hochschulwesen mit in die konkurrierende Gesetzgebung zu übernehmen, nützt dem Bestreben zur Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse; das, was der Ausschuß beschlossen hat, nützt nur zum Teil.
Hier möchte ich die Frage stellen: Was wollen wir mit der Großen Finanzreform? Wollen wir mit der Finanzreform, über die nun Jahre geredet worden ist und über die wir heute entscheiden wollen, eine große Lösung in unserem Volke schaffen, eine große Lösung, die nicht nur für einige Jahre, sondern für eine längere Zeit Bestand haben soll, oder wollen wir mit diesem Gesetzesvorhaben nichts weiter als kleine Fortschritte auf ein entferntes Ziel hin machen?
Wenn ich mir oder den anderen diese Frage stelle, kann die Antwort doch nur lauten: Wir wollen eine große Lösung anstreben, weil der Aufwand, der Einsatz an Arbeit, der Einsatz an Kraft und die Chance, die uns geboten ist, tatsächlich nur dann sinnvoll ausgenutzt werden, wenn wir etwas Großes anstreben und uns nicht damit zufriedengeben dürfen, kleine Schritte auf einem weiten Wege zu machen.
: Dann machen Sie mal die
— Ich komme gleich auf diese nötige Mehrheit, Herr Kollege; ich glaube, wir werden im Verlauf meiner Rede die Dinge noch im einzelnen behandeln.
Die Bundesregierung hat sich ja in ihrer ersten Vorstellung, dem Gesetzentwurf Drucksache V/2861, ein großes Ziel gesetzt. Ich möchte die Worte vorlesen, die in der Begründung auf Seite 10 dieser Drucksache stehen und die wir uns immer wieder vor Augen und vor den Sinn führen müssen. Da heißt es:
Aus dem Wandel der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ergeben sich zwangsläufig auch Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung. Der föderative Staatsaufbau wird sich in unserer sich schnell verändernden Welt nur dann . bewähren und von der Überzeugung des Volkes getragen sein, wenn er seine Formen den Lebensnotwendigkeiten beweglich anzupassen vermag und die Lösung der großen Aufgaben nicht hemmt, sondern fördert.
Das war die Ansicht der Regierung vor einigen Monaten.
Ich lese einen weiteren Absatz, ebenfalls von Seite 10, vor; ich glaube, auch dieser Absatz sollte uns immer wieder vor Augen stehen, wenn wir hier in den nächsten Stunden die Debatte führen. Dieser Absatz unter Ziffer 3 hat den bezeichnenden Inhalt:
Die Finanzverfassung war während der gesamten Beratungen über das Grundgesetz umstritten. Die Regelung, die dann beschlossen worden ist, war durch nachdrückliche Einwirkung der Besatzungsmächte in die deutsche Verfassungsentscheidung zur finanziellen Schwächung des Bundes beeinflußt.
Ich glaube, es gibt für uns nichts Bedeutsameres als diese Erklärung der Regierung, daß das Grundgesetz in seinen Passagen über die Finanzverfassung durch die Eingriffe der Besatzungsmächte beeinflußt wurde, die zum Ziel hatten, die deutsche Bundeszentralmacht zu schwächen. So sagt es die Regierung, so sagt es Herr Kiesinger, so sagt es Herr Brandt, so sagt es Herr Strauß. Wenn das so hier steht — das ist nicht von mir erfunden, das ist vorgelesen aus der Begründung! —, dann muß es heute unser Bestreben sein, Relikte alten Besatzungsrechts oder alter Besatzungseinflüsse aufzuheben und heute zu der Stärkung der Bundesgewalt zu kommen, die die Regierung selber in der Begründung ihrer Vorlage gefordert hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist aus diesen Absichten geworden? Sind wir auf die-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11027
Dr. Emde
sem Weg tatsächlich Schritte vorwärtsgekommen? Hat sich die Regierung ernsthaft bemüht, die Fragen so zu lösen, wie sie es sich hier selber als Aufgabe gestellt hat? Entspricht das, was wir heute beraten und was wir heute entscheiden sollen, den eigenen Wünschen und Vorstellungen? — Ich glaube, wir alle sind überzeugt, daß es nicht den Vorstellungen entspricht. Wir alle haben doch gesehen, daß wir nur einen ganz kleinen Teil des großen Weges zurücklegen können. Damit, meine Damen und Herren, wird eine große, einmalige Chance vertan, eine Chance, die die entscheidende Chance der Regierung der Großen Koalition gewesen ist. Denn, Herr Bundeskanzler, nicht immer gibt es Mehrheiten in Parlamenten und Regierungen, wie Sie sie zur Verfügung hatten; nicht immer bilden 90 % eines Parlaments die Regierung und haben damit alle Möglichkeiten, das zu tun, was im Rahmen ihrer politischen Vorstellungen richtig ist.
Solche Mehrheiten haben, so ausnahmsweise sie entstehen, dann aber auch eine besondere Verpflichtung sich und der Welt gegenüber, nämlich die Verpflichtung, die großen Entscheidungen tatsächlich zu fällen. Turi sie das, gut, dann werden sie für Teile ihres Werkes die Zustimmung auch der Opposition bekommen. Tun sie es nicht, dann werden sie uns als klare parlamentarische Gegner haben, und so stehen wir uns hier gegenüber. Denn Sie haben nicht die großen Entscheidungen gefällt. Sie haben sich im Ende nur auf der untersten Linie des kleinen Kompromisses geeinigt.
Damit sind Sie an Ihrer Chance vorbeigegangen.
Unsere Aufgabe als Opposition kann es an diesem Tage nur sein, alles zu versuchen, um Fehler, die in diesen Vorlagen sind, zu mildern. Wenn uns das nicht gelingt — und ich glaube nicht, daß wir Erfolg haben werden, weil Sie sich durch Ihre Vorabsprachen ja die Mehrheit in diesem Hause gesichert haben, ehe Sie die Beratung auf diesen Tag ansetzten —, dann kann es nur und muß es unser Ziel als parlamentarische Opposition sein, klare Alternativen dagegenzusetzen, um zu zeigen, wie wir uns das Bild einer Finanzreform in diesem Lande vorgestellt hätten.
Unsere Anträge, die wir heute stellen und deren ersten ich nachher hier begründen werde, sind Teile der Darstellung unserer Alternativen, und zwar die heute eingebrachten Anträge und die älteren, schon seit Monaten in diesem Hause vorliegenden, die ja auch immer wieder, zum mindesten in der geistigen Erinnerung, heute in der Diskussion eine Rolle spielen werden.
Ich glaube aber, es ist notwendig, noch einmal einen kurzen Blick auf das zu werfen, was an Problematik hier zu behandeln ist, um das Gesamtbild zu schildern. Ich sehe in dem, was Regierung und Mehrheiten der Ausschüsse beschlossen haben, fünf Mängel oder fünf große Unterlassungen.
Erstens. Die Finanzreform ist nicht begleitet von einer Verwaltungsreform oder von einer Gebietsreform. Meine Damen und Herren, wir werden in Wirklichkeit nur dann in der Lage sein, eine großzügige, in die Zukunft weisende Finanzreform vorzunehmen, wenn wir bereit sind, auch im Rahmen unserer Verwaltungen und auch im Rahmen der gebietlichen Gliederung unseres Bundesgebietes neue Formen und neue Wege zu finden. Die Finanzreform wird um so einfacher sein, je klarer gegliedert die Länder sind, je angeglichener die Lebensverhältnisse zwischen diesen Ländern und innerhalb dieser Länder sind. Darum wird auch unser alter Antrag, die drei Länder Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen zu einem Land zusammenzufassen, heute immer wieder Ihre Diskussion begleiten. Wir sind der Meinung, daß die Finanzreform in Wirklichkeit nur dann durchziehen kann, wenn wir bereit sind, in der Bundesrepublik die Verwaltungsreform und die Neugliederung der Länder, wenn nicht im gleichen Zuge durchzuführen, so doch in der gleichen Diskussion mit zu behandeln.
Zweitens. Wir haben durch das, was die Regierung und die Ausschüsse beschlossen haben, keine ausreichende Gliederung der Aufgaben und der Verwaltungsarbeit zwischen Bund und Ländern. Alle diejenigen von uns, die Verwaltungserfahrung haben oder in einer Verwaltung tätig sind, wissen, daß Aufgaben um so leichter zu lösen sind, je klarer die Zuständigkeiten und die Verantwortungen getrennt sind. Ziel der Finanzreform muß es sein, klare Aufgabengliederungen und klare Verwaltungstrennungen zwischen Bund und Ländern herbeizuführen. Das ist nicht gelungen. Das ist der zweite große Mangel, den wir zu kritisieren haben und den nicht nur wir, sondern den viele Kollegen aus den anderen Parteien, aus den Länderparlamenten, aus den Kommunalparlamenten kritisieren, den die Offentlichkeit kritisiert, der von allen Seiten kritisiert wird.
Drittens. Wir institutionalisieren oder schaffen neue Mischverwaltungen. Weil nicht der Mut vorhanden ist — oder, Herr Kollege Schmidt, nicht die parlamentarischen Mehrheiten bestehen —, klare Trennungen herbeizuführen, kommen wir, um wenigstens ein Stück Erfolg zu haben, zu dem Instrument der sogenannten Gemeinschaftsaufgaben mit dem Effekt der Mischverwaltungen.
Nun ist durch den Begriff „Gemeinschaftsaufgabe" ja an sich schon eine gewisse Sinnverwirrung entstanden. Niemand ist dagegen, daß die großen Fragen unseres Volkes gemeinsam gelöst werden, gemeinsam von allen Betroffenen; daß es gewisse Dinge gibt, bei denen die verschiedenen Ebenen unseres Staates gemeinsam wirken müssen. Diese Gemeinsamkeit in der geistigen Aufgabenlösung muß aber klar getrennt werden von der Durchführung der Maßnahme, von der verwaltungsmäßigen Ausübung der staatsrechtlichen Funktionen. Darum unsere klare Forderung: Keine Mischverwaltungen! Darum unsere scharfe Kritik an jeder Position dieses Gesetzeswerkes, mit der Mischverwaltungen ver-
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Dr. Emde
festigt oder neue Mischverwaltungen geschaffen werden.
Viertens: Die Komplizierung der Verwaltungsarbeit. Die Methode der Gemeindefinanzreform führt dazu, daß wir eine erhebliche Komplizierung der Verwaltungsarbeit auf der Ebene der Gemeinden und der Länder haben werden. Es ist unstrittig, daß wir bei Annahme der Regierungsvorschläge mit einem erheblichen Mehraufwand an Arbeit rechnen müssen, um das gleiche Geld hereinzuholen, das wir heute schon bekommen.
Wir werden uns zu dieser Frage der Gemeindefinanzreform zu einem späteren Zeitpunkt der heutigen Debatte äußern. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß das der Punkt 4 unserer Kritik und unserer Angriffe heute sein wird.
Fünftens: Ein weiterer Punkt unserer Kritik und unserer parlamentarischen Auseinandersetzung in den späteren Stunden des heutigen Tages wird dort liegen, wo wir über die Finanzausstattung der Gemeinden zu sprechen haben. Das, was heute vorliegt, das, was heute beraten werden wird, ist auch nicht die Lösung, wie sie für die deutschen Gemeinden .erforderlich ist. Wir machen auch hier nicht die endgültige Lösung, sondern nur ein Stück eines Gesamtwerkes, und das ist ebenso kritikwürdig wie die Punkte 1, 2, 3, 4, die ich vorhin aufgezählt habe.
Nun sagen Sie, Herr Kollege Schmidt: Man muß Mehrheiten haben, man muß Mehrheiten in diesem Hause und im Bundesrat gewinnen, um die Dinge durchzusetzen, über die wir heute hier verhandeln wollen. Ich bin Ihrer Meinung: natürlich, man muß Mehrheiten haben. Aber welchen Mannes Aufgabe ist es denn, sich diese parlamentarischen Mehrheiten zu besorgen? Wir haben in diesem Hause die Parteivorsitzenden der großen Parteien CDU, CSU und SPD sitzen. Haben diese Parteivorsitzenden das Notwendige getan, um sich die Mehrheiten zu erobern, die man braucht, um, Herr Schmidt, das zu erreichen, was Sie vorhin angesprochen haben? Sie sind in der Sache meiner Meinung und sagen: Wir haben keine Mehrheiten. Nun, diese Mehrheiten hätten sich der Bundeskanzler, Herr Kiesinger, in der CDU und Herr Brandt in der SPD und Herr Strauß in der CSU besorgen sollen, obwohl ich weiß, daß es für Herrn Strauß mit der CSU am schwierigsten sein würde, eine Mehrheit für gewisse Zentralisierungs- oder Zusammenfassungsvorstellungen in unserem Lande zu schaffen.
Meine Herren von den anderen Parteien, haben Sie mit Ihren Länderkollegen so diskutiert, daß Sie alle Chancen der Meinungsbildung und der Mehrheitsgewinnung in Ihren Gremien ausgenützt haben? Haben Sie Ihre Parteitage benutzt, um sich von der Parteimitgliedschaft die Unterstützung zu holen, die Sie als moralische Waffe in den Auseinandersetzungen mit Ihren Länderkollegen brauchen? Denn Ihre Parteimitgliedschaft wünscht ja auch eine große fortschrittliche Lösung, so wie die Bevölkerung in unserem Lande sie wünscht. Wenn Sie dort keine Mehrheiten finden, sind entweder die Argumente falsch gewesen — es gibt ja gewisse Positionen, bei denen wir vom Bundestag durchaus Verständnis für die Argumente der Länder haben — oder Sie haben nicht ernsthaft genug um bessere Lösungen gekämpft. Beides, Herr Bundeskanzler, belastet Sie.
Entweder sind Sie belastet durch die schlechte Lösung, oder Sie sind dadurch belastet, daß Sie nicht in aller Schärfe den Kampf in Ihrer Partei geführt haben, ebenso wie der Vizekanzler belastet ist, wenn er nicht mit aller Schärfe in seiner Partei die Diskussion um die beste und große Lösung geführt hat. Beides werden Sie verantworten müssen, wenn aus der großen Chance, mit der Zustimmung fast des ganzen Volkes zu handeln, nur ein schwächliches Taktieren wird; dann werden Sie das zu verantworten haben, am wenigsten hier vor diesem Hause, das Ihnen die Mehrheiten gibt. Sie werden es zu verantworten haben vor den nächsten zehn oder zwanzig Jahren innerdeutscher Entwicklung, und diese Verantwortung müssen Sie dann selbst tragen.
Meine Damen und Herren, wir werden an jedem kritischen Punkt Anträge stellen. Dieser Antrag hier ist der erste Prüfstein. Wir möchten die Zuständigkeit des Bundes stärken und die Stärkung dieser Zuständigkeit klar ausdrücken und in Verfassungsrecht und in Verfassungswirklichkeit umsetzen. Wir möchten eine Übereinstimmung zwischen politischer Aussage und politischer gesetzgeberischer Tat in diesem Hause zumindest für unsere Partei. Wir wünschen diese Übereinstimmung für das ganze Haus. Wer auf Bundesparteitagen ein Bundeskultusministerium fordert, sollte hier den Mut zur klaren Tat aufbringen.
Wir sehen die Notwendigkeit einer Stärkung der Rechte des Bundes an dieser Stelle. Wir appellieren an Sie, meine Damen und Herren, die Diskussion in aller Klarheit und in aller Nüchternheit hier zu führen. Denn es geht nicht um den taktischen Erfolg des einen oder anderen, es geht um die innere Gestaltung unseres Landes für die nächsten zehn Jahre. Das ist unsere Aufgabe. Hoffentlich lösen wir sie heute richtig.
Zur Aussprache über diesen Änderungsantrag hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Lenz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Koalitionsfraktionen möchte ich zum Antrag der Fraktion der FDP, der eben von Herrn Emde sehr ausführlich begründet worden ist, Stellung nehmen, und zwar — nur damit darüber Klarheit besteht —zu Ziffer 1, d. h. zu der Frage, ob die Gesetzgebung über das Hochschulwesen als konkurrierende Gesetzgebung oder als Rahmengesetzgebung im Grundgesetz geregelt werden soll. Wir haben uns diese
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Dr. Lenz
Frage im Rechtsausschuß sehr eingehend überlegt. Wir sind bei unserer Beschlußfassung, die Ihnen hier vorliegt, der Empfehlung des Wissenschaftsausschusses gefolgt und schlagen deshalb für das Hochschulwesen eine Rahmenkompetenz und nicht eine Gesetzgebungskompetenz im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung vor. Wir waren in Übereinstimmung mit dem Wissenschaftsausschuß nämlich der Auffassung, daß eine Rahmenkompetenz des Bundes ausreicht, Herr Kollege Emde, um für die Zukunft die Einheitlichkeit unseres Hochschulwesens insoweit zu gewährleisten, als dies im Interesse der Allgemeinheit erforderlich ist. Wir waren der Auffassung, daß es nicht zweckmäßig wäre, eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes einzuführen und damit den Ländern jede Möglichkeit der eigenständigen Regelung auf diesem Gebiet zu nehmen. Wir waren der Auffassung, daß es in dieser kritischen Situation unseres Bildungswesens erforderlich, aber auch genügend sei, wenn eine Rahmenkompetenz den gemeinsamen Rahmen für unser Hochschulwesen sichert. Das ist das Wesentliche, was dazu zu sagen ist.
Lassen Sie mich noch eine zweite Bemerkung machen, Herr Kollege Emde, und zwar wegen der Mehrheiten, die Sie hier eben angesprochen haben. Sie haben ganz gewiß mit großer Aufmerksamkeit den Berliner Parteitag der CDU verfolgt. Sie haben dabei feststellen können, daß sich dieser Parteitag für eine Rahmenkompetenz ausgesprochen hat. Und genau dem Beschluß des Berliner Parteitages der CDU entspricht der Antrag, den wir Ihnen hier zur Annahme empfehlen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP hat in ihrem gesonderten Antrag, der hier einbezogen worden ist, aus guten Gründen, wie sich jetzt herausstellt, die Forderung erhoben, daß die wissenschaftliche Forschung und das Hochschulwesen zusammen mit der Förderung der Ausbildung in die konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes fallen soll. Wenn ich sage: „aus guten Gründen", dann deshalb, weil Sie in Ihrer Vorlage, die zwar jetzt eine Rahmengesetzgebung vorsieht, aber außerdem die Finanzierung in den Bereich der Gemeinschaftsaufgaben verlegt, zu Lösungen kommen, die eine Quelle ständigen Ärgers sein werden.
Meine Damen und Herren, wenn Sie hier nicht den Mut haben, dem Bund die Gesetzgebungszuständigkeit in der konkurrierenden Gesetzgebung zu verschaffen, und wenn Sie hier diese Abstimmung scheuen — das ist ja wohl der Hauptgrund dafür, daß Sie unserem Antrag hier nicht zugestimmt haben; es sind also bei Ihnen interne Gründe, nicht sachlich fundierte Gründe —,
wenn Sie das nicht tun wollen, dann werden Sie künftig in jedem Jahr bei den Haushaltsberatungen vor äußerst schwierigen Entscheidungen stehen.
Sie haben in dieser Vorlage — ich darf hier gleich auf Art. 91 verweisen — die Mischfinanzierung 50 : 50 für den Ausbau und Neubau von Hochschulen vorgesehen. Wir haben vor wenigen Tagen im Haushaltsausschuß und im Wissenschaftsausschuß erlebt, was das in der Praxis bedeutet. Es bedeutet, daß Sie z. B. die Verstärkungsposition, die die Bundesregierung im Etat 1969 für den Ausbau des Hochschulwesens in Höhe von 100 Millionen DM vorgesehen hat, gar nicht ausgeben können, weil der entsprechende 50%ige Anteil bei den Ländern nicht aufgebracht wird. Das heißt, daß Sie bei dieser Verfassungskonstruktion, die Sie jetzt auch noch festigen möchten, die sich zunächst aus der Verwaltungspraxis, aus der Not heraus ergeben hatte, Ihrer Aufgabe, nämlich die Chancengleichheit im Bildungswesen in allen Bereichen herzustellen, vom Bund aus in Wahrheit überhaupt nicht gerecht werden können.
Es wäre deshalb sinnvoll, gerade aus dieser schlechten Erfahrung heraus, eine klare verfassungsrechtliche Lösung zu finden. Diese klare Lösung finden Sie nur, wenn Sie dem Bund nicht nur die Rahmengesetzgebung verschaffen, sondern wenn Sie das Hochschulwesen in die konkurrierende Gesetzgebung aufnehmen.
Ich kenne den Einwand, daß Sie sagen: Wir würden auf diese Weise keine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat bekommen. — Nun, meine Damen und Herren, das wird sich herausstellen; das käme wohl zunächst einmal auf den Versuch an. Auf den Versuch kann man es nur ankommen lassen, wenn man gewillt ist, hier in diesem Hohen Hause diese sinnvolle Regelung zu treffen und dann beim Bundesrat zu sehen, ob er wirklich die Zweidrittelmehrheit verweigert.
Ich habe aber vielmehr den Eindruck, daß sich vor allem die Fraktion der CDU/CSU über diese Kernfrage selbst nicht klar ist und daß sie einer Abstimmung ausweichen möchte, bei der es sehr verschiedene Meinungen in ihrer Fraktion gibt.
— Aber Herr Dr. Lenz, was Sie in Berlin mit Mehrheit beschlossen haben, ist offensichtlich sehr vieldeutig. Ich kann Ihnen nur sagen — und deswegen spreche ich hier —, daß ich in den letzten Jahren viele Kollegen aus der CDU-Fraktion gesprochen habe, die genau unsere Meinung vertreten, die allerdings gesagt haben, das sei vielleicht nicht durchzusetzen. Zum Beispiel haben sie gesagt: Wenn wir in der Fraktion darüber abstimmen würden, müßten wir die ganze bayerische CSU überstimmen; wir möchten so etwas in unserer Fraktion nicht tun.
Meine Damen und Herren, wenn Sie nicht den Mut haben, in Ihrer eigenen Fraktion Mehrheitsentscheidungen zu treffen, können Sie politisch überhaupt nicht sinnvoll agieren!
11030 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Moersch
Sie können doch nicht bestreiten, daß es einige Kollegen in der CDU gibt — ich sehe hier einige vor mir; ich kann sie mit Namen nennen —, die der Ansicht sind, daß das, was wir von der FDP vorschlagen, die saubere verfassungsrechtliche Lösung wäre; sie trauen sich aber nicht, den Konflikt in der eigenen Fraktion auszutragen.
Ganz ähnlich ist es bei den Sozialdemokraten.
— Herr Kollege von der SPD, Ihre Zwischenrufe können mich doch nicht vom Gegenteil überzeugen; täuschen Sie sich nicht! Es ist in Wahrheit so, daß Sie längst der gleichen Ansicht sind wie wir, daß Sie sich aber nicht trauen, die Auseinandersetzung mit Ihren Kultusministern und Ministerpräsidenten zu führen!
— Nein, meine Damen und Herren, Sie haben sich hier politisch kleinmachen lassen. Sie sind nicht den Anträgen gefolgt, die Sie für sinnvoll halten, sondern Sie haben hier dem Prinzip des Opportunismus den Vorzug vor dem Prinzip der sachlichen Richtigkeit gegeben.
Sie sollten in einer Abstimmung beweisen, ob Sie sich wirklich nicht trauen, das, was sachlich richtig ist, hier mit Mehrheit zu entscheiden und dann der zweiten Kammer dieses Hauses die Beweislast dafür aufzubürden, ob das wirklich verweigert werden kann oder nicht.
Wir werden uns in weinigen Jahren in diesem Hause wieder sprechen, wenn Sie mit Ihrer unmöglichen und undurchsichtigen Konstruktion der Gemeinschaftsaufgaben die Frage des Studienangebots, der Studienplätze, in Deutschland lösen wollen. Wir werden diese Diskussion jedes Jahr zu führen haben, wenn Sie jetzt nicht bereit sind, den klaren Weg zu gehen. Wir, die Freien Demokraten, fordern Sie auf, hier einmal abzustimmen und zu sagen, was Sie wirklich davon halten, ob der Bund eine klare Kompetenz bekommen soll oder ob Sie weiter den Weg einschlagen wollen, den Sie bisher eingeschlagen haben, daß Sie unklare Zuständigkeiten schaffen und daß Sie jedes Jahr neue Finanzverhandlungen führen müssen, die am Ende dazu beitragen, daß zum Beispiel das Land Bremen überhaupt keine Universität bekommen kann; denn mit diesem Finanzierungsvorschlag, den Sie jetzt machen, kann man in Bremen niemals eine Universität finanzieren.
Das alles müssen Sie bedenken, wenn Sie unseren Antrag ablehnen wollen; aber ich hoffe, daß wenigstens einige in diesem Hause den Mut haben, das Sinnvolle zu tun.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! . Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht vor, zu den Abänderungsanträgen der FDP zu sprechen, aber die Ausführungen des Kollegen Dr. Emde, meines sehr geschätzten früheren Haushaltskollegen, und vor allem auch die Ausführungen des Kollegen Moersch veranlassen mich, etwas dazu zu sagen, und zwar in grundsätzlicher Hinsicht.
Lieber Herr Kollege Dr. Emde, Sie haben so viel mit der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik operiert, und Sie wollen aus dieser wichtigen Forderung, die auch im Grundgesetz verankert ist, schlußfolgern, daß auch für die Bildungsplanung und das Hochschulwesen nicht nur die Rahmengesetzgebung, sondern sogar die konkurrierende Gesetzgebung notwendig ist. — Ich sage Ihnen, Herr Kollege Emde — und zwar aus voller Überzeugung —, daß sowohl die konkurrierende Gesetzgebung als auch die Rahmengesetzgebung auf diesem Gebiet nach meiner ehrlichen Überzeugung falsch ist, und zwar deshalb, weil wir hier in diesem Bereich nicht diese Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse wollen, wie Sie es eben immer anführen. Die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse ist wichtig und notwendig auf wirtschaftlichem Gebiet — Chancengleichheit —, aber auf dem Gebiet des Hochschulwesens will ich weiß Gott nicht diese geistige Uniformität. Dazu würde aber Ihre „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" auf diesem Gebiete führen.
Meine Damen und Herren! Noch ein weiteres, was ich zum Kollegen — —
— Ich bin gern bereit, gnädige Frau.
Wollen Sie eine Zwischenfrage stellen, Frau Kollegin Funcke?
Wollen Sie sie zulassen, Herr Abgeordneter? —
Eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Funcke.
Herr Kollege, bedeutet das im Ernst, daß Sie das in Deutschland bestehende Bildungsgefälle aufrechterhalten möchten?
O nein, o nein, das bedeutet das in gar keiner Weise, sondern ich will eine echte Konkurrenz, ein gegenseitiges Aneifern; da steckt nämlich viel mehr dahinter als bei der ewigen Einheitlichkeit.
Meine Damen und Herren! Nun noch etwas Grundsätzliches. Herr Kollege Moersch meinte, wir würden uns nicht getrauen, die sachlichen Argumente anzuführen, weil es in unserer Fraktion auf diesem Gebiet verschiedene Auffassungen gibt. Nun, das ist altbekannt, daß innerhalb des breiten Bogens der CDU/CSU auf dem Gebiet des Föderalismus — so will ich einmal sagen — sehr divergierende Auffassungen bestehen. Ich könnte da Beispiele aus der Vergangenheit zitieren. Ich glaube sagen zu können, daß etwa der frühere Bundeskanzler Dr. Adenauer, der von sich immer wieder
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Niederalt
betont hat, er sei Föderalist — jedenfalls mir gegenüber hat er das wiederholt gesagt —, wahrscheinlich eine etwas andere Vorstellung vom Föderalismus hatte, als ich sie etwa habe. — Da gibt es also sehr divergierende Auffassungen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch?
Ich hätte gern diesen Gedanken vervollständigt; hernach gerne, Herr Kollege Moersch.
Meine Damen und Herren, jetzt wollen wir doch einmal ehrlich miteinander reden. Wir sind hier an einem Punkt angelangt, wo es um die Existenz der Länder geht. Hier müssen wir einfach klipp und klar bekennen: wollen wir die Grundform des Föderalismus, wollen wir die Existenz der Länder oder wollen wir sie nicht? Wenn wir sie wollen, dann müssen wir den Ländern das letzte Reservat, die letzte Autonomie, die sie haben, nämlich die auf dem Gebiet des Schulwesens, lassen.
Nehmen Sie einmal an, wir würden den Antrag der FDP akzeptieren und würden dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung auf dem Gebiet des Hochschulwesens übertragen. Was würde dann passieren? Das Hochschulwesen ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem ' gesamten Schulwesen. Das Hochschulwesen baut auf dem Schulwesen der weiterführenden Schulen auf. Es würde also zwangsläufig die Forderung kommen, die konkurrierende Gesetzgebung nicht nur auf das Hochschulwesen, sondern auch auf die weiterführenden Schulen auszudehnen. Die weiterführenden Schulen bauen auf der Volksschule auf. Nach einem weiteren Jahr würde zwangsläufig die Forderung kommen: wir müssen natürlich auch für die Volksschulen die konkurrierende Gesetzgebung haben. Was soll denn das? Damit haben Sie den Ländern das letzte Reservat, die letzte Autonomie genommen.
Dann, meine Damen und Herren, nach meiner Meinung sind Sie allerdings an einem Punkt angelangt, den Sie schon in der Verfassung vorgezeichnet finden. Ich meine nämlich die Verfassungsbestimmung, wonach Sie die föderalistische Grundordnung überhaupt nicht ändern können und dürfen. Mit der Vorlage, die wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten, soll den Ländern erstens einmal die Hälfte — so will ich einmal sagen — für den Ausbau des Hochschulwesens weggenommen werden. Diese Hälfte wird deshalb weggenommen, weil der Neubau und Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen Gemeinschaftsaufgabe werden soll. In der Vorlage ist zweitens die Forderung enthalten, der auch wir zustimmen, daß die Förderung der Wissenschaft und der Ausbildung der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes zufallen soll.
Sie haben also hier schon all das getan, was in
einem Bundesstaat an Einheitlichkeit notwendig ist.
Das ist alles schon in der Vorlage enthalten. Wenn
Sie weitergehen, wäre das von Übel. Das ist meine ehrliche Überzeugung.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Könen? — Herr Abgeordneter Könen, bitte!
Herr Kollege, zu Ihren vorangegangenen leidenschaftlichen Ausführungen über Länder und Schulen möchte ich Sie fragen: Sie sind doch sicherlich auch der Meinung, daß etwas getan werden muß, damit das Sprichwort: „Wenn der Vater versetzt wird, bleibt der Junge sitzen" endlich einmal unrecht wird.
Aber lieber Herr Kollege, solche Argumente sollten in unserem Hause gar nicht mehr gebracht werden. Es ist doch klar, daß wir alle miteinander das nicht wollen. Natürlich wissen wir, daß der Föderalismus in der Praxis Schwierigkeiten mit sich bringt, die wir bekämpfen müssen. Wir müssen sie aber dort bekämpfen, wo die Zuständigkeiten liegen. Warum soll denn nicht, wenn es irgendwo auf dem Gebiet des Bildungswesens oder Hochschulwesens fehlt, in der Offentlichkeit Kritik geübt werden? Nur muß sie sich an den richtigen Adressaten wenden.
Herr Kollege, wenn Sie soeben meinten, man solle solche Fragen nicht in diesem Hause stellen, will ich anders fragen. Gehört nicht zu Ihrem Appell, den Sie vorhin hier ausgesprochen haben, auch die ernsthafte Warnung an die Länder, nicht selbst billige Munition zu liefern? Habe ich mich jetzt richtig ausgedrückt?
Herr Kollege, ich habe in meiner politischen Vergangenheit aus einem wohlverstandenen föderalistischen Interesse heraus ununterbrochen den Mahner gespielt. Selbstverständlich müssen wir das tun und muß das die ganze Offentlichkeit tun. Aber ich wiederhole, die Offentlichkeit muß sich an den richtigen Adressaten wenden. Es sind doch im wesentlichen die gleichen Parteien, die sowohl im Bund wie in den Ländern die Politik machen.
Anders wäre es, wenn sich etwa diese Hochschulpolitik fern aller parlamentarischen Kontrolle — weil es keinen Landtag gäbe — vollzöge. Die Offentlichkeit kann sich den richtigen Adressaten suchen und ihn veranlassen, sich der öffentlichen Kritik zu stellen.
Meine Damen und Herren, ich wollte diese grundsätzlichen Bemerkungen nur machen, weil wir — ich habe jedenfalls das Gefühl — manchmal um die Dinge herumreden. Wir müssen wissen: wollen wir einen vernünftigen, der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts angepaßten Föderalismus, oder wollen wir ihn nicht? Wenn wir ihn wollen, wie wir überall ununterbrochen sagen, müssen wir uns auch dazu bekennen, und dann müssen wir die Autonomie,
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Niederalt
die den Ländern praktisch diesem auf einem Sektor, auf dem Kultursektor, bisher noch geblieben ist, den Ländern auch belassen.
Wird zu dem Antrag Umdruck 547 Ziffer 1 noch das Wort gewünscht? — Hierzu der Herr Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich. zunächst zu der Art, wie diese Debatte geführt wird, zwei Anmerkungen machen.
Das, was hier für und gegen die verschiedenen Anträge ausgeführt wird, hätte ein höheres Maß an Aufmerksamkeit auf allen Seiten des Hauses verdient.
Ferner beklage ich bei dieser Debatte, bei der es nun wirklich um die zentralen Fragen des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern geht, die Besetzung der Bank des Bundesrates.
Wenn die Länder ihr oft betontes Recht zur Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes voll ausüben und wahrnehmen wollen, dürfte das Hohe Haus heute die Anwesenheit von Vertretern aller Landesregierungen und, wie ich meine, vor allem auch die Anwesenheit der Regierungschefs der Länder erwarten.
Wir sollten uns angewöhnen, die politischen Entscheidungen in die Institution zurückzuverlagern, die das Grundgesetz dafür vorsieht. Das sind für alle Angelegenheiten, die den Bund insgesamt und die Summe der Länder angehen, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat; es sind nicht die Ministerpräsidenten- und Kultusministerkonferenzen.
Ich hoffe, daß die hier anwesenden Vertreter des Bundesrates noch das Wort ergreifen werden. Gleichwohl bin ich dem verehrten Kollegen Niederalt besonders dankbar dafür, daß er eine Reihe von Argumenten vorgetragen hat, die normalerweise aus der Ecke der Länder zur Frage der Neuabgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern zu hören sind.
Der Kollege Emde hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir heute eine Entscheidung über eine Modernisierung unseres Bundesstaates treffen können. Im Grunde könnte diese Debatte über die große Finanzreform, wenn sie zu einer großen Lösung führte, eine Sternstunde des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland sein.
Ich fürchte, das Ergebnis wird ein anderes sein.
Herr Kollege Niederalt, Sie haben hier das gängige Argument verwendet: Was bleibt denn den Ländern noch, was bleibt dem Föderalismus, wenn die Kulturhoheit — und werde sie auch nur als die
Hoheit in den Fragen der Bildungspolitik verstanden; etwa: die konkurrierende Gesetzgebung für den Hochschulbereich, aber auch die Rahmengesetzgebung für das Bildungswesen — auf den Bund übergeht? Mir scheint das ein bemerkenswertes Mißverständnis des Föderalismus in unserer Zeit zu sein. Die Funktionsfähigkeit des föderalistischen Aufbaus unseres Staates, zu dem wir uns als Freie Demokraten bekennen, ist nicht abhängig von einer bestimmten Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, sondern der Föderalismus findet in unserer Zeit allein, aber auch voll ausreichend seine Rechtfertigung in seiner gewaltenteilenden Funktion, weil hier eine zusätzliche Sicherung des demokratischen Aufbaus unseres Staates und damit auch der Freiheitssphäre des einzelnen Bürgers liegt. Von daher gesehen müssen wir die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Ländern überprüfen. Es ist nicht so, daß dadurch die Funktionsfähigkeit der Länder in Frage gestellt wäre,
daß sie zu bloßen Verwaltungseinheiten schrumpften, wenn die Bildungshoheit zum Bund käme. Im Gegenteil, gerade aus der gewaltenteilenden Funktion wächst den Ländern ein hohes Maß an Verantwortung auch für den Bundesstaat und für seine Funktionsfähigkeit zu. — Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Genscher, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die wichtige gewaltenkontrollierende Funktion der Länder eben doch Länder voraussetzt? Und es sind keine richtigen hoheitlichen Länder mehr, wenn sie nicht irgendwo noch eine echte Gesetzgebungsfunktion haben.
Herr Kollege Niederalt, zunächst einmal muß eine Diskussion über die Neuabgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern durchaus nicht in einer Einbahnstraße verlaufen, also mit dem Ergebnis, daß nur Zuständigkeiten von den Ländern zum Bund kommen. Es ist durchaus denkbar, daß im Laufe der Zeit auch eine umgekehrte Entwicklung für bestimmte Bereiche einsetzt. Das darf man nicht schematisch sehen. Aber ich fürchte, daß der Zuständigkeitsegoismus, der bei den Ländern und vor allem im Bereich der Herren Kultusminister immer deutlicher sichtbar wird, eines Tages dazu führt, daß wir eine öffentliche Meinung bekommen, die ein Zentralstaatsdenken, das wir nicht wollen, so populär macht, daß dann eine Entwicklung eintritt, die auch Sie nicht wollen.
Meine Damen und Herren, wenn ich von der Mitwirkung der Länder im Bund rede, von ihren Möglichkeiten, die sie haben, zum Beispiel bei der Teilnahme an Aussprachen wie dieser, vor allen Dingen aber im Bundesorgan Bundesrat, dann muß ich ernsthaft die Frage stellen, ob denn die Länder wirklich ihre Möglichkeiten im Bundesrat in der Vergangenheit voll ausgeschöpft haben. Die Recht-
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Genscher
fertigung des Föderalismus beruht auch auf der Erkenntnis, daß er die Vielfalt der Ideen, die Vielfalt der Initiativen der dynamischen Entwicklung unseres Staatswesens zugänglich machen kann. Aber ich stelle die Frage — und das muß hier erlaubt sein —: Haben das die Länder aus ihrem Initiativrecht im Bundesrat gemacht? Ist der Bundesrat ein Organ, in dem sich die Vielfalt der Initiativen und Ideen für die Bundesgesetzgebung entfaltet?
Diese Frage muß gestellt werden.
Und ich stelle eine weitere Frage: Hat eigentlich der Bundesrat in der Verfassungswirklichkeit eine Entwicklung genommen, so wie die Väter des Grundgesetzes sich das vorgestellt haben? Ist nicht vielmehr der Bundesrat mehr und mehr zu einem Kontrollorgan der Länderbürokratien über den Bundesgesetzgeber Bundestag geworden, aber nicht zu einem Mitwirkungsorgan der Landesregierungen bei der Bundesgesetzgebung?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir könnten eine Menge zu diesem Problem sagen, und ich würde es begrüßen, wenn wir alsbald Gelegenheit hätten, über die Große Anfrage der Kollegen der CDU/CSU zu Fragen des Föderalismus in diesem Hause zu debattieren.
Sie alle kennen die Gründe, warum die Bundesregierung, die ich in diesem Fall sogar in Schutz nehmen muß, bisher noch nicht antworten konnte. Die Ministerpräsidenten haben geschrieben, sie müßten sich erst noch über ihre Stellungnahme einigen. Da wird ja bereits deutlich, wohin es führt, wenn man versucht, im Wege der Selbstkoordinierung Aufgaben zu lösen, die eigentlich gesamtstaatlich gelöst werden müssen, in diesem Hohen Hause und im Bundesrat.
Wir sollten doch endlich einmal den Irrtum ausschalten, daß die Summe der Länder in einem Bundesstaat eine Gemeinschaft der Länder sei, die sich dann in nicht legitimierten Konferenzen — Ministerpräsidentenkonferenz, Kultusministerkonferenz — ausdrückt. Nein, meine Damen und Herren, im Bundesstaat ist die Summe der Länder der Bund. Alles andere ist ein staatenbündisches Denken, das Gott sei Dank schon der Grundgesetzgeber überwunden hatte.
Meine verehrten Damen und Herren, wir sollten auch, wenn wir über die Handlungsmöglichkeiten der Länder im Bereich der Selbstkoordinierung sprechen, ein Grundproblem unseres demokratischen Staates und des Parlamentarismus ernsthaft ansprechen. Es ist doch ganz unverkennbar, daß durch diese Koordinierungskonferenzen zunächst einmal der Fortschritt gehemmt wird, weil das Einstimmigkeitsprinzip praktisch die Entwicklung am langsamsten Schiff orientiert. Das ist ein Hemmschuh für eine dynamische Entwicklung unseres Staates. Aber es kommt etwas dazu. Wenn in den Ministerpräsidentenkonferenzen, wenn in den Kultusministerkonferenzen Einstimmigkeit in bestimmten Fragen erzielt wird — und das soll dann und wann einmal möglich sein, wenn es sich vielleicht auch nur auf die Rundfunkgebühren bezieht —, dann sind die Landesgesetzgeber, soweit es sich um Fragen der Gesetzgebung handelt, häufig nicht mehr frei in ihrer Entscheidung, sondern sie stehen vor der Frage, ob sie einen gefundenen Kompromiß akzeptieren oder nicht. Damit werden die Landesgesetzgeber, die Landtage und die Bürgerschaften, im Grunde abgedrängt auf eine Ratifizierungskompetenz. Das ist das Ende der parlamentarischen Kontrolle der Regierungstätigkeit der Länder in diesem Bereich.
Sie können diesen Mangel nur beheben, wenn sie die Zuständigkeit wieder einer Ebene, auf der parlamentarisch entschieden werden kann, übertragen. Das ist eben der Bund.
Meine Damen und Herren, da wir über unseren Antrag, den Hochschulbereich in die konkurrierende Gesetzgebung aufzunehmen, sprechen, sei es mir erlaubt, in diesem Zusammenhang gleich die Ziffer 2 unseres Antrags mit zu begründen; sie betrifft die Frage der Aufnahme der Bildungspolitik in die Rahmengesetzgebung. Ich mache kein Hehl daraus — — Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Genscher, würden Sie nicht der Auffassung sein, daß die Vorlage des Rechtsausschusses gegenüber dem bisherigen Zustand ein so großer Fortschritt ist, daß die FDP ihm zustimmen könnte, statt nein zu sagen unter dem Gesichtspunkt, daß das Bessere der Feind des Guten ist?
Nicht nur beim Begriff der „Großen" Koalition, auch hier, Herr Kollege, haben wir eine unterschiedliche Wertung des Begriffes „groß" zu verzeichnen.
Ich mache kein Hehl daraus, daß es eine betrübliche Tatsache unseres Staats- und Verfassungsaufbaues ist, daß wir bei der Übertragung der Zuständigkeit auf dem Gebiet der Bildungspolitik — und ich meine jetzt im Speziellen: der Schulpolitik — hinter der Entwicklung zurückliegen, die durch die Weimarer Reichsverfassung erreicht war. Ist das nicht eine schlimme Sache? Die Weimarer Reichsverfassung war in diesen Bereichen auch nicht gerade ein Vorbild an Fortschritt, aber sie war eine fortschrittliche Verfassung im Verhältnis zu dem, was wir heute haben. Damals hatte das Reich die Kompetenz, allgemeine Grundsätze für das Schul-und Hochschulwesen aufzustellen und die Lehrerbildung einheitlich zu regeln. Die Gründe, die diese Entscheidung damals rechtfertigten, sind doch heute viel stärker vorhanden. Das Ziel unseres freiheit-
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lichen Staates ist nicht, meine Damen und Herren, utopische Lebensgarantien zu gewähren, sondern das Ziel dieses freiheitlichen Staates ist es, dem einzelnen die optimale Lebenschance einzuräumen. Welche groteske Zuständigkeitsregelung haben wir im Grundgesetz: Für das Fürsorgerecht ist der Bund zuständig, aber für die Bildungspolitik sind es die Länder.
Die Qualität der Einrichtungen von Bildung und Wissenschaft und die erreichbaren Qualifikationen müssen immer mehr abgestellt werden auf den Bedarf im Bundesmaßstab, auf die Chancen im Bundesmaßstab, ja, ich möchte sogar sagen unter dem Gesichtspunkt der Europäischen Gemeinschaft: im Blick auf ein größeres Europa. Es ist doch ganz unbestritten, daß der Bildungsföderalismus, die Zersplitterung unseres Schulwesens, wie wir sie heute haben, am Ende sogar eine Schranke für die Ausübung des Rechts der Freizügigkeit der einzelnen Bürger unseres Landes darstellt.
Zu den Modeworten unserer Zeit gehört — und, wie ich finde, mit Recht — das Wort von der Mobilität. Wir erwarten, daß Arbeiter von der Ruhr bereit sind, sich umschulen zu lassen, daß sie in Wachstumsindustrien in anderen Gebieten unseres Landes gehen. Wenn sie dort hinkommen, machen sie dieselben Erfahrungen wie vor ihnen unzählige Bundesbeamte und Berufssoldaten mit ihren Kindern: sie kommen mit ihren Kindern in ein neues Schulwesen hinein — mit all den Problemen, die sich daraus ergeben.
: Sehr richtig!)
Wir müssen ein Bildungsangebot schaffen, das dem Gedanken der Mobilität — und hier nicht nur der beruflichen Mobilität der Eltern, sondern natürlich auch der Ausbildungsmobilität ihrer Kinder — Rechnung trägt. Wir leben doch heute in einem Staat, der mehr und mehr zusammenwächst. Die Wirtschaft wird, wenn Sie so wollen, strukturell homogener. Aber es gibt Leute, die uns ernsthaft noch klarmachen wollen, wir brauchten in Niedersachsen ein anderes Bildungssystem als in Hessen oder in Rheinland-Pfalz. Das wird weder vom Bewußtsein der Menschen in unserem Lande noch von den Realitäten und Notwendigkeiten der nächsten Jahre getragen und gerechtfertigt.
Damit unser Bildungswesen nur ja nicht beweglich wird, gibt es dann sogar noch Landesregierungen, die ihren Ehrgeiz darin sehen, über ihr Schulsystem, über ihr Schulwesen völkerrechtliche Verträge mit dem Heiligen Stuhl abzuschließen, genannt Konkordate, damit fürderhin jede Veränderung dieses Schulwesens noch der Zustimmung des Heiligen Stuhls bedarf. Das, meine Damen und Herren, ist in unserer Zeit gar nicht mehr hi erster Linie eine Frage des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche; allenfalls bei denjenigen, die glauben, damit optisch etwas erreichen zu können. Nein, meine Damen und Herren, es ist in erster Linie eine Frage der Entwicklungsfähigkeit unseres
Staates, vor allen Dingen unseres Bildungswesens, das hierdurch in unzulässiger Weise eingeschränkt und gehemmt wird.
Meine verehrten Damen und Herren, Sie kommen nicht daran vorbei. Herr Kollege Niederalt, Schulstruktur und Typen der Bildungsgänge, der Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen, die Prüfungsverfahren, das alles erfordert eben eine Rahmengesetzgebung des Bundes.
Genauso — das sage ich Ihnen mit aller Offenheit — brauchen wir für die Lehrerausbildung eine solche Rahmengesetzgebung. Es darf doch nicht weiter so sein, daß wir in bestimmten Ländern größere Ausbildungsmöglichkeiten für Lehrer haben, die aber nicht ausgeschöpft werden, weil im Augenblick dort ein nicht so großer Bedarf an Lehrern ist wie im Nachbarland. Aber die aus dem Nachbarland können nicht verwendet werden, weil sie eine andere Ausbildung haben. Das alles ist am Ende das Gegenteil von dem, was wir wollen, nämlich von einer fortschrittlichen Entwicklung unseres Staates.
Meine Damen und Herren, wir konnten uns bis zu den ersten Wortmeldungen aus dem Regierungslager in dieser Debatte der Hoffnung hingeben, breite Unterstützung zu haben. Es gibt ja — mein Kollege Emde hat schon darauf hingewiesen — einen Parteitagsbeschluß der CDU. Sie wollen sogar ein Bundeskultusministerium schaffen. Das setzt aber voraus, daß der Bund angemessene Möglichkeiten wenigstens innerhalb einer Rahmengesetzgebung hat. Das setzt voraus, daß Sie, wenn Sie schon der konkurrierenden Gesetzgebung im Hochschulbereich, wie es mein Kollege Emde begründet hat, für das gesamte Bildungswesen nicht zustimmen wollen, dem Bund wenigstens auf diesem Gebiet und darüber hinaus für das ganze Bildungswesen die Rahmenzuständigkeit geben.
Der Bundeskanzler hat hier einmal dem Sinne nach gesagt: „Es wird am Ende für die Beurteilung, die wir erfahren, nicht entscheidend sein, ob wir die Zuständigkeiten hatten, sondern wir werden allein danach beurteilt werden, was wir erreicht haben." — Meine Damen und Herren, wir können das doch nicht trennen. Wir können doch nicht so tun, als ob dieselben Parteien, die in Bund und Land Regierungs- und Parlamentsverantwortung tragen, dann in dieser Frage andere Parteien seien. Es sind doch dieselben tragenden politischen Kräfte. Hier ist es erforderlich, daß wir die Kraft haben — ich kann für meine Partei sagen: wir sind in 'dieser Frage völlig einheitlicher Meinung —, unseren Staat an die Erfordernisse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts anzupassen.
— Ich kann Ihnen sagen, Herr Kollege Dr. Barzel,
daß die Meinung der FDP-Vertreter in den Land-
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Genscher
tagen und in den Landesregierungen dieselbe ist wie die, die ich hier vortrage. Das schließt nicht aus, daß auch in Landesregierungen unsere Mitglieder überstimmt werden, wenn die Mehrheit, was ich bedauere, in diesen Landesregierungen bei einer anderen Partei liegt.
Meine Damen und Herren, ich darf zusammenfassen. Die Beratung der Großen Finanzreform kann auch für den Föderalismus eine Sternstunde sein, wenn er nämlich zeigt, daß er aus sich heraus erneuerungsfähig ist, daß er aus sich heraus reformfähig ist, wenn die Träger unseres Staatsaufbaus in Bund und Ländern erkennen, daß es im Interesse unserer Kinder, im Interesse der Ausbildung der Menschen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte erforderlich ist, den Föderalismus, die Zersplitterung unseres Bildungswesens, zu überwinden. Wir brauchen einen Staat und wir brauchen ein Bildungswesen, die auf Dynamik eingestellt sind. Der gegenwärtig vorhandene und von Ihnen verteidigte „Postkutschenföderalismus" erfüllt diese Voraussetzung nicht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Martin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Befürchtung, daß das, was hier von der FDP ausgeführt worden ist, vom Bundesrat und auch vom Verfassungsrichter als zentralistisch verstanden werden wird und wir insoweit nicht zur Weiterentwicklung dies Systems kommen, wie wir es heute hier anstreben. Ich glaube auch nicht, daß es der Sache dient, wenn man so pauschal über die Länder redet, wie das hier geschehen ist.
Wer die Entwicklung des Bildungswesens wirklich kennt — das muß hier auch einmal gesagt werden —, kann feststellen, daß die höheren Schulen heute gegenüber der Zeit von vor zehn Jahren einen Zugang von 50 °/o zu verzeichnen haben -den Prozentsatz von vor zehn Jahren will ich gar nicht nennen —, daß die Bildungsexpansion in Deutschland wie in kaum einem westlichen Land in Gang gekommen ist und daß wir es nicht mit Notständen in diesem Sinne zu tun haben. Wenn man das nicht weiß oder wenn man das nicht ausdrückt, kann man nicht erwarten, daß von unseren Partnern in der Bildungspolitik, nämlich von den Ländern, für uns hier irgendein Verständnis aufgebracht wird.
Es geht nicht um Föderalismus oder Zentralismus, sondern les geht um die Koordinierung im Bundesstaat, und dazu brauchen wir die Länder.
Es kann gar keine Rede davon sein, daß man den
Ländern die Kulturhoheit wegnehmen könnte. Jeder,
der unser Grundgesetz kennt, weiß, daß davon nicht die Rede sein kann. Wir bemühen uns vielmehr darum, die notwendige Koordination, die wir brauchen, zu erreichen, und dazu genügt die Rahmengesetzgebung des Bundes.
Ich will noch einmal begründen, was wir wollen und was wir im Auge haben. Wir brauchen die Rahmenkompetenz für die Bildungsplanung, weil ein Staat wie dieser, der die großen Ressorts, die Wirtschaft, den Sozialbereich und die Außenpolitik, verwaltet, weiß, daß ein Großteil in diesen Gebieten gleichzeitig auch immer Bildungs- und Wissenschaftspolitik ist, daß z. B. das Wachstum des Sozialprodukts von den Bildungsinvestitionen abhängt, daß ein Teil der Mobilität in der Außenpolitik von der Wissenschafts- und Bildungspolitik abhängt; er weiß auch, daß die Bundesregierung hier ein Wort mitreden muß, daß sie aus der Erfahrung der großen Ressorts heraus Bildungsplanung betreiben muß. Dazu bedarf es einer Rahmenkompetenz, aber diese genügt auch. Wer sich einmal Gedanken darüber gemacht hat, was man mit Bildungsplanung an Koordinierung erreichen kann, weiß, daß ich recht habe.
Meine Damen und Herren, am dringendsten ist eine Regelung im Hochschulbereich, und zwar deshalb, weil die Länder hier schon seit einigen Jahren in der Finanzierung überfordert sind; die Wissenschaft selbst überschreitet ja auch die Grenzen der Länder. Wir brauchen also Rahmengesetzgebungsrichtlinien. Wissenschaft kann also nicht mehr nur jeweils in einem Bundesland betrieben werden; es bedarf vielmehr der Vereinbarung. Bei den Sonderforschungsbereichen ist ja schon in diesem Sinne verfahren worden.
Ich möchte jetzt in Richtung der Länder nur noch ein einziges Wort sagen. Ich glaube, es ist nicht kontrovers, daß koordiniert werden muß
— bitte, lassen Sie mich den Satz noch vollenden —; die Einrichtung der Kultusministerkonferenz zeigt das. Aber es hat sich in den letzten Wochen — darin muß ich Herrn Genscher recht geben — auch gezeigt, daß die Möglichkeiten der Koordination sich zu erschöpfen beginnen. In der Fachhochschulfrage mußten die Ministerpräsidenten selber eingreifen, wenn Sie so wollen, unter Wegnahme der Entscheidungsbefugnis ihrer Kultusminister und auch unter Vorwegnahme der Entscheidungen der Länderparlamente. Im Grunde genommen haben die Ministerpräsidenten in Hannover als Bundesrat, als Bundesorgan getagt. Sie haben damit zu erkennen gegeben, daß der Bundesstaat auch die Funktion hat, diese Kóordination durch Rahmengesetzgebung zu ermöglichen.
Entschuldigung, Herr Moersch. Bitte schön!
Herr Dr. Martin, Sie haben vorhin im Zusammenhang mit der Rahmenkompetenz für das Hochschulwesen auch auf eine flexible Finanzierung hingewiesen. Darf ich daraus schließen, daß Sie die Vorlage, die aus dem Rechtsausschuß
11036 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Moersch
kommt — ich denke jetzt an Art. 91 a über die Gemeinschaftsfinanzierung —, ablehnen werden?
Ich habe in bezug auf Art. 91 a Bedenken. Ich sage das freimütig. Ich glaube aber, daß diese Bedenken hinfällig werden, wenn wir über die Rahmenkompetenz zu der Koordination kommen, die wir jetzt brauchen, Herr Moersch. Ich glaube, daß dann so verfahren werden kann.
— Nein, das glaube ich nicht. Sie müssen sich das einmal genau ansehen.
— Ich habe soeben ausgeführt, daß die Rahmenkompetenz ja gerade die Koordination in der Finanzierung sicherstellen wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dahlgrün?
Herr Kollege Martin, wie soll ich Ihre Bezeichnung einer Ministerpräsidentenkonferenz als „Bundesorgan" verstehen?
Genauso, wie es gemeint ist.
Ich möchte zusammenfassend sagen: wer hier die konkurrierende Gesetzgebung verlangt, blockiert den Versuch, die Koordination im Bundesstaat zu
realisieren.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bühling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der heutigen Debatte nimmt die Frage der Gesetzgebungszuständigkeit für das Hochschulwesen einen sehr breiten Raum ein. Ich habe aber den Eindruck, zum Teil wird ein Scheingefecht geführt. Wenn die Alternative gesetzt wird, ,als ob es etwas grundsätzlich Verschiedenes sei, auf der einen Seite eine Rahmengesetzgebung zu befürworten und auf der andern Seite die konkurrierende Gesetzgebung zu verlangen, so halte ich das für falsch. Einmal kommt es ja — aber das ist nicht ,das Ausschlaggebende — darauf an, was überhaupt durchsetzbar ist. Ich glaube nicht, daß mit zu weitgehenden Forderungen der Sache gedient ist. Denn wir alle wissen ja, daß das, was in diesem Hause beschlossen wird, deswegen noch nicht Gesetz ist. Ich würde die Gesamtvorlage nicht mit einem Problem belasten, das nicht lebenswichtig ist und das vielleicht dann noch mehr zum Scheitern bringt, ,als in dem eigentlichen Problem steckt.
Aber das ist noch nicht ausschlaggebend. Es kommt noch ein Weiteres hinzu. Ich glaube, meine Damen und Herren von ,der FDP, Sie unterschätzen die Möglichkeiten einer Rahmengesetzgebung. Ich weiß nicht, Herr Kollege Genscher, ob Sie den Vorwurf des „Postkutschenföderalismus" auch anwenden wollen, wenn der Bund die Rahmenzuständigkeit für das Hochschulwesen bekommt. Es ist mit Recht schon gesagt worden, das ist ein wesentlicher Fortschritt. Was Rahmengesetzgebung vermag, können Sie auf einem scheinbar ferner liegenden, aber doch auch mit dem Hochschulwesen verbundenen Gebiet sehen, nämlich dem des Beamtenrechts. Auch da hat ,der Bund die Rahmenkompetenz. Ich habe noch nie eine Klage gehört, daß das nicht genügend vereinheitlicht sei. In der Praxis ist ein fast einheitliches Beamtenrecht im ganzen Bund vorhanden; die Unterschiede sind minimal, sie werden zum Teil künstlich gesucht. Daran sehen Sie, was eine Rahmengesetzgebung bewirken kann. Und so ganz weit vom Hochschulwesen ist diese Beamtengesetzgebungskompetenz auch nicht ab. Sie wissen ja, daß die Rechtsverhältnisse der Hochschullehrer auch im Bundesbeamtenrechts-Rahmengesetz geregelt sind und vielleicht auch geändert werden müssen. Insofern ist auch der sachliche Zusammenhang da.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. von Merkatz?
Herr Kollege, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das Wort vom „Postkutschenföderalismus" ziemlich dumm ist? Denn als die Postkutschen in Deutschland fuhren, hatten wir noch keinen Bundesstaat.
Diesen sehr harten Ausdruck „dumm" würde ich nicht verwenden; aber ich glaube, ich habe deutlich gemacht, daß ,das in diesem Zusammenhang nicht hingehört, jedenfalls nicht gegenüber der Vorlage, die eine Rahmenkompetenz vorsieht.
Ich wollte aber noch auf etwas anderes hinweisen. Gerade auf dem Hochschulgebiet besteht ja eine Rechtsfigur, die auch in den Anträgen auf konkurrierende Gesetzgebung nicht erwähnt worden ist, nämlich die Autonomie der Hochschulen. Ich bekenne hier freimütig — und ich sage das nicht als persönliche Meinung, sondern weiß, daß auch eine große Reihe von Kollegen meiner Fraktion diese Meinung geteilt hat —, daß auch wir zunächst der konkurrierenden Gesetzgebung zuneigten. Aber wenn man das durchdenkt, stößt man doch überall auf die Autonomie der Hochschulen. Ich sage das nicht bedauernd, sondern als eine Tatsache und auch als eine begrüßenswerte Tatsache. Diese Autonomie soll und kann ja nicht eingeebnet werden, auch von Ihnen nicht, die Sie die konkurrierende Gesetzgebung jetzt noch so stark befürworten und sich sehr viel davon erwarten. Sie werden also, wie auch immer die grundgesetzlichen Zuständigkeiten geregelt werden, auch dann, wenn der Antrag der FDP
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11037
Bühling
angenommen würde, immer noch die Autonomie der Hochschulen haben, auch die Satzungsautonomie. Sie werden eine breite Verschiedenheit haben — und die soll ja auch sein —, Sie werden vielleicht sogar Satzungsverschiedenheiten von Teilen der Hochschulen haben; und das ist ja auch notwendig. Auf diesem Gebiet, wo so lange nichts geschehen ist, sind Experimente geradezu notwendig. Infolgedessen werden Sie hier den Wettbewerb, von dem Herr Kollege Niederalt sprach, vielleicht nicht zwischen Ländern, aber zwischen Hochschulen haben, und der wird bleiben, ob Sie das mit Rahmengesetzgebung oder ob Sie es mit konkurrierender Gesetzgebung regeln.
Ich glaube deshalb, daß die Vorlage, wie sie der Rechtsausschuß unterbreitet hat, ausreichend ist. Ich halte es für besser, die acht Hochschulgesetze, die jetzt in Arbeit sind, mit der Rahmengesetzgebung zu vereinheitlichen, als einen fruchtlosen Streit um die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit zu führen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Merkatz hat ja soeben seine grundlegende Denkart bekanntgegeben, indem er sich mit dem Postkutschen-Föderalismus beschäftigte. Offensichtlich ist das seine Mentalität. Wir haben diese Mentalität nicht. Für uns ist der Föderalismus weder Selbstzweck noch ein Instrument, das man ständig auf die Seite schieben soll, sondern für uns ist der Föderalismus das im Grundgesetz festgelegte Gliederungsprinzip dieses Staates.
Ich verstehe nun nicht die Bemerkungen, die auf die sehr sachkundigen Vorschläge der Freien Demokraten hin gemacht worden sind. Ich möchte wenigstens die Kollegen der CDU bitten, ihre Große Anfrage Drucksache V/3099 noch einmal zu überdenken. Sie ist sogar zweifach vorgelegt, und in der Liste der Unterzeichner sind weiß Gott sehr bedeutende Kollegen der CDU, die sich offensichtlich hiermit identifizieren. Die erste Frage dieser Großen Anfrage lautet schon:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß das Grundgesetz nach Verabschiedung der Finanzreform den Anforderungen genügt, die in unserer Zeit an einen demokratischen und sozialen Rechtsstaat in einem sich zusammenschließenden Kontinent gestellt werden müssen?
Und dann wird präzise gefragt:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß
1. sich die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern bewährt hat?
Diese Frage ist wohlberechtigt, und sie wird also offensichtlich auch von einem breiten Teil der CDU gestellt. Ich will gar nicht von der Forderung nach einem Bundeskultusministerium sprechen. Aber ich
frage, warum Sie dann nicht unseren Antrag unterstützen. Das verstehe ich wirklich nicht.
Es heißt dann weiter:
... einer Aufzählung der Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes, wie sie in den Artikeln 73 bis 75 des Grundgesetzes enthalten ist, ..
Genau das sind die Punkte, verehrte Kollegen, die wir hier zur Diskussion stellen. Ich nehme nicht an, daß Ihr politisches Handeln danach bestimmt .ist: Nur wenn wir es machen, ist es richtig; wenn es nun die Opposition aufgegriffen hat, ist es noch nicht richtig, sondern erst dann, wenn wir es machen, wird es zu der richtigen Lösung führen.
— Ich möchte meinen, Herr Kollege Illerhaus, daß Sie das, was hier Ihre Kollegen so sachkundig als Große Anfrage gebracht haben, nicht als eine Fehlleistung betrachten.
Im übrigen — das darf ich hier noch ergänzen —, Sie zitieren mit gutem Grund den Herrn -Bundeskanzler. Der Herr Bundeskanzler hat immerhin — und diese Worte möchte ich hier wiederholen — festgestellt:
Wir alle müssen wissen, daß, wenn wir auf irgendeinem Gebiet versagen, die Geschichte niemand die Entschuldigung abnehmen wird, ihm habe die Kompetenz gefehlt.
So weit der Herr Bundeskanzler, der bekanntlich diese Regierung damit installiert hat, daß sie große Reformen durchziehen werde.
Sehr verehrter Kollege Niederalt, ich bin ebenfalls schon als Bayer ein bekennender Föderalist und ich würde mich sehr leidenschaftlich dagegen wehren, wenn man aus diesem Staat einen Zentralstaat in uniformistischer Form machte, weil ich in dem föderalistischen Prinzip ein Bollwerk für die freiheitliche Demokratie als solche sehe. Insoweit bejahe ich den Föderalismus.
Aber, verehrter Kollege Niederalt — und hier frage ich Sie aus Ihren Erfahrungen als Bundesratsminister —, Föderalismus darf nicht Bremsblock gegenüber dem Fortschritt sein, und eine moderne Bildungspolitik muß auch im föderalistischen Staat so gestaltet werden können, daß es nicht ein ständiges Durcheinander gibt.
Ich verstehe die Schizophrenie dieser Regierung in ihrem Gesetzgebungswerk nicht. Wenn sie konsequent wäre, dürfte es keine Gemeinschaftsaufgaben geben. Denn was den Föderalismus total hemmt, was die Länder total durcheinanderbringt und was einen ausgesprochenen Wirrwarr zwischen Bund und Ländern schafft, sind die Gemeinschaftsaufgaben. Da müßte es klare Kompetenzen für die Länder geben und keine für die Gemeinschaftsaufgaben. Das verstehe ich wirklich nicht.
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Herr Kollege Schmidt!
Verzeihen Sie, Herr Kollege Ertl, warum haben Sie denn dann dazu keinen Antrag gestellt? Es wäre doch dann zweckmäßig, über einen solchen Antrag zu diskutieren. Den haben Sie ja gar nicht gestellt.
Herr Kollege Schmidt, die Opposition wird Ihnen reichlich Gelegenheit geben, mit ihr für die Beseitigung der Gemeinschaftsaufgaben zu stimmen. Ich werde Sie beim Wort nehmen.
— Ich freue mich, daß ich Ihre Zustimmung habe,
und ich nehme an, daß Ihre Kollegen, die ebenso sachkundig sind wie Sie, auch in diesem Punkt mit uns stimmen werden.
Ich darf es noch einmal sagen, das ist keine konsequente Verhaltensweise. Einerseits wehrt man sich gegen die Rahmengesetzgebung auf dem Schulsektor, und man verwahrt sich gegen die konkurrierende Gesetzgebung auf dem Hochschulsektor. Dagegen wurde gesagt, das würde Einheitsformen geben. Wir sind für die Autonomie der Hochschulen und wir wollen den Wettbewerb auf diesem Sektor. Das große Gerippe muß doch aber einmal auf einer Basis angelegt werden, damit der Student wirklich unter gleichen Chancen an verschiedenen Hochschulen studieren kann. Gerade darin liegt wiederum ein Stück unserer Freiheit. Ich verstehe das wirklich nicht; denn ich würde bestimmt meine großen Bedenken anmelden, wenn dabei das Prinzip der Gliederung dieses Staates grundlegend geändert würde. Die Bildungspolitik, das glaube ich, kann man heute nicht mehr in der Form begründen, daß es dabei um einen wesentlichen Bestandteil des Föderalismus gehe.
Verehrter Herr Kollege Niederalt, die Kultusminister hätten ja lange Zeit gehabt, den kooperativen Föderalismus zu demonstrieren und zu praktizieren. Viel Verdruß wäre uns dadurch erspart geblieben. Das muß ich Ihnen leider sagen. Das haben sie nicht genutzt. Der Kollege Genscher hat recht, eine Säule des Staates ist der Bundesrat, und der Bundesrat hat das Initiativrecht. Und was ist geschehen? Nichts ist geschehen!
Ich muß Ihnen auch noch ein anderes Wort hierzu sagen. Gerade weil wir politisch sehr differenzierte Strukturen haben, absolute Mehrheiten, in Bayern durch die CSU, in Hessen durch die SPD, ist auch von dieser Seite her eine Gefahr — hätte ich beinahe gesagt —, zumindest eine Tendenz, daß wir eben einseitige Hochschulgesetzgebungswerke haben, was sich wiederum zum Schaden der Studierenden auswirkt. Ich meine, der Bund sollte daher von sich aus das Recht haben, hierfür den großen Rahmen zu stecken, hineingelegt in diesen Rahmen selbstverständlich die Autonomie der Universitäten.
Ich darf noch einmal sagen, uns hier unterstellen zu wollen, das sei der Schritt zum Zentralstaat, das können wir nicht hinnehmen. Hier geht es darum, fortschrittliche Lösungen zu finden, Lösungen, die die Chancengleichheit für unsere Jugend schaffen, nicht im Sinne der Uniformität, sondern im Sinne einer gleichwertigen Konkurrenz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir bitten Sie, auch die Kollegen von der SPD, helfen Sie entsprechend Ihren Zusagen, die Sie draußen bei allen Veranstaltungen von Studenten machen, mit, eine lebendige und funktionsfähige Lösung zu finden. Dann, glauben wir, wird dieses Gesetzgebungswerk wirklich von grundlegender Bedeutung für die Zukunft sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen von der SPD und von Herrn Dr. Martin haben mir gezeigt, daß offensichtlich über den wirklichen Inhalt der Vorlagen Unklarheit besteht. Herr Dr. Martin, wenn es so wäre, daß mit der Rahmenkompetenz für das Hochschulwesen künftig keine Finanzierungsprobleme mehr entstünden, wie sie jetzt entstanden sind, hätten Sie ja recht. Aber leider ist die Vorlage, über die wir hier abzustimmen und zu beraten haben, völlig anders angelegt. Das ist eine Scheinkompetenz, die hier gegeben wird, wenn sie hinterher mit einer Finanzierungsquote von 50 : 50 eingeschränkt wird. Das ist vielleicht im Endeffekt schlechter als das, was bisher im Grundgesetz für die konkurrierende Gesetzgebung auf dem Gebiet der Förderung der Forschung selbst gestanden hat. Da war jedenfalls eine solche Schranke nicht angelegt; die ist dann später ausgehandelt worden. Wir wollten doch gerade den Zustand des Königsteiner Abkommens überwinden, der gegeben war, ehe der Bund installiert worden ist.
Was Sie jetzt hier machen, ist die Fortschreibung eines aus der damaligen Situation hervorgegangenen Zustandes. Sie deklamieren in der Verfassung irgendeine schöne Forderung, können sie aber nachher nicht realisieren, weil Sie sich gleich wieder selbst die Hände gebunden haben mit dieser Krampflösung — ich muß es schon so nennen — der Gemeinschaftsaufgaben, wo Sie gleich den Finanzierungsschlüssel noch mit festlegen.
Meine Damen und Herren, so kann man einfach keine Verfassung ergänzen. Was Sie hier machen, bringt Ihnen permanenten Arger, schafft unklare Verantwortlichkeiten und hemmt in Wahrheit eine gleichmäßige Organisation unseres Bildungswesens. Das Beispiel Bremen müssen Sie doch selbst einmal durchrechnen. Wenn Sie das durchgerechnet haben, müssen Sie Ihre eigene Vorlage in den Papierkorb werfen. Ich bitte Sie deshalb, unseren Vorschlag anzunehmen.
Herr Kollege Dr. Schmidt, dann ist Ihre Frage beantwortet. Wenn Sie eine konkurrierende Gesetz-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11039
Moersch
gebungskompetenz für das Hochschulwesen schaffen, brauchen Sie diesen Unsinn der Gemeinschaftsaufgaben in diesem Punkt nicht mehr. Deshalb seien Sie bitte konsequent und folgen Sie unserem Antrag!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lohmar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für den in dieser Sache engagierten Laien sehr schwierig, noch das Für und Wider der Argumentation herauszufinden.
Ich möchte der Argumentation, die die Kollegen von der FDP vorgebracht haben, in einem Punkt folgen. Ich halte mit ihnen den Schlüssel 50 : 50 für falsch. Aber ich würde daraus nicht die Folgerung ziehen, daß dieser Schlüssel ein Urteil im ganzen über die Qualität der Rahmenkompetenz erlaubt. Wir kommen, wie wir die Dinge auch regeln, Herr Kollege Moersch, nicht umhin, zwischen Bund und Ländern eine Kooperation zu fixieren. Es gibt kein Vorbeimogeln an dem Tatbestand eines kooperativen Föderalismus zugunsten eines neuen Zentralismus, auch dann nicht, wenn man ihn vielleicht im Auge hat.
Herr Kollege Schmidt, bitte zu einer Zwischenfrage.
Sind Sie auch der Auffassung, daß diese Aufteilung 50 : 50 falsch ist, wenn Sie bedenken, daß wir über den großen Steuerverbund und den zukünftigen vertikalen Finanzausgleich, der dadurch im Gegensatz zum horizontalen erreicht ist, finanziell gesunde Länder schaffen, die im Hinblick auf dieses Problem gleichwertig behandelt werden müssen?
Herr Kollege Schmidt, ich kenne natürlich den Zusammenhang dieser Argumentation. Nur müssen Sie es mir bitte nachsehen, wenn ich manchmal auf den Spatz in der Hand mehr vertraue als auf die Taube auf dem Dach. Das ist die Situation, in der wir uns hier befinden.
Aber zur Rahmenkompetenz: Ich vermag, Herr Kollege Moersch, nicht einzusehen, warum wir die Möglichkeiten der Rahmenkompetenz nicht ausschöpfen sollten
— nein, jetzt bitte nicht —, wenn wir dadurch eine reale Chance haben, im Bundesrat mit den Bundesländern zu einem institutionalisierten Gespräch über eine gesetzgeberische Ausfüllung dieses Rahmens zu kommen, die wir heute in diesem Sektor bis auf die Forschungsförderung nicht haben. Auf diese Weise würden wir z. B. das große Handikap des Einstimmigkeitsprinzips in der KMK, in der Ministerpräsidentenkonferenz und in der Finanzministerkonferenz außer Kraft setzen und durch Mehrheitsentscheidungen im Bundesrat ersetzen können, —
eine Sache, die vom Prozeduralen her ein enormer
Fortschritt für den ganzen Gang der Verhandlungen
zwischen Bund und Ländern in diesem Bereich wäre.
Meine Herren von der FDP, bitte sehen Sie mir eine polemische Übertreibung nach: Ihre Attacke zugunsten eines weitergehenden Schrittes erscheint mir ähnlich wie die überspitzten Versuche der außerparlamentarischen Opposition, an den Hochschulen einen erreichbaren vernünftigen Reformfortschritt dadurch zu gefährden, daß man das Erreichbare überschreitet und auf diese Weise ein sicheres Nein — in unserem Falle der Länder im Bundesrat — provoziert, mit der Folge, daß der Zustand so bleiben würde, wie er heute ist. Das heißt, Sie schlagen — verzeihen Sie, wenn ich das so offen sage — aus einer allzu eleganten Anpassung an die öffentliche Meinung heraus etwas vor, was sachlich im Resultat einen Rückschritt bedeuten würde gegenüber dem, was wir heute haben — ganz im Gegensatz, verehrte Kollegen von der FDP, zu Ihrem bemerkenswerten Plädoyer für die Drittelparität an den Hochschulen, die nach meiner Meinung an den Hochschulen zu einem weitgehenden Chaos führen würde und wo man sich fragt, wie man beides — das Plädoyer für diese Sache und Ihr auf Ordnung bedachtes Plädoyer für eine konkurrierende Gesetzgebung des Bundes — miteinander in Einklang bringen will.
Ich wäre Ihnen deshalb wirklich dankbar, wenn Sie sich an die verschiedenen sehr sachlichen Überlegungen in den beteiligten Parlamentsausschüssen erinnern wollten, in denen wir zu dem Resultat gekommen sind, die jetzt erreichbare Möglichkeit auszuschöpfen und dann zu versuchen, daraus etwas Vernünftiges zu machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dichgans.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Drei ganz kurze Bemerkungen: Erstens. Ich werde für den Antrag konkurrierende Gesetzgebung stimmen, und zwar rein aus dem Gesichtspunkt der Ökonomie der Verfassungsänderungen.
Wir sind uns darüber einig, daß der gegenwärtige Rechtszustand nicht befriedigt. Wir wollen weitere Möglichkeiten einbauen, aber wir sind uns nicht darüber klar, ob diese Möglichkeiten reichen. Ich glaube, wir sollten dann vernünftigerweise gleich so viele Möglichkeiten einbauen, daß wir uns auch bei einer ungünstigen Entwicklung helfen können.
Die zweite Überlegung. Es wird uns gesagt: Der Bundesrat wird keinesfalls zustimmen. Dieser Meinung bin ich auch; aber ich weiß nicht, ob wir die Meinung dieses Hohen Hauses von vornherein gerade in diesem Fall auf die Meinung des Bundesrates zurückschrauben sollten, ob es nicht richtig
11040 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Dichgans
wäre, zunächst einmal unsere Meinung klar auszudrücken.
Was hinterher aus der Sache wird, werden wir hier ja in jedem Falle noch einmal besprechen müssen.
Die dritte Überlegung — dies zum Trost für meine föderalistischen Freunde, insbesondere für meinen Freund Niederalt —.
Ich halte es für notwendig, daß wir die Kompetenzen des Bundes ausweiten. Aber ich bin durchaus nicht dafür, daß wir von diesen Kompetenzen Gebrauch machen; ich glaube auch nicht einmal, daß das notwendig ist. Ich bin fest überzeugt, in dem Augenblick, in dem dieses Hohe Haus ganz klar sagt, daß es notfalls auch von seinen Kompetenzen Gebrauch macht, werden wir im Bereich der Konferenz der Kultusminister sehr bald Lösungen erleben, die nicht einmal eine Ausnutzung der Rahmenkompetenz notwendig machen. Ich darf auf die sehr produktive Konferenz der Kultusminister vom November dieses Jahres hinweisen. Wenn die Konferenz der Kultusminister in diesem Sinne weiterarbeitet, brauchen wir eine Bundesgesetzgebung nicht; aber eben deshalb sollten wir die Kompetenz schaffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Haas.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß einer Bemerkung eines Kollegen von der SPD widersprochen werden muß, die vorhin gefallen ist und die in etwa zum Inhalt hatte: Eine Rahmenkompetenz ist doch etwas völlig Ausreichendes und Schönes.
Sehen Sie doch nur das Beispiel der Besoldungsreform!
— Beamtenrechts- und Besoldungswesen hängen ja eng zusammen.
Es ist bisher nichts gekommen, sooft und solange das beantragt wurde und sosehr es notwendig wäre. Gerade hier haben wir ein Beispiel, wie sehr uns die Dinge in diesen Jahren auseinandergelaufen sind und wie dringend es notwendig wäre, mit einer Rahmenkompetenz weiterzukommen. Das ist aber nicht gekommen. Deshalb sprechen wir von Harmonisierungsnovellen und stehen vor der Notwendigkeit, diese Angleichung von Mal zu Mal zu beraten und zu verabschieden, weil etwas dringend Notwendiges, seit Jahren Notwendiges nicht kam.
— Bitte, lassen Sie mich den Gedanken zu Ende führen. — Das muß ich Ihnen sagen, und daraus-mögen Sie erkennen, daß eben auch eine Rahmengesetzgebung soundsooft nicht ausreicht. Deshalb unser Antrag, eine konkurrierende Gesetzgebung neu zu schaffen. Bitte, beachten Sie das: ich bin der Meinung, wir sollten darauf nicht verzichten und sollten uns überlegen, ob man — weil man nicht ja sagen will, weil man sich nicht ja zu sagen getraut — dann zu dieser Ersatzlösung der Gemeinschaftsaufgaben überhaupt kommen sollte — nachdem sie ja nun schon rein numerisch stark reduziert worden sind —, da sie doch nur neue Mischverwaltungen bringen und eine Dominanz des Bundes nicht schaffen. Denn weil die Verwaltung bei den Ländern bleibt, bleiben die Länder bei diesen Gemeinschaftsaufgaben dominant.
Wir schaffen weitere Unklarheiten und wir tun auch dem Bundesrat keinen Gefallen, der seit Jahr und Tag das Institut einer Mischverwaltung scheut. Darauf möchte ich hingewiesen haben. — Bitte, Herr Kollege, ich stehe Ihnen jetzt zur Verfügung.
Herr Kollege Dr. Haas, sind Sie bereit, zuzugeben, daß die Fassung des Rechtsausschusses in Art. 75 Nr. 1 a dem Antrag der FDP betreffend Bildungsplanung entspricht und daß die Neufassung „Bildungswesen" eine Sache ist, die erst heute morgen hier auf den Tisch des Hauses gekommen ist?
Ja, ich habe zur Kenntnis genommen, daß Sie die Bildungsplanung konzediert haben. Aber Sie wissen ja auch, daß wir primär die konkurrierende Gesetzgebung gefordert haben.
Wird nun zu Umdruck 547 Ziffer 1 noch das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schlee!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Ausführungen unserer Kollegen Moersch und Dr. Haas richtig verstanden habe, so haben sie vor allen Dingen das Argument vorgetragen, daß mit der Übertragung der konkurrierenden Gesetzgebung über das Hochschulwesen auch die Finanzierung der Hochschulen betroffen sei. Das ist meines Wissens nicht der Fall. Die konkurrierende Gesetzgebung über das Hochschulwesen beim Bund hat keineswegs zur Folge, daß der Bund nun auch die Hochschulen finanzieren müßte. Daher werden damit auch die Gemeinschaftsaufgaben bzw. die Einbeziehung der Hochschulen in die Gemeinschaftsaufgaben keineswegs überflüssig.
Wird des weiteren das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Mühlhan!
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11041
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Als die FDP-Anträge im Wissenschaftsausschuß verhandelt wurden, hat die FDP dort die Bildungsplanung in die Rahmengesetzgebung durchgesetzt, so wie sie beantragt hatte. Bei der Übernahme des Hochschulausbaus und des Hochschulneubaus in die Rahmengesetzgebung hat die FDP diesen Vorschlägen der beiden Koalitionsparteien aus folgenden Gründen widersprochen. Die Forschungsförderung ist ein Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung; so ist es in Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes geregelt. Damit ist zugleich der Bau von Forschungsinstituten berührt. Der Bund hat bereits in der konkurrierenden Gesetzgebung das Recht, Institute für die Forschungsförderung zu bauen. Der Hauptsitz der Forschung ist in Deutschland immer noch die Universität, die wissenschaftliche Hochschule. Damit ist der Bau von Hochschulen und Universitäten ein Element der Forschungsförderung.
Wenn Sie jetzt diesen besonderen Gegenstand des Hochschulausbaus und -neubaus in die Rahmengesetzgebung hineinbringen, schaffen Sie 'auf diesem Gebiet eine Rechtsunsicherheit, die sehr nachhaltige Folgen haben wird. Der Bund hat bereits in der konkurrierenden Gesetzgebung das Recht des Hochschulneubaus und -ausbaus. Er hat von diesem Recht nie Gebrauch gemacht. Das bedeutet aber nicht, daß er auch in der Zukunft von diesem Recht keinen Gebrauch machen wird. Wenn Sie für den Hochschulausbau und Hochschulneubau heute die Rahmengesetzgebung beschließen, so bedeutet das einen Rückschritt gegenüber den bisherigen gesetzlichen Verhältnissen, bei denen die Bundesgesetzgebung gegeben war. Davor möchte ich Sie warnen.
Wünscht noch jemand hierzu das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 547 Ziffer 1. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 548 auf. — Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Dr. Heuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich der gesundheitspolitischen Debatte in diesem Hause habe ich mich bereits zur Frage der Erweiterung der Kompetenzen des Bundes auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geäußert und meine grundsätzliche Meinung dazu vorgetragen. Ich darf zur Begründung dieses Antrags nur noch folgende kurze Bemerkungen machen.
Die Bundesregierung will mit ihrer Vorlage die in Art. 74 Nr. 19 vorgesehene Kompetenz erweitern. Es sollen nun auch die Verhütung und die Bekämpfung von Krankheiten bei Menschen unter die Bundeskompetenz fallen. Wir sind der Meinung, daß es in der Tat wünschenswert ist, die Kompetenzen des Bundes im Bereich des Gesundheitswesens zu erweitern. Wir sehen nämlich mit Ihnen voller Sorge das Gefälle, das beim Schutz der Gesundheit unserer Bürger von Land zu Land existiert. Wir sind mit Ihnen bereit, hier Erweiterungen vorzunehmen.
Wir machen aber einen ganz deutlichen Unterschied zwischen dem Schutz der Gesundheit und
— wie es in Ihrer Formulierung heißt — der Bekämpfung von Krankheiten. Wir sind der Meinung, daß das Verhüten und Bekämpfen von Krankheiten
— soweit sie über den Bereich der gemeingefährlichen und ansteckenden Krankheiten hinausgehen — eine Sache ist, die der forschenden und praktizierenden Medizin obliegt. Dort ist diese Aufgabe bisher ausgezeichnet aufgehoben gewesen. Wenn es notwendig ist, von seiten des Bundes die Durchführung dieser Aufgabe durch finanzielle Maßnahmen zu gewährleisten, so ist dem Bunde bisher schon eine ausreichende Kompetenz auf dem Wege über die soziale Krankenversicherung, die bereits etwa 90 °Io der Bevölkerung erfaßt, und über das Bundessozialhilfegesetz gegeben gewesen.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ?
Bitte schön, Herr Kollege Schmidt!
Frau Kollegin Heuser, können Sie uns einmal die Sinneswandlung, die bei Ihnen offensichtlich Platz gegriffen hat, etwas näher erläutern, nachdem Sie in den letzten Monaten sowohl in den Ausschüssen als auch in der Gesundheitsdebatte dieses Hauses im Juni dieses Jahres ausdrücklich jede Änderung des Art. 74 Nr. 19 abgelehnt und bei dieser Gelegenheit als Begründung sogar die drohende Sozialisierung sowohl der Ärzteschaft als auch des Gesundheitswesens angeführt haben?
Herr Kollege Schmidt, dies ist kein Sinneswandel. Wäre es ein Sinneswandel, würde ich mich Ihrer Formulierung anschließen. Nach unserer Formulierung soll dem Bund die Kompetenz für den Schutz und die Förderung der Gesundheit zugewiesen werden. Das halten wir in der Tat für eine gesundheitspolitische Aufgabe. Daß wir dem Bund diese Kompetenz zuweisen, heißt nicht, daß wir ihm die Kompetenz geben, Krankheiten zu bekämpfen. Diesen Unterschied sollten Sie als ärztlicher Kollege sehr wohl sehen. Also insofern ist keinesfalls ein Gesinnungswandel eingetreten.
Ich will aber auf Ihre Bemerkung zusätzlich noch folgendes sagen. Meine Intention und die meiner Fraktion geht dahin, unter allen Umständen zu verhindern, daß der Bund eine „Krankheitskompetenz" bekommt, die ja hier zur Debatte stand
11042 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Frau Dr. Heuser
und auf die sich die beiden großen Koalitionsfraktionen schon geeinigt hatten, wie die Überweisung aus dem Rechtsausschuß bewies.
Das hat uns veranlaßt, diese Formulierung zu beantragen in der Hoffnung, daß bei den Angehörigen der beiden großen Fraktionen ein Sinneswandel stattfinden wird.
Da ich nun dazu aufgefordert werde, darf ich in diesem Zusammenhang auch ein Wort an die Kollegen der CDU richten.
— Herr Schmidt, würden Sie so lieb sein, mich noch einen Augenblick anzuhören.
Sie haben ein neues Parteiprogramm beschlossen und unter Punkt 4 „Reform der Demokratie" auch etwas über Gesundheit gesagt. Vielleicht ist Ihnen das entgangen, weil Sie nicht dort, sondern unter dem Stichwort „Gesundheit" gesucht haben. Unter diesem Punkt 4 steht, daß Sie die Rahmenkompetenzen des Bundes im Bereich der Gesundheit erweitern und darunter den Schutz und auch die Sicherung der Gesundheit sehen wollen. Daß Ihnen die Formulierung „Sicherung der Gesundheit" unterlaufen ist, haben Sie zu verteidigen. Kein Mensch in diesem Hause oder sonstwo kann Gesundheit sichern; wir können sie nur fördern, wir können nur versuchen, sie zu schützen, und zwar dort, wo der einzelne das nicht mehr kann. Das halte ich in der Tat für die Aufgabe des Gesetzgebers. — Bitte schön, Herr Schmidt!
Frau Kollegin Heuser, halten Sie es nicht für möglich, daß derjenige, der einen staatlichen Gesundheitsdienst einrichten will, sich ebensogut auf den Schutz der Gesundheit wie auch auf die Verhütung von Krankheiten stützen wird?
— Ja eben, wenn er das will.
Herr Schmidt, Ihre Regierung, die Sie ja mit stützen, widerspricht dem. Sie widerspricht dem sogar so weit, daß sie sagt: selbst wenn sie ausdrücke, daß sie sich mit der Bekämpfung von Krankheiten beschäftigen wolle, sei dies in der Tat nicht dergestalt, daß sie das von Staats wegen zu tun beabsichtige.
Ich habe schon in der gesundheitspolitischen Debatte ausgeführt, daß ich mich gegen jede Kompetenz für den Bund in Sachen Krankheit über die jetzt schon bestehende hinaus wenden werde, weil ich nach wie vor der Meinung bin, daß das nicht Aufgabe der Politik, sondern Aufgabe der Ärzte, der Krankenversicherungen, der Einrichtungen ist, die wir hier alle stützen.
Unter diesem Aspekt bitte ich unseren Antrag auf Erweiterung der Bundeskompetenzen zu sehen, nämlich auf
den Schutz und die Förderung der Gesundheit des Menschen, die Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, den Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften;
wobei also der letzte Absatz des Art. 74 Nr. 19 seine bisherige Fassung behalten soll.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Jungmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantrage namens der Fraktion der CDU/CSU, den Antrag auf Änderung des Art. 74 Nr. 19 des Grundgesetzes und damit auch den dazu gestellten eben begründeten Antrag der FDP auf Umdruck 548 an die Ausschüsse — Rechtsausschuß federführend und Gesundheitsausschuß mitberatend — zu überweisen.
Sie wollen also die Nr. 1 b des Ausschußentwurfs mit dem Umdruck 548 an die genannten Ausschüsse überweisen.
Frau Abgeordnete Dr. Hubert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Heuser, ich muß zunächst meinem großen Bedauern Ausdruck geben, daß Sie diesen Antrag nicht im Ausschuß gestellt haben. Dort haben Sie sich nur auf Formalitäten beschränkt. Dann hätten wir ihn nämlich bereits im Ausschuß diskutieren können. Mir scheint die Formulierung „Schutz und Förderung der Gesundheit" sehr viel unbestimmter als der Vorschlag, der hier von der Regierung vorgelegen hat. Ich würde mich insofern dem Kollegen Jungmann anschließen, daß wir das noch einmal im Ausschuß beraten müssen.
Lassen Sie mich aber noch etwas dazu sagen. Wir scheinen uns hier einig darüber zu sein, daß die jetzige Formulierung „Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten" den modernen Zeiten nicht mehr gerecht wird. Frau Kollegin Heuser, Verhütung von Krankheiten ist meiner Meinung nach nicht eine Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, und „Verhütung von gemeingefährlichen Krankheiten" haben Sie sicherlich noch niemals so aufgefaßt, daß es sich dabei um die Behandlung dieser gemeingefährlichen Krankheiten handelt — die liegt selbstverständlich in der Hand der praktizierenden Ärzte —, sondern hier handelt es sich um die Möglichkeit allgemeiner Maßnahmen zur Verhütung von Krankheiten. Man kann aber heute auch Krankheiten verhüten, die nicht gemeingefährlich sind.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11043
Frau Dr. Hubert
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch in aller Form Äußerungen zurückweisen, die heute — ich habe sie in der „Welt" gelesen — von seiten unserer ärztlichen Organisationen durch die Presse gehen. Es ist meiner Meinung nach völlig unnötig, vor „zentralistischen und dirigistischen Maßnahmen" zu warnen. Niemand will so etwas.
Solche Unterstellungen können nur das gute Verhältnis, das zwischen diesem Parlament und unseren ärztlichen Organisationen immer bestanden hat, gefährden. Aber einheitliche Verhältnisse gerade bezüglich des Schutzes der Gesundheit und der Verhütung von Krankheiten im gesamten Bundesgebiet so optimal wie möglich herzustellen, müßte eigentlich ein Anliegen gerade von uns Ärzten sein. Daß das öffentliche Gesundheitswesen in der Hand der Länder liegt und weiter Ländersache sein wird, ist für uns alle eine Selbstverständlichkeit.
Ich schließe mich im übrigen dem Antrag des Kollegen Jungmann an.
Wünscht noch jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Jungmann auf Verweisung dieses Punktes samt Änderungsantrag an die Ausschüsse. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Die Überweisung ist beschlossen.
Damit komme ich nunmehr zu Art. I Nr. 1 c. Hierzu wünscht der Abgeordnete Dr. Althammer einen Antrag zu stellen, der noch nicht verteilt ist. *)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, nachdem von der FDP auch schon zu der Änderungsvorlage zur Rahmengesetzgebung Art. 75 gesprochen worden ist, daß ich namens der CSU gleichzeitig die zwei Anträge begründe, die dahin gehen, die als Art. 74 Nr. 19 a vorgesehene Fassung und ebenfalls die in Art. 75 Abs. 1 vorgesehene Nr. 1 a betreffend die Rahmenkompetenz für die Bildungsplanung und das Hochschulwesen zu streichen. Ich darf vielleicht, um diesen Antrag verständlich zu machen, kurz auf die Entstehungsgeschichte dieser Ausschußvorlage eingehen.
Es war zunächst beabsichtigt, nur die Finanzreform und die Haushaltsrechtsreform zu verabschieden und die Grundgesetzänderungen durchzuführen. Der Rechtsausschuß hat nun die auch von meiner Sicht her sicherlich begründete Auffassung vertreten, daß Grundgesetzänderungen möglichst in einem Zuge in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden sollen. Aus diesem Grunde finden Sie in der Ausschußvorlage insgesamt sechs verschiedene Drucksachen zusammengefaßt. Die Drucksache V/2861 betrifft die Finanzreform, die Drucksache V/3040 die Haushaltsrechtsreform. Ich bin der Auffassung, daß
*) Siehe Anlage 4
es auch richtig war, die Drucksache V/3483 hinzuzunehmen, in der die grundgesetzliche Kompetenz für die Schaffung von Straßenbenutzungsgebühren vorgesehen ist.
Außerdem habe ich keine Einwendungen dagegen, daß hier etwas aufgenommen worden ist, was seit langem im Parlament beraten wird, nämlich eine Änderung des Grundgesetzes im Hinblick auf eine Ausweitung der Rahmenkompetenz für das Besoldungswesen. Das ist der Punkt, zu dem auch der Kollege Haas vorher Stellung genommen hat.
Hingegen glaube ich, daß es nicht empfehlenswert war, ebenfalls die Vorlage aufzunehmen, die eine Ausweitung der Zuständigkeit im Krankenhauswesen betrifft, und die Vorlage, die weiterhin eine Ausweitung der Zuständigkeit im Bildungswesen beinhaltet, also die Erweiterung der Rahmenkompetenz auf Bildungsplanung und Hochschulwesen. Ich möchte, um diese Dinge klarzustellen, doch noch einige grundsätzliche Ausführungen zu diesem Komplex machen. Wir sollten zunächst einmal auch den verschiedenen, hier vorgetragenen Meinungen unterstellen, daß sie in jedem Fall eine optimale Lösung der Komplexe anstreben, die hier zur Debatte stehen. Das gilt sowohl für das Gesundheitswesen wie auch für das Bildungswesen. Ich würde also sagen: wenn jemand der Auffassung ist, daß in diesem Bereich — Ausbau und wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser — eine Bundeskompetenz nicht bestehen soll, kann damit nicht gesagt werden, daß sich der Betreffende um die optimale Versorgung unserer Bevölkerung in Gesundheitsfragen keine Sorgen mache. In gleicher Weise meine ich, Herr Kollege Ertl, daß jemand, der der Auffassung ist, daß Bildungsplanung und Hochschulwesen nicht in die Rahmenplanung des Bundes kommen sollen, kein Anhänger eines Postkutschenföderalismus sein muß. Es geht hier vielmehr lediglich um die Frage, wie man die allseits angestrebten Ziele am besten erreicht.
Als ich die Debatten eben verfolgte, hat sich mir manchmal der Eindruck aufgedrängt, daß da oder dort die Auffassung besteht, mit einer Verlagerung der Kompetenzen von den Ländern auf den Bund seien die Sachfragen schon praktisch erledigt. In Wirklichkeit würden Sie genau das Gegenteil erleben. Sie würden nämlich sehr schnell feststellen, daß die eigentlichen Schwierigkeiten in beiden Bereichen in den Sachfragen liegen. Mit anderen Worten: auch wenn der Bund z. B. die Vollmacht hätte, ein bundeseinheitliches Hochschulgesetz zu erlassen, wären die vielfältigen Fragen, die mit dieser Hochschulgesetzgebung zusammenhängen, eben nicht erledigt.
Genauso ist es auch in der Frage des Krankenhauswesens. Allein mit der Erteilung der Bundeskompetenz haben Sie den neuralgischen Punkt in dieser Frage, nämlich die Finanzierungsfrage, nicht erledigt. Ich glaube, daß die Finanzverfassungsreform und die Haushaltsrechtsreform insofern auf dem richtigen Wege sind, als sie versuchen, die Länder und die Gemeinden finanziell besser auszustatten. — Bitteschön!
11044 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch? — Bitte, Herr Abgeordneter Moersch!
Moersch Herr Kollege Dr. Althammer, ist denn nicht das Optimale in der Demokratie die klare Verantwortlichkeit? Aus der Verantwortlichkeit eines Parlaments ergibt sich dann natürlich auch die Finanzierungsverpflichtung, mindestens im Hochschulwesen. Oder stimmen Sie dem Gedanken nicht zu, daß klare Verantwortlichkeit besser sei als Mischfinanzierung?
Herr Kollege Moersch, ich glaube, Sie sehen das Problem hier etwas zu vereinfacht. Die Verantwortlichkeiten sollen sachgerecht verteilt werden. In Fragen der Kulturpolitik, für die Sie sich ja besonders interessieren, ist eine Zentralisierung der Verantwortlichkeit und der Aufgabenstellung unseres Erachtens nicht die sachgerechteste Lösung. Ich glaube, mein Kollege Niederalt hat vorhin zu diesem Komplex deutliche Ausführungen gemacht.
Ich darf Ihnen noch einen Hinweis geben. Sie wissen, daß die Schweiz seit vielen Jahrzehnten, ja seit Jahrhunderten, als das Land gilt, das in den Fragen des Erziehungswesens bahnbrechend gewesen ist. Wenn Sie sich heute die Situation in der Schweiz ansehen, finden Sie, daß die Stärke dieses kleinen Landes gerade darin liegt, daß eine Vielfalt und eine Konkurrenz der Modelle möglich ist, was erst zu dieser Optimierung geführt hat.
Herr Abgeordneter Dr. Althammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mühlhan? — Es kann 'nur einer eine Frage stellen. Das ist zur Zeit der Abgeordnete Dr. Mühlhan.
Herr Kollege Althammer, sind Sie nicht der Ansicht, daß der Bund, wenn die Bundeskompetenz für den Ausbau und Neubau der Hochschulen festgesetzt wird, damit auch die Finanzierungsverpflichtung übernimmt und sich dann der Finanzminister aus dieser Verpflichtung heraus Gedanken machen muß, wie er die zusätzliche Milliarde für den Hochschulneubau bereitstellen kann? Wissen Sie nicht, daß von Bundes wegen für den Hochschulneubau in den letzten fünf Jahren nur 83 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden sind, daß in diesem Haushalt wiederum nur 25 Millionen DM für den Hochschulneubau, für die Schaffung zusätzlicher Studienplätze, bereitgestellt sind, und wissen Sie nicht,
daß die Studentenzahl von 1955 bis jetzt von 125 000 auf 285 000 gestiegen ist, so daß eine zusätzliche Schaffung — —
Herr Abgeordneter Dr. Mühlhan, die Zwischenfragen müssen kurz und leichtverständlich sein. Ihre Frage ist so lang, daß sie nicht mehr leichtverständlich ist.
Herr Kollege Mühlhan, Sie hätten sich die Mühe sparen können, das so ausführlich vorzutragen; denn Sie dürfen voraussetzen, daß ich als Berichterstatter des Haushaltsausschusses zum Einzelplan 31 — Wissenschaft und Forschung -- über diese Probleme Bescheid weiß.
Ich darf zu Ihrer Information sagen, daß der Haushaltsausschufl diesen Einzelplan inzwischen beraten, die 25 Millionen DM für den Hochschulneubau auf 140 Millionen DM erhöht und die Ansätze für den Hochschulausbau und den Hochschulneubau gegenseitig deckungsfähig gemacht hat. Sie sehen, daß hier praktische Schritte unternommen worden sind, um diese Probleme zu lösen.
Herr Abgeordneter Dr. Althammer, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Rau?
Ja. Ich würde dann aber sagen: die letzte, weil das von der Redezeit abgeht.
Herr Dr. Althammer, darf ich Sie, nachdem Sie vorhin die schweizerische Verfassung erwähnt haben, fragen, ob Sie die schweizerische Verfassung überhaupt kennen. Darin steht nämlich, daß der Bund legitimiert ist, Gesetze auf dem Gebiet zu erlassen.
Kennen Sie die Verfassung?
Herr Kollege Rau, wir beide kennen uns so gut, daß Sie mir unterstellen dürfen, daß ich nicht von Dingen rede, die ich nicht kenne.
Ich hatte Gelegenheit, einen längeren Studienaufenthalt tin der Schweiz zu absolvieren, und habe dabei auch die Schweizer Verfassung als Gastgeschenk bekommen. Wir haben uns unter Leitung eines Schweizer Bildungsfachmannes speziell mit diesen Problemen befaßt. Ich war davon sehr beeindruckt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Kennen Sie die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich nicht?
Herr Kollege, ich habe eine ganze Reihe von Anlagen kennengelernt. Mein Hinweis galt vor allem dem Volksschulwesen
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11045
Dr. Althammer
und dem weiterführenden Schulwesen. Ich glaube aber, dieser allgemeine Hinweis dürfte genügen. Im übrigen kommt es nicht allein auf das Modell der Schweiz an, sondern wir sollten diesen Hinweis vielmehr so verstehen, daß auch für uns in der Bundesrepublik die Mannigfaltigkeit der Kultur erhalten werden soll.
Ich darf Ihnen vielleicht eine Gegenempfehlung geben. Lesen Sie doch einmal den Roman von Romain Rolland „Johann-Christoph"! Dann werden Sie feststellen, wie ein ausgezeichneter französischer Literat die Vielfalt des deutschen Bildungswesens gesehen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt aber von diesen Höhen der Kulturpolitik wieder zu den Niederungen der Verfassung zurückkehren und einen ganz konkreten technischen
— Zu den Niederungen der Einzelvorschriften, würde ich sagen. Ich bin Jurist, Herr Kollege, und darum erlauben Sie mir diese Formulierung.
Ich möchte ein sehr konkretes Bedenken vortragen. Durch die Zusammenfassung der verschiedenen Vorlagen, die Sie hier finden, ergibt sich folgende Situation. Nach der Vorlage der FDP und dem, was der Rechtsausschuß daraus gemacht hat, sollen Bildungsplanung und Hochschulwesen jetzt ganz allgemein der Rahmenkompetenz unterliegen. Wenn Sie dann umblättern, finden Sie aber auf der nächsten Seite in Art. 91 a Abs. 1 Nr. 1 als Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen". In Abs. 3 steht dann, daß für diesen Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen ein genaues Verfahren der Finanzierung und auch der Zusammenarbeit vorgesehen ist.
Es stellt sich jetzt ganz einfach die Frage, ob sich durch diese Zusammenfassung — allgemeines Hochschulwesen unterliegt der Rahmenkompetenz, Hochschulausbau und -neubau ist Gemeinschaftsaufgabe — nicht eine ganz merkwürdige Zersplitterung der Gesetzgebungsmaßnahmen ergibt. Darum mein Bedenken, in einer Sache, die in der Finanzreform in sich klar durchdacht und geschlossen war, nun etwas völlig anderes mit unterzubringen.
Ich habe ja die Ehre gehabt, bei der ersten Beratung des Antrags der FDP auf Verfassungsänderung unsere Stellungnahme vorzutragen. Ich habe damals in Übereinstimmung mit großen Teilen der CDU und auch mit dem Bundesforschungsminister erklärt, daß wir das Institut der sogenannten Gemeinschaftsaufgaben, das in Art. 91 a festgelegt ist und zu dem nun einzelne Ausführungsgesetze ergehen müssen, zunächst einmal erproben wollen. Ich glaube, man sollte dieses Institut auch nicht von vornherein ablehnen und abwerten. Wir sollten wirklich versuchen, dieses Instrument, das auf Grund dies bekannten Gutachtens der FinanzreformKommission eingeführt wird, auszuprobieren.
Herr Kollege Dichgans, Sie haben vorhin erklärt, Sie möchten dem Bund zwar die konkurrierende
Gesetzgebung' geben, aber Sie möchten, daß der Bund diese Gesetzgebung zunächst einmal nicht ausübt, sozusagen um den Ländern in diesen Dingen .ein bißchen Beine zu machen. Dazu kann ich nur sagen: Nach den Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben, vermag ich nicht die Hoffnung zu teilen, daß der Bund, wenn ,er in der Verfassung eine Kompetenz bekommt, diese nicht in Anspruch nimmt.
— Inzwischen hat sich hier ja auch einiges geändert.
Ich möchte zu meinem Antrag auf Streichung dieser zwei Nummern noch eine Schlußbemerkung machen, und ich glaube, daß sie in diesem Hohen Hause so ernst genommen werden sollte, wie sie gemeint ist. Die Herren von der FDP haben wiederholt erklärt — vor allem der Kollege Genscher —, daß man sich dagegen verwahre, so hingestellt zu werden, als ob man für den Zentralstaat sei. Man wolle, so wird von der FDP gesagt, einen modernen Föderalismus haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es läßt sich aber nicht leugnen, daß die Fortentwicklung des Föderalismus in der Praxis in all den Jahren immer nur eine Einbahnstraße war, nämlich eine Einbahnstraße zum Bunde hin.
In keinem Fall gab es, auch nicht unter Sachgesichtspunkten, eine Verlagerung vom Bund weg in die Länder und in die Kommunen hinein.
Herr Kollege Genscher, Sie weisen darauf hin, daß doch eigentlich der Bundesrat das föderative Organ der Länder sei und infolgedessen die sogenannte dritte Ebene mit den verschiedenen Erscheinungsformen in unserem Staat keine Berechtigung habe. Ich möchte dazu sagen, daß doch gerade auch die juristische Konstruktion des Bundesrates Fingerzeige dafür gibt, wie der Verfassungsgesetzgeber unser föderatives System versteht.
— Lassen Sie mich den Gedanken bitte zu Ende führen. — Beim Bundesrat handelt es sich ja nicht um eine frei gewählte zweite Kammer, wie wir sie in anderen Ländern finden; hier handelt es sich vielmehr um eine Vertretung der Bundesländer mit einheitlich abzugebenden Stimmen. Daraus ergibt sich meines Erachtens völlig eindeutig und klar, daß die Länder diese Aufgaben des Föderalismus eben als Länder wahrzunehmen haben und daß man nicht sagen kann: im Bundesrat allein.
— Man kann meines Erachtens nicht sagen, Herr Kollege Schmidt , daß sich diese Funktion der Länder im Bundesrat allein erschöpfe.
Ich möchte jetzt auf einen Gedanken zurückkommen, den der Kollege Niederalt vorhin schon ange-
11046 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Dr. Althammer
sprochen hat. Unsere Verfassung hat eine gewisse Rangordnung. Zu den Verfassungsfundamentalnormen gehört der Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes, der das föderative Prinzip unserer Verfassung für unabänderlich, für auch durch den Verfassungsgesetzgeber nicht abänderbar erklärt. Ich bin nun in der Tat der Auffassung, daß es sicherlich eine Umgehung dieses Verfassungsgedankens wäre, wenn man durch andere Verfassungsänderungen die Eigenstaatlichkeit der Länder in ihrer Zuständigkeit so aushöhlte, daß ihnen außerhalb der Tätigkeit des Bundesrates praktisch nichts mehr übrigbliebe. Ich meine, der Punkt läßt sich allmählich absehen, wo durch eine fortschreitende Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit der Länder die Kompetenzen der Länder so weit eingeengt werden, daß dann die Frage entsteht, ob das Verfassungsprinzip mit der Ländereinteilung und der staatsrechtlichen Verankerung der Länderparlamente und alles das wirklich noch erhalten werden kann.
Lassen Sie mich einen letzten Gedanken anknüpfen. Ich möchte nicht haben, daß dieses Anliegen einer vernünftigen föderativen Struktur nur als ein Anliegen der CSU gesehen wird; ich möchte meinen, es sollte von allen Seiten dieses Hohen Hauses überlegt werden, ob es nicht sehr dringlich zu empfehlen ist, das föderative Prinzip wirksam auch in die Zukunft hinein auszubauen. Man spricht heute gerade in unserer jungen Generation so viel davon, daß die politische Gewalt durchschaubar sein müsse, man spricht von der Teilhabe des einzelnen an den politischen Funktionen. Ich bin der Auffassung, daß gerade das föderative Prinzip mit den Funktionen, die den Ländern zukommen, ein ausgezeichnetes Instrument dieser Form der Gewaltenteilung ist mit dieser erhöhten Durchschaubarkeit der politischen Strukturen und der verstärkten Teilhabe des einzelnen an den parlamentarischen Entscheidungen.
Wenn wir uns hier im Prinzip einig sind, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann würde ich Sie recht herzlich bitten, in der Verfassung solche Prinzipien niederzulegen, die wenigstens ein vernünftiges Zusammenwirken von Bund und Ländern ermöglichen. Wir haben schon eine Reihe von solchen Einrichtungen geschaffen. Wir haben den Wissenschaftsrat, wir haben den Bildungsrat, alles Institutionen, in denen Bund und Länder mit den Sachverständigen auf diesem Gebiet einverständlich zusammenwirken, wo Voten erarbeitet werden, die dann in Bund und Ländern verwirklicht werden sollen. Wir gehen jetzt einen Schritt weiter, indem wir die Gemeinschaftsaufgaben schaffen.
Ich darf dem Herrn Kollegen Mühlhan noch einen Hinweis geben. Wir haben ja außer dem Bereich des Hochschulaus- unid Neubaues mit dieser 50-%-Einteilung noch den großen Bereich der sogenannten Großforschung, wo der Bund wesentlich höher, bis zu 90 und 100 %, beteiligt werden soll. Insofern ist also die Abteilung, daß der Bund hier keine Zuständigkeiten habe, sicherlich nicht richtig.
Ich meine, man wird den Ländern auch eines zugeben müssen. Wenn man wirklich einen Ausbau der Aufgaben will, dann müßte es doch erstes Ziel sein, die Länder und die Gemeinden finanziell so auszustatten, daß sie die Aufgaben, die sie selber entweder in vollem Umfange oder im Zusammenwirken mit der höheren Instanz wahrnehmen können, finanziell auch durchführen können. Ich bin nicht der Auffassung, daß man den Gemeinden und den Ländern zunächst die finanzielle Ausstattung beschneiden sollte, um dann mit der Begründung, die Länder seien ja finanziell zur Erfüllung dieser Aufgaben in der Lage, diese Aufgaben dem Bund zuzuführen.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte ich Sie, unseren Anträgen Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Kuchtner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Landesgruppe der CSU zur Frage des Änderungsantrages, der soeben von Herrn Kollegen Althammer begründet worden ist, und überhaupt zur Frage der Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes noch einmal das Wort ergreift, so ersehen Sie daraus, welche Bedeutung sie diesen Fragen beimißt.
Die ständige Ausweitung der Bundeskompetenzen und die damit notwendig verbundene Einschränkung der Landesaufgaben mindert — das muß einmal festgestellt werden — das Staats- und Heimatgefühl der Bürger. Leserbriefe der 'Bevölkerung an die Zeitungen und die Programme neu entstehender Parteien wie etwa der Staatspartei in Bayern beweisen das. Und während die Gesetzgebungsarbeit des Bundes immer mehr zunimmt, sehen die Länderparlamente einem Aushungerungsprozeß entgegen.
Hier nun besonders die Gesetzgebungskompetenzen anzusprechen, die der Bund aus Anlaß der Finanzreform an sich ziehen möchte, ist meine Aufgabe. Es kann doch wirklich keine Notwendigkeit dafür gesehen werden, diese Probleme innerhalb der Finanzreform zu regeln. Meines Erachtens ist das geradezu eine Erschwerung und Verzögerung. Zum anderen — und das haben die CSU-Mitglieder der einschlägigen Ausschüsse wiederholt dargelegt — geht es nicht an, derartig weittragende Verschiebungen und Veränderungen in der Gewichtsverteilung zwischen Bund und Ländern nur deshalb in dieser hektischen Eile verabschieden zu wollen, weil sie nun in die Finanzreform mit hineingezogen worden sind.
Endlich steht der Erweiterung der Bundeskompetenz auch die Sache entgegen.
Was zunächst die Inanspruchnahme der Bundeskompetenz für das Bildungswesen angeht, so würde gerade der Übergang dieser Kompetenz die Länder sozusagen ins Herz treffen, da doch die Kulturhoheit ein Merkstück der Eigenständigkeit der Länder ist. Zudem ist der Begriff der Bildungsplanung so unbestimmt und extensiv, daß er mindestens einer Einschränkung in .der Auslegung bedürfte.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11047
Frau Dr. Kuchtner
Was das Hochschulwesen angeht, so hat sich die Kultusministerkonferenz insbesondere mit den Beschlüssen vom April dieses Jahres weitgehend geeinigt. Eine Kompetenzverlagerung kann daher schon aus diesem Grunde nicht verantwortet werden. Im übrigen können nach meiner Meinung Bildungsfragen nicht durch Gesetzgebungskompetenzen, sondern nur durch Vereinbarungen geregelt werden.
Was die Frage des Gesundheitswesens, des Krankenhauswesens usw. angeht, so geht dieser Entwurf nun ja wieder in die Ausschüsse zurück, da er noch nicht eingehend abgeklärt ist.
Was die Frage der Übertragung der Kompetenzen auf dem Gebiet des Wasserhaushalts, der Luftreinhaltung und der Lärmbekämpfung auf den Bund angeht, so sind diese Dinge meines Erachtens nicht deshalb nicht vorangekommen, weil wir hier keine Gesetzgebungskompetenzen haben, sondern weil die technischen Entwicklungen und die finanziellen Möglichkeiten nicht in dem Maße gegeben sind, wie es wünschenswert wäre. Wenn wir hier mit tragbaren Mitteln zu brauchbaren Ergebnissen kommen wollen, so ist es nötig, Forschungsaufträge zu geben und die Forschung zu intensivieren, nicht aber, neue Gesetzgebungskompetenzen zu begründen.
Darauf verweist im übrigen auch mit Nachdruck das Deutsche Industrieinstitut, das z. B. in einer Veröffentlichung vom 10. November 1967 darlegt, die Reinigung der Abwässer sei nicht allein eine Sache des guten Willens, sondern ein Problem der Technik und der finanziellen Kosten. Das gleiche sagen zur Frage der Kohlen- und Ölfeuerung das Bergwerk Peissenberg und die Staatlichen Salinenwerke.
Die Fragen des Wasserhaushalts sind im einzelnen in den Gesetzen des Bundes und der Länder geregelt. Ich glaube, hier eine weitere Bundeskompetenz zu schaffen, würde nur eine schädliche Nivellierung bewirken und zu keinem Erfolge führen.
Auch auf den Gebieten der Lärmbekämpfung und der Luftreinhaltung gibt es doch zahlreiche Gesetze der Länder. Z. B. hat Nordrhein-Westfalen vor kurzem ein Immissionsrecht veröffentlicht. Wenn wir hier den Ländern den Weg abschnitten, so wäre das ein Rückschritt.
Frau Abgeordnete Dr. Kuchtner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt ?
Frau Dr. Kuchtner, muß ich aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie nicht auf dem Boden des CSU-Antrages stehen, nach dem die Nr. 19 b jetzt zu 19 a gemacht und die Zuständigkeit für Wasserhaushalt, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung ausdrücklich dem Bunde zugestanden werden soll?
Nein! Auch diese Kompetenzen möchten wir gestrichen haben.
Wir haben das in einer der letzten Sitzungen der Landesgruppe beschlossen.
Namens der Landesgruppe der CSU bitte ich daher, die für Art. 74 vorgesehenen Nrn. 13, 19 a und 19b abzulehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Heuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte diesen Antrag der CSU ablehnen. Wir sind der Meinung, daß die Gesetzgebungskompetenz für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze sowie für die Reinhaltung von Luft und Wasser und die Lärmbekämpfung durchaus beim Bund liegen sollte.
Lassen Sie mich aber ein Weiteres sagen, da hier offensichtlich Änderungsanträge und Vorlagen, die schon aus den Ausschüssen zurückkommen, durcheinandergehen. So hat z. B. Herr Dr. Althammer hier Art. 74 und 75 gemeinsam behandelt. Wir sind der Meinung, daß unter die Formel, die wir für den Art. 74 Nr. 19 gefunden haben, nämlich „Schutz und Förderung der Gesundheit", diese beiden Punkte, d. h. die Kompetenz für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze sowie die Kompetenz für den Wasserhaushalt; die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung, zu subsumieren wären. Sie haben mich vorhin gefragt, was ich denn darunter verstünde. Dies verstehe ich in der Tat unter Schutz und Förderung der Gesundheit. Und da wir mit Mehrheit der Meinung sind, daß diese Dinge dazu gehören, stellt meine Fraktion den Antrag, die Nrn. 19 a und b ebenfalls an den Gesundheitsausschuß zurückzuüberweisen. Ich bin sicher, wir können uns dann dort darauf einigen, daß diese beiden Punkte unter die neue Formel zu subsumieren sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Althammer hat hier Ausführungen gemacht zu grundsätzlichen Fragen des Föderalismus, insbesondere der Mitwirkung der Länder, die eine Erwiderung herausfordern.
Vorweg indessen möchte ich ein Wort zu einer Zwischenfrage sagen, die wir hier von Herrn Dr. von Merkatz hören konnten. Er hat gemeint, daß der Begriff des „Postkutschenföderalismus" deshalb ein dummer Begriff sei, weil wir, als es die Postkutsche gab, noch keinen Bundesstaat hatten. Ich glaube aber, daß dieser Begriff zutreffend wiedergibt, Herr Kollege von Merkatz, daß es in der Bundesrepublik Deutschland heute noch Leute gibt, die mit der Denkweise des Postkutschenzeitalters die Bildungsprobleme der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lösen wollen.
11048 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Genscher
Das und nichts anderes sollte hier zum Ausdruck gebracht werden.
Herr Abgeordneter Genscher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. von Merkatz?
Herr Kollege Genscher, wir wollen uns hier nicht in Allgemeinplätzen bewegen: Ist Ihnen bewußt, daß wir in dieser Zeit der Postkutsche eine geistige Blüte in Deutschland gehabt haben, wie wir sie nicht wieder erlebt haben, und daß die Grundlagen der Zukunft Deutschlands damals gelegt wurden?
Herr Kollege — —
— Ach, da kommt noch ein Fragesteller dazu. Ich werde ich beide Fragen gemeinsam beantworten.
Herr Abgeordneter Gleissner zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Genscher, glauben Sie, daß das Denken im Postkutschenzeitalter manchmal organischer, harmonischer und bekömmlicher war als das Denken derer, die glauben, ihre politischen Probleme jetzt im Rakententempo lösen zu müssen?
Meine verehrten Damen und Herren, ich bin nicht dazu da, die Fragen der Kollegen aus der Fraktion der CDU/CSU zu bewerten, aber die von Herrn von Merkatz schien mir die bessere zu sein.
Herr Kollege von Merkatz, es kann nur darum gehen, ob Sie mit einer solchen Denkweise über die Grenzen in unserem Lande -- in der Bildungspolitik haben wir leider Grenzen, Landesgrenzen aus der Zeit der Postkutsche, die heute nicht mehr angemessen sind —, noch zeitgemäß sind. Wir müssen die Frage der Bildungspolitik und der Schulpolitik gesamtstaatlich lösen, weil eben die landsmannschaftliche Komponente heute gegenüber dem Bedürfnis zurücktreten muß, die jungen Menschen in unserem Lande auf Aufgaben vorzubereiten, die sie nicht mehr in den engen Grenzen ihres Bundeslandes, noch dazu vielleicht eines zufällig entstandenen Landes, sondern im gesamtstaatlichen Rahmen zu erfüllen haben, darüber hinaus vielleicht sogar in europäischem Rahmen. Nichts anderes als das soll hier gesagt werden.
Meine Damen und Herren, das ist eine sachliche Überzeugung: Herr Kollege Lohmar geht fehl in der Annahme, daß man hier einer Publikumsstimmung nachgibt. Aber daß es eine Publikumsstimmung für diese von uns vertretene Meinung gibt, nämlich daß es an der Zeit ist, die Grenzen in unserem Schulsystem zu überwinden, meine Damen und Herren, sollte für Sie vielleicht auch ein Argument sein. Sie sollten auch hier etwas mehr auf das hören, was mündige Staatsbürger aus eigener Erfahrung, aus bitterer Erfahrung mit dem Ausbildungsgang ihrer Kinder denken.
Herr Dr. Martin hat gemeint — damit komme ich auch zu den Ausführungen von Herrn Dr. Althammer —, daß die Ministerpräsidentenkonferenz ein Bundesorgan sei. Er hat es sogar noch einmal auf eine Rückfrage meines Kollegen Dr. Dahlgrün bestätigt. Herr Dr. Althammer meinte, die Länder könnten im Bundesmaßstab auch außerhalb des Bundesrates durch ihre vielfältigen Konferenzen wie Ministerpräsidentenkonferenz und Kultusministerkonferenz mitwirken. Das eben ist ein Mißverständnis. Wenn die Länder, meine Damen und Herren, gesamtstaatlich mitwirken, dann nur in den Bundesorganen, d. h. hier im Bundesrat und nicht in Konferenzen, nicht in Gremien, die außerhalb des Staatsaufbaus, außerhalb des Grundgesetzes liegen.
Das ist die Betrachtungsweise, zu der wir zurückkehren müssen, wenn wir die Reibungsverluste überwinden wollen, die uns das Einstimmigkeitsprinzip all dieser Konferenzen aufzwingt.
Frau Dr. Kuchtner hat hier mit Recht davon gesprochen, daß die Kompetenz der Länderparlamente ausgehöhlt wird. Aber, Frau Kollegin, beileibe nicht etwa dadurch, daß Zuständigkeiten zum Bund kommen, sondern — ich wiederhole es — sie werden ausgehöhlt durch die Tatsache, daß die Fragen der Landeskompetenz in der Kultusministerkonferenz, in der Ministerpräsidentenkonferenz entschieden werden, daß die Landesparlamente auf eine Ratifizierungskompetenz zurückgedrängt werden, daß sie ihre eigentlichen parlamentarischen Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Hier liegt eine Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle auf Landesebene.
Herr Abgeordneter Genscher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?
Bitteschön!
Herr Kollege Genscher, können wir uns in dieser staatsrechtlichen Frage, wo uns beiden die Problematik der sogenannten dritten Ebene ja bekannt ist, vielleicht wenigstens dahin verständigen, daß es den Ländern in ihren verschiedenen Einrichtungen nicht verwehrt sein kann, sich gegenseitig abzusprechen? Und sind wir auch darin einig, daß wir wissen, daß die Kompetenz für die Beschlußfassung selbstverständlich bei den einzelnen Länderparlamenten liegt und daß in der Praxis trotz solcher Absprachen und Vereinbarungen im Einzelfall auch unterschiedliche Gesetze erlassen worden sind?
In der überwiegenden Zahl der Fälle ist tatsächlich die Kompetenz der Land-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11049
Genscher
tage eine Ratifizierungskompetenz geworden, und zwar, Herr Kollege, einfach deshalb, weil argumentiert wird: Wenn wir jetzt hier noch etwas an. der einstimmig zustande gekommenen Vereinbarung ändern, dann bricht die ganze Lösung zusammen. Das ist so ähnlich wie unlängst, als wir hier am Ende einer Währungskonferenz etwas zu entscheiden hatten.
Wir sind für die Gliederung unseres Staates in Bund und Länder, nicht nur wegen der Ewigkeitsgarantie des bundesstaatlichen Aufbaus, die Sie, Herr Althammer, hier zitiert haben. sondern weil wir — ich wiederhole es — im Föderalismus ein zusätzliches gewaltenteilendes Prinzip mit einer Sicherung der Freiheitsrechte des Bürgers sehen.
Das hat aber nichts mit der Kompetenzverteilung zu tun. Es stimmt nicht, daß der förderalistische Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland abhängig sei von einer bestimmten Zuständigkeitsverteilung. Das ist dem Wandel der Zeiten, dem Wandel der Aufgabenstellung in einer sich verändernden Welt unterworfen und nicht mit einbezogen in die Ewigkeitsgarantie.
Täuschen wir uns nicht: Die Länder haben das Recht der Selbstkoordinierung, aber diese Selbstkoordinierung findet dort ihre Grenzen, wo die gesamtstaatlichen Belange berührt, aber nicht gelöst werden. Die Länder hatten Zeit, die Probleme unseres Schul- und Bildungswesens zu lösen; sie haben sie nicht gelöst. Auch hier sind 20 Jahre genug.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen jetzt bei der Abstimmung vor einer gewissen Schwierigkeit. Aus dem Antrag 'der Kollegen aus der CSU geht nicht hervor, daß sie .die Nr. 19 a der Ausschußfassung gestrichen zu sehen wünschen. Es ist kein Streichungsantrag gestellt.
Würden wir Ihre Ziffer 1 aber annehmen und unter 19a schreiben: „den Wasserhaushalt, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung;", käme das einer Streichung gleich.
Ich glaube, .daß wir so nicht verfahren sollten, Herr Präsident. Ich würde, da ein Streichungsantrag auf dem uns vorliegenden Umdruck 555 nicht gestellt ist, vorschlagen, daß wir zunächst über Nr. 19.a in der Ausschußfassung abstimmen. Wir können rebus sic stantibus nach meiner Meinung auch gar nicht anders verfahren.
Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle eben fest, daß das offenbar .ein Versehen beim Ausdruck war. Im Originaltext, den ich hier habe, heißt es unter Ziffer 1 am Ende nach c) : „Die bisherige Nr. 19 a wird gestrichen.".
Das ist nicht ausgedruckt; das ist also ein reines Druckversehen.
Jetzt wird es für meine Begriffe ganz unklar. — Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Herr Kollege Althammer! Es kann dem Haus mit Sicherheit nicht zur Last gelegt werden, daß wir keinen Streichungsantrag vorliegen haben. Ich wiederhole: Da er nicht vorliegt, können wir nun — ich sage das ganz ohne jede Spitze und ohne jede taktische Absicht — rebus sic stantibus nicht anders abstimmen als über Nr. 19 a der Vorlage des Ausschusses.
Man könnte es auch genau umgekehrt sehen. Das „Die bisherige Nr. 19 a wird gestrichen." ist meines Erachtens zu Recht von der Drucksachenstelle weggelassen worden, weil es sich um eine Neufassung der Nr. 19 a handelt. Die Frage ist: Ist es eine Neufassung, die eine Verkürzung darstellt, oder ist es eine Streichung? Was meint der Antragsteller dazu?
— Gut; wenn Sie einen Streichungsantrag gestellt haben, dann hat der Abgeordnete Rasner richtig interpretiert. Dann wir aber über Ihren Antrag gar nicht abgestimmt, sondern dann muß ich — was ich sonst bei den einzelnen Punkten nicht tue und was deshalb eigentlich nicht ganz in die Systematik paßt — über den Buchstaben c in der bisherigen Ausschußfassung abstimmen lassen.
— Bitte?
— Es ist nicht möglich, Sie zu verstehen. Sie müssen irgendein Mikrophon benutzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Frau Dr. Heuser hatte einen Rückverweisungsantrag gestellt.
Für was bitte?
Für die Nrn. 19 a und 19 b des Art. 74.
Also auch für die Ausschußfassung, nicht nur für den CSU-Antrag?
Für die Ausschußfassung.
Wenn ein Rückverweisungsantrag vorliegt, geht er allem anderen vor. — Wird dazu das Wort gewünscht? — Wer
11050 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Vizepräsident Dr. Jaeger
dem Rückverweisungsantrag für Buchstaben c — das betrifft die Nrn. 19 a und b und natürlich zusätzlich den entsprechenden Antrag des Abgeordneten Althammer — zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist unbestreitbar die Mehrheit. Der Rückverweisungsantrag ist abgelehnt.
Nach der Einigung, die zwischen Herrn Rasner und Herrn Althammer nunmehr erfolgt ist, lasse ich über den Buchstaben c in der Ausschußfassung abstimmen. — Wer dem zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Der Streichungsantrag des Abgeordneten Dr. Althammer ist damit erledigt.
Meine Damen und Herren, ich komme zu Buchstabe d und zu dem Antrag auf Umdruck 553 *), zu dem ich Herrn Abgeordneten Matthöfer das Wort erteile.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 12. Ausschuß möchte nach seinen uns vorliegenden Beschlüssen dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung in Art. 74 Nr. 22 des Grundgesetzes auch über die Erhebung und Verteilung von Gebühren für die Benutzung öffentlicher Straßen durch Fahrzeuge geben. Ich möchte den Antrag stellen, die Worte „durch Fahrzeuge" durch die Worte „mit Fahrzeugen" zu ersetzen.
Ich stelle diesen Antrag, weil das Grundgesetz das demokratische Zusammenleben von Menschen und nicht die Selbstbewegung von Objekten regelt. Straßen werden von Menschen benutzt, nicht von Fahrzeugen, die Objekte und nicht Subjekte sind. Da es aber schwer vorstellbar ist, wie Menschen durch Fahrzeuge hindurch Straßen benutzen könnten — ein Vorgang, der ja schwer zu visualisieren ist —, bitte ich Sie, meinem Antrag zuzustimmen.
Mein Kollege Porzner macht mich darauf aufmerksam, daß auch die Formulierung „von Landstraßen des Fernverkehrs" mißverständlich ist, obwohl es so im jetzigen Grundgesetz steht, denn der Fernverkehr hat ja wohl keine eigenen Straßen. Es müßte also auch hier heißen: „Landstraßen für den Fernverkehr". Die Tatsache, daß es im bestehenden Text des Grundgesetzes anders steht, sollte kein Hindernis sein, das so zu beschließen, da wir nun einmal das Grundgesetz ändern.
Dazu haben Sie keinen schriftlichen Antrag gestellt?
Herr Präsident! Der Antrag liegt schriftlich vor, aber er wurde nicht ausgelegt.
„Landstraßen des Fernverkehrs" heißt es in Ihrem eigenen Antrag!
*) Siehe Anlage 5
Herr Präsident, der Antrag wurde gestellt und liegt schriftlich bei Ihnen vor.
Wird jetzt das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Lenz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns schon im Rechtsausschuß darüber unterhalten. Ich glaube, wir können dem Antrag des Kollegen Matthöfer ohne alle Bedenken hier zustimmen.
Meine Damen und Herren, der schriftliche Antrag sagt „mit Fahrzeugen" statt „durch Fahrzeuge". Nun ist mir — jetzt in diesem Augenblick — noch vorgelegt worden, daß es statt „Landstraßen des Fernverkehrs" heißen soll: „Landstraßen für den Fernverkehr". — Kann ich über beides gemeinsam abstimmen lassen?
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Es ist so beschlossen. Die Philologie hat einen philosophischen Inhalt, wie Sie sehen.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren in der zweiten Beratung fort.
Wir können nun über die Nr. 1 im ganzen abstimmen. Dazu liegen Wortmeldungen nicht mehr vor. Wer der Nr. 1 auf Seite 4 der Vorlage zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Anzahl Gegenstimmen ist diese Nr. 1 angenommen.
Ich rufe die Nr. 2 auf. Hierzu liegt eine Reihe von Änderungsanträgen vor. Ich rufe zunächst den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 547 Ziffer 2 auf. Das Wort zur Begründung hat Herr Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren Kollegen! Ich glaube, ich brauche nicht noch viele Worte zur Begründung hinzuzufügen, da alles Wesentliche zu diesem Problem heute morgen von dem Kollegen Genscher bereits gesagt worden ist. Bei der Aufnahmefähigkeit des Hauses hieße es, Eulen nach Athen tragen, wenn ich dem noch Neues hinzusetzte. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Wird zu dem Änderungsantrag Umdruck 547 Ziffer 2 noch das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11051
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Dann stimmen wir ab. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 547 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 555 Ziffer 2 auf. Soll der Antrag begründet werden? Wird dazu das Wort gewünscht? — Wer diesem Antrag Umdruck 555 (neu) Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist mit einer beträchtlichen Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Nr. 2 Buchstabe b. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu den Materien, die heute morgen hier behandelt worden sind und zu denen der mitberatende Ausschuß ein positives Votum abgegeben hat, haben wir uns im Innenausschuß zu der Frage der Rahmenkompetenz des Bundes auf dem Gebiet des Besoldungsrechts nicht zu einem positiven Votum durchringen können. Ich weiß aber, daß die Bundesländer für die weiteren Verhandlungen unverzichtbar Wert darauf legen, daß diese Frage im Rahmen der Neuordnung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern gelöst wird. Die Kollegen des Rechtsausschusses haben es deshalb für richtig gehalten, sie bei dieser Gelegenheit mit zu behandeln.
In den vergangenen Jahren hat die SPD-Fraktion immer wieder erklärt, daß sie erstens die Einheit in der Besoldung von Bund, Ländern und Gemeinden wiederherstellen will und daß sie zweitens bereit ist, auch die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, um die Besoldungseinheit für die Zukunft zu sichern. Ich darf auf die zahlreichen Debatten in diesem Hause Bezug nehmen und insbesondere auf die Ausführungen des Kollegen Spillecke bei der Verabschiedung des vierten Besoldungsänderungsgesetzes am 21. Juni 1968, auf die Ausführungen meines Kollegen Kurt Gscheidle und nicht zuletzt auf meinen Diskussionsbeitrag in der 128. Sitzung dieses Hohen Hauses am 25. 10. 1967 verweisen.
Zunächst einmal kommt es auf die Harmonisierung an. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder mit Erfolg eine Zurückstellung der VerhandLungen um die Grundgesetzänderungen erreicht. Ziel des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfs ist es — das erwartet auch die Öffentlichkeit von den gesetzgebenden Körperschaften —, Klarheit in die Frage zu bringen, in welchen Bereichen sich eine Neuverteilung der Zuständigkeiten im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ergeben soll. Die laufende Flickschusterei, die der Herr Kollege Dichgans in einer der letzten Sitzungen anläßlich der Verabschiedung der Verfassungsbeschwerde beklagt hat, soll aufhören. Im Grunde handelt es sich ja um eine Revision in weiten Bereichen, die durch die gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Lande verursacht ist. Die Länder legen Wert darauf, daß das, was vom Land Nordrhein-Westfalen in einem Urteil, das einen Einbruch in die Einheitlichkeit der Besoldungsgesetzgebung herbeigeführt hat, erstritten worden ist, geändert wird. Wir gehen davon aus — ich nehme an, daß ich da in Übereinstimmung mit der grundsätzlichen Haltung unseres Koalitionspartners und auch der Kollegen von der Opposition spreche —, daß das nicht bedeuten darf, daß wir unser grundsätzliches Anliegen aufgeben, mit dem zweiten Neuordnungsgesetz eine wirkliche Harmonisierung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden herbeizuführen. Wir hoffen, daß wir die Frage der Polizeibeamten lösen können. Es sind Lösungen möglich.
Im Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz gibt es ein weiteres Problem: die Lehrerbesoldung. Wir meinen, daß es im Hinblick auf die besondere Situation nicht heißen sollte, daß mit dem Inkrafttreten des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes bereits eine solche Bindung der alten Ordnung kommt; wir brauchen eine Zeitspanne, um die Bindungsvoraussetzungen für die Lehrerbesoldung, insbesondere im Hinblick auf kommende pädagogische Entwicklungen offenzuhalten. Es muß gelingen, die innerhalb der kulturpolitischen Entwicklung in den letzten Jahren auseinandergegangene Lehreraus- und -vorbildung nicht statisch, sondern im Sinne der neuen Entwicklungen im Schulwesen zu regeln. In diesem Sinne, glaube ich, darf der Innenausschuß jetzt das Ziel einer wirklichen Neuordnung, unter besonderer Berücksichtigung einzelner Gruppen, nicht aus den Augen verlieren. Die jetzige Grundgesetzänderung wird nicht verhindern, daß wir dieses Ziel bei einer konsequenten Verabschiedung in dem hier vorgetragenen Sinne des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes erreichen können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So wie die Dinge liegen, wird der Deutsche Bundestag heute mit ausreichender Mehrheit der Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes zustimmen und damit eine Rahmengesetzgebungskompetenz schaffen, die unter anderen auch den Bereich „Aufbau und Bemessung der Besoldung" umfaßt. Diese Änderung soll nach unserer Meinung ausschließlich dem Ziele dienen, einheitliche und gerechte Entscheidungen in den Bereichen des Beamten- und Besoldungsrechts in Bund, Ländern und Kommunen herbeizuführen. Diese Änderung darf nach unserer Auffassung weder einer modernen Fortentwicklung des öffentlichen Dienstrechts entgegenstehen noch zu einer Bremse für die notwendige und gerechte Beteiligung des öffentlichen Dienstes an der allgemeinen Einkommensentwicklung werden. Ich appelliere deshalb an Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, sich der zusätzlichen Verantwortung bewußt zu sein, die Sie heute mit dieser schwerwiegenden Entscheidung übernehmen.
11052 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Wagner
Ich hielt es für notwendig, diese Bemerkung jetzt zu machen, weil der Bundestag leider von seiner bisher erklärten Absicht abweicht, die Änderung des Art. 75 erst dann herbeizuführen, wenn die Reform des Besoldungsrechtes in ihrem gesamten Umfang feststeht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich für meine Person bin recht verwundert und überrascht darüber, daß diese Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes heute beschlossen werden soll. Das steht in offenem Gegensatz zu den Erklärungen, die jedenfalls von meiner Fraktion und von der SPD zu Beginn dieses Bundestages abgegeben worden waren, daß man diese Zementierung, die die Änderung des Art. 75 ja bedeutet, erst vornehmen könne, wenn die Harmonisierung des Besoldungsrechts der Bundesbeamten mit dem der Länderbeamten durch die geplanten mehreren Stufen durchgeführt ist. Wir sind jetzt hinsichtlich dieser Harmonisierung mitten in der zweiten Stufe, oder genauer gesagt, die zweite Stufe in Form des zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes steht unmittelbar bevor. Sie haben soeben schon aus dem Munde des Vorsitzenden des Innenausschusses gehört, daß auch der Innenausschuß über diese zeitliche Vorziehung überrascht war. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen mußte daher, was mir auffiel, sehr viel von Hoffnungen sprechen, daß dieses und jenes trotz der heute vorzunehmenden Grundgesetzänderung dann doch noch zu einem guten Ende kommen werde. Ich darf aber feststellen: zu einer wirklichen Harmonisierung — die wir alle wollen und die wir im großen und ganzen wohl auch noch in diesem Bundestag erreichen werden — sind wir jedenfalls bis heute nicht gekommen. Daher muß ich erklären, daß ich heute aus den erwähnten Gründen der Grundgesetzänderung nicht zustimmen kann.
Ich sehe darin — lassen Sie mich das noch anschließen — auch eine Zumutung für die Länder: Sie sollen nämlich zu diesem Zeitpunkt, in dem sie noch gar nicht wissen, was von dem Regierungsentwurf des zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes eines Tages tatsächlich Gesetz wird, gewissermaßen die Katze im Sack kaufen. Das ist gewiß eine starke Zumutung, da die Grundgesetzänderung den Ländern ja bekanntlich entscheidende Rechte ihrer eigenen Besoldungskompetenz nimmt.
Keine weiteren Wortmeldungen. Abstimmung über die Nr. 2 — das ist die ganze rechte Spalte auf Seite 5 — der Vorlage. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Anzahl Gegenstimmen ist Nr. 2 mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe Nr. 3 auf; das ist Seite 6. Hierzu liegt ein Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr.
Rau auf Umdruck 554 *) vor. Ich frage den Antragsteller, ob er das Wort zur Begründung wünscht. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Rau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl es mir nicht gelungen ist, in der Arbeitsgruppe Haushalt, im Arbeitskreis Rechtswesen und Arbeitskreis Innenpolitik und im Plenum der SPD-Fraktion meine Parteifreunde von der Richtigkeit meines Antrags zu überzeugen, habe ich ihn dennoch sozusagen im Alleingang eingebracht. Mir geht es dabei um folgendes.
Ich bin es einfach leid, daß aus allen Richtungen ständig betont wird, unsere Hochschulen seien reformbedürftig, aber jeder betont immer nur, daß der andere etwas tun soll, und meint, er selber könne sich drum drücken. Ich habe eingehend deutlich zu machen versucht, daß die Bestimmung des Art. 91 a, wie er in der Rechtsausschußfassung vorliegt und wie er auch den Vorschlägen der Bundesregierung entspricht, in punkto Hochschulreform durchaus relevant ist.
Da ist zunächst einmal schon eine Sache, die ich erwähnen will: da steht wieder das mysteriöse Wort, das früher einmal durchaus seinen Sinn gehabt hat, aber eben nicht mehr hat, „wissenschaftliche Hochschulen". Wer von Ihnen will unterscheiden, was in diesem Sinne wissenschaftliche oder nichtwissenschaftliche Hochschulen sind?
Dieses Gesetz ist so überhaupt gar nicht anwendbar. Oder sind die Pädagogischen Hochschulen, die nach niedersächsischem Landesrecht „im beamtenrechtlichen Sinne" wissenschaftliche Hochschulen sind, dies dann hier auch? In Hamburg ist kein Zweifel daran; da ist die Lehrerbildung in die Universität integriert. Da würde also die Lehrerbildung vom Bund mitfinanziert, ebenso in Hessen, aber in anderen Ländern wie Baden-Wüttemberg eben nicht. Darin liegt nach meiner Auffassung eine Ungleichheit, die durch nichts gerechtfertigt ist; man darf auch nicht darauf warten, daß alle Länder nun gleichziehen. Man kann nicht ein ungerechtes Gesetz — auch nur für kurze Zeit — beschließen, wenn der gegenwärtige Sachstand es nicht erlaubt, dieses Gesetz sinnvoll anzuwenden.
Dann geht es noch um eine zweite Sache. Ich wundere mich sehr, daß der Bundesrat die Ausführungen, die die Bundesregierung bei ihrer Begründung gemacht hat, so einfach geschluckt hat. Da ist nämlich nicht mehr und nicht weniger gesagt, als daß die Länder, die bisher die Neugründungen gemeinsam finanziert haben, das Grundgesetz verletzt haben. Haben sie denn das wirklich? Wenn ein Zweifel daran besteht, dann, finde ich, ist es jetzt die höchste Zeit, diesen Zweifel auszuräumen. Das ist der Grund für die Formulierung, die ich in dem Antrag auf Umdruck 554 gewählt habe, in der ausdrücklich gesagt ist, daß unbeschadet der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 und 75 auch Ländervereinbarungen möglich sind, um diese Dinge zu fördern.
Ich bitte Sie also, sich das noch einmal genau anzusehen. Ich spreche jeden an, der bisher nicht
*) Siehe Anlage 6
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11053
Dr. Rau
dazu gekommen ist, sich diese Dinge wirklich einmal eingehend zu überlegen. Wenn man zu dem Ergebnis kommt, daß die Relevanz von Bundesgesetzen in Beziehung auf die Hochschulreform, wie ich sie dargestellt habe, gegeben ist, dann darf der Bundesgesetzgeber ein Gesetz, welches wie dieses hier blockierend auf die übereinstimmend erklärten Absichten zur Hochschulreform wirken würde, nicht verabschieden.
Ich wiederhole meinen Antrag, diese Bestimmung in Art. 91 a in der verhältnismäßig einfachen Form, wie ich es in dem Antrag auf Umdruck 554 formuliert habe, zu verabschieden. Der Art. 91 b kann dann überhaupt entfallen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lenz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns im Rechtsausschuß mit den Argumenten des Herrn Kollegen Rau eingehend auseinandergesetzt. Ich glaube, der Art. 91 a war derjenige, über den wir uns im Rechtsausschuß am längsten unterhalten haben. Die Fassung, die wir Ihnen vorgelegt haben, stellt nach unserer Meinung den richtigen Mittelweg zwischen den beiden möglichen Extremen dar, einerseits konkurrierende Gesetzgebung, andererseits reine Gemeinschaftsplanung ohne jede Gesetzgebungskompetenz, so wie es hier einmal vorgesehen war.
Wir sehen diesen Artikel im Zusammenhang mit dem beschlossenen Art. 75 — Rahmenkompetenz des Bundes auf dem Gebiet des Hochschulwesens — und glauben, daß insbesondere die Bedenken, die Sie, Herr Kollege Rau, gegen die Einfügung des Wortes „wissenschaftlich" vorgebracht haben, gegenstandslos gemacht werden können.
Ich bitte Sie deshalb, bei dem Antrag des Rechtsausschusses zu verbleiben und den Antrag des Herrn Kollegen Rau abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einwände des Kollegen Dr. Lenz gegen den Antrag des Kollegen Dr. Rau konnten mich nicht überzeugen. Ich bin der Ansicht, daß Herr Kollege Dr. Rau die rechtliche Problematik der jetzt im Ausschuß gefundenen Form genau getroffen hat und es daher notwendig ist, seinem Antrag zu folgen, wenngleich ich zugeben muß, daß es schwierig ist, hier über einen Antrag zu debattieren, der uns zur Beratung in der Fraktion und im Arbeitskreis noch nicht vorgelegen hat.
Schon auf den ersten Blick zeigt sich jedoch, daß eine Reihe von Bedenken, die gegen die jetzige Fassung der Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a bestehen, mit diesem Antrag hinfällig werden. Herr Dr. Rau hat das meiner Ansicht nach überzeugend begründet. Unabhängig davon bestehen von unserer Seite, von der FDP, aus Bedenken gegen dieses Institut überhaupt. Das haben wir schon vorgetragen. Wenn Sie aber schon mit den Gemeinschaftsaufgaben so verfahren, wie Sie es vorgesehen haben, und wenn Sie den Zusammenhang mit der Rahmenkompetenz herstellen wollen, müssen Sie dem Kollegen Dr. Rau hier folgen, weil Sie sonst neue Schwierigkeiten in unendlicher Zahl auftürmen. Ich weise nur auf die Begriffsbestimmung „Wissenschaftlichkeit", „NichtWissenschaftlichkeit" , hin.
Wenn Sie ein modernes Hochschulwesen in Deutschland schaffen wollen, dürfen Sie es nicht durch unbedachte Verfassungsergänzungen von vornherein einschränken und die Reform erschweren, wo sie eigentlich nicht erschwert werden sollte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Erschwernis in der Absicht der Ausschußmehrheit lag. Aber de facto erschweren Sie diese Reformbestrebungen, ebenso die gleichmäßige Verteilung der Bildungseinrichtungen. Sie sollten hier wirklich einem Sachkenner wie unserem Kollegen Dr. Rau folgen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 554 des Herrn Abgeordneten Dr. Rau. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist bei einer Reihe von Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 547 Ziff. 3 auf. Wird dieser Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Busse, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einige Ausführungen zu Art. 91 a machen und dann anschließend gleich noch einige Worte zu Art. 91 b sagen. Ich glaube, die Bedeutung des Art. 91 a ist bei den Beratungen in jeder Weise hervorgehoben worden. Es ist klargestellt worden, daß hier ein neuer Weg gegangen wird, um Probleme, die sich aus der Entwicklung der Verhältnisse ergeben haben, in den Griff zu bekommen.
Über das Grundsätzliche, was zu der vorgeschlagenen Lösung zu sagen ist, ist heute morgen bereits eingehend diskutiert worden. Ich weise auch darauf hin, daß bereits in der ersten Lesung von unserem Sprecher, Herrn Dr. Haas, vorgetragen worden ist, daß dieses Mischinstrument, das hier geschaffen werden soll, mit der Grundstruktur unserer Verfassung nicht in Einklang zu bringen ist, daß die Verantwortlichkeiten durch ein solches Mischinstrument gleichfalls verwischt und vermischt werden und daß wir diesem Antrag deshalb schon aus grundsätzlichen Erwägungen unsere Zustimmung nicht geben können.
Diesen allgemeinen Ausführungen, die ich hier nur andeutungsweise wiederholen möchte, sind aber
11054 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Busse
einige weitere Dinge hinzuzufügen, die hier angesprochen werden müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich überhaupt dazu durchringen will, ein Instrument zu schaffen, wie es uns aus dem Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Art. 91 a jedenfalls in den Grundzügen bekannt ist, sollte man freilich eine Lösung finden, die nicht nur den gegenwärtigen Zustand zu fixieren, sondern die Grundsätze und Regeln für all das zu schaffen versucht, was in der Zukunft unweigerlich auf uns zukommen wird, und zwar, wie ich fürchte, nicht in ferner, sondern in sehr naher Zukunft.
Heute morgen fiel bereits der Begriff „Mobilität", der nicht nur die Menschen als solche, sondern auch die laufende Veränderung unserer gesamten gesellschaftlichen und politischen Zustände betrifft. Ich glaube, es ist unter all denen, die sich mit dieser Frage befaßt haben, außer Streit, daß die Tendenz dieser Mobilität dahin geht, daß immer mehr Dinge einer gemeinschaftlichen und einer Gesamtregelung bedürfen. Ist dem aber so, dann ist eine Grundgesetzgebung, die nichts anderes bezweckt, als den bestehenden Zustand zu sanktionieren, nicht das, was wir hier anstreben sollten.
Im Rechtsausschuß ist bereits der Antrag gestellt worden, die enumerative Aufführung, die jetzt im Art. 91 a vorliegt, durch eine Generalklausel, die künftigen Regelungen Raum läßt, zu ersetzen. Dieser Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt worden. Das ist außerordentlich bedauerlich. Ich kann in diesem Zusammenhang nur unterstreichen, was heute morgen bereits der Kollege Dichgans in anderem Zusammenhang zu dem System, dem Ziel und dem Zweck einer Verfassungsänderung gesagt hat. Was hier geschieht, ist kein in die Zukunft weisender Weg, ist nichts als die Legalisierung dessen, was in Ermangelung von etwas Besserem bereits in der Vergangenheit geschehen ist.
Wenn man dann aber weiter hinsieht, so ist man eigentlich noch mehr erschrocken über das, was hier festgelegt ist. Selbst bei den drei Möglichkeiten, die hier geschaffen werden, ist man nicht etwa von der Grundvorstellung ausgegangen, daß man mit diesen drei Möglichkeiten nun künftig eine Lösung finden wird, wie sie die Zeit und die Umstände dann gebieten. Nein, man geht so weit, daß man sogar das Beteiligungsverhältnis von Bund und Ländern in der Verfassung fixiert und damit alle Variationsmöglichkeiten von vornherein unterbindet. Im Laufe der Beratungen des Rechtsausschusses fiel von sehr kompetenter Seite ein Wort, das ich nur unterstreichen kann: „Eine Verfassung, die zahlenmäßige Verhältnisse festlegt, ist schlecht."
Es stammt nicht von einem Mann aus unseren Reihen. Hier aber wird das zum Exempel erhoben. Denn dadurch, daß man die Worte „fünfzig Prozent" durch die Worte „die Hälfte" ersetzt, wird an dieser Sache doch nun wahrlich nichts geändert.
Das System als solches bleibt.
Aber auch damit nicht genug. Wenn wenigstens die Probleme gelöst wären, die heute schon jedermann vor Augen stehen, so würde man immerhin noch einige Augen zudrücken können. Auch das möchte ich an einem Beispiel erläutern. Die Frage, wie weit der auf Grund des Gesetzes zu bildende Planungsausschuß, oder wie immer er demnächst heißen wird, in seinen Plänen und Vorhaben gehen kann, ist sehr umstritten. Das kam darin zum Ausdruck, daß lange darum gekämpft worden ist, ob Richtlinienkompetenzen gegeben werden sollen. Diesen Streit hat man in „vorbildlicher Weise", kann man nur ironisch sagen, dadurch ausgeklammert, daß man ihn nicht löste, sondern vor sich herschob. Denn wenn jetzt festgelegt wird, daß das Gesetz auch eine Richtlinienkompetenz für die Bundesregierung vorsehen kann, so ist damit doch eindeutig klar, daß beim nächsten Gesetz der Streit um diese Richtlinienkompetenz wieder aufbrechen wird. Dinge also, die heute schon problematisch sind und die gelöst werden können — so oder so meinetwegen —, löst man nicht, sondern schiebt man vor sich her, um sie demnächst bei jedem einzelnen Gesetz wieder hier im Hause austragen zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, all das sind Musterbeispiele dafür, wie man eine Verfassungsänderung nicht machen sollte.
Lassen Sie mich nun einen letzten Gedanken hinzufügen, der meines Erachtens neben dem zu Anfang Geäußerten gleichfalls von entscheidender Bedeutung für unsere und, wie ich hoffen möchte, auch für Ihre Einstellung zu der Sache sein wird: den Gedanken, 'daß diese Lösung der Gemeinschaftsaufgaben ein weiterer Schritt dahin ist, die Kompetenzen des Parlaments in nicht unerheblichem Umfange einzuschränken. Wenn das, was hier geplant ist, Wirklichkeit wird, so haben — ob wir vom Bundestag oder den Landesparlamenten reden —außerparlamentarische Kräfte und Institutionen das entscheidende Wort zu sagen. Gewiß, es steht in der Vorlage, daß die Haushaltsrechte der Parlamente nicht beeinflußt werden sollen. Aber, meine Damen und Herren, stellen Sie sich die faktische Situation vor! Wenn der Planungsausschuß, in dem die Länderregierungen und die Bundesregierung vertreten sind, und das beteiligte Land einen Plan gefaßt haben, — wie ist dann die Situation des Parlaments? Ist es überhaupt vorstellbar, daß gegenüber solchen Beschlüssen das Parlament noch einen entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung und Durchführung dieser Pläne gewinnen kann?
Ich sage das nicht so sehr, um hier das Parlament aufzuwerten, obwohl mir das in der heutigen Zeit schon in einem erheblichen Umfange notwendig erscheint und ich daher jeden Schritt zur Aushöhlung der Wirksamkeit des Parlaments für bedenklich halte.
Ich sage es vornehmlich auch deshalb, weil wir
diesem Hause für die Dinge, die hier zur Entscheidung stehen — und es handelt sich dabei um wich-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11055
Busse
tigste gesellschaftliche und staatspolitische Regelungen —, die Mitverantwortung tragen und aus dieser Mitverantwortung heraus auch ein hinreichendes Maß an Mitbestimmung bei diesen Vorschlägen und Plänen haben müssen.
All das führt uns zu dem Schluß, daß wir einer Regelung, wie sie hier vorgesehen ist, nicht zustimmen können. Es ist ein Flicken, der ,auf eine Lücke gesetzt wird, ein Flicken, der weder im Muster noch in der Größe noch in seiner Ausführung paßt, um das zu regeln, was hier ,gemacht wird, und wir möchten nicht, daß unser Grundgesetz langsam, aber sicher zu einem verunstalteten Flickenteppich abgewertet wird.
Nach diesen Ausführungen kann ich mich mit dem, was zu Art. 91 b zu sagen ist, verhältnismäßig kurz fassen. Wir haben Ihnen in unserem Ihnen vorliegenden Antrag eine andere Formulierung vorgeschlagen, die sich von der des Rechtsausschusses im wesentlichen dadurch unterscheidet, daß wir nicht die Regelung der in Art. 91 b vorgesehenen Aufgaben durch Vereinbarungen wollen, sondern daß wir hier gesetzliche Regelungen wünschen. Daß es möglich ist, auch diese Fragen durch Gesetz zu regeln, ist, glaube ich, kaum zu bestreiten. In anderem Zusammenhang, nämlich in Art. 104 Abs. 3, sieht ja die Regierung selbst vor, daß die dort vorgesehenen Funktionen durch Gesetz geregelt werden können. Darüber brauche ich also nichts Besonderes zu sagen. Und wenn mir entgegengehalten warden ist, diese gesetzliche Regelung sei zu schwerfällig, so haben, glaube ich, gerade die Erfahrungen der letzten Tage gezeigt, wie schnell und wie exakt dieser Bundestag zu arbeiten in der Lage ist, wenn sich die Notwendigkeit dafür ergibt. Ich denke z. B. an das Gesetz über die Beschränkung des Exports und die Erleichterung der Importe; in wenigen Tagen war dieses Gesetz zustande gekommen. Durchweg werden aber die hier zur Erörterung stehenden Aufgaben nicht eine solche Eilbedürftigkeit haben, wie es in diesem konkreten Fall gewesen ist. Daß dann in einem Verfahren, das in der Verfassung eingehend und substantiiert geregelt ist, nämlich in einem Gesetzgebungsverfahren, die Entschlüsse gefaßt werden, das allein ist, glaube ich, der Sache, die hier zur Erörterung steht, angemessen.
Denn, meine Damen und Herren, im Hintergrunde steht ein weiteres Problem. Ich habe es in den Beratungen des Rechtsausschusses angeschnitten, ohne aber bisher befriedigende Antworten darauf bekommen zu haben, und auch meine eigenen Geisteskräfte haben bisher nicht ausgereicht, um klar zu erkennen, wie es bei einer Verfassungsänderung nötig ist, was hier denn eigentlich mit den Vereinbarungen gemeint ist. Wir kennen eine Bestimmung im Grundgesetz, in der von Vereinbarungen die Rede ist, nämlich Art. 24. Er betrifft aber ein ganz anderes Gebiet, nämlich internationale Vereinbarungen.
Unser Grundgesetz kennt Einrichtungen oder Maßnahmen, die auf Grund von Verträgen zwischen Bund und Ländern geschaffen werden, bisher nicht. Dieser Begriff wird neu eingeführt, und mir ist völlig unklar, und kein Wort wird darüber gesagt, was denn zur Sicherung der Rechte des Parlamentes geschehen soll und geschehen kann. Sollen die Verträge, die von Regierung zu Regierung ausgehandelt und beschlossen werden, für uns bindend sein? Sollen wir hier haushaltsmäßig oder wie immer einfach vollziehen müssen, was auf Regierungsebene beschlossen ist? Ich stelle die Frage, und ich frage weiter: Welche Kautel gibt es dafür, daß diese Auslegung, die natürlich hier heute bestritten werden wird — das ist mir völlig klar —, nicht doch eines Tages praktiziert wird? Das ist das, was ich vermeiden möchte. Auch hier besteht eine Gefahr dafür, daß dieses Hohe Haus und andere Parlamente, die Länderparlamente, ausgeschaltet werden und nicht mehr die Funktion behalten, die sie bei der Regelung so wichtiger Fragen haben sollten.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie deshalb, mit mir den Art. 91 a abzulehnen und beim Art. 91 b die von uns vorgeschlagene Fassung zu akzeptieren.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bayerl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir die wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen weiterhin wie bisher sinnvoll und nachdrücklich vom Bund her finanziell fördern wollen, dann müssen wir Ihren Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, ablehnen. Denn sehen Sie, das sind einfach zwei verschiedene Schuhe, die Sie hier in einen Sack werfen wollen. Im Art. 91 a haben wir Sachgebiete geregelt, die klar begrenzt sind. Danach kann man also ein Gesetz schaffen, das den Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen regelt. Das ist ein klar begrenzter, weit vorausschaubarer Tatbestand. Da kann man sogar die quotale Beteiligung von Bund und Ländern in der Verfassung fixieren, vielleicht sogar aus gutem Grund, Herr Busse, um nämlich die finanzielle Beteiligung von Bund und Ländern, auch die finanzielle Mitverantwortung, gleichgewichtig im Sinne eines kooperativen Föderalismus bei der Bewältigung dieser Gemeinschaftsaufgaben in der Verfassung festzuhalten.
Ganz anders ist es doch bei der Förderung dieser wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen. Hier haben Sie ein ganz breites Spektrum der verschiedensten Aufgaben. Wir fördern zur Zeit seit Jahr und Tag mehr als hundert der verschiedensten Forschungseinrichtungen auf diese Weise. Das geht vom Germanischen Museum in Nürnberg über irgendein Harnforschungsinstitut bis hin zur MaxPlanck-Gesellschaft. Das sind die verschiedensten wissenschaftichen Forschungsgebiete, die es niemals zulassen, daß wir eine einheitliche Finanzierungsbeteiligung des Bundes in einem Gesetz festlegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, Sie beklagen doch immer wieder mit uns die entsetzliche Gesetzesflut in Deutschland. Jetzt wollen Sie in der. Bundesrepublik auch noch die Wis-
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Dr. Bayerl
senschaft und die Forschung und diese wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen durch gesetzliche Einzelbestimmungen totmachen. Es sind über hundert Gesetze, die Sie jetzt erlassen müßten, um die laufenden Finanzierungen gesetzlich zu regeln. Zu diesen Gesetzen kämen im Verlaufe eines Jahres mit Sicherheit hundert Änderungsgesetze, weil sich doch bei diesen Instituten die finanziellen Notwendigkeiten in einem Haushaltsjahr mindestens einmal ändern können. Also muß der Bundestag zusammentreten und sofort, ad hoc, für die finanzielle Beteiligung des Bundes an der entsprechenden Forschungseinrichtung ein Änderungsgesetz erlassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das nicht absurd ist und wenn das nicht dazu führt, daß wir unsere wissenschaftliche Forschung nicht mehr so fördern und finanzieren können, daß sie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist, dann weiß ich nicht, wie Sie sich das vorstellen.
Herr Busse, jetzt haben Sie vielleicht die berechtigte Sorge: Wie sieht es aus mit der parlamentarischen Kontrolle? Kann die Bundesregierung nicht mit diesen Verwaltungsvereinbarungen, die sie immer mit dem betroffenen Land, ohne irgendein Land zu majorisieren, trifft — das ist also sehr rechtsstaatlich —, am Parlament vorbei, ohne jede parlamentarische Kontrolle über unsere Haushaltsmittel verfügen? Dem ist doch nicht so, sehr verehrter Herr Busse. Im Haushaltsgesetz ist die mögliche und die notwendige Kontrolle vorgesehen. Im übrigen müssen wir der Bundesregierung für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung die erforderliche Flexibilität lassen, um die Gelder sinnvoll für unsere deutsche Forschung zu verwenden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir der wissenschaftlichen Forschung in Deutschland keinen schlechten Diesnt tun wollen, dann müssen wir den FDP-Antrag ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Darlegungen des Kollegen Dr. Bayerl zeigen im Grunde die Konzeptionslosigkeit der Mehrheit, die diese Vorschläge gemacht hat.
— Ihre Unruhe wirkt durchaus belebend. Es ist noch Zeit, darüber nachzudenken, meine Damen und Herren.
Ich will Ihnen mal ein Beispiel dafür nennen. Vorgestern hat der Wissenschaftsrat in einer Eingabe an die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses darauf hingewiesen, daß er in Ausführung dieser von Ihnen geschaffenen Vorlage eine Art Planungsbehörde werden müsse, weil sonst eine zu dieser Institution parallele neue Behörde errichtet werden müßte. Nun, das können Sie natürlich verfügen. Aber das Problem der parlamentarischen Kontrolle lösen Sie damit nicht. Dann sollten Sie auch das Gesetz über den Wissenschaftsrat sofort ändern und in ,diesem Gesetz festlegen, in welcher Weise die Mitglieder einer Planungsbehörde bestimmt werden. Das ist dann nämlich etwas ganz anderes als ein beratendes Gremium, das aus den verschiedensten Gründen so zusammengesetzt ist, wie das heute der Fall ist. Wenn Sie das nicht machen, dann müssen Sie etwa das Bundesforschungsministerium als Planungsbehörde einrichten, wie wir es hier für durchaus nützlich hielten. Aber jedenfalls müssen Sie sich die Konsequenzen Ihrer Entscheidungen überlegen. Ich kann Ihnen sagen: Es wird immer komplizierter werden, was Sie dann anrichten. Wie Sie es vorgesehen haben, geht es jedenfalls nicht. Man kann in einem Gesetz sehr wohl einige Grundsätze niederlegen.
Herr Kollege Dr. Bayerl irrt, wenn er glaubt, daß man für jedes Forschungsinstitut in einem Gesetz einen Finanzierungsschlüssel aufstellen müsse. Die Max-Planck-Gesellschaft macht es hervorragend, ohne daß man sich hier um die Einzelheiten kümmern müßte. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft versteht es durchaus, in Selbstverwaltung ihren Haushalt aufzustellen. Sie wird lediglich von einigen Oberbehörden daran gehindert, eine vernünftige Stellenplanung zu machen; sie wird nämlich im Gegensatz zu ihrer Selbstverwaltungsaufgabe ständig in ein Korsett gezwängt, das ihren Aufgaben nicht angemessen ist. Dies nur als Beispiel.
Sie können also sehr wohl, wenn Sie wollen. Sinn der parlamentarischen Aufgabe, die wir wahrzunehmen haben, kann doch nicht sein, sich nur auf die Globalzuweisungen zu verlassen und irgendeiner, von niemandem zu kontrollierenden Planungsbehörde dann in Wahrheit das Vorlagerecht zu geben, über das man im einzelnen gar nicht bestimmen kann und wodurch man von Zufälligkeiten abhängig wird. Wenn die Mehrheit des Hauses bereit ist, solche Kompetenzen aus der Hand zu geben, und zwar ein für allemal, durch eine Grundgesetzänderung, dann ist das die Folge eines, wie ich glaube, Mißverständnisses unserer parlamentarischen Aufgabe überhaupt.
In diesem Hause beschäftigt man sich mit hundert Kleinigkeiten. Aber mit der Hauptsache wollen Sie sich künftig nicht mehr beschäftigen, nämlich die Forschungspolitik unter Umständen auch durch Gesetz zu bestimmen. Sie wollen diese Verantwortung aus der Hand geben. Sie wollen sie auch nicht an die Landtage geben, sondern Sie wollen sie an neu zu schaffende Behörden geben, auf deren Zusammensetzung Sie nicht den geringsten Einfluß haben. Sie haben nachher nicht einmal eine Ministerverantwortlichkeit bei diesen Behörden, an die Sie sich halten könnten. Sie können beim Haushalt schließlich nur vollendete Tatsachen bestätigen. Wenn Sie hier heute irgendeine Entscheidung treffen, dann treffen Sie sie möglicherweise auf zehn Jahre, weil Sie Forschungsprojekte doch nicht von heute auf morgen wieder verändern können.
Meine Damen und Herren, ich glaube, der Weg, der hier gegangen wird, führt in die Irre. Sie selbst konnten bisher nicht darlegen, was Sie wirklich wollen. Solange keine Konzeption dieser Regierung
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Moersch
und der Mehrheit des Hauses zu diesen Fragen vorliegt, so lange sehen wir uns von der FDP nicht imstande, einem derart risikoreichen Vorhaben zuzustimmen. Die Regierungskoalition zieht hier Wechsel auf die Zukunft, weiß aber keineswegs, wie sie eingelöst werden könnten. Wir warnen Sie vor diesem Weg.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 547 Ziffer 3. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe bitte! —Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über Ziffer 3 der Ausschußvorlage ab. Wer dieser Ziffer 3 im ganzen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe bitte! — Die Ausschußvorlage ist angenommen.
Ich rufe nun Ziffer 4 auf. Dazu liegt kein Änderungsantrag vor. Das Wort dazu wird auch nicht gewünscht.
Wir stimmen über die Ziffer 4 ab. Wer ihr zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. —Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ziffer 4 ist angenommen.
Ich rufe die Ziffer 5 auf. Dazu liegt in Umdruck 547, Ziffer 4, ,ein Änderungsantrag vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Busse.
Meine sehr verehrten Damen Meine Herren Kollegen! Nach den Ausführungen, die ich vorhin gemacht habe, kann ich mich jetzt wesentlich kürzer fassen, da das ' eine Problem, das durch unseren Änderungsantrag angesprochen wird, von mir bereits eingehend erörtert wurde. Ich habe darauf hingewiesen — und insofern, Herr Dr. Bayerl, treffen die Dinge, die Sie eben vorgetragen haben, eben nicht zu —, daß die Regierungsvorlage selbst vorsieht, daß gewisse Maßnahmen durch Gesetz geregelt werden sollen. Wie das Gesetz auszusehen hat, darüber kann' man im einzelnen reden, ob und in welchem Umfang dort Ermächtigungen erteilt werden. Aber immer liegt bei den einzelnen Maßnahmen die Kontrolle hier beim Parlament. Darum erscheint uns die Möglichkeit, daß solche Regelungen allein durch Vereinbarungen getroffen werden, als nicht ausreichend, da die einzige Kontrolle des Parlaments nachher möglicherweise nur in der Regelung im Haushalt liegt.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch eine andere Bemerkung gerade zur Begründung unseres Antrags machen, hier die Möglichkeit, die Dinge durch eine Vereinbarung zu regeln, zu streichen. In den Ausführungen des Herrn Berichterstatters ist meines Erachtens zu Recht darauf hingewiesen worden, daß an sich ohne Zweifel Unterstützungen dieser Art vom Bund an die Länder gegeben werden können — eine Auffassung, die in früheren Jahren schon von dem. von uns immer hochgeachteten Dr. Höpker-Aschoff gleichfalls vertreten wurde und die im Bericht zitiert worden ist. Wenn das so ist, dann bedürfte es keiner grundgesetzlichen Regelung, es sei denn, daß man eine Regelung trifft, die diese an sich vorhandenen Möglichkeiten an bestimmte Voraussetzungen knüpft.
Die Voraussetzungen, die die Regierung hierfür vorsieht, sind Vertrag und Gesetz. Die Voraussetzung, die wir allein dafür sehen möchten, wäre das Gesetz. Insofern hat unser Antrag auch hier eine nicht unerhebliche Bedeutung. Deshalb ist der zweite Halbsatz des ersten Satzes des Art. 104 Abs. 3 überflüssig, denn er besagt inhaltlich etwas Selbstverständliches. Lediglich die formellen Vorschriften haben Bedeutung, nicht das, was noch ausführlich darüber hinaus ausgesagt ist, und darum kann das hier gestrichen werden. Wesentlich ist noch, daß dort, wo vom Bund Zuschüsse für Vorhaben der Länder gegeben werden, gewisse Vorhaben der Gemeinden — hier darf ich, weil im Bericht einige Dinge stehen, die problematisch sind, darauf hinweisen, daß es sich um Zuschußmöglichkeiten an Länder handelt —von dieser Formulierung jedenfalls nicht betroffen werden. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß die Berichtsformulierung in diesem Punkte außerordentlich problematisch ist.
Wenn Sie das alles berücksichtigen, so. sind wohl die die Gesetze betreffenden Vorschriften gerade in diesem Falle, wo Regelungen zwischen Bund und Ländern getroffen werden sollen und können, die einzige Möglichkeit, die unseren parlamentarischen Verhältnissen entspricht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bayerl!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, daß ich, bevor ich in die Sachdebatte eintrete, erst auf einen kleinen Fehler in der Formulierung hinweisen muß, Herr Busse. Es herrscht zwischen allen drei Fraktionen Übereinstimmung, daß in der Drucksache ein kleiner Fehler vorhanden ist, und zwar müssen in Art. 104 a Abs. 3 Satz 1 hinter den Worten „Finanzhilfen für Investitionen" die Worte eingefügt werden: „der Länder und Gemeinden"..
Es besteht zwischen unseren Fraktionen — ich glaube, auch mit Ihrer, Herr Busse — Übereinstimmung darüber, daß so der Beschluß im Rechtsausschuß gelautet hat, und die Unterlagen weisen aus, daß dieser Beschluß im gleichen Wortlaut auch in die Druckerei ging. In der Druckerei ist das aus mir unerfindlichen Gründen draußengeblieben; deswegen auch die Diskrepanz, Herr Busse, zwischen dem schriftlichen Bericht und dem falschen Wortlaut in der Vorlage. Es muß also selbstverständlich heißen: „Investitionen der Länder und Gemeinden" ; sonst widerspräche es ja den politischen Zielvorstellungen, die wiederum alle drei Fraktionen dem Abs. 3 des Art. 104 a geben wollen.
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Dr. Bayerl
Herr Busse, ich kann mich sehr kurz fassen: Wenn Sie meine Auffassung teilen, daß es selbstverständlich ist, daß in einem Bundesstaat der Bund die Möglichkeit haben muß, zur Erreichung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in unserem Lande, also auch auf dem Gebiet der sozialen Infrastruktur in unserem Lande, Finanzhilfen zu geben, dann brauche ich mich über unser materielles Wollen überhaupt nicht mehr auszulassen. Da sind wir einer Meinung.
Es geht nur noch darum: Soll man diesen Grundsatz, der eigentlich schon in der Verfassung steht — nicht wörtlich —, noch einmal hineinschreiben? Und da würde ich meinen: ja. Bei den schwierigen Verhältnissen zwischen Bund und Ländern, bei der Fortentwicklung des Föderalismus zu einem echten kooperativen Verhältnis ist es einfach erforderlich, daß man solche wichtigen Grundtatbestände auch expressis verbis in die Verfassung hineinschreibt. Das trägt zur Klärung des Verhältnisses der Gebietskörperschaften Bund, Land und Gemeinde bei. — Ich freue mich, daß wir materiell einer Meinung sind, und bitte Sie daher, den FDP-Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Busse.
'Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Herr Kollege Dr. Bayerl, ich bedauere, nicht ganz mitbekommen zu haben, was Sie eben gesagt haben. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie jetzt formulieren: „Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für Investitionen der Länder und Gemeinden geben".
— Also er kann den Ländern geben!
— Ja, deshalb meine Frage. Wir haben ja immerhin einen Verfassungstext vor uns. Es ist ein Unterschied, ob ich sage: ich kann den Ländern für Investitionen der Länder und der Gemeinden geben!, oder ob ich sage: ich kann den Ländern und Gemeinden für ihre Investitionen etwas geben. Das eine Mal kann ich direkt etwas an die Gemeinden geben, das andere Mal kann ich nur an die Länder geben. Es bedarf einer völligen Klarstellung, was nun gelten soll, denn wir können doch hier die Verfassung nicht einfach so durchlaufen lassen.
Es scheint mir in der
Tat eine Unklarheit vorzuliegen. Ich bitte dazu nochmals den Herrn Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es heißt also wörtlich: „Finanzhilfen für Investitionen der Länder und Gemeinden". Damit soll sichergestellt sein, daß der
Bund für Investitionen der Gemeinden Zuschüsse geben kann.
— Investitionen der Länder und Gemeinden!
Und dann geht es weiter: von besonderer Bedeutung?
Herr Busse, wir machen hier keine neue Formulierung. Das ist die beschlossene Formulierung des Rechtsausschusses.
Ich bitte, das zu klären.
Herr Bayerl, eben, als Sie vom Platz aus sprachen, haben Sie gesagt: „Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für Investitionen von besonderer Bedeutung der Länder und Gemeinden . .." Da kam das nach „Bedeutung". Jetzt eben haben Sie gesagt: „für Investitionen der Länder und Gemeinden". Sie müssen das „von besonderer Bedeutung" nach vorn ziehen, sonst ist es falsch.
Man muß hinter die Worte „Finanzhilfen für Investitionen" die Worte setzen „der Länder und Gemeinden"
— Ich habe jetzt den Text nicht da.
Ich bitte, das zu klären; es ist nicht ganz ohne Bedeutung.
Herr Stecker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Seite 7 ist in der rechten Spalte folgende Fassung von Art. 104 a Abs. 3 aufgeführt: „Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für Investitionen von besonderer Bedeutung ...". Dahinter kommt nun: „der Länder und Gemeinden". Wir können nämlich nur den Ländern die Beihilfen geben, auch die für die Gemeinden. Wir wollen sicherstellen, daß hier nicht gemeint ist „Gemeinden von besonderer Bedeutung". Es muß also genau formuliert werden, wie ich es vorgelesen habe.
Ist das jetzt klar? Der Zusatz muß hinter die drei Worte „von besonderer Bedeutung" kommen, weil damit das Gewicht der Objekte gekennzeichnet wird, die bezuschußt werden sollen. Ist das jetzt klar?
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Vizepräsident Schoettle
— Doch, das ist ganz klar.
— Ja, es ist ein schwieriges Deutsch; das ist zuzugeben. Aber angesichts der Sachlage sehe ich keine bessere Formulierung.
Herr Abgeordneter Könen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem muß ich dem Kollegen Busse recht geben: wir ändern hier das Grundgesetz. Ich bitte den Herrn Präsidenten, feststellen zu lassen, ob das nicht zwischen den verschiedenen Kollegen beredet werden kann; wir könnten dann in der Zwischenzeit weitermachen. Ich halte das, was hier passiert, für ein bißchen unwürdig.
Das scheint mir keineswegs unwürdig gewesen zu sein. Daß man über eine Sache, die Gewicht hat, verschiedener Meinung sein kann — auch hinsichtlich der Formulierung —, ist doch ganz natürlich.
Wer wünscht weiter das Wort? — Herr Abgeordneter Feuring.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Dier Finanzausschuß des Bundestages hat folgende Fassung beschlossen:
Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für Investitionen der Länder und Gemeinden von besonderer Bedeutung gewähren .. .
Herr Dr. Schmidt, ich glaube, wir sind uns in der Formulierung einig.
.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich in der Tat um eine Grundgesetzänderung. Ich möchte bitten, daß zunächst einmal der Antrag, über den hier entschieden werden soll, schriftlich formuliert verteilt wird, damit die Mitglieder des Hauses die Entscheidung in ihrer ganzen Auswirkung übersehen können.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Antrag des Kollegen Genscher kann eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. Ich schlage vor, daß wir die Beratung dieses Artikels aussetzen, bis der schriftlich formulierte Antrag vorliegt; es handelt sich ja sowieso um eine Änderung oder Ergänzung der Ausschußfassung. Wir können dann in der Zwischenzeit mit dem nächsten Punkt fortfahren und auf diesen Artikel zurückkommen, wenn der Antrag schriftlich vorliegt. Herr Kollege Könen, in der Sache läuft das auf das hinaus, was Sie wollten. Mit dem. Präsidenten bin ich der Meinung, daß das Haus die Vokabel „unwürdige Beratung" nicht verdient.
— Gut!
Ich glaube, man kann so verfahren. Wir stellen die Beratung der Nr. 5 zurück.
Ich rufe die Nr. 6 auf. Dazu liegt auf Umdruck 547 Ziffer 5 ein Änderungsantrag der FDP vor. Das Wort zur Begründung hat Frau Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In Art. 105 ist durch den Ausschußbeschluß festgelegt worden, daß die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes sich nicht auf die herkömmlichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern erstrecken soll. Wir bitten, diesen Absatz zu streichen.
Wir sind nicht etwa der Meinung, der Bund müßte nun etwa sofort ein Gesetz über die kommunale Hundesteuer erlassen. Wir sind auch nicht etwa nach den Ausführungen von heute morgen Bilderstürmer gegen die Eigenständigkeit der Länder und Gemeinden. Es geht vielmehr darum, daß die Möglichkeit bleibt, bei bestimmten regionalen Steuern, die sich auf bestimmte Verbrauchergruppen und bestimmte Gewerbezweige auswirken und deswegen möglicherweise eine Erschwernis für die Gesetzgebung dieses $undestages bedeuten, von `Bundesseite einzugreifen. Erinnern wir uns doch daran, daß die Höhe der Umsatzbesteuerung bei den Gastwirtschaften gerade von den Kollegen der CSU angegriffen wurde mit dem Hinweis: Da kommt auch noch die Getränkesteuer hinzu, und das wird dann zuviel. Das galt nicht nur für Bayern. Wir wissen auch sehr wohl, auf welche Schwierigkeiten wir bei den langwierigen Beratungen über das Filmförderungsgesetz stießen. Uns wurde im Hinblick auf die zukünftige Belastung der Filmtheater entgegengehalten, daß in einigen Ländern ja auch noch die Besteuerung der Filmtheater über die Vergnügungsteuer existiere.
Für den Gesetzgeber kann es von Interesse sein, sicherzustellen, daß solche regionalen unterschiedlichen Belastungen von Verbrauchergruppen oder Gewerbezweigen abgemildert oder beseitigt werden, weil wir sonst möglicherweise in unserer Gesetzgebungsarbeit hier im Bundestag behindert werden. Wir bitten daher, dem Bund jedenfalls die Möglichkeit — nicht den Zwang — einzuräumen, überholte Steuern im letzten Winkel unseres Vaterlandes abzuschaffen, wenn sie nicht mehr sinnvoll sind, oder, wenn sich die Verhältnisse geändert haben, wenigstens Änderungen vorzusehen.
Wir bitten also um Streichung des Absatzes 2 a in Art. 105.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter der Voraussetzung, daß dem Bunde das Aufkommen aus Steuern ganz oder teilweise zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 des Grundgesetzes vorliegen, haben die Ausschüsse entsprechend der Regierungsvorlage die Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf alle Steuern ausgedehnt. Das ergibt sich aus der vorgeschlagenen Neufassung des Art. 105 Abs. 2 des Grundgesetzes. Der Bundesrat hat gefordert, klarzustellen, daß dem Bunde aber kein konkurrierendes Gesetzgebungsrecht zustehe, soweit es sich um die herkömmlichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern handele. Die vorgeschlagene Regelung in Art. 105 Abs. 2 a des Grundgesetzes, die die Ausschüsse aufgegriffen haben, trägt dieser Forderung Rechnung. Damit wird zugleich der schon bei der Entstehung des Art. 105 des Grundgesetzes betonten verfassungspolitischen Zielsetzung Rechnung getragen. Der Bund soll nicht in die Regelung der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern eingreifen können, die herkömmlicherweise von den Gemeinden erhoben werden, insbesondere dann nicht, wenn sie nicht zur Störung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse führen können. Dem federführenden Rechtsausschuß — der insoweit dem Vorschlag des mitberatenden Finanzausschusses folgte — erschien es angemessen, hier dem berechtigten Wunsch des Bundesrates nachzukommen.
Aus diesen Gründen bitte ich Sie, den Antrag, in Art. I Nr. 6 den Buchstaben b zu streichen, abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Ziffer 5 auf Umdruck 547. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Nein-Stimmen waren die übergroße Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident( Meine Damen und Herren! Es ist inzwischen, wenn ich recht unterrichtet bin, eine interfraktionelle Einigung über den Text erzielt worden, und es ist auch eine interfraktionelle Einigung darüber erzielt worden, daß der Text jetzt nicht schriftlich vorgelegt zu werden braucht. Ich schlage vor, Herr Präsident, daß Sie nach Erledigung der Ziffer 5 des Antrages der FDP, Umdruck 547, zum vorigen Punkt zurückkehren und für die Darstellung des neuen Textes dem Kollegen Pohle das Wort geben.
Ja, so wird verfahren.
Wir stimmen jetzt über die Nr. 6 des Ausschußantrages ab. Wer der Nr. 6 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Nr. 6 ist mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen nun zurück zur Nr. 5. Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, auch im Hinblick auf die vollbesetzten Tribünen, daß überhaupt dieses Zwischenspiel hier hat entstehen können. Das liegt aber daran, daß diese Formulierung eigentlich nicht so sehr Sache der Abgeordneten, sondern vielmehr Sache der in den Ausschüssen beschäftigten Hilfskräfte ist und daß so wenig Hilfskräfte vorhanden sind. Wir haben uns trotzdem dieser Aufgabe unterzogen.
Ich schlage interfraktionell vor, den Abs. 3 wie folgt zu fassen:
Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden gewähren, .. .
usw.
Meine Herren, ich bitte, doch die Sache nicht nochmal zu komplizieren. Bitte, Herr Abgeordneter Pohle, wiederholen Sie es, damit es jedermann eingeht.
Die Einigung ging dahin:
Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden gewähren, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderlich sind.
Ich glaube, jetzt ist es einigermaßen klar.
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich nochmals das Wort ergreifen muß. Wenn diese Formulierung gewählt wird, dann bezieht sich der Relativsatz auf die Länder und Gemeinden. Ich bedaure, daß die deutsche Grammatik das auf das letzte Wort bezieht, auf das es bezogen werden kann, und daß ist nicht das, was wir wollen. Daher hatte ich mich mit Herrn Dr. Bayerl dahin geeinigt, daß wir ,statt „die" die Worte sagen „wenn die Investitionen ...", im übrigen, wie Sie vorgeschlagen haben. Dann ist auch dieses grammatikalische Bedenken ausgeräumt. Ich meine, auch das sollten wir bei einem Verfassungstext tun.
Ich kann nur feststellen, meine Herren, daß die Sache jetzt keineswegs klarer geworden ist. Ohne hier grammatikalischer Schiedsrichter spielen zu wollen, muß ich sagen, daß die Formulierung, die Herr Abgeordneter Pohle vorgetragen hat, klarmacht, daß es sich um
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besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden handeln muß. So ist es auch zu verstehenen, so ist es zusammengefaßt und sagt klar die Absicht aus, die der Gesetzgeber ausdrücken wollte.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir lassen es bei diesem Text. Wir müssen aber zunächst über den Antrag auf Umdruck 547 abstimmen, den Antrag, den Herr Busse begründet hat; der ist ja auch noch nicht beschieden.
Wer diesem Antrag — das ist die Ziffer 4 auf Umdruck 547 — zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über die Nr. 5 ab, und zwar in der Fassung, die durch den Vorschlag von Herrn Dr. Pohle hier erreicht worden ist. Wer dieser neugefaßten Nr. 5 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! —Enthaltungen? —
— Gegen die Stimmen der FDP und bei einer Enthaltung ist Nr. 5 so angenommen.
Über Nr. 6 hatten wir bereits abgestimmt.
Ich rufe Nr. 7 auf. Hierzu liegt auf Umdruck 547 Ziffer 6 ein Änderungsantrag vor. Wird er begründet? — Ich frage noch einmal: Soll der Änderungsantrag Ziffer 6 begründet werden? — Offenbar nicht.
— Zu Ziffer 6? Ist das eine Wortmeldung? — Herr Dr. Emde!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befassen uns in der Ziffer 6 mit dem Art. 106 Abs. 5 und 6, mit der Gemeindefinanzreform. Wir kommen hier zu einem Kernstück der Probleme der großen Finanzreform. Dieses Kernstück muß uns dazu veranlassen, noch einmal präzise zu untersuchen, welches die Nöte und die Probleme der Gemeinden sind und was wir tun wollen, um diese Nöte und Probleme zu überwinden, welche Vorstellungen die Regierung entwickelt hat und welche Möglichkeiten das Parlament oder wir von der Opposition sehen, um mit den Dingen fertigzuwerden.
Bei Art. 106 Abs. 5 und 6 geht ,es um die Frage der Beteiligung der Gemeinden an einer großen Steuer und zweitens um das Problem des Abbaus der Gewerbesteuer. Der Gemeindefinanzreform als wesentlichem Teil der großen Finanzreform sind drei Aufgaben gestellt worden. Darüber waren sich alle Beteiligten einig, "gleichgültig, zu welcher Partei sie gehörten, gleichgültig, in welcher Ebene der deutschen öffentlichen Hand sie tätig waren, ob sie beim Bund, bei den Ländern oder bei den Gemeinden saßen. Es waren drei Problemkreise zu behandeln: 1. die Finanzausstattung der Gemeinden war. neu zu regeln. 2. Die Verteilung der Finanzmasse zwischen den Gemeinden war zu verbessern, d. h. die Finanzmasse war gerechter zu verteilen. 3. Ist die Gewerbesteuer reformbedürftig? Dabei kann der Begriff der Reformbedürftigkeit, extensiv ausgelegt, heißen: die Gewerbesteuer ist abzubauen, oder: die Gewerbesteuer ist zum Teil abzubauen.
Das waren die Fragen, denen wir uns vor vielen Jahren bereits gegenübersahen, Fragen, die von Jahr zu Jahr drängender wurden, Fragen, die von Jahr zu Jahr immer stärker in die Aufgabenerfüllung der öffentlichen Hand in unserem Land hineinwirkten. Denn wir, mindestens alle die, die sich mit Gemeindepolitik befassen können, wissen, daß die Gemeinden seit einer Reihe von Jahren nicht mehr in vollem Umfang in der Lage sind, die ihnen gestellten Aufgaben in der entsprechenden Form zu lösen, einfach darum, weil ihnen das Geld fehlt, oder aber darum, weil das Geld so ungerecht verteilt wird, daß neben einer geringen Zahl sehr reicher Gemeinden eine große Zahl armer Gemeinden sitzt, oder aber, weil das System der Gewerbesteuer nicht die geeignete Methode der Einziehung von Geldern ist, um die Gemeinden mit ihren Aufgaben zu finanzieren.
Die Gemeinde ist die Stelle im Volksganzen, an der der Bürger den Staat trifft. In der Gemeinde erlebt der Bürger seinen Staat. Die Gemeinde sorgt in einer Vielzahl von Dingen für den Bürger, angefangen beim Krankenhauswesen, endend beim Friedhofswesen. Straßenbau, Kanalisation, Schulwesen, Sport, Kulturförderung, alles das sind Dinge, die im Rahmen der gemeindlichen Politik geregelt werden. Alles das sind Dinge, die ganz entscheidenden Einfluß haben, nicht zuletzt auf die Infrastruktur unseres Landes. Denn ohne die Investivmaßnahmen der Gemeinden sind wir nicht in der Lage, die großen investiven Aufgaben in unserem Land in der richtigen Weise zu erfüllen. Man muß sich eine Vorstellung davon machen, welchen Umfang allein das gemeindliche Verkehrswesen hat, welchen Umfang die Maßnahmen haben, die die Gemeinden im Bereich der Sozialpolitik, der Daseinsfürsorge und der Gesundheitsfürsorge treffen. Alles das sind auch Grundausstattungen einer Bevölkerung. Wenn diese Grundausstattungen nicht in richtiger Weise, nicht genügend dotiert, nicht in breiter Form, nicht überall in unserem Lande gleichmäßig verteilt bestehen, entsteht beim Bürger ein tiefes Mißbehagen gegenüber seinem Staat. Wir alle kennen dieses Mißbehagen. Ein Stück unserer Aufgabe ist es heute, beim Abbau dieses Mißbehagens mitzuwirken, und zwar nicht durch Propaganda, sondern durch Leistungen, durch Taten, durch Handlungen, die sich für die Gemeinde auswirken müssen.
Was schlägt die Regierung, was schlägt die Regierungsmehrheit zur Lösung dieses Problems vor? Wir haben ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das wir im einzelnen untersuchen müssen, wenn wir zu einer klaren Alternative oder zur Bejahung der einen oder anderen Maßnahme kommen wollen. Da
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Dr. Emde
wird einmal vorgeschlagen, 40 % der Gewerbesteuer in den großen Steuerverbund einzuführen.
— Ja, ich warte.
Wenn Herr Emde Ihnen die Erlaubnis gibt, werden Sie sie gleich auch von mir bekommen. — Eine Frage von Herrn Abgeordneten Schmidt !
Herr Emde, darf ich fragen, weshalb diese erleuchtenden Gedanken von der FDP nicht einmal im Finanzausschuß vorgetragen worden sind. Da haben Sie niemals den Standpunkt vertreten, die Gemeinden müßten an dem gemeinschaftlichen Topf, dem großen Steuerverbund, beteiligt werden.
Gestatten Sie eine Frage Ihrer Kollegin Frau Funcke?
Ja, bitte schön!
Herr Emde, würden Sie so freundlich sein, Herrn Dr. Schmidt zu sagen, daß ich das im Finanzausschuß durchaus vorgetragen habe.
Es ist interessant, welche akustischen Schwierigkeiten im Finanzausschuß bestanden haben müssen. Jedenfalls haben wir, Herr Kollege Schmidt, seit Jahren auf diesem Standpunkt gestanden. Wir haben uns auch bei der Beratung, die zwischen den Vertretern des Bundesrates und den Vertretern des Bundestages stattgefunden hat, über dieses Problem unterhalten. Sie wissen selbst, daß ich in einer Phase dieser Beratung gewissen Vorschlägen des Bundesrates zugestimmt, und dort das gleiche wie hier gesagt habe.
Lassen Sie uns aber zur Sache zurückkehren! Ich glaube, das ist ein Punkt unserer Beratungen, bei dem Polemik oder taktische Auseinandersetzungen hier im Hause wirklich zu nichts führen. Die Dinge sind zu ernst, als daß wir versuchen sollten, den einen oder anderen taktischen Schlenker für die Partei oder für sich selbst herauszuholen.
: Sehr richtig!)
— Nein, so ist es ja nicht, Herr Kollege Dr. Schmidt. Das sind nicht die Funktionäre, das sind die ehrenamtlichen Präsidenten usw., die dort mit ihren Geschäftsführern die Politik mitbestimmen.
Da muß ich Ihnen folgendes sagen: ich habe bisher aus diesem Lager eine einzige Stimme gehört, die dafür eintritt, daß man — und so sieht doch der Antrag der FDP eigentlich aus — die Qualität eines Teiles der Gewerbesteuer aufgeben soll für eine Gemeinschaftssteuer, die im Grunde nichts anderes darstellt als eine Finanzzuweisung aus Art. 106 Abs. 7. Das könnten wir so viel einfacher .haben. Ich meine nach wie vor, daß es schon berechtigt ist, auf die Qualität ganz besonders zu achten. — Herr Kollege Dr. Stecker!
Herr Kollege Krammig, sind Sie der Meinung, daß die Gemeinden, die mangels Masse kein eigenes Steueraufkommen haben, die Qualität dann besonders rühmen werden?
Verehrter Herr Dr. Stecker, gut daß Sie das sagen; es wird jetzt allerdings dadurch etwas länger dauern. Es gibt 24 500 Gemein den, und unter diesen 24 500 gibt es 11 300 Gemeinden, die weniger als 500 Einwohner haben. Meinen Sie, daß wir für diese eine Finanzreform machen können? Meinen Sie nicht auch, daß hier eine Verwaltungsneugliederung erfolgen müßte, die funktionsfähige, finanzautonome Gemeinden schafft? Mit dem, was wir heute beschließen, können wir dazu vielleicht einen Anreiz geben. Aber wenn wir mit der Verwaltungsreform warten wollten, bis verwaltungsfähige Einheiten vorhanden sind, könnten wir uns im Jahre 2000 über das Thema noch einmal
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Krammig
unterhalten. Daher muß von hier aus — ich sage das ausdrücklich — auch ein gewisser Zwang zur Verwaltungsneugliederung kommen, wenn wir im Ansatz die Gemeindefinanzreform so gestalten, daß die verwaltungsfähige Einheit auch finanzautonom werden kann.
Nun noch etwas zu der Frage der Abgabe eines Teiles der Gewerbesteuer an Bund und Länder. Was wollen wir denn mit dieser Finanzmasse bezwekken? Es ist richtig, daß ursprünglich im Entwurf ..der Bundesregierung vorgesehen war, diese Umlage nur für zwei Jahre zu erheben. Aber sollten wir denn heute schon endgültig darüber Beschluß fassen, daß Ende des Jahres 1971 diese Umlage wegfällt?
Wir übersehen diesen Zeitraum gar nicht. Wir würden außerdem einem Umstand vorgreifen, den wir nicht gebührend berücksichtigen könnten, wenn wir so verführen.
Wir müssen nämlich diese Frage — und dafür sollten Sie, meine Herren von der FDP, eigentlich am meisten Verständnis aufbringen, weil Sie ja schon Große Anfragen in dieser Richtung gestellt haben — auch in den Zusammenhang mit der Steuerreform stellen, die notwendigerweise erfolgen muß, wenn es zu einer Harmonisierung der Steuern im Gemeinsamen Markt kommen soll. Und dann werden wir froh sein, wenn wir diesen Teil, etwa 4,5 Milliarden DM aus dem Gewerbesteueraufkommen, als Manövriermasse bei Bund und Ländern haben, um dann als Bundesgesetzgeber ohne Beeinträchtigung der Gemeinden darüber disponieren zu können. Das ist der entscheidende Grund, warum diese Umlage auf Bund und Länder geht und warum sie augenblicklich als unbefristete Umlage auf Bund und Länder gehen soll.
Lassen Sie mich noch etwas zum Thema „Gemeinschaftssteuern" sagen. Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer hat sich damit schon befaßt. Ich will das etwas vertiefen. Das Aufkommen aus der Einkommensteuer ist örtlich radizierbar. Wenn wir also den Bürger sichtbar über einen Teil seiner Einkommensteuer an den Gemeindelasten beteiligen wollen, so kann das nur geschehen, indem der Gemeinde das Recht zugebilligt wird, sich am örtlichen Aufkommen der Einkommensteuer zu beteiligen.
In die Gemeinschaftssteuern soll die Umsatzsteuer mit ihrer besonderen Unterart der Einfuhrumsatzsteuer eingeführt werden. Die Gestaltung des Mehrwertsteuerrechts, insbesondere auch der Einfuhrumsatzsteuer, läßt es nicht zu, hier von einer örtlich radizierbaren Steuer zu sprechen. Diese Steuer könnte nur — und das ist ein sehr grober Maßstab — nach einem Kopfsatz aufgeteilt werden. Daher bietet sich die Gemeinschaftssteuer als Ganzes für eine wirklich qualitativ hochwertige Gemeindesteuer im Sinne eines echten Ersatzes für die Wegnahme eines Teils der ebenso qualifizierten Gewerbesteuer gar nicht an. Deshalb muß man auf die Einkommensteuer zurückgreifen und kann nicht auf die Gemeinschaftssteuern zurückgreifen.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, darf ich auf folgendes hinweisen. Wir schaffen heute — und das wiederhole ich — die Grundlagen für ein neues Gemeindesteuersystem. Damit verbauen wir keineswegs irgendwelche Möglichkeiten. Wir legen eine Beteiligung an der Einkommensteuer und eine Finanzumlage fest. Wir lassen völlig offen, wie die Dinge im einzelnen gesetzlich gestaltet werden sollen, damit sie zum Nutzen unserer Gemeinden und all ihrer Bürger realisiert werden können.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich muß mich hier namens der FDP und in meinem eigenen Namen mit allem Nachdruck gegen die Unterstellungen und Vorwürfe wenden, die von Herrn Dr. Schmidt und von Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer ausgesprochen worden sind, daß die FDP zu diesem wichtigen Punkt in den Beratungen im Finanzausschuß offensichtlich nicht Stellung genommen habe.
Wenn das weiterhin Platz greift, daß in der Offentlichkeit Vorwürfe erhoben werden, die nicht stichhaltig sind, werden wir den Antrag stellen, für die Zukunft Tonbänder in Ausschußsitzungen aufzustellen, damit wir den Beweis antreten können.
Von der ersten Generaldebatte, Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer, im CDU-Sitzungssaal, über meine gezielten Fragen im Hearing bis zu der Probeabstimmung, ob wir ein oder zwei verschiedene Verteilungsschlüssel haben wollten, ist bei der FDP kein Zweifel darüber gewesen, daß wir a) die variablen Hebesätze nicht wollen und daß wir b) die Verteilung über die Einkommensteuerbeteiligung nicht wollen. Dafür, daß wir allerdings keinen formellen Antrag bei der Schlußabstimmung im Finanzausschuß gestellt haben, Frau Kurlbaum-Beyer, werden Sie Verständnis haben; denn angesichts dessen, wie dieses Gesetz beraten worden ist, nachts um 12 Uhr, nachdem tagsüber immer wieder die Sitzung stundenlang verschoben wurde und wir gar nicht wußten, zu welcher Formulierung wir denn eine Abänderung beantragen sollten, weil die Formulierungen noch von den Koalitionsfraktionen gebastelt wurden, werden Sie es uns nicht zum Vorwurf machen können, daß wir formulierte Änderungsanträge nicht in aller Eile haben fertigen können.
Was wir gesagt haben, war wohl vom ersten Tage der Generaldebatte an immer klar. Sie werden sich erinnern, daß ich im Hearing die Herren von den kommunalen Spitzenverbänden sehr gezielt nach der Notwendigkeit variabler Hebesätze gefragt habe. Sie werden sich erinnern, wenn Sie zugehört haben,
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Frau Funcke
daß die Antworten der Herren absolut kontrovers waren. Zuerst haben sie gesagt: „Natürlich ist ,es notwendig und wichtig, unterschiedliche Hebesätze zu haben, weil die Gemeinden natürlich auch unterschiedlich verfahren werden." Sie brachten noch Beweise, daß das auch jetzt schon so sei. Damals habe ich gefragt: „Wenn aber durch eine andere Verteilung, etwa über einen Kopfschlüssel, die Spitzenunterschiede nicht mehr bestehen, wird dann nicht um so mehr die Notwendigkeit, an die obere Grenze zu gehen, gegeben sein?" Da sagten sie: „Nein!" Aber als ich sofort hinterher fragte, welche Verwaltungserschwernisse das insbesondere für die Betriebe bei Arbeitnehmern aus unterschiedlichen Gemeinden mit sich bringen würde, da sagte derselbe Herr von den kommunalen Spitzenverbänden: „Das ist doch gar nicht schlimm; die haben doch alle die gleichen Hebesätze."
Meine Herren und Damen, das kann doch einfach nicht geleugnet werden. Ich bitte, in Zukunft vielleicht ein bißchen die Erinnerung an diese Beratung aufrechtzuerhalten, ehe man hier behauptet, die Dinge seien nicht behandelt worden.
Warum wir uns gegen die Beteiligung an der Einkommensteuer wenden, ist hier schon • dargelegt worden. Zu allem übrigen verhindert und erschwert sie die Verwaltungsreform und die Gemeindereform. Denn es kann doch kein Zweifel sein, daß dort, wo vor einer Stadt eine Villenvorstadt liegt, die heute noch selbständig ist, diese natürlich in dem Augenblick, in dem Sie die Einkünfte der Gemeinde von den nun auch nach Ihrem Wunsch noch hochgezogenen Progressionen der Einkommensteuer abhängig machen, nicht bereit ist, sich eingemeinden zu lassen.
Die Vorstellung, daß es in der kleineren Gemeinde weniger riecht als in der größeren, können Sie hier nicht als ernsthaftes Argument verwenden. Das hängt doch von ganz anderen Dingen ab. Was von chemischen Werken ausgeht, trifft oft nicht die eigene Gemeinde, sondern nicht selten eine viel weitere Umgebung. Das sind doch keine ernsthaften Argumente in dieser Debatte.
Ich möchte hier auf die Einzelheiten nicht mehr eingehen, weil Herr Dr. Emde gleich noch ein paar Worte sagen will. Nur eines! Wir werden ja später noch über die bundeseinheitliche Finanzverwaltung zu sprechen haben. Dann wird es sich ja zeigen, ob Sie dafür oder dagegen sind. Früher waren Sie von der SPD dafür. Das Argument, daß wir das nicht hier und nicht jetzt machen sollten, weil man sich mit den Ländern noch ein bißchen mehr arrangieren will, nehmen wir Ihnen nicht ab.
Denn sie werden doch genauso wenig wie wir der Meinung sein, daß Ihnen die Herren dort oben auf der Bank eines Tages auf silbernem Tablett die Bereitschaft für eine bundeseinheitliche Finanzverwaltung darbieten werden. Wir werden mit den Herren dort oben kämpfen müssen, und wir werden
ihnen eine Entscheidung vorlegen müssen. Dann wird sich zeigen, ob Einsicht vorhanden ist oder nicht und ob Ihre parteipolitische Gemeinsamkeit mit den Ländern ausreicht, um gemeinsame Beschlüsse zu fassen.
Aber dadurch, daß wir vor dieser Entscheidung zurückschrecken, wird nichts erreicht, auch nicht dadurch, daß Sie meinen, man müsse ,noch ein bißchen zuwarten. Nachher haben Sie Gelegenheit, ja oder nein dazu zu sagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Der Herr Kollege Krammig hat zu den Fragen der zweiten Stufe des großen Reformwerkes der Gemeindefinanzreform gesagt: wir verbauen uns heute nichts. Oder gegenüber dem Herrn Kollegen Emde müßte ich sagen: noch ist Polen nicht verloren. Das heißt: das Ringen um die Gestaltung der Gemeindefinanzreform wird ja in den Ausschüssen erst in den kommenden Monaten stattfinden.
Was ist die Aufgabe, die sich den gesetzgebenden Körperschaften stellt? Wir müssen nach fast 20 Jahren das Grundgesetz überprüfen und die bundesstaatliche Ordnung den veränderten Verhältnissen anpassen. Das wird von jedem bejaht. Aber die Problematik beginnt dort, Herr Kollege Krammig — das haben Sie deutlich gesagt —, wo man alle die verschiedenen Interessen in Übereinstimmung bringen muß.
Zunächst möchte ich doch noch einmal bedauern, daß — während in all diesen Fragen der Bund durch den Bundestag und die Bundesregierung, die Länder durch den Bundesrat zu Wort kommen werden — die Gemeinden als dritte Säule des Staates keine Möglichkeit haben, sich verfassungsrechtlich relevant zu ihren Aufgaben und zu den damit verbundenen Fragen der finanziellen Grundlagen für die Aufgabenerfüllung zu äußern; sie sind auf die Anhörung in den Ausschüssen, Herr Kollege Dr. . Schmidt, angewiesen. Es ist kein Zweifel — und das werden Sie auch sicherlich nicht bestreiten —, daß die Gefahr besteht, daß Bund und Länder sich dann gelegentlich auf Kosten des Dritten, der im Gesetzgebungsprozeß nicht unmittelbar beteiligt ist, einigen.
Ich muß sagen: bisher sind vor der anstehenden Bundestagswahl erfreulicherweise nicht nur keine Entscheidungen zu Lasten der Gemeinden getroffen worden, sondern Frau Kollegin Beyer-Kurlbaum konnte auch auf viele Leistungen hinweisen. Das sollten die deutschen Gemeinden in aller Klarheit sehen. Früher sah das insoweit gelegentlich anders aus. Es läßt sich aber auch nicht bestreiten, daß die Hoffnungen der Gemeinden auf das zweite Stück der Finanzreform, die Gemeindefinanzreform, bisher noch nicht erfüllt sind und daß die Gemeinden den Entscheidungen mit großer Sorge entgegensehen. Ihre fachkundige Stimme ist jedenfalls in den bisherigen Beratungen noch nicht in dem Umfange zum
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Schmitt-Vockenhausen
Tragen gekommen, wie es, so hoffe ich, im zweiten Teil der Beratungen noch der Fall sein wird.
Damit bin ich bei der Problematik — ohne nun den Gesamtkomplex heute hier erörtern zu können —, die die Auswirkungen der Beteiligung an den steuerpflichtigen Einkommen betrifft. Sie wissen, daß Berechnungen für die jetzigen Zahlen —80 000, 160 000 — noch nicht vorliegen. Eines ist jedenfalls sicher — und hier zitiere ich wörtlich aus den Unterlagen des Finanzministeriums, die mit denen der Länderinnenminister und Länderfinanzminister übereinstimmen —, „daß die Gemeinden bis zu 5000 Einwohnern durch die Heraufsetzung des Sockelbetrages in zunehmendem Maße Einnahmen verlieren", und zweitens, „daß in den unteren Größenklassen die Einnahmeverluste ganz überwiegend die schon jetzt steuerschwachen Gemeinden treffen". So weit die Zitate.
Bei den größeren Städten und Gemeinden wirkt sich die Tatsache aus, daß wegen der Streuung gerade die Bezieher höherer Einkommen in keinem regelmäßigen Zusammenhang zur Gewerbesteuerkraft ihrer Wohnsitzgemeinden stehen, ein Problem, das auch Ihnen, Herr Kollege Krammig, bekannt ist.
Ich könnte jetzt hier die Wirkung unter Hinweis auf die Auswirkungen in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg deutlich machen. Ich will das nicht im einzelnen tun. Ich will nur mit einer einzigen Bemerkung beispielsweise sagen, daß die Arbeiterwohnsitzgemeinden gerade an dieser Regelung natürlich keine reine Freude haben werden, während andere Gemeinden bei einer vollständigen Beteiligung an der Einkommensteuer oder in hohen Progressionen sehr hohe Spitzen erreichen werden.
Ich will Ihnen aus meinem unmittelbaren Bereich einige Beispiele nennen: Mammolshain, 1756 Einwohner, wird 299 v. H. des Aufkommens vor der Reform erhalten, eine Oase, die hier auch noch zusätzlich freundlich gepflegt wird, die Stadt Königstein mit 8329 Einwohnern 204 v. H.; das schöne Gräfeling in der Nähe von München mit 12 234 Einwohnern wird auf 178 v. H., Starnberg mit 11 022 Einwohnern auf 147 v. H. kommen.
Meine Damen und Herren, noch ist nicht alles zu spät; noch kann man das hier sorgfältig prüfen. Ich hoffe, daß es uns gelingt, in der Gestaltung der Gemeindefinanzreform in den Ausschüssen zu zielgerechten und besseren Lösungen zu kommen, als sie nach dem jetzigen Stand kommen würden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emde.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte nur einige Worte zu den Ausführungen des Kollegen Krammig sagen. Sie haben einen sehr gefährlichen Satz gesagt, der uns wirklich zutiefst erbittert, wenn wir ihn in den Gemeinden hören. Sie haben gesagt: Wenn ein Kommunalparlament nicht den Mut hat, die Hebesätze auch einmal zu senken, sollte man nicht von gemeindlicher Selbstverwaltung reden. Wir empfinden es als nackten und blutigen Hohn, wenn uns so etwas gesagt wird.
Wir sind verschuldet bis über die Ohren. Wir haben Aufgaben, die wir nicht richtig lösen können. Wenn wir nicht die Höchstsätze der Hebesätze haben, kriegen wir nicht die Dotationen vom Land, die an Schulbauten und sonstige Baumaßnahmen gebunden sind. Herr Kollege, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich hier jetzt einmal temperamentvoll werde; denn das verwundet mein Herz wirklich an dieser Stelle. Wenn Sie dann sagen: Die Gemeinden sollen ruhig einmal die Hebesätze senken — sonst sollten sie nicht von gemeindlicher Selbstverwaltung reden —, dann ist das Theorie, weit entfernt von der Wirklichkeit, wie sie sich unseren Gemeinden darstellt.
Sie haben als Zweites gesagt, ich sollte mich, wenn ich Hauptgemeindebeamter sei, in unseren Spitzenverbänden betätigen und dort dafür sorgen, daß sich eine andere Meinung durchsetzt. Ich meine, ich bin doch hier, um das Gesetz mit zu machen. Der Spitzenverband berät doch hier nur. Im Spitzenverband wirken wir sowieso alle mit. Aber ich hatte mir bis jetzt immer vorgestellt, daß meine Mitwirkung als Abgeordneter bedeutsamer für die Entscheidung sei als ein großes 'Ringen im Spitzenverband. Hier machen wir letzten Endes das Gesetz. In den Spitzenverbänden sitzen die Leute, die wir fragen, die uns vortragen, was sie meinen. Die Kollegin Funcke hat gesagt, auch in den Spitzenverbänden, auch bei uns, gebe es Meinungsunterschiede. Ich behaupte nicht, daß alle Gemeinden das sagen, was ich denke. Aber es gibt eben Leute, die die Dinge fortschrittlicher sehen und die sagen: Wir müssen zu neuen Positionen durchbrechen, wir müssen auch gewisse Überlegungen, die wir in den vergangenen Jahrzehnten angestellt haben, über Bord werfen. Der Appell an den Freiherrn vom Stein kann doch nur so aussehen, daß man, wenn man sich auf die Tradition eines solchen Mannes beruft, sagen muß der hat damals den Fortschritt gebracht. Sich auf ihn heute zu berufen, bedeutet nicht, das zu tun, was er 1806 oder 1807 gemacht hat, sondern bedeutet heute, im 20. Jahrhundert, ebenfalls den Fortschritt anzustreben, wie ihn Freiherr vom Stein im vorigen Jahrhundert gewünscht hat.
Wünscht noch jemand zu diesem Punkt der Tagesordnung das Wort? — Herr Abgeordneter Dr. Hofmann!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zeit drängt, und das wird einem deutlich gemacht. Gestatten Sie mir aber wenigstens noch .ein paar Bemerkungen.
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Dr. Hofmann
Die gemeindliche Selbstverwaltung wird offenbar doch zu stark idealisiert. Sie ist im realen Leben draußen sehr viel praktischer und nüchterner. Die Selbstverwaltung hat sich auf die Ausgabenseite hin verlegt. Das wollen wir einmal deutlich sagen. Alle anderen Dinge lohnen nicht, hier im einzelnen dargelegt zu werden.
Nur ein Punkt hat mich veranlaßt, noch einmal kurz das Wort zu ergreifen. Es ist die Frage der variablen Hebesätze. Ich stimme zwar dem Gesetz als Ganzes zu; trotzdem warne ich davor, sich auf diesen Gedanken der variablen Hebesätze einzulassen; er hemmt uns nämlich in der Rationalisierung, wenn in unseren Gemeinden generell so verfahren würde. Wenn der Gedanke der gemeindlichen Selbstverwaltung durch die variablen Hebesätze verstärkt werden sollte, bedeutete das ein Denken, das mit den allgemeinen Rationalisierungsmöglichkeiten im Zeitalter des Computers nicht mehr konform geht. Das ist tatsächlich überlebt, auch wenn andere Leute, selbst Spitzenverbände, etwas anderes sagen. Die Dinge werden einfach nicht mehr sinngemäß ausgenützt werden können, die wir auf diesem Gebiet schon einzuführen versucht haben. So weit, so gut.
Ich möchte einen anderen Gedanken hinzufügen. Sollten wir uns allerdings in diesem Hause entschließen, doch einmal die variablen Hebesätze einzuführen, was ja auf Grund der Kann-Vorschrift möglich ist — dann — das ist meine Meinung — kann man im Interesse einer gemeindlichen Selbstverwaltung nicht bei der Proportionalzone stehenbleiben, sondern muß in die Progressivzone hineingehen, sonst haben nämlich die variablen Hebesätze keinen Sinn mehr.
Wird des weiteren das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der .Freien Demokraten auf Umdruck 547 Ziffer 6. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Dann komme ich zu dem Antrag auf demselben Umdruck unter Ziffer 7. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Weitere Änderungsanträge liegen zu Art. I nicht mehr vor. Ich lasse dann über Art. I des Gesetzentwurfs in der Ausschußfassung mit den im Laufe der Beratungen beschlossenen Änderungen abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. II auf und erteile dem Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 558 *) das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Miesstier hat heute Sorge gehabt, ob die Harmonisierung
*) Siehe Anlage 7 mit dem Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz kommt. Der äußerste Termin der Regierung für diese Harmonisierung — wir werden den Termin ja überprüfen — ist der 1. 6. 1969. Wir werden deshalb die Grundgesetzänderung erst mit dem 1. 6. 1969 in Kraft treten lassen, damit beide Termine, wie das auch früher vorgesehen war, aufeinander abgestimmt sind.
— Inzwischen wird das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz von den gesetzgebenden Körperschaften verabschiedet werden.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Änderungsantrag des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf Umdruck 558 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen über Art. II in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung ab. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Art. II ist angenommen.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Damit stehen wir am Ende der zweiten Beratung. Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wir treten in die allgemeine Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ziele der großen Finanzreform waren: eindeutige Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern, Verbesserung und Erleichterung der Funktionsfähigkeit des gesamten Bundesstaates, optimale Verteilung der Finanzquellen auf Bund, Länder und Gemeinden. Hand in Hand mit dieser Finanzreform sollten eine Neugliederung des Bundesgebietes, eine Steuerreform und eine Verwaltungsreform gehen. Ferner sollte mit der Finanzreform eine Verbesserung der Finanzaustattung der Gemeinden in Qualität und Quantität erfolgen. Diese Gesamtschau einer Finanzreform war schon im Troeger-Gutachten lediglich im Hinblick auf ihre Durchsetzbarkeit und Verwirklichungsmöglichkeit dargestellt.
Die uns nunmehr vorliegenden, bei weitem nicht optimalen Vorschläge werden in der Regierungsvorlage und in den inzwischen vom Ausschuß gefaßten Beschlüssen bis zur Unkenntlichkeit verwässert. Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, ich frage Sie zum erstenmal an dieser Stelle: Was ist eigentlich von der großartigen Ankündigung übriggeblieben, die Sie damals vorgetragen haben, als Sie diese zahlenmäßig große Koalition begründet haben. Ich frage Sie: Was ist
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Dorn
übriggeblieben von dem, was damals der SPD-Vorsitzende Willy Brandt und der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß zur Begründung der Notwendigkeit dieser zahlenmäßig großen Koalition der deutschen Offentlichkeit bekanntgegeben haben? Unterm Strich: ein Null; ein Skatspieler würde sogar sagen: ein Nullouvert. Mehr ist von all den großen Plänen, die Sie verkündet haben, heute an dieser Stelle nicht mehr sichtbar.
Die Regierungsvorlage enthält, das will ich gar nicht bestreiten, einige Verbesserungen gegenüber dem jetzigen Zustand. Jedoch läßt diese Vorlage, die uns nunmehr von den Koalitionsfraktionen vorgetragen worden ist, jegliche klare Konzeption im Sinne der Begründung vermissen, die zum Ausgangspunkt aller Überlegungen dieser Finanzreform vorgetragen worden sind. Das zeigt sich besonders bei den Schwerpunkten, die hier von den Vertretern der Koalitionsfraktionen vorgetragen wurden und in der Regierungsvorlage vorgesehen waren.
Lassen Sie mich zu dem Problem der Gemeinschaftsaufgaben nur noch weniges sagen. Meine Fraktionskollegen, vor allem mein Kollege Hermann Busse, haben ja ausführlich dargetan, welch schlechte Entwicklung hier von Ihnen in Bewegung gebracht worden ist, eine Entwicklung, gegen die man nur allerschwerste verfassungspolitische Bedenken 'erheben kann. Die Schaffung einer Mischverwaltung und die praktische Abschaffung der parlamentarischen Kontrolle durch den Bundestag und durch die Länderparlamente ist nur einer der entscheidenden Gesichtspunkte, die uns veranlassen, dem, was Sie uns hier vortragen, nicht unsere Zustimmung zu geben. Die Finanzhilfen des Bundes an die Länder im Rahmen der Art. 91 b und 104 a Abs. 3 des Regierungsentwurfs zeigen uns doch, wie problematisch all das ist, was Sie nunmehr mit Ihrer Mehrheit dieser zahlenmäßig großen Koalition beschließen wollen.
Zur Frage der Gemeindefinanzreform ist festzustellen: das Ziel des Abbaues der antiquierten Gewerbesteuer ist nicht erreicht, ja, dieser Abbau ist nicht einmal in Angriff genommen worden. Keine ausreichende Verbesserung der Finanzausstattung der Gemeinden, keine Reform des Gemeindesteuersystems ist erreicht worden. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie uns hier vorlegen, ist die kleine Reform der zahlenmäßig großen Koalition.
Es wäre notwendig gewesen, die Anträge, die wir hier eingebracht haben und die heute vormittag und heute nachmittag von den Kollegen der Fraktion der Freien Demokraten im einzelnen ausführlich begründet worden sind, hier noch einmal zu begründen. Aber wir wissen ja, daß Sie in Ihrer Abstimmung auch heute nicht mehr frei sind.
— Entschuldigen Sie, wir wissen doch, wie diese Punkte heute überhaupt auf die Tagesordnung gekommen sind. Wir wissen doch, daß die Sozialdemokraten, wie bei vielen anderen Problemen in den letzten Wochen und Monaten in ihrer eigenen Fraktion, in ihrer eigenen Partei eine ganze Fülle
von Sachargumenten gegen das vorgetragen haben, was sie nunmehr heute beschließen wollen. Wir wissen doch, meine Damen und Herren, daß Sie in der vergangenen Woche gar nicht bereit waren, heute darüber zu entscheiden, daß Sie heftige Auseinandersetzungen auch in Ihrer eigenen Partei und mit Ihren Ländervertretern gehabt haben
— nein, das ist gar nicht unnormal, da gebe ich Ihnen völlig recht , daß Sie dann auch in dieser Frage, wie so oft in den vergangenen Monaten, wieder umgefallen sind und, nachdem Sie zunächst einmal kühn den Beschluß gefaßt hatten, es in dieser Woche nicht zu behandeln, dieser Beschluß nach einer Tagung des Kreßbronner Kreises genauso geändert wurde wie in der Frage, ob Sie, wenn der Vizepräsident Jaeger hier präsidieren würde, ausziehen oder nicht. Zwei Beschlüsse in der vergangenen Woche hart gefaßt — beide Beschlüsse in dieser Woche klein beigebend aufgegeben: das ist doch das, was Sie uns seit Monaten als Mitglied dieser zahlenmäßig großen Koalition in der praktischen Beurteilung des parlamentarischen Verhaltens vorführen.
Die Fragen, die hier gestellt werden, sind auch von Ihnen früher, als Sie in der Opposition waren, anders beurteilt worden. Daraus machen wir Ihnen keinen Vorwurf; aber wir hätten eigentlich erwarten können, daß Sie sich in einigen Fragen besser durchgesetzt hätten, zumal wir ja bereit waren, vieles von dem, was Sie selbst früher mit vertreten haben, hier zu unterstützen. Aber leider ist es dann nicht mehr dazu gekommen, und um die Fristeinrede zur dritten Lesung auf jeden Fall heute zu verhindern, haben Sie dann ja auch darauf verzichtet, Fraktionsanträge zu stellen, die Sie ursprünglich in der vergangenen Woche noch stellen wollten.
Wir haben — um zu einem anderen Thema zu
kommen, nämlich zum Problem des Art. 75 — bereits zu Beginn dieser Legislaturperiode, damals auch von den Sozialdemokraten unterstützt, hier im Plenum erklärt, daß wir einer Änderung des Art. 75 erst dann zustimmen können, wenn die vorgesehene Harmonisierung auf dem Gebiet des Besoldungsrechts abgeschlossen ist. Wie von meinem Fraktionskollegen Dr. Miessner bereits in der zweiten Lesung dargelegt, ist diese Voraussetzung bisher nicht erfüllt, und die Zusage mit Ihrem Beschluß von vorhin, meine Damen und Herren, ist für uns keine Zusage, die uns in diesem Zeitpunkt in der Sachentscheidung beruhigen kann.
Es ist vorgetragen worden, daß keine Bundesregierung bisher so viel für die Gemeinden zu tun bereit war
wie diese Regierung mit diesem Gesetz.
— Ach so! Es ist ja auch interessant, verehrte Frau
Kollegin, daß mir zwar der Kollege Fellermaier in
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Dorn
dem, was ich vorgetragen habe, zustimmte, daß Sie aber jetzt dazu eine andere Formulierung gebrauchen. Aber ich will das hier gar nicht als Auseinandersetzung bei Ihnen werten; ich bin bereit, zu akzeptieren, was Sie vorgetragen haben: daß Sie sagen, keine Bundesregierung habe bisher so viel für die Gemeinden getan wie die jetzige. Nur scheint mir, wenn ich mir die „Frankfurter Neue Presse" von heute ansehe, daß auch darüber bei Ihnen sehr differenzierte Meinungen vorhanden sind. Denn unter der Überschrift „Brandt wollte Zinn umstimmen" wird dort ausführlich darüber berichtet, welche Fehde zwischen der Bonner SPD und ihren führenden Politikern in den Ländern um die Finanzreform ausgebrochen ist und daß, nach dieser Zeitungsmeldung, wohl am Dienstag, der Parteivorsitzende Brandt noch einmal vergeblich Ministerpräsident Zinn in dessen Amtswohnung dazu zu bewegen versucht habe, der Verfassungsänderung, die die Bonner Koalitionsfraktion plant, zuzustimmen, daß sich aber der hessische Ministerpräsident anscheinend nicht umstimmen lassen wollte und Herrn Brandt als Gegenleistung den Rücktritt als Vorsitzender der SPD-Finanzkommission angeboten habe. So laut „Frankfurter Neue Presse" ! Es scheint mir also doch in Ihrem eigenen Bereich noch einiges an Unklarheit darüber zu bestehen.
An dieser Stelle sollte auch ein Wort des Bedauerns darüber ausgesprochen werden, daß sich die Länder hier und heute in diesem Parlament zu dieser Frage nicht geäußert haben. Wenn sich die Länderregierungen zu dieser Sache hier im Deutschen Bundestag heute nicht geäußert haben — dafür haben wir ihnen ja seit Beginn der Arbeit in diesem Parlament ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, sich hier zur Sache zu äußern —, betrachten wir das auch als eine Auswirkung dieser politischen Schwierigkeiten, die in der Sache aufgetreten sind, und der sachlichen Meinungsverschiedenheiten. Es ist ja nicht uninteressant, festzustellen, daß die gleichen Fraktionen, die in diesem Hause die Regierung tragen, in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland die Regierungschefs stellen und daß eben die Länderchefs zu diesem angesprochenen Problem nunmehr schweigen. Wir wollen nicht annehmen, daß sie Einflüsterungen des Kreßbronner Kreises unterlegen sind und sich deswegen nicht hierzu äußern. Wir bedauern es aber in der Sache um so mehr, daß sie es nicht getan haben.
Nun hat der Kollege Schmitt-Vockenhausen all diejenigen, die noch Zweifel hegten, ob es richtig sei, den einzelnen Bestimmungen dessen, was Sie hier vereinbaren wollen, zuzustimmen, mit einer in die Zukunft gerichteten unbestimmbaren Vertröstung versehen. Er hat gesagt: „Noch ist alles nicht zu spät!" Man könnte nach dem bekannten Wort „Wir heißen euch hoffen" sagen: Vielleicht ist doch noch etwas drin, vielleicht werden die Länder dem doch nicht zustimmen, was nunmehr hier verabschiedet werden soll, vielleicht wird doch der Vermittlungsausschuß angerufen. Was soll diese Formulierung „Noch ist alles nicht zu spät" sonst bedeuten? Es mutet uns auch etwas seltsam an, daß zu diesem Zeitpunkt gesagt wird, man gehe davon aus: Wir werden das, was wir vereinbart haben und vorlegen, erst einmal beschließen, aber noch ist alles nicht zu spät — selbst wenn die dritte Lesung des Parlaments vorbei ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das eigentlich für eine Art der Vertröstung, was ist das eigentlich für eine Art der verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Auseinandersetzung, wenn man glaubt, bei solchen Entscheidungen, Grundgesetzänderungen, solche Vertröstung geben zu können, obwohl jeder in diesem Hause weiß, daß mit den Entscheidungen, die hier getroffen werden sollen, die Einwirkung auf die Länder nicht zu Ende ist, sondern daß selbstverständlich die Fraktionsvorsitzenden, vielleicht auch die Parteivorsitzenden, mit Sicherheit aber der Bundeskanzler und sein Vizekanzler, darauf hinwirken werden, nunmehr bei den Ländern die erforderlichen Mehrheiten hierfür zu bekommen.
Meine Damen und Herren, wie ist nunmehr die politische Wertung dieses Gesetzes? Ist das die Reform, die große Finanzreform, die von dieser zahlenmäßig großen Koalition und von Ministern dieser Koalition der deutschen Öffentlichkeit und dem Parlament verkündet wurde als ein entscheidendes Ziel und eine entscheidende Notwendigkeit der Bildung dieser zahlenmäßig großen Koalition? Ich glaube, niemand, auch niemand von Ihnen, wird ehrlich behaupten können, daß das die beabsichtigte große Finanzreform sei. Teilprobleme sind gelöst, recht oder schlecht, einige recht, eine große Zahl
schlecht.
Wir fragen die Bundesregierung an dieser Stelle: Warum ist sie nicht bereit gewesen, mit dieser Regierungskoalition nunmehr eine wirkliche Reform durchzuführen? Der Herr Bundeskanzler hat einmal bei anderer Gelegenheit erklärt, niemand solle sich auf die fehlenden Kompetenzen in diesem Hause berufen können, wenn Probleme nicht angepackt und nicht gelöst werden. Meine Damen und Herren, ich möchte das erweitern: niemand von Ihnen kann sich in diesem Hause und in den Landesparlamenten auf die fehlenden Mehrheiten zu den erforderlichen Grundgesetzänderungen berufen. Sie verfügen über alle Mehrheiten im Bund und in allen Ländern, die erforderlich waren, um eine wirkliche Reform durchzusetzen.
Sie haben nicht den Mut gehabt, diese Reform durchzuführen. Sie sind in kleinen Teilproblemlösungen steckengeblieben.
Sie können daher von uns nicht erwarten, daß wir dieser Teillösung unsere Zustimmung geben.
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Feuring hat eine Rede zu Protokoll gegeben *). Sie wird mit Ihrem Einverständnis in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
*) Siehe Anlage 13
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Vizepräsident Dr. Jaeger
Liegen weitere Wortmeldungen vor? — Das ist nicht der Fall. — Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung. Es liegt ein einziger Änderungsantrag vor: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 557 **). Er wird vom Abgeordneten Dr. Reischl begründet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Änderungsantrag soll ein zweites Versehen, das beim Druck des Berichts unterlaufen ist, ausbügeln. Der Rechtsausschuß — ich spreche jetzt zugleich als dessen amtierender Vorsitzender — hatte eine andere Fassung beschlossen, und zwar die, die jetzt auf diesem Papier vor Ihnen liegt. Es ist die Fassung, die vom Bundesrat vorgeschlagen war und der die Bundesregierung zugestimmt hatte. Es wäre meines Erachtens falsch, wenn es sich auch nur um die Umstellung einiger Worte handelt, hier einen neuen unnötigen Streitpunkt mit dem Bundesrat zu schaffen, zumal der Ausschuß ja anders beschlossen hatte.
Ich darf in dem Zusammenhang auf eines hinweisen, was hier, glaube ich, einmal gesagt werden muß. Wer einmal miterlebt hat, wie ein solcher Schriftlicher Bericht nach Abschluß der Ausschußberatungen, bei denen der Ausschußassistent persönlich Protokoll führen muß, zustande kommt, muß sich eigentlich wundern, daß nicht mehr passiert.
In Wirklichkeit ist es dann nämlich so, daß der Ausschußassistent nachts mit völlig übermüdetem Schreibpersonal versuchen muß, die verschiedenen Fassungen für die Drucksache in Gegenüberstellung zusammenzukleben. Wenn dabei einmal eine solche Fassung untergeht oder ein paar Worte vergessen werden, dann darf man nicht davon reden, daß es unter der Würde des Hauses sei, über so etwas abzustimmen. Das sind Pannen, die einfach ausgebügelt werden müssen. Sie müssen passieren, solange man sich nicht endlich entschließt, den Ausschüssen dieses Parlaments andere Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Ich darf Sie bitten, diesem Antrag der beiden Koalitionsfraktionen Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem genannten Änderungsantrag, der soeben begründet wurde, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich lasse nunmehr über Art. I mit der soeben beschlossenen Änderung, im übrigen in der Fassung der zweiten Beratung, abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
+) Siehe Anlage 8
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir nunmehr zur Schlußabstimmung in dritter Beratung. Nach Art. 79 Abs. 2 des Grundgesetzes bedarf ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes „der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates". Nach § 49 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundestages hat der Präsident, wenn für einen Beschluß die Zustimmung einer bestimmten Mitgliederzahl erforderlich ist, festzustellen, daß die Zustimmung dieser Mehrheit vorliegt. Dies geschieht durch Auszählen. Ich muß hinzufügen, daß die Berliner Abgeordneten bei dieser Abstimmung gesondert gezählt werden müssen.
Wir stimmen in der Schlußabstimmung der dritten Beratung über das Zwanzigste Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes durch Auszählen ab. Ich eröffne die Abstimmung und bitte die Damen und Herren, den Saal zu verlassen. Ich bitte die Schriftführer, sich zu den Türen zu begeben.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Es sind 398 stimmberechtigte Stimmen abgegeben worden, davon 354 mit Ja, 42 mit Nein und 2 Enthaltungen. Die Zweidrittelmehrheit beträgt 331 Stimmen; sie ist mit 354 Ja-Stimmen bereits überschritten. Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Von den Berliner Abgeordneten haben 13 mit Ja und einer mit Nein gestimmt.
Ich darf zur Abstimmung das Wort — durch ein Versehen erst nachträglich — dem Abgeordneten Könen erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe der Grundgesetzänderung zugestimmt.
Ich möchte aber, weil ein gebranntes Kind das Feuer scheut, meine Zurückhaltung hier im Hause heute nicht falsch deuten lassen. Obwohl ich zugeben muß, daß Frau Lucie Kurlbaum-Beyer recht hat, wenn sie davon spricht, daß die Gemeinden noch nie soviel Gutes erfahren hätten wie von dieser Regierung, bedaure ich es außerordentlich, daß von dem großen Schwung einer Finanzreform, von der wir soviel geredet haben, insbesondere einer Gemeindefinanzreform, so wenig übriggeblieben ist. Ich hoffe sehr, daß wir alle diejenigen beim Wort nehmen können, die heute hier in diesem Hause davon gesprochen haben, daß man den Gemeinden wirklich helfen will, und daß das, was in den Ausführungsgesetzen erscheinen soll, auch einer Gemeindefinanzreform — jetzt muß ich es noch einmal sagen — würdig ist.
Das Wort zur Schlußabstimmung hat der Abgeordnete Dr. Müller .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus grundsätzlichen
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Dr. Müller
Erwägungen war es mir nicht möglich, der vorliegenden Finanzreform meine Stimme zu geben. Abgesehen von der Tatsache, daß praktische Fragen wie die Gemeindefinanzreform nicht ausreichend gelöst worden sind, wehrt sich meine föderalistische Grundhaltung dagegen, einer Grundgesetzänderung, die den Föderalismus aushöhlt, die Zustimmung zu geben.
— Ich glaube, daß eine föderalistische Grundhaltung in einem Bundesstaat nicht ein Grund zur Heiterkeit ist.
Ich verkenne nicht, daß der föderative Aufbau unserer Bundesrepublik reformbedürftig ist.
Ich meine aber, daß nur eine Reform über die Anwendung des Art. 29 des Grundgesetzes, nämlich eine Neugliederung der Länder, hier wirklich Abhilfe schaffen kann.
Für meine Abstimmung habe ich mir als föderalistisch gesonnener Bayer den Satz Otto von Bismarcks als Maxime gewählt:
Nur ein wohlgeordneter Föderalismus kann die Deutschen vor großem Unglück bewahren. Wenn wir das Land zentralisieren würden, hätten wir bald seine besten Kräfte zerstört.
Meine Damen und Herren, jedes Mitglied des Hohen Hauses hat das Recht zu einer solchen Erklärung.
Wir kommen nun zu den Entschließungsanträgen. Ich erteile das Wort dem Herrn Senator Heinsen von der Freien und Hansestadt Hamburg.
Dr. Heinsen, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch bitten, dem Vertreter des Bundesrates, dessen Zustimmung zu diesem Gesetz besonders bedeutsam ist, aufmerksam zuzuhören.
Dr. Heinsen, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg: Nein, einen Blumenstrauß brauche ich nicht, Herr Abgeordneter Könen. Aber ich will gleich sagen: wenn ich hier als Beauftragter des Bundesrates spreche, so bin ich mir durchaus bewußt, daß die Meinung, die ich hier vertreten muß, in diesem Hohen Hause wenig Beifall finden wird.
Ich habe auch nicht die Illusion, daß ich Sie hier überzeugen könnte. Wir haben das in den Ausschüssen mit sehr viel Bemühungen versucht, und das Ergebnis war gleich Null.
— Völlig richtig! Ich meine aber, daß in dieser Frage
— das ist heute in verschiedenen Variationen mehrfach gesagt worden —, wo es wirklich um die Existenz unseres Bundesstaates und auch um die Existenz der Länder geht, der Bundesrat nicht schweigen kann.
Ich möchte Ihnen nicht verhehlen, daß das Ergebnis dessen, worüber Sie beschlossen haben, mich in echte Sorge um 'das Zustandekommen einer wirklichen Finanzreform versetzt, die auch tatsächlich zu einem kooperativen Föderalismus führt. Ich fühle mich verpflichtet, Sie auf Risiken hinzuweisen, die in der Entscheidung, die Sie soeben getroffen haben, liegen.
Der Bundesrat hat alles Verständnis dafür — das möchte ich mit Nachdruck sagen —, daß der Bundestag eine eigene Konzeption entwickelt hat und darlegen wollte. Sie werden aber auch Verständnis dafür haben, wenn ich Ihnen sage, daß diese Konzeption in dieser Form mit Sicherheit nicht im Bundesgesetzblatt verkündet werden wird. Der Bundesrat ist in einer Reihe von entscheidenden Punkten erheblich über die Regierungsvorlage hinausgegangen.
— Das ist sein gutes Recht, Herr Schmidt, Sie haben völlig recht; das habe ich schon vorher mit anderen Worten gesagt. Nur, wenn der Bundestag — was sein Recht ist — gewisse extreme Positionen aufbaut, dann muß man wissen, daß das zwangsläufig dazu führen muß, 'daß auch der Bundesrat im zweiten Durchgang zu ebenso extremen Positionen kommen wird. Herr Genscher hat heute morgen dem Bundesrat vorgeworfen, daß er seine Befugnisse nicht immer ausschöpfe. Ich kann ihn beruhigen, in diesem Punkte wird er es tun.
— Das wird er tun; er wird es begründen. — Meine Sorge ist nur die — deswegen spreche ich hier —, daß der Graben am Ende so breit ist, daß eine Überbrückung auch für den Vermittlungsausschuß nicht mehr möglich ist.
Diese Gefahr ergibt sich insbesondere daraus, daß dieses Hohe Haus eine Reihe von Materien, die direkt nichts mit der Finanzreform zu tun haben, einbezogen hat. Ich möchte als Jurist ausdrücklich erklären, daß ich diese Einbeziehung an sich für logisch und für verfassungspolitisch vertretbar und richtig halte. Aber auf der anderen Seite steht die Notwendigkeit der praktischen Politik. Die sieht so aus, daß im Bundesrat, genauso wie bei Ihnen hier, über das Gesetz nur einheitlich abgestimmt wird. Wenn da ein ganz dickes Haar in der Suppe ist,
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scheitert womöglich das ganze Gesetz, auch das, was wir für richtig halten, an diesem einen Punkt. Das ist die Gefahr.
Weil wir diese Gefahr von vornherein gesehen haben 'und — das möchte ich auch sagen — weil auch die Länder eine wirkliche 'Finanzreform wollen, hat der Herr Präsident ,des Bundesrates die Fraktionen dieses Hohen Hauses zu Verhandlungen über einen beiderseits vertretbaren, annehmbaren Kompromiß eingeladen. Damit — ich möchte das vor aller Öffentlichkeit klarstellen — sollte nicht versucht werden, den Vermittlungsausschuß als das verfassungsrechtlich vorgesehene Organ für solche Sachen auszuschalten. Den Herrn Bundesratspräsidenten und die Länder hat bei diesem Vorschlag nur die Einsicht bewegt, daß gerade in dieser Materie, die auf beiden Seiten so unerhört affektbeladen ist und 'die wirklich, wie ich schon vorhin sagte, an die Existenz des Bundesstaates und der Länder rührt, die Gefahr einer gegenseitigen Eskalation 'in so hohem Maße gegeben ist, daß damit die Gefahr eines Gesamtscheiterns verbunden ist. Ich darf Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ausdrücklich 'dafür danken, daß Sie dieses Angebot zu Gesprächen angenommen haben, daß Sie erschienen sind und sachlich und — ich möchte das hier wiederholen — in angenehmer Atmosphäre mit uns verhandelt haben.
In diesen Verhandlungen hat — von Kleinigkeiten jetzt mal abgesehen — der Bundesrat zwei nach unserer Meinung ganz entscheidende Konzessionen angeboten. Er hat erstens im Prinzip den großen Steuerverbund akzeptiert, und er hat zweitens im Prinzip den Vorschlag akzeptiert, daß bei der Verteilung des Länderanteils an den Gemeinschaftssteuern von dem Grundsatz des Art. 107 abgewichen wird, der auf das originäre örtliche Steueraufkommen allein abstellt. Diese beiden wesentlichen Konzessionen kamen zu einer ebenso wesentlichen Konzession hinzu, die der Bundesrat schon früher gemacht hatte — nämlich die Herren Ministerpräsidenten in den Gesprächen mit dem Herrn Bundeskanzler —; ich meine die Akzeptierung der Gemeinschaftsaufgaben. Auch dieses Zugeständnis ist damals den Herren Ministerpräsidenten sehr, sehr schwergefallen. Die Bedenken, die sie gegen dieses Institut hatten und die noch fortbestehen, sind die der Mischverwaltung und der Mischverantwortung.
Wie berechtigt diese Bedenken sind, darf ich Ihnen nur an dem Beispiel illustrieren, daß der Haushalt des Bundesforschungsministeriums jetzt um 50 neue Beamtenstellen aufgestockt werden soll, davon 13 allein für den Hochschulbau, und diese Beamten sollen sich wie die Gemeinschaftsaufgabe allein mit der Rahmenplanung befassen. In Nordrhein-Westfalen, einem Bundesland, das ein Drittel der Bundesrepublik ausmacht, sind für dieselbe Aufgabe plus Detailplanung nur 9 Beamte vorgesehen. Wir haben vor der Bürokratisierung und der Mischverwaltung gewarnt. Diese Warnung wird durch das Beispiel illustriert.
Trotzdem: die Länder haben diese entscheidenden Konzessionen gemacht. Aber sie haben eine entscheidende Gegenforderung gestellt; das muß ich auch sagen. Sie haben verlangt, daß das Prinzip des horizontalen Finanzausgleichs — so wie es auch die Bundesregierung vorgeschlagen hatte und wie es auch das Troeger-Gutachten vorgeschlagen hatte
— beibehalten bleibt.
— Ich komme gleich darauf, Herr Kollege.
Aus schwerwiegenden verfassungspolitischen Gründen sind jedenfalls sechs Länder der Auffassung, daß jedes vertikale System im Ergebnis zu einem reinen Zuweisungssystem durch den Bund führt und damit gegen Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes verstößt. Hinweise auf andere Verfassungen nützen nichts; denn nur wir haben den Art. 79 Abs. 3.
Wenn hier gesagt wird, die Länder seien augenblicklich in gegenseitiger Abhängigkeit, dann darf ich darauf hinweisen, daß bei dem Vorschlag, den Sie beschlossen haben und auf den Sie hinzielen, die Länder insgesamt in der Abhängigkeit vom Bunde sind. Das ist das, was die Länder aus verfassungspolitischen Gründen nicht hinnehmen werden. Nur ein Land ist prinzipiell anderer Meinung, ist der Meinung wie Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren. Drei Länder haben erklärt: Wir sind lieber für die Beibehaltung des bisherigen Systems, aber unter der für uns entscheidenden Voraussetzung, daß unsere Lebensfähigkeit dabei gesichert wird.
Die sechs Länder haben Vorschläge unterbreitet zu einer wesentlichen Intensivierung des horizontalen Finanzausgleichs. Das ist ein Ausgleich, der genau wie die Vorstellungen der Bundesregierung auf rund 95 % der durchschnittlichen Steuerkraft hinzielt. Das Opfer, das die finanzstarken Länder damit bringen, beziffert sich in Mark und Pfennig nach dem ersten Vorschlag auf 580 Millionen DM, nach dem letzten Vorschlag auf eine Dreiviertelmilliarde DM.
Darf ich Ihnen erläutern, was das für mein Land bedeutet? Für Hamburg sind das 218 Millionen DM im Jahr, 5 °/o unseres Haushaltsvolumens und fast das Anderthalbfache des Betrages, der in unserer mittelfristigen Finanzplanung für neue Investitionen vorgesehen ist. Ich glaube, diese Zahlen widerlegen eindeutig das Gerede, das man immer noch draußen vor allem hört, hier herrsche ein Besitzstandsdenken der Reichen.
Ich sagte vorhin, daß die Verhandlungen über diesen Kompromiß in einer guten Atmosphäre stattgefunden hätten. Das hindert mich allerdings nicht, zu sagen, daß ihr Ergebnis gleich Null war. Ich kann hier nur den Eindruck widergeben, den wir, die Vertreter des Bundesrates, hatten, nämlich daß die Vertreter der Fraktionen dieses Hohen Hauses die Konzessionen des Bundesrates mit Interesse zur Kenntnis genommen haben, aber nicht bereit gewesen sind, echt darüber zu verhandeln. Kein einziger Gegenvorschlag wurde gemacht, bisher jedenfalls nicht. Es hat sich hier eine gewisse Schwerfälligkeit un-
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serer parlamentarischen Maschinerie gezeigt. Wohin das führt, müssen wir abwarten.
Meine Damen und Herren, ich möchte aber folgendes klarmachen. Man kann vom Bundesrat, wenn der Bundestag hier extreme Positionen bezieht, nicht erwarten, daß er jetzt ein Kompromißangebot nach dem anderen auf den Tisch legt. Das Kompromißangebot der Länder ist im Augenblick durch das Scheitern der Verhandlungen wieder vom Tisch. Das, was später herauskommen wird, müssen wir abwarten. Die Länder und die Herren Ministerpräsidenten — das möchte ich einigen Sprechern der FDP, insbesondere Herrn Genscher und Herrn Dorn, die das heute gerügt haben, sagen — haben jedenfalls alles versucht, um zu einem Gespräch zu kommen, aber vergeblich.
Es ist nun von den beiden Herren gerügt worden, daß die Herren Ministerpräsidenten heute nicht auf der Bundesratsbank gesessen haben. Abgesehen davon, daß in dieser Woche in allen Ländern Haushaltsberatungen stattfinden und ich die parlamentarische Opposition in unseren Ländern einmal hören möchte, wenn ausgerechnet die Ministerpräsidenten dann nicht da wären, möchte ich nur an den erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe erinnern, den gerade die Herren Ministerpräsidenten in den Gesprächen auch mit den Fraktionen dieses Hauses erbracht haben, und an die Mühe, die wir uns in den Ausschüssen gegeben haben. Wenn man das mit dem Ergebnis, das dabei herausgekommen ist, vergleicht, frage ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren: Was hätten denn die Herren Ministerpräsidenten heute hier noch tun sollen?
Für den Bundesrat — das nehme ich auf mich — bin ich hier und heute der Watschenmann, an dem Sie sich notfalls auslassen können.
Herr Senator, das Hohe Haus wird den Vertreter des Bundesrates immer mit dem gebührenden Respekt behandeln.
Dr. Heinsen, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte abschließend sagen: Auch die Länder sind für die Finanzreform.
—'Herr Dr. Barzel, das war — wenn ich das einschalten darf — an die Adresse der FDP gerichtet, die den Vorwurf erhoben hat, die Länder seien hier nicht vertreten gewesen. Das nur zur Klarstellung; es war nicht auf Sie gemünzt.
Auch die Länder sind für eine Finanzreform. Sie sind für eine klare Abgrenzung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern. Sie sind für eine Beseitigung der Unzuträglichkeiten, die sich in der Praxis gezeigt haben. Aber, meine Damen und Herren, das geht nicht alles nur zu Lasten der Länder. Man muß dann auch die Bundesseite betrachten. Mindestens die Mehrheit der Länder ist nicht bereit, einseitig das politische Gewicht der Länder und vor allem — das ist für uns das Entscheidende — das poliische Gewicht der Landtage zugunsten des Bundes verkleinern 'zu lassen. Auch Herr Genscher — in diesem Fall muß ich Ihnen etwas Positives sagen — hat heute morgen erklärt: Das darf keine Einbahnstraße sein. Erlauben Sie mir nur die Anfrage: Wo bleiben denn eigentlich die Vorchläge der FDP für den Gegenverkehr? Auf sie habe ich immer gewartet.
Das verfassungsmäßige Gleichgewicht zwischen Bund und Ländern muß gewahrt werden. Herr Genscher hat heute morgen von der Gewaltenteilung gesprochen, die notwendig ist. Ich unterstreiche das, aber, meine Damen und Herren, zu einer Gewaltenteilung sind Gewalten, anders ausgedrückt: Kräfte, notwendig. Wenn Sie die eine Kraft so aushöhlen, daß nichts mehr übrigbleibt, bleibt auch nichts mehr von einer Gewaltenteilung übrig.
Eine Reform, die diese Grundsätze, die ich soeben kurz umrissen habe, verwirklicht, wird die Zustimmung der Länder finden. Sie werden aber keine Zustimmung zu weiteren Schritten auf einer schiefen Ebene finden, die zwangsläufig, ob Sie das wollen oder nicht — ich unterstelle Ihnen den besten Glauben, meine Damen und Herrn —, in einen Einheitsstaat führt
und die den Landtagen den letzten Rest jeder echten politischen Gestaltungsbefugnis nimmt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Finanzverfassungsreform hat lange auf sich warten lassen, wenn ich einmal den zielstrebigen Ablauf im letzten Jahr außer acht lasse. Ich will auf ihre wechselvolle Geschichte nicht näher eingehen. Aber ich glaube, in dieser Stunde ist erstens festzuhalten, daß ein wesentlicher Auftrag der Regierungserklärung der Regierung der Großen Koalition von diesem Bundestag heute zeitgerecht in zweiter und dritter Lesung erfüllt wird.
Zweitens ist festzuhalten, meine Damen und Herren, daß die Große Koalition sich bewährt hat, und zwar auf einem sehr komplexen Feld der Interessen — Herr Kollege Dorn, hier müssen Sie uns schon mehr als nur Mut bescheinigen —, ja, der Interessengegensätze nicht nur zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, sondern auch unter den Ländern und unter den Gemeinden, und das alles
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Dr. Schmidt
auf dem Hintergrund bedeutsamer gesellschaftlicher
und wirtschaftlicher Spannungen verschiedener Art!
Drittens ist festzuhalten, daß damit für die politische Bewältigung der siebziger Jahre einige Schritte nach vorn getan worden sind, von denen wir hoffen, daß unsere Partner im Bundesrat sie nicht in einer Art von Echternacher Springprozession wieder rückgangig machen werden.
Gewiß, meine Damen und Herren, das Ergebnis langjähriger Beratungen trägt alle Kennzeichen eines mühsam erarbeiteten Kompromisses. Schon das Troeger-Gutachten, die verdienstvolle und hilfreiche Ausgangsbasis dieser Reform, war ein Kompromiß der Sachverständigen. Trotz seiner Legitimation durch den Auftrag der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten der Länder hatte dieses Gutachten nicht die Kraft, die Bundesregierung zu einem Entwurf aus einem Guß zu veranlassen. Die Vorlage der Bundesregierung nahm um des Ausgleichs willen manchen Abstrich bei der ursprünglichen Konzeption vor, aber selbst das wurde von den Ländern nicht einmal honoriert. Sie haben damals nur zu einem bescheidenen Teil der Regierungsvorlage ihre Zustimmung gegeben. Wäre sie im ganzen vorhanden gewesen — Herr Senator Heinsen, heute berufen Sie sich auf Ihre angebliche Zustimmung zu der Vorlage —, hätten Sie damals die Zustimmung gegeben, Ihre Position wäre hier im Bundestag sicherlich sehr viel stärker gewesen.
So war es die Aufgabe des Bundestages, stärker, als er es sonst überhaupt gekonnt hätte, verschüttete Bahnen wieder freizulegen, es nicht nur dabei zu belassen, Verfassung und Verfassungswirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen und im übrigen ein wenig an den Symptomen herumzukurieren. Leider, muß ich sagen, ließ sich diese notwendige, wenn auch reichlich unfruchtbare Methode des Kuriers an den Symptomen nicht vermeiden. Wenn die seit Jahren anstehende Länderneugliederung vorankäme — meine Damen und Herren, wir wissen alle: die Geburt der Länder ist weithin das Ergebnis der Kapitulation gewesen. Willkür, Zufall und Chaos haben zum Teil Länder und Ländergrenzen geschaffen — —
— Von Bayern rede ich nicht.
Ich habe gesagt zu einem nicht unerheblichen Teil. Zufall, Willkür, Chaos haben zum Teil Länder und Ländergrenzen geschaffen, die weder von der Geschichte noch von der Funktion und Leistungskraft her optimale Lösungen darstellen.
Meine Damen und Herren, darüber wollen wir uns
in dieser Stunde klar werden: die finanziellen Beziehungen zwischen Bund Ländern wären wesentlich einfacher zu regeln, wenn wir es mit weniger und gleichwertigeren Ländern zu tun hätten. Darauf beruht doch das starke Vorurteil gegen den Föderalismus in unserem Volk. Das könnte wesentlich geringer sein.
Wir kommen an der Tatsache nicht vorbei, daß die gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Situation sich seit der Erlassung des Grundgesetzes, seit 1949, wesentlich verändert hat. Die weltwirtschaftliche Verzahnung und die politische Verknüpfung auf internationalen Ebenen verlangen eine Orientierung im größeren Raum. Heute morgen ist in mehreren Reden immer wieder das Wort vom „Postkutschenzeitalter" gefallen. Meine Damen und Herren, es steht hier sicher nicht die Frage der geistigen Qualität des Postkutschenzeitalters zur Debatte, noch viel weniger die der Bekömmlichkeit dieses Zeitalters — leider nicht! —,
aber es steht hier in Frage, ob wir uns auf einen überzeugenden Großraum hin entwickeln und die Voraussetzungen dafür schaffen. Im Postkutschenzeitalter war der Raum der Bundesrepublik gesellschaftlich und wirtschaftlich gesehen noch ein überzeugender und respektabler Großraum. Das ist er angesichts der Düsenflugmaschine eben leider nicht mehr, und wir müssen einfach in eine Weite und in eine Zukunft vorstoßen, die sich von Relikten der Vergangenheit frei macht.
Meine Damen und Herren, wie ist es zu den Gemeinschaftsaufgaben gekommen? Hier wird doch im wesentlichen gar nichts Neues geschaffen, sondern um der Sache willen Verfassungswirklichkeit mit der Verfassung zur Deckung gebracht. So haben wir auch in der Vergangenheit schon zahlreiche Aufgaben von Bund und Ländern gemeinsam in Angriff nehmen müssen: den sozialen Wohnungsbau, die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell, den Ausbau von Hochschulen,
die Förderung wissenschaftlicher Einrichtungen, die Förderung regionaler Wirtschaftsstrukturen insbesondere in der Landwirtschaft.
Was tun wir? Wir nehmen die Flurbereinigung vor, zunächst einmal in einer Verwaltungsvereinbarung, darüber hinaus aber auch im Gesetz, indem wir die Zuständigkeiten für die Gemeinschaftsaufgaben begrenzen.
Durch das vorliegende Gesetzgebungswerk im ganzen soll eine Finanzverfassung geschaffen werden, die erstens jene Flurbereinigung hinsichtlich der Zuständigkeiten zum Ziel hat. Die Verwaltungsvereinbarung steht unmittelbar vor dem Abschluß. Zweitens sollte die Verfassungswirklichkeit mit der Verfassung endgültig zur Deckung gebracht werden. Drittens sollten die Weichen für eine Neuordnung des Steuersystems gestellt werden. Schließlich sollte den Forderungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts besser Rechnung getragen werden.
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Dr. Schmidt
Entsprechend dem Vorschlag der Bundesregierung sollen künftig als Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern gemeinsam, das heißt je zur Hälfte, finanziert werden: der Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen, die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. An den Ausgaben für wissenschaftliche Forschung von überregionaler Bedeutung kann sich der Bund ebenfalls beteiligen; hier kann sein Finanzierungsanteil von Fall zu Fall vereinbart werden.
Um diesen Schritt nach vorn zu tun, haben die beteiligten Ausschüsse die von der Bundesregierung vorgeschlagene und mit den Ländern vereinbarte Finanzierungskompetenz des Bundes in Art. 104 a Abs. 3 des Grundgesetzes erweitert; demzufolge soll der Bund Finanzhilfen für Investitionen geben, die zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderlich sind.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dahlgrün?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dr. Schmidt, ich bin im Zweifel, ob ich mich nicht irre, und wäre Ihnen für Aufklärung ,sehr dankbar: Ist die dritte Lesung trotz der erfolgten Abstimmung wieder eröffnet, oder worum geht es hier eigentlich?
Hier geht es um eine Schlußerklärung der CDU/CSU zur Abstimmung in der dritten Lesung.
Herr Abgeordneter Schmidt, es kann sich nur um eine Erklärung zu den Entschließungen handeln.
Nach meiner Kenntnis, Herr Präsident, haben die Geschäftsführungen der Fraktionen vereinbart, daß wir jetzt Gelegenheit bekommen, — —
Ja, warum sollen wir nicht die Wahrheit sagen? Wir haben natürlich genau den gleichen Anspruch wie Sie, Herr Dorn, zum Abschluß der dritten Lesung hier Erklärungen abzugeben, — mindestens das gleiche Recht.
Meine Damen und Herren, für den Präsidenten stellt sich die Sache ganz einfach. Es. ist Sache eines jeden Redners, ob er zur Hauptabstimmung sprechen will 'oder ob er zu den Entschließungsanträgen, die dasselbe Thema betreffen, sprechen will. Ich habe das nicht zu kontrollieren.
Im übrigen, Herr Kollege Dahlgrün, darf ich darauf aufmerksam machen, daß dem Vertreter des Bundesrates ja auch Gelegenheit gegeben worden ist, hier zu sprechen. Ich habe also zum mindesten den Anspruch noch auf die Ausführungen des Bundesratsvertreters hier einzugehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dahlgrün? —
Bitte schön, Herr Dahlgrün!
Herr Kollege, sind Sie meiner Meinung, daß der Herr Vertreter des Bundesrates das alles heute morgen hätte vortragen sollen?
Es steht nach der Geschäftsordnung in seinem Belieben, wann er zu uns sprechen will.
Jedenfalls ist die Verhandlung dieses Tagesordnungspunktes noch nicht zu Ende, und er hatte sicherlich das Recht, vor der Beendigung dieses Tagesordnungspunktes, wenn es ihm zweckmäßig erschien, im Rahmen der Verhandlungen über die Entschließungen zu sprechen.
Meine Damen und Herren, ich darf in meiner Erklärung für die CDU/CSU fortfahren. Zugleich habe ich auch als Vorsitzender des Finanzausschusses das Bedürfnis, nachher noch einige Worte zu sagen.
Kernstück der Vorlage in ihrem zweiten Teil ist der große Steuerverbund. Dieser löste, wie soeben Herr Senator Heinsen ausdrücklich erklärt hat, den horizontalen Finanzausgleich ab, den der Regierungsentwurf noch vorsah. Das ist ein ganz entscheidendes Kernstück der Finanzverfassungsreform, über das wir uns sicherlich noch sehr eingehend mit den Vertretern des Bundesrates auseinandersetzen werden. Was uns dabei geleitet hat, ist kurz gesagt der Umstand, daß das Verhältnis der Länder zueinandér seit langem dadurch vorbelastet ist, daß immer wieder zwischen den gebenden und den nehmenden Ländern gesprochen werden muß, als ob es gewissermaßen zur Staatlichkeit der Länder gehört, einander in Abhängigkeit zu halten zum Nachteil des Ganzen.
Die Länder und meines Erachtens wir alle im Deutschen Bundestag müssen erkennen, daß es nicht um
den Abbau des Föderalismus geht, sondern um
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seine Modernisierung, ohne die er auf die Dauer nicht weiter verteidigt werden kann.
Ich darf hier, ohne mich jetzt schon mit Herrn Senator Heinsen und seiner soeben aufgestellten These auseinanderzusetzen, sagen: Wenn etwas zwischen den Ländern auszugleichen ist, so muß das Gesamtinteresse das beherrschende Motiv sein.
Soweit darüber hinaus die Herstellung und Erhaltung einheitlicher Lebensverhältnisse überhaupt ein begründeter Aspekt der Finanzpolitik sein kann, ist die Horizontale gerade die ungeeignete Ebene für ein solches Unterfangen. Wir halten den Bund für den, der im Zenit steht, wir halten ihn für berufen, durch die Schlüsselgestaltung zur Verteilung der Verbundmasse u. a. auch die Finanzbedürfnisse der einzelnen Länder angemessen zu berücksichtigen.
Wir nehmen dabei durchaus die Möglichkeit in Kauf, daß sich nun die Länder statt miteinander zu streiten, nicht nur untereinander, sondern möglicherweise auch gegen den Bund solidarisieren. Dann ist aber wenigstens das Begehren am zureichenden Ort; dann brauchen sie nicht untereinander und miteinander betteln zu gehen.
Meine Damen und Herren, das Miteinanderstreiten gehört nun einmal zum politischen Geschäft. Ich meine aber, es gäbe dafür auch Regeln der Fairneß. Die einzigen Verbände, die wir zu dieser Reform im Finanzausschuß gehört haben, waren die kommunalen Spitzenverbände, und zwar wegen ihres öffentlichen Ranges. Die Gebietskörperschaften, die sie vertreten, sind immerhin die Gemeinden, in denen wir alle leben und an deren Wohlfahrt wir alle existenziell interessiert sind.
Es war ein sehr fruchtbares und sachliches Gespräch, das wir mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt haben, das weder von Einmütigkeit unter den Verbänden noch etwa von Einmütigkeit unter den Mitgliedern des Finanzausschusses getragen war. Wie könnte das auch anders sein!
Es blieb aber dem Deutschen Städtetag vorbehalten, in Fortsetzung dieses Verfahrens die Szene zum. öffentlichen Tribunal zu machen, als ihm die Mehrheitsbeschlüsse des Ausschusses nicht zusagten. Ich frage mich, ob das wirklich auf weite Sicht das richtige Verfahren eines Deutschen Städtetages ist. Soweit meine Person in Betracht kommt, würde ich das jedenfalls verneinen. Alle Beteiligten wollten und wollen mehr. Das ist nun einmal der Lauf der Dinge. Das bleibt vor und nach der Reform ständig das Begehren.
Nun, der Bund und die Länder werden nach der Konzeption des Reformwerkes mit Wirkung vom 1-. Januar 1970 die Finanzmasse der Gemeinden um etwa 1,850 Milliarden DM verstärkt haben. Ich finde, das ist ein Wort. Wer mehr fordert, muß sehen, woher er es beschaffen kann: so hätte ich noch vor einigen Tagen gesagt. Nachdem aber der Finanzplanungsrat am vergangenen Freitag getagt hat, steht nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums fest — und die Presse hat es in ausführlichen Darstellungen bestätigt —, daß die Gemeinden für 1969 insgesamt über ihre Haushaltsansätze hinaus mindestens 1 Milliarde, möglicherweise aber 1,3 Milliarden DM mehr für Investitionen und hoffentlich auch zur Schuldentilgung erwarten können. So schnell, meine Damen und Herren, ändern sich die Zeiten!
Darum haben wir uns auch in der Gemeindefinanzverfassungsreform nicht durch diejenigen beeinflussen lassen, die meinten, man könne sich hier auf die quantitative Seite beschränken. Wir haben in dieser Vorlage mit der unabweisbar notwendigen Umschichtung der Steuereinnahmen begonnen. Von dem Gewerbesteueraufkommen werden 40 °/o in eine Gemeindeeinkommensteuer übertragen, und dazu dient eine Umlage zugunsten von Bund und Ländern im Verhältnis 50 : 50. Dieser erste Schritt dient dem Abbau der Gewerbesteuer zwecks Harmonisierung in der EWG im geeigneten Zeitpunkt. Wir in der CDU/CSU halten insbesondere die Mehrwertsteuer für das dann geeignete Austauschinstrument. Vorläufig aber, meine Damen und Herren, haben wir leider ganz andere Sorgen, Sorgen nicht wegen der Integration, sondern wegen der Desintegration, wegen unserer Ausfuhrüberschüsse, und so haben wir die von der Regierung vorgenommene Terminierung der Umlage zunächst einmal für überflüssig gehalten, bis sich der Zeitpunkt der Umstellung aktualisiert. Hier und jetzt haben wir es nicht mit den Ausführungsgesetzen zu tun. Einen Teil davon werden wir im frühen Frühjahr lesen können, darunter auch das Gemeindefinanzgeseti.
Hinsichtlich der Schlüsselgrundlagen im Gemeindefinanzgesetzentwurf haben wir uns in der Koalition abstimmen müssen, um die hier und heute allein auf der Tagesordnung stehende wichtigere Verfassungsgrundlage nicht zu gefährden. Diese Verfassungsgrundlage hatte den Vorrang, weil sich die Große Koalition darauf verpflichtet hat, insbesondere Aufgaben zu bewältigen, die in diesem Haus nur mit breitester Mehrheit gelöst werden können.
Von solcher Gewichtigkeit wie diese Finanzreform ist neben ihr in engerem Sinne auch die Haushaltsverfassungsreform zu erwähnen, die heute gleichermaßen zur Verabschiedung ansteht und erstaunlicherweise auch nicht die geringste Wortmeldung, geschweige denn einen Antrag hervorgerufen hat, obwohl hier ganz bedeutsame Veränderungen auch für das Parlament vor sich gehen. Deshalb lassen Sie mich zum Abschluß auf diesen Teil der Vorlage doch noch besonders eingehen.
Der moderne Wirtschafts- und Sozialstaat stellt heute ganz andere Anforderungen an die haushaltswirtschaftliche Ordnung, als es etwa vor über 40 Jahren der Fall gewesen ist. Die private Wirtschaft hat inzwischen ihr Rechnungswesen laufend den Aufgaben und neuen Bedürfnissen angepaßt. In Bund und Ländern wird immer noch die alte Reichshaushaltsordnung aus dem Jahre 1922 angewandt. Der Haushaltswirtschaft der öffentlichen Hand kom-
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men weitaus mehr ordnungspolitische Funktionen zu, als es früher der Fall war. Ich nenne hier nur die umfangreichen Staatsaufgaben auf dem weiten Gebiet der Sozialpolitik, der Steuerung des Wirtschaftsablaufs, auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung und vielen anderen Gebieten mehr. Immerhin verfügt der Staat heute über 40 % des Sozialprodukts.
Die vor uns liegende Haushaltsreform zieht die etatrechtlichen Folgerungen aus dieser Funktionserweiterung. Das Kreditwirtschaftsrecht wird neu geregelt; Mehrjahreshaushaltspläne sind vorgesehen, getrennt nach Investitionen und Verwaltungsaufgaben; Bund und Länder sollen ihre Finanzplanung koordinieren und nach einer einheitlichen Systematik aufstellen.
In einem entscheidenden Punkt, meine Damen und Herren, wird das Verhältnis der Regierung zum Parlament verändert. Das bisherige Vetorecht der Bundesregierung in Art. 113 des Grundgesetzes war wirkungslos. Praktisch wurde es nicht angewandt. Die Regierung konnte erst ein Veto einlegen, wenn das Gesetz verabschiedet war, ohne einen Teil des Gesetzes noch retten zu können. Auf Grund einer bedeutsamen Machtverschiebung im Sinne einer Führungsverantwortung kann die Regierung nun bei ausgabeerhöhenden und -einnahmemindernden Gesetzen verlangen, daß der Bundestag die Beschlußfassung über solche Gesetze aussetzt. Die Regierung muß alsdann innerhalb von sechs Wochen Stellung beziehen. Auch nach der Beschlußfassung hat sie noch weitergehende Rechte als bisher, allerdings mit Fristbindung.
Meine Damen und Herren, mir wäre es sehr lieb, wenn das Haus zur Gänze davon Kenntnis nähme, was sich hier durch unseren Beschluß in dritter Lesung in unserer Verfassung wesentlich verändert hat. Es wäre im übrigen sehr wünschenswert, daß dieses Hohe Haus nun auch die korrespondierenden Bestimmungen seiner Geschäftsordnung, insbesondere § 96, wirkungsvoll dieser Regelung anpaßte, wie das die CDU/CSU-Fraktion schon zu Beginn dieser Legislaturperiode gefordert hat.
Hier ist vor allem eine besondere Verantwortung zur Koordinierung der Ausschüsse des Parlaments wahrzunehmen.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung, meine Damen und Herren. Wahlpolitische Emotionen werden, wie vor einiger Zeit in der Presse zu lesen war, mit der Haushaltsreform nicht freigesetzt; dafür ist die Materie zu sachlich und zu trocken. Aber dennoch kann nicht deutlich genug gesagt werden: Hier schaffen wir ebenso wie mit der Finanzreform ein Werk, das für die Zukunft unseres Volkes von entscheidender Bedeutung ist.
Meine Damen und Herren, die Länder haben eben noch einmal durch den Mund des Herrn Senators Heinsen aus Hamburg erkennen lassen, daß sie die Vorstellungen, die in unserer Reform entwickelt worden sind, für zu weitgehend halten und daß sie sie für nicht vereinbar mit der Staatsqualität der Länder halten. Wir haben darüber von Beginn unserer Beratungen im Finanzausschuß an ein intensives Gespräch mit den Vertretern der Länder geführt. Es hat keine Sitzungen des Finanzausschusses gegeben, in denen nicht wenigstens ein Finanzminister der Länder, häufig zwei, drei und vier, zugegen war. Sie haben jederzeit das Wort bekommen, wenn sie zu uns sprechen wollten. Wir haben jederzeit nicht nur aufmerksam zugehört, wir haben aufmerksam und sorgsam mit ihnen diskutiert.
Ich würde auch nicht sagen, Herr Senator Heinsen, daß in diesem Stadium alle diese Gespräche und Besprechungen gleich Null gewesen seien. Das können Sie bestenfalls von dem zweiten Teil der Besprechungen sagen, die auf den Wunsch der Ministerpräsidenten eingeleitet wurden, die beiden Besprechungen, die sehr kurzfristig vor diesem Termin lagen; Sie haben zur zweiten Besprechung freundlicherweise ein Dokument vorgelegt, in dem eine ganze Reihe von Punkten aufgeführt waren, die sehr unterschiedlich gewichtet Ihren Standpunkt, den Standpunkt der Länder, darlegten.
Sehr verehrter Herr Senator Heinsen, einmal ganz abgesehen davon, wie unerhört schwierig es ist, mit diesem Hause und seinen 500 Mitgliedern, vertreten durch verschiedene politische Führungsstäbe, zu einem Abkommen zu kommen — wir haben davon heute einige Beispiele innerhalb unserer Fraktionen und innerhalb der Koalition erlebt —, und daß dabei sehr schwere Pannen passieren, muß ich Sie, Herr Senator, leider doch darauf hinweisen — da Sie nun schon in die Materie eingestiegen sind —, daß Sie uns in diesem Papier eine Verfassungsänderung vorschlugen, von der bis dahin überhaupt noch nie die Rede war, nämlich den Bundesrat mit den gleichen Rechten und Pflichten eines Gesetzgebers auszustatten wie den Bundestag -- um das einmal auf eine einfache Formel zu bringen —. Ich weiß, daß man das etwas differenzieren kann, Herr Senator, aber wir haben jetzt keine Zeit, das ganze Problem im einzelnen zu erörtern.
Ich kann nur das eine sagen: Das verkannte in so hohem Maße die Funktion und die Stellung dieses Hauses, das durch das Volk direkt gewählt ist,
Ich meine, der Rang einer Volksvertretung sei auch in unserem Grundgesetz eindeutig von einer Vertretung der Länderregierungen abgesetzt.
Ich bedaure sehr, Herr Senator, daß durch Ihre überaus scharfen und pointierten Ausführungen heute eine Atmosphäre geschaffen worden ist, wie jedenfalls wir sie zu allen Zeiten haben vermeiden wollen.
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Dr. Schmidt
Trotzdem, meine Damen und Herren, vertraue ich darauf, daß wir innerhalb und außerhalb der demnächst berufenen Instanzen zueinander finden werden, wenn wir nur genügend darauf achten, was das berechtigte und unabweisbare Begehren des Anderen ist.
Es verbleibt mir noch, und dafür werden Sie Verständnis haben, als Vorsitzender des Finanzausschusses, auch im Namen des Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Herrn Dr. Wilhelmi, der wegen Krankheit nicht unter uns sein kann und dem wir volle Genesung wünschen,
allen zu danken, die zu dem Gelingen dieses schwierigen Werkes beigetragen haben,
— das überlassen Sie bitte mir, wann ich es für richtig halte, als Vorsitzender des Finanzausschusses den Dank auszusprechen! —
an der Spitze dem Herrn Bundesminister der Finanzen und dem Herrn Staatssekretär Professor Dr. Hettlage sowie allen seinen fachkundigen Mitarbeitern, die uns nach Kräften unterstützt haben.
Das gilt gleichermaßen auch von den Mitarbeitern der Ausschüsse. Gestatten Sie mir, daß ich stellvertretend für alle Frau Regierungsdirektorin Dr. Hoepfner-Wetzel erwähne, die sich wieder einmal hervorragend bewährt hat.
Nicht zuletzt danke ich dem Kollegenteam in den zuständigen Ausschüssen und Fraktionsvorständen für die zielstrebige Kooperation.
Meine Damen und Herren, in einer Stadt Altgriechenlands soll es üblich gewesen sein, daß derjenige, der ein neues Gesetz einbringen wollte, sich mit einem Strick um den Hals vor der Volksversammlung auf einen Tisch stellen mußte. Er begründete die Notwendigkeit des Gesetzes; fand er Beifall, dann wurde der Strick weggenommen; fiel das Gesetz durch, dann wurde der Tisch weggezogen.
Meine Damen und Herren, Sie hatten die Freundlichkeit, durch Ihren Beschluß den Tisch nicht wegzuziehen. Nun kann ich mich nur noch an den Bundesrat wenden mit der Bitte: Nehmen Sie den Strick weg und lassen Sie uns nicht hängen!
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich sehr ungewöhnlich, was hier heute geschehen ist. Herr Kollege Lemmer hat mich gefragt, ob ich jetzt auch zur vierten Lesung sprechen wolle. Ich möchte eines feststellen: Der Herr Präsident hat aufgerufen, daß jetzt die Entschließungsanträge behandelt werden sollten. Die Entschließungsanträge hätten dann nach der Geschäftsordnung unseres Hauses begründet werden müssen. Aber ich gehe ja wohl nicht fehl in der Annahme, daß der Kollege Schmidt gar nicht vorgehabt hat, zudiesen Entschließungsanträgen eine Begründung zu liefern, sondern daß er hier die dritte Lesung als Debatte nach der Abstimmung führen wollte.
Als ich den Präsidenten — kurz nachdem der Kollege Schmidt das Wort genommen hatte — fragte, wie er sich eigentlich zu einem solchen Verfahren stelle, hat der Präsident mir das bestätigt, was der Kollege Schmidt in seiner ehrlichen Offenheit hier vorgetragen hat, daß nämlich diese Sachdiskussion in der dritten Lesung erst nach der Abstimmung durchgeführt werden sollte. Meine Frage an 'den Präsidenten: warum? wurde auch von ihm ganz klar dahin beantwortet — und diese Frage ist natürlich interessant für dieses Haus, und wenn man sich die 'Besetzung dieses Hauses ansieht, ist sie auch einleuchtend begründet —, daß, wenn nach der wirklichen dritten Lesung abgestimmt worden wäre, das Haus nicht mehr beschlußfähig gewesen wäre und daß dann schon in dritter Lesung hier nichts mehr zustande gekommen wäre.
Das, meine Damen und Herren, ist nicht einmal mehr eine zahlenmäßig große Koalition,
und die 'Erklärungen, die die Kollegen Könen und Müller ebenfalls nach der Abstimmung und nicht vor der Abstimmung, wie es die Geschäftsordnung vorschreibt, hier abgegeben haben, runden eigentlich nur das Bild dieser Koalition in dieser Frage ab.
Meine Damen und Herren, was Sie hier praktizieren, ist ein Stil der Umfunktionierung des Parlaments, wie wir 'ihn nicht hinnehmen werden!
Herr Abgeordneter Dorn, ich darf zuerst folgendes sagen: Daß die Herren Könen und Müller ihre kurzen Erklärungen von zwei bis drei Minuten erst nach der Abstimmung abgegeben haben, muß ich auf meine Kappe nehmen; es ist mein Versehen. Ich habe es im Drang der Geschäfte übersehen, ihnen das Wort vorher zu geben, wie sie es gewünscht hatten. Sie haben aber dafür Verständnis gehabt, und ich habe ihnen ihr Recht dann natürlich nicht entzogen, sondern sie nachher sprechen lassen. Auf den Termin der Abstimmung hat das im übrigen ja sicherlich nur einen Einfluß von fünf Minuten gehabt. Das andere ist Angelegenheit dieses Hauses. Ich kann kein Mitglied des Hauses zwingen, zu sprechen, und ich kann kein Mitglied 'des Hauses zwingen, nicht zu sprechen. Ich kann höchstens nach 60 Minuten
11084 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Vizepräsident Dr. Jaeger
einem Redner das Wort entziehen. Aber heute hat niemand über 60 Minuten gesprochen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir können jetzt in der allgemeinen Rednerliste fortfahren. Zur Geschäftsordnung wird das Wort nicht mehr gewünscht. — Doch, .der Abgeordnete Rasner wünscht noch das Wort zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben versucht, uns mit den Freien Demokraten darüber zu . verständigen, daß die Erklärungen zum Schluß dieser Debatte nach der Abstimmung abgegeben werden. Bei der „üblichen" Kooperationsbereitschaft des Herrn Dorn war zwar das ganze Haus auf einen Nenner zu bringen, nur natürlich nicht m i t Herrn Dorn! Ich gebe zu, daß normalerweise Erklärungen zur Schlußabstimmung vor der dritten Lesung abgegeben werden. Aber warum sollen wir — wir sind immer noch bei der gleichen Materie — es nicht auch einmal hinterher tun? Herr Kollege Dorn, Vorwürfe dieser Art sind doch nur polemisch und haben mit der Sache gar nichts zu tun.
Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Mertes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle ausdrücklich fest, Herr Kollege Rasner, daß der Kollege Dorn im Auftrag meiner Fraktion gesprochen hat; das hat also mit Kooperation hin und her nichts zu tun.
Hier geht es um ein Verfahren. Dieses Verfahren scheint uns von Ihrer Seite her aus taktischen Gründen gewählt worden zu sein, um noch eine Zweidrittelmehrheit in dritter Lesung bei der Schlußabstimmung zu erreichen. Wenn all die Bedenken, die hier in diesen Erklärungen nach der Abstimmung vorgetragen worden sind, vorher bei Ihren Leuten bekannt gewesen wären, weiß ich nicht, wie die Schlußabstimmung ausgegangen wäre.
Wir fahren in der Rednerliste fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reischl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs eine Bemerkung an die Adresse der Kollegen von der FDP machen, weil sie sich gar so schreckliche Sorgen um den Zusammenhalt der Koalition in dieser Sache machen.
Die Abstimmung wäre, wenn sie jetzt oder meinetwegen auch nach zwei Stunden erfolgt wäre,
genauso ausgegangen; vielleicht wären noch mehr dagewesen als vorher.
— Doch, das glaube ich. Ich glaube, wir sollten mit solchen Mätzchen — anders kann man das nicht nennen — hier nicht arbeiten.
Herr Abgeordneter Dr. Reischl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Moersch? •
Bitte!
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Moersch!
Herr Kollege Reischl, darf ich aus Ihrer soeben abgegebenen Erklärung schließen, daß Ihre Fraktion und die Fraktion der CDU/CSU die Rede des Herrn Senator Heinsen gekannt haben, als sie abgestimmt haben?
Dazu kann ich nur eines sagen: unsere beiden Fraktionen haben durch maßgebende Vertreter an den Verhandlungen mit den Ländern teilgenommen, an denen auch Sie teilgenommen 'haben. Der Inhalt der Rede des Herrn Senator Heinsen war der Sache nach den gesamten Mitgliedern des Hauses aus den Fraktionssitzungen bekannt. Nicht bekannt war uns lediglich der Ton, in dem sie vorgetragen wurde; aber der hätte an unserer Entscheidung nichts geändert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich nun zur Sache kommen. Mit diesem 20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes verabschieden wir eine der umfassendsten und auch bedeutungsvollsten Verfassungsänderungen seit 1949. Es ist nicht eine zusammenhanglose Gruppe von Paragraphen oder Artikeln, die hier geändert wird, sondern es ist ein Stück Reform unserer bundesstaatlichen Ordnung. Das möchte ich gerade auch mit allem Ernst denjenigen sagen, die als Vertreter des Bundesrates hier vom anderen Hause her diese bundesstaatliche Ordnung, zu der wir uns mit aller Klarheit bekennen, mitzutragen haben. Außerdem —das scheint mir eine sehr wichtige Sache zu sein — erfüllt die Große Koalition mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes einen wesentlichen Punkt ihres Regierungsprogramms und beweist damit erneut, daß sie in der Lage ist, derartige große Reformen durchzuführen. Ich möchte sogar hinzusetzen, daß wahrscheinlich nur .eine so breite Mehrheit in der Lage ist, eine so grundlegende Reform durchzuführen. Die Art und Weise, wie die Debatte hier von einigen Seiten geführt wurde, beweist um so mehr, wie notwendig es ist, solche Reformen in dieser Weise durchzuführen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11085
Dr. Reischl
Mit diesem Entwurf ist auch eines geschehen, was in diesem Hause neulich von Herrn Kollegen Dichgans mit Recht verlangt worden ist, daß wir nämlich das Grundgesetz nicht ständig alle Jahre, alle Vierteljahre oder jeden Monat ändern, sondern daß wir alles zusammenfassen, was zu diesem Zeitpunkt anliegt, um dem Haus eine geschlossene Reform vorzulegen. Für die Bestimmungen, die die Kompetenzerweiterung des Bundes betreffen, gilt das ganz besonders. Denn wie soll eine Finanzreform sinnvoll verabschiedet werden, wenn nicht vorher Klarheit über die Kompetenzen von Bund und Ländern geschaffen wird, und zwar auf Jahre geschaffen wird, nicht so, daß man zunächst die Finanzreform verabschiedet und schon nach zwei oder drei Monaten mit einer neuen Grundgesetzänderung kommt, die wiederum die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern verschiebt?
Ich glaube also, daß mit diesem Reformwerk von diesem Hause eine geschlossene Sache verabschiedet worden ist, und darf hier eine persönliche Bemerkung anfügen. So ehrenvoll es für mich ist, hier die Schlußerklärung für meine Fraktion abzugeben, so sehr bedaure ich es, daß an meiner Stelle hier nicht mein Freund Alex Möller stehen kann,
der einer der Motoren der Finanzreform in diesem Hause war. Ich glaube, wir sollten uns freuen, daß wir mit der Verabschiedung dieser Vorlage vielleicht ein bißchen mitgeholfen haben, ihn schneller wieder gesund zu machen, und sollten ihm recht gute Besserung wünschen.
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Das Kernstück ist, wie schon gesagt worden ist, die Finanz- und Haushaltsreform. Es geht einfach darum, daß der moderne Industrie- und Sozialstaat eben immer wieder neue Anforderungen an die Organisation des Staatswesens, an die Finanzierung der einzelnen Aufgaben stellt. Wir werden, solange diese Entwicklung im Fluß ist, einfach nicht daran vorbeikommen, in allerdings großen Zeitabständen diese bundesstaatliche Ordnung den Erfordernissen der Zeit anzupassen. Wenn wir glauben, den Föderalismus in seiner Form, die er im Grundgesetz gefunden hatte, auf einen bestimmten Zeitpunkt festschreiben zu müssen, tun wir ihm den allerschlechtesten Dienst.
Denn wenn dieser Föderalismus nicht zeigt, daß er in der Lage ist, fortentwickelt zu werden, und daß auch ein modernes Staatswesen gerade auf föderalistischer Grundlage in geeigneter Weise geführt werden kann, dann werden die Stimmen gegen diesen Föderalismus immer lauter. Ich kann das wohl ruhig sagen; denn ich stamme aus einem Land, das für den Föderalismus ist, und als Bayer bin ich wohl von jedem Verdacht frei, kein Föderalist zu sein. Aber wir müssen uns hier bemühen, den Föderalismus weiterzuentwickeln, und ich sage das gerade an die Adresse der Länder.
Nun will ich ganz kurz auf einige Schwerpunkte eingehen. Der Herr Kollege Schmidt hat das schon in berufener Weise getan, so daß ich mich hier sehr kurz fassen kann. Ich will nur die Auffassung meiner Fraktion dazu umreißen. Ein Schwerpunkt ist die Neuordnung der Aufgabenverteilung, vor allem die Schaffung der Gemeinschaftsaufgaben. Jetzt ist der Verfassungstext auf einem Teilgebiet mit der Verfassungswirklichkeit in Einklang gebracht worden — endlich, muß man sagen. Denn der Grundsatz unseres Grundgesetzes ist ja die Trennung der Bereiche von Bund und Ländern, und dieser Grundsatz war schon bisher vielfach durchbrochen. Ich darf nur daran erinnern, daß durch das Dotationswesen Einbrüche in die Zuständigkeitsverteilung erzielt worden waren, die den Bundesstaat wesentlich mehr zu gefährden drohten als eine Neuordnung des Finanzwesens in diesem Staat. Jetzt ist endlich die Kooperation zwischen Bund und Ländern auch im Grundgesetz verankert, allerdings nur auf klar umrissenen Gebieten. Deswegen war es für meine Fraktion ein bewußt durchgehaltenes Anliegen, beim Enumerationsprinzip zu bleiben. Denn hier wird eine Ausnahme von der Regel geschaffen: ein Zusammenwirken von Bund und Ländern auf dem Gebiet der Verwaltung, wie wir es sonst nicht kennen, in einer völlig neuen Form. Wenn man so etwas einführt, muß ganz klar aus dem Grundgesetz hervorgehen, auf welchen Gebieten das möglich ist. Allerdings ist leider die Zahl dieser Aufgabenbereiche von 9 auf 3 verringert worden. Ich muß sagen, ich bedauere dies, namentlich nach den Verhandlungen, die wir inzwischen auch mit den Ländern erlebt haben. Aber es war kein Zurückschrauben der Reform, sondern wir haben inzwischen andere Wege gefunden, wie man diese Aufgaben auch lösen kann, teils durch eine Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz, teils aber auch durch die Generalklausel des Art. 104 a Abs. 3 für Finanzhilfen des Bundes zur Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse. Hier haben wir also andere Wege suchen und hierbei ganz neue Wege beschreiten müssen. Ich weiß manchmal nicht recht, ob die Ministerpräsidenten der Länder, wenn sie sich das im stillen Kämmerlein überlegen, heute nicht bedauern, daß sie damals nicht einer größeren Zahl von Gemeinschaftsaufgaben zugestimmt haben; denn die Lösung auf dem Weg der Gemeinschaftsaufgabe ist natürlich klarer abgegrenzt als die andere, das muß man sehen.
Nun darf ich zu den Gemeinschaftsaufgaben noch eine kleine Anmerkung machen. Es geht hier um gemeinsame Planung und Finanzierung der Investitionen, aber nicht um die Folgekosten. Mit dieser Frage werden wir uns noch beschäftigen müssen, wenn wir an die Ausführungsgesetze gehen; denn diese Folgekosten spielen ja manchmal gerade die erheblichste Rolle. Ich erinnere nur an den Fall der Universität Bremen, der ja lange genug die Offentlichkeit beschäftigt hat.
Der zweite wichtige Punkt: die Finanzierungskompetenz des Bundes. Hier habe ich schon das Wesentliche gesagt. Sie wird notwendig, weil eben eine weitere Möglichkeit der Kooperation im Wege der Mitfinanzierung gefunden werden mußte, und zwar nicht nur auf dem Gebiet der Konjunktur-
11086 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Dr. Reischl
politik, sondern gerade auch zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Hier handelt es sich um eine durchaus notwendige Vorschrift. Ohne diese Vorschrift könnte der Bund seinen Aufgaben einfach nicht gerecht werden. Es ist richtig, daß gerade diese Bestimmung mit den Ländern sehr umstritten ist. Aber es läßt sich auf andere Weise sonst etwa der gemeindliche Verkehrsausbau, der Wohnungsbau, die Städtesanierung und Dorferneuerung oder der Krankenhausbau durch den Bund nicht mitfinanzieren, wenn nicht eine solche Klausel im Grundgesetz enthalten ist. Deswegen bekennen wir uns zu dieser Generalklausel mit dem Inhalt, wie ich ihn soeben geschildert habe.
Der Große Steuerverbund ist ein altes Anliegen gewesen, das schon der Parlamentarische Rat eingebaut hatte und das an dem Widerspruch der Hohen Kommissare gescheitert war. Wir holen also hier etwas nach, was damals schon notwendig gewesen wäre und nunmehr endlich geschaffen werden kann. Ich will auf die Einzelheiten dieses Großen Steuerverbundes nicht näher eingehen, weil ich .das Haus nicht über Gebühr strapazieren will. Ich will nur darauf hinweisen, daß der große Fortschritt — die flexible Art, in der die Steuerverteilung vom Ausschuß vorgesehen ist — darin liegt, daß die Einkommen- und Körperschaftsteuer wie bisher nach regionalem Aufkommen, die Umsatzsteuer aber nach einer gegebenenfalls zu „veredelnden" Einwohnerzahl verteilt werden soll und auf diese Weise ein echter Ausgleich bereits in dieser vertikalen Weise zwischen Bund und Ländern erreicht wird, so daß der horizontale Finanzausgleich, der ja immer zu einem Tauziehen zwischen den Ländern führte, in Zukunft wegfallen kann. Darin scheint mir der entscheidende Fortschritt dieser Regelung zu liegen, und ich meine, diese Vereinfachung sollten wir alle sehr begrüßen.
Zur Gemeindefinanzreform darf ich sagen, daß die erste Aufgabe hierbei war, die kommunale Finanzmasse zu verstärken; denn die Gemeinden waren tatsächlich stiefmütterlich behandelt worden. Es ist ja der Großen Koalition seit Aufnahme ihrer Arbeit tatsächlich auch gelungen, die Gemeindefinanzmasse mit Inkrafttreten der Finanzreform — wenn sie in Kraft treten wird — um etwa 2 Milliarden DM zu erhöhen. Auch das muß an dieser Stelle mal gesagt werden, um den dauernden Vorwürfen, es sei nicht genug für die Gemeinden getan worden, die Spitze abzubrechen.
Ich darf allerdings für meine Fraktion deutlich sagen, daß wir mit dem Ergebnis noch nicht ganz zufrieden sind. Selbstverständlich sind wir der Meinung, daß später im Rahmen der Steuerreform noch nach weiteren Wegen gesucht werden muß, wie die kommunale Finanzmasse verbessert werden kann. Deswegen bin ich auch der Meinung, daß die vom Herrn Kollegen Schmidt angeschnittene Frage der Gewerbesteuer auch erst in dem großen allgemeinen Aufwaschen der Steuerreform mit bereinigt werden kann, nicht etwa vorweg — um da keinen falschen Zungenschlag in die Sache hineinkommen zu lassen. •
Wir haben schon bei unserer Erklärung zur mittelfristigen Finanzplanung des Bundes 1968 bis 1972 die Bundesregierung aufgefordert, bei der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung und ihrer Abstimmung im Finanzplanungsrat besondere Anstrengungen zur Verstärkung der kommunalen Finanzmasse über das bisherige Maß hinaus zu unternehmen. Wir hoffen, daß es gelingen wird, hier auch noch ,ein weiteres zu tun.
Nach Art. 106 Abs. 5 des Grundgesetzes erhalten aber jetzt kraft Grundgesetzes die Gemeinden künftig einen Anteil an der Einkommensteuer. Das Gesetz kann nur noch die Einzelheiten regeln. Ich darf darauf hinweisen, daß auch hier der zwischen den beiden Koalitionsparteien gefundene Kompromiß, der es uns heute erleichtert, diesem Gesetz schon zu diesem Zeitpunkt zuzustimmen, den Gemeinden wieder eine erhebliche Verbesserung bringt, indem sehr viel weiter in die Progressions-zone hinein die Einkommensteuer auf die Gemeinden verteilt werden soll. Immerhin erhalten die Gemeinden auf diese Weise nach 30 Jahren wieder den Anschluß an die Einkommensteuer als die modernste Steuer. Das scheint mir doch ein sehr, sehr großer Fortschritt zu sein. Die Berechnungen, die der Herr Bundesminister der Finanzen vorgelegt hat, zeigen auch, daß keineswegs so fürchterliche neue Unterschiede zwischen den Gemeinden entstehen, wie das zunächst von einigen Verbänden vermutet worden war.
Der zweite umfangreiche Komplex, auf den ich nur ganz kurz noch eingehen will, ist der der Reform des Haushaltsrechts. Hier ist besonders wichtig die Bestimmung des Art. 109 Abs. 3 des Grundgesetzes, wonach die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auch auf Grundsätze für das Haushaltsrecht der Länder erweitert wird. Hier wird ein Mindestmaß an Rechtseinheit erzielt, ohne die die Haushalte einfach nicht vergleichbar sind ohne die deswegen gesamtwirtschaftliche Entscheidungen über die Haushalte von Bund und Ländern nicht getroffen werden können.
Sehr wichtig ist auch die gewandelte Budgetfunktion, wie sie sich in Art. 115 in Verbindung mit Art. 110 ausdrückt. Der außerordentliche Etat wird abgeschafft. Die staatliche Kreditaufnahme muß sich künftig stärker als in der Vergangenheit nach gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen ausrichten.
Wichtig erscheint uns auch der Art. 112, der eine Eindämmung der über- und außerplanmäßigen Ausgabenbewilligungen durch den Finanzminister bringt, und das zügigere Nachtragsverfahren für den Haushalt, wie es in Art. 110 Abs. 2 a GG vorgesehen ist. Hier ist auf unseren Vorschlag die Bestimmung hineingekommen, daß diese Vorlagen in Zukunft gleichzeitig dem Bundestag und dem Bundesrat zugeleitet werden sollen. Ich erinnere die anwesenden Vertreter des Bundesrates noch einmal an den Appell, den ich bei der Verabschiedung der 18. Änderung des Grundgesetzes an sie gerichtet habe, als ich gesagt habe: Jetzt sind wir dem Bundesrat entgegengekommen in einer wichtigen Frage, und es wäre an der Zeit, daß auch der Bundesrat
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Dr. Reischl
umgekehrt in einer wichtigen Frage dem Bundestag entgegenkommt.
Auch Art. 113 des Grundgesetzes ist so gestaltet worden, daß er, wenn er auch eine Ausnahmevorschrift bleiben wird, doch jetzt in seiner Handhabung einfacher gemacht worden ist, an Fristen gebunden ist, klarer in den Verantwortlichkeiten ist. Infolgedessen ist anzunehmen, daß in Zukunft von ihm Gebrauch gemacht werden wird, wenn tatsächlich übermäßige Ausgaben beschlossen werden sollten.
Was schließlich gerade noch bei der Haushaltsreform besonders wichtig erscheint, ist die Tatsache, daß der Bundesrechnungshof nunmehr durch eine Änderung des Art. 114 des Grundgesetzes etwas näher an das Parlament herangezogen worden ist. Das Parlament kann seine Kontrollfunktion ohne Hilfsorgane einfach nicht ausüben. Damit soll nichts an der neutralen Stellung des Rechnungshofs geändert werden. Er soll der Regierung nach wie vor bei der Haushalts- und Wirtschaftskontrolle helfen. Aber es soll auch dem Parlament zur Verfügung stehen und ihm das Material für eine wirksame Kontrolle liefern.
Nun wird immer wieder gesagt, diese Reform gefährde die bundesstaatliche Ordnung. Das ist uns auch vorhin wieder durch den Vertreter des Bundesrates in einer ziemlich scharfen und in diesem Hause etwas ungewöhnlichen Form vorgetragen worden. Ich muß aber hier namens meiner Fraktion mit aller Klarheit feststellen, daß die Reform, wie wir sie heute beschließen, die bundesstaatliche Ordnung nicht schwächt, sondern sie im Gegenteil fortentwickelt und stärkt.
Ich habe vorhin schon gesagt, daß auch der Föderalismus weiterentwickelt und angepaßt werden muß, wenn er nicht eines Tages an Erstarrung zugrunde gehen soll. Deswegen ist es einfach notwendig, das Finanzverfassungsrecht an die veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen in unserem Staat anzupassen. Ich verstehe deshalb nicht, wieso hier an den Grundfesten des Föderalismus gerüttelt werde. Er wird im Gegenteil gestärkt und wird aus dieser Auseinandersetzung gestärkt hervorgehen.
Zum Abschluß noch ein Wort an den Bundesrat. Ich glaube, der Bundestag hat mit der Verabschiedung dieser Reform heute bewiesen, daß es ihm mit der Reform von Finanz- und Haushaltsrecht bitterernst ist. Er hat in einer — Herr Kollege Schmidt hat das schon sehr eindrucksvoll geschildert —
sehr sorgfältigen Beratung in den beiden — —
— Ich weiß es, Herr Ertl; Sie brauchen es nicht immer zu wiederholen; ich bin nicht schwerhörig.
— Ja nun, bitte, Sie können es ruhig sein; das überlasse ich Ihnen. — Der Kollege Schmidt hat sehr eindrucksvoll dargestellt, wie der Text dieser Änderung in der Auseinandersetzung mit den Ländern und ihren Vertretern beschlossen worden ist.
Jetzt liegt das Programm vor, wie es sich der Bundestag vorgestellt hat. Darum verstehe ich eigentlich nicht ganz, wie Herr Senator Heinsen hingehen konnte und die Tür sozusagen zuschlagen wollte, indem er sagte: Alle Vorschläge, die wir euch in den Vorbesprechungen auf den Tisch gelegt haben, sind jetzt null und nichtig; über die brauchen wir gar nicht mehr zu reden. Jetzt kann man ja erst darüber reden. Jetzt liegt die Konzeption des Bundestages auf dem Tisch,
und wir warten auf die Konzeption des Bundesrates.
Herr Abgeordneter Ertl, ich erteile Ihnen gern das Wort, wenn Sie sich melden. Aber es wäre sehr nett, wenn Sie sich mit Zwischenrufen zurückhielten, damit der Redner bald zu Ende kommen kann.
Ich wäre schon längst zu Ende, wenn mich der Kollege Ertl nicht dauernd durch seine Geräuschkulisse unterbräche.
Herr Abgeordneter Reischl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dahlgrün?
Bitte, gern!
Herr Kollege Dr. Reischl, es würde mich sehr interessieren, von Ihnen zu hören, wie viele Seiten Manuskript Sie für die „vierte" Lesung noch haben.
Ich habe überhaupt keine. Das sind Stichworte, das sind Zettel, auf denen ich einige Stichworte aufgeschrieben habe, und ich spreche wie immer frei. Diese Zettel blättere ich um und spiele damit; aber ich rede keineswegs danach.
— Sie können es sich anschauen, wenn Sie wollen.
Über die Kompromißvorschläge, die hier vorgelegt worden sind, muß doch jetzt erst gesprochen werden. Darüber kann auch ganz anders gesprochen werden, nachdem nun die Konzeption des Bundestages auf dem Tisch liegt.
Zum Abschluß möchte ich den Bundesrat an folgendes erinnern. Der Bundesrat darf sich nicht so gebärden, als sei er eine Ansammlung der Länder. Der Bundesrat ist ein Bundesorgan, das ebenso Wie
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Dr. Reischl
dieses Haus Verantwortung für das Wohl und Wehe der Bundesrepublik Deutschland trägt. An diese Verantwortung möchte ich den Bundesrat erinnern, wenn wir jetzt in die weiteren Verhandlungen gehen werden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte zu dem von dem Herrn Präsidenten aufgerufenen Beratungspunkt sprechen, nämlich zu den Entschließungen. Die FDP hat zwei Entschließungsanträge eingebracht, und es ist eine gute Übung dieses Hauses, daß sie zunächst einmal begründet werden. Dies möchte ich tun.
Der eine Entschließungsantrag *) ist, jedenfalls der Sache nach, in diesem Hause nicht unbekannt. Es handelt sich um die bundeseinheitliche Finanzverwaltung. Wir alle wissen, daß wir in der Weimarer Zeit eine bundeseinheitliche Finanzverwaltung hatten, die ausgezeichnet funktioniert hat. Wir erleben ja im Bundesfinanzministerium und in den Länderfinanzministerien jetzt noch die Rückwirkung einer guten, geordneten und gutgeschulten Finanzverwaltung. Davon leben wir im Augenblick noch, und wir sollten das dankbar begrüßen. Und daher sollten wir darauf hinwirken, daß uns aufs neue die Möglichkeit einer systematischen Steuerverwaltung nach einheitlichen Grundsätzen eröffnet wird.
Wir wissen alle, daß auch der Parlamentarische Rat sich für eine solche bundeseinheitliche Finanzverwaltung eingesetzt hat und daß es nicht an den Deutschen gelegen hat, sondern auf den Einspruch der Alliierten zurückzuführen war, daß wir sie nicht schon längst haben. Meine Herren und Damen, der Einspruch der Alliierten ist nicht mehr zu befürchten, und es liegt jetzt ganz bei uns, das zu tun, was unsere Vorgänger vor 20 Jahren für vernünftig und sinnvoll gehalten haben.
Ich glaube, ich brauche die Gründe nicht im einzelnen vorzutragen. Sie wurden im Parlamentarischen Rat mit großer Intensität diskutiert, und es war nicht nur der FDP-Vertreter Höpker-Aschoff, sondern es waren viele ausgezeichnete Kenner der Finanzverwaltung, die sich dafür eingesetzt haben. Die Hauptgründe waren, daß die einheitliche Wirtschafts- und Steuerpolitik auch eine einheitliche Verwaltung erfordere, daß wir für eine einheitliche Handhabung aller Einzelheiten wie etwa Stundung, Erlaß, Strafrecht, Strafverfolgung und Betriebsprülung zu sorgen haben. Jeder, der ein wenig mit den Dingen zu tun hat oder in die Steuererhebungspraxis verschiedener Länder Einblick hat, wird bestätigen müssen, daß nicht mehr mit Sicherheit die einheitliche Besteuerung gewahrt ist. In der Öffentlichkeit haben wir ja darüber bereits hinreichend Kritik gehört.
*) Siehe Anlage 9
Heute gilt noch mehr als zu jener Zeit, als vom Parlamentarischen Rat die bundeseinheitliche Finanzverwaltung gefordert wurde, das Wort von der Vereinfachung und Verbilligung. Wir leben im Zeitalter der Großaggregate, der Rechenzentren und der Computer. Die Mitglieder des Finanzausschusses haben sich bereits ein solch vollautomatisches Finanzamt angesehen. Wir wissen aus den Beratungen über die Automation der Finanzverwaltung, die in den verschiedenen Ausschüssen stattfinden, wie mühsam es ist, benachbarte Länder für ein großes Rechenzentrum oder einen großen Computer zu gewinnen, weil es immer Verwaltungsschwierigkeiten gibt, weil Verwaltungsvereinbarungen getroffen, ja beinahe Länderabkommen geschlossen werden müssen, um eine notwendige Vereinfachung zu erreichen.
Ich weiß nicht, ob der Herr Kollege Müller von der CSU hier noch im Saal ist.
— Ja.
— Das ist doch nicht denkbar!
Ich wunderte mich schon über den zitierten Bismarck. Aber wenn er von dem „wohlgeordneten Föderalismus" gesprochen hat, so liegt die bundeseinheitliche Finanzverwaltung durchaus noch, ja sogar ganz besonders, im Rahmen des wohlgeordneten Föderalismus.
Meine Herren und Damen, Sie alle wissen, daß diese Frage im Bundestag nicht zum ersten Mal diskutiert wird. Die FDP hat bereits im 1. Bundestag eine Revision des Grundgesetzes in diesem Punkte gewünscht, und mehr als die Hälfte des Hauses, und zwar von allen Parteien, hat sich diesem Antrag angeschlossen; nicht die Zweidrittelmehrheit, die erforderlich gewesen wäre. Es ist dann in der zweiten Legislaturperiode wieder ein Vorstoß erfolgt, und wieder haben Sprecher aller Fraktionen sich zu diesem Anliegen bekannt. Leider hat es auch dann nicht zur Zweidrittelmehrheit gelangt.
Immer und immer wieder haben sich Sachverständige zu dieser Frage geäußert. Ich erinnere nur an das Sachverständigengutachten 1953, wo völlig unabhängige Sachverständige sich mit sieben gegen eine Stimme ebenfalls dafür ausgesprochen haben. Ich glaube, es dürfte kaum mehr ein Zweifel daran bestehen, daß hier ein dringliches Anliegen erfüllt werden soll.
Ich darf Ihnen noch einen Sachkenner der Materie nennen und darf — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — seine Meinung vorlesen, weil ich finde, daß er sehr treffend und klar ausgedrückt hat, was an Vorteilen und Notwendigkeiten in der bundeseinheitlichen Finanzverwaltung liegt — ich sage Ihnen nachher, wer das war —:
Eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung, wie
sie sich unter der Weimarer Reichsverfassung
glänzend bewährt hat, würde die Eigenstaat-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11089
Frau Funcke
lichkeit der Länder nicht berühren, weil, Ertragshoheit und selbständige Haushaltsgebarung der Länder unangetastet bleiben können. Die heutige geteilte Finanzverwaltung von Bund und Ländern ist de facto und de jure eine zwitterhafte Verwaltungsreform, die
— nach Auffassung eben dieses Sachkenners. —
mit erheblichen Mängeln behaftet ist. Eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung würde die einheitliche Durchführung der Steuergesetze besser gewährleisten. Die Verwaltungsarbeit würde vereinfacht und erleichtert. Ferner würde das Bundesfinanzministerium, das die Steuergesetzgebung vorzubereiten und den Bundestag hierbei zu beraten hat, in stärkere unmittelbare Verbindung mit der Praxis kommen.
— Sehr wahr! Das wissen wir alle. —
Ferner würde die Arbeit der steuerberatenden Berufe, der Wirtschaft vereinfacht werden. Die selbständige Länderfinanzverwaltung hat unverkennbare personelle und verwaltungsmäßige Nachteile. Jeder OFD-Präsident hat mit zwei. Finanzministerien, zwei Rechnungshöfen, vier Personalräten zu arbeiten. Außerdem existieren zweierlei Beamten-, Besoldungs-, Versorgungs- und Disziplinarrechte.
Und so geht das weiter.
Meine Herren und Damen, das war kein Geringerer als der frühere Finanzminister Etzel , der aus seiner praktischen Erfahrung hier doch mit einiger Autorität gesagt hat, was er von den Dingen hält.
Da das so ist und ,die in früheren Beratungen die SPD sich mit überwiegender Mehrheit dafür ausgesprochen hat und hier ein Kronzeuge ,der CDU angeführt ist, dürfte es doch nicht so schwer sein, daß wir eine Zweidrittelmehrheit für eine entsprechende Grundgesetzänderung bekommen. Meine Herren und Damen, die Steuerpflichtigen warten darauf, die Steuerbeamten warten darauf, und auch wir sind daran interessiert, der Einheitlichkeit in der Steuererfassung nachzuhelfen.
Lassen Sie mich zugleich — zur Zeitersparnis — auch unseren zweiten Entschließungsantrag t) begründen. Hier geht es darum, daß wir den Willen des Parlaments ausdrücken möchten, daß die Gewerbesteuer, und zwar die Gewerbeertragsteuer, in ,dem Maße abgebaut wird, wie Mehreinnahmen aus der zwangsweise erforderlichen Erhöhung der Mehrwertsteuer bei einer europäischen Koordinierung zu erwarten sind. Wir wissen das Ausmaß nicht, in dem die Umsatzsteuer erhöht werden muß, wenn sich eines Tages auf der europäischen Ebene eine Einigungergibt, aber dieser Spielraum sollte zur Gewerbesteuersenkung benutzt werden. Sie haben allerdings schon ein Stück von dieser möglichen Spanne verspielt, als Sie das Gesetz verabschiedeten, das vorsieht die Steuer von 10 % auf 11 % zu erhöhen. Das wäre nämlich ,ein Volumen von fast 3,5 Milliarden DM gewesen — bezogen .auf das Jahr 1970 —, das dann zur Verfügung gestanden hätte,
*) Siehe Anlage 10 und Frau Kurlbaum-Beyer, wenn Sie immer beklagen, daß wir einfach kein Geld. für das alles hätten, dann muß man eben darauf hinweisen, daß hier schon eine durchaus verfügbare Masse für eine Finanzreform anderweitig verwendet worden ist, anstatt sie, wie es doch ursprünglich einmal unsere Absicht war, für die entsprechende Gemendefinanzreform einzusetzen. Wir möchten daher nun für eine weitere Anhebung, die notwendig sein wird, sicherzustellen, daß parallel damit eine entsprechende Senkung oder Aufhebung der Gewerbeertragsteuer geht, damit diese unorganische und einseitig belastende Steuer allmählich verschwindet.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zunächst zu den beiden Entschließungsanträgen der Fraktion der FDP, die soeben von Frau Funcke begründet worden sind.
Die Frage einer eventuellen Erhöhung der Mehrwertsteuer und in Verbindung damit eines Abbaues der Gewerbesteuer wird einer der Hauptverhandlungspunkte der Steuerreformkommission werden, die am Mittwoch nächster Woche zu ihrer ersten Sitzung zusammentreten wird. Denn mit diesem Punkt ist eine ganze Reihe von Fragen gleichzeitig angeschnitten. Ob allerdings bei einem Abbau der Gewerbesteuer zuerst an die Gewerbeertragsteuer gedacht werden muß oder ob nicht das Element Gewerbeertragsteuer beizubehalten und dafür eher das Element Gewerbekapitalsteuer und Lohnsummensteuer zu eliminieren wäre, darüber sind die Meinungen — ich sage es sehr vorsichtig — sehr, sehr verschieden. Denn gerade die kapitalintensiven Industrien, die hier also in einem hohen Maße steuerpflichtig sind, sind nicht immer die ertragreichsten, und allein von dem Gesichtspunkt auszugehen: Steuern sind Kosten, und wer sie nicht zahlen kann, soll draufgehen, ist sicherlich nicht die Meinung Ihres Entwurfes und könnte auch von mir nicht gebilligt werden.
Aber zu diesem Thema soll eine unabhängige Kommission von Experten, die ohne Weisungen und Bindungen — außer solchen, die sich aus der Materie von selbst ergeben — ihre Arbeit durchführen wird, uns beraten und dann der Regierung der nächsten Legislaturperiode einen Entwurf machen, damit sie in der Lage ist, dem Hohen Hause in der nach den Inächsten Wahlen zustande kommenden Besetzung geeignete Vorschläge für eine große Steuerreform zu machen. Diese große Steuerreform wird allerdings nicht erleben, daß es eine harmonia praestabilita aller Interessen in unserem Lande gibt und daß mit einer großen Steuerreform etwa die Wünsche aller zur allseitigen Zufriedenheit und in idealer Vollkommenheit erfüllt werden können. Wir werden über dieses Thema vielleicht noch etwas weniger optimistisch denken, wenn wir es einmal angepackt haben und mitten in den Verhandlungen sind.
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Bundesminister Dr. h. c. Strauß
Zu dem anderen Antrag: „Die Bundessteuern werden durch Bundesfinanzbehörden verwaltet." Das ist ja bereits in der jetzt verabschiedeten Regelung Wirklichkeit. Was in diesem Antrag nicht gedeckt ist, ist die Frage: Was soll mit den Gemeinschaftssteuern geschehen, von wem sollen die Gemeinschaftssteuern verwaltet werden? Diese Verbrauchsteuern, Zölle, Monopole usw. werden ja ohnehin durch die Bundesfinanzbehörden verwaltet; die anderen Steuern werden durch Länderbehörden verwaltet. Die Frage, die hier in Ihrem Antrag offen bleibt: Von wem sollen die Verbundsteuern verwaltet werden?
Hier möchte ich erklären, daß man sowohl für die eine wie für die andere Lösung gute Argumente anführen kann. Nach reiflicher Prüfung aller mit dieser Materie zusammenhängenden Probleme sind wir im Bundesministerium der Finanzen aber zu der Auffassung gekommen, daß eine Auftragsverwaltung des Bundes für diese Steuern ausreicht, um einen einheitlichen Vollzug zu sichern.
Im übrigen bin ich nicht der Meinung, daß der Bundestag nur verabschieden darf, was vorher in verfassungsmäßig nicht vorgesehenen Organen, etwa hinter verschlossenen Türen, als Kompromiß ausgehandelt worden ist. Ich habe mich deshalb auch einigen Besprechungen widersetzt, weil dieses Haus seinen politischen Willen bekunden und weil dann der ordentliche verfassungsgemäße Gang gewählt werden muß. Andererseits soll man aber auch nicht nach dem Grundsatz handeln, keinen Streit zu vermeiden, Frau Kollegin Funcke, und so viel Belastungspunkte zu schaffen, daß zum Schluß jeder von seinem Standpunkt aus das Beste gewollt hat, aber der Patient dann dabei gestorben ist, nämlich die Finanzreform und die mit ihr verbundenen Probleme.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit nicht noch zu Einzelheiten der vorliegenden und heute verabschiedeten Finanzverfassungsreform Stellung nehmen. Das ist durch den Kollegen Schmidt und den Kollegen Reischl geschehen und im übrigen ja noch während des ganzen Tages in der Debatte erfolgt.
Ich darf, Herr Senator Heinsen, Sie nur bitten — —
— Schade — Ich wollte nur bitten, eine Zahl zu berichtigen, die hier nur auf Grund falscher Information, sicherlich nicht absichtlich genannt worden ist. Das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung hat für den kommenden Haushalt, für 1969, insgesamt 57 Stellen mehr angefordert. Es ist aber falsch zu behaupten, daß diese 57 Anforderungen durch die Einführung der Gemeinschaftsaufgaben verursacht worden seien. Für die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben sind 6 Stellen des höheren Dienstes und 4 Stellen des gehobenen Dienstes, also insgesamt 10 Stellen beantragt worden. Die übrigen 47 Stellen, die von der Bundesregierung im Haushalt 1969 für dieses Ministerium beantragt werden, haben mit der Institution der Gemeinschaftsaufgaben nichts zu tun. Sie hängen ausschließlich mit dem naturgemäß wachsenden Aufgabengebiet dieses Bundesministeriums zusammen, dessen Etat ja auf Vorschlag der Regierung und nach dem Willen dieses Hohen Hauses jährlich mit der größten Steigerungsrate aller Bundesressorts ausgestattet wird. Warum das geschieht, brauche ich bei dieser Gelegenheit nicht zu begründen. Dazu sind genug stichhaltige Gründe in allen Aussprachen vorgetragen worden. Hier gibt es einen Sachzwang, der eine auch von mir nicht gerade leidenschaftlich begrüßte, aber in diesem Falle für die ordnungsgemäße Verwaltung dieser nunmehr über die ZweiMilliarden-Grenze gehenden Mittel unvermeidliche Vergrößerung des Apparates erfordert. Für die Gemeinschaftsaufgaben also nur 10 Stellen.
Im übrigen ist heute vormittag auch nicht gesagt worden — oder nicht mit einer einigermaßen zwingenden Beweiskraft gesagt worden —, was eigentlich an die Stelle der Gemeinschaftsaufgaben, an die Stelle des Zusammenwirkens von Bund und Ländern treten soll. Die reine Bundeskompetenz besagt nämlich hier noch gar nichts. Vor allen Dingen ist mit der Bundeskompetenz in keiner Weise die Finanzierungskompetenz geregelt. Ich möchte mich aber auf diese Einzelheiten hier nicht weiter einlassen, weil darüber schon viel gesprochen worden ist.
Im übrigen gibt es ja nach meiner nunmehr beinahe zwei Jahrzehnte langen parlamentarischen Erfahrung ein festes sagen wir — Ritual, das genauso entwickelt ist wie das Ritual bei Tarifvertragsverhandlungen. Es ist ein ganz feststehendes Ritual mit bestimmten Ausdrücken, indem man dem eigenen Redner zuruft: „Sehr richtig!" und der Redner der anderen Fakultät — also Opposition contra Regierungspartei und Regierungspartei contra Opposition —: „Ganz falsch!" Das gehört zum feststehenden Ritual. Ich nehme das nicht allzu ernst. Aber auch wenn es schon spät ist, würde mich trotzdem meine Phantasie, wenn ich eine hätte,
gern verführen, mir vorzustellen, wie die Rollen hier verteilt wären, wenn die alte Koalition noch bestände und es trotzdem möglich gewesen wäre, eine Finanzverfassungsreform mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit zu beschließen. Ich glaube, daß dann etwa derselbe rednerische Aufwand von seiten der SDP — aber nicht mehr —aufgewendet würde.
— Weniger? Meinen Sie, weil die Quantität dort Ihre Qualität ersetzen würde?
Ich bitte, das nicht allzu ernst zu nehmen.
Aber, ich glaube, Sie würden die meisten der hier getroffenen Regelungen mit derselben Laut- und Stimmstärke rechtfertigen, wie Sie sie heute angegriffen haben. Darüber habe ich nicht den geringsten Zweifel.
Wenn mein sehr verehrter Kollege und Vorgänger Dahlgrün die Möglichkeit gehabt hätte, das von ihm eingeleitete Werk — wie ich hier ausdrücklich
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Bundesminister Dr. h. c. Strauß
sagen muß — und die Arbeitsergebnisse der von ihm eingesetzten Kommission weiterzuentwickeln, um dann das Ergebnis hier zu vertreten, dann könnte er sich kaum anders äußern, als wir es getan haben oder als es die Sprecher der beiden Regierungsparteien getan haben. Aber nach dem feststehenden Ritual war ja ganz klar, daß Sie nein sagen müssen und daß wir dazu ja sagen.
— Müssen? Hier gibt es einen bestimmten Sachzwang, Herr Kollege Ertl, der nicht durch lautstarke
Rhetorik etwa in sich selbst aufgelöst werden kann.
Es ist eine reizvolle Vorstellung von Ihnen: Ich möchte endlich einmal Vorsitzender einer Partei sein, in der man — so wie Sie es sich vorstellen und heute vormittag Herrn Bundeskanzler Kiesinger, Herrn Brandt und mir vorgeworfen haben — die Leute mal so richtig auf Vordermann bringen kann. Die ganze Partei stillgestanden! Habt acht!
Die Augen links! Die Augen rechts!
Eine großartige Vorstellung, Herr Kollege Ertl! Aber in einem kleinen Modell ist sie leichter zu verwirklichen, und darum bitte ich Sie, das einmal vorzumachen.
Wenn wir schon eine abendliche Heiterkeitsstunde hier hätten, dann würde ich Ihnen etwas testieren. Sie kennen ja den in Bonn umlaufenden Witz, daß die FDP beschlossen hat, in Sachen Bundespräsident ihre Entscheidung einstimmig zu treffen: ein Mitglied dieses Hauses, ehemaliger Innenminister, evangelisch, von Beruf Rechtsanwalt und innerhalb dieser Grenzen dann Meinungsfreiheit.
— Das glauben Sie doch selber nicht!
Ich möchte, meine Damen und Herren, in diesen Ausführungen in erster Linie nur ein Wort des Dankes sagen, und zwar den beiden Ausschüssen, die die Hauptlast der Arbeit zu tragen hatten, dem Rechtsausschuß und dem Finanzausschuß. Ganz besonders gilt dieser Dank, den ich im Namen der gesamten Bundesregierung aussprechen darf, dem Herrn Vorsitzenden des Finanzausschusses und den beiden Berichterstattern.
Ich freue mich, Herr Kollege Schmidt, diesen Dank aussprechen zu dürfen, weil es — auch das sei hier erlaubt zu sagen — ein zweiter wesentlicher Bestandteil des Komplexes Finanzreform im größeren Sinne des Wortes ist, der unter Ihrer Ausschußführung bis zur Verabschiedungsreife behandelt werden konnte. Ich denke an die Mehrwertsteuer, die ich bei meinen damaligen Ausführungen auch schon als ein Stück Finanzreform bezeichnet
habe, und jetzt an dieses Werk, das ohne die wirklich fleißige Tätigkeit dieses Ausschusses, der ja unter ungewöhnlichen Schwierigkeiten eine Riesenmaterie zu bewältigen hätte, heute nicht hätte verabschiedet werden können. Hier muß ich auch mit besonderem Dank die einwöchige Klausurtagung erwähnen, die der Finanzausschuß zusammen mit dem Rechtsausschuß unmittelbar nach der Sommerpause abgehalten hat, dank der Kollegen beider Ausschüsse, die auf einen Teil der ihnen zustehenden Urlaubs- und Freizeit verzichtet haben, um die Verabschiedung dieses Werkes zu ermöglichen.
Ich möchte mich auch dem Dank anschließen, den Sie, Herr Kollege Reischl, für Ihren Fraktionsfreund Alex M ö 11 e r ausgesprochen haben. Er war es, der damals bei den Koalitionsverhandlungen — das war Musik in meinen Ohren — die Koalition, beide Koalitionspartner, darauf festgelegt hat, daß diese Koalition nicht in den Bundestagswahlkampf gehen darf, wenn sie nicht vorher die Finanzverfassungsreform und die dazugehörigen Gesetze verabschiedet hat. Auch das muß der Vollständigkeit der Darstellung halber hier auch von mir noch einmal erwähnt werden.
Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung. Was mich naturgemäß an der Finanzreform gerade von meiner politischen Herkunft her immer besonders beschäftigt hat und beschäftigen muß, ist die Bedeutung und Auswirkung dieser Reform für unsere föderative Grundordnung. Ich sage es nicht nur als Lippenbekenntnis, als Façon de parler, daß ich überzeugter Föderalist bin. Ich sage es nicht zum erstenmal, daß mir das föderative System für die Aufgaben unserer modernen Zeit auch heute noch als richtig und notwendig erscheint.
Das gilt für den Aufbau in der Bundesrepublik und ihrer Ausgestaltung, das gilt auch als Modell für das Ziel der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands, und das ist die einzige Strukturform für das Zusammenwachsen Europas, wenn es überhaupt jemals zustande kommen soll.
Ich bin allerdings nicht der Meinung, daß Föderalismus gleichzusetzen ist mit einer Ordnung, die sich mit dem Blick auf einmal gefundene Formen von ihnen nicht mehr zu lösen vermag und nur sie, sozusagen als die einzige Expression der Idee des Föderalismus, anzuerkennen vermag. Die bundesstaatliche Ordnung — ich sage das nicht zum erstenmal und mit großer Sorge, weil ich ein Gegner eines zentralistisch verwalteten Einheitsstaates bin — wird nur dann auf die Dauer Bestand haben, wenn Sie von der Überzeugung des Volkes getragen wird. Dafür muß sie sich aber als fähig dafür erweisen, daß auf ihrer Grundlage die staatlichen Aufgaben aller drei Ebenen — Gemeinden, Länder und Bund — unter den sich immer schneller wandelnden Bedingungen unserer Zeit und unserer Umwelt ausreichend oder wirkungswoll erfüllt werden können. Das Bekenntnis zum Föderalismus muß
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Bundesminister Dr. h. c. Strauß
daher notwendig auch immer das Bekenntnis zu seiner Weiterentwicklung einschließen.
Unsere Lage ist grundlegend anders als die bei der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 — von der Ausgangslage her und auch deswegen, weil die Welt heute andere Lebensbedingungen bietet und andere Aufgaben stellt. Daher ist es schon im Ansatz verfehlt, die Wesensmerkmale und die Funktionsfähigkeit eines föderativen Systems nach damals entwickelten Maßstäben und Kriterien heute noch messen zu wollen.
Außerdem wissen wir — das muß gesagt werden können und dürfen, weil man Tatsachen, gleichgültig, ob sie einem sympathisch oder unsympathisch waren oder sind, nicht unterdrücken darf —, daß die jetzige Form unserer Finanzverfassung durch den Eingriff der damaligen Besatzungsmächte erheblich beeinflußt worden ist. Sie verfolgten ohne Zweifel, was aus der damaligen Zielsetzung und politischen Fernorientierung heraus verständlich ist, aber heute nicht mehr gilt, das Ziel, die Entfaltung und Entwicklung dieses Staates durch viele sich gegenseitig kontrollierende und manchmal auch behindernde Kräfte vor einem allzu stürmischen Wachstum zu bewahren,
um mich noch sehr höflich auszudrücken. Auch aus diesem Grunde ist es falsch, die damals geschaffenen Formen als notwendige Dogmen einer bundesstaatlichen Finanzverfassung von vornherein hinzunehmen.
Wir müssen bedenken, welche Entwicklung sich in den beiden letzten Jahrzehnten vollzogen hat, die 1949 kein Mensch vorausgesehen hat. Wir sind die erste Generation in der menschlichen Geschichte, bei der man von einem echten Akzelerationsprozeß der allgemeinen Entwicklung sprechen kann, von einem Akzelerationsprozeß mit einem zunehmenden Beschleunigungsfaktor. Ich glaube, ich habe es auch hier einmal in diesem Hause gesagt — anderswo sicher —, daß in der naturwissenschaftlich-technischen Entwicklung der Menschheit die letzten 50 Jahre genausoviel an quantitativem Fortschritt gebracht haben wie die Entwicklung von den Uranfängen der Menschheit bis zur Industriegesellschaft des zweiten Jahrzehnts unseres Jahrhunderts.
Es ist eine Verdoppelung eingetreten, und dieser Prozeß wird weitergehen. Wenn man in diesem zweiten Jahrzehnt etwa die Marke 100 erreicht hat und im Jahre 1965 vielleicht die Marke 200, dann wird es nicht mehr weitere 50 Jahre dauern, bis die Marke 300 erreicht sein wird. Wir sind hier in einem lawinenartigen Ablauf, in dem wir die Faktoren der Gestaltung nicht mehr etwa frei bestimmen können. Wir stehen heute unter Sachzwängen, die nicht mehr durch politische Entscheidung aufgehalten oder verändert werden können, die aber von den Trägern der politischen Entscheidung erkannt und in ihre Entscheidungen eingebaut werden müssen. Darum können wir heute sehr wohl — auch bei der hier vorliegenden Materie — sagen, daß wir uns bemühen, die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft systematisch in politischen Entscheidungen auszudrücken, auf vielen Gebieten, so auch auf diesem Gebiet.
Ich möchte meinen, daß die Vorschläge, die heute verabschiedet worden sind, unsere Finanzverfassung gemäß den veränderten Umständen und Erfordernissen in Richtung Zukunft weiterbilden und daß die föderativen Prinzipien dabei gewahrt bleiben. Die Eigenstaatlichkeit der Länder wird nicht gefährdet — wie auch Kollege Reischl vorhin festgestellt hat —
ihre Mitverantwortung für die gesamtstaatlichen Belange aber wird bewußt gestärkt. Ich möchte hier den Münchner Staatsrechtslehrer und ehemaligen bayerischen Kultusminister Professor Maunz zitieren, der kürzlich in einem Aufsatz den Entwurf der Bundesregierung als den geeigneten Weg zur Fortbildung der Finanzverfassung bezeichnet hat, mit dem wörtlichen Zusatz: „ohne daß der Kern des bundesstaatlichen Systems angetastet wird und ohne daß sonstige Grundlagen des geltenden Verfassungsrechts verlassen werden".
Ich habe einen Hinweis auf die Einwirkung der Besatzungsmächte auf die Gestaltung unserer Finanzverfassung gegeben. Ich darf daran erinnern, was der Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates in dritter Lesung angenommen hat: keine verfassungsmäßige Aufteilung der Steuern auf Bund und Länder, vielmehr Aufteilung durch Bundesgesetz; Umsatzsteuer, Einkommen- und Körperschaftsteuer werden gemeinsame Steuern von Bund und Ländern; und: nur ein einheitlicher vertikaler Finanzausgleich. — Diese Regelung der Finanzverfassung wäre damals — ohne alliierte Intervention — geltendes Recht geworden. Ich nehme an, daß sich die Väter des Grundgesetzes damals — unter den Aspekten der Jahre 1948 und 1949 — auch schon überlegt haben, wie eine moderne Finanzverfassung aussehen muß; und die Gründe, die sie damals bewogen haben, können — ob wir das jetzt gern sehen oder nicht — heute noch weniger ignoriert werden, als es damals schon möglich gewesen ist.
Wenn die Behauptung zuträfe, daß die Eigenstaatlichkeit der Länder es erfordere, ihre Einnahmen aus eigenen Steuerquellen zu schöpfen, so müßten im übrigen die steuerschwachen Länder schon längst ihre Eigenstaatlichkeit eingebüßt haben. Einer der Hauptgründe für die Auseinandersetzung liegt ja darin, daß es hier gar keine einheitliche Front: Länderinteressen gegen Bundesinteressen gibt, sondern daß sich steuerstärkere Länder und steuerschwächere Länder gegenüberstehen und daß der Bund auf Grund seines verfassungsmäßigen Auftrages sich der steuerschwächeren Länder zur Erhaltung ihrer Eigenstaatlichkeit annehmen muß. Mehr möchte ich zu diesem Problem, das uns noch öfter beschäftigen wird, nicht sagen.
Ich freue mich, auch dafür danken zu können, daß bei dieser Gelegenheit gleich die notwendigen Verfassungsergänzungen zur Neufassung des Haushaltsrechts verabschiedet werden. Damit haben wir ein weiteres Stück Finanzreform, das verfassungsändernden Charakter hat, rechtzeitig und entgegen der Meinung zahlreicher Zweifler im Lande verab-
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schiedet. Die Zweifel, daß diese Koalition, daß dieses Hohe Haus überhaupt noch eine Finanzverfassungsreform und andere Tele der Finanzreform verabschieden werde, haben bis in die letzten Stunden hinein angehalten, nach dem Glauben: Wenn man es oft genug behauptet, kommt es doch noch zustande. Aber es ist zum Glück anders gelaufen.
Ich nehme dieses Thema, daß sicherlich im Bundesrat, im Vermittlungsausschuß und dann nochmals in diesem Hause und im Bundesrat behandelt werden wird, sehr ernst. Ich möchte aber eines sagen: weder der Bund noch die Länder haben ihre Kompetenzen um ihrer selbst willen. Kompetenzen sind kein Selbstzweck.
Sie sind weder ein Selbstzweck der Bürokratie noch ein Selbstzweck politischer Macht; Kompetenzen sind zum Wohle des gesamten Staatswesens gegeben worden.
Ich habe die Hoffnung, daß alle Beteiligten gemäß dieser Maxime handeln und nicht für die Wahrung früher einmal eingeführter Formen so kämpfen werden, daß ein notwendiges Reformwerk auf der Strecke liegen bleibt. Diese Verantwortung kann niemand in diesem Lande übernehmen. Das möchte ich in aller Deutlichkeit und zum Ausschluß jedes Mißverständnisses gesagt haben. Es gilt, dem Staatsbürger einen überzeugenden Beweis zu liefern, daß hier frei von hintergründigen Machtinteressen, frei von Ambitionen, frei von partikularen Interessen -in gesamtstaatlicher Verantwortung gehandelt wird, und zwar mit dem Blick nach vorn, und daß wir fähig sind, neue Formen zu finden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich mache aus meiner Meinung kein Hehl: wenn wir nicht fähig sind, neue Formen zu erarbeiten und, über manche Schatten springend, neue Formen einzuführen, werden wir in immer größerem Maße das Selbstbestimmungsrecht über uns selbst verlieren.
Wir sind heute schon soweit in unseren kleinen europäischen Nationalstaaten, daß wir das Mitbestimmungsrecht über Fragen an unserer Peripherie fast ganz verloren haben, daß wir kaum etwas mitzureden haben auch bei Dingen, von denen unser Schicksal weitgehend abhängt. Wenn wir die Sachzwänge der modernen Entwicklungen nicht in unsere politischen Entscheidungen einbauen, werden sie über uns hinweggehen. Dann werden wir das, was wir an innerem Selbstbestimmungsrecht noch erhalten haben, zum Schluß nur noch protokollarisch oder auf dem Papier haben. Das sind die Sorgen, die uns bewegen, wenn wir jetzt an einem entscheidenden Abschnitt der Schaffung einer neuen Finanzverfassung stehen.
.Ich habe die Bitte an den Bundesrat, daß er — er wird, nach den Ausführungen von Senator Heinsen zu schließen, sicherlich den Vermittlungsausschuß anrufen — sich als Verfassungsorgan des Bundes bemüht, eine Lösung zu finden, die den heute hier entwickelten, aus der Sache kommenden Aufgabenstellungen gerecht wird, eine Lösung, der dieses
Haus zustimmen kann. Eines wage ich auch zu sagen: Ein Scheitern der Finanzverfassungsreform wäre nicht eine Niederlage einer Regierung oder eine Niederlage einer Koalition oder der ihr angehörenden Parteien; das . wäre eine Niederlage der parlamentarischen Demokratie in diesem Lande.
Wer ein Gegner der parlamentarischen Demokratie ist, der bemüht sich, nachzuweisen, daß sie zu Reformen unfähig ist, weshalb man dann ganz andere Formen der Neuerung herbeiführen müßte. Ich glaube, gerade wir, die Verantwortlichen in Bund und Ländern, haben beiderseits dasselbe Interesse daran, daß die Bundesrepublik, die heute eine große Verantwortung im Wirtschafts- und Sozialgefüge Europas trägt und sich in schwierigen internationalen Situationen auch immer als Helferin und Stützerin erwiesen hat, ihre wirtschaftliche Kraft erhält, festigt und ausbaut. Für die Erhaltung, Festigung und Stärkung unserer wirtschaftlichen Kraft ist das Zusammenwirken einer modernen, funktionierenden Staatsapparatur mit den frei schöpfenden Elementen einer unternehmerischen Privatwirtschaft unerläßlich. Beide sind heute eng aufeinander angewiesen, greifen ineinander über, und keiner kann heute mehr sagen, daß er ohne den anderen in der Lage sei, die Zukunft zu bewältigen.
Meine Damen und Herren, ich verstehe nicht ganz: Befindet sich das Haus in einer erneuten Generalaussprache? — Mir liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion der FDP vor. Ich würde gern über diese Entschließungsanträge abstimmen lassen. Aber ich habe noch drei Wortmeldungen.
Zur Geschäftslage muß ich auf folgendes aufmerksam machen. Eigentlich müßte heute abend noch der Bericht des Wehrbeauftragten in diesem Hause behandelt werden. Außerdem stehen wir vor der Notwendigkeit, das Steueränderungsgesetz 1968, die Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1965, das Gesetz über das Beteiligungsverhältnis an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, das die Deutsche Bundesbahn betreffende Verkehrspolitische Programm für die Jahre 1968 bis 1972 unter allen Umständen heute abend zu verabschieden. Es sind noch eine Reihe von weiteren Punkten zu erledigen. Deshalb möchte ich ausnahmsweise — was ich sonst nicht tue; ich freue mich immer über muntere Aussprache — an das Haus appellieren, mir behilflich zu sein, damit wir das Programm noch heute abend abwickeln.
Herr Abgeordneter Dr. Schmid-Burgk, Sie haben das Wort; aber Sie dürfen auch verzichten.
— Donnerstagnachmittag? Das habe ich mir auch schon überlegt. Ich danke für den Hinweis. Aber das geht leider deshalb nicht, .weil wir einer Reihe von wichtigen Ausschüssen mit wichtigen Vorlagen versprochen haben, daß sie am Donnerstag mit Aus-
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Präsident D. Dr. Gerstenmaier
nahme der Fragestunde durchtagen können, und ich möchte mir doch den Vorschlag erlauben, am Freitag zu einer einigermaßen guten Zeit in die Weihnachtsferien zu gehen.
Kurz und gut, es liegen noch drei Wortmeldungen vor.
— Sie verzichten; ich bedanke mich, Herr Kollege Schmid-Burgk. — Herr Dr. Althammer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Entschließungsantrag Umdruck 549 sprechen und dem Hohen Hause empfehlen, diesen Antrag abzulehnen; denn daraus ergibt sich ganz klar, daß versucht wird, immer mehr Bundeskompetenzen einzuführen.
Wir haben uns heute schon über dieses Problem unterhalten. Hier ist gesagt worden, daß unter Umständen auch die Landessteuern der Bundesverwaltung übertragen werden können. Da zeigt sich doch ganz klar diese Tendenz, deren Gefahren wir heute vormittag schon aufgezeigt haben.
Meine Freunde von der CSU haben ihre Bedenken gegen einzelne Positionen des Verfassungswerks vorgetragen. Wir haben unsere Änderungsanträge dazu gestellt. Trotzdem haben meine Freunde von der CSU und ich für den Gesamtkomplex gestimmt. Das bedeutet aber nicht, daß die von uns beanstandeten Verfassungsänderungen damit etwa akzeptiert seien. Vielmehr halten wir an unserem Standpunkt fest. Nur erscheinen uns die anderen Fragen, die der Finanzverfassungsreform und der Haushaltsrechtsreform, so wichtig und vordringlich, daß wir mit Rücksicht darauf der Gesamtverfassungsänderung zugestimmt haben, immer in dem Wissen, daß noch ein zweiter Akt kommen muß, nämlich der Durchgang durch den Bundesrat. Wir hoffen, daß wir beim Abschluß des Gesetzgebungswerks unsere Bedenken noch einmal zur Geltung bringen können.
Herr Abgeordneter Dr. Stecker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zum Antrag 552 und bitte, den Antrag abzulehnen. Frau Kollegin Funcke, es entspricht wohl nicht den tatsächlichen Kompetenzverteilungen, wenn Sie die Bundesregierung beauftragen wollen, eine Steuer abzubauen; das hat dieses Haus in eigener Machtvollkommenheit und in eigener Veranwortung zu tun. Außerdem wissen Sie, daß eine zweite Voraussetzung noch nicht gegeben ist, nämlich die Steuerharmonisierung, die wir dringend brauchen, für die wir eine Kommission eingesetzt haben und ,auf die wir in der nächsten Legislaturperiode hoffen. Dann werden wir das tun, was wir in dieser Sache für richtig halten. Herr Kollege Schmidt hat schon gesagt, daß auch wir sehr dazu neigen, die Harmonisierung dazu zu benutzen, eine veraltete Gewerbesteuer abzubauen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Abstimmung über die Entschließungsanträge.
Hier ist zunächst der Entschließungsantrag des Ausschusses; er steht auf Seite 2 der Drucksache V/3605. Wer diesem Entschließungsantrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; dieser Entschließungsantrag ist angenommen.
Abstimmung über den Entschließungsantrag Umdruck 549 der Fraktion der FDP. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letztere ist eindeutig die Mehrheit.
— Das ist eindeutig die Mehrheit; der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 552. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Nein, das ist ein bißchen anders. Das ist noch eindeutiger. Der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 552 ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, verlassen wir dieses bedeutsame Gesetzgebungswerk und wenden uns Punkt 5 unserer Tagesordnung zu:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften
— Drucksachen V/3430, V/3007, V/2858, V/3420 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3613 —
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksachen V/3602, zu V/3602 Berichterstatter: Abgeordneter Schulhoff
Ich frage den Berichterstatter für den Haushaltsausschuß, ob er das Wort wünscht.
— Das ist nicht der Fall. — Ich frage den Berichterstatter für den Finanzausschuß, ob er das Wort wünscht.
— Er verzichtet.
Ich rufe zur zweiten Lesung den Art. 1 auf. Keine Änderungsanträge. Wird das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldung. .
— Zu Art. 1?
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Präsident D. Dr. Gerstenmaier
— Sehen Sie, das habe ich vorausgesehen! Aber die Herren Schriftführer sind immer mit den Damen im Bund und sagen dann dem Präsidenten etwas Falsches. Art. 1 steht jetzt zur Debatte. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —.Das ist einstimmig angenommen.
Art. 2: Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 550 *). Zur Begründung hat das Wort Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ein Teil dieses Steueränderungsgesetzes ist durch ein Verfassungsgerichtsurteil veranlaßt, durch das die Gleichstellung der Lohnsteuerpflichtigen mit den Einkommensteuerpflichtigen erreicht werden soll. Es ging darum, daß Eltern, denen als Arbeitnehmer ihre Steuerkarte zu Jahresanfang ausgestellt wird, auch dann das Kind für das ganze Jahr eingetragen bekommen, wenn dieses im Frühjahr 18 Jahre wird, während solche Eltern, die einkommensteuerpflichtig sind, nach den derzeitigen Bestimmungen des Gesetzes ein Kind haben müssen, das mindestens vier Monate lang noch nicht 18 Jahre alt ist. Um diesen Fall hat es ein Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsurteil gegeben. Der Klage der Eltern, die nachträglich zur Einkommensteuer veranlagt wurden und deshalb den Kinderfreibetrag nicht erhielten, wurde stattgegeben. Der Verfassungsrichter hat gesagt: die Lohnsteuer und die Einkommensteuer sind gleichgeartete Steuern, und es kann nicht sein, daß die Steuerpflichtigen ungleich behandelt werden nur deshalb, weil die einen der Lohnsteuer und die anderen der Einkommensteuer unterliegen. So weit das Urteil. Es ist hier sehr deutlich gesagt worden — ich darf Ihnen aus der Urteilsbegründung vorlesen —: Eine solche Verletzung des Art. 3 Abs. 1 liegt vor, wenn vom Gesetzgeber die Gewährung von Freibeträgen für Kinder, die im Besteuerungszeitraum das 18. Lebensjahr vollenden, für veranlagte Einkommensteuerpflichtige und Lohnsteuerpflichtige verschieden geregelt ist. — Deswegen sieht das Gesetz jetzt vor, daß die Gleichstellung erfolgt. Es sieht auch eine Rückwirkung vor, so daß diejenigen, die bereits zur Einkommensteuer veranlagt worden sind und den Nachteil gehabt haben, noch eine Aufhebung bzw. Berichtigung des Bescheides beantragen können. So weit, so gut.
Der gleiche Tatbestand tritt aber bei der Berlin-Vergünstigung ein. Es gibt Arbeitnehmer, die innerhalb der ersten vier Monate des Jahres aus Berlin zurückkehren. Sofern sie nur nach dem Lohnsteuerverfahren veranlagt werden, haben sie für diese Zeit die Vergünstigung. Wenn sie aber nachträglich zur Einkommensteuer veranlagt werden, wird ihnen die Vergünstigung genommen. Wir halten es für logisch und richtig und Rechtens, daß die gleiche Rückbeziehung wie beim Kinderfreibetrag auch für diese Falle zugestanden wird. Leider habe ich mich im Ausschuß damit nicht durchsetzen können. Aber bis heute ist mir nicht klar, warum das, was die Ver-
*) Siehe Anlage 11 fassungsrichter bezüglich der Kinder eindeutig als verfassungswidrig angesehen hat, nicht in gleichem Maße für die Freibeträge aus der Berlin-Vergünstigung gilt, obwohl der äußere Tatbestand der gleiche ist.
Wir bitten Sie daher, auch für diesen Fall — nicht erst in der Zukunft, für 1970, sondern bereits für die laufenden und noch nicht abgeschlossenen Fälle — die Gleichstellung vorzusehen. Wir glauben, daß nach dem Verfassungsgerichtsurteil eine solche Gleichstellung ein zwingendes Gebot ist. Wir können es uns daher nicht leisten, in Karlsruhe wegen des gleichen Tatbestandes zweimal verurteilt zu werden.
Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der Fraktion der FDP abzulehnen. Die Änderung des Berlinhilfegesetzes steht, wie Frau Kollegin Funcke ausgeführt hat, im Zusammenhang mit der allgemeinen Beseitigung von Divergenzen zwischen dem Lohnsteuerverfahren und dem Einkommensteuerveranlagungsverfahren. Es ist vorgesehen, daß die gesamte Neuregelung erstmals ab 1970 anzuwenden ist. Eine allgemeine Vorverlegung dieses Anwendungstermins würde in einer außerordentlich großen Zahl von Steuerfällen eine Wiederaufrollung bereits erledigter Verfahren zur Folge haben. Wegen gewichtiger verwaltungsmäßiger Argumente sollte dies keinesfalls 'in Aussicht genommen werden.
Es besteht kein sachlicher Grund, für Berlin in dieser Beziehung eine Sonderregelung zu treffen. Eine Ausnahme ist nach dem Entwurf nur für den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall vorgesehen, der die Vollendung des 18. Lebensjahres betraf. Nur für diese Gruppe hat das Bundesverfassungsgericht auch hinsichtlich der bestehenden Divergenzen zwischen Lohnsteuer und Einkommensteuer einen verfassungswidrigen Zustand festgestellt. Begrenzt auf die vom Bundesverfassungsgericht behandelte Gruppe ist in dem Entwurf eine Rückwirkung vorgesehen, die alle noch nicht rechtskräftigen und alle nach der Verkündung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts rechtskräftig gewordenen Fälle umfaßt. Zu dieser Gruppe gehört jedoch nicht die zum Berlinhilfegesetz vorgesehene Änderung. Die in dem Entwurf vorgeschlagene Beseitigung der Divergenzen zwischen Lohnsteuer und Einkommensteuer in anderen Fallen als vom Verfassungsgericht entschieden, also insbesondere 'bei Splitting-Verfahren und Berlinhilfegesetz, erfolgt lediglich, um alle eventuell möglichen Einwände gegen diese Ungleichbehandlung auszuschließen. Wesentlich ist aber, daß aus dem Urteil des Verfassungsgerichts zur Kinderermäßigung nicht ohne weiteres geschlossen werden kann, daß auch die anderen in dem Entwurf behandelten Gruppen
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Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
nicht verfassungsmäßig seien. In den letzteren Fällen ist der Sachverhalt ein anderer als in den Fällen der Kinderermäßigung, bei denen die Vollendung des 18. Lebensjahres auch im Lohnsteuerverfahren bereits zu Beginn des Kalenderjahres vorausgesehen werden kann.
Es ist also durchaus möglich, wesentliche Gesichtspunkte dafür vorzutragen, daß die zur Zeit bestehende Divergenz zwischen Lohnsteuer und Einkommensteuer bei Splitting-Verfahren und Berlinhilfegesetz verfassungsgemäß ist. Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP 'auf Umdruck 550. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über .den Art. 2 der Vorlage. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungenangenommen.
Art. 3—, 4 —, 5 —, 6 —, 7 und 8! — Keine Änderungsanträge! Ich mache aber das Haus darauf aufmerksam, daß in Art. 8 die erste Zeile folgendermaßen gelesen werden muß: „Artikel 6 tritt mit Wirkung vom 1. Januar 1969 in Kraft." Das ist natürlich hier ein Druckfehler und wird korrigiert. Insoweit aber keine Änderungsanträge. Einleitung und Überschrift! Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen.—Gegenprobe! — Das Gesetz ist in 'zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Wird das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen! Die Aussprache ist geschlossen.
Wer dem Gesetz indritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In dritter Lesung einstimmig angenommen.
Ich rufe die Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses auf. Hier soll ein Antrag der Fraktion der FDP für erledigt erklärt werden. Das machen wir sonst nicht in dieser Weise, meine Damen und Herren. An sich müßte 'darüber ordnungsgemäß abgestimmt werden. Sind Sie ausnahmsweise damit einverstanden?
— Das war gleichlautend? — Erübrigt sich dann nicht der Antrag des Ausschusses überhaupt? — Wir lassen nicht gern über Anträge von Mitgliedern des Hauses in dieser Weise abstimmen.
Bitte sehr, Frau Abgeordnete Funcke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es handelt sich hier um einen Gesetzentwurf der FDP, der vor anderthalb Jahren eingebracht worden ist. Die Regierung hat sich praktischdiesem Anliegen der FDP angeschlossen und eine ähnliche Vorlage eingebracht. In den Ausschußberatungen ist dann auch noch unser weitergehendes Anliegen in die Vorlage der Regierung hineingekommen. Wir sind also völlig befriedigt und mit 'der Erledigung einverstanden.
Gut, danke vielmals! — Das Haus ist mit dem Antrag des Ausschusses einverstanden. Ich stelle das fest. Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1965
— Drucksache V/3333 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3597 —
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache V/3596 —
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Funcke
Ich frage die Berichterstatter, zunächst den Berichterstatter des Haushaltsausschusses, Herrn Abgeordneten Windelen, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich frage die Berichterstatterin des Finanzausschusses, die Frau Abgeordnete Frau Funcke, ob sie das Wort wünscht. — Die Frau Berichterstatterin verzichtet.
Ich rufe zur zweiten Lesung Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift auf. — Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Dritten Gesetzes über das Beteiligungsver-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11097
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
hältnis an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer
— Drucksache V/3332 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3598 — Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache V/3595 —
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Funcke
Wünscht der Berichterstatter des Haushaltsausschusses, Herr Abgeordneter Windelen, das Wort? — Er verzichtet. Wünscht die Berichterstatterin des Finanzausschusses, Frau Abgeordnete Funcke, das Wort? — Sie verzichtet.
Ich rufe in zweiter Beratung §§ 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift auf. — Wird das Wort. gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses über das von der Bundesregierung eingebrachte, die Deutsche Bundesbahn betreffende Verkehrspolitische Programm für die Jahre 1968 bis 1972
— aus Drucksache V/2494, Drucksache V/3523 —
Berichterstatter: Abgeordneter Tönjes
Abgeordneter Weiland
dazu
Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3594 — Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes
— Drucksache V/2524, Teil II — aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3594 -
Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
bb) Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses
— Drucksache V/3523 —
Berichterstatter: Abgeordneter Tönjes
Abgeordneter Weiland
c) Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Sanierung der Bundesbahn
— Drucksachen V/2524, Teil I, V/3523 —
Berichterstatter: Abgeordneter Tönjes
Abgeordneter Weiland
dazu
Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3594 —Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
Ich frage, ob die Berichterstatter, der Herr Abgeordnete Tönjes und der Herr Abgeordnete Weiland, zu dem Schriftlichen Bericht des Verkehrsausschusses das Wort zu nehmen wünschen. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Tönjes!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Ihnen vorliegenden Bericht — Drucksache V/3523 — hat sich leider ein Fehler eingeschlichen. Auf der ersten Seite, rechte Spalte, wird im zweiten Absatz von einem Fehlbetrag der Deutschen Bundesbahn von 1,5 Milliarden DM im Jahre 1960 und von 2,5 Milliarden DM im Jahre 1967 gesprochen. Diese Zahlen sind nicht richtig. Der Fehlbetrag betrug im Jahre 1960 lediglich 13,5 Millionen DM — also man könnte hier fast von einem ausgeglichenen Haushalt sprechen —, und erst im Jahre 1967 hat er die Höhe von 1,5 Milliarden DM erreicht.
Ich bitte daher, den Bericht wie folgt zu verbessern:
Ihre Verluste sind trotz bedeutender Rationalisierungserfolge auf 1,5 Milliarden DM im Jahre 1967 angestiegen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich frage, ob der Herr Mitberichterstatter das Wort wünscht.
— Er verzichtet.
11098 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich frage, ob der Herr Abgeordnete Haehser als Berichterstatter des Haushaltsausschusses das Wort wünscht.
— Er verzichtet.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache über diesen Bericht.
Zunächst Ziffer 1 des Antrages des Ausschusses in Drucksache V/3523! Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer der Ziffer 1 des Ausschußantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ziffer 1 des Ausschußantrages ist angenommen.
Nun kommen wir zur zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes — Drucksache V/3523 —. Hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 551 *) vor. Zunächst Ziffer 1. Sie bezieht sich auf Art. 1 Nr. 1, § 14. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Aussprache? — Keine Wortmeldungen. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 551 Ziffer 1 Buchstaben a und b zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
§ 14, d. h. die ganze Nr. 1 in der Vorlage. Wird das Wort dazu gewünscht? — Keine Wortmeldungen. Wer der Ziffer 1 in der jetzt geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen!
Ich rufe die Nr. 2 auf. Hierzu liegt von denselben Fraktionen ein Änderungsantrag in Umdruck 551 Ziffern 2 und 3 vor. Wird der Änderungsantrag begründet? — Auf Begründung wird verzichtet. Wird das Wort dazu gewünscht? — Keine Wortmeldung. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Ebenfalls einstimmig angenommen.
Der Änderungsantrag Umdruck 551 ist mit allen Ziffern angenommen.
Wer der Nr. 2 des Art. 1 in der so geänderten Fassung, Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Allgemeine Aussprache! — Herr Abgeordneter Müser.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich in der gebotenen Kürze einige Sätze für die CDU/CSU-Fraktion sagen. Der Deutsche Bundestag hat sich 1961 bei der Novellierung der Verkehrsgesetze für eine Liberalisierung des deutschen Verkehrswesens ausgesprochen. Diesem bedeutenden ersten Schritt
*) Siehe Anlage 12 mußten und müssen weitere Schritte des Gesetzgebers folgen, um annähernd gleiche Wettbewerbsverhältnisse unter den Verkehrsträgern herzustellen. Auch diesem Zweck, die Wettbewerbsverhältnisse anzugleichen, dient der Antrag der CDU/ CSU-Fraktion, im Rahmen des Verkehrspolitischen Programms wenigstens einige wenige Punkte im Bundesbahngesetz zu ändern. Eine umfassende Novellierung des Bundesbahngesetzes muß sicher in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages erfolgen. Jedem in diesem Hause ist klar, daß die Deutsche Bundesbahn als Rückgrat des deutschen Verkehrswesens und als Bundesunternehmen auch künftig nicht völlig von gemeinwirtschaftlichen Aufgaben entbunden werden kann. Wir sollten es als vorteilhaft ansehen, daß wir in der Deutschen Bundesbahn ein Instrument besitzen, das wir zur Erreichung allgemeiner politischer Ziele einsetzen können. Wenn wir es aber mit der Marktwirtschaft im Verkehr ernst meinen, müssen wir konsequenterweise die Deutsche Bundesbahn schadlos halten, soweit sie diese gemeinwirtschaftlichen oder politischen Aufgaben wahrnimmt. Genau dies wollen wir durch die Änderung des § 28 a des Bundesbahngesetzes erreichen.
Eine unabhängige Einigungsstelle soll in Zweifelsfragen klären, ob Anträge der Bundesbahn auf Abgeltung von politischen Auflagen gerechtfertigt sind oder nicht. Das ist sicher auch im Sinne der Haushaltsklarheit und der Haushaltswahrheit. Dies wird auf die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung keine unerwünschten Auswirkungen haben, da die Kostenunterdeckung bei der Deutschen Bundesbahn ohnehin vom Bund als Eigentümer übernommen werden muß. Auf die Leistungsbereitschaft der Eisenbahner wird sich dies jedoch ganz sicher positiv auswirken.
Darf ich an dieser Stelle für meine Fraktion ein Wort des Dankes und der Anerkennung an die Deutsche Bundesbahn und an die Eisenbahner richten. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat in jüngster Zeit vor dem Verkehrsausschuß in sehr überzeugender Weise deutlich gemacht, wie groß die Anstrengungen des Unternehmens Bundesbahn sind, sich an die Erfordernisse des Marktes anzupassen und die innerbetriebliche Rationalisierung konsequent weiterzuführen. Ich darf hier nur einige wenige Stichworte nennen: elektrische Zugförderung, Konzentration der Verwaltung, Rationalisierung und Intensivierung der Flächenbedienung, kombinierter Verkehr im Rahmen einer Transportkette von Haus zu Haus, Städteschnellverkehr, Intercityverkehr, Ausweitung des Gleisanschlußverkehrs, kundennahe Ausgestaltung des kommerziellen Dienstes. Eine besondere, bisher im öffentlichen Dienst beispiellose Leistung ist folgende: Trotz gestiegener Verkehrsleistung hat die Deutsche Bundesbahn in den letzten zehn Jahren den Personalbestand um rund 130 000 Dienstkräfte senken können, das sind rund 25 % des gesamten Personals. Daraus können Sie zugleich entnehmen, daß die Bundesbahn nicht erst seit zwei Jahren alle Anstrengungen unternimmt, ihren Betrieb zu ratio-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11099
Müser
nalisieren und gleichzeitig der Wirtschaft ein attraktives Leistungsangebot zu präsentieren.
Wir anerkennen die enormen Leistungen der Eisenbahner gerade im letzten Jahr. Aber es dürfte auch unbestritten sein, daß die erfreuliche Verbesserung des Wirtschaftsergebnisses ebenso zu einem erheblichen Teil auf die steigende Konjunktur zurückzuführen ist. Vor allem wird hier aber auch deutlich, daß eine bessere Auslastung des Betriebsapparates der Deutschen Bundesbahn bei nur geringen Zusatzkosten zu einer überproportionalen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage führt. Wir sind gewiß, daß die Unternehmensleitung Deutsche Bundesbahn, die Eisenbahner und die Gewerkschaften bei der Deutschen Bundesbahn das Ihre tun werden, um die derzeitigen Schwierigkeiten so schnell wie möglich zu überwinden.
Allerdings, ohne wichtige weitere Entscheidungen auf der politischen Ebene wird es nicht gehen. Dazu gehört nicht zuletzt das Bundes-Verkehrswegeprogramm. Es muß unter allen Umständen vermieden werden, daß durch partielle Entscheidungen volkswirtschaftlich schädliche Überkapazitäten in der Verkehrsinfrastruktur entstehen. Das ist bisher noch stets zu Lasten des Schienenverkehrs gegangen.
Das Verkehrspolitische Programm ist sicher ein bedeutender Ansatzpunkt. Wir müssen weitere Schritte tun. Ich darf hier erwähnen, daß meine Fraktion weitere Vorschläge gemacht hat. Ich erinnere an das Thema Beförderungspflicht, an das Thema Sondervereinbarungen und auch an die Regelung des Kapitaldienstes. Zu dem schwierigen Thema der Wegekostenregelung hat dieses Haus heute auf Anregung der CDU/CSU-Fraktion einen ersten wichtigen Schritt vollzogen. Auch die als Ersatz für die ursprünglich vorgesehene Verbotsliste vorgesehenen 250 Millionen DM für Investitionen zur marktkonformen Umlenkung im Güterfernverkehr sind nicht nur für die Deutsche Bundesbahn hilfreich, sondern sind ganz sicher auch eine volkswirtschaftlich sinnvolle Investition.
Hier sind gerade in letzter Zeit sehr große Worte zur Verkehrspolitik gemacht worden. Sie sehen aber, daß die CDU/CSU-Fraktion dem Hause sehr konkrete, zeitgerechte Vorschläge unterbreitet hat, das Thema Bundesbahn wirklich weiterzuentwickeln.
Wir wollen damit dem bedeutenden Verkehrsunternehmen Deutsche Bundesbahn helfen, die wichtigen Zukunftsaufgaben volkswirtschaftlich optimal zu meistern.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Apel.
Herr Präsident! Meine Damen and Herren! Die Bundesbahn wickelt neuerdings len Containerverkehr zwischen den Seehäfen und lein Binnenland im sogenannten Nachtsprung ab. Anscheinend versuchen wir jetzt auch, Verkehrspolitik im Nachtsprung zu machen, allerdings nicht in „Rosa Zeiten". Insofern möchte ich eigentlich, da Herr Müser so nett und so warmherzig dargestellt hat, wie positiv das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung bereits auf die Bundesbahn gewirkt hat, meine weiteren Ausführungen zu Protokoll geben. *)
Das ist sehr gut.
Jetzt kommt der Herr Abgeordnete Seibert.
— Na ja, also: es ist Redefreiheit in diesem Hause, wann auch immer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will dem Zwischenrufer wenigstens zum Teil Rechnung tragen und im Hinblick auf die vorgerückte Zeit, und nachdem das Parlament heute fast zwölf Stunden in diesem Raum getagt hat, einen Teil meiner Ausführungen zu Protokoll geben *) und mich zusätzlich — —
— Nicht so neugierig, Herr Dr. Imle.
— Schönen Dank! — Ich will mich zusätzlich auf folgende mündliche Ausführungen beschränken.
Im Zusammenhang mit der Diskussion um das Verkehrspolitische Programm und der heutigen Gesetzesvorlage und auch dem Bericht des Ausschusses ist auch die Verringerung des Personalbestandes der Deutschen Bundesbahn um 82 000 Beschäftigte angesprochen worden. In diesem Zusammenhang möchte ich das Hohe Haus auf zwei Tatsachen aufmerksam machen.
Erstens. Seit der Veröffentlichung des Verkehrspolitischen Programms der Bundesregierung im September 1967 wurden bereits etwa 40 000 Bedienstete bei der Bundesbahn eingespart. Inzwischen zeigt sich bei den Bundesbahndirektionen eine Personalverknappung, insbesondere im Verkehrsdienst. Es gibt auch noch andere Bereiche, die eine Personalverknappung zeigen, auf die ich aber hier und heute im einzelnen nicht eingehen will.
In diesem Zusammenhang muß ich aber mit aller Deutlichkeit sagen, daß die vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn geplanten Maßnahmen mit ihren Auswirkungen auf das Personal weder mit den Personalräten noch mit den Gewerkschaften vorher abgeklärt wurden. Diese Vorstellungen des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn wurden vertraulich und geheim behandelt und fanden im Verkehrspolitischen Programm in unveränderter Form ihren Niederschlag. In der Folgezeit ist es daher nicht aus-
*) Siehe Anlage 15
*) Siehe Anlage 16
11100 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Seibert
geschlossen, daß es zu Schwierigkeiten und ernsten Auseinandersetzungen
zwischen dem Vorstand der DB einerseits und den Personalräten und Gewerkschaften andererseits kommen kann.
Über Ihren Einwurf, Herr Müller-Hermann, werden wir uns später unterhalten.
Zweitens. Als zweite Tatsache muß ich herausstellen, daß in der genannten Zahl von 82 000 die Auswirkungen von Arbeitszeitverkürzungen nicht berücksichtigt sind. Ab 1. Januar nächsten Jahres und ab 1. Januar 1971 wird die wöchentliche Arbeitszeit um jeweils eine Stunde verkürzt. Ebenso wurden inzwischen die Arbeitszeitbedingungen im Betriebs- und Verkehrsdienst verbessert. Zusammengenommen werden sich diese Arbeitszeitverbesserungen erheblich auf die theoretisch errechnete Einsparung an Personal auswirken.
Wenn man davon ausgeht, daß die Entwicklung der Arbeitszeitverkürzung dahin führt, daß 1973 weitgehend die 40-Stunden-Woche erreicht sein wird, kann kein Zweifel darüber bestehen, daß dies auch Wirkungen auf die Personaldispositionen bei der Deutschen Bundesbahn auslösen wird. Bei künftigen Diskussionen über die Personalsituation bei der Bundesbahn sollte man die von mir dargelegten Tatsachen nicht übersehen.
Meine Damen und Herren, wenn wir eine nachhaltige Sanierung der Deutschen Bundesbahn erreichen wollen, müssen wir uns unmittelbar nach Verabschiedung der heutigen Vorlagen mit einer Angleichung der Wettbewerbsbedingungen und einer Normalisierung der Konten der Deutschen Bundesbahn beschäftigen. Nicht nur darf die Deutsche Bundesbahn wie im vorliegenden Antrag aufgefordert werden, sich der veränderten Marktlage anzupassen — das geschieht ja laufend —, vielmehr müssen wir völlig verzerrte Marktstrukturen, besonders die Infrastruktur im Verkehr, bereinigen und diese umgekehrt den Tatsachen der Verkehrsträger anpassen.
Es ist daher unumgänglich, daß die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode ein Programm zum Abbau verzerrter Wettbewerbsbedingungen vorlegt und erste Angleichungen herbeiführt. Geschieht dies nicht, dann wird eine echte Sanierung der Deutschen Bundesbahn weiter in die Länge gezogen. Gutachten haben wir in der Tat gewiß genug. Jetzt brauchen wir endlich Beschlüsse!
Ich meine, daß über die notwendigen Schritte einer echten Sanierung der Deutschen Bundesbahn in weiten Kreisen dieses Hauses grundsätzliche Übereinstimmung besteht. Ich hoffe, daß sich das Parlament noch in dieser Periode mit einem Antrag befaßt, der 1. auf eine alsbaldige Normalisierung der Konten, 2. auf eine Verbesserung der Kapitalstruktur und 3. auf eine Stärkung der Ertragskraft der Deutschen Bundesbahn abzielt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unlängst in Bremen eine Fortsetzung seines Programms dergestalt angekündigt, daß 1. ein Teil der Schuldenlast der Deutschen Bundesbahn auf das Konto des Finanzministers gebucht wird, 2. in diesem Sinne die jährlich zu zahlenden 900 Millionen DM Zinsen auf ein erträgliches Maß zurückgeschraubt werden, 3. für den sozial begünstigten Personenverkehr endlich angemessene Ausgleichszahlungen geleistet werden und 4. eine wettbewerbskonforme Wegekostenregelung in die Wege geleitet wird. Herr Dr. Müller-Hermann hat sich am gleichen Ort positiv zur Umschuldung jener Mittel ausgesprochen, die in die Verkehrswege der Bahn und in ihre gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung investiert worden sind.
Wenngleich wir bei der Wegekostenfrage einen Eisberg vor uns haben, der in der Finanzmasse der Umsatzsteuerreform in nichts nachsteht, so darf er von uns doch nicht weiter umschifft werden, meine Damen und Herren, wenn wir den Verkehrsmarkt und die Verkehrspolitik endlich ordnen wollen. Im Gegenteil, eine Zwischenlösung tut not.
Umwälzende Änderungen wollen wir uns davon nicht versprechen. Die Neuordnung des Verkehrs bleibt nach dem notwendigen ersten Schritt dem unabdingbaren weiteren und zweiten Schritt vorbehalten. Ich hoffe, wir gehen ihn so rechtzeitig, daß nicht der ganze Verkehr an der zu späten Operation gestorben ist; denn die dann nutzlosen Operationskosten hätten wir alle zu tragen.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Dr. Imle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt geht das natürlich an die Damen und Herren. Man kann sich in diesem Hause doch manchmal auf nichts verlassen. Heute nachmittag wurde ich bekniet, nicht zu reden. Ich habe gesagt: Das mache ich; ich gebe das, was ich zu sagen habe, zu Protokoll. Und jetzt werden hier noch bedeutende Ausführungen gemacht. Ich will mich den bedeutenden Ausführungen nun keineswegs anschließen, um sie dadurch noch zu unterstreichen. Aber ich möchte eines sagen — vielleicht mit einem Satz obendrüber —: Die heutige Änderung des Bundesbahngesetzes bringt leider noch keine Sanierung, was ja gerade auch Kollege Seibert gesagt hat. Es gibt einen erfreulichen Ansatzpunkt. Das möchte ich aber doch betonen.
Den Rest darf ich zu Protokoll geben *).
Derr Herr Bundesminister für Verkehr hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin leider nicht in der Lage, meine Rede zu
*) Siehe Anlage 17
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11101
Bundesminister Leber
Protokoll zu geben. Ich habe nur einen Zettel, auf dem ein paar Worte stehen. Es bedarf auch gar nicht der Protokollierung durch Abgabe dieser Erklärung. Ich gebe sie hier ab.
Ich möchte mich vor dem Hohen Hause bei allen Damen und Herren, die in den letzten Monaten viel zu dem, was wir heute hier zu verabschieden haben, beigetragen haben, recht herzlich bedanken, bei denen, die hier sind, und bei denen, die nicht mehr hier sein können.
Ich möchte nur noch zwei Dinge der historischen Klarheit wegen sagen. Erstens. Die Deutsche Bundesbahn ist über das erste Stadium, das wir uns vorgenommen haben, schon hinweg. Es lautete: Ihr Defizit darf nicht weiter wachsen. Dies war in den letzten sechs Jahren pro Jahr um eine Viertelmilliarde DM auf 1,5 Milliarden DM gewachsen. Es steht jetzt still und ist rückläufig. Das ist das Ergebnis unserer Bemühungen im letzten Jahr.
Herr Kollege Müser, Sie waren eben so freundlich und haben gesagt: Das war ja früher auchschon! — Nun, das Defizit kann nicht das Ergebnis der konjunkturellen Entwicklung sein, denn die Konjunktur war von 1960 bis 1966, als die Bahn ins Defizit fuhr, mindestens so gut, wie sie im letzten Jahr wieder geworden ist. Es muß also noch andere Ursachen geben, warum die Bundesbahn jetzt davon wieder heruntergekommen ist.
Als zweites möchte ich folgendes sagen.
— Gar nicht, meine Herren, wir sind am. Ende; wir hatten viele Diskussionen. Ich möchte auch nur der Klarheit wegen folgendes sagen. Das 250-MillionenDM-Programm hat beachtlich gewirkt. Es ist gegen die sogenannte Verbotsliste ausgetauscht worden.
Ich habe hier vor 14 Tagen von jemandem gesprochen, der sich um den Verlauf der verkehrspolitischen Debatte von außen her bemüht hat. Ich habe hier einen, der von außen her furchtbar gegen das verkehrspolitische Programm gekämpft hat; er gehört - in den Holzbereich. Er schreibt jetzt: „Wir beabsichtigen, im Rahmen einer Neugestaltung unserer Verladeanlagen unserer Werke entsprechende Gleisanschlüsse zu errichten, durch die lein bedeutender Teil unseres Volumens künftig per Eisenbahn transportiert wird."
Wenn er keinen Widerstand geleistet hätte, hätten wir es alle -ein bißchen leichter gehabt; denn er hatte auch einige Fäden in unserer Nähe. Ich will damit nur sagen: Es wird am Ende wahrscheinlich alles viel besser, als wir -es ursprünglich einmal gedacht haben.
Herr Kollege Müser, die 250 Millionen DM sind, bei allem Respekt vor dem Bemühen der Fraktionen, keine Erfindung im Koalitionsgespräch, sondern da würde ich darüberschreiben: Made by the Minister of Transport. Er hat das eingebracht und den Koalitionen entsprechend geraten.
Ich bin froh darüber, daß es im ganzen so ausgegangen ist. Ich darf mich nochmals bei Ihnen bedanken.
Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, hier in eine Analyse darüber einzutreten, wer die besseren Anregungen für die Lösung der verkehrspolitischen Probleme gegeben hat.
Ich glaube, das, was der Herr Minister eben gesagt hat, beweist zunächst einmal, daß bei der Bundesbahn selbst neue Anstrengungen gemacht worden sind, die unter Nutzung der konjunkturpolitischen Entwicklung auch ihr Betriebsergebnis haben wesentlich bessern können.
Als zweites möchte ich feststellen: Das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung, das ich hier gar nicht kritisch betrachten will, sieht heute anders aus als zu der Zeit, zu der es eingebracht wurde.
Daher können wir heute, wie ich hoffe, von einer gemeinsamen verkehrspolitischen Linie der Koalition sprechen.
Keine weiteren Wortmeldungen mehr. Die Aussprache in dritter Lesung ist geschlossen. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist einstimmig angenommen.
Ich rufe dann -den Entschließungsantrag des Ausschusses auf. Er steht in derselben Drucksache auf Seite 6 unter Ziffer 3 und betrifft gleichzeitig Ziffer 4 des Ausschußantrages. Wer zu-zu-stimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.
Ich komme zu Punkt 9 unserer Tagesordung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen FreibordÜbereinkommen von 1966 vom 5. April 1966
— -Drucksache V/3342 —
Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses
— Drucksache V/3614 —
Berichterstatter: Abgeordneter Meister
11102 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Er verzichtet. Ich bedanke mich.
Ich komme zunächst zur zweiten Beratung. Ändernngsanträge liegen nicht vor. Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache! — Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 10 unserer Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs . eines Gesetzes zur Durchführung einer Statistik über die Personenbeförderung im Straßenverkehr
— Drucksache V/3202 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache V/3626 —Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
b) Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses
— Drucksache V/3622 —Berichterstatter: Abgeordneter Wendelborn
Ich frage die Berichterstatter, ob sie das Worti wünschen. — Die Herren verzichten. Ich bedanke mich.
Zweite Beratung. Das ist Drucksache V/3622: Art. 1,— 2,— 3, — 4, — 5, — 6, — 7 — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht. der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. — Wer diesem Gesetzentwurf in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist in dritter Beratung ebenfalls einstimmig angenommen.
Punkt 11 unserer Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Lemmrich, Rawe und Genossen
betr. Verkehrsausbau in den Gemeinden — Drucksachen V/2203, V/3294 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Imle dazu
— Drucksache V/3444 —Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
Ich frage die Herren Berichterstatter, ob sie das Wort wünschen. — Die Herren verzichten. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten, Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. März 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Mexikanischen Staaten über den Luftverkehr
— Drucksache V/2863 —
Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses
— Drucksache V/3580 —
Berichterstatter: Abgeordneter Matthes
Ich frage, ob der Berichterstatter das Wort wünscht. — Er verzichtet.
Zweite Beratung. Art. 1, — 2, — 3 — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. — Wer zustimmen will, gebe sein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist auch in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich bin darauf aufmerksam gemacht worden, daß der Punkt 13 — zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Textilkennzeichnungsgesetzes — heute abgesetzt werden soll. Da liegt ein Änderungsantrag vor, und offenbar besteht der Wunsch, über diese Sache noch einmal zu reden. Wenn das Haus keine Bedenken hat, empfehle ich, diesem Wunsch zu entsprechen und diesen Punkt abzusetzen. Keine Bedenken? — Der Punkt ist abgesetzt.
Punkt 14 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Lenz , Dr. Mommer und Genossen und den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
— Drucksache V/3036 —
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11103
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache V/3600 —
Berichterstatter: Abgeordneter Picard
Wünscht der Abgeordnete Picard als Berichterstatter das Wort? — Er verzichtet. Ich rufe auf die Art. 1, — 2, — 3 — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? Es wird nicht gewünscht. Wer in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist einstimmig angenommen.
Wir gehen über zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache! — Keine Wortmeldungen. Wer in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig angenommen.
Punkt 15 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 10. September 1964 betreffend die Entscheidungen über die Berichtigung von Einträgen
in Personenstandsbüchern und zu dem Übereinkommen vom 10. September 1964 zur Erleichterung der Eheschließung im Ausland
= Drucksache V/3164 —
Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache V/3603 —
Berichterstatter: Abgeordneter Hansing
Ich frage den Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.
Ich rufe die Art. 1, — 2, — 3, — 4, — die Einleitung und die Überschrift auf. — Wir das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in zweiter Lesungeinstimmig angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache! — Keine Wortmeldungen. Wer in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Punkt 16:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dorn, Dr. Miessner, Ertl, Dr. Rutschke, Porsch, Opitz, Jung, Ollesch, Schmidt , Schultz (Gau-Bischofsheim) und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes
— Drucksache V/3487 —
Ich frage, ob das Wort zur Einbringung gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht. Allgemeine Aussprache! — Keine Wortmeldungen. Die Vorlage soll überwiesen werden an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden — federführend —, an den Innenausschuß zur Mitberatung und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 17:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dorn, Dr. Miessner, Ertl, Dr. Rutschke, Porsch, Opitz, Jung, Ollesch, Schmidt , Schultz (Gau-Bischofsheim) und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen
— Drucksache V/3296 —
Ich frage, ob das Wort zur Einbringung gewünscht wird. — Die Herren verzichten. Allgemeine Aussprache! — Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll an den Innenausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 18:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Schultz , Ollesch, Jung und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
— Drucksache V/3018 —
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Allgemeine Aussprache! — Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll an den Rechtsausschuß — federführend —, den Innenausschuß und den Verteidigungsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 19:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Miessner, Dorn, Dr. Emde und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung
— Drucksache V/3558 —
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhöhung der jährlichen Sonderzuwendung im Jahre 1968
— Drucksache V/3617 —
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Dr. Haas.
11104 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird nicht lange dauern. Zum Inhalt ist ohnedies nicht viel zu sagen. Es ist allenfalls zu sagen, daß das Gesetz ein bißchen spat kam. Aber zum Verfahrensmodus vielleicht ein Wort. Er gefällt uns nicht, er ist ein ziemliches Trauerspiel gewesen, zunächst für die Exekutive, aber zum Teil auch für die Legislative, wenigstens für die Parteien, die die Exekutive hier tragen.
Man muß vorher wissen und muß sich vorher überlegen, wie weit man gehen kann. Daß die Beamtenverbände mehr als 331/3 % wollten, war uns allen bekannt. So geht es aber, glaube ich, nicht, daß dann in dem Augenblick, in dem man sagt: „Für einen Teil der Beamtenschaft sind 331/3 % nicht zumutbar, wir brauchen 40 % und müssen 40 % haben", irgendwelche Leute, die noch nicht einmal dem Hauhaltsausschuß angehören, sagen: „Da wollen wir doch eben mal in den Einzelplänen nachsehen; vielleicht finden wir noch etwas, so daß wir das zulegen können." Und dann wird zugelegt. Dann kommen andere, die sagen: „Unmöglich! Artikel 3 des Grundgesetzes — Gleichheit vor dem Gesetz —ist nicht gewahrt. Wir brauchen die 40 % für alle." Dann wird wieder ein bißchen in den Haushaltsplänen geblättert. Und dann sagt man: „Ach, wir können die 40 % doch auch noch geben. Das geht schon noch."
Dann wird, nachdem draußen im Lande so langsam mit dem Streik — Verzeihung: mit dem Dienst nach Vorschrift — angefangen wird, die Regierung stark unter Druck gesetzt. Und dann sagt man: „Ach Gott, die 40 % werden auch noch gehen; wir müssen sie halt gewähren."
Ich bin damit schon am Ende. Ich meine aber doch, an Hand eines solchen miserablen Beispiels sagen zu müssen: So etwas will wohl nicht nur die Opposition, sondern auch dieses ganze Haus ein zweites Mal nicht mehr sehen.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß doch zwei Sätze zu dem sagen, was Sie, Herr Kollege Haas hier ausgeführt haben. Auf die Einzelheiten, die Sie dargestellt haben und die, wie ich Ihnen gern zugestehe, unvollständig waren, will ich nicht eingehen; ich könnte die Liste dessen, was Sie hier aufgeführt haben, noch erweitern. Aber es ist wohl die Feststellung notwendig, daß sich die Bundesregierung bei ihren Entscheidungen in dieser Sache ausschließlich von ihrer Veranwortung für den Haushalt hat leiten lassen
— ich bin immer noch bei Satz 2 — und keinem
Fall unter dem Druck irgendwelcher Organisationen
oder Gewerkschaften ihre Entscheidungen getroffen hat.
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Der Ältestenrat schlägt vor, beide Vorlagen an den Innenausschuß zu überweisen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
— Was möchten Sie denn? — Sie wollen dagegen stimmen? Gegen die ganze Vorlage? — Ja, wenn man das könnte! Aber, Herr Kollege Hofmann, wenn Sie im nächsten Bundestag sind und dann Zeit genug gehabt haben, die Geschäftsordnung zu studieren, werden Sie auf die Bestimmung gestoßen sein, daß in der ersten Lesung keine andere Abstimmung stattfindet als die über den Vorschlag der Überweisung an den Ausschuß.
Und so ist das beschlossen. Aber immerhin kommt auf diese Weise ins Protokoll, daß Sie eigentlich dagegen sind.
Ich rufe Punkt 20 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
— Drucksache V/3615 —
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? — Keiner beteiligt sich; die Aussprache ist geschlossen.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Gesundheitswesen vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 21:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählung
— Drucksache V/3616 —
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.
Nach dem Vorschlag des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf an den Innenausschuß sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, jetzt käme eigentlich Punkt 22 der Tagesordnung, der Jahresbericht des Wehrbeauftragten. An mich ist der Wunsch heran-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 204. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1968 11105
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
getragen worden, dem Haus den Vorschlag zu machen, diesen Punkt auf Januar zu vertagen.
— Einverstanden. Dieser Punkt wird vertagt.
Die Punkte 23 bis 25 sollen nach Absprache im Ältestenrat am Freitag aufgerufen werden.
Wir kommen damit zu Punkt 26:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung von Teilflächen des ehemaligen Flugplatzes Köln-Ostheim an die Stadt Köln
— Drucksachen V/3406, V/3609 — Berichterstatter: Abgeordneter Strohmayr
Verzichtet der Herr Berichterstatter auf seinen Bericht? — Das ist der Fall. Keine Wortmeldungen. Wird dem Antrag des Ausschusses zugestimmt? .—
Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 27:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung von Teilflächen des ehemaligen alten Flugplatzes Norderney an das Land Niedersachsen
— Drucksache V/3424, V/3610 — Berichterstatter: Abgeordneter Strohmayr
Auch hier verzichtet der Herr Abgeordnete Strohmayr auf seinen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wird dem Antrag des Ausschusses zugestimmt? — Kein Widerspruch; es ist zugestimmt.
Punkt 28:
Beràtung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung des Geländes am Lunesiel in Bremerhaven an die Freie Hansestadt Bremen
— Drucksachen V/3305, V/3611 —Berichterstatter: Abgeordneter Strohmayr
Der Herr Berichterstatter verzichtet auf seinen Bericht. Keine Wortmeldungen. Wird dem Antrag des Ausschusses zugestimmt? — Kein Widerspruch; es ist zugestimmt.
Punkt 29:
Beratung der Übersicht 24 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
— Drucksache V/3620 —
Wird zu dieser Ubersicht das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen. Wird dem Antrag zugestimmt? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 30 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rats zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut
—Drucksachen V/3358, V/3586 — Berichterstatter: Abgeordneter Hölzle
Der Herr Berichterstatter verzichtet. — Wird dem Ausschußantrag zugestimmt? — Kein Widerspruch; angenommen.
Wir kommen zu Punkt 31:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 1009/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker
— Drucksachen V/3400, V/3585 — Berichterstatter: Abgeordneter Hölzle
Auch hier verzichtet der Herr Berichterstatter. — Keine Wortmeldungen. Wird dem Bericht des Ausschusses zugestimmt? — Kein Widerspruch; angenommen.
Nunmehr kommt Punkt 32:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates betreffend die Herstellung und das Inverkehrbringen von Butter
— Drucksachen V/3098, V/3607 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hammans
Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. — Zustimmung? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir für heute am Ende unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 12. Dezember 1968, 14 Uhr, zur Fragestunde.
Die Sitzung ist geschlossen.