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    Deutscher Bundestag 44. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1966 Inhalt: Fragestunde (Drucksache V/635) Fragen des Abg. Dr. Apel: Finanzierung von Schiffsneubauten auf englischen Werften durch die Bundesregierung . 2065 A Fragen des Abg. Krammig: Aufhebung des Branntweinbegleitscheinverkehrs mit fertigen Spirituosen — Umsatzsteuerpräferenz für Westberliner Spirituosen Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 2065 C Krammig (CDU/CSU) . . . . . 2066 C Cramer (SPD) 2067 A Fragen des Abg. Geiger: Gewährung einer Bundeshilfe für eine Nachreinigungsanlage der Stadt Böblingen — Unterstützung von Garnisonstädten bei der Schaffung kommunaler Einrichtungen 2067 A Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Lohn- und Einkommensteuerpflicht für Schulbeihilfen Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 2067 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 2067 C Frage des Abg. Bühler: Einsatz von Abgasabsauggeräten am Zollamt Weil-Otterbach Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 2068 A Bühler (CDU/CSU) 2068 B Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 2068 B Frage des Abg. Dr. Lenz (Bergstraße) : Unterrichtung des Bundestages über das Echo auf die deutsche Friedensnote Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 2068 C Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 2068 D Frage des Abg. Ertl: Verfahren italienischer Grenzkontrollorgane am Brenner Dr. Carstens, Staatssekretär . . 2068 D Ertl (FDP) 2069 A Frage des Abg. Ertl: Wirtschaftshilfe für Staaten, die die Oder-Neiße-Grenze anerkennen Dr. Carstens, Staatssekretär . . 2069 B Ertl (FDP) 2069 B Rollmann (CDU/CSU) 2069 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Besetzung der Pressereferentenstellen an den auswärtigen Missionen durch Berufsjournalisten Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 2069 D Kahn-Ackermann (SPD) . . . . . 2069 D Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 2070 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2070 C Dr. Rinderspacher (SPD) . 2070 D, 2071 A Bühler (CDU/CSU) . . . . . . . 2070 D Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Aufrechterhaltung der NATO-These der „atomaren Abschreckung" Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 2071 B Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2071 B Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Neue Erkenntnisse auf Grund der Reaktionen auf die Friedensnote der Bundesregierung Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 2071 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2071 D Frage des Abg. Dr. Klepsch: Zulassung von Saatgut der Kartoffelsorte „Bintge" 2072 A Frage des Abg. Dröscher: Verbot der Urlaubsreisen von Soldaten nach Jugoslawien Gumbel, Staatssekretär . . . . 2072 A Kaffka (SPD) 2072 B Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 2072 D Brück (Köln) (CDU/CSU) 2073 A Frage des Abg. Haase (Kellinghusen) : Maßnahmen zur Verbesserung des Schleudersitzes in der F 104 Gumbel, Staatssekretär . . . . . 2073 A Haase (Kellinghusen) (SPD) . . 2073 B Cramer (SPD) 2073 C Frage des Abg. Haase (Kellinghusen) : Umrüstung des bisher in der F 104 G verwendeten Schleudersitzes Gumbel, Staatssekretär . . . . . 2073 D Haase (Kellinghusen) (SPD) . . . 2074 B Dr. Klepsch (CDU/CSU) 2074 C Cramer (SPD) 2074 D Kaffka (SPD) 2075 B Frage des Abg. Haase (Kellinghusen) : Beibehaltung des in der F 104 G verwendeten Schleudersitzes Gumbel, Staatssekretär 2075 B Haase (Kellinghusen) (SPD) . . 2075 C Fragen des Abg. Dr. Effertz: Zusammenlegung der Truppenübungsplätze Vogelsang und Elsenborn Gumbel, Staatssekretär 2075 D Fragen des Abg. Dr. Klepsch: Besondere Belastungen für im Herbst 1966 zum Wehrdienst herangezogene Abiturienten Gumbel, Staatssekretär 2076 A Dr. Klepsch (CDU/CSU) 2076 B Damm (CDU/CSU) . . . . . . 2076 D Josten (CDU/CSU) 2077 A Fellermaier (SPD) . . . . . . 2077 B Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Begriffe „atomare Abschreckung" und „flexible Strategie" Gumbel, Staatssekretär 2077 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 2077 D Genscher (FDP) . . . . . . . 2078 B Berkhan (SPD) . . . . . 2078 C Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966) (Drucksache V/250) — Fortsetzung der zweiten Beratung — Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen V/575, zu V/575); in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksache V/599) Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2079 A, 2096 A, 2100 D Lücke, Bundesminister 2081 A Benda (CDU/CSU) . . . 2082 D, 2087 D Dorn (FDP) 2083 D Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 2084 D Wehner (SPD) 2086 C Busse (Herford) (FDP) 2088 B Dr. Miessner (FDP) 2088 C Brück (Köln) (CDU/CSU) 2090 D Hörmann (Freiburg) (SPD) . . . . 2091 A Mengelkamp (CDU/CSU) 2092 A, 2094 D, 2097 B, 2100 C, 2100 D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 III Dr. Friderichs (FDP) 2092 D Wellmann (SPD) . . . . . . . 2093 D Frau Krappe (SPD) , 2096 B Moersch (FDP) . . . . . . . 2096 D Kubitza (FDP) 2098 C D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 2098 C Collet (SPD) 2100 B Frau Renger (SPD) 2101 B Windelen (CDU/CSU) 2102 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen (Drucksache V/591) Wehner (SPD) 2104 A Borm (FDP) 2109 C von Eckardt (CDU/CSU) 2112 B Walter (FDP) 2114 C Dr. Huys (CDU/CSU) 2116 B Dr. Mende, Bundesminister . . . 2117 C Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (Drucksachen V/583, zu V//583) Wienand (SPD) 2123 D Rommerskirchen (CDU/CSU) . . . 2129 B Ollesch (FDP) . . . . . . . . . 2131 C von Hassel, Bundesminister . . . 2133 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 2140 B Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 2143 A Memmel (CDU/CSU) . . . . . 2145 B Frau Dr. Probst, Vizepräsident . . 2145 C Erler (SPD) . . . . . . . . . 2146 A Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 2146 B Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 2146 C Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache V/600) Seidel (SPD) 2146 D Windelen (CDU/CSU) 2147 D Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 2148 C Hermsdorf (SPD) . . . . . . 2149 A Haushaltsgesetz 1966 (Drucksachen V/606, zu V/606) . . . 2149 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966) (Drucksachen V/250, V/570 bis V/600, V/606) — Dritte Beratung — Frau Dr. Probst, Vizepräsident . . 2150 B Hermsdorf (SPD) . .. . . . . . 2150 B Leicht (CDU/CSU) . . . . . . . 2150 D Dr. Pohle (CDU/CSU), zur GO . . . 2151 A Dr. Arndt (Berlin) (SPD) 2151 B Gewandt (CDU/CSU) 2153 A Dr. Lohmar (SPD) 2153 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 2155 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister . 2156 A Nächste Sitzung 2159 Anlagen 2161 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 2065 44. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach *) 27. 5. Dr. Aigner *) 27. 5. Arendt (Wattenscheid) 27. 5. Bading *) 27. 5. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 27. 5. Dr. Barzel 31. 5. Bauknecht 27. 5. Frau Blohm 26. 5. Frau Brauksiepe 27. 5. Brünen 27. 5. Dichgans *) 26. 5. Dr. Dittrich *) 27. 5. Dröscher *) 26. 5. Dr. Eckhardt 27. 5. Dr. Effertz 26. 5. Eisenmann 27. 5. Frau Dr. Elsner *) 26. 5. Frau Enseling 26. 5. Frieler 2. 7. Fritz (Welzheim) 26. 5. Dr. Furler 29. 5. Gerlach *) 26. 5. Gibbert 27. 5. Dr. Giulini 20. 6. Gscheidle 27. 5. Freiherr von und zu Guttenberg 27. 5. Dr. Hammans 27. 5. Hahn (Bielefeld) 27. 5. Dr. Dr. Heinemann 27. 5. Hörauf 27. 5. Iven 26. 5. Frau Jacobi (Marl) 1. 7. Dr. h. c. Jaksch 13. 6. Dr. Jungmann 30. 6. Frau Kalinke 26. 5. Dr. Kempfler 27. 5. Klinker *) 27. 5. Kriedemann *) 26. 5. Leber 27. 5. Lemmer 27. 5. Lücker (München) *) 26. 5. Mauk *) 26. 5. Dr. von Merkatz 31. 5. Metzger*) 27. 5. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 30. 6. Dr. Morgenstern 30. 6. Müller (Aachen-Land) *) 26. 5. Reitz 27. 5. Richarts *) 26. 5. Riedel (Frankfurt) 27. 5. Dr. Schmid-Burgk 27. 5. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments **) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Schmidhuber 28. 5. Schultz (Gau-Bischofsheim) 27. 5. Seither 31. 5. Seuffert 28. 5. Dr. Sinn 10. 6. Stahlberg 30. 6. Stein (Honrath) 26. 5. Steinhoff 14. 6. Frau Strobel *) 27. 5. Dr. Süsterhenn 27. 5. Teriete 2. 7. Tobaben 27. 5. Dr. Wahl **) 27. 5. Weimer 27. 5. Wiefel 27. 5. Winkelheide 27. 5. Dr. Wörner 26. 5. Frau Dr. Wolf 14. 6. Zerbe 27. 5. Anlage 2 Umdruck 39 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 06 - Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen 1T/250 Anlage, V/575). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 06 02 - Allgemeine Bewilligungen 1. In Tit. 612 - Sondermittel für Aufgaben der Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes - (Drucksache V/250 Anlage S. 30) wird der Ansatz von 38 000 000 DM um 18 000 000 DM auf 20 000 000 DM vermindert. 2. In Tit. 973 - Für die Spitzenfinanzierung des Baues von Turn- und Sportstätten - (Drucksache V/250 Anlage S. 49) wird der Ansatz von 40 000 000 DM um 9 000 000 DM auf 49 000 000 DM erhöht. Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 3 Umdruck 40 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 06 - Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen V/250 Anlage, V/575). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 06 02 wird der Ansatz des Tit. 660 - Förderung der Kultur, soweit es sich um eine repräsen- 2162 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 tative Vertretung des Bundes oder um die Wahrung von Belangen gesamtdeutscher oder internationaler Bedeutung handelt — (Drucksache V/250 Anlage S. 39) von 9 062 000 DM um 275 000 DM auf 9 337 000 DM erhöht. Entsprechend sind die folgenden Einzelansätze in den Erläuterungen zu Tit. 660 zu erhöhen: 1. b) Radio-Symphonieorchester Berlin GbmH auf 800 000 DM 1. c) Philharmonia Hungarica auf 1 375 000 DM 1. f) Geschwister-Scholl-Stiftung, Ulm auf 200 000 DM Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 4 Umdruck 35 Änderungsantrag des Abgeordneten Kubitza zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — (Drucksachen V/250 Anlage, V/575). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 06 02 Tit. 973 — Für die Spitzenfinanzierung des Baues von Turn- und Sportstätten — (Drucksache V/250 Anlage S. 49) wird der Ansatz von 40 000 000 DM um 5 000 000 DM auf 45 000 000 DM erhöht. Bonn, den 16. Mai 1966 Kubitza Anlage 5 Umdruck 41 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — (Drucksachen V/250 Anlage, V/575). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 06 09 — Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln —In Tit. 300 — Für Zwecke des Verfassungsschutzes — (Drucksache V/250 Anlage S. 121) erhält der letzte Absatz des Haushaltsvermerkes folgende Fassung: „Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titers unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 6 Umdruck 67 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung — (Drucksachen V/250 Anlage, V/600). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 60 02 — Allgemeine Bewilligungen — In Tit. 603 wird die Zweckbindung wie folgt neu gefaßt: „Ergänzungszuweisungen nach Artikel 107 Abs. 2 Satz 3 des Grundgesetzes". Die Erläuterungen sind wie folgt zu fassen: „Nach dem Gesetz vom . . . ist der Bund verpflichtet, bei Vorliegen der im Gesetz näher bezeichneten Voraussetzungen den Ländern Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein Ergänzungszuweisungen zu gewähren. Der Betrag ist geschätzt." Bonn, den 25. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 7 Umdruck 77 Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung — (Drucksachen V/250 Anlage, V/600). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 60 02 — Allgemeine Bewilligungen — Bei Tit. 603 wird Absatz 2 der Erläuterungen wie folgt gefaßt: „Die Mittel sind wie folgt zu verteilen: Bayern 20 000 000 DM Niedersachsen 75 000 000 DM Rheinland-Pfalz 40 000 000 DM Saarland 15 000 000 DM Schleswig-Holstein 30 000 000 DM." Bonn, den 26. Mai 1966 Strauß und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 2163 Anlage 8 Umdruck 47 Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/ CSU, FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Haushaltsgesetz 1966 — Drucksachen V/250, V/606 — Der Bundestag wolle beschließen: In § 11 Abs. 2 werden die Worte „soweit dadurch die bewilligten Haushaltsansätze nicht überschritten werden" gestrichen. Bonn, den 17. Mai 1966 Erler und Fraktion Dr. Barzel und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 9 Umdruck 55 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Haushaltsgesetz 1966 (Drucksachen V/250, V/606). Der Bundestag wolle beschließen: § 15 Abs. 1 wird wie folgt gefaßt: „(1) Artikel 10 des Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs vom 20. Dezember 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 2065) gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Betrages von 3 500 000 000 Deutsche Mark der Betrag von 3 640 000 000 Deutsche Mark tritt." Bonn, den 17. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 10 Umdruck 73 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966. Der Bundestag wolle beschließen: 1. hier: Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksache V/573 — Zu Kap. 04 03 — Presse- und Informationsamt der Bundesregierung a) Im Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens — (Drucksache V/250 Anlage S. 28) — wird der Ansatz von 12 500 000 DM um 4 500 000 DM auf 8 000 000 DM gesenkt. Der Haushaltsvermerk erhält folgende Fassung: „Die Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." b) Tit. 314 — Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung auf den Gebieten der Sozialinvestitionen — 2 500 000 DM (Drucksachen V/573 S. 4) wird gestrichen. 2. hier: Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache V/534 — In Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen — wird in Tit. 964 — Ausrüstungshilfe — (Drucksache V/574 S. 4) — der Ansatz um 46,5 Mio DM auf 40,5 Mio DM gekürzt. 3. hier: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache V/575 — In Kap. 06 02 — Allgemeine Bewilligungen — wird in Tit. 612 — Sondermittel für Aufgaben der Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes — (Drucksache V/250 Anlage S. 30) der Ansatz von 38 000 000 DM um 18 000 000 DM auf 20 000 000 DM vermindert. 4. hier: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache V/579 — a) In Kap. 10 02 — Allgemeine Bewilligungen — wird in Tit. 959 — Investitionsbeihilfen für landwirtschaftliche Betriebe (Anpassungshilfe 1966) — (Drucksache V/579 S. 5) der Ansatz um 40 000 000 DM auf 37 600 000 DM gekürzt. b) In Kap. 10 03 — Marktordnung — wird in Tit. 620 — Zuschüsse an die Einfuhr- und Vorratsstellen für Getreide und Futtermittel, für Fette, für Schlachtvieh, Fleisch und Fleischerzeugnisse und an die Einfuhrstelle für Zucker — (Drucksache V/579 S. 6, V/250 Anlage S. 69) der Ansatz um 55 000 000 DM auf 310 479 800 DM gekürzt. Bonn, den 26. Mai 1966 Erler und Fraktion 2164 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 Anlage 11 Umdruck 74 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 09 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — (Drucksachen V/250 Anlage, V/578). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 09 02 — Allgemeine Bewilligungen —1. In Tit. 966 — Energiepolitische Maßnahmen, die dem Kohleabsatz dienen — wird folgender Buchstabe c angefügt: „c) Einmalige Ausgabe für energiepolitische Maßnahmen, die dem Kokskohleeinsatz in der eisenschaffenden Industrie dienen 100 000 000 DM." Zu Tit. 966 c) wird eine Erläuterung folgenden Inhalts aufgenommen: „zu Tit. 966 c) Im Zuge der energiepolitischen Maßnahmen zur Sicherung des Absatzes von Gemeinschaftskohle erhalten Unternehmen der eisenschaffenden Industrie für die Verwendung von Hüttenkoks, der aus Gemeinschafts-Kokskohle erzeugt wird, ab 1. Juli 1966 je Tonne verbrauchter Kokskohle 8 DM als laufende Beihilfe. Die Beihilfe dient dem Ausgleich der sich für die Unternehmen der eisenschaffenden Industrie bei der Verwendung von Hüttenkoks, der aus Gemeinschafts-Kokskohle erzeugt wird, ergebenden Nachteile. Das Nähere ist bis zum Erlaß der gesetzlichen Regelung durch Richtlinien des Bundeswirtschaftsministeriums zu regeln." 2. In Tit. 968 b) — Darlehen für die Aufsuchung oder Ausbeutung von außerhalb des Bundesgebietes gelegenen Erdöl- oder Erdgaslagerstätten — wird der Ansatz um 62 500 000 DM auf 57 500 000 DM gekürzt. Im Haushaltsvermerk wird Absatz 2 gestrichen. 3. Tit. 969 — Darlehen für Unternehmen des Steinkohlenbergbaus für die Aussuchung und Ausbeutung von Erdgaslagerstätten — (Drucksache V/573 S. 4) wird gestrichen. 4. Tit. 972 — Leistungen des Bundes zur dezentralen Einlagerung von Kohlen 30 000 000 DM — wird gestrichen. Bonn, den 26. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 12 Umdruck 75 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 11 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen V/250 Anlage, V/580). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 11 13 — Sozialversicherung — In Tit. 602 — Zuschuß des Bundes an die knappschaftliche Rentenversicherung — wird der Ansatz von 2 240 000 000 DM um 56 000 000 DM auf 2 296 000 000 DM erhöht. In den Erläuterungen wird in Absatz 2 a) in Nr. 1 — Rentenleistungen — der Ansatz von 3 152 000 000 DM um 35 000 000 DM auf 3 187 000 000 DM, b) in Nr. 6 — Knappschaftsausgleichsleistung — der Ansatz von 16 000 000 DM um 21 000 000 DM auf 37 000 000 DM erhöht. Bonn, den 26. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 13 Umdruck 68 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 36 — Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung I (Drucksachen V/250 Anlage, V/595). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 31 02 — Bewilligungen für die allgemeine Wissenschaftsforschung — wird in Tit. 600 — Förderung des Ausbaus bestehender Hochschulen und sonstiger Wissenschaftseinrichtungen — (Drucksache V/595 S. 3) der Ansatz um 101 295 100 DM auf 530 000 000 DM erhöht. Bonn, den 25. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 14 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Huys für die Fraktion der CDU/CSU zu Punkt 3/b (Einzelplan 06 35) der Tagesordnung (Drucksachen V/575, zu V/575) Obwohl kein Antrag auf weitere Erhöhung der Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung gestellt ist und mir auch klar ist, daß wegen der Haushaltslage im Augenblick eine weitere Erhöhung nicht erfolgen kann, möchte ich dem Hohen Hause dennoch ein paar Gedanken über diese Institution vortragen, die, obwohl sie sozusagen im Verborgenen Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 2165 blüht, eine Institution ist, die in gemeinsamer Arbeit von Regierung und Opposition versucht, die geistigen Grundlagen, auf denen unser aller Arbeit beruht, im Volke zu verdeutlichen. Ein Beispiel: Die von der Bundeszentrale herausgegebene Wochenzeitschrift „Das Parlament" läßt so manche gute Rede, so manche gute Anregung von Bundestagsabgeordneten zur Auswirkung kommen, die sonst im Protokoll untergegangen wäre. Der Matern-Dienst dieser Zeitung, der den Heimatzeitungen unter der Überschrift: „Abgeordnete fragen, die Bundesregierung antwortet" zur Verfügung gestellt wird, macht die Arbeit der Abgeordneten im Bundestag im Wahlkreis bekannt. Es geht hierbei aber keineswegs nur um das persönliche Anliegen des Abgeordneten, sondern darüber hinaus handelt es sich sozusagen um den geistigen Verteidigungsetat unserer Demokratie. Ich erkenne dankbar an, daß der Etat der Bundeszentrale gegenüber 1965 um ca. 1,3 Millionen DM erhöht worden ist, möchte dennoch sagen, daß die Investition pro Kopf der Bevölkerung nur ca. 0,40 DM beträgt. Ich sage das, um den Haushaltsexperten zu verdeutlichen, welch ungeheure Aufgabe mit so geringen Mitteln geleistet werden muß. Was verlangen wir eigentlich von dieser Institution? Ich würde sagen: zweierlei, erstens die Festigung unserer jungen Demokratie, die noch nicht so in sich ruht wie die traditionsbewußten Demokratien in den angelsächsischen Ländern, zweitens die geistige Abwehr der ständigen Bedrohung durch Kommunismus von innen und außen. Diese Arbeit ist ungeheuer schwierig, es gibt keine spektakulären Erfolge bei ihr. Hier kann alles nur ganz langsam wachsen und muß daher intensiv, pfleglich und behutsam behandelt werden. Aus dieser allgemeinen Zielsetzung ergibt sich das Schwerpunktprogramm, das sich die Bundeszentrale gesetzt hat, die Förderung des demokratischen Gedankens. Denn unsere Demokratie kann sich nur behaupten und entwickeln, wenn sie von der tätigen Mitarbeit ihrer Bürger und einem bewußten Bekenntnis zum demokratischen Staat getragen wird. Es ist das Lebenselexier der politischen Bildung und das der Bundeszentrale für politische Bildung, verschiedene Meinungen einander gegenüberzustellen, Kritik zu provozieren, Zusammenhänge zu verdeutlichen und Quellen zu studieren. Ihr Ziel muß sein, eine unabhängige Meinung des Bürgers zu erreichen, die nicht so labil sein darf, daß sie von jeder Parole umgeworfen werden kann. Der Jugend und auch den Erwachsenen muß deutlich gemacht werden, die manchmal wirklichkeitsfremde Vorstellungen von einer „arbeitenden" Demokratie haben, daß die heißen Auseinandersetzungen, wie sie sich hier zuweilen in diesem Hohen Hause ereignen, Element der Demokratie sind und nichts zu tun haben mit dem sogenannten häßlichen politischen Getriebe. Es muß auch z. B. deutlich werden, daß der Kompromiß zu unserer pluralistischen Demokratie gehört und nichts zu tun hat mit dem immer noch herumgeisternden Wort: Politik verdirbt den Charakter. Es muß klarwerden, daß es heißen muß: In der Politik zeigt sich der Charakter. Es muß der Jugend und den Erwachsenen einsichtig gemacht werden, daß die Demokratie eine Gesellschaftsform ist, in der die verschiedenen Interessen und Ordnungsvorstellungen wirksam vertreten werden können und in der bei aller Vielfalt der Meinungen eine freie Entscheidung und die Entfaltung der Einzelpersönlichkeit möglich ist. Auch die Bundeszentrale hat nur subsidiären Charakter, d. h. sie kann nur Hilfestellung geben zur Handhabung .der demokratischen Rechte, zu praktischer Toleranz und zu vorurteilsfreiem Verhalten. Sie ist ein Vorarbeiter zur Überwindung der Indifferenz des Staatsbürgers, zur Einsicht in .die Notwendigkeit ,des Engagements für unseren Staat, der von ihm selbst getragen werden muß, wenn er am Leben bleiben soll. Ich will nicht auf weitere Details der Arbeit dieser Institution eingehen, sondern nur noch folgendes bemerken. Die föderalistische Zusammenarbeit der Bundeszentrale mit den Landeszentralen für politische Bildung und die Durchführung überregionaler Tagungen auf Bundesebene für politische Bildungsfragen können vorbildlich genannt werden bei der .gemeinsamen Bewältigung von Bildungsaufgaben von Bund und Ländern. Die in diesem Titel eingesetzten Mittel multiplizieren sich sozusagen im geistigen Bereich und werden wirksam für unser aller Arbeit, der wir uns hier verschrieben haben. Dank möchte ich zum Schluß auch bei dieser Gelegenheit dem Leiter der Bundeszentrale und allen seinen Mitarbeitern für ihre bisherige erfreuliche Arbeit aussprechen. Anlage 15 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Kübler für die Fraktion der SPD zu Punkt 3/b der Tagesordnung (Drucksachen V/575, zu V/575) Der Tit. 06 35 — Bundeszentrale für politische Bildung — zwingt zu einigen Überlegungen. Wir sind uns in diesem Hohen Hause alle darüber einig, daß in der modernen Demokratie wieder wie in der klassischen Antike nur der als gebildet gelten kann, der sich um die öffentlichen Dinge kümmert. Der reine Privatmann, also der politisch Unbekümmerte, hieß im klassischen Griechenland „idiotes". Wir nähern uns mit dem Ausdruck „Fachidiot" allmählich wieder dieser klassischen Vorstellung, daß Bildung immer die politische Bildung einschließt. Wir wissen aber alle hier in diesem Hohen Hause, daß noch weite Kreise unserer Bevölkerung reines Fachwissen zum privaten Nutzen für wichtiger halten als eine umfassende, also auch die Staatsangelegenheiten umfassende Bildung. Diese privaten Bildungsvorstellungen sind aber keineswegs auf Deutschland beschränkt. Auch die Franzosen klagen über die deformation professionelle der Experten. Sogenannter reiner Sachverstand ohne politische Bildung wird leicht zum Mistbeet der Diktatur. 2166 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 Wenn wir aber auch alle gemeinsam die Notwendigkeit der politischen Bildung bejahen, so sind wir als Parlament doch noch sehr weit davon entfernt, die für unser Volk notwendigen Maßstäbe der politischen Bildung zu setzen. Wir pendeln doch noch oft von dem alten Leitsatz: „Miteinander — füreinander" über das sportliche fair-play als Vorbild für den politischen Stil bis hin zur an das Emotionale appellierenden Propaganda. Bei einer kritischen Durchsicht der Arbeit und der Erfolge der Bundeszentrale für politische Bildung muß zunächst ein Wort des Bedauerns geäußert werden, daß im letzten Jahr durch die Sperre der Haushaltsmittel nach der Bundestagswahl einige Aufgaben nicht erfüllt werden konnten. Bei der tatsächlich geleisteten Arbeit lassen sich Erfolge natürlich nur schwer messen und bewerten. Quantitative Angaben sind im Bereich der Bildung, also auch der politischen Bildung, nicht immer die besten Wertmesser. Trotzdem sollte zu denken geben, daß etwa beim letzten Schülerpreisausschreiben sich in BadenWürttemberg über tausend Schulklassen mehr als im größeren Bayern beteiligt haben. Noch stärker überrascht aber, daß der Vorsprung Baden-Württembergs fast ausschließlich durch Berufsschulklassen erreicht wird. Bekanntlich ist im berufsschulpflichtigen Alter der außerschulische Einfluß wesentlich größer als der der Schule. Man könnte also doch an Beteiligungszahlen einige Überlegungen knüpfen. Man sollte dies unbedingt tun bei den Besucherzahlen der Filme. Etwa sechs Millionen Menschen sahen im letzten Jahr die Filme der Bundeszentrale. Gemessen an dieser Gesamtbesucherzahl waren die beiden Filme über die Arbeit des Bundestages absolute Pleiten. Sie liefen praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Etwas besser im Rennen lagen mit je vierzigtausend Besuchern im letzten Jahr die beiden Grundrechtsfilme „Die Freiheit der Person ist unverletzlich" und „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich". Recht hohe Besucherzahlen hatten dagegen die Filme: „Ursachen des Nationalsozialismus", „Die Revolution entläßt ihre Kinder" und „Land und Volk Israel". Statt einer vielschichtigen Interpretation möchte ich hier ganz schlicht, aber unmißverständlich sagen, daß die Filme über das Funktionieren der Demokratie schlechter gemacht waren als die über die NS-Zeit, den Kommunismus und über Israel. Nun beklagt die Bundeszentrale für politische Bildung zu Recht den Mangel an geeigneten Mitarbeitern für die Darstellung der Aufgaben einer modernen Demokratie. Das gilt nicht nur für die Filme, sondern auch für die Publikationen und für die Beilagen in der Zeitschrift „Das Parlament". Publikationen über den Kommunismus werden termingerecht von hervorragenden Sachkennern vorgelegt. Über die Zeit des Nationalsozialismus klären uns die Historiker immer wieder auf. Der mögliche Antisemitismus wird in unserem Volk durch viele wissenschaftliche und volkstümliche Darstellungen so gut bekämpft, daß aus Unwissenheit eigentlich niemand mehr vergangene Hetzparolen übernehmen kann. Der Abbau der Vorurteile rückt in den Bereich des Möglichen. Aber die Darstellung der modernen Welt gelingt offensichtlich fast nur bei technischen und wirtschaftlichen Fragen. Publikationen zur Orientierung auf Staat und Gesellschaft von morgen scheitern heute daran, daß wir für die in Frage kommenden Sachgebiete zwar genügend Fachleute kennen, diese aber nur in wenigen Ausnahmefällen in der Lage sind, ihr Thema unter dem Blickwinkel der politischen Bildung darzustellen. Diese nüchterne Feststellung soll nicht zur Resignation führen, sondern zu einem neuen Impuls. Vor zehn Jahren gab es kaum Literatur zur Bewältigung der Vergangenheit und zur Auseinandersetzung mit Kommunismus und Antisemitismus. Die intensive Nachfrage der Bundeszentrale, der Landeszentralen, der Volkshochschulen, der politischen und kirchlichen Jugendverbände hat hier einen Wandel geschaffen. Diese Leistung zur geistigen Klärung muß von jedermann anerkannt werden, aber sie darf nicht die einzige bleiben. Wir können uns nicht im Anti erschöpfen, ganz gleich, ob Antifaschismus oder Antikommunismus. Gewiß ist die Hölle leichter zu malen oder zu beschreiben als das Paradies; aber ebenso gewiß ist, daß durch die Darstellung der Sünde allein noch niemand zur Tugend gefunden hat. Immunisierung ist gut, aktive politische Bildung ist besser. Die Bewältigung der Vergangenheit ist nur eine Vorstufe zur Bewältigung von Gegenwart und Zukunft. Meine Äußerungen sollen keineswegs die bisherige Leistung der Bundeszentrale herabwürdigen, sondern sie sollen ein Impuls sein oder zumindest die Verstärkung eines Impulses, der sich schon beim Nachdruck der „Politischen Witwe" in der Zeitschrift „Das Parlament" andeutete. Bedenklich stimmt der Plan einer Art Enzyklopädie in einer besonderen Kolumne der laufenden Parlamentsausgaben. Begriffsbestimmungen, historische Abrisse und Sacherläuterungen zu wesentlichen Themenkomplexen sind beabsichtigt, z. B. die Hallstein-Doktrin, Notstandsgesetze, Strafrechtsreform. Mich stimmt das bedenklich. Zu diesen Themen sollen wir hier im Bundestag in Rede und Gegenrede die Akzente setzen. Diese Parlamentsdebatten sollen publiziert werden, nicht eine Enzyklopädie über Stichworte unserer Debatten. Zwar habe ich keine Bedenken, daß die Zeitschrift „Das Parlament" von einer Institution der Regierung herausgegeben wird, aber daß „Begriffsbestimmungen" nun institutionell durchgeführt werden sollen, widerspricht meines Erachtens der Aufgabe einer Publikation, die sich „Das Parlament" nennt. Außerdem können solche Dinge immer schief werden. In diesen Tagen wird von der Bundeszentrale das „Wörterbuch für Gemeinschaftskunde" von Bayer-Schmid verteilt .Auf Seite 133 steht zu lesen, daß unter den 300 Delegierten des Parteitages der SPD die besoldeten Parteisekretäre und -angestellten den Hauptanteil haben. Wenn solche Aussagen sich in die geplante Enzyklopädie einschlichen, müßten wir hier im Plenum über publizierte Begriffsbestimmungen streiten, statt die Akzente der Politik zu setzen. Daß die Bundeszentrale selbst demoskopische Erhebungen über die Voraussetzungen der politischen Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 2167 Willensbildung und zum Stand des politischen Wissens durchführen will, ist zwar zu begrüßen, aber es muß doch einschränkend gesagt werden, daß die Bundeszentrale nicht in Konkurrenz mit den Meinungsforschungsinstituten bei Motivstudien treten soll. Die Ergebnisse von INTERMARKET (1965), IMA (1965), EMNID (1954 bis 1965), DIVO (1957, 1960 und 1965) und ALLENSBACH (1958 bis 1965) haben bei aller Widersprüchlichkeit doch klar zum Ausdruck gebracht, daß etwa 70 % der erwachsenen Bürger der Bundesrepublik sich für Politik interessieren, daß aber beinahe 80 % der Interessierten ihre wesentlichen Kenntnisse auf Informationen gründen, die sich auf Affären, Beschuldigungen und andere in ihren Augen undemokratische Vorfälle beziehen. Politik scheint offensichtlich unseren Mitbürgern nur unter polemischen Vorzeichen bekanntzuwerden. Fast drei Viertel aller Befragten lehnten als Quelle der Meinungsbildung politische Veranstaltungen ab. Wenn die widersprüchlichen Zahlen einigermaßen stimmen, wollen 90 % nie eine Mitgliedschaft in einer Partei erwerben. Trotzdem ist eine breite Schicht in der Abwehr geschichtlicher Hypotheken durchaus bereitwillig, sich auf bequeme Vorurteile zu versteifen. Die demoskopischen Feldanalysen zeigen bei aller Fehlerhaftigkeit ihres methodischen Erfassens doch diesen Mangel an staatsbürgerlicher Bildung in unserem Volk, der einerseits die Parteien wegen ihrer verschiedenartigen Aussagen und wegen ihrer Gegensätze ablehnen läßt, andererseits aber in allen Forderungen und in jedem Urteil absolut sein will und nur schwarz oder weiß, aber auf keinen Fall einen Kompromiß zuläßt. Ich glaube nicht, daß es die Aufgabe der Bundeszentrale für politische Bildung sein sollte, hier spezifischere Motivforschungen zu treiben. Ich meine dagegen, daß sie unserem Volk und auch unserer Jugend immer wieder in verschiedenen Formen und mit verschiedenen Hilfsmitteln sagen muß, alle unsere privatesten Hoffnungen und Träume vom eigenen Heim, beruflichem Erfolg und gesellschaftlichem Ansehen stehen im Bannkreis der Politik, in der jeder mitbestimmen darf und soll. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers Stücklen vom 25. Mai 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Richter (Drucksache V/635 Frage II/1): Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Bundespost-Fernsehsender Rohrbrunn (Spessart), der das . Zweite Fernsehprogramm ausstrahlt und in weiten Teilen Bayerns und in den Kreisen Tauberbischofsheim und Buchen (Baden-Württemberg) gesehen wird, seit Monaten „durchdreht" und nicht nur ein in Streifen und Gitter zerlegtes Bild, sondern auch einen mit Stör- und Brummgeräuschen überlagerten Ton liefert? Die Abstrahlungen des Fernsehsenders Spessart für das 2. Programm sind in der genannten Zeit nach den Feststellungen der Beobachtungsstellen der Deutschen Bundespost einwandfrei gewesen. Der Fernsehsender Spessart für das 2. Fernsehprogramm ist, bedingt durch die zur Zeit laufenden Farbfernsehversuchssendungen, vom Fernmeldetechnischen Zentralamt Darmstadt sogar werktäglich gemessen worden. Mängel an der Abstrahlung sind auch hierbei nicht festgestellt worden. Beschwerden aus dem Versorgungsbereich des Fernsehsenders Spessart liegen auch nicht vor. Die Kreise Tauberbischofsheim und Buchen gehören nicht zum Versorgungsbereich des Fernsehsenders .Spessart. Ein einwandfreier Empfang des Fernsehsenders Spessart ist daher in diesen Gebieten aus ausbreitungstechnischen Gründen nur bedingt möglich. Diese Kreise liegen in den Versorgungsbereichen der im Aufbau befindlichen Fernsehsender Eberbach und Langenburg. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Thießen vom 25. Mai 1966 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Dr. Krips (Drucksache V/635 Fragen V/1, V/2 und V/3) : Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen der Bundesvermögensverwaltung und der Stadt Stuttgart wegen der Verwendung des Areals der ehemaligen Moltke-Kaserne? Ist der Bundesverteidigungsminister bereit, den dringenden Wunsch der Stadt Stuttgart nach Überlassung von Grundstücken der ehemaligen Moltke-Kaserne für wichtige kommunale Einrichtungen ganz oder teilweise zu erfüllen? Bis wann ist mit einer endgültigen Entscheidung der in Frage V/2 erwähnten Grundstücksüberlassung zu rechnen? Das bundeseigene Gelände der ehem. MoltkeKaserne in Stuttgart ist seit Jahren als Standort für die Zusammenfassung der Stuttgarter BundeswehrDienststellen in Aussicht genommen. Allein die Wehrbereichsverwaltung V ist gegenwärtig in 8 verschiedenen Gebäuden untergebracht, die zum Teil erheblich voneinander entfernt liegen. Für die Anmietung dieser Räume sind z. Z. jährlich rund 1,2 Mio DM aufzuwenden. Zu Frage Die Stadt Stuttgart nutzte früher Teile der ehem. Moltke-Kaserne als Hautklinik. Sie war zwar zunächst an einer Dauernutzung für diesen Zweck interessiert, entschloß sich dann aber, neue Klinikbauten zu errichten. Nach Fertigstellung des Krankenhaus-Neubaus — Anfang 1965 — gab die Stadt die bis dahin von ihr genutzten Teile an die Bundesvermögensverwaltung zurück. Seitdem haben keine weiteren Verhandlungen über eine anderweitige kommunale Nutzung des Geländes mit der Bundesvermögensverwaltung stattgefunden. Zu Frage 2: Der Herr Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart hat in jüngster Zeit einen solchen Wunsch an den Herrn Bundesminister der Verteidigung gerichtet. Einer ersatzlosen Freigabe des Areals der ehem. Moltke-Kaserne zugunsten der Stadt steht der bereits geschilderte, dringende eigene Bedarf des Bun- 2168 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Mai 1966 des entgegen. Gleichwohl hat das Schreiben des Herrn Oberbürgermeisters Anlaß gegeben, diese Frage nochmals eingehend zu prüfen. Zu Frage 3: Bis wann mit einer endgültigen Entscheidung zu rechnen ist, hängt insbesondere davon ab, ob und welche Ersatzvorschläge die Stadt Stuttgart machen wird. Der Herr Bundesminister der Verteidigung ist bemüht, so rasch wir möglich zu einem Ergebnis zu gelangen. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Jaeger vom 25. Mai 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (Drucksache V/635 Frage VIII/4) : Wird die Bundesregierung zum Zwecke einer möglichen Änderung des § 61 Nr. 1 der Konkursordnung Erhebungen darüber veranlassen, in welchem Verhältnis der Gesamtbetrag der rückständigen Lohnforderungen zu dem Gesamtbetrag der Rückstände von Sozialversicherungsbeiträgen in den in der Bundesrepublik in den letzten fünf Jahren abgewickelten Konkursverfahren steht? Wie ich bereits in meinem Schreiben vom 16. Mai 1966 dargelegt habe, wird bei der beabsichtigten Neugestaltung des Ersten Buches der Reichsversicherungsordnung geprüft werden, ob die Bestimmungen des § 28 Abs. 3 RVO in der Praxis zu Schwierigkeiten geführt haben und geändert werden sollten. Für diese Untersuchung werden auch Feststellungen darüber zu treffen sein, in welchem Verhältnis durchschnittlich der Gesamtbetrag der rückständigen Lohnforderungen zu dem Gesamtbetrag der Rückstände von Sozialversicherungsbeiträgen in Konkursverfahren steht. Da ein solcher Überblick nur durch eine Auswertung der einzelnen Konkursverfahren gewonnen werden kann, werden sich die zuständigen Bundesressorts mit den Länderministerien in Verbindung setzen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das Wort hat der Abgeordnete Borm.
    Borm '(FDP) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden jetzt über den Etat eines Ministeriums, von dem wir sicher alle wünschen, daß seine Aufgaben bereits erfüllt wären. Wir reden über den Etat eines Ministeriums, das in den Augen der Öffentlichkeit und nach unserer politischen Ansicht die Aufgabe hat, in den gesamtdeutschen Fragen und in der gesamtdeutschen Politik federführend zu sein. Wir müssen aber leider feststellen, daß dieses Gesamtdeutsche Ministerium wohl den Namen „gesamtdeutsch" trägt und damit die Aufgabe hat, die gesamtdeutschen Fragen in Angriff zu nehmen, daß es ihm aber an der dazu nötigen Vollmacht fehlt.
    Die Methodik der Bundesrepublik in den deutschen Fragen trägt nicht der Tatsache Rechnung, daß die deutsche Politik nur dann erfolgreich betrieben werden kann, wenn sie allumfassend ist. Es gibt keine gesamtdeutsche Politik, die nicht ihren Impuls von der Außenpolitik, von der Wirtschaftspolitik, von der Kulturpolitik empfangen oder auf diese ausstrahlen muß. Diese gesamtdeutsche Politik ist allumfassend.
    Die Methodik der Bundesrepublik in dieser Frage muß sich ändern, wenn wir Erfolg haben wollen. Nicht umsonst hat man drüben in der Zone in den letzten Monaten ein Staatssekretariat für gesamtdeutsche Fragen geschaffen. Wir können wohl davon ausgehen, daß dort jene Koordinierung erfolgt, die notwendig ist, um die Deutschlandpolitik dort zu vertreten, allerdings natürlich in dem Sinne, den man sich dort darunter vorstellt. -
    Die Aufgaben des Ministerium dürfen nicht darin bestehen, mehr oder weniger durch Rundfunk, durch Fernsehen zu wirken — wobei die Zeiten, die dem Ministerium zur Verfügung stehen, uns, den Freien Demokraten, auch noch reichlich eng bemessen erscheinen — oder Bücher und Schriften herauszubringen. Es muß eine gesamtpolitische Konzeption gefunden werden. Oft genug wird gesagt, das unterliege, weil es sich hier um das Lebensinteresse des deutschen Volkes handle, der Kompetenz des Herrn Bundeskanzlers. Mag sein. Wir wollen uns heute gar nicht allzusehr darüber unterhalten, wer diese Koordinierung vornimmt. Natürlich sind wir der Meinung, daß sie in das Gesamtdeutsche Ministerium gehört. Daß es aber nicht zu dieser Koordinierung kommt, ist ein Mangel, der im Jahre 1966 erkannt und behoben werden sollte.
    Ich sagte, für uns Freie Demokraten ist es selbstverständlich, daß dort, wo das Ministerium die Bezeichnung „gesamtdeutsch" trägt, auch jene Koordinierung erfolgt. Es ist in der Tat so, daß beispielsweise, wenn man über die Zonenrandgebiete spricht, 12 Ministerien mitzureden haben. Kein Mensch wird annehmen wollen, daß diese 12 Ministerien nun etwa in ihrem Sinne und von ihrer Sicht aus nicht das Beste tun wollen oder täten, was sie für richtig halten. Aber jeder Mensch weiß, daß, wenn man eine Sache unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet, es früher oder später zu Differenzen und schäd-



    Borm
    lichen Hemmungen kommen muß. Infolgedessen ist eine Grundforderung der Freien Demokraten, daß diese Koordinierung geschaffen werden muß, und zwar in den Händen desjenigen Ministers, der nun einmal die Bezeichnung „gesamtdeutscher Minister" trägt.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es ist erfreulich, daß gerade von dem Herrn Kollegen Wehner, dem Redner der Opposition, so viele Gedanken vorgetragen worden sind, die hoffentlich Allgemeingut des ganzen Hauses insofern sind, als man sich darüber klar ist, daß diese Koordinierung zu erfolgen hat und daß aus ihr auch Folgerungen gezogen werden müssen. Sicherlich — es wurde gesagt — ist das Gremium der Staatssekretäre nützlich, wenn es sich darum handelt, Methoden zu entwickeln. Aber dieses Gremium kann niemals einen Beitrag dazu leisten, daß die politischen Weichen gestellt werden. Ein Staatssekretär ist nicht dazu ausersehen, politische Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen liegen beim Kabinett, sie liegen bei den Ministern. Es ist höchste Zeit, daß das Instrument der Staatssekretäre dort seine Aufgaben findet, wo es darum geht, politische Beschlüsse, die gefaßt worden sind, in die Tagesarbeit umzusetzen.
    Wenn wir von der Notwendigkeit der Koordination ausgehen, ist heute anläßlich einer Etatberatung vielleicht nicht die richtige Zeit, sich mit all den Fragen eingehend zu befassen, die nach unserer Meinung, nach Meinung der Freien Demokraten, der Lösung harren, ja, deren Lösung längst überfällig ist. Wir alle hoffen sehr, daß noch in diesem Jahre nicht nur einmal, sondern mehrmals Gelegenheit sein wird, auf die deutsche Frage mit jener Eindringlichkeit und mit jener Gründlichkeit einzugehen, die die Lebensfrage unserer Nation als notwendig erscheinen läßt.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur einige Anmerkungen machen, die einigen Maßnahmen gelten, welche durchgeführt werden sollten, ohne daß dadurch die Gefahr entsteht, daß die Zweioder Dreistaatentheorie, die drüben vertreten wird, Unterstützung findet. Ich meine den Nachbarschaftsverkehr an der Demarkationslinie. Es ist nicht einzusehen, warum das, was — sicherlich nach vielen Widerständen — immerhin in Berlin eine Usance geworden ist, nicht mit gewissen Änderungen auch an der gesamten Demarkationslinie durchgeführt werden sollte.
    Es ist bekannt, daß der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen vorgeschlagen hat, einen Regierungspräsidenten damit zu beauftragen. Warum soll er das nicht? Warum soll nicht einer aus dem Kreise der vielen Regierungspräsidenten, deren Probleme doch alle die gleichen sind, Wortführer sein, wenn es augenblicklich nicht möglich ist, daß die Gespräche auf noch höherer Ebene geführt werden? „Nicht möglich ist", sage ich einfach deswegen, weil jede Bemühung, die wir hier bei uns im Interesse der gesamtdeutschen Arbeit anstellen, von der Gegenseite bekanntlich so ausgelegt wird, als ob wir knieweich würden oder den dortigen Bestrebungen entgegenkommen wollten. Das sind wir gewöhnt. Aber wir sollten uns, weil wir ja die kommunistischen Methoden kennen, nicht allzusehr ins Bockshorn jagen lassen. Wir sollten auf unsere eigene Kraft, auf unsere eigene Widerstandsfähigkeit etwas mehr vertrauen, als es bisher manchmal der Fall war.
    Warum sollen nicht auch Besuche auf kommunaler Ebene stattfinden? Wir wissen alle, daß der Deutsche Gemeindetag und der Deutsche Städtetag geeignete Instrumente wären, den Erfahrungsaustausch und damit die Möglichkeit des Sichverstehens zu fördern. Warum sollten wir davon nicht Gebrauch machen? Wenn es üblich geworden ist, daß Städte der Bundesreupblik Patenschaftsverträge abschließen mit Städten, die in Frankreich, Italien, England oder sonst irgendwo in Europa liegen, warum soll dann nicht wenigstens ein Meinungsaustausch zwischen Kommunen der Bundesrepublik und Kommunen der Zone stattfinden können?
    Auch über den Zeitungsaustausch ist schon gesprochen worden. Dort ist sicherlich eine Chance verpaßt worden. Haben wir denn irgend etwas zu befürchten, wenn bei uns jemand das „Neue Deutschland" oder etwas anderes liest? Die drüben haben etwas zu befürchten. Es wäre ganz gut, wenn man sich einmal die Tiraden, die jene drüben täglich wiederholen, zu Gemüte führte. Es wäre ganz gut, wenn unser deutsches Volk hier in der Bundesrepublik, im freien Teil Deutschlands einmal sähe, mit welch plumpen Propagandamethoden dort drüben gearbeitet wird. Auch das Negative drüben zu erkennen, trägt zum gesamtdeutschen Verständnis bei.
    Es scheint uns Freien Demokraten höchste Zeit zu sein, daß das sogenannte Verbringungsgesetz, das dem Hereinkommen der Zeitungen von drüben im Wege steht, aufgehoben wird. Dann hätten nämlich die drüben den Schwarzen Peter zugespielt bekommen. Wir brauchen uns vor deren Zeitungen nicht zu fürchten.
    Ich weiß auch nicht, ob nicht die in Gang kommende unmittelbare Diskussion zwischen einem Teil unseres freien Deutschlands und der Staatspartei drüben so viele Kräfte in Bewegung bringen wird, daß auch eine kommunistische Regierung dem Verlangen der Bevölkerung nach gegenseitiger Kenntnis- und Fühlungnahme nicht wird widerstehen können.
    Was mir eine besonders wichtige Aufgabe des Gesamtdeutschen Ministeriums zu sein scheint, ist die Aufklärungsarbeit, die zu leisten ist. Wir haben in Berlin Töne, noch sehr schwache Töne darüber gehört, ob nicht die jetzt angestrebte Fühlungnahme zwischen den beiden Teilen Deutschlands eine gewisse Konzession des freien Teils Deutschlands, der Bundesrepublik, im Sinne der Bestrebungen Pankows sei, ein Zwei- oder gar ein Dreistaatensystem zu etablieren. Ich glaube, daß das Gesamtdeutsche Ministerium hier eine sehr umfangreiche Arbeit bei unseren Verbündeten zu leisten hat, und nicht nur bei unseren Verbündeten, sondern auch etwa bei der UNO, um den Charakter dessen, was jetzt angestrebt wird, eben jene unmittelbare Aussprache, als eine rein innerdeutsche Angelegenheit darzustellen und nicht etwa als einen Ausflug in das internationale Feld, als eine Fühlungnahme zwischen



    Borm
    zwei Staaten. Es gibt nur ein Deutschland, und dieses eine Deutschland zu pflegen, das ist unsere Aufgabe. Mögen andere die Bestrebung haben, ein zweigeteiltes oder dreigeteiltes Deutschland zu schaffen. Dieses Deutschland wird nicht entstehen können, wenn wir selbst als Deutsche dazu nicht die Hand reichen. Das, was jetzt geschieht, ist gerade ein Mittel, die Verklammerung zwischen diesen beiden Teilen Deutschlands herbeizuführen, und nicht, die Teile zu trennen.
    Die Stärkung des Wiedervereinigungswillens in beiden Teilen Deutschlands scheint mir eine weitere dringende, wichtige Aufgabe ,des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen zu sein. Ich sage: in beiden Teilen Deutschlands. Es ist kein Wunder, daß man, wenn ,ein Volk 21 Jahre getrennt ist, .glaubt, besonders wenn man politisch nicht sehr interessiert ist, daß dieser Trennungszustand etwas Normales sei. Es gilt, diesen Wiedervereinigungswillen auch in der Bundesrepublik wachzuhalten. Dazu ist das gesamtdeutsche Ministerium berufen. Aber gerade diesen Wiedervereinigungswillen zu stärken, der in der Zone gleichzeitig Widerstandswille ist, das ist eine Angelegenheit, die psychologisch richtig angefaßt werden muß. Fernsehen, Rundfunk und sämtliche Publikationsmittel sollten auf Anregung des Gesamtdeutschen Ministeriums weit mehr rein sachlich von Vorgängen auch drüben in Mitteldeutschland berichten, und zwar ungefärbt. Wenn ich „ungefärbt" sage, dann meine ich: nicht um Propaganda zu treiben, sondern um die dortige Wirklichkeit zu zeigen mit allen Gefahren, die sich dort drüben für die Menschen herauskristallisiert haben. Auch dort sind 21 Jahre ins Land gegangen. Es ist nur natürlich, daß sich drüben unter der Einwirkung einer immerwährenden täglichen Propaganda ,ein Bewußtsein 'entwickelt, das von dem Wirklichkeitsbild der Bundesrepublik und von den Notwendigkeiten gesamtdeutscher Einheit recht weit entfernt ist. Eine Publikationsmöglichkeit durch Fernsehen und Rundfunk zu nutzen und über diese Gefahren auch in der Bundesrepublik aufzuklären, wird in. 'breiter Wirkung alle jene Kräfte wecken, die bisher vielleicht noch nicht bedacht haben, daß .der Ablauf der Zeit Zustände schafft, die dem gemeinsamen Anliegen, die deutsche Wievereinigung herbeizuführen, nicht gerade förderlich sind.
    Es wird auch notwendig sein, der Propaganda drüben entgegenzuwirken, die von den wohlerworbenen Rechten und von den errungenen Rechten spricht. Es wird notwendig sein, in unserer Propaganda in die Zone hinein Aufklärung zu schaffen, welche rechtlichen, politischen, materiellen und wirtschaftlichen Sicherheiten den Menschen ein freiheitlich-sozialer Rechtsstaat wirklich schafft an Stelle von sogenannten Errungenschaften, die mit der Freiheit des Individuums bezahlt sind.
    Natürlich ist es notwendig, unseren gut fundierten Anspruch auf Wiedervereinigung auch — und vielleicht nicht zuletzt — auf den Rechtsanspruch zu gründen. Aber in der Politik ist der Rechtsanspruch das eine und die Durchsetzbarkeit das andere. Die Berufung allein auf, den Rechtsstandpunkt wird uns in der deutschen Frage nicht weiterbringen können. Dazu gehören beweiskräftige politische Taten, beweiskräftige Handlungen, beweiskräftige Bestrebungen unsererseits, wenigstens die menschlichen Bande nicht ,abreißen zu lassen, die Bande, die durch Verwandtenbesuche geknüpft werden. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, daß, wenn die Eltern gestorben sind und dann die Vettern und die Cousinengestorben sind, nur noch Vettern und Cousinen zweiten Grades da sind, die sich nicht kennen. Verwandtenbesuche sind wichtig.
    Warum soll es, wenn so viele nach Spanien und Italien fahren, nicht auch möglich sein, den Urlaub in der Zone zu verbringen? Warum sollen die Geschäftsbeziehungen zwischen Mitteldeutschland und der Bundesrepublik nicht weiter vertieft werden? Warum sollen nicht, soweit es irgend möglich ist, wissenschaftliche Tagungen von Professoren und Wissenschaftlern aus beiden Teilen Deutschlands 'beschickt werden? Warum soll die Fühlung, die die Jugend — sicherlich manchmal im Überschwang —sucht und die sie auch durchführt, nicht gefördert werden, wenn es sich um Treffen der Jugend aus der Bundesrepublik und aus Mitteldeutschland handelt?
    Wer diese Kontakte anstrebt, meine Damen und Herren, ist noch lange kein Kommunist. Man hat manchmal das Gefühl, daß all jene, die ehrlichen Willens diese Kontakte pflegen, bei uns in der Bundesrepublik Gefahr laufen, als Kommunisten angesehen zu werden. Es ist durchaus noch nicht sicher, wer einen besseren Dienst an Deutschland leistet: derjenige, der vielleicht im Überschwang auch einmal ein Wort zuviel sagt, und jene Jugendlichen, die Kontakte mit der FDJ pflegen, oder jene, die da glauben, auf einem Rechtsstandpunkt beharren zu müssen in dier Hoffnung, daß er sich früher oder später von selbst durchsetzt. In dieser Welt setzt sich nie etwas von selbst durch; man muß schon etwas dazu tun!
    Das Band des Interzonenhandels sollte vom Gesamtdeutschen Ministerium mehr gepflegt werden können. Zwar ist der Interzonenhandel eine Angelegenheit der Wirtschaft, aber gerade mit Rücksicht auf die gesamtdeutsche Frage ist er ein höchst wichtiges Politikum. Infolgedessen muß die Stimme des Gesamtdeutschen Ministeriums hier mehr zur Geltung kommen als bisher. Es ist erschütternd und ein sehr ernst zu nehmendes Mahnzeichen, wenn wir feststellen müssen, daß das Volumen des Interzonenhandels im vergangenen Jahr 2,5 Milliarden DM betragen hat, während das Volumen des Handels der SBZ mit dem westlichen Ausland 3 Milliarden DM erreicht hat. Das sollte uns die sehr ernste Überlegung nahelegen, was wir zu tun haben, um das verlorene — ich sage bewußt: das verlorene — und von uns vielleicht leichtfertig aufgegebene Terrain wiederzugewinnen. Dazu gehören Überlegungen, wie wir uns zu Garantiefragen einzustellen haben — denn es ist ein politisches Risiko, ein solches Geschäft mit einem Oststaat zu machen; dem hat ja die Hermes-Gesellschaft auch Rechnung getragen —, wie wir uns zu Kreditfragen und zu Lie-



    Borm
    ferterminen zu stellen haben. Wir stehen heute noch auf dem Standpunkt, man könne der Zone keinen Kredit geben. Aber jeder Kaufmann, jeder Wirtschaftler weiß, daß das Anlagengeschäft eben kein Kassageschäft ist, und wer das Anlagengeschäft als eine der grundlegenden Bindungsmöglichkeiten zwischen den beiden Teilen Deutschlands ansieht, der sollte auch die notwendigen wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen ziehen, damit durch geeignete Liefer-, Kredit- und Garantiebedingungen dieses Geschäft überhaupt erst ermöglicht wird.
    Ein Letztes. Man sollte sich sehr klar darüber sein, _daß der Russenvertrag, der Vertrag, der jetzt auf sieben Jahre abgeschlossen ist, die Wirtschaft der Zone sehr eng an das System der sowjetischen Wirtschaft bindet, und zwar in einem Maße, daß gerade jene Industrien, deren Erzeugnisse auf dem Weltmarkt absatzfähig wären — die Zone hat genug Erzeugnisse, die weltmarktgängig sind —, so weit eingeengt werden, daß über den Eigenbedarf der Zone hinaus, etwa an Maschinen und Anlagen, kaum etwas für den Weltmarkt übrigbleibt. Ich glaube, es würde sehr wohl der gesamtdeutschen Aufgabe entsprechen, hier gewisse Erleichterungen für die Zone zu ermöglichen, indem wir prüfen, ob es nicht möglich wäre, von diesen quantitativ drückenden Lieferverpflichtungen der Zone einige zu übernehmen. Jede Maschine, die von uns in die Zone und in den Osten hinein geliefert wird, ist ein Beitrag dazu, daß die Wahrheit erkannt wird und daß nicht ein Zerrbild von der Bundesrepublik entsteht, das den wahren Zuständen bei uns nicht entspricht.
    ) Wer in der gesamtdeutschen Frage weiterkommen will, muß dafür sorgen, daß die Methodik der Bundesregierung koordiniert wird, daß nicht von soundso viel verschiedenen Stellen Ansätze gesucht werden, sondern daß man die gesamte politische, wirtschaftliche und soziale Macht der Bundesrepublik einsetzten kann, wenn es notwendig ist. Wer gesamtdeutsche Politik treiben will, muß das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen in die Lage versetzen, seiner Aufgabe als Gesamtdeutsches Ministerium gerecht zu werden. Wenn wir bereits in der Methodik versagen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn jene Verwirrung in unseren Aussagen und in unseren bestgemeinten Absichten vom Gegner ausgenutzt wird.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete von Eckardt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Felix von Eckardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst meiner Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß heute nachmittag in diesem Hause in grundsätzlichen Fragen der Deutschlandpolitik keine ernsthaften Differenzen bestehen. Das hat sich nicht erst heute hier in der Debatte gezeigt, sondern schon seit längerem abgezeichnet und ist dadurch besonders stark zum Ausdruck gekommen, daß bis heute die drei Fraktionen beim Bundeskanzler zwei Deutschlandgespräche geführt haben, auf die ich nachher noch zurückkommen werde.
    Ich will in meinen kurzen Ausführungen nicht auf die Einzelheiten eingehen, die da und dort vorgebracht worden sind, um etwa die Arbeit des Gesamtdeutschen Ministeriums zu bemängeln. Zu einem Punkt möchte ich aber Stellung nehmen. Der Kollege Wehner hat von der „unsagbar mangelhaften Koordination" gesprochen. Es ist durchaus zuzugeben, daß die Koordination auf dem Gebiet der Deutschlandpolitik noch manches zu wünschen übrigläßt. Dais ist richtig. Es ist allerdings auch zu bemerken, daß es ein Gebiet ist, das vielleicht schwieriger zu koordinieren ist als jedes andere politische Gebiet.
    Nun klang aus den Ausführungen, die ich hier gehört habe, der Wunsch nach einem Kabinettsausschuß für gesamtdeutsche Fragen durch. Er war unüberhörbar. Meine Damen und Herren, ich will hier nicht die Frage aufwerfen, ob Kabinettsausschüsse überhaupt der Weisheit letzter Schluß sind und in der Vergangenheit gewesen sind. Ich bin an deren Bildung nicht beteiligt gewesen. Ich will diese Frage hier aber gar nicht erörtern. Sicher ist für mich nach den Kenntnissen, die ich in dieser Materie seit sehr vielen Jahren habe, daß ein Kabinettsausschuß für gesamtdeutsche Fragen, wenn man es genau betrachtet, im Grunde genommen zum Schluß wieder das ganze Kabinett ist.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Es mag sein — ich kann das jetzt im Moment nicht absehen —, daß ein oder zwei Minister nicht daran beteiligt wären. Aber ich glaube, daß der Herr Bundeskanzler recht hat, daß selbst, wenn das eine oder das andere Ministerium nicht daran beteiligt sein sollte, jeder Minister in der DeutschlandFrage angesprochen ist, und zwar ohne jede Ausnahme.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In dieser Frage, der Deutschland-Frage, muß — da können Sie das Kabinett nehmen oder einen Kabinettsausschuß, der genauso aussähe wie das Kabinett — der Bundeskanzler dem Kabinett vorstehen, wie er es tut, und er müßte auch dem Kabinettsausschuß vorstehen. Denn daß die DeutschlandPolitik eine politische Frage ist, die vor allen anderen Fragen der Richtlinienkompetenz des Kanzlers unterliegt, darüber dürfte wohl überhaupt kein Zweifel sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun ist hier über einzelne Punkte gesprochen worden, auf die ich nur sehr kurz eingehen will, z. B. über den Zeitungsaustausch. Es ist hier gesagt worden, wir brauchten uns doch vor dem Zeitungsaustausch nicht zu fürchten. Nein, im Gegenteil. Meine Damen und . Herren, ich habe von Berufs wegen viele Jahre lang Zeitungen lesen müssen, auch die Zeitungen aus dem Osten, und muß sie heute alltäglich als Mitglied des Gesamtdeutschen Ausschusses lesen. Sie haben vollkommen recht, daß es eine großartige Medizin und alles andere als eine Gefahr wäre, wenn man die Bevölkerung — zwingen kann man sie nicht — dazu veranlassen könnte, von Zeit zu Zeit das „Neue Deutschland" oder ähnliche Zeitungen zu lesen, damit sie mal



    von Eckardt
    die ganze Ode und geistige Wüste erkennt, die dort drüben in der Propaganda gegen uns, in allererster Linie gegen uns, herrscht.
    Meine Damen und Herren, die Sache liegt aber ganz anders. Es liegt nicht daran, daß wir Angst davor hätten, daß Zeitungen dieser Art hierher kommen. Die Schwierigkeit des Zeitungsaustauschs liegt doch einfach darin, daß es überhaupt keine Garantie, überhaupt keinen Ansatz, nicht einen Schatten einer Garantie dafür gibt, daß die Zeitungen, die wir hinüberschicken, drüben überhaupt von irgend jemandem wirklich gekauft werden können. Es wäre also schließlich nur eine einseitige Maßnahme, zu der keine besondere Veranlassung besteht.
    Nachbarschaftsverkehr! Ich könnte mir vorstellen — ich sage das ganz offen —, daß man die Fragen des Nachbarschaftsverkehrs vielleicht in der Form, wie es der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen meinte, in der Hand eines Regierungspräsidenten zusammenlegt. Sicherlich wäre das ungleich besser, als wenn man dort irgend etwas arrangierte, was vielleicht auf der Ebene des Landrats oder einer ähnlichen Ebene vor sich gehen könnte. Meine Damen und Herren, dazu ist die andere Seite zu gut organisiert, als daß man das riskieren könnte!

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Das liegt nicht an der Gesinnung unserer Menschen, die in der Bundesrepublik und an der Zonengrenze leben; wir leben ja gottlob in einem Staat, in dem die Menschen nicht auf eine bestimmte Propaganda und eine bestimmte Aussage gedrillt werden. Und was auch immer geschieht, wir wollen einen solchen Staat nicht haben.
    Es ist sicherlich richtig, und es ist sogar sehr erfreulich, daß die gesamtdeutschen Fragen — durch welche Vorgänge auch immer — in letzter Zeit erheblich an Gewicht gewonnen haben. Sie wissen genau, daß in der Frage des Redneraustausches — man nennt ihn ja Austausch — das Bundeskabinett, aber auch die Koalitionsparteien die Herren der SPD, die durch einen Brief der SED und den weiteren Briefwechsel hin und her angesprochen waren, in der loyalsten Weise gestützt haben. Meine Damen und Herren, es sollte in dieser Debatte nicht untergehen, daß Regierung und Regierungsparteien mit jeder nur denkbaren Loyalität diesen Versuch bis an den Rand des Verantwortlichen unterstützt haben und auch weiterhin unterstützen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie haben, Herr Kollege Wehner, gesagt: Wir rechnen mit der SED, wie sie ist. Nun, meine Damen und Herren, wir rechnen auch mit der SED, wie sie ist,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben keine Illusionen!)

    und ich möchte nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß unsere Rechnungen von den gleichen Voraussetzungen ausgehen. Diese Äußerung soll nicht etwa eine Unterstellung von mir sein, eine Unterstellung im Sinne einer Abwertung der Gesinnung in dieser
    Frage, sondern es ist einfach eine Tatsachenfeststellung, die getroffen werden muß, daß das Bild der SED doch in vieler Beziehung verschieden ist und verschieden angesehen wird, obgleich jeder, der angesprochen ist, meint, er sehe die SED, wie sie wirklich ist.
    Meine Sorge geht eigentlich in eine andere Richtung. Wir haben es in der letzten Zeit erlebt, daß von drüben mit einer unverminderten Heftigkeit, und zwar innerhalb der Bundesrepublik, aber auch in der ganzen Welt eine Propaganda gegen die Bundesrepublik, eine Diffamierung der Bundesrepublik betrieben wird, die beinahe nicht mehr zu über, bieten ist. Wir haben aber gleichzeitig auch erlebt — das stelle ich mit Bedauern fest —, daß die Reaktion auf diese Aggression in der Öffentlichkeit und auch in der deutschen Publizistik im weitesten Sinne immer schwächer wird. Meine Damen und Herren, wir tun so, als ob das auf der Welt völlig wirkungslos wäre und als ob wir es überhaupt nicht nötig hätten, uns mit dieser permanenten Aggression, die nichts anderes ist als der Kalte Krieg, wie er immer war, auseinanderzusetzen und zu beschäftigen.
    Ich glaube, es war Herr Kollege Borm, der in der Aussprache gesagt hat, man sollte sich um den Einfluß von Rundfunk und Fernsehen in der Zone kümmern. Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Zeit, alles, was Rundfunk und Fernsehen auf diesem Gebiet zu bieten haben, abzuhören. Aber ich muß Ihnen sagen, daß ich von Zeit zu Zeit erschüttert darüber bin, was ich im Rundfunk und Fersehen höre und was in die Zone ausgestrahlt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben, wie Sie alle wissen, zwei Deutschlandgespräche beim Bundeskanzler gehabt. Ich habe den Vorzug gehabt, an diesen Gesprächen teilzunehmen. Wenn ich hier so meine Notizen anschaue, die ich mir eben während der Debatte gemacht habe, kann ich nur sagen: Es gibt keinen einzigen hier heute erwähnten Punkt, der nicht auch auf der kommenden auszuarbeitenden Tagesordnung für die weiteren Deutschlandgespräche steht. Es ist nach meiner Auffassung ein Zeichen größter Loyalität und vor allen Dingen eines Zusammengehörigkeitsgefühls in der Deutschlandfrage, daß wir, so wie es geplant ist, in weiteren Deutschlandgesprächen beim Bundeskanzler diese Fragen, ob es Zeitungsaustausch, ob es Interzonenhandel ist oder welche Frage hier auch immer angesprochen worden ist, behandeln werden. Die Vorarbeiten dafür sind bereits geleistet, und ich bin der Überzeugung, daß der Herr Bundeskanzler sehr bald nach Pfingsten die drei Fraktionen zu dem nächsten Deutschlandgespräch zu sich einladen wird. Diese Gespräche — ich glaube, das werden mir die Herren der Opposition bestätigen — gehen in außerordentlicher Offenheit und Klarheit, gleichzeitig aber auch im Geiste einer Zusammenarbeit in der deutschen Frage vor sich.
    Nun noch ein Wort zum Redneraustausch. Meine Damen und Herren, befürchten Sie nicht, daß ich mich jetzt in juristische Auseinandersetzungen einlassen werde. Ich bin doch nicht politisch lebens-



    von Eckardt
    müde! Ich möchte aber doch hier ein Wort des Herrn Kollegen Wehner aufgreifen, der gesagt hat, daß die Herren der SPD, sollten sich die Dinge regeln lassen, nach Chemnitz und auch nach Hannover fahren werden und daß sie diese Last auf sich nehmen, eine Last, um die sie niemand beneidet. Nun, meine Damen und Herren, bis zu einem gewissen Grade möchte ich das gern unterschreiben. Trotzdem treibt es mich, dazu zu sagen, daß ich die Herren in gewisser Weise doch beneide. Wenn es zu dieser Auseinandersetzung kommen sollte — ich weiß es ja noch nicht, wir alle wissen es noch nicht; wir kennen auch die Absichten der anderen Seite bezüglich dieser Frage noch nicht genau —, so ist es zwar eine Last, aber auch ein großer Vorzug, diese Auseinandersetzung führen zu können und führen zu dürfen. Wir haben von unserer Fraktion zu diesem Redneraustausch ja gesagt. Wir haben uns bemüht, gemeinsam mit den anderen Fraktionen die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, die dafür notwendig sind. Diese Bemühungen werden fortgesetzt, da der erste Einigungsvorschlag, der gemacht worden war, nicht die Zustimmung der SPD gefunden hat. Wir werden sehen, wie es weitergeht.
    Nun kurz ein Wort zum Abschluß. Herr Kollege Borm hat gesagt, es sei die Aufgabe des Gesamtdeutschen Ministeriums, für die Verklammerung der beiden Teile Deutschlands zu sorgen. Das ist sicherlich im Sinne einer ministeriellen Arbeit richtig. Ich möchte dem aber doch hinzufügen, daß man nicht vergessen darf, diesem Worte anzufügen, daß es unser aller Aufgabe ist, jedes einzelnen hier im Hause und schließlich jedes einzelnen draußen im Volke, für diese Verklammerung zu sorgen, soweit ihm das irgendwie möglich ist.
    Noch ein letztes. Ich kann heute diese Debatte — soweit ich daran beteiligt bin — nicht beenden, ohne davor gewarnt zu haben, sich Illusionen zu machen. Es klingt immer so die Vorstellung an, daß es zu organisierten Begegnungen — sei es im Nachbarschaftsverkehr an der Zonengrenze, sei es im Redneraustausch —, zu echten menschlichen Begegnungen kommen werde. Meine Damen und Herren, diese Illusion teile ich einfach nicht, sondern wir auf unserer Seite — und ich glaube, daß uns das alle ehrt — gehen mit menschlichen, nur allzu menschlichen Illusionen in diese Gespräche hinein, um einem gedrillten, eisenhart auf Linie gebrachten Partner hier und auf der anderen Seite zu begegnen. Das sind, möchte ich sagen, Gesprächspartner, die überhaupt nicht auf einen Nenner zu bringen sind. Wenn es gelingen sollte, wenn es Möglichkeiten dazu -gibt, diese menschlichen Gespräche wirklich auf die menschliche Ebene zu bringen, und zwar auf eine gleiche menschliche Ebene zu bringen, dann kann man nur sagen: Jede Unterstützung, die überhaupt möglich ist, muß von jedem, der gutwillig ist, dafür geleistet werden.
    Die anderen Begegnungen, meine Damen und Herren, sind mit großen Fragezeichen zu versehen. Ich warne vor Illusionen, die man sich macht, und vor Möglichkeiten, wie Herr Kollege Borm sagte, des gegenseitigen Verständnisses. Meine Damen und Herren, das gegenseitige Verständnis auf menschlicher Ebene — selbstverständlich! Aber was wird man uns denn schicken? Man wird uns in der Wolle gefärbte Kommunisten schicken. Wir sollen mit denen sprechen. Ich habe auch keine Furcht davor, mit ihnen zu sprechen. Aber daß darin die Möglichkeit des gegenseitigen Verständnisses liegt, kann ich nicht sehen. So illusionär bin ich nicht.
    Vielleicht wird jetzt da oder dort wieder jemand sagen: Das sind wieder Töne des Kalten Krieges. Das kann mich überhaupt nicht erschüttern. Auch der Vorwurf, selbst ein Kalter Krieger zu sein, kann mich nicht erschüttern; denn der Kalte Krieg wird auf der anderen Seite mit allen nur denkbaren Mitteln betrieben, und wenn man den Kalten Krieg bestehen will, muß man auch selbst kämpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)