Protokoll:
5044

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 44

  • date_rangeDatum: 26. Mai 1966

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:58 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 44. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1966 Inhalt: Fragestunde (Drucksache V/635) Fragen des Abg. Dr. Apel: Finanzierung von Schiffsneubauten auf englischen Werften durch die Bundesregierung . 2065 A Fragen des Abg. Krammig: Aufhebung des Branntweinbegleitscheinverkehrs mit fertigen Spirituosen — Umsatzsteuerpräferenz für Westberliner Spirituosen Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 2065 C Krammig (CDU/CSU) . . . . . 2066 C Cramer (SPD) 2067 A Fragen des Abg. Geiger: Gewährung einer Bundeshilfe für eine Nachreinigungsanlage der Stadt Böblingen — Unterstützung von Garnisonstädten bei der Schaffung kommunaler Einrichtungen 2067 A Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Lohn- und Einkommensteuerpflicht für Schulbeihilfen Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 2067 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 2067 C Frage des Abg. Bühler: Einsatz von Abgasabsauggeräten am Zollamt Weil-Otterbach Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 2068 A Bühler (CDU/CSU) 2068 B Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 2068 B Frage des Abg. Dr. Lenz (Bergstraße) : Unterrichtung des Bundestages über das Echo auf die deutsche Friedensnote Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 2068 C Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 2068 D Frage des Abg. Ertl: Verfahren italienischer Grenzkontrollorgane am Brenner Dr. Carstens, Staatssekretär . . 2068 D Ertl (FDP) 2069 A Frage des Abg. Ertl: Wirtschaftshilfe für Staaten, die die Oder-Neiße-Grenze anerkennen Dr. Carstens, Staatssekretär . . 2069 B Ertl (FDP) 2069 B Rollmann (CDU/CSU) 2069 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Besetzung der Pressereferentenstellen an den auswärtigen Missionen durch Berufsjournalisten Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 2069 D Kahn-Ackermann (SPD) . . . . . 2069 D Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 2070 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2070 C Dr. Rinderspacher (SPD) . 2070 D, 2071 A Bühler (CDU/CSU) . . . . . . . 2070 D Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Aufrechterhaltung der NATO-These der „atomaren Abschreckung" Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 2071 B Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2071 B Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Neue Erkenntnisse auf Grund der Reaktionen auf die Friedensnote der Bundesregierung Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 2071 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2071 D Frage des Abg. Dr. Klepsch: Zulassung von Saatgut der Kartoffelsorte „Bintge" 2072 A Frage des Abg. Dröscher: Verbot der Urlaubsreisen von Soldaten nach Jugoslawien Gumbel, Staatssekretär . . . . 2072 A Kaffka (SPD) 2072 B Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 2072 D Brück (Köln) (CDU/CSU) 2073 A Frage des Abg. Haase (Kellinghusen) : Maßnahmen zur Verbesserung des Schleudersitzes in der F 104 Gumbel, Staatssekretär . . . . . 2073 A Haase (Kellinghusen) (SPD) . . 2073 B Cramer (SPD) 2073 C Frage des Abg. Haase (Kellinghusen) : Umrüstung des bisher in der F 104 G verwendeten Schleudersitzes Gumbel, Staatssekretär . . . . . 2073 D Haase (Kellinghusen) (SPD) . . . 2074 B Dr. Klepsch (CDU/CSU) 2074 C Cramer (SPD) 2074 D Kaffka (SPD) 2075 B Frage des Abg. Haase (Kellinghusen) : Beibehaltung des in der F 104 G verwendeten Schleudersitzes Gumbel, Staatssekretär 2075 B Haase (Kellinghusen) (SPD) . . 2075 C Fragen des Abg. Dr. Effertz: Zusammenlegung der Truppenübungsplätze Vogelsang und Elsenborn Gumbel, Staatssekretär 2075 D Fragen des Abg. Dr. Klepsch: Besondere Belastungen für im Herbst 1966 zum Wehrdienst herangezogene Abiturienten Gumbel, Staatssekretär 2076 A Dr. Klepsch (CDU/CSU) 2076 B Damm (CDU/CSU) . . . . . . 2076 D Josten (CDU/CSU) 2077 A Fellermaier (SPD) . . . . . . 2077 B Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Begriffe „atomare Abschreckung" und „flexible Strategie" Gumbel, Staatssekretär 2077 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 2077 D Genscher (FDP) . . . . . . . 2078 B Berkhan (SPD) . . . . . 2078 C Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966) (Drucksache V/250) — Fortsetzung der zweiten Beratung — Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen V/575, zu V/575); in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksache V/599) Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2079 A, 2096 A, 2100 D Lücke, Bundesminister 2081 A Benda (CDU/CSU) . . . 2082 D, 2087 D Dorn (FDP) 2083 D Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 2084 D Wehner (SPD) 2086 C Busse (Herford) (FDP) 2088 B Dr. Miessner (FDP) 2088 C Brück (Köln) (CDU/CSU) 2090 D Hörmann (Freiburg) (SPD) . . . . 2091 A Mengelkamp (CDU/CSU) 2092 A, 2094 D, 2097 B, 2100 C, 2100 D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 III Dr. Friderichs (FDP) 2092 D Wellmann (SPD) . . . . . . . 2093 D Frau Krappe (SPD) , 2096 B Moersch (FDP) . . . . . . . 2096 D Kubitza (FDP) 2098 C D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 2098 C Collet (SPD) 2100 B Frau Renger (SPD) 2101 B Windelen (CDU/CSU) 2102 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen (Drucksache V/591) Wehner (SPD) 2104 A Borm (FDP) 2109 C von Eckardt (CDU/CSU) 2112 B Walter (FDP) 2114 C Dr. Huys (CDU/CSU) 2116 B Dr. Mende, Bundesminister . . . 2117 C Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (Drucksachen V/583, zu V//583) Wienand (SPD) 2123 D Rommerskirchen (CDU/CSU) . . . 2129 B Ollesch (FDP) . . . . . . . . . 2131 C von Hassel, Bundesminister . . . 2133 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 2140 B Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 2143 A Memmel (CDU/CSU) . . . . . 2145 B Frau Dr. Probst, Vizepräsident . . 2145 C Erler (SPD) . . . . . . . . . 2146 A Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 2146 B Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 2146 C Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache V/600) Seidel (SPD) 2146 D Windelen (CDU/CSU) 2147 D Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 2148 C Hermsdorf (SPD) . . . . . . 2149 A Haushaltsgesetz 1966 (Drucksachen V/606, zu V/606) . . . 2149 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966) (Drucksachen V/250, V/570 bis V/600, V/606) — Dritte Beratung — Frau Dr. Probst, Vizepräsident . . 2150 B Hermsdorf (SPD) . .. . . . . . 2150 B Leicht (CDU/CSU) . . . . . . . 2150 D Dr. Pohle (CDU/CSU), zur GO . . . 2151 A Dr. Arndt (Berlin) (SPD) 2151 B Gewandt (CDU/CSU) 2153 A Dr. Lohmar (SPD) 2153 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 2155 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister . 2156 A Nächste Sitzung 2159 Anlagen 2161 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 2065 44. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach *) 27. 5. Dr. Aigner *) 27. 5. Arendt (Wattenscheid) 27. 5. Bading *) 27. 5. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 27. 5. Dr. Barzel 31. 5. Bauknecht 27. 5. Frau Blohm 26. 5. Frau Brauksiepe 27. 5. Brünen 27. 5. Dichgans *) 26. 5. Dr. Dittrich *) 27. 5. Dröscher *) 26. 5. Dr. Eckhardt 27. 5. Dr. Effertz 26. 5. Eisenmann 27. 5. Frau Dr. Elsner *) 26. 5. Frau Enseling 26. 5. Frieler 2. 7. Fritz (Welzheim) 26. 5. Dr. Furler 29. 5. Gerlach *) 26. 5. Gibbert 27. 5. Dr. Giulini 20. 6. Gscheidle 27. 5. Freiherr von und zu Guttenberg 27. 5. Dr. Hammans 27. 5. Hahn (Bielefeld) 27. 5. Dr. Dr. Heinemann 27. 5. Hörauf 27. 5. Iven 26. 5. Frau Jacobi (Marl) 1. 7. Dr. h. c. Jaksch 13. 6. Dr. Jungmann 30. 6. Frau Kalinke 26. 5. Dr. Kempfler 27. 5. Klinker *) 27. 5. Kriedemann *) 26. 5. Leber 27. 5. Lemmer 27. 5. Lücker (München) *) 26. 5. Mauk *) 26. 5. Dr. von Merkatz 31. 5. Metzger*) 27. 5. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 30. 6. Dr. Morgenstern 30. 6. Müller (Aachen-Land) *) 26. 5. Reitz 27. 5. Richarts *) 26. 5. Riedel (Frankfurt) 27. 5. Dr. Schmid-Burgk 27. 5. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments **) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Schmidhuber 28. 5. Schultz (Gau-Bischofsheim) 27. 5. Seither 31. 5. Seuffert 28. 5. Dr. Sinn 10. 6. Stahlberg 30. 6. Stein (Honrath) 26. 5. Steinhoff 14. 6. Frau Strobel *) 27. 5. Dr. Süsterhenn 27. 5. Teriete 2. 7. Tobaben 27. 5. Dr. Wahl **) 27. 5. Weimer 27. 5. Wiefel 27. 5. Winkelheide 27. 5. Dr. Wörner 26. 5. Frau Dr. Wolf 14. 6. Zerbe 27. 5. Anlage 2 Umdruck 39 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 06 - Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen 1T/250 Anlage, V/575). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 06 02 - Allgemeine Bewilligungen 1. In Tit. 612 - Sondermittel für Aufgaben der Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes - (Drucksache V/250 Anlage S. 30) wird der Ansatz von 38 000 000 DM um 18 000 000 DM auf 20 000 000 DM vermindert. 2. In Tit. 973 - Für die Spitzenfinanzierung des Baues von Turn- und Sportstätten - (Drucksache V/250 Anlage S. 49) wird der Ansatz von 40 000 000 DM um 9 000 000 DM auf 49 000 000 DM erhöht. Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 3 Umdruck 40 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 06 - Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen V/250 Anlage, V/575). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 06 02 wird der Ansatz des Tit. 660 - Förderung der Kultur, soweit es sich um eine repräsen- 2162 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 tative Vertretung des Bundes oder um die Wahrung von Belangen gesamtdeutscher oder internationaler Bedeutung handelt — (Drucksache V/250 Anlage S. 39) von 9 062 000 DM um 275 000 DM auf 9 337 000 DM erhöht. Entsprechend sind die folgenden Einzelansätze in den Erläuterungen zu Tit. 660 zu erhöhen: 1. b) Radio-Symphonieorchester Berlin GbmH auf 800 000 DM 1. c) Philharmonia Hungarica auf 1 375 000 DM 1. f) Geschwister-Scholl-Stiftung, Ulm auf 200 000 DM Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 4 Umdruck 35 Änderungsantrag des Abgeordneten Kubitza zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — (Drucksachen V/250 Anlage, V/575). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 06 02 Tit. 973 — Für die Spitzenfinanzierung des Baues von Turn- und Sportstätten — (Drucksache V/250 Anlage S. 49) wird der Ansatz von 40 000 000 DM um 5 000 000 DM auf 45 000 000 DM erhöht. Bonn, den 16. Mai 1966 Kubitza Anlage 5 Umdruck 41 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — (Drucksachen V/250 Anlage, V/575). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 06 09 — Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln —In Tit. 300 — Für Zwecke des Verfassungsschutzes — (Drucksache V/250 Anlage S. 121) erhält der letzte Absatz des Haushaltsvermerkes folgende Fassung: „Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titers unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 6 Umdruck 67 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung — (Drucksachen V/250 Anlage, V/600). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 60 02 — Allgemeine Bewilligungen — In Tit. 603 wird die Zweckbindung wie folgt neu gefaßt: „Ergänzungszuweisungen nach Artikel 107 Abs. 2 Satz 3 des Grundgesetzes". Die Erläuterungen sind wie folgt zu fassen: „Nach dem Gesetz vom . . . ist der Bund verpflichtet, bei Vorliegen der im Gesetz näher bezeichneten Voraussetzungen den Ländern Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein Ergänzungszuweisungen zu gewähren. Der Betrag ist geschätzt." Bonn, den 25. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 7 Umdruck 77 Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung — (Drucksachen V/250 Anlage, V/600). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 60 02 — Allgemeine Bewilligungen — Bei Tit. 603 wird Absatz 2 der Erläuterungen wie folgt gefaßt: „Die Mittel sind wie folgt zu verteilen: Bayern 20 000 000 DM Niedersachsen 75 000 000 DM Rheinland-Pfalz 40 000 000 DM Saarland 15 000 000 DM Schleswig-Holstein 30 000 000 DM." Bonn, den 26. Mai 1966 Strauß und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 2163 Anlage 8 Umdruck 47 Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/ CSU, FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Haushaltsgesetz 1966 — Drucksachen V/250, V/606 — Der Bundestag wolle beschließen: In § 11 Abs. 2 werden die Worte „soweit dadurch die bewilligten Haushaltsansätze nicht überschritten werden" gestrichen. Bonn, den 17. Mai 1966 Erler und Fraktion Dr. Barzel und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 9 Umdruck 55 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Haushaltsgesetz 1966 (Drucksachen V/250, V/606). Der Bundestag wolle beschließen: § 15 Abs. 1 wird wie folgt gefaßt: „(1) Artikel 10 des Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs vom 20. Dezember 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 2065) gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Betrages von 3 500 000 000 Deutsche Mark der Betrag von 3 640 000 000 Deutsche Mark tritt." Bonn, den 17. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 10 Umdruck 73 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966. Der Bundestag wolle beschließen: 1. hier: Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksache V/573 — Zu Kap. 04 03 — Presse- und Informationsamt der Bundesregierung a) Im Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens — (Drucksache V/250 Anlage S. 28) — wird der Ansatz von 12 500 000 DM um 4 500 000 DM auf 8 000 000 DM gesenkt. Der Haushaltsvermerk erhält folgende Fassung: „Die Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." b) Tit. 314 — Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung auf den Gebieten der Sozialinvestitionen — 2 500 000 DM (Drucksachen V/573 S. 4) wird gestrichen. 2. hier: Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache V/534 — In Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen — wird in Tit. 964 — Ausrüstungshilfe — (Drucksache V/574 S. 4) — der Ansatz um 46,5 Mio DM auf 40,5 Mio DM gekürzt. 3. hier: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache V/575 — In Kap. 06 02 — Allgemeine Bewilligungen — wird in Tit. 612 — Sondermittel für Aufgaben der Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes — (Drucksache V/250 Anlage S. 30) der Ansatz von 38 000 000 DM um 18 000 000 DM auf 20 000 000 DM vermindert. 4. hier: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache V/579 — a) In Kap. 10 02 — Allgemeine Bewilligungen — wird in Tit. 959 — Investitionsbeihilfen für landwirtschaftliche Betriebe (Anpassungshilfe 1966) — (Drucksache V/579 S. 5) der Ansatz um 40 000 000 DM auf 37 600 000 DM gekürzt. b) In Kap. 10 03 — Marktordnung — wird in Tit. 620 — Zuschüsse an die Einfuhr- und Vorratsstellen für Getreide und Futtermittel, für Fette, für Schlachtvieh, Fleisch und Fleischerzeugnisse und an die Einfuhrstelle für Zucker — (Drucksache V/579 S. 6, V/250 Anlage S. 69) der Ansatz um 55 000 000 DM auf 310 479 800 DM gekürzt. Bonn, den 26. Mai 1966 Erler und Fraktion 2164 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 Anlage 11 Umdruck 74 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 09 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — (Drucksachen V/250 Anlage, V/578). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 09 02 — Allgemeine Bewilligungen —1. In Tit. 966 — Energiepolitische Maßnahmen, die dem Kohleabsatz dienen — wird folgender Buchstabe c angefügt: „c) Einmalige Ausgabe für energiepolitische Maßnahmen, die dem Kokskohleeinsatz in der eisenschaffenden Industrie dienen 100 000 000 DM." Zu Tit. 966 c) wird eine Erläuterung folgenden Inhalts aufgenommen: „zu Tit. 966 c) Im Zuge der energiepolitischen Maßnahmen zur Sicherung des Absatzes von Gemeinschaftskohle erhalten Unternehmen der eisenschaffenden Industrie für die Verwendung von Hüttenkoks, der aus Gemeinschafts-Kokskohle erzeugt wird, ab 1. Juli 1966 je Tonne verbrauchter Kokskohle 8 DM als laufende Beihilfe. Die Beihilfe dient dem Ausgleich der sich für die Unternehmen der eisenschaffenden Industrie bei der Verwendung von Hüttenkoks, der aus Gemeinschafts-Kokskohle erzeugt wird, ergebenden Nachteile. Das Nähere ist bis zum Erlaß der gesetzlichen Regelung durch Richtlinien des Bundeswirtschaftsministeriums zu regeln." 2. In Tit. 968 b) — Darlehen für die Aufsuchung oder Ausbeutung von außerhalb des Bundesgebietes gelegenen Erdöl- oder Erdgaslagerstätten — wird der Ansatz um 62 500 000 DM auf 57 500 000 DM gekürzt. Im Haushaltsvermerk wird Absatz 2 gestrichen. 3. Tit. 969 — Darlehen für Unternehmen des Steinkohlenbergbaus für die Aussuchung und Ausbeutung von Erdgaslagerstätten — (Drucksache V/573 S. 4) wird gestrichen. 4. Tit. 972 — Leistungen des Bundes zur dezentralen Einlagerung von Kohlen 30 000 000 DM — wird gestrichen. Bonn, den 26. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 12 Umdruck 75 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 11 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen V/250 Anlage, V/580). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 11 13 — Sozialversicherung — In Tit. 602 — Zuschuß des Bundes an die knappschaftliche Rentenversicherung — wird der Ansatz von 2 240 000 000 DM um 56 000 000 DM auf 2 296 000 000 DM erhöht. In den Erläuterungen wird in Absatz 2 a) in Nr. 1 — Rentenleistungen — der Ansatz von 3 152 000 000 DM um 35 000 000 DM auf 3 187 000 000 DM, b) in Nr. 6 — Knappschaftsausgleichsleistung — der Ansatz von 16 000 000 DM um 21 000 000 DM auf 37 000 000 DM erhöht. Bonn, den 26. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 13 Umdruck 68 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 36 — Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung I (Drucksachen V/250 Anlage, V/595). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 31 02 — Bewilligungen für die allgemeine Wissenschaftsforschung — wird in Tit. 600 — Förderung des Ausbaus bestehender Hochschulen und sonstiger Wissenschaftseinrichtungen — (Drucksache V/595 S. 3) der Ansatz um 101 295 100 DM auf 530 000 000 DM erhöht. Bonn, den 25. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 14 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Huys für die Fraktion der CDU/CSU zu Punkt 3/b (Einzelplan 06 35) der Tagesordnung (Drucksachen V/575, zu V/575) Obwohl kein Antrag auf weitere Erhöhung der Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung gestellt ist und mir auch klar ist, daß wegen der Haushaltslage im Augenblick eine weitere Erhöhung nicht erfolgen kann, möchte ich dem Hohen Hause dennoch ein paar Gedanken über diese Institution vortragen, die, obwohl sie sozusagen im Verborgenen Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 2165 blüht, eine Institution ist, die in gemeinsamer Arbeit von Regierung und Opposition versucht, die geistigen Grundlagen, auf denen unser aller Arbeit beruht, im Volke zu verdeutlichen. Ein Beispiel: Die von der Bundeszentrale herausgegebene Wochenzeitschrift „Das Parlament" läßt so manche gute Rede, so manche gute Anregung von Bundestagsabgeordneten zur Auswirkung kommen, die sonst im Protokoll untergegangen wäre. Der Matern-Dienst dieser Zeitung, der den Heimatzeitungen unter der Überschrift: „Abgeordnete fragen, die Bundesregierung antwortet" zur Verfügung gestellt wird, macht die Arbeit der Abgeordneten im Bundestag im Wahlkreis bekannt. Es geht hierbei aber keineswegs nur um das persönliche Anliegen des Abgeordneten, sondern darüber hinaus handelt es sich sozusagen um den geistigen Verteidigungsetat unserer Demokratie. Ich erkenne dankbar an, daß der Etat der Bundeszentrale gegenüber 1965 um ca. 1,3 Millionen DM erhöht worden ist, möchte dennoch sagen, daß die Investition pro Kopf der Bevölkerung nur ca. 0,40 DM beträgt. Ich sage das, um den Haushaltsexperten zu verdeutlichen, welch ungeheure Aufgabe mit so geringen Mitteln geleistet werden muß. Was verlangen wir eigentlich von dieser Institution? Ich würde sagen: zweierlei, erstens die Festigung unserer jungen Demokratie, die noch nicht so in sich ruht wie die traditionsbewußten Demokratien in den angelsächsischen Ländern, zweitens die geistige Abwehr der ständigen Bedrohung durch Kommunismus von innen und außen. Diese Arbeit ist ungeheuer schwierig, es gibt keine spektakulären Erfolge bei ihr. Hier kann alles nur ganz langsam wachsen und muß daher intensiv, pfleglich und behutsam behandelt werden. Aus dieser allgemeinen Zielsetzung ergibt sich das Schwerpunktprogramm, das sich die Bundeszentrale gesetzt hat, die Förderung des demokratischen Gedankens. Denn unsere Demokratie kann sich nur behaupten und entwickeln, wenn sie von der tätigen Mitarbeit ihrer Bürger und einem bewußten Bekenntnis zum demokratischen Staat getragen wird. Es ist das Lebenselexier der politischen Bildung und das der Bundeszentrale für politische Bildung, verschiedene Meinungen einander gegenüberzustellen, Kritik zu provozieren, Zusammenhänge zu verdeutlichen und Quellen zu studieren. Ihr Ziel muß sein, eine unabhängige Meinung des Bürgers zu erreichen, die nicht so labil sein darf, daß sie von jeder Parole umgeworfen werden kann. Der Jugend und auch den Erwachsenen muß deutlich gemacht werden, die manchmal wirklichkeitsfremde Vorstellungen von einer „arbeitenden" Demokratie haben, daß die heißen Auseinandersetzungen, wie sie sich hier zuweilen in diesem Hohen Hause ereignen, Element der Demokratie sind und nichts zu tun haben mit dem sogenannten häßlichen politischen Getriebe. Es muß auch z. B. deutlich werden, daß der Kompromiß zu unserer pluralistischen Demokratie gehört und nichts zu tun hat mit dem immer noch herumgeisternden Wort: Politik verdirbt den Charakter. Es muß klarwerden, daß es heißen muß: In der Politik zeigt sich der Charakter. Es muß der Jugend und den Erwachsenen einsichtig gemacht werden, daß die Demokratie eine Gesellschaftsform ist, in der die verschiedenen Interessen und Ordnungsvorstellungen wirksam vertreten werden können und in der bei aller Vielfalt der Meinungen eine freie Entscheidung und die Entfaltung der Einzelpersönlichkeit möglich ist. Auch die Bundeszentrale hat nur subsidiären Charakter, d. h. sie kann nur Hilfestellung geben zur Handhabung .der demokratischen Rechte, zu praktischer Toleranz und zu vorurteilsfreiem Verhalten. Sie ist ein Vorarbeiter zur Überwindung der Indifferenz des Staatsbürgers, zur Einsicht in .die Notwendigkeit ,des Engagements für unseren Staat, der von ihm selbst getragen werden muß, wenn er am Leben bleiben soll. Ich will nicht auf weitere Details der Arbeit dieser Institution eingehen, sondern nur noch folgendes bemerken. Die föderalistische Zusammenarbeit der Bundeszentrale mit den Landeszentralen für politische Bildung und die Durchführung überregionaler Tagungen auf Bundesebene für politische Bildungsfragen können vorbildlich genannt werden bei der .gemeinsamen Bewältigung von Bildungsaufgaben von Bund und Ländern. Die in diesem Titel eingesetzten Mittel multiplizieren sich sozusagen im geistigen Bereich und werden wirksam für unser aller Arbeit, der wir uns hier verschrieben haben. Dank möchte ich zum Schluß auch bei dieser Gelegenheit dem Leiter der Bundeszentrale und allen seinen Mitarbeitern für ihre bisherige erfreuliche Arbeit aussprechen. Anlage 15 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Kübler für die Fraktion der SPD zu Punkt 3/b der Tagesordnung (Drucksachen V/575, zu V/575) Der Tit. 06 35 — Bundeszentrale für politische Bildung — zwingt zu einigen Überlegungen. Wir sind uns in diesem Hohen Hause alle darüber einig, daß in der modernen Demokratie wieder wie in der klassischen Antike nur der als gebildet gelten kann, der sich um die öffentlichen Dinge kümmert. Der reine Privatmann, also der politisch Unbekümmerte, hieß im klassischen Griechenland „idiotes". Wir nähern uns mit dem Ausdruck „Fachidiot" allmählich wieder dieser klassischen Vorstellung, daß Bildung immer die politische Bildung einschließt. Wir wissen aber alle hier in diesem Hohen Hause, daß noch weite Kreise unserer Bevölkerung reines Fachwissen zum privaten Nutzen für wichtiger halten als eine umfassende, also auch die Staatsangelegenheiten umfassende Bildung. Diese privaten Bildungsvorstellungen sind aber keineswegs auf Deutschland beschränkt. Auch die Franzosen klagen über die deformation professionelle der Experten. Sogenannter reiner Sachverstand ohne politische Bildung wird leicht zum Mistbeet der Diktatur. 2166 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 Wenn wir aber auch alle gemeinsam die Notwendigkeit der politischen Bildung bejahen, so sind wir als Parlament doch noch sehr weit davon entfernt, die für unser Volk notwendigen Maßstäbe der politischen Bildung zu setzen. Wir pendeln doch noch oft von dem alten Leitsatz: „Miteinander — füreinander" über das sportliche fair-play als Vorbild für den politischen Stil bis hin zur an das Emotionale appellierenden Propaganda. Bei einer kritischen Durchsicht der Arbeit und der Erfolge der Bundeszentrale für politische Bildung muß zunächst ein Wort des Bedauerns geäußert werden, daß im letzten Jahr durch die Sperre der Haushaltsmittel nach der Bundestagswahl einige Aufgaben nicht erfüllt werden konnten. Bei der tatsächlich geleisteten Arbeit lassen sich Erfolge natürlich nur schwer messen und bewerten. Quantitative Angaben sind im Bereich der Bildung, also auch der politischen Bildung, nicht immer die besten Wertmesser. Trotzdem sollte zu denken geben, daß etwa beim letzten Schülerpreisausschreiben sich in BadenWürttemberg über tausend Schulklassen mehr als im größeren Bayern beteiligt haben. Noch stärker überrascht aber, daß der Vorsprung Baden-Württembergs fast ausschließlich durch Berufsschulklassen erreicht wird. Bekanntlich ist im berufsschulpflichtigen Alter der außerschulische Einfluß wesentlich größer als der der Schule. Man könnte also doch an Beteiligungszahlen einige Überlegungen knüpfen. Man sollte dies unbedingt tun bei den Besucherzahlen der Filme. Etwa sechs Millionen Menschen sahen im letzten Jahr die Filme der Bundeszentrale. Gemessen an dieser Gesamtbesucherzahl waren die beiden Filme über die Arbeit des Bundestages absolute Pleiten. Sie liefen praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Etwas besser im Rennen lagen mit je vierzigtausend Besuchern im letzten Jahr die beiden Grundrechtsfilme „Die Freiheit der Person ist unverletzlich" und „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich". Recht hohe Besucherzahlen hatten dagegen die Filme: „Ursachen des Nationalsozialismus", „Die Revolution entläßt ihre Kinder" und „Land und Volk Israel". Statt einer vielschichtigen Interpretation möchte ich hier ganz schlicht, aber unmißverständlich sagen, daß die Filme über das Funktionieren der Demokratie schlechter gemacht waren als die über die NS-Zeit, den Kommunismus und über Israel. Nun beklagt die Bundeszentrale für politische Bildung zu Recht den Mangel an geeigneten Mitarbeitern für die Darstellung der Aufgaben einer modernen Demokratie. Das gilt nicht nur für die Filme, sondern auch für die Publikationen und für die Beilagen in der Zeitschrift „Das Parlament". Publikationen über den Kommunismus werden termingerecht von hervorragenden Sachkennern vorgelegt. Über die Zeit des Nationalsozialismus klären uns die Historiker immer wieder auf. Der mögliche Antisemitismus wird in unserem Volk durch viele wissenschaftliche und volkstümliche Darstellungen so gut bekämpft, daß aus Unwissenheit eigentlich niemand mehr vergangene Hetzparolen übernehmen kann. Der Abbau der Vorurteile rückt in den Bereich des Möglichen. Aber die Darstellung der modernen Welt gelingt offensichtlich fast nur bei technischen und wirtschaftlichen Fragen. Publikationen zur Orientierung auf Staat und Gesellschaft von morgen scheitern heute daran, daß wir für die in Frage kommenden Sachgebiete zwar genügend Fachleute kennen, diese aber nur in wenigen Ausnahmefällen in der Lage sind, ihr Thema unter dem Blickwinkel der politischen Bildung darzustellen. Diese nüchterne Feststellung soll nicht zur Resignation führen, sondern zu einem neuen Impuls. Vor zehn Jahren gab es kaum Literatur zur Bewältigung der Vergangenheit und zur Auseinandersetzung mit Kommunismus und Antisemitismus. Die intensive Nachfrage der Bundeszentrale, der Landeszentralen, der Volkshochschulen, der politischen und kirchlichen Jugendverbände hat hier einen Wandel geschaffen. Diese Leistung zur geistigen Klärung muß von jedermann anerkannt werden, aber sie darf nicht die einzige bleiben. Wir können uns nicht im Anti erschöpfen, ganz gleich, ob Antifaschismus oder Antikommunismus. Gewiß ist die Hölle leichter zu malen oder zu beschreiben als das Paradies; aber ebenso gewiß ist, daß durch die Darstellung der Sünde allein noch niemand zur Tugend gefunden hat. Immunisierung ist gut, aktive politische Bildung ist besser. Die Bewältigung der Vergangenheit ist nur eine Vorstufe zur Bewältigung von Gegenwart und Zukunft. Meine Äußerungen sollen keineswegs die bisherige Leistung der Bundeszentrale herabwürdigen, sondern sie sollen ein Impuls sein oder zumindest die Verstärkung eines Impulses, der sich schon beim Nachdruck der „Politischen Witwe" in der Zeitschrift „Das Parlament" andeutete. Bedenklich stimmt der Plan einer Art Enzyklopädie in einer besonderen Kolumne der laufenden Parlamentsausgaben. Begriffsbestimmungen, historische Abrisse und Sacherläuterungen zu wesentlichen Themenkomplexen sind beabsichtigt, z. B. die Hallstein-Doktrin, Notstandsgesetze, Strafrechtsreform. Mich stimmt das bedenklich. Zu diesen Themen sollen wir hier im Bundestag in Rede und Gegenrede die Akzente setzen. Diese Parlamentsdebatten sollen publiziert werden, nicht eine Enzyklopädie über Stichworte unserer Debatten. Zwar habe ich keine Bedenken, daß die Zeitschrift „Das Parlament" von einer Institution der Regierung herausgegeben wird, aber daß „Begriffsbestimmungen" nun institutionell durchgeführt werden sollen, widerspricht meines Erachtens der Aufgabe einer Publikation, die sich „Das Parlament" nennt. Außerdem können solche Dinge immer schief werden. In diesen Tagen wird von der Bundeszentrale das „Wörterbuch für Gemeinschaftskunde" von Bayer-Schmid verteilt .Auf Seite 133 steht zu lesen, daß unter den 300 Delegierten des Parteitages der SPD die besoldeten Parteisekretäre und -angestellten den Hauptanteil haben. Wenn solche Aussagen sich in die geplante Enzyklopädie einschlichen, müßten wir hier im Plenum über publizierte Begriffsbestimmungen streiten, statt die Akzente der Politik zu setzen. Daß die Bundeszentrale selbst demoskopische Erhebungen über die Voraussetzungen der politischen Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 2167 Willensbildung und zum Stand des politischen Wissens durchführen will, ist zwar zu begrüßen, aber es muß doch einschränkend gesagt werden, daß die Bundeszentrale nicht in Konkurrenz mit den Meinungsforschungsinstituten bei Motivstudien treten soll. Die Ergebnisse von INTERMARKET (1965), IMA (1965), EMNID (1954 bis 1965), DIVO (1957, 1960 und 1965) und ALLENSBACH (1958 bis 1965) haben bei aller Widersprüchlichkeit doch klar zum Ausdruck gebracht, daß etwa 70 % der erwachsenen Bürger der Bundesrepublik sich für Politik interessieren, daß aber beinahe 80 % der Interessierten ihre wesentlichen Kenntnisse auf Informationen gründen, die sich auf Affären, Beschuldigungen und andere in ihren Augen undemokratische Vorfälle beziehen. Politik scheint offensichtlich unseren Mitbürgern nur unter polemischen Vorzeichen bekanntzuwerden. Fast drei Viertel aller Befragten lehnten als Quelle der Meinungsbildung politische Veranstaltungen ab. Wenn die widersprüchlichen Zahlen einigermaßen stimmen, wollen 90 % nie eine Mitgliedschaft in einer Partei erwerben. Trotzdem ist eine breite Schicht in der Abwehr geschichtlicher Hypotheken durchaus bereitwillig, sich auf bequeme Vorurteile zu versteifen. Die demoskopischen Feldanalysen zeigen bei aller Fehlerhaftigkeit ihres methodischen Erfassens doch diesen Mangel an staatsbürgerlicher Bildung in unserem Volk, der einerseits die Parteien wegen ihrer verschiedenartigen Aussagen und wegen ihrer Gegensätze ablehnen läßt, andererseits aber in allen Forderungen und in jedem Urteil absolut sein will und nur schwarz oder weiß, aber auf keinen Fall einen Kompromiß zuläßt. Ich glaube nicht, daß es die Aufgabe der Bundeszentrale für politische Bildung sein sollte, hier spezifischere Motivforschungen zu treiben. Ich meine dagegen, daß sie unserem Volk und auch unserer Jugend immer wieder in verschiedenen Formen und mit verschiedenen Hilfsmitteln sagen muß, alle unsere privatesten Hoffnungen und Träume vom eigenen Heim, beruflichem Erfolg und gesellschaftlichem Ansehen stehen im Bannkreis der Politik, in der jeder mitbestimmen darf und soll. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers Stücklen vom 25. Mai 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Richter (Drucksache V/635 Frage II/1): Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Bundespost-Fernsehsender Rohrbrunn (Spessart), der das . Zweite Fernsehprogramm ausstrahlt und in weiten Teilen Bayerns und in den Kreisen Tauberbischofsheim und Buchen (Baden-Württemberg) gesehen wird, seit Monaten „durchdreht" und nicht nur ein in Streifen und Gitter zerlegtes Bild, sondern auch einen mit Stör- und Brummgeräuschen überlagerten Ton liefert? Die Abstrahlungen des Fernsehsenders Spessart für das 2. Programm sind in der genannten Zeit nach den Feststellungen der Beobachtungsstellen der Deutschen Bundespost einwandfrei gewesen. Der Fernsehsender Spessart für das 2. Fernsehprogramm ist, bedingt durch die zur Zeit laufenden Farbfernsehversuchssendungen, vom Fernmeldetechnischen Zentralamt Darmstadt sogar werktäglich gemessen worden. Mängel an der Abstrahlung sind auch hierbei nicht festgestellt worden. Beschwerden aus dem Versorgungsbereich des Fernsehsenders Spessart liegen auch nicht vor. Die Kreise Tauberbischofsheim und Buchen gehören nicht zum Versorgungsbereich des Fernsehsenders .Spessart. Ein einwandfreier Empfang des Fernsehsenders Spessart ist daher in diesen Gebieten aus ausbreitungstechnischen Gründen nur bedingt möglich. Diese Kreise liegen in den Versorgungsbereichen der im Aufbau befindlichen Fernsehsender Eberbach und Langenburg. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Thießen vom 25. Mai 1966 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Dr. Krips (Drucksache V/635 Fragen V/1, V/2 und V/3) : Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen der Bundesvermögensverwaltung und der Stadt Stuttgart wegen der Verwendung des Areals der ehemaligen Moltke-Kaserne? Ist der Bundesverteidigungsminister bereit, den dringenden Wunsch der Stadt Stuttgart nach Überlassung von Grundstücken der ehemaligen Moltke-Kaserne für wichtige kommunale Einrichtungen ganz oder teilweise zu erfüllen? Bis wann ist mit einer endgültigen Entscheidung der in Frage V/2 erwähnten Grundstücksüberlassung zu rechnen? Das bundeseigene Gelände der ehem. MoltkeKaserne in Stuttgart ist seit Jahren als Standort für die Zusammenfassung der Stuttgarter BundeswehrDienststellen in Aussicht genommen. Allein die Wehrbereichsverwaltung V ist gegenwärtig in 8 verschiedenen Gebäuden untergebracht, die zum Teil erheblich voneinander entfernt liegen. Für die Anmietung dieser Räume sind z. Z. jährlich rund 1,2 Mio DM aufzuwenden. Zu Frage Die Stadt Stuttgart nutzte früher Teile der ehem. Moltke-Kaserne als Hautklinik. Sie war zwar zunächst an einer Dauernutzung für diesen Zweck interessiert, entschloß sich dann aber, neue Klinikbauten zu errichten. Nach Fertigstellung des Krankenhaus-Neubaus — Anfang 1965 — gab die Stadt die bis dahin von ihr genutzten Teile an die Bundesvermögensverwaltung zurück. Seitdem haben keine weiteren Verhandlungen über eine anderweitige kommunale Nutzung des Geländes mit der Bundesvermögensverwaltung stattgefunden. Zu Frage 2: Der Herr Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart hat in jüngster Zeit einen solchen Wunsch an den Herrn Bundesminister der Verteidigung gerichtet. Einer ersatzlosen Freigabe des Areals der ehem. Moltke-Kaserne zugunsten der Stadt steht der bereits geschilderte, dringende eigene Bedarf des Bun- 2168 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 des entgegen. Gleichwohl hat das Schreiben des Herrn Oberbürgermeisters Anlaß gegeben, diese Frage nochmals eingehend zu prüfen. Zu Frage 3: Bis wann mit einer endgültigen Entscheidung zu rechnen ist, hängt insbesondere davon ab, ob und welche Ersatzvorschläge die Stadt Stuttgart machen wird. Der Herr Bundesminister der Verteidigung ist bemüht, so rasch wir möglich zu einem Ergebnis zu gelangen. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Jaeger vom 25. Mai 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (Drucksache V/635 Frage VIII/4) : Wird die Bundesregierung zum Zwecke einer möglichen Änderung des § 61 Nr. 1 der Konkursordnung Erhebungen darüber veranlassen, in welchem Verhältnis der Gesamtbetrag der rückständigen Lohnforderungen zu dem Gesamtbetrag der Rückstände von Sozialversicherungsbeiträgen in den in der Bundesrepublik in den letzten fünf Jahren abgewickelten Konkursverfahren steht? Wie ich bereits in meinem Schreiben vom 16. Mai 1966 dargelegt habe, wird bei der beabsichtigten Neugestaltung des Ersten Buches der Reichsversicherungsordnung geprüft werden, ob die Bestimmungen des § 28 Abs. 3 RVO in der Praxis zu Schwierigkeiten geführt haben und geändert werden sollten. Für diese Untersuchung werden auch Feststellungen darüber zu treffen sein, in welchem Verhältnis durchschnittlich der Gesamtbetrag der rückständigen Lohnforderungen zu dem Gesamtbetrag der Rückstände von Sozialversicherungsbeiträgen in Konkursverfahren steht. Da ein solcher Überblick nur durch eine Auswertung der einzelnen Konkursverfahren gewonnen werden kann, werden sich die zuständigen Bundesressorts mit den Länderministerien in Verbindung setzen.
Gesamtes Protokol
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504400000
Ich eröffne die Sitzung vor dem beinahe „erschreckend voll" besetzten Hause.
Wir beginnen mit der
Fragestunde
— Drucksache V/635 —
Aufgerufen ist der Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Die Fragen IX/3 und IX/4 des Herrn Abgeordneten Dr. Apel
Welche Konsequenzen ergeben sich für die deutschen Schiffswerften aus der Absicht der Bundesregierung, eine Reihe von Schiffsneubauten auf englischen Werften zu Bedingungen mitzufinanzieren, die als besonders günstig anzusehen sind?
Hält die Bundesregierung den in Frage IX/3 aufgezeigten Weg der Devisenhilfe für besonders wirksam und vertretbar gegenüber den deutschen Werften?
werden schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dahlgrün vom 25. Mai 1966 lautet:
Der durch die Stationierung britischer Truppen in der Bundesrepublik erforderliche DM-Aufwand soll wegen der Devisenbilanzsituation Großbritanniens über den bilateralen Handelsverkehr hinaus zu einem Teil durch Käufe im militärischen und im Bereich der zivilen öffentlichen Hand ausgeglichen werden. Die zivile öffentliche Hand — das sind nach den bilateralen Abkommen der Bund, die Länder, die Gemeinden und die bundeseigenen Unternehmungen mit mindestens 50 % Bundesbeteiligung — ist durch die Enge ihrer Haushalte und durch die geltenden Beschaffungsvorschriften an einer einschränkungslosen Ausweitung ihrer Einkäufe in Großbritannien gehindert. Außerdem darf nicht vergessen werden, daß bei der Vergabe deutscher Aufträge nach Großbritannien zwangsläufig der deutschen Wirtschaft das Auftragsvolumen verlorengeht. Dieser Gesichtspunkt kann selbstverständlich nicht ganz ausfallen, selbst wenn man die zugunsten dieser Regelung sprechenden außenpolitischen und verteidigungspolitischen Gründe noch so hoch bewertet. Gewisse Opfer mußten in der Vergangenheit der deutschen Wirtschaft jedoch zugemutet werden. Auch bei zukünftigen Regelungen kann das nicht ganz vermieden werden, weil den rein militärischen Beschaffungen Grenzen gesetzt sind, so daß die zivilen öffentlichen Bedarfsträger, also Bund, Länder, Gemeinden und bundeseigene Gesellschaften, auch in der Zukunft herangezogen werden müssen. Dabei ist der Bereich der Werften weitgehend unberührt geblieben, denn die auftragvergebenden öffentlichen Stellen haben Schiffe nach Großbritannien nicht in Auftrag gegeben.
Unabhängig von der vorstehend geschilderten eigentlichen Devisen-Ausgleich-Regelung ist noch der folgende Komplex bemerkenswert:
In Großbritannien waren seit Jahren Guthaben blockiert und nur über Auftragsvergaben an britische Firmen in deutschem Interesse nutzbar zu machen. Um es ganz klar zu sagen: Die Mittel können in Deutschland nicht ausgegeben werden.
Ich bin bemüht gewesen — und glaube, daß das entscheidend gelungen ist —, die Finanzierungshilfen aus diesen bis dahin wirkungslos im Ausland liegenden Geldern für nach Großbritannien gehende zusätzliche deutsche oder ausländische Aufträge in allen Wirtschaftsbereichen so zu steuern, daß die deutsche Wirtschaft möglichst unberührt blieb. Das heißt: Es wurden und werden mit dem geringen noch verfügbaren Teil der in England liegenden Gelder vor allem Geschäfte gefördert, an
denen die deutsche Wirtschaft sowieso nicht beteiligt gewesen wäre. Die Mittel sind in den verschiedensten Wirtschaftsbereichen eingesetzt worden. Bei dem Volumen und wegen des Zeitdrucks, unter dem sie auszugeben waren, um den Devisenausgleich in der vereinbarten Zeit sicherzustellen, konnte ich Vorhaben im Bereich des Schiffsbaus nicht ausschließen. Zeitlich passende Schiffbauvorhaben deutscher Reeder haben dabei den Charakter einer verstärkten Reederhilfe. Eine zusätzliche Werfthilfe stellen dagegen die Fälle dar, in denen z. B. durch Einbeziehung günstig finanzierter britischer Zulieferungen ein großer Auftrag über 150 Mio DM gegen starke ausländische Konkurrenz für eine Reihe von deutschen Werften gesichert werden konnte.
Es handelt sich praktisch um die Beendigung einer Aktion, für die beschränkte Sondermittel unter Sonderbedingungen zur Verfügung standen. Für die Zukunft stehen solche Mittel nicht bereit.
Ich rufe die Frage IX/5 des Herrn Abgeordneten Krammig auf:
Ist der Bundesfinanzminister der Meinung, daß die beabsichtigte Aufhebung des Branntweinbegleitscheinverkehrs mit fertigen Spirituosen ohne Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol möglich ist?
Bitte, Herr Minister!

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504400100
Herr Präsident, ich darf um die Erlaubnis bitten, die Fragen 6 und 7 mit zu beantworten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504400200
Der Herr Kollege Krammig ist wohl einverstanden?

(Abg. Krammig: Jawohl!)

— Ich rufe also noch die Fragen IX/6 und IX/7 des Herrn Abgeordneten Krammig auf:
Warum ist der Bundesfinanzminister nicht der Meinung, daß sich die Aufhebung des Branntweinbegleitscheinverkehrs mit fertigen Spirituosen von selbst erübrige, wenn der Entwurf des Nettoumsatzsteuergesetzes im Bundestag verabschiedet und in Kraft gesetzt wird?
Ist der Bundesfinanzminister nicht der Meinung, daß, wenn er schon die Beseitigung des Branntweinbegleitscheinverkehrs mit fertigen Spirituosen anstrebt, er zugleich auch die Herabsetzung der Umsatzsteuerpräferenz Berlin für Spirituosen vorschlagen müßte?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504400300
Vorweg gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Eine Änderung der Branntweinverwertungsordnung — das ist eine Ausführungsverordnung zum Branntweinmonopolgesetz — soll unter anderem die Einschränkung des unversteuerten Versandes und der unversteuerten Lagerung von Branntweinfertigerzeugnissen enthalten, um das Branntweinsteuerrecht dem Recht der übrigen Verbrauchsteuern anzupassen, das unversteuerten Versand nur dann vorsieht, wenn eine weitere Be- oder Verarbeitung der verbrauchbesteuerten Ware in einem anderen Betrieb notwendig ist, und die die Lagerung unversteuerter Ware in Steuerlagern nur in Ausnahme-



Bundesminister Dr. Dahlgrün
fällen kennt. Diese Einschränkungen sind in Übereinstimmung mit dem geltenden Gesetz nicht zuletzt zur Verminderung von Verwaltungsarbeit notwendig und um so eher vertretbar, als das Branntweinsteuerrecht über die soeben erwähnten, den anderen Verbrauchsteuergesetzen unbekannten Möglichkeiten hinaus noch einen Rechtsanspruch auf Zahlungsaufschub der Branntweinsteuer von 6 Monaten im Anschluß an den unversteuerten Versand und die unversteuerte Lagerung von Branntwein kennt. Ein solcher Zahlungsaufschub ist bei allen übrigen Verbrauchsteuern expressis verbis ausgeschlsossen und geht über deren Zahlungsfristen um ein Vielfaches hinaus.
Nach dieser Vorbemerkung beantworte ich die Fragen wie folgt.
Erstens. Der Bundesminister der Finanzen hat keinen Zweifel, daß die beabsichtigte Änderung der Branntweinverwertungsordnung als Ausführungsverordnung ohne Änderung des Branntweinmonopolgesetzes möglich ist. § 91 des Branntweinmonopolgesetzes enthält eine Kann-Vorschrift. Die näheren Modalitäten sind auf Grund der Ermächtigung des § 178 des Branntweinmonopolgesetzes seit jeher in Ausführungsbestimmungen, hier also in der Branntweinverwertungsordnung, geregelt. Außerdem wird die Verordnung erst nach Prüfung ihrer Rechtsförmlichkeit durch den Herrn Bundesminister der Justiz erlassen werden.
Zweitens. Die Anpassung des Branntweinsteuerrechts an das Recht der übrigen Verbrauchsteuern mit der Einschränkung des unversteuerten Versandes und der unversteuerten Lagerung von Branntweinfertigerzeugnissen steht in keinem Zusammenhang mit der Nettoumsatzsteuer. Es ist keineswegs so, daß die Einschränkungen durch ein Nettoumsatzsteuergesetz überflüssig werden. Für eine einzige Nebenfolge, und zwar für die sogenannten Vertriebsläger, trifft das allerdings zu. Das sind Branntweineigenläger von rechtlich selbständigen, dem Herstellungsbetrieb nachgeschalteten Vertriebsfirmen, die nicht aus betriebsbedingten Notwendigkeiten, etwa zu einer weiteren Be- oder Verarbeitung oder einer Reifelagerung, sondern nur zur Vermeidung von Umsatzsteuer unterhalten werden. Weil die Zwischenschaltung von Vertriebsgesellschaften nur für größere Unternehmen interessant ist, wird die Beseitigung solcher Vertriebsläger zu einer erwünschten Bereinigung der Wettbewerbsbedingungen kleiner und mittlerer Unternehmen führen. Auch die Branntweinwirtschaft sollte den Übergang zur Nettoumsatzsteuer unter möglichst gleichen wettbewerblichen Voraussetzungen antreten. Der Bundesminister der Finanzen sieht keinen Anlaß, die Änderungsverordnung nur deswegen zurückzustellen, weil eine Nebenfolge durch ein kommendes Nettoumsatzsteuergesetz von selbst eintreten wird.
Drittens. Zur Frage der Umsatzsteuerpräferenz für Westberliner Spirituosen ist folgendes zu berücksichtigen. Die kleinen und mittleren westdeutschen Spirituosenhersteller besitzen in der Regel keine nachgeschalteten Vertriebsfirmen. Sie werden daher auch nicht von der Beseitigung des Begleitscheinverkehrs betroffen. Ihre Wettbewerbslage gegenüber Westberliner Spirituosenherstellern wird insoweit nicht beeinträchtigt. Hinzu kommt, daß nach Auffassung der Bundesregierung diese Umsatzsteuerpräferenzen wegen der besonderen politischen, wirtschaftlichen und geographischen Lage Westberlins grundsätzlich gerechtfertigt sind. Ich bin deshalb nicht der Meinung, daß die Beseitigung des Begleitscheinverkehrs mit fertigen Spirituosen eine Herabsetzung der Umsatzsteuerpräferenzen für Westberliner Spirituosen nach sich ziehen muß.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504400400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krammig.

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0504400500
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß eine Übung, die seit 60 Jahren praktiziert wird, nicht so ohne weiteres gegenstandslos gemacht werden kann?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504400600
Ich weiß nicht, ob das Alter einer Vorschrift, wenn sie durch den modernen Handelsverkehr überholt ist, ein Grund sein kann, sie noch weitere 60 Jahre aufrechtzuerhalten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504400700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krammig.

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0504400800
Herr Minister, Sie stellten es doch darauf ab, wenn ich Sie richtig verstanden habe, daß durch den Zahlungsaufschub für die Branntweinsteuer bereits ein Entgegenkommen gezeigt wird, das bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren sonst nicht üblich ist. Sind Sie nicht der Meinung, daß dieser Zahlungsaufschub durch die Höhe der Branntweinsteuer nach wie vor seine Berechtigung findet, weil es ja der Sinn einer Verbrauchsteuer ist, erst dann bezahlt zu werden, wenn sie vom Steuerträger an den Steuerzahler abgeführt ist?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504400900
Dem könnte ich zustimmen. Die Beseitigung des Zahlungsaufschubs, die im Gesetz verankert ist, ist ja auch nicht beabsichtigt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504401000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krammig.

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0504401100
Kann ich es als richtig unterstellen, Herr Minister, daß keine Absicht besteht, den Zahlungsaufschub einzuschränken, obwohl ich andere Mitteilungen darüber besitze?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504401200
Herr Kollege Krammig, das ist eine gesetzliche Vorschrift, die ich durch eine Ausführungsverordnung sowieso nicht ändern kann. Zur Zeit besteht keine Absicht in dieser Richtung. Was einmal, Herr Kollege Krammig, über Jahr und Tag mit dem Branntweinmonopol und dem Branntweinmonopolgesetz im Rahmen der Entwicklung der EWG wird, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504401300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer.

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0504401400
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß für die jetzigen Lagerhalter von Branntwein keine zusätzliche Belastung entsteht; ich meine nicht auf die Dauer, aber im Augenblick?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504401500
Der Zahlungsaufschub nach dem Gesetz bleibt bestehen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504401600
Ich rufe die Fragen IX/8, IX/9 und IX/10 des Herrn Abgeordneten Geiger auf:
Weshalb hat das Bundesverteidigungsministerium das Gesuch der Stadt Böblingen um Gewährung einer Bundesfinanzhilfe für eine biologisch-chemische Nachreinigungsanlage abgelehnt, obwohl rund ein Drittel des Böblinger Abwassers aus der US-Panzerkaserne und von der Fliegerhorstkaserne der Bundeswehr anfällt?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Städte wie Böblingen, die von den dort stationierten militärischen Einheiten kaum einen Nutzen haben, bei der Errichtung von kommunalen Einrichtungen großzügiger nach Artikel 106 Abs. 7 GG unterstützt werden sollten, zumal, da andere Gemeinden derartige Verteidigungslasten nicht zu tragen haben?
Ist die Bundesregierung bereit, das Gesuch der Stadt Böblingen auf Gewährung einer Bundesfinanzhilfe aus den Einzelplänen 14 und 35 nochmals zu überprüfen?
Sie werden schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dahlgrün vom 24. Mai 1966 lautet:
Zu 1:
Der Bau der biologisch-chemischen Nachreinigungsanlage ist weder vom Bund veranlaßt worden, noch ist die Anwesenheit der Streitkräfte hierfür ursächlich. Die Stadt hat die Anlage vielmehr in Erfüllung ihrer kommunalen Verpflichtungen schaffen müssen; sie muß deshalb auch die Kosten tragen. Eine Rechtsverpflichtung des Bundes, der Stadt hierfür einen Ausgleich zu gewähren, ist nicht gegeben.
Die angespannte Haushaltslage des Bundes veranlaßt die Bundesregierung, Bundesmittel nur im Rahmen bestehender Verpflichtungen aufzuwenden. Die Bundesregierung hat sich deshalb auch nicht in der Lage gesehen, der Stadt Böblingen die erbetene Finanzhilfe in Form eines Darlehens zu gewähren.
Auf Grund der für die Stadt Böblingen geltenden Dolensatzung besteht für die Grundeigentümer Anschlußzwang. Dies gilt auch für die Liegenschaften der Streitkräfte. Der Stadt obliegt es, alle anfallenden Abwässer gegen eine entsprechende Gebühr abzunehmen und die hierfür erforderlichen Einrichtungen vorzuhalten. Es bleibt ihr unbenommen, kostendeckende Abwassergebühren zu erheben.
Zu 2:
Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß Städte, in denen militärische Einheiten stationiert sind, bei der Schaffung kommunaler Einrichtungen großzügiger nach Artikel 106 Abs. 7 GG unterstützt werden sollten. Sie ist vielmehr der Ansicht, daß alle Gemeinden und Gemeindeverbände in Anwendung des Grundgesetzes gleichmäßig behandelt werden müssen. Im vorliegenden Falle stellt sich die Frage jedoch nicht, weil die rechtlichen Voraussetzungen des Artikels 106 Abs. 7 GG nicht gegeben sind.
Zu 3:
Die Bundesregierung ist bereit, entsprechend dem Antrage der Stadt Böblingen vom 2. Mai 1966, den Fall noch einmal zu überprüfen.
Ich rufe die Frage IX/11 des Herrn Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) auf:
Hält es die Bundesregierung mit den Zielen der Ausbildungsförderung unserer Jugend vereinbar, wenn Schulbeihilfen — auch soweit sie von der öffentlichen Hand gewährt werden — lohn- und einkommensteuerpflichtig sind?
Bitte, Herr Minister! .

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504401700
Für die Beihilfen aus öffentlichen Mitteln besteht Steuerfreiheit auf Grund § 3 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes schon heute. Darunter fallen laut
ausdrücklicher Vorschrift des § 3 Nr. 11 aber nicht die „Kinderzuschläge und Kinderbeihilfen, die auf Grund der Besoldungsgesetze, besonderer Tarife oder ähnlicher Vorschriften gewährt werden", wie z. B. Schulbeihilfen an Bundesbedienstete. Solche Zulagen zum Diensteinkommen sind lohnsteuerpflichtig.
Das hat folgende Gründe. Die für die Ausbildung von Kindern entstehenden Aufwendungen werden steuerlich allgemein für alle Steuerzahler durch die tariflichen Kinderfreibeträge und durch eine besondere Steuerermäßigung bei auswärtiger Unterbringung zur Berufsausbildung abgegolten. Wegen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erscheint es nicht richtig, einem Arbeitnehmer eine besondere Schulbeihilfe steuerfrei zu gewähren, während einem anderen Arbeitnehmer, dem gleiche Aufwendungen ohne Zuschüsse des Arbeitgebers erwachsen, oder einem selbständig Tätigen entsprechende Vergünstigungen versagt bleiben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504401800
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Fritsch.

Walter Fritsch (SPD):
Rede ID: ID0504401900
Herr Minister, sind nicht auch Sie der Meinung, daß hier eine ungleiche Behandlung gleicher Tatbestände insofern stattfindet, als die Schulbeihilfen auch den Zweck haben, bestimmte Notstände im familiären Bereich, die sonst nicht überbrückt werden können, mit dem Ziel zu beseitigen, die Ausbildung von Jugendlichen zu fördern?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504402000
Nein. Ich bin gerade der Meinung, daß die Steuerfreiheit, die Sie nach Ihrer Frage für besondere Schulbeihilfen anstreben, die der Arbeitgeber zahlt, eine Ungleichheit schaffen würde, weil alle anderen Steuerpflichtigen nur nach den allgemeinen Vorschriften des Steuerrechts eine Erleichterung bekommen.
Mit der von Ihnen gestellten Frage hat das Problem nichts zu tun, ob das, was allgemein in den Steuergesetzen für diese Zwecke vorgesehen ist, angemessen, hoch genug oder zu niedrig ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504402100
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Fritsch.

Walter Fritsch (SPD):
Rede ID: ID0504402200
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß wir ganz allgemein zu Überlegungen derart kommen sollten, Schulbeihilfen, ganz gleich, aus welcher Quelle sie kommen, steuerlich freizustellen, um die ganz erheblichen wirtschaftlichen Belastungen zu vermindern, die sich für die Familien ergeben, in denen ein, zwei oder drei Kinder studieren, die gezwungen sind, weiterführende Schulen außerhalb des Wohnortes der Familie zu besuchen?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504402300
Herr Kollege, verzeihen Sie! Aber, ich glaube, Sie haben das Problem immer noch nicht verstanden.



Bundesminister Dr. Dahlgrün
Es dreht sich darum, daß eine steuerliche Ungleichheit gerade dann entsteht, wenn Sie besondere Schulbeihilfen eines Arbeitgebers steuerfrei stellen, während andere Arbeitnehmer diese Vergünstigung infolge der fehlenden Zahlung ihres Arbeitgebers gar nicht in Anspruch nehmen können. Für alle Steuerzahler gibt es die steuerfreien Beträge nach § 3 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504402400
Ich rufe die Frage IX/12 des Herrn Abgeordneten Bühler auf:
Sind die Ermittlungen über die Notwendigkeit, Abgasabsauggeräte am Zollamt Weil-Otterbach einzusetzen, jetzt abgeschlossen?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504402500
Herr Kollege, die Messungen des CO-Gehalts der Luft beim Zollamt Weil-Otterbach im April/Mai dieses Jahres haben kurzzeitig die zulässige maximale Konzentration am Arbeitsplatz von 0,01 % überschritten. Deshalb prüfe ich zur Zeit, ob die Aufstellung der in Konstanz nicht benötigten, 12,5 m langen und fast 2 m breiten Absaugeanlage beim Zollamt Weil-Otterbach räumlich trotz eines hohen Eisenbahndamms möglich ist. Falls die Anlage den starken Kraftfahrzeugverkehr zu sehr behindern sollte, müßten andere Maßnahmen getroffen werden. Ich werde Sie, Herr Kollege, über die weitere Entwicklung auf dem laufenden halten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504402600
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Bühler.

Karl August Bühler (CDU):
Rede ID: ID0504402700
Darf ich fragen, Herr Minister, ob bei diesen Messungen auch der in diesem Jahr abnorme Witterungsverlauf berücksichtigt worden ist. Zweifellos waren doch in etwas normaleren Jahren die Verhältnisse ganz anders. Ich bitte, das zu berücksichtigen, wenn weitere Messungen durchgeführt werden.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504402800
Das sowieso, Herr Kollege. Aber tatsächlich ist kurzfristig die zulässige Menge von 0,01 % überschritten worden, und schon deshalb muß etwas getan werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504402900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0504403000
Herr Bundesminister, Sie sagten, die Geräte in Konstanz würden nicht benötigt. Bedeutet das, daß dort die Verschmutzung der Luft nicht so stark ist, daß eine Absaugvorrichtung angebracht ist?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504403100
Ja.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504403200
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0504403300
Dann sind in WeilOtterbach die Verschmutzungen stärker als in Konstanz?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504403400
Ich habe gesagt, daß in Weil-Otterbach kurzzeitig die zulässige Obergrenze von 0,01 % überschritten worden ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504403500
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die Frage
VI/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz (Bergstraße) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den Bundestag zu gegebener Zeit umfassend über das Echo zu unterrichten, das die deutsche Friedensnote vom 25. März 1966 bei den Regierungen und in der Öffentlichkeit der Empfängerstaaten gefunden hat?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504403600
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hält es für zweckmäßig, über die Reaktion der einzelnen Regierungen auf die deutsche Friedensnote den Auswärtigen Ausschuß des Bundestages zu informieren. Über das Echo in der Öffentlichkeit des Auslandes hat das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung schon Anfang Mai allen Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses eine Zusammenstellung übersandt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504403700
Herr Abgeordneter Dr. Lenz zu einer Zusatzfrage.

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0504403800
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, dem Auswärtigen Ausschuß diese Antworten unter besonderer Berücksichtigung der Antworten zu übermitteln, die die Empfängerstaaten der Note auf die Vorschläge der Bundesregierung gegeben haben, die in unserer Note enthalten sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504403900
Ganz gewiß, Herr Abgeordneter, ist das Auswärtige Amt dazu bereit. Das wird in der Tat der wesentliche Teil der Mitteilung sein, die wir dem Auswärtigen Ausschuß geben wollen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504404000
Ich rufe die Frage
VI/2 des Herrn Abgeordneten Ertl auf:
Teilt die Bundesregierung die vom „Oberbayerischen Volksblatt" Rosenheim, Ausgabe vom 6. Mai 1966, wiedergegebene Auffassung breiter Bevölkerungskreise, wonach die italienischen Grenzkontrollorgane am Brenner gegen Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland unter Benutzung eines Fahndungsbuches so verfahren, als hätten sie es „nicht mit devisenbringenden Urlaubern, sondern mit steckbrieflich gesuchten Verbrechern" zu tun?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504404100
Herr Abgeordneter, jeder Staat hat das Recht, Reisende an seiner Grenze daraufhin zu kontrollieren, ob sie aus irgendwelchen Gründen als unerwünscht zurückzuweisen sind. Hierzu dienen den Grenzbeamten sogenannte Sperr-, Such- oder Fahndungslisten.
Das von den italienischen Grenzbehörden durchgeführte Verfahren ist bekannt. Während die Reise-



Staatssekretär Dr. Carstens
papiere aller Reisenden eingesehen werden, erfolgt eine stichprobenweise Nachprüfung an Hand der Fahndungslisten nur bei einem kleinen Prozentsatz der die Grenze überschreitenden Personen. In größeren Intervallen werden sämtliche Reisenden an Hand der Listen überprüft. Dabei muß berücksichtigt werden, daß nach der Prüfung der Reisepapiere in der Regel eine zollamtliche Kontrolle nicht mehr stattfindet.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504404200
Herr Abgeordneter Ertl zu einer Zusatzfrage.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504404300
Herr Staatssekretär, gehört es bei demokratischen Staaten zu den internationalen Gepflogenheiten, solche Fahndungslisten nicht nur für kriminelle Delikte, sondern auch für unbescholtene Staatsbürger anzulegen und dann zu einer schikanösen Behandlung zu benutzen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504404400
Fahndungslisten werden für Kriminelle angelegt. Aber es ist international üblich, außer den Fahndungslisten andere Listen über solche Personen zu führen, deren Einreise in das betreffende Land unerwünscht ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504404500
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0504404600
Herr Staatssekretär, können Sie mir dann sagen, welche Kriterien für solche Personen international üblich sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504404700
Dafür gibt es keine Kriterien, Herr Abgeordneter. Das steht im Ermessen der jeweiligen Staaten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504404800
Ich rufe die Frage VI/3 des Herrn Abgeordneten Ertl auf:
Hält es die Bundesregierung für vertretbar, Staaten Wirtschaftshilfe zu gewähren, welche die Oder/Neiße-Grenze aus freier Entscheidung als endgültige Grenze anerkennen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504404900
Die Bundesregierung gewährt Wirtschaftshilfe an andere Staaten grundsätzlich ohne politische Bindungen. Die Bundesregierung erwartet jedoch von den Empfängerstaaten Verständnis für die Probleme, die sich aus der besonderen Lage des geteilten Deutschland ergeben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504405000
Herr Abgeordneter Ertl zu einer Zusatzfrage.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0504405100
Welche Konsequenzen, Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung im Hinblick auf eine Fortsetzung der Wirtschaftshilfe willens zu ziehen, wenn .ein Staat ,die Oder-Neiße-Grenze endgültig anerkennt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504405200
Die Bundesregierung wird in diesem Fall mit dem betreffenden Staat alsbald Verbindung aufnehmen.

(Lachen.)


Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0504405300
Darf ich Ihre letzte Antwort dann so verstehen, daß die Bundesregierung auf jeden Fall dafür Sorge tragen wird, daß der deutsche Rechtsstandpunkt gewahrt wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504405400
Die Bundesregierung wird alles tun, um den deutschen Standpunkt allen Staaten, mit denen sie in Beziehungen steht, insbesondere solchen Staaten, denen sie Wirtschaftshilfe gibt, nahezubringen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504405500
Herr Abgeordneter Rollmann zu einer Zusatzfrage.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0504405600
Herr Staatssekretär, gibt es einen anderen Staat, dem die Bundesregierung bisher Wirtschaftshilfe ,geleistet hat und der die Oder-Neiße-Linie derart formell anerkannt hat wie Israel?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504405700
Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich bin gern bereit, sie zu prüfen, Herr Abgeordneter.
Ich möchte aber hinzufügen, daß überall dort, wo von den Regierungen anderer Staaten ein von dem unseren abweichender Standpunkt in dieser Frage eingenommen wird, die Bundesregierung entsprechende Vorstellungen erhoben hat und auch weiterhin .erheben wird, um so mehr, als es sich um einen Standpunkt handelt, der in internationalen Abkommen verankert ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504405800
Dann rufe ich die Frage VI/4 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Wieviel der bestehenden Pressereferentenstellen an den auswärtigen Missionen sind gegenwärtig noth durch Berufsjournalisten besetzt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504405900
Herr Abgeordneter, von den 93 bei den Auslandsvertretungen bestehenden Pressereferentenstellen sind gegenwärtig 47 mit Berufsjournalisten besetzt. Weitere vier Stellen sind mit Bediensteten besetzt, die Zeitungswissenschaften studiert haben. Sechs weitere Stellen sind mit Bediensteten besetzt, die beim Bundespresseamt journalistisch tätig waren, bevor sie in den Dienst des Auswärtigen Amts getreten sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504406000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (SPD):
Rede ID: ID0504406100
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß eine Reihe von Mitgliedern dieses Hauses mit Besorgnis die Entwicklung verfolgen, daß Pressereferentenstellen zusehends mit



Kahn-Ackermann
jungen Beamten des Karrieredienstes besetzt werden, was Folgen zeitigt, die beispielsweise den uns wohlgesinnten Außenminister eines befreundeten Staates zu der Auffassung gebracht haben, daß ein Teil unseres Pressereferentennetzes draußen im Vergleich mit dem anderer Staaten verhältnismäßig schlecht abschneidet?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504406200
Herr Abgeordneter, ich würde der Schlußfolgerung, die Sie ziehen, in dieser allgemeinen Form keinesfalls zustimmen. Ich möchte sagen, daß wir mit der Verwendung von Pressereferenten, die aus dem allgemeinen auswärtigen Dienst hervorgegangen sind, an einigen Stellen hervorragende Erfahrungen gemacht haben. Sie werden wissen, daß der derzeitige Bundespressechef zu diesem Personenkreis gehört. Aber natürlich muß jeder Fall besonders sorgfältig geprüft und die Auswahl des Pressereferenten an jeder Stelle ganz besonders sorgfältig vorgenommen werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504406300
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (SPD):
Rede ID: ID0504406400
Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin beipflichten, daß die Bundesregierung mit berufsmäßigen Journalisten in diesen Stellen besonders gute Erfahrungen gemacht hat und daß es infolgedessen wünschenswert wäre, daß Personen aus diesem Kreis auch künftig in den auswärtigen Missionen die Pressereferentenstellen besetzen, und ist Ihnen bekannt, daß infolge der neueren Entwicklung eine Reihe von Berufsjournalisten zwar praktisch von dem Bundespresse- und Informationsamt verpflichtet worden sind mit der Aussicht, später in den allgemeinen Dienst übernommen zu werden, daß das aber dann nicht der Fall war und daß eine Reihe von sehr bewährten Berufsjournalisten aus diesem Grunde in der letzten Zeit aus dem Dienst der Bundesregierung ausgeschieden sind, was, wie ich höre, auch zu großem Bedauern Ihrerseits geführt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504406500
Herr Abgeordneter, Sie haben eine ganze Reihe von Fragen gestellt. Ich will trotzdem versuchen, darauf jeweils einzugehen.
Auch wir haben sehr bedauert, daß eine Reihe 'besonders qualifizierter Pressereferenten aus unserem Dienst wieder ausgeschieden sind. Das hat Gründe, die darzulegen im einzelnen jetzt zu weit führen würde. Zum Teil sind ihnen außerhalb des öffentlichen Dienstes verlockendere Angebote gemacht worden. Dagegen ist, wie Sie wissen, wenig zu tun.
Ich würde auch ungern ein allgemeines Prinzip aufstellen, daß Pressereferentenstellen grundsätzlich oder überwiegend mit Journalisten besetzt werden sollen. In einigen Fällen hat sich dieses Verfahren sehr gut bewährt, wie Sie hervorgehoben haben. In anderen Fällen hat sich die Besetzung mit Berufsdiplomaten sehr gutbewährt. Ich würde ungern hier ein Prinzip aufstellen wollen, das uns in einer Richtung festlegt. Die Ursache dafür, daß ein erheblicher Teil unserer Pressereferenten nicht verbeamtet worden ist, ist teils darin zu suchen, daß sie die zulässige Altersgrenze von 50 Jahren überschritten haben, teils ist es darauf zurückzuführen, daß sie sich nicht haben entschließen können, die entsprechenden Prüfungen zu absolvieren.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504406600
Herr Abgeordneter Dr. Lenz zu einer Zusatzfrage.

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0504406700
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß in einigen Ländern an den deutschen Botschaften Pressereferenten tätig sind, die die Sprache des betreffenden Landes nicht beherrschen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504406800
Das ist mir nicht bekannt, Herr Abgeordneter. Ich möchte aber aus meiner allgemeinen Kenntnis der Verhältnisse sagen, 'daß das wohl nur in solchen Ländern der Fall sein könnte, in denen außergewöhnlich schwierige und seltene Sprachen gesprochen werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504406900
Herr Dr. Schulze-Vorberg zu einer Zusatzfrage.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0504407000
Herr Staatssekretär, würden Sie nach den Erfahrungen, mit den Pressereferenten, die aus dem Journalismus kommen, und nach den Erfahrungen mit den begabten Außenseitern aus anderen Bereichen im auswärtigen Dienst herleiten, daß es erwünscht sein müßte, solche Kräfte, die sich, wenn ich das richtig sehe, sogar als Staatssekretär außerordentlich bewährt halben, für das Auswärtige Amt auch in Zukunft zu sichern und diese Möglichkeiten zu öffnen, anstatt sie zu verschließen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504407100
Diese Möglichkeit .sollte nach meiner Auffassung in der Tat offengehalten werden. Es kommt hier auf die richtige Relation an.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504407200
Herr Abgeordneter Dr. Rinderspacher zu einer weiteren Frage.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0504407300
Ich möchte den Herrn Staatssekretär fragen, ob 'er Spanisch 'als eine besonders ausgefallene Sprache ansieht.

(Heiterkeit.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504407400
Nein, in der Tat nicht, Herr Abgeordneter!

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504407500
Herr Abgeordneter Bühler zu einer Zusatzfrage.

Karl August Bühler (CDU):
Rede ID: ID0504407600
Herr Staatssekretär, hat sich das zahlenmäßige Verhältnis unserer Pressereferenten vor allem im Vorderen Orient gegenüber der Zahl der Pressereferenten der Sowjetzone in den letzten Jahren verbessert? Ist die Zahl unserer Pressereferenten erhöht worden?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504407700
Herr Abgeordneter, im Vorderen Orient stehen wir vor den bekannten Schwierigkeiten, daß nämlich zur Zeit diplomatische Beziehungen überhaupt nicht bestehen und unsere dortigen Vertretungen Restvertretungen sind, die der jeweiligen Schutzmachtvertretung unterstellt sind. Daher ist die Lage dort im Augenblick ohne Zweifel unbefriedigend.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504407800
Herr Abgeordneter Rinderspacher zu einer Zusatzfrage.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0504407900
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der Personalchef des Auswärtigen Amts seinem Minister empfohlen hat, keine Berufsjournalisten mehr einzustellen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504408000
Das ist mir nicht bekannt. Das halte ich für ausgeschlossen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504408100
Dann rufe ich die Frage VI/6 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg auf:
Ist die Bundesregierung überzeugt, daß die NATO-These der „atomaren Abschreckung" im europäischen Interesse glaubhaft erhalten werden muß, bis sie durch eine allgemeine kontrollierte Abrüstung auf Gegenseitigkeit ersetzt werden kann?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504408200
Herr Abgeordneter, ich möchte Ihre Frage bejahen. Nach Auffassung der Bundesregierung beruht die Sicherheit Europas auf der glaubwürdigen nuklearen Abschreckung.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0504408300
Herr Staatssekretär, beachtet die Bundesregierung die möglichen Folgerungen, die sich z. B. aus der Antwort des Herrn Staatssekretärs im Bundesverteidigungsministerium ergeben, daß nämlich auf Grund des Aufbaus von Schutzsystemen gegen Interkontinentalraketen sowohl über der Sowjetunion wie über den Vereinigten Staaten Westeuropa bis auf weiteres leider völlig ausgespart ist, d. h. daß es auf unserem Territorium einen Schutz gegen anfliegende Raketen nicht geben wird? Ist insoweit die Abschreckung nach Meinung der Bundesregierung nicht außerordentlich gefährdet?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504408400
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wendet diesem Problemkomplex ihre ganz besondere Aufmerksamkeit zu. Ich glaube nicht, daß man davon sprechen kann, daß jetzt oder auch für die nächste Zukunft die Glaubwürdigkeit der Abschreckung in Frage gestellt ist. Es handelt sich ja bei dem von Ihnen erwähnten Fragenkomplex um langfristige Entwicklungen, denen man aber selbstverständlich seine volle Aufmerksamkeit zuwenden und auf die man sich einstellen muß.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504408500
Noch eine Zusatzfrage zu Frage VI/6.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0504408600
Ist die Bundesregierung der Auffassung, Herr Staatssekretär, daß die atomare Abschreckung allein durch die Amerikaner gewährleistet ist, oder müßte für Westeuropa auf die Dauer nicht auf jeden Fall eine europäische Addition, etwas europäisch Ergänzendes dazukommen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504408700
Herr Abgeordneter, ich glaube, das eine mit aller Sicherheit sagen zu können, daß in der vorhersehbaren Zeit ohne eine amerikanische Beteiligung an der Abschreckung eine wirksame Abschreckung nicht möglich ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504408800
Dann die Frage VI/5 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg:
Ergeben sich aus den Reaktionen auf die Friedensnote der Bundesregierung neue Erkenntnisse zur Sicherung des Friedens?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504408900
Herr Abgeordneter, die in der deutschen Friedensnote enthaltenen Vorschläge richteten sich vornehmlich an die Regierungen der osteuropäischen Staaten. Bisher sind Antworten erst von drei dieser Regierungen eingetroffen; die von Ihnen gestellte Frage läßt sich daher noch nicht endgültig beantworten. Ich möchte aber sagen, daß wir auf Grund der bisher eingegangenen Antworten schon jetzt die Überzeugung gewonnen haben, daß das begonnene Gespräch fortgesetzt werden sollte.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504409000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0504409100
Sehen Sie in der sowjetischen Antwort Möglichkeiten für einen Dialog der Bundesrepublik mit der Sowjetunion?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504409200
Ich sehe Möglichkeiten für eine Fortsetzung des Gesprächs über einen Teil des von uns aufgeworfenen Fragenkomplexes.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504409300
Eine weitere Frage, Herr Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0504409400
Herr Staatssekretär, beabsichtigen Sie, da Sie die Bemühungen von der Bundesregierung aus fortsetzen wollen, dies wieder vorzugsweise in der Form einer an viele Staaten gerichteten Note zu tun, oder sehen Sie die Notwendigkeit, zu getrennten Besprechungen mit den einzelnen Staaten überzugehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504409500
Ich sehe diese Notwendigkeit ganz klar und habe daher in meiner Antwort auch von „Gesprächen" gesprochen, die wir zu führen beabsichtigen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504409600
Ich danken Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Land-



Vizepräsident Dr. Dehler
wirtschaft und Forsten. Die Frage X/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch:
Ist die Bundesregierung bereit, nach § 50 des Saatgutgesetzes durch Rechtsverordnung. Saatgut der Kartoffelsorte „Bintje" zuzulassen?
wird schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Die Fragen X/2 und X/3 des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke sind zurückgezogen.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers der Verteidigung auf. Zunächst die Frage XII/1 des Herrn Abgeordneten Dröscher:
Warum ist es Soldaten, auch Wehrpflichtigen, die ihren Grundwehrdienst ableisten, verboten, Urlaubsreisen nach Jugoslawien zu unternehmen?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Kaffka übernommen.
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504409700
Angehörige der Bundeswehr dürfen nur mit ausdrücklicher Genehmigung Urlaubsreisen in den kommunistischen Machtbereich einschließlich Jugoslawien antreten. Für diese Anordnung waren unter anderen folgende Gründe maßgebend. Die Bundeswehr und ihre Angehörigen sind ein Hauptangriffsziel der Nachrichtendienste kommunistischer Länder. Bei Reisen in Ostblockstaaten besteht die Gefahr, daß bekannte oder erkannte Bundeswehrangehörige durch Druckmittel wie z. B. angebliche Paß- oder Devisenvergehen gefügig gemacht werden. Zwischen kommunistischen Ländern bestehen Absprachen, wonach Personen, an 'denen Interesse besteht, gegenseitig ausgeliefert werden können. Wir müssen davon ausgehen, daß auch Jugoslawien .an diesen Absprachen beteiligt ist. Grund für das Verbot ist also nicht nur das Sicherheitsbedürfnis der Bundeswehr, sondern ebensosehr auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.
Bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, z. B. zum Besuch naher Angehöriger bei schweren Erkrankungen, im Todesfall oder bei dringenden Erbschaftsangelegenheiten, können Einzelgenehmigungen erteilt werden. Durch die Beschränkung auf diese Einzelfälle .soll das Sicherheitsrisiko für die Bundeswehr in vertretbaren Grenzen gehalten werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504409800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kaffka.

Rudolf Kaffka (SPD):
Rede ID: ID0504409900
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß man diese Anordnung auf besondere Geheimnisträger der Bundeswehr beschränken sollte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504410000
Herr Abgeordneter, ich würde diese Ansicht nach unseren Erfahrungen nicht teilen. Ich darf vielleicht auch auf eine Meldung aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 26. Juli 1963 verweisen, die mir meine Mitarbeiter mitgegeben haben. Darin heißt es — ich darf das mit wenigen Sätzen verlesen —:
Der Parteivorstand der SPD hat allen hauptamtlichen Angestellten der Partei die Reise nach und durch kommunistisch regierte Länder verboten. Dies wurde am Donnerstag in Bonn bestätigt. Die Weisung des Parteivorstandes gilt nicht nur für die in Bonn tätigen SPD-Angestellten, sondern auch für die hauptamtlichen Mitarbeiter in den übrigen Gliederungen der Partei bis hinab zu den Kreissekretären. Das Verbot bezieht sich auch auf Urlaubs- und Erholungsreisen. Da der Vorstandsbeschluß ausdrücklich von kommunistisch regierten Ländern spricht, gilt das Verbot nicht nur für die Ostblockstaaten, sondern auch für Jugoslawien.
Ich führe das nur an, Herr Abgeordneter, um zu zeigen, daß es auch anderwärts keine Unterscheidung zwischen besonderen Geheimnisträgern auf der einen Seite und weniger starken Geheimnisträgern auf der anderen Seite gibt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504410100
Herr Abgeordneter Kaffka, eine weitere Frage.

Rudolf Kaffka (SPD):
Rede ID: ID0504410200
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, im Rahmen des Verteidigungsausschusses einmal Einblick in die besonderen Erfahrungen des Ministeriums zu geben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504410300
Selbstverständlich kann das geschehen, Herr Abgeordneter.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504410400
Herr Abgeordneter Rinderspacher zu einer. Zusatzfrage.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0504410500
Herr Staatssekretär, würden Sie auch die Mitglieder des Verteidigungsausschusses zu dem Personenkreis zählen, der besonders gefährdet ist und dem es deswegen nicht erlaubt sein sollte, die Ferien in kommunistischen Ländern, demnach auch in Jugoslawien, zu verbringen?

(Abg. Brück [Köln] : Das hat sich bewiesen!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504410600
Herr Abgeordneter, mir steht es nicht zu, den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses irgendwelche Vorschriften oder Empfehlungen in dieser Hinsicht zu geben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504410700
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Rinderspacher.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0504410800
Herr Staatssekretär, ich bat nur um Auskunft darüber, ob Sie glauben, daß die Mitglieder des Verteidigungsausschusses zu den besonders gefährdeten Personenkreisen gehören.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504410900
Ich meine nicht, daß das eine Frage ist, die der Herr Staatssekretär beantworten sollte.
Herr Abgeordneter Brück zu einer Zusatzfrage.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504411000
Herr Staatssekretär, nachdem die Frage von Herrn Kollegen Rinderspacher gestellt worden ist: Können Sie sich nicht mehr entsinnen, daß diese Gefährdung tatsächlich schon einmal bei einem Mitglied des Verteidigungsausschusses sichtbar geworden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504411100
Doch, das kann ich sehr wohl, Herr Abgeordneter.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504411200
Ich rufe die Frage XII/2 des Abgeordneten Haase (Kellinghusen) auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Überlebenschance der F 104-Piloten entscheidend zu erhöhen, nachdem bei den letzten vier Abstürzen der Ausschuß der Schleudersitze ordnungsgemäß erfolgte, der Rettungsvorgang jedoch nicht erfolgreich abgeschlossen wurde?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504411300
Herr Abgeordneter Haase, Maßnahmen zur Verbesserung des Schleudersitzes in der F 104 sind bereits vor den letzten Rettungsversuchen, soweit sie nicht erfolgreich verlaufen sind, beschlossen und in die Wege geleitet worden. Darüber ist im Verteidigungsausschuß in seiner 9. Sitzung am 16. Februar 1966 ausführlich vorgetragen worden. Sie werden sich gewiß an diese Sitzung des Ausschusses erinnern.
Es handelt sich um zwei Arten von Verbesserungen, nämlich einmal um den Einbau eines Raketensatzes höherer Energie. Diese wichtige Änderung soll den Flugzeugführer nach dem Ausschuß auf eine größere Höhe bringen und dadurch die Rettungschancen auch bei Null-Höhe und NullGeschwindigkeitsbedingungen wesentlich erhöhen. Zum anderen handelt es sich um eine Reihe von Verbesserungen, insgesamt sechs, die vornehmlich die Trennung der Verbindungen zwischen dem Schleudersitz und dem Flugzeugführer, den Mechanismus zur Öffnung des Fallschirms und den Körperschutz des Piloten betreffen.
Ein Teil der verbesserten Raketen ist bereits geliefert. Die neuen Raketen werden ab Ende dieses Monats durch drei Industriekolonnen auf den Flugplätzen in die Schleudersitze eingebaut. Die Einführung der weiteren Änderungen ist von dem Ergebnis der Erprobungen durch die zuständige amerikanische Stelle abhängig.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504411400
Herr Abgeordneter Haase, eine Zusatzfrage.

Detlef Haase (SPD):
Rede ID: ID0504411500
Herr Staatssekretär, haben Sie die Hoffnung, daß die notwendigen Erprobungen so schnell durchgeführt und abgeschlossen werden können, daß alsbald mit dem Einbau eines viel wirksameren Schleudersitzes als des bisher verwendeten gerechnet werden kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504411600
Zu einem Teil, Herr Abgeordneter, komme ich in der Beantwortung der Frage XII/3 auf diese Zusatzfrage zurück. Ich darf aber noch einmal hervorheben, daß der Einbau verstärkter Raketen, der jetzt in diesen Tagen beginnt, eine sehr wesentliche Verbesserung des Schleudersitzes bedeutet.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504411700
Herr Abgeordneter Haase!

Detlef Haase (SPD):
Rede ID: ID0504411800
Herr Staatssekretär, darf ich zunächst eine Frage im Zusammenhang mit dem Raketenstartversuch stellen: Mit welchem Schleudersitz war die F 104 G ausgerüstet, die vor einiger Zeit für diesen von mir zitierten Raketenstartversuch eingesetzt wurde?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504411900
Sie war mit einem MB-Sitz ausgerüstet.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504412000
Herr Abgeordneter Cramer!

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0504412100
Herr Staatssekretär, ist meine Auffassung richtig, daß die Verbesserungen an dem Schleudersitz erst vorgenommen worden sind, nachdem die Debatte im Verteidigungsausschuß diese Mängel aufgedeckt hatte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504412200
Nein, das ist falsch, Herr Abgeordneter.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504412300
Eine weitere Frage.

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0504412400
Herr Staatssekretär, wann haben Sie dann mit den Verbesserungen begonnen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504412500
Die Verbesserungen gehen in das Jahr 1965 zurück.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504412600
Damit ist die Frage XII/2 des Herrn Abgeordneten Haase beantwortet.
Ich rufe die Frage XII/3 des Herrn Abgeordneten Haase (Kellinghusen) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Umrüstung des bisher in der F 104 G verwendeten Schleudersitzes wegen aufwendiger Erprobungen nicht, wie angekündigt, unverzüglich erfolgen kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504412700
Ich habe bereits mitgeteilt, daß der Beginn der Umrüstung des Schleudersitzes durch Einbau verbesserter Raketen unmittelbar bevorsteht. Dies entspricht den Angaben, die in der bereits erwähnten Sitzung des Verteidigungsausschusses gemacht worden sind.
Was die sonstigen Verbesserungen angeht, so hat der Inspektor der Luftwaffe damals in der Sitzung des Verteidigungsausschusses erklärt, daß der Be-



Staatssekretär Gumbel
pinn der Auslieferung der Modification Kits voraussichtlich noch 1966 möglich sei. Eine „unverzügliche" Umrüstung ist insoweit also nicht „angekündigt" worden.
Es bedarf wohl keiner besonderen Hervorhebung, Herr Abgeordneter, daß der Bundesminister der Verteidigung die Anbringung jeder möglichen Verbesserung des Schleudersitzes so rasch als möglich wünscht. Im Interesse einer Beschleunigung der weiteren Verbesserung hat sich Herr Minister von Hassel am 22. April schriftlich mit dem amerikanischen Verteidigungsminister McNamara in Verbindung gesetzt. Er hat darüber mit Herrn McNamara und mit der amerikanischen Industrie außerdem auch während seines letzten Besuches in Washington gesprochen.
Die Anregungen des Bundesministers der Verteidigung, die notwendigen Teste vorzuverlegen und zeitlich zu verkürzen, ferner mit der Produktion von bereits erprobten Teilen vor Testabschluß zu beginnen, sollen amerikanischerseits unverzüglich geprüft werden. Wir erwarten eine schriftliche Rückäußerung in diesen Tagen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504412800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.

Detlef Haase (SPD):
Rede ID: ID0504412900
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Forderungen, die Sie an einen umkonstruierten Schleudersitz, wie er jetzt in der F 104 verwendet wird, erfüllt sind, wenn ein anderer Schleudersitz für die F 104 verwendet würde?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504413000
Es gibt verschiedene Schleudersitze am Markt, und es gibt auch einen Schleudersitz, der im Augenblick dem in der F 104 verwendeten Schleudersitz überlegen sein dürfte. Das kann ich bestätigen. Aber das Vorhandensein eines derartigen Sitzes bedeutet noch nicht, daß er schneller in der F 104 verfügbar wäre als der Sitz mit den Verbesserungen, den wir anstreben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504413100
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Haase.

Detlef Haase (SPD):
Rede ID: ID0504413200
Herr Staatssekretär, haben Sie Nachforschungen angestellt, in welcher Zeitdauer es möglich sein würde, diesen anderen, von Ihnen als besser bestätigten Schleudersitz in die F 104 einzubauen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504413300
Mir ist auf Befragen von den Fachleuten gesagt worden, daß das gewiß nicht vor Ende dieses Jahres oder Anfang des nächsten Jahres möglich sein würde; also mit zeitlicher Verzögerung gegenüber den Verbesserungen, die wir bei dem C2-Schleudersitz anbringen wollen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504413400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0504413500
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht den Verteidigungsausschuß des Bundestages, dem der Abgeordnete Haase (Kellinghusen) angehört, eingehend über diesen Fragenkomplex unterrichtet? .

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504413600
Herr Abgeordneter, ich wiederhole mich, wenn ich auf meine Antwort auf die erste Frage zurückkomme, in der ich gesagt habe, daß in der Sitzung am 16. Februar ganz ausführlich über den Schleudersitz gesprochen worden ist. Damals ist auch dargelegt worden, wie es zur Einführung des C2-Schleudersitzes gekommen ist. Daß der Martin-Baker-Sitz — um den handelt es sich ja — zur damaligen Zeit wesentlich schlechter war und den Anforderungen, die an ihn gestellt worden sind, nicht genügte, war nicht nur die Meinung der deutschen Experten und Fachleute, sondern das ist uns auch von allen amerikanischen Teststellen bestätigt worden. Der Einbau hätte es wegen der ungünstigen Sitzverhältnisse unmöglich gemacht, die gesamten Geräte richtig zu überwachen. Er hätte zu einer raschen Ermüdung des Piloten geführt und damit zu einer Gefährdung des Piloten. Aus diesem Grunde hat man seinerzeit den C2-Sitz eingeführt. Ich werde noch in meiner Antwort auf die dritte Frage darauf hinweisen, Herr Abgeordneter, daß der C2-Sitz heute weltweit in der F 104 eingeführt ist, also nicht nur bei uns, nicht nur bei den Konsortialländern, sondern auch 'bei allen übrigen Ländern, die die F 104 fliegen. Es gibt nur eine einzige Ausnahme, das ist Dänemark, und das hängt mit der späten Auslieferung der F 104 an Dänemark zusammen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504413700
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0504413800
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß im Herbst dieses Jahres dem Verteidigungsausschúß ein erneuter Bericht über die in der Zwischenzeit erfolgten Maßnahmen und Verbesserungen im Zusammenhang mit dem Komplex F 104 G gegeben wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504413900
Das trifft zu, Herr Abgeordneter. Es ist ein Beschluß des Verteidigungsausschusses, daß im Oktober dem Ausschuß eine umfassende Darstellung all der Maßnahmen vorgetragen wird, die seit den letzten Sitzungen bei diesem Komplex getroffen worden sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504414000
Herr Abgeordneter Cramer zu einer Zusatzfrage.

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0504414100
Herr Staatssekretär, ist der von uns verwendete C2-Schleudersitz völlig identisch mit dem Schleudersatz, den die Amerikaner in ihren Maschinen benutzen, auch hinsichtlich der Abzugsvorrichtung?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504414200
Herr Abgeordneter, ich kann diese Frage mit letzter Sicherheit nicht beantworten. Ich würde es vorziehen, mich noch einmal zu erkundigen. Ich habe aber keinen Anlaß anzunehmen, daß es anders ist. Es ist ja so, daß nach der seinerzeitigen Ablösung des Martin-Baker-Sitzes bei der F 104 und der Entscheidung zugunsten des C2-Sitzes natürlich diejenige Industrie, die nicht zum Zuge gekommen ist, versucht hat, die Mängel, die damals beanstandet worden sind, abzustellen, um in der Zukunft einen besseren Sitz anbieten zu können. So überholt sich das mit dem technischen Fortschritt immer von Firma zu Firma. Auch die Hersteller des C2-Schleudersitzes sind ja nicht untätig geblieben, sondern haben Verbesserungen in Vorschlag gebracht, die nach Prüfung auf ihre Verwendbarkeit, Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit von uns übernommen werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504414300
Herr Abgeordneter Cramer zu einer weiteren Frage.

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0504414400
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß — unabhängig von den Wettbewerbsmaßnahmen — die Abzugsvorrichtung an dem C2-Sitz völlig unmöglich war? Ich glaube, sie ist inzwischen auch teilweise geändert worden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504414500
Daß sie unmöglich gewesen sei, würde ich nicht bestätigen; denn dem widersprechen die zahlreichen geglückten Rettungsversuche mit dem C2-Schleudersitz bei Abstürzen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504414600
Herr Abgeordneter Kaffka zu einer Zusatzfrage.

Rudolf Kaffka (SPD):
Rede ID: ID0504414700
Herr Staatssekretär, zu welchem Zeitpunkt ist das Verteidigungsministerium zum erstenmal darauf aufmerksam gemacht worden, daß der Schleudersitz nicht voll den Anforderungen genüge?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504414800
Diese Beobachtung steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ansteigen der Unfälle mit der F 104-G.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504414900
Keine weiteren Fragen!
Dann rufe ich die Frage XII/4 des Abgeordneten Haase (Kellinghusen) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den bisher in der F 104 G verwendeten, keine höchstmögliche Überlebenschance bietenden Schleudersitz durch ein erfolgreich erprobtes und zum sofortigen Einbau bereitstehendes Modell eines anderen Fabrikats zu ersetzen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504415000
Hierzu ist die Bundesregierung nicht bereit. Für den Entschluß, den C2-Schleudersitz beizubehalten und dem jeweiligen technischen Entwicklungsstand anzupassen, gibt es folgende
Gründe: Die Wirksamkeit und damit die Rettungschancen für den Piloten werden durch die jetzt geplanten Änderungen auf den neuesten Stand gebracht und wesentlich verbessert. Die für die F 104 G gegebenen optimalen Sitzeinbauverhältnisse — Sie wissen aus den Erörterungen im Verteidigungsausschuß, worum es sich handelt — bleiben erhalten. Die mit den F-104-Konsortiumsländern vereinbarte und — ich habe darauf schon hingewiesen — weltweit bestehende einheitliche Ausrüstung der F 104 bleibt bestehen; einzige Ausnahme: Dänemark. Der technische Aufwand ist erheblich geringer als bei einem Austausch des gesamten Systems. Mit der entscheidenden Verbesserung, dem Einbau stärkerer Raketen, kann bereits in diesen Tagen begonnen werden, während der Einbau eines völlig anderen Sitzes erst nach Monaten, wahrscheinlich nicht vor Ende 1966/Anfang 1967 möglich wäre. Auf diesen letzten Umstand habe ich schon hingewiesen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504415100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase (Kellinghusen).

Detlef Haase (SPD):
Rede ID: ID0504415200
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, warum die RaketenstartTestmaschinen nicht mit dem C2-Sitz, sondern mit dem GQ7-Sitz ausgestattet sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504415300
Auch diese Frage, Herr Abgeordneter, ist ausführlich im Verteidigungsausschuß behandelt worden. Es ist damals ausgeführt worden, daß es sich um besondere Erprobungen, die ja nicht operationell eingeführt sind, handelt und daß aus diesem Grunde ein speziell in diesem Falle zweckmäßiger Sitz verwendet wird, der natürlich im Zusammenhang steht mit den Beanspruchungen und dem Zweck der Versuche, die von der operationellen Verwendung der F 104 in den Geschwadern völlig zu trennen sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504415400
Keine weitere Frage.
Dann die Frage XII/5 des Herrn Abgeordneten Dr. Effertz, übernommen von dem Herrn Abgeordneten Ertl:
Sind Pressemeldungen zutreffend, wonach eine Zusammenlegung und damit Ausdehnung der von der belgischen Armee genutzten Truppenübungsplätze Vogelsang und Elsenborn geplant ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504415500
Ich würde bitten, die beiden Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504415600
Einverstanden. Frage XII/6 des Herrn Abgeordneten Dr. Effertz.
Auf welche Weise gedenkt die Bundesregierung die für die benachbarten Orte Vogelsang und Elsenborn durch die in Frage XII/5 erwähnte Zusammenlegung verbundenen erheblichen Nachteile auszugleichen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504415700
Die Pressemeldungen sind nicht zutreffend. Sie beruhen wahrscheinlich auf einer falschen Interpretation der Tatsache, daß zur Zeit zwi-



Staatssekretär Gumbel
schen den Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen und den belgischen Streitkräften über den Abschluß einer neuen Vereinbarung über die Benutzung des von belgischer Seite in Anspruch genommenen sogenannten Aufmarschgebietes des Truppenübungsplatzes Vogelsang verhandelt wird. Einzelheiten dieser Verhandlungen sind mir nicht bekannt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504415800
Dann die Fragen XII/7 und XII/8 des Abgeordneten Dr. Klepsch:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung Cher besondere Belastungen, die für Abiturienten, die zum Wehrdienst herangezogen werden, im Herbst 1966 entstehen?
Welche Maßnahmen und Vorkehrungen trifft die Bundesregierung, um die in Frage XII/7 erwähnten besonderen Belastungen aufzufangen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504415900
Herr Abgeordneter Dr. Klepsch, Ihre Fragen beziehen sich auf einen Teil der Schwierigkeiten, die auch für die Bundeswehr durch die Verlegung des Schuljahrbeginns in den Herbst und damit auch durch den Abschluß des Schuljahres im Herbst des Jahres entstehen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat am 17. Mai vom Sekretariat der Kultusministerkonferenz die verbindliche Mitteilung über die Zeitpunkte der Reifeprüfungen im Herbst 1966 für alle Bundesländer erhalten. Vor diesem Zeitpunkt, also vor dem 17. Mai, waren die Abiturtermine der einzelnen Bundesländer im Herbst dieses Jahres so ungewiß, daß sich darauf keine Planungen aufbauen ließen.
Das Bundesverteidigungsministerium wird im Herbst und auch in der Folgezeit der Schuljahresumstellung Rechnung tragen und den Abiturienten hinsichtlich des Zeitpunktes ihrer Einberufung zum Grundwehrdienst entgegenkommen. Abgesehen vom Lande Bayern werden die Reifeprüfungen nur im Lande Niedersachsen zum Einstellungstermin 3. Oktober 1966 abgeschlossen sein. Das Land Niedersachsen hat den Abschluß aller Reifeprüfungen bis zu diesem Termin angekündigt. Das Bundesverteidigungsministerium wird die Abiturienten aus Niedersachsen, die erst zum 3. Oktober 1966 ihre Reifeprüfung ablegen, noch bis zum Montag, dem 10. Oktober 1966, zum Grundwehrdienst einberufen.
In allen übrigen Ländern außer Hamburg werden die Reifeprüfungen zwischen Ende Oktober und Mitte Dezember 1966 abgeschlossen sein. Das Bundesverteidigungsministerium wird diese Abiturienten zum frühestmöglichen Zeitpunkt — das wäre der 3. Januar 1967 — zum Grundwehrdienst einberufen. Die Bundeswehr hat somit gegenüber den bisherigen Einstellungsterminen zusätzlich den 1. Januar 1967 als Einberufungstermin für Abiturienten festgelegt, um ihnen jeden weiteren Zeitverlust zu ersparen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504416000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0504416100
Herr Staatssekretär, hat sich der Bundesminister der Verteidigung auch bezüglich der Erschwernisse Gedanken gemacht, die
sich daraus ergeben, daß die eineinhalbjährige Wehrdienstzeit mitten im Semester endet?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504416200
Auch darüber hat sich der Bundesminister der Verteidigung natürlich Gedanken gemacht. Ich glaube, daß Herr Minister von Hassel heute bei der Beratung des Einzelplans 14 darauf zu sprechen kommen wird. Im konkreten Fall würde das darauf hinauslaufen, daß die Abiturienten, die zum 1. Januar 1967 einberufen werden, am 30. Juni 1968 aus dem Grundwehrdienst entlassen würden. Sie könnten in eine etwas schwierige Lage geraten, weil das Semester schon läuft .Deshalb wird geprüft, ob in Einzelfällen derartige Abiturienten nicht so rechtzeitig beurlaubt werden können, daß sie den Anschluß an das Sommersemester 1968 noch erreichen. Allerdings müßte vorbehalten bleiben, daß die Zeit, die am Grundwehrdienst verlorengeht, in irgendeiner Art und Weise nachgeholt wird.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504416300
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0504416400
Herr Staatssekretär, ist damit sichergestellt und wären Sie bereit, den Kreiswehrersatzämtern auch entsprechende Anweisungen zu erteilen, .daß Abiturienten, die in dem von Ihnen geschilderten Zeitraum Abitur machen, nicht zum 1. April 1967 einberufen werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504416500
Dies ist geplant und beabsichtigt. Wir werden ja infolge der Verschiebungen jeweils zu den einzelnen Quartalen und abweichend von den bisher zwei Einstellungsquartalen zu vier Einstellungsquartalen im Jahre 1967 und vielleicht auch noch später kommen müssen. Die Einzelheiten werden zur Zeit ausgearbeitet. Wegen der mangelnden Unterlagen — ich sagte, wir haben eine definitive Auskunft erst unter dem 17. Mai erhalten — ist das bislang nicht möglich gewesen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504416600
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0504416700
Gelten die Aussagen, die Sie gemacht haben, auch für diejenigen, die sich auf zwei Jahre verpflichten werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504416800
Sicher würden wir das in entsprechender Anwendung so handhaben müssen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504416900
Herr Abgeordneter Damm, eine Zusatzfrage.

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0504417000
Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, daß die Situation für Hamburg anders sei als für die anderen Bundesländer. Können Sie darüber Auskunft geben, welches der frühestmögliche Termin sein wird, die Hamburger Abiturienten zum Wehrdienst einzuberufen?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504417100
Hamburg hat mitgeteilt: Im Herbst 1966 keine Prüfung. Voraussichtlich 15. Januar 1967 frühester Beginn. Voraussichtlich 15. März 1967 Ende.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504417200
Herr Abgeordneter Damm, eine weitere Frage.

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0504417300
Herr Staatssekretär, wann wäre dann der frühestmögliche Termin für die Einberufung?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504417400
Der frühestmögliche Termin wäre in diesem Fall der 1. April 1967.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504417500
Herr Abgeordneter Josten, eine Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0504417600
Herr Staatssekretär, kann nach Ihren Ausführungen also damit gerechnet werden, daß vom Verteidigungsministerium aus die Einziehung der Abiturienten allgemein entsprechend der Erklärung des Herrn Ministers hier im Hause besonders sorgfältig behandelt wird, um die eingezogenen Abiturienten nicht zu benachteiligen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504417700
Davon können Sie ausgehen, Herr Abgeordneter. Der Schuljahrsbeginn bringt — ich sagte das bereits — auch für die Bundeswehr Schwierigkeiten mit sich. Wir werden versuchen, die Schwierigkeiten für die Betroffenen so gering wie möglich zu halten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504417800
Herr Abgeordneter Fellermaier, eine Zusatzfrage.

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0504417900
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie den Fall, daß ein Kreiswehrersatzamt im Oktober vergangenen Jahres dem Abiturienten mitteilt, er würde zum 1. April 1966 eingezogen, und er am 1. April 1966 die Mitteilung erhält, daß er erst im Oktober dieses Jahres einberufen wird, so daß er dadurch ein halbes Jahr verliert, aber auch seine Universitätsausbildung nicht beginnen kann, weil er den Nachweis führen muß, daß er in dieser Zeit keinen Wehrdienst ableisten muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504418000
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir den Einzelfall nennen würden, Herr Abgeordneter, damit ich ihn nachprüfen kann. Ich kenne die Verhältnisse, die hier vorgelegen haben, nicht.

(Abg. Fellermaier: Ich bin gern dazu bereit!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504418100
Dann die letzte Frage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg:
Inwieweit ergänzen oder widersprechen sich nach Auffassung der Bundesregierung die innerhalb der Nordatlantischen Allianz entwickelten Begriffe „atomare Abschreckung" und „flexible Strategie"?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504418200
Herr Abgeordneter, die Nordatlantikpaktorganisation ist ein reines Defensivbündnis. Die Mitgliedstaaten haben sich angesichts der ihnen drohenden Gefahren zusammengeschlossen, um durch die Zusammenfassung ihrer Machtmittel die Sicherheit und die Integrität ihres Gebietes zu gewährleisten und den Frieden zu erhalten. Das der Allianz zur Verfügung stehende Potential soll jeden Aggressor von einem Angriff abschrecken. In unserer Zeit ist die Abschreckung nur dann überzeugend, wenn nicht nur eine konventionelle Rüstung vorhanden ist, sondern auch einsatzfähige und nicht ausschaltbare atomare Waffen bereitstehen. Solange die Abschreckung wirksam ist, wird ein bewaffneter Konflikt nicht ausbrechen. Darin ist der Hauptzweck des Bündnisses zu erblicken. Erst in dem Augenblick, in dem die abschreckende Wirkung der Stärke der Allianz versagt, stellt sich die Frage, in welchem Umfang und in welcher Weise das verfügbare Potential der Paktorganisation zum Einsatz gebracht werden soll. Eine der möglichen Antworten, die auf diese Frage erteilt worden sind, war der Vorschlag der „massive retaliation", also der massiven Vergeltung. Im Laufe der Zeit wurde diese Antwort weitgehend nicht mehr als befriedigend angesehen. Eine andere Antwort, die deshalb gegeben worden ist, ist die der sogenannten „flexible response". Ich gehe davon aus, daß Sie mit der Bezeichnung „flexible Strategie" nichts anderes meinen. Nach der Theorie der „flexible response" sollen gegen einen Angriff nur diejenigen Mittel eingesetzt werden, die zur Abwehr des Angriffs notwendig sind. Das Wesen der „flexible response" besteht also darin, den Einsatz der militärischen Abwehr in einem adäquaten Verhältnis zu den Angriffsmitteln des Aggressors zu halten, um auf diese Weise der politischen Führung genügend Spielraum für die Beilegung des Konflikts auf politischem Wege zu belassen.
Atomare Abschreckung und flexible Strategie widersprechen sich — und damit darf ich auf den Kern Ihrer Frage kommen — keinesfalls. Sie ergänzen sich insoweit, als sie Zielsetzungen und Verhaltensweisen in zeitlich verschiedenen Phasen bezeichnen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504418300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0504418400
Entspricht die NATO-Theorie der atomaren Abschreckung nicht unserem politischen Ziel, den Krieg unter allen Umständen zu verhindern, und besteht nicht die Gefahr, daß mit der Entwicklung von flexiblen Strategien — wie immer man sie im einzelnen nennt — die Möglichkeit eines Krieges in die NATO-Theorie zu stark aufgenommen wird, eine Gefahr, die in erster Linie die Westeuropäer trifft?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504418500
Herr Abgeordneter, ich würde diese Frage nicht unbedingt bejahen. Je größer die Stärke der Gesamtallianz ist — sie basiert ja zu einem wesentlichen Teil auf dem unersetzbaren nu-



Staatssekretär Gumbel
klearen Potential der Vereinigten Staaten —, um so stärker ist auch die abschreckende Wirkung, die von dieser potentiellen Stärke der Allianz ausgeht. Es ist im Rahmen einer solchen Überlegung vielleicht nicht völlig glaubwürdig, daß die Allianz, die über so viele Möglichkeiten, einem Angriff zu begegnen, verfügt, bei jedem Angriff, ganz gleich, wie er beschaffen wäre, sofort mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln einschreiten würde.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504418600
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0504418700
Herr Staatssekretär, in Überlegungen von amerikanischen und europäischen Militärtheoretikern und Politikern — ich denke jetzt besonders an eine Rede von Ministerpräsident Pompidou aus der letzten Zeit — ist die Möglichkeit aufgezeigt worden, daß mit dieser Theorie der „flexible response" beabsichtigt sein könnte oder auf jeden Fall die Gefahr heraufbeschworen werden könnte, daß im Kriegsfalle der Hauptangreiferstaat ausgespart wird und daß das Kriegsgeschehen sich allein auf Westeuropa konzentriert. Halten Sie diese Gefahr für gegenstandslos?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504418800
Alle diese Überlegungen haben einen gewissen spekulativen Charakter, Herr Abgeordneter. Niemand wird den tatsächlichen Ablauf, falls es einmal zu einem Konflikt käme, mit absoluter Sicherheit voraussagen können. Es wird sehr auf die Umstände ankommen. Ich meine, auch der Gedanke ist natürlich nicht völlig abwegig, daß unter Umständen bei einem sofort ausbrechenden „general war", wie man in der Fachsprache sagt, zunächst einmal die weniger bedeutenden Bundesgenossen ausgespart würden. Das besagt aber nicht, daß sie dann auf alle Zeit von den Folgen eines derartigen Krieges verschont blieben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504418900
Herr Abgeordneter Genscher zu einer Zusatzfrage.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0504419000
Herr Staaatssekretär, darf ich Sie dahin verstehen, ,daß auch Sie die Auffassung vertreten, daß sich die Strategie des Bündnisses auch den veränderten politischen und militärpolitischen Verhältnissen im Schutzbereich anpassen muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504419100
Ich würde diese Frage auf alle Fälle bejahen. Alles entwickelt sich fort, die Politik, die Technik und alles Mögliche. Es wäre unsinnig, ,das Bündnis auf einem Stand zu halten, der einer vergangenen Zeit entspricht.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504419200
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0504419300
Darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie mit mir der Meinung sind, daß
eine solche Entwicklung in entscheidenden Fragen stattgefunden hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504419400
Ich würde das nicht ableugnen, Herr Abgeordneter.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504419500
Herr Abgeordneter Berkhan zu einer Zusatzfrage.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0504419600
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in die Überlegungen die »flexible response« betreffend eingeschaltet oder nicht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504419700
Die Bundesregierung befindet sich in einem ständigen Austausch mit den Partnern über die Militärtheorie.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504419800
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0504419900
Halten Sie diese Doktrin zur Zeit für richtig oder für falsch?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504420000
Sie wissen, daß wir gewisse Modifikationen dieser Theorie wünschen. Die Interessenlage der einzelnen Staaten ist nun einmal schon auf Grund ihrer geographischen Verhältnisse unterschiedlich.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504420100
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, und beende die Fragestunde.
Wir fahren fort mit Punkt 3 der Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966)

— Drucksache V/250 —
Berichte des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß)

Ich rufe auf: Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern
— Drucksachen V/575, zu V/575 —Berichterstatter: Abgeordneter Mengelkamp verbunden mit
Einzelplan 36
Zivile Verteidigung
— Drucksache V/599 —Berichterstatter: Abgeordneter Wellmann
Herr Abgeordneter Mengelkamp verzichtet auf eine Ergänzung. Ich danke Ihnen für Ihre Berichterstattung.
Wir beginnen mit einer allgemeinen Beratung. Es liegen aber Änderungsanträge vor, die zu be-



Vizepräsident Dr. Dehler
gründen sind, und zwar Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf Umdruck 39 *) und auf Umdruck 40*), ein Änderungsantrag des Abgeordneten Kubitza auf Umdruck 35 *) und ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 41 *).
Das Wort hat zuerst der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0504420200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat in seinem Ressort bei seiner Amtsübernahme sehr viele schwierige Aufgaben vorgefunden, und es ist zu früh, schon nach wenigen Monaten ein Urteil über die weitere Arbeit des Ressorts abzugeben, zumal ja der Herr Bundeskanzler allgemein zur Arbeit der Bundesregierung kürzlich gemeint hat, die Bundesregierung sei dabei, Tritt zu fassen.
Es ist auch im Rahmen einer Aussprache in der zweiten Lesung nicht möglich, alle Sachbereiche des Ressorts ausführlich zu erörtern. Wir haben dazu auch bei anderen Gelegenheiten die Möglichkeit. Ich erinnere daran, daß wir uns ja erst vor einigen Tagen mit der Arbeit und dem Ausbau des Bundeskriminalamtes beschäftigt haben.
In der heutigen Debatte sollten vor allem die Bereiche angesprochen werden, in denen Sachfragen zur Entscheidung anstehen, in denen die öffentliche Diskussion an einem Punkt ist, daß hier darüber gesprochen werden muß, und in denen auch zum Teil Wünsche und Anregungen, auch kritischer Art, vorgetragen werden.
Es sieht ja so aus, Herr Minister, als ob der Ausverkauf im Bundesinnenministerium allmählich seinem Ende zuginge, vielleicht auch deshalb, weil die meisten jetzt noch verbleibenden Aufgaben Ihnen von den Ressortkollegen gern überlassen werden. Ich habe es als einen Lichtblick betrachtet, daß das Kabinett beschlossen hat, die Federführung — soweit hier der Staat überhaupt nach den Statuten des Internationalen Olympischen Komitees Aufgaben hat — bei Ihnen, dem zuständigen Ressortminister, zu belassen und nicht irgendwelche andere, gelegentlich aus durchsichtigen Gründen angestrebte Lösungen zuzulassen. Wir werden Ihre Arbeiten mit Aufmerksamkeit verfolgen und Sie nach Kräften bei der Vorbereitung der Olympiade unterstützen. Ich bin auch sicher, daß Sie im ganzen Hause die Unterstützung finden werden.
In der Regierungserklärung 1965 sind die Fragen des öffentlichen Dienstes nicht behandelt worden. Offen gestanden, für uns war das kein Wunder. Mit der Beamten- und Besoldungspolitik ging es ja in den letzten Jahren bergab, und Sie, Herr Minister, mußten in Ihrem neuen Ressort bald feststellen, in welche Sackgasse die Besoldungspolitik geraten ist. Ihre Rede vom 19. Awril war erfreulich, weil sie immerhin zu der Hoffnung berechtigt, daß die Bundesregierung aus Fehlern lernen will. Ich habe allerdings die Sorge, daß die augenblickliche finanzielle Situation und das Beharrungsvermögen in alten
*) Siehe Anlagen 2-5
Vorstellungen der Verwirklichung Ihrer Vorstellungen abträglich sind. Wir werden sehen. An unserer Unterstützung soll es dabei nicht fehlen.
Die Arbeitsergebnisse der von uns seit Jahren geforderten unabhängigen Sachverständigenkommission hätten sicherlich wertvolle Hinweise auf den einzuschlagenden Weg gegeben. Leider hat die Mehrheit den Vorschlag erneut abgelehnt. Ich bin aber sicher, daß es Möglichkeiten gibt, unsere Gedanken auch in anderer Form weiterzuverfolgen.
Sie haben die Arbeiten an der Ablösung der alliierten Vorbehalte durch eine Grundgesetzergänzung für den Fall des Notstandes mit Nachdruck wiederaufgenommen. Die Zwölferkommission hat mehrfach getagt. Wir freuen uns, daß Sie öffentlich klargestellt haben, daß es sich nicht um Verhandlungen im eigentlichen Sinne, geschweige denn um Geheimverhandlungen gehandelt hat, sondern um die nochmalige Vorklärung der Standpunkte.
Die SPD hat die Gelegenheit benutzt, diejenigen unserer Vorstellungen klar darzulegen, die noch keinen Niederschlag in dem Entwurf des Rechtsausschusses der 4. Legislaturperiode gefunden haben. In den Gesprächen hat sich deutlich gezeigt, daß es Möglichkeiten für einen gemeinsamen Standpunkt gibt und daß Sie die Notwendigkeit erkannt haben, sich mit unseren sachlichen Vorbehalten positiv auseinanderzusetzen.
Sie kennen unsere Vorstellungen, die wir seit Jahren hier vertreten haben. Es liegt für uns kein Grund vor, von ihnen abzugehen. Es ist selbstverständlich, daß sich die SPD-Fraktion erst entscheiden kann, wenn die Gesetzestexte vorliegen und sehr eingehend beraten sind. Bei diesen Beratungen, die auch nach Ihren Äußerungen nicht unter Zeitdruck erfolgen werden, wollen wir alle Fragen ausgiebig und in aller Öffentlichkeit diskutieren.
Sicher rühren die Widerstände gegen diese Grundgesetzergänzung zum Teil auch von dem Eindruck her, daß in den vergangenen Jahren die Probleme — so hat es sich in der Öffentlichkeit zum Teil dargestellt — zu schnell behandelt werden sollten. Wir wollen die Befürworter und Gegner in öffentlichen Hearings vor den zuständigen Ausschüssen zu Wort kommen lassen, damit sie ihre Meinung zu den Gesetzesvorschlägen vortragen können. Vor der endgültigen Entscheidung soll die Öffentlichkeit ausführlich über die Absichten des Bundestages unterrichtet werden, damit eine eingehende, nicht von Emotionen, sondern von Sachkenntnis bestimmte Diskussion in Gang kommt. Ich glaube, daß wir uns heute auf diese grundsätzlichen Feststellungen beschränken können. Sie werden Ihren Standpunkt heute und bei weiteren Gelegenheiten sicher darlegen.
Sorge macht uns der Zivilbevölkerungsschutz. Wir haben in der 4. Legislaturperiode immer wieder auf die wichtige Frage der Finanzierung des Zivilschutzes hingewiesen; denn die besten Gesetze nützen nichts, wenn man kein Geld zur Verfügung hat. Da die Bundesregierung Kürzungen vorgenommen hat, reicht die finanzielle Decke nicht. Die Kollegin Renger und der Kollege Hansing werden zur Begrün-



Schmitt-Vockenhausen
dung unseres Entschließungsantrags zu Einzelplan 36 im einzelnen unsere Vorstellungen und Wünsche vortragen.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ein Wort zum Parteiengesetz sagen. Das Problem ist in den letzten Monaten und Jahren so ausgiebig diskutiert worden, daß man sich fast scheut, die Forderung auf Verabschiedung eines Parteiengesetzes hier erneut vorzutragen. Korrekterweise muß ich sagen, daß Ihr Ministerium in den letzten Jahren die politischen Parteien bei der Vorbereitung interfraktioneller Bemühungen sehr unterstützt hat. Wo die Sünder sitzen, ist bekannt. Ich bin überzeugt, wir hätten ein Parteiengesetz, wenn bestimmte Kräfte nicht durch übermäßige Finanzierungsforderungen die Einigung unmöglich gemacht hätten. Wenn sie gewußt hätten, wie sehr sie zurückstecken müssen, wäre die Einigung vielleicht schneller gekommen.
Ich will für die SPD noch einmal erklären: wir werden auf die baldige Beratung des Parteiengesetzes drängen. Unsere Vorstellungen sind bekannt. Bitte, sorgen wir alle dafür, daß nicht der Eindruck entstehen kann, als ob das Parteiengesetz ein Parteienfinanzierungsgesetz sei, und daß nicht außer acht gerät, wie wichtig das Parteiengesetz ist, um die innerparteiliche demokratische Ordnung aller Parteien sicherzustellen.
In den letzten Tagen und Wochen ist die Frage des Schutzes unserer freiheitlichen Ordnung gegen Links- und Rechtsradikalismus immer wieder in den Mittelpunkt der Erörterungen gerückt. Die Parteien des Bundestages haben die Pflicht, unvoreingenommen und ohne Aufschub diese Fragen in aller Öffentlichkeit zu erörtern. Ein erster Anfang ist in der Aktuellen Stunde vom 5. Mai gemacht worden, indem wir uns . in erfreulicher Einmütigkeit von jenen „Stahlhelm"-Veranstaltungen an der Saar und in Rheinland-Pfalz distanziert haben, die damals in der Öffentlichkeit mit Recht Anlaß zur Kritik gegeben haben. In unserem Lande gibt es Unbelehrbare von einst und im Untergrund Arbeitende, die nicht zuletzt aus der Zone gesteuert und finanziert werden. Die Berichte Ihres Hauses lassen erkennen, daß die Bundesregierung diese Entwicklung mit Aufmerksamkeit verfolgt. Es wäre gut, wenn sie die Gelegenheit nützen würden, Ihre Auffassung vor dem Hohen Hause deutlich zu machen. Draußen wird erwartet, daß wir nicht nur reden, sondern daß gegebenenfalls auch gehandelt wird. Das gilt nicht zuletzt auf dem Gebiet der rechtsradikalen Presseerzeugnisse. Ohne die Dinge überzubewerten, darf ich sagen, daß eine klare Stellungnahme von Ihnen von wesentlicher Bedeutung ist.
Schließlich sollten auch im Bereich der Wirtschaft alle Verantwortlichen dafür sorgen, daß durch publizistische Äußerungen beim Arbeitgeber nicht der Eindruck entstehen kann, in der Wirtschaft gebe es Kreise, die Hoffnungen und Wünsche hätten, wie sie Teilen der Wirtschaft bei der Finanzierung der NSDAP vor 1933 vorgeschwebt haben.

(Abg. Erler: Sehr wahr!)

Ich möchte noch ein Wort zu der Wahl von Richtern an den oberen Bundesgerichten sagen, soweit das Innenressort betroffen ist. Sicherlich müssen
solche Wahlen auf das sorgfältigste überlegt werden. Aber wenn, wie der Jahresbericht für 1965 des Bundesverwaltungsgerichts zeigt, eine Richterstelle eineinhalb Jahre unbesetzt bleibt, dann geht das zu Lasten der Rechtsuchenden. Hier müssen die Dinge schneller in Gang kommen.
Die Kulturabteilung des Ministeriums arbeitet zwar fleißig, es ist ihr jedoch nicht ganz gelungen, die wichtige Aufgabe des Hauses als Schnittpunkt zwischen Kultur und Politik auf den wenigen Ebenen, auf denen der Bund kulturpolitische Möglichkeiten hat, in dem erwünschten Umfange deutlich zu machen. Es ist zu überlegen, was hier mehr geschehen kann. Kultur und Politik müssen stärker als bisher zusammenkommen. Hier hat das Ministerium, solange diese Fragen bei ihm ressortieren, eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Gerade weil in Bonn vieles fehlt, ist diese Aufgabe um so wichtiger. Es wäre gut, Herr Minister, wenn Sie sich auch dieser Probleme annähmen.
Zur Frage der politischen Bildung hofft mein Kollege Kübler noch etwas sagen zu können. Die politische Bildungsarbeit hat sicher viele erfreuliche Ergebnisse gehabt. Wir kommen aber allmählich in eine neue Phase, in der neue Impulse gegeben werden müssen. Wir dürfen nicht vergessen, daß viele jüngere Menschen nicht die Erfahrungen der mittleren und älteren Generationen mit dem totalitären Staat haben und deshalb auch leichter geneigt sind, solche Gefahren zu unterschätzen. Das Schicksal unseres Staates entscheidet sich deshalb in starkem Maße im Raum der politischen Bildung. Hier muß es gelingen, dem Staatsbürger Einsicht in Sinn und Wesen des demokratischen Staates klarzumachen. Damit werden wir den besten Schutz für unsere demokratische Verfassungsordnung schaffen. Das ist eine gemeinsame Aufgabe von Regierung und Opposition. Ihre Ausführungen vom 10. Mai vor dem Industrie-Club in Düsseldorf, die wir sorgfältig verfolgt haben, zeigen, daß Sie die Bedeutung dieser Frage erkannt haben. Wir werden Sie dabei unterstützen.
Sie haben ein Ressort vorgefunden, in dem manche Probleme in der Vergangenheit nicht immer mit dem notwendigen Nachdruck und vielleicht auch nicht mit dem entschlossenen Willen, zu einer gemeinsamen Grundlage zu kommen, behandelt worden sind. Ich will niemandem zu nahe treten; doch hatte ich manchmal das Gefühl, daß Ihr Vorgänger das Ministerium so als eine Art Trampolin in die Höhen der Politik benutzte, und mit gutem Willen allein ist es ja meist auch noch nicht geschafft.
Ich habe die Hoffnung, daß wir ungeachtet aller politischen Auseinandersetzungen, die notwendig sind und die sicher auch mit Ihnen kommen werden, eine gemeinsame Grundlage für diese Auseinandersetzungen haben. In Ihrer bisherigen Arbeit haben sich gute Ansätze gezeigt. Mehr können wir heute noch nicht sagen. Ob und wie Sie es weiterführen, das wird Ihre Sache sein. Ob Sie Erfolg bei Ihren Bemühungen haben werden, wird sich im einzelnen in der Zukunft zeigen. Wir werden alle Ihre Vorschläge sorgfältig prüfen. Sie können sicher sein, daß Sie im Rahmen der politischen Vorstellungen



Schmitt-Vockenhausen
der SPD die Unterstützung der Opposition in den Grundfragen unseres Staats- und Verfassungslebens haben werden. Wir wollen unsererseits Ihre Bemühungen um ein sachliches Verhältnis zur Opposition dadurch würdigen, daß wir uns zum erstenmal bei der Abstimmung über den Haushalt des Bundesministeriums des Innern der Stimme enthalten.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504420300
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Paul Lücke (CDU):
Rede ID: ID0504420400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte unmittelbar das Wort zu dem wichtigsten Fragenkreis ergreifen, der dieses Haus jetzt und wohl auch in Zukunft beschäftigen wird: die Notstandsverfassung. Ich halte es für unerläßlich, daß diese Frage nunmehr parlamentarisch weiterbehandelt wird, damit wir von der öffentlichen Diskussion in der Illustrierten- und der Fernseh-Demokratie zur parlamentarischen Diskussion dieser Frage zurückfinden.

(Allseitiger Beifall.)

Hierher gehören die Schicksalsfragen unseres Volkes. Ich hoffe, daß es uns gelingt, heute den Anfang zu machen.
Ich weiß mich mit den Damen und Herren des Hohen Hauses in der politischen Zielsetzung einig, unsere rechtsstaatliche, unsere freiheitliche Demokratie auch für die Stunde der Not zu sichern. Deshalb bemühe ich mich seit Übernahme meines Amtes um die notwendige breite Basis für einen neuen Regierungsentwurf einer Notstandsverfassung.
Die Gespräche mit den Parteivorsitzenden und den Fraktionen des Hohen Hauses ergaben Einigkeit darüber, daß unser Grundgesetz durch Vorsorgebestimmungen für den Notstandsfall ergänzt werden muß. Dies ist aus zwei Gründen erforderlich. Erstens: Unser Grundgesetz ist auf Friedenszeiten abgestellt. Im Falle einer Existenzbedrohung würden es die Bestimmungen des Grundgesetzes unserem Staate nicht ermöglichen, den Grundforderungen zu genügen, die unser Volk gerade für diesen Fall an ihn stellen würde, nämlich rasch und wirksam das zum Schutz der Bevölkerung Erforderliche zu tun und zum anderen auch unter den Bedingungen des Notstands die Funktion der parlamentarischen und der rechtsstaatlichen Kontrolle zu gewährleisten. Zweitens: Wir brauchen die Verfassungsänderung als Voraussetzung für die Ablösung der Sicherheitsvorbehalte der Drei Mächte. — Über diese beiden Punkte bestehen Klarheit und Übereinstimmung.
Mir ging es darüber hinaus darum, meine Damen und Herren, von vornherein über die grundsätzlichen Auffassungen der parlamentarischen Kräfte Klarheit zu gewinnen, da ich einfach die Unterstützung für eine Verfassungsänderung brauche. Eine solche Verfassungsänderung bedarf nun einmal der Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat.
Die Gespräche wurden mit Vertretern aller Bundestagsfraktionen sowie der Beauftragten des Bundesrates in den letzten Monaten geführt. Dieser sogenannten Zwölfer-Kommission gehörten von der CDU/CSU-Fraktion die Herren Kollegen Benda, Dr. Even, Dr. Kempfler und Dr. Wilhelmi, von der SPD-Fraktion die Kollegen Jahn, Schmidt (Hamburg) und Schmitt-Vockenhausen und von der Freien Demokratischen Partei Herr Kollege Busse, Herr Präsident Dr. Dehler und Herr Kollege Dorn an, ferner als Beauftragter des Bundesrates meine Herren Kollegen, die Innenminister Bennemann von Niedersachsen und Dr. Filbinger von BadenWürttemberg.
Diese Zwölfer-Kommission ist viermal zusammengetreten. Das Ergebnis der Besprechungen wurde vorgestern leider erst am späten Abend nach der vierten Besprechung zusammengefaßt. Wahrscheinlich durch die späte Stunde bedingt, wurde die Verlautbarung gestern nur unvollständig zitiert. Wegen der Bedeutung der Frage darf ich von mir aus den wesentlichen Inhalt dieser Verlautbarung, die wir in dieser Zwölfer-Kommission einstimmig billigten, verlesen:
Die . . . Besprechung führte zum Abschluß der in vier Sitzungen ausgetauschten Informationen zwischen dem Bundesminister des Innern, den Vertretern des Bundesrates und der drei Fraktionen des Bundestages über ihre grundsätzlichen Standpunkte. Die Beteiligten stimmten überein, an einer rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Notstandsverfassung mitwirken zu wollen, mit der die alliierten Vorbehaltsrechte vollständig abgelöst werden sollen. Am 2. Juni 1966 wird der Bundesinnenminister mit den Innenministern und -senatoren der Länder diese Fragen erörtern. Er wird anschließend eine Kabinettsvorlage erarbeiten und dem Kabinett zur Billigung vorlegen; eine Stellungnahme der Länder und der Fraktionen kann erst erfolgen, wenn ein Gesetzentwurf vorliegt.
So weit die Verlautbarung, die wir beim Abschluß der sehr erfreulichen und fruchtbaren Diskussion in diesem Zwölfer-Gremium gemeinsam abgefaßt haben.
Nun, meine Damen und Herren, Sinn dieser schwierigen Gespräche konnte und sollte es nicht sein, etwa Einzelheiten der künftigen Regelung zu erörtern. Es sollte also nicht den Beratungen des Bundestages und des Bundesrates vorgegriffen werden. Ebensowenig — das darf ich hier feststellen — konnte ich mit meiner Meinung, die ich dort vertreten habe, die Auffassung des Kabinetts präjudizieren. Ich habe wiederholt betont, daß ich der Ansicht bin, daß sich der Bundestag für die Beratungen dieses für unser Volk so wichtigen Gesetzes Zeit nehmen sollte —

(Abg. Erler: Sehr wahr!)

darum die Vorgespräche zur Abklärung der Standpunkte —, und zwar so viel Zeit, daß jedermann, auch alle Damen und Herren im Hohen Hause, die nicht so in der Materie stehen, sich auch in Einzel-



Bundesminister Lücke
heitere mit dieser schwierigen Frage befassen können. Darum sollen bei den künftigen Ausschußberatungen auch namhafte Stimmen aus dem nichtparlamentarischen öffentlichen Leben zu Worte kommen. Sowohl den Gegnern wie auch den Befürwortern der Verfassungergänzung sollte Gelegenheit gegeben werden, sich zu äußern.

(Abg. Erler: Sehr gut!)

Ich freue mich, hier feststellen zu können, daß in den sachlichen Gesprächen der Zwölferkommission Klarheit darüber erbracht wurde, daß in einer Reihe wesentlicher Grundfragen — darum ging es — zwischen den Parteien des Bundestages, dem Bundesrat und ,der Bundesregierung Übereinstimmung besteht. Diese Grundfragen, über die Übereinstimmung besteht, möchte ich Ihnen heute bei der Lesung meines Etats zu Beginn der Kabinettsberatungen bekanntgeben.
Es handelt sich um folgende Punkte.
Erstens. Mit Verabschiedung ,der Notstandsverfassung müssen die Sicherheitsvorbehalte der Drei Mächte vollständig abgelöst werden. Hierzu gehören auch die Vorbehalte nach Art. 10 des Grundgesetzes hinsichtlich der Brief-, Post- und Fernmeldekontrolle, die erlöschen müssen. Das wiederum bedeutet, daß zusammen mit der Notstandsverfassung auch die Ergänzung des Art. 10 des Grundgesetzes und die dazugehörige Ausführungsgesetzgebung in Kraft gesetzt werden müssen. Die Drei Mächte haben uns zu verstehen gegeben, daß die vorgesehene Notstandsverfassung ihre Interessen befriedigend berücksichtigen würde, und haben uns auch ihre Ansprüche hinsichtlich der Brief-, Post- und Fernmeldekontrolle mitgeteilt.
Zweitens. Die sogenannten Schubladengesetzentwürfe sollen, sobald die Notstandsverfassung die rechtlichen Voraussetzungen dafür schafft, parlamentarisch beraten werden.
Drittens. Die Notstandsverfassung richtet sich weder gegen die Arbeiterschaft unseres Vaterlandes noch gegen die Gewerkschaften noch gegen irgend jemanden. Sie soll Vorsorge treffen für unser Volk, für unseren Staat, für die Stunde der Not.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb, meine Damen und Herren, — das ist eine Binsenweisheit und eine Selbstverständlichkeit —müssen die Rechte der Arbeitnehmer ebenso wie die aller Bürger auch im Notstandsfall in angemessener Weise gesichert bleiben.
Der 7. Kongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat sich in diesem Monat in Berlin noch nicht dazu durchringen können, der Ersetzung der Notstandsverfassung alliierten Rechts durch eine Notstandsverfassung deutschen Rechts mit parlamentarischen und rechtsstaatlichen Sicherungen zuzustimmen. Sie werden verstehen, daß gerade ich diese Entscheidung bedauere, aber ich bin nicht entmutigt, keineswegs entmutigt. Dieser Gewerkschaftskongreß hat nämlich gezeigt, daß auch innerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes die Stimmen derer wachsen, die eine Regelung der Notstandsverfassung im deutschen Verfassungsrecht für unbedingt
erforderlich halten. Ich hoffe, daß die mit dieser Arbeit notwendig verbundene, breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit, um deren Unterstützung ich Sie herzlich bitten möchte, dazu beitragen wird, auch die anderen beim DGB-Kongreß noch zurückhaltenden Kräfte dazu zu bringen, sich zu unserer Überzeugung durchzuringen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das gibt mir die Hoffnung, daß auch die deutschen Gewerkschaften in den kommenden Monaten ihren Beitrag nicht versagen und die von mir angebotene Hand nicht ausschlagen werden. Man sollte mit den Parteien und mit der Regierung sprechen und mit ihnen verhandeln, wenn es um Schicksalsfragen des Volkes geht.

(Beifall in der Mitte.)

Ich werde auf die anderen Fragen, die Sie, Herr Kollege Schmitt, angeschnitten haben, im Laufe der Beratungen — wenn Sie einverstanden sind — zurückkommen. Erlauben Sie mir, zum Schluß noch das eine zu sagen: Die Entscheidung über so wichtige Fragen wie die einer rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Notstandsverfassung liegt allein bei den vom Volk gewählten Vertretern im Deutschen Bundestag und im Bundesrat und nirgendwo sonst.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504420500
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0504420600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister des Innern hat hier eben zum Ausdruck gebracht, daß er Wert darauf lege, die Meinung der in diesem Parlament vertretenen Kräfte zur Frage der Notstandsverfassung kennenzulernen. Diese Frage ist an uns alle gerichtet, und diese Frage ist berechtigt. Der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat für die Fraktion der SPD in dieser Beziehung hier einige Ausführungen gemacht, die ich im Augenblick nicht kommentieren möchte. Ich möchte für die Fraktion der CDU/CSU folgendes sagen. Meine Fraktion beglückwünscht den Herrn Bundesinnenminister aufrichtig zu dem bisher von ihm in dieser wichtigen und schwierigen Frage erzielten Ergebnis, wie es etwa in der Verlautbarung des Bundesinnenministers, deren Text auch mit den Vertretern der Fraktionen in der Zwölferkommission abgesprochen worden ist, seinen Niederschlag gefunden hat. Ich möchte meinen, mehr noch als zu dem Ergebnis kann meine Fraktion und darüber hinaus dieses Hohe Haus den Herrn Bundesinnenminister zu der Art und Weise beglückwünschen, in der er die bisherigen Gespräche mit den Kräften im Parlament und außerhalb des Parlaments geführt hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien und Abgeordneten der SPD.)

Ich glaube, daß der eingeschlagene Weg in der Methode und in der Sache der richtige ist. Wir sind zuversichtlich, daß dieser Weg uns im Interesse unseres Volkes und unseres Staates zu einem guten



Benda
Ergebnis führen wird. Wir stimmen mit dem Herrn Bundesinnenminister auch darin überein, daß nunmehr die Zeit herangereift ist, in der die Diskussion über die Sachfragen in diesem Parlament zu beginnen hat.
Wie in der Verlautbarung von vorgestern auch zum Ausdruck gekommen ist, erwarten wir, daß das Bundeskabinett sich über den Entwurf eines Gesetzentwurfes zur Änderung des Grundgesetzes alsbald schlüssig wird, damit dieser Gesetzentwurf so zeitig vorgelegt wird, daß zu dem nächstmöglichen Zeitpunkt — ich fürchte allerdings, daß das nicht mehr vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause der Fall sein wird — die Beratungen in diesem Hohen Hause und natürlich auch im Bundesrat beginnen können. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat vorhin von einer sich aus den bisherigen Gesprächen ergebenden Vorklärung der Standpunkte gesprochen. Es ist richtig, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, es ist eine blanke Selbstverständlichkeit — und die gilt auch für meine Fraktion —, daß über den Inhalt der Kabinettsvorlage natürlich erst dann gesprochen werden kann, wenn sie erarbeitet ist und uns vorliegt. Es wird zweifellos eine ganze Reihe von Einzelfragen geben, über die nachher in den Ausschüssen noch wird gesprochen werden müssen. Insofern behält sich auch meine Fraktion ihre Stellungnahme zu einer Reihe von Einzelpunkten durchaus vor. Ich glaube, auch insoweit besteht eine gemeinsame Auffassung über den Stand des gegenwärtig Erreichten. Auf der anderen Seite darf ich aber sagen, daß die bisherigen Beratungen, die ja haben anknüpfen können an jahrelange Beratungen in diesem Hause, die also nicht im luftleeren Raum oder in der Stunde Null angefangen haben, nach meiner Auffassung — und ich nehme an, daß die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion dies bestätigen können, ohne daß ich jetzt einzelne Punkte anspreche — im Prinzip in diesem Hause zumindest eine gute Aussicht auf Einigung gezeigt haben. Ich möchte nur einen Punkt erwähnen, den ich für einen der wichtigsten halte: Wir waren wie der Rechtsausschuß des vorigen Bundestages und sind auch heute der Auffassung, daß die Rechte und Pflichten des Parlaments auch im Zustand der äußeren Gefahr nicht aufgegeben werden dürfen,

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

sondern daß, soweit das Gesamtparlament auf Grund der dann bestehenden tatsächlichen Verhältnisse nicht in der Lage sein sollte, seine Pflichten zu erfüllen, dann an seiner Stelle ein möglicherweise drastisch verkleinertes, ein Notparlament, ein Gemeinsamer Ausschuß, wie immer er endgültig heißen mag, treten soll, damit die Rechte und Pflichten des Parlaments voll erhalten bleiben.
Ein letzter Punkt, meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat erwähnt — und der Herr Bundesinnenminister hat es aufgegriffen —, daß die öffentliche Diskussion über dieses Thema, die ja doch bereits weitgehend im Gange ist, fortgesetzt werden soll, daß sie stattfinden soll. Wir sind damit einverstanden. Wir sind auch der
Meinung, daß durchaus überlegt werden soll, wie man die Möglichkeit geben kann, daß die in der Öffentlichkeit zu dieser Frage vertretenen Meinungen auch dem Parlament gegenüber in einer Form, die vielleicht noch zu finden sein wird, geäußert werden, und wie in aller Offenheit die Auffassungen zu den Einzelpunkten und zu den Grundsatzfragen dargestellt werden können. Aber, meine Damen und Herren, das ist natürlich kein Ersatz für die parlamentarische Diskussion, für die Klärung der Standpunkte, die wir selber mit uns, miteinander und in diesem Hause zu finden haben. Wir laden alle Außenstehenden, alle an diesem Thema mit Recht Interessierten ein, sich an dieser Diskussion zu beteiligen, insbesondere, meine Damen und Herren, auch die Gewerkschaften. Wir würden es sehr bedauern, wenn der Beschluß des Bundeskongresses des Deutschen Gewerkschaftsbundes, den die Mehrheit des Deutschen Gewerkschaftsbundes gegen eine sehr beachtliche Minderheitsmeinung verabschiedet hat, die vielleicht nicht immer Minderheitsmeinung bleiben wird, so ausgelegt werden müßte, als ob der Deutsche Gewerkschaftsbund das Gespräch mit uns in dieser Frage nicht führen wollte. Wir würden das bedauern, weil wir mit dem Herrn Bundesinnenminister der Meinung sind, daß unter gar keinen Umständen in der Gewerkschaft und in den Kreisen der deutschen Arbeitnehmer auch nur der Eindruck entstehen darf, als ob hier eine Notstandsregelung gegen die Gewerkschaften oder gegen die Arbeitnehmer verabschiedet werden sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben diese Absicht niemals gehabt.

(Abg. Matthöfer: Er wird nicht so ausgelegt!)

— Ich bin sehr dankbar, Herr Kollege Matthöfer, für diesen Zwischenruf, und ich weiß wohl — wenn Sie mir das abnehmen wollen —, warum ich das hier sage. Ich weiß, daß darüber auch im Gewerkschaftsbund gesprochen wird. Ich kann nur hoffen, ,daß diese Meinung, in der wir uns offenbar einig sind, sich auch durchsetzt, nicht zuletzt im Interesse der Gewerkschaften und der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer selbst.
Wir sind der Meinung, daß wir diese Notstandsverfassung schaffen werden und schaffen müssen als ein Gesetz zum Schutz unseres Volkes, zum Schutz der Demokratie, wie es ein Kollege Ihrer Fraktion und ein prominenter Vertreter der Gewerkschaft auf ihrem Kongreß mit vollem Recht selber gesagt hat. Ich meine, daß wir an diese Arbeit so bald wie möglich herangehen sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504420700
Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0504420800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen sagen, daß auch wir Freien Demokraten dem Bundesinnenminister Dank dafür sagen, daß er bei der Vorbereitung dieser schwie-



Dorn
rigen, aber um so wichtigeren Materie in der Beratung in diesem Hause aus den Fehlern seiner beiden Amtsvorgänger für die Vorlage der Gesetze gelernt hat. Wir haben es sehr begrüßt, daß die Vorgespräche von Ihnen geführt worden sind, Herr Minister, und ich glaube, man sollte an dieser Stelle auch ein sehr deutliches Wort dazu sagen, daß wir die Problematik eigentlich nicht akzeptieren können, die in der Frage liegt, ob der Bundestag inzwischen wieder Geheimverhandlungen führt, um im geheimen Dinge vorzubereiten, die dann dem Volk erst beim Eintritt des Notstandes zur Kenntnist gegeben würden. Diese Problematik kann von uns nicht akzeptiert werden. Denn wenn wir uns ansehen, wie zur Zeit bestimmte Kräfte wieder versuchen, die Atmosphäre anzuheizen, und Vorstellungen entwickeln, als ob .das Parlament gar nicht mehr gefragt werde, sondern als ob der Innenminister mit zwei Landesinnenministern und zehn Kollegen nunmehr versuche, das Parlament vor vollendete Tatsachen zu stellen, so, meine ich, ist es dringend erforderlich, daß das Parlament in dieser Stunde dazu erklärt, daß alle Kombinationen, die in dieser Richtung angestellt worden sind, jeglicher Grundlage entbehren.

(Beifall bei der FPD.)

Der Herr Innenminister hat das -Ergebnis der Vorgespräche mit den Fraktionen hier vorgetragen. Wir begrüßen es auch, Herr Innenminister, daß die Frage der Vorlage eines Ausführungsgesetzes zu Art. 10 jetzt schon von Ihnen angesprochen wird; denn wir wissen ja alle aus den letzten Wochen der Beratungen in der vorigen Legislaturperiode, welche Schwierigkeiten dadurch entstanden, daß Ihr Vorgänger zu diesem wichtigen Komplex der Ablösung auch dieser Einzelvorbehalte der Alliierten leider nicht in der Lage war, dem Hause entsprechende Formulierungen vorzulegen.
Lassen Sie mich aber eines an dieser Stelle sehr deutlich sagen. Herr Innenminister, Sie haben das Parlament gebeten, die Öffentlichkeitsarbeit voranzutreiben und Sie dabei zu unterstützen. Wir haben die Bitte, daß die Bundesregierung ihrerseits nicht in den schlechten Stil der Öffentlichkeitsarbeit der vorigen Legislaturperiode zurückfällt, sondern von sich aus wirkliche Initiativen auslöst, um eine volle und richtige Unterrichtung der Öffentlichkeit von vornherein, von der ersten Lesung bis zur Verabschiedung des Gesetzes in dieser Legislaturperiode durchzuführen. Wir wissen, daß die Entscheidung in diesem Hause liegt. Um so wichtiger ist es aber, daß die Fraktionen dieses Hauses sich darüber in den Vorgesprächen schon verständigt haben, daß vor allen Dingen die Vertreter aus dem DGB und auch aus der Professorenschaft, die bisher als Kritiker einer Notstandsgesetzgebung aufgetreten sind, die Gelegenheit bekommen, ihre gegenteiligen Argumente vor den Ausschüssen dieses Parlaments vorzutragen. Denn nur dann wird es möglich sein, etwas von dem Gefühlsbetonten aus den Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit herauszubekommen und eine Versachlichung der gesamten Diskussion dieser schwierigen Materie vor der Öffentlichkeit zu erreichen.

(Zuruf von der SPD: Späte Einsicht!)

— Nein, Herr Kollege Matthöfer, das ist keine späte Einsicht. Sie wissen genau, daß ich bei der zweiten und dritten Lesung in der vorigen Legislaturperiode gerade zu diesem Thema ein sehr ernstes Wort der Kritik an die Bundesregierung gerichtet habe.
Ich meine, es kommt jetzt darauf an, daß von vornherein die Dinge klar sind, die der Innenminister hier nach dem Ergebnis der Vorgespräche vorgetragen hat. Auch wir wollen schon an dieser Stelle, Herr Innenminister, zwei Punkte sehr offen dartun.
Die Zuständigkeit des Parlaments — des gesamten Parlaments — muß mit allen Möglichkeiten auch in kritischen Phasen garantiert bleiben. Die Zuständigkeit des Parlaments in der Entscheidung über die Ausrufung eines Notstandes muß organisatorisch mit allen Möglichkeiten so vorbereitet sein, daß das Parlament nach menschlichem Ermessen die Entscheidung nicht an einen anderen Ausschuß abgeben sollte; hier muß die letzte Zuständigkeit bei uns allen liegen.
Ein zweites Problem, bei dem uns das, was Sie dazu vorgetragen haben, nicht ganz so akzeptabel erscheint, Herr Minister, es sei denn, daß Sie es vielleicht anders gemeint haben, als Sie es hier expressis verbis gesagt haben: die Auffassung nämlich, daß die „Schubladen-Gesetze" erst dann verabschiedet werden könnten, wenn die Verfassungsänderung vom Parlament beschlossen worden sei. Wir bitten Sie sehr ernsthaft, diese Auffassung zu überprüfen. Denn, meine Damen und Herren, die Schwierigkeiten hinsichtlich des Verständnisses dieser Gesetzgebung in der Öffentlichkeit liegt zum großen Teil doch darin, daß bisher viel zuviele Dinge als „geheim" behandelt worden sind, die überhaupt nicht den Charakter des „Geheimen" haben.

(Zustimmung bei der FDP und der SPD.)

Wir sollten 80 % der Dinge, die bisher in den Schubladen liegen, in die öffentliche Beratung dieses Hauses jetzt schon nach der Einbringung der verfassungändernden Gesetze hineinnehmen, sollten in den zuständigen Ausschüssen des Parlaments die Dinge behandeln, die nicht mit rein militärischen Fragen zu tun haben; das sind rund 80 %. Wir sind fest davon überzeugt, daß dann auch eine andere Atmosphäre des Vertrauens zu diesem Parlament in einer breiteren Öffentlichkeit erhalten bleiben kann.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504420900
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Hamburg).

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504421000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint, als ob dem Herrn Bundesinnenminister heute morgen ein Frühlingsblumenstrauß mit Dank und Anerkennung überreicht würde. Jedenfalls kann ich, Herr Lücke, auch nicht vermeiden, Ihnen unseren Dank für den



Schmidt (Hamburg)

loyalen Bericht zu sagen, den Sie über die gemeinsamen Gespräche gegeben haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Um das aber ein bißchen zu dämpfen, will ich mich nicht nur dem Dank von Herrn Benda und Herrn Dorn anschließen, sondern auch ausdrücklich der Bemerkung von Herrn Dorn, der die Fehler der beiden Amtsvorgänger des gegenwärtigen Herrn Bundesinnenministers deutlich gerügt hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Keine Rose ohne Dorn! — Heiterkeit.)

Hier ist mit Recht gesagt worden, daß diese Gespräche einer Vorklärung der beiderseitigen Standpunkte gedient haben. Ich glaube, so muß man es ausdrücken. Der Bundesinnenminister in seiner Person und mit seinen Beamten einerseits, die Fraktionen dieses Hauses andererseits und die Vertreter der Länder und des Bundesrats dritterseits wissen nun alle voneinander, was der andere zu bestimmten Fragen denkt. Im Augenblick liegt also das Problem auf den Schreibtischen des Bundesinnenministers und seiner Beamten. Er muß sehen, ob er es für möglich hält, aus den ihm dargetanen Standpunkten nun einen Regierungsentwurf zu machen, und er muß sehen, ob dann das Kabinett seinen Regierungsentwurf billigt. Wir haben ja bisher, auch in jenen Gesprächen, keinen Entwurf für die Grundgesetzergänzung gehabt, auch keinen Referentenentwurf, sondern wir haben alle nur unsere Meinungen gesagt. Es liegt meiner Fraktion daran, in einigen Punkten auch hier in diesem Hause unsere Meinung noch einmal vor aller Öffentlichkeit deutlich zu machen.
Es ist von unserer Warte aus gesehen begrüßenswert, daß die Sprecher der beiden Fraktionen wie auch der Herr Bundesinnenminister selber sehr die Notwendigkeit betont haben, unter allen Umständen die Zuständigkeit und die volle Gewalt des Parlaments aufrechtzuerhalten. Das war ja einer der Punkte, über die tendenziell in der vorigen Legislaturperiode im Rechtsausschuß des Bundestages und auch in interfraktionellen Gesprächen Einigkeit erzielt worden war, wie auch über die zu diesem Zwecke notwendige Schaffung eines gemeinsamen Ausschusses aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrats Einigkeit erzielt worden war. Es hat eine Reihe von Punkten gegeben, über die man sich damals verständigte. Wir begrüßen es, daß jedenfalls der Bundesinnenminister die Absicht hat, die damals erreichten Verständigungen zur Grundlage eines Versuchs zu machen, sich auch noch über die Punkte zu verständigen, die damals strittig gewesen sind.
Ich will hier wiederholen, was meine Freunde und ich in den Gesprächen, von denen der Minister sprach, hinsichtlich der strittigen Punkte dargelegt haben. Nach unserer Auffassung sind es vier gewichtige prinzipielle Punkte, die seinerzeit offen oder strittig blieben und die darüber entscheiden werden, wie wir uns schließlich und endlich einstellen, wenn die Beratungen von Stadium zu Stadium fortgehen. Ich nehme an, es wird anderthalb, vielleicht sogar zwei Jahre dauern, bis der Bundestag zur Schlußabstimmung über die Vorlage
kommen wird.. Er kann im Augenblick mit der Beratung noch gar nicht anfangen; denn es gibt noch gar keine Kabinettsmeinung und keine Kabinettsvorlage.
Die vier Punkte, von denen es abhängen wird, wie sich die sozialdemokratische Fraktion am Schlusse einstellt, sind die folgenden.
Erstens die Frage, ob die Einschränkbarkeit der Freiheit der Berichterstattung — also Art. 5 des Grundgesetzes — in einer Weise geregelt wird, daß sie akzeptabel ist. Wir haben aus den Gesprächen, die wir mit dem Bundesinnenminister geführt haben, den Eindruck, daß er persönlich Vorstellungen hat — Pressekommission und dergleichen —, die unseren Vorstellungen nahekommen. Wir halten es für möglich, daß man sich darüber einigt. Aber wir wünschen, zu betonen, hier ist ein Punkt, an dem wir unbedingt festhalten: daß die Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt wird und daß hier auch im übrigen sehr sorgfältig vorgegangen und die Presse beteiligt wird.
Der zweite Punkt: die rechtsstaatlich einwandfreie Regelung des Problems der Post- und Fernmeldeüberwachung. Sie wissen und die Öffentlichkeit sollte das auch nie aus dem Auge und aus dem Bewußtsein verlieren, daß die Überwachung heute in der Bundesrepublik durch die Allierten auf Grund der Vorbehaltsrechte aus dem Deutschlandvertrag geschieht. Wir bestehen darauf, daß alle Vorbehaltsrechte, die unsere Westverbündeten aus dem Deutschlandvertrag heute noch innehaben, die sie zum Teil heute noch ausüben und in einem ganz großen Umfang ausüben würden, falls es je einen Notstand gäbe, zur Gänze abgelöst werden und daß nicht ein kleiner Rest nachbleibt. Die Ablösung zur Gänze hängt möglicherweise an diesem Punkte Post- und Fernmeldekontrolle. Wir haben in den Gesprächen erfahren, daß der Bundesinnenminister über dessen gesetzliche Regelung gewisse Vorstellungen hat. Wir müssen sehen, wieweit er damit im Kabinett und in seiner Koalition zum Zuge kommen kann. Es ist möglich, daß in diesem Punkte eine Einigung erzielt wird.
Der dritte Punkt, über den hier auch schon von verschiedenen Rednern gesprochen worden ist, betrifft die Sicherung der Rechte der Arbeitnehmer. Für uns ist das der zentrale Punkt in diesem Paket. Es handelt sich einmal um die Arbeitnehmerrechte im einzelnen und zum anderen um die gewichtige Frage des Streikrechtes. Ich habe mit Genugtuung gelesen, was Herr Lücke in den letzten Tagen zur Frage des Streikrechtes gesagt hat. Mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, darf ich zitieren, was Herr Lücke öffentlich gesagt hat: „Die Streikfreiheit, wie sie im Grundgesetz niedergelegt ist, wird durch die Notstandsverfassung ebensowenig angetastet wie die Meinungsfreiheit." Ich nehme an, daß das pro futuro gesagt ist: Wird durch meine — des Innenministers — Konzeption nicht angetastet werden; so haben Sie es wohl gemeint. Ich weiß, daß es in diesem Punkte zwischen der Auffassung des Herrn Bundesinnenministers und mancher seiner Parteifreunde Nuancen geben mag. Wir werden mit Neugierde sehen, wieweit seine Freunde dem Bundesinnenminister hier folgen können.



Schmidt (Hamburg)

Andererseits glauben wir, daß gerade dieser Punkt — Rechte der Arbeitnehmer und Streikfreiheit — einer derjenigen ist, die wirklich in voller Öffentlichkeit, wie es hier gesagt worden ist, im Parlament unter Beteiligung derjenigen debattiert werden müssen, die daran unmittelbar interessiert sind. Meine Fraktion geht davon aus, daß nicht nur Staatsrechtslehrer verschiedener Auffassung und nicht nur Vertreter der Presse und der Länder mit ihren verschiedenen Auffassungen, sondern daß vor allen Dingen die Organisationen der Arbeitnehmer sich in öffentlichen Sitzungen des zuständigen Ausschusses des Bundestages im einzelnen äußern und ihre Vorstellungen in aller Breite der Öffentlichkeit vortragen sollten.
Es gibt einen vierten wichtigen Punkt, über den seinerzeit eine Einigung nicht möglich war; wir haben ihn in diesen Informationsgesprächen wieder in Erinnerung gerufen. Wir können nicht akzeptieren, daß die Bundesregierung ihre Weisungsbefugnisse gegenüber den Ländern, die sie im Notstandsfall wohl haben müßte, auf dritte Personen übertragen kann, wie es bisher vorgesehen war. Ich rufe das nur in Erinnerung.
Ich lege auch Wert darauf, festzustellen, daß die vier Punkte, die ich soeben hervorgehoben habe, Ihnen eigentlich schon seit langer Zeit bekannt sind. Sie sind Ihnen bekannt, seitdem die Parteitage der Sozialdemokratischen Partei in Köln vor vier Jahren, in Karlsruhe vor zwei Jahren und später im letzten Sommer noch einmal unsere Führungskörperschaften in Saarbrücken diese Punkte in Entschließungen herausgearbeitet haben. Eigentlich konnten der Herr Amtsvorgänger und die beiden anderen Fraktionen in diesem Hause niemals im Zweifel darüber sein, worum mit uns nicht mehr gehandelt werden konnte. Das lag von Anfang an fest, das wird auch fest bleiben.

(Zuruf von der FDP: Das haben Sie eine Zeitlang selber nicht gewußt!)

— Es ist nicht ganz fair, was Sie hier dazwischenrufen; ich will darauf nicht eingehen.
Ich will auf einen Punkt aufmerksam machen, der erst im Laufe des letzten Sommers eine Bedeutung gewonnen hat. Im letzten Sommer sind mit einfacher Mehrheit in diesem Hause mehrere Sicherstellungsgesetze beschlossen worden, von denen ich annehme, daß inzwischen ihnen gegenüber auch auf der rechten Seite des Hauses erhebliche verfassungspolitische Zweifel aufgetaucht sind. Wir gehen davon aus, daß es unerläßlich ist, diese Sicherstellungsgesetze erneut unter die Lupe zu nehmen, wenn es zu Einigungen über die Grundgesetzergänzung kommen soll.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, am Schluß für meine Fraktion sagen: wir glauben, daß das gegenwärtig in Deutschland geltende Notstandsrecht ein überaus schlechtes Notstandsrecht ist, vielleicht das schlechteste, das man sich für den Notfall vorstellen kann. Das geltende Notstandsrecht, das in Artikel 5 des Deutschlandvertrages festgelegt ist, sieht ja vor, daß Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika in unbegrenzter und durch keine deutsche Stelle zu kontrollierende
oder zu begrenzende Weise Vollmachten haben und ausüben können. Es ist eine gespenstische Vorstellung, sich klarzumachen, daß das z. B. auch die Möglichkeit eines Rückfalls in Zonen verschiedenen Rechtes innerhalb der Bundesrepublik implizieren kann. Ganz abgesehen davon, daß wir einfach davon überzeugt sind, daß ausländische Dienststellen, mögen sie zivil oder mögen sie militärisch besetzt sein, auf deutschem Boden in schwierigen Lagen gegenüber dem deutschen Bürger, gegenüber der deutschen Gesellschaft, gegenüber dem deutschen Staat mit allergrößter Wahrscheinlichkeit, ja mit Sicherheit sehr viel mehr Fehler begehen werden als das vom deutschen Volk gewählte Parlament und seine Ausschüsse.
Aus diesem Grunde ist die sozialdemokratische Fraktion nach wie vor entschlossen, an einer rechtsstaatlich einwandfreien, funktionssicheren Notstandsergänzung des Grundgesetzes mitzuwirken, wenn damit die gegenwärtig geltenden Notstandsvorbehalte der Drei Mächte, die ich genannt habe, endgültig und zur Gänze ausgeräumt werden,

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504421100
Herr Abgeordneter Wehner, bitte!

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0504421200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will diesen Teil der Debatte nicht verlängern. Aber ich möchte gern zu einer Frage, die Herr Kollege Benda hier gestreift hat und der er einen gewissen Nachdruck gegeben hat — ich verstehe das durchaus —, doch eine kurze Bemerkung machen, nämlich zu der Frage der öffentlichen Information und Diskussion und der Rolle des Parlamentes, also des Bundestages dabei bzw. ganz für sich allein. Nur dazu möchte ich einiges sagen.
Meiner Ansicht nach muß der Deutsche Bundestag daran interessiert sein, daß sich viele äußern, weil das — so sehe ich es — in der Natur der Sache liegt. Hier geht es — das ist eine etwas umständliche Formel, die ich gebrauche — doch um die Vorbereitung gesetzlicher Regelungen zum Schutz der Menschen und der demokratischen Staatseinrichtungen für Zeiten, in denen dafür die normalen Gesetze nicht ausreichen würden. Das ist — zugegeben, etwas umständlich — genau gesagt, worauf es ankommt. Warum ich es hier so umständlich sage? Weil es ja in der gegenwärtigen Diskussion, die in vielen Fällen nur das Gegenüberstellen von Monologen ist, ganz anders aussieht. Ich jedenfalls bin der Meinung, und das wollte ich hier sagen: der Deutsche Bundestag muß in seiner Gesamtheit, gleichgültig, welche spezifischen Vorstellungen er im einzelnen haben mag, deshalb daran interessiert sein, weil nur durch die Öffentlichkeit von Information und Diskussion die Versachlichung der Diskussion möglich ist.
Glaube hier niemand, er könne ein wie immer sich auszurechnendes parteipolitisches Kapital aus der gegenwärtigen Form der Diskussion draußen ziehen. Heute noch wird ja so argumentiert, als handelte es sich darum, die normalen Gesetze, die heute bei uns gelten und die im Sinne des Grundgesetzes



Wehner
sind und sein müssen, durch Notstandsgesetze abzulösen, sobald diese Notstandsgesetze mit Hilfe von List und Druck — wer da angeblich alles Druck ausübt, wird im dunkeln gehalten, aber daß die Parteien List anwenden, wird heute schon sehr breit als eine allgemeine Meinung hingestellt — Gesetzeskraft hätten. Das ist eine ganz schlimme Verdrehung der Tatbestände.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Abgesehen davon wird dann, um ganz sicher zu gehen, für diese Art von Diskussion auch noch unterstellt, wer an solchen gesetzlichen Regelungen zum Schutze der Menschen und der demokratischen Staatseinrichtungen für Zeiten, in denen die normalen Gesetze dafür nicht ausreichen, mitwirkt, der wolle sozusagen — und wenn er nicht will, so sei er doch fatalistisch genug — vorbereiten helfen, daß solche Notzustände kommen. Das ist die zweite sehr schlimme, vergiftende Sache in dieser öffentlichen Diskussion,

(lebhafter Beifall bei allen Fraktionen)

an der sich heute Leute beteiligen, die so tun, als wären sie sachverständig, als wären sie die eigentlichen Demokraten, als müßten sie das mahnende Gewissen dieser unserer demokratischen Ordnung sein.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Deshalb meine ich — und deshalb habe ich Ihnen die Mühe gemacht, diese persönliche Meinung anzuhören —: wer etwas zu sagen hat, meine Damen und Herren, der soll es tun können, der soll es tun dürfen. Aber er soll es auch so tun, daß Rede und Gegenrede vor aller Öffentlichkeit möglich sind. Das ist es, worauf es ankommt.

(Erneuter Beifall bei allen Fraktionen.)

Die bisherige Diskussion, die draußen geführt wird, wird vielfach so geführt, als ob die Parteien unter einer Decke steckten und als ob Kräfte außerhalb des Parlaments die geistige und die politische Führung übernehmen müßten. Deshalb wird bei dieser Art von Diskussion auch ein Dreck darauf gegeben, daß wir hier sagen: Wir wachen ja darüber, daß das Parlament und daß rechtsstaatliche Sicherheiten nicht ausgeschaltet werden, wie es der Herr Bundesminister des Innern einleitend gesagt hat. Dann sagen die: Was heißt, ihr wacht darüber, ihr steckt in diesem Punkt unter einer Decke. Und dann kommt das heutige neudeutsche Wort von dem „establishment", dem wir alle angehörten. In diesem Punkte und aus diesem Grunde bin ich der Meinung, daß im Interesse des Deutschen Bundestages bei allen schwerwiegenden Differenzen, die wir in dieser Sache und in anderen Sachen haben, breite öffentliche Information und Diskussion sein muß.
Zum Schluß eine manchen vielleicht etwas gefühlsmäßig anmutende Bemerkung. Für mich war es und ist es immer wieder, wenn ich es sehe, eine besonders bedrückende Sache. Ich erinnere mich daran, an einer der schlimmsten Stellen der Zonengrenze, in der Nähe von Koburg, gibt es an einer Stelle, an der man vorbeifahren muß und beinahe den Stacheldraht streift, auf der anderen Seite hinter dem Stacheldraht und vor 'dem Minengürtel riesige Tafeln, wie für lange Jahre igemacht, auf denen steht: „Notstandsgesetze sind das Ende der Demokratie." Ich will damit denen, die, wie sie sagen, Angst haben vor Notstand hier und heute — es wird ja auch von Philosophen in Büchern begründet und dann in Spiegeln wiedergegeben —,

(Heiterkeit)

nicht unterstellen, daß sie etwas mit dieser schrecklichen, teuflischen Auslegung auf diesen Tafeln zu tun haben. Aber das ist ja das Makabre an dieser ganzen Situation, daß es um Fragen geht, bei denen die meisten, die sich hier an der Diskussion beteiligen, dies ohne Hintergedanken tun, wenn auch mit dem Risiko des Irrtums und des Fehlgriffs. Sie sind mit diesem Risiko belastet, wenn sie sich um Regelungen zum Schutze der Menschen und zum Schutze der demokratischen Einrichtungen für ganz bestimmte Zeiten bemühen. Wann die sind, das entscheidet das Parlament — das wird häufig auch unterschlagen —, und zwar ein Parlament, das nicht unter einer Decke steckt, sondern das den Menschen und den demokratischen Staatseinrichtungen helfen will, Schutz geben will, soweit das menschenmöglich ist, in Zeiten, in denen dafür die normalen Gesetze nicht ausreichen würden.
Entschuldigen Sie diese persönliche Bemerkung. (Lebhafter Beifall bei allen Fraktionen.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504421300
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0504421400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wehner war so freundlich, an eine Bemerkung von mir anzuknüpfen, und er hat Ausführungen gemacht, von denen ich sagen möchte, daß sie sehr vernünftig waren.
Ich will nur eines noch einmal ausdrücklich bestätigen, Herr Kollege Wehner, damit wir uns da richtig verstehen: Wir sind bereit, auch hier im parlamentarischen Bereich und im übrigen in der Öffentlichkeit mit jedem zu diskutieren, der erstens eine redliche Gesinnung in dieser Sache mitbringt

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

und zweitens auch ein Minimum an Sachkunde, der also auch einen sachlichen Beitrag liefern kann. Ich entsinne mich bei dieser Gelegenheit an Diskussionen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, die wir etwa zusammen auch mit einem Kollegen der FDP und anderen Herren geführt haben. Manchmal ist es uns am Ende dann so gegangen — das war vor Volkshochschulen, im akademischen und im Universitätsbereich usw. —, daß wir uns auf der Heimfahrt gesagt halben, daß wir mit diesem oder jenem, der dabei war, eigentlich nicht noch einmal diskutieren wollten, weil es keinen Sinn hat, da er entweder eine der beiden Voraussetzungen, die ich soeben erwähnt habe, manchmal auch beide, nicht mitbringt; das kommt auch vor.
Zweitens. Wer das Gespräch mit uns führen will, sollte dann auch bereit sein, uns vorher in der



Benda
Weise anzuhören, daß er sich mit dem vertraut macht, was an Diskussionsbeiträgen schriftlicher oder mündlicher Art seit Monaten und seit Jahren in diesem Hause erarbeitet worden ist.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Es gibt eine Reihe von sonst .sehr achtbaren Herren, die mit uns in dieser Frage diskutieren, die manchmal auch akademische Titel haben, die aber — wie sich aus der Art ihrer Ausführungen manchmal ergibt — ,gar nicht einmal bereit sind, auch nur von dem Text der dem Hause seit Jahren vorliegenden Entwürfe Kenntnis zu nehmen,

(Sehr richtig! 'bei der CDU/CSU)

sondern ,sie diskutieren über Punkte, die durch Diskussionen und Entscheidungen in diesem Hause längst erledigt sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie reden insofern an der Sache, um die es uns hier geht, einfach vorbei. Diese Diskussion ist nicht nur furchtbar zeitraubend, sondern ich halte sie auch nicht für sehr nutzvoll. Diese Form der Diskussion wollen wir nicht; zu der anderen sind wir mit jedermann und sehr gern jederzeit bereit.

(Beifall bei allen Fraktionen.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504421500
Zur Frage des Notstandsrechts hat Herr Abgeordneter Busse das Wort.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0504421600
Herr Präsident! Meine .sehr verehrten Damen und Herren! Im Anschluß an die Dankesworte, die heute morgen angeklungen sind, meine ich, sollten wir fairerweise — abgesehen von dem Beifall, den wir soeben gezollt haben — auch dem Kollegen Wehner unseren Dank aussprechen.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Denn es war doch wohl notwendig, .daß dieses Grundproblem der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Deutlichkeit hier einmal angesprochen wurde.
Ich will nichts wiederholen, und ich will auch nicht mehr viel dazu sagen. Ich glaube, die wesentlichsten Gesichtspunkte zu dieser Frage der öffentlichen Diskussion sind vorgetragen worden. Aber ich möchte gerade in diesem Zusammenhang noch einmal eines unserer Anliegen unterstreichen, das hier auch ein ganz besonderes Gewicht bekommt, nämlich das: Behandeln wir wirklich nur das geheim, was unbedingt und unabweislich geheim behandelt werden mull!

(Beifall bei der FDP und der SPD.)

Alles andere gehört in die öffentliche Arbeit dieses Parlaments.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Nichts ist gefährlicher in dieser Situation, als immer wieder den gewollten oder begründeten Verdacht aufkommen zu lassen, das Volk dürfe nicht erfahren, was eines Tages auf es zukommen könnte. Den besten Öffentlichkeitsdienst leisten wir in diesem Parlament selbst, wenn wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen, daß wir irgend etwas nicht bekanntgeben wollen, weil es das Volk vielleicht noch nicht hören dürfte. Wenn wir uns diesem Vorwurf nicht aussetzen, dann tragen auch wir unseren Teil dazu bei, daß die Diskussion um das ganze Problem den Rang erhält, den es verdient und den Herr Kollege Wehner so klar und deutlich hervorgehoben hat: Schutz unserer rechtsstaatlichen Demokratie.

(Beifall bei allen Fraktionen.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504421700
Wir fahren dann in der allgemeinen Aussprache über den Einzelplan 36 fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0504421800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesminister des Innern ist auch der zuständige Minister für die Beamtenpolitik, insbesondere, soweit es sich hier um die grundsätzliche Linie handelt. Die gegenwärtige Debatte über den neuen Haushalt legt es daher nahe, auch einmal die Wechselbeziehungen zwischen Haushaltspolitik und Beamtenpolitik zu beleuchten. Wie ungleich in dieser Hinsicht die Gewichte verteilt sind, machen die in den vergangenen Jahren gesammelten Erfahrungen eindringlich klar. Sie beweisen, daß einseitige haushaltspolitische Erwägungen leider häufig den Vorrang gehabt haben, wenn es galt, an sich unaufschiebbare beamtenrechtliche Regelungen zu treffen.
Man kann diesen Sachverhalt auf eine ganz einfache Formel bringen: Der Beamte ist in der Regel der letzte, dem eine günstige Entwicklung der Staatsfinanzen zugute kommt. Er ist aber ganz sicher der erste, der eine Verschlechterung der Haushaltslage zu spüren bekommt. Wir haben das im letzten Jahr wieder erlebt.

(Abg. Leicht: So?)

Jenes unbeschriebene Gesetz gilt offenbar so unangefochten,

(Abg. Leicht: Wir haben doch nichts verschlechtert!)

daß sich kaum einmal jemand Gedanken über seine gefährlichen Auswirkungen macht. Man verfährt in dieser Hinsicht noch genauso wie vor 50 und mehr Jahren, bedenkt aber nicht, wie grundlegend sich inzwischen die politische und- gesellschaftliche Wirklichkeit gewandelt hat.
Die Zeiten, in denen man den Diensteifer der Beamten noch mit kostenlosen Auszeichnungen honorieren konnte, sind nämlich vorbei. In einer sich immer stärker nivellierenden Mittelstandsgesellschaft wie der heutigen verlieren frühere besondere Statusmerkmale des Beamten — wie die lebenslängliche Anstellung, die sichere Altersversorgung und die soziale Einschätzung — ständig an Bedeutung, weil sich das alles zumindest de facto, vielfach aber auch bereits de jure außerhalb des öffentlichen Rechts findet.
Die immer wieder zu beobachtende Benachteiligung der Beamten bei der Bemessung ihres Ein-



Dr. Miessner
kommens führt nun zu höchst bedenklichen Erscheinungen. Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird sich der Staat eines Tages vor Personalprobleme — vor allem in qualitativer Hinsicht — gestellt sehen, deren Lösung dann weit höhere Kosten verursachen wird als eine geordnete und rechtzeitige Gehaltsanpassung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504421900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0504422000
Ja.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0504422100
Herr Kollege Miessner, haben wir nicht in der Debatte am 19. April die Grundlagen für die weitere Behandlung gerade dieser Fragen gelegt? Wir erwarten doch jetzt, daß nach dieser positiven Debatte die Vorlagen der Regierung kommen.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0504422200
Sie haben ganz recht, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. Wir haben hier vor einigen Wochen eine meines Erachtens sehr erfreuliche Debatte im Anschluß an die Darlegungen des Ministers geführt. Dennoch werden Sie bemerkt haben, daß ich heute einmal besonders die Wechselwirkung zwischen Haushaltsrecht und Beamtenrecht herausstellen möchte. Insofern haben meine Ausführungen eine etwas andere Grundlage als die Debatte vor drei Wochen, obwohl es natürlich viele Berührungspunkte gibt.
Meine Damen und Herren, der bekannte Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 hat den Weg zu einer gerechten Besoldung klar gewiesen. Aus dem Beschluß ergibt sich die Verpflichtung des Dienstherrn, die Angemessenheit der Beamtengehälter laufend daraufhin zu überprüfen, ob ihre Höhe mit der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards Schritt gehalten hat. Darüber, daß diese Verpflichtung unmittelbar vom Grundgesetz, nämlich von dessen Art. 33 Abs. 5, abgestützt wird, sind sich alle Parteien dieses Hohen Hauses einig, und die Bundesregierung hat sich zu dieser Verpflichtung erst vor kurzem ebenfalls wieder ausdrücklich bekannt.

(V o r sitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

In ihrer Begründung des Entwurfs eines 5. Besoldungserhöhungsgesetzes hat die Bundesregierung freimütig zugestanden, daß seit dem Erlaß des Bundesbesoldungsgesetzes 1957 trotz mehrfacher Besoldungserhöhung ein beträchtlicher Rückstand der Beamtenbesoldung eingetreten ist. Er hat im Sommer 1965 unbestritten etwa 13 % betragen. Die folgenden, aus der Begründung des Regierungsentwurfs zitierten Stellen haben hinsichtlich des Abbaues dieses Rückstandes und der laufenden Anpassung der Beamtenbesoldung sozusagen programmatische Bedeutung. Es heißt dort wörtlich:
Dieser Rückstand soll zu einem ersten Teil durch eine lineare Besoldungserhöhung von 4 % ab 1. Januar 1966 abgebaut werden ...
Dann weiter:
Ab. 1. Oktober 1966 sollen die Gehälter um weitere 4 % erhöht werden ...
Und dann weiter:
Mit dieser Erhöhung soll der allgemeine Grundsatz einer laufenden Anpassung der Beamtengehälter im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Wachstums verwirklicht werden.
'Wie sieht es nun aber in der Wirklichkeit aus, wenn man die Bundesregierung beim Wort nimmt? Wird das doppelte Ziel, das sie sich selber gesetzt hat, nämlich auf der einen Seite den Besoldungsrückstand abzubauen und auf der anderen Seite die Beamtengehälter im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung an das Wachstum anzupassen, tatsächlich erreicht? Davon kann leider nur sehr bedingt die Rede sein. Zwar ist der alte Besoldungsrückstand durch die erste 4%ige Erhöhung zum 1. Januar 1966 etwas verringert, doch werden die Beamtengehälter zum Jahresende im Hinblick auf die im Jahre 1966 auf etwa 7,5 % vorausgeschätzte allgemeine Einkommensentwicklung erneut abgesunken sein. Selbst bei einer äußerst vorsichtigen Vorausberechnung, bei der die mit den beabsichtigten Stellenhebungen verbundenen strukturellen Verbesserungen des Besoldungsniveaus bereits mitberücksichtigt sind, werden die Beamtengehälter Ende 1966, also Ende des laufenden Jahres, vermutlich wieder um etwa 10 % hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung herhinken.
Die Prioritätsfrage der Beamtenpolitik im Rahmen der allgemeinen Haushaltsfragen stellt sich somit mit aller Deutlichkeit. Man kann den bisherigen Weg weitergehen und die Personalausgaben auch künftig als den am leichtesten manipulierbaren, weil ernstliche Widerstände kaum auslösenden Haushaltsansatz behandeln. Dann nimmt man aber auch die von mir schon angedeuteten Gefahren einer permanenten Unterbewertung des öffentlichen Dienstes in Kauf und muß sich darüber im klaren sein, daß man dadurch zugleich das Interesse der Allgemeinheit beeinträchtigt. Von den Bürgern wird nämlich zur Zeit noch als selbstverständlich vorausgesetzt, daß im öffentlichen Dienst die Qualität die Oberhand behält. Dieses Vertrauen der Bürger in eine funktionsfähige öffentliche Verwaltung, die sich auf ein durch Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung ausgezeichnetes Beamtentum stützen kann, ist ein Aktivposten unserer heutigen politischen Ordnung, der nicht minder hoch zu veranschlagen ist als das Vertrauen in die Stabilität der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. Das muß einmal klar herausgestellt werden. Infolgedessen gefährdet man sowohl das eine als auch das andere, wenn man sich nicht endlich dazu entschließt, die Personalausgaben im Rahmen der Haushaltspolitik mit absolutem Vorrang zu behandeln.
Zügiger Abbau des Besoldungsrückstandes und laufende Anpassung der Beamtengehälter im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Wachstums, das sind die beiden Ziele, die sich die Regierung, wie ich gezeigt habe, selbst gesteckt hat.




Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504422300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0504422400
Ich bin gleich fertig; aber bitte!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0504422500
Wäre es nicht möglich, daß wir die allgemeinen guten Grundsätze, über die Sie hier gesprochen haben, bei der ersten Lesung des 2. Vorschaltgesetzes erörtern und daß Sie Ihre Gedanken dem Herrn Finanzminister als Marschgepäck Ihrer Fraktion bei der Vorbereitung des 2. Vorschaltgesetzes mit auf die Reise geben?

(Abg. Leicht: Oder zu Protokoll!)


Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0504422600
Herr Kollege SchmittVockenhausen, das wollte ich gerade nicht machen. Soweit ich mich erinnere, haben wir seit 1949 noch niemals anläßlich der Beratung des Haushalts des Bundesinnenministeriums Grundsatzfragen der Beamtenpolitik behandelt.

(Abg. Leicht: Na, na! Da haben Sie aber ein schlechtes Gedächtnis!)

Meines Erachtens gehören sie aber mit in eine solche Debatte hinein. Es ist für uns eine Frage des Ranges. Wir wollten diesen Dingen einmal etwas mehr Gewicht geben und sie nicht nur im Rahmen einer, sagen wir einmal, reinen Fachexpertendebatte angesprochen wissen.
Aber lassen Sie mich auch noch die andere Frage des Kollegen Schmitt-Vockenhausen beantworten. Sie sagten, ich sollte diese Grundsätze auch meinem Parteikollegen Dr. Dahlgrün, dem Finanzminister, mit ins Gepäck geben. Das tue ich selbstverständlich. Aber ich darf hier nochmals bemerken, meine Damen und Herren: Diese Ausführungen sind nicht auf irgendeinen Minister speziell gemünzt. Sie wenden sich an die Bundesregierung insgesamt. — Darf ich jetzt bitten, mich zum Schluß kommen zu lassen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kollege Miessner, aber in den Grundsätzen, die Sie vertreten haben, sind wir uns weitgehend einig!)

— Aber, Herr Schmitt-Vockenhausen, ich betone noch einmal: Ich wollte der Beamtenpolitik bewußt den Rang geben, auch hier in der großen Haushaltsdebatte des Parlaments einmal behandelt und erörtert zu werden. Das ist der Grund, weshalb die Beamtenpolitik auch in der Haushaltsdebatte angesprochen werden sollte.
Nun, meine Damen und Herren, ich sprach von dem Abbau des Besoldungsrückstands und der laufenden Anpassung. Diese Ziele, die von der Regierung selber proklamiert worden sind, die von dem Bundesverfassungsgericht sanktioniert worden sind und die von sämtlichen Parteien des Hauses übrigens immer wieder in allen Beamtendebatten betont werden, sind aber dennoch im Ergebnis nicht voll zum Zuge gekommen. Diese Ziele dürfen nicht an der sicher bequemen, aber kurzsichtigen Überlegung scheitern, daß der Haushaltsausgleich am einfachsten durch Einsparung bei den Personalausgaben zu erreichen ist. Eine in diesem Punkte verantwortungsbewußte Haushaltspolitik setzt eben vorausschauende Planung und damit auch die rechtzeitige Bereitstellung ausreichender Mittel voraus, mit denen das beamtenpolitische Programm der Regierung auch tatsächlich verwirklicht werden kann. Natürlich wendet sich dieser Satz, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, wenn Sie so wollen, etwas spezieller an den Bundesfinanzminister, aber im Grunde eben auch an den Bundeskanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt.
Die FDP-Fraktion stellt von dieser Stelle aus mit aller Deutlichkeit fest, daß es bereits eine erhebliche Zumutung an den Opfersinn der Beamten darstellt, wenn ein anerkannter Besoldungsrückstand in der Größe von etwa 10 % erst in mehreren Stufen aufgeholt wird. Sie sagt dafür den Beamten in Bund, Ländern und Gemeinden Dank. Sie erwartet aber auch von der Bundesregierung, daß die erforderlichen Mittel für die endgültige Aufholung des Rückstandes in die Haushaltspläne 1967 und 1968 eingestellt werden.
Meine Ausführungen waren, wie Sie bemerkt haben werden, keine Kritik an dem. gegenwärtigen Bundesinnenminister; das fiele übrigens heute morgen auch völlig aus dem Rahmen. Wenn Sie mich recht verstanden haben, Herr Bundesinnenminister, so werden Sie erkannt haben, daß wir Sie in Ihrer nicht leichten Arbeit unterstützen wollten, indem wir gewisse Zusammenhänge, die meines Erachtens seit 1949 in diesem Hause in so grundsätzlicher Form noch nicht angesprochen worden sind, einmal sehr deutlich beleuchtet haben. Greifen Sie. diese Gedanken auf, Herr Bundesinnenminister! Wir wünschen Ihnen guten Erfolg auch in den schwierigen Fragen der Beamtenpolitik.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504422700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brück.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0504422800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Bundestagsfraktion der CDU/CSU möchte ich einmal folgendes sagen. Vor zirka vier Wochen haben wir eine kurze, aber rechte gute Debatte über Beamtenfragen gehabt. Alle Fraktionen dieses Hohen Hauses haben dem Herrn Bundesinnenminister für seine weitere Arbeit in dieser Angelegenheit viel Glück und Erfolg gewünscht. Wir sind nun der Meinung, nachdem wir alle zusammen hier zum Ausdruck gebracht haben, daß diese Gesetzesvorlagen jetzt auf uns zukommen, wir sollten im Augenblick einmal abwarten, bevor wir weitere grundsätzliche Ausführungen machen. Diese grundsätzlichen und vielleicht noch ergänzende Ausführungen sind zu machen, wenn diese Vorlage des Herrn Bundesinnenministers diesem Hohen Hause vorliegt.
Herr Dr. Miessner, ich habe nun von Ihnen heute morgen zur Kenntnis genommen — und Herr Schmitt-Vockenhausen hat Sie auch durch Zwischenfragen darauf hingewiesen —, daß Sie in Zukunft



Brück (Köln)

jetzt Ihre besonderen parteipolitischen Verbindungen zu Ihrem Parteifreund Dahlgrün sicher benutzen wollen, damit uns in einigen Wochen eine gute Vorlage erreicht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504422900
Das Wort hat der Abgeordnete Huys.

(Abg. Dr. Huys: Herr Präsident, mit Rücksicht auf die fortgeschrittene Zeit gebe ich mit Ihrer Genehmigung meine Ausführungen zu Protokoll *)

— Das haben wir gern.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Krappe. —
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hörmann zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 39 Ziffer 1 **).

Hans Hörmann (SPD):
Rede ID: ID0504423000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die SPD-Fraktion Ziffer 1 unseres Änderungsantrages Umdruck 39 begründen. Wir schlagen vor, den Ansatz im Tit 612 „Sondermittel für Aufgaben der Parteien" um 18 Millionen DM zu senken, und zwar von 38 auf 20 Millionen. Dieser Antrag der SPD-Fraktion ist nicht neu. Er wird seit 1962 immer wieder gestellt. Ich erinnere nur an die Äußerungen meiner Fraktionskollegen Dr. Alex Möller und Erwin Schoettle in diesem Haus am 5. und 12. April 1962.
Es wurde erstmals 1959 begonnen, einen Vorschlag zu beraten, im Haushalt einen neuen Titel einzusetzen — damals unter der Firmierung „Für die politische Bildungsarbeit der Parteien". Hierfür wurden damals 5 Millionen vorgesehen. Seitdem wird über das sogenannte Problem der Parteienfinanzierung immer wieder vordringlich gesprochen, vor allem aber, seitdem diese Mittel 1962 auf 20 Millionen DM und dann 1964 auf 38 Millionen DM erhöht wurden. Es wurde auch die Beschreibung des Titels geändert auf die problematische Formulierung „Sondermittel für Aufgaben der Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes".
Wir Sozialdemokraten hielten diesen beschrittenen Weg von jeher nicht für gut und stehen auch heute noch auf diesem Standpunkt. Die Stellungnahme der SPD lautete von Anfang an sinngemäß so: Wir sind bereit, in beschränktem Umfang zweckgebunden Mittel für die politische Bildungsarbeit der Parteien einzusetzen. Kontrolle und Rechnungslegung sind dabei zu regeln. Ein Parteiengesetz sollte schnellstens geschaffen werden.
Es ist falsch, den jetzt beschrittenen Weg beizubehalten oder weiterzugehen, daß die Parteien aus Haushaltsmitteln ihren Kassenbedarf abdecken oder ergänzen, um Wahlkämpfe oder ähnliche Propagandakosten bezahlen zu können. Wir sind nicht ganz einverstanden mit der von dem Herrn Berichterstatter, dem Kollegen Mengelkamp, in seinem Schriftlichen Bericht zu Drucksache V/575 geäußerten Meinung. Er sagt dort u. a. zu diesem Titel 612, es
*) Siehe Anlage 14 **) Siehe Anlage 2
sei nicht zweckmäßig, während der zur Zeit in Karlsruhe anstehenden Verhandlungen Veränderungen im Ansatz oder bei der Zweckbestimmung vorzunehmen.
Wir halten es zwar für richtig, jetzt nicht in eine grundsätzliche Diskussion einzusteigen, sondern die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in Ruhe abzuwarten, aber unbeschadet davon halten wir unseren Antrag auf Umdruck 39 Ziffer 1 für richtig und angebracht.
Eine vollständige Streichung des Ansatzes z. B. würde jetzt sicherlich einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vorgreifen. Auch die Frage, ob den Parteien aus dem Auftrag des Grundgesetzes nach Artikel 21 überhaupt das Recht auf teilweise staatliche Finanzierung erwächst, wird vom Bundesverfassungsgericht beurteilt werden. Wir wollen deshalb jetzt nicht darauf eingehen.
Leider haben die bisher vielfältigen Bemühungen der SPD-Fraktion für ein längst fälliges Parteiengesetz noch zu keinem Ergebnis geführt. Sonst wäre das ganze Problem wohl viel leichter zu lösen. Es ist dringend zu wünschen, daß wenigstens in dieser Legislaturperiode dieser Auftrag des Grundgesetzes erfüllt wird.
Unser Antrag auf Streichung von 18 Millionen DM — nämlich von 38 auf 20 Millionen, das ist eine Kürzung um fast 50 % — bezweckt eine Zurückführung des Ansatzes auf eine uns vertretbarer erscheinende Höhe, ohne die tragenden demokratischen Parteien plötzlich in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen. Ich denke dabei an manche rechts- oder linksradikale Gruppierungen, insbesondere neuerer Prägung, die sich sehr darüber freuen würden.
Diese von der SPD gewünschte Reduzierung des Ansatzes wäre sicher ein bemerkenswerter Beitrag zu einem sparsamen Haushalt, zur Finanzierung von wichtigeren Prioritäten und — von seiten des Bundestages — ein gutes Beispiel mit entsprechender psychologischer Bedeutung für die Öffentlichkeit für einen sparsamen Haushalt. Es ist unser Wunsch, daß die verbleibenden Mittel in Höhe von 20 Millionen DM von den Parteien zweckgebunden für die politische Bildung verwendet werden. Politische Bildung ist eine ganz entscheidende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Demokratie. Da wir auch hier einen großen Nachholbedarf haben, fällt den demokratischen Parteien eine enorme Aufgabe zu. Über die Verwendung der Mittel soll eine klare Rechnungslegung erfolgen; Voraussetzung dafür ist wiederum das Parteiengesetz.
Noch ein Hinweis scheint mir bei dieser Gelegenheit notwendig. Die Frage der Beteiligung der im Bundestag nicht vertretenen demokratischen Parteien an den staatlichen Mitteln bedarf wohl einer eingehenden Prüfung, und der Bundestag wird einen Weg finden müssen, da ein völliger Ausschluß problematisch erscheint.
Leider haben wir im Hausahltsauschuß für unseren Kürzungsantrag nicht die Zustimmung der Regierungsparteien erhalten. Die SPD hofft, daß sie sich unseren Argumenten -bei der zweiten Lesung



Hörmann (Freiburg)

hier im Plenum nicht verschließen werden. Im Interesse des Haushalts und im Interesse einer richtigen Funktion der Parteien in unserer demokratischen Verfassung bitten wir, unserem Antrag die Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504423100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mengelkamp.

Theodor Mengelkamp (CDU):
Rede ID: ID0504423200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider kann ich den Optimismus, den der Kollege Hörmann hier verbreitet hat, nicht teilen. Ich glaube, daß Herr Kollege Hörmann schon darauf hingewiesen hat, daß wir auch im Ausschuß nicht in der Lage waren, den Argumenten der sozialdemokratischen Ausschußmitglieder zu folgen. Wir haben schon damals — wie ich glaube, nicht ohne Grund — empfohlen, die Beratungen über die Parteiengelder, soweit sie hier im Bundeshaushalt bei Titel 612 im Innenministerium verankert sind, nicht jetzt zu führen, und zwar einfach deshalb nicht, weil — wie Sie selbst, Herr Kollege Hörmann, gesagt haben — im Augenblick die Diskussion vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ansteht und wir darüber hinaus auch die von Ihnen angesprochenen Bemühungen um das Zustandekommen eines Parteiengesetzes bis auf den heutigen Tag nicht aufgegeben haben.
Der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat heute morgen schon in' seinen ersten einleitenden Ausführungen zum Einzelplan 06 ganz kurz hierzu etwas gesagt. Zu Ihren beiden Bemerkungen muß gesagt werden, daß es sicherlich nicht das Verschulden der Parteien der Regierungskoalition gewesen ist, wenn den Bemühungen hinsichtlich des Parteiengesetzes bislang kein Erfolg beschieden war. Ich habe aber große Hoffnung, daß z. B. auch das für heute nachmittag angesetzte interfraktionelle Gespräch um das Zustandekommen eines Parteiengesetzes wiederum eine erfolgreiche Ausgangsbasis schaffen wird, zumal auch im strittigsten Punkt, eben in der Frage der Finanzierung, in der Zwischenzeit vor dem Bundesverfassungsgericht eine nicht ganz verborgen gebliebene Änderung gewisser Meinungen zutage getreten ist.
Ichglaube, es isst richtig, was Kollege Hörmann gesagt hat, daß wir uns 'in diesem Augenblick eine ins Grundsätzliche gehende Diskussion ersparen können. Ich verweise auf die Diskussion, die dieses Hohe Haus anläßlich der Beratung der Haushalte 1964 und 1965 geführt hat. Dort sind von den Vertretern der Parteien detaillierte Äußerungen gemacht worden. Wir können uns heute um so mehr auf die Höhe des Ansatzes beschränken, als Sie selber, meine Damen und Herren von der Opposition, vorhin durch Ihren Sprecher erklärt haben, daß Sie dem Grundsatz nach in dieser Frage nicht mehr sehr kontrovers mit uns sind, daß Sie aber über die zweckmäßige Höhe durchaus mit uns diskutieren möchten.
Da sind für Sie also insonderheit die 38 Millionen DM der Anlaß, diesen Antrag auf Umdruck 39 Ziffer 1 zu stellen. Ich meine aber, nachdem wir bereits im vergangenen Jahr den Ansatz von 38 Millionen DMgehabt haben, sollten wir auch in diesem Jahr dabei bleiben, um — und da muß ich noch einmal auf meine Argumentation zurückkommen, die ich schon während der Ausschußberatungen vorgetragen habe — weder in der Zweckbestimmung noch in der Höhe des Ansatzes zum derzeitigen Zeitpunkt irgendeine Änderung in positiver oder negativer Hinsicht vorzunehmen, weil das während der laufenden Verfahren durchaus einer Beeinflussung gleichkommen könnte. Wenn also diese Diskussion bei der Verabschiedung des Haushalts des Innenministeriums lediglich um die Summe geht, dann halben wir auch von der Regierungskoalition — und in diesem Falle darf ich das speziell für die Fraktion der CDU/CSU sagen — allen Grund und guten Grund, den Betrag von 38 Millionen DM in diesem Jahr unverändert wie im Vorjahr auszubringen.
Herr Kollege Hörmann, noch einen letzten Gedanken! Sie sprachen davon, daß in der Zwischenzeit etwa wachgewordene links- oder rechtsradikale Strömungen diesen Titel mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgten. Ich persönlich bin der Auffassung, daß uns dieses Stichwort Veranlassung sein kann, darauf zu verweisen, daß die demokratischen Parteien, die Parteien, die in diesem Hause vertreten sind, diese Mittel ja dafür verwenden sollen und verwenden, in ihrer Aufklärungsarbeit vor unserem Volke und hier insonderheit in der jungen Generation diesen links- und rechtsradikalen Tendenzen zu wehren.
Deswegen bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, namens der CDU/CSU-Fraktion, den auf Umdruck 39 unter Ziffer 1 eingebrachten Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504423300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Friderichs.

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0504423400
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Ich weiß, daß es — leider, muß man sagen — in unserer jungen Demokratie nicht ganz einfach ist, für eine Teilfinanzierung der Parteien aus öffentlichen Mitteln, speziell aus dem Bundeshaushalt, zu sprechen. Ich glaube .aber, daß man zu dem Antrag der sozialdemokratischen Opposition, die Mittel nicht grundsätzlich zu streichen, sondern um 18 Millionen DM auf 20 Millionen DM zu verringern, der hier zur Debatte steht, einige grundsätzliche Worte sagen muß. Der Betrag von 38 Millionen DM ist ja kein Zufallsbetrag gewesen, sondern er kam zustande, weil man der Meinung war, daß ein Beitrag aller Steuerzahler, d. h., wie ich hoffe, unserer Wähler, in Höhe von 1 DM pro Jahr und Wahlberechtigten zur teilweisen Finanzierung der Parteien aus öffentlichen Mitteln vertretbar sei. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß das Bundesverfassungsgericht sich im Augenblick mit dieser Frage befaßt. Es war sehr erfreulich, daß in der letzten mündlichen Verhand-



Dr. Friderichs
lung eine weitgehende Übereinstimmung der Vertreter der in diesem Hohen Hause vertretenen Parteien zur Grundsatzfrage bestand.
Lassen Sie mich aber heute nicht in diese Problematik eindringen, sondern nur ganz kurz die Frage aufreißen: Ist es gerechtfertigt, den Betrag im Augenblick zu reduzieren? Ist es gerechtfertigt — zweiter Punkt —, eine Zweckbindung an die sogenannte politische Bildungsarbeit vorzunehmen? Ich weiß nicht, ob die Sozialdemokraten mit mir der Meinung sein können, daß die politischen Parteien eigentlich noch viel mehr Aufgaben wahrzunehmen hätten, als sie bisher wahrgenommen haben. Wenn wir von Pluralismus und der pluralistischen Gesellschaft sprechen, müssen wir uns darüber klar sein, daß die politischen Parteien zwei Grundaufgaben wahrzunehmen haben, nämlich die Artikulation des politischen Willens und die Selektion der politischen Kräfte. Je stärker in einer pluralistischen Gesellschaft die Verbände — oder lassen Sie es mich vielleicht richtiger sagen: die Situationsvertretungen — werden, um so wichtiger scheint es mir zu sein, daß die demokratischen politischen Parteien in der Lage sind, die Gruppeninteressen einer Idee, der eigenen Vorstellung vom Gemeinwohl, unterzuordnen, und daß sie sich nicht dazu verleiten lassen, bei einer Summation der Gruppeninteressen schließlich zu glauben, man diene dem Gemeinwohl. Dazu bedarf es Parteien, die in der Lage sind, zu artikulieren, d. h. die auch in der Lage sind, entsprechende Vorarbeiten wissenschaftlicher Art im eigenen Bereich zu leisten. Ich glaube, es ist schlecht, daß beispielsweise die Geschäftsstellen der politischen Parteien sehr viel schwächer besetzt sind als entsprechende Bundeszentralen einiger großer und auch mittlerer Verbände.
Lassen Sie mich nun zum zweiten Teil etwas sagen, zur Frage der Zweckbindung für die politische Bildung. Nach dem Grundgesetz haben die politischen Parteien einen klaren Auftrag: sie wirken an der politischen Willensbildung des Volkes mit. Was ist also „Zweckbindung politische Bildung" ? muß ich fragen. Denn das ist doch das Entscheidende. Sind Sie etwa der Meinung, daß der Vortrag eines von uns Abgeordneten vor einer Volkshochschule politische Bildung sei, aber dann, wenn der Veranstaltende Ihre eigene Partei oder eine andere Partei oder gar alle drei Parteien sind, es keine politische Bildung mehr sei? Ich glaube, gerade dort, wo die Alternative sichtbar wird und wo die politischen Tatbestände aktualisiert werden — und das ist eben dann der Fall, wenn sich die Parteien über politische Sachfragen auseinandersetzen —, zwingen wir die Bevölkerung dazu, sich mit politischen Tatbeständen zu befassen, das heißt, sich politisch zu informieren und auf der Basis ihrer Information politische Entscheidungen zu fällen. Genau das ist die Aufgabe, die eben nur die politischen Parteien haben können, die ihnen nicht von Verbänden oder Situationsvertretungen abgenommen werden können, die sich ihrer Natur nach niemals einem politischen Leitbild unterordnen, sondern ihrer Natur nach nichts anderes tun können, als situationsbedingte Interessen ad hoc zu vertreten.
Ich meine, daß die Aufgaben der politischen Parteien, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Funktionieren unserer Demokratie und in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeit dieses Hohen Hauses stehen, eigentlich so viel wert sein sollten, daß wir die Bürger dazu animieren können, eine Mark im Jahr für eine bessere Information durch die politischen Parteien als Beitrag zu einer besseren Willensbildung beizusteuern.
Ich bin deshalb der Meinung, daß es gerechtfertigt ist, den im Ansatz vorgesehenen Betrag in Höhe von 38 Millionen DM aufrechtzuerhalten; ja, ich glaube sogar, daß wir im Interesse unserer jungen Demokratie gezwungen sind, den Änderungsantrag abzulehnen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504423500
Keine weiteren Wortmeldungen zu dem Änderungsantrag Umdruck 39 Ziffer 1. Ich lasse über diese Ziffer nachher abstimmen, wenn auch Ziffer 2, bei der es um einen anderen Titel geht, behandelt ist. Wird zu Ziffer 2 das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Wellmann.

Hans Wellmann (SPD):
Rede ID: ID0504423600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten vier Jahren habe ich die Anträge meiner Fraktion auf Erhöhung des Ansatzes für die Spitzenfinanzierung des Baues von Turn- und Sportstätten begründet. Dabei habe ich eine Fülle von Argumenten angeführt; ich muß mir schon aus Zeitgründen versagen, sie heute zu wiederholen. Aber einige Zahlen kann ich Ihnen leider nicht ersparen.
Der Ansatz für die Spitzenfinanzierung des Baues von Turn- und Sportstätten hat sich wie folgt entwickelt: im Jahre 1961 20 Millionen DM, in den Jahren 1962, 1963 und 1964 je 30 Millionen DM und 1965, im Wahljahr, 36 Millionen DM.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und im Nachwahljahr?)

Ich habe im vorigen Jahr festgestellt, daß dieser Ansatz von 36 Millionen DM ein Antrag zum Fenster hinaus ist, und nachgewiesen, daß das ist nur 26,28 Millionen DM betragen werde, also noch unter dem Ansatz des Jahres 1964 bleiben werde. Da rief mir der Kollege Dr. Conring zu: „Das stimmt ja alles nicht!" Heute bin ich in der Lage, ihm zu beweisen, daß ich damals schon recht hatte; denn das Ist von 1965 lag tatsächlich unter dem Ansatz und unter dem Ist von 1964, nämlich bei 27,2 Millionen DM. Eine Million war hier die Differenz zu meiner Ausrechnung. Das waren Mittel zur Abdeckung der Schulden, die die Vereine bei der Hypothekengewinnabgabe hatten.
Eigentlich müßte der Bund seit 1964 84 Millionen DM für diesen Zweck einsetzen. Hier hat mir der Kollege Stoltenberg stets widersprochen mit dem Hinweis, die Bundesregierung sei gar nicht in der Lage und berechtigt gewesen, ohne Zustimmung des Parlaments verbindliche Zusagen gemäß dem Gol-



Wellmann
denen Plan zu machen. Ich muß aber an dieser Stelle feststellen, daß die Landtage die Versprechungen ihrer Länder auf jeden Fall sanktioniert haben; denn die Länder liegen in diesem Jahr in der Erfüllung des Goldenes Plans bei 91 % und 93 %. Es wäre also Aufgabe des Deutschen Bundestages, wenn er schon der Auffassung ist, daß die Regierung es von sich aus nicht versprechen konnte, die Versprechungen der Bundesregierung nun nachträglich zu sanktionieren.
Ich befinde mich mit der Feststellung, daß der Bund 84 Millionen DM einsetzen müßte, in guter Gesellschaft. Der Präsident des Deutschen Sportbundes, Herr Daume, hat mehrfach ,diese Feststellung getroffen, und Herr von Opel, der Präsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft, hat sich in einem Brief vom Februar dieses Jahres an mehrere Abgeordnete noch einmal auf den Standpunkt gestellt, daß der Bund nun seinen Verpflichtungen nachkommen sollte.
Meine Damen und Herren, ich habe im vorigen Jahr darauf aufmerksam gemacht, daß eine Untersuchung des Arztes Professor Dr. Millerowitsch in Berlin festgestellt hat, daß 72 % der Gemusterten nur bedingt tauglich waren. Das war damals eine alamierende Feststellung. Ich bin heute leider in der Lage, Ihnen eine weitere alamierende Tatsache bekanntzugeben: Nach den letzten Untersuchungen ist in den letzten Jahren das Invaliditätsalter von 58 Jahren auf 54 Jahre zurückgegangen. Der Gesundheitszustand der Bevölkerung verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Grund dafür sind Bewegungsmangel, schnell erreichter Wohlstand und ständiger technischer Fortschritt. Deutschland steht damit fast an letzter Stelle aller zivilisierten Länder. Das ist eine Feststellung, die Herr von Opel am 16. Mai gegenüber Bundespräsident Lübke gemacht hat und die unwidersprochen geblieben ist. Ich glaube, daß wir gehalten sind, diese alamierenden Zahlen mit aller Sorgfalt und aller Deutlichkeit zur Kenntnis zu nehmen.
Meine Damen und Herren, der diesjährige Ansatz beträgt 40 Millionen DM. Auch diesmal ist mit einer Sperrung der Baumittel von mindestens 20 % zu rechnen, obwohl es nicht ganz gewiß ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wo steht denn das?)

Der Kollege Kubitza, der noch im vorigen Jahr unserem Antrag auf Erhöhung dieses Ansatzes und meiner Begründung dafür recht nachdrücklich widersprochen hat, hat es in diesem Jahr für richtig erachtet, selber einen Antrag auf Erhöhung des Ansatzes auf 45 Millionen DM einzubringen. Wir stellen den Antrag, und zwar im Einvernehmen mit der Deutschen Olympischen Gesellschaft, diesen Ansatz von 40 Millionen DM auf 49 Millionen DM zu erhöhen.
Lassen Sie mich neben der Begründung, die ich soeben gegeben habe, noch folgendes sagen. Wir müssen unsere Anstrengungen auf dem flachen Lande und in den Zonenrandgebieten verstärken. Nachdem die Planungsschwierigkeiten in den ländlichen Gemeinden jetzt weitgehend überwunden sind, sind die Gemeinden in der Lage, größere Anforderungen an den Goldenen Plan zu stellen. Es hat sich auch herausgestellt, daß es nicht allzu zweckmäßig ist, nur noch Freibäder zu bauen, sondern daß es besser ist, kombinierte Hallen- und Freibäder zu errichten, weil die Freibäder naturgemäß nur 60 Tage im Jahr benutzt werden können. Eine der besten Bewegungstherapien ist das Schwimmen. Es ist also erforderlich, daß wir kombinierte Hallen- und Freibäder schaffen. Die Gemeinden muten sich selber eine ganze Menge damit zu. Die Unterhaltung von Hallen- und Freibädern stellt nämlich immer ein Zuschußgeschäft dar. Im Interesse der Erhaltung der Volksgesundheit sollten wir diese Mittel deshalb bereitstellen. Ich darf darauf hinweisen, daß seit Bestehen des Goldenen Plans die Baukosten um 41,2 % gestiegen sind.
Wir brauchen mehr Sportstätten zur Erhaltung der Volksgesundheit und zur Erreichung von Spitzenleistungen, wie sie sicher alle von den deutschen Athleten bei den Olympischen Spielen erwarten. Aber vor allem brauchen wir den gesunden Menschen, die gesunde Bevölkerung. Vorbeugen ist billiger als heilen. Ich bitte Sie herzlich, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD,)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504423700
Das Wort hat der Abgeordnete Mengelkamp.

Theodor Mengelkamp (CDU):
Rede ID: ID0504423800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vorolympischen Zeitalter, im Zeitalter von Pokalen und sonstigen Meisterschaften wenden wir uns im Augenblick einem höchst aktuellen und sehr interessanten Stoff zu, zweifellos einem Stoff, der sich darüber hinaus bestens dafür eignet, propagandistisch interessante Anträge zu stellen. Diese Thematik erfreut sich auch in unseren Reihen selbstverständlich einer Wertschätzung. Ich verweise nur auf die in Vorbereitung befindliche interfraktionelle Mannschaft dieses Hauses, die in Zukunft auftreten und sicherlich ebenfalls atemberaubende Erfolge erzielen wird. Ich bin überzeugt, daß wir uns hinsichtlich der Wertschätzung des Sports, auch der Sportarten, die Herr Wellmann angesprochen hat, in diesem Hause nicht erst zu streiten brauchen. Bei den Dotationen, die wir diesem Sport zuwenden möchten, sollten wir aber nicht in einen übertriebenen olympischen Ehrgeiz verfallen. Wir müssen uns erst einmal die Realisierungsmöglichkeiten vor Augen halten.
Bei der Beurteilung des Titels, zu dem der Änderungsantrag der Sozialdemokratischen Partei vorliegt, der soeben begründet worden ist, können wir eines feststellen: Der Bund hat immerhin versucht, das Bestmögliche auf diesem Gebiet zu tun. Herr Kollege Wellmann hat geschickterweise — geschickt, wie er nun einmal ist — mit dem Jahre 1961 begonnen, um das langsame Ansteigen dieses Betrages nachzuweisen. Er hätte mit dem Jahre 1959 anfangen sollen; dort wurde der erste schlichte Beitrag von 5 Millionen DM gegeben.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Wenn man zunächst gar nichts tut, kann man natürlich eine erhebliche Steigerung nachweisen!)




Mengelkamp
— Auch wenn zunächst nichts getan worden ist, muß man das, was dann getan wird, entsprechend würdigen. Jedenfalls muß man den Anfang da suchen, wo er tatsächlich gemacht worden ist. Man muß also bei der Errechnung der Steigerungsbeträge von den 5 Millionen DM ausgehen.
Dessenungeachtet stehe ich nicht an, zu erklären, daß wir damit von seiten des Bundes zweifellos hinter den Leistungen zurückbleiben, die im Goldenen Plan für den Bund einmal vorgesehen waren. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, Sie wissen — obwohl Sie in diesem Jahr erstmalig sogenannte Deckungsvorschläge gemacht haben — ganz genau, daß wir uns in jedem Jahr dazu verstanden haben, im Rahmen des Möglichen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die wir hier geben können.
Was ist aber nun insbesondere zu der Entwicklung dieses Titels vom Jahre 1965 zum Jahre 1966 zu sagen? Herr Kollege Wellmann hat von seinen frappanten Schätzungen und dem Ist-Ergebnis berichtet. Selbstverständlich stimmen diese Zahlen; ich will daran nicht herumdeuteln. Aber wir wissen, daß wir im vergangenen Jahr den Gesamthaushalt und dementsprechend natürlich auch diesen Titel, der mit Bauvorhaben verbunden ist einer 20%igen Sperre unterwerfen mußten. Deshalb war die Wirksamkeit dieses Titels nicht von vornherein voll gegeben.
Das sieht im Jahre 1966 ganz anders aus. Die jetzt hier veranschlagten 40 Millionen DM sind voll für den Bau von Sportstätten — im Rahmen der Spitzenfinanzierung — vorgesehen. Wir wissen, daß wir die Hypothekengewinnabgabeaktion, die wir im vergangenen Jahr eingeleitet haben, soweit sie bis jetzt nicht vollzogen ist, aus einem Haushaltsrest des vergangenen Jahres abdecken können. Von dorther brauchen also aus diesem Betrag von 40 Millionen DM irgendwelche Summen nicht zurückgehalten zu werden. Es ist in diesem Jahr weder mit einer globalen Bausperre noch mit der Abzweigung von Mitteln für die Ablösung der Hypothekengewinnabgabe zu rechnen, so daß wir davon ausgehen dürfen, daß am Ende des Jahres dieser Betrag von 40 Millionen DM echt für die Spitzenfinanzierung des Sportes zur Verfügung gestanden hat.
Darüber hinaus sollte aber der Richtigkeit und Vollständigkeit wegen angesprochen werden, daß wir im Rahmen des Haushaltsgesetzes eine Ermächtigung haben, die dem Wirtschaftsminister, dem Finanzminister die Möglichkeit gibt, in Gebieten konjunktureller Überhitzung gewisse Bausperren zu verhängen. Wir haben im Haushaltsausschuß gerade unter Bezugnahme auf diesen Titel den Finanzminister angesprochen. Wir haben ihn gefragt, wie er sich die Abwicklung dieser Modalitäten denkt. Ich darf insbesondere die Kollegen des Haushaltsausschusses daran erinnern, daß der Finanzminister uns auf meine entsprechende Anfrage erklärt hat, daß er gerade mit diesem Titel in großzügiger Weise verfahren wird, und ich bin überzeugt, daß wir ihm da unser volles Vertrauen schenken können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich aber in diesem Zusammenhang, genau wie Kollege Wellmann das getan hat, doch auch einmal darauf hinweisen, daß ja mit dem Titel 973 allein die Bemühungen des Bundes um die Finanzierung und Mitfinanzierung auf dem Gebiet des Sportes nicht abgeschlossen sind. Wir haben bekanntlich im gleichen Haushalt des Bundesinnenministers den Titel 610. Dort kennen wir eine umfangreiche Förderung aller Sportmaßnahmen, so wie wir sie auf Bundesebene mitfördern können. Sie wollen einmal registrieren, daß wir hier im Jahre 1965 einen Ansatz von 4 630 000 DM gehabt haben; Sie finden in den Vorschlägen, die der Haushaltsausschuß erarbeitet hat, jetzt immerhin einen erhöhten Ansatz, der eine Summe von 6 180 000 DM ausweist. Ich meine, daß wir darauf durchaus einmal im Zusammenhang verweisen sollten.
Ich will gar nicht erst groß in das Gebiet einsteigen, das sich sozusagen unter der Globalüberschrift „Olympiade 1972" hier vor dem Bund noch einmal auftun wird. Ich bin mit Herrn Kollegen Wellmann durchaus der Meinung, daß wir unterscheiden sollten zwischen dem, was etwa in diesem internationalen Bereich und auf dem Gebiet des Spitzensports auf der einen Seite getan werden kann, und dem, was unter mehr oder weniger gesundheitspolitischen Maßnahmen auf dem Sektor des Volkssportes und der Sportmedizin andererseits getan werden muß.
Aber ich glaube, daß gerade deswegen auf den vorhin von mir erwähnten Titel 610 hingewiesen werden darf. Die Mitglieder des Haushaltsausschusses werden sich daran erinnern, daß die Erhöhungsvorschläge der CDU/CSU-Fraktion, die ich dort vortragen durfte, insbesondere auf diese Maßnahmen der Sportmedizin einerseits und der Förderung des Volkssports andererseits abgezielt haben.
Ich meine also, daß wir von dort und von uns aus alles getan haben, um im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten, die uns dieses finanziell knappe Jahr 1966 bietet, auch den Bund in der Reihe derjenigen, die für die Finanzierung des Sports in den verschiedensten Bereichen innerhalb unseres Landes etwas tun, so viel tun zu lassen, wie er in der Lage ist. Ich sehe deswegen zur Zeit keine Möglichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Antrag des Kollegen Wellmann beizutreten. Vielmehr bitte ich Sie — —

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sie stimmen zu?)

— Ich sehe keine Möglichkeit, diesem Antrag zuzustimmen. Herr Schmitt-Vockenhausen, ich muß sagen, Sie haben sich von dem Optimismus des Kollegen Wellmann allzu sehr anstecken lassen. Ich sehe keine Möglichkeit, Ihnen hier im Hohen Hause eine weitere Erhöhung dieses Ansatzes zu empfehlen. Vielmehr muß ich Sie im Interesse des Abschlusses des Gesamthaushalts bitten, auch die Ziffer 2 auf Umdruck 39 des Antrags der SPD abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504423900
Keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag. Abstimmung! - Zur Abstimmung über Ziffer 1 hat Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen das Wort.




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504424000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu der Argumentation des Kollegen Fridrichs zu unserem Antrag unter Ziffer 1 etwas bemerken. Herr Kollege Fridrichs hat gesagt, der Antrag müsse im Interesse unserer jungen Demokratie abgelehnt werden. Unsere Argumentation geht dahin, daß wir den Antrag im Interesse unseren jungen Demokratie stellen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504424100
Kann über den Antrag 250 insgesamt abgestimmt werden oder soll nach Ziffern abgestimmt werden, Herr Kollege Mommer?

(Abg. Dr. Mommer: Nach Ziffern!)

— Abstimmung nach Ziffern! — Also Abstimmung über den Änderungsantrag über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 39*) Ziffer 1.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit. Ziffer 1 des Änderungsantrages ist abgelehnt.
Ziffer 2! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit; Ziffer 2 ist ebenfalls abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 401. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Krappe.

Edith Krappe (SPD):
Rede ID: ID0504424200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 40 begründen. Insgesamt wünschen wir eine Erhöhung um 275 000 DM, also um einen, gemessen am Gesamtvolumen des Haushalts, sehr kleinen Betrag, der aber für die drei betroffenen Institutionen existenznotwendig ist. Ich möchte die Erhöhung für die drei Punkte einzeln kurz begründen.
Zunächst handelt es sich um das Radio-Symphonieorchester Berlin. Für dieses möchten wir 75 000 DM mehr einsetzen, so daß der Gesamtzuschuß des Bundes 800 000 DM betragen würde. Das Orchester braucht diesen Betrag unter Berücksichtigung aller nur möglichen Sparmaßnahmen für seinen Haushalt 1966. Für unseren Haushalt würden .die 75 000 DM, wie gesagt, nicht ins Gewicht fallen, für dieses Orchester ist der Betrag aber lebenswichtig. Es handelt sich um einen ausgezeichneten Klangkörper.
Das zweite ist die Philharmonia Hungarica. Hier möchten wir den Ansatz um 100 000 DM auf 1 375 000 DM erhöhen. Für dieses Orchester sind dadurch Schwierigkeiten entstanden, daß sich das Land Nordrhein-Westfalen zur Zeit an der Unterstützung nicht 'beteiligt. Das Orchester befindet sich in der Stadt Marl, und die Stadt Marl kann nicht den gesamten Zuschuß aufbringen. Hier wollen wir also bitten, den Zuschuß des Bundes in diesem Jahr zu erhöhen. Wir empfehlen, daß Verhandlungen über die Frage geführt werden, ob nicht wieder eine
*) Siehe Anlage 2
*) Siehe Anlage 3
andere Beteiligung möglich ist und ob nicht auch das Land Nordrhein-Westfalen dieses Orchester unterstützen kann.
Bei der dritten Sache handelt es sich um die Geschwister-Scholl-Stiftung, Ulm. Hier wollen wir zwar eine Erhöhung um 100 000 DM, im Grunde genommen wäre das aber nur die Wiederherstellung des Voransatzes des Bundes, der 200 000 DM ausgemacht hat und in diesem Jahr gekürzt worden ist. Die Stiftung ist eine sehr wichtige Einrichtung, die im Ausland großes Ansehen genießt. 38 % der 150 Studierenden sind Ausländer. Nun hat das Troeger-Gutachten empfohlen, 'daß der Bund aus derartigen Einrichtungen aussteigen sollte. Das ist verständlich, und es wird sicher eines Tages auch dazu kommen. Wir dürfen das aber nicht auf dem Wege tun, daß wir den Zuschuß nun plötzlich streichen und diese Stiftung in Schwierigkeiten bringen. Vielmehr müßten nach unserer Meinung mit dem Land Baden-Württemberg und mit der Stadt Ulm Verhandlungen geführt werden, um eine andere Verteilung zu erreichen. Wir dürfen das aber nicht auf dem Rücken der Stiftung austragen, die dadurch in große Schwierigkeiten käme. Wir bitten also, für diese Geschwister-Scholl-Stiftung eine Erhöhung um 100 000 DM zu bewilligen.
Insgesamt geht also der Antrag auf Umdruck 40 auf eine Erhöhung um 275 000 DM. Weil die Angelegenheit für die einzelnen Einrichtungen von außerordentlicher Wichtigkeit ist, möchte ich bitten, über die Erhöhungsanträge für die drei Einrichtungen getrennt abzustimmen. Außerdem bitte ich wirklich sehr um Zustimmung; denn 'die Erhöhung wäre, verglichen mit dem Gesamtvolumen des Haushalts, wirklich nur eine ganz geringe Veränderung.

(Beifall.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504424300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504424400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nur zu dem dritten Punkt äußern, zu der Geschwister-Scholl-Stiftung in Ulm. Ich glaube, wer die Verhandlungen in den Fachausschüssen verfolgt hat, wird der Kollegin Krappe zustimmen müssen, daß hier mitten im Haushaltsjahr eine Kürzung vorgenommen worden ist, die von den Betroffenen nicht vorausgesehen werden konnte, so daß also eine Deckung — —

(Abg. Mengelkamp: Das stimmt nicht, Herr Kollege Moersch!)

— Herr Mengelkamp, es lagen hier Zusagen vor; die Betroffenen mußten damit rechnen, daß sie in diesem Jahr die gleiche Summe bekommen, nachdem der Ansatz ursprünglich auch so vorgesehen war. Außerdem besteht, wie ich glaube, bei den Beteiligten Klarheit darüber, 'daß für das nächste Jahr eine andere Finanzierungsbasis gesucht werden muß. Frau Kollegin Krappe hat ja vorhin auf das Troeger-Gutachten hingewiesen.
Ich bin übrigens der- Meinung, daß die Frage der finanziellen Unterstützung vor allen Dingen auch an die Industrie zu richten ist, die durch die



Moersch
Hochschule für Gestaltung erhebliche Vorteile hat, weil sie hier ausgezeichnete Entwerfer bekommt, wie wir uns haben sagen lassen. Ich meine, es wäre eine Ungerechtigkeit gegenüber der Stadt Ulm und auch gegenüber dem Lande Baden-Württemberg, wenn der Bund die 200 000 DM nicht in voller Höhe übernähme.
Ich möchte deshalb bitten — ich tue das im Namen der Fraktion der Freien Demokraten und, wie ich glaube, auch im Namen einiger Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, die sich mit dieser Sache beschäftigt haben —, bei getrennter Abstimmung dem dritten Punkt, nämlich der Erhöhung des Ansatzes für die Geschwister-Scholl-Stiftung, zuzustimmen und den Ansatz auf die ursprünglich vorgesehene Höhe zu bringen. Für das nächste Jahr sollten wir dann im einzelnen versuchen, eine saubere Regelung für alle diese Einrichtungen zu erreichen. Wir sind in der schwierigen Lage, jetzt mitten im Haushaltsjahr diesen Haushalt zu verabschieden. Ich glaube, wenn die Betroffenen den Eindruck haben mußten, daß hier der Bund im Wort sei, dann sind wir als Parlament verpflichtet, dieses Wort auch zu halten.
Ich bitte Sie daher um Zustimmung für Punkt 3 dieses Antrages.

(Beifall bei der FDP und SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504424500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mengelkamp.

Theodor Mengelkamp (CDU):
Rede ID: ID0504424600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die nicht angenehme Aufgabe, auch hier eine Ablehnung zu begründen. Sie ist doppelt unangenehm, weil die Begründung des Antrags der SPD erstens von Frau Kollegin Krappe nach langer Krankheit hier in so charmanter Weise vorgetragen worden ist — wir freuen uns, daß sie wieder unter uns ist —, auf der anderen Seite, weil es sich, wie sie sagte, tatsächlich um relativ kleine Beträge handelt, gemessen an den Gesamtausgaben des Bundeshaushalts.
Aber, Frau Kollegin Krappe, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube dennoch, daß wir hier auch, ohne sentimental zu werden, suchen müssen, wo die Grenzen der Möglichkeiten liegen. Deswegen ist nach meiner Meinung dazu folgendes auszuführen:
Zunächst einmal möchte ich feststellen, daß wir uns selbstverständlich im Haushaltsausschuß ausführlich Gedanken gemacht haben, und zwar über alle die Einzelpositionen, die in diesem Tit. 660 eine finanzielle Heimat gefunden haben, wenn ich mich so ausdrücken darf. Ich meine, daß wir dort eine Reihe von Maßnahmen haben, von denen wir schlechterdings sagen müssen, daß es zumindest zweifelhaft ist, ob die Zuständigkeit — auch für eine Teilfinanzierung — für den Bund hier in Zukunft noch gegeben sein wird. Deswegen waren wir schon im Ausschuß der Meinung — und wir glauben, diese Auffassung auch hier mit Nachdruck vertreten zu sollen —, daß wir für die Zukunft hier eine sehr genaue 'Sezierung vornehmen müssen, um zu prüfen, inwieweit der Bund seine Zuständigkeit für die Mitfinanzierung dieser Anstalten und dieser Institutionen noch aufrechterhalten kann.
Ich darf jetzt zum Speziellen kommen, und zwar zunächst zu den beiden Orchestern. Ich glaube, daß der Haushaltsausschuß bei seiner Aussprache sehr deutlich festgehalten hat, daß hier darauf geachtet werden muß, das wir den Zuschußbedarf dieser Orchester einfach nicht wie in den letzten Jahren uferlos anwachsen lassen können. Ich will hier nicht die Frage untersuchen, inwieweit frühere Mäzene — berechtigter- oder unberechtigterweise — aus der Mitfinanzierung ausgestiegen sind. Das mag unterschiedlichst begründet und unterschiedlichst untersucht werden. Aber ich glaube, es muß doch sehr deutlich herausgestellt werden, daß, wenn der Bund hier diesen kulturellen Einrichtungen bisher seine Mitfinanzierung zugesagt hat, er immerhin doch mittlerweile dazu kommen muß, eine Obergrenze dieser Mitfinanzierungsmöglichkeiten zu finden. Deshalb hat der Haushaltsausschuß seine Meinung in drei Punkten zusammengefaßt. Der erste Punkt besagt, daß wir im Jahre 1966 zwar bereit sind, den Haushaltsvoranschlag der Bundesregierung insoweit ungekürzt passieren zu lassen, daß wir aber darüber hinaus nicht gewillt sind, am Ende des Rechnungsjahres hinzunehmen, daß auf dem Wege über überplanmäßige Ausgaben dennoch unser Haushaltsansatz überschritten worden ist. Wir haben deshalb mit der Mehrheit des Haushaltsausschusses zweitens beschlußmäßig festgehalten, daß wir für diese Titel in der Zukunft keine überplanmäßigen Ausgaben mehr wünschen. Wir haben schließlich drittens festgehalten, daß wir eine weitere Steigerung unseres Zuschußbetrages nicht für möglich halten.
Ich meine, daß das eine ganz klare und auch sehr wohl begründete Auffassung des Haushaltsausschusses gewesen ist. Ich bitte dieses Hohe Haus, diese Auffassung zu teilen, einfach deswegen, weil die Möglichkeiten des Bundes bei der Bezuschussung derartiger kultureller Einrichtungen eine Obergrenze finden müssen.
Bei der Geschwister-Scholl-Stiftung muß ich hier noch einmal — wie ich das durch einen Zwischenruf schon tun wollte — dem Kollegen Moersch widersprechen. Meine Damen und Herren, es stimmt einfach nicht, daß wir mit diesem reduzierten Ansatz überrascht hätten. Bitte, bedenken Sie einmal, wann die Bundesregierung darangegangen ist, diesen Haushaltsvorentwurf zu erstellen. Nach der Praxis der Erstellung des Haushalts ist es erwiesen, daß bei den entsprechenden Vorberatungen die entsprechenden Referate natürlich immer in Rücksprache und Absprache mit den Zuschußempfängern diese Haushaltsansätze berechnen. Ich weiß auch gerade in bezug auf die Geschwister-Scholl-Stiftung, daß in früheren Jahren sowohl der Bundesfinanzminister als auch der Bundesrechnungshof darauf hingewiesen haben, daß zumindest in dieser Position eine längere Bezuschussung durch den Bund nicht mehr vertretbar erscheint. Der Zuschußempfänger wurde durch das zuständige Referat des Innenministeriums rechtzeitig darauf hingewiesen,

(Sehr richtig! in der Mitte)




Mengelkamp
daß er in diesem Jahr mit einem um die Hälfte reduzierten Betrag rechnen muß und in Zukunft nicht mehr mit einer weiteren Bezuschussung rechnen kann.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504424700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Theodor Mengelkamp (CDU):
Rede ID: ID0504424800
Bitte schön, Herr Kollege Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504424900
Herr Kollege Mengelkamp, ist Ihnen nicht bekannt, daß Ihre Darstellung nicht der Darstellung entspricht, die wir im Kulturausschuß bekommen haben, und daß sie auch nicht der Darstellung entspricht, die für mich außerordentlich zuverlässige Kollegen wie Professor Erbe und Dr. Rau als Mitglieder des Stiftungsrates uns gegeben haben?

Theodor Mengelkamp (CDU):
Rede ID: ID0504425000
Ich darf Ihnen darauf antworten, daß diese Fragen genauso bei uns im Haushaltsausschuß — sozusagen zwischen der Zeit, im Zwischengespräch, außerhalb der Tagesordnung
— gestellt und entsprechend bejaht worden sind; sonst würde ich nicht zu dieser Äußerung kommen.
Ich möchte deswegen sagen, daß wir auch bei der Geschwister-Scholl-Stiftung leider keine Möglichkeit sehen, sozusagen zum Abschluß noch einmal den vollen Betrag dessen, was wir im vergangenen Jahr ausgewiesen haben, herauszustellen.
Ich muß Sie deswegen bitten, alle drei Erhöhungsanträge auf Umdruck 40 zu Tit. 660 abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504425100
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD *). Soll über die Ziffern getrennt abgestimmt werden, Herr Abgeordneter Moersch?

(Abg. Moersch: Ich möchte um getrennte Abstimmung bitten!)

— Einverstanden. Ich lasse zunächst über Ziffer 1 b
— Radio-Symphonieorchester — abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über Ziffer 1 c — Philharmonia Hungarica — ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt Ziffer 1 f — Geschwister-Scholl-Stiftung —. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 40 Ziffer 1 f zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben.
— Gegenprobe! — Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Wir stimmen im Hammelsprung ab.
*) Siehe Anlage 3
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 40 Ziffer 1 f ist angenommen mit 190 JaStimmen gegen 148 Nein-Stimmen ohne Enthaltungen.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 35 *) des Abgeordneten Kubitza auf. Ich frage, ob der Antrag begründet wird. — Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Kubitza.

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0504425200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweckmäßigerweise hätte mein Änderungsantrag vielleicht hinter den SPD-Antrag gehört. Aber ich habe den Eindruck, daß der Präsident des Hauses ein Freund des deutschen Sports ist und hier nach der Devise verfahren ist: Ein steter Tropfen höhlt den Stein.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504425300
Das ist eine besonders freundliche Interpretation, aber zu wohlwollend zu meinen Gunsten. Ich habe einfach nicht rechtzeitig gesehen, daß dieser Ihr Antrag hier in meiner Vorlage falsch eingeordnet ist. Er hätte nämlich viel besser verhandelt werden können und sollen mit dem SPD-Änderungsantrag Umdruck 39. Darin haben Sie recht. Danke vielmals.
Fahren Sie fort!

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0504425400
Meine Damen und Herren, mein Antrag ist bescheidener. Er sieht vor, daß die Regierungsvorlage in der ursprünglichen Höhe von 45 Millionen DM wiederhergestellt wird.
Ich möchte vorab zwei Bemerkungen machen. Ich bin kein Interessenvertreter und auch kein Propagandist des deutschen Sports, Herr Kollege Mengelkamp, sondern ich meine, daß es beim Sport als dem wichtigsten Mittel der Gesundheitspflege um ein Anliegen geht, das jeden einzelnen von uns berührt und trifft. Meine Einsichten gründen sich auch nicht auf den Bizeps, sondern darauf, daß kein Ärztekongreß vergeht, in dem nicht auf den alarmierenden Gesundheitszustand unserer Jugendlichen hingewiesen wird. Des weiteren haben wir einen Jugendbericht vorliegen. In diesem Jugendbericht wird festgestellt, daß die Jugendlichen nicht so leistungsfähig und gesund sind, wie sie sein könnten. Nun, ich nehme an, daß solche Berichte nicht allein der schöngeistigen Erbauung dienen, sondern daß daraus politische Konsequenzen gezogen werden.

(Beifall bei der FDP.)

Ich glaube, daß Sie, liebe Kollegen, auch nicht von Ihrem Gesundheitszustand auf den allgemeinen Gesundheitszustand schließen können. Politiker sind nun mal in der Regel härtere Burschen.
Ein zweites vorab. Der Herr Bundeskanzler glaubte bei der Eröffnung der Handwerksmesse in München feststellen zu können, daß bei der Haushaltsberatung Tränen vergossen werden und daß in einem falschen Pathos geredet wird. Nun, meine
*) Siehe Anlage 4



Kubitza
Damen und Herren, beides werden Sie von mir nicht sagen können. Ich werde keine bitteren Tränen um die Angelegenheiten, um die es hier geht, weinen. Aber, Herr Mengelkamp, es ist, glaube ich, für die Unterrichtung des Hauses notwendig, daß man diesen Betrag von 40 Millionen, so wie er jetzt vorgesehen ist, analysiert. Es ist eben nicht so, daß die 40 Millionen insgesamt für die Spitzenfinanzierung zur Verfügung stehen. Von dem Ansatz sind vielmehr allein rund 15 Millionen für die Errichtung von Trainings- und Leistungszentren bei den Spitzenorganisationen des deutschen Sportes vorgesehen. Das heißt, Mittel, die in erster Linie dem Breitensport und damit der Hebung der Volksgesundheit dienen, stehen wie im vorigen Jahr nur in einer Höhe von 25 Millionen zur Verfügung.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wellmann hat auf die Verpflichtungen des Bundes hingewiesen, die seit 1964 84 Millionen DM betragen sollten. Nun, ich darf vielleicht noch einmal zurückspulen. Sie wissen, daß die Laufzeit des Goldenen Planes 15 Jahre beträgt und daß der Kostenvoranschlag, 1959 erstellt, 6,3 Milliarden für diese 15 Jahre vorsah. Inzwischen sind — nach einem Drittel der Laufzeit — nur zwischen 22 und 24 % der angestrebten Baumaßnahmen erfüllt. Es müßten aber 33 % sein. Dieses Defizit ist nicht zuletzt auf die Bundesregierung zurückzuführen, die statt der 298 Millionen DM vom Jahre 1961 ab nur 118 Millionen DM aufgebracht hat.
Es ist auch interessant, wenn man sich einmal die Stellungnahmen anhört, die 1960 beim 10jährigen Bestehen des Deutschen Sportbundes von dem Bundeskanzler und von den Fraktionsvorsitzenden abgegeben wurden. Der Bundeskanzler hat damals dem Deutschen Sportbund in einem Schreiben versichert:
Für die Erfüllung dieser Ziele sichere ich die ganze Hilfe und Unterstützung der Bundesregierung zu.
Dann hat Herr Dr. Heinrich Krone folgendes gesagt:
Ich bin mir darüber im klaren, was ich an der Stelle, wo ich in Bonn stehe, zu tun habe. Der große Goldene Plan muß, das sei ausdrücklich gesagt, durchgeführt werden.
Herr Professor Carlo Schmid sagte:
Der Goldene Plan muß eine goldene Wirklichkeit werden.
Der Fraktionsvorsitzende der FDP sagte:
Da wir durch die ganze deutsche Öffentlichkeit bei den Haushaltsdebatten gemahnt sind, bedarf es auch keiner Telefonanrufe und besonderer Hinweise mehr, wenn es in den Fraktionen zur Etatabstimmung kommt. Wir, meine Kollegen und ich, haben uns bereits verpflichtet, und ich unterstreiche die großartige Formulierung von Professor Carlo Schmid: „Wir wollen gemeinsam dafür sorgen, das aus dem Goldenen Plan eine goldene deutsche sportliche Wirklichkeit wird."
Nun, meine Damen und Herren, ich habe seit 1961 verfolgt, wie sich das abgespielt hat. Wenn auch der
Sportstättenbau in erster Linie Aufgabe der Kommunen ist, haben sich doch anscheinend im Jahre 1960 die Bundesregierung und die Fraktionsvorsitzenden der Einsicht nicht verschließen können, daß die Förderung der Volksgesundheit auch im Interesse des Bundes liegt. Meine Erfahrungen zeigen allerdings, daß man immer nur mit halbem Herzen dabei war. Man hätte sich 1960 genau überlegen müssen, welche Verpflichtungen man damit eingegangen ist.
Meine Damen und Herren, ich erwarte vom Innenminister, daß er in den nächsten Wochen oder Monaten klar sagt, ob der Bund bereit ist, diese 20 %, die im Rahmen des Bewilligungsmodus für den Sportstättenbau draußen bei den Gemeinden eine Rolle spielen, zu halten, oder ob er auf 10 oder 15 % heruntergehen und dann entsprechende Vereinbarungen mit den Ländern und Gemeinden treffen will. Jedenfalls ist der jetzige Zustand nicht mehr haltbar. In meinem Regierungsbezirk in Unterfranken sehen die Dinge so aus, daß bereits heute Anträge bis zum Jahre 1970 vorliegen, von denen also der letzte auf Grund der Zuweisungen im Jahre 1970 bezuschußt werden könnte.
Was nützt uns die beste Verteidigungspolitik, wenn wir feststellen, daß die körperliche Belastbarkeit der jungen Menschen weitaus geringer ist, als das noch zu unseren Zeiten der Fall war, und was nützt uns die beste Wirtschaftspolitik, wenn wir ebenfalls feststellen müssen, daß die Frühinvalidität bei 54 Jahren liegt, daß auch hier ein größerer Verschleiß die Leistungsfähigkeit unserer arbeitenden Menschen immer wieder mindert.
Lassen Sie mich zum Schluß den sehr aufschlußreichen Aspekt aufzeigen, in welcher Größenordnung Gesundheit und Volkswirtschaft zueinander stehen, und zwar stütze ich mich auf eine Untersuchung der Professoren Jahn und Schäfer über „Die Belastung der Volkswirtschaft durch das Phänomen Krankheit im weitesten Sinne". Es ist der Versuch, eine Gesamtrechnung über die Ausgaben für das Gesundheitswesen und die fiktiven volkswirtschaftlichen Verluste durch Krankheit, Unfall, Frühinvalidität und vorzeitigen Tod in der Bundesrepublik für das Jahr 1961 vorzulegen. Die Reinausgaben der verschiedenen Träger für gesundheitliche Aufgaben ergaben im Jahre 1961 eine Summe von 19,245 Milliarden DM, dazu kommen geschätzte Ausgaben in Höhe von 15,6437 Milliarden DM. Diese knapp 35 Milliarden DM gehen direkt zu Lasten des tatsächlichen Volkseinkommens, das im Jahre 1961 235,4 Milliarden DM betrug. Die fiktiven volkswirtschaftlichen Verluste erreichen die enorme Summe von 86,5991 Milliarden DM. Diese Summe ergibt sich aus einer Berechnung — das kann man auf Grund der statistischen Unterlagen sehr genau ausrechnen — der volkswirtschaftlichen Verluste durch Arbeits- und Dienstunfähigkeitstage der noch im Arbeitsprozeß Stehenden in Höhe von 34 785 Millionen DM und dem Produktivitätsverlust durch vorzeitige Erwerbsunfähigkeit — Rentner und dergleichen Nichterwerbstätige — in Höhe von 35 760 Millionen DM. Zwei weitere Posten betreffen die volkswirtschaftlichen Verluste durch vorzeitigen Tod vor und nach dem 65. Lebensjahr in Höhe von 16 054,1



Kubitza
Millionen DM. Wenn wir 1965 zum Maßstab nehmen, wird sich diese Zahl auf 100 Milliarden DM erhöhen. Niemand wird so vermessen sein, zu meinen, daß hier ein radikaler Wandel geschaffen werden könne. Wir könnten uns aber glücklich preisen, wenn es uns gelänge, 10 % von diesen 100 Milliarden DM, also 10 Milliarden DM, durch eine vorbeugende Gesundheitspflege wirtschaftlich effektiv werden zu lassen. Dadurch würde unsere deutsche Wirtschaft zur wettbewerbsfähigsten der Welt werden.
Meine Damen und Herren, die gesundheitsvorbeugende Wirkung des Sports ist unbestritten und wird von allen anerkannt. Viele verantwortliche Politiker ziehen die Konsequenzen aus dieser Einsicht jedoch nur mangelhaft. Zu viele von ihnen orientieren sich an Maßstäben, die der Agrargesellschaft angemessen waren. Die Industriegesellschaft muß vorrangig die Gesundheit vorbeugend fördern und nicht erst die Krankheit bekämpfen. Mehr Technik und mehr Tempo beanspruchen unsere Nerven und setzen eine ganz andere Pflege der Gesundheit voraus. Der einzelne muß Gesundheit wollen, und die öffentliche Hand hat die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.
Wenn es den Sport nicht gäbe, müßte er geradezu erfunden werden.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Unsere Vereine sind die besten Krankenhäuser und die billigsten Apotheken. Um welche Größenordnung es dabei auch volkswirtschaftlich geht, glaube ich Ihnen überzeugend nachgewiesen zu haben. Ich darf Sie bitten, dieser bescheidenen Erhöhung um 5 Millionen DM zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504425500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Collet.

Hugo Collet (SPD):
Rede ID: ID0504425600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir freuen uns über jeden Antrag, der dem Sport und damit der Gesundheit unserer Bevölkerung dienen soll. Wir möchten aus diesem Grunde auch den vorliegenden Antrag — nach vorhin negativer Abstimmung der Mehrheit in einer ähnlichen Sache — unterstützen.
Gestatten Sie mir nur zwei Bemerkungen. Wir haben uns in diesem Hause auch schon in dieser Legislaturperiode vielfach damit befaßt, daß wir zuwenig Krankenhausbetten haben. Unsere Fraktion hat bewiesen, daß sie bereit ist, mitzuhelfen, wenn es gilt, zu sparen, und unsere Haushaltsexperten haben zu jedem Antrag Deckungsvorschläge gemacht. Es ist sicherlich aber verkehrt, in einem Jahr sparen zu wollen, wenn man zehn Jahre später um so mehr ausgeben muß. Ich bin der Meinung, daß wir von jeder Mark, die wir hier ausgeben, mindestens ,die Hälfte für Krankenhausbetten in der Zukunft ersparen.
Ich darf bei dieser Gelegenheit noch auf etwas anderes hinweisen. Wir alle wissen, daß die Vereinsfunktionäre in den kleinsten Vereinen in den
Landgemeinden uns eine Aufgabe abgenommen haben, die wir übernehmen müßten, wenn all diese Idealisten nicht mehr tätig wären. Sie haben sich in Erwartung der Beschlüsse dieses Hohen Hauses in den letzten Jahren, vor allem in den letzten zwei Jahren, mit viel Mühe daran gemacht, die übrigen Mittel zum Bau einer Sportstätte zu beschaffen, und erwarten die Zuschüsse des Bundes.
Nach den Diskussionen in der vergangenen Woche bei der Behandlung des Einzelplans 02 haben wir festgestellt, daß auch hier seitens der Freien Demokraten Vorschläge gemacht wurden; wir dürfen heute erwarten, daß auch viele von ihnen die Anträge ihres Fraktionskollegen unterstützen.
Wir bitten, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504425700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mengelkamp.

Theodor Mengelkamp (CDU):
Rede ID: ID0504425800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur aus Gründen der Zeitökonomie möchte ich auf die ausführliche Begründung einer Ablehnung dieses Antrages verzichten. Ich muß jedoch sehr deutlich auf `die Notwendigkeit des Abgleichs des Haushalts in Einnahme und Ausgabe drängen und Sie herzlichst bitten, den Änderungsantrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504425900
Keine weiteren Wortmeldungen. Abstimmung über den Änderungsantrag — Umdruck 35 *) des Abgeordneten Kubitza. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Abstimmung muß wiederholt werden. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe. — Das letzte ist ,die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag Umdruck 41 **) der Fraktion der SPD! Ich frage, ob zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0504426000
Herr Präsident, die Gründe für diesen Antrag sind aus dem Inhalt dem Hohen Hause hinreichend bekannt, so daß ich auf eine weitere Begründung verzichten kann.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504426100
Herr Abgeordneter Mengelkamp.

Theodor Mengelkamp (CDU):
Rede ID: ID0504426200
Ich würde es am liebsten sehr einfach machen, Herr Präsident, meine Damen und Herren, und sagen: Die Gründe für die Ablehnung sind ebenso hinreichend bekannt. Ich glaube aber, daß man ganz kurz auf die Genesis dieses Antrages Bezug nehmen muß. Im letzten Jahr war versucht worden, eine Vereinbarung darüber
*) Siehe Anlage 4 **) Siehe Anlage 5



Mengelkamp
zu erzielen. Damals stand im Hintergrund der Gedanke des Kollegen Dorn von der FDP, alle Nachrichtendienste auf einen Nenner zu bringen. Das ist nicht erreicht worden, das ist ad acta gelegt. Wir legen im Augenblick Wert darauf, daß diese Dinge so im Bundeshaushalt erhalten bleiben, wie es in den vergangenen Jahren der Fall gewesen ist.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sind Sie aber nicht doch bereit, noch einmal in eine Überprüfung Ihrer Meinung einzutreten?)

— Vor dem nächsten Haushalt! Einverstanden!
Ich bitte, den Änderungsantrag abzulehnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504426300
Keine weiteren Wortmeldungen. Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD Umdruck 41*). Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Damit sind alle Änderungsanträge in zweiter Lesung zum Einzelplan 06 erledigt. Zu dem damit verbundenen Einzelplan 36 — Zivile Verteidigung — hat das Wort Frau Abgeordnete Renger.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0504426400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich Sie vor der Mittagspause noch mit einem so unpopulären Thema aufhalten muß. Aber ich möchte die Kritik aufgreifen, die mein Fraktionskollege Schmitt-Vockenhausen heute früh an den Maßnahmen der Bundesregierung für die Zivilverteidigung und den Zivilschutz bereits angedeutet hat.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat in diesem Jahr keine Anträge zu den Einzelplänen 06 und 36 eingereicht, die diese Aufgaben betreffen, einmal, weil wir aus den bisherigen Beratungen über den Haushalt 36 gelernt haben, daß es ziemlich sinnlos ist, hier auch sachverständige Vorschläge zu machen; sie werden doch abgelehnt. Das trifft natürlich im besonderen in diesem Jahr zu.
Wir müssen feststellen, daß in all den Jahren seit 1954 die Bundesregierung nicht das Ausreichende auf diesem Gebiet getan hat, obwohl sie ständig behauptet, wie sehr ihr gerade diese Aufgabe am Herzen liegt. Die Bundesregierung hat zwar bis heute eine Reihe organisatorischer Maßnahmen und Vorsorgemaßnahmen für die Zivilbevölkerung in einem Katastrophenfall getroffen; sie reichen aber nicht aus, weil Wesentliches nicht getan wurde, nämlich die eigentlichen Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung. Dafür, daß das so ist, trägt ganz allein die Bundesregierung die Verantwortung. Wir Sozialdemokraten waren uns der Schwierigkeit der Aufgabe immer bewußt. Wir haben ständig unsere Mitarbeit bei der Lösung dieser Aufgabe angeboten. Wir haben entscheidend dazu beigetragen, daß die psychologischen Hemmnisse in der Bevölkerung gemindert wurden, die nicht zuletzt durch die unse-
*) Siehe Anlage 5
ligen Entwürfe früherer Kabinette hervorgerufen worden sind und die eine wirklich sachliche Diskussion noch immer außerordentlich erschweren.
Ich möchte hier erklären, daß uns während des Bundestagswahlkampfes ganz besonders befremdet hat, als die Mehrheit dieses Hauses den Versuch unternahm, die sozialdemokratische Opposition zu beschuldigen, ihre Haltung in der Frage ,der Verabschiedung der verfassungsändernden Gesetze habe dazu geführt, daß auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes nicht genug getan werden konnte. Ich möchte das hier noch einmal ausdrücklich zurückweisen. Das ist eine unsachgemäße Behauptung. Spätestens als die Mehrheit im Haushaltsausschuß die Ansätze um 6,1 Millionen DM strich, wird es auch dem Wähler draußen, der sich sonst nicht so sehr mit diesen Problemen beschäftigt, klar gewesen sein, daß .es sich hier um ein ziemlich plumpes Wahlmanöver gehandelt hat. Die neue Praxis, daß das Kabinett finanzielle Vorlagen macht und daß dann im Ausschuß Streichungen durch die Regierungsparteien 'erfolgen und die Bundesregierung dann auch noch so tut, als ob es sich hier um voneinander unabhängige Entscheidungen handle, wird doch wohl niemand als aufrichtiges Verhalten hinstellen können. Nach unserer Auffassung werden durch ein solches Verfahren der Mehrheit dieses Hauses die bereits vorhandenen Ansätze des guten Willens der Bevölkerung, auf dem Gebiet des Zivilschutzes mit tätig zu werden, wieder zerschlagen.
Meine Damen und Herren von der Regierung und von den Mehrheitsparteien, wen wollen Sie noch überzeugen, daß Selbstschutzmaßnahmen als Vorsorge notwendig seien, wenn die Regierung zwar davon redet, daß Zivilschutz eine humanitäre Verpflichtung sei, es aber selbst ständig an den Konsequenzen fehlen läßt? Glaubt die Bundesregierung darüber hinaus wirklich, daß sie den Willen der Bevölkerung, im Selbstschutz mitzumachen, positiv beeinflußt, wenn sie in einem neuen Gesetzentwurf ausgerechnet Sparmaßnahmen auf Kosten der sozial Schwachen durchführen möchte, die ihr Einsparungen von 474 Millionen DM brächten und von denen 6 Millionen Menschen betroffen wären? Ich kann Ihnen schon heute sagen, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion solche Gesetze nicht mitmachen wird.
Glaubt die Bundesregierung darüber hinaus wirklich, daß das Verständnis der Bevölkerung für den eigenen Schutzraumbau geweckt werden kann, wenn sie durch die Zurückstellung des Schutzraumgesetzes wiederum einen langen Zeitraum verstreichen läßt, in dem nichts geschieht? Wie von ,der Bundesregierung selber bekanntgegeben wurde, könnten in dieser Zeit 2,5 Millionen Schutzplätze gebaut werden. Dabei führt die Bundesregierung selber an, daß „ohne entsprechende bauliche Vorkehrungen alle anderen Zivilschutzmaßnahmen nur von geringem Wert sind". Man muß sich wirklich fragen, was man von solchen Äußerungen zu halten hat, wenn nicht die entsprechenden Maßnahmen erfolgen. Soweit mir bekannt ist, sind bis heute nicht einmal die dringend notwendigen Rechtsverordnungen für die Zuschüsse zum Schutzraumbau



Frau Renger
und zur Herrichtung der Hausschutzräume vorgelegt worden. Der Bundesrat hat darum dringend gebeten.
Ich möchte Sie auch auf folgendes hinweisen, Bei dieser Form der Handhabung auf diesem sehr wichtigen Gebiet werden die freiwilligen Helfer, aber auch die Beamten in den Ministerien und Dienststellen, im Selbstschutzverband und wo immer Sie wollen, an ihrer Aufgabe beinahe verzweifeln. Sie haben das Gefühl, als wenn sie einen wesentlichen Teil ihrer Lebensaufgabe umsonst getan hätten.
Wir haben auch das Problem, daß der überörtliche Luftschutz ausläuft. Auch bei dem Gesetz über das Zivilschutzkorps haben wir Schwierigkeiten. Ich frage die Bundesregierung, ob es nicht doch möglich ist, organisatorische vorplanende Maßnahmen schon jetzt beginnen zu lassen.
Die sozialdemokratische Fraktion erkennt an, daß sich der frühere Bundesminister Höcherl für den Zivilschutz — leider ohne durchschlagenden Erfolg — eingesetzt hat; sie sieht auch, daß sich der Herr Bundesminister Lücke sehr bemüht. Das allein genügt nicht. Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, die schwierige Aufgabe des Zivilschutzes in aller Offenheit, ausgehend von der politischen und militärischen Situation der Bundesrepublik, der Bevölkerung vorzulegen. Wir bitten deshalb schon heute — wir wollen das in der dritten Lesung nicht noch einmal begründen — um Zustimmung zu dem für die dritte Lesung vorgelegten Entschließungsantrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 46, mit dem wir erreichen möchten, daß die Bundesregierung diesem Hohen Hause ein - klares und finanziell durchführbares Programm für die Zivilschutzmaßnahmen vorlegt. Wir werden wie bisher der Bundesregierung bei der Durchführung dieser Aufgaben helfen und hoffen nur, daß endlich auch die notwendigen Vorlagen erarbeitet werden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504426500
Das Wort hat der Abgeordnete Windelen.

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0504426600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beratung der Fragen der Notstandsplanung und der zivilen Verteidigung hat sich heute in einer sehr sachlichen Atmosphäre abgewickelt. Ich möchte die Diskussion im gleichen Geiste fortsetzen. Das heißt natürlich nicht, sehr verehrte Frau Kollegin Renger, daß wir alles widerspruchslos hinnehmen- können, was Sie an Kritik auf den Tisch gelegt haben.
Wir haben von Ihnen — das ist schließlich Ihre Aufgabe als Sprecherin der Opposition — wieder eine Reihe von Vorwürfen und von Vorhaltungen wegen Dingen zu hören bekommen, die noch nicht erledigt worden sind. Frau Kollegin, glauben Sie mir, ich könnte diese Reihe noch beliebig fortsetzen. Ich wüßte vieles, was noch fehlt, nicht nur auf diesem Gebiet; ich wüßte auch auf einigen anderen Gebieten noch etwas, was man tun könnte. Aber wir können nicht alles auf einmal. Wir wissen selbst,
daß wir weder auf diesem noch auf anderen Gebieten perfekte Zustände erreicht haben. Ich füge gleich hinzu, daß wir sie auch in absehbarer Zeit nicht erreichen werden, sondern daß wir alle unsere Fortschritte nur im Rahmen unserer Möglichkeiten, auch unserer finanziellen Möglichkeiten, werden erzielen können und daß wir dabei immer die Erhaltung der Stabilität unserer Ordnung werden im Auge behalten müssen.
Sie haben eine Reihe von negativen Faktoren aufgeführt. Lassen Sie mich, vielleicht um das Bild etwas ausgewogener erscheinen zu lassen, einige positive Faktoren anführen.
Der Luftschutzverband hat in der Zeit seines Bestehens — es waren ja recht schwere Jahre — doch eine sehr wichtige Arbeit geleistet. Allein im Jahre 1965 sind weitere 72 000 Helfer ausgebildet worden. Inzwischen sind es 372 000 Helfer, und ich glaube, das ist eine ganz anständige Anzahl. Davon sind allein 97 000 ständige Helfer als ehrenamtliche Mitarbeiter gewonnen worden. 1100 Luftschutzzüge sind ausgerüstet und zum größten Teil auch personell besetzt worden. Der Luftschutzhilfsdienst ist weit fortgeschritten: überörtlich 68 000 freiwillige Helfer, bei ,den örtlichen Zügen 21 000 Helfer. 558 Einheiten stehen inzwischen. Allein der Wert der Ausrüstung in den Ländern und Gemeinden, die ja den Ländern und Gemeinden auch für andere Aufgaben zur Verfügung steht, hat inzwischen 400 Millionen DM erreicht. Ein besonderes Anliegen auch von Ihnen waren immer die Ausweich- und Hilfskrankenhäuser. Inzwischen sind 66 Objekte mit 24 000 Betten fertiggestellt. Davon sind im verflossenen Jahr 19 Objekte mit 8000 Betten fertig geworden, d. h. fast ein Drittel allein im vergangenen Jahr. 79 Objekte sind im Bau, weitere 123 mit 40 000 Betten in der Planung.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Die Zahlen werden natürlich erst dann interessant, wenn Sie sie dem wirklichen Bedarf gegenüberstellen!)

— Selbstverständlich, Herr Kollege. Aber das gilt doch für alle Bereiche.
Ein Wort zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Inzwischen stehen 115 voll ausgestattete Lager mit Medikamenten im Werte von 150 Millionen DM zur Verfügung, darüber hinaus Verbandsmittel, Trockenplasma und ärztliches Gerät. Die Ausbildung in der Ersten Hilfe, die ja auch für andere Bereiche wichtig ist, nicht nur im zivilen Bevölkerungsschutz, durch die Hilfsorganisationen, durch das Rote Kreuz, die Arbeiter-Samariter, die Johanniter usw. hat weiter zugenommen, Allein im Jahre 1965 wurden weitere 400 000 Menschen ausgebildet; insgesamt 41/2 Millionen — auch diese Zahlen sollte man 'hier einmal nennen —, zusätzlich allein im vergangenen Jahre 16 000 Schwesternhelferinnen.
Das Technische Hilfswerk hat in der Zwischenzeit seinen Stand auf 500 Ortsgruppen erhöht. Es hat allein im vorigen Jahr in einer Vielzahl von Einsätzen im Hochwasser-, im Katastrophenschutz mit 3000 Helfern 75 000 Arbeitsstunden geleistet. Wir



Windelen
sollten hier einmal diesen Männern und Frauen unseren Dank aussprechen.

(Allseitiger Beifall.)

Im Warn- und Alarmdienst sind von 55 000 Sirenen, die einmal aufgebaut werden sollten, inzwischen 43 000 funktionsfähig. Daneben arbeiten 1300 ABC-Meßstellen, die ständig die Atmosphäre überwachen.
Ich möchte keine vollständige Aufzählung geben, sondern nur einige Dinge herausgegriffen haben. Zu erwähnen wären auch die Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung, die Bevorratung mit Lebensmitteln, die Maßnahmen auf dem Gebiete des Verkehrs und des Fernmeldewesens. Aber lassen wir es lediglich als Gegenüberstellung zu Ihrer Kritik bei diesen etwas positiveren Feststellungen.
Frau Kollegin Renger, Sie haben erstmalig — Sie haben ja besonders darauf hingewiesen — zur zweiten Lesung keine Änderungsanträge eingebracht. Sie haben gesagt, Sie hätten das auch deswegen nicht getan, weil wir sie ohnehin abgelehnt hätten. Nun, wenn Sie davon ausgehen, könnten Sie völlig darauf verzichten, Änderungsanträge einzubringen. Ich werte es doch ein wenig als Zeichen einer zwar nicht vollen Übereinstimmung, aber mindestens Ihrer Einsicht, daß man das nicht alles auf einmal machen kann, und zwar nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, weil die Menschen nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen und weil man nur einen Schritt nach dem anderen tun kann, weil auch bei der Zivilverteidigung wir ebensowenig wie in der militärischen Verteidigung Perfektion erreichen können, heute nicht und auch morgen nicht.
Wir sollten also bei allen Meinungsverschiedenheiten in Details, die, das fürchte ich, auch in Zukunft bleiben werden, auf dem bisherigen Wege fortschreiten. Wir sollten die beteiligten Verbände und Organisationen bei ihrer undankbaren und schwierigen Aufgabe unterstützen, und wir sollten auch der Regierung bei ihrer Arbeit helfen.
Sie haben gleichzeitig Ihren Entschließungsantrag auf Umdruck 46 begründet. Ich darf unsere Stellungnahme dazu auch gleich abgeben, dann brauchen wir das in der dritten Lesung nicht zu tun. Ich darf sagen, daß wir mit dem Anliegen, das Sie hier vertreten, grundsätzlich einverstanden sind. Zwar ist der Bundestag im Jahre 1965 bei der Einbringung der Zivilschutzgesetze ausführlich über die Planungen und auch über die finanziellen Auswirkungen unterrichtet worden — in der Drucksache IV/2607 steht eine genaue Übersicht —, aber inzwischen ist das Haushaltssicherungsgesetz gekommen. Inzwischen sind einige Änderungen eingetreten. Die Regierung hat einen Gesetzentwurf zur Fortführung des Zivilschutzes eingebracht, der am 1. April im Bundesrat behandelt worden ist. Hier haben sich einige Änderungen ergeben, über die das Parlament unterrichtet werden muß, über die wir auch unsererseits unterrichtet werden wollen. Der Bundesrat hat zu diesen Gesetzen nicht endgültig Stellung genommen, weil auch er über die finanzielle Gesamtsituation Bescheid wissen wollte. Diese Frage stellt sich dem Bundesrat. Wir stellen die gleiche Frage und Sie tun das mit Ihrem Entschließungsantrag.
Der Gesetzentwurf zur Fortführung des Zivilschutzes wird sicherlich in Kürze den Fachausschüssen zugehen. Wir bitten darum, daß bei dieser Gelegenheit das Ministerium dann die Angaben zu der Finanzierung, die Angaben zu der Gesamtkonzeption mit vorlegt.
Wir bitten Sie deshalb um Zustimmung, diesen Entschließungsantrag dem -Innenausschuß — federführend — und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504426700
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Meine Damen und Herren, wir stimmen zunächst über den Einzelplan 06 und dann über den damit verbundenen Einzelplan 36 ab.
Wer dem Einzelplan 06 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Einzelplan 06 angenommen.
Wer dem Einzelplan 36 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 36 ist einstimmig angenommen.
Ich muß nun noch über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/575 Ziffer 2 abstimmen lassen, die zum Einzelplan 06 eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Das Haus ist einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir treten in die Mittagspause ein. Um 14.30 Uhr beginnen wir mit dem Einzelplan 27 — Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen —.
Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.05 Uhr bis 14.33 Uhr.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504426800
Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe Punkt 3 e der Tagesordnung auf:
Einzelplan 27
Geschäftsbereich des Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen
— Drucksache V/591 —
Berichterstatter ist der Abgeordnete Hermsdorf. Wollen Sie den Bericht erstatten, oder verzichten Sie?

(Abg. Hermsdorf: Ich verzichte!)

Zu Wort gemeldet. hat sich der Abgeordnete Wehner.




Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0504426900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hat in der vergangenen Woche bei der Beratung der Einzelpläne des Bundeskanzleramts und des Bundesministers des Auswärtigen Anlaß genommen, einige Fragen der Deutschland-Politik zu erörtern. Ich will nun nicht umgekehrt verfahren und aus Anlaß der Beratung des Einzelplans 27 etwa die Frage der Deutschland-Politik insgesamt behandeln.
Der Herr Minister hat bei seinen Ausführungen in der vorigen Woche den. Versuch einer Zusammenfassung gemacht und u. a. gesagt, daß trotz aller Verschiedenheiten in Verfahrensfragen und in Fragen des Vorgehens [die Rechtsgrundlagen der Deutschland-Politik unverändert geblieben seien und von allen Parteien gleichermaßen vertreten würden. Ich habe dem nicht zu widersprechen. Ich möchte hier nur, ohne daß ich versuchen will, damit die Auffassungen des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen durch meine eigenen zu ergänzen, sagen, daß mir scheint — und das möchte ich gerade von dem Minister, dem diese schwierige Arbeit anvertraut ist, bestätigt haben —, daß Deutschland-Politik, richtig verstanden, doch wohl die Summe der politischen, der kulturellen und der wirtschaftlichen Bemühungen ist, die wir dem Grundgesetz gemäß anzustellen haben, damit unser Volk, wie es im Grundgesetz heißt, „in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands" vollenden kann. Das ist sicher auch die Meinung des Ministers. Wenn wir aber vorwiegend von den Rechtsgrundlagen sprechen, die hier weder angetastet noch in Zweifel gestellt werden sollen, so kommen wir, wie ich fürchte, Herr Minister, viel zuwenig zu den praktischen Notwendigkeiten und Obliegenheiten, die gerade Sache des Ressorts sind, für das Sie verantwortlich sind.
Der Herr Minister hat — meines Erachtens mit Recht — hervorgehoben, daß Bundeskanzler Erhard in seiner Regierungserklärung ein Höchstmaß menschlicher Begegnungen im geteilten Deutschland gefordert habe, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen zu erhalten, der Entfremdung vorzubeugen und die Unteilbarkeit als Nation zu gewährleisten. „Denn wir wissen," so hat er gesagt, „daß die Unteilbarkeit unseres Volkes als Nation die Voraussetzung für die Erreichung der staatlichen Einheit auf der Basis des Selbstbestimmungsrechtes ist." Er hat damit außerdem die große Gefahr des Auseinanderlebens der beiden Teile Deutschlands im Menschlichen in unser Blickfeld und unser Bewußtsein zu bringen versucht, die, wie er gesagt hat, gegeben ist, wenn wir die menschlichen Begegnungen nicht noch steigern können. Ich glaube, daß ich damit seine eigenen Auffassungen richtig wiedergegeben habe.
Ich habe mich vorhin auf unsere grundgesetzliche Verpflichtung bezogen und möchte in bezug auf das, was „Deutschlandpolitik" genannt wird, noch einmal auf das Grundgesetz zurückkommen. Wir haben zu tun, was notwendig und möglich ist, damit unser Volk in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollenden kann. Im Grundgesetz steht auch die Voraussetzung dafür. Dort steht nämlich, daß wir „von dem Willen beseelt" sind, die „nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen". Darüber gibt es sicher keinerlei Auffassungsunterschiede. Ich möchte bei der Gelegenheit nur gesagt haben: diese Voraussetzung ist nun — entschuldigen Sie, wenn ich das so direkt sage — so gut wie ausschließlich in unsere Hand gegeben; denn „Wille" kann nicht wie Rechtsgrundlage oder Rechtsanspruch oder Vertretungsanspruch behandelt werden als etwas, auf das man sich beruft, sondern „Wille" muß leben, muß wirken, muß fühlbar sein. Und das haben Sie wahrscheinlich — ohne es in dieser Direktheit anzusprechen, wie ich es hier tun kann und will — mit Ihrer Warnung vor der großen Gefahr des Auseinanderlebens und dessen, was im Zusammenhang damit gesehen werden muß, falls wir die menschlichen Begegnungen nicht noch steigern können, ins Bewußtsein bringen wollen.
Diese Ihre Ausführungen haben mich zu einigen Bemerkungen veranlaßt, die meines Erachtens im Zusammenhang mit dem Haushalt Ihres Hauses heute hier zur Erörterung gestellt werden sollten, wobei ich mir bewußt bin, Herr Minister, daß das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen ungeachtet seines Namens nur in recht begrenztem Maße für das verantwortlich gemacht werden kann, was sich eigentlich mit diesem Namen für den, der ihn hört und der daran seine Erwartungen knüpft, verbindet. Ich habe in langer parlamentarischer Arbeit den Eindruck gewonnen, daß das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen hinsichtlich dessen, was sein Name verheißt, und hinsichtlich dessen, was mit seinem Namen an Vorstellungen erweckt wird, weder entsprechend bevollmächtigt noch entsprechend ausgestattet ist. Das ist auch etwas, was Sie nur sehr begrenzt oder bedingt ändern können.
Aber auch manches, was ausschließlich in Ihrem Hause und unter der begrenzten Bevollmächtigung und begrenzten Verantwortung, die Sie trotz dieses mächtigen Namens haben und ausüben, geschieht, geschieht leider in all zu wenig lebendiger Verbindung zum Volk. Ich denke dabei, ohne mich da weiter hineinvertiefen zu wollen, an die, so wie die Dinge sind, sicherlich notwendige Einrichtung des Vereins zur Förderung der Wiedervereinigung. Aber das ist alles zu sehr Behördenarbeit und entspricht nicht dem, was Sie selber als notwendig zu kennzeichnen versucht haben, um jener großen Gefahr entgegenzuwirken.
Ich weise hier auf etwas hin, das ich eine unsagbar mangelhafte Koordination dessen nennen will, was im Bereich der gesamtdeutschen Fragen notwendig ist, und sogar dessen, was getan wird. Ich versage es mir, hier eine Äußerung eines der früheren Minister für gesamtdeutsche Fragen, des Herrn Kollegen Lemmer, zu erwähnen oder wörtlich zu zitieren, der in sehr drastischen Worten, wie sie ihm eigen sind, von chaotischen Verhältnissen — nicht in Ihrem Haus, sondern auf dem Gesamtgebiet der gesamtdeutschen Notwendigkeiten und Tätigkeiten — gesprochen hat. Das sei hier nur erwähnt.



Wehner
Ich halte es zwar für durchaus achtbar und auch für besser als nichts, wenn ich einmal etwas lapidar so sagen darf, daß ein Staatssekretärsausschuß der verschiedenen Ressorts, die mit Fragen befaßt sind, die Probleme gesamtdeutschen Charakters berühren oder betreffen, existiert und daß dort mindestens ein runder Tisch besteht. Aber es kommt doch auf die Minister und auf das Zusammenwirken der Minister an. Da kann ich nicht anders als folgendes wiederholen, auch wenn das schon einige Male von höchster Regierungsstelle als überflüssig bezeichnet worden ist, was ich damit sagen will. Es gibt für Wirtschaftsfragen im . Kabinett ein Wirtschaftskabinett. Es gibt für Verteidigungsfragen im Kabinett einen Verteidigungsrat. Es gibt für Wissenschaftsförderungsfragen seit kurzem auch eine entsprechende Zusammenfassung von Ministern auf dem, was man heute Ministerebene nennt. Für die Fragen, von denen nicht nur ich, sondern Sie alle überzeugt sind, daß es die Fragen sind, die das Ziel unseres gesamten Wirkens betreffen, unsere eigentliche Aufgabe betreffen, gibt es nichts Entsprechendes.
Nun, ich nehme den Einwand vorweg. Es wird gesagt, das sei eben Sache der ganzen Regierung. Das ist wohl bei Verteidigungsfragen nicht minder der Fall, das ist bei Wirtschafts- und Finanzfragen nicht minder der Fall, und das ist bei Wissenschaftsförderungsfragen nicht minder der Fall, weil sie nicht nur bestimmte Ressorts betreffen. Aber das, was in diesem Bereich spezifisch notwendig ist, muß doch seine Stätte im Kabinett haben. Und wenn ich noch so lange reden muß — nicht heute, bitte haben Sie keine Angst, aber in der Folge —, in dieser Frage muß ich sagen: Das ist ein Konstruktionsfehler im Kabinett. Das Kabinett allein kann das entscheiden. Der Bundestag kann ihm nichts Entsprechendes auferlegen. Ich bringe Sie hier nicht in die unangenehme Rolle, irgendeinem Antrag zustimmen zu sollen, von dem dann natürlich mit Recht kabinettsseitig gesagt würde, das sei ganz allein Sache der Geschäftsordnung des Kabinetts. Aber in der Sache werden Sie doch wohl an der Meinung von Parlamentariern, die in dieser Beziehung ihre Erfahrungen haben und ungeachtet ihrer innenpolitischen Stellung gegen die gegenwärtige Regierung sich für die Lösung dieser Fragen mitverantwortlich fühlen, nicht völlig vorbeihören können.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

Ich will hier gar nicht Pannen aufrechnen. Ich möchte nur ein paar Stichworte nennen. SaaleBrücke! Da hat es Dinge gegeben, die man hätte vermeiden oder hätte verbessern können. Man hätte wahrscheinlich sogar Jahre gespart. Oder denken Sie an irgendwelche Eisenbahnabkommen, die zum Teil so schwer verdaulich sind, daß, wenn sie in einem anderen Bereich geschehen wären und nicht unter der Agide des Herrn Bundesverkehrsministers, der noch andere Plattformen hat, von denen er gelegentlich spricht, ein Krach entstanden wäre, nicht nur im Blätterwald, sondern hier im Bundestag, und in der Fragestunde wären die Dinge aufgekommen. Das sind Pannen, Pannen sehr ernsten Charakters, das sind schon ich weiß nicht wie hochgradige Verkehrsunfälle.
Oder denken wir einmal an das, was plötzlich — kürzlich ist es so gewesen — als eine sehr wichtige Sache in den Vordergrund gestellt worden ist; Zeitungsaustausch. Ich will mich gar nicht über das Wort auslassen. Das wird der eine lieber so, der andere lieber so ausdrücken wollen, aber ich kann die erste Reaktion von der Regierungsseite auf jene eigentümliche Angelegenheit, die die Folge einer Bitterfelder Diskussion war, nicht vergessen. Ulbricht hatte dort schließlich gesagt: Nun ja, dann kann man eben also auch noch ein paar Zeitungen von drüben nach hier lassen. — Das war sozusagen ein Zugeben auf ständiges Drängen. Die erste Reaktion hier war eine Äußerung des Staatssekretärs von Hase, daß das angeblich an den Grenzen unserer entsprechenden Gesetze scheitere. Das war eine sehr unkluge Reaktion. Ich weiß, daß sie von anderen Herren des Kabinetts nicht geteilt worden ist und daß sich die Staatssekretäre anderer Häuser dann Mühe gegeben haben, die Sache wieder aufzufangen, aber sie war wieder nur aufzufangen hinsichtlich des unguten Eindrucks und Echos, in der Sache selber war damit eine Gelegenheit, ein Tor anzubringen — um einmal in der Sportsprache zu reden —, vergeben worden, verdorben worden.
Oder nehmen Sie das, was notwendig ist auf dem Gebiete dessen, was in sehr menschliche Bereiche, über die schwer zu sprechen ist, wenn man nichts gefährden will, hineingehört — sei es, was Gefangene dort betrifft, sei es, was Familienzusammenführung dort betrifft. Ich halte es nicht für gut — das wollte ich hier in dem Zusammenhang gesagt haben, ohne mich jetzt weiter hineinzuvertiefen —, daß in diesem Punkt offenbar im Kabinett oder beim Bundeskanzler der Verdacht besteht, hier solle etwas von der Richtlinienkompetenz weggenommen werden. Das ist überhaupt nicht der Fall. Hier soll nur geholfen werden, daß Richtlinien — und dazu rechne ich auch das, was Sie selber, Herr Minister, aus der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zitiert haben — auch durchgeführt werden können, daß sie nicht nur Richtlinien bleiben, sondern daß das allmählich Blut, Fleisch und Leben bekommt.
Eine zweite Sache in diesem Zusammenhang. Selbst das, was alles zur Förderung der Zonenrandgebiete gehört, ist noch nicht einmal in Ihrem Hause zusammenfaßbar und geht im wesentlichen an Ihrem Hause vorbei. Ich erinnere daran, daß der Bundestag in seiner vorigen Legislaturperiode, am 1. Juli des vergangenen Jahres, einen umfassenden Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen entgegengenommen hat, den er zur Kenntnis nahm und dessen Petita er sich einstimmig zu eigen machte. Wir warten ja heute noch darauf, daß das, was dort in einem zweiten Punkt speziell zu den Verkehrsnotwendigkeiten — zum Teil Verkehrskalamitäten — im Zonenrandgebiet vom Bundestag einstimmig gefordert worden ist, ihm nun als Bericht auch vorgetragen wird. Ich habe auf verschiedene Fragen hin gehört, daß das wahrscheinlich im Herbst dieses Jahres geschehen könne. Das war ein Beschluß vom 1. Juli 1965!
Es bleibt mir keine andere Möglichkeit, als in Zusammenhang mit der Behandlung Ihres Haus-



Wehner
haltsplanes auf diese Dinge zu sprechen zu kommen. Hier wäre es notwendig, daß der Herr Minister für gesamtdeutsche Fragen in Personenidentität auch der Bundesbevollmächtigte für die Zonenrandförderung wäre.

(Beifall bei der SPD und FDP.)

Das jedenfalls ist die Meinung der parlamentarischen Opposition. Wenn wir das immer wiederholt sagen müssen, so haben wir dafür gute Gründe. Wir wollen damit keinem anderen Ressort etwas abnehmen. Wir selber als Opposition gewinnen ja damit nichts, wenn Sie das in dem engen Rahmen beurteilen. Denn hier geht es gar nicht darum, eine Person durch eine andere zu ersetzen oder noch jemanden ins Kabinett hineinzuzwängen, wie man es sogar bei dem Begriff „Wiedervereinigungskabinett" geargwöhnt hatte. Das alles geht ja innerhalb der Geschäftsordnungskompetenz des sitzenden — ich meine im besten Sinne des Wortes: sitzenden —, also amtierenden Kabinetts vor sich. Da wird nichts genommen und nichts abgestrichen, und kein anderer Fremder mischt sich hinein. Hier brauchten wir eine solche besondere Bevollmächtigung des Herrn Ministers. Ob er sie selber anstrebt, ist mir inzwischen eigentlich unklarer geworden, als ich es zeitweise angenommen hatte; denn mit einer gewissen Zielstrebigkeit hätte man ja wohl auf diesem Gebiete einer gar nicht zu bestreitenden Lösung allmählich näherkommen können. Heute ist es so, daß man aufpassen muß wie ein Luchs, und es gehört ein ganzes Spezialwissen dazu. Im Haushaltsplan des Bundeswohnungsministeriums, im Haushaltsplan des Verkehrsministeriums und in vielen anderen — ich habe es einmal zusammengerechnet, es sind insgesamt, wenn ich Ihr Haus mitrechne, tatsächlich zwölf, in denen man suchen muß — sind Fragen, die den Zonenrand betreffen. Ich habe nichts dagegen, daß sich alle dafür engagieren, das ist wahrscheinlich gar nicht schlecht, aber einer müßte doch der zusammenordnende Kopf sein. Man kann doch hier nicht auch noch kommen und sagen, das sei Sache des Bundeskanzlers. Was müßte der Bundeskanzler für einen Kopf haben, wenn er dies alles zusammenordnen soll!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) Da wäre er bestimmt überfordert.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504427000
Ja, das ist aber Sache meines Kollegen, des Bundesarbeitsministers, oder: Das ist Sache meines Kollegen Soundso. Im einzelnen soll das ruhig so
sein, aber in der Frage des Geradestehenkönnens dafür, ob etwas Bestimmtes in einer gewissen Zeit und unter Zugrundelegung der vorhandenen Mittel und der notwendigen Einschränkungen — das wollen wir hier konzedieren — möglich gemacht werden muß, muß der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen derjenige sein, von dem man weiß: an diese Adresse. kann man sich wenden und bekommt mehr als nur eine hinhaltende Antwort.
Meine dritte Bemerkung gilt einigen offenkundigen Versäumnissen: Richtlinien für Begegnungen, z. B. von Kommunalpolitikern, Gemeindeverordneten, Stadtverordneten und Bürgermeistern. Ich habe in den letzten Monaten verschiedentlich gehört und gelesen, daß z. B. der Präsident des Deutschen Städtetages, der Fuldaer Oberbürgermeister Dr. Dregger, gesagt hat, es gebe seit Monaten eine Vorlage dafür, sei es nun beim Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, sei es bei der Regierung schlechthin. Als ich mich vor einigen Wochen erkundigte, ob das denn nun nicht bald spruchreif sei, ist mir gesagt worden, die drei Ressorts, die damit befaßt seien, hätten sich inzwischen übereinstimmend in dieser Frage festgelegt. Aber die Richtlinien selber sind noch nicht da.
Es wäre gut, wenn — unabhängig, von welcher Partei solche Kommunalabgeordneten, Stadträte, Bürgermeister, die doch recht wichtige Aufgaben in unserem gesamten Staat haben, sind — jeder wüßte: für seinen Bereich gibt es bestimmte Richtlinien, an die er sich halten kann und in deren Rahmen er sich bewegt. Sie, Herr Minister, müßten dafür sorgen — und ich nehme mir die Gelegenheit, hier jetzt mahnend darauf hinzuweisen —, daß die kommunalen Spitzenverbände endlich diese vom Kabinett durchgesehenen und hinsichtlich aller Weiterungen geprüften Richtlinien zum Gebrauch bekommen.
Eine vierte Bemerkung betrifft den Nachbarschaftsverkehr. Wenn wir uns die kurze Zeit überlegen, seit der auf der anderen Seite unter dem Namen „Staatssekretariat für gesamtdeutsche Fragen" eine Einrichtung geschaffen worden ist, die offensichtlich — abgesehen von dem, was man dort an Propagandaballons steigen läßt — bestimmte Abtastmanöver und auch bestimmte Vorstöße, auch sachlich gemeinte — mit sachlich meine ich hinsichtlich der Auswirkung —, und Vorschläge inszeniert, so fürchte ich, daß wir uns — und das betrifft wahrscheinlich auch Ihr Haus und seine innere Einstellung — auf diese neue Firma auf der anderen Seite noch nicht richtig eingestellt haben. Nachbarschaftsverkehr ist z. B. eine Sache, die von der Gegenseite in Briefen an die Fraktionen der Landtage in den Zonenrandländern als möglicher Gesprächsgegenstand vorgeschlagen wurde, für dessen Lösbarkeit es aber — wie man sagte — Verhandlungen von Regierung zu Regierung bedürfte. Es wäre durchaus nicht nur angemessen, sondern es wäre ein Zeichen von Manövrierfähigkeit unserer Seite gewesen, wenn wir, die wir ja solche Dinge nicht um der Propaganda willen wollen, oder weil wir damit irgendwelche Verfestigungen der innerdeutschen Spaltung haben wollen, die der Gegenseite offenbar in jedem Fall besonders wichtig ist, sondern weil wir



Wehner
menschliche Erleichterungen wollen, von denen wir wissen, daß sie zur Grundlage des Zusammengehörigkeitsgefühls der Deutschen gehören, hier agiert und nicht nur darüber hin und her geredet hätten.
Das Nachbarschaftsverkehrsabkommen hätte, nachdem es bisher wohl nicht dazu gereicht hat, wenigstens nach dem Modell des Passierscheinabkommens — mit der Klausel, daß die jeweilige andere Seite sich weder Gebiets- noch Amts- noch Behördenbezeichnungen der Gegenseite zu eigen macht — versucht werden müssen. Das heißt aber wohl, daß man jemanden hätte finden müssen, der, so wie es beim Passierscheinabkommen jener Berliner Beamte getan hat, in bestimmtem Auftrag die notwendigen und sehr langwierigen Verhandlungen geführt hätte. Einen solchen Mann brauchte man hier. Warum ist ein solcher nicht gefunden worden? Ich habe einmal von Ihnen, Herr Minister, gehört, daß Sie einen mir jedenfalls sehr einleuchtenden Vorschlag gemacht haben, nämlich einen Regierungspräsidenten aus einem der Länder damit zu betrauen — das wäre eine gute Sache gewesen —, der für alle spricht, statt daß man sagt — wenn ich da nicht falsch unterrichtet bin —: Es soll jeder Landkreis für sich machen. Wo sollen wir hinkommen, wenn das jeder Landkreis machen soll?! Unter anderen Umständen würde man sich überlegen, ob es gut ist, -wenn jeder Landkreis damit anfinge. Aber warum soll man hier nicht jemanden in dieselbe Rolle bringen, in die jener Beamte gebracht worden ist, der in Berlin diese schwierige Aufgabe vollführt hat. Sie, Herr Minister, hatten ja selbst einen Personenvorschlag und einen Vorschlag für die „Ebene". Es ist ja bei uns immer so unerhört wichtig, in welcher Ebene es sein soll, obwohl ich da meine recht ketzerischen Auffassungen habe; denn wir helfen dadurch der Gegenseite unbewußt, uns fortgesetzt höheren Ebenen zuzudrücken. Das ist eine Sache, über die man vielleicht einmal in Ruhe und in einem größeren Zusammenhang sprechen muß. Ich bin nicht dafür und will nicht dafür plädieren, daß wir in bezug auf das, was innere Erleichterungen für die Menschen sind, zuviel auf einmal verlangen oder zuviel auf einmal präsentieren oder anbieten. Sie tun das manchmal, und ich habe mir nur einiges herausgenommen. Das ist insofern tröstlich, als man sieht: Sie haben eine ganze Menge Vorstellungen, was man tun könnte. Aber hier kommt es darauf an, das zu lancieren, für das man sich zunächst eine gewisse Sicherheit geschaffen hat, daß das als nächstes gehen könnte.
Da wäre eine größere Kooperation notwendig. Vielleicht überlegen Sie sich einmal — das ist ein Ratschlag für die diesjährige Haushaltsberatung und Beschlußfassung zum Einzelplan 27 —, ob man in Ihrem Hause einiges — sei es im Zusammenhang mit dem Verein zur Förderung der Wiedervereinigung, sei es im Zusammenhang mit anderen inneren Strukturen — auf diese mehr lebensnahe Arbeit einstellen könnte.
Erlauben Sie mir eine fünfte Bemerkung. Ich finde, es ist wert, zu prüfen — nachdem offensichtlich der innerdeutsche Bereich im Gesamtvolumen der Deutschlandpolitik nun an Gewicht gewinnt —,
ob es ich Sinne dessen, was ich eingangs, anknüpfend an Ihre eigenen Bemerkungen von der vorigen Woche, zu sagen versucht habe, richtig ist, daß wir das Menschenmögliche tun, um die Voraussetzung für die Deutschlandpolitik zu erhalten: daß unser Volk vom Willen 'beseelt ist, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren.
Hier ergeben sich mancherlei Schwierigkeiten. Ich wollte am Schluß meiner Bemerkungen über einige Schwierigkeiten hinaus, für die Sie geradezustehen haben, auf einige andere hinweisen! Hier sind es nun einmal andere, nicht die Regierung. Diese Schwierigkeiten sind aber von einer Art, die es meines Erachtens erforderlich macht, sich nicht darüber zu täuschen, 'daß hier etwas notwendig ist, was man nicht an den üblichen innerpolitischen Maßstäben messen oder danach behandeln oder laufen lassen darf. Sie werden sich erinnern, als seinerzeit die Möglichkeit auftauchte, mit den Passierscheinen den sonst eingeschlossenen und in ihrer Bewegungsmöglichkeit — viel mehr, als uns anderen, die wir nicht in Berlin leben, jemals bewußt 'wird — beengten Bürgern des westlichen Teils der Stadt Gelegenheit zu geben, wenn auch vorerst nur in einem rationierten Verhältnis ein paarmal im Jahr, ihre Verwandten im anderen Teil der Stadt zu besuchen, da ist viel darüber gesprochen worden — und ich streite gar nicht darüber, daß es natürlich notwendig und legitim ist, darüber zu sprechen und zu denken —, was denn die Gegenseite bewogen haben mag, in dieser Sache überhaupt etwas zu tun oder mit zu tun. Die hat ihre Motive. Wir sollten unsere eigenen demgegenüber nicht zu kurz kommen lassen. In der Regel wird es sich, politisch gesprochen, um einen Kampf handeln, in dem es darauf ankommt, durch unsere Vehemenz, durch unsere Geduld und durch unsere Initiative die Motive der anderen in ihrer Wirkung auf das Unvermeidliche zu reduzieren. Anders ist es in einem Land nicht, das gespalten ist und in welchem in dem anderen Teil Leute die Macht haben, die wir nicht wegpusten können; die wir uns zwar wegwünschen — alle zusammen wegwünschen —, denen wir aber beikommen müssen, wenn wir denen helfen wollen, über die sie Gewalt haben. Das ist die schwierige Frage. Aus diesem Grunde diese letzten Bemerkungen.
Natürlich will auch die SED mit dem, was zur Zeit in Gang gekommen ist und was manchem zunächst so unerklärlich ist, mit ihrer politischen Kampagne sozusagen uns hier ausheben, nachdem sie uns vorher aushöhlt, und will uns schließlich politisch zu Fall bringen. Das ist ganz klar. Wer etwas anderes erwartet, der lebt in einem Reich, das es nicht gibt, und ich muß ihn bedauern — oder beglückwünschen —, daß er sich angesichts der grausigen Wirklichkeit solche Vorstellungen machen kann.
Wir — ich spreche hier jetzt für die Sozialdemokraten, aber ich denke, eigentlich ist es eine Sache, die alle angeht — rechnen mit der SED so, wie sie ist, wie sie wirklich ist. Wir möchten gern, daß da drüben ein anderer Gegner stünde. Aber wir müssen mit ihr rechnen, wie sie wirklich ist. Wir füh-



Wehner
ren die Auseinandersetzung als eine demokratische Partei, die die demokratischen Positionen in Deutschland vertritt, und wir erwarten dabei — ja, was erwarten wir dabei? Die moralische Unterstützung der Menschen auch drüben, der Menschen, die sich ja nur sehr bedingt, sehr begrenzt äußern, sehr begrenzt zeigen und wirksam machen können.
Um Ihnen das zu verdeutlichen — besser, als ich es selber kann —, will ich hier einen Brief verlesen, den ich von einem Herrn bekommen habe, geschrieben in einer der größten Städte Mitteldeutschlands an dem Tage, an dem dort zum erstenmal seit zwanzig Jahren eine Stellungnahme zu den Streitfragen im geteilten Deutschland aus dem Westen — nämlich unsere — unverkürzt erscheinen konnte. Er schrieb:
Sehr verehrter Herr Wehner! Ein „SPD-Strolch" schreibt Ihnen. So lauteten am Anfang meiner Verhaftung 1955 die Argumente der Staatssicherheits-Vernehmer. „Leiter eines dreckigen SPD-Lesezirkels". Ich hatte den kleinen „Telegraf-Wochenspiegel" an Bekannte weitergegeben. Ferner sollte ich Kurier der in Leipzig bestehenden illegalen „SPD" gewesen sein. Das brach natürlich alles zusammen. Für die Staatssicherheitsorgane waren aber noch genügend Argumente da, mir fünfzehn Jahre Zuchthaus zu verpassen. Fast acht Jahre mußte ich absitzen, da Präsident Pieck meine Strafe im Gnadenweg auf acht Jahre herabsetzte. Nie habe ich meine Strafe anerkannt, und auf immerwährendes Protestieren erfolgte dann die Herabsetzung. Seit 1963 bin ich wieder bei meiner Familie.
Jetzt endlich hatte ich wieder einmal eine große Freude, als ich heute die „SPD"-Antwort im „Neuen Deutschland" las. Klare Fragen, die im „Neuen Deutschland" von der „SED" beantwortet wurden. Die Antwort — außer daß man die Worte „Werte Genossen" reichlich strapazierte — lendenlahm. Etwas anderes hatte ich aber auch gar nicht erwartet, denn das ist man hier zur Genüge gewöhnt.
Eins fiel mir aber doch auf. Die Toten an Grenze und Mauer riskierten — laut Antwort — Kopf und Kragen. Haben die gleichen Leute nicht einmal das Wort „Bluthund" für einen „SPDer" geprägt!
Eins dürfte Sie sicher noch interessieren. Als ich heute morgen gegen 8 Uhr versuchte, das „Neue Deutschland" zu bekommen, war alles ausverkauft. Ich sah junge Menschen von Kiosk zu Kiosk gehen. So groß war das Interesse.
Mein Schicksal, sehr verehrter Herr Wehner, wollte ich nur am Rande erwähnen. Es ging Tausenden so. Da es aber eng mit der Frage „SPD-Strolch" oder „werte Genossen" zusammenhängt, schreibe ich Ihnen. Ich habe keine Zukunft und bin manchmal recht verzweifelt. Mein Wollen war ehrlich. Aber die klaren Fragen begeistern mich und geben mir Auftrieb.
Mein Monatsgehalt: 377,— brutto, dazu Leistungsprämien, die aber „Kann"-Beträge sind.
Bei schlechter Arbeit gibt es Abzüge. Insgesamt habe ich 400,— im Durchschnitt, mit denen ich mit meiner zuckerkranken Frau gerade hinkomme. In eineinhalb Jahren gibt es Rente, zirka 240,—. Ich muß weiterarbeiten, wenn wir nicht — — —Ich hoffe, es interessiert Sie, und bin . . .
Ich bitte Sie um Entschuldigung; denn natürlich kann es nicht jeden gleichermaßen interessieren. Ich wollte nur sagen: Was dort in vieler Hinsicht in Bewegung kommt, ist im Zusammenhang mit der Fragestellung doch wohl des Nachdenkens und des Förderns wert.
Gewiß, die SED hat ihre entgegengesetzten Absichten. So kenne ich auch andere Briefe von Leuten drüben, die sagen, daß sie auch Kommunalvertreter, Bürgermeister seien wie die, an die sie schreiben, oder daß sie auch sozialistisch seien — mit diesem Begriff wird ja alles mögliche an Verwirrung versucht — wie die, an die sie schreiben, und die dann sagen: Nun muß man ja doch wohl miteinander reden. Aber eben im Sinne der SED!
Diese beiden Bemühungen stehen gegeneinander. Ich wollte bei dieser Gelegenheit nur sagen: Wenn Deutschlandpolitik die Summe dessen ist, was wir politisch, wirtschaftlich, kulturell und sonst in Richtung des Zieles tun, das wir uns selbst gegeben haben und das uns im Grundgesetz aufgegeben ist, daß nämlich unser deutsches Volk schließlich seine nationale, seine staatliche Einheit in Freiheit soll vollenden können, dann gehört bei aller Begrenztheit der Wirkungsmöglichkeiten mit Reden und mit solchen Versuchen im geteilten Deutschland auch hinzu, was hierin an Möglichkeiten steckt, um den Menschen drüben die Chancen zu geben, mitzuerleben, wie um Deutschland gestritten wird, und nicht einfach, ohne daß sie sich je, außer ganz privat, äußern dürfen, von den Machthabern drüben sozusagen noch als Zahl gebraucht zu werden.
Ich habe in diesen letzten Wochen viele interessante Briefe bekommen, darunter manche, die erschütternd sind, weil sie zeigen, wie die Menschen es mit den Bemühungen um Deutschland ernst nehmen und was sie sich selber dabei vornehmen. Ich will Sie damit nicht langweilen. Ich meine nur, meine eigene Partei, für deren Bundestagsfraktion ich hier sprechen darf, hat dabei eine Last auf sich genommen, um die sie wohl nicht zu beneiden ist, nämlich die Last der unmittelbaren Konfrontation mit einer Partei, mit der man nicht reden kann, wie man mit einer demokratischen Partei reden kann und muß. Das ist der Unterschied. Da gibt es auch gar nichts zu lächeln. Nur: Die haben über 17 Millionen Menschen in ihrer Faust, und wenn wir auch nur etwas in Bewegung bringen können, damit dieser Griff es nicht mehr so in seiner Gewalt hat, wieviel Luft — in übertragenem Sinne — diesen Menschen gelassen werden soll, dann ist das schon etwas. Ich denke, bei dem zunehmenden Gewicht des Teils der Deutschlandpolitik, der im innerdeutschen Bereich zu vollbringen ist, und bei aller Schwierigkeit, mit einem so inadäquaten Gegner



Wehner
die Auseinandersetzung zu führen, sollte man hier die Sache so betrachten, wie sie es verdient. Es geht um eine Auseinandersetzung zwischen der demokratischen und der antidemokratischen Position. Wir haben durch unseren Parteivorsitzenden unseren eigenen Parteimitgliedern und ihren örtlichen Organisationen in einem besonderen Brief noch einmal deutlich gesagt, daß derjenige, der für die Konfrontation ist, die Subversion bekämpfen muß, nämlich die kommunistische Subversion, die die Durchdringung der Basis sowohl der SED als auch anderer demokratischer Parteien bedeutet, durch die diese demokratischen Parteien unfähig gemacht werden sollen zur Konfrontation, zur Vertretung ihrer eigenen Aufgaben. Ich wollte das bei der Gelegenheit der Beratung des Einzelplans 27 und bei der Prüfung, was zusätzlich getan werden kann — einiges habe ich für den inneren Bedarf hier gesagt — mit in Ihre Erwägungen gestellt haben.
Wenn wir einmal umfassende politische Debatten — wir werden sie ja wohl in absehbarer Zeit haben — und hoffentlich auch eine entsprechende Vor- und Nacharbeit in den in Frage kommenden Ausschüssen über die Deutschlandpolitik insgesamt und im besonderen haben werden, dann werden wir darauf hinkommen müssen, daß wir — erstens — alle zusammen in der Verpflichtung des Grundgesetzes bleiben und daß alle Parteien sie zu erfüllen haben. Von meiner eigenen Partei darf ich sagen — zweitens —, sie wird nichts dulden und nichts mitmachen, was die Voraussetzungen für die Erfüllung unseres Auftrages zerfasern, verwässern oder zur Aufgabe führen könnte. Drittens: Für die auswärtigen Notwendigkeiten der Deutschlandpolitik, von denen hier heute nicht die Rede ist, die ich nur erwähnen will, muß weiter an den praktischen Folgerungen aus dem Bundestagsbeschluß vom Juni 1961 gearbeitet werden, dem der Jaksch-Bericht zugrunde lag. Viertens: Für die deutschen Bemühungen um das, was in den letzten Tagen hier zur NATO und zu den Europäischen Gemeinschaften gesagt worden ist, müssen auch Hilfen in Politik umgesetzt werden, wie sie etwa eine solche Vereinigung wie die, der die Vorsitzenden aller demokratischen Parteien der sechs Länder der Europäischen Gemeinschaft angehören, das Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa, im vorigen Jahr und vor zwei Jahren uns zur Verfügung gestellt haben, ohne daß die Regierung daraus viel zu machen wußte. Fünftens: Für die innerdeutschen Beziehungen — Herr Minister, ganz besonders an Ihre Adresse — müssen Formen, d. h. auch Rechtsformen, gefunden werden, die die größtmögliche Wirkung für den Zusammenhalt der Deutschen als Volk und als Nation erzielen können. Ich persönlich und viele würden gern daran mitarbeiten, wenn es dafür eine Gelegenheit gäbe. Meine eigene Faustregel dafür wäre: alles, was nicht der friedensvertraglichen Regelung unterliegen muß, sollte durch Formen, 'darunter auch Rechtsformen, innerdeutsch zur Verstärkung des Zusammenhalts unseres Volkes möglich gemacht werden.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504427100
Das Wort hat der Abgeordnete Borm.
Borm '(FDP) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden jetzt über den Etat eines Ministeriums, von dem wir sicher alle wünschen, daß seine Aufgaben bereits erfüllt wären. Wir reden über den Etat eines Ministeriums, das in den Augen der Öffentlichkeit und nach unserer politischen Ansicht die Aufgabe hat, in den gesamtdeutschen Fragen und in der gesamtdeutschen Politik federführend zu sein. Wir müssen aber leider feststellen, daß dieses Gesamtdeutsche Ministerium wohl den Namen „gesamtdeutsch" trägt und damit die Aufgabe hat, die gesamtdeutschen Fragen in Angriff zu nehmen, daß es ihm aber an der dazu nötigen Vollmacht fehlt.
Die Methodik der Bundesrepublik in den deutschen Fragen trägt nicht der Tatsache Rechnung, daß die deutsche Politik nur dann erfolgreich betrieben werden kann, wenn sie allumfassend ist. Es gibt keine gesamtdeutsche Politik, die nicht ihren Impuls von der Außenpolitik, von der Wirtschaftspolitik, von der Kulturpolitik empfangen oder auf diese ausstrahlen muß. Diese gesamtdeutsche Politik ist allumfassend.
Die Methodik der Bundesrepublik in dieser Frage muß sich ändern, wenn wir Erfolg haben wollen. Nicht umsonst hat man drüben in der Zone in den letzten Monaten ein Staatssekretariat für gesamtdeutsche Fragen geschaffen. Wir können wohl davon ausgehen, daß dort jene Koordinierung erfolgt, die notwendig ist, um die Deutschlandpolitik dort zu vertreten, allerdings natürlich in dem Sinne, den man sich dort darunter vorstellt. -
Die Aufgaben des Ministerium dürfen nicht darin bestehen, mehr oder weniger durch Rundfunk, durch Fernsehen zu wirken — wobei die Zeiten, die dem Ministerium zur Verfügung stehen, uns, den Freien Demokraten, auch noch reichlich eng bemessen erscheinen — oder Bücher und Schriften herauszubringen. Es muß eine gesamtpolitische Konzeption gefunden werden. Oft genug wird gesagt, das unterliege, weil es sich hier um das Lebensinteresse des deutschen Volkes handle, der Kompetenz des Herrn Bundeskanzlers. Mag sein. Wir wollen uns heute gar nicht allzusehr darüber unterhalten, wer diese Koordinierung vornimmt. Natürlich sind wir der Meinung, daß sie in das Gesamtdeutsche Ministerium gehört. Daß es aber nicht zu dieser Koordinierung kommt, ist ein Mangel, der im Jahre 1966 erkannt und behoben werden sollte.
Ich sagte, für uns Freie Demokraten ist es selbstverständlich, daß dort, wo das Ministerium die Bezeichnung „gesamtdeutsch" trägt, auch jene Koordinierung erfolgt. Es ist in der Tat so, daß beispielsweise, wenn man über die Zonenrandgebiete spricht, 12 Ministerien mitzureden haben. Kein Mensch wird annehmen wollen, daß diese 12 Ministerien nun etwa in ihrem Sinne und von ihrer Sicht aus nicht das Beste tun wollen oder täten, was sie für richtig halten. Aber jeder Mensch weiß, daß, wenn man eine Sache unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet, es früher oder später zu Differenzen und schäd-



Borm
lichen Hemmungen kommen muß. Infolgedessen ist eine Grundforderung der Freien Demokraten, daß diese Koordinierung geschaffen werden muß, und zwar in den Händen desjenigen Ministers, der nun einmal die Bezeichnung „gesamtdeutscher Minister" trägt.

(Beifall bei der FDP.)

Es ist erfreulich, daß gerade von dem Herrn Kollegen Wehner, dem Redner der Opposition, so viele Gedanken vorgetragen worden sind, die hoffentlich Allgemeingut des ganzen Hauses insofern sind, als man sich darüber klar ist, daß diese Koordinierung zu erfolgen hat und daß aus ihr auch Folgerungen gezogen werden müssen. Sicherlich — es wurde gesagt — ist das Gremium der Staatssekretäre nützlich, wenn es sich darum handelt, Methoden zu entwickeln. Aber dieses Gremium kann niemals einen Beitrag dazu leisten, daß die politischen Weichen gestellt werden. Ein Staatssekretär ist nicht dazu ausersehen, politische Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen liegen beim Kabinett, sie liegen bei den Ministern. Es ist höchste Zeit, daß das Instrument der Staatssekretäre dort seine Aufgaben findet, wo es darum geht, politische Beschlüsse, die gefaßt worden sind, in die Tagesarbeit umzusetzen.
Wenn wir von der Notwendigkeit der Koordination ausgehen, ist heute anläßlich einer Etatberatung vielleicht nicht die richtige Zeit, sich mit all den Fragen eingehend zu befassen, die nach unserer Meinung, nach Meinung der Freien Demokraten, der Lösung harren, ja, deren Lösung längst überfällig ist. Wir alle hoffen sehr, daß noch in diesem Jahre nicht nur einmal, sondern mehrmals Gelegenheit sein wird, auf die deutsche Frage mit jener Eindringlichkeit und mit jener Gründlichkeit einzugehen, die die Lebensfrage unserer Nation als notwendig erscheinen läßt.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur einige Anmerkungen machen, die einigen Maßnahmen gelten, welche durchgeführt werden sollten, ohne daß dadurch die Gefahr entsteht, daß die Zweioder Dreistaatentheorie, die drüben vertreten wird, Unterstützung findet. Ich meine den Nachbarschaftsverkehr an der Demarkationslinie. Es ist nicht einzusehen, warum das, was — sicherlich nach vielen Widerständen — immerhin in Berlin eine Usance geworden ist, nicht mit gewissen Änderungen auch an der gesamten Demarkationslinie durchgeführt werden sollte.
Es ist bekannt, daß der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen vorgeschlagen hat, einen Regierungspräsidenten damit zu beauftragen. Warum soll er das nicht? Warum soll nicht einer aus dem Kreise der vielen Regierungspräsidenten, deren Probleme doch alle die gleichen sind, Wortführer sein, wenn es augenblicklich nicht möglich ist, daß die Gespräche auf noch höherer Ebene geführt werden? „Nicht möglich ist", sage ich einfach deswegen, weil jede Bemühung, die wir hier bei uns im Interesse der gesamtdeutschen Arbeit anstellen, von der Gegenseite bekanntlich so ausgelegt wird, als ob wir knieweich würden oder den dortigen Bestrebungen entgegenkommen wollten. Das sind wir gewöhnt. Aber wir sollten uns, weil wir ja die kommunistischen Methoden kennen, nicht allzusehr ins Bockshorn jagen lassen. Wir sollten auf unsere eigene Kraft, auf unsere eigene Widerstandsfähigkeit etwas mehr vertrauen, als es bisher manchmal der Fall war.
Warum sollen nicht auch Besuche auf kommunaler Ebene stattfinden? Wir wissen alle, daß der Deutsche Gemeindetag und der Deutsche Städtetag geeignete Instrumente wären, den Erfahrungsaustausch und damit die Möglichkeit des Sichverstehens zu fördern. Warum sollten wir davon nicht Gebrauch machen? Wenn es üblich geworden ist, daß Städte der Bundesreupblik Patenschaftsverträge abschließen mit Städten, die in Frankreich, Italien, England oder sonst irgendwo in Europa liegen, warum soll dann nicht wenigstens ein Meinungsaustausch zwischen Kommunen der Bundesrepublik und Kommunen der Zone stattfinden können?
Auch über den Zeitungsaustausch ist schon gesprochen worden. Dort ist sicherlich eine Chance verpaßt worden. Haben wir denn irgend etwas zu befürchten, wenn bei uns jemand das „Neue Deutschland" oder etwas anderes liest? Die drüben haben etwas zu befürchten. Es wäre ganz gut, wenn man sich einmal die Tiraden, die jene drüben täglich wiederholen, zu Gemüte führte. Es wäre ganz gut, wenn unser deutsches Volk hier in der Bundesrepublik, im freien Teil Deutschlands einmal sähe, mit welch plumpen Propagandamethoden dort drüben gearbeitet wird. Auch das Negative drüben zu erkennen, trägt zum gesamtdeutschen Verständnis bei.
Es scheint uns Freien Demokraten höchste Zeit zu sein, daß das sogenannte Verbringungsgesetz, das dem Hereinkommen der Zeitungen von drüben im Wege steht, aufgehoben wird. Dann hätten nämlich die drüben den Schwarzen Peter zugespielt bekommen. Wir brauchen uns vor deren Zeitungen nicht zu fürchten.
Ich weiß auch nicht, ob nicht die in Gang kommende unmittelbare Diskussion zwischen einem Teil unseres freien Deutschlands und der Staatspartei drüben so viele Kräfte in Bewegung bringen wird, daß auch eine kommunistische Regierung dem Verlangen der Bevölkerung nach gegenseitiger Kenntnis- und Fühlungnahme nicht wird widerstehen können.
Was mir eine besonders wichtige Aufgabe des Gesamtdeutschen Ministeriums zu sein scheint, ist die Aufklärungsarbeit, die zu leisten ist. Wir haben in Berlin Töne, noch sehr schwache Töne darüber gehört, ob nicht die jetzt angestrebte Fühlungnahme zwischen den beiden Teilen Deutschlands eine gewisse Konzession des freien Teils Deutschlands, der Bundesrepublik, im Sinne der Bestrebungen Pankows sei, ein Zwei- oder gar ein Dreistaatensystem zu etablieren. Ich glaube, daß das Gesamtdeutsche Ministerium hier eine sehr umfangreiche Arbeit bei unseren Verbündeten zu leisten hat, und nicht nur bei unseren Verbündeten, sondern auch etwa bei der UNO, um den Charakter dessen, was jetzt angestrebt wird, eben jene unmittelbare Aussprache, als eine rein innerdeutsche Angelegenheit darzustellen und nicht etwa als einen Ausflug in das internationale Feld, als eine Fühlungnahme zwischen



Borm
zwei Staaten. Es gibt nur ein Deutschland, und dieses eine Deutschland zu pflegen, das ist unsere Aufgabe. Mögen andere die Bestrebung haben, ein zweigeteiltes oder dreigeteiltes Deutschland zu schaffen. Dieses Deutschland wird nicht entstehen können, wenn wir selbst als Deutsche dazu nicht die Hand reichen. Das, was jetzt geschieht, ist gerade ein Mittel, die Verklammerung zwischen diesen beiden Teilen Deutschlands herbeizuführen, und nicht, die Teile zu trennen.
Die Stärkung des Wiedervereinigungswillens in beiden Teilen Deutschlands scheint mir eine weitere dringende, wichtige Aufgabe ,des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen zu sein. Ich sage: in beiden Teilen Deutschlands. Es ist kein Wunder, daß man, wenn ,ein Volk 21 Jahre getrennt ist, .glaubt, besonders wenn man politisch nicht sehr interessiert ist, daß dieser Trennungszustand etwas Normales sei. Es gilt, diesen Wiedervereinigungswillen auch in der Bundesrepublik wachzuhalten. Dazu ist das gesamtdeutsche Ministerium berufen. Aber gerade diesen Wiedervereinigungswillen zu stärken, der in der Zone gleichzeitig Widerstandswille ist, das ist eine Angelegenheit, die psychologisch richtig angefaßt werden muß. Fernsehen, Rundfunk und sämtliche Publikationsmittel sollten auf Anregung des Gesamtdeutschen Ministeriums weit mehr rein sachlich von Vorgängen auch drüben in Mitteldeutschland berichten, und zwar ungefärbt. Wenn ich „ungefärbt" sage, dann meine ich: nicht um Propaganda zu treiben, sondern um die dortige Wirklichkeit zu zeigen mit allen Gefahren, die sich dort drüben für die Menschen herauskristallisiert haben. Auch dort sind 21 Jahre ins Land gegangen. Es ist nur natürlich, daß sich drüben unter der Einwirkung einer immerwährenden täglichen Propaganda ,ein Bewußtsein 'entwickelt, das von dem Wirklichkeitsbild der Bundesrepublik und von den Notwendigkeiten gesamtdeutscher Einheit recht weit entfernt ist. Eine Publikationsmöglichkeit durch Fernsehen und Rundfunk zu nutzen und über diese Gefahren auch in der Bundesrepublik aufzuklären, wird in. 'breiter Wirkung alle jene Kräfte wecken, die bisher vielleicht noch nicht bedacht haben, daß .der Ablauf der Zeit Zustände schafft, die dem gemeinsamen Anliegen, die deutsche Wievereinigung herbeizuführen, nicht gerade förderlich sind.
Es wird auch notwendig sein, der Propaganda drüben entgegenzuwirken, die von den wohlerworbenen Rechten und von den errungenen Rechten spricht. Es wird notwendig sein, in unserer Propaganda in die Zone hinein Aufklärung zu schaffen, welche rechtlichen, politischen, materiellen und wirtschaftlichen Sicherheiten den Menschen ein freiheitlich-sozialer Rechtsstaat wirklich schafft an Stelle von sogenannten Errungenschaften, die mit der Freiheit des Individuums bezahlt sind.
Natürlich ist es notwendig, unseren gut fundierten Anspruch auf Wiedervereinigung auch — und vielleicht nicht zuletzt — auf den Rechtsanspruch zu gründen. Aber in der Politik ist der Rechtsanspruch das eine und die Durchsetzbarkeit das andere. Die Berufung allein auf, den Rechtsstandpunkt wird uns in der deutschen Frage nicht weiterbringen können. Dazu gehören beweiskräftige politische Taten, beweiskräftige Handlungen, beweiskräftige Bestrebungen unsererseits, wenigstens die menschlichen Bande nicht ,abreißen zu lassen, die Bande, die durch Verwandtenbesuche geknüpft werden. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, daß, wenn die Eltern gestorben sind und dann die Vettern und die Cousinengestorben sind, nur noch Vettern und Cousinen zweiten Grades da sind, die sich nicht kennen. Verwandtenbesuche sind wichtig.
Warum soll es, wenn so viele nach Spanien und Italien fahren, nicht auch möglich sein, den Urlaub in der Zone zu verbringen? Warum sollen die Geschäftsbeziehungen zwischen Mitteldeutschland und der Bundesrepublik nicht weiter vertieft werden? Warum sollen nicht, soweit es irgend möglich ist, wissenschaftliche Tagungen von Professoren und Wissenschaftlern aus beiden Teilen Deutschlands 'beschickt werden? Warum soll die Fühlung, die die Jugend — sicherlich manchmal im Überschwang —sucht und die sie auch durchführt, nicht gefördert werden, wenn es sich um Treffen der Jugend aus der Bundesrepublik und aus Mitteldeutschland handelt?
Wer diese Kontakte anstrebt, meine Damen und Herren, ist noch lange kein Kommunist. Man hat manchmal das Gefühl, daß all jene, die ehrlichen Willens diese Kontakte pflegen, bei uns in der Bundesrepublik Gefahr laufen, als Kommunisten angesehen zu werden. Es ist durchaus noch nicht sicher, wer einen besseren Dienst an Deutschland leistet: derjenige, der vielleicht im Überschwang auch einmal ein Wort zuviel sagt, und jene Jugendlichen, die Kontakte mit der FDJ pflegen, oder jene, die da glauben, auf einem Rechtsstandpunkt beharren zu müssen in dier Hoffnung, daß er sich früher oder später von selbst durchsetzt. In dieser Welt setzt sich nie etwas von selbst durch; man muß schon etwas dazu tun!
Das Band des Interzonenhandels sollte vom Gesamtdeutschen Ministerium mehr gepflegt werden können. Zwar ist der Interzonenhandel eine Angelegenheit der Wirtschaft, aber gerade mit Rücksicht auf die gesamtdeutsche Frage ist er ein höchst wichtiges Politikum. Infolgedessen muß die Stimme des Gesamtdeutschen Ministeriums hier mehr zur Geltung kommen als bisher. Es ist erschütternd und ein sehr ernst zu nehmendes Mahnzeichen, wenn wir feststellen müssen, daß das Volumen des Interzonenhandels im vergangenen Jahr 2,5 Milliarden DM betragen hat, während das Volumen des Handels der SBZ mit dem westlichen Ausland 3 Milliarden DM erreicht hat. Das sollte uns die sehr ernste Überlegung nahelegen, was wir zu tun haben, um das verlorene — ich sage bewußt: das verlorene — und von uns vielleicht leichtfertig aufgegebene Terrain wiederzugewinnen. Dazu gehören Überlegungen, wie wir uns zu Garantiefragen einzustellen haben — denn es ist ein politisches Risiko, ein solches Geschäft mit einem Oststaat zu machen; dem hat ja die Hermes-Gesellschaft auch Rechnung getragen —, wie wir uns zu Kreditfragen und zu Lie-



Borm
ferterminen zu stellen haben. Wir stehen heute noch auf dem Standpunkt, man könne der Zone keinen Kredit geben. Aber jeder Kaufmann, jeder Wirtschaftler weiß, daß das Anlagengeschäft eben kein Kassageschäft ist, und wer das Anlagengeschäft als eine der grundlegenden Bindungsmöglichkeiten zwischen den beiden Teilen Deutschlands ansieht, der sollte auch die notwendigen wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen ziehen, damit durch geeignete Liefer-, Kredit- und Garantiebedingungen dieses Geschäft überhaupt erst ermöglicht wird.
Ein Letztes. Man sollte sich sehr klar darüber sein, _daß der Russenvertrag, der Vertrag, der jetzt auf sieben Jahre abgeschlossen ist, die Wirtschaft der Zone sehr eng an das System der sowjetischen Wirtschaft bindet, und zwar in einem Maße, daß gerade jene Industrien, deren Erzeugnisse auf dem Weltmarkt absatzfähig wären — die Zone hat genug Erzeugnisse, die weltmarktgängig sind —, so weit eingeengt werden, daß über den Eigenbedarf der Zone hinaus, etwa an Maschinen und Anlagen, kaum etwas für den Weltmarkt übrigbleibt. Ich glaube, es würde sehr wohl der gesamtdeutschen Aufgabe entsprechen, hier gewisse Erleichterungen für die Zone zu ermöglichen, indem wir prüfen, ob es nicht möglich wäre, von diesen quantitativ drückenden Lieferverpflichtungen der Zone einige zu übernehmen. Jede Maschine, die von uns in die Zone und in den Osten hinein geliefert wird, ist ein Beitrag dazu, daß die Wahrheit erkannt wird und daß nicht ein Zerrbild von der Bundesrepublik entsteht, das den wahren Zuständen bei uns nicht entspricht.
) Wer in der gesamtdeutschen Frage weiterkommen will, muß dafür sorgen, daß die Methodik der Bundesregierung koordiniert wird, daß nicht von soundso viel verschiedenen Stellen Ansätze gesucht werden, sondern daß man die gesamte politische, wirtschaftliche und soziale Macht der Bundesrepublik einsetzten kann, wenn es notwendig ist. Wer gesamtdeutsche Politik treiben will, muß das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen in die Lage versetzen, seiner Aufgabe als Gesamtdeutsches Ministerium gerecht zu werden. Wenn wir bereits in der Methodik versagen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn jene Verwirrung in unseren Aussagen und in unseren bestgemeinten Absichten vom Gegner ausgenutzt wird.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504427200
Das Wort hat der Abgeordnete von Eckardt.

Felix von Eckardt (CDU):
Rede ID: ID0504427300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst meiner Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß heute nachmittag in diesem Hause in grundsätzlichen Fragen der Deutschlandpolitik keine ernsthaften Differenzen bestehen. Das hat sich nicht erst heute hier in der Debatte gezeigt, sondern schon seit längerem abgezeichnet und ist dadurch besonders stark zum Ausdruck gekommen, daß bis heute die drei Fraktionen beim Bundeskanzler zwei Deutschlandgespräche geführt haben, auf die ich nachher noch zurückkommen werde.
Ich will in meinen kurzen Ausführungen nicht auf die Einzelheiten eingehen, die da und dort vorgebracht worden sind, um etwa die Arbeit des Gesamtdeutschen Ministeriums zu bemängeln. Zu einem Punkt möchte ich aber Stellung nehmen. Der Kollege Wehner hat von der „unsagbar mangelhaften Koordination" gesprochen. Es ist durchaus zuzugeben, daß die Koordination auf dem Gebiet der Deutschlandpolitik noch manches zu wünschen übrigläßt. Dais ist richtig. Es ist allerdings auch zu bemerken, daß es ein Gebiet ist, das vielleicht schwieriger zu koordinieren ist als jedes andere politische Gebiet.
Nun klang aus den Ausführungen, die ich hier gehört habe, der Wunsch nach einem Kabinettsausschuß für gesamtdeutsche Fragen durch. Er war unüberhörbar. Meine Damen und Herren, ich will hier nicht die Frage aufwerfen, ob Kabinettsausschüsse überhaupt der Weisheit letzter Schluß sind und in der Vergangenheit gewesen sind. Ich bin an deren Bildung nicht beteiligt gewesen. Ich will diese Frage hier aber gar nicht erörtern. Sicher ist für mich nach den Kenntnissen, die ich in dieser Materie seit sehr vielen Jahren habe, daß ein Kabinettsausschuß für gesamtdeutsche Fragen, wenn man es genau betrachtet, im Grunde genommen zum Schluß wieder das ganze Kabinett ist.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Es mag sein — ich kann das jetzt im Moment nicht absehen —, daß ein oder zwei Minister nicht daran beteiligt wären. Aber ich glaube, daß der Herr Bundeskanzler recht hat, daß selbst, wenn das eine oder das andere Ministerium nicht daran beteiligt sein sollte, jeder Minister in der DeutschlandFrage angesprochen ist, und zwar ohne jede Ausnahme.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In dieser Frage, der Deutschland-Frage, muß — da können Sie das Kabinett nehmen oder einen Kabinettsausschuß, der genauso aussähe wie das Kabinett — der Bundeskanzler dem Kabinett vorstehen, wie er es tut, und er müßte auch dem Kabinettsausschuß vorstehen. Denn daß die DeutschlandPolitik eine politische Frage ist, die vor allen anderen Fragen der Richtlinienkompetenz des Kanzlers unterliegt, darüber dürfte wohl überhaupt kein Zweifel sein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun ist hier über einzelne Punkte gesprochen worden, auf die ich nur sehr kurz eingehen will, z. B. über den Zeitungsaustausch. Es ist hier gesagt worden, wir brauchten uns doch vor dem Zeitungsaustausch nicht zu fürchten. Nein, im Gegenteil. Meine Damen und . Herren, ich habe von Berufs wegen viele Jahre lang Zeitungen lesen müssen, auch die Zeitungen aus dem Osten, und muß sie heute alltäglich als Mitglied des Gesamtdeutschen Ausschusses lesen. Sie haben vollkommen recht, daß es eine großartige Medizin und alles andere als eine Gefahr wäre, wenn man die Bevölkerung — zwingen kann man sie nicht — dazu veranlassen könnte, von Zeit zu Zeit das „Neue Deutschland" oder ähnliche Zeitungen zu lesen, damit sie mal



von Eckardt
die ganze Ode und geistige Wüste erkennt, die dort drüben in der Propaganda gegen uns, in allererster Linie gegen uns, herrscht.
Meine Damen und Herren, die Sache liegt aber ganz anders. Es liegt nicht daran, daß wir Angst davor hätten, daß Zeitungen dieser Art hierher kommen. Die Schwierigkeit des Zeitungsaustauschs liegt doch einfach darin, daß es überhaupt keine Garantie, überhaupt keinen Ansatz, nicht einen Schatten einer Garantie dafür gibt, daß die Zeitungen, die wir hinüberschicken, drüben überhaupt von irgend jemandem wirklich gekauft werden können. Es wäre also schließlich nur eine einseitige Maßnahme, zu der keine besondere Veranlassung besteht.
Nachbarschaftsverkehr! Ich könnte mir vorstellen — ich sage das ganz offen —, daß man die Fragen des Nachbarschaftsverkehrs vielleicht in der Form, wie es der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen meinte, in der Hand eines Regierungspräsidenten zusammenlegt. Sicherlich wäre das ungleich besser, als wenn man dort irgend etwas arrangierte, was vielleicht auf der Ebene des Landrats oder einer ähnlichen Ebene vor sich gehen könnte. Meine Damen und Herren, dazu ist die andere Seite zu gut organisiert, als daß man das riskieren könnte!

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Das liegt nicht an der Gesinnung unserer Menschen, die in der Bundesrepublik und an der Zonengrenze leben; wir leben ja gottlob in einem Staat, in dem die Menschen nicht auf eine bestimmte Propaganda und eine bestimmte Aussage gedrillt werden. Und was auch immer geschieht, wir wollen einen solchen Staat nicht haben.
Es ist sicherlich richtig, und es ist sogar sehr erfreulich, daß die gesamtdeutschen Fragen — durch welche Vorgänge auch immer — in letzter Zeit erheblich an Gewicht gewonnen haben. Sie wissen genau, daß in der Frage des Redneraustausches — man nennt ihn ja Austausch — das Bundeskabinett, aber auch die Koalitionsparteien die Herren der SPD, die durch einen Brief der SED und den weiteren Briefwechsel hin und her angesprochen waren, in der loyalsten Weise gestützt haben. Meine Damen und Herren, es sollte in dieser Debatte nicht untergehen, daß Regierung und Regierungsparteien mit jeder nur denkbaren Loyalität diesen Versuch bis an den Rand des Verantwortlichen unterstützt haben und auch weiterhin unterstützen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie haben, Herr Kollege Wehner, gesagt: Wir rechnen mit der SED, wie sie ist. Nun, meine Damen und Herren, wir rechnen auch mit der SED, wie sie ist,

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben keine Illusionen!)

und ich möchte nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß unsere Rechnungen von den gleichen Voraussetzungen ausgehen. Diese Äußerung soll nicht etwa eine Unterstellung von mir sein, eine Unterstellung im Sinne einer Abwertung der Gesinnung in dieser
Frage, sondern es ist einfach eine Tatsachenfeststellung, die getroffen werden muß, daß das Bild der SED doch in vieler Beziehung verschieden ist und verschieden angesehen wird, obgleich jeder, der angesprochen ist, meint, er sehe die SED, wie sie wirklich ist.
Meine Sorge geht eigentlich in eine andere Richtung. Wir haben es in der letzten Zeit erlebt, daß von drüben mit einer unverminderten Heftigkeit, und zwar innerhalb der Bundesrepublik, aber auch in der ganzen Welt eine Propaganda gegen die Bundesrepublik, eine Diffamierung der Bundesrepublik betrieben wird, die beinahe nicht mehr zu über, bieten ist. Wir haben aber gleichzeitig auch erlebt — das stelle ich mit Bedauern fest —, daß die Reaktion auf diese Aggression in der Öffentlichkeit und auch in der deutschen Publizistik im weitesten Sinne immer schwächer wird. Meine Damen und Herren, wir tun so, als ob das auf der Welt völlig wirkungslos wäre und als ob wir es überhaupt nicht nötig hätten, uns mit dieser permanenten Aggression, die nichts anderes ist als der Kalte Krieg, wie er immer war, auseinanderzusetzen und zu beschäftigen.
Ich glaube, es war Herr Kollege Borm, der in der Aussprache gesagt hat, man sollte sich um den Einfluß von Rundfunk und Fernsehen in der Zone kümmern. Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Zeit, alles, was Rundfunk und Fernsehen auf diesem Gebiet zu bieten haben, abzuhören. Aber ich muß Ihnen sagen, daß ich von Zeit zu Zeit erschüttert darüber bin, was ich im Rundfunk und Fersehen höre und was in die Zone ausgestrahlt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben, wie Sie alle wissen, zwei Deutschlandgespräche beim Bundeskanzler gehabt. Ich habe den Vorzug gehabt, an diesen Gesprächen teilzunehmen. Wenn ich hier so meine Notizen anschaue, die ich mir eben während der Debatte gemacht habe, kann ich nur sagen: Es gibt keinen einzigen hier heute erwähnten Punkt, der nicht auch auf der kommenden auszuarbeitenden Tagesordnung für die weiteren Deutschlandgespräche steht. Es ist nach meiner Auffassung ein Zeichen größter Loyalität und vor allen Dingen eines Zusammengehörigkeitsgefühls in der Deutschlandfrage, daß wir, so wie es geplant ist, in weiteren Deutschlandgesprächen beim Bundeskanzler diese Fragen, ob es Zeitungsaustausch, ob es Interzonenhandel ist oder welche Frage hier auch immer angesprochen worden ist, behandeln werden. Die Vorarbeiten dafür sind bereits geleistet, und ich bin der Überzeugung, daß der Herr Bundeskanzler sehr bald nach Pfingsten die drei Fraktionen zu dem nächsten Deutschlandgespräch zu sich einladen wird. Diese Gespräche — ich glaube, das werden mir die Herren der Opposition bestätigen — gehen in außerordentlicher Offenheit und Klarheit, gleichzeitig aber auch im Geiste einer Zusammenarbeit in der deutschen Frage vor sich.
Nun noch ein Wort zum Redneraustausch. Meine Damen und Herren, befürchten Sie nicht, daß ich mich jetzt in juristische Auseinandersetzungen einlassen werde. Ich bin doch nicht politisch lebens-



von Eckardt
müde! Ich möchte aber doch hier ein Wort des Herrn Kollegen Wehner aufgreifen, der gesagt hat, daß die Herren der SPD, sollten sich die Dinge regeln lassen, nach Chemnitz und auch nach Hannover fahren werden und daß sie diese Last auf sich nehmen, eine Last, um die sie niemand beneidet. Nun, meine Damen und Herren, bis zu einem gewissen Grade möchte ich das gern unterschreiben. Trotzdem treibt es mich, dazu zu sagen, daß ich die Herren in gewisser Weise doch beneide. Wenn es zu dieser Auseinandersetzung kommen sollte — ich weiß es ja noch nicht, wir alle wissen es noch nicht; wir kennen auch die Absichten der anderen Seite bezüglich dieser Frage noch nicht genau —, so ist es zwar eine Last, aber auch ein großer Vorzug, diese Auseinandersetzung führen zu können und führen zu dürfen. Wir haben von unserer Fraktion zu diesem Redneraustausch ja gesagt. Wir haben uns bemüht, gemeinsam mit den anderen Fraktionen die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, die dafür notwendig sind. Diese Bemühungen werden fortgesetzt, da der erste Einigungsvorschlag, der gemacht worden war, nicht die Zustimmung der SPD gefunden hat. Wir werden sehen, wie es weitergeht.
Nun kurz ein Wort zum Abschluß. Herr Kollege Borm hat gesagt, es sei die Aufgabe des Gesamtdeutschen Ministeriums, für die Verklammerung der beiden Teile Deutschlands zu sorgen. Das ist sicherlich im Sinne einer ministeriellen Arbeit richtig. Ich möchte dem aber doch hinzufügen, daß man nicht vergessen darf, diesem Worte anzufügen, daß es unser aller Aufgabe ist, jedes einzelnen hier im Hause und schließlich jedes einzelnen draußen im Volke, für diese Verklammerung zu sorgen, soweit ihm das irgendwie möglich ist.
Noch ein letztes. Ich kann heute diese Debatte — soweit ich daran beteiligt bin — nicht beenden, ohne davor gewarnt zu haben, sich Illusionen zu machen. Es klingt immer so die Vorstellung an, daß es zu organisierten Begegnungen — sei es im Nachbarschaftsverkehr an der Zonengrenze, sei es im Redneraustausch —, zu echten menschlichen Begegnungen kommen werde. Meine Damen und Herren, diese Illusion teile ich einfach nicht, sondern wir auf unserer Seite — und ich glaube, daß uns das alle ehrt — gehen mit menschlichen, nur allzu menschlichen Illusionen in diese Gespräche hinein, um einem gedrillten, eisenhart auf Linie gebrachten Partner hier und auf der anderen Seite zu begegnen. Das sind, möchte ich sagen, Gesprächspartner, die überhaupt nicht auf einen Nenner zu bringen sind. Wenn es gelingen sollte, wenn es Möglichkeiten dazu -gibt, diese menschlichen Gespräche wirklich auf die menschliche Ebene zu bringen, und zwar auf eine gleiche menschliche Ebene zu bringen, dann kann man nur sagen: Jede Unterstützung, die überhaupt möglich ist, muß von jedem, der gutwillig ist, dafür geleistet werden.
Die anderen Begegnungen, meine Damen und Herren, sind mit großen Fragezeichen zu versehen. Ich warne vor Illusionen, die man sich macht, und vor Möglichkeiten, wie Herr Kollege Borm sagte, des gegenseitigen Verständnisses. Meine Damen und Herren, das gegenseitige Verständnis auf menschlicher Ebene — selbstverständlich! Aber was wird man uns denn schicken? Man wird uns in der Wolle gefärbte Kommunisten schicken. Wir sollen mit denen sprechen. Ich habe auch keine Furcht davor, mit ihnen zu sprechen. Aber daß darin die Möglichkeit des gegenseitigen Verständnisses liegt, kann ich nicht sehen. So illusionär bin ich nicht.
Vielleicht wird jetzt da oder dort wieder jemand sagen: Das sind wieder Töne des Kalten Krieges. Das kann mich überhaupt nicht erschüttern. Auch der Vorwurf, selbst ein Kalter Krieger zu sein, kann mich nicht erschüttern; denn der Kalte Krieg wird auf der anderen Seite mit allen nur denkbaren Mitteln betrieben, und wenn man den Kalten Krieg bestehen will, muß man auch selbst kämpfen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504427400
Das Wort hat der Abgeordnete Walter.

Fritz Walter (FDP):
Rede ID: ID0504427500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir als einem der allernächsten Anwohner an der Demarkationslinie, an der Zonengrenze, einige Bemerkungen zur Situation innerhalb des Zonenrandgebietes zu machen. Nach der Vertreibung und besonders nach der jahrelang anhaltenden Flucht aus der SBZ hat sich die Bevölkerung in diesem Zonenrandgebiet in einer Weise verdichtet wie kaum in einer anderen Region der Bundesrepublik. Diese Verdichtung war verständlich, weil die aus der Zone Geflüchteten versuchten, dicht an der Demarkationslinie zu bleiben und noch eine mögliche Verbindung über diese Linie hinweg aufrechtzuerhalten, etwa zu erfahren, wie es ihren Angehörigen ging oder was aus ihrem Besitz oder ihrer Habe geworden war. Leider war das nicht lange möglich; denn es dauerte nicht lange, bis die Schießbefehle und die Verminung der Zonengrenze selbst dies ausschlossen.
Aber in diesen Gebieten war eine sehr schwierige Situation entstanden, nicht nur wegen der Frage der Wohnungen oder der Existenz, nein, in allen Bereichen stellten sich Schwierigkeiten entgegen, so daß die Verhältnisse sich für die Gemeinden — sie waren ja damals noch in erster Linie dafür verantwortlich — oder für die Kreisverwaltungen, dann aber auch für die Landesregierung sehr schwierig gestalteten. Die Hoffnung, daß mit dem wirtschaftlichen Aufbau, der ja nachher sehr bald begann und sich rasant vollzog, die Verhältnisse im Zonenrand sich in der gleichen Weise wie in den anderen Gebieten verbessern würden, erfüllte sich nicht; denn einmal war dieses Gebiet ein fast ausgesprochen ländliches Gebiet, und industrielle Unternehmungen größeren Ausmaßes gab es dort nicht. Es gab zwar kleine Inseln von industriellen Bereichen, aber sie reichten nicht aus, diesen Menschenmassen eine Existenzmöglichkeit zu geben. Es ist natürlich, auch nach Bildung der Bundesregierung, von allen Seiten auf diesem Gebiet sehr viel getan worden. Es ist versucht worden, die Situation zu verbessern, die vorhandenen wirtschaftlichen Unternehmen zu fördern und zu stützen, und es sind Versuche unternommen wor-



Walter
den, Neugründungen vorzunehmen. Aber mit den Neugründungen ging es nicht so schnell; denn viele Unternehmer, die dieses Gebiet zwar wegen der Arbeitskräfte interessierte, hatten doch Bedenken, .so nahe an die Zonengrenze zu gehen, weil sie dort — das ist ja eine feststehende Tatsache — mit dem Rücken an der Wand standen und sich nur nach der einen Seite, nach dem Westen, entwickeln und entfalten und Absatzmöglichkeiten finden konnten. Zum anderen sprachen auch die Verkehrsverhältnisse, die im Zonengrenzgebiet vorhanden waren — sie haben sich später gebessert — nicht dafür, sich dort wirtschaftlich niederzulassen. Es muß anerkannt werden, daß versucht worden ist, diese Situation zu ändern, daß besonders das Bundesverkehrsministerium später versucht hat, die Marktferne, die sich daraus ergeben hat, zu mildern und diese Gebiete näher an die Ballungsräume und die wirtschaftlichen Zentren heranzubringen. So hat man z. B. eine der wichtigsten Verkehrsstraßen dieses Gebiets, die B 27, die ja Hunderte von Kilometern fast parallel zur Zonengrenze verläuft, erheblich ausgebaut. Aber das alles genügte nicht, um die wirtschaftlichen Unternehmungen näher an die anderen Gebiete heranzubringen. Schon recht früh haben gerade die Freien Demokraten darauf aufmerksam gemacht, daß das Zonenrandgebiet besonders im nordhessischen Raum und auch im südlichen niedersächsischen Raum besser angeschlossen werden würde, wenn man die Autobahn aus demRuhrgebiet nach Kassel bauen würde. Lange wurde unserem Wunsch nicht Rechnung getragen; aber Gott sei Dank hat man dann erkannt, daß das notwendig war, und diese Autobahn ist im Bau. Wir wollen hoffen, daß sie recht bald fertig wird. Es genügt aber nicht, diese wichtige Verbindungsstraße nur bis Kassel fertigzustellen; denn Kassel liegt ja nicht direkt an der Zonengrenze, es ist von ihr immerhin 50 bis 70 km — je nachdem, in welcher Richtung — entfernt. Die Autobahn muß weiter über Bad Hersfeld hinaus bis an die Zonengrenze ausgebaut werden, um den Anschluß an die Autobahn nach Eisenach, also in die Zone hinein, zu gewinnen. Damit würde dieses Zonenrandgebiet verkehrsmäßig erheblich aufgeschlossen werden. Es ist mir bekannt, daß der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen sich um diesen weiteren Ausbau der Autobahn bemüht hat. Hoffentlich wird seinen Bemühungen Erfolg beschieden sein.
Es muß anerkannt werden, daß auch in anderen Bereichen, nicht nur im Bereich des Verkehrswesens, etwas getan worden ist. Infolge der sehr starken Zusammenballungen von Menschen in diesen eng begrenzten Zonengrenzräumen sind auch auf allen anderen Gebieten erhebliche Schwierigkeiten vorhanden gewesen. So war z. B. die Situation auf dem Schulgebiet katastrophal. Klassenfrequenzen von 50 und mehr waren lange Jahre keine Seltenheit, und sie sind auch heute noch nicht restlos behoben. Es wird anerkannt, daß — neben den wirklich aktiven Maßnahmen der Landesregierungen — auch die Bundesregierung sich beteiligt hat, daß z. B. das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen in den letzten Jahren 87 Millionen DM für die Förderung des Schulbaus zur Verfügung gestellt hat. Es wird auch anerkannt und muß auch anerkannt werden, daß im kulturellen Bereich — auch das ist ein wichtiges Aufgabengebiet — allerhand geschehen ist, um die Bevölkerung mehr an das Gebiet zu binden. Es ist notwendig, sie mit solchen Maßnahmen an das Gebiet zu binden; denn die Abwanderungen haben schon vor Jahren begonnen, und wir müssen leider feststellen, daß sie anhalten und daß infolgedessen in bestimmten Teilen des Zonenrandgebietes, besonders in den unmittelbar an der Zonengrenze gelegenen Dörfern, gewisse Vergreisungserscheinungen eintreten. Es ist wirklich kein gutes Schaufenster, wenn sich dort solche Auswirkungen ergeben, und ich bin froh darüber, daß das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen auch über die kulturellen Förderungsmaßnahmen mit dafür gesorgt hat, diese Dinge zu mildern.
Auch das Besucherprogramm, Herr Minister Dr. Mende, trägt dazu bei, ein viel breiteres Verständnis für die Situation an der Zonengrenze zu wecken. Auch dafür möchte ich Ihnen danken.
Es wäre auch wünschenswert, daß das Kabinett nicht immer nur in Bonn tagte — machmal tagt es ja allerdings auch in Berlin —, sondern auch einmal im Zonengrenzraum zusammenträte, meinetwegen in Braunschweig oder Kassel oder Coburg oder Hof, um sich direkt, und zwar in der Geschlossenheit des Kabinetts, mit den dort anstehenden Problemen bekanntzumachen. Die Kabinettsmitglieder würden dann feststellen, daß man sich nicht nur über Entwicklungshilfe im größeren Bereich, über die nationale Ebene hinaus, unterhalten muß, sondern daß auch in diesen Gebieten noch eine bestimmte Entwicklungshilfe notwendig ist.

(Beifall bei der FDP.)

Lassen Sie mich noch auf ein anderes Gebiet zu sprechen kommen, und damit spreche ich die Dörfer und die Gemeinwesen an, die direkte Zonengrenzberührung haben. Ich darf Ihnen sagen, daß mein Heimatkreis — es ist der Kreis Eschwege, in dem ja der bekannte Übergangsbahnhof Herleshausen liegt — eine Zonengrenzberührung von 92 km hat. Er ist damit der Kreis, der die längste Zonengrenzberührung hat. Die Zonengrenze erfordert bestimmte Maßnahmen, nämlich die Maßnahmen des Grenzschutzes und der Grenzkontrolle. Für die Durchführung dieser Maßnahmen ist der Grenzschutz zuständig — wir kennen ja alle seinen Auftrag —, und gleichzeitig werden diese Aufgaben auch von Stationierungstruppen durchgeführt. Im niedersächsischen Bereich sind es die Briten, bei uns im hessischen und bayerischen Bereich sind es die Amerikaner. Gerade die Wahrnehmung des Grenzschutzes durch diese Institutionen verursacht den Gemeinden, den Bürgermeistern und Gemeindevertretungen, aber auch den privaten Besitzern, erhebliche Sorgen. Um ihre Aufgaben zu erfüllen, müssen sie die Zonengrenze befahren. In sommerlicher Jahreszeit macht das nicht viel aus; aber im Herbst und Winter und im zeitigen Frühjahr sehen alle Feldwege in diesem Gebiet so aus, wie es in der vergangenen Zeit einmal an der Rollbahn ausgesehen hat, und die Gemeinden sind nicht mehr in der Lage, den finanziellen Anforderungen hinsichtlich der Ausge-



Walter
staltung dieser Wege nachzukommen. Gewiß besteht die Möglichkeit, Schadensersatz zu beantragen, auch seitens der privaten Besitzer. Denn wenn die Feldwege nicht mehr befahrbar sind, fahren die Amerikaner mit den schwersten Kettenfahrzeugen über die landwirtschaftlichen Nutzflächen, und dann kann man Schadensersatz beantragen. Aber beantragen Sie ihn einmal! Ich bin als Kreislandwirt mit diesen Dingen sehr stark konfrontiert. Dann kann man einmal feststellen, wie schnell und wie emsig unsere Verwaltungsbürokratie arbeitet. Auch da sollte alles getan werden, um diese Dinge zu ändern und endlich dafür zu sorgen, daß das schneller erledigt wird.
Vorhin ist schon mehrfach von einem gesamtdeutschen Ausschuß innerhalb des Kabinetts gesprochen worden. Wir Freien Demokraten stehen auf dem Standpunkt — und ich spreche damit gleichzeitig für meine Fraktion —, es ist nicht gut, daß zwölf Ressorts die verschiedenartigsten Förderungsmaßnahmen im Zonengrenzraum bearbeiten. Eine politische Koordinierung ist da eine zwingende Notwendigkeit. Es muß eine Drehscheibe geschaffen werden, die die Drehung richtig ordnet. Diese Stelle kann nur der Minister für gesamtdeutsche Fragen sein, denn er muß zu diesem Politikum Rede und Antwort stehen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504427600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Huys.

Dr. Lambert Huys (CDU):
Rede ID: ID0504427700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand kann behaupten, daß bisher wenig für die Zonenrandgebiete getan worden wäre. Es wurden Industriebetriebe angesiedelt, es entstanden zusätzliche Wohnungen im Zonenrandgebiet, Straßen wurden gebaut wie auch Schulen, Krankenhäuser und vieles andere mehr. Wer das leugnen wollte, setzte sich der Gefahr aus, nicht ernst genommen zu werden. Aber all das vollzog sich im Rahmen des normalen Aufbaus in der Bundesrepublik.
Aus der Wirtschaftsstatistik läßt sich wegen der unterschiedlichen wirtschaftlichen Struktur und den hier und da eingestreuten Ballungsgebieten nachweisen, daß die Zonenrandgebiete prozentual genauso am Wirtschaftswachstum teilgenommen haben wie das übrige Bundesgebiet. Solch eine Darstellung veranlaßte mich bereits früher zu der Feststellung, es müßte eine Lust sein, im Zonenrandgebiet zu leben. Jeder, der mit den Lebensumständen in diesem Gebiet vertraut ist und der mit den Menschen und ihren Problemen täglich konfrontiert wird, weiß, daß diese Gebiete in wirtschaftlicher, zivilisatorischer und kultureller Hinsicht unterentwickelt sind.
Das hat auch der gesamtdeutsche Ausschuß auf seinen Besichtigungsreisen von Travemünde bis Passau im letzten Jahr festgestellt. Alle Landräte und Bürgermeister, mit denen wir gesprochen haben, haben dankbar anerkannt, daß vieles in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht zusätzlich für diese Zonenrandgebiete von Bund und Ländern
getan worden ist und getan wird. Alle Fraktionen sind sich heute in der Auffassung einig, daß die Förderung des Zonenrandgebietes eine politische Aufgabe gesamtdeutschen Charakters ist und daß sie auf Jahre hinaus verstärkt weitergeführt wer-, den müßte. Bei der derzeitigen Haushaltslage können dafür vom Bund her aber nur begrenzte Mittel eingesetzt werden. Um so notwendiger ist es, diese gezielt und schwerpunktmäßig einzusetzen.
Aus der Fülle der Sorgen, die die Zonenrandgebiete haben, sollen einige wenige aufgezeigt werden, bei denen der gezielte Einsatz der Mittel besonders erforderlich ist. Da ist zunächst das Gespenst der Abwanderung junger und mobiler Menschen zu nennen, die glauben, im Westen bessere Verdienst- und Lebensmöglichkeiten zu finden. Zur Abwanderung werden diese jungen Menschen außerdem durch die schlechten Wohnverhältnisse veranlaßt, durch das geringe kulturelle Angebot und ganz besonders durch die psychologische Wirkung der unmittelbaren Nähe der Demarkationslinie. Die Ursachen für diese Abwanderung erkennen, heißt gleichzeitig die Möglichkeit ihrer Verhinderung aufzuzeigen. Dabei will ich es den Wirtschaftlern überlassen, darzulegen, welche besseren Verdienstmöglichkeiten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet geschaffen werden könnten.
Ein Hauptanliegen aller Menschen, besonders der heiratswilligen jungen Menschen, auf die wir im Zonenrandgebiet besonderen Wert legen, ist, ausreichenden Wohnraum zu haben. Es ist der Bundesregierung zu danken, daß sie im vorigen Jahr die Wohnungsbaumittel für die Zonenrandgebiete von 7 auf 14 Millionen DM erhöht hat. Dennoch ist es leider noch nicht gelungen, die Abwanderung der Arbeitnehmer zu stoppen. Es ist zwar bedauerlich, daß für das Jahr 1966 die zusätzlichen Mittel für den Facharbeiterwohnungsbau im Zonenrandgebiet storniert sind; aber es ist doch ein Trost, daß nach dem bereits angenommenen Entschließungsantrag nun 20 Millionen DM für die Wohnungsbauförderung im Zonenrandgebiet , zur Verfügung stehen. Das bedeutet, daß dieser Betrag zwar erst 1967 ausgegeben werden darf, daß aber doch schon in diesem Jahr über ihn verfügt werden kann.
Weil die Bundesregierung meint, die Berlin-Präferenzen den Zonenrandgebieten nicht gewähren zu können, waren meine Freunde und ich und auch der Gesamtdeutsche Ausschuß der Auffassung, die Wohnungsbaumittel für das Zonenrandgebiet müßten in Zukunft noch verstärkt werden. Dabei sollte man dem Eigenheimbau ein besonderes Augenmerk zuwenden. Eine Familie, die ein Eigenheim besitzt, verläßt nicht so schnell das Dorf, sondern fühlt sich dort zu Hause, übernimmt damit Verantwortung und begegnet so auch der negativen psychologischen Auswirkung der Demarkationslinie.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einige kritische Bemerkungen zu dem kulturellen Angebot im Zonenrandgebiet machen. Es ist anzuerkennen, daß die Bundesregierung besondere Maßnahmen zur Förderung der kulturellen Angelegenheiten im Zonenrandgebiet durchgeführt hat und noch durch-



Dr. Huys
führt. Schwerpunkte für diese kulturellen Veranstaltungen zu bilden, wie es die Drucksache IV/3668 vorsieht, wirkt bestechend auf den ersten Blick nach dem alten Artilleriegrundsatz „nicht kleckern, sondern klotzen". 10 000 DM oder gar 25 000 DM Zuschuß für eine Kulturveranstaltung liest sich, publizistisch gesehen, sehr gut, besser, als wenn es heißt, eine große Anzahl kleiner und mittlerer Städte habe einen Zuschuß von 800 DM bis 2000 DM erhalten.
Die Praxis aber sieht anders aus. Es ist typisch für uns Deutsche, daß wir es lieben, unsere kulturellen Güter, unsere eigenständige Kultur in unserer Heimatstadt oder unserem Heimatkreis lebendig werden zu lassen und zu pflegen. Trotz der Anziehungskraft der großen Kulturveranstaltung auf eine bestimmte Schicht von Menschen in Stadt und Land auch im Zonenrandgebiet wird dadurch doch nur ein sehr kleiner Prozentsatz der für die Kultur aufgeschlossenen Bevölkerung erfaßt. Das läßt sich statistisch nachweisen. Die kulturellen Veranstaltungen im Heimatort werden um ein Vielfaches mehr besucht als die Veranstaltungen in der nächst größeren Stadt, obwohl sie stark preisvergünstigt sind.
Amtsgerichtsrat Brick -aus der grenzdurchschnittenen Stadt Bleckede hat das sehr überzeugend in einem Zeitungsartikel dargelegt. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten werde ich aus seinem Artikel kurz zitieren. Er schreibt:
Die Durchführung der Empfehlung des Gesamtdeutschen Ausschusses würde bedeuten, daß in zahlreichen Orten in nächster Nähe der Zonengrenze die seit Jahren durchgeführte eigenständige Kulturarbeit — ehrenamtlich von sogenannten „Kulturringen" geleistet — zum Erliegen käme, sofern der Wegfall der Bundesmittel nicht durch eine wesentliche Erhöhung der bisher vom Land, den Kreisen und den Gemeinden geleisteten Zuschüsse ausgeglichen werden würde.
Die Landesverbände der Kulturvereinigungen haben sich daher für die Beibehaltung des bisherigen Verteilungsschlüssels eingesetzt. Ich halte das für eine gute Anregung, zumal z. B. im niedersächsischen Zonengrenzraum die Zahl der größeren Städte, die in der Lage sind, kulturelle Maßnahmen in einem dem Schwerpunktprogramm entsprechenden Umfang durchzuführen, gering ist und diese Städte größtenteils in einer solchen Entfernung von der Zonengrenze liegen, daß die Heranführung der von der Teilung Deutschlands unmittelbar betroffenen Bevölkerung aus den direkt an der Zonengrenze gelegenen Ortschaften problematisch ist.
Soweit das Zitat. Ich schließe mich seiner Ansicht an. Wir sollten uns ernsthaft überlegen, ob wir die Empfehlungen unseres Gesamtdeutschen Ausschusses für das Jahr 1966 und die folgenden Jahre wirklich durchführen, bevor wir nicht wissen, ob und in welchem Umfang Landkreise und Gemeinden den Wegfall der Bundesmittel auszugleichen vermögen.
Die Fülle der anderen Probleme, besonders im Bereich der Landwirtschaft, die es im Zonenrandgebiet gibt, will ich hier heute nicht anschneiden. Die beiden erwähnten Probleme scheinen mir im Augenblick besonders wichtig zu sein.
Allerdings muß auch gesagt werden, daß es notwendig ist, die Industriellen, die Geisteswissenschaftler und die Künstler für diese Probleme zu interessieren, um die Lebensbedingungen im Zonenrandgebiet denen in anderen Gegenden der Bundesrepublik anzugleichen. Es ist also auch Aufgabe der politischen Bildung, mehr Interesse und Hilfsbereitschaft für das Zonenrandgebiet gerade in den Kreisen zu erwecken, die über Wissen und Mittel verfügen; denn die Politiker allein können das Schaufenster nach Osten nicht ausstatten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504427800
Das Wort hat Bundesminister Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0504427900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Debatte um den Haushalt des Bundeskanzlers habe ich kurz zu den Rechtsgrundlagen der Deutschlandpolitik Stellung genommen, um zum Ausdruck zu bringen, von welcher Basis aus wir in der Deutschlandpolitik operieren können. In der heutigen Aussprache über den Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen sind viele Einzelanregungen von den Sprechern der drei Fraktionen gegeben worden. Ich möchte für diese Anregungen, auch für die Kritik, danken und im einzelnen dazu wie folgt Stellung nehmen.
Herr Kollege Wehner sprach von dem anspruchsvollen Namen, den das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen trägt. Noch problematischer, Herr Kollege Wehner, ist dieser Name, wenn man seine Übersetzung in die englische oder französische Sprache im Ausland erklären muß. „All german affairs", das klingt noch anspruchsvoller. Und wenn es gar in der französischen Übersetzung „panallemandes" oder „pangermaniques" heißt, dann hat man gleich die ersten Schwierigkeiten, die eigentliche Kompetenz des Ministeriums wieder zu reduzieren auf das bescheidene Gebiet, das gegeben ist.

(Zuruf des Abg. Mattick.)

— Herr Kollege Mattick, ich habe mich mehrfach bemüht, eine andere Namensgebung, etwa die Bezeichnung „Ministerium für die Fragen der Wiedervereinigung", durchzusetzen. Das macht sich auch in der Übersetzung besser und mahnender. Aber Sie glauben nicht, wie schwierig es ist, etwas, was 16 Jahre lang in einem Gleis gefahren ist, auf ein anderes Gleis mit anderer Spur zu übertragen. Ich habe aber die Hoffnung, zumindest was die Übersetzungsmöglichkeit betrifft, noch nicht aufgegeben.
Es gibt natürlich im Jahre 1966 in der Deutschlandpolitik zwei Wertungsmöglichkeiten. Die eine lautet: Unter welchen Vorstellungen, Hoffnungen und Zielen sind wir vor fast 17 Jahren in diesem Hohen Hause angetreten, und wo stehen wir heute? — In Berlin vor der Mauer, im Zonenrandraum vor einer 1387 km langen Sperrlinie mit Minenfeldern, Stacheldraht, 600 Wachtürmen und einem Schießbefehl und in der internationalen Lage ist die



Bundesminister Dr. Mende
Deutschlandfrage unendlich schwieriger und langwieriger geworden. Wer also von dem ausgeht, was in diesem Haus in den Jahren 1949/50 an Hoffnungen und Gedanken geäußert wurde, der muß tief erschüttert feststellen, daß wir unserem Ziel, die Einheit und Freiheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung zu vollenden, nicht einen Schritt näher gekommen sind. Im Gegenteil, wir haben eine Verhärtung der deutschen Frage im Innern durch die Gefahr der Entfremdung, aber auch im Außenbereich durch die Gefahr der Gewöhnung an den Status quo des geteilten Deutschland zu beklagen.
Nun gibt es natürlich auch eine andere Wertung, die lautet: Es hätte aber noch viel schlimmer kommen können; seien wir schon zufrieden, daß wenigstens wir in der Bundesrepublik Deutschland vom Kommunismus nicht überwunden wurden und ihn abwehren konnten! Diese Defensivhaltung liegt nicht im Sinne des Verfassungsauftrages unseres Grundgesetzes und kann daher kein Maßstab für eine erfolgreiche Deutschlandpolitik sein.

(Beifall bei der FDP.)

Es ist hier von den Sprechern zweier Fraktionen die Kompetenzfrage angesprochen worden, und ich bin sehr dankbar, daß zwei Fraktionen dieses Hohen Hauses die gegenwärtige Kompetenz des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen als nicht ausreichend ansehen. Auch ich teile diese Auffassung und habe daher im August 1964 dem Herrn Bundeskanzler einen Brief geschrieben mit der Bitte, dem Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen die politische Koordinierung aller gesamtdeutschen Fragen zu übertragen; denn welches andere Haus könnte diese Drehscheibe aller technischen Kontakte, aller politischen Probleme sein als das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen? In der Deutschlandpolitik — hier hat Herr von Eckardt schon recht — sind nämlich viele Komponenten und Faktoren außenpolitischer, wirtschafts-, gesellschafts-, verkehrs- und kulturpolitischer Art vereinigt, und das Grundgesetz hat nun einmal statuiert, daß die Richtlinien der Politik der Bundeskanzler bestimmt, daß aber innerhalb dieser Richtlinien jeder Bundesminister sein Ressort in eigener Verantwortung zu verwalten hat. Der Herr Bundeskanzler hat entschieden, daß diese politische Koordinierung aller gesamtdeutschen Fragen im Bundeskanzleramt stattfinden solle, da sie fast ausschließlich Richtlinienfragen seien. Aber der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen ist durch diesen Erlaß an alle Ministerien in die Lage versetzt, daß er wenigstens von allen gesamtdeutschen technischen Kontakten und Problemen vor ihrer Einleitung und während ihres ganzen Ablaufes verständigt wird, so daß damals wenigstens, Herr Kollege Wehner, ein Kompromiß erreicht wurde. Der Bundeskanzler und das Bundeskanzleramt behielten sich die letzte politische Entscheidung vor. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen ist wenigstens informiert und damit in den Stand gesetzt, durch alle Ressorts mit dem Bundeskanzleramt ein Höchstmaß an Koordinierung durchzusetzen. Dieser Erlaß des Bundeskanzlers vom September 1964 ist bei der neuen Regierungsbildung an alle Ministerien erneuert worden.
Man kann in der Tat die Frage aufwerfen, ob das bisherige System schon ausreichend ist oder ob nicht noch mehr Straffung erforderlich ist. Auch was die Frage der Umorganisation betrifft, Herr Kollege Wehner, sind schon im Jahre 1964 einige Veränderungen erfolgt. Am 1. Juli dieses Jahres wird eine neue Geschäfts- und Organisationsverteilung nicht nur im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, sondern auch im Verein für. die Wiedervereinigung Deutschlands in Kraft treten, eben um dem Erfordernis der neueren Entwicklung auch in der Organisation und in der Geschäftsverteilung Rechnung zu tragen.
Die Frage, ob zu den bisherigen Kabinettsausschüssen — Wissenschaftskabinett, Wirtschaftskabinett, Bundesverteidigungsrat — auch ein Kabinett für die Fragen der Wiedervereinigung, eine Art Kabinettsausschuß, gebildet werden sollte, ist nicht neu. Sie tauchte zum erstenmal vor einem Jahr in dem Buch des geschäftsführenden Vorsitzenden des Kuratoriums „Unteilbares Deutschland", Dr. Schütz, auf. Hier meint Dr. Schütz, daß eben auch die Frage der deutschen Wiedervereinigung einen solchen Kabinettsausschuß notwendig mache und man dem Staatssekretärausschuß allein diese Koordinierung nicht übertragen könne. Denn wenn es logisch ist, daß nur das Gesamtkabinett Deutschlandfragen schlechthin behandeln kann, dann ist auch der Staatssekretärausschuß nur als ein Staatssekretärausschuß aller 21 Bundesministerien denkbar. Das wäre die logische Konsequenz aus dem, was Sie, Herr von Eckardt, bezüglich der Gesamtverantwortung des Kabinetts sagten. Wenn es aber so ist, daß ein Staatssekretärausschuß von nur 6 Ministerien eine Koordinierungsaufgabe vollzieht, so ist logischerweise die Frage gerechtfertigt, warum die Verantwortung nicht durch die Minister statt nur durch die Staatssekretäre in diesem Koordinierungsausschuß gehandhabt werden sollte.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Ich stelle mit Überraschung fest, daß die Mehrheit dieses' Hohen Hauses diese Frage heute bei der Diskussion dieses Einzelplans 27 gestellt hat. Die Bundesregierung wird sich auf Grund dieser Meinungsäußerung des Parlaments damit befassen müssen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten .der SPD.)

Es ist das Problem des Zonenrandgebietes Gegenstand zahlreicher Anmerkungen, aber auch kritischer Äußerungen gewesen. Im Zonenrandgebiet sind in der Tat, mein Haus eingeschlossen, 12 Bundesministerien ressortmäßig zuständig. Bei 'den Reisen, Herr Kollege Wehner, die der Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen unter Ihrem Vorsitz von der Lübecker Bucht bis nach Hof und von Hof bis Passau in den vergangenen Jahren absolvierte, ist erkennbar geworden, wie viele Überschneidungen und Verwaltungsschwierigkeiten durch die Bürgermeister, Landräte und Regierungspräsidenten beklagt wurden. Aber ich glaube doch, Herr Kollege Wehner, daß Sie mir aus der Tätigkeit als Vorsitzender des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen bestätigen müssen, daß ich mich



Bundesminister Dr. Mende
auch ohne besonderen Auftrag zu einem politischen Koordinator für die Zonenrandfragen zumindest selbst erklärt habe, indem ich der Bundesregierung zweimal nach diesen Reisen des Gesamtdeutschen und Berliner Ausschusses Memoranden zur Frage des Zonenrandgebietes übermittelt habe. In Verfolg der Diskussionen über diese Memoranden und Vorlagen des Wirtschaftsministers und des Verkehrsministers sind dann doch gewisse Maßnahmen für das Zonenrandgebiet eingeleitet worden, auf die ich noch im einzelnen zu sprechen komme.
Ich halte es für notwendig, daß ein Minister die politische Verantwortung für die Koordinierung aller das Zonenrandgebiet betreffenden Maßnahmen trägt;

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

denn er muß ja auch dem Gesamtdeutschen Ausschuß Rede und Antwort stehen. Er und nur er — und nicht seine elf Kollegen — hört sich dann sowohl die Klagen der Bürgermeister und Landräte wie auch manche Kritik der Mitglieder dieses Hohen Hauses im Gesamtdeutschen Ausschuß an.
Herr Kollege Wehner sprach von der Mühsal der kommunalen Richtlinien. Am 28. Februar 1966 sind vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen dem Bundeskabinett Richtlinien über die Wiederaufnahme kommunaler Kontakte zugeleitet worden. Da zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen Meinungsverschiedenheiten über einen Punkt zu verzeichnen waren, mußte das gesamte Kabinett nach dem Grundgesetz und der Geschäftsordnung der Regierung entscheiden. Die Entscheidung ist erfolgt. Die Richtlinien werden in wenigen Tagen den Innenministern der vier Zonenrandländer zugeleitet werden, so daß eine baldige Verteilung bis zu den Bürgermeistern und Landräten zu erwarten ist.
Wir hatten bis 1958 — das ist den Kollegen des Gesamtdeutschen Ausschusses bekannt — die Amtshilfe der kommunalen Stellen über die Demarkationslinie. Seit 1958 ist das durch die Sperrmaßnahmen unterbunden worden, seit 1961 ist es völlig beendet. Es gibt heute an keiner Stelle des Zonenrandgebiets mehr die Möglichkeit, von Bürgermeister zu Bürgermeister irgendwelche technischen Fragen zu besprechen oder gar, wie das zwischen Sonnenburg und Neustadt noch möglich war, Sportvereine, Gesangvereine und Kulturveranstaltungen wechselseitig auszutauschen. Daher hat sich das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen bemüht, neben der Amtshilfe für Katastrophenschutz, Feuerschutz, gegen Überschwemmungen und zur Seuchenbekämpfung auch einen Nachbarschaftsverkehr etwa ähnlich dem nach dem Berliner Passierscheinübereinkommen zu erreichen.
Entsprechende Testversuche haben leider dazu geführt, daß Ostberlin ganz entschieden ablehnte, solche Fragen zwischen Bürgermeistern und Landräten beiderseits der Demarkationslinie besprechen zu lassen. Die Antwort aus Ostberlin lautete, die Voraussetzung eines kleinen Grenzverkehrs — ich gebrauche lieber das Wort „Nachbarschaftsverkehr" — sei „die Anerkennung der Staatsgrenze der DDR", und Verhandlungen könnten daher nur „von
Regierung zu Regierung", von Innenminister zu Innenminister bzw. von Verteidigungsminister zu Verteidigungsminister stattfinden, da im Rahmen der „Grenzsicherungen dann auch Fragen der Verteidigung" mit verhandelt werden müßten. Es ist bekannt, daß wir nicht bereit sind — und zwar alle drei Fraktionen dieses Hauses und die Bundesregierung —, für einen Nachbarschaftsverkehr die Anerkennung des kommunistischen Zwangsstaats in Kauf zu nehmen.
Wir haben dann Überlegungen angestellt, ob nicht in einer mittleren Instanz, also ohne die Gefahr der Anerkennung des kommunistischen Zwangsstaats, und unter Anwendung einer Vorbehaltsklausel wie bei der Passierscheinübereinkunft Fortschritte erreicht werden könnten.
In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Wehner, bestätige ich, daß wir diese Fragen in dem Deutschland-Gespräch der drei Fraktionen beim Herrn Bundeskanzler noch weiter behandeln werden. Nachdem sowohl der Gesamtdeutsche Ausschuß des Bundestages wie der des Bundesrates vor längerer Zeit es schon für möglich erachtet haben, daß auch auf der Ebene der Regierungspräsidenten verhandelt werden könne, wird das Problem der Vollmacht mit einer möglichen Anwendung der salvatorischen Klausel im Deutschland-Gespräch beim Bundeskanzler im einzelnen noch verhandelt werden. Ich bitte, mich auf diese Bemerkungen beschränken zu dürfen. Noch also ist die Frage nicht entschieden. Keineswegs ist sie etwa versandet.
Es wäre natürlich bezüglich der Begegnungen im geteilten Deutschland — Personenverkehr, Wirtschaftsverkehr, die Frage der kulturellen Begegnungen — ein großer Fortschritt dann erreicht, wenn es gelänge, jene gemischten, paritätisch 'besetzten gesamtdeutschen Kommissionen unter einem Auftrag der vier Mächte einzurichten, die die Bundesregierung in ihrem Memorandum vom August 1963 nach Washington, London und Paris vorgeschlagen hat. Aber gegenwärtig scheint ein solcher Auftrag für die Einrichtung gemischter, paritätisch besetzter Kommissionen für den Personen-, Wirtschafts- und Warenverkehr sowie für Kulturbegegnungen im geteilten Deutschland nicht erreichbar zu sein.
Selbstverständlich gilt auch für unser Haus die Direktive des Bundeskanzlers aus der Regierungserklärung, daß wir uns um ,ein Höchstmaß menschlicher Begegnungen im geteilten Deutschland bemühen müssen, erstens um die Last der Spaltung, die unsere mitteldeutschen Landsleute zu tragen haben, zu mildern und zweitens um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen zu erhalten und zu fördern und um der Entfremdung vorzubeugen; denn -- ich wiederhole den Satz, Herr Kollege Wehner, den Sie aus meiner Rede beim Etat des Bundeskanzlers aufgenommen haben — „die Unteilbarkeit des deutschen Volkes als Nation ist die Grundvoraussetzung für die Erreichung ,der Einheit des deutschen Staates im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes". Geht dieses Zusammengehörigkeitsgefühl durch Zeitablauf verloren, wird es nichts mehr auf der Basis des Selbstbestimmungsrechtes zu vereinigen geben. Darum kommt



Bundesminister Dr. Mende
der menschlichen Begegnung im Sinne der Erhaltung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Deutschen eminent politische Bedeutung zu.
Hier haben wir bescheidene Fortschritte erreichen können. Vom 1. November 1964 bis heute sind 21/2 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Westberlin und Westdeutschland eingereist, rund eine halbe Million in Westberlin, zwei Millionen hier in Westdeutschland, also 21/2 Millionen in die Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlins. Mit Freude sehen wir, daß der Rentnerstrom auch jetzt wieder in der Hauptreisezeit ansteigt. Allein im Monat April waren es 75 000 ältere Leute, die zu uns kommen konnten. Es ist allerdings zu beklagen, daß die Betreuung der alten Leute auf den Interzonenstrecken, auf den Umsteigebahnhöfen nicht jenes Ausmaß der Nächstenliebe, Menschlichkeit und Nachbarschaftshilfe erreicht hat,

(Sehr wahr! in der Mitte)

das wir uns alle auch um der gesamtdeutschen Zugehörigkeit willen wünschen. Aus Briefen, die uns erreichen, spricht manche Klage über Gefühllosigkeit und Hartherzigkeit in der Schnellebigkeit unserer modernisierten Welt. Ich habe daher an den Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, Professor Oeftering, einen Brief gerichtet, er möge doch jetzt in der Hauptreisezeit sicherstellen, daß auf allen Bahnhöfen, auf denen Interzonenzüge ankommen, nicht nur die übliche Ansage erfolgt:. „Es läuft auf Gleis 6 der Interzonenzug aus Leipzig über Bebra usw. ein", sondern daß gleichzeitig als eine gewisse Geste menschlicher Verbundenheit ein Willkommen durch den Sprecher oder die Sprecherin ausgesprochen wird: . .

(Beifall rechts und in der Mitte)

„Wir heißen unsere Landsleute .aus Mitteldeutschland in Hamburg oder in Frankfurt oder in Köln oder in Hannover herzlich willkommen!" Das hat eine doppelte Wirkung! Die anderen Reisenden werden nämlich auf diesem Interzonenzug aufmerksam gemacht, und mancher junge Mann wird sich dann vielleicht doch überlegen, ob er nicht einer alten Rentnerin oder einem alten Rentner aus Mitteldeutschland den Koffer trägt und den alten Leuten etwas hilfsbereit zur Seite steht. Ich habe in Berlin gesagt — und ich wäre dankbar, wenn sich das etwas stärker, gewissermaßen als Appell dieses Hauses auswirken würde —: jeder junge Mann und jedes junge Mädchen, die auf den Durchreisestationen den Rentnerinnen und Rentnern hilfreich zur Seite stehn, tun mehr für die Wiedervereinigung Deutschlands als mancher Sonntagsredner mit gesamtdeutschen Phrasen.

(Beifall rechts und in der Mitte. — Abg. Hermsdorf: Einschließlich der Regierung!)

Ich hoffe, daß die Bundesbahn diese Möglichkeit des Willkommens ebenso einrichtet, wie -sich auch das Deutsche Rote Kreuz, das Evangelische Hilkswerk, die Caritas und die Arbeiterwohlfahrt in dieser Hauptreisezeit nicht mehr über mangelnde Hilfsbereitschaft bei den anderen Reisenden in den Zügen und auf unseren Bahnhöfen beklagen müssen.
Lassen Sie mich schließlich noch auf die Reisen nach Mitteldeutschland zu sprechen kommen. Wir haben 1965 die erfreuliche Zahl von fast zwei Millionen Reisenden nach Mitteldeutschland verzeichnen können. Ein Touristenverkehr üblicher Art ist noch nicht möglich. Zu der Anfrage eines Journalisten hat der Ost-Berliner Außenminister Winzer geäußert, daß nicht genügend Hotels in Mitteldeutschland zur Verfügung stünden, so daß man einen uneingeschränkten Touristenverkehr nicht einführen könne. Wir wissen, daß das eine Ausrede ist. Gegenwärtig ist also die Einreise noch nicht für jedermann möglich, sondern nur für Verwandten- und Bekanntenbesuche auf Grund der bekannten Einreisebestimmungen. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen fordert durch ein Merkblatt die westdeutsche Bevölkerung auf: Reist nach Mitteldeutschland! Reisen liegen im gesamtdeutschen Interesse, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen aufrechtzuerhalten.
Herr Kollege Wehner, lassen Sie mich auch noch auf das von Ihnen angeschnittene Problem des Redneraustauschs zu sprechen kommen. Ich darf hier feststellen, daß ich als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen von der ersten Stunde an die Bemühungen der Sozialdemokratischen Partei in der Frage des Redneraustausches unterstützt habe. Wir wissen auch, daß hier noch manche Schwierigkeiten auftreten werden, möglicherweise ein solcher Redneraustausch gar nicht zustande kommt. Das entsprechende Angebot der Freien Demokratischen Partei an die LDP, den Austausch von Bad Homburg in Mitteldeutschland fortzusetzen, ist bis zur Stunde unbeantwortet geblieben. Es deutet manches darauf hin, daß die andere Seite nach dem Motto handeln möchte, sich wieder zurückzubewegen; denn die Geister, die man rief, wird man offensichtlich so leicht nicht los nach der Grundwelle, die die Veröffentlichung des ersten Briefs der Sozialdemokratischen Partei im „Neuen Deutschland" ausgelöst hat.
Die Bundesregierung ist sich darüber im klaren, daß bei dem Versuch der Sozialdemokraten und auch der Freien Demokraten das Risiko groß ist. Es gibt allerdings keine Deutschlandpolitik im Jahre 1966 und in den folgenden Jahren ohne Risiko. Geht es gut, haben wir alle unseren Nutzen, indem wir die Möglichkeit hatten, nach Mitteldeutschland einzuwirken. Sollte es schief laufen, weil die andere Seite jederzeit die Möglichkeit hat, sich wieder zurückzuziehen, dann sollte niemand etwa ein Interesse daran haben, schadenfroh zu sein. Die Verlierer jeder gescheiterten gesamtdeutschen Aktion sind wir nämlich alle.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

Herr Kollege Borm sprach ebenso wie Herr Kollege von Eckardt von der Frage der Aufklärung der Öffentlichkeit. Herr Kollege Borm und Herr Kollege von Eckardt, natürlich bemüht sich das Gesamtdeutsche Ministerium mit den Intendanten der Rundfunkanstalten, mit der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Rundfunkanstalten, mit den bundeseigenen Rundfunkanstalten Deutschlandfunk und Deutsche Welle und mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen,



Bundesminister Dr. Mende
auch die Rundfunk- und Fernsehsendungen der veränderten Situation anzupassen. Es sind erfreuliche Fortschritte dadurch erreicht worden, daß mehr Sendungen eingeplant wurden und die Sendezeiten nach vorn verlegt wurden. Früher begann jede gesamtdeutsche Dokumentation zu nachtschlafender Zeit. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen wird sich, wie bisher unterstützt vom Ausschuß dieses Hauses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, um eine verstärkte Informationstätigkeit über Rundfunk und Fernsehen bemühen. Rundfunk und Fernsehen sind die besten Informationsmöglichkeiten großen Stils, gegenwärtig vielleicht sogar die einzigen.
Natürlich, Herr Kollege von Eckardt, ist manches zu beklagen. Aber bei elf Anstalten und bei der Souveränität, die Rundfunk und Fernsehen bei uns genießen, können natürlich auch manche Pannen gesamtdeutschen Charakters bei Rundfunk- und Fernsehsendungen nicht vermieden werden. Das gesamtdeutsche Ministerium versucht, nicht nur die Anstalten zu beraten, sondern auch einen gesamtdeutschen Anreiz zu schaffen. Wir haben einen JakobKaiser-Preis, benannt nach dem früheren Minister für gesamtdeutsche Fragen, für die beste gesamtdeutsche Rundfunksendung ausgesetzt — er wird jährlich in Höhe von 10 000 DM am 17. Juni in Berlin verteilt — und einen Ernst-Reuter-Preis, benannt nach dem früheren Regierenden Bürgermeister Berlins, für die beste Fernsehsendung gesamtdeutschen Charakters, ebenfalls dotiert mit 10 000 DM, und im nächsten Jahr kommt noch ein Theodor-Heuss-Preis, benannt nach dem ersten Bundespräsidenten, für die beste publizistische Darstellung eines gesamtdeutschen Problems hinzu. Mit dem Deutschen Journalistenverband ist bereits Verbindung über diese Frage aufgenommen worden. Außerdem werden diese drei Preise, also der Jakob-Kaiser-Preis, der Ernst-Reuter-Preis und der Theodor-Heuss-Preis im nächsten Jahr auf je 15 000 DM angehoben, um eine Drittelung mit je 5000 DM zu ermöglichen, weil meistens bei den unabhängigen Preisgerichten mehrere Sendungen in einem gewissen Gütekonflikt standen und es dann schwer war, die 10 000 DM entsprechend aufzuteilen.
Das gleiche geschieht, Herr Kollege Borm, durch die Reisetätigkeit! Das Gesamtdeutsche Ministerium unterstützt Reisen nach Berlin und ins Zonenrandgebiet mit — in diesem Haushalt — jährlich 6 Millionen DM. Allein im vorigen Jahr haben wir in Berlin 250 000 junge Menschen durch den Besucherdienst betreut, und ich hoffe, daß die Reisetätigkeit nach Berlin und ins Zonenrandgebiet in diesem Jahr über 350 000 Menschen erreicht. Wir glauben, daß der unmittelbare Anschauungsunterricht an der Mauer und an der Zonengrenze besser ist als die Verteilung von Broschüren. ,Wir werden uns also im Inland wie im Ausland um eine Verstärkung dieser Aufklärungsaktionen bemühen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504428000
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0504428100
Bitte sehr!

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504428200
Bitte, Herr Abgeordneter Kliesing!

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0504428300
Herr Minister, darf ich noch einmal zurückkommen auf diese Fernsehprogramme. Wäre es Ihnen vielleicht möglich, darauf hinzuwirken, daß die zweifellos sehr interesante und, wie ich meine, auch aufschlußreiche Sendereihe „Mitteldeutsches Tagebuch" künftig zu einer Zeit gesendet wird, da auch tatsächlich noch viele Menschen Gelegenheit haben, sie zu sehen, also nicht zu einer so späten Stunde? Man könnte diese Sendung dann vielleicht mit gewissen Unterhaltungsprogrammen austauschen, über deren Wert oder Unwert sich streiten läßt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0504428400
Herr Kollege Kliesing, diese Empfehlung hat mir der Gesamtdeutsche Ausschuß in einer Berliner Sitzung einstimmig vor einigen Monaten gegeben. Ich habe dieserhalb mit der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Rundfunkanstalten verhandelt, und ich habe die Hoffnung, daß diesem Wunsch des Parlaments und der Regierung in Zukunft Rechnung getragen werden kann. Denn es wird aus Mitteldeutschland immer wieder geklagt, daß gerade aufklärende Sendungen gesamtdeutschen Charakters zu einer Zeit kommen, da man bei den dortigen Arbeitsnormen schlafen muß, um am nächsten Tag frühzeitig kräftig aufzustehen. Man kann sich drüben nicht alles leisten, was man sich bei uns leisten kann. Aber zu mehr Einfluß, als den Wunsch an die Indendanten der Rundfunkanstalten heranzutragen, ist die Bundesregierung nicht in der Lage. Ich kann vielleicht den Ball, Herr Kollege Kliesing, den Sie mir zuwarfen, zurückgeben. Aus allen drei Fraktionen sitzen Vertreter in den Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten, und ich wäre für die Unterstützung dieser Initiative sehr dankbar.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504428500
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Frage?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0504428600
Bitte sehr, Herr Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0504428700
Herr Bundesminister, ist es möglich zu prüfen oder kann die Bundesregierung darauf Einfluß nehmen, daß die technischen Möglichkeiten der westdeutschen Fernsehsender so verbessert werden, daß das Programm dieser Sender in allen Teilen der Zone besser, als das heute der Fall ist, empfangen werden kann? Aus Reisen in die Zone weiß ich, daß die Fernsehprogramme eine ganz entscheidende Sache für die Menschen drüben sind, und es wäre doch wünschenswert, daß die technischen Voraussetzungen verbessert werden.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0504428800
Herr Kollege Kiep, Sie bestätigen durch Ihre Frage, daß Sie mir hier die politische Koordi-



Bundesminister Dr. Mende
nierung auch für die Sache des Postministers zusprechen. Ich nehme sie dankend entgegen.

(Heiterkeit.)

Zuständig ist dafür mein Kollege Stücklen, der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen. Aber auch hier wiederhole ich, daß der Bundespostminister vor dem Gesamtdeutschen Ausschuß dazu gesprochen hat und die Verbesserung der Empfangsverhältnisse im Rahmen seines Investitionsprogrammes zugesagt hat. Das ist durch den Sender Ochsenkopf zum Teil schon geschehen, wird in Norddeutschland und Berlin geschehen, und es ist auch erreicht worden, daß die Anstaltskette des Ersten Deutschen Fernsehens am Vormittag das Programm des Zweiten Deutschen Fernsehens ausstrahlt, so daß die mitteldeutsche Bevölkerung auch das Zweite Deutsche Fernsehen empfangen kann, was sie bisher über die Senderkette des Ersten Deutschen Fernsehens nicht empfangen konnte. Ich wäre dankbar, wenn Sie Ihrem Fraktionskollegen, Herrn Stücklen, diese Bitte auch noch unmittelbar unterbreiten würden, und bin gern bereit, sie aus meiner Verantwortung zu fördern.
Verehrte Kollegen, es ist hier über das Problem des innerdeutschen Handels gesprochen worden. Auch hier darf ich mit leichter Hand auf meinen Kollegen Schmücker, den Herrn Bundesminister für Wirtschaft, verweisen, in dessen Ressort der innerdeutsche Handel liegt. Daß Sie diesen Handel hier in der Debatte über den Einzelplan 27 anschneiden, bestätigt aber, daß auch Sie die Fragen des innerdeutschen Handels für eine eminent politische gesamtdeutsche Sache ansehen und nicht nur für eine Sache des reinen Wirtschaftsdenkens. Ich kann hier darauf verweisen, daß der Bundesminister für Wirtschaft im Kabinett bereits Vorschläge für eine Modernisierung und Ausweitung des innerdeutschen Handels vorgetragen hat. Sie werden ebenfalls Gegenstand der Besprechungen der drei Fraktionen beim Bundeskanzler sein.
Herr Kollege von Eckardt hat noch einmal auf den Zeitungsaustausch verwiesen. Ich muß hier das Presse- und Informationsamt in Schutz nehmen. Da es Ihr altes Amt ist, Herr Kollege von Eckardt, werden Sie mir nachsehen, wenn ich das hier im einzelnen tue. Das stenographische Protokoll der seinerzeitigen Montag-Pressekonferenz des Bundespressechefs vermerkte nach der Bitterfelder Rede des Herrn Walter Ulbricht, daß zunächst eine Zustimmung zum Zeitungsaustausch seitens des Bundespressechefs erfolgte. Der Bundespressechef hat dann allerdings im einzelnen die juristischen Bedenken ausgeweitet, so daß am nächsten Tag dann eine Vielzahl von juristischen Bedenken in der Presse stand. Der Obersatz aber, daß man bereit sei, den Zeitungsaustausch in Gang zu bringen, war untergegangen. Das Kabinett hat sich dann am folgenden Mittwoch damit befaßt und sofort beschlossen, dem Angebot des Zeitungsaustauschs grundsätzlich zuzustimmen. Der Herr Bundesjustizminister ist gebeten worden, die dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Sie wissen, daß das inzwischen geschehen ist, und ich
hoffe, daß diese Vorlagen noch vor der Sommerpause verabschiedet werden können. Dann wird sich zeigen, ob Herr Ulbricht noch zu seinem Bitterfelder Angebot steht oder ob das nur eine Propagandaaktion war, die er nicht ernst meinte, weil er sich sicher glaubte, daß wir darauf nicht eingehen, sondern sofort ablehnen würden.
Herr von Eckardt sprach von der Frage der Begegnungen mit dem negativen Unterton, daß dabei nur in der Wolle gefärbte Kommunisten zu erwarten seien. Das stimmt! Aber, Herr von Eckardt, wer an die Überzeugungskraft unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung glaubt, muß es auch mit in der Wolle gefärbten Kommunisten aufnehmen, um wenigstens den Versuch zu machen, sie zu irritieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)

Wir haben einige Beweise, daß das möglich ist. Ein Organisator des „Mannheimer Arbeitergesprächs" war drüben geschult worden. Der Lehrgang für die Teilnehmer am „Mannheimer Arbeitergespräch" hatte zwei Wochen gedauert. Als der Mann dann hier war, sich umsehen konnte, brach in ihm seine bisherige Vorstellungswelt zusammen. Er blieb hier, sagte dem Kommunismus ab und hat sich im Fernsehen zu unserer freiheitlichen Ordnung bekannt, seinen Irrtum zugegeben und erklärt, wie er drüben geschult worden sei und daß er mit völlig falschen Vorstellungen in die Bundesrepublik gekommen sei. Was also bei diesem Mann, dem Organisator der Mannheimer Arbeitergespräche möglich war, sollte auch bei anderen versucht werden.
Im Grundsatz aber, Herr von Eckardt, gebe ich Ihnen recht: es ist natürlich sehr schwer, die Spitzenfunktionäre drüben durch eine Rednerbegegnung überzeugen zu wollen. Soweit ich informiert bin, haben das weder die Sozialdemokraten noch die Freien Demokraten vor. Sie wollen über diese Rednerbegegnungen, über Rundfunk und Fernsehen an die Menschen herankommen, und das nenne ich „Wandel durch Einwirkung", wie es Herr Dr. Barzel, Ihr Fraktionsvorsitzender, vor einem Jahr als Programm einer solchen geistigen Auseinandersetzung verkündet hat.

(Beifall bei der FDP.)

Denn wie sollte man anders einwirken als durch die Möglichkeit sich zu begegnen, Meinungen auszutauschen und durch Rundfunk und Fernsehen möglichst viele daran teilnehmen zu lassen?! „Wandel durch Einwirkung" kann ja wohl schlecht auf telepathischem Wege erreicht werden.
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zu dem machen, was Herr Kollege Walter und Herr Kollege Dr. Huys sagten. Die Gemeindewege und die Erstattung der Kosten für die durch Kettenfahrzeuge im Frühjahr und Herbst zerstörten Decken der Gemeinde- und Kreiswege sind Gegenstand ständiger Beschwerden und Klagen, die die Mitglieder des Gesamtdeutschen Ausschusses im Zonenrand- und im Grenzgebiet hören. Auch hier kann der Gesamtdeutsche Minister nur sagen: Der Verkehrsminister ist zuständig, vielleicht in bezug auf die Ausgleichszahlungen der Herr Finanzminister. Der gesamt-



Bundesminister Dr. Mende
deutsche Minister wird sich um die Intensivierung und Koordinierung der Angelegenheit bemühen.
In bezug auf die kulturelle Förderung, Herr Dr. Huys, sieht es so schlecht nicht aus. Im Gesamtdeutschen Ministerium stehen dank der Großzügigkeit des Haushaltsausschusses 25 Millionen DM für den Haushalt 1966, also 4 Millionen DM mehr als im vorigen Jahr, davon 22 Millionen DM für kulturelle und Schulbautenförderung im Zonenrandgebiet und 3 Millionen DM im Grenzgebiet, zur Verfügung. Hier konnten durch das Gesamtdeutsche Ministerium einige bemerkenswerte Förderungsmaßnahmen in Gang gebracht werden. Wenig genug! Ich habe im ersten Optimismus eine Verdoppelung der Mittel von 18 auf 36 Millionen DM beantragt. Ich bin zufrieden, .daß ich bei 25 Millionen DM gelandet bin.
Meine Damen und Herren, zu der Frage der Begegnungen der Bürgermeister und Landräte darf ich Ihnen noch einige wichtige Mitteilungen machen, wichtig, weil sie Anlaß zum Nachdenken sind. Bisher waren unsere Bürgermeister und Landräte gehalten, allenfalls die Amtshilfe über die Demarkationslinie anzustreben, aber Einladungen nach den mitteldeutschen Städten und Kreisen sollten sie nach der Empfehlung nicht annehmen. Das hat sowohl den Deutschen Städtetag wie den Deutschen Gemeindetag veranlaßt, das Gesamtdeutsche Ministerium um die Prüfung zu bitten, ob es denn im Jahre 1965 noch zweckmäßig sei, sich zu isolieren, während alle anderen an uns vorbei nach Mitteldeutschland reisten. Im Jahre 1965 waren 315 000 Besucher aus 60 Nationen in Dresden. Dresden ist für viele das europäische Hiroshima. Man wollte sehen: Wie wird diese Stadt mit ihrem Zerstörungsgrad fertig? Dresden ist auch kulturhistorisch interessant. 315 000 Besucher aus 60 Nationen! Die Paten- und Freundschaften von Städten Westeuropas mit Städten Mitteldeutschlands haben bereits die Zahl 100 überschritten. Das ist hier gar nicht bekannt, zum Teil weil man es nicht liest, zum Teil weil man nach Christian Morgenstern handelt, also messerscharf schließt, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. Hören Sie bitte, wie viele Patenschaften und Freundschaften abgeschlossen wurden: 58 mit Städten Frankreichs, 10 mit Städten Finnlands, 14 mit Städten Italiens, 6 mit Städten in Großbritannien, 2 mit Städten in Senegal, 2 mit Städten in Tunesien und einige mit Städten in Belgien, Dänemark, Indien, Indonesien und Japan, insgesamt mehr als 100 Patenschaften und Freundschaften. Ich halte es nicht für zweckmäßig, daß dann unsere Bürgermeister und Landräte nicht nach Mitteldeutschland dürfen und nicht die mitteldeutschen Kommunalvertreter hierher einladen dürfen, während an ihnen vorbei ein solcher europäischer Austausch stattfindet. Das kann nicht im Sinne gesamtdeutscher Begegnungen liegen.
Darum hoffe ich, daß im Rahmen der neuen Richtlinien über kommunale Fragen — wohlgemerkt, nur über kommunale Fragen! — auch die Landräte und Bürgermeister wechselseitig sprechen, nach Mitteldeutschland reisen und ihre Kollegen aus Mitteldeutschland zu uns einladen und bei uns informieren können über Probleme des Aufbaus unserer Städte und alle jene Fragen, die zur kommunalen Verantwortung gehören. Wir können unseren nichtkommunistischen Bürgermeistern und Landräten mindestens das gleiche Vertrauen entgegenbringen, das unsere westlichen Bündnispartner offensichtlich vielen kommunistischen Bürgermeistern, jedenfalls aus französischen und italienischen Städten, entgegenbringen. Denn bisher war es nicht möglich, diesen Reisestrom zum Teil kommunistischer Bürgermeister und ihrer Stadtvertretungen aus Städten Frankreichs und Italiens nach Mitteldeutschland zu verhindern.
Ich verspreche mir auch von dieser Reisetätigkeit der Bürgermeister und Landräte ein Stück gesamtdeutscher Bewegung im Sinne eines Wandels durch Einwirkung. Er wird bescheiden genug sein; aber — ich komme auf den Ausgangspunkt zurück — die Deutschlandpolitik ist, gemessen an unseren Hoffnungen und Erwartungen von 1949 und 1950, unendlich schwieriger geworden, sie wird noch schwieriger werden, und wir werden sie mit alten Klischeevorstellungen nicht mehr bewältigen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504428900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir stimmen ab über den Einzelplan 27. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf den
Einzelplan 14
Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung
— Drucksachen V/583, zu V/583 —
Berichterstatter ist der Abgeordnete Leicht. Wünscht .der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir führen eine allgemeine Aussprache durch. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Wienand.

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0504429000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Sozialdemokratische Partei Deuschlands bedeutet die Sicherheitspolitik die Wahrung der Unantastbarkeit des territorialen Bestandes der Bundesrepublik Deutschland, die Wahrung der demokratischen Rechts- und Sozialordnung, wie sie im Grundgesetz niedergelegt und in freier Selbstbestimmung durch die Bürger unseres Staates weiterentwickelt und verwirklicht wird.
Die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik gewinnt noch einen besonderen Aspekt durch die immer noch anhaltende erzwungene Teilung Deutschlands. Außen- und Innenpolitik, Sicherheits- und Wiedervereinigungspolitik sind daher in ihren entscheidenden Zielen verbunden. Diese Ziele können nur gemeinsam und gleichzeitig verfolgt werden.



Wienand
Der Bewahrung des Friedens, der Sicherung der Freiheit, der friedlichen Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechtes für das ganze deutsche Volk haben die 17 363 Millionen DM des Einzelplans 14, des Verteidigungshaushalts 1966 zu dienen. Diese 17,36 Milliarden DM binden ein Viertel des Volumens des Bundeshaushalts 1966.
Hier soll von mir nicht geprüft und untersucht werden, ob und inwieweit der Einzelplan 14 in dieser Größenordnung unseren wirtschafts- und finanzpolitischen Erfordernissen Rechnung trägt. Eine solche Prüfung wurde bereits unter konjunkturpolitischen und währungspolitischen Gesichtspunkten vorgenommen. Aber Fragen nach der Stellung der Bundesrepublik Deutschland in der NATO, der Verteidigungskonzeption der NATO, unserem Verteidigungskonzept unter gesamtverteidigungspolitischen Gesichtspunkten, Fragen der Rüstungstechnik, Fragen der Rüstungswirtschaft und Beschaffung, Fragen der Organisation und Arbeitsweise im Ministerium, Fragen langfristiger Planung, Fragen der Planung und Planungsmethoden ,der oberen, vor allem der politischen Führung verlangen gebieterisch nach einer breit angelegten Diskussion, verlangen nach Klärung und Beantwortung.
Die Diskussion muß so offen wie möglich mit einem starken Engagement der Öffentlichkeit geführt werden. Hierzu bedarf es guter und objektiver Informationen. Die Bundesregierung und hier vor allem der verantwortliche Minister haben diese Informationen in der Vergangenheit und Gegenwart nicht in ausreichendem Maße gegeben. Erforderliche Diskussionen sind mehr gehemmt denn gefördert worden. Der zuständige Ausschuß, der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages, war aus den bekannten Gründen nicht in der Lage, ohne Zeitdruck mit der erforderlichen Gründlichkeit die hier aufgeworfenen Probleme, die im Zusammenhang mit der Beratung des Haushalts hätten untersucht und diskutiert werden müssen, zu untersuchen. Der Verteidigungsausschuß hat, teils durch die Regierung verschuldet, teils aus .eigenem Verschulden, seit Jahren keine gründliche Durchleuchtung des Verteidigungshaushalts mehr vorgenommen.
Sichtbar gewordene, heute jedem erkennbare Schwächen unserer Streitkräfte liegen vornehmlich auf drei Gebieten: in der militärischen Organisation der Spitze, im inneren Gefüge der Bundeswehr, in der Auswahl und Beschaffung der Waffensysteme. Die SPD hat ihre Vorstellungen zur Verbesserung auf diesen Gebieten, kurz: ihre Vorstellungen für eine Erhöhung des Einsatzwertes der Bundeswehr zur Erfüllung der ihr gestellten Aufgaben der Öffentlichkeit und damit der Regierung bereits im November 1964 bekanntgegeben. Wir haben ebenfalls in der Karlsruher Entschließung zur Lage der Bundeswehr darauf hingewiesen, daß eine Verwirklichung unserer Vorschläge eine Umschichtung des Verteidigungshaushalts erforderlich macht.
Eine gründliche Untersuchung nach bestimmten finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen und haushaltstechnischen Grundsätzen führt bei diesem Haushalt genau wie bei den vorhergehenden Haushalten
zu dem Ergebnis, daß erstens dem Verteidigungshaushalt keine klaren Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung der Streitkräfte zugrunde liegen. Hier liegt — das möchte ich als Fußnote anmerken — einer der Gründe für den bis heute recht unausgeglichenen Aufbau der Bundeswehr. Der Verteidigungshaushalt ist zweitens nicht auf errechneten und geprüften Kostenfaktoren aufgebaut worden. Hier liegt ein weiterer Grund für den bisher unausgeglichenen Aufbau der Bundeswehr: Geldmangel auf der einen und Überfluß auf der anderen Seite. Für den Verteidigungshaushalt fehlt drittens eine zuverlässige und laufende Ausgabenkontrolle.
Ich möchte hier nur einige Beispiele anführen. Mir wurde mitgeteilt — und ich bitte sehr darum, daß die Richtigkeit dieser Mitteilung überprüft wird —, daß z. B. bei Zubehörteilen für ein Flugzeug kleine Ersatzteile, die laufend benötigt werden, also Massenartikel, deren Summierung zu erheblichen Kosten führt, zu stark übersetzten Preisen, teilweise bis zu 5000 % übersetzt, der Bundeswehr verkauft werden.

(Hört! Hört! bei der SPD.) Ich habe hier einen Keramikwiderstand.


(Der Redner zeigt den Gegenstand.)

Bestandteile: etwa 50 cm Bandmaterial, zwei Keramikplatten und fünf Schrauben mit Muttern — also Verbrauchsmaterial. Das ist bei einer westdeutschen Firma zu einem Einzelpreis von rund 119 DM beschafft worden,

(Zuruf von der SPD: Darüber lachen die [zur CDU/CSU]!)

— ja, darüber sollte man nicht lachen —, obwohl mir Fachleute versichert haben, daß man das überall ohne große Anstrengungen für knapp 5 DM produzieren könne.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Eine Röhre — ich habe auch diese mitgebracht — —

(Der Redner zeigt den Gegenstand — Unruhe bei der CDU/CSU.)

— Herr Haase, ich würde nicht darüber lachen. Wenn Sie sehen, wie eng wir im Verteidigungshaushalt liegen und wie schlecht es um eine Verteidigungsökonomie in der Bundesrepublik bestellt ist, dann sollten Sie sich Sorgen machen und sollten nicht über diese Beispiele lachen, sondern erst einmal prüfen, ob etwas daran ist.

(Beifall bei der SPD.)

Diese Röhre, die nach 80 bis 100 Betriebsstunden ausgewechselt werden muß, ist vor einiger Zeit zu einem Preis von über 500 DM beschafft worden. Nachdem die Truppe dagegen Sturm lief, hat man die Sache überprüft. Dann hieß es: Es kommen andere neue Röhren, die kosten nur 360 DM. Bei einer Infraprobe hat man aber festgestellt, daß es die gleichen Röhren sind. Diese Röhren sind auf dem freien Markt für knapp 6 DM zu bekommen.

(Hört! Hört! und weitere Zurufe von der SPD.)




Wienand
Über eine Reihe von Firmen wird dann von der
Bundeswehr ein Endpreis von 360 DM dafür bezahlt.

(Erneute Zurufe von der SPD.)

Die Bordleiter für ein Flugzeug wird aus dem Ausland für 1100 DM beschafft, obwohl sie im Inland in derselben Qualität im Einzelhandel zu einem Stückpreis von 100 DM zu erhalten ist.
Ich könnte Dutzende solcher Beispiele anführen. Ich verzichte hier darauf, weil ich glaube, daß das eine wertvolle und sinnvolle Aufgabe des Haushaltsausschusses und des Verteidigungsausschusses in der nächsten Zukunft sein muß. Vom Verteidigungsministerium sollte nicht so viel Sorgfalt darauf verwandt werden, woher der Wienand oder die SPD wohl ihre Informationen haben könnte, sondern es sollte den Beispielen nachgegangen und die Verhältnisse sollten geändert werden.

(Beifall bei der SPD.)

Hinzu kommen Haushaltsvoranschläge in so undurchsichtig gegliederter Form, daß dem Parlament seine Kontrollaufgabe wesentlich erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wurde und wird. Die Öffentlichkeit konnte und kann sich an Hand der Haushaltspläne kein klares Bild über die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verteidigungshaushaltes machen. Wir vermissen weiter einen jährlichen Bericht, der vor Einbringung des Haushaltes die für notwendig erachteten finanziellen, materiellen und personellen Aufwendungen darlegt, vor allem aber die angestrebten Ziele erläutert und zur Diskussion stellt. Von der häufig geübten Praxis einer Geheimhaltung zum Schutz von Einzel- und Gruppeninteressen muß und kann abgegangen werden. Ich führe hier — nicht um heute die Diskussion zu provozieren — die jüngsten Vorgänge an. Hier hätte ich eine mehr der Öffentlichkeit dienende Arbeit von den verantwortlichen Stellen lieber gesehen als den Ablauf, wie wir ihn erlebt haben. Ich sage hier noch einmal ausdrücklich im Namen meiner Freunde, es muß von allen Stellen allergrößter Wert darauf gelegt werden, daß eine Klärung so bald wie möglich erfolgt. Erforderlich ist eine strengere Disziplin im Geheimschutz überall dort, wo das Wohl der Bundesrepublik Deutschland wirklich gefährdet ist. Kurz, die Verteidigungspolitik muß insgesamt transparent gemacht werden.
Die Verteidigungsökonomie ist in der Bundesrepublik Deutschland noch sehr wenig entwickelt, obwohl sie ähnliche Aufmerksamkeit wie die Bildungsökonomie verdient. 1963 und 1964 haben wir von der Opposition dem neu ins Amt gekommenen Minister eine faire Chance gegeben. Herr Minister von Hassel konnte während dieser Einarbeitungs-
und Schonzeit sehr wohl die Zustimmung der Sozialdemokraten für seine Politik und damit für den Haushalt gewinnen. Aus grundsätzlichen staatspolitischen Erwägungen, aber auch im Interesse der Angehörigen der Bundeswehr hofften wir, daß der Herr Minister die Chance erkennen und wahrnehmen würde, daß er sich mehr als Minister denn als Parteimann verstehen würde. Die Erwartungen und Hoffnungen erfüllten sich leider nicht. Wir wurden bitter enttäuscht.
Ich darf daran erinnern, daß in der zweiten Lesung des Haushalts 1965 am 24. Februar 1965 mein Kollege Wellmann darauf hinweisen mußte, daß der damalige Haushaltsvoranschlag in Höhe des Vorjahresansatzes von 19,2 Milliarden DM vom Herrn Minister für unabdingbar und notwendig erklärt wurde. Nur neun Tage später — nur neun Tage später! — wurde dieser „notwendige und unabdingbare und im einzelnen geprüfte" Voranschlag ohne Widerspruch der Regierung innerhalb einer zweistündigen Beratung im Haushaltsausschuß um rund 1000 Millionen DM, also um rund eine Milliarde DM, gekürzt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Na und?!)

— Na und! Das nennen Sie also ein korrektes Aufstellen des Haushaltsplans? Wir haben darüber eine andere Meinung. Unser Sprecher knüpfte seinerzeit daran die Frage, ob angesichts dieser Sachlage im Verteidigungsministerium die Aufstellung des Haushalts und die zugrunde liegenden Planungen mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgen oder ob hier nicht doch etwas zu sehr über den Daumen gepeilt wird. Unsere Bedenken des Vorjahres sind durch die Amtsführung des Herrn Ministers stärker geworden. In dem von ihm geleiteten Ministerium wird einfach nicht mit der notwendigen Übersicht und leider ohne klare, ausreichende Planung gewirtschaftet.
Die sinnvolle Leitung des Ministeriums und damit auch die Führung der Truppe ist schließlich überhaupt erst möglich, wenn die notwendigen Reformen ernsthaft in Angriff genommen werden. Wo bleibt z. B. — darüber sollten Sie, Herr Kollege Schmidt, sich empören — das seit Jahren vom Gesetzgeber geforderte Organisations- und Gliederungsgesetz? Wann ist der Herr Minister endlich bereit, eine den Notwendigkeiten moderner Streitkräfte angemessene Organisation in seinem Hause durchzuführen?
Die Starfighter-Debatte hat leider schlagend bewiesen, daß der Bundesverteidigungsminister auch heute diese Notwendigkeiten noch nicht einmal erkannt hat und weiterhin versucht, sein Ministerium nach veralteten Verwaltungsgrundsätzen zu gliedern. Offensichtlich will man nicht zur Kenntnis nehmen, daß die Bundeswehr das größte Wirtschaftsunternehmen in unserem Lande ist. Die Bundeswehr muß daher nicht nur nach militärischen, sondern auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden. Allein in einem Starfighter-Geschwader sind rund eine Milliarde D-Mark investiert und fast 2000 Menschen tätig.
Zunehmend größere Sorgen bereitet uns die Personalpolitik des Ministeriums, also des Herrn Ministers und seines Stellvertreters. Die Undurchsichtigkeit der Personalpolitik hat zu Spannungen im Ministerium und zu einer tiefen Kluft zwischen Truppe und Ministerium geführt. In jüngster Zeit hört man, daß sich ein hoher, ein sehr hoher Offizier mit Rücktrittsabsichten trägt, den Rücktritt ernsthaft erwägt. In der Truppe verbreitet sich die gefährliche und entmutigende Auffassung, daß das Leistungsprinzip ,durch andere Kriterien in Frage gestellt, wenn nicht gar umgekehrt zu werden droht. Subjektiv gefaßte Beurteilungen dürfen nicht alleiniges Kriterium der Qualitätsauslese sein und bleiben.



Wienand
Uneigennützige Zivilcourage bedarf der Anerkennung und Förderung. Wie steht es heute damit? Wir haben bereits in unserer Entschließung „Zur Lage der Bundeswehr" im November 1964 mit großer Sorge darauf hingewiesen, daß auf dem Gebiet der Personalwirtschaft und des Beförderungswesens keine klaren Richtlinien erkennbar sind und der kameradschaftliche Zusammenhalt durch unterschiedliche Maßstäbe, teils sogar durch persönliche Beziehungen bei Stellenbesetzungen und Beförderungen schwer belastet wird. Dies belastet die Moral der Truppe. — Dem Ausschuß und den Fraktionen des Bundestages liegt die Petition eines Generals vor. Es empfiehlt sich, dieser Petition sorgfältig nachzugehen. Man wird dabei weitere Gründe finden, wie ich sie in diesem Zusammenhang angeführt habe. — Die Moral des Soldaten ist genauso wichtig wie das Kaliber und die Bedienung seiner Waffen.
Ich muß noch einmal das Starfighter-Problem ansprechen. Über Jahre hinweg hat die verantwortliche Führung sich geweigert, einzusehen und zu erkennen, daß es mit der Beschaffung eines modernen Waffensystems nicht getan ist. Zu spät, leider viel zu spät, bemüht man sich jetzt, die personellen, technischen, organisatorischen und logistischen Voraussetzungen zu schaffen, um die Truppe in den Stand zu setzen, dieses Waffensystem auch als einsatzfähiges Instrument gebrauchen zu können. Erst unter dem Eindruck der im Sommer 1965 unerträglich werdenden Unfallquote war der Herr Minister bereit, einen umfangreichen Katalog von Maßnahmen der Öffentlichkeit und dem Parlament vorzulegen, um damit die Versäumnisse der Vergangenheit einigermaßen nachzuholen. Der Bundestag hat bis zur Stunde noch nicht all das vorliegen, was angekündigt wurde,, und es steht zu befürchten, daß die Sommerferien hier zu einer weiteren zeitlichen Verzögerung beitragen werden.
Niemand kann, niemand wird bezweifeln wollen, daß dadurch Geld und Material verschleudert worden sind. Der nachträgliche — hoffentlich noch nicht zu spät — unternommene Versuch, die Dinge in Ordnung zu bringen, wird teurer, meine Damen und Herren, jedenfalls wesentlich teurer als die Erarbeitung einer klaren Konzeption, nach der auf Grund sorgfältiger Planung das Waffensystem schrittweise in der Truppe eingeführt worden wäre.
Leider müssen wir befürchten, daß sich ähnliche Fehler auch bei anderen Waffensystemen in anderen Teilstreitkräften wiederholen werden. Hier soll nur daran erinnert werden, daß bereits über weitere Flugzeugprogramme und Nachfolgemuster für die
F 104 G gesprochen wird — gesprochen wird, sage ich —, daß beim Heer die Einführung des Standardpanzers in großer Zahl bevorsteht, daß ein umfangreiches Beschaffungsprogramm für mittlere Hubschrauber bereits angelaufen ist und die Entscheidung über die Beschaffung mittelschwerer Hubschrauber wohl in Kürze ansteht.
Für die Bundesmarine wurden die ersten drei Raketenzerstörer in den Vereinigten Staaten in Auftrag gegeben, ohne daß dem Verteidigungsausschuß bisher eine überzeugende - ich sage: eine überzeugende — Einsatzkonzeption vorgetragen worden
ist. Die Kosten dieses Raketenzerstörerprogramms werden mit Sicherheit — ich sage es heute schon voraus — wesentlich überschritten werden. Das Marinebauprogramm ist offensichtlich völlig ins Schwimmen geraten.

(Zuruf: Dazu ist die Marine ja wohl gedacht! — Heiterkeit.)

Schon diese Feststellungen reichen aus, um den verantwortlichen Minister zu fragen:
Erstens. Sind die personellen und materiellen Voraussetzungen vorhanden, um die Truppe in die Lage zu versetzen, mit diesen neuen Waffensystemen und Waffen fertig zu werden?
Zweitens. Ist Vorsorge getroffen, ist, Herr Minister, wirklich alles getan worden, damit wir nicht ähnliche Vorgänge erleben — _wenn auch für die Öffentlichkeit nicht in gleicher Weise sichtbar —, wie sie mit der Einführung des Starfighters inzwischen offenkundig geworden sind?
Für die Bundeswehr ergibt sich die Notwendigkeit, ihre Waffen laufend dem neuesten Stand der Technik entsprechend zu erneuern. Nur dann kann die Bundeswehr ihre Sicherheitsaufgaben erfüllen. Andernfalls — bei einer Bundeswehr mit veralteten Waffen und Geräten — wären die Milliardenbeträge für den laufenden Unterhalt der Bundeswehr nutzlos hinausgeworfenes Geld.
In welchem Tempo die Umrüstung erfolgen und wieviel jährlich dafür ausgegeben werden soll, hängt indessen von einer Reihe von Einflußfaktoren ab, die hier nicht alle angeführt werden können. Vier, wie mir scheint, Haupteinflußfaktoren möchte ich jedoch kurz anführen:
1. die wissenschaftliche und technische Entwicklung, deren Tempo in den letzten 20 Jahren immer schneller geworden ist; das militärische Gerät muß dadurch in immer kürzer werdenden Zeiträumen modernisiert, also ersetzt werden;
2. die außenpolitische Lage; in Spannungszeiten wird das Rüstungstempo beschleunigt werden und damit die Bedeutung' der einmaligen Ausgaben zunehmen;
3. die Wirtschaftskraft und Wirtschaftslage des eigenen Staates;
4. die Dringlichkeit zur Erfüllung sozialer, kultureller und anderer ziviler Aufgaben des Staates und der sich hieraus ergebenden finanziellen Erfordernisse.
Nachdem die Bundeswehr die durch politische Entscheidungen festgelegte Stärke erreicht hat und nahezu vollständig ausgerüstet ist, werden die fortdauernden Ausgaben zu einer relativ festen und auch relativ leicht vorausschaubaren und berechenbaren Größe. Die einmaligen Ausgaben sind demgegenüber wesentlich variabler; sie sind — grob ausgedrückt — eine Restgröße, die sich nach Abzug der fortdauernden Ausgaben ergibt, sobald die politische Entscheidung über die Höhe des Verteidigungshaushalts gefallen ist. Schon bei der vorjährigen Beratung wurde auf die bedenklichen Folgen eines Übergewichts der fortdauernden Ausgaben



Wienand
hingewiesen. Bereits 1964 hatten wir ein Übergewicht der fortdauernden Ausgaben von 54 % zu 46 %. 1965 betrug die Relation der fortdauernden zu den einmaligen Ausgaben 62 % zu 38 %. Jetzt, 1966, entfallen nach dem Soll des Haushalts auf die fortdauernden Ausgaben schon 65,2 % und auf die einmaligen Ausgaben nur noch 34,8 %. Wir sehen also, daß sich das Übergewicht immer mehr zu Lasten der einmaligen Ausgaben, der Investitionsausgaben, verstärkt.
Strategie und Sicherheitspolitik lassen sich bei einer solchen Entwicklung auf die Dauer nicht mehr als Ergebnis politisch-militärischer Analysen konzipieren; vielmehr reflektieren sie dann nur noch die zeitweilig gegebenen finanziellen Möglichkeiten des Staates. Voriges Jahr, wenn ich mich recht erinnere, wurden als abschreckendes Beispiel der Inhalt und die militärischen Erwägungen des britischen Weißbuches 1965 hier im Bundestag zitiert. Wir haben es damals abgelehnt und lehnen es auch heute noch ab, strategische und sicherheitspolitische Erwägungen befreundeter Nationen zum Gegenstand unserer haushaltspolitischen Auseinandersetzungen zu machen. Jedoch muß in diesem Zusammenhang eine Anmerkung, auf uns bezogen, erlaubt sein. Nachdem der Herr Verteidigungsminister am 10. Februar dieses Jahres — mit dem Stempel „vertraulich" versehen — uns Auslassungen mit dem Titel „Sicherheitspolitik und Bundeswehr in der 5. Legislaturperiode" zugestellt hat, können wir nur feststellen, daß diese Schrift in keiner Weise an Inhalt und Aussagefähigkeit etwa mit dem jährlichen britischen Weißbuch oder gar den Statements des amerikanischen Verteidigungsministers vor Senat oder Repräsentantenhaus — von seinen Berichten an den Herrn Präsidenten der Vereinigten Staaten ganz zu schweigen — zu vergleichen ist.

(Abg. Berkhan: Darum ist es ja auch vertraulich!)

Diese Schrift des Herrn Ministers ist — wie auch viele andere Unterlagen — unzureichend. Hier kann man nur sagen: Amerika, du hast es besser!
Doch nun zurück zum Übergewicht der fortdauernden Ausgaben gegenüber dem Beschaffungstitel! In diesem Zusammenhang ist noch zu bedenken, daß die Beweglichkeit der einmaligen Ausgaben weitgehend eingeengt wird durch die Devisenausgleichs- und Hilfsabkommen mit den Vereinigten Staaten und Großbritannien. Wir hören von 5,4, wir hören von 3,2, wir hören von 2,6 Milliarden DM. Das sind widersprechende Aussagen. Wir hören keine klare Erklärung; kein Orientierungspunkt ist hier sichtbar. Zu der vermutlichen Höhe sollte sehr schnell eine Erklärung abgegeben werden, damit eine Größe vorhanden ist, an der man sich orientieren kann. Diese Verpflichtungen haben durchweg lang- oder mittelfristig für eine ganze Anzahl von Jahren bindenden Charakter. Auch deshalb ist eine unmißverständliche und klare Aussage der Regierung nötiger denn je. Kann die Regierung sagen, was an manövrierfähiger Masse in unserem Verteidigungshaushalt in den nächsten Jahren verbleibt? Wird hier heute endlich die Frage beantwortet, wie sich die Bundesregierung unter diesen Umständen die Abdeckung jener möglicherweise auf uns zukommenden zusätzlichen Belastungen vorstellt, die sich als Folgeerscheinungen des französischen Rückzugs aus der Organisation des Atlantikpakts auch für uns ergeben werden?
Da auch der Verteidigungshaushalt nur Teil des Gesamthaushalts ist und sich ohne Sonderstellung ebenso wie dieser nach allgemeinen Kriterien der wirtschaftlichen und sozialen Stabilität zu richten hat, wird die Bundesregierung auch in den kommenden Jahren die eventuellen Fehlsummen schwerlich aufbringen können, wenn auf dem Gebiet der Verteidigungsökonomie und der Verteidigungswirtschaft so weiter verwaltet und gewirtschaft wird, wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist und leider noch zur Zeit der Fall ist.
Unser Volk, meine Damen und Herren, und die Truppe haben einen Anspruch darauf, daß durch möglichst effektiven Mitteleinsatz und mit den Methoden moderner Kostenrechnung und sorgfältiger Vorausplanung gewirtschaftet wird. Ich sage hier als globale Behauptung, daß z. B. die nachgeordneten Behörden im Bereich der Bundeswehrverwaltung, was die Verwaltung des dort investierten Vermögens angeht, weit von einer sinnvollen Wirtschaft entfernt sind und dort enorm hohe Beträge sinnlos ausgegeben werden. Ich bin bereit, mit 20 bis 30 Einzelbeispielen aus dem Bereich einer einzigen Bundeswehrverwaltung zu dienen, wenn das Hohe Haus es wünscht; aber wir können es auch im Verteidigungsausschuß machen.

(Abg. Leicht: Dazu wäre schon längst Zeit gewesen!)

— Sie reden immer von der Zeit. Sie haben aber meistens die geschäftsordnungsmäßige Gestaltung der Zeit auf Grund von Mehrheitsbeschlüssen in der Hand.

(Lebhafte Zurufe von der Mitte.)

Der Geschäftslage des Bundestages Rechnung tragend, verzichte ich heute darauf und gehe auch nicht — Sie können beruhigt sein — in die Illustrierten, weil es hier und im Ausschuß ausdiskutiert werden kann und Sie dann hoffentlich besser erkennen, wie unökonomisch gewirtschaftet wird und wie groß die Widerstände im Hause sind, wenn sinnvolle Vorschläge gemacht werden, um Kosten einzusparen.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir haben eine Fülle schwerer, berechtigter Bedenken anzumelden. Diese Bedenken — die unzulängliche Amtsführung des Herrn Ministers, die unzureichenden Informationen, die nicht vorangegangene Diskussion in der Öffentlichkeit — verlangen auf den ersten Blick ein Nein zum Verteidigungshaushalt.
Wir haben jedoch gerade in der heutigen Zeit sorgfältig geprüft, wie unsere Stimmabgabe auszusehen hat. Wir haben darüber hinaus berücksichtigt:
1. Das Gesamtvolumen des Einzelplans 14 wahrt das Prinzip der Erhaltung und Stabilität von Währung und Wirtschaft.
2. Es soll verhindert werden, daß ein sachlich noch so begründetes „Nein" zur Leitung des Ver-



Wienand
teidigungsministeriums, zur Person des Herrn Ministers, zu der von ihm geübten Verwaltungspraxis und leider schon üblich gewordenen Mittelverwendung umgefälscht wird in ein „Nein" zur Bundeswehr.
3. Wir wehren und verwahren uns gegen die manchem so liebgewordene Gewohnheit, uns zu unterstellen, wir wollten die Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik Deutschland untergraben.
4. Die schwierige Situation in der Bündnispolitik erfordert ein Zurücktreten kritischer Vorbehalte zugunsten einer gemeinsamen überparteilichen Haltung bei den NATO-Reorganisations- und Reformverhandlungen.
5. Bedenken Sie alle, meine Damen und Herren, daß es unsere Pflicht und Ihre Schuldigkeit ist, nirgendwo ein falsches Bild über die Stellung der Sozialdemokraten zur Landesverteidigung entstehen zu lassen. Das schadet dem deutschen Volk und der gemeinsamen Sache — weil es bei einem denkbaren Gegner Zweifel an dem Verteidigungswillen unseres Volkes auslösen könnte.
6. Auch im befreundeten Ausland soll eine Fehlinterpretation der sozialdemokratischen Haltung zum NATO-Bündnis und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen nicht möglich sein, um die Position der eigenen Regierung nicht zu schwächen.
Aber dieses „Ja" zur Verteidigung bedeutet eben nicht, daß wir die Verwaltung dieses Ministeriums — von „Führung" spreche ich nicht — und die Politik des Herrn Ministers billigen. Die Vorgänge um das Waffensystem F 104 G sind doch nur ein Symptom!
Wir Sozialdemokraten hätten aus den dargelegten Gründen lieber ein vorbehaltloses „Ja" gesagt. Wir bedauern, daß dies nicht möglich ist. Wir enthalten uns zu diesem Haushalt der Stimme.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]: Eine jämmerliche Rede!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504429100
Das Wort hat der Abgeordnete Rommerskirchen.

Josef Rommerskirchen (CDU):
Rede ID: ID0504429200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wienand hat soeben erklärt, daß und warum sich die sozialdemokratische Fraktion bei der Verabschiedung des Verteidigungshaushalts der Stimme enthält. Die SPD-Fraktion hat bis zum Jahre 1962 immer gegen den Verteidigungshaushalt gestimmt, so daß die Stimmenthaltung in den nachfolgenden Jahren schon ein Fortschritt war.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Um so erfreulicher wäre es, wenn die Opposition angesichts ihrer heutigen Einstellung zur Landesverteidigung auch die letzte, sich selber gesteckte Hürde überspringen und dem Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung zustimmen würde.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihre Stimmenthaltung im wesentlichen mit mangelndem Vertrauen zur politischen Führung der Bundeswehr, d. h. ganz konkret zur Person des Verteidigungsministers begründen, dann darf ich Ihnen heute einmal in aller Deutlichkeit sagen: das ist meines Erachtens ein ungemein bedenkliches Verfahren, solange Sie keine wirklich überzeugenden Gründe für ein Mißtrauen, nämlich nicht den Beweis des Versagens erbringen.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Lauter globale Behauptungen! — Lachen bei der SPD.)

Sie können die Person nicht vom Amt trennen. Das zwiespältige Ja zur Bundeswehr einerseits und das Nein zum Verteidigungsminister andererseits ist deshalb so bedauerlich, weil dadurch die Befehls- und Kommandogewalt,

(Zurufe von der SPD: Aha!)

die auch nach Ihrem Willen bei der politischen Führung liegen soll und liegt, 'in ihrer entscheidenden Bedeutung und Auswirkung beeinträchtigt wird.

(Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Es muß einfach der Einsatzkraft der Bundeswehr — so sehe ich das und sage es deshalb — abträglich sein und es wirkt auch verhängnisvoll, wenn von Ihnen andauernd zwischen der Truppe und ihrer obersten Führung Mißtrauen gesät wird.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Sie eifern, Sie brauchen das als Lebenselement! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Ich komme sofort darauf, Herr Wehner, denn von Lebenselement spreche ich jetzt. — Kontrolle und Kritik durch das Parlament, immer so scharf wie nötig, müssen und sollen selbstverständlich geübt werden. Aber eine Abqualifizierung der Verantwortlichen ohne überzeugenden Grund und zwingende Not ist schädlich.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Und so ist es auch!)

Wie sehr wachen auch Sie gerade etwa bei der Behandlung von entsprechenden Petitionen — Herr Kollege Wienand sprach soeben die eines Generals an — über eine gerechte Beurteilung der militärischen Führung! Das hat wohl seinen besonderen Grund. Dann lassen Sie eine solche auch dem Inhaber der obersten Befehls- und Kommandogewalt zukommen! Ich darf noch einmal feststellen: Kritik, jawohl, Herr Wehner, gehört zum demokratischen System. Aber gerade im Bereich der Verteidigungspolitik muß sie mit besonderer Sorgfalt geübt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504429300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Josef Rommerskirchen (CDU):
Rede ID: ID0504429400
Bitte schön.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504429500
Bitte, Herr Abgeordneter Wienand.

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0504429600
Verstehe ich Sie richtig, Herr Kollege Rommerskirchen, daß Sie damit auch sagen wollen, daß dann die besondere Sorgfalt und Rücksichtnahme auf das Amt vor allen Dingen auch gegenüber der Truppe und der Öffentlichkeit vom Herrn Minister geübt werden muß?

Josef Rommerskirchen (CDU):
Rede ID: ID0504429700
Herr Kollege, ich verstehe das genauso. Ich sehe aber keinen Verstoß dagegen, mindestens — das darf ich einmal sagen — nicht mehr Verstoß, als ihn der Regierende Bürgermeister von Berlin als Vorsitzender Ihrer Partei dann auch begeht.

(Widerspruch und Zurufe von der SPD.)

— Darf ich mir erlauben, einmal eine Parallele zu wagen? Wenn wir so handelten wie Sie, dann hätten wir eigentlich die Berechtigung, uns bei der Verabschiedung der Berlin-Hilfe der Stimme zu enthalten, weil uns das Gebaren des Regierenden Bürgermeisters als Vorsitzender der Partei bei Gott nicht gefällt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Erler hat im vergangenen Jahr in der Haushaltsdebatte festgestellt — ich zitiere ihn wörtlich —, daß es dem deutschen Volke schade, wenn der deutschen Öffentlichkeit durch ungerechtfertigte Unterstellungen oder Verdächtigungen ein falsches Bild über die Stellung der Sozialdemokratischen Partei zur Landesverteidigung vermittelt würde. Ich meine feststellen zu dürfen, daß es dem deutschen Volk auch schadet, wenn in der Armee, die zum Schutz eben dieses Volkes da ist, durch ungerechtfertigte, übertriebene Anschuldigungen das Vertrauen zu ihrer obersten Führung gemindert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das Wort „Schonzeit", das Herr Kollege Wienand brauchte, kennzeichnet meines Erachtens bereits eine Einstellung, die zu verwerfen ist. Denn der Schonzeit folgt allerdings tatsächlich die Abschußzeit.

(Abg. Wienand: Nicht, wenn er sich bewährt! — Abg. Berkhan: Nur krankes Wild wird abgeschossen!)

Meine Damen und Herren, wer will und kann ernsthaft bestreiten, daß die politische Führung der Bundeswehr, lobenswert unterstützt von der militärischen, ganz zielstrebig und gewissenhaft bemüht ist, ihre äußerst schwere Aufgabe zu erfüllen? Daß sie dabei vielfach außerordentliche Schwierigkeiten meistern muß, die sich nicht zuletzt aus der Gesamtverfassung, aus den Einstellungen und Haltungen und Verhaltensweisen unserer Wohlstandsgesellschaft ergeben, ist dem Einsichtigen jedenfalls klar.
Die Tatsache, daß man im großen und ganzen überall in der freien Wirtschaft mehr verdienen kann als bei der Bundeswehr, hat angesichts der allzu einseitigen, materiellen Interessiertheit bei leider allzu vielen ganz unausweichliche Folgerungen in der Bundeswehr, die sich vor allem im Mangel an qualifizierten Kräften niederschlagen. Wir haben darüber im Zusammenhang mit dem Starfighter-Problem sprechen müssen.
Die andere Tatsache, daß zwischen den Freiheitsrechten und den Gemeinschaftspflichten bei allzu vielen Bürgern kein richtiges, kein ausgewogenes Verhältnis besteht, ergibt in der Bundeswehr, die nur ein Spiegelbild dieser Bürgerschaft sein kann und nach unserem Willen auch sein soll, weil wir sie nicht als Gesellschaft in der Gesellschaft haben wollen, unausbleiblich entsprechende Schwierigkeiten hinsichtlich der inneren Führung.
Auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Verantwortung des Vorgesetzten und der Einsicht der Untergebenen in der Welt von Befehl und Gehorsam ist auch hier im Hohen Hause schon häufig genug und von allen Seiten hingewiesen worden.
Die dritte Tatsache zur Kennzeichnung der Schwierigkeiten, die Tatsache nämlich, daß die weltpolitische Kräftekonstellation und damit verbunden die Interessenlage der Staaten sich fortlaufend verändert, wirft ebenfalls Probleme und Schwierigkeiten auf, die nicht mit einem Federstrich zu lösen sind, wie Sie das anscheinend wünschen, sondern die nur mit Selbstvertrauen, mit Zielstrebigkeit, mit Beharrlichkeit und Geduld überwunden werden können.

(Abg. Berkhan: Und Verstand!) — Und Verstand, jawohl!


(Abg. Berkhan: Selbstvertrauen in allen Ehren; aber ohne Verstand reicht es nicht aus!)

— Wir können es gern hinzutun, Herr Kollege. Ich bin darin mit Ihnen einig. Da gibt es zweifellos keine Meinungsverschiedenheiten.

(Zuruf von der SPD: Aber so hohe Ansprüche stellen Sie nicht!)

In jeder Hinsicht war und ist die Bundesregierung und ihr Verteidigungsminister als der für die Sicherheit besonders Zuständige doch ganz deutlich erkennbar darum besorgt und bemüht, das geradezu Menschenmögliche bis zur äußersten Kraftanstrengung zu leisten. Die bisherige Amtszeit gerade dieses Verteidigungsministers ist vom Bemühen gekennzeichnet, bei der Bundeswehr besonders den Gesichtspunkt der erforderlichen Qualität Rechnung zu tragen. Das entspricht im übrigen genau der Erwartung, die wir hier im Hohen Hause und die auch die Öffentlichkeit bei der Übernahme des Amtes gerade in ihn setzten.
Nach den notgedrungenen stürmischen Aufbaujahren ging es und geht es der politischen und der militärischen Bundeswehrführung um die Festigung und Erhöhung der Einsatzkraft, und das sowohl in personeller wie in geistiger und materieller Hinsicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein ganzer Katalog von Einzelmaßnahmen zur Erfüllung dieses Vorhabens könnte ausgiebig vorgestellt werden, wenn die Zeit das erlauben würde. Sie beginnen bei der Streckung von Aufstellungsvorhaben und reichen über Verbesserungen des Status der



Rommerskirchen
Unteroffiziere und Offiziere einschließlich, Herr Kollege Wienand, der Neuordnung der Richtlinien für die Personalführung, über die Verbreiterung der Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten und deren Vertiefung, über den ganz erheblichen Ausbau von Fürsorge- und Betreuungsmaßnahmen, über die Neuordnung des Musterungs- und Einziehungsverfahrens einschließlich des sofortigen verantwortlichen Reagierens auf Sonderprobleme wie etwa die Berücksichtigung der Abiturtermine infolge der Umstellung des Schuljahrsbeginns — wir hörten ja heute morgen davon —, über die Fortentwicklung des Wehrrechts, über die Modernisierung und Verbesserung der Bewaffnung und Ausrüstung bis zur Straffung der Organisation innerhalb des Ministeriums, innerhalb der Teilstreitkräfte und im Bereich der territorialen Verteidigung. Der Ausbau der geforderten zentralen Planungsorganisation ist zügig im Gange; die Entwicklung zahlreicher bi- und multilateraler Gemeinschaftsprojekte, ein nicht unwesentlicher Beitrag zur Verflechtung innerhalb des Bündnisses, wird mit allen Kräften gefördert.
Den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses wurde eine umfangreiche Arbeitsunterlage unter dem Titel „Sicherheitspolitik in der 5. Legislaturperiode" vorgelegt. Sie weist ein klares Konzept aus. Sie spricht alle Komponenten der Verteidigungspolitik an, die Herr Kollege Wienand am Anfang als notwendig ansprechbar erwähnte. Sie macht darüber hinaus deutlich, daß bis in die 70er Jahre hinein in vielen Details vorausgeplant wird, also die geforderte Vorausschau tatsächlich erfolgt.
Es kann und es wird und es muß so sein, daß über Einzelplanungen verschiedene Auffassungen und Wertungen bestehen; aber daß verantwortlich geführt und gearbeitet wird, ist nach meiner Auffassung nicht zu bestreiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Niemand, der die Dinge nüchtern betrachtet, wird in Abrede stellen, daß es auch Unzulänglichkeiten gibt. Aber mir scheint, daß es wesentlich ist, ob sie auf subjektives Unvermögen und schuldhaftes Unterlassen oder auf objektive Strukturschwierigkeiten und eine begrenzte Leistungskraft in Gesellschaft und Staat zurückzuführen sind. Ich glaube, diese Überprüfung nehmen Sie selber nicht gewissenhaft genug vor.
Ebenso gibt es in einem so vielgestaltigen Verantwortungsbereich, wie es der des Verteidigungsministeriums darstellt, beklagenswerte, auch kriminelle Vorgänge. In einem solchen Falle sollte sich aber angesichts unserer rechtsstaatlichen Ordnung jeder der Verdächtigung etwa im Hinblick auf die Verletzung der Aufsichtspflicht und überhaupt jeder Spekulation über Schuld und Mitschuld enthalten, bis volle Klarheit geschaffen ist.

(Beifall in der Mitte.)

Die vorgestrige Sondersitzung des Verteidigungsausschusses, die im übrigen auf Antrag der CDU/ CSU-Mitglieder dieses Ausschusses stattfand, befaßte sich mit einem solchen Fall. Ich erkläre hiermit: Wir enthalten uns — so wie es auch vereinbart ist — jeden Kommentars, um die Ermittlungen
nicht zu stören, und jeder Wertung, bevor das Ermittlungsergebnis vorliegt. Wir meinen, daß dafür jedermann in unserem Lande im Interesse der Rechtsstaatlichkeit Verständnis haben sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir sind überzeugt, daß zur Aufklärung und Ausmerzung der Unkorrektheiten in schonungsloser Gewissenhaftigkeit und Verantwortlichkeit alles Mögliche und Notwendige geschieht. Vielleicht kann der Herr Verteidigungsminister, der im übrigen schon vor 14 Tagen den Obleuten der drei Fraktionen von dem Vorfall als solchem Kenntnis gegeben hatte, selbst noch dazu Stellung nehmen. Ich würde das begrüßen.
Aber ich möchte noch eines feststellen. Herr Kollege Wienand — und ich bitte Sie sehr herzlich, genau zuzuhören —, wer immer in einem Untersuchungsstadium wie dem jetzigen bereits von „Korruptionssumpf" redet, wie Sie das gestern schriftlich getan haben, begibt sich mindestens in die Nähe der Pauschalverdächtigung und -beschuldigung.

(Beifall in der Mitte.)

Eine solche Pauschalverdächtigung lehne ich jedenfalls nicht nur aus Gründen der Gerechtigkeit, sondern auch im Interesse der Ehre der unzähligen Beamten, Offiziere und Angestellten, die im Verteidigungsbereich peinlich korrekt ihr Amt verwalten und ihre Pflicht erfüllen, leidenschaftlich ab.

(Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504429800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0504429900
Darf ich fragen, ob Ihnen, Herr Kollege Rommerskirchen, noch in Erinnerung ist, welches Wort der Herr Bundesverteidigungsminister in dem vorhin von Ihnen erwähnten Brief vom 13. Mai selbst gebraucht hat?

Josef Rommerskirchen (CDU):
Rede ID: ID0504430000
Ich erinnere mich nicht ganz genau; ich müßte den Brief jetzt vor mir liegen haben. Ich bin aber fest überzeugt, daß es auch nicht annähernd darin so lautet, wie Sie es ausgedrückt haben, wenn Sie schreiben, es habe „den Anschein, als ob es sich hier nicht um einen Einzelfall, sondern um einen Anfall handele. Wenn es auf dem Verteidigungssektor einen Korruptionssumpf gibt, muß er im Interesse unserer Landesverteidigung beseitigt werden."

(Zurufe von der SPD.)

— Das ist bereits der Anflug von Pauschalverdächtigung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504430100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten Wienand?

Josef Rommerskirchen (CDU):
Rede ID: ID0504430200
Herr Wienand, ich habe Sie doch auch nicht dauernd gefragt. Ich



Rommerskirchen
meine, Sie sollten mich zur Einhaltung der vereinbarten Zeit zu Ende kommen lassen; darum sind wir gebeten worden, sonst hätte ich mir hier für meine Ausführungen auch länger Zeit nehmen können.
Herr Kollege Wienand, das war interessant, als Sie eben recht demonstrativ und wirkungsvoll einige Beispiele für eine unmögliche Beschaffungspraxis vorführten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aus der linken Tasche! — Kalanag mit dem Zauberstab!)

Herr Wienand, da Sie von anderen immerzu und mit Recht sofortiges Einschreiten gegen Unkorrektheiten fordern, darf ich Sie doch einmal fragen: Sind Ihnen die hier vorgeführten Beispiele erst heute nachmittag bekanntgeworden, oder kennen Sie die nicht schon länger? Wenn Sie die schon länger kennen, frage ich Sie: Warum Sie sie nicht schon längst im Verteidigungsausschuß zur Sprache gebracht?

(Beifall in der Mitte.)

Das ist zweierlei Maß, das wir nicht tolerieren werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Schau à la Kalanag!)


Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0504430300
Sind Sie bereit, Herr Kollege Rommerskirchen, zur Kenntnis zu nehmen, daß mir die Beispiele erstmals am Dienstag in der Arbeitskreissitzung von Kollegen Bals genannt wurden und daß ich sie erst heute mittag restlos verifizieren konnte?

Josef Rommerskirchen (CDU):
Rede ID: ID0504430400
Herr Wienand, dann darf ich Ihnen jetzt sagen, daß Sie auf solche Beispiele, wie Sie sie heute vorgeführt haben, vor einiger Zeit einmal sehr verklausuliert hinwiesen, ohne allerdings damals Roß und Reiter zu nennen, so daß ich vermuten mußte, daß Sie über ähnliche Beispiele jedenfalls seit längerem informiert sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir von der CDU/CSU stimmen dem Haushaltsplan zu, der von der Regierung den Bedürfnissen entsprechend gestaltet wurde und nach den Kürzungen im Haushaltsausschuß um 137 Millionen DM in diesem Jahr den Anforderungen gerade noch entspricht. Wir vertrauten fest darauf, daß der Verteidigungsminister mit seinem Hause die bereitgestellten Mittel so verantwortlich und wirksam wie bisher anwendet.
Aber in diesem Zusammenhang möchte ich schon heute feststellen dürfen, daß es keineswegs sicher ist, daß der Anteil von 25 % am Gesamthaushalt auch in den kommenden Jahren ausreicht. Mir scheint vornehmlich im Bereich der einmaligen Investitionsausgaben, über die ja gesprochen wurde, ein nicht unerheblicher Nachholbedarf vorzuliegen, wenn wir auf dem Gebiet der Bewaffnung und Ausrüstung nach dem Motto, daß für unsere Soldaten das Beste gerade gut genug ist, nicht abfallen wollen. Aber heute, in dieser Stunde, geht es um die Mittel für das laufende Jahr. Es wäre zu begrüßen — ich wiederhole es —, wenn auch Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen der Opposition, sich noch zu einem Ja zum Verteidigungshaushalt
als der wesentlichen Grundlage einer wirksamen Sicherungspolitik durchringen könnten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504430500
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0504430600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Freien Demokraten werden dem Verteidigungshaushalt zustimmen, sie sagen ja zu den vorgelegten Beträgen.
Wir haben uns immer zu der Verteidigungspflicht bekannt und das Unsere zu der Erfüllung beigetragen. Wenn schon nicht verschwiegen werden darf, daß es über die Form des Verteidigungsbeitrags Diskussionen geben kann, so ist doch, meine Damen und Herren, die Entscheidung gefallen: Wir haben die allgemeine Wehrpflicht. Aber gerade in diesen Tagen kommt die Diskussion über die Zweckmäßigkeit der Form wieder auf; denn unser früherer Kollege Heye ,hat einen Beitrag dazu in einer Illustrierten geleistet. Nun mag man aus den Erfahrungen der vergangenen Zeit geneigt sein, den Beitrag nicht überzubewerten. Aber ich bin draußen gerade von jungen Menschen immer wieder deswegen angesprochen worden. Ich mache aus meiner Meinung kein Hehl, daß ich persönlich und große Teile meiner Fraktion gute Gründe für die Form des Berufsheeres anzubringen hätten.
Meine Damen und Herren, so strittig die Wiederbewaffnung unseres Volkes in der Vergangenheit einmal war — es sind ja einige Wahlkämpfe mit den Argumenten für und wider bestritten worden —, wir freuen uns über den Weg, den die Sozialdemokraten nunmehr gegangen sind, und über das erreichte Ziel, nämlich seit Jahren des Neins nun die Enthaltung zum Verteidigungshalt auszusprechen. Wir sehen darin nicht schlechthin eine Ablehnung, sondern eine Kritik an Zuständen, die dieser Fraktion nicht gefallen mögen oder die sie aus ihrer Sicht heraus sieht. Im Volke ist die Wiederbewaffnung inzwischen nicht mehr streitig, und ich meine, die Bundeswehr hat den ihr als Instrument zur Sicherung der Verteidigung im Bewußtsein des Volkes zukommenden Platz einnehmen können.
Auch die Höhe des Verteidigungsbeitrages, die mit 25 % des Gesamtvolumens unseres Haushalts sicherlich beachtlich ist, wird nicht mehr so heftig kritisiert wie in der Vergangenheit, da jeder weiß, daß eine schlagkräftige Bundeswehr modern ausgerüstet sein muß und daß eine moderne Ausrüstung, die sich immer wieder nach dem Stande der Technik wandelt, eben Geld kostet. Wir sollten aber alle darauf achten — und das scheint mir das Anliegen des ganzen Volkes zu sein —, daß diese 25 % des Haushaltsvolumens so zweckmäßig wie eben möglich angelegt werden und die Kontrolle über die zweckmäßige Anlage so scharf ist, daß ein Mißbrauch der Beträge ausgeschlossen ist.
Nun ist der bekanntgewordene Korruptionsfall angesprochen worden, und es ist, Herr Kollege Wienand, von einem „Sumpf" gesprochen worden, der schnellstens trockengelegt werden müsse. Ich



Ollesch
bin mit Ihnen der Meinung: wenn es ein Sumpf wäre, soll er natürlich so schnell wie möglich trokkengelegt werden.
Aber wir wollen einmal abwarten, ob es ein Sumpf ist oder ob es ein Fall ist, wie er immer wieder eintreten kann. Denn keine Kontrolle ist so vollkommen, daß Fehlleistungen ausgeschlossen werden können.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Wir haben nur darauf zu achten, Herr Kollege Wienand, daß die Dinge offengelegt werden, so weit offengelegt werden, wie es möglich ist, ohne den Fortgang und den Abschluß des Verfahrens zu beeinträchtigen. Darauf haben wir und darauf hat die Bevölkerung Anspruch, und wir wollen darauf achten, daß es geschieht. Wenn es nicht geschieht, Herr Kollege, dann werden Sie uns auf Ihrer Seite finden.
Meine Damen und Herren, ich sagte, die Bundeswehr an sich und die Kosten stehen nicht mehr sosehr im Mittelpunkt der Diskussion. Aber beachtet wird draußen das Beiwerk um die Bundeswehr herum. Das Beiwerk scheint mir sehr wichtig zu sein. Wir sollten alles tun, daß unsere Soldaten eine Ausbildung erhalten, die dem Zweck angemessen ist. Wir sollten aber darauf achten, daß Dinge, die für den Zweck nicht wesentlich sind, beiseite geschoben werden. Ich begrüße dankbar, daß das Bundesverteidigungsministerium auch den Erfordernissen der Zeit jenseits der starren Form Rechnung trägt, wenn ich feststelle, daß beispielsweise die Zahl der Sportstunden in der letzten Zeit erhöht und die Marschleistungen gesenkt wurden, weil sich herausgestellt hat, daß der körperliche Stand der eingezogenen Soldaten den bis dahin geforderten Leistungen nicht entsprach. Wir sollten auch dankbar anerkennen, daß eine Institution wie die Bundeswehr eine Aufgabe übernimmt, die meiner Ansicht nach den Schulen zukäme, die Aufgabe nämlich, die Konstitution der Jugend durch sinnvoll durchgeführte Sportstunden zu verbessern. Sie mußte diese Aufgabe übernehmen, weil anscheinend die entsprechenden Institutionen aus diesen oder jenen Gründen den Forderungen nach dieser Richtung nicht nachkommen können.
Im Rahmen dieses Beiwerks, wie ich es nennen will, spielt natürlich auch das Einziehungsverfahren in der Diskussion draußen eine große Rolle. Wenn man sich zu einer allgemeinen Wehrpflicht bekennt, dann sollte sichergestellt sein, daß auch jeder junge Mann eingezogen wird, es sei denn, der Einziehung stehen schwerwiegende gesundheitliche Gründe entgegen, und der Maßstab für die Freistellung sollte dann so eng wie möglich gefaßt werden. Das wird uns um so leichter fallen, als wir heute in der Lage sind, die aufkommende Zahl junger Menschen ohne Schwierigkeiten einzuziehen. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall, und das hat zu den allgemein bekannten Mißhelligkeiten geführt.
Vielleicht sollten wir auch einmal darüber nachdenken, ob das System der Dienstzeit das beste System ist, das man anwenden kann, um einen Anreiz zu längerem Dienen über die Zeit der allgemeinen Wehrpflicht hinaus zu geben. Wir haben darüber zu klagen, daß wie auf dem industriellen Sektor so auch in der Bundeswehr die Facharbeiter oder Fachsoldaten fehlen, die nur längerdienende Soldaten sein können. Ich bin noch nicht davon überzeugt, daß es wie den Berufsoffizier so auch den Berufsunteroffizier auf Lebenszeit geben muß. Ich meine, daß das System der früheren Reichswehr und der früheren Wehrmacht, den zwölf Jahre, im Höchstfalle fünfzehn Jahre dienenden Berufsunteroffizier mit dem Anspruch auf eine zivile Versorgung zu haben, zur Erzielung eines ausreichend großen Nachwuchses nicht unbedingt das schlechteste System war. Wir denken uns jetzt doch einige Notbehelfe aus. Wir wissen, daß der Unteroffizier nach acht bis zehn Jahren seinen höchsten Dienstgrad erreicht hat. Für die weiteren Jahre — es können zehn bis zwanzig Jahre sein — fehlen die Beförderungsmöglichkeiten. Das hat dazu geführt, daß man überlegt, eine vierte Laufbahn einzuführen, die dann beim Hauptmann enden soll. Man will also eine Art Schmalspuroffizier schaffen. Ich halte diesen Weg nicht für den allerbesten.
Wir sollten auch einmal überlegen, ob wir nicht die vielseitigen Möglichkeiten der Verpflichtung verringern sollten, um zu einer Übersichtlichkeit zu kommen. Ich bin der Meinung, wir werden auch mit den höchsten Abfindungen nicht den genügenden Nachwuchs erhalten, wenn nicht am Ende der Dienstzeit die Sicherheit eines Berufes steht, wie sie früher mit dem Zivilversorgungsschein nach entsprechender Ausbildung gegeben war. Eine Abfindung nach acht und zehn Dienstjahren in Höhe von 30 000 oder 40 000 DM mag verlockend aussehen; tatsächlich ist sie nicht so reizvoll, und ich möchte die Ausbildung für einen Beruf und die Sicherheit der Übernahme in einen bestimmten Beruf nicht gegen eine Abfindung eintauschen. Ich glaube, darüber sollten wir einmal nachdenken.
Ein kurzes Wort zur Rüstungs- und Einkaufspolitik. Wir versuchen zwei Ziele zu erreichen: a) dem Sicherheitsbedürfnis nachzukommen und b) aus außenpolitischen Rücksichten Rüstungsmaterial in den Ländern zu kaufen, die uns Kosten für die Stationierung ihrer Truppen auferlegen. Die Höhe dieser Kosten ist Ihnen bekannt; sie stellen einen erheblichen Faktor innerhalb unseres Einkaufsvolumens dar.
Wir Freien Demokraten meinen, daß ein Land vom Rang der Bundesrepublik nicht ohne eine eigene Rüstungsindustrie auskommen kann, sosehr wir es früher einmal gewünscht haben mögen, den Anteil der Rüstung aus der deutschen Industrie so gering wie möglich zu halten. Sie alle kennen beispielsweise das Problem der deutschen Luftfahrtindustrie, die nie genau weiß, ob sie in einem oder in zwei Jahren ihren Personalbestand noch halten kann; denn sie verfügt nicht über entsprechende Aufträge oder sichere Zusagen für solche Aufträge. Wir wissen alle auch — das mag uns passen oder nicht —, daß die Rüstung immer die Forschung beflügelt hat und daß manche Dinge erfunden wurden, weil von der Rüstung her der Zwang zum Erfinden dahinterstand.



Ollesch
Wir sollten bei den notwendigen Käufen im Ausland daran denken, daß eine Kontinuität unserer speziellen Industrie für diesen Sektor nur erhalten bleiben und gesichert werden kann, wenn ein entsprechender Anteil an Rüstungsaufträgen in die Industrie hineinfließt. Es darf nicht der Zustand eintreten, daß die Industrie sich in einem Jahr von Personal trennen muß, während sie im anderen Jahr gebeten wird, der Bundeswehr wieder Fachpersonal zur Verfügung zu stellen, das aber dann nicht mehr greifbar ist, weil es vorher entlassen werden mußte. Das sollte ein Thema für Überlegungen der späteren Zeit sein.
Ich sagte eingangs, die Bevölkerung sagt ja zur Verteidigung, sie sagt wie wir ja zur Bundeswehr. Es gibt aber immer kleine Unebenheiten, die Verärgerungen hervorrufen. Wir sollten überflüssige Verärgerungen aus der Welt schaffen, vor allen Dingen dann, wenn dies durch kleine Maßnahmen möglich ist. Mir wurde von einem Betroffenen in einem Brief folgendes mitgeteilt. Wenn einem Angestellten oder einem Arbeiter im Rahmen einer Wehrübung ein Unfall zustößt, muß der Arbeitgeber nach Rückkehr dieses Mannes von der Wehrübung den Arbeitgeberzuschuß zum Krankengeld — also zum Kranksein — zahlen, obwohl der Krankheitsfall durch einen Unfall bei der Bundeswehr verursacht wurde. Wäre der Betreffende nicht zu der Wehrübung eingezogen worden, wann wäre der Unfall nicht eingetreten, und der Arbeitgeber brauchte diese Zahlung nicht zu leisten. Das ist ein Ärgernis für den Arbeitgeber, der ohnehin schon durch die Einziehung des Arbeiters in einer Zeit, in der der Personalmangel evident ist, betroffen ist. Die Arbeitgeber können nicht verstehen, daß diese Kosten nicht dem Verteidigungshaushalt auferlegt werden, sondern daß sie sie in einem Fall, der erst durch die Übung ausgelöst wurde, zu tragen haben. Vielleicht gibt es einen Weg, durch eine Änderung der entsprechenden Gesetze Abhilfe zu schaffen. So geringfügig dieser Vorfall sein mag, er ruft bei den Betroffenen eine Verärgerung hervor.
Wir sollten alles daransetzen, daß der Eingriff in die Freiheitssphäre des einzelnen so schmerzlos vor sich geht, wie es überhaupt möglich ist. Ganz schmerzlos wird das nicht gehen. Aber überflüssige Unannehmlichkeiten sollten wir beseitigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504430700
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504430800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf wegen der fortgeschrittenen Zeit den Versuch unternehmen, so gut es geht, zu den wichtigsten Themen einiges gerafft zu sagen.
Ich beginne damit, daß der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion den Vorwurf erhebt, daß eine objektive Diskussion nicht möglich sei, daß objektive Diskussionen eher gehemmt als gefördert würden und daß Sie, zum Teil durch die Regierung verschuldet, zu einer gründlichen Diskussion über den Haushalt des Verteidigungsministers im Verteidigungsausschuß nicht mehr kämen. Man habe keine klaren Vorstellungen über die künftige Gestaltung der Streitkräfte, über Fragen des Konzepts, über die einzelnen Waffensysteme, die denen folgen, die wir heute haben.
Er hat in einem anderen Zusammenhang die Schrift zitiert, die ich am 10. Februar, am Tage nach der Rückkehr aus meinem Erholungsurlaub, allen Mitgliedern des Verteidigungsausschusses zugeleitet habe. Herr Kollege Wienand, Sie finden in dieser Schrift auf etwa 100 Seiten eine Darstellung all dessen, was der Verteidigungsminister zur Verteidigungspolitik, zur Sicherheitspolitik, zu den vielen Detailfragen über die Entwicklung der Allianz, über das strategische Konzept, über die nukleare Frage, etwa über die Fragen der Zielsetzung der Bundeswehr, über den Verteidigungshaushalt, über die Organisation, über die Personallage, über die Bildung, die Fürsorge, die Betreuung, die Rüstung, die Bauvorhaben, die Verwaltung usw. zu Papier gebracht hat. Ich meine, man sollte eigentlich respektieren, daß es wohl zum erstenmal seit 1949 in einem Ministerium eine Darstellung dessen gegeben hat, was sich der Minister im Rahmen der Richtlinien, die der Herr Bundeskanzler zu erlassen hat, in der Gesamtüberlegung für die Verteidigung für diese Jahre vorgenommen hat.

(Abg. Damm: Sehr richtig!)

Dann wird kritisiert, es sei ja nicht sonderlich viel, was darin stehe, und man vergleicht es alsdann mit den Weißbüchern der Briten oder den Publikationen des amerikanischen Verteidigungsministers. Dazu muß ich hinzufügen, die amerikanischen Streitkräfte zählen 3 Millionen Menschen, sie sind die größte, die nukleare Macht der Welt. Sie sind eine Weltmacht, engagiert in allen Teilen der Welt, um anderen Völkern die Freiheit mit zu garantieren. Auch die Engländer haben aus ihrer alten Überlieferung her heute noch weltweite Verpflichtungen, die uns nicht aufgetragen sind. Ich meine, daß der deutsche Verteidigungsminister auch die Dimensionen bei dem sehen soll, was er sich vornimmt, gemessen an einer Weltmacht Amerika oder an Großbritannien, das immer noch eine Weltmacht ist.

(Abg. Damm: Richtig!)

Herr Kollege Wienand, uns vorzuhalten, daß wir die Diskussion nicht förderten und den Ausschuß nicht informierten, scheint mir unrecht zu sein. Denn bis zur Neuwahl des Deutschen Bundestages bin ich regelmäßig im Verteidigungsausschuß gewesen. Nach den Wahlen habe ich unverzüglich nach Zusammentreten -des neuen Verteidigungsausschusses im November sowohl die Fraktionen der Regierungskoalition als auch die Fraktion der SPD zu einer ganz eingehenden Information auf die Hardthöhe eingeladen, um dort zu den Komplexen Sicherheitspolitik, strategisches Konzept, nukleare Fragen und was sonst immer an großen politischen Fragen auf der Tagesordnung steht, mit ihnen gemeinsam zu erörtern. Ich bin Kummer gewöhnt, aber ich halte es einfach für unrecht, einen Vorwurf zu erheben, wenn Sie einen Verteidigungsminister haben, der bereit ist, gemeinsam mit dem



Bundesminister von Hassel
Parlament und insonderheit mit dem dafür bestellten Ausschuß für Verteidigung alle Fragen zu erörtern ohne irgendeinen Hintergedanken, ohne irgendwelche Einengung der Diskussion und ohne daß — wie Sie es sagen — die Diskussion gehemmt wird. Ich habe mich bisher bemüht, diese Diskussion zu fördern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das zweite. Herr Kollege Wienand stellt erneut Behauptungen zur Frage der Personalpolitik auf, und er sagt, die Personalpolitik folge nicht mehr dem Leistungsprinzip, sondern folge anderen Kriterien; man habe subjektive Beurteilungen, und diese subjektiven Beurteilungen seien dann mehr oder weniger die Grundlage für die Beförderungsrichtlinien. Wenn Sie einmal jenes Dokument durchsehen, Herr Kollege Wienand, dann finden Sie, was ich zu dieser Personalpolitik gesagt habe.
Ich meine, man müßte auch einmal als Ausgangspunkt feststellen, wie eigentlich heute das Offizierskorps aussieht. Es ist nämlich noch ungemein differenziert. Nur ein Teil, nämlich die jungen Offiziere, sind Offiziere, die in die Bundeswehr eingetreten sind und von dieser Bundeswehr geformt, gebildet und weitergebracht worden sind. Die älteren Offiziere sind zum Teil Offiziere mit voller Friedensausbildung, zum Teil vor oder im Weltkrieg reaktivierte Offiziere, sind in die Wehrmacht übernommene Reserveoffiziere, Reserveoffiziere des zweiten Weltkrieges, Polizeioffiziere, Wehrmachtbeamte, Beamte des Ingenieurkorps der Luftwaffe,
Angehörige des Reichsarbeitsdienstes, Offiziere mit Dienstzeiten im Bundesgrenzschutz oder in den Bereitschaftspolizeien der Länder. Ich habe dargelegt, wie außerordentlich schwierig es bei einem so heterogenen Offizierskorps ist, einheitliche Kriterien zu finden, die eine subjektive Bewertung durch die personalführenden Stellen möglichst ausscheiden.
Herr Kollege Wienand, ich bin bekannt dafür — schon aus meiner alten Verwaltung in SchleswigHolstein —, daß ich erstens keine Parteibuchpolitik in der Frage der Personalpolitik betreibe.

(Lebhafte Zurufe von der SPD: Na, na!)

— Das können Sie mir doch beim besten Willen nicht vorwerfen.

(Anhaltende Zurufe von der SPD.)

— Das können Sie mir doch nicht vorwerfen. Es ist zweitens bekannt, daß ich ein ausgesprochener Freund des Leistungsprinzips bin.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Leider gibt es eine Spannung. Wenn man auf der einen Seite das Leistungsprinzip will, ist es auf der anderen Seite schwierig, eine Rangordnung nach der alten Rangdienstliste wieder einzuführen, weil sich beides nicht immer unmittelbar miteinander verträgt.
Ich habe in der Schrift, die Sie kennen, Herr Kollege Wienand — schlagen Sie auf, Seite 71 —, dargelegt, daß es jetzt erst möglich geworden ist, bei den älteren und bei den in der Bundeswehr groß gewordenen Offizieren die Beurteilung auf die Leistungen abzustützen, die der einzelne in der Bundeswehr gdzeigt hat. Ich habe hinzugefügt, ein neues Beurteilungssystem wird vorbereitet. Hierdurch wird der gerechte Vergleich der Leistungen der Offiziere untereinander erleichtert. Ein Katalog von Beurteilungsmerkmalen soll die Einzelbeurteilung nach jeweils neun Noten ermöglichen. Dieses System ist ähnlich dem bei anderen Streitkräften gebräuchlichen, z. B. in Großbritannien. Darüber hinaus werden die sonstigen Auswahlmittel für die Stellenbesetzung, für die Wertungs- und Eignungslisten und für das Personalverzeichnis der Offiziere verbessert.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504430900
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504431000
Bitte!

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504431100
Bitte, Herr Abgeordneter Schmidt!

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504431200
Herr von Hassel, Sie sind sich sicher darüber klar, daß Sie soeben aus einem Dokument zitiert haben, das uns unter dem Rubrum „vertraulich" zugegangen ist mit der Auflage, es in Panzerschränken aufzubewahren. Meine Frage: Sind wir nach Ihrer Meinung auch berechtigt, aus dieser Schrift vor diesem Plenum etwas vorzulesen?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504431300
Ich darf darauf nachher noch einmal zurückkommen.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Sind wir dazu berechtigt?)

— Herr Kollege Schmidt, ich darf fragen: Warum hat dieses Dokument einen gewissen vertraulichen Charakter? — Weil in den ganzen ersten Abschnitten zur Frage der Sicherheitspolitik und der nuklearen Politik ein offenes Wort gesagt wird. Das ist der Grund dafür, daß es einen vertraulichen Charakter hat. Die anderen Sachen wie etwa die Personalpolitik, die Beförderung, das Ausbildungswesen usw. haben in der Tat keinen vertraulichen Charakter. Wir könnten es das nächste Mal vielleicht in einen Teil, den Sie unablässig vortragen können, und in einen Teil, der vertraulichen Charakter behalten muß, unterteilen.

(Sehr gut! und Beifall bei ,der SPD. — Abg. Berkhan: Je wie es paßt, mal vertraulich, mal nicht! — Abg. Dr. Stoltenberg: Wer hat denn angefangen?!)

— Sie werden 'doch zugeben, Herr Kollege Berkhan, daß ich mich bemühe, von der übertriebenen Geheimhaltung im Verteidigungsministerium herunterzukommen, um die Möglichkeit einer breiten Diskussion in der Öffentlichkeit zu erleichtern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504431400
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister?




Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504431500
Bitte!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0504431600
Herr Minister, wenn das der Fall ist, warum drucken Sie dann in dieser Schrift im Anhang Teile der Regierungserklärung des vergangenen Jahres unter „VS — Vertraulich" ab?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504431700
Herr Kollege Berkhan, es ist also offenbar außerordentlich schwer, es den Sozialdemokraten in allem recht zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist in dem Deckblatt zu dieser Schrift gesagt worden: Die Arbeitsunterlage geht gleichzeitig den leitenden Mitarbeitern meines Hauses und des nachgeordneten Bereiches sowie den Kommandeuren bis einschließlich Divisionskommandeuren als bindende Richtlinie zu. Ich bin in der Tat der Meinung, daß man allen Mitarbeitern und denen, die draußen stehen und nicht alle Dokumente der Regierungserklärung zur Hand haben, alles in einer Schrift gedruckt geben sollte, damit sie wissen, was diese Regierung für die kommenden Jahre als Regierungspolitik generell und als Verteidigungspolitik konzipiert hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich gebe zu, daß dieser Anhang für die Abgeordneten des Bundestages und die Mitglieder des Verteidigungsausschusses sowie des Bundesrates vielleicht hätte entfallen können. Ich habe aber keine zwei Auflagen gemacht, sondern nur eine und sie als Dienstweisung an die anderen Mitarbeiter herausgegeben.
Das dritte, was ich behandeln möchte, Herr Kollege Wienand, ist die Frage des Organisationsgesetzes, das Sie ansprechen. Ich möchte Ihnen dazu folgendes mitteilen. Das Organisationsgesetz ist von meinem Schreibtisch herunter. Es wird gegenwärtig in dem sogenannten Rechtsförmlichkeitsverfahren geprüft, und es wird dem Bundesrat zu seiner ersten Sitzung nach den Sommerferien zugeleitet werden. Danach kommt es im ersten Durchgang zum Bundestag.
Nun haben Sie in diesem Zusammenhang wieder einmal die Organisation kritisiert. Ich möchte Ihnen erklären, daß das Ministerium auch ohne dieses Gesetz so gegliedert worden ist, wie ich 'es bereits 1965 dargelegt habe. Der Verteidigungsausschuß kennt diese Überlegungen. Das Gesetz selbst hat auf die unmittelbare Gliederung keinen direkten Einfluß. Das ist Ihnen damals vorgelegt worden.
Ich möchte darauf verweisen, Herr Kollege Wienand, daß außerdem auch das — noch nicht vorliegende, 'das ist von Ihnen immer kritisiert worden
— mittelfristige Finanzprogramm und Planungsprogramm für die Bundeswehr zu den Beratungen des Haushalts 1967 vorliegen wird.
Damit auch darüber hier Klarheit herrscht, vielleicht noch ein paar Bemerkungen zu dem Thema der zentralen Planung überhaupt, die durch diesen
— von Ihnen so herabgesetzten — Verteidigungsminister eingerichtet worden ist. Im Juni 1963 haben wir nach einem vorausgegangenen Besuch von mir in den Vereinigten Staaten den Erfinder dieses Planungssystems in Deutschland gehabt. Er hat bei uns vorgetragen. Wir haben dann am 4. Februar die Einrichtung einer Unterabteilung [beim Haushalt vorbereitet, der diese zentralen Planungsaufgaben übertragen wurden. Im Juni 1964 — das ist noch keine zwei Jahre her — hat der Haushaltsausschuß dann die Planstellen zur Verfügung gestellt. Wir haben dann beginnen können, nachdem wir die Planstellen hatten. Wir haben 1965 bei der Umgliederung des Ministeriums diese Planung zu einem Teil in die Gesamtstreitkräfte eingegliedert; zu einem Teil ist sie bei der Leitung des Hauses. Ich glaube also, daß es, wenn Sie die Dinge so dargestellt hätten, wie wir sie Ihnen im Ausschuß für Verteidigung gezeigt haben, eigentlich nicht zu dieser heutigen Interpretation hier hätte kommen können.
Im Zusammenhang mit dem, was wir für die nächste Legislaturperiode vorhaben, möchte ich ein Wort an Herrn Ollesch von der FDP zu seiner Frage hinsichtlich der Wehrpflicht sagen. Ich möchte nicht, daß aus der heutigen Diskussion unwidersprochen herausgeht, daß etwa die Bundesregierung oder auch die Mehrheit des Bundestages der Abschaffung der Wehrpflicht das Ohr leihen würde. Herr Kollege Ollesch, wir haben uns über ,die Frage der Wehrpflicht seinerzeit unterhalten, als der von Ihnen zitierte Admiral Heye einen großen Artikel darüber geschrieben hat. Ich möchte hier mit sechs kurzen Sätzen zusammentragen, was dazu zu erwidern ist.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Dr. Probst.)

Die erste Grundlage unserer Sicherheitspolitik ist die Erkenntnis, daß militärische Anstrengungen auf unabhängiger Basis heute wertlos sind und daß die Sicherheit nur durch die Einordnung des militärischen Beitrags in das atlantische Verteidigungsbündnis erzielt werden kann. Das ist ganz unbestritten.
Zweitens ist unbestritten: die Bundesrepublik leistet ihren Verteidigungslbeitrag entsprechend den vertraglichen Übereinkünften mit der Nato auf Grund der deutschen finanziellen und personellen Möglichkeiten. Auch das ist unbestritten.
Drittens ist unbestritten: die nationale Sicherheit der Bundesrepublik läßt sich nur durch die Vorwärtsverteidigung garantieren. Sie ist als Voraussetzung für eine glaubwürdige Abschreckung lebenswichtig und bietet zugleich den bestmöglichen Schutz der gesamten Bundesrepublik und nicht nur der westlicher gelegenen Teile. Nur die jetzige Wehrform der Bundeswehr, Herr Kollege Ollesch, und ihr vorgesehener Umfang — um das Jahr 1970 werden es 508 000 Mann sein — garantieren dieses Ziel. Auch .das ist, glaube ich, unbestritten.
Viertens die Frage der Berufsarmee. Für eine Berufsarmee stehen unter den gegebenen Verhältnissen nicht genügend Freiwillige zur Verfügung. Mit einer Berufsarmee lassen sich die Forderungen der NATO an die Bundesrepublik Deutschland und



Bundesminister von Hassel
damit ,die Vorwärtsverteidigung auch nicht annähernd erfüllen. Außerdem würde eine Berufsarmee niemals die für einen Konfliktsfall erforderliche Anzahl der Reservisten ergeben. Die frontnahe und gefährdete Lage der Bundesrepublik erlaubt darüber hinaus nicht, daß die Masse der wehrfähigen Jugend aus dem Gedanken der Pflicht zur Verteidigungsbereitschaft entlassen wird und diese einer bestimmten Berufsgruppe allein übertragen wird.
Fünftens. Ich glaube, das Prinzip der freiwilligen Feuerwehr, d. h. ein Reservistenheer, das damals eine Rolle spielte, ist für die Bundesrepublik im Schwerpunkt der Bedrohung ebenfalls keine Lösung. Unsere Zeit und unsere besondere geographische Lage erfordern moderne, hoch technisierte, operativ bewegliche und ständig weitgehend präsente Streitkräfte. Dies- ist ohne modernste, mechanisierte Divisionen und Brigaden nicht möglich. Solche Truppenteile können ohne ausreichend lange Ausbildung — und damit streife ich auch die Frage „18 Monate oder weniger?" — nicht einsatzbereit gehalten werden.
Andere Auffassungen über die Struktur der Bundeswehr, sei es der Gedanke eines kleineren Berufsheeres oder der Gedanke eines größeren Reservistenheeres, sind angesichts der gegebenen Verhältnisse fromme Wünsche, Herr Kollege Ollesch, und eine Utopie.
Damit Sie die Zahlen einmal vergleichen können, sei folgendes genannt: Die gegenwärtige Stärke der Bundeswehr beträgt 452 000 Soldaten. Darunter sind 120 500 Berufsoffiziere und 29 000 Berufsunteroffiziere. Das heißt, der Berufskader, Herr Kollege Ollesch, ist lediglich 49 000 und einige hundert Mann stark. Das sind 10,9 %.
Dann haben wir 177 000 Zeitsoldaten. Das sind 39 %. Das Gros davon sind zweijährige Zeitsoldaten, die diese längere Zeit dienen, weil sie wegen der sechs Monate, die sie länger dienen, ein Gehalt und später eine gewisse Hilfe bekommen. Wenn die Wehrpflicht abgeschafft wird, werden all diese Soldaten auf Zeit uns nicht mehr zur Verfügung stehen. Sie müssen also dann davon ausgehen, daß wir gegenwärtig nur 49 000 Berufssoldaten haben.
Ich glaube also, Ihnen dargelegt zu haben, daß nur die Wehrpflichtarmee, die wir haben, die leidliche Erfüllung der Forderung der NATO gewährleistet. Ohne die Erfüllung dieser Forderung ist eine Sicherheit für Deutschland in einer Vorwärtsverteidigung nicht gegeben.
Der vierte Punkt ist von Herrn Kollegen Wienand angesprochen worden, und zwar mit plastischen Beispielen aus zwei Röhren. Herr Wienand, ich habe dazu zweierlei zu sagen.
Das eine ist dies: In der Zwischenzeit habe ich untersuchen lassen, Herr Wienand, wie das mit diesen Röhren ist. Ich erfahre davon heute zum erstenmal. Herr Wienand, Sie schreiben mir regelmäßig Briefe. Sie haben mir einen solchen Fall schriftlich bisher nicht mitgeteilt. Ich höre ihn zum erstenmal.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

In der Zwischenzeit habe ich versucht — ich mache
dabei den Vorbehalt, daß es naturgemäß nur eine oberflächliche Untersuchung sein kann —, diesem Punkt nachzugehen. Dazu heißt es von der zuständigen Abteilung für Wehrwirtschaft bei mir:
Es trifft zu, daß z. B. die erwähnten Keramikwiderstände und Verstärkerröhren zu verhältnismäßig hohem Preis beschafft worden sind. Es handelt sich jedoch dabei nicht um handelsübliche Teile, sondern um Sonderanfertigungen für Zwecke der Bundeswehr, die höheren Belastungen als üblich ausgesetzt sind, Röhren z. B. mit einer 40 bis 50 % höheren Belastung als üblich.
Es wäre nicht gerechtfertigt, hier einen Vergleich mit Lieferungen für private Verbraucher anzustellen. Das bundeswehreigene Gerät erfordert wegen dieser über das Übliche hinausgehenden Belastung und der Anforderung eine derartige Sonderanfertigung, und jede Sonderanfertigung ist mit höheren Kosten verbunden.
Im übrigen sagt die Abteilung Wehrwirtschaft — aber ich werde diesen Fall prüfen, wenn Sie mir einmal die Nummer geben und genau sagen, um was es sich handelt —, die Preise seien geprüft. Dabei muß ich darauf aufmerksam machen, daß die Preisprüfung nur zu einem ganz geringen Teil bei uns liegt. Sie ist immer noch Sache der Länder. Nur dort, wo eine freiwillige Vereinbarung besteht, haben wir die Möglichkeit zu prüfen.
Herr Kollege Wienand hat mir vor längerer Zeit einen Brief über das Materialabrechnungsverfahren beim Materialamt der Bundeswehr geschrieben. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Komplex damit gemeint haben. Wenn nicht — Sie schütteln den Kopf —, kann ich das übergehen, um etwas mehr Zeit für die dritte Lesung freizuhalten.
Der fünfte Punkt betrifft dann allgemeine Etatfragen. Sie führen wieder einmal die Tatsache an, daß man im Haushaltsausschuß für die Verteidigung innerhalb von zwei Stunden eine Milliarde D-Mark eingespart hat. Eigentlich bin ich der Meinung, daß man den Verteidigungsminister loben sollte, wenn er nicht Haushaltsreste rauswirft, nur um später keinen Ärger mit dem Haushaltsausschuß zu haben,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und daß dieser Verteidigungsminister dafür bekannt ist, daß er nicht nur sein Ressort sieht, sondern sich auch bemüht, die finanziellen Nöte, Sorgen und Probleme anderer Ressorts in Erwägung zu ziehen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich muß dann, Herr Kollege Berkhan, den Streit mit meinen eigenen Soldaten und Beamten aufnehmen, weil ich vielleicht nicht hart genug für einen höheren Verteidigungsbeitrag gekämpft habe. Das nehme ich auf mich, das ist ein Fehler von mir, aber das wird das nächste Mal besser; darauf können Sie sich verlassen.
Herr Wienand sagt, man müsse vier Punkte berücksichtigen: außenpolitische Lage, wissenschaftliche Entwicklung, wirtschaftliche Lage und soziale Aufgaben. Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich



Bundesminister von Hassel
entsprechend diesen vier Thesen des Herrn Wienand auch verfahre.

(Zuruf von der Mitte: Auch schon vor der Aufstellung dieser Thesen!)

Nun hat der Kollege Wienand genauso wie der Sprecher der FDP, Herr Ollesch, ein paar Bemerkungen zum Offset Agreement gemacht, d. h. zu den mit den Vereinigten Staaten getroffenen Regelungen. Was ich hier sage, gilt ähnlich auch für die Beziehungen zwischen Deutschland und England. Man müßte grundsätzlich darlegen, wie die gegenwärtige Situation ist und welche Regelungen wir seit 1961 mit den Amerikanern haben. Ich möchte mich jedoch darauf beschränken, Herr Kollege Wienand, anzukündigen, daß nach Absprache mit dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses dieser Punkt auf der Tagesordnung der ersten Sitzung des Verteidigungsausschusses nach der Pfingstpause am 15. Juni stehen wird und dann dazu en detail die Dinge vorgetragen werden.
Lediglich aus Zeitgründen beschränke ich mich auf ein paar Bemerkungen in der Richtung, daß wir zwar nicht von einem direkten Junktim sprechen können, daß aber in der amerikanischen Öffentlichkeit und auch in der amerikanischen Regierung gar kein Zweifel über die Frage eines Ausgleichs für jene Devisen besteht, die die amerikanische 7. Armee in Deutschland ausgeben muß. Das sind keine Leistungen, die etwa von uns in einem Budget erbracht werden, das sind keine Beiträge à fonds perdu. Vielmehr geben wir in dem gleichen Ausmaß, in dem hier Devisen anfallen, Aufträge in die Vereinigten Staaten zurück bzw. wird uns das angerechnet, was wir drüben für die Ausbildung der deutschen Soldaten der Luftwaffe, der Jet-Piloten und Raketenleute, in Anspruch zu nehmen haben. Es handelt sich also nicht um einen Beitrag an, den amerikanischen Haushalt. Ich möchte genauso deutlich sagen, daß auch ich die Schwierigkeiten in der deutschen Wirtschaft kenne. Was wir drüben beschaffen, bringt zu einem Teil das know how und die Weiterentwicklung der Amerikaner voran, und wir bei uns müssen darauf verzichten. Wir haben deshalb sichergestellt, daß wir an diesem dadurch geschaffenen know how in Deutschland beteiligt werden. Wir haben sehr deutlich jedermann gesagt: Wir kaufen nicht nur, um etwas zu erfüllen, sondern wir kaufen nur das, was wir gebrauchen können und was qualitativ in Ordnung ist, was in jeder Beziehung von der Bundeswehr benötigt wird. Wir kaufen also nicht nur aus politischen Gründen. Dennoch sind wir uns wohl alle in diesem Hohen Hause darüber einig, daß das eine die Betrachtung der Gesamtverteidigung in Europa und das andere der Devisenausgleich ist. Die Verteidigung hier vorn mit deutschen, französischen, amerikanischen, belgischen, holländischen, britischen und kanadischen Truppen erfolgt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Frankreich, auch für England, auch für Amerika und auch für Kanada und für die anderen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hier vorn tun wir das gemeinsam. Deshalb müssen
wir auf die Dauer Lösungen finden, die beide Dinge
nicht in einen unmittelbaren Zusammenhang bringen.
Aber da wieder einmal die Zeitungen voll sind von der Frage: Ziehen die Amerikaner ihre Verbände ab, oder bleiben die Truppen in voller Stärke hier?, möchte ich Ihnen dazu ein paar Zahlen nennen. Ich habe mich auf Grund der Meldungen, die man über das Wochenende sah, noch einmal mit dem Pentagon in Verbindung gesetzt, und daraus ergibt sich folgendes. Hinsichtlich der Art des betreffenden Personals, 15 000 Mann, ist zu sagen, daß die meisten der von diesem Abzug betroffenen Fachkräfte in technischen und administrativen Arbeitsgebieten eingesetzt sind. Durch Neuzuweisung von verfügbarem Personal, beschleunigte Ersatzstellung und Verwendung von Personal, das seine Ausbildung kürzlich abgeschlossen hat, wird die Auswirkung dieses Abzugs weitestmöglich verringert werden. Die kumulative vorübergehende Verringerung des Personals wird schätzungsweise wie folgt gestaffelt werden können: im April 4400 Mann, im Mai 12 000 Mann, im Juni 13 700 Mann. Wir rechnen damit, daß diese geringe zahlenmäßige Einschränkung bis Dezember 1966 wieder auf den Stand vom Dezember 1965, d. h. von etwa 225 000 Mann, zurückgeführt sein wird. Zu beachten ist, daß die Stärke der amerikanischen Truppen in Deutschland normalerweise im Zuge des turnusmäßigen personellen Austauschs von Monat zu Monat Schwankungen bis zu 5000 Mann über bzw. unter der Sollstärke aufweist. Ungewöhnlich ist in der derzeitigen Lage, daß mehrere Monate nacheinander mehr Truppen abziehen, als kommen werden, wodurch eine vorübergehende Verringerung der Stärke eintritt, die aber auf nicht mehr als 15 000 Mann geschätzt wird. — Ich hoffe, daß nach dieser Klarstellung vor dem Deutschen Bundestag diese Frage auch in der Öffentlichkeit anders gesehen wird, als durch die Meldungen der letzten Wochen erkennbar wurde.
Dann hat der Herr Kollege Wienand — und das ist der zweitletzte Punkt — gebeten, daß die Regierung heute darlegt, welche Konsequenzen die Schritte des französischen Staatspräsidenten für Deutschland bedeuten. Ich habe darauf zu antworten, Herr Kollege Wienand, daß durch Vereinbarungen mit dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses auf die gleiche Sitzung vorn 15. Juni dieses Thema als Tagesordnungspunkt aufgenommen worden ist. Vielleicht werden wir dann auch einmal klären — —. Bitte schön!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0504431800
Herr Minister, haben Sie bedacht, daß an diesem Tage die Vollversammlung der Westeuropäischen Union tagt und daß ein Teil unserer Kollegen dann leider nicht anwesend sein kann?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504431900
Ich bin gern bereit, mit dem Vorsitzenden und mit den Kollegen, die nicht anwesend sein können, einen anderen Zeitpunkt zu finden. Das ist selbstverständlich. Ich lege Wert darauf, daß gerade diejenigen Mitglieder, die in internationalen Gremien tätig sind, mit orientiert werden. Vielleicht kann man das vorher machen. Aber ich glaube, es ist praktisch keine Möglichkeit dazu.



Bundesminister von Hassel
Mich würde in dieser Sitzung vor allen Dingen ein Punkt interessieren; und ich sehe dieser Sitzung mit gespannter Aufmerksamkeit entgegen, nicht der Sitzung der Westeuropäischen Union, sondern der Sitzung hier. In der Kommentarübersicht von gestern finde ich eine Äußerung Ihres linken Nachbarn, des Herrn Wienand, der sagte: Mir ist bekannt — vielleicht gibt es jetzt wieder Ärger, wenn ich das sage; das sagt Herr Wienand, nicht ich —, daß es überhaupt keine Planungen gibt, die vorsehen, daß im ersten Treffen die französischen Truppen mit berücksichtigt werden; die sind eine Reserve, weit zurückgezogen, und diese Aufgabe können sie genauso gut aus dem französischen tief gestaffelten Raum heraus vornehmen, wie sie sie jetzt vornehmen könnten aus den Gebieten, in denen sie stationiert sind.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504432000
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504432100
Bitte sehr!

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0504432200
Sind Sie, Herr Minister, bereit, wenn Sie die Unterlagen schon da haben, dann auch zu zitieren, daß meine Gesprächspartner von der FDP — daran erinnere ich mich genau — und auch von der CDU dieser meiner Feststellung auf Grund ihrer eigenen Kenntnis zugestimmt haben, der von der CDU zumindest nicht widersprochen hat?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504432300
Moment mal, Moment mal! Der von der CDU sitzt hier neben Ihnen. Es ist schwierig, jetzt einen Dialog zuzulassen. Sie können keine Frage stellen.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0504432400
Herr Minister, darf ich fragen: Haben Sie die Ausführungen, die ich gemacht habe, ebenfalls zur Hand, und glauben Sie nach der Lektüre dieser Ausführungen, daß ich in der Lage gewesen wäre, auf jede der falschen Behauptungen des Kollegen Wienand eine richtige Darstellung zu geben?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504432500
Ich kann mir vorstellen, Herr Kollege Dr. Marx, daß diese Passagen in der Kommentarübersicht, die das ganze Haus zur Verfügung hat, von Herrn Dr. Marx bzw. von Herrn Schultz gelesen worden sind.
Und der letzte Punkt, den ich noch behandeln möchte — —

(Abg. Wienand: Herr Minister, sagen Sie doch, daß das nicht stimmt, was ich gesagt habe! Sagen Sie, daß die Konzeption eine andere ist und daß ich die Unwahrheit gesagt habe!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504432600
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Ich nehme an, das sollte eine Zwischenfrage sein.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504432700
Also Herr Kollege Wienand, ich habe hier einen Abschnitt aus der- Kommentarübersicht von gestern, vom 25. Mai, Seite 2, vorgelesen. Da habe ich eben das vorgelesen, was Sie gesagt haben. Ich habe hier keine Veranlassung, das vorzulesen, was die anderen sagen; denn die Auffassung des Herrn Kollegen Marx kenne ich aus manchem persönlichen Gespräch; sie läßt nichts darüber im unklaren, daß er wünscht — wie wir alle —, daß die französischen Truppen auf deutschem Boden verbleiben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504432800
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Wienand?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504432900
Bitte schön, Herr Wienand!

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0504433000
Herr Minister, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, wenn ich sage, daß meine Feststellung nicht den Wunsch beinhaltete, daß die französischen Truppen abgezogen werden, sondern daß meine Feststellung davon ausging, daß zur Zeit die Planung so ist und daß wir von den Realitäten auszugehen haben und daß nicht das gesagt wurde, was Sie hineininterpretieren?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0504433100
Zunächst einmal ist die Planung ja nicht so, wie Sie sie darstellen, sondern ein Teil der französischen Truppen hat einen Auftrag vorn am. Eisernen Vorhang gemeinsam mit einem deutschen Korps. Also zunächst einmal stimmt Ihre Feststellung nicht. Dann ist doch auch gar nicht zu bezweifeln, wenn Sie sagen, die Truppen könnten diese Aufgabe genau so gut weiter hinten übernehmen, Herr Kollege Wienand, welche Aufgaben die französischen Truppen — —

(Abg. Wienand: Er müßte es wissen, aber er weiß es nicht! — Abg. Dr. Zimmermann: Dann hören Sie doch zu, Herr Wienand!)

Sollen wir hier in der Tat die ganze Diskussion vorlesen, die im Saarländischen Rundfunk gewesen ist? Das können Sie doch nachlesen. Ich nehme einen Abschnitt heraus, in dem Sie sagen, Sie wüßten gar nicht, wie die Konzeption aussehe, bisher seien sie als Reserve eingesetzt, und diese Funktion könnten sie genau so gut in der Tiefe gestaffelt und von französischem Boden aus erfüllen. Das ist doch das, was Sie dargelegt haben.

(Zurufe von der SPD.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß das Kapitel behandeln, ,das gegenwärtig in der deutschen Öffentlichkeit stark diskutiert wird, nämlich die Frage der Korruptionsmeldungen aus dem Bundesministerium der Verteidigung. Sie haben die Übersichten der Zeitungen gelesen. Korruptionssumpf trockenlegen; die Staatsführung gerate in den Verdacht, bestimmte Vorgänge nicht klären zu wollen; die Antikorruptionsstelle, die wir eingerichtet haben, sei unvorstellbar schwach



Bundesminister von Hassel
besetzt; wir sollten klären, ob möglicherweise Veröffentlichungen über eine Bestechungsaffäre beim Starfighter-Ankauf unterdrückt worden seien. Heute morgen ganz groß im „Expreß" : Oberst verschwunden. Ähnliche Meldungen gibt es mehr.
Über die Auffassungen zum Thema Korruption hat sich der Sprecher der CDU/CSU sehr präzise geäußert. Ich glaube, es gibt dazu nichts hinzuzufügen. Ich möchte hier aber noch ein paar Bemerkungen zu der Frage machen, um welchen Komplex es sich handelt. Wir haben uns im Beschaffungswesen, im Rüstungswesen mit folgenden Problemen auseinanderzusetzen. Wenn eine neue Waffe, ein neues Gerät — ein Flugzeug, ein Fahrzeug, ein Schiff, eine Ausrüstung, die Munition — eingeführt wird, ist dazu zuerst eine militärische Formel zu erarbeiten, und zwar auf der Grundlage der militärisch gültigen Strategie auf der einen Seite und der Führungsdoktrin auf der anderen Seite, die die Bundeswehr zu dieser Strategie entwickelt. Alsdann haben zweitens die Techniker, die Ingenieure, die Wissenschaftler diese militärische Formel in eine Waffe, in ein Gerät umzumünzen. Dann müssen drittens mit eingefaßt werden die Fragen der Standardisierung der NATO: Wie sieht es aus mit den Waffen anderer Nationen, den Bedürfnissen anderer Nationen? Wie kann man möglichst bilateral oder multilateral das Ganze einbetten? Dann ist als vierte Überlegung zu klären: Wie wird nun das, was die Militärs gefordert haben, die Techniker konzipiert haben, mit der deutschen oder der ausländischen Wirtschaft zusammengebracht? Dann muß man fünftens betrachten, daß die Bundeswehr von heute ausgerüstet sein und betrieben werden muß und daß bereits die Bundeswehr von morgen konzipiert sein muß. Es gehören also zusammen: die Techniker und die Soldaten, die Volkswirte und die Juristen, und in der Spitze des Ministeriums, dort, wo dieses Konzept entwickelt wird, haben sie die militärischen, technischen, finanziellen und volkswirtschaftlichen Konzepte zusammenzubinden. Dann haben sie das Ganze an das Bundeswehrbeschaffungsamt herunterzugeben. Dort wird dieses Konzept zunächst in den Auftrag für die Entwicklung, später in die Erprobung und dann in den eigentlichen Produktionsauftrag umgesetzt. Daran wirken mit: Im Ministerium eine Hauptabteilung mit Wehrtechnik und Wehrwirtschaft, de facto ein Chef der Rüstung, 472 Fachkräfte in der wehrtechnischen Abteilung und 215 Fachkräfte in der Wehrwirtschaft. Dann haben wir draußen im BWB eine Gesamtstärke von rund 4200 Mitarbeitern; mit den Erprobungsstellen zusammen haben wir etwa 13 700 Kräfte, dazu kommen 700 aus dem Ministerium.
Meine Damen und Herren, diese Mitarbeiter, die ich hier einmal zahlenmäßig aufgeführt habe, haben in den Jahren des Bestehens der Bundeswehr und in einer eigenen Beschaffung 281 000 Verträge mit einem Gesamtwert von 49 Milliarden DM abhandeln müssen. Damit haben wir etwa 21/2 bis 3 Millionen verschiedene Gegenstände beschafft. Darf ich das in Erinnerung rufen, damit wir die Dimensionen sehen: 49 Milliarden DM Beschaffung, 2,5 bis 3 Millionen verschiedene Teile, rund 281 000 Verträge. Außerdem haben wir in der Abteilung Wehrtechnik 3900 Forschungs- und Entwicklungsaufträge mit 5,75 Milliarden DM erteilt.
Daß bei einem solchen Komplex, bei einer Beschaffung von 49 Miliarden DM naturgemäß die Männer, die damit zu tun haben, Anfechtungen ausgesetzt sein können, ist nicht zu bezweifeln. Nun habe ich vor etwa zehn Tagen einen Brief an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses geschrieben. Es ist auch „VS — Nur für den Dienstgebrauch". Da ich ihn selbst geschrieben habe, lese ich ihn vor. Dieser Brief ist in nur vier Exemplaren geschrieben worden, und trotzdem ist der Inhalt in den letzten Tagen in einem Informationsdienst veröffentlicht worden. Ich habe da folgendes geschrieben:
Sehr geehrter Herr Dr. Zimmermann! Mehrjährige Untersuchungen des zuständigen Referates in meinem Hause haben einen schweren Korruptionsfall in meinem Ministerium aufgedeckt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zur Zeit, durch meine Herren unterstützt, weitere Einzelheiten. Eine gründliche Aufklärung des Falles dürfte so lange möglich sein, wie es gelingt, die Untersuchung vertraulich zu führen. Sobald ich annehmen kann, das Ausmaß des Falles in etwa übersehen zu können, bin ich bereit, Ihnen und den Obleuten der Fraktionen die Einzelheiten vortragen zu lassen. Den Abgeordneten ... lasse ich eine Durchschrift zugehen.
Jetzt lese ich in der Zeitung, es sei doch unglaublich, daß dieses Antikorruptionsreferat nur mit einem Leiter und einer Schreibkraft besetzt sei. Tatsache ist folgendes: Als ich mein Amt antrat, waren dort 10 Mitarbeiter. Wir haben durch eine Anordnung, die ich vor knapp zwei Jahren getroffen habe, eine Verstärkung auf etwa 12 höhere Beamte, 10 gehobene Beamte, 14 mittlere Beamte und eine entsprechende Zahl Angestellte vorgenommen, insgesamt also von 10 auf 36 Kräfte erhöht.

(Abg. Dr. Mommer: Wieviele Abschüsse gibt es denn da? — Weitere Zurufe von der SPD.)

Meine Damen und Herren, die Zeitungsmeldung! Übrigens, wenn wir uns alles zu Herzen nähmen, was in den deutschen Zeitungen steht, wo kämen wir dann eigentlich hin?! Aber heute morgen heißt es in dem eben genannten Boulevardblatt: Oberst aus Bonn spurlos verschwunden. Um 9 Uhr hat Herr Schnell mit dem Oberst telefoniert. Er war auf dem Weg zum Zahnarzt. Er ist nicht verschwunden, er war beim Zahnarzt.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, bei dem scharfen Konkurrenzkampf vor allem im internationalen Geschäft werden leider oft Praktiken angewandt, die das Maß des Erlaubten ,entschieden überschreiten. Das in unserem Beschaffungsapparat eingesetzte Personal wird bei dessen vielfältigen internationalen Verflechtungen immer besonderen Anfechtungen ausgesetzt sein. Der Verteidigungsminister hat seit den Anfangsschwierigkeiten damals in Koblenz, die dem Hohen Hause bekannt sind, versucht, diesen besonderen Gefahren durch eigene Bemühungen



Bundesminister von Hassel
entgegenzuwirken. Wir haben als einziges Ressort ein besonderes Referat, das durch frühzeitige Aufklärung diesen Fällen entgegenwirken soll. Ich habe diese Einrichtung nach meinem Amtsantritt, wie ich eben darlegte, von 10 auf 36 Mitarbeiter verstärken lassen. Die Fälle, die heute von der Staatsanwaltschaft untersucht werden, sind von diesen Beamten nach mühsamer Aufklärung im In- und im Ausland im Interesse der Sicherheit des eigenen Apparates zutage gefördert und der Staatsanwaltschaft übergeben worden. Sie haben ihren Anfang in den Jahren 1959/60.
Wir haben in unsere Beschaffungsverträge im Zusammenhang mit der Lobbyistenvorschrift eine weitere Sicherung eingebaut, eine Vertragsklausel, die für jeden Fall der Bestechung eine Strafe von 10 % des Umsatzes vorsieht, den die betreffende Firma in den letzten zehn Jahren mit der Bundeswehr gehabt hat. Ich bin fest entschlossen, von diesen vertraglichen Bestimmungen zum Schutz der Soldaten, der Beamten und der Angestellten der Bundeswehr unnachsichtlich Gebrauch zu machen.

(Allgemeiner Beifall.)

Ich verurteile die Machenschaften, in die sich einige wenige Bedienstete eingelassen haben. Ich bitte aber, diese bedauerlichen Fälle, über die noch ein Gericht zu entscheiden haben wird, nicht zu verallgemeinern. Mehrere 10 000 Beamte und Angestellte der Bundeswehr erfüllen im Rahmen der Versorgung der Bundeswehr mit den Soldaten gemeinsam treu, korrekt und unbestechlich ihre Pflicht.

(Beifall.)

Sie trotzen aller Anfechtung. Diese Männer und Frauen können wohl erwarten, !daß sie mit der kleinen Zahl der schwach Gewordenen nicht in einen Topf geworfen werden.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Ich bitte auch, diese Vorfälle auf seiten unserer Auftragnehmer, vor allen Dingen auf seiten der
deutschen Industrie, nicht zu verallgemeinern. Ich bin immer noch optimistisch genug, die Fälle auch insoweit als Ausnahmen anzusehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504433200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt (Hamburg).

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504433300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine Bemerkung zu Herrn Rommerskirchen. Herr Rommerskirchen, Sie haben, wie wir das schon viele Jahre lang immer wieder erlebt haben, Philosophien angestellt über die Möglichkeiten, die man vielleicht zur Auslegung unserer Stimmenthaltung besitze. Ich sehe hier vorne meinen Hamburger Kollegen Damm sitzen. Ich habe mal festgestellt, wie oft Herr Damm und seine CDU-Freunde den Hamburger Schuletat abgelehnt haben. Ich habe einmal festgestellt, wie oft die CDU den Etat der Hamburger Innenverwaltung abgelehnt hat.

(Zurufe von der CDU/CSU.) — Ich will es Ihnen ja gerade sagen. Ich hatte dabei gar keine Angst, daß meine Autorität gegenüber den Polizeibeamten etwa geschwächt würde. Herr Damm hatte j a auch gar keine Angst. Hier hat einfach, wie das in jedem Parlament üblich und richtig ist — so in Hamburg, so in London, so im Bundestag zu Bonn — eine Partei — in dem Falle die Opposition —, weil sie politisch nicht einverstanden war mit dem, was an der Spitze an politischer Gestaltung vorlag, gesagt: Dem Haushalt stimmen wir nicht zu.


(Abg. Rommerskirchen meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Nein, jetzt habe ich mal das Wort, Herr Rommerskirchen, hören Sie mich einen Augenblick weiter an! Sehen Sie, wir haben den Haushalt des Außenministers nicht angenommen, wir haben den Haushalt des Innenministers nicht angenommen, wir haben den Haushalt des Postministers sogar ausdrücklich abgelehnt.

(Abg. Rommerskirchen: Ich habe doch nicht gesagt, daß Sie deswegen die Landesverteidigung ablehnen!)

— Sie haben insinuiert, Herr Rommerskirchen, daß wir noch nicht so weit seien, die Landesverteidigung zu bejahen; das könne man ja an der Stimmenthaltung sehen.

(Beifall bei der SPD. — Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Rommerskirchen: Lesen Sie das Protokoll nach, Herr Schmidt! Das wollten Sie hören, um einen Popanz zu haben!)

— Herr Rommerskirchen, ich habe mir eine Bemerkung von Ihnen mitgeschrieben.

(Abg. Dr. Klepsch hält eine Nummer des „Stern" hoch. — Abg. Herold: Der Klepsch soll sich was schämen, den „Stern" hochzuhalten! Dieser niederträchtige Kerl! — Weitere Zurufe.)

Sie haben in dem Zusammenhang — —

(Abg. Herold: Den „Stern" hochzuhalten! Diese Niedertracht! Sie sollten sich was schämen! — Anhaltende Rufe und Gegenrufe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504433400
Ich bitte doch, den Redner in Ruhe sprechen zu lassen, meine Damen und Herren!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504433500
Herr Rommerskirchen, Sie haben in dem Zusammenhang von „Mißtrauen säen" gesprochen. Ich habe mir das mitgeschrieben. Schauen Sie, in der letzten Debatte, wo es um Herrn von Hassel ging, da hat er etwas anderes gesagt. Er hat dem Sinne nach gesagt: „Wer mich, den Verteidigungsminister angreift und kritisiert, der kritisiert gleichzeitig die Hunderttausenden von Soldaten und Beamten und Arbeitern der Bundeswehr." Was von beidem ist nun eigentlich richtig — daß wir einen Keil treiben wollen, oder daß wir die Soldaten und Beamten der Bundeswehr angreifen? Ich finde, das muß hier endlich einmal — nicht nur



Schmidt (Hamburg)

in diesem Hause, sondern durch unsere gemeinsame Bemühung auch gegenüber den Menschen draußen und gegenüber den Soldaten — völlig klar sein, daß einerseits in einer Demokratie jeder Minister zur Diskussion und zur Kritik steht

(Beifall bei der SPD — Abg. van Delden: Aber die Kritik muß sachlich sein!)

und daß andererseits alle Bediensteten des Ministers, alle seine Mitarbeiter, alle seine Untergebenen selbstverständlich peinlich und minutiös jede seiner Anordnungen zu befolgen haben.

(Beifall bei der SPD.)

Das ist allüberall in den Demokratien der Welt selbstverständlich, und Sie sollten nicht durch Ihre Bemerkungen so tun, als ob es ber uns gefährdet werden könnte.
Sie haben gesagt, die Autorität des Ministers würde leiden.

(Abg. van Delden: Durch unsachliche Kritik!)

— Ich habe hier keine unsachliche Kritik geübt. (Abg. van Delden: Sie nicht, aber andere!) — Wer denn? Wen meinen Sie denn?

(Abg. van Delden: Herr Wienand zum Beispiel!)

— Wienand hat keine unsachliche Kritik geübt.

(Lachen bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: „Kritik in Unkenntnis"!)

— Seien Sie vorsichtig! Sonst passiert es Ihnen genau wie damals, daß Sie ein Jahr später furchtbar reinfallen, wenn wir es endlich beweisen können.

(Beifall bei der SPD.)

Aber ich wäre nicht an das Pult gegangen, um auf Herrn Rommerskirchen zu antworten, wenn nicht ein paar Bemerkungen des Herrn Bundesverteidigungsministers dazu Anlaß gäben.
Herr von Hassel, Sie haben heute nachmittag an zwei Stellen bisher vertrauliche Dokumente für offen erklärt. Sie haben einen Brief vorgelesen, der uns bisher unter „Vertraulich" zugegangen war, und Sie haben dann zweitens aus einem vertraulichen Dokument eine Reihe von Dingen zitiert. Als ich Sie fragte, ob denn das nur für Sie offen sei und für uns vertraulich, haben Sie gesagt: nein, nur der erste Teil sollte nach Ihrer Meinung eigentlich vertraulich sein, das andere könne in Zukunft offen sein. Ich entnehme daraus, daß auch ich über das sprechen darf, was darinsteht. Schauen Sie, es ist ja nicht so — wie hier in einem Zwischenruf deutlich wurde —, daß nur an einer Stelle der 96 Seiten, die dieses Dokument umfaßt, Protokollauszüge des Deutschen Bundestages dargeboten werden, nämlich im Anhang, sondern es sind insgesamt 22 oder 23 Seiten, ein Viertel des ganzen Dokuments, Auszüge aus dem Bundestagsprotokoll. An drei Stellen verbreiten Sie Protokollauszüge aus dem Deutschen Bundestag unter „Vertraulich". Ich finde es richtig, daß Sie den' Soldaten auf diese Weise erklären, was der Bundeskanzler als Richtlinie der Politik bestimmt hat. Wogegen ich mich wende, ist, daß solche
Dinge, aber z. B. auch die Grundsätze der deutschen Sicherheitspolitik, von Ihnen überhaupt geheim behandelt werden. Ich meine, was hier in den Grundsätzen vorn darinsteht, ist alles mehr oder minder akzeptabel. Aber das gehört in die öffentliche Diskussion.

(Beifall bei der SPD.)

Anders ist es doch unmöglich. Ich meine, alle diese Kapitelchen, die jetzt auch nach Ihrer heutigen Bemerkung noch als vertraulich angesehen werden sollen, die lesen Sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", in der „Welt", in der „New-York Times" ein bißchen so rum, in der „Neuen Zürcher Zeitung" ein bißchen anders rum. Das ist doch Diskussionsstoff, und die deutsche Regierung hat doch nötig, in diese Diskussion ihre eigene Meinung sicher und deutlich hineinzustellen.

(Beifall bei der SPD.)

Es ist doch auch nicht so, daß das etwa nur in England und Amerika üblich wäre. Schauen Sie nach Frankreich, schauen Sie in die Schweiz, wo der alljährliche Bericht des Militärdepartements — sehr viel mehr noch ins einzelne gehend als Ihr Papier — selbstverständlich öffentlicher Diskussionsstoff ist. Sie haben gesagt, es sei ein erster Versuch gewesen. Ich will das gerne anerkennen. Sie haben angefangen. Ich ,hätte die Form und den Inhalt auch weiter nicht kritisiert, wenn Sie nicht selber hier daraus zitiert hätten — trotz der Stempel, die auf jeder Seite sind. In meinem Exemplar steht auf jeder einzelnen Seite: „Vertraulich", auch auf der, wo Sie ankündigen, daß Sie die Chormusik pflegen wollen. Steht auch „Vertraulich" drauf!

(Heiterkeit.)

Auch auf der Seite, auf der steht, Sie hätten vom 1. 10. 1964 bis zum 31. 8. 1965 3 002 231 Gutscheine für Militärfahrkarten ausgegeben. Steht auch „Vertraulich" drauf!

(Heiterkeit.)

Ich will die Beispiele nicht vermehren. Ich will nur sagen: Wir alle sind daran interessiert — wir Sozialdemokraten genauso wie Sie auf der Rechten, wie die Soldaten draußen und wie die öffentliche Meinung —, daß die Diskussion über die Bundeswehr versachlicht wird, und das kann sie nur, wenn die Unterlagen, die der öffentlichen Meinung gegeben werden müssen, vollständig und offen zur Verfügung stehen. Es gibt überhaupt keinen Grund, diesen Bericht nicht dem ganzen Deutschen Bundestag und auch der Presse zuzuleiten. Ich habe zwei Stellen gefunden, die ich vielleicht als geheim ansehen würde; diese stehen unangenehmerweise in dem Teil, Herr von Hassel, von dem Sie vorhin sagten, er könne offen sein.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Nun habe ich auf der Seite 49 des Berichts — das gehört also zu dem Teil, den Sie heute für offen erklärt haben — eine Bemerkung über die Organisation Ihres Hauses gefunden. Sie haben auch vorhin wieder über dieses Thema gesprochen, Sie waren ja danach gefragt worden. Sie haben gesagt: das Organisationsgesetz ist von meinem Schreib-



Schmidt (Hamburg)

tisch herunter, es ist jetzt in der Maschinerie der Abstimmung unter den Ressorts. So habe ich Sie dem Sinne nach verstanden. Ich will das nicht kritisieren, sondern ich will den Satz vorlesen, der auf Seite 49 unten steht: auch in der neuen Gliederung bleibe es bei einem Staatssekretär. Und, es steht nicht ausdrücklich da, aber es ergibt sich daraus, daß es auch bei einem Minister ohne einen politischen Stellvertreter bleiben soll. Sie sagen dann, die Lösung sei so gefunden worden nach eingehenden Überlegungen über die Einführung eines zweiten, nämlich militärischen Staatssekretärs. Wir wollen uns hier nicht für einen militärischen Staatssekretär aussprechen. Wir wissen, daß das inzwischen zu schweren Zerwürfnissen in der obersten Etage Ihres Hauses geführt hat. Wir wollen uns da nicht einmischen, wollen die Dinge auch nicht ausbreiten. Was wir aber zu wiederholen wünschen, ist, daß es unmöglich ist, dieses riesenhafte Unternehmen Bundeswehr mit diesem riesenhaften Umsatz, mit diesem riesenhaften laufenden Kostenetat, mit diesem großen Personalapparat, ein solches Unternehmen — was auf der ganzen Welt kaum wieder vorkommt — mit einem einzigen Vorstandsmitglied und einem stellvertretenden Vorstandsmitglied führen zu wollen. Das geht einfach nicht. Sie müssen die personelle Spitze der Führung Ihres Hauses entsprechend den Vorbildern umgestalten, die Sie in England, die Sie in Amerika finden.
Lassen Sie mich eine Bemerkung zu dem Offset-Agreement machen. Es muß geprüft werden, ob wir bei dem Devisenausgleich gegenüber den Staaten, die auf unserem Territorium Truppen unterhalten, den Grundsatz der Gleichmäßigkeit wirklich immer richtig angewandt haben. Ich habe das Gefühl — ich kann es nicht belegen, aber ich habe das Gefühl —, daß wir uns in den Verpflichtungen, die sich da ergeben, von denen Herr von Hassel mit Recht gesprochen hat, gegenüber dem einen Land anders verhalten haben als gegenüber dem zweiten und als gegenüber dem dritten. Ich halte das für eine gefährliche Sache. Ich halte es auch für gefährlich, daß man hier Verpflichtungen eingegangen ist, die man dann nicht in dem abgemachten Zeitraum abgedeckt hat. Das ist höchst bedenklich, weil das zu politischen Spannungen führt, die sich dann eines Tages entladen. Wir lesen ja ab und zu Äußerungen amerikanischer Senatoren und Minister in der Zeitung.
Meine Empfehlung wäre, daß Verhandlungen über diese Milliardensumme, die wir den Amerikanern in vergangener Zeit schon zugesagt hatten und bisher nicht erfüllt haben, über deren Abdeckung und Verhandlungen über das Eingehen neuer OffsetAbkommen nicht von Ihnen, Herr von Hassel, geführt werden. Denn wenn sie von Ihnen geführt werden, dann werden sie von vornherein auf das Feld der Verteidigungsausgaben eingeengt. Sie müssen von einem anderen Ressort geführt werden. Ich habe das Kommuniqué der Besprechungen, die der Herr Bundeskanzler in London mit Premierminister Wilson gehabt hat, wo ja auch dieses Thema eine Rolle gespielt hat und wo eine Kommission eingesetzt wurde, so verstanden, daß die Besprechungen
mit England über dasselbe Thema nicht nur in Ihrem Ressort geführt werden.
Ich halte es auch für gesund, wenn es nicht in Ihrem Ressort federführend gemacht wird. Denn wenn es in Ihrem Ressort gemacht wird, werden die Verhandlungen zwangsläufig eingeengt auf das Thema des Einkaufs von schweren Waffen und hartem Gerät, und wir sind wirklich dabei, uns in Amerika zu überkaufen. Sie wissen das selber. Denn Sie haben einen Teil der Verpflichtungen einfach nicht abdecken können, weil Sie nicht mehr Gerät gebrauchen konnten. Sie haben heute gesagt, Sie würden sich nicht überkaufen, Sie würden aufpassen. Das hoffe ich sehr. Nur werden wir dann eben die Verpflichtungen in Amerika nicht abdecken können. Infolgedessen müssen, wie es auch gegenüber England schon geschehen ist, diese Devisenabdekkungen auch in andere Sachgebiete ausgebreitet werden.

(Beifall bei der SPD.)

Wir können es uns auch aus sicherheitspolitischen und aus bündnispolitischen Erwägungen nicht erlauben, all das schwere Gerät, das wir im Ausland kaufen, ausschließlich in den Vereinigten Staaten von Amerika zu kaufen. Das geht nicht. Wenn immer es möglich ist, würde ich sehr wünschen, daß ein Teil dieses Geräts in Frankreich gemeinsam entwickelt und gekauft wird und daß die Beziehungen zu Frankreich auf diesem Sektor nicht unter dem riesenhaften Volumen der Zahlungen leiden, die wir Amerika gegenüber schulden.
Ein vorletzter Punkt. Herr von Hassel hat eine Auseinandersetzung mit meinem Freund Karl Wienand geführt. Er hat dazu aus einem Fernseh- oder Rundfunkinterview zitiert. Ich habe das weder gehört, noch habe ich das Protokoll in der Hand. Aber ich meine, selbst das, was Sie zitiert haben — ohne daß wir den Zusammenhang kennen —, Herr von Hassel, war absolut in Ordnung. Das, was Sie zitiert haben, lautete, der Herr Wienand habe gesagt, die französischen Truppen auf deutschem Territorium seien im wesentlichen als Reserve eingesetzt, und dabei spiele es keine Rolle, ob sie westlich des Rheins stünden oder etwas weiter in der Tiefe des französischen Raums. Das ist militärisch gesehen völlig richtig; fragen Sie Kielmannsegg, fragen Sie Baudissin oder wen immer von unseren Generalen in Paris. Ich kann mir nicht denken — Sie haben den entsprechenden Beweis dafür nicht gebracht —, daß damit auf Wienands Seite impliziert gewesen wäre, diese Truppen könnten infolgedessen gern nach Frankreich gehen. Er hat den militärischen Sachverhalt dargestellt. Ich finde das auch den Franzosen gegenüber fair und korrekt, denen hier in der deutschen Presse vielfach zu Unrecht vorgeworfen worden ist, sie wollten an der Vorwärtsverteidigung nicht teilnehmen, während es in Wirklichkeit so war, daß das militärische Hauptquartier Europa-Mitte gewünscht hatte, daß sie nicht vorne stünden, sondern als Reserve relativ hinten gestaffelt waren. Es ist nur fair gegenüber den Franzosen, das endlich einmal offen auszusprechen. Man soll das nicht fehlinterpretieren, wie es hier geschehen ist, als den Wunsch eines Sozial-



Schmidt (Hamburg)

demokraten, noch dazu eines auf diesem Felde bedeutenden Sozialdemokraten, er sei persönlich dafür, die französischen Truppen könnten auch in Frankreich stehen. Sie wissen ganz genau aus vielen Debatten und können darüber nicht im Zweifel sein, Herr von Hassel, daß die Sozialdemokraten ebenso wie die Bundesregierung — in diesem Punkte sind wir uns einig — aus sicherheitspolitischen, aus bündnispolitischen, aus außenpolitischen Gründen wünschen, daß die französischen Truppen auf deutschem Boden weiterhin der gemeinsamen Verteidigung zur Verfügung stehen; das ist unser Standpunkt.

(Beifall bei der SPD.)

Eine letzte abschließende Bemerkung. Sie haben über die Korruptionsfälle gesprochen. Ich will dazu nicht Stellung nehmen. Ich wünsche Ihnen, Herr von Hassel, und Ihrem Hause und Ihren 36 Antikorruptionsbeamten einen guten und schnellen Erfolg bei der Abwicklung der Affäre, die im Augenblick in den Zeitungen mehr Überschriften zu verursachen scheint, als wirklich dahinter ist.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504433600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Zimmermann.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0504433700
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will als Vorsitzer des Verteidigungsausschusses auf eine Bemerkung des Herrn Kollegen Wienand eingehen, mit der er sagte, es habe, was die Zeitgestaltung des Verteidigungsausschusses angehe, Mehrheitsbeschlüsse gegeben. Das ist eine unrichtige Behauptung.

(Zuruf von der SPD: Das ist auch nicht behauptet worden!)

— Hier im Plenum ist das in den Ausführungen des
Herrn Kollegen Wienand gesagt worden; sonst
müßte ich mich schon ganz und gar verhört haben.

(Zuruf von der SPD: Haben Sie! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Ich glaube, daß das andere zu beurteilen haben, wie oft ich mich hier im Plenum oder im Ausschuß verhört habe. Auf jeden Fall darf ich hier feststellen, daß mir seit Beginn der Legislaturperiode kein Fall bekannt ist, wo durch eine Mehrheitsentschließung im Verteidigungsausschuß der Wunsch einer Gruppe dieses Ausschusses zurückgestellt, ad infinitum vertagt oder sonstwie ungerecht oder unzulässig behandelt worden wäre.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504433800
Gestatten Sie Zwischenfrage?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0504433900
Herr Kollege Dr. Zimmermann, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß sich die Bemerkung meines Kollegen Karl Wienand auf diese Debatte hier im Plenum bezog?

(Zuruf von der CDU/CSU: Das konnte kein Mensch so verstehen!)


Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0504434000
Dann muß ich wirklich dazu sagen, man muß Hellseher sein, um das verstanden zu haben,

(Zurufe von der CDU/CSU: Hellhörer! — Heiterkeit)

oder „Hellhörer", besser gesagt. Meine sehr verehrten Kollegen, so weitgehende Interpretationen sind für den normal Auffassenden in diesem Saale wirklich unzumutbar.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

— Ich habe schon .geschmackvollere Zwischenbemerkungen gehört, aber ich weiß, daß Zwischenrufe nicht aller Leute Sache sind.

(Abg. Damm: Glückssache sind!) — Manchmal sind sie auch Glückssache.

Ebenfalls ist beklagt worden, daß der Haushalt nicht im Verteidigungsausschuß behandelt worden sei.

(Abg. Wellmann: Das haben Sie richtig verstanden!)

— Habe ich das richtig verstanden? Da bin ich froh, daß ich manchmal auch etwas richtig verstehe, was von Ihrer Seite kommt. Es ist sehr schwer.
Wer Mitglied dieses Ausschusses ist, der weiß genau, daß der Verteidigungsausschuß — leider, kann ich nur sagen — Wochen und Wochen mit der Starfighter-Untersuchung zugebracht hat

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

und daß er wieder einmal dem Haushaltsausschuß bei der Beratung dieses wichtigen und großen Etats den Vortritt lassen mußte. Wen wollen Sie denn dafür verantwortlich machen, meine Herren? Die Regierung? Die Mehrheit dieses Hauses? Die Mehrheit im Ausschuß? Ich meine, keinen von den Genannten können Sie dafür verantwortlich machen.

(Sehr gut! und Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Berkhan: Das ist auch nicht geschehen, Herr Dr. Zimmermann!)

— Dann müßte ich mich schon wieder verhört haben. Eine Serie von Verhörungen in diesem Ausschuß, in diesem Plenum!

(Lachen bei der SPD.)

Mit meiner nächsten Feststellung darf ich folgendes sagen. Herr Kollege Berkhan hat als Zwischenfrage oder Zwischenruf gebracht, der Termin, den ich für NATO und Offset für den 15. Juni für die nächste Sitzung des Verteidigungsausschusses gemeinsam mit dem Verteidigungsminister angesetzt habe, solle wieder wegen einer Tagung der WEU in Paris verschoben werden. Ich habe erst vor kurzer Zeit einem Wunsch der Kollegen Wienand und Berkhan Rechnung getragen und wegen einer WEU-Sitzung eine ganze Woche lang keine Ausschußsitzung angesetzt, obwohl eine möglich gewesen wäre.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Wir können uns dann in solchen Ausschußsitzungen
nicht deshalb immer nur mit zweit- und drittrangi-



Dr. Zimmermann
gen Fragen beschäftigen, weil führende Mitglieder des Ausschusses wieder bei einer WEU-Sitzung sein müssen, sein wollen; ich verstehe das. Aber, bitte, verstehen Sie dann auch den für mich unerträglichen Zeitzwang, wenn ich auf der einen Seite Rücksicht nehmen soll, aber auf der anderen Seite so wichtige Themen wie dieses ohnehin erst mit einer Verspätung von mehreren Wochen auf die Tagesordnung setzen kann, weil vorher keine Zeit dazu ist. Wenn ich dann noch dafür Vorwürfe einstecken soll, geht das zu weit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504434100
Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berkhan?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0504434200
Herr Dr. Zimmermann, können Sie nicht verstehen, daß die Abgeordneten bei der WEU, die ja nicht nur der SPD angehören, gerne das Problem vorher besprochen hätten, weil es nämlich bei der WEU-Sitzung auf der Tagesordnung steht und weil für uns Deutsche dort entscheidende Fragen zur Debatte stehen?

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Sie sollten nur keine Vorwürfe erheben, daß der Haushalt nicht im Verteidigungsausschuß beraten wurde!)

— Ich habe nur gefragt, ich habe keine Vorwürfe erhoben. Das deuten Sie da hinein.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0504434300
Herr Kollege Wienand, ich habe in den letzten Minuten schon festgestellt, daß ich dafür absolut Verständnis habe. Aber Sie wissen so gut wie ich, daß der Zeitplan des Ausschusses in den letzten Wochen — Berlin-Sitzung, vorher war noch die Starfighter-Debatte — einfach nicht auch nur einen halben Tag frei gelassen hat mit Ausnahme der Sitzungswoche, wo Sie auch bei der WEU waren. Das wissen Sie doch so gut wie ich. Wie soll ich es denn eigentlich mit der Zeiteinteilung noch machen?

(Zurufe von der SPD.)

Wollen wir das Thema der Zeiteinteilung verlassen! Aber Sie haben mich wirklich dazu gezwungen, mich damit zu beschäftigen.
Ich darf nun zu ein paar Bemerkungen des Kollegen Schmidt (Hamburg) etwas sagen. Ich will mich nicht noch einmal mit der Interpretierung der Stimmenthaltung der sozialdemokratischen Fraktion zum Verteidigungshaushalt beschäftigen. Ich habe gerade die Ausführungen des Kollegen Rommerskirchen noch einmal nachgelesen. Sie sind nach meiner Meinung sachlich ganz und gar nicht zu beanstanden. Ich meine, daß selbstverständlich der Oppositionsachliche Kritik unterstellt wird, daß man sie von ihr erwartet. Nur — ich sage es ganz offen — der Stil, um des großen Effekts willen in einer solchen Debatte kleine Röhrchen aus der Tasche zu ziehen, der liegt mir nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Herr Kollege Wienand verfügt über eine sehr umfangreiche Korrespondenz mit dem Verteidigungsminister und auch mit mir. Wir stehen in einem ständigen Schriftwechsel. Wir haben auch Obleutebesprechungen, in denen der Vorsitzende des Ausschusses keineswegs die Tagesordnung so, wie er meint, daß sie richtig ist, apodiktisch festsetzt. Da gäbe es so viele Möglichkeiten, eine kleine „Röhrchen-Angelegenheit" und „Millionenverschwendundungen" zu besprechen. Man müßte das nicht so spektakulär im Plenum machen, wenn es wirklich um die Sache geht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Schmidt, Sie haben völlig recht, daß dieses Dokument den Stempel „vertraulich" trägt.

(Zuruf des Abg. Wienand.)

— Entschuldigen Sie, ich bin jetzt bei einem anderen Gedanken. — Das geht auch hier zu weit. Aber ich glaube, für die Erklärung des Ministers, daß das Dokument auch für hohe Beamte und Offiziere vorgesehen war und daß es nicht doppelt gedruckt worden ist, sollte man Verständnis haben. Ich gebe zu, daß sich Einzelzitierungen aus einem so vertraulichen Dokument natürlich für eine humoristische Behandlung besonders gut eignen und daß Sie sich das nicht gern entgehen lassen wollten.
Was das Organisationsgesetz angeht, so glaube ich, daß man sich, wenn es eingebracht ist und im Verteidigungsausschuß zur Debatte stehen wird, in der Tat über einige Fragen wird unterhalten müssen, die Sie angesprochen haben und bei denen ich nicht ganz weit von Ihnen entfernt bin.
Mit dem Beispiel eines Vorstandsmitglieds oder eines Stellvertreters vergleichen Sie zwar etwas an sich Unvergleichbares, Sie ziehen nämlich einen Vergleich zur Wirtschaft; aber Sie haben recht. Auch mir erscheint manchmal der „Flaschenhals" Staatssekretär-Minister für dieses große Ressort nicht zureichend. Aber das ist eine Frage, die wir ganz sicher in der Diskussion über das Thema Organisationsgesetz behandeln werden.
Was die Offset-Verpflichtungen betrifft, so werden sie in der Tat in den Vereinigten Staaten einerseits und in Großbritannien andererseits verschieden gehandhabt. Die Vereinigten Staaten stehen hier ganz offenbar auf einem viel härteren Standpunkt, und Minister McNamara möchte auf ihm bestehenbleiben. Ich glaube, daß wir innerhalb einer Zweijahresfrist — ganz gleich, wie lang Sie jetzt diese zwei Jahre rechnen, ob sie etwa schon am 30. Juni 1967 endet oder ob die Möglichkeit der Verlängerung im Wege der Verhandlung besteht — auch mit dem besten Willen nicht für 7 Milliarden DM — ganz gleich, wie sie sich zusammensetzzen — in den beiden genannten Ländern kaufen können, da im gleichen Zeitraum, im Jahre 1966 und im Jahre 1967, im Investitionshaushalt für die Verteidigung einmalige Ausgaben abzüglich Kasernen- und Wohnbauten in Höhe von 4,062 Milliarden DM im Jahre 1966 und in Höhe von nicht mehr als einigen hundert Millionen über 4 Milliarden DM im Jahre 1967 — auch bei allen unseren Anstrengungen — entstehen werden. Es stünden also nach



Dr. Zimmermann
einer ganz einfachen Rechnung 8 bis 81/2 Milliarden DM schon 7 Milliarden DM solcher Verpflichtungen gegenüber. Daß das auch mit dem besten Willen nicht zu schaffen ist, kann ja wohl von niemandem bestritten werden.
Der Gedanke hat etwas für sich, mit den Vereinigten Staaten nicht nur vom Verteidigungsressort her zu verhandeln. Das möchte ich Ihnen gern zugeben. Ich halte es z. B. für schlechthin unerträglich, daß es einer Bundesgesellschaft wie es die Deutsche Lufthansa ist, und damit dem Bund nicht erlaubt ist, die enormen Bestellungen, die die Lufthansa bei einer großen amerikanischen Firma gemacht hat und laufend macht, auf diese Verpflichtungen anzurechnen. Das wäre ein durchaus legitimer und auch drüben erfüllbarer Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hier glaube ich im Namen meiner Freunde zu sprechen, wenn ich den Verteidigungsminister und die Bundesregierung überhaupt bitte, in dieser ganzen Frage der Offset-Verpflichtungen auch von unserer Seite so hart wie möglich zu verhandeln.
Der letzte Punkt: die französischen Truppen. Ich glaube, die Auseinandersetzung darüber kann mit der Feststellung beendet werden, daß auch nach meiner Auffassung der Kollege Wienand den Kampfauftrag, den die französischen Divisionen in Deutschland bisher hatten, unrichtig darstellt, wenn er meint, sie seien nur für die zweite Linie und die Reserve vorgesehen. So lautet ihr Kampfauftrag nicht.
Aber lassen wir es dabei bewenden, und lassen Sie mich zum Schluß kommen, indem ich sage: auch nach unserer Auffassung sollen — und hier stimme ich dem Kollegen Schmidt ganz und gar zu — die französischen Truppen weiterhin in Deutschland bleiben. Das ist das viel wichtigere, nämlich das politische Problem.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504434400
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung.
Es liegt Ihnen der Mündliche Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksache V/583 — Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, vor. Es liegt kein Änderungsantrag vor.
Das Wort zur Abstimmung hat der Herr Abgeordnete Memmel.

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0504434500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um namentliche Abstimmung,

(Zuruf von der SPD: Bravo!)

und zwar aus drei Gründen. Erstens einmal verdient der Verteidigungshaushalt wegen seines Umfanges und seiner Bedeutung eine namentliche Abstimmung. Zweitens möchte ich gern, daß wir dem Bundesverteidigungsminister durch ein Ja in namentlicher Abstimmung zu seinem Haushalt unser Vertrauen aussprechen.

(Aha-Rufe und Lachen bei der SPD.)

Drittens möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren auf der linken Seite, Gelegenheit geben, sich klar und im Protokoll nachlesbar zu entscheiden, Ihnen nämlich, die Sie immer so gern in die Kasernen gehen und sich bundeswehrfreundlich gebärden.

(Wiederholter Zuruf des Abg. Wehner: Was soll denn das! — Lebhafter Widerspruch bei der SPD. — Abg. Wehner: Sie Dreckschleuder! — Zuruf von der SPD: Ausgesprochener Dreck! — Gegenrufe von der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504434600
Herr Erler hat sich zu einer Zwischenfrage gemeldet.

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0504434700

(Zuruf von der SPD: Ausgesprochener Scharfmacher! — Abg. Hermsdorf: Ein ausgesprochener Drecksack sind Sie! — Weitere Zurufe und Gegenrufe.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504434800
Meine Damen und Herren, ich bitte Ruhe zu bewahren.

(Anhaltende Unruhe. — Wiederholter Zuruf des Abg. Hermsdorf: Ein ausgesprochener Drecksack sind Sie! — Gegenrufe von der CDU/CSU.)

— Meine Damen und Herren, diesen Ausdruck kann ich nicht durchgehen lassen. Ich rufe Sie zur Ordnung!

(Abg. Hermsdorf: Er ist trotzdem ein ausgesprochener Drecksack!)

Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam, daß es 19.30 Uhr ist. Es liegt noch ein hartes Stück Arbeit vor uns.

(Heftige Zurufe von der SPD: Er soll aufhören!)

Meine Damen und Herren, ich selbst habe auf die Handlungsfreiheit von Abgeordneten als Präsident keinen Einfluß. Ich mache Sie darauf aufmerksam. Ich möchte aber nur sagen, daß Sie als SPD-Fraktion an dem Beschluß des Ältestenrates mitgewirkt haben, daß die zweite Lesung heute noch abgeschlossen werden soll. Ich bitte also Herrn Abgeordneten Memmel, mit seinen Darlegungen zu Ende zu kommen.

(Zuruf von der SPD: Mit seinen Provokationen!)


Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0504434900
Ich bedanke mich, Herr Wehner, für den Zwischenruf „Dreckschleuder" und bei Ihnen, Herr Hermsdorf, für den „Fettsack" oder „Drecksack". Das ist der neue Stil.

(Abg. Hermsdorf: Das ist Ihr Stil, uns hier zu verleumden! — Anhaltende große Unruhe bei der SPD.)




Memmel
Ich bitte die Kollegen aus den Koalitionsfraktionen, meinen Antrag zu unterstützen. Nach § 57 der Geschäftsordnung brauche ich 50 anwesende Mitglieder zur Unterstützung meines Antrages.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504435000
Herr Abgeordneter Erler hat das Wort zur Abstimmung.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0504435100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße den Antrag auf namentliche Abstimmung. Selbstverständlich wird die sozialdemokratische Fraktion ihre politische Haltung zu den hier anstehenden- Problemen in der namentlichen Abstimmung bekunden. Nachdem von dem Sprecher der CDU/CSU-Fraktion diese namentliche Abstimmung ausdrücklich in eine persönliche Vertrauensbekundung für den amtierenden Verteidigungsminister umgedeutet worden ist, ist es völlig klar, daß Sie allein damit der Opposition auf jeden Fall die Möglichkeit genommen haben, etwa ja zu sagen. Dann hätten Sie das anders begründen müssen.

(Beifall bei der SPD.)

Aber bei dieser Gelegenheit verwahre ich mich ganz entschieden gegen die Art der Begründung, die Herr Kollege Memmel hier seinem Antrag auf namentliche Abstimmung gegeben hat. Ich finde, dem Interesse des deutschen Volkes wird ein schlechter Dienst erwiesen, wenn man den Verteidigungswillen unseres Volkes und die Treue der Sozialdemokratischen Partei zur Verteidigung unserer Freiheit bei einer solchen Frage in Zweifel zu ziehen versucht. Diesen Versuch, die Verteidigungsbereitschaft aller Deutschen der Umwelt gegenüber in Zweifel zu ziehen und damit dem deutschen Volk Schaden zuzufügen, diesen Versuch, Zwiespalt zwischen unserer Bundeswehr und den deutschen Sozialdemokraten zu säen, hängen wir niedriger, meine Damen und Herren!

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504435200
Das Wort zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Könen.

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0504435300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe, nachdem unser Fraktionsvorsitzender, Kollege Erler, gesagt hat, was notwendig war, nur noch eine Bitte. Bis jetzt kann man das als eine einmalige Angelegenheit des Herrn Memmel betrachten. Schaffen Sie ihm nicht die Stimmen, die für eine namentliche Abstimmung notwendig sind; sonst gilt es als eine Sache der CDU!

(Beifall.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504435400
Ich frage, ob der Antrag des Herrn Abgeordneten Memmel unterstützt wird. Er muß nach der Geschäftsordnung von 50 Abgeordneten unterstützt werden. Ich bitte diejenigen, die den Antrag unterstützen, um das Handzeichen.

(Bravo-Rufe und Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, der Antrag ist nicht ausreichend unterstützt.

(Erneute Bravo-Rufe und anhaltender Beiball bei der SPD.)

Ihm kann daher nicht stattgegeben werden.
Wir kommen zur Abstimmung. Wie ich bereits gesagt habe, meine Damen und Herren, liegt Ihnen vor — —

(Unruhe.)

— Ich bitte um Ruhe. Wir befinden uns in der Abstimmung. — Herr Rasner zur Geschäftsordnung!

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0504435500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Abstimmung soeben war eine Abstimmung über eine Frage des Procedere. Ich möchte sehr eindeutig sagen, daß unsere Fraktion dem Bundesverteidigungsminister uneingeschränktes Vertrauen ausspricht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504435600
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/583. Der Antrag des Haushaltsausschusses ist Ihnen bekannt. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Bei zahlreichen Enthaltungen gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 3 h auf:
h) hier: Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache V/600 —
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
Abgeordnete Frau Krappe
Meine Damen und Herren, hierzu liegen uns Änderungsanträge vor, einmal der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 67 *) —

(Anhaltende Unruhe.)

— Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Ich bitte das Hohe Haus, weiterhin seine Pflicht zu erfüllen. Wir müssen die Abstimmungen erledigen. Wir sind noch nicht am Ende der Tagesordnung. Ich bitte, Platz zu nehmen.
Ich rufe weiter den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Umdruck 77 **) auf. Wird das Wort zur Begründung der Vorlage und der Änderungsanträge oder zur Aussprache — ich fasse beides zusammen — gewünscht? — Bitte sehr.

Max Seidel (SPD):
Rede ID: ID0504435700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion begründe ich den Änderungsantrag Umdruck 67 zum Einzelplan 60.
Der Anlaß unseres Antrages ist der Entwurf zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern, der vom Bundesrat vorgelegt
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 7



Seidel
worden ist. Die Notwendigkeit dieses Gesetzentwurfs ergab sich aus den finanziellen Schwierigkeiten, in die die finanzschwachen Länder Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein beim Ausgleich ihrer Haushalte für das Jahr 1966 geraten sind. Diese Schwierigkeiten können die Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und Bremen aus ihren Haushaltsmitteln nicht mehr beseitigen. Daher hat der Bundesrat den Gesetzentwurf zwecks ergänzender Bundeszuweisungen eingebracht.
Nach einigen Wenn und Aber wird jetzt die Notwendigkeit der Zuweisungen von der Bundesregierung und von den Koalitionsparteien nicht mehr bestritten. Daher ist bei den Beratungen des Bundeshaushalts im Haushaltsausschuß ein neuer Titel 603 mit einem Ansatz von 180 Millionen DM eingesetzt worden. Diese Mittel werden aber in der Zweckbestimmung als „Sonderzuweisungen für Strukturmaßnahmen in den Ländern Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein" im Bundeshaushalt ausgewiesen. Dazu sind bisher folgende Erläuterungen festgelegt:
Die Zuwendungen sind als Hilfsmaßnahmen für die in besonderen Schwierigkeiten befindlichen leistungsschwachen Länder gedacht. Die Verteilung erfolgt nach Anhörung der Länder auf Vorschlag der Bundesregierung mit Zustimmung des Haushaltsausschusses.
Solche Erläuterungen erscheinen uns für die Länder wenig schmeichelhaft. Im Endeffekt würde den Ländern vom Bund gesagt werden, welche Strukturmaßnahmen für sie Rechtens und gut sein müßten. Ich finde diese Methode dem föderativen Prinzip unseres Bundesstaates nicht angemessen.
Unser Antrag hat auch schon auf der Koalitionsseite zu neuerlichen Konzessionen in der Sache geführt. Wir werden das gleich bei der Behandlung des Änderungsantrages Umdruck 77 erleben.
Trotzdem bleiben wir bei der Meinung, daß sich der Bundestag bei der finanziellen Regelung dieser Frage auf das Grundgesetz stützen sollte. So lautet denn unsere Formulierung für die Zweckbestimmung in Tit. 603:
Ergänzungszuweisungen nach Artikel 107 Abs. 2 Satz 3 des Grundgesetzes
Die Erläuterungen wären wie folgt zu fassen:
Nach dem Gesetz vom ... ist der Bund verpflichtet, bei Vorliegen der im Gesetz näher bezeichneten Voraussetzungen den Ländern Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein Ergänzungszuweisungen zu gewähren. Der Betrag ist geschätzt.
Der angeführte Satz aus Art. 107 Abs. 2 des Grundgesetzes lautet:
Das Gesetz kann auch bestimmen, daß der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt.
Daraus kann man im Gegensatz zur Meinung des Bundesfinanzministeriums entnehmen: Durch die Inanspruchnahme dieses Satzes im Grundgesetz wird kein neues Element in die Gestaltung des Finanzausgleichs unter den Ländern eingeführt. Gerade weil diese Ausnahmesituation für das Jahr 1966 gegeben ist, müßte korrekterweise nach dem Grundgesetz verfahren werden. Wichtig erscheint uns, daß es bei Gewährung der Bundesmittel an die fünf finanzschwachen Länder den Ländern überlassen bleiben muß, für welche Aufgaben sie diese Mittel verwenden. Nur die Form der Ergänzungszuweisungen wird das Hineinregieren des Bundes in die Zuständigkeit der Länder unmöglich machen. Was jetzt als Beschluß der Mehrheit des Haushaltsausschusses dem Hohen Hause vorliegt, heißt einen bedeutsamen Präzedenzfall zum Schaden der Länderhoheit vollziehen. Da das Grundgesetz aber die Ergänzungszuweisungen vorsieht, ist nicht einzusehen, warum der Bundestag dem aus dem Wege gehen soll.
Selbstverständlich geht es bei den haushaltsmäßigen Nöten der Länder darum, daß ihnen rasch geholfen wird. Bei gutem Willen läßt sich der Gesetzentwurf des Bundesrates noch vor der Sommerpause des Parlaments verabschieden. In diesem besonderen Fall, meine Damen und Herren, sollte die grundsätzliche Betrachtungsweise zwischen den Ländern und dem Bund nicht so extrem auseinanderfallen. Alle Beteiligten müßten das Interesse haben, daß das föderative Prinzip unseres Bundesstaates beachtet wird und sich als funktionsfähig erweist. Wenn jetzt die Formel „Sonderzuweisungen für Strukturmaßnahmen in den Ländern" aufrechterhalten wird, dann haben Sie den Gesetzentwurf des Bundesrates bereits torpediert. Das Hohe Haus müßte es vermeiden, daß wegen dieser Formel im Bundeshaushalt 1966 der. Bundesrat gezwungen ist, den Vermittlungsausschuß anzurufen.
Die Bundesratsinitiative, die auch vom bayerischen Ministerpräsident Dr. Goppel in einem Schreiben an mich „als ein ausgewogener Gesetzentwurf" bezeichnet wird, ist verfassungsrechtlich die beste Lösung bei der Regelung ,der Überwindung der finanziellen Schwierigkeiten der finanzschwachen Länder. Der Bundestag wäre gutberaten, wenn er der verfassungsrechtlichen Lösung, die im sozialdemokratischen Antrag für den Bundeshaushalt vorgeschlagen wurde, zustimmte.
Ich bitte, dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 67 zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504435800
Wird das Wort weiter gewünscht? — Herr Abgeordneter Windelen, bitte sehr!

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0504435900
Frau Präsidentin! Meine ,sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dem Antrag der SPD sprechen, der soeben von dem Kollegen Seidel 'begründet .worden ist, alber .gleichzeitig auch zum Antrag der CDU/CSU und der FDP zur zweiten Lesung auf Umdruck 77 und, weil ich



Windelen
schon einmal hier stehe und damit ich morgen nicht noch einmal heraufzukommen brauche, auch gleich zum Entschließungsantrag der CDU/CSU und der FDP zur dritten Lesung auf Umdruck 71, der sich mit der gleichen Materie beschäftigt.
Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, die Debatte über das Gesetz zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes hier weiterzuführen. Diese Debatte haben wir bei der ersten Lesung geführt. Die Fraktionen haben sich dazu geäußert. Der Gesetzentwurf ist den zuständigen Ausschüssen überwiesen worden, und sie werden sich dort mit dieser Materie zu beschäftigen halben. Wir möchten jedenfalls durch die Entscheidung hier und heute diesen Gesetzentwurf weder positiv noch negativ präjudizieren.
Ich bin auch nicht der Meinung, daß die Entscheidung hier ,dem Bundesrat Anlaß geben könnte, den Vermittlungsausschuß wegen des Bundeshaushalts anzurufen, schon deswegen nicht, weil sich der Finanzausschuß des Bundesrates heute bereits mit dieser Frage beschäftigt hat und die Herren Finanzminister der Länder mit dieser Regelung zwar nicht einverstanden waren, iaber jedenfalls offensichtlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken und auch keinen Anlaß sahen, den Vermittlungsausschuß anzurufen, wie es uns hier der Herr Kollege Seidel angekündigt hat.
Unabhängig vom Ausgang der Beratung des Gesetzentwurfes in den Ausschüssen erkennen auch wir ,die Notwendigkeit einer raschen Finanzhilfe für die leistungsschwachen Länder an. Gerade deswegen haben wir in Kap. 60 02 einen Tit. 603 als Sonderzuweisung an die betreffenden Länder geschaffen und einen Ansatz von 180 Millionen DM ausgebracht. Darüber hinaus — und ich meine, auch darauf ,sollte hingewiesen werden — haben wir eine ganze Reihe von Maßnahmen zur weiteren Entlastung der Haushalte dieser Länder in einem Gesamtvolumen von immerhin ca. 240 Millionen DM vorgesehen. Herr Kollege Seidel hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir .diese 180 Millionen DM ursprünglich nach Rücksprache mit den betroffenen Ländern, auf Vorschlag der Regierung und nach Anhörung des Haushaltsausschusses verteilen wollten.
Wir sind inzwischen allerdings der Meinung, daß dieses Verfahren zu lange dauern würde, und wir wollten ja den Ländern möglichst rasch helfen. Deswegen haben wir den Änderungsantrag auf Umdruck 77 vorgelegt. Durch diesen Antrag soll erreicht werden, daß den betreffenden Ländern nun rasch und ohne bürokratische Hemmnisse geholfen werden kann. Der Vorschlag zur Aufteilung der 180 Millionen DM richtet sich nach den besonderen Bedürfnissen der Länder, und er berücksichtigt außerdem, daß die Barleistungen ergänzt werden durch Stundungen von Schuldverpflichtungen und durch Erleichterung bei den Dotationsauflagen im Einzelplan 10 in einem Gesamtvolumen von weiteren ca. 240 Millionen DM. Insgesamt wird dadurch eine Entlastung bei den betroffenen Ländern erreicht, die teilweise beträchtlich über das Ausmaß hinausgeht, das der Bundesrat als Forderung gestellt hat.
Darüber hinaus — und hier komme ich zum Umdruck 71 — ersuchen wir die Bundesregierung, die Zuweisung bis zum 1. 7. 1966 an die Länder auszuzahlen. Wir sind der Überzeugung, daß dem gemeinsamen Anliegen auf dem vorgeschlagenen Wege am besten und am wirksamsten gedient werden kann. Deswegen bitten wir Sie, unserem Entschließungsantrag auf Umdruck 77 und zur dritten Lesung auf Umdruck 71 zuzustimmen, den Antrag der SPD auf Umdruck 67 jedoch abzulehnen, weil er eine Entscheidung über das Gesetz zur Änderung des Länderfinanzausgleichgesetzes 1965 präjudiziert, ehe sich die Ausschüsse überhaupt damit befaßt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504436000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0504436100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor einigen Wochen ist hier der Antrag des Bundesrates auf Bundesergänzungszuweisungen in erster Lesung behandelt worden. Wir haben uns grundsätzlich für diesen Antrag ausgesprochen. Der Antrag liegt in den Ausschüssen in der Beratung. Im Zusammenhang mit dem Bundesratsantrag hat der Haushaltsausschuß 180 Millionen DM Barmittel und 49 Millionen DM Sondermittel für finanzschwache Länder in den Haushalt eingestellt.
Auf Umdruck 77 fordern die Koalitionsparteien die Aufteilung der 180 Millionen DM nach dem beantragten Schlüssel, damit die Mittel bis zum 1. Juli den Ländern angewiesen werden können, wie es auf Umdruck 71 im Entschließungsantrag nachgewiesen wird.
Wir bitten, diesen Antrag zu unterstützen, um den betroffenen Ländern schnell zu helfen. Gleichzeitig bitten wir, den Antrag der SPD auf Umdruck 67 abzulehnen und es bei der im Haushaltsausschuß beschlossenen Zweckbestimmung „Sonderzuweisung für leistungsschwache Länder" zu belassen. Für die Länder würde sich nichts ändern und würde nichts gebessert werden, wenn dem Antrag der SPD entsprochen würde. Vielmehr sollte abgewartet werden, was über den Gesetzesentwurf des Bundesrates in diesem Hohen Hause in den Ausschüssen und letztlich im Plenum beschlossen wird. Es darf nicht übersehen werden, daß der Bundesrat seinem Gesetzesanliegen nur geringen Nachdruck dadurch verliehen hat, daß das Gesetz nur für dieses Haushaltsjahr gelten soll. Spätestens bei den Beratungen über die Verteilung der Gemeinschaftssteuern wird entschieden werden müssen, ob Art. 107 gleichwertig neben Art. 106 im Finanzausgleich zur Anwendung kommen soll.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504436200
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Ihnen liegt der Mündliche Bericht des Haushaltsausschusses über



Vizepräsident Frau Dr. Probst
den Einzelplan 60 auf Drucksache V/600 vor. Dazu liegen zwei Änderungsanträge vor. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion .der SPD auf Umdruck 67 *) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen bitte! -- Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Antrag ,der SPD ist abgelehnt.
Herr Abgeordneter Hermsdorf wünscht nun noch einmal auf Grund der veränderten Situation, die durch das Abstimmungsergebnis eingetreten ist, das Wort zum Änderungsantrag Umdruck 77**). Ich gebe ihm das Wort.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0504436300
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich ganz kurz fassen. Durch die Ablehnung unseres Antrages ist jetzt eine neue Situation in bezug auf Ihren Antrag entstanden. Im Gegensatz zu Herrn Kollegen Peters muß ich also erklären, daß es gerade umgekehrt richtig ist, daß nicht wir mit unserem Antrag ins Hintertreffen geraten sind, sondern daß Sie sich weitgehend unserem Standpunkt angenähert haben. Als wir hier in der ersten Lesung zum erstenmal von den Zuschüssen für die finanzschwachen Länder als einer Priorität gesprochen haben, haben Sie das abgelehnt. Auch der Finanzminister hat zunächst ganz kategorisch nein gesagt . Dann haben wir uns im Ausschuß darüber unterhalten und haben dann das Kompromiß gefunden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Völlig falsch!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504436400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0504436500
Bitte schön!

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0504436600
Herr Hermsdorf, ist Ihnen entgangen, daß ich mich in der ersten Lesung für die FDP-Fraktion grundsätzlich für die Bundesergänzungszuweisung ausgesprochen habe?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0504436700
Das muß mir entgangen sein; ich nehme das gerne zur Kenntnis.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504436800
Ich bitte, sich kurz zu fassen. Es handelt sich hier um eine Erklärung zur Abstimmung.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0504436900
Dann haben wir im Haushaltsausschuß noch einmal über dieses Thema gesprochen und haben ja nun dieses Kompromiß von 180 Millionen DM gefunden. Ich muß Ihnen sagen, daß wir nach wie vor diese Zuweisung nach Art. 107 des Grundgesetzes für notwendig halten. Hier ist der einzige Unterschied. Nachdem Sie das aber abgelehnt haben, ist jetzt Ihr Antrag sozusagen die konkrete Maßnahme, die noch im Zusammenhang mit Ihrem Entschließungsantrag gesehen werden muß, zur Erfüllung dieser Aufgabe, und deshalb stimmen wir jetzt Ihrem Antrag zu.

(Beifall bei ,der CDU/CSU.)

*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 7

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504437000
Das Wort zur Abstimmung hat noch einmal kurz Herr Abgeordneter Windelen. Ich bitte Sie, sich möglichst kurz zu fassen.

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0504437100
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir begrüßen den Sinneswandel

(Lachen bei der SPD)

bei der SPD. Ich muß in aller Klarheit sagen, daß wir bei der ersten Lesung des Gesetzes zur Änderung des Länderfinanzausgleichs von vornherein erklärten, was wir nachher realisiert haben, daß wir nämlich dem Anliegen des Bundesrates — weil uns eine Gesetzesänderung zu lang und zu problematisch erschien — auf anderem Wege Rechnung tragen würden. Das haben wir im Haushaltsausschuß vollzogen und wir sind dankbar, daß Sie sich dem anschließen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504437200
Meine Damen und Herren, damit sind die Erklärungen abgeschlossen.
Ich stelle jetzt zur Abstimmung den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Umdruck 771. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Eine Gegenstimme. Wer enthält sich? — Eine Enthaltung. Der Antrag ist angenommen.
Ich stelle nun den Antrag des Ausschusses in Drucksache V/600 mit der Maßgabe des Beschlusses, den wir zu dem Antrag Umdruck 77 getroffen haben, zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Der Einzelplan 60 ist gegen zahlreiche Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf:
Haushaltsgesetz 1966
— Drucksachen V/606, zu V/606 —
Berichterstatter: Abgeordneter Schoettle
Hier liegen zwei Änderungsanträge zum Antrag des Ausschusses vor. Ich darf zunächst die unumstrittenen Paragraphen aufrufen: §§ 1 bis 10 durchgehend. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Das erste war die Mehrheit; die §§ 1 bis 10 sind in der Fassung des Beschlusses des Haushaltsausschusses angenommen.
Zu § 11 liegt der Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP auf Umdruck 47 **) vor. Wer dafür ist, gebe ein Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Änderungsantrag Umdruck 47 ist einstimmig angenommen.
Ich stelle nun den § 11 mit der Maßgabe des eben gefaßten Beschlusses zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist ,dagegen? — Keine Gegenstimme. Wer enthält sich?
*) Siehe Anlage 7 **) Siehe Anlage 8



Vizepräsident Frau Dr. Probst
— Keine Enthaltungen. Der § 11 ist in dei genannten Fassung angenommen.
Ich komme jetzt zur Abstimmung über die §§ 12, 13 und 14. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich?
— Gegen zahlreiche Gegenstimmen angenommen.
Zu § 15 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 55 *) vor. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen?
— Wer enthält sich? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu § 15 unverändert in der Fassung des Antrags des Haushaltsausschusses. Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Ersteres war die Mehrheit. Wer enthält sich? — Keine Enthaltungen. Der § 15 ist in dieser Fassung angenommen.
Ich komme nun zu der Abstimmung über die §§ 16 bis 31 mit Einleitung und Überschrift. Wer ihnen in der Fassung des Haushaltsausschußantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen — Wer enthält sich? — Gegen zahlreiche Gegenstimmen angenommen.
Wir sind damit am Schluß der zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes angelangt. Meine Damen und Herren, ich eröffne die
dritte Beratung.
Nach einer Vereinbarung des Ältestenrates wollen wir uns heute abend auf die Begründung der Änderungsanträge beschränken; wir wollen heute abend nicht mehr abstimmen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Meine Damen und Herren, erhebt sich dagegen Widerspruch? Ich darf mich auf eine interfraktionelle Vereinbarung berufen. Ich bitte, die Herren Geschäftsführer und nicht den Sitzungsvorstand für diese Vereinbarung verantwortlich zu machen. Ich glaube, wir müssen hier manchmal die Kompetenzen klarstellen, aber auch die Verantwortlichkeiten. Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen ganz offen sagen: Ich habe mich gebeugt wider — nach meiner Auffassung — bessere Erkenntnis. Aber ich glaube, daß die Geschäftslage des Hauses die Weisheit der Geschäftsführer rechtfertigt. Wir wollen uns dem beugen. Ich bitte also nun, meine Damen und Herren, so zu verfahren.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 73 **) zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 auf.
Ziffer 1 bezieht sich auf den Einzelplan 04 — Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes —. Wer wünscht zu begründen? — Bitte schön, Herr Hermsdorf!

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0504437300
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Änderungsanträgen meiner Fraktion möchte ich folgenden Vor-
*) Siehe Anlage 9
**) Siehe Anlage 10
schlag machen; ich hoffe, Sie können ihn akzeptieren.
Wir haben hier noch einmal die Streichungsanträge wiederholt, die wir in der zweiten Lesung gestellt haben und die von Ihnen abgelehnt worden sind. Weil wir nun aber in der dritten Lesung auch zwei Änderungsanträge mit dem Ziel einer Erhöhung haben und wir in der dritten Lesung darstellen wollten, daß für diese Änderungsanträge die entsprechenden Deckungsvorschläge gemacht werden, habe ich hier noch einmal alle Änderungsanträge der SPD zusammengefaßt. Ich bitte Sie wegen der vorgeschrittenen Zeit, so zu verbleiben, daß wir einfach über die Änderungsanträge abstimmen, daß sie nicht im einzelnen begründet werden, weil wir diese Debatte ja schon vorher gehabt haben.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504437400
Ich darf nochmals darauf hinweisen, daß — entsprechend diesem berühmten Beschluß — nicht abgestimmt werden soll.

(Abg. Hermsdorf: Und nicht begründet!)

— Herr Hermsdorf, Sie sind damit einverstanden?

(Abg. Hermsdorf: Nicht begründen! Auch die anderen alle nicht begründen!)

— Dann bitte ich Sie, sich mit den Herrn Geschäftsführern der Fraktionen und nicht mit mir auseinanderzusetzen. Ich glaube aber, wir bleiben jetzt bei dem Beschluß des Hauses. — Bitte schön, Herr Leicht!

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0504437500
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich glaube, Herr Kollege Hermsdorf hat recht, wenn er meint, man sollte die Begründung als geschehen betrachten unter Hinweis auf das, was in der zweiten Lesung zu diesen Materien vorgebracht worden ist. Ich verweise ebenfalls auf die Einzelbegründung, die wir für die Ablehnung dieser Anträge in zweiter Lesung vorgebracht haben, und bitte also, global abzulehnen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504437600
Wenn ich recht verstanden habe, sind also alle Antragsteller damit einverstanden, daß ihre Begründung nicht noch einmal ausdrücklich gegeben wird. — Herr Hermsdorf, bitte!

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0504437700
Frau Präsidentin, meine Bemerkung — sie ist sicherlich auch von Herrn Leicht so verstanden worden — bezog sich nur auf .die Streichungsanträge, nicht auf die beiden Erhöhungsanträge.

(Abg. Leicht: Auf den Antrag Umdruck 73! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Es gibt ja noch andere Anträge!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504437800
Also der Umdruck 73 ist damit total erledigt. Das, was der Herr Abgeordnete Leicht gesagt hat, bezog sich offenbar nicht auf sämtliche folgenden noch vorliegenden Anträge.

(Abg. Leicht: Auf alle Anträge auf Umdruck 73!)




Vizepräsident Frau Dr. Probst
— Auf die Anträge auf Umdruck 73. Ich danke bestens.
Ich komme jetzt zu Umdruck 74 *), Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Einzelplan 09, und zwar zur dritten Beratung. Wer möchte das Wort zur Begründung? — Es sind zwei Wortmeldungen. Herr Pohle war, glaube ich, schneller. Herr Abgeordneter Pohle. — Das ist aber — ich mache darauf aufmerksam - ein Antrag der SPD.

(Abg. Dr. Pohle: Zur Geschäftsordnung!)

— Das ist wieder etwas anderes. Herr Abgeordneter Pohle zur Geschäftsordnung.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0504437900
Frau Präsidentin, ich glaube, dieser Antrag hängt mit dem Umdruck 76 zusammen. Daher wollte ich vorschlagen, daß wir die beiden Umdrucke 74 und 76 gemeinsam behandeln. Dann könnte ich zunächst den Antrag Umdruck 76, da er ein interfraktioneller Entschließungsantrag ist, begründen, und dann könnte Herr Arndt seinen Antrag begründen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504438000
Ich darf dazu sagen, daß der Wille der Geschäftsführer der Fraktionen etwas subtilerer Natur ist. Hier wird nämlich unterschieden zwischen Entschließungsanträgen und Änderungsanträgen, und heute sollten nur noch Änderungsanträge begründet werden. Der Antrag, von dem Herr Dr. Pohle spricht, ist ein Entschließungsantrag; er wird heute also nicht begründet.
Zur Begründung des Antrages Umdruck 74 hat nun das Wort Herr Abgeordneter Dr. Arndt (Berlin).

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504438100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat ihre energiepolitischen Anträge erneuert, nämlich im Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft 100 Millionen DM für die Verbilligung des Kokskohleeinsatzes bei der eisenschaffenden Industrie und im Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung 56 Millionen DM für Verbesserungen des Knappschaftsgesetzes zu bewilligen. Sie versucht in ihren Anträgen ebenfalls, diese Mittel u. a. durch die Streichung der Gelder für die Verlagerung von Kohlenhalden — das sind 30 Millionen DM — und durch die Halbierung der Erdöldarlehen um 62,5 Millionen DM frei zu bekommen. Die sozialdemokratische Fraktion hat außerdem einen Entschließungsantrag vorgelegt, der morgen zur Verhandlung kommt, den ich aber hier mit einflechte, um dem Hohen Hause morgen Zeit zu sparen. Nach diesem Antrag wird die Regierung noch in diesem Jahr um einen Gesetzentwurf ersucht, der die Herunterschleusung des Kokspreises für die Eisenerzeugung auf Weltmarktniveau für längere Zeit regelt. Schließlich hat sie sich ebenfalls für den morgen von Herrn Dr. Pohle zu begründenden interfraktionellen Antrag eingesetzt, um eine europäische Lösung des Kohleproblems, wiederum bei der Kokskohle vorab, zu ermöglichen.
*) Siehe Anlage 11
Die sozialdemokratische Fraktion hat mich beauftragt, zu unseren Anträgen Stellung zu nehmen. Die Anträge sind nicht neu. Sie sind es in vielen Fällen nicht einmal in der Formulierung, in keinem Falle im Sinngehalt. Sie sind Handlungsanweisungen für ein marktwirtschaftliches Konzept der Energiepolitik, für das Konzept, das wir bereits am 16. März dieses Jahres in der 30. Sitzung des Bundestages vorgetragen haben.
Wir wollen drei Dinge: wir wollen erstens die Anpassung sichern, wir wollen zweitens die Menschen sichern, und wir wollen drittens die Gesamtwirtschaft sichern.
Zu 1: Sicherung der Anpassung heißt für die Kohle: Gleitflug und nicht Sturzflug, heißt: den gesunden Gruben die Zukunft, dem wunden Bereich ein Rückzug in Ordnung und Formation.
Zu 2: Sicherung der Menschen heißt für den Nachwuchs Orientierung über die durch die Marktstabilisierung geschaffenen Zukunftschancen, es heißt für die Kernbelegschaften eine faire Einkommensentwicklung, und es heißt für die Ausscheidenden neue Arbeitsplätze, gleicher Wohnraum und mitunter ein vorzeitiger und unter Tage hart verdienter Lebensabend.
Zu 3: Sicherung der Gesamtwirtschaft heißt in erster Linie Eindämmung des Schutzgebietes. Es heißt das Ausschließen von Sekundär- und Tertiärkrisen in anderen Wirtschaftszweigen, nämlich durch ein überhöhtes Kohlenpreisniveau gegenüber der offenen Welt. Der Warenverkehr der Gesamtwirtschaft mit unserem Schutzgebiet soll zu normalen Eintrittspreisen erfolgen. Sicherung der Gesamtwirtschaft ist Sicherung ihres Preisniveaus, ist Sicherung der übrigen Wirtschaftszweige, ist damit auch eine Sicherung der besonders betroffenen Regionen Nordrhein-Westfalens und Saarlandes.
Meine Damen und Herren, das alles klingt einfach und selbstverständlich; aber offenkundig ist es nicht leicht, Der Spielraum für die wirtschaftspolitische Aktion ist eng in allen drei Zielpunkten, nämlich dem Bergbau, seinen Menschen und der Gesamtwirtschaft Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Er ist besonders eng, wenn nicht rasch und richtig verfahren wird, wenn die Regierung und der Bundestag sich nicht entschließen sollten, diese Infektion an der Wurzel zu behandeln, sondern sich damit begnügen sollten, Amalgam über den Schmelz zu schmieren. Wir Sozialdemokraten wollen die Wurzelbehandlung. Wir wollen einen Preisausgleich der Kohle in der eisenschaffenden Industrie und in der Elektrizitätswirtschaft. Wir sind gegen eine gleichzeitige Subventionierung des Konkurrenzprodukts Erdöl. Wir sind für eine ehrliche Lösung. Sie sollte rasch geschehen. Deshalb haben wir den Antrag auf Hilfe ab 1. Juli gestellt. Wir stellen diesen Antrag erneut, weil die Koalitionsfraktionen ihn in der zweiten Lesung abgelehnt haben. Sollte dies jetzt wiederum geschehen, so bieten wir morgen den Koalitionsfraktionen die Chance, unserem Entschließungsantrag für eine langfristige Regelung ab 1. Januar 1967 zuzustimmen.



Dr. Arndt (Berlin)

Der Antrag aller drei Fraktionen für eine Gemeinschaftslösung entspricht ebenfalls unserer Position in der Energiedebatte vom 16. März. Er will versuchen, der Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel das Rückgrat zu stärken, ein Stahlkorsett anzulegen. Inwieweit dieser Versuch aussichtsreich ist, bleibt erneut abzuwarten. Aber die deutsche Öffentlichkeit läßt sich von Erfolgen auf dem europäischen Parkett besonders gern überraschen. Sie ist nicht verwöhnt. Selbst eine bescheidene Rücksichtnahme auf unsere Interessen, die ja in diesem Falle auch gemeinsame Interessen sind, würde von der Öffentlichkeit und von der sozialdemokratischen Fraktion honoriert werden. Der interfraktionelle Antrag bedeutet für die Sozialdemokraten aber keine Vertagung des Energieprogramms. Das wäre gefährlich. Es würde das Problem verschärfen, die Krankheitsherde weiter wuchern lassen und zu neuen Symptomkuren und Quacksalbereien Anlaß geben, die der deutschen Volkswirtschaft wirklich teuer zu stehen kommen würden.
Der Herr Bundeskanzler hat am ersten Tag der zweiten Lesung dieses Bundeshaushalts, am 17. Mai; drei Möglichkeiten für die Erreichung von Preisstabilität erörtert. Wir können sie auf unser Problem anwenden. Die erste war: nachdenken und das Volk orientieren. Die zweite war: ein Rückschlag in der Wirtschaftsentwicklung. Die dritte war: Zwangswirtschaft. Wir sind für die erste der drei Möglichkeiten, wird sind ebenfalls dann dafür, wenn man dem Nachdenken und dem Orientieren noch das Handeln in notwendigen Fällen hinzufügen würde, das ebenfalls eine legitime Aufgabe jeder Regierung ist. Hier ist es notwendig.
Kohlenzoll und Heizölsteuer sind Voraussetzungen für eine geordnete Anpassung bei der Steinkohle. Die Auswirkungen dieser staatlichen Maßnahmen auf die nachgelagerten Wirtschaftszweige müssen durch andere staatliche Maßnahmen abgefangen werden. Dies gilt vor allem für die Elektrizitätserzeugung und die Stahlindustrie. Andere Länder sollten uns dabei — in Luxemburg oder in Brüssel — helfen. Tun sie es nicht, so müssen wir uns .selbst helfen: aus nationalem Interesse, aber nicht nur aus nationalem Interesse. Eine gesunde Wirtschaft in Deutschland und eine gesunde soziale Ordnung in Deutschland dienen allen Ländern, sind Voraussetzung für eine Gemeinschaft .der wirtschaftlichen Stärke.
Die erste Alternative — das Denken, Orientieren und Handeln — verlangt aber an dieser Stelle und auf diesem Gebiet die offene und ehrliche Subvention. Sie ist im Augenblick nicht populär, sie ist im Augenblick nicht einmal verständlich: Sollen Subventionen denn nicht abgebaut werden? Sind denn nicht die Sozialdemokraten dort mit einem Programm vorne an? — Beides ist richtig. Subventionen als Dauererscheinung sind schädlich für die Allgemeinheit, sind schädlich sogar für die Bedachten. Subventionen zur Anpassung sind es nicht. Sie sind ein legitimes wirtschafts- und finanzpolitisches Instrument das 20. Jahrhunderts. Aber das heißt: Subventionen müssen kommen und müssen
gehen. Beides ist notwendig, auch für diesen Fall und gerade für diesen Fall.
Wir haben im letzten Winter nachgedacht, als die Halden stiegen und als die Krise sich auf die eisenschaffende Industrie auszuweiten begann. Wir haben geprüft und gefunden, daß andere Wege in die beiden anderen Alternativen des Herrn Bundeskanzlers führen, nämlich in den Rückschlag oder in die Zwangswirtschaft oder in beide zugleich. Daher bieten wir diesem Haus, bieten wir der Öffentlichkeit und der Bundesregierung gerade diese Lösung über die Subvention an.
Selbstverständlich hofft die sozialdemokratische Fraktion, daß auch andere nachgedacht haben, andere in diesem Hause, andere auf der Regierungsbank, so z. B. der Herr Bundeswirtschaftsminister. Auch er steht vor den drei Alternativen: der der offenen Subventionen mit europäischem oder deutschem Geld, der des Zusammenbruchs der Kohlenförderung und der der Zwangs- oder Kartellwirtschaft. Er steht wie wir alle am Scheideweg.
Die Sozialdemokraten haben sich entschieden für den steinigen, aber ihres Erachtens richtigen Pfad zum guten Ziel. Ihre Position ist klar, und sie ist deshalb auch angreifbar. Sie ist aber auch nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen mit gutem Gewissen zu vertreten.
Über Ihre Position, Herr Bundeswirtschaftsminister, möchte ich nicht spekulieren. Eines steht fest: so deutlich wie ,die unsere ist sie nicht. Sie hat deshalb den Anschein, im Augenblick auch nicht so angreifbar zu sein. Ich hoffe nur, daß Sie sie auch mit Ihrem guten Gewissen nach den Landtagswahlen noch vertreten können. Es wäre schade, wenn Sie in die anderen Alternativen hineingedrängt würden, wenn Sie sich in sie hineindrängen ließen. Es wäre schade für Sie, den Weg der Zwangs- und Kartellwirtschaft eingeschlagen zu haben. Es wäre schade für uns, nämlich das Hohe Haus, den Wahlen dieses Jahres in einem Bundesland ein Wirtschaftssicherungsgesetz folgen lassen zu müssen wie den Wahlen vom vorigen Jahr ein Haushaltssicherungsgesetz. Für das deutsche Volk wäre es nicht nur schade. Es wäre mehr, es wäre verhängnisvoll.
Bitte sehr, Herr Bundeswirtschaftsminister, wir bieten Ihnen mit unseren Vorschlägeneine Sache, die ich „Allianz der Vernunft" nennen möchte. Halten Sie sich diese Allianz in den kommenden Wochen offen. Der bequeme, aber falsche Pfad liegt auch vor Ihnen. Auf ihn deutet der Bundesfinanzminister, für den zur Zeit jede Ausgabe eine schlechte Ausgabe ist. Auf ihn deuten auch einige Unternehmen, die die ganze Angelegenheit unter sich selbst regeln wollen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Für Sie aber gilt eines: Sie werden an Ihrem Weg gemessen werden, nicht nur von den Sozialdemokraten, sondern von allen denen, die Sie auf diesem Weg mitziehen. Gehen Sie den falschen Weg, werden Sie Geschichte machen, aber schlechte Geschichte.

(Beifall bei der SPD.)





Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504438200
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.

Heinrich Gewandt (CDU):
Rede ID: ID0504438300
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte, Herr Kollege Dr. Arndt, mich hier nicht darauf einlassen, sozialdemokratische Energieprognosen, die in diesem Hause aufgestellt sind, alle aufzuzählen. Ich möchte mich lediglich darauf beschränken, noch einmal das kurz zusammenfassen, was bereits in der zweiten Lesung zur Ablehnung Ihrer Anträge gesagt worden ist.
Selbstverständlich stimmen wir in der Zielsetzung mit Ihnen überein: Anpassung! Gerade auf dieser Seite will niemand überholte Strukturen konservieren. Selbstverständlich sind wir für die Sicherung der Gesamtwirtschaft. Selbstverständlich wollen wir verhindern, daß soziale Härten auftreten. Aber die von Ihnen aufgezeigten Wege überzeugen uns nicht. Wir haben hier in der zweiten Lesung und vorher erklärt, wie wir uns die Verhinderung sozialer Härten in diesem Strukturwandlungsprozeß vorstellen. Der Kollege Götz hat dies hier ganz eindeutig dargelegt, so daß ich darauf verzichten kann, noch einmal zu dem Antrag Umdruck 75 zu sprechen; denn es würde ja nur eine Wiederholung sein.
Sie haben nun den Antrag gestellt, 100 Millionen DM als einmalige Ausgabe für energiepolitische Maßnahmen einzusetzen, die dem Kokskohle einsatz in der eisenschaffenden Industrie dienen sollen. Wir haben bereits in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß wir durch eine nationale Maßnahme keine Präjudizien schaffen wollen. Wir wollen den Weg für eine gemeinsame europäische Lösung nicht verbauen. Auch wir werden alles tun, um der Bundesregierung bei ihren Verhandlungen den Rücken zu stärken. Morgen wird dies der Kollege Pohle — heute ist das ja nach dem besonderen Verfahren, das für die Behandlung der Anträge gewählt wurde, nicht möglich — bei der Erörterung des Entschließungsantrags klar zum Ausdruck bringen.
Jetzt muß ich allerdings noch etwas zu den Maßnahmen sagen, auf die Sie verzichten wollen. Sie wollen zur Abdeckung der 100 Millionen DM einmal auf 30 Millionen DM verzichten, die auf Grund vertraglicher Verpflichtungen des Bundes zu zahlen sind. Sicher — wir haben das bei der zweiten Lesung eingeräumt — ist niemand so kühn, die hier aufgezeigte Maßnahme als ideal zu bezeichnen. Sie ist nur aus der Notsituation des Augenblicks zu begründen. Wir sind aber bereit, die vom Bund eingegangene vertragliche Verpflichtung zu honorieren.
Nun sind Sie abermals auf Ihren Streichungsantrag zurückgekommen, der sich auf die Darlehen bezieht, die wir für die Aufsuchung oder Ausbeutung von Erdöl- oder Erdgaslagerstätten zu geben bereit sind. Wir haben bereits bei der zweiten Lesung gesagt, es erscheine uns unerläßlich, daß die noch bestehenden deutschen Unternehmen endlich Zugang zu eigenen Rohstoffquellen finden, weil wir uns sonst völlig in die Abhängigkeit ausländischer Großkonzerne begäben. Wir haben darauf hingewiesen, daß Verpflichtungen bestehen, die der Bund zu erfüllen hat.
Wir haben eines hervorgehoben, und ich möchte es an dieser Stelle noch einmal tun: es liegen Anträge vor, und es sind Verpflichtungen eingegangen worden, um Konzessionen auszuschöpfen, um die man uns in der ganzen Welt beneiden würde. Glücklicherweise sind deutsche Firmen endlich in der Lage, aussichtsreiche Konzessionen für sich zu verwerten. Wir sind der Meinung, daß ihnen diese Möglichkeit gegeben werden sollte, weil wir verhindern wollen, daß unser Energiemarkt in eine einseitige Abhängigkeit gerät.
Wir sehen uns aus den dargelegten Gründen auch heute nicht imstande, Ihren Anträgen nachzukommen, und bitten, sie morgen bei der Endberatung abzulehnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504438400
Wir sind damit am Ende der Rednerliste zu dem Antrag Umdruck 74. Die Begründung ist damit abgeschlossen.
Ich rufe jetzt den Antrag Umdruck 75 *) auf.

(Zurufe: Ist erledigt!)

— Danke sehr.
Ich komme jetzt zu dem letzten Antrag für diesen Abend, dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Einzelplan 31 auf Umdruck 68 **). — Das Wort zur Begründung wünscht Herr Dr. Lohmar.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0504438500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat sich dazu entschlossen, ihren Antrag auf Erhöhung der Mittel für den Ausbau der bestehenden Hochschulen und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen um rund 100 Millionen DM in der dritten Lesung zu wiederholen. Wir tun dies, um damit deutlich zu machen, daß wir in der Förderung der wissenschaftlichen Forschung und insbesondere unserer Hochschulen einen Schwerpunkt in der allgemeinen Staatspolitik sehen müssen.
Der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung hat sich zu diesem konkreten Antrag der SPD in der zweiten Lesung .des Bundeshaushalts überhaupt nicht geäußert. Statt dessen hat er eine widerspruchsvolle Darstellung der Wissenschaftspolitik der .Bundesregierung gegeben und sich darüber mokiert, daß die Opposition nicht bereit ist, ihm in der Absicht zu folgen, die Fünf eine gerade Zahl zu nennen. Die SPD hat der Bundesregierung jedoch schon in der Wissenschaftsdebatte am 10. Februar dieses Jahres gesagt, daß sie sich mit der Bekundung eines allgemeinen Wohlwollens für die Wissenschaft nicht zufriedengeben werde, sondern in der Haltung der Bundesregierung zu dem Bedarfsplan des Wissenschaftsrates einen Testfall für die Qualität der Wissenschaftspolitik eben dieser Regierung sehe.
Das hat sich, meine Damen und Herren, nicht geändert. Ich darf Sie an die Tatbestände erinnern. Der Wissenschaftsrat hat vom Bund für dieses Jahr
*) Siehe Anlage 12 **) Siehe Anlage 13



Dr. Lohmar
530 Millionen DM für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen erbeten. Das ist keineswegs eine Wunschliste unserer Universitäten, die unkritisch und ungeprüft hingenommen worden wäre. Die Vertreter des Bundes und der Länder haben zusammen mit den Wissenschaftlern im Wissenschaftsrat die sachlich vordringlichen Projekte zusammengestellt. Für deren Förderung brauchen wir in diesem Jahr den Betrag von 530 Millionen DM.
Was hat es aber für einen Sinn, wenn die Bundesregierung durch ihre Vertreter im Wissenschaftsrat ihre Zustimmung gibt, nachher aber weit hinter dem zurückbleibt, was sie selbst im Wissenschaftsrat als sachlich erforderlich bezeichnet hat? Warum spricht die Bundesregierung im Wissenschaftsrat eine andere Sprache als hier im Parlament oder in der Öffentlichkeit.
Der Wissenschaftsminister hat in der zweiten Lesung weiterhin angedeutet, die sogenannte Negativliste des Wissenschaftsrates sei wohl nicht als bare Münze zu nehmen. Nun, meine Damen und Herren, es ist Sache des Wissenschaftsrates, ob er seine Vorschläge in dieser Weise qualifizieren lassen will. Möglicherweise ist der Herr Bundeswissenschaftsminister schon im Besitz einer entsprechenden Anfrage des Wissenschaftsrates.
Ich möchte dazu hier wiederum bemerken: der Bund hat durch seine Vertreter die Projekte, die in der Negativliste des Wissenschaftsrates enthalten sind, in diesem Gremium selber mit beschlossen. Was veranlaßt also den Sprecher der CDU/CSU, Herrn Dr. Abelein, und den Forschungsminister dazu, das Resultat dieser gemeinsamen Erörterungen im Wissenschaftsrat nachträglich hier in Frage zu stellen? Wenn diese kritischen Bemerkungen der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung einen Sinn haben würden, dann würde es sich doch allenfalls um eine Kritik an die eigene Adresse der Bundesregierung handeln können, die bei diesen Beratungen ja von vornherein dabeigewesen ist.
Schließlich, meine Damen und Herren, hat der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung seine Absicht erklärt, konkrete Summen zu nennen, mit denen im Wissenschaftsrat und bei den Ländern hinsichtlich der zu erwartenden Bundesbeteiligung in den nächsten Jahren gerechnet werden könne. Daß wir hier, wie überhaupt, zu einer mittelfristigen Haushaltspolitik kommen müssen, bestreitet niemand. Das ist ein gemeinsamer Wunsch des ganzen Bundestages, den der Wissenschaftsrat im übrigen im Bereich der Wissenschaft teilt. Ich teile auch uneingeschränkt die Auffassung des Wissenschaftsministers, die in dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen — wir werden darüber morgen sprechen — zum Ausdruck kommt, daß die Förderung neuer Bauvorhaben vom Wissenschaftsrat unter sachlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft und gebilligt werden muß. Aber, meine Damen und Herren, die Zahlen, die Herr Minister Stoltenberg für die nächsten Jahre hier genannt hat und die in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielen, bleiben weit hinter dem zurück, was wir an Bundesleistungen für unsere Hochschulen im überschaubaren Zeitraum benötigen werden. Im Wissenschaftsausschuß des Parlaments hat der Minister — eine Pressemitteilung der CDU/CSU hat die Öffentlichkeit darüber gleich informiert — im wesentlichen bestätigt, die Regierung beabsichtige auf der Basis der Summe von 1966 in den nächsten drei Jahren eine Steigerungsquote von je 100 Millionen DM für die Hochschulen vorzusehen.
Der Minister nennt diese Zahlen „realistisch". Aber was heißt hier realistisch? Das könnte man allenfalls sagen, wenn wir für 1966 die vom Wissenschaftsrat erbetenen 530 Millionen DM bereitstellten und diesen Betrag dann bis 1969 in einem den Vorstellungen der Bundesregierung entsprechenden Maß erhöhten. Unrealistisch im Sinne von unangemessen aber würden diese Zahlen bleiben, wenn wir von 420 Millionen DM, also dem Resultat der zweiten Lesung in der vergangenen Woche, ausgingen.
Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat —meine Damen und Herren, Sie wissen es —, gestützt auf Berechnungen des Wissenschaftsrats, bekanntgegeben, daß in den nächsten fünf Jahren jeweils im Durchschnitt rund 2 Milliarden DM für den Ausbau der bestehenden und für die neuen Hochschulen erforderlich sein werden. Geht man einmal von einem Verhältnis 1 : 1 für Bund und Länder aus, was ja das Gutachten zur Finanzreform gleichfalls anregt; dann müßten wir in den kommenden Jahren für die bestehenden und die neuen Hochschulen von seiten des Bundes jährlich durchschnittlich etwa 1 Milliarde DM aufwenden.
Nun mag es sein, daß es aus mancherlei Gründen zunächst nur schwer möglich sein wird — hier teile ich die zurückhaltende Beurteilung der Bundesregierung —, die neuen Hochschulen in vollem Umfang vom Bund mitzufinanzieren. Aber auch für die nächste Zeit wäre es dennoch sinnvoll und möglich, überregional interessante Forschungsinstitutionen von seiten des Bundes in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Land zu fördern, in dem solche Einrichtungen entstehen. Ich denke dabei vor allem an spezielle Einrichtungen der Universitäten in Konstanz, Bremen und Ostwestfalen.
Jedenfalls, meine Damen und Herren, bleiben aber die bisher bekanntgewordenen Beträge, die die Bundesregierung für die nächsten Jahre vorsehen will, erheblich hinter dem zurück, was von Bundestag und Bundesregierung, also von uns, erwartet werden muß.
Wenn der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung bei seiner Absicht bleiben sollte, diese zu geringen Ansätze als definitives Angebot dem Wissenschaftsrat und den Ländern zu unterbreiten, dann muß das die Folge haben, den Wissenschaftsrat von vornherein zu einer restriktiven Planung zu zwingen, ihn zu nötigen, das sachlich Erforderliche im einzelnen gar nicht erst festzustellen, sondern sich nach einer allzu kurzen Decke zu strecken.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion lehnt eine solche Einengung der sachbezogenen Arbeit des Wissenschaftsrats ab. Der Wissenschaftsrat, meine Damen und Herren, muß in der Lage sein, in voller Freiheit einen Bedarfsplan auszuarbeiten und in die-



Dr. Lohmar
sem Rahmen eine jährliche Dringlichkeitsskala aufzustellen. Dringlichkeitsprogramme sind nicht notwendig Sparprogramme, sondern sie beziehen sich auf die Reihen- und Rangfolge der zu fördernden Projekte.
Ich möchte den Bundeswissenschaftsminister fragen, ob er bereit ist, dem Wissenschaftsrat diese Freiheit der allgemeinen und der Dringlichkeitsplanung im besonderen zu belassen. Wenn er seine Zustimmung dazu geben sollte, wäre es allerdings unverantwortlich, jetzt von seiten der Bundesregierung solche Beträge zu nennen, von denen die Regierung selbst schon heute genau weiß, daß sie weit hinter dem im ganzen bereits bekannten Bedarf der Hochschulen zurückbleiben würden.
Warum also tut der Wissenschaftsminister, der ja dem „Streichquintett" der Bundesregierung angehört, nicht das Naheliegende und sorgt dafür, daß sich die von der Regierung vorgesehenen Beträge für die Hochschulen in dem Rahmen halten, den der Generalbauplan des Wissenschaftsrats im nächsten Jahr im ganzen bestätigen und lediglich im einzelnen ausfüllen wird? Es gibt keinen sachlichen Grund, Herr Bundesminister, diesen Entschluß nicht zu fassen, es sei denn, Sie hätten begründete Zweifel an der von der Westdeutschen Rektorenkonferenz genannten Gesamtsumme für die nächsten fünf Jahre. Sollte das der Fall sein, dann sollte die Regierung diese Zweifel aussprechen und auszuräumen suchen. Und dann wäre es immer noch besser, die mittelfristige Planung in diesem Bereich ein Jahr später beginnen zu lassen — also nach Vorlage des Generalbauplanes des Wissenschaftsrates —, als dieses bisher einzig funktionierende Instrument — um mit dem TroegerGutachten zu sprechen — eines kooperativen Föderalismus rein taktischen Erwägungen in seiner Arbeitsgestaltung zu unterwerfen.
Natürlich liegen die politischen Motive des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung für seinen bisher vertretenen, wie ich meine, sachfremden Vorschlag klar zutage. Die Bundesregierung ist seit Jahren hinter den Bedarfsplänen des Wissenschaftsrats zurückgeblieben, obwohl sie diese Pläne selber mitbeschlossen hat, und sie hatte dann nachher die politische Beweislast zu tragen, warum ungeachtet ihrer Zustimmung im Wissenschaftsrat die „Brötchen" in Bonn sehr viel kleiner ausfielen, als sie in Aussicht gestellt worden waren. Die Regierung möchte diesen „Schwarzen Peter" jetzt loswerden und ihn dem Wissenschaftsrat zuschieben. Er soll sich nach der Decke strecken, auch wenn diese zu kurz ist.
Aber diese Taktik verstößt gegen Text und Sinn des Abkommens über die Errichtung des Wissenschaftsrates. Sie würde ein unabhängiges Gremium von hohem Ansehen zu einem politischen Erfüllungsgehilfen der Bundesregierung machen, und das scheint mir ein törichter, ein falscher Weg zu sein. Es geht hier nicht darum, daß irgend jemand die Bundesregierung böswillig in die Rolle eines Angeklagten versetzen wolle, wie der Bundeswissenschaftsminister in der zweiten Lesung des Haushalts geklagt hat. Wenn die Regierung sich angeklagt sieht, dann hat sie das ihrer widerspruchsvollen und in den letzten Jahren hinter den Erfordernissen der Sache allzu häufig zurückgebliebenen Politik zu verdanken, niemand anderem und keiner anderen Tatsache.
Unser Antrag auf Erhöhung der Mittel für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen schon in diesem Jahr gibt dem Bundestag Gelegenheit, die Weichen für die nächsten Jahre richtig zu stellen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504438600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0504438700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie für meine Freunde' bitten, diesen Antrag der SPD bei der morgigen Abstimmung abzulehnen.
Schon in der zweiten Lesung ist der gleiche Antrag gestellt worden, und dort sind die wesentlichen Gründe ebenfalls vorgetragen worden. Ich möchte nur hinzufügen: daß wir diesen Schwerpunkt genauso sehen wie die SPD, ist ja aus der Behandlung des Etats im Haushaltsausschuß erkenntlich, wo der Einzelplan 31 im Gegensatz zu allen anderen Etats um einen wesentlichen Betrag erhöht worden ist. In der Zwischenzeit habe ich von maßgeblichen Persönlichkeiten des Hochschulwesens bestätigt erhalten, daß die von uns vorgeschlagene Lösung, einen Betrag von rund 80 Millionen DM als Baransatz hinzuzufügen und dazu weitere 100 Millionen DM Bindungsermächtigungen zu geben, ausreichen wird, um die zwingenden Bedürfnisse des Jahres 1966 zu befriedigen. Der Herr Bundesminister wird sicherlich noch auf das erwidern, was ihn persönlich betrifft. Ich möchte von meiner Seite her sagen, daß es sicherlich eine völlige Verkennung der Intentionen des Ministers ist, wenn hier etwa festgestellt wird, daß aus sachfremden und politischen Überlegungen ein Änderungsverfahren von ihm eingeleitet und vorgeschlagen worden sei. Mir wurde jedenfalls in einer sehr bedeutsamen Zusammenkunft mit maßgebenden Persönlichkeiten der Wissenschaft, mit Professor Butenandt und anderen Persönlichkeiten, der Wunsch vorgetragen, man möge vom Bund her zu festen Beträgen kommen, damit ein Gerüst für die Zukunftsplanung gegeben ist. Es entspricht also einem Wunsch, der weithin in der Wissenschaft besteht, diese jährliche Unsicherheit über die Mittel, die definitiv zur Verfügung stehen, zu beenden.
Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß wir die bewährte Zusammenarbeit von Bedarfsplanung und Zurverfügungstellung von Geldern ändern wollen. Es kann allerdings auch nicht so sein, daß hier etwa ein Feld für Agitation besteht, weil naturgemäß die Bedarfsplanungen immer über das hinausgehen werden, was realiter an Mitteln zur Verfügung steht.
Ich darf auch sagen, daß sicherlich die Mitarbeit von Minister Stoltenberg in der Kabinettskommission zur Erarbeitung von Sparvorschlägen schon in der Vergangenheit dazu geführt hat, daß der Wissenschaftsetat gut behandelt worden ist. Ich habe



Dr. Althammer
die Überzeugung, daß das auch in der Zukunft so sein wird. Ich möchte deshalb für meine Freunde erklären, daß wir von der bisherigen Arbeit unseres neuen, jungen Ministers sehr beeindruckt sind und daß wir ihm dafür unsere volle Anerkennung aussprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504438800
Herr Minister Dr. Stoltenberg hat das Wort.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0504438900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Wissenschaft ist in der etwas unglücklichen Lage, bei den Geschäftsführern nicht so hoch eingeschätzt zu werden wie in der Öffentlichkeit und in den Ausführungen des Kol-. legen Lohmar. So kommt sie zum zweitenmal hier zum Schluß der Debatte eines langen Tages.
Ich verstehe es durchaus, .daß der Kollege Lohmar, nachdem er das letzte Mal, wie ich höre, aus einem triftigen Grund verhindert war, hier zu sein, die nicht sehr kritischen Äußerungen seines Kollegen Dr. Rau durch eine etwas massivere Kritik ergänzen oder beleben wollte. Ich habe aber nicht die Absicht, Herr Kollege Lohmar, alle Ausführungen, die ich in der letzten Sitzung gemacht habe — ich bin sicher und ich habe es festgestellt, daß Sie sie nachgelesen haben —, zu wiederholen. Ich glaube, Sie haben vieles von dem, was wir hier über unsere Absichten, unsere Motive und über Tatbestände gesagt haben, bewußt nicht zur Kenntnis genommen, um neben sachlichen Erwägungen, die Sie angestellt haben, ein gerütteltes Maß an Polemik in diese Diskussion hineinzutragen. Ich beschränke mich deshalb auf ganz wenige Bemerkungen, ohne alles, was Sie hier sagten, zu behandeln.
Der erste Vorwurf ist, daß ,der Bund die Empfehlungen nicht ausführe. Wenn Sie den Text der im Januar beschlossenen Empfehlungen des Wissenschaftsrates läsen, dann könnten Sie feststellen, daß diese Empfehlungen etwas anders lauten, als Sie sie 'darstellen. Es heißt hier, daß es begründete Anmeldungen der Länder in der Größenordnung von 530 Millionen DM gibt, daß aber auf Grund der Erklärung der Vertreter der Bundesregierung nach der Regierungsvorlage nicht mit diesem Betrag zu rechnen sei und daß deshalb Empfehlungen für 350 Millionen DM gegeben würden. Sie können uns also zumindest für die Zeit, die ich hier zu vertreten habe, nicht vorwerfen, daß wir in unserer Mitwirkung im Wissenschaftsrat nicht von den Dingen ausgegangen sind, die nun einmal zunächst durch die Entscheidung des Kabinetts vorgesehen waren.
Wenn Sie nun hier meine Ausführungen über die Negativliste in einer ganz falschen und tendenziösen Weise zitiert haben, dann muß ich ,das zurückweisen. Daß Sie hier von Anfragen aus Kreisen des Wissenschaftsrates sprechen, hat nur rhetorische Bedeutung. Solche Anfragen gibt es nicht. Es kann sie nach meinen Ausführungen auch nicht geben, weil ich gar nicht zur Arbeit des Wissenschaftsrates Stellung genommen, sondern lediglich darauf hingewiesen habe, daß es solche Dinge gibt, wie sie vom Kollegen Abelein vorgetragen wurden. Es gibt den Tatbestand, Herr Kollege Lohmar, daß Anträge der Länder so spät an den Wissenschaftsrat kommen, daß zum Zeitpunkt der Behandlung im Wissenschaftsrat die Gebäude bezogen sind. Diesen Tatbestand habe ich kritisiert. Sie werden ihn nicht allen Ernstes verteidigen wollen. Ich könnte noch einige weitere Projekte nennen, bei denen auch Anmeldungen an den Wissenschaftsrat gekommen sind und bei denen mir jetzt die Direktoren der Institute schreiben — z. B. bei dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel, dem ich, wie Sie wissen, durch meine Tätigkeit an der Kieler Unversität verbunden bin —, daß in diesem Jahr gar keine Mittel gebraucht werden. Es geht also hier nicht — und das ist einfach eine ganz falsche und tendenziöse Mißdeutung meiner im Protokoll liegenden Ausführungen — um eine Kritik am Wissenschaftsrat, sondern um ein schlechtes Antragsverfahren, das den Wissenschaftsrat ebenso in diese ünglückliche Rolle bringt wie auch uns, indem wir im Grunde nicht wissen, was los ist.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504439000
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lohmar?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0504439100
Gern.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0504439200
Herr Bundesminister, darf ich Sie nur darüber informieren, daß nach meinen Auskünften die von Kollegen Abelein gebrachten Beispiele aus Würzburg mit der Version des Wissenschaftsrates nicht übereinstimmen, daß zweitens Ihre Bemerkung, die Sie an die vermeintlich richtigen Feststellungen von Herrn Abelein ausgeschlossen haben, sein Beispiel sei eins für viele, keinen sachlichen Hintergrund in den Informationen des Wissenschaftsrates findet?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0504439300
Wir können hier vielleicht von einem Mitarbeiter des Wissenschaftsrats sprechen. Das Plenum des Wissenschaftrats hat nicht getagt. Ich muß mich überhaupt etwas gegen das Verfahren wenden, daß Sie hier eingeschlagen haben. Jede Äußerung eines Mitarbeiters oder einer Einzelperson für den Wissenschaftsrat in Anspruch zu nehmen, diese Art, die Autorität des Wissenschaftsrates für die eigene Polemik zu strapazieren, halte ich ohnehin für schlecht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das gilt auch für andere Äußerungen, die Sie gemacht haben. Mir haben die sachverständigen Beamten meines Hauses bestätigt, daß dieser Fall in Würzburg vorgekommen ist. Sie haben mir auch anhand ihrer Liste genau das Projekt bezeichnet und halben mir bestätigt, was ich schon vor den Ausführungen des Kollegen Abelein gesagt habe, daß das kein Einzelfall ist. Aber vielleicht können wir die beiderseitigen Unterlagen 'gelegentlich noch einmal vergleichen.



Bundesminister Dr. Stoltenberg
Meine Damen und Herren, Sie haben dann zu den Fragen der neuen Planung hier nur eine teilweise Übereinstimmung mit unseren Absichten bekundet und insofern in einer etwas behutsameren und ausgewogeneren Form frühere Kritiken hier wiederholt. Ich nehme das in Kauf, daß Sie diese Bedenken zunächst — ich möchte fast sagen — noch sachlich, dann aber in einer ganz massiven und unsachlichen Schlußbemerkung hier wiederholt halben, weil ich mich in der Zwischenzeit davon überzeugen konnte, nicht nur in den Gesprächen mit den Präsidenten der wissenschaftlichen Organisationen, sondern auch in vielen Kontakten mit Hochschullehrern, daß dieser Grundgedanke der Bundesregierung jetzt von der einjährigen Planung und Bewilligung herunterzukommen und bei den großen Investitionsvorhaben, die vier, fünf oder sechs Jahre erfordern, die Mittel für drei Jahre zu bewilligen und festzulegen, außerordentlich begrüßt wird. Er wird sich in den deutschen Universitäten durchsetzen, was immer Sie dazu sagen, und niemand wird glauben, daß das eine Beeinträchtigung der Freiheit sei.
Meine Damen und Herren, ich bestätige Ihnen gerne noch einmal — und ich sage das mit Nachdruck —, daß auch nach unserer Überzeugung der Wissenschaftsrat den neuen Generalbauplan in voller Freiheit erstellen soll. In voller Freiheit heißt, daß die Vertreter der Wissenschaft mit denen des Staates, auch den Finanz- und Kultusministern der Länder, über diese Fragen diskutieren werden und daß sie sich eine Meinung bilden werden. Das ist unsere Absicht. So werden wir verfahren, und ich glaube, das ist der richtige Weg. Wenn Sie aber jetzt mit Zahlen operieren, um den Nachweis zu erfbringen, daß das alles schon wieder völlig unzulänglich sei, was wir vorhaben, wenn Sie diese Zahl von 2 Milliarden, die von dem Präsidenten der Rektorenkonferenz einmal im Vorgriff gleichsam als eine Schätzung genannt wurde, nun auch mit der Autorität des Wissenschaftsrates hier verbinden wollen, dann muß ich Ihnen ganz klar sagen, daß die von Ihnen erwähnten Berechnungen des Wissenschaftsrates nicht vorliegen. Der Wissenschaftsrat arbeitet an dem neuen Generalbauplan, um bis zum nächsten Jahr den Bedarf festzustellen, und es ist einfach nicht wahr, daß es Berechnungen der Art gibt, die jetzt in die tagespolitische Polemik oder Diskussion eingeführt werden können.
Meine Damen und Herren, ich habe in der letzten Beratung hier bei der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß wir zu einer wesentlichen Steigerung der Bundesleistungen kommen wollen, nach dem Willen der Bundesregierung und auch des Bundestages kommen werden. Ich erkenne an, daß einige Länder auch ihre Leistungen weiter steigern, bei anderen sind sie stark rückläufig, und ich wiederhole noch einmal, daß insgesamt gesehen bei den Ländern im Jahre 1966 eine gewisse rückläufige Tendenz zu verzeichnen ist. Es ist schon ein Ausdruck einer gewissen Einseitigkeit der Betrachtung, der den Belangen der Wissenschaft nicht gerecht wird, daß Sie dennoch immer wieder ausschließlich alle von der Bundesregierung oder der Mehrheit des
Bundestages beabsichtigten beträchtlichen Steigerungen als unzulänglich bezeichnen, ohne überhaupt einmal auf diese Frage der Beteiligung des anderen Partners einzugehen, obwohl man arithmetisch berechnen kann, daß der Streit um 100 Millionen mehr oder weniger sinnlos ist, wenn wir nicht dort zu der erforderlichen Sicherung kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das sage ich seit meinem Amtsantritt. Das hat man mir immer als Ausflucht oder Versuch, die Verantwortung zu verschieben, unterstellt. Die Fakten, die wir jetzt kennen, zeigen, daß dieser Gesamtzusammenhang gesehen werden muß, den Sie auch in Ihrer heutigen Rede nicht dargestellt haben.
Herr Kollege Lohmar, ich weiß nicht, ob jede Kritik und jede Polemik nützlich ist. Ich habe mich gefreut, daß Sie sich heute einmal auf das Gutachten der Finanzkommission berufen haben. Als ich mir vor einigen Wochen erlaubt habe, das Gutachten der Finanzkommission in seinen Vorschlägen für die Wissenschaftsfinanzierung zu unterstützen und zu betonen, haben Sie mich angegriffen. Sie haben damals geschrieben: „Sucht Stoltenberg ein Alibi? Will er von den realen Problemen ablenken? Will der Minister die verfassungspolitische Diskussion überspitzen? Dann werden wir ein Chaos erleben", und dergleichen mehr. Wir haben die schönen Schlagzeilen: „Stoltenberg will Wissenschaftsrat an die Kette legen." Das ist eine Kurzfassung Ihres letzten Schlußabsatzes.
Ich glaube nicht, daß wir mit dieser Art der Verdächtigung weiterkommen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Lohmar meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

- Ich möchte damit gerne einmal fortfahren und
zum Schluß kommen. Herr Kollege Lohmar, ich
bitte Sie um Verständnis in dieser späten Stunde.
— Ich habe mich um so mehr darüber gewundert, als Sie doch selbst am 21. Februar in einem Zeitungsaufsatz in Ihrer „Freien Presse" in Bielefeld ausgesprochen positiv zu diesen Vorschlägen der Finanzkommision im Troeger-Gutachten Stellung genommen haben. Sie haben damals geschrieben, daß diese Vorschläge der Finanzkommission ein Weg seien, den kooperativen Föderalismus zu verwirklichen, daß Bund und Länder sich zusammenfinden müßten. Wenn der Wissenschaftsminister das drei Wochen später sagt, dann gehen Sie vor die Presse, dann halten Sie Reden, in denen Sie sagen: Hier wird versucht, von den Problemen abzulenken; die Länder — eine ganz gefährliche Behauptung, die im klaren Widerspruch zu den Äußerungen Ihrer Fraktionskollegen steht — werden niemals einer solchen Verfassungsänderung zustimmen. Sie bezeichnen das als eine schädliche Diskussion.
Ich glaube nicht, daß dieses Hin und Her in Grundfragen unserer Finanzverfassung und unserer Wissenschaftspolitik uns wirklich fördert. Lassen Sie uns um die Sachfragen ringen und diskutieren! Es ist Ihr gutes Recht, der Regierung in den Vorstellungen und Forderungen immer einige Schritte voraus zu sein, auch in den finanziellen Größen-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
ordnungen. Aber ich glaube, wir sollten damit aufhören — ich sage das zu einigen Äußerungen in den vergangenen Wochen und auch zu den Schlußbemerkungen, die Sie heute gemacht haben —, uns gegenseitig den guten Willen abzusprechen, uns gegenseitig die Bereitschaft abzusprechen, die Institutionen, die wir geschaffen haben, wie den Wissenschaftsrat, zu respektieren. Wir sollten uns zubilligen, glaube ich, daß wir mit unterschiedlichen Einzelvorstellungen versuchen, das Beste für die Wissenschaft zu erzielen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504439400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lohmar.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0504439500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung mich zu einer zweiten Zwischenfrage zugelassen hätte, hätte ich mir diesen Schlußsatz hier ersparen und Ihnen damit Zeit sparen können.
Mir liegt daran, ein Mißverständnis aufzuklären, weil ich glaube, daß es töricht ist, eine sachliche, meinethalben auch scharfe Debatte mit Mißverständnissen zu belasten. Herr Minister Stoltenberg hat sich auf meine Äußerungen zu dem Troeger-Gutachten bezogen. Herr Stoltenberg, ich habe nie den sachlich-vernünftigen Teil der Vorschläge des Gutachtens zur Finanzreform in unserem Bereich der Wissenschaft und Bildung in Frage gezogen, die auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Bund und Ländern hinauslaufen. Ich habe lediglich Zweifel angemeldet — und bleibe eigentlich dabei —, ob dies auf dem Wege einer Verfassungsänderung geschehen müsse — ich habe mir erlaubt, Sie davor zu warnen — oder ob es nicht pragmatischere, leichtere, gangbarere Wege geben könnte, das gleiche Ziel zu erreichen, ohne sich in ein jahrelanges Dikkicht verfassungspolitischer und verfassungsrechtlicher Diskussionen zu verwickeln. Letzteres halte ich in der Tat für töricht.
In der Sache bin ich der Meinung, daß wir der Lösung einer 1:1-Zusammenarbeit von Bund und Ländern nahekommen sollen.
— Bitte schön, Herr Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504439600
Herr Kollege Dr. Lohmar, darf ich Sie fragen, ob wir jetzt schon den Entschließungantrag für morgen mitdiskutieren wollen. Denn ich sehe, daß Sie mehr und mehr auf dieses Thema eingehen. Oder wollen wir morgen die Debatte noch einmal beginnen?

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0504439700
Pardon, Herr Moersch! Ich habe mir nur erlaubt, eine klarstellende Bemerkung zu der extensiv ausgebreiteten Diskussionslage zu machen, die vom Gesprächspartner auf der Regierungsbank ausgegangen ist. Das müssen Sie mir schon gestatten. Im übrigen bin ich damit zu Ende, meine Damen und Herren.
Es verbleibt mir, mich zu bedanken für das Kompliment, das der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung der Opposition mit seiner Feststellung gemacht hat, es sei ihr gutes Recht, der Regierung einige Schritte voraus zu sein. Wir werden auch in Zukunft Wert darauf legen, daß es so bleibt.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504439800
Der Herr Bundesminister noch einmal, bitte sehr!

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0504439900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich verspreche, noch kürzer zu reden als der Kollege Lohmar. Ich stelle nur fest, daß er seine Auffassung geändert hat. In dem von mir erwähnten Aufsatz in der „Freien Presse" vom 21. Februar hat er geschrieben:
Das Gutachten zur Finanzreform, das von einer unabhängigen Kommision unter der Leitung des Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank, Dr. Troeger, ausgearbeitet worden ist, hat ja angeregt, wir sollten unsere Verfassung so ändern, daß die großen Gemeinschaftsaufgaben als gemeinsame Verpflichtung von Bund und Ländern betrachtet werden können.
Dieser Satz wird dann nur positiv kommentiert mit der Schlußfolgerung:
Bund und Länder sind aufeinander angewiesen, und sie müssen in den Gemeinschaftsaufgaben, in Bildung und Wissenschaft, im Verkehrswesen, in der Gesundheitspolitik, in der Raumordnung, davon ausgehen.
Ich stelle diese Sinnesänderung fest. Aber ich glaube nicht, daß das eine ausreichende Grundlage für Polemiken gegen die ist, die die Auffassung des Herrn Kollegen Lohmar vom 21. Februar weiter vertreten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504440000
Nunmehr liegt keine Wortmeldung mehr vor. Ich mache darauf aufmerksam, daß Wortmeldungen an sich schriftlich einzureichen wären. Es liegt also nunmehr keine mehr vor. Ich schließe damit die Begründung des Änderungsantrags Umdruck 68 *).
Ich mache das Hohe Haus darauf aufmerksam, daß morgen ein weiterer Antrag eingereicht werden wird — und zwar zum Haushaltsausgleich —, der mit den Beschlüssen der zweiten Lesung zusammenhängt. Er kann deshalb erst morgen früh vorliegen. Ich darf das Einverständnis des Hauses voraussetzen.
Ich darf zum Schluß noch eine Bemerkung machen. Ich entnehme dem Protokoll der heutigen Sitzung, daß Herr Abgeordneter Wehner gegen Herrn Abgeordneten Memmel den Ausdruck „Dreckschleuder" und Herr Abgeordneter Hermsdorf gegen Herrn Memmel den Satz: „Ein ausgesprochener Drecksack sind Sie!" gebraucht hat,

(Zurufe)

*) Siehe Anlage 13



Vizepräsident Frau Dr. Probst
— und zwar dreimal, meine Damen und Herren; ich bin gezwungen, diese Dinge klarzustellen. Dieses Verhalten verletzt in grober Weise die Würde dieses Hauses. Ich rufe daher gemäß § 40 der Geschäftsordnung die Abgeordneten Wehner und Hermsdorf namentlich zur Ordnung.
Wir sind am Ende der Tagesordnung.
Ich schließe die Sitzung und berufe die nächste Sitzung ein auf morgen früh, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.