Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, als Nachfolger für den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Vogel ist mit Wirkung vom 20. April 1964 der Abgeordnete Häussler in den Bundestag eingetreten.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24. April 1964 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964
Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1963
Zweites Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen aus Lebens- und Rentenversicherungen.Der Herr Vorsitzende des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Bundesrates hat am 16. April 1964 mitgeteilt, daß der Vermittlungsausschuß in seiner 8. Sitzung am 16. April 1964 folgenden Einigungsvorschlag beschlossen hat:Das vom Deutschen Bundestag in seiner 101. Sitzung am 11. Dezember 1963 beschlossene Gesetz über die Jugendzahnpflege wird bestätigt.Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2159 verteilt.Der Herr Präsident des Bundesrates hat am 24. April 1964 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 24. April 1964 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 11. Dezember 1963 verabschiedeten Gesetz über die Jugendzahnpflege gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zuzustimmen. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2203 verteilt.Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 23. April 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 11. Dezember 1963 über die Auswirkungen der Abschöpfungssenkung bei der Einfuhr von geschlachteten Hühnern nach Berlin berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2205 verteilt.Der Herr stellvertretende Vorsitzende des Außenhandelsausschusses hat am 22. April 1964 mitgeteilt, daß der federführende Außenhandelsausschuß und der mitbeteiligte Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten keine Bedenken gegen den zwischenzeitlich vom Rat beschlossenen Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Aufstellung der Liste von Grunderzeugnissen, die als Berechnungsgrundlage für die Finanzierung der Erstattungen bei Ausfuhren nach dritten Ländern dienen -- Drucksache IV/2135 - erhoben haben.Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 27. April 1964 mitgeteilt, daß der Ausschuß keine Bedenken gegen die Verordnung Nr. 37/64/EWG des Rats vom 25. März 1964 zur Festsetzung der oberen und der unteren Grenze der einzelstaatlichen Richtpreise für Milch für das Milchwirtschaftsjahr 1964/1965 erhoben hat.Der Herr stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen hat am 22. April 1964 mitgeteilt, daß der federführende Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen und der mitbeteiligte Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Festsetzung des Betrages, der den Transport- und Grenzübergangskosten einiger Milcherzeugnisse entspricht - Drucksache IV/2149 -, zur Kenntnis genommen und beschlossen haben, von einer Berichterstattung abzusehen, weil der Ministerrat in seiner letzten Sitzung in Brüssel die Verordnung bereits verabschiedet hat.Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 23. April 1964 mitgeteilt, daß der Ausschuß beschlossen hat, zu dem Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Festsetzung der Koeffizienten zur Berechnung der Abschöpfung für alle in Anhang II zur Verordnung Nr. 14/64/EWG genannten Erzeugnisse - Drucksache IV/2168 - nicht mehr Stellung zu nehmen, nachdem der Ministerrat zwischenzeitlich über die oben angeführte Verordnung bereits Beschluß gefaßt hat.Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 16. April 1964 mitgeteilt, daß der Ausschuß beschlossen hat, zu dem Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Kriterien für die Festsetzung der Pauschalbeträge für Reis und Bruchreis - Drucksache IV/2136 - nicht mehr Stellung zu nehmen, nachdem der Ministerrat zwischenzeitlich über die oben angeführte Verordnung bereits Beschluß gefaßt hat.Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat am 21. April 1964 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1964 übersandt. Er liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Verordnung des Rats über die Bestimmung der zur Erzeugung von einem Kilogramm zum Verbrauch bestimmter Geflügeleier in der Schale und der zur Erzeugung von einem Kilogramm Bruteier von Hausgeflügel erforderlichen Futtergetreidemenge - Drucksache IV/2148 -an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964Verordnung des Rats zur Festsetzung des Betrages, der den Transport- und Grenzübergangskosten einiger Milcherzeugnisse entspricht - Drucksache IV/2149 -an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964Verordnung des Rats über die Festlegung der Kriterien für die Interventionsregelung auf dem Rindfleischmarkt - Drucksache IV/2156 -an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964Verordnung Nr. . . ./63/EURATOM, Nr. . . ./63/EWG der Räte vom . . . zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der BeamtenVerordnung Nr. . . ./63/EURATOM, Nr. . . ./63/EWG der Räte vom . . . zur Anpassung bestimmter Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten - Drucksache IV/2167 -an den Ausschuß für Inneres mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964Verordnung des Rats über die Festsetzung der Koeffizienten zur Berechnung der Abschöpfung für alle in Anhang II zur Verordnung Nr. 14/64/EWG aufgeführten Erzeugnisse - Drucksache IV/IV/2168 -an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964Verordnung des Rats über die Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Straßenpersonenverkehr - Drucksache IV/2178 -an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 21. Oktober 1964
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5952 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Vizepräsident Dr. JaegerVerordnung des Rats über Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete — Drucksache IV/2179 —an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 3. Juni 1964Dritte Richtlinie zur Durchführung des Artikels 67 des Vertrages — Drucksache IV/2187 —an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. Juni 1964.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Vierundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 — Drucksache IV/2150 —an den Außenhandelsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 24. Juni 1964Achtundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 — Drucksache IV/2171an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 24. Juni 1964.Das Wort zur Tagesordnung hat der Abgeordnete Wagner.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/ CSU beantrage ich, die Tagesordnung um die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften zu ergänzen. Die Bestimmungen dieses Gesetzentwurfes sollen zum 1. Juli 1964 in Kraft treten. Wir haben zu diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet 450 weiße Kreise. Wenn wir nicht rechtzeitig die Beratung abschlössen, bestünde die Gefahr, daß Bestimmungen des sozialen Mietrechts zu diesem Zeitpunkt keine Gültigkeit hätten.
Ich bitte Sie deshalb, antragsgemäß zu beschließen und die Drucksachen IV/806 und IV/2195 auf die Tagesordnung zu setzen.
Das Wort zur Tagesordnung hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten sind an einer schnellen Verabschiedung dieser Vorlage interessiert. Sie haben auch früher darauf gedrängt, daß wir bald zu ihrer Verabschiedung kommen.
Aber der Bundestag kann nur ein bestimmtes Quantum Arbeit hinter sich bringen. Im Ältestenrat haben wir festgestellt, daß nach unseren Schätzungeen 17 Stunden Beratung zur Abwicklung der vorliegenden Tagesordnung nötig sind. Die Fachleute sind sich einig darüber, daß zur Verabschiedung der Vorlage, die noch weiter auf die Tagesordnung gesetzt werden soll, wenigstens vier Stunden notwendig wären. Das würde also 21 Stunden bedeuten. Wir haben heute zehn Stunden zur Verfügung, von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends, minus zwei Stunden Mittagspause. Morgen wollen wir mittags durchtagen, sind aber am Nachmittag durch folgenden Umstand begrenzt. Übermorgen ist der 1. Mai, das Fest der Arbeit. Wir Sozialdemokraten zumindest fühlen uns mit diesem Fest der Arbeit sehr verbunden
— Sie auch! Gut, um so besser! Dann werden Sie sich meinen Argumenten nicht verschließen. Wir werden also morgen ab 14 Uhr, wenn die Züge in die ferneren Gebiete der Bundesrepublik fahren, nur mit allerschwächster Besetzung des Hauses rechnen können. Wenn Sie aber jetzt die Dauer der Beratungen auf 21 Stunden verlängern, dann müßten wir entsprechend heute oder morgen bis 10 Uhr abends und an beiden Tagen wenigstens bis 9 Uhr tagen. Das ist nicht möglich. Wenn man morgen abend irgendwo in der Bundesrepublik zu den Feiern des Festes der Arbeit eine Rede halten muß, dann muß man morgen nachmittag zu den Zügen.
Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, ist es nicht möglich, Ihrem Wunsche zu entsprechen. Wir werden aber auch nicht dagegen stimmen, sondern Ihnen allein die Verantwortung für einen so unvernünftigen Beschluß überlassen. Stimmen Sie bitte allein dafür! Wir werden uns der Stimme enthalten.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Wagner, die Drucksachen IV/806 und IV/2195 auf die Tagesordnung der gemeinsamen Sitzung von heute und morgen zu setzen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einige Gegenstimmen! Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist so beschlossen.
Sie wollen auch noch einen Antrag zur Tagesordnung stellen? — Bitte, Herr Abgeordneter Rutschke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der FDP-Fraktion beantrage ich, daß die Beratung der 17. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz für morgen noch vorgesehen wird.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für diesen Antrag gilt erstens, was ich soeben zu dem Zusatzantrag der CDU/CSUFraktion gesagt habe.
Zweitens könnte man dem Wunsche nur dann entsprechen, wenn bis dahin ein Bericht des Haushaltsausschusses nach § 96 der Geschäftsordnung vorläge. Wie mir der Herr Vorsitzende des Haushaltsausschusses gestern persönlich versicherte, werde es bis dahin keine Sitzung des Haushaltsausschusses geben. Der Bericht wird also nicht vorliegen, und dann kann man nach den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung nicht beraten. Der Beschluß ist also nicht möglich.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Wagner.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten uns hier
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn-, Mittwoch, den 29. April 1964 5953
Wagner
streng an die Bestimmungen unserer Geschäftsordnung halten, daß die Berichte der mitberatenden Ausschüsse, hier des Haushaltsausschusses, der nach § 96 Stellung zu nehmen hätte, vorliegen müssen. Das ist nicht der Fall. Der Haushaltsausschuß hat eine Sitzung auch nicht geplant. Wir bedauern, deshalb nicht zustimmen zu können, daß dieser Punkt noch auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Ich lasse abstimmen.
— Sie ziehen den Antrag zurück, er ist erledigt. Damit kommen wir nunmehr zur
Fragestunde .
Wir kommen zuerst zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte — des Abgeordneten Schmidt —:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, die gemäß § 95 BVFG
Abs. 2 Satz 2 vorgesehene Rechtsverordnung vorzulegen?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die in § 95 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes der Bundesregierung gegebene Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung bezieht sich lediglich auf die Unterbindung mißbräuchlicher Ausübung der auf Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsfragen beschränkten Beratertätigkeit. Eine Rechtsverordnung könnte also nur a) den unbestimmten Begriff „mißbräuchliche Ausübung" genauer umschreiben und b) festlegen, welche Stelle für die Untersagung der Beratungsbefugnis zuständig ist.
Ein Bedürfnis für eine solche Verordnung hat sich bisher nicht ergeben; denn Klagen darüber, daß die Vertriebenen- und Flüchtlingsorganisationen die ihnen in § 95 eingeräumte Beratungsbefugnis mißbraucht haben, sind uns glücklicherweise noch nicht zugegangen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß auf Grund des Nichtvorhandenseins dieser generellen Regelung die Vertretungsbefugnis sehr unterschiedlich gehandhabt wird und dadurch gewisse Vertretungsorganisationen in Schwierigkeiten kommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, solche Vorgänge sind uns nicht bekannt. Aber ich will es näher umschreiben. Es ist nicht bekannt, daß sie in der Beratungsfunktion gehemmt wurden. Daß sie in Vertretungsfunktionen nicht zugelassen wurden, ist bekannt. Das ist aber durch eine Rechtsverordnung nicht zu heilen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt .
Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, eine Novellierung vorzunehmen, die diese Vertretungsbefugnis und Beratungsbefugnis generell regelt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn die Beratungsbefugnis in eine Vertretungsbefugnis umgewandelt und ausgeweitet werden soll, ist nur eine Novellierung möglich. Wenn der Bundesregierung hinreichendes Material vorgetragen wird, das eine solche Novellierung empfehlenswert erscheinen läßt, wird sie in eine ernsthafte Prüfung eintreten. Ich darf hinzufügen: Die Bundesregierung steht dieser Mitwirkung der Verbände bei der Beratung und der Hilfe für die Geschädigten sympathisch gegenüber.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu der Frage des Herrn Abgeordneten Seifriz aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend:
Beabsichtigt der Herr Bundesfamilienminister, den Familienzuschlag von 80 DM, der in § 81 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt festgelegt ist, zu erhöhen?
Ich darf bitten, Herr Bundesminister.
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Seifriz mit Ja.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Metzger aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf:
Ist die Bundesregierung bereit, das von dem deutschen Arzt Dr. Theodor Binder geleitete Amazonas-Hospital in Pucallpa aus Mitteln der Entwicklungshilfe zu unterstützen?
Ich darf bitten, Herr Bundesminister.
Die Bundesregierung hat bereits im Jahre 1962 erwogen, das von Dr. Binder geleitete Amazonas-Hospital bei Pucallpa in Peru und auch eventuelle Ergänzungsprojekte, die der Schaffung von Arbeitsplätzen für die indianische Bevölkerung der Umgegend dienen könnten, im Rahmen ihrer technischen Hilfe zu fördern. Damals hat die Bundesregierung Entwicklungshilfe grundsätzlich nur auf Antrag der Regierung des jeweiligen Entwicklungslandes gewährt. Ein entsprechender Antrag der peruanischen Regierung lag nicht vor, so daß im Jahre 1962 eine solche Förderung noch nicht erfolgen konnte. 1963 haben wir eine Änderung des Verfahrens durchgeführt, durch die es ermöglicht wird, im Rahmen der technischen Hilfe auch Projekte zu fördern, die von deutschen Trägern durchgeführt werden.
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5954 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Bundesminister ScheelHerrn Dr. Binder wurde anläßlich seines Europabesuches im Herbst 1963 erklärt, daß der Verein Deutsche Hilfe für das Amazonas-Hospital Albert Schweitzer e. V. in Hamburg als privater deutscher Träger einen Antrag auf Förderung des Hospitals und eines landwirtschaftlichen Ergänzungsprojektes stellen könnte. Ein Antrag des Vereins Deutsche Hilfe für das Amazonas-Hospital Albert Schweitzer e. V. Hamburg ist bis heute bei den zuständigen Ressorts noch nicht eingegangen. Dem Gesundheitsministerium liegt lediglich ein Antrag der AlbertSchweitzer-Gesellschaft für internationale Hilfsbereitschaft Dortmund vor, die Entsendung eines Arztes und einer medizinisch-technischen Assistentin an das Amazonas-Hospital zu finanzieren. Die Bundesregierung wird diesen Antrag und die möglicherweise über Hamburg noch einlaufenden Anträge wohlwollend prüfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Metzger.
Heißt „wohlwollend prüfen", daß, wenn ein Antrag vorliegt, dann tatsächlich auch geholfen wird?
Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, sicher!
Darf ich fragen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen.
Das werden die einzelnen Fachministerien bei der Prüfung der Anträge feststellen müssen; so werden z. B. die Feststellungen bei der Prüfung des Antrages auf Entsendung von Ärzten und medizinisch-technischem Personal vom Gesundheitsministerium getroffen werden müssen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Fragen IX/1 bis IX/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Dichgans — auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag eine Ubersicht vorzulegen, aus der sich ergibt, welche Getreidemengen von den Erzeuger- und Verbraucherländern der Welt aus- bzw. eingeführt werden?
Zu welchen Preisen werden die von Deutschland eingeführten Getreidemengen zur Zeit am Weltmarkt gekauft, und welche Verteuerung ergibt sich durch die sogenannte Abschöpfung?
Wie beantwortet sich die Frage IX/2 für die übrigen Länder der EWG?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Schwarz vom 27. April 1964 lautet:
Zu 1.
Um die sich aus den Ernteschwankungen von Jahr zu Jahr ergebenden kurzfristigen Änderungen im Außenhandel mit Getreide weitgehend auszuschalten, sind aus den veröffentlichten Unterlagen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen 3 Jahresdurchschnitte für die Wirtschaftsjahre (Juli-Juni) 1960/61-1962/63 gebildet worden. Die anliegende Tabelle*) enthält die Angaben über Ausfuhren,
*) Siehe Anlage 2
Einfuhren sowie den Ausfuhr- und Einfuhrüberschuß für diesen Zeitraum einmal für Getreide insgesamt sowie für Weizen und -mehl gesondert. Die Angaben für die Länder des sino-sowjetischen Blocks enthalten nicht die Angaben für den Außenhandel innerhalb dieses Blocks. Die Angaben für diese Länder beziehen sich lediglich auf den Außenhandel mit der übrigen Welt und sind abgeleitet aus den Angaben der übrigen Länder über Ausfuhren nach bzw. Einfuhren aus diesem Block.
Zu 2. u. 3.
In Durchführung der EWG-Marktordnung für Getreide ermittelt die Kommission der EWG anhand der Notierungen im allgemeinen täglich die für die einzelnen Mitgliedsländer gültigen cif-Preise für die der Abschöpfungsregelung unterliegenden Getreidearten und Getreideerzeugnisse für Einfuhren aus Drittländern. Dabei werden an Hand von vereinbarten Koeffizienten die Notierungen für einzelne Qualitäten auf den europäischen Qualitätsstandard umgerechnet. Der bei dieser Regelung sich ergebende niedrigste cif-Preis in europäischer Standardqualität wird von der Kommission der EWG je Erzeugnis und Mitgliedsland als der für die Berechnung der Abschöpfung maßgebende cifPreis festgesetzt und laufend veröffentlicht.
Im Rahmen der nationalen Regelungen der Getreidepreise werden ebenfalls sog. nationale Schwellenpreise an der nationalen Grenze festgesetzt. Sie erhöhen sich im Laufe des Wirtschaftsjahres durch die monatlichen Zuschläge (Reports). Die Differenz zwischen dem jeweiligen cif-Preis je Mitgliedsland und Schwellenpreis stellt die Abschöpfung gegenüber Drittländern dar. Die beiliegende Tabelle zeigt für alle Mitgliedsländer der EWG für Weichweizen, Roggen, Gerste und Mais als den wichtigsten Getreidearten Schwellenpreise, cif-Preise und Abschöpfungen für den Anfang des laufenden Wirtschaftsjahres 1963/64 sowie für die beiden letzten verfügbaren Monate Januar und Februar 1964.
Ich rufe die Frage IX/4 — des Herrn Abgeordneten Wächter — auf:
Welche Vorstellung hat die Bundesregierung über die Höhe des deutschen Orientierungspreises für Schlachtrinder?
Nach der EWG-Rindfleischverordnung, die vom Ministerrat am 5. Februar 1964 beschlossen worden ist, können die Mitgliedstaaten für das Wirtschaftsjahr 1964/65 den Orientierungspreis für Großvieh innerhalb der vom Rat festgelegten Unter- und Obergrenze, und zwar zwischen 205 und 235 DM je 100 kg Lebendgewicht, festsetzen. Für die Festsetzung dieser Unter- und Obergrenzen werden die in den einzelnen Mitgliedstaaten im Referenzzeitraum vom 1. November 1962 bis zum 31. Oktober 1963 auf den Referenzmärkten gezahlten Preise zugrunde gelegt und dabei die günstigen Aussichten für die Erzeugung und den Verbrauch von Rindfleisch in der Gemeinschaft berücksichtigt. Der Referenzpreis der Bundesrepublik betrug 212 DM und konnte auf 218 DM je 100 kg Lebendgewicht verbessert werden, um den Auswirkungen der außergewöhnlichen Trockenheit im Herbst 1962 Rechnung zu tragen. Der Orientierungspreis ist für den Beginn und die Höhe der Abschöpfung gegenüber Drittländern sowie den Beginn der Intervention und der Abschöpfung bei ,Einfuhren aus Mitgliedstaaten von besonderer Bedeutung. Daher wird der Orientierungspreis unter Berücksichtigung seiner besonderen politischen Bedeutung vom Bundeskabinett bestimmt. Die hierfür notwendige Vorlage wird in den nächsten Tagen fertiggestellt. Es ist mir daher leider nicht möglich, zu der Höhe des Orientierungspreises Einzelheiten bekanntzugeben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wächter.
Darf ich annehmen, daß Sie, Herr Minister, darüber unterrichtet sind, daß der Durch-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5955
Wächterschnittsmarktpreis auf den bekannten zwölf Märkten seit Anfang dieses Jahres 2,44 DM beträgt? Nach dem neuesten Bonner „On dit" sollen einzelne Ressorts für einen Orientierungspreis von 2,20 DM eintreten. Wenn das Wirklichkeit würde, müßten die Preise gegenüber den zur Zeit gültigen zunächst um 2 DM auf 2,20 DM minus 4 0/o rückläufig sein, bevor die Einfuhr- und Vorratsstelle intervenieren kann. Damit hätten wir praktisch ein Preisniveau erreicht, das sich dem des Jahres 1962 bedenklich nähert. Sind Sie nun, Herr Minister, mit mir der Meinung, daß es insbesondere im Interesse der Betriebe, die auf den Absatz ihrer Schlachtrinder während der Weideabtriebszeit angewiesen sind — ich denke insbesondere an-die der niedersächsischen und der schleswig-holsteinischen Küste und darüber hinaus auch an die der ausgesprochenen Gründlandbezirke Bayerns —
besser wäre, wenn der Orientierungspreis auf die äußerste obere Grenze von 2,35 gesetzt würde?
Herr Kollege, ich kann Ihnen im Augenblick keine Zahlen nennen. Das ist eine Angelegenheit des Kabinetts. Ich kann Ihnen nur folgendes sagen: die Vorstellungen meines Hauses liegen weit über der Zahl, die Sie zunächst nannten, nämlich 220. Wir werden sehen, wie wir endgültig abkommen.
Herr Abgeordneter Wächter, eine zweite Zusatzfrage. Aber es muß eine Frage sein.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Präsident.
Sehen Sie, Herr Minister, während der Weideabtriebszeit Chancen einer Ausfuhr von Schlachtrindern in die übrigen EWG-Länder und in Drittländer?
Ausfuhrchancen werden sich nach den Möglichkeiten richten, die wir in der Zukunft durch die entsprechenden Regelungen an die Hand bekommen. Es sind zum mindesten auch außerhalb der EWG-Mitgliedländer Ausfuhrchancen vorhanden. Sollte die derzeitige Knappheit an Rindern bestehenbleiben — und das ist anzunehmen —, so werden, glaube ich, Absatzmöglichkeiten gegeben sein.
Ich komme zur Frage IX/5 — des Abgeordneten Krug —:
Ich frage die Bundesregierung, ob nach dem Inkrafttreten der Europäischen Milchmarktordnung die Käsereimilchsonderstützung auch dann ganz oder teilweise entfällt, wenn die Angleichung der Werkmilchpreise in der Käserei an die Ergebnisse der Buttereiwirtschaft vom Markt her nicht möglich ist, wie dies ja nach der Sachlage zu befürchten ist.
Herr Bundesminister, bitte.
Herr Präsident, ich darf mir erlauben, beide Fragen gemeinsam zu beantworten.
Bitte sehr. Ich rufe auch Frage IX/6 — des Abgeordneten Krug — auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, wenn der Erzeugermilchpreis in den Käsereigebieten nach einem eventuellen Wegfall der Käsereimilchsonderstützung trotz der Europäischen Marktordnung spürbar unter den Butterei-Werkmilchpreis absinken sollte und damit die wirtschaftliche Lage der Landwirte in den ausgesprochenen Käsereigebieten, die auf Grund der vorliegenden Verhältnisse die Produktion nicht umstellen können, sich noch mehr verschlechtern würde?
Das einzelstaatliche Ausgleichssystem ist von der EWG-Verordnung für Milcherzeugnisse grundsätzlich unberührt geblieben. Bei der Käsereimilchsonderstützung wird jedoch ein Abbau vorgenommen und über eine Erhöhung der Schwellenpreise bei Käse wieder ausgeglichen. Der Abbau bezieht sich jährlich auf 1/7 der Differenz zwischen den derzeitigen Käseerlösen und der für das Milchwirtschaftsjahr 1964/65 festgelegten unteren Grenze der Richtpreisschere . Da bei dem erheblichen Marktanteil der Käseeinfuhr eine Erhöhung des Schwellenpreises auch zu einer Anhebung der Markterlöse führen dürfte, wird sich die Verwertungsdifferenz zwischen der Butter- und der Käseverwertung entsprechend verringern. Es ist kaum anzunehmen, daß die damit verbundene geringfügige Preiserhöhung vom Verbraucher nicht getragen wird. Eine derartige Verringerung der Differenz zwischen der Butter- und Käseverwertung würde auch nach den Grundsätzen des § 12 des Milch- und Fettgesetzes zu einer entsprechenden Senkung der Käsereimilchsonderstützung führen. Von einem Wegfall der Käsereimilchsonderstützung ohne entsprechende Mehreinnahmen aus Markterlösen kann also nicht ausgegangen werden. Nach dem System der EWGRegelung ist nicht zu erwarten, daß die Käsereimilchverwertung spürbar unter die Butterverwertung absinkt. Sollte dies aus heute nicht übersehbaren Gründen trotzdem der Fall sein, so wird die Bundesregierung zu gegebener Zeit prüfen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie keine Gefahren für die Erzeuger von Käsereimilch in bezug auf ihre Einkommensituation für die Zukunft bis 1970 und nach 1970 sehen?
Ich sehe insoweit keine Schwierigkeiten, Herr Kollege, als die Differenz, die heute zwischen den Erlösen aus Butter und aus Käse vorliegt, durch Marktmehrerlöse ausgeglichen wird.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, sehen Sie gegebenenfalls eine Möglichkeit, doch auftretende Einkommensverluste und -rückgänge auf irgendeine Art und Weise im Rahmen der Richtlinien abzufangen?
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5956 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Herr Kollege, ich glaube, es ist im Augenblick müßig, darüber zu sprechen, was man tun wird, wenn der Fall eintritt, von dem Sie sprechen. Wir müssen die Gründe kennen, aus denen eine solche Situation entsteht, um dann nach Möglichkeiten zu suchen auszugleichen. Selbstverständlich bin ich bereit, die Zusage zu geben, daß wir alles tun werden, um auszugleichen.
Ich komme zur Frage IX/7 — des Abgeordneten Ramms —:
Ist die Bundesregierung bereit, die Traktatbauern, die ihre Grundstücke in Holland durch -den Verkauf des Beheersinstituts verloren haben, aus fiskalischen Grundstücken oder in Zusammenarbeit mit dem Land NRW aus Grundstücken des rheinischen Heimes so zu entschädigen, daß die Höfe wieder rentabel bewirtschaftet werden können?
Herr Minister, bitte!
Die durch den Entzug der sogenannten Traktatländereien Geschädigten sollen nach dem dem Bundestag vorliegenden Regierungsentwurf eines Reparationsschädengesetzes entschädigt werden. In diesem Gesetzentwurf ist eine Entschädigung in Geld nach den Grundsätzen des Lastenausgleichs vorgesehen. Im Interesse der Gleichbehandlung aller unter dieses Gesetz fallenden Geschädigten hält die Bundesregierung eine Entschädigung der Traktatbauern in Grundstücken nicht für möglich.
Im übrigen darf ich auf meine Antwort zu der Kleinen Anfrage vom 18. März 1963 — Bundestagsdrucksache IV/1078 — hinweisen, in der ich dargelegt habe, daß die Betroffenen vorläufig zur Milderung von Härten unter bestimmten Voraussetzungen Darlehen nach den Richtlinien über die Gewährung von Darlehen an Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsgeschädigte vom 4. Juni 1960 in der erweiterten Fassung vom 30. April 1962 erhalten können. Außerdem stehen im Grünen Plan erhebliche Mittel bereit, aus denen zinsgünstige Darlehen zum Ankauf von Ersatzland gewährt werden können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß diese Landenteignung nicht allein durch Geld wiedergutgemacht werden kann, da dadurch die Betriebe nicht rentabel werden?
Herr Kollege, ich bin durchaus der Auffassung, daß dem so ist. Wir können jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen keine Ausnahme von der Entschädigung in Geld machen, weil diese Frage in das gesamte Gebiet der Reparationen fällt und hier nicht besondere Regelungen für diesen Zweck getroffen werden können.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, sehen Sie auch keine Chance, durch den Kauf von holländischen Traktatgebieten, die auf deutschem Boden liegen, einen Ausgleich vornehmen zu können?
Ich bin nicht in der Lage, Ihnen die Möglichkeiten im Augenblick aufzuzeigen, die hier gegeben sind. Sie sind aber geprüft worden, und es scheint mir so zu sein, daß ich diese Frage mit Nein beantworten muß.
Ich komme zur Frage IX/8 — des Abgeordneten Logemann —:
War eine in Brüssel beschlossene eigene Abschöpfung für Schweineschwänze zur Ergänzung der Agrarmarktordnung für Schweinefleisch notwendig?
Zur Frage des Herrn Kollegen Logemann: Seit der Einführung der EWG-Marktordnung für Schweinefleisch am 30. Juli 1962 unterliegt auch der Schlachtabfall von Schweinen, d. h. auch der Schwänze und Ohren, der Abschöpfungsregelung. Durch die Verordnung Nr. 34/64 ,des EWG-Ministerrats vom 25. März 1964, die Ihrer Anfrage, Herr Kollege, vermutlich zugrunde liegt, sind lediglich Klarstellungen zu einigen Positionen des Warenverzeichnisses erfolgt, die sich aus den bisher gesammelten Erfahrungen ergeben haben.
Bezüglich der Schwänze von Hausschweinen ist bestimmt worden, daß diese nicht mehr dem Abschöpfungssatz für „anderen Schlachtabfall", sondern einem noch niedrigeren Satz unterliegen sollen. Ohren von Hausschweinen sind zur Zeit im Warenverzeichnis nicht besonders genannt und fallen deshalb unter den Abschöpfungssatz für anderen Schlachtabfall.
Mir ist bisher eine Absicht zur Änderung der abschöpfungstechnischen Behandlung nicht bekanntgeworden. Sollte jedoch zu einem späteren Zeitpunkt ein Bedürfnis für eine Änderung des Warenverzeichnisses auftreten, wird sich ,die Bundesregierung einer sachlich begründeten Änderung nicht entgegenstellen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Frage IX/9 — des Abgeordneten Logemann —:
Wird die Bundesregierung zustimmen, wenn in Brüssel versucht werden sollte, die Perfektion der EWG-Agrarmarktordnungen durch eine spezifische Abschöpfung für Schweinsohren noch weiter zu steigern?
Bitte, Herr Minister!
Erstens. Die Bundesregierung hat im Ministerrat allgemein und in besonderen Einzelfällen den Abbau bestehender Wettbewerbsverzerrungen mehrfach nachdrücklich gefordert. Einige dieser Verzerrungen sind inzwischen beseitigt worden. An die Bestimmungen über den schrittweisen Abbau der innergemeinschaftlichen Abschöpfungsbeträge bei Schweinefleisch, Eiern und Geflügel sind alle Mitgliedstaaten gebunden. Durch
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5957
Bundesminister Schwarzdiese Regelung sollen sämtliche Grenzbelastungen im Handelsverkehr der Mitgliedstaaten untereinander bis zum Ende der Übergangszeit beseitigt werden. Wollte man bei Schweinefleisch, Eiern und Geflügel den allmählichen Abbau des Abschöpfungsbetrages unterbrechen oder die Abschöpfungshöhe vermindern, so müßte der Abbau späterhin in beschleunigtem Tempo nachgeholt werden. Es erscheint fraglich, ob damit unserer eigenen Erzeugung ein Dienst erwiesen würde.Wenn keine gemeinsame Marktordnung bestünde und statt der Abschöpfung noch Zölle erhoben würden, müßten schließlich auch die Zölle nach den Bestimmungen des EWG-Vertrages periodisch gesenkt werden.Zweitens. Gegen die neu eingeführten Exportsubventionen und Transportbeihilfen anderer Mitgliedstaaten im Bereich der Obst- und Gemüsewirtschaft hat die Bundesregierung mit Erfolg protestiert. Auch hier sind in dem Bemühen um den Abbau der Wettbewerbsverzerrungen Fortschritte gemacht worden. Insoweit ist die Bundesregierung dem Beschluß des Hohen Hauses vom 14. November 1963 gefolgt. Die Bundesregierung ist sich jedoch bewußt, daß dieser Abbau zum Teil noch in den Anfängen steht.Ein besonders schwieriges Problem stellen schließlich die unterschiedlichen Steuer- und Soziallasten sowie die verschiedenen Sozialleistungen in den EWG-Mitgliedstaaten dar. Die Bundesregierung wird die Entwicklung mit besonderer Wachsamkeit verfolgen und weiterhin darauf drängen, alle Wettbewerbsbedingungen zu harmonisieren, die Einfluß auf die Produktionskosten der Landwirtschaft haben.
Ich rufe auf die Frage IX/10 — des Abgeordneten Logemann —:
Welche Schritte hat die Bundesregierung in Brüssel unternommen, um den einstimmig gefaßten Bundestagsbeschluß zur EWG-Agrarpreispolitik entsprechend den Drucksachen IV/1258 und IV/1611 zu realisieren?
Bitte, Herr Bundesminister!
Wir halten diesen Beschluß nicht in dem Sinne für realisierbar, wie Sie es vielleicht wünschen, daß nämlich in einer kurzen Frist alle dort aufgeführten Forderungen erfüllt sein werden. Wir sind aber der Auffassung, daß ein stetes Drängen auf eine Harmonisierung zu einem Erfolg führen wird, und ich darf darauf hinweisen, daß z. B. in der Frage der Drittlanderstattung bei Geflügel ein ganz erheblicher Erfolg erzielt wurde und daß auch die Frachtsubventionen bei Obst und Gemüse in Italien und Frankreich aufgehoben wurden.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, ist nach Ihrer Auffassung eine automatische Senkung der innergemeinschaftlichen Abschöpfung angesichts der
Entwicklung der Erzeugerpreise in der Bundesrepublik für die in Frage kommenden deutschen Veredelungserzeugnisse tragbar?
Das ist zweifellos eine Frage, Herr Kollege, die ihre Berechtigung hat; denn die Senkung um jeweils zwei Zehntel bringt ganz zweifellos eine nicht unerhebliche Belastung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Minister, halten Sie diese automatische Senkung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Getreidepreis nicht harmonisiert ist, für notwendig?
Herr Kollege Ertl, es geht leider nicht darum, ob ich diese Angelegenheit für gerechtfertigt oder für nicht gerechtfertigt halte, sondern hier liegt eine Verordnung vor, die festsetzt, daß wir so zu verfahren haben. An dieser Tatsache ist nichts mehr zu ändern.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, sind Sie dann vielleicht mit mir der Auffassung, daß die Verordnung am Prinzip vorbeigeht, weil der Sinn der Abschöpfungen letzten Endes ist, daß wir einen Ausgleich für den unterschiedlichen Futtergetreidepreis haben?
Herr Kollege Ertl, ich glaube, es ist müßig, darüber zu streiten, ob das, was geschehen ist, richtig oder falsch war. Es handelt sich hier um Belastungen, die nach einem gewissen Rhythmus beseitigt werden.
Keine Zusatzfrage mehr? — Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zuerst die Frage IV/1 — des Herrn Abgeordneten Paul —:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um zu verhindern, daß deutsche Besucher aus der Bundesrepublik in der Tschechoslowakei verhaftet und an das Ulbrichtregime ausgeliefert werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Paul wie folgt beantworten.Die Bundesregierung hat sich fortlaufend bemüht, die Öffentlichkeit über das Sicherheitsrisiko zu unterrichten, das insbesondere für Personen, die aus der SBZ geflüchtet sind, mit Reisen in osteuropäische Staaten verbunden ist.In Beantwortung zahlreicher Einzelanfragen und auf Anfragen der Presse hat das Auswärtige Amt darauf hingewiesen, daß zwischen der SBZ und den osteuropäischen Staaten Auslieferungsvereinbarun-
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5958 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Staatssekretär Dr. Carstensgen bestehen, so daß Zonenflüchtlinge damit rechnen müssen, daß die Behörden dieser Staaten Auslieferungsersuchen der SBZ stattgeben.Das Auswärtige Amt hat dabei gleichzeitig ausgeführt, daß die Bundesrepublik Deutschland keine amtlichen Beziehungen zur Tschechoslowakei unterhält und daß in der Tschechoslowakei auch keine Schutzmachtvertretung für deutsche Interessen besteht, so daß in Schwierigkeiten geratenen deutschen Staatsangehörigen kein Rechtsschutz gewährt werden kann. Das gleiche gilt für die übrigen osteuropäischen Länder. Auch das Bestehen konsularischer Beziehungen zur Sowjetunion und zu Jugoslawien bietet keine Garantie dafür, daß SBZ-Flüchtlinge in diesen Staaten vor einem Zugriff der dortigen Behörden und einer Auslieferung an die SBZ in jedem Falle bewahrt werden können.Es handelt sich also um ein Problem, das nicht die Tschechoslowakei allein, sondern alle osteuropäischen Staaten betrifft. Durch die kürzlich von der Tschechoslowakei eingeführten Einreiseerleichterungen und den begreiflichen Wunsch vieler Deutscher aus der Bundesrepublik Deutschland, sich dort eventuell mit ihren Angehörigen aus der Zone zu treffen, hat diese Frage allerdings in bezug auf dieses Land besondere Aktualität gewonnen. Die Organisationen und Verbände des Reiseverkehrs sind daher nochmals auf das Sicherheitsrisiko hingewiesen worden, das sich für Zonenflüchtlinge bei Reisen in die Tschechoslowakei mit der SBZ ergibt.Aus Anlaß der kürzlich erfolgten Verhaftung eines deutschen Ehepaares und seiner Auslieferung durch3) die tschechoslowakischen Behörden an die SBZ hat ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in der Bundespressekonferenz am 3. April 1964 nochmals ausführlich zu dieser Frage Stellung genommen. Diese Ausführungen haben ein breites Echo — —
— Ich glaube, ich bin in der Lage, mich ohne Mikrofon verständlich zu machen.
— Darf ich den Versuch machen, Herr Abgeordneter, ohne Mikrofon weiter zu sprechen.Diese Ausführungen haben ein breites Echo in der deutschen Presse gefunden. Ich glaube daher, daß man grundsätzlich davon ausgehen kann, daß die deutsche Öffentlichkeit über diese Frage unterrichtet worden ist. Wir werden jedoch unser Bemühen in dieser Richtung weiter fortsetzen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Paul.
Herr Staatssekretär, . . . .
Herr Abgeordneter Paul, ich möchte Sie bitten, nach vorn zu kommen. Die Mikrofone sind ausgefallen. Wir müssen uns also behelfen. Sollten Sie nicht verstehen, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, sich in die vorderen Plätze zu setzen,
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß hier ein Zustand der Rechtsunsicherheit großen Ausmaßes besteht und daß man auf die Dauer nicht zugeben kann, daß Deutsche — es handelt sich ja um Deutsche, nicht nur SBZ-Deutsche, sondern Deutsche schlechthin — in einem Nachbarstaat verhaftet werden und man ihnen sehr willkürlicher Weise unterschiebt, sie hätten Spionage begangen? Mit diesem Problem sollte man sich, so meine ich, doch ernsthaft auseinandersetzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich teile Ihre Sorge, und ich teile auch Ihre Auffassung, Herr Abgeordneter. Ich muß nur pflichtgemäß darauf hinweisen, welche Schwierigkeiten und welche Grenzen unseren Bemühungen bei der Verwirklichung unserer Ziele gesetzt sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Ist unter diesen Umständen überhaupt ein Touristenverkehr in diese Staaten empfehlenswert?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß die Bundesregierung keine Veranlassung hat, generelle Empfehlungen dieser Art abzugeben. Man muß zugeben, daß angesichts der derzeitigen Verhältnisse in der Tschechoslowakei eine Möglichkeit für eine Begegnung zwischen Deutschen, die in der Bundesrepublik Deutschland wohnen, und Deutschen, die in der SBZ wohnen, besteht, wie sie an anderer Stelle zur Zeit leider nicht gegeben ist. Infolgedessen möchte ich davon absehen, eine generelle Empfehlung etwa gegen die Ausführung solcher Reisen abzugeben. Aber es muß, glaube ich, immer wieder mit Nachdruck hingewiesen werden auf die Gefahren und Risiken, die mit der Ausführung solcher Reisen, insbesondere für diejenigen Deutschen verbunden sind, die aus der Zone geflüchtet und dann in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sind.
Wir kommen ,zur Frage IV/2 — des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß zahlreiche Eltern deutscher Kinder sowohl in Europa wie in Lateinamerika wegen des hohen Schulgeldes ihre Kinder nicht auf eine deutsche Auslandsschule schicken können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die dem Auswärtigen Amt für die Förderung der deutschen Auslandsschulen zur Verfügung stehenden Mittel reichen nicht aus, um an diesen Schulen wie im innerdeutschen Schulwesen auf die Erhebung von Schulgeld zu verzichten. Auch ist das Auswärtige Amt durch die Bundesrichtlinien zur Reichshaushaltsordnung gehalten, bei der Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln des Bundeshaushalts darauf zu achten, daß von den Einnahmemöglichkeiten der geförderten Schulen in angemessener Weise Gebrauch gemacht wird,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5959
Staatssekretär Dr. CarstensDie Höhe der Schulgelder hält sich, insbesondere in Europa, im allgemeinen in durchaus zumutbarem Rahmen. Sie liegen zumeist nicht unwesentlich unter denjenigen anderer ausländischer Schulen in dem betreffenden Gastland. Die monatlichen Schulgelder bewegen sich in Europa für das erste Kind in der Regel zwischen 20 und 35 DM. Je nach Kinderzahl gestaffelte Geschwisterermäßigung ist vorgesehen. In außereuropäischen Schulen, z. B. in Lateinamerika, mit fast durchweg wesentlich niedrigerem deutschen Schüleranteil sind die Sätze höher. In allen Schulen wird Schulgeldermäßigung aus sozialen Gründen gewährt.Das Auswärtige Amt prüft indessen gegenwärtig, auf welche Weise es seine Förderungsmaßnahmen, vor allem in einigen südamerikanischen Ländern, im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten auf eine Vermehrung der ganzen oder teilweisen Freistellen für die Kinder sozial schwächerer — deutscher wie nichtdeutscher — Eltern abstellen kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in einigen europäischen Städten, beispielsweise in Rom, die Schulgelder erheblich über den von Ihnen genannten Sätzen liegen und daß sie noch dadurch erhöht werden, daß die Eltern für die nicht unbeträchtlichen Kosten der Zufahrt ihrer Kinder von ihrem Wohnhaus zur Schule und zurück aufkommen müssen, Kosten, die in der Regel ein Vielfaches des von Ihnen genannten Betrages erreichen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es tut mir leid, Herr Abgeordneter, mir ist die Tatsache, daß in Rom wesentlich höhere Schulgeldsätze erhoben werden, nicht bekannt. Ich werde dieser Frage nachgehen. Naturgemäß ergeben sich zusätzliche Kosten aus dem Transport der Kinder zur Schule.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß die — meiner Meinung nach etwas unzulänglichen — Kenntnisse der Bundesregierung über die tatsächlichen Verhältnisse an unseren Auslandsschulen mit darauf zurückzuführen sind, daß die Schulabteilung im Auswärtigen Amt seit vielen Jahren — gemessen an der Zahl der zu betreuenden Schulen — völlig unzulänglich besetzt ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich möchte zunächst vermeiden, daß der Eindruck einer kausalen Beziehung zwischen der Größe der Schulabteilung und meiner Unkenntnis über Schulgelder in Rom entsteht. Ich bin überzeugt, daß die Schulabteilung des Auswärtigen Amts genaue Auskünfte darüber geben könnte; bloß ich kann es leider im Augenblick nicht.
Noch eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es zweckmäßig wäre, in dieser Sache eine Regelung zu treffen, damit nicht, wie es bis jetzt der Fall ist, wegen der hohen Schulgeldkosten in Auslandsschulen Kinder deutscher Eltern in verhältnismäßig minderwertige Landesschulen gehen und damit der deutschen Sprache und auch der deutschen Kultur verlorengehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß der gegenwärtige Zustand durch gezielte Maßnahmen verbessert werden kann, und darum bemühen wir uns.
Noch eine Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Huys.
Herr Staatssekretär, welche Konsequenzen hat man denn aus der Debatte über die Kultur im Ausland hinsichtlich der auslandsdeutschen Schulen gezogen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte darauf, Herr Abgeordneter, zu einem späteren Zeitpunkt antworten. Ich bin auf die Frage nicht vorbereitet.
Ich glaube nicht, daß man diese Frage noch als Zusatzfrage betrachten kann.
Wir kommen zu Frage IV/3 — des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann —:
Trifft es zu, daß der von zahlreichen amerikanischen Institutionen und Universitäten gegenwärtig zu Vortragsreisen eingeladene Historiker Professor Fischer vom Auswärtigen Amt daran gehindert wurde, im Goethe-Institut in Washington einen Vortrag zu halten, obwohl er auf Anregung der Deutschen Botschaft dazu aufgefordert worden war?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort auf die gestellte Frage, ob Herr Professor Fischer durch das Auswärtige Amt daran gehindert wurde, im Goethe-Institut in Washington einen Vortrag zu halten, lautet: Nein.Es gibt in Washington weder ein Goethe-Institut noch ein anderes deutsches Kulturinstitut. Professor Fischer sollte an amerikanischen Universitäten sprechen. Er hält sich gegenwärtig auf Einladung des American Council of Learned Societies zu diesem Zweck in den Vereinigten Staaten auf. Auf Veranlassung der deutschen Botschaft in Washington wollte ursprünglich das Goethe-Institut in München diese Vortragsreise finanzieren. Da jedoch die dem Goethe-Institut zur Verfügung stehenden Mittel nur für Vortragsreisen an deutschen Kulturinstituten im Ausland verwendet werden können, mußte das Goethe-Institut von der Finanzierung dieser Reise zurücktreten.Die Mittel, die dem Auswärtigen Amt für die Förderung von Vortragsreisen wie der von Professor
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5960 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Staatssekretär Dr. CarstensFischer in Aussicht genommenen zur Verfügung stehen, sind infolge der in diesem Jahr vorgenommenen Kürzung des Kulturhaushalts so knapp geworden, daß in diesem Jahr leider nicht die Möglichkeit besteht, den in Frage kommenden Betrag bereitzustellen. Ich hoffe, daß dies im nächsten Jahr möglich sein wird.Für den Fall, daß Professor Fischer eine solche Reise zu einem späteren Zeitpunkt durchführen will, ist er gebeten worden, sich möglichst frühzeitig mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung zu setzen, das dann 'wie üblich die Deutsche Forschungsgemeinschaft um eine gutachtliche Stellungnahme bitten wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, täusche ich mich, wenn ich mich erinnere, daß Ihr Kollege, Herr Lahr, in einer Sitzung des Kulturpolitischen Ausschusses, in der wir über dieselbe Frage gesprochen haben, angegeben hat, daß zwar die Mittel — wie auch Sie sagten — knapp seien, daß aber ein bißchen wohl auch die Tatsache eine Rolle gespielt habe, daß die historischen Ansichten, die Herr Professor Fischer vertrete, nicht dazu Anlaß gegeben hätten, gerade eine Reise zu unterstützen, bei der Ansichten vertreten würden, die, wie er meinte, vielleicht nicht ganz im deutschen Interesse lägen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Derartige Erwägungen haben keine Rolle gespielt, Herr Abgeordneter. Wohl aber hat eine Rolle gespielt — ich möchte das noch einmal unterstreichen —, daß das Goethe-Institut die Reise finanzieren wollte, ohne daß die Mittel des GoetheInstituts für eine Finanzierung dieser Reise in Betracht kamen. Es kam also nur eine Finanzierung dieser Reise aus den allgemeinen Mitteln des Auswärtigen Amts in Frage, und die sind für das laufende Jahr beträchtlich gekürzt worden; ein entsprechender Betrag stand nicht zur Verfügung.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß das Goethe-Institut immer dann, wenn ihm eine Sache politisch nicht ganz paßt, erklärt, es stünden keine Mittel zur Verfügung — das trifft auch auf viele andere Bereiche zu —, und daß dann in einem köstlichen Schaukelspiel zwischen dem Goethe-Institut und dem Auswärtigen .Amt die Verantwortlichkeit für die Knappheit und die Nichtzuweisung von Mitteln sozusagen hin- und hergeschoben wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir nicht bekannt, Herr Abgeordneter, und das hat im gegenwärtigen Fall auch gar keine Rolle gespielt. Das Goethe-Institut hat Mittel, aber es hat keine Mittel für den hier in Aussicht genommenen Zweck. Die Mittel dafür konnte nur das Auswärtige Amt zur Verfügung stellen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sänger!
Herr Staatssekretär, sind auch andere Vortragsreisen aus diesem Grunde abgesagt worden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es sind Reisen, die seit längerer Zeit geplant waren, durchgeführt und nicht abgesagt worden. Hier trat ja ein zusätzliches Projekt plötzlich auf.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sänger!
Herr Staatssekretär, ist bei diesem besonderen Fall und unter diesen besonderen Umständen auch in Erwägung gezogen worden, welche sehr unangenehmen Wirkungen diese plötzliche Rückberufung ausgerechnet Ides Hamburger Historikers Fischer — Sie kennen das Buch — im Ausland hervorrufen mußte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, bei der Entscheidung, die wir getroffen haben, .sind alle in Betracht kommenden Erwägungen angestellt worden. Herr Professor Fischer ist gereist, wie ich eingangs dargelegt habe. Er hält seine Vorträge. Nur wird diese Vortragsreise nicht mit deutschen öffentlichen Mitteln finanziert.
Statt dessen ist ihm und auch den interessierten amerikanischen Stellen ,gesagt worden, daß wir durchaus bereit sind, im nächsten Jahr eine solche Reise zu finanzieren unter der Voraussetzung, daß eine entsprechende Stellungnahme von der Deutschen Forschungsgemeinschaft abgegeben wird. Wir halten uns hier an die Stellungnahme ,der unabhängigen Gesamtorganisation der deutschen Wissenschaft.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogt!
Herr Staatssekretär, wäre es nicht dankenswert — nachdem hier von Ihnen festgestellt worden ist, daß es in Washington überhaupt kein Goethe-Institut gibt, also die Frage in dieser Beziehung völlig danebengeht —, zu prüfen, wie eine solche Fehlinformation an eine Reihe von Kollegen in diesem Hause gelangen konnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte glauben, daß es sicherlich nützlich ist, zu prüfen, woher Fehlinformationen kommen bzw. wodurch sie entstehen können.
Wir kommen zur Frage IV/4 des Herrn Abgeordneten Dr. Huys.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5961
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich die nächsten drei Fragen nacheinander beantworte; sie stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang.
Bitte sehr. Dann rufe ich auf die Fragen IV/4, IV/5 und IV/6 — des Herrn Abgeordneten Dr. Huys —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß fünf ehemalige Lehrer der Deutschen Evangelischen Oberschule in Kairo, über die Kulturabteilung des AA nach dorthin verpflichtet, seit Juni 1963 auf ihr Gepäck warten?
Ist der Bundesregierung weiterhin bekannt, daß einer der in Frage IV/4 erwähnten deutschen Lehrer durch die Nichtfreigabe des Gepäcks in eine außerordentliche wirtschaftliche Notlage geraten ist, da er notwendige Ausgaben in Höhe von rd. 1500 DM zur Errichtung eines behelfsmäßigen Haushalts und zur Anschaffung von Winterkleidung, Bettzeug, Unterrichtswerke usw. hat tätigen müssen?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß ein von der in Frage IV/5 erwähnten Lehrkraft gestellter Beihilfeantrag über das AA an das Bundesverwaltungsamt in Köln mit der Begründung abschlägig beantwortet worden ist, die Fürsorgepflicht für die ins Ausland verpflichteten Lehrkräfte ende mit Ablauf der Vertragszeit?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Auswärtige ,Amt ist erst am 17. November 1963 durch einen bis zum .Sommer 1963 an der deutschen evangelischen Oberschule in Kairo tätig gewesenen Lehrer davon unterrichtet worden, daß sein persönliches Gepäck, welches er vor seiner Rückreise am 20. Juni 1963 einem Spediteur in Kairo übergeben hatte, noch nicht zollamtlich zur Verschiffung freigegeben worden sei. Das Auswärtige Amt hat daraufhin sofort die Deutsche Botschaft in Kairo angewiesen, sich bei den zuständigen ägyptischen Dienststellen unverzüglich nachdrücklich für die sofortige Freigabe des Gepäcks einzusetzen. Die Freigabe war dadurch erschwert, daß der Lehrer seinen Dienstpaß verloren hatte, der seinen sechsjährigen Aufenthalt in der VAR hätte erkennen lassen können. Die Führung dieses Nachweises hätte nach den ägyptischen Bestimmungen über die Wiederausfuhr persönlicher Habe zu beschleunigter Abfertigung geführt. Den weisungsgemäß laufend wiederholten Bemühungen der Botschaft gelang es 'dennoch, die Gepäckfreigabe durchzusetzen.
Von vier weiteren Fällen, in denen es zu Schwierigkeiten bei der Zollabfertigung gekommen ist, erfuhr das Auswärtige Amt erst vor wenigen Tagen, da die betroffenen Lehrer sich bisher nicht an das Auswärtige Amt gewandt hatten. Wie in Erfahrung gebracht werden konnte, ist :das Gepäck eines dieser Lehrer mittlerweile in der Bundesrepublik eingetroffen; dasjenige der drei übrigen steht vor der Freigabe.
Nun die Antwort auf Ihre beiden weiteren Fragen, Herr Abgeordneter. Das Bundesverwaltungsamt hat im Auftrag des Auswärtigen Amts einen Antrag des Lehrers auf Gewährung einer Unterstützung unter analoger Anwendung der für die Bundesbeamten geltenden Unterstützungsgrundsätze geprüft. Das Bundesverwaltungsamt hat den Antragsteller davon unterrichtet, daß ihm auf diesem Wege von seiten des Bundes aus dem rein formellen Grunde nicht geholfen werden könne, daß nach den Vereinbarungen zwischen dem Auswärtigen Amt und den Kultusministern der Länder Leistungen auf Grund der Unterstützungsgrundsätze zur Beseitigung einer nach Rückkehr ins Inland bestehenden Notlage nicht mehr dem Bund obliegen. Das Auswärtige Amt hat dem Lehrer jedoch zugesagt, unverzüglich zu prüfen, auf welche andere Weise die ihm im Zusammenhang mit seiner Dienstleistung an einer Auslandsschule entstandenen Aufwendungen ersetzt werden können.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Huys.
Herr Staatssekretär, glauben Sie wirklich, daß es einem Botschafter passiert wäre, daß er seinen gesamten Hausstand ein Jahr lang — es ist jetzt mehr als ein Jahr — nicht hätte nach Hause bekommen können? Glauben Sie, daß deutsche Lehrer im Ausland so behandelt werden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube, ein Botschafter, dem das widerfahren wäre, hätte sich sofort an das Auswärtige Amt gewendet,
und das Auswärtige Amt hätte ihm geholfen. .In diesem Fall hat sich der betreffende Lehrer erst nach sehr langer Zeit an uns gewandt, und dadurch ist ein Teil der Verzögerung zu erklären.
Herr Staatssekretär — ich habe leider nur zwei Fragen —, glauben Sie, daß die Fürsorgepflicht, wie Sie sagen, mit dem Tag der Fürsorge endet, wenn sich die Fürsorgepflicht aus diesem Zeitraum herleitet? Sie sagen, mit dem 15. September sei der Vertrag beendet und deswegen brauche das Auswärtige Amt nicht mehr dafür zu sorgen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn im allgemeinsten Sinne endet sicher nicht. Die Frage ist, wer in diesem Fall die Fürsorgelast zu tragen hat, der Bund oder die Länder. Das ist aber, glaube ich, eine Frage, über die man sich einigen wird. Ich habe in meiner Antwort zum Ausdruck gebracht, daß wir nach Mitteln und Wegen suchen, um dem betreffenden Lehrer zu helfen. Der Lehrer soll natürlich nicht darunter leiden, daß das hier eine schwierig zu beantwortende Frage ist.
Herr Abgeordneter Huys, Sie haben drei Fragen gestellt. Sie dürfen also sechs Zusatzfragen stellen. — Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, wer soll denn die Fürsorgepflicht übernehmen, der Bund oder das Land?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage muß noch geprüft werden, Herr Abgeordneter. Der Bund ist nach den geltenden Vereinbarungen nicht verpflichtet, diese Leistungen zu erbringen. Wir werden also bemüht sein, das in
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5962 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Staatssekretär Dr. CarstensBetracht kommende Land zum Handeln zu veranlassen oder auf anderem Wege Abhilfe zu schaffen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, haben Sie hier mit Absicht vorgetragen, daß das Auswärtige Amt erst vor einigen Tagen davon Kenntnis erhalten hat? Ist das vielleicht so zu verstehen, daß die Botschaft oder andere deutsche Stellen immerhin schon länger von dem Vorfall Kenntnis hatten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In meiner Antwort lag keine dahin gehende Absicht, Herr Abgeordneter. Ich kann Ihnen nicht beantworten, wann die Botschaft davon Kenntnis erhalten hat. Ich möchte aber als sicher unterstellen, daß die Botschaft in dem Augenblick, wo sie Kenntnis davon erhielt, das Auswärtige Amt unterrichtete.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Sollten Sie nicht doch einmal nachprüfen, ob die Botschaft oder andere Stellen von der Sache Kenntnis erhalten haben und ihr nicht rechtzeitig nachgegangen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will das gern tun, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, finden Sie es nicht angebracht, nachzuprüfen, warum die Botschaft, die von Anfang an über diesen Zustand unterrichtet war, es nicht für nötig gehalten hat, das Auswärtige Amt von dieser Tatsache in Kenntnis zu setzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann Ihre Frage in dieser Form nicht beantworten, Herr Abgeordneter; denn mir ist nicht bekannt, daß die Botschaft von Anfang an unterrichtet war. Auf die vorhin gestellte Frage habe ich aber geantwortet, daß ich diesen Komplex prüfen lassen werde.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Darf ich Sie fragen, Herr Staatssekretär, warum das Auswärtige Amt bei den Verhandlungen über die Gewährung von Entwicklungshilfekrediten nicht eine Anregung aufgegriffen hat, die ihm gegeben worden ist, bei der Vereinigten Arabischen Republik darauf zu dringen,
daß die Mißlichkeit mit der Ausfuhr der persönlichen Habe und des Gepäcks unserer dort arbeitenden Spezialisten und sonstigen Beauftragten abgestellt wird, und für eine etwas schnellere Abwicklung als bisher gesorgt wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dieser Anregung ist entsprochen worden.
Herr Abgeordneter Huys, Sie möchten die vierte Zusatzfrage stellen.
Glauben Sie wirklich, Herr Staatssekretär, daß ich, der ich mich seit einem halben Jahr um diese Dinge bemüht habe, diese Frage gestellt hätte, wenn ich nicht ganz bestimmt davon unterrichtet gewesen wäre, daß der Botschaft bekannt war, daß die Möbel der fünf Leute seit mindestens fünf Monaten nicht zurückgebracht worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sagte schon, Herr Abgeordneter, ich werde diesen Teil der von Ihnen und dem Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen aufgeworfenen Frage prüfen lassen.
Keine weitere Zusatzfrage?
Ich komme zu der von dem Abgeordneten Rollmann gestellten Frage IV/7:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Fort bestand des UNESCO-Instituts für Pädagogik in Hamburg auch dann sicherzustellen, wenn die Subventionen der UNESCO für dieses Institut eingeschränkt werden und auslaufen?
Bitte, Herr Staatsekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung beabsichtigt, das UNESCO-INSTITUT FUR PADAGOGIK IN HAMBURG auch dann finanziell zu unterstützen, wenn die Subvention seitens der UNESCO ausläuft. Sie ist bemüht, die Länder an den Kosten des Instituts zu beteiligen. Die Frage dieser Subventionen wird Mitte Mai auf der nächsten Plenarsitzung der Ständigen Konferenz der Kultusminister behandelt werden. Des weiteren hat die UNESCO bereits erkennen lassen, daß sie das Institut durch die Vergabe von bezahlten Aufträgen unterstützen wolle.
Würden Sie bereit sein, Herr Staatssekretär, mich das Ergebnis der Beratungen mit der Kultusministerkonferenz wissen zu lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das werde ich sehr gern tun, Herr Abgeordneter.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5963
Vizepräsident Dr. Jaegervon dem Abgeordneten Börner gestellte Frage V/1 auf:Wann ist mit der Vorlage des Ratifizierungsgesetzes zum Übereinkommen zur Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatlern zu rechnen?Bitte, Herr Bundesminister.
Herr Kollege, das von Ihnen genannte Übereinkommen ist bisher noch von keinem der Unterzeichnerstaaten ratifiziert worden. Das Übereinkommen berührt gewisse Belange der gesamtdeutschen Staatsangehörigkeit. Es muß sorgfältig geprüft werden, inwieweit deuscherseits von gewissen im Übereinkommen vorgesehenen Vorbehalten zur Wahrung dieser Belange Gebrauch zu machen ist.
In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, ob und inwieweit das Übereinkommen von den übrigen Unterzeichnerstaaten ratifiziert werden wird, insbesondere von Frankreich, da es insoweit für die Bundesrepublik die meisten praktischen Auswirkungen hat.
Sobald diese Fragen im positiven Sinne geklärt sind, wird die Bundesregierung das Übereinkommen zur Ratifizierung vorlegen.
Ich darf hinzufügen, daß an diesen Verhandlungen dreizehn Staaten beteiligt waren und nur sieben unterzeichnet haben. Es hat sich in anderen, vergleichbaren Fällen oft als gut erwiesen, zu warten, bis die anderen Staaten ratifiziert haben, weil die Auswirkungen für die anderen nicht so bedeutsam waren wie für unser eigenes Land.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Börner.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß wegen dieses Sachverhalts Angehörige der Bundeswehr bei Übungen auf französischen Truppenübungsplätzen in die Gefahr kommen, von der französischen Polizei verhaftet zu werden, weil Frankreich glaubt, auf Grund der Geburt eines Elternteils in Frankreich die französische Staatsangehörigkeit geltend machen zu können?
Einzelfälle sind mir nicht bekannt.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Börner.
Sehen Sie die Möglichkeit, in Auswirkung des deutsch-französischen Vertrages diese leidige Angelegenheit in bilateralen bzw. binationalen Verhandlungen zu regeln?
Ich glaube, das ist der richtige Weg. Ich werde mit Anregungen an das Auswärtige Amt herantreten.
Ich rufe auf die von dem Abgeordneten Jahn gestellte Frage V/2:
Wann wird die Bundesregierung in Ausführung des einstimmigen Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1963 den Entwurf eines Zweiten Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes vorlegen?
Herr Kollege Jahn, ich bin überzeugt, daß Sie all das, wonach Sie fragen, bereits wissen. Aber ich will trotzdem wiederholen:
Der einstimmig beschlossene Auftrag des Bundestages, ein Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes zu machen, begegnet außerordentlichen rechtlichen Schwierigkeiten, die ich die Ehre hatte Ihnen persönlich mit auseinandersetzen zu können. Der zweimalige Versuch, einen anderen Weg zu gehen, und zwar über eine Abänderung von Paßbestimmungen, hat ebenfalls in weiten Kreisen nicht den Beifall gefunden, der notwendig wäre, um in diesem Bereich voranzukommen. Die letzten Entscheidungen sind in der Presse veröffentlicht und Ihnen als aufmerksamem Beobachter dieses Sachverhalts bestimmt sehr genau bekannt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Minister, ist sich die Bundesregierung bewußt, daß angesichts ihrer mehrfachen eigenen Erklärungen und der Tatsache, daß seit dem Beschluß des Bundestages nunmehr zehn Monate vergangen sind und noch immer kein Entwurf vorgelegt worden ist, allmählich ernsthafte Zweifel an ihrer Bereitschaft entstehen müssen, das Problem überhaupt lösen zu wollen?
Herr Kollege Jahn, ich möchte nun nicht die intimen Unterhaltungen ausbreiten, die wir in dieser Frage hatten. Aber ich glaube, es wäre alles einfacher gewesen, wenn man den Vorschlag, den ich gemacht habe, nicht so heftig angegriffen hätte, und zwar nicht nur in parlamentarischen Kreisen, sondern darüber hinaus in der Öffentlichkeit, so daß neue rechtliche Bedenken enstanden sind.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.
Teilt die Bundesregierung ungeachtet der grundsätzlichen Bewertung des Auftrages aus Art. 26 des Grundgesetzes die Auffassung, daß für die Bundesrepublik eine besonders moralische und humanitäre Pflicht besteht, deutsche Bürger an jeder Tätigkeit zu hindern, die geeignet ist, die vielfach erklärten Pläne zur Vernichtung Israels zu unterstützen?
Ich habe im Bulletin darüber in Form eines Interviews ganz eindeutige Erklärungen abgegeben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rollmann!
Herr Minister, ist es nicht so, daß die Überlegungen Ihres Hauses zu dieser Frage gerade von den Parteifreunden des Herrn Jahn attackiert und angegriffen worden sind?
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5964 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Ich muß das leider zugeben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Minister, bestehen seitens des Bundesverteidigungsministeriums Bedenken, ein Gesetz zur Ausführung des Art. 26 zu erlassen?
Nein, das ist mir nichtbekannt. Es bestehen jedoch rein juristische Schwierigkeiten. Ich darf gleich 'den Begriff herausgreifen, der die größten Formulierungsschwierigkeiten macht: es ist die Frage des Angriffskrieges, ein Sachverhalt, der die internationale Rechtswelt schon seit geraumer Zeit, seit Jahrzehnten, beschäftigt, ohne daß eine eindeutige und zufriedenstellende Formulierung und Definition gefunden worden wäre.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Minister, sind es wirklich nur juristische Bedenken, oder gibt es z. B. von seiten des Auswärtigen Amtes auch politische Bedenken?
Wir sprechen von Art. 26 Abs. 1. ,Ich glaube, hier handelt es sich ausschließlich um juristische Bedenken.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Böhm.
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den nachteiligen Eindruck zu beseitigen, der in der in- und ausländischen Offentlichkeit dadurch entstanden ist, daß nun schon seit Monaten vorbereitete und fertiggestellte Gesetzentwürfe dem Kabinett vorlagen, das Kabinett aber jedesmal infolge neu auftauchender Bedenken die Beschlußfassung unterließ, ohne daß aber die Erklärungen, die vom Bundespresseamt abgegeben worden sind, die Zweifel im In- und Ausland zu beschwichtigen vermochten?
Herr Professor Böhm, das Echo auf alle diese Vorgänge ist sehr differenziert. Im Inland hat es sehr heftige Angriffe gegen die Absichten des Innenministeriums gegeben, auf dem Wege von Novellen zum Paßgesetz eine Lösung zu versuchen. Ich habe kaum Zustimmung, aber von allen Seiten Widerstand erfahren. Im Ausland ist das Echo ebenfalls außerordentlich differenziert. Ich meine, daß die Diskussion über die Einzelheiten in einen Ausschuß, am besten in den Auswärtigen Ausschuß, verlegt werden sollte. Ich werde bemüht sein, die neu aufgetauchten rechtlichen Schwierigkeiten zu überwinden.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Böhm.
Warum gibt die Bundesregierung nicht dem Bundestag und seinen Ausschüssen die Gelegenheit, die verfassungsrechtlichen Fragen zu prüfen und im Zusammenwirken mit den Vertretern des Ministeriums hier im Hause zu befriedigenden Formulierungen zu kommen? Mit anderen Worten: Warum leitet die Bundesregierung dem Bundestag keinen Gesetzentwurf zu, der vielleicht noch nicht vollständig und nach allen Seiten hin ausgereift ist, weil für den Eindruck im In- und Ausland die Beschleunigungsfrage eine Rolle spielt, also der Zeitpunkt, in dem dieses Hohe Haus mit der Sache befaßt wird?
Meines Wissens hat es in einem Unterausschuß des Hauses bereits eingehende Diskussionen zwischen Mitgliedern des Hauses und Regierungsvertretern gegeben. Weiter meine ich, ein unfertiger Gesetzentwurf, dem rechtliche Bedenken begegnen, sollte diesem Haus nicht, zumindest nicht bewußt, vorgelegt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, wäre es möglich, wenn eine neue Initiative aus dem Hause käme, daß die Bundesregierung ihre zuständigen Referenten in die Ausschüsse schicken würde, damit diese dort die rechtlichen Bedenken vortragen könnten? Das wäre nämlich die geeignete Möglichkeit, die Sache zu fördern.
Es bestehen keine Bedenken. Das kann ich zusagen.
Herr Abgeordneter Dr. Bechert.
Herr Minister, ist die Bundesregierung bereit, bei den weiteren Erörterungen zu berücksichtigen, daß die Tätigkeit deutscher Wissenschaftler in Ägypten zwar Anlaß, nicht aber der eigentliche Grund für die Forderung des Bundestages gewesen ist?
Herr Kollege Bechert, wenn Sie das Interview im Bulletin lesen, dann werden Sie finden, daß alle gesetzgeberischen Absichten sich nicht auf einen einzelnen Fall erstrecken dürfen, sondern eine Gesamtheit von möglichen Fällen umfassen müssen. Es ist eine seltene Ausnahme, daß ein einziger Fall Anlaß für eine gesetzgeberische Aktion bietet. Hier muß klargestellt werden, daß es sich nicht um einen einzigen Vorgang handelt, sondern um die vielfältigen Möglichkeiten von Gefahrenherden, bei denen die Bundesrepublik durch persönliche Mitwirkung eines einzelnen Angehörigen der Bundesrepublik irgend-
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Bundesminister Höcherlwie in Mißkredit kommen könnte. Das ist so eindeutig klargestellt worden, daß ich es hier nicht noch einmal wiederholen möchte.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert.
Herr Minister, bestehen seitens des Auswärtigen Amts Bedenken, die sich auf das Verhältnis zu den arabischen Ländern beziehen?
Ich bitte, die Frage an das Auswärtige Amt zu richten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
.Herr Minister, da wohl auch in diesem Falle der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmen wird, möchte ich Sie fragen: Hat der Herr Bundeskanzler in dieser Frage bereits eine Richtlinie gefunden?
Herr Kollege Ritzel, Sie möchten mit dieser Frage eine Antwort aus den Beratungen des Kabinetts haben. Eine solche Antwort kann ich Ihnen nicht geben.
Zweitens: es handelt sich hier um Rechtsfragen und nicht um Richtlinienfragen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Dann möchte ich anders formulieren. Herr Minister, Sie haben in Ihrem Hause seinerzeit eine Vorlage entwickelt. Hat dieser Vorlage der Herr Bundeskanzler seine Zustimmung gegeben?
Jawohl.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erler.
Herr Minister, wenn für die Einführung einer Genehmigungspflicht für die Produktion von, den Umgang und den Handel mit Kriegswaffen die Definition des Angriffskrieges kein unübersteigbares Hindernis gewesen ist, warum sollte dann die Einführung einer Genehmigungspflicht für die Mitwirkung deutscher Staatsangehöriger an der Produktion. und Entwicklung derartiger Waffen im Ausland ein unübersteigbares Hindernis in der Definition des Angriffskrieges finden?
Herr Kollege Erler, an und für sich wäre das eine Frage, die an das Wirtschaftsressort zu richten wäre.
Es handelt sich hier um ein Ausführungsgesetz zu Art. 26. Ich bin aber bereit, kurz darauf zu erwidern. Das Waffengesetz ist mit allen Möglichkeiten ausgeschöpft. Abs. 1 des Art. 26 bezieht sich nicht auf das Waffengesetz, sondern ganz allgemein auf das friedliche Zusammenleben und insbesondere auf die Mitwirkung bei angriffskriegerischen Handlungen.
Meine Damen und Herren, wir stehen nun am Ende der Fragestunde.Wir kommen damit zu Punkt 2 der Tagesordnung:Beratung der Sammelübersicht 30 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 31. März 1964 eingegangenen Petitionen (Drucksache IV/2169).Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Es ist so beschlossen.Punkt 3 der Tagesordnung wird erst nachmittags um 15 Uhr aufgerufen.Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes (Drucksache IV/1646) ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/2121) ;
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Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schmidt . Er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich danke.Wir kommen in zweiter Beratung zu Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Wir kommen nun zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP auf Um-
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5966 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Vizepräsident Dr. Jaegerdruck 440. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen vom 11. April 1962 des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Verschmutzung der See durch Öl, 1954, und zur Änderung des Gesetzes vom 21. März 1956 ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/2130)
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Der Herr Berichterstatter, der Abgeordnete Falke, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt; ich danke ihm dafür.Ich rufe in zweiter Beratung die Artikel 1 bis 6, die Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Drachsler, Dr. Reinhard, Dr. Höchst, Glüsing , Bauknecht, Bewerunge und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (Drucksache IV/1234) ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/2141)
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Müller , für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung die Artikel 1, 2 und 3 sowie die Einleitung und die Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bunderregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Übergang von Zuständigkeiten auf dem Gebiete des Rechts des Gesundheitswesens ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache IV/2172) (Erste Beratung 116. Sitzung)Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung die §§ 1 bis 5, die Einleitung und die Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Wir kommen nun zu dem zweiten Antrag des Ausschusses:die Bundesregierung soll erneut überprüfen, ob nicht die Zuständigkeit auf dem Gebiet der Veterinärmedizin geschlossen auf den Bundesminister für Gesundheitswesen zu übertragen ist.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine 'Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen; einstimmig beschlossen.Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Indien über den Fluglinienverkehr ;
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Vizepräsident Dr. JaegerSchriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/2189)
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Höchst, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung die Artikel 1 und 2, die Einleitung und die Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um .die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig verabschiedet.Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Bodennutzungs- und Ernteerhebung ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache IV/2198)
Der Berichterstatter, der Abgeordneter Wehking, hat den Schriftlichen Bericht vorgelegt. Ich danke ihm dafür.Ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1 bis 20, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung ein gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Statistik der Arbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres ('Drucksache IV/2199)
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Wehking, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf §§ 1 bis 6, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Bauknecht, Dr. Schmidt , Walter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Abwicklung des Reichsnährstandes und seiner Zusammenschlüsse (Drucksache IV/1277);Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache IV/2137).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Reinhard, für seinen Schriftlichen Bericht.Soweit mir bekannt ist, wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zurückzuverweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so zurückverwiesen.Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen (Drucksache IV/2138).
Ich danke der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Eilers, für den Schriftlichen Bericht. Wir kommen zur zweiten Beratung. Ich rufe auf §§ 1 bis 16, Einleitung und Überschrift. — Das Wort hat die Abgeordnete Frau Pitz-Savelsberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einen Antrag zur dritten Lesung ankündigen. Die Drucksache liegt leider im Augenblick noch nicht vor; sie kommt aber. Es handelt sich um den § 2. Im Abs. 1 des § 2 ist in der letzten Sitzung des Jugendausschusses ein Passus gestrichen worden, der bei genauerer Betrachtung nicht hätte gestrichen werden dürfen. Es steht nun in der Ausschußfassung: Träger
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5968 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Frau Pitz-Savelsbergsind die Verbände. Vorher hatte in § 2 Abs. 1 gestanden: Träger sind die Verbände und ihre Untergliederungen. Man hat geglaubt, die Worte„ und ihre Untergliederungen" seien überflüssig. Es hat sich aber erwiesen, daß im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsort, mit der Leistung der Versicherungsbeiträge und mit all diesen technischen Dingen die Erwähnung der Untergliederung im Gesetz notwendig ist und daß wir sie wieder hineinbringen müssen.Das ist der Sinn des Antrages, den wir zur dritten Lesung vorlegen. Ich möchte Ihnen das jetzt schon erklären, damit Sie wissen, um was es sich handelt.
Meine Damen und Herren, zur zweiten Lesung liegt also noch kein Antrag vor. Wir können über die aufgerufenen Bestimmungen §§ 1 bis 16, Einleitung und Überschrift abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Eilers.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Sozialdemokratische Partei unterstützt die von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingereichte Vorlage und ist sehr froh, daß wir heute endlich dazu kommen, das Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres zu verabschieden. Wir haben leider über ein Jahr gebraucht, um diese Materie in 15 Ausschußsitzungen in richtiger Weise zu regeln. Das hat zwei Gründe gehabt, von denen einer darin bestand, daß innerhalb der einbringenden Mehrheitspartei, der CDU/CSU, nicht entsprechend frühzeitig eine Koordinierung der Fragen herbeigeführt werden konnte. Der andere Grund war, daß der Herr Bundesarbeitsminister seine Mitarbeiter in einer ziemlich großen Phase der Beratung leider nicht zur Verfügung stellen wollte, so daß wir dadurch praktisch erst am Anfang dieses Jahres zu endgültigen Formulierungen kommen konnten.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5969
das ja sowieso nur auf Grund einer Änderung des Grundgesetzes eingeführt werden könnte. Ich glaube, daß man sich hier einig ist. Das ist nicht gewollt und darf auch bei uns nie gewollt sein. Hier soll vielmehr jungen Menschen, die bereit sind, der Gemeinschaft ein Opfer darzubringen, dieses Opfer in gewisser, wenn auch bescheidener Weise honoriert werden. Und dazu sagen wir von der Sozialdemokratischen Partei freudigen Herzens ja.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Pitz:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der ersten Lesung dieses Initiativgesetzentwurfs der CDU/CSU und der FDP ist über ein Jahr vergangen. Wir haben aber in diesem Jahr intensiver Ausschußarbeit eine breite Mehrheit für dieses Gesetz gefunden, wofür wir recht dankbar sind.Der Grundgedanke ist die Gleichstellung des freiwilligen sozialen Jahres mit der Berufsausbildung mit der Konsequenz, daß auch während dieser Zeit wie während der Zeit einer Berufsausbildung Leistungen wie Renten, Kinderzuschläge, Kindergeld, Steuerermäßigungen und Vergünstigungen anderer Art weiterlaufen. Die Auffassung, daß dieses Jahr Erwerbsarbeit sei, führte bisher dazu, daß mit dem Eintritt in einen solchen Dienst alle Bezüge fortfielen und sogar zurückgezahlt werden mußten, wenn sie in Unkenntnis der Lage angenommen worden waren. Das hat nicht nur zu einer Verbitterung weiter Kreise geführt, sondern das hat auch den Eltern den Mut genommen, sich zu entschließen, ihren Kindern ein solches Jahr zu gewähren.Die Gleichstellung mit der Berufsausbildung führt aber nicht dazu — so ist das irrtümlich aufgefaßt worden —, daß nun die Berufsausbildung um ein Jahr gekürzt werden könne oder daß das freiwillige Jahr in allen Fällen als Ersatz für ein Praktikum im Rahmen einer Berufsausbildung gelten könne. Ob, wie und in welchem Umfang eine Anrechnung auf ein soziales Praktikum erfolgen kann, hängt von
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5970 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Frau Pitz-Savelsbergden jeweiligen Ausbildungsbestimmungen ab und gehört nicht in dieses Gesetz. In keinem Fall — das muß man betonen — kann das freiwillige soziale Jahr als Ersatz für den Wehrersatzdienst gelten.Es gibt viele Gründe, die die Förderung notwendig machen. In erster Linie sollen natürlich die Nachteile aus dem Weg geräumt werden, um die Bereitschaft zur Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres zu erhöhen und dadurch mehr Hilfskräfte in die Einrichtungen zu bekommen, in denen überlastete Berufskräfte sehr dankbar für die Hilfe sind. Aber wir sehen neben diesen willkommenen Hilfsdiensten auch einen wesentlichen Wert für die Jugendlichen selbst. In der Tätigkeit für den Nächsten, in der Durchführung der praktischen Nächstenliebe wächst auch das Verantwortungsbewußtsein für das Gemeinwohl. Die gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen aus diesem Jahr werden überdies der jungen Frauengeneration einen bleibenden Wert bedeuten und werden ihr helfen bei der Bewältigung ihrer eigenen späteren Aufgaben.Eine Förderung verdient dieses Jahr aber besonders deshalb, weil sich nur ein Teil der Jugend zur Verfügung stellt und dieser Teil der Jugend für das Gemeinwohl weit mehr tut als die Jugend sonst.Nun wird man fragen können: Ja, aber warum dann nicht eine Verpflichtung für die gesamte Jugend? Hier kommen wir an die Fragen, die Frau Kollegin Eilers eben besorgt erwähnt hat. Hier setzt nämlich draußen in der Öffentlichkeit die Diskussion um das Pflichtjahr ein. Sicherlich ist der Einwand berechtigt, daß die Freiwilligkeit nicht genügend Helferinnen herbeibringen wird, um alle Lücken zu füllen. Darauf müssen wir aber sagen, daß das freiwillige soziale Jahr keine arbeitsmarktpolitische Maßnahme ist, um in einer Mangelsituation auf dem Arbeitsmarkt Abhilfe zu schaffen.
Im übrigen wird auch ein Pflichtjahr diesen Mangel nicht ausfüllen können. Ganz abgesehen davon, daß wir uns im Grundgesetz selbst die Barriere gesetzt haben, die kein Pflichtjahr zuläßt, und eigentlich die Diskussion hierüber überhaupt überflüssig ist, wäre es auch praktisch nicht durchzuführen. Ein normaler Entlaßjahrgang der Mädchen umfaßt im Durchschnitt 400- bis 420 000. Die Betreuung dieser Mädchen, die alle gleichzeitig in den Einsatz kämen, erforderte eine Anzahl von mindestens 16- bis 20 000 hockqualifizierten sozialpädagogischen Kräften, und gerade diese Kräfte fehlen uns ja. Wenn man ein neuntes Schuljahr nicht durchführen kann, weil man nicht die dazugehörigen Lehrer hat, und wenn man die nötigen Betreuungskräfte nicht hat, um die Sache überhaupt zu einem Erfolg zu führen, dann kann man auch keinen Pflichtdienst für Mädchen durchführen. Aber der Zwang, die Verpflichtung widerspricht auch dem Wesen der Karitas an sich. Also auch aus inneren Gründen muß die Freiwilligkeit für diese Tätigkeit vorausgesetzt werden.
Zwang würde im übrigen die pflegerischen Berufe, die nicht sehr hoch im Ansehen stehen, um den letzten Rest ihres Ansehens bringen. Es sind keine Berufe, die lohnend sind im Hinblick auf Gelderwerb. Wenn wir diesen Berufen ihr Ansehen und ihren Rang wiedergeben wollen, können wir das niemals tun, indem wir Menschen dazu zwingen.
Wir können das nur dadurch tun, daß wir eine Elite schaffen, und das ist der Sinn dieses Gesetzes. Elite ist der Sauerteig jeder Gesellschaft. Wir stellen hohe Erwartungen an eine geistige Elite, an eine Führungselite. Hier im freiwilligen sozialen Jahr stellt sich eine Elite anderer Art. Es ist eine Elite mitmenschlichen Verhaltens, und hier ist der Ansatz gegeben zu einer Wandlung sozialen Denkens von innen her.Wenn man von den Sozialreformen spricht, muß man sich darüber klar sein, daß man das nicht mit Gesetzen schafft. Man muß beim Menschen anfangen. Die Kernfigur aller Bemühungen muß der Mensch sein, dessen uneigennützige Hilfsbereitschaft aus dem sozialen Verantwortungsbewußtsein des einzelnen kommt. Und das hat die Jugend begriffen, wenigstens dieser Teil. Der Funke ist in ihr wach geworden, und wir müssen jetzt dafür sorgen, daß er nicht wieder erlischt.
Ich muß auch bemerken, daß das freiwillige soziale Jahr nicht durch den Gesetzgeber jetzt geschaffen worden ist. Es ist geschaffen worden durch freie Träger und existiert schon seit langen Jahren. Der Gesetzgeber hat sich nur darauf beschränkt, die Merkmale des Dienstes im Gesetz festzuhalten, so wie sie von der Praxis abgelesen sind. Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege z. B. haben fast alle heute Einrichtungen des sozialen Jahres jüngeren oder älteren Datums. Die ältesten und bekanntesten und auch die verdientesten sind das „Diakonische Jahr" und das „Jahr für den Nächsten".Der Aufbau und die Pläne zur Durchführung sind ausschließlich Sache des Trägers. Die Träger müssen zugelassen sein. Es kann nicht jede kleine Vereinigung die Trägerschaft eines freiwilligen sozialen Dienstes übernehmen. Das ist klar, wenn man sich das Gesetz ansieht und die Voraussetzungen und Bedingungen liest, die an eine solche Trägerschaft geknüpft sind. Zugelassen sind — das sagte Frau Eilers eben auch schon — 1. die Verbände der freien Wohlfahrtspflege — es ist deren ureigenste Aufgabe, soziale Aufgaben zu übernehmen —, 2. die Kirchen und 3, die kommunalen Körperschaften. Weitere Träger — wir wissen nicht, wer sich noch darum bemühen wird — können zugelassen werden, wenn sie eine den Bestimmungen des Gesetzes entsprechende Durchführung gewährleisten. Die Zulassung erfolgt durch eine zuständige Landesbehörde.Die wesentlichsten Voraussetzungen für die Durchführung eines freiwilligen sozialen Jahre sind eine theoretische Einführung, eine pädagogische Betreuung während der Zeit des Dienstes und eine sorgfältige Veranstaltung zum Abschluß des Dienstes, um den
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5971
Frau Pitz-Savelsbergjungen Helfern und Helferinnen bewußt zu machen, wie sie dieses Jahr in ihren eigenen Lebensplan einzuordnen haben. Diese sorgfältige Führung und der psychologisch richtige Einsatz der jungen Kräfte auf Grund genauer Beobachtung sind notwendig, um den notwendigen Erfolg zu erreichen. So groß der Wert einer durchgestandenen Bewährungsprobe für einen jungen Menschen ist — und das ist das freiwillige soziale Jahr in allen Fällen —, so verheerend für das jugendliche Selbstbewußtsein ist das Erlebnis des Versagens vor einer selbstgestellten Aufgabe.Die sorgfältige Führung durch die Träger konnte bisher gewährleistet werden, und es gab wenig Versager. In diesem Punkt, muß man sagen, haben sich die bisherigen Träger große Verdienste erworben. Deshalb glaubten wir, von einem Anerkennungsverfahren, wie es ursprünglich vorgesehen war, absehen zu können. Es ergab sich nämlich, daß eine sinnvolle Abgrenzung zwischen den erfahrenen und von ihrer Aufgabe her sogar berufenen Trägern und den neu sich bewerbenden Gruppen sehr schwierig war.Meine Fraktion ist deshalb der Meinung, daß man die Träger wie die bekannten Wohlfahrtsverbände, deren Wirken im Bereich der sozialen Wohlfahrt von eh und je unbestritten ist, nicht wegen einer Einzelaufgabe, wie sie sich hier neu ergibt, die aber m Rahmen ihrer Gesamtaufgabe liegt, nicht einem neuen Anerkennungsverfahren unterwerfen kann. Man kann das besonders dann nicht, wenn das Anerkennungsverfahren mit Maßstäben arbeitet, die von diesem Träger selber in mühevoller Pionierarbeit entwickelt und nun schon jahelang praktiziert worden sind. Das Prinzip der Zulassung, wie es jetzt im Gesetz verankert ist, entspricht mehr den Gegebenheiten, und es ist mit Mehrheit in den Ausschußberatungen im Gesetz festgelegt worden.Nun ein Wort zur Situation der Helferinnen. Die Freiheit der Träger in der Durchführung des freiwilligen sozialen Jahres wird — abgesehen von einigen technischen Anweisungen in bezug auf Zeugnisse und Bescheinigungen —,durch das Gesetz nicht berührt. Das Gesetz legt die versicherungsrechtliche und arbeitsrechtliche Stellung der Helferinnen und Helfer fest; das muß geklärt werden, damit Nachteile vermieden werden. Die ,Sozialhelferin ist sozialversichert. Der Träger übernimmt den vollen Versicherungsbeitrag. Das Jahr ist ein Rentenjahr für die Sozialversicherten und für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes eine anrechnungsfähige Ausbildungszeit; das letzte braucht im Gesetz nicht geregelt zu werden, weil sich das nach schon bestehenden Rechtsgrundlagen ergibt. Der Dienst wird grundsätzlich unentgeltlich und uneigennützig geleistet. Taschengeld und Sachbezüge ändern den Charakter der Uneigennützigkeit nicht. Man bedenke, welche Verdienstmöglichkeiten für junge Menschen heute in der Wirtschaft bestehen, auf die sie verzichten, um ein Jahr lang gegen ein Taschengeld im Dienste der Karitas zu arbeiten.Sehr glücklich sind wir darüber, daß es uns gelungen ist, einen rückwirkenden Termin — ab 1. April 1964 — in das Gesetz hineinzubringen. Dadurch werden noch die diesjährigen Schulentlassenen mit erfaßt, denen die Vorteile des Gesetzes dann zugute kommen. Ein späterer Inkraftsetzungstermin hätte im übrigen wegen der Umstellung auf das Gesetz zu Schwierigkeiten verwaltungstechnischer Art geführt.Mit diesem Gesetz sind also die vielbeklagten Benachteiligungen, unter denen die Helfer im freiwilligen sozialen Jahr zu leiden hatten, behoben. Damit hat der Bund alles getan, was im Rahmen seiner Zuständigkeit geschehen konnte. Damit ist aber nicht gesagt, daß alle Förderungsmöglichkeiten erschöpft sind. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß man auch in den Ländern die Absicht hat, diese Förderungsmaßnahmen des Bundes durch eigene zu ergänzen. Es ist zu wünschen und zu hoffen, daß möglichst viele Mädchen dem Ruf zum freiwilligen sozialen Jahr folgen, nicht nur um zu helfen, sondern auch um für sich selbst, für ihre Persönlichkeitsentfaltung und für ihre späteren Aufgaben im Leben etwas zu gewinnen. Man kann sagen, daß das freiwillige soziale Jahr beste Lebensschule ist.Einige Bedenken sind noch in bezug auf den Einsatz z. B. im Haushalt aufgetaucht. Ich sage grundsätzlich, daß kein Einsatz erfolgt, der nicht über eine bewährte Organisation, durch eine Trägereinrichtung geschieht. Ich darf weiter z. B. gegenüber den Bedenken, die dagegen erhoben werden, junge Mädchen in Krankenhäusern und Pflegeheimen einzusetzen, sagen, daß hier die vorhandenen Bestimmungen zum Schutze Jugendlicher in der Krankenpflege und auch alle Jugendschutzbestimmungen gelten. Das sage ich denen, die glauben, daß nach dieser Richtung hin Bedenken bestehen können. Der freiwillige soziale Dienst und damit auch die Berufe, im Rahmen derer 'er geschieht, werden an Ansehen und Anziehungskraft in dem Maße wachsen, in dem sich junge Menschen mit vollem Herzen zu diesem Dienst bekennen und dazu ja sagen.Im Namen meiner Fraktion bitte ich nun das Hohe Haus, zunächst den Antrag anzunehmen, den ich erläutert habe und der Ihnen mittlerweile vorliegt, und zweitens, dem Gesetz zuzustimmen und es in dritter Lesung zu verabschieden. Damit ist der Weg frei gemacht für die Entwicklung einer Einrichtung, die wahrhaft in mancher Beziehung und in vielfacher Hinsicht segensreich ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der FDP bejaht das Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres, das sie mit eingebracht hat, in vollem Umfang. Sie bejaht es insbesondere wegen der Freiwilligkeit. Ich möchte das an dieser Stelle ebenso wie meine beiden Vorrednerinnen noch einmal deutlich aussprechen; denn außerhalb dieses Hauses bestehen Befürchtungen und Hoffnungen, daß mit diesem Gesetz ein Pflichtjahr vorbereitet werden könnte; ja, auch Hoffnungen, zum Teil bei den jungen Menschen selbst, die das soziale Jahr
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5972 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Frau Funcke
an sich gern ableisten wollen, die aber die Entscheidung dazu vor sich selbst nicht fällen wollen und auch gegenüber den Eltern und der Meinung der Umwelt nicht durchfechten möchten.Wir meinen, gerade um die freiwillige Entscheidung geht es in diesem Fall. Unsere Demokratie ist auf der freien Entscheidung zur Selbstverpflichtung aufgebaut. Wer die im Grundgesetz garantierte Freiheit nur als Freiheit zur Selbstverwirklichung versteht, verfehlt den Sinn der freiwilligen Ordnung genauso wie derjenige, der allzu früh nach staatlichen Zwangsmaßnahmen ruft. Es muß uns daher bei der Erziehung der heranwachsenden Generation entscheidend darauf ankommen, daß die Jugend die Fähigkeit zur selbstständigen Entscheidung von frühauf übt und entwickelt.Gerade dieses Gesetz scheint uns in der Hilfe und der Sorge für den hilfsbedürftigen Menschen, die ja mehr als den Einsatz persönlicher Kräfte erfordern, eine besonders eindrucksvolle Möglichkeit zu geben, sich selbst aus freien Stücken eine Aufgabe zu setzen und sich trotz mancher schwerer Erfahrungen immer wieder zu ihr zu bekennen.Unser Gesetz, das der Bundestag heute beschließen wird, kann dazu nur einige Steine aus dem Wege räumen, d. h. besonders schwere materielle Opfer für einzelne erleichtern. Die Hauptlast aber, die Entscheidung und die persönlichen Opfer an Zeit und Kraft, an persönlicher Hingabe kann und, so meinen wir, sollte auch den jungen Menschen unserer Zeit nicht abgenommen werden, hier nicht und auch nicht an anderer Stelle.Vielleicht könnte dieses Gesetz auch ein Weg-weiser sein. Entgegen manchen Unkenrufen, die man immer wieder hört, ist unsere heranwachsende Generation nicht oberflächlicher und nicht ichbezogener als frühere Generationen.
Sie ist ebenso hilfsbereit und ebenso einsatzfreudig wie die Jugend aller Zeiten. Aber entgegen der Generation, die einmal die Jugendbewegung geschaffen hat, sucht sie die Wege zur Verwirklichung nicht selbst, sondern wartet, beobachtend und aufmerksam, welche Wege ihr die Erwachsenen weisen, um dann kritisch oder nacheifernd dazu Stellung zu nehmen. So könnte das Gesetz, hinter dem ja, wie wir gehört haben, der ganze Bundestag steht, ihr einen Fingerzeig dazu geben, einen Weg zu gehen, den man selbst nur ungewiß ertastet.Namens meiner Fraktion möchte ich an dieser Stelle all den jungen Mädchen und jungen Männern, die in den vergangenen zehn Jahren verantwortungsvoll und still ein oder zwei Jahre ihres Lebens in den Dienst am Nächsten gestellt haben — es sind über 9000 —, unseren herzlichen Dank und unsere Anerkennung aussprechen.
Sie bewegten sich noch auf ungewisserem Boden. Doch haben sie uns gerade durch ihre Bewährung die Sicherheit gegeben, die aus Erfahrungen gewachsene Form des Dienstes rahmenmäßig in ein Gesetz zu bringen.Unsere Bitte geht heute über das Haus hinaus an die Eltern unserer heranwachsenden Jugend, daß sie Verständnis haben mögen, wenn sich ihre Söhne und Töchter zu einem sozialen Jahr entscheiden wollen, und daß sie ihnen den Entschluß nicht erschweren.Sicherlich verlieren die jungen Leute ein Jahr ihrer 40- bis 50jährigen Berufstätigkeit. Vielleicht heiraten sie ein Jahr später. Sie verdienen ein Jahr lang nur gerade das Taschengeld. Aber was sie an gleicher Stelle gewinnen an menschlicher Einsicht, an sozialem Verständnis, an praktischen Fähigkeiten, an Verantwortungsbewußtsein und Hilfsbereitschaft, das wiegt, so scheint mir, für ihr ganzes Leben mehr.Die FDP-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu.
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.Wir kommen zur Einzelberatung des § 2. Ich weiß nicht, ob der Änderungsantrag, der von der Frau Abgeordneten Pitz-Savelsberg begründet wurde, Ihnen vorliegt. Es ist der Antrag Umdruck 451. Ich kann ihn verlesen, weil er sehr kurz ist: § 2 Abs. 1 Nr. 1 in der Ausschußfassung wird wie folgt ergänzt: hinter dem Wort „Verbände" wird das Komma gestrichen und werden die Worte „und ihre Untergliederungen" angefügt. Hiernach ist wohl wieder ein Komma zu setzen.Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem verlesenen Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
— Wenn Sie absolut wollen: Enthaltungen? — Wir wenden hier das verkürzte Verfahren an. Nur bei der Schlußabstimmung wird ganz genau festgestellt, wie im einzelnen abgestimmt wird. Ich stelle aber fest, daß links zahlreiche Enthaltungen waren.Ich lasse nunmehr über § 2 mit der soeben beschlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einige Enthaltungen.Meine Damen und Herren, damit ist auch die Einzelberatung abgeschlossen, weil weitere Änderungsanträge nicht vorliegen.Wir kommen damit indritter Beratungzur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5973
Vizepräsident Dr. JaegerWir kämen jetzt zu Punkt 13 der Tagesordnung. Wie ich aber soeben höre, soll dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werden. Entspricht das dem allgemeinen Wunsch? — Kein Widerspruch; dann ist Punkt 13 von der Tagesordnung abgesetzt.Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, den nächsten Punkt, Punkt 14 — Arzneimittelgesetz —, etwas später aufzurufen, weil sich ein Änderungsantrag hierzu noch in der Vervielfältigungsmaschine befindet. Sie werden damit einverstanden sein.Ich rufe nunmehr Punkt 15 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbaugesetzes ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksachen IV/2142, zu IV/2142).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Besold, dem ich für seinen Schriftlichen Bericht danke. Zur Ergänzung seines Berichts erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Besold das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich feststellen, daß im Schriftlichen Bericht Drucksache zu IV/2142 auf Seite 2 unten links eine Druckfehlerkorrektur vorgenommen werden muß. Es heißt hier: „die schon bisher „nur" Baulandsteuer herangezogen wurden." Es muß heißen: „z u r Baulandsteuer herangezogen wurden."Es ist wohl angezeigt, noch etwas über die Gründe zu sagen, die die beiden Ausschüsse zu dem Beschluß veranlaßt haben, die Vorschriften über die Baulandsteuer nach lediglich vierjähriger Geltungsdauer aufzuheben.Bei der Einbringung des Änderungsgesetzes zum Bundesbaugesetz mit dem Ziele der Aufhebung der sogenannten Baulandsteuer im März vorigen Jahres wurden im Plenum folgende Vorstellungen entwickelt: Man sollte das Gesetz aufheben oder suspendieren oder modifizieren. Die Debatte im Plenum vom 13. März 1963 ergab, daß die Ziele, die mit der Einführung der Baulandsteuer verfolgt worden waren, nämlich a) den Markt für baureife Grundstücke in Bewegung zu bringen, b) mehr Bauland zu beschaffen und c) durch Vermehrung des Angebots an baureifen Grundstücken die Preissituation auf dem Baumarkt zu verbessern, nicht erreicht worden sind — wohl infolge der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung und ihrer vielschichtigen Auswirkungen — und daß stattdessen negative Erscheinungen eingetreten sind. Ich möchte Ihnen kurz ins Gedächtnis zurückrufen, was damals im Plenum gesagt worden ist.Es wurde behauptet, für den kleinen Mann habe die Baulandsteuer enteignungsähnlichen Charakter; sie sei als unmoralisch und unsozial empfunden worden; es seien auch Bundesverfassungsgerichtsverfahren bezüglich der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes eingeleitet worden; auf Grund der nachträglich eingetretenen konjunkturellen Entwicklung wirke sich die Baulandsteuer bei den unteren und mittleren Schichten gegen die angestrebte breite Streuung des Eigentums aus. Außerdem wurde betont, daß die Baulandsteuer den Charakter der Objektsteuer da und dort verloren habe, weil insbesondere Städte die Erhebung der Grundsteuer C dazu benutzten, übermäßige Hebesätze einzuführen — bis zu 1000 % und darüber hinaus — und so auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Eigentümers — ein Kriterium der Objektsteuer — keine Rücksicht nähmen.Sowohl der Wohnungsbauausschuß als mitberatender Ausschuß als auch der federführende Finanzausschuß empfehlen, die Vorschriften über die Baulandsteuer mit Wirkung vom 1. Januar 1963 aufzuheben. Während der Finanzausschuß die ersatzlose Aufhebung empfiehlt, hat der Wohnungsbauausschuß mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Opposition den Vorschlag beschlossen, gleichzeitig mit der Aufhebung der Baulandsteuer die Steuermeßzahl für unbebaute baureife Grundstücke auf 20 vom Tausend festzusetzen und ähnlich wie bei den Steuermeßzahlen für Einfamilienhäuser eine Degression für kleine Grundstücke vorzusehen. Dabei soll sich die Steuermeßzahl von 20 vom Tausend für ein oder mehrere Grundstücke, die demselben Eigentümer gehören, bis zu einem Einheitswert von insgesamt 10 000 DM auf 10 vom Tausend ermäßigen. Gleichzeitig soll die Befugnis der Gemeinden, für die Baulandsteuer einen besonderen Hebesatz festzusetzen, entfallen. Nach den Vorstellungen des Wohnungsbauausschusses soll damit vermieden werden, daß bei Aufhebung der Baulandsteuer automatisch die niedrigere Steuermeßzahl von 5 vom Tausend in Kraft tritt.Nach eingehender Prüfung hat der Finanzausschuß jedoch, wie gesagt, die ersatzlose Aufhebung der Baulandsteuer vorgeschlagen. Ich darf Ihnen im folgenden die wesentlichen Gründe mitteilen, die ihn zu diesem Beschluß veranlaßt haben.1. Gegen den Alternativvorschlag des Wohnungsbauausschusses sprechen im wesentlichen die gleichen Argumente, die gegen die Baulandsteuer sprechen.2. Eine Steuermeßzahl von 20 vom Tausend wäre doppelt so hoch wie die allgemeine Steuermeßzahl von 10 vom Tausend. Hierin würde sich ein Vorgriff auf die Neubewertung des Grundbesitzes, die einem besonderen Gesetz vorbehalten ist, abzeichnen. Dagegen sprechen wie bei der Baulandsteuer aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Grundstücksarten erhebliche Bedenken.3. Die unter sozialen Gesichtspunkten vorgeschlagene Ermäßigung der Steuermeßzahl von 20 v. T. auf 10 v. T. wäre sehr schwer praktikabel. Nur durch ein umständliches und zeitraubendes Verfahren könnte festgestellt werden, bei welchen von mehreren, gegebenenfalls sogar in verschiedenen Gemeinden liegenden Grundstücken die Ermäßigung für 10 000 DM des Einheitswerts eintritt und welche
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5974 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Dr. BesoldGemeinde diesen Steuerausfall tragen soll. Ganz allgemein ist der Ausschuß aber der Ansicht, daß durch die Baulandsteuer eine erhebliche Belastung für die Verwaltung entstanden ist, insbesondere durch die Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beurteilung der Baureife unbebauter Grundstücke sowie durch die zahlreichen Ausnahmen von der Baulandsteuerpflicht.
4. Man ist zu der Überzeugung gekommen, daß die Baulandsteuer ihren Zweck nicht erreicht hat. Das Grundstücksangebot wurde nicht vermehrt, auf die Preisgestaltung hat sie keinen Einfluß gehabt.5. Die sozialen Auswirkungen sind infolge der konjunkturellen Entwicklung negativ. Der Kleinvermögensbesitzer würde am härtesten getroffen werden.6. Die Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit soll wiederhergestellt werden. Es kann nicht an der Tatsache vorübergegangen werden, daß beim Verwaltungsgericht in Hannover die Verfassungsmäßigkeit der Baulandsteuer in Frage gestellt wurde. Dieser Ansicht schließt sich auch ein Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf und ein Urteil des Finanzgerichts Kassel an. Außerdem muß auch festgestellt werden, daß in einigen Bundesländern der Vollzug der Baulandsteuer ausgesetzt worden ist, in anderen wieder nicht. Sogar innerhalb einiger Bundesländer ist der Vollzug der Baulandsteuer in nebeneinander liegenden Gemeinden ganz verschiedenartig gehandhabt worden.Es soll auch darauf hingewiesen werden, daß bei den Feststellungen, die die Ausschüsse getroffen und die sie zu ihrer Empfehlung bewegt haben, eine Rolle spielt, daß das Aufkommen von 30 Millionen DM nicht so sehr ins Gewicht fällt, wenngleich die Haushalte auf jede Million angewiesen sind. Um die Auswirkungen der Baulandsteuer wieder ins richtige Lot zu bringen, dürfte der Ausfall von 30 Millionen DM nicht ins Gewicht fallen.Endlich muß zum Schluß gesagt werden, daß die Wiederherstellung organischer und rechtsgleicher Verhältnisse auf dem Gebiete der Vermögensbesteuerung auch bei unbebauten baureifen Grundstücken der Neuberwertung des Grundbesitzes und den daran anschließenden steuerlichen Maßnahmen vorbehalten sein soll.Es wird daher empfohlen, daß das Plenum dem Antrag auf Drucksache IV/2142 zustimmt. Danach soll mit Wirkung vom 1. Januar 1963 die sogenannte Baulandsteuer aufgehoben werden. Es soll auch festgestellt werden, daß ein Teil dieser Steuer schon gestundet ist. Soweit Steuer erhoben wurde, müßte die erhobene Steuer für diesen Zeitraum erstattet werden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.Die Aussprache ist eröffnet. — Das Wort wird anscheinend nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.Wir stimmen ab über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung grundsteuerlicher Vorschriften, Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift. — Wer dem Gesetz in dieser Form zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig verabschiedet.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.Wir kommen zur ,Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf im ganzen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Die Gegenprobe bitte! — Enthaltungen? — Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig verabschiedet.Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Strafrechtsänderungsgesetzes ;Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses „Strafrecht" .
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. h. c. Güde. Ein Schriftlicher Bericht liegt vor. — Der Berichterstatter wünscht diesen Bericht nicht zu ergänzen.Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung.— Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1,— Art. 2, — Art. 3 — Art. 4 entfällt —, Art. 5, — Art. 6, — Art. 7, — Einleitung und Überschrift. — Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung einstimmig verabschiedet.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.Wir kommen zur Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf im ganzen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Die Gegenprobe bitte! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung einstimmig verabschiedet.Meine Damen und Herren, auf Grund des Beschlusses am Beginn der Sitzung und einer Vereinbarung zwischen den Fraktionen wird die Tagesordnung am folgenden Punkt erweitert;
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Vizepräsident Schoettlea) Beratung des Zweiten ,Schriftlichen Berichts des Rechtsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften (Drucksachen IV/806, IV/2195) ;b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Rechtsausschusses über den von der Fraktion der SPD 'eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 556 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Drucksachen IV/1554, IV/2201).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Hauser. — Herr Dr. Mommer!
Herr Präsident, die Änderungsanträge liegen noch nicht vor, und deswegen können wir wohl nicht beraten.
Wir müssen also die Beratung zurückstellen. — Das Haus ist einverstanden. Die Begründung war, daß die Änderungsanträge noch nicht vorliegen. Das wollte ich noch hinzufügen.
Dann rufe ich auf Punkt 18 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Josten, Buchstaller, Dr. Danz und Genossen betr. Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse auf dem Rhein, der verkehrsreichsten Wasserstraße Europas .
Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen. Der Antrag soll an den Ausschuß für Verkehr, Post-und Fernmeldewesen überwiesen werden. — Diesem Überweisungsantrag wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich habe vergessen, dem Hause mitzuteilen, daß auf Grund einer interfraktionellen Absprache der Punkt 17 bis morgen zurückgestellt wird.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Besetzung der Ämter des Präsidenten des Bundesrechnungshofes und des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung .
Ich eröffne die Aussprache. Wird der Antrag begründet? — Der Antrag soll offenbar nicht begründet werden. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Die Vorlage soll an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. — Das Haus widerspricht dieser Überweisung nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 20 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Logemann, Sander, Wächter, Murr, Mauk und Genossen betr. EWG-Regelung für Kartoffeln .
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Wir haben im ,Gesundheitsausschuß eine Regelung gefunden, die die Verantwortung des Herstellers neuer Medikamente noch verstärken soll. Wir sprechen ihn sogar persönlich an, indem wir für die Anmeldung eine ausdrückliche schriftliche Erklärung verlangen, wonach er alles getan hat, um dieses neue Arzneimittel ausreichend und sorgfältig zu prüfen. Das ist der eine Punkt dieser Gesetzesvorlage.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Kollege Hamm, es ist Ihnen doch klar, daß 'wir im Ausschuß in dieser Sache völlig einig waren?
Ja natürlich! Ich spreche ja nicht gegen Sie, Frau Kollegin; ich gebe eine Schlußerklärung.
Der zweite wesentliche Punkt des Gesetzes ist die automatische Rezeptpflicht. Auch hier haben die Beratungen ergeben, daß eine automatische Rezeptpflicht für neue Arzneimittel durchaus ein Weg ist, durch den der Schutz des Bürgers vor Nebenwirkungen neuer Arzneimittel verstärkt werden kann. Es kam uns aber darauf an, die Institution der Rezeptpflicht, die eine besondeere Bedeutung hat — der Arzt soll das Mittel verschreiben —, nicht auszuhöhlen und die Rezeptflicht nur auf die Arzneimittel anzuwenden, die wirklich geeignet sind, automatisch unter die Rezeptflicht gestellt zu werden.
Schließlich hat der Ausschuß für Gesundheitswesen die Beratung des Änderungsgesetzes nicht auf das Arzneimittelgesetz beschränkt, sondern er schlägt auch eine Änderung des Lebensmittelgesetzes vor. Arzneiliche Mastmittel, die Tieren vor der Schlachtung gegeben werden, dürfen nicht mehr verfüttert werden. Ich halte das für eine sehr wesentliche gesundheitspolitische Frage, weil durch die Verfütterung solcher Mittel auch die menschliche Gesundheit gefährdet werden kann. Dazu haben wir weiter vorgeschlagen, die Einfuhr von Schlachtvieh, das mit solchen nicht ungefährlichen arzneilichen Mastmitteln gefüttert wird, intensiver als bisher kontrollieren.
Die jetzt vorgesehene Neuregelung des Arzneimittelgesetzes war gesundheitspolitisch notwendig. Die Entwicklung auf dem Gebiet des Arzneimittelwesens ist schnell. Deshalb mußte das Gesetz eine entsprechende Anpassung erfahren.
Eine weitere wichtige Aufgabe, die Regelung der Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens, steht uns bevor. Diese Aufgabe konnte mit der Novellierung des Arzneimittelgesetzes nicht verbunden werden. Denn dadurch hätte sich deren Beratung weiter verzögert, was wir wegen der Geschehnisse, die uns zu dieser Gesetzesänderung veranlaßt haben, nicht hätten verantworten können.
Die FDP-Fraktion hält die in dem vorliegenden Gesetzentwurf getroffene Regelung für richtig und stimmt daher dem Gesetzentwurf zu.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache in der dritten Beratung geschlossen.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung, die er durch die zweite Beratung erhalten hat, zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe bitte! — Enthaltungen? — Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung einstimmig angenommen und das Gesetz damit verabschiedet.Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 2 des Ausschußantrags, durch die Beschlußfassung über den soeben angenommenen Gesetzentwurf den von der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln sowie die zu dieser Novelle eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Haus stimmt zu.Schließlich haben wir abzustimmen über die Entschließungen unter Ziffer 3 des Ausschußantrags auf Drucksache IV/2162. Sind Sie damit einverstanden, daß wir über die Buchstaben a bis c zusammen abstimmen? — Das ist der Fall. Dann bitte ich die Damen und Herren, die diesen Entschließungen zustimmen, um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Entschließungen sind einstimmig angenommen worden.
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5982 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Vizepräsident SchoettleIch rufe Punkt 23 a auf:Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Sechsundfünfzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 Drucksache IV/2034).Wird dazu von der Bundesregierung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Auch sonst wird das Wort nicht gewünscht.Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Außenhandelsausschuß. — Das Haus widerspricht diesem Vorschlag nicht. Es ist so beschlossen.Punkt 23b:Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Sechzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksache IV/ 2151).EGKS ist also nicht chinesisch, sondern heißt im normalen Deutsch „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl". Ich sage das für den Fall, daß einzelne Kollegen nicht auf den ersten Blick begriffen haben sollten, was diese Abkürzung bedeutet.Begründet wird die Vorlage nicht. Das Wort wird ebenfalls nicht gewünscht. Die Vorlage soll an den Außenhandelsausschuß überwiesen werden. — Das Haus widerspricht nicht. Dann ist so beschlossen.Punkt 23 c:Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Einundsechzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksache IV/2152).Auch diese Vorlage wird nicht begründet. Das Wort wird ebenfalls nicht gewünscht.Die Vorlage soll an den Außenhandelsausschuß— federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend— überwiesen werden. Stimmt das Haus diesen Vorschlägen zu? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 24 a auf:Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Fünfundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Kaschu-Nüsse usw.) (Drucksachen IV/1937, IV/2095).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Diebäcker.
— Wir haben festgestellt, daß Berichterstatter nicht verzichten können. Das Haus kann lediglich den Berichterstattern für ihre Mühe danken. Immerhin: Es ist keine Ergänzung des schriftlich vorliegenden „mündlichen" Berichts notwendig.Es ist auch nicht notwendig, daß abgestimmt wird. Da aus der Mitte des Hauses kein Antrag vorliegt, stelle ich fest, daß das Haus von dem Bericht Kenntnis nimmt.Punkt 24b :Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Zwölfte Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — Dreizehnte Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — (Drucksachen IV/1980, IV/1981, IV/2096) .Eine Ergänzung des von Herrn Abgeordneten Sander erstatteten Berichts wird nicht gewünscht.Ich stelle fest, daß das Haus von dem vorliegenden Bericht Kenntnis nimmt und somit eine Aufhebung der Verordnungen nicht verlangt.Punkt 24 c:Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Fünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Angleichungszoll für Dextrine und Stärke — Neufestsetzung) (Drucksachen IV/2032, IV/2182).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Krug. Der Berichterstatter wünscht nicht, seinen Bericht zu ergänzen. Das Haus stimmt der Empfehlung des Ausschusses zu, die Aufhebung der Verordnung nicht zu verlangen.Punkt 25 der Tagesordnung wird am 30. April aufgerufen.Punkt 26:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Neuregelung der Arbeitszeit der Beamten des Bundes (Drucksachen IV/1816, IV/2082).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wagner. Soll der vorliegende Bericht noch ergänzt werden? — Das wird offensichtlich nicht gewünscht. Wird sonst das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.Der Ausschuß schlägt vor, den Antrag der Fraktion der SPD für erledigt zu erklären. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Ich werde gebeten, das Haus darauf aufmerksam zu machen, daß alle Steuervorlagen — die Punkte 17, 27, 36, 43, 44, 45, 46 und 47 — erst am Donnerstag aufgerufen werden.Ich rufe Punkt 28 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmelde-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5983
Vizepräsident Schoettlewesen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen), Frehsee, Seither, Saxowski und Genossen betreffend Sonderregelung für die Zulassung von Mähdreschern im Straßenverkehr (Drucksachen IV/1701, IV/2129).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Lermer. Sollder Bericht ergänzt werden? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.Der Ausschuß schlägt vor, den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt , Frehsee und Genossen für erledigt zu erklären. Wer stimmt dem Antrag des Ausschusses zu? — Danke. Gegenprobe! — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.Ich rufe auf Punkt 29:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Abgeordneten Wächter, Ertl und Genossen zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes betreffend Senkung der Frachtkosten für Schlachtrinder (Drucksache IV/2131, Umdruck 184) .Berichterstatter ist der Abgeordnete Faller. — Der Bericht soll nicht ergänzt werden.Der Ausschuß schlägt vor, den Antrag der Abgeordneten Wächter, Ertl und Genossen für erledigt zu erklären. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Es ist entsprechend dem Vorschlag des Ausschusses beschlossen.Ich rufe auf Punkt 30:Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martin, Neumann (Allensbach), Blumenfeld, Holkenbrink, Frau Dr. Maxsein und Genossen betreffend Untersuchung über die Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film (Drucksachen IV/1400, IV/2158).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Arnold. Soll der Bericht ergänzt werden? — Das wird offensichtlich nicht gewünscht.— Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Sänger.
Meine Damen und Herren! Der Antrag, den wir im November vergangenen Jahres hier im Plenum hatten und der mit dem Satz begann: „Die Bundesregierung wird ersucht", ist damals nicht an die Bundesregierung gegangen, sondern in den Ausschuß zurück, und zwar in den Kulturpolitischen — mitberatend — und in den Wirtschaftspolitischen Ausschuß als federführenden Ausschuß. Nun kommt er von da wieder zu uns. Wir werden also jetzt die Bundesregierung bitten, dieseKommission einzuberufen, die den Wettbewerb zwischen Presse, Film, Funk und Fernsehen zu überprüfen hat. Meine Freunde sind damit einverstanden, daß wir der Regierung den Auftrag geben, an sie die Bitte richten, diese Kommission zu berufen und sobald wie möglich eine umfangreiche, ausreichende, objektive, unabhängige Berichterstattung darüber zu geben, wie die Wettbewerbsverhältnisse tatsächlich aussehen. Wir werden also für den Antrag stimmen.Aber, meine Damen und Herren, wenn man diesen Antrag in seinem Wortlaut mit der Begründung vergleicht, die er erhalten hat, oder mit dem Bericht, der erstattet worden ist, so sind 'doch einige Bemerkungen notwendig. So richtig es erscheint, die Regierung zu bitten, eine solche Kommission einzuberufen und dies bald zu tun, damit wir bald über einen solchen Bericht verfügen, so notwendig erscheint es aber auch, darauf hinzuweisen, daß diese Kommission ausreichend Ruhe und Zeit haben muß, damit sie einen sorgfältig bearbeiteten Bericht vorlegen kann. Die gründliche Arbeit, die wir erwarten, muß uns endlich Klarheit über die wirklichen Wettbewerbsverhältnisse schaffen. Wir dürfen nicht mehr auf heute von dieser, morgen von jener Seite hingeworfene Zahlen angewiesen sein.Ich habe einige Anmerkungen zu dem Bericht zu machen. Merkwürdigerweise hat der Wirtschaftsausschuß in der Vorlage das Wort „sachverständig" in bezug auf die Kommission gestrichen. Er will damit sicherlich nicht sagen, daß kein Sachverstand berufen werden soll; er schreibt dies ja auch. Er will, daß vor allem die Unabhängigkeit der Kommission betont wird. Mir scheint, beides ist notwendig, sowohl die Unabhängigkeit als auch der Sachverstand. Hier ist nämlich die Entwicklung mehrerer Jahrzehnte zu überprüfen, in denen oft sehr unsachverständige Entscheidungen getroffen worden sind; möglicherweise sind mangelhafte Erkenntnisse jetzt auszugleichen, es ist manches nachzuholen und zu korrigieren.Auf jeden Fall erwarten wir Lösungsvorschläge, die dazu führen, daß alle Medien in der Demokratie zu voller Wirkung kommen und daß Sachverstand und Unabhängigkeit uns angeben, wie das geschehen kann. Es wird Aufgabe der Regierung sein, die Kommission in einer Weise zusammenzusetzen, durch die eine unabhängige und objektive Berichterstattung ermöglicht wird. Dabei sollten nicht allein — wie es in dem Bericht des Ausschusses heißt — Wirtschaftskenntnisse erforderlich sein. Mir scheint, daß auch die Sachkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse in Presse, Film und Rundfunk ausführlich und gründlich berücksichtigt werden muß.Eine zweite Bemerkung! Die Auskünfte, die wir erhalten wollen, müssen vollständig sein. Ich glaube, es ist notwendig, das zu sagen. Aber nicht minder notwendig ist es, hinzuzufügen, daß sie natürlich auch richtig sein müssen.Der Ausschuß fragt, ob das Ganze ohne Gesetz möglich sei. Ich glaube, daß das durchaus möglich ist. Die Presse hat ein Interesse daran, daß die Tatsachen klargestellt werden. Die Verleger werden
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5984 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Sängerdie Karten ebenso auf den Tisch legen müssen, wie die Rundfunkanstalten das tun müssen.Zweckmäßig scheint mir zu sein, daß von keiner Seite Verzögerungen provoziert werden. Der Ausschußbericht sagt, daß, falls die Auskünfte nicht erteilt würden, erst ein Gesetz geschaffen werden müßte, wie das in früheren Fällen in Aussicht genommen war. Dadurch würde eine Verzögerung von beträchtlichem Ausmaße eintreten, an der niemand ein Interesse haben kann.Mir scheint, daß das wichtige Moment, klare, zuverlässige, redliche Auskünfte zu geben, in diesem Augenblick noch einmal betont werden sollte. Wir alle wollen ja die Tatsachen erkunden. Dabei ist es selbstverständlich, daß diejenigen, die in der Kornmission solche Auskünfte erhalten, darüber Schweigen bewahren; denn sonst kann man niemals eine vernünftige Enquete vornehmen. Das gilt selbstverständlich für alle Mitglieder der Kommission.Nun ein dritter Punkt! In dem Bericht wird gesagt, daß es sich wesentlich um Markenartikelwerbung handele. Der Bericht konnte nicht darauf eingehen, aber er hat — wie mir scheint: zweckmäßigerweise — angedeutet, daß damit ein wichtiges Thema angeschnitten worden ist, nämlich die Frage der Verhältnisse der mittleren und kleineren Presse und ihr Verhältnis zur großen Presse. Das ist eine wichtige Frage, die auch der Untersuchung mit bedarf.Schließlich sollte auch der Wettbewerb zwischen Film und Fernsehen nicht ausgelassen werden; der Bericht sagt das ebenfalls, und wir sollten das nicht vergessen. Wir müssen uns dabei der Tatsache bewußt bleiben, daß wirtschaftliche Kraft, die heute sehr stark bei Funk und Fernsehen liegt, niemals dazu benutzt werden darf, daß wirtschaftlich schwächere Teile dieser Medien unserer demokratischen Arbeit unterdrückt werden.Letztens. Der Vergleich mit den Verhältnissen in anderen Ländern sollte, so meine ich, nicht so begrenzt werden, wie es im Bericht — nicht so sehr im Antrag — geschieht. Der Antrag sagt nämlich, man sollte mit anderen Ländern vergleichen, z. B. mit den Vereinigten Staaten, mit England und mit Japan, während es im Bericht heißt, man sollte vergleichen mit Amerika, England und Japan — also ohne die Worte „z. B." —, diesen drei Ländern, in denen ein privates Fernsehen und ein Privatfunk existieren. Mir scheint, wenn wir Vergleiche mit den Verhältnissen in anderen Ländern vornehmen, sollten wir auch solche Länder in Betracht ziehen, in denen der Privatfunk, aus welchen Gründen immer, verboten ist.So objektiv wie möglich soll untersucht werden und so unabhängig wie möglich und niemand zuliebe und niemand zuleide. Denn wir brauchen eine Ordnung der Zusammenarbeit der Medien und nicht das Gegeneinanderarbeiten.Wenn wir den Anfang damit machten, daß Funk und Fernsehen sich insbesondere der großen Erfahrung der Presse auf dem Gebiet der Nachrichtensammlung und -bearbeitung bedienen, so sollten wir die Fortsetzung finden, indem wir untersuchen,ob auch strukturelle Änderungen notwendig erscheinen.
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Arnold.
Der Antrag der Abgeordneten Dr. Martin, Neumann, Blumenfeld, Holkenbrink, Frau Dr. Maxsein und Genossen über die Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk, Fernsehen und Film wurde in der 97. Sitzung des Deutschen Bundestages am 15. November 1963 dem Wirtschaftsausschuß — federführend — überwiesen. Der Ausschuß ist in eine sehr eingehende Beratung eingetreten; er ist zu folgenden Überlegungen gekommen.Eine Untersuchung und ständige Beobachtung der meinungsbildenden Medien hinsichtlich ihrer Organisation, der Art der Ausübung ihrer Tätigkeit und ihrer wirtschaftlichen Struktur ist unter vielen Aspekten im Interesse der Gleichgewichtigkeit dieser Medien zur Wahrung der demokratischen Grundsätze zu jeder Zeit zweckmäßig und sogar dringend geboten. Der Wirtschaftsausschuß hat sich jedoch in Kenntnis dieser Notwendigkeit bewußt darauf beschränkt, eine Untersuchung anzuregen, die allein auf die wirtschaftlichen Aspekte ausgerichtet ist.Unter den Gesichtspunkten der Wettbewerbsgleichheit erscheint eine solche Untersuchung dann dringend geboten, wenn durch die unterschiedliche Rechtsstruktur, wie sie bei der Presse einerseits und dem Funk andererseits gegeben ist, Wettbewerbsungleichheiten bestehen oder sich ergeben können.Eine Beschränkung auf die wirtschaftlichen Aspekte ist aber auch mit Rücksicht auf die Verfassung dringend geboten, um jeden Verdacht einer Zuständigkeitsüberschneidung zwischen Bund und Ländern auszuschließen.Schließlich sieht der Wirtschaftsausschuß eine Untersuchung der wirtschaftlichen Basis auch als die Voraussetzung an, um das Gesamtverhältnis Presse — Funk einmal zu überdenken; eine gesunde unabhängige wirtschaftliche Basis beider Institutionen ist nämlich die unabdingbare Voraussetzung für eine freie Nachrichtenübermittlung und auch eine freie Meinungsbildung.Unter diesen Gesichtspunkten hat der Wirtschaftsausschuß ausdrücklich die Meinung vertreten, daß die Federführung für die geplante Untersuchung beim Bundesminister für Wirtschaft liegen soll. Das Bundeswirtschaftsministerium hat auf Grund der Konzentrationsenquete und auf Grund einiger anderer Untersuchungen besondere Erfahrungen für die Programmierung und Durchführung solcher Untersuchungen. Dieses Ministerium wird deshalb der untersuchungführenden Stelle sehr zweckdienliche Hinweise geben können, und es wird dafür sorgen können, daß die Untersuchung in der kürzesten Frist mit dem geringsten Aufwand durchgeführt wird.
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Dr. ArnoldNach Auffassung des Wirtschaftsausschusses soll nicht die Vermögensstruktur der einzelnen Unternehmen Gegenstand der Untersuchung sein; es soll auch nicht festgestellt werden, ob die derzeitige Kosten- und Ertragslage den wirtschaftlichen Erfordernissen entspricht. Vielmehr legt der Wirtschaftsausschuß Wert darauf, daß geklärt werde, ob durch die Begrenzung der von den Ländern zugelassenen Rundfunk- und Fernsehanstalten die Vielfalt der Nachrichtenübermittlung eingeschränkt wird. Da Funk und Fernsehen unter völlig anderen Organisationsformen ihre Tätigkeit ausüben und eine andersartige Kostenstruktur haben und nicht wie die Presse einem scharfen Konkurrenzkampf ausgesetzt sind, sind Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der Presse denkbar.
Herr Berichterstatter, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Ich meine, es ist nicht nötig, dem Haus Ihren Schriftlichen Bericht vorzulesen. Wenn Sie Ergänzungen vornehmen wollen, ist Ihnen das unbenommen. Aber ich glaube, um Zeit zu sparen, sollten wir uns nach Möglichkeit mit dem Schriftlichen Bericht begnügen.
Einen Augenblick noch, Herr Präsident. Ich beschränke mich auf einige Ergänzungen.
Gut. Ich hatte nur die Unfreundlichkeit, mich hier einzumischen, weil ich vom Hause her gebeten worden bin, zu verhindern, daß ein Bericht noch einmal vorgelesen wird.
Ich werde mich daran halten und werde also nur noch einige Gesichtspunkte herausstellen.
— Ich verlese nicht den Bericht, sondern es geht mir darum, einige tragende Gesichtspunkte noch einmal herauszustellen.
Herr Kollege, wenn das eine Kritik an meiner Intervention gewesen sein sollte, dann möchte ich sie mir verbeten haben.
Nein, ich habe das nur zur Klarstellung auf Zwischenrufe gesagt, die hier aus dem Plenum gekommen sind. Es war keine Kritik an der Amtsführung des Präsidenten.
Ich bitte, nicht weiter zu unterbrechen.
Herr Kollege Mommer, ich komme ohnehin zum Schluß; es ist also gar kein Grund zur Aufregung vorhanden.
Der zweite Gesichtspunkt — lassen Sie mich diesen noch klar herausstellen — war der, daß auch die Tatsache der Werbung durch Funk und Fernsehen dann ein Wettbewerbsnachteil für die Presse sein kann, wenn sich hier die Werbung weiter ausdehnt.
Aus diesen Überlegungen und aus den Motiven, die in meinem ausführlichen Schriftlichen Bericht dem Hause dargelegt sind, hat der Wirtschaftsausschuß einstimmig 'beschlossen, Ihnen die Einsetzung einer solchen Kommission vorzuschlagen.
Ich darf abschließend für die Fraktion der CDU/ CSU die Gesichtspunkte noch einmal nachdrücklich unterstreichen und hervorheben, welch großes Interesse wir daran haben, daß diese Untersuchungen nunmehr anfangen. Sprecher meiner Fraktion haben das von dieser Stelle aus bei früheren Gelegenheiten nachdrücklich zum Ausdruck gebracht. Wir erwarten, daß die Bundesregierung nunmehr, nachdem die parlamentarischen Voraussetzungen geklärt sind, zügig an diese Arbeit herangeht und dem Hohen Hause so schnell, wie es geht, einen Bericht über die Wettbewerbssituation dieser Medien vorlegt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe sicherheitshalber keinen Zettel mitgebracht, so daß ich nicht in die Gefahr komme, etwas vorzulesen oder vorlesen zu müssen. Ich kann mich auch ganz kurz fassen.Die Fraktion der FDP begrüßt diesen Antrag und unterstützt den Vorschlag des Wirtschaftsausschusses. Da ich selbst die Ehre habe, diesem Ausschuß vorzusitzen, wäre es mir möglich, noch einige der „hintergründigen" Gesichtspunkte zu erörtern. Ich möchte darauf verzichten, da sich sowohl der Herr Vertreter der SPD als auch der Herr Vertreter der CDU im wesentlichen mit dem identifizierten, was der Ausschuß in seinem Bericht gesagt hat.Uns liegt an zwei Dingen. Wir möchten zunächst einmal mit absoluter Sachlichkeit die wirtschaftlichen und organisatorischen Voraussetzungen prüfen lassen. Dazu gehört, daß in dieser Kommission — das ist unsere Aufafssung — auch Männer sitzen müssen, die die außerordentlich schwierigen organisatorischen Formen unserer Medien, insbesondere der Fernseh- und Rundfunkanstalten, verstehen. Das Ergebnis dieser Untersuchung muß — darauf legen wir Wert — gewährleisten, daß im Geschehen der Meinungsbildung auch in Zukunft die Vielfalt unserer meinungsbildenden Medien, insbesondere auch die kleine Presse, erhalten bleibt.Ich glaube, daß wir mit dieser Untersuchung einen guten Schritt weiterkommen werden. Ob daraus später organisatorische oder politische Konsequenzen zu ziehen sind, darauf wird eine Antwort erst gegeben werden können, wenn die wirtschaftlichen
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5986 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Dr. AschoffVoraussetzungen geklärt sind. Bis dahin sollten wir darüber keine weiteren Diskussionen führen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 31:a) Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes Hamburg-Bahrenfeld an die Freie und Hansestadt Hamburg ;b) Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Infanteriekaserne in Lübeck an die Firma Edeka Großhandel Lübeck GmbH ;c) Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Deutsche Pfandbriefanstalt;hier: Erhöhung des Grundkapitals und Übernahme neuer Stammeinlagen durch das Land Nordrhein-Westfalen und das Saarland ;d) Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des ehemaligen Marine-Prüfstandes in Frankenthal an die Firma Aktiengesellschaft Kühnle, Kopp & Kausch in Frankenthal (Drucksache IV/2160).Zunächst Punkt 31 a! Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Der Antrag soll an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes überwiesen werden. — Das Haus widerspricht nicht. Es ist so beschlossen.Punkt 31 b! Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Der Antrag soll ebenfalls an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz .des Bundes überwiesen werden. - Es erfolgt kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.Punkt 31 c! Eine Begründung erfolgt nicht. Das Wort wird nicht gewünscht. Es ist vorgeschlagen worden, den Antrag an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes zu überweisen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Punkt 31 d! Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Es ist vorgeschlagen worden, den Antrag an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes zu überweisen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 32 der Tagesordnung, und zwar zunächst Punkt 32 a:Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EWG auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (Drucksachen IV/2024, IV/2177, zu IV/2177).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Deringer.Es wird keine Ergänzung des Berichts gewünscht. Es liegt ein Änderungsantrag Dr. Böhm und Genossen auf Umdruck 439 vor. Soll dieser Änderungsantrag begründet werden? — Das scheint nicht der Fall zu sein.Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 439. Wer will diesem Änderungsantrag zustimmen? — Danke. Die Gegenprobe! — Ich hatte den Eindruck, daß das nicht ganz klar ist. Wir wiederholen die Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 439 zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2177. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.Punkt 32 b:Beratung des. Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Verwirklichung des freien Dienstleistungsverkehrs in den Berufen der Landwirtschaft und des Gartenbaus (Drucksachen IV/2040, IV/2181).Hierzu liegt kein Antrag vor. Der Antrag des Ausschusses lautet, den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis zu nehmen. Da aus dem Hause kein Widerspruch erfolgt, stelle ich fest, daß das Haus Kenntnis genommen hat.Punkt 32 c:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Prämiensätze für die Einfuhr von Reis und Bruchreis (Drucksachen IV/2136, IV/2188) .Der Ausschußantrag auf Drucksache IV/2188, Seite 2, lautet:
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Vizepräsident SchoettleDer Bundestag wolle beschließen, den Vorschlag der Kommision für eine Verordnung des Rats . . . zur Kenntnis zu nehmen.Wir streiten uns hier oben, ob es sich um zustimmende Kenntnisnahme oder um bloße Kenntnisnahme handelt. Ich bin der Meinung, daß das Haus auch nach der Vorlage des Ausschusses nur Kenntnis nehmen soll. Die Nuancen sind manchmal wichtig. Darf ich feststellen, daß kein Widerspruch gegen die Kenntnisnahme erfolgt? — Dann nimmt das Haus Kenntnis.Punkt 32 d:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Entwürfe füreine Verordnung Nr. .../63/EURATOM, Nr. . ../63/EWG der Räte vom zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamteneine Verordnung Nr. .../63/EURATOM, Nr. . ../63/EWG der Räte vom zur Anpassung bestimmter Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten .Berichterstatter: Abgeordneter AndersDer Vorschlag des Ausschusses lautet auf zustimmende Kenntnisnahme. Dieses Mal sind wir uns auch hier oben einig.Das Wort wird nicht gewünscht, obwohl es, wenn ich mich recht erinnere, in den mitberatenden Ausschüssen gelegentlich Meinungen gegeben hat, die hier zum Ausdruck zu bringen vielleicht nicht ganz ohne Nutzen gewesen wäre. Aber da das nicht gewünscht wird, schlage ich vor, daß das Haus entsprechend dem Antrag des Ausschusses zustimmend Kenntnis nimmt. — Dem wird nicht widersprochen; das Haus nimmt zustimmend Kenntnis.Punkt 32 e:Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Zweite Richtlinie auf dem Gebiete des Filmwesens (Drucksachen IV/1975, IV/2197).Berichterstatter: Abgeordneter Porzner Auch dazu wird das Wort nicht gewünscht.Der Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2197 lautet, Kenntnis zu nehmen. — Diesem Vorschlag wird nicht widersprochen. Das Haus nimmt Kenntnis.Ich rufe Punkt 33 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft undForsten über den von derBundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Bestimmung der zur Erzeugung von einem Kilogramm zum Verbrauch bestimmter Geflügeleier in der Schale und der zur Erzeugung von einem Kilogramm Bruteier von Hausgeflügel erforderlichen Futtergetreidemenge .Berichterstatter: Abgeordneter Dr. SiemerDer Antrag des Ausschusses liegt vor auf Drucksache IV/2180, dritte Seite. Er schlägt vor, erstens, den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis zu nehmen. — Zunächst einmal stelle ich fest: das Haus nimmt Kenntnis von dem Vorschlag der Kommission.Zweitens soll die Bundesregierung ersucht werden, bei den Beratungen in Brüssel darauf hinzuwirken, daß . . . usw. Wer diesem Vorschlag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Vorschlag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 34:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Festlegung der Kriterien für die Interventionsregelung auf dem Rindfleischmarkt (Drucksachen IV/2156, IV/2200).Berichterstatter: Abgeordneter Wächter Das Wort wird nicht gewünscht.Der Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2200 lautet, den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis zu nehmen. Dann folgt eine Entschließung in drei verschiedenen Punkten. Ich schlage vor, daß wir insgesamt über diesen Vorschlag des Ausschusses entscheiden: erstens Kenntnisnahme und zweitens die einzelnen Maßnahmen. Wer dem Vorschlag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 35:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG füreine Verordnung des Rats über die Änderung und Verlängerung der Verordnung Nr. 3/63/ EWG vom 24. Januar 1963 betreffend die wirtschaftlichen Beziehungen zu den. Ländern mit Staatshandel
eine Verordnung des Rats über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge für Erzeug-
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Vizepräsident Schoettlenisse der Geflügelwirtschaft, deren Zollsätze im GATT konsolidiert worden sind .Berichterstatter isst Herr Dr. Löhr. Er hat offenbar kein Bedürfnis, seinen Bericht zu ergänzen. Der Vorschlag .des Ausschusses lautet auf Kenntnisnahme; außerdem hat der Ausschuß eine Entschließung an die Bundesregierung vorgelegt.Wir kommen zur Abstimmung über beide Vorschläge des Ausschusses. Wer ihnen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Punkt 36 der Tagesordnung soll erst am Donnerstag aufgerufen werden, da es sich um eine Vorlage mit finanziellem Charakter handelt.Ich rufe auf Punkt 37:Beratung des Schriftlichen Berichts des Rechtsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (Drucksachen IV/2014, IV/2190).Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Wilhelmi. Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Dr. Reischl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der vorliegenden Richtlinie habe ich namens der SPD-Fraktion folgende Erklärung abzugeben. Wir begrüßen sehr die Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts; denn man muß im zwischenstaatlichen Verkehr wissen, mit wem man es zu tun hat. Die SPD-Fraktion stimmt daher dem Bericht zu und ist auch damit einverstanden, daß er noch einige vom deutschen Rechtsstandpunkt aus erforderliche Vorbehalte enthält, deren Klärung bei den weiteren Verhandlungen versucht werden soll.
Zu einem dieser Vorbehalte jedoch muß die SPD-Fraktion ihrerseits einen Vorbehalt machen. Wir stimmen zwar dem Antrag auch insoweit zu, als die Frage der Publizität der GmbH noch dem nationalen Recht überlassen bleiben soll, bis über die Voraussetzungen dieser Publizität, vor allem über den Inhalt des Jahresabschlusses, ebenfalls eine einheitliche Richtlinie ergangen ist. Aber wir können nicht ohne weiteres der Begründung im Ausschußbericht für diese Zurückstellung zustimmen. In der Begründung im Ausschußbericht klingen nämlich grundsätzliche Bedenken gegen die Publizitätspflicht für die GmbH an, die von unserem Standpunkt aus nicht unwidersprochen bleiben können. Daher soll diese Erklärung lediglich für meine Fraktion die Nuancen der Begründung anders setzen. Ich betone
aber nochmals, daß wir dem Antrag selber in vollem Umfang zustimmen.
Die SPD ist für die Publizitätspflicht auch der GmbH, aber nur der volkswirtschaftlich bedeutsamen ganz großen GmbHs. Wir haben hierfür auch in Art. II unseres Änderungsgesetzentwurfs zum Aktienrecht — Drucksache IV/203 — einen Anhaltspunkt für die Abgrenzung der volkswirtschaftlich bedeutsamen GmbHs gegeben. Die SPD-Fraktion würde es sehr begrüßen, wenn die endgültige Richtlinie für die großen GmbHs die Publizität allgemein für den ganzen europäischen Bereich vorschriebe, wobei gleichzeitig natürlich eine Angleichung des •Aussagewertes der Bilanzen, der Gewinn- und Verlustrechnungen und der Geschäftsberichte erfolgen sollte. Mit diesem Vorbehalt stimmen wir dem Antrag des Rechtsausschusses zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wilhelmi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion freut es mich, feststellen zu können, daß das ganze Haus im Grundsatz einig ist. Gestatten Sie mir nur ein paar Worte zu der vom Kollegen Reischl für die SPD aufgeworfenen Frage. Es handelt sich um einen der wichtigsten Komplexe in der Gestaltung des Rechts der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Wir sind uns mit der Regierung darüber einig, daß wir nach Beendigung der Beratung des Aktienrechts mit der Reform des Rechts der Gesellschaft mit beschränkter Haftung beginnen.
Wir halten es aber nicht für richtig, die zentrale Frage, um die es sich bei dieser Reform handelt, nämlich die Frage der Publizität der sogenannten großen GmbH, jetzt schon zu behandeln. Das bedarf eines genauen Durchdenkens. Deshalb ist der Bericht in der Ihnen jetzt vorliegenden Vorlage völlig neutral gehalten. Er nimmt zu dieser Frage nicht Stellung, oder man kann sagen: er stellt nur negativ fest, daß die Regelung so, wie der Vorschlag der EWG lautet, unter keinen Umständen unseren Vorstellungen entspricht. Ich glaube, man sollte es deshalb dabei belassen. Ich bin froh, daß trotz der grundsätzlichen Ausführungen des Herrn Kollegen Reischl diese Vorlage, die sich ja auf internationalem Gebiet bewegt, vom ganzen Haus einstimmig angenommen wird.
Das Wort wird weiter nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Seite 4 der Drucksache IV/2190. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen einstimmig beschlossen.Ich rufe auf Punkt 38 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen
über den von der Bundesregierung zur Unter-
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Vizepräsident Schoettlerichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Zweite Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für pharmazeutische Spezialitäten .Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Huys, wünscht seinen Bericht nicht zu ergänzen. Das Wort wird weiter nicht begehrt.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Seite 2 der Drucksache IV/2194. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen; der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 40 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beweissicherung und Feststellung von Vermögensverlusten in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und im Sowjetsektor von Berlin (Drucksache IV/1994).Soll die Regierungsvorlage begründet werden? —
Offenbar ist niemand zur Begründung anwesend. Wird das Wort gewünscht?
— Darauf komme ich selber, Herr Kollege.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Ausschuß für den Lastenausgleich — federführend — sowie an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen — mitberatend — zu überweisen. — Bitte, Herr Kollege Eichelbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, den Gesetzentwurf denselben Ausschüssen zu überweisen, die den Gesetzentwurf der SPD Drucksache IV/694, das Flüchtlingsgesetz, zu behandeln haben, weil in diesem Gesetzentwurf der Opposition genau dasselbe Problem behandelt wird, das sich beim Beweissicherungsgesetz stellt. Das würde bedeuten: Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich — federführend — sowie an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und den Ausschuß für Heimatvertriebene zur Mitberatung.
Den Rechtsausschuß wollen Sie ausklammern?
Besteht Übereinstimmung darüber, daß der Rechtsausschuß nicht beteiligt werden soll?
— Dann zu dem Vorschlag, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Heimatvertriebene zu überweisen. Besteht darüber Einverständnis? — Ich kann also feststellen, daß die Regierungsvorlage an den Ausschuß für den Lastenausgleich — federführend — sowie an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und den Ausschuß für Heimatvertriebene zur Mitberatung überwiesen werden soll. — Sie sind damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 41 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Beyer , Kurlbaum, Lange (Essen) und Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung (Drucksache IV/2001).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Frau Abgeordnete Beyer!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei dem Gesetzentwurf Drucksache IV/2001 handelt es sich um eine Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, die bereits am 4. Dezember anläßlich der Großen Anfrage meiner Fraktion zur Erreichung eines größeren Verbraucherschutzes und einer besseren Verbraucheraufklärung angekündigt wurde.Es geht uns hier um zwei wichtige Punkte: einmal darum, den Warentest als Mittel der vergleichenden Werbung zuzulassen, zum anderen darum, den Verbraucherverbänden ein Klagerecht einzuräumen.Um die Zulassung des Warentests bzw. der Warenprüfung zu erreichen, schlagen wir vor, daß Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, das aus dem Jahre 1909 stammt und 1957 Änderungen erfahren hat, einen Abs. 2 erhält, der folgendes sagen soll:Warenprüfungen durch Warentestinstitute, deren Zweck die objektive und unparteiliche Aufklärung der Verbraucher über Beschaffenheit, Wirksamkeit, Tauglichkeit, Sicherheit und Preiswürdigkeit von Waren und gewerblichen Leistungen ist, .. .sind als Mittel der vergleichenden Werbung zugelassen.Natürlich müssen die Warenprüfungen mit wissenschaftlich anerkannten Methoden durchgeführt werden und Sachlichkeit und Unparteilichkeit gewährleisten. Außerdem sollen die Prüfungsergebnisse nicht verzerrt und unrichtig wiedergegeben werden.Wir geben dem Bundesminister für Wirtschaft die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung namentlich festzulegen, welche Institute solche Warenprüfungen vorzunehmen haben.Damit haben wir sichergestellt, daß nicht jeder Warentest, der durchgeführt wird, als Mittel der vergleichenden Werbung angewandt werden kann. Wir glauben, eine solche Änderung ist einfach not-
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5990 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Vizepräsident Schoettlewendig, wenn wir — das ist wohl der Wille des ganzen Hauses.— Warenprüfungen durch ein anerkanntes Warentestinstitut vornehmen lassen wollen.Ich darf weiter folgendes anfügen. § 1 des Gesetzes enthält heute nur eine Präambel. Ihr Inhalt ist durch die Rechtsprechung entwickelt worden. Die Rechtsprechung hat einmal festgelegt, was als sittenwidrig anzusehen ist, zum anderen, was in der Werbung nicht wettbewerbswidrig ist.Inzwischen ist uns der Bericht der Bundesregierung Drucksache IV/1976 vorgelegt worden. Darin heißt es:Während ein Teil die vergleichende Werbung als solche ohne weitere Voraussetzungen zulassen will, sofern sie nur wahrheitsgemäß ist — diese Auffassung wird heute nach einer lebhaften Diskussion im Schrifttum kaum noch vertreten —, wollen andere nur den Vergleich von technischen Daten und den Preisvergleich zulassen. Wieder andere dagegen halten einen Vergleich nur dann für zulässig, wenn er „vollständig" ist, d. h. wenn er alle Umstände darlegt, die für den Kaufentschluß wesentlich sind. Gegen die bisherige Rechtsprechung werden Bedenken erhoben, weil sie eine sachgerechte Aufklärung der Verbraucher erschwere, während eine grundsätzliche Zulassung der vergleichenden Werbung eine größere Markttransparenz zur Folge habe ...So steht es also wörtlich im Bericht, den die Bundesregierung gegeben hat. Damit wird deutlich, daßB) doch noch sehr unterschiedliche Meinungen u. a. auch bezüglich der Veröffentlichungen von Warenprüfungen durch Warentestinstitute bestehen.Wenn wir nun verhindern wollen, daß es, wenn wir das Warentestinstitut errichten und Warenprüfungen mit den von mir eben angeführten Merkmalen durchgeführt werden, zu neuen Klagen kommt, dann müssen wir uns bereit finden, das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb entsprechend zu ändern und den von meiner Fraktion vorgeschlagenen Abs. 2, den ich Ihnen eben zum Teil vorgelesen habe, in § 1 einzufügen.Art. I Nr. 2 der Vorlage Drucksache IV/2001 behandelt das Klagerecht der Verbraucherverbände. Hierzu hat die Bundesregierung dem Bundesrat einen Entwurf zugeleitet. Deshalb kann ich mich dazu kurz fassen. In der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung heißt es unter Nr. 4:Die Bundesregierung hält es daher im Interessedes Schutzes der Verbraucher für notwendig,daß sie durch ihre Verbände gegen unlautereFormen des Wettbewerbs vorgehen können, soweit sie durch diese in ihren Interessen beeinträchtigt werden.Es gibt also in dieser Hinsicht keine Meinungsverschiedenheiten, da auch die Bundesregierung auf Grund der in der Industrie vorliegenden Tatbestände zu der Auffassung gekommen ist, daß ein Klagerecht nicht nur den Gewerbetreibenden vorbehalten bleiben darf, sondern auch den Verbraucherverbänden eingeräumt werden muß.Die aufgezeigte Änderung bedingt zwangsläufig, die Möglichkeit der Klage durch Verbraucherverbände auch in das Rabattgesetz und in die Zugabeverordnung einzufügen. Das ist in Art. II und HI unseres ,Gesetzentwurfs vorgesehen.Art. IV enthält die Berlinklausel.Ich bitte Sie, unseren Antrag an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und an den Rechtsausschuß zur Mitberatung zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stimmen der beantragten Ausschußüberweisung zu. Ich möchte hier nur eine kunze Feststellung treffen.
Sehr verehrte Frau Kollegin Beyer, Sie haben selbst darauf hingewiesen — ich bin Ihnen dafür sehr dankbar —, daß, nachdem die Bundesregierung eine Vorlage gemacht hat, eine Unterhaltung über die von Ihnen vorgetragenen Probleme in diesem Augenblick nicht dringlich ist. Ich möchte das Haus daran erinnern, daß der Wirtschaftsausschuß schon seit längerer Zeit mit dem Problem des Warentestinstituts befaßt ist und daß es nicht seine Schuld ist, daß man auf diesem Gebiet noch 2u keinem Ergebnis gekommen ist. Das liegt vielmehr daran, daß sich die betreffenden Kreise und das Ministerium nicht über eine endgültige Formulierung einigen konnten. Meine .Fraktion wird sich voraussichtlich — eine Festlegung in diesem Augenblick ist nicht möglich, weil wir die endgültigen Vorlagen nicht haben — den Gedanken nähern, die im letzten Entwurf des Ministeriums enthalten sind.
Die Frage des Klagerechts der Verbraucherverbände wird wahrscheinlich eine unterschiedliche Beurteilung ,erfahren, zumindest hinsichtlich der Voraussetzungen und der Zielsetzung eines solchen Klagerechts.
Wir sind uns wohl darin einig, daß der von Ihnen eingebrachte Antrag in der Beratung der anderen Dinge mit aufgehen wird. Wir sind jedenfalls genauso wie Sie daran interessiert, daß es auf diesem Gebiet bald zu einer im Interesse der Allgemeinheit liegenden Klärung kommt.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und an den Rechtsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. — Gegen diesen Vorschlag erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Wir treten nun in die Mittagspause ein. Fortsetzung +der Sitzung um 15 -Uhr.Die Sitzung ist unterbrochen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5991
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des 2. Untersuchungsausschusses gemäß Antrag der Fraktion der SPD .
Ich frage den Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dorn, ob er das Wort zu nehmen wünscht.
Als Berichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner 91. Sitzung am 23. Oktober 1963 einen Untersuchungsausschuß von sieben Mitgliedern eingesetzt.Dem Untersuchungsausschuß ist vom Bundestag die Aufgabe gestellt worden, zu untersuchen:1. Auf Grund welcher Dienstvorschriften sind bisher durch das Bundesamt für Verfassungsschutz Verfahren zur Post-, Telefon- oder Fernschreibüberwachung über alliierteDienststellen eingeleitet worden?2. Auf welcher Rechtsgrundlage sind gegebenenfalls derartige Dienstvorschriften erlassen worden?3. In welcher Form hat die Bundesregierung das Bundesamt für Verfassungsschutz über das Ergebnis ihrer Konsultationen mit den Alliierten auf Grund der abgeschlossenen Verträge unterrichtet?4. Welche Bedienstete des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatten die Möglichkeit, Post-, Telefon- und Fernschreibüberwachung auszulösen?5. Wie war für diese Fälle das Verfahren geregelt?6. Sind bei der Telefon-, Post- und Fernschreibüberwachung nur die vom Bundesamt für Verfassungsschutz für verdächtig gehaltenen Personen unmittelbar überwacht worden, oder sind bei Gelegenheit derartiger Überwachungen auch unbeteiligte Personen einbezogen worden?7. Auf Grund welcher Dienstvorschriften wurde das durch Telefon-, Post- oder Fernschreibüberwachung erlangte Material ausgewertet?8. Wie waren insbesondere die Schutzvorschriften gegen eine mißbräuchliche Auswertung derartigen Materials?9. Welche Vorschriften gab es über die Unterrichtung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wenn diese durch die Auswertung des Materials in Fälle einbezogen worden sind?Die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP haben folgende ordentliche und stellvertretende Mitglieder für den 2. Untersuchungsausschußbenannt: ordentliche Mitglieder CDU/CSU: Dr. h. c. Güde, Dr. Süsterhenn, Wagner; SPD: Dr. Müller-Emmert, Dr. Schäfer, Schmitt-Vockenhausen; FDP: Dorn; stellvertretende Mitglieder CDU/CSU: Dr. Bieringer, Dr. Even , Dr. Zimmermann (München); SPD: Dr. Frede, Lautenschlager, Urban; FDP: Busse.In der konstituierenden Sitzung am 7. November 1963 wurden die Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen zum Vorsitzenden und Dr. Süsterhenn zum stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses gewählt und Abgeordneter Dorn zum Berichterstatter bestellt.Mit der konstituierenden Sitzung hat der Untersuchungsausschuß insgesamt 17 Sitzungen abgehalten, in denen zum Teil in öffentlicher und zum Teil in nichtöffentlicher Sitzung Zeugenvernehmungen durchgeführt wurden. In allen Sitzungen ist streng darauf geachtet worden, daß keine Fragenkomplexe, die der Geheimhaltung unterlagen und als solche von dem Beauftragten des Innenministers erklärt wurden, in öffentlicher Sitzung behandelt wurden. Weiter hat der Ausschuß in nichtöffentlicher Sitzung seine Beratungen und Zeugenvernehmungen und Beschlußfassungen vorgenommen. Darüber hinaus haben die Abgeordneten Dr. Güde, Dr. MüllerEmmert und Dorn das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln aufgesucht, um selbst einen Eindruck von der Arbeitspraxis zu gewinnen.Der Bundesminister des Innern und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz haben den vom Ausschuß geladenen Zeugen, soweit dies erforderlich war, die entsprechenden Aussagegenehmigungen erteilt. Diese Aussagegenehmigungen waren lediglich im Hinblick auf Art. 38 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut hinsichtlich der Geheimhaltung bestimmter alliierter Sicherheitsinformationen beschränkt.Dem Untersuchungsausschuß haben vor allem folgende schriftliche Unterlagen für seine Beratungen vorgelegen: 1. Bericht des Bundesministers des Innern vom November 1963 zu den einzelnen Beweisthemen, 2. Zusammenstellung über Geheimhaltungsvorschriften, Anweisungen und Richtlinien und Hausverfügungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit den Beweisthemen, 3. Bericht des Bundesministers des Innern vom 3. Februar 1964 über die Anwendbarkeit des Art. 38 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut in Verfahren vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und 4. das Gutachten des Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Dr. Silberstein vom Februar 1964 gemäß Auftrag des Bundeskanzlers vom 5. November 1963.Der 2. Untersuchungsausschuß hat den ihm gestellten Auftrag mit der größtmöglichen Beschleunigung durchgeführt. Er hat seine Beratungen zum Teil auf den Freitagnachmittag und in sitzungsfreie Wochen verlegen müssen, da u. a. auch die Besetzung des Stenographischen Dienstes in diesem Haus nicht stark genug war, um während der Ausschußwochen oder in den Plenarwochen Sitzungen des Untersuchungsausschusses zu protokollieren.
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5992 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
DornAls Ergebnis der Untersuchung ist folgendes festzustellen: Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz seit etwa 1956 durch Mitteilung von Verdachtsfällen im Rahmen des Austauschs von Sicherheitsinformationen die Alliierten zur Einleitung von Verfahren zur Post-, Telefon- oder Fernschreibüberwachung veranlaßt hat. Soweit in den folgenden Ergebnissen der Untersuchung Mißbrauchsmöglichkeiten erwähnt werden, ist hervorzuheben, daß Mißbräuche nicht festgestellt wunden. Gleichzeitig muß aber betont werden, daß wegen der Unvollständigkeit der Aktenführung und wegen inzwischen erfolgter Vernichtung von Abhörmaterial ein Mißbrauch nicht ausgeschlossen werden kann. Die Kleine Kommission der drei Bundestagsfraktionen, die vor der Einsetzung des Untersuchungsausschusses sich mit den Fragen des Bundesamtes für Verfassungsschutz befaßte, hat in ihrer Sitzung am 3. Oktober 1963 beschlossen, daß alle Kenntnisse alliierter Stellen aus Post- und Telefonüberwachung, die nicht als Kenntnisse zur Wahrung des gemeinsamen Sicherheitsinteresses im Sinne der Verträge_ gelten, unter Aufsicht des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu vernichten sind. In allen Fällen sind sie zu vernichten, sobald sie zur Beurteilung des laufenden Falles entbehrlich sind.Der 2. Untersuchungsausschuß ist im einzelnen bei der Prüfung der neun Fragen zu folgenden Ergebnissen gekommen.Frage 1:Auf Grund welcher Dienstvorschriften sind bisher durch das Bundesamt für Verfassungsschutz Verfahren zur Post- oder Fernschreibüberwachung über alliierte Dienststellen eingeleitet worden?Ergebnis der Untersuchung:Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß schriftliche Dienstvorschriften für die Veranlassung alliierter Post-, Telefon- oder Fernschreibüberwachungen nicht bestanden haben. Es lagen nur allgemein gehaltene und unvollständige mündliche Anweisungen der Amtsleitung vor, die die Voraussetzungen für die Veranlassung alliierter Post-, Telefon- oder Fernschreibüberwachungen nicht klar umschrieben. Daher gaben diese Anweisungen der Amtsleitung auch keine ausreichende Möglichkeit, Einzelfälle auf ihre korrekte Erledigung zu überprüfen.Ferner ergab die Beweisaufnahme, daß nicht alle Sachbearbeiter, die direkte Verbindung mit Alliierten hatten, über die mündlichen Anweisungen unterrichtet waren. Es war darüber hinaus keine Vorsorge getroffen, daß ein möglicher Mißbrauch der Initiative von der Amtsleitung erkannt wurde.Frage 2:Auf welcher Rechtsgrundlage sind gegebenenfalls derartige Dienstvorschriften erlassen worden?Ergebnis der Untersuchung:Die Rechtsgrundlage, von der auszugehen ist, bilden folgende Verträge:1. der Deutschlandvertrag, der am 5. Mai 1955 in Kraft getreten ist, mit seinem Artikel 5 Abs. 2;2. der Truppenvertrag, der zugleich mit dem Deutschlandvertrag in Kraft getreten ist, in seinem Artikel 4.3. Der Truppenvertrag wurde ersetzt durch das NATO-Truppenstatut sowie das Zusatzabkommen dazu, das am 1. Juli 1963 in Kraft getreten ist. Hier ist insbesondere der Artikel 3 des Zusatzabkommens zu berücksichtigen.Nach diesen Bestimmungen ist die Ausübung der alliierten Vorbehaltsrechte von einer Gefährdung der Sicherheit der alliierten Truppen abhängig.In der Praxis müssen zwei Gruppen von Fällen unterschieden werden:1. Fälle, die das alliierte Sicherheitsinteresse, und2. Fälle, die nur das deutsche Sicherheitsinteresse berühren.Zu 1 ist festzustellen: Nach den von mir genannten Verträgen war in den Fällen, in denen das alliierte Sicherheitsinteresse berührt war, die Mölichkeit der Post-, Telefon- oder Fernschreibüberwachung gegeben. Diese Voraussetzung wurde allerdings in der Praxis sehr weit ausgelegt.Zu 2: In den Fällen, in denen nur deutsche Sicherheitsinteressen berührt waren, sind die Ausübung des alliierten Rechts der Post-, Telefon- und Fernschreibüberwachung durch die Alliierten und infolgedessen ihre Inanspruchnahme durch deutsche Behörden weder unmittelbar noch mittelbar zulässig. Die Beweisaufnahme hat gezeigt, daß ernstlich bezweifelt werden muß, ob in allen Fällen, in denen auf deutsche Anregung die alliierten Vorbehaltsrechte ausgeübt wurden, das alliierte Sicherheitsinteresse berührt war. Eine konkrete Nachprüfung der in Frage kommenden Einzelfälle war allerdings, wie sich aus der Beweiserhebung ergibt, nicht möglich.Frage 3:In welcher Form hat die Bundesregierung das Bundesamt für Verfassungsschutz ,über das Ergebnis ihrer Konsultationen mit den Alliierten auf Grund der abgeschlossenen Verträge unterrichtet?Ergebnis der Untersuchung:In den Jahren 1955 bis 1958 haben zwischen der Bundesregierung und den Alliierten Konsultationen über den Umfang und die Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte stattgefunden. Das Bundesministerium des Innern hat zu keiner Zeit das Bundesamt für Verfassungsschutz über die Voraussetzungen der Ausübung der alliierten Vorbehaltsrechte unterrichtet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat seinerseits das Innenministerium über diese Voraussetzungen nicht befragt.Frage 4:Welche Bediensteten des Bundesamtes fürVerfassungsschutz hatten die Möglichkeit,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 5993
DornPost-, Telefon- und Fernschreibüberwachung auszulösen?Ergebnis zur Untersuchung:Es gab keine schriftlichen Anweisungen darüber, wer zur Auslösung einer Post-, Telefon- und Fernschreibüberwachung durch die Alliierten befugt war. In Abteilungsleiter- und Referentenbesprechungen ist mündlich darauf hingewiesen worden — wenn auch nicht regelmäßig und nur in einem Falle aktenkundig —, daß eine solche Initiative nur der Abteilungsleiter oder dessen Stellvertreter einleiten dürfe.Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, daß zumindest in der Abteilung IV auch die Referenten und der Leiter der Außenstelle Frankfurt deutsche Initiativen ausgelöst haben.Wie schon zu Frage 1 ausgeführt worden ist, ergab ferner die Beweisaufnahme, daß nicht alle Sachbearbeiter, die direkte Verbindung mit den Alliierten hatten, über die mündlichen Anweisungen unterrichtet waren.Frage 5:Wie war für diese Fälle das Verfahren geregelt? Ergebnis der Untersuchung:Eine Dienstvorschrift, die das Verfahren allgemein geregelt hätte, bestand nicht. Lediglich in der Abteilung III bestand eine schriftliche Anweisung vom 29. April 1958 über die registraturmäßige Erfassung, Aufbewahrung und Vernichtung des aus der Post-, Telefon- oder Fernschreibüberwachung angefallenen Materials.In der Abteilung IV und auch in der Außenstelle Frankfurt ist das Material sehr unterschiedlich erfaßt, aufbewahrt, behandelt und vernichtet worden. Aktenvorgänge sind in vielen Fällen nicht feststellbar gewesen. Ein geregeltes Verfahren hat es hierfür in der Abteilung IV nicht gegeben.Im Mai 1961 haben die britischen Verbündeten verlangt, deutsche Initiativen in Zukunft schriftlich zu begründen. Das ist seit dieser Zeit geschehen, während gegenüber den amerikanischen und französischen Verbündeten bis vor kurzem nur das mündliche Verfahren galt.Frage 6:Sind bei der Telefon-, Post- und Fernschreibüberwachung nur die vom Bundesamt für Verfassungsschutz für verdächtig gehaltenen Personen unmittelbar überwacht worden oder sind bei Gelegenheit in derartige Überwachungen auch unbeteiligte Personen einbezogen worden?Ergebnis der Untersuchung:Die Überwachung des Post-, Telefon- oder Fernschreibverkehrs verdächtiger Personen führt zwangsläufig dazu, daß auch Unverdächtige, die in Verbindung mit ihnen stehen, einbezogen werden. Bedenklich ist nur, daß es keine Vorschriften über die Ausscheidung und Vernichtung des über unverdächtige Personen angefallenen Materials gab.Frage 7:Auf Grund welcher Dienstvorschriften wurde das durch Telefon-, Post- oder Fernschreibüberwachung erlangte Material ausgewertet?Ergebnis der Untersuchung:Für die Auswertung des oben angeführten Materials gab es im Bundesamt für Verfassungsschutz keine Dienstvorschriften, soweit nicht in den in der Anwort zu Frage 8 aufgeführten Vorschriften Einzelbestimmungen enthalten sind.Frage 8:Wie waren insbesondere die Schutzvorschriften gegen eine mißbräuchliche Auswertung des Materials?Ergebnis der Untersuchung:Gegen eine mißbräuchliche Auswertung bestanden folgende Vorschriften:1. die Verschlußsachenanweisung für die Bundesbehörden,2. die Sicherheitsanweisung für das Bundesamt füi Verfassungsschutz,3. die Richtlinien für die Auswertung im politischen Nachrichtendienst vom 20. September 1952,4. die Hausverfügung 14/61 betr. die Herstellung von Vervielfältigungen und5. die Hausverfügung 4/63 betr. die Aufbewahrung von Verschlußsachen.Die Mitarbeiter wurden bei ihrem Eintritt in das Bundesamt für Verfassungsschutz und in zeitlich größeren Abständen über einen Teil dieser Vorschriften belehrt. Es ist aber unbestritten, daß die Gefahr mißbräuchlicher Verwertung bestanden hat, da nicht nur Abteilungsleiter, sondern auch Referenten, Sachbearbeiter und Angehörige der Außenstellen Material von den Alliierten erhielten. Die Vorschriften waren zum Teil auch unzureichend, und in der Abteilung IV und in den Außenstellen bestanden keine Dienstvorschriften über die registraturmäßige Behandlung von solchem Material. Darüber hinaus ist mit Sicherheit in der Abteilung IV Material ohne Vernichtungsverhandlung vernichtet worden. Weitere Mißbrauchsmöglichkeiten ergaben sich schließlich daraus, daß die Übernahme und Weitergabe des Materials zum größten Teil ohne Quittungen erfolgte.Frage 9:Welche Vorschriften gab es über die Unterrichtung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die durch die Auswertung des Materials in Fälle einbezogen worden sind?Ergebnis der Untersuchung: Vorschriften darüber gab es nicht.Meine Damen und Herren, ich komme dann zu den Schlußfolgerungen.
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5994 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Dorn1. Der Bundesminister des Innern hat vor und während der Untersuchung schon eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die sich durch die Untersuchung als notwendig erwiesen.So hat der Bundesminister des Innern das Bundesamt für Verfassungsschutz Ende September 1963 mündlich und im Dezember 1963 schriftlich angewiesen, Ersuchen an alliierte Dienststellen zur Einleitung von Post-, Telefon- oder Fernschreibüberwachungen in Zukunft schriftlich zu stellen, wie es gegenüber den britischen Verbündeten seit 1961 notwendig war. Ferner ist festgelegt worden, daß die Anregungen gegenüber den Alliierten lediglich vom Präsidenten oder von dem Vizepräsidenten den Verbündeten zugeleitet werden dürfen. Darüber hinaus sind die Arbeiten an einem deutschen Gesetz zur Ausführung des Art. 10 des Grundgesetzes und zur Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte zur Post- und Telefonüberwachung auf Anregung der Kleinen Kommission, der sich der Untersuchungsausschuß anschließt, wieder aufgenommen worden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat außerdem um die Jahreswende zahlreiche Vorschriften über die registraturmäßige Erfassung, Aufbewahrung und Vernichtung des aus einer Post-, Telefon- oder Fernschreibüberwachung angefallenen Materials erlassen.Die Bundesregierung wird nach Auffassung des Ausschusses prüfen müssen, welche organisatorischen und personellen Konsequenzen sich im Bundesministerium des Innern und im Bundesamt für Verfassungsschutz aus der Untersuchung ergeben.Darüber hinaus muß festgestellt werden, daß die Untersuchung ergeben hat, daß die Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes und der übrigen Nachrichtendienste auch der ständigen Kontrolle des Deutschen Bundestages bedarf.Ich darf Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, nunmehr den Antrag des Untersuchungsausschusses vortragen, der in der letzten Sitzung des Ausschusses einstimmig beschlossen wurde. Der Untersuchungsausschuß bittet das Parlament um Zustimmung zu folgendem Antrag:Der Bundestag wolle beschließen:1. Der vom 2. Untersuchungsausschuß vorgelegte Bericht wird zustimmend zur Kenntnis genommen.2. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Deutschen Bundestag bis zum 1. Oktober 1964 zu berichten, welche organisatorischen und personellen Maßnahmen auf Grund der Untersuchung vorgenommen worden sind.3. Die Bundesregierung wird außerdem ersucht, dem Deutschen Bundestag bis zum 1. Oktober 1964 Vorschläge über die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste vorzulegen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete SchmittVockenhausen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Schluß der Arbeiten des 2. Untersuchungsausschusses erlauben Sie mir einige Vorbemerkungen, bevor ich zu dem eigentlichen Thema komme.Ich möchte zunächst Ihnen, Herr Kollege Dorn, als dem Berichterstatter des Ausschusses für Ihre wertvolle Arbeit danken. Ich danke auch dem Sekretariat des Ausschusses und nicht ;zuletzt Ihnen, meine verehrten Kollegen aller Fraktionen, herzlich für die gute, korrekte und auch menschlich angenehme Zusammenarbeit in diesen Wochen. Wir sind ja in einer solchen Arbeit nicht, wie man schon irrtümlich gemeint hat, hohe Richter, die weit entfernt von der Tageskritik zu richten haben, sondern wir stehen mitten im politischen Leben und müssen tagtäglich in den verschiedenen Formen uns immer wieder in der politischen Auseinandersetzung stellen und tätig werden. Wer die Arbeit von Untersuchungsausschüssen verfolgt, der weiß, daß auch die Mitglieder solcher Ausschüsse oft vor schweren persönlichen Entscheidungen stehen. Wenn es uns gelungen ist, bei aller Schwierigkeit der Materie und bei aller Verschiedenheit der Auffassungen ohne Rücksicht auf Vorurteile einen einstimmigen Bericht vorzulegen, so bin ich überzeugt, daß die deutsche Öffentlichkeit das entsprechend würdigen wird. Wir legen der deutschen Öffentlichkeit einen Bericht vor, und das Parlament sollte dieser deutschen Öffentlichkeit für ihre Anteilnahme sowohl an der Sache als auch an der Arbeit des Untersuchungsausschusses dankbar sein. Ursache dieser Anteilnahme und des lebhaften Interesses war für den überwiegenden Teil der deutschen Öffentlichkeit der Wunsch nach Sicherung unserer rechtsstaatlichen Ordnung.Wir sollten auch den Presseorganen dankbar sein, die die Finger auf die Wunden der festgestellten Mängel unserer rechtsstaatlichen Ordnung gelegt haben, auch wenn ihnen im Hinblick auf die geheime Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Mängel nicht sofort so überschaubar gewesen sind, wie sie heute vor uns liegen.Selbstverständlich wurde im Laufe der Untersuchungen auch das eine oder andere überspitzt und überzogen dargestellt, weil nun einmal die Tätigkeit des Amtes geheim ist. Das kann bei aller Wahrung der journalistischen Sorgfaltspflicht vorkommen. Fehler dieser Art können korrigiert werden.Viel nachteiliger war die Reaktion einer Zeitung — der ich heute nur noch einen Nachruf widmen kann —, die jede Kritik als Majestätsbeleidigung abtun wollte.
Presse, Rundfunk und Fernsehen haben sich hier um das Funktionieren unserer öffentlichen Meinung in unserer rechtsstaatlichen Ordnung mit Erfolg be-
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Schmitt-Vockenhausenmüht. Wir bejahen diese Kontrollfunktion, die allerdings eine andere ist als die, die das Parlament wahrzunehmen hat.
— Herr Kollege Barzel, das ist nicht Gegenstand der Untersuchung.
Lassen Sie mich einiges dazu sagen, wie es eigentlich zu diesem Untersuchungsausschuß gekommen ist. Als „Die Zeit" sich im September 1963 erstmalig über die Abhörpraxis äußerte, hätte die deutsche Öffentlichkeit nicht so empfindlich reagiert, wenn von dem Herrn Bundesinnenminister nicht zunächst alles abgestritten worden wäre. Denn schließlich — und das hat ja auch „Die Zeit" mehrfach zum Ausdruck gebracht — kann sich doch niemand darüber freuen, wenn ein solches Amt monatelang im Blickpunkt der öffentlichen Meinung steht.Wenn auch das Bundesamt für Verfassungsschutz kein geheimer Nachrichtendienst im eigentlichen Sinne des Wortes ist, sondern eine Behörde, so liegt doch nicht nur dem Amt, sondern auch uns allen nichts daran, daß seine Arbeit ständig in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Ich möchte die Gelegenheit benutzen, auch einmal ein Wort der Anerkennung und des Dankes für die Arbeit des Amtes auf zahlreichen Gebieten zu sagen, die erfreulicherweise zu keinen Mängeln und Beanstandungen geführt haben.
Wenn gelegentlich einmal gefragt worden ist, wer denn eigentlich den Verfassungsschutz schütze, so geht diese Frage ins Leere; denn ich habe nirgends in der deutschen Öffentlichkeit ernst zu nehmende Stimmen gehört, die sich grundsätzlich gegen die Arbeit des Bundesamtes richten. Im Gegenteil: es besteht volle Übereinstimmung darüber, wie notwendig und wichtig diese Arbeit für die Ordnung unseres Staates ist.Es bleibt die Frage: Mußte denn diese Sache eigentlich zu einer Affäre werden?
Leider ist es ja so, daß für Regierungen unangenehme Dinge meist erst dadurch zu Affären werden, daß verantwortliche Minister, wenn Veröffentlichungen erfolgen, zunächst einmal alles bestreiten und dann nach und nach unter dem Druck der Tatsachen neue, rückwärtige Stellungen beziehen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat am 9. November 1962 anläßlich der „Spiegel"-Affäre auf die Frage, ob in der Bundesrepublik das Post-und Fernmeldegeheimnis in vollem Umfange gewahrt werde, wörtlich geantwortet: „Ich kann die Frage mit Ja beantworten."Am 5. September 1963 — nach dem Bericht in der angesehenen Wochenzeitung „Die Zeit" über dieTelefonüberwachung — sagte er zunächst, ihm sei nicht das geringste von der Sache bekannt, er werde gegebenenfalls die Schuldigen hinauswerfen. Am 8. September, drei Tage später, nach einer Blitzkonferenz in seinem Heimatort, wurde er schon vorsichtiger. Er meinte damals: Es liegen keine Rechtsverletzungen vor.Am 11. September 1963 und am 21. September 1963 hat dann die Bundesregierung nach einem Bericht des Herrn Bundesinnenministers u. a. folgendes erklärt:Bei der Untersuchung des Bundesinnenministeriums ist kein Fall festgestellt worden, daß der deutsche Verfassungsschutz die Verbündeten gebeten hat, den Fernsprech- oder Postverkehr bestimmter Personen zu überwachen.Diese Erklärung bedrückt mich am meisten. Sie wurde nach einer Kabinettssitzung und nach Ihrem Bericht, Herr Minister, abgegeben. Haben Sie selbst zu diesem Zeitpunkt daran geglaubt? Haben Sie das Kabinett getäuscht? Oder wußte die ganze Bundesregierung um die Tragweite dieser Erklärung? Es ist unverantwortlich, solche Erklärungen abzugeben. Eine Bundesregierung kann sich politisch irren. Sie darf aber Tatbestände nicht falsch wiedergeben.
Sie selbst sollte die Folge bedenken, unglaubwürdig zu erscheinen.Es gibt eine Reihe widersprüchlicher Erklärungen. Ich habe sie gesammelt und hier. Am 13. September haben Sie, Herr Minister, im Rias gesagt:Es ist nicht ein einziger Sachverhalt, der neu wäre. Es wird ,so getan, als ob das neu wäre. Das möchte ich noch einmal in aller Klarheit feststellen.Drei Tage später, am 16., haben Sie dann gesagt, daß Sie sich über die Abhörtätigkeit in der Zwischenzeit vergewissern mußten. Also war es doch notwendig, einiges zu prüfen. In dem gleichen Interview haben Sie erklärt, daß alliierte Dienststellen gebeten wurden, ganz allgemein ihre Erkenntnisse zur Aufklärung des Falls unseren Dienststellen zur Verfügung zu stellen. In der Erklärung vom 11. September, veröffentlicht im „Bulletin" vom 13. September, hat der Bundesinnenminister unter Punkt 3 nachdrücklich festgestellt:Es ist bisher trotz gründlicher Untersuchung kein einziger Fall festgestellt worden, in dem das Bundesamt für Verfassungsschutz die Verbündeten gebeten hätte, den Fernsprech- oder Postverkehr bestimmter Personen zu überwachen.
Darf ich eine Zwischenfrage stellen? — Herr Kollege, glauben Sie, daß in England unter solchen Umständen ein Minister noch einen Tag länger im Amt gewesen wäre?
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5996 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Meine Damen und Herren, die politischen Schlußfolgerungen aus der Debatte sind von uns gemeinsam zu ziehen.Noch im gleichen Monat, am 30. September, mußte der Minister in der Sendung „Report" zugeben, daß es in den letzten fünf Jahren insgesamt rund 65 Fälle, im letzten Jahr 23 Fälle 'waren, bei denen „auf Grund unserer Mitteilung" abgehört worden war. Am 12. Oktober hat der Minister eingeräumt, daß in jedem einzelnen Fall eingehend mündlich und schriftlich mit der anderen Seite verhandelt worden sei.Nun noch eine besondere Arabeske. Am 3. Oktober meldete AP um 46.37 Uhr: ,,Innenminiister Höcherl hält nichts von strafrechtlichen Schritten gegen die Zeitschrift ,Die Zeit'. Nicht einmal dreieinhalb Stunden später, um 19.51 Uhr, wußte DPA bereits zu berichten: „Höcherl stellt Strafantrag gegen ,Zeit-Redakteure".Es ging dann weiter der Streit um die Frage, in wieviel Fällen das Bundesamt für Verfassungsschutz die Kontrollmaßnahmen ausgelöst hat. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die von dem Herrn Minister genannten Zahlen durch den Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Dr. Silberstein inzwischen nach oben berichtigt worden sind.Man könnte diese eindrucksvolle Liste von ministeriellen Erklärungen und Stellungnahmen noch ergänzen und verlängern. Sie sehen, meine Damen und Herren, wie widersprüchlich der Herr Minister in der Öffentlichkeit argumentiert hat. Es ist verständlich, daß die Öffentlichkeit durch derartige Antworten und, wie er es nennt, „Untersuchungen" des Innenministeriums mißtrauisch wurde. Das Mißtrauen war sogar in den eigenen Reihen vorhanden. In der Zeitung „Die Welt" vom 25. September zitiert der angesehene Bonner Korrespondent Peter Horch einen „bayrischen Landsmann und Parteifreund des Bundesinnenministers", der ihm wörtlich gesagt habe:Das nutzt jetzt gar nichts mehr. Höcherl muß endlich die Hosen ganz runterlassen. So zentimeterweise geht das nicht.
Ich hoffe, daß diese etwas drastische Ausdrucksweise, die nicht von mir, sondern von einem Herrn der CSU stammt, mir nicht als unparlamentarisch angekreidet wird.Nach dem gleichen Bericht hat einer der Freunde Höcherls hinzugesetzt:Wenn in diesem Amt etwas geschehen ist, was nicht mit Recht und Gesetz in Einklang steht, dann trägt er— gemeint ist der Minister —dafür die Verantwortung, ob er es wußte oder nicht.
Dem kann ich nur beipflichten. In einer gesunden und funktionierenden Demokratie hätte ein Minister, in dessen Amtsbereich sich so etwas ereignet hätte und der so viele widersprüchliche Erklärungenin einer solchen Sache abgegeben hätte, von sich aus den Hut genommen. Es ist ganz gleichgültig, ob der Minister bewußt unzutreffende Darstellungen gab oder ob ihn seine Beamten schlecht informierten. Er trägt in jedem Fall, wie der Herr von der CSU richtig gesagt hat, die Verantwortung.Sie wissen, daß sich dann der Innenausschuß und auch die Kleine Kommission mit den Problemen, die hier zur Debatte standen, beschäftigt haben und einiges im Beisein auch der Herren Fraktionsvorsitzenden bzw. stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden klären konnten, wenn auch keine volle Klärung erreicht wurde.Die Kleine Kommission hat immerhin erreicht, daß für die Übergangszeit, bis klare deutsche Rechtsgrundlagen vorliegen, die verfassungsmäßigen Grenzen gewahrt werden, und die Bundesregierung umgehend um die Vorlage eines Ausführungsgesetzes zu Art. 10 des Grundgesetzes gebeten, das auch die alliierten Vorbehaltsrechte ablösen sollte.Schon bei diesen Erörterungen in der Kleinen Kommission ergab sich, daß erfreulicherweise kein Anhalt vorlag, aus dem sich ergeben hätte, daß die Telefon- und Postüberwachung parteipolitisch mißbraucht worden wäre. Die Bundesregierung hat mit einem gewissen Stolz diese Erklärung an. ihre Fahnen geheftet. Ich frage mich: warum eigentlich? Das muß man doch einfach voraussetzen, daß in einem solchen Amt kein parteipolitischer Mißbrauch stattfindet.
Denn, meine Damen und Herren, wenn Mißbräuche auf diesem Gebiet vorhanden gewesen wären, dann wäre ja unserem Staat wirklich ein kaum wiedergutzumachender Schaden zugefügt worden.Es trat damit eine unvorhergesehene Wendung ein. Im „Stern" erschien ein Aufsatz, in dem ein Zeuge für eine sehr saloppe Praxis des Amtes aufgeboten wurde. Nachdem mir von der Chefredaktion ein Gespräch mit diesem Zeugen ermöglicht wurde, war ich der Auffassung, daß diese Informationen sorgfältig geprüft werden sollten, und zu einer solchen Prüfung war nur ein Untersuchungsausschuß befähigt. Diese Informationen zeigten, daß die Bundesregierung auch in der Kleinen Kommission immer noch keine ausreichende Aufklärung geschaffen hatte.Man hat damals viele Fragen gestellt, warum wir den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht schon länger gestellt hätten. Manche meinten sogar, wir wollten keine volle Aufklärung. Das ist alles nicht richtig. Ein Untersuchungsausschuß kann nur arbeiten, wenn Zeugen zur Verfügung stehen, die bereit sind auszusagen. Ein Ausschuß kann nicht im Nebel mit der Stange herumtappen; denn nichts wäre 'schlimmer, meine Damen und Herren, als wenn am Schluß die ganze Sache wie das Hornberger Schießen ausgegangen wäre und das Parlament als Institution nach den nicht immer guten Erfahrungen mit Untersuchungsausschüssen auch noch Schaden genommen hätte.Meine Fraktion hat sich auch aus diesem Grunde bei den Fragen darauf beschränkt, Auskünfte über
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Schmitt-Vockenhausendie Praxis und das Verfahren zu fordern, weil auch die Antragsteller nicht wollten, daß die Arbeit des Amtes für Verfassungsschutz lahmgelegt wird. Der Untersuchungsausschuß wollte nicht die Arbeit gefährden, sondern er sollte den Beamten und Angestellten die Sicherheit geben, daß sie mit der vollen Deckung der deutschen Öffentlichkeit ihre Arbeit leisten können.In diesem Stadium war nun die Einsetzung des Untersuchungsausschusses unumgänglich; denn die Aufgabe, über behauptete Mißstände in der Verwaltung Aufklärung zu schaffen, gegebenenfalls zusätzliches Material für Gesetzgebung und Verwaltungsreformen zu sammeln, mußte ja gelöst werden. Wenn Sie das Ergebnis des Untersuchungsausschusses in dem Bericht des Herrn Berichterstatters vor wenigen Minuten noch einmal verfolgt haben, dann werden Sie mir zugestehen müssen, daß es sich bei dem 2. Untersuchungsausschuß — auch hinsichtlich seines Ergebnisses — um die klassische Form des Untersuchungsausschusses des Parlaments gehandelt hat.Es ist mehrfach die Frage erörtert worden, ob an Stelle des Untersuchungsausschusses nicht auch die Untersuchung des Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Dr. Silberstein ausgereicht hätte. Sie wissen, daß der Herr Bundesinnenminister unmittelbar vor der entscheidenden Fraktionssitzung der SPD dem Herrn Bundeskanzler Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Silberstein als Untersuchungsführer vorgeschlagen hatte. Nachdem ich den in der Sache ausgezeichneten Silberstein-Bericht gelesen habe, stimme ich zu, daß sicher viele Fragen auch durch diese Untersuchung hätten geklärt werden können. Nur der Schwerpunkt der parlamentarischen Untersuchung war nicht identisch mit der Untersuchung, die Herr Silberstein durchgeführt hat.
Der Silberstein-Bericht ist auch aus einem recht verblüffenden Grund nicht ausreichend. Er wurde im Gegensatz zu dem Bericht von Lord Denning, der ja zu einem Bestseller geworden ist und im Buchhandel zu einem großen Erfolg wurde, für ,geheim erklärt.
— Herr Kollege Barzel,
auch in diesem Bericht hätten nicht alle Passagen die Geheimhaltung notwendig; darüber sind Sie sich sicher mit mir einig. Obwohl dieser Bericht — und jetzt kommt das Entscheidende — eine recht eindrucksvolle Kritik an verschiedenen Stellen der Amtsleitung und des bürokratischen Verfahrens im Bundesamt für Verfassungsschutz enthielt, waren die offiziellen Verlautbarungen über diesen Bericht sanft und gutmütig. Hier hat die Bundesregierung ein zweites Mal der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck vermittelt.
Wenn geheim, dann alles geheim, aber nicht eine Auswahl, die die Dinge auf den Kopf stellt und nicht die Möglichkeit gibt zu korrigieren!
Hätte die Bundesregierung nicht zugestimmt, daß der Silberstein-Bericht auch dem Untersuchungsausschuß zur Kenntnis gebracht würde, hätte die Gefahr bestanden, daß die Konsequenzen aus dem Silberstein-Bericht ebenso sanft behandelt worden wären wie die offizielle Verlautbarung über seinen Inhalt. Schon aus diesem Grund hätte der geheime Silberstein-Bericht nicht ausgereicht. Ich bedaure, daß Teile des Berichts an die Öffentlichkeit gekommen sind, mehr allerdings, daß die Bundesregierung ihn nicht von sich aus der deutschen Öffentlichkeit übergeben hat.
Ich erwähne das Schicksal der Silberstein-Untersuchung deshalb so ausführlich, weil in der deutschen Öffentlichkeit die Frage aufgeworfen worden ist, ob auf Grund der Erfahrungen mit der Silberstein-Untersuchung nunmehr überhaupt Untersuchungsausschüsse des Parlaments vielleicht nicht mehr erforderlich seien. Gewiß, es wird Fälle geben, in denen eine Silberstein-Untersuchung richtiger ist als die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Aber im vorliegenden Fall haben wir ein Beispiel dafür, daß auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses trotz des guten Berichts nicht verzichtet werden kann, zumal die Öffentlichkeit — wie alle politischen Kräfte, so auch die Opposition — das Recht hat, sich selbst ein Bild machen zu können.Es scheint notwendig, in diesem Zusammenhang auch noch einmal hervorzuheben, was Gegenstand der Untersuchung war. Gegenstand der Untersuchung waren Rechtsfragen und Verwaltungsfragen im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den Alliierten hinsichtlich der Post-, Telefon- und Fernschreibüberwachung. Das geht ja auch eindeutig aus dem Antrag der SPD-Fraktion auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses mit den neun gestellten Fragen hervor. Gegenstand der Untersuchung waren nicht — wie gelegentlich in sehr gezielten und deutlichen Ablenkungsmanövern behauptet wurde — Behauptungen wie, daß selbst in Notfällen solche Überwachungsmaßnahmen ausgeschlossen sein müßten, daß von deutscher Seite Maßnahmen durchgeführt worden seien, daß politischer Mißbrauch getrieben worden sei. Schon die Kleine Kommission hatte ausdrücklich und einstimmig festgestellt, daß offensichtlich ein parteipolitischer Mißbrauch nicht vorliege.Ich habe in diesem Zusammenhang bedauert, daß die Angelegenheit hin und wieder auch etwas sensationell dargestellt worden ist. Denn nichts eignet sich weniger für Schlagzeilen als eine im Grunde staatsrechtliche und büromäßige Untersuchung der Arbeit des Verfassungsschutzamtes.
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5998 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Schmitt-Vockenhausen— Meine Damen und Herren, wären Sie in den Ausschuß gekommen, hätten Sie sich alle selber ein Bild machen können.Ich möchte nun auf die Dauer der Arbeiten des Untersuchungsausschusses eingehen. Ich bedaure, daß gelegentlich gesagt worden ist: Es dauert etwas lange. Meine Damen und Herren, wir haben sehr schnell gearbeitet, wenn man die Dauer dieses Untersuchungsausschusses mit der anderer Ausschüsse vergleicht. Denken Sie bitte an die Dauer des John-Ausschusses, der jahrelang tätig gewesen ist, denken Sie an den Ausschuß über die Personalpolitik im Auswärtigen Amt und an all die anderen Untersuchungsausschüsse, die sich meist über eine ganze Legislaturperiode erstreckt haben.Dem Untersuchungsausschuß sind natürlich nicht immer nur von seiten des Herrn Ministers Rosen zugeschickt worden, sondern, wenn icb einmal eine Bemerkung von Ihnen, Herr Minister, variieren darf, wir haben gelegentlich auch einen Pfeil aus „Höcherls Köcherl" erhalten. Uns ist der Vorwurf gemacht worden, wir beachteten nicht genügend die alliierten Geheimhaltungsinteressen, und außerdem kam noch ein Schuß vor den Bug aus der vorhin von mir zitierten, inzwischen verstorbenen Zeitung. Dieser Pfeil traf aber nicht meine Brust, sondern schwirrte verblüffenderweise auf einen hohen Beamten des Innenministeriums; den hat er aber gottlob auch nur gestreift. Ich will dazu hier keine weiteren Ausführungen machen, sondern mich auf die Wiedergabe der einstimmigen Erklärung derAusschußmitglieder in der 10. Sitzung beschränken, wonach der Untersuchungsausschuß „einmütig der Auffassung ist, daß die bisherigen Verhandlungen unter der Leitung seines Vorsitzenden in peinlicher Korrektheit und unter Beachtung aller notwendigen Geheimhaltungsinteressen nach dem bestehenden Recht geführt worden sind."Nun, Herr Minister, Sie haben mehrfach, vor allem in der Zeit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses, Ihren Ärger über den Ausschuß öffentlich bezeugt und einmal gemeint, . es handele sich um ein Strafgericht gegen einen renitenten Innenminister. Lassen Sie mich dazu Ihnen ganz freundschaftlich sagen: Ich habe stets Ihr Bemühen begrüßt — und werde das auch begrüßen —, Sachfragen, wie Sie, Herr Minister, so schön sagen, auf dem Sofa zu besprechen. Das kann in vielen Fällen auch gut sein, und ich hätte in einem bestimmten Zeitpunkt durchaus Verständnis für Ihren Wunsch gehabt. Zu diesem Zeitpunkt, als der Untersuchungsausschuß kam, nach so vielen widersprüchlichen Erklärungen, hätte dieses Verfahren sicher zu einem großen Vertrauensverlust für unsere junge Demokratie geführt.
Es bleibt für Sie, Herr Minister, die wichtige Frage, wie Sie der deutschen Öffentlichkeit erklären, wie es zu den Widersprüchen und falschen Erklärungen vom 11. und 21. September kam, wer Sie falsch unterrichtet hat und wie Sie dazu gekommen sind, daß Sie die deutsche Öffentlichkeit falsch unterrichtet haben. Es wäre gut, wenn das in allem Freimut geschehen könnte.Bei dieser Gelegenheit darf ich auf einen Änderungsantrag meiner Freunde zu dem Antrag des Untersuchungsausschusses hinweisen. Wir bitten, den Antrag des 2. Untersuchungsausschusses wie folgt zu ergänzen:4. Der Deutsche Bundestag bedauert, daß die in dem Ausschußbericht festgestellten Mißstände in den zurückliegenden Jahren von dem aufsichtsführenden Bundesministerium des Innern durch Unterlassung geeigneter Dienstaufsichtsmaßnahmen nicht festgestellt worden sind, insbesondere keine Schutzmaßnahmen gegen Mißbräuche getroffen worden sind.5. Der Deutsche Bundestag mißbilligt, daß der Bundesminister des Innern ohne ausreichende Untersuchungen mehrfach die Öffentlichkeit unrichtig oder irreführend unterrichtet hat.Ich nehme Bezug auf die Erklärungen im Bulletin der Bundesregierung vom 11. bzw. 13. und 21. September 1963, vor allem auf den Punkt 3. Ich bitte Sie, das noch einmal im Bulletin nachzulesen. In der Erklärung vom 13. September 1963 heißt es unter Punkt 3, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz in keinem einzigen Fall die Verbündeten gebeten habe, den Fernsprech- oder Postverkehr bestimmter Personen zu überwachen. Ich erinnere auch an Punkt 5 dieser Erklärung, wo behauptet wird, es habe ein streng rechtlich geregeltes Verfahren gegeben, Ferner gehört dazu die Erklärung des Ministers in der Sendung „Bayern fragt Bonn":Sie meinen, daß bei uns ein untergeordneter Beamter, offenbar des Verfassungsschutzes, darüber entscheiden könnte. Das ist nicht richtig. Die Entscheidung darüber, ob ein Telefongeheimnis in Anspruch genommen wird, liegt allein bei den Verbündeten, und zwar nicht bei den gleichlaufenden Stellen des verbündeten Geheimdienstes, sondern bei sehr beachtlichen, sehr gehobenen Dienststellen unserer Verbündeten.Auch diese Behauptung ist durch die Ausschußberatungen und durch die Berichterstattung widerlegt worden. Eigentlich geht es auch weniger um Sie, Herr Minister, es geht auch nicht um eine Partei, es soll hier niemand gedeckt oder desavouiert werden; es geht ganz einfach darum, daß unsere Bürger zu unserer Verwaltung und nicht zuletzt auch zu einem Ministerwort wieder Vertrauen haben müssen.
Ein Rechtsstaat kann es sich nicht leisten, Vorwürfe völlig ungeklärt zu lassen. Es geht darum, daß wir in unserem Volk das Gefühl für Recht und Ordnung erhalten und stärken.Der Untersuchungsausschuß hat dazu beigetragen. Tun Sie nun für die Regierung das Ihrige im Sinne der Beschlüsse des Ausschusses!
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Schmitt-VockenhausenEs ist durchaus möglich, daß es am Schluß keine Sieger und Besiegten gibt, sondern nur den Erfolg einer wachsamen Demokratie in unserem Lande.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Der Wortlaut, den Sie als Änderungsantrag verlesen haben, entspricht nicht ganz dem Änderungsantrag Umdruck 453. Haben Sie das geändert?
— Also eine Änderung von Ihnen zu diesem Umdruck 453?
— Ist das der richtige Text?
— Also das ist der Änderungsantrag Umdruck 453. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Süsterhenn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Feststellungen im Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Frage der Telefonüberwachung können nach meiner Überzeugung und auch nach Überzeugung meiner politischen Freunde in ihrer Bedeutung nur richtig und vollständig gewürdigt werden, wenn man sie auf dem politischen und psychologischen Hintergrund der Umstände und Emotionen sieht, die letztlich zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses geführt haben. Es waren ja letzten Endes nicht lediglich Rechts- und Verwaltungsfragen, welche die Öffentlichkeit erregt haben. Es ging der Öffentlichkeit gewiß nicht darum, nun Material für eine Gesetzes- oder Verwaltungsreform zu sammeln. Vielmehr muß man feststellen, daß seit dem Herbst des vergangenen Jahres eine weitgehende Beunruhigung in der gesamten deutschen Öffentlichkeit zu spüren war,
und diese Beunruhigung ist hervorgerufen worden nicht durch ein Interesse an irgendwelchen bürokratischen oder organisatorischen Regelungen, sondern durch alarmierende Mitteilungen über angeblich skandalöse Verhältnisse beim Verfassungsschutz.Insbesondere wurden Vorwürfe über angeblich illegale, willkürliche und mißbräuchliche Praktiken bei der Telefonüberwachung erhoben, und weite Kreise der Öffentlichkeit waren geradezu empört. Es wurde auch behauptet, die vom Verfassungsschutz veranlaßte Telefonüberwachung erstrecke sich nicht nur auf Personen, die der verfassungsfeindlichen Arbeit oder der Spionage verdächtigt seien, sondern — ich zitiere wörtlich — „auch auf viele andere Bundesbürger, darunter zahlreicheJournalisten, Bundestagsabgeordnete und führende Politiker".
,— Der hat ja nur gesagt, daß es im Telefon „geknackt" habe; er hat aber niemals die Behauptung aufgestellt, daß er vom Verfassungsschutz überwacht worden sei.
— Meine Herren, ich nehme hier nicht Stellung zu den Erklärungen des Herrn Adenauer, sondern zu dem Bericht des Untersuchungsausschusses, zu seinen Hintergründen und seiner Veranlassung.
Meine Damen und Herren, es ist Ihnen vielleicht unangenehm, daß ich diese Dinge zitiere;
ich kann Ihnen das durchaus nachfühlen. Es wurde ja auch die Behauptung aufgestellt, die Verteidiger der beschuldigten Journalisten in der „SpiegelAffäre" seien vom Verfassungsschutz überwacht worden. Und, meine Damen und Herren von der Linken, gerade Ihr Herr Fraktionsgeschäftsführer, der Herr Kollege Dr. Schäfer, hat doch ganz erheblich mit zu der allgemein Beunruhigung steigernd beigetragen durch seine erwiesenermaßen falsche Behauptung,
die dann von „Panorama" gesendet wurde, hier im Bundestag sei in der Telefonzentrale eine Abhöranlage eingebaut.
Das ist mehr als eine bürokratische Angelegenheit.
Weiterhin wurde in der Presse behauptet, es gehöre zu den Praktiken dieses Verfassungsschutzes, Abhöranlagen in Hotelzimmern anzubringen, und es entstand natürlich eine weitgehende Beunruhigung wegen dieses mit Recht zu rügenden Eingriffes in die Intimsphäre. Sie konnten in der Presse auch lesen, und zwar gestützt auf Aussagen und Angaben eines ehemaligen Verfassungsschützers, daß im Verfassungsschutzamt ein frischfröhlicher Betrieb geherrscht habe und daß manche Abhörergebnisse, insbesondere soweit es sich um irgendwelches Liebesgeflüster gehandelt habe, mehr oder weniger zur persönlichen Belustigung der Verfassungsschützer gedient habe.Meine Damen und Herren, wenn man die Gesamtheit dieser Vorwürfe zusammenfaßt, muß man zu dem Ergebnis kommen, daß in der Öffentlichkeit mit Recht eine gewaltige Empörung über derartige Dinge entstanden ist. Ich freue mich über die lobenden und anerkennenden Worte, die heute der Kollege Schmitt-Vockenhausen für die Mitglieder des Verfassungsschutzes gefunden hat. Aber damals
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6000 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Dr. Süsterhennherrschte doch in der Öffentlichkeit der Eindruck, als handle es sich da um einen Verein von üblen Burschen, der nicht darauf ausgehe, die Verfassung zu schützen, sondern nur darauf, sie mißbräuchlich zu obskuren Zwecken zu verletzen.
Es entstand damals sogar so etwas wie eine regelrechte Abhörpsychose, und es war doch so, daß nicht nur der von Ihnen zitierte Bundeskanzler Adenauer es in der Leitung hat „knacken" hören, sondern das war — wenn ich hier einmal die vielzitierte Symbolfigur „Lieschen Müller" nehme — allgemein verbreitet, und Lieschen Müller wagte es eben nicht mehr, ihr Liebesgeflüster den Telefondrähten anzuvertrauen, weil ja auch — —
— Entschuldigen Sie mal, welchen Anstoß nehmenSie daran? Auch ein Liebesgeflüster hat Anspruchauf Schutz der Persönlichkeitssphäre, Herr Wehner.
Und, meine Damen und Herren, wenn meine Fraktion damals der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses zugestimmt hat, dann hat sie das nicht zuletzt auch getan, um einmal diese in der Öffentlichkeit verbreiteten angeblichen Mängel und Mißstände klarstellen zu lassen.
Nun zum Ergebnis der Ausschußuntersuchung. Der Ausschußbericht ist, wie Sie wissen, einstimmig angenommen worden. Ich gehörte selber diesem Ausschuß an und habe diesen Bericht mit akzeptiert. Aber wenn Sie gut zuhörten, wie der Herr Berichterstatter diesen Bericht verlesen hat, mußten Sie bemerken, daß der Untersuchungsausschuß im wesentlichen festgestellt hat, daß Verfahrensmodalitäten, für die Regelung der persönlichen Kompetenzen zur Einleitung der alliierten Überwachung, für die Formen der Registrierung, der Aufbewahrung, der aktenmäßigen Behandlung, der Auswertung, der Sicherstellung, der Geheimhaltung und schließlich auch der Vernichtung und der Anfertigung von Protokollen und Verhandlungen über die Vernichtung des Materials, die für einen geordneten Behördenbetrieb allgemein erforderlichen Dienstvorschriften entweder zum Teil nicht vorhanden oder zum Teil nicht ausreichend waren oder nur in mündlichen Anweisungen bestanden.Ich stehe gar nicht an zu erklären, daß das zweifellos bedauerliche organisatorisch-bürokratische Mängel sind. Aber man muß auch den Versuch machen, das Vorhandensein dieser Mängel nun irgendwie zu erklären und sie sich als gründlicher Beurteiler begreiflich zu machen. Da scheint mir sehr wesentlich zu sein, daß in den Verhandlungen des 1. Untersuchungsausschusses, der im Jahre 1955 zur Behandlung der Affäre John eingesetzt worden war Kritik am Bundesinnenministerium geübt worden ist, weil es das Bundesamt für Verfassungsschutz fast wie eine Ministerialabteilung behandelt und eine zu straffe Aufsicht ausgeübt habe. Gegenüber dieser Praxis wurde damals von dem Untersuchungsausschuß in dem Bericht des damaligen Abgeordneten Bucerius ausdrücklich der Wunsch geäußert, das Ministerium solle in Zukunft lediglich Kontrolle und nicht leitende Aufsicht ausüben.
Damals hat man also die Zügel zu straff angespannt.Wir sind nun in unserem 2. Untersuchungsausschuß zu dem Ergebnis gekommen, daß das Lockern der Zügel auf dem Gebiete der Organisationskontrolle vielleicht etwas zu großzügig gehandhabt worden ist. Wir haben ja gar keine bürokratischen Mängel irgendwie abgestritten; sie ergeben sich ganz klar aus diesem Bericht.Sodann ist die Frage aufgeworfen worden, warum der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz nun nicht etwa seinerseits die entsprechenden Organisationsanordnungen und -anweisungen und bürokratischen Regelungen schriftlich getroffen habe, die das Bundesinnenministerium hätte vielleicht treffen können. Ich glaube, daß man hier folgendes nicht unberücksichtigt lassen darf. Der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat gesagt: der Verfassungsschutz ist zwar einerseits eine Behörde, hat aber andererseits doch sehr, sehr viele Züge gemeinsam mit einem geheimen Nachrichtendienst, und wenn er diese gemeinsamen Züge nicht hätte, könnte er seine Arbeit überhaupt einstellen und wäre von vornherein zum Mißerfolg verurteilt.Es liegt nun einmal in der Natur derartiger geheimer Nachrichtendienste, daß sie ihren besonderen Arbeitsstil haben, daß sie ihrer Natur nach wesentlich anders und vor allem weniger bürokratisch arbeiten als etwa ein Grundbuch- oder ein Katasteramt. Das sind eben wesentliche Unterschiede. Ohne ein gewisses Maß von Flexibilität kann sich die Arbeit eines derartigen Dienstes überhaupt nicht mit einiger Aussicht auf Erfolg abspielen.Hinzu kommt, daß alle derartigen Institutionen geheimdienstlichen Charakters gezwungen sind, sich mit einem sich tarnenden, mit einem konspirativ arbeitenden Gegner auseinanderzusetzen. Von der Arbeitsmethode des Gegners her wird einem solchen Dienst ja auch eine entsprechende Arbeitsmethode aufgezwungen. Daher gehört es zum selbstverständlichen Arbeitsstil aller dieser Behörden oder Dienste in der gesamten Welt, erstens möglichst wenig schriftlich zu fixieren, zweitens möglichst schweigsam gegen jedermann sowohl im eigenen Hause als auch im Verkehr mit außenstehenden Behörden zu sein sowie auch, den einzelnen Bediensteten nach Möglichkeit nur mit dem engen Ausschnitt von Tatsachen vertraut zu machen, die der einzelne Bedienstete notwendigerweise wissen muß, um die ihm gestellte Aufgabe zu erfüllen.
Der Dank, den der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen für den Verfassungsschutz eben zum Ausdruck gebracht hat, beweist doch, daß man bei der
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Dr. SüsterhennPersonalauswahl zumindest nicht generell derartige Fehler gemacht hat, wie Sie es durch Ihren Zwischenruf offensichtlich andeuten wollen.
Meine Damen und Herren, auch für den Ausschuß, auch für mich war es überraschend, zu erfahren, daß das Ministerium und insbesondere auch der Herr Minister, oder eigentlich umgekehrt, daß vor allen Dingen die damit betrauten Beamten und dann in letzter Linie auch 'der Herr Minister eigentlich über diese Form der Zusammenarbeit zwischen dem Verfassungsschutz und den alliierten Stellen nicht informiert waren. Ich habe versucht, mir das zu erklären, und bin, nicht alleine, zu dem Ergebnis gekommen, daß der Umstand mitgewirkt haben kann und sicher hat, daß in den bestehenden Verträgen — Deutschlandvertrag, Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut usw. — Konsultationen zwischen den Alliierten und der Bundesregierung über die Ausübung der alliierten Vorbehaltsrechte vorgesehen sind und daher von den Beamten des Verfassungsschutzamtes durchaus angenommen werden konnte, daß die Bundesregierung auf Grund dieser Konsultationen über die Formen der Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit den alliierten Dienststellen im Bilde war. Bedauerlicherweise ist sie nicht im Bilde gewesen, nicht ins Bild gekommen. Hier ist zweifellos eine stärkere Befassung seitens des Bundesinnenministeriums mit der Arbeit des Bundesverfassungsschutzes eine für ein geordnetes Staatswesen dringende und nicht außer acht zu lassende Notwendigkeit.Aber das entscheidende Faktum, das der Untersuchungsausschuß festgestellt hat, ist ja folgendes. Er ist in seiner Arbeit zu dem Ergebnis gekommen, daß trotz gewisser bürokratischer und organisatorischer Mängel ein Mißbrauch bei den Anregungen zur Telefon- oder Postüberwachung nicht festgestellt wurde. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit den Feststellungen der sogenannten Kleinen Kommission, die bereits vom Herrn Kollegen Schmitt-Vockenhausen zitiert wurde. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, daß sich aus den ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen kein Anhalt für die Annahme eines Mißbrauchs der Telefon- und Postüberwachung in der innenpolitischen Auseinandersetzung ergeben hat. Zum gleichen Ergebnis — daß kein Mißbrauch festgestellt worden sei — kam auch der von der Bundesregierung mit der Überprüfung des Bundesamtes für Verfassungsschutz beauftragte Oberlandesgerichtspräsident a. D. Dr. Silberstein, wie dies ausdrücklich in einer Presseerklärung von ihm bekanntgemacht worden ist.Das Allerinteressanteste ist folgendes: Die beiden sogenannten Kronzeugen der in der öffentlichen Meinung vorhandenen Anklage, die Belastungszeugen, von denen man die große Sensation und geradezu die Überführung des Bundesinnenministeriums und des Bundesamtes für Verfassungsschutz erwartete, auch der Herr Pätsch und der Herr Bethke haben keinen Mißbrauch behauptet. Bethke hat sogar erklärt, er kenne keinen Mißbrauchsfall. Meine Damen und Herren, das festgestellt zu wissen,scheint mir für die deutsche Öffentlichkeit von einer ganz wesentlichen Bedeutung zu sein.
Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit sagen, daß von einer verfassungswidrigen Bespitzelung demokratischer Politiker, Journalisten, Anwälte oder sonstiger Bürger überhaupt keine Rede sein kann,
daß sich in dieser Richtung bei den durchgeführten Untersuchungen nicht die geringsten Anhaltspunkte ergeben haben. Selbstverständlich müssen sich im Interesse der ,Staatssicherheit auch politische Persönlichkeiten ebenso wie sonstige Bürger mit einer Überwachung abfinden, wenn gegen sie hinreichende Verdachtsmomente wegen verfassungsfeindlichen, hoch- oder landesverräterischen Verhaltens bestehen. Ich nenne hier den Fall — nicht um eine Partei damit zu belasten, sondern weil er der bekannteste gewesen ist — Frenzel. Man könnte auch noch andere Fälle nennen.
— Ich habe Sie geradezu aufgefordert, durch Zwischenrufe — —
— Der eine schweigt, der andere macht den Zwischenruf.
— Das mag jeder Abgeordnete machen, wie er will.Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Telefon- und Postüberwachung verdächtiger Personen führt notwendigerweise dazu, daß auch Unverdächtige, die mit den Verdächtigen in Verbindung stehen, in die Überwachung einbezogen werden. Wenn z. B. die Telefongespräche einer Person überwacht werden, die in hinreichendem Verdacht steht, einem feindlichen Spionagering anzugehören, dann ist es unvermeidlich, daß auch die Gespräche der bei dem Verdächtigen anrufenden Personen zur Kenntnis der Überwachungsstelle gelangen. Es gibt überhaupt keine andere Möglichkeit, wenn man eine Überwachung vornehmen will.Der Untersuchungsausschuß hat dies einstimmig als eine zwangsläufige Folge bezeichnet und lediglich Bedenken dagegen angemeldet, daß es beim, Bundesamt für Verfassungsschutz keine besonderen Vorschriften über die Ausscheidung und Vernichtung des über unverdächtige Personen angelaufenen Materials gab. Aber, meine Damen und Herren, dafür, daß infolge des Fehlens solcher einschlägiger Vorschriften das gegen unverdächtige Personen angefallene Material in irgendeiner Form mißbräuchlich verwertet wurde, hat sich nicht der geringste Anhaltspunkt ergeben, und eine diesbezügliche Behauptung ist in den ganzen Verhandlungen des Untersuchungsausschusses auch niemals von irgendjemandem aufgestellt worden.
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6002 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Dr. SüsterhennDer Untersuchungsausschuß hat an einer Stelle gesagt, daß zwar einerseits ein Mißbrauch nicht festgestellt wunde, andererseits aber auch ein Mißbrauch bei der Anregung der Telefon- oder Postüberwachung nicht ausgeschlossen werden könne und daß die Gefahr mißbräuchlicher Benutzung des angefallenen Materials bestanden habe. Meine Damen und Herren, diese Feststellung, die ich als Ausschußmitglied ja auch zu verantworten habe und auch zu verantworten gewillt bin, enthält in gewisser Hinsicht eine Selbstverständlichkeit, als nirgendwo und niemals die Gefahr des Mißbrauchs von Institutionen oder Befugnissen völlig ausgeschlossen werden kann. Das ist letzten Endes immer eine Frage des Vertrauens, nicht nur bei den Mitgliedern und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, sondern auch bei jedem Nachtwächter, dem ich einen Schlüssel in die Hand drücke, damit er nachts in die fremden Büro- oder Fabrikräume hineingehen kann. Letzten Endes ist also der Charakter entscheidend. Da muß ich aber sagen — —
— Ich weiß nicht, was da zu lachen ist. Ich glaube, wir sind doch alle der Überzeugung, daß es auf den Charakter ankommt. Oder wollen Sie dem irgendwie widersprechen, Herr Kollege Hermsdorf? Das unterstelle ich Ihnen gar nicht.
Meine Damen und Herren, hinsichtlich der charakterlichen Qualität der als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuß vernommenenführenden Persönlichkeiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist nicht -nur nichts Negatives festgestellt worden, sondern jedenfalls ich habe den Eindruck gewonnen — und ich glaube, auch die anderen Mitglieder —, daß sie in vollem Bewußtsein ihrer hohen Verantwortung, die sie in einem demokratischen Rechtsstaat haben, ihre Aufgaben ausgeführt haben. Sogar der Belastungszeuge Bethke hat gesagt, daß er auch ohne Vorhandensein der im einzelnen notwendigen Vorschriften aus seinem eigenen Gewissen heraus sich richtig und anständig und korrekt verhalten hat.Es scheint mir notwendig zu sein, hier über die grundsätzliche Einstellung der Leitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz noch einen Hinweis zu geben, der den Beweis dafür erbringt, daß sich das Bundesverfassungsschutzamt genauso von den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit leiten läßt, wie wir das als Parlament tun und wie wir es von der Exekutive und von der rechtssprechenden Gewalt erwarten. In einer Schriftenreihe für den Bundesverfassungsschutz, die zwar speziell für die Anleitung V-Leute herausgegeben worden ist, die aber Gegenstand der gesamten Schulung aller Verfassungsschützer gewesen ist, heißt es:Der absolute Rechtsstaat, den das Bonner Grundgesetz verwirklicht, kennt keine justizfreien Hoheitsakte.Meine Damen und Herren, das ist eine Erklärung des Verfassungsschutzes und nicht etwa des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hätte das nicht rechtsstaatlicher ausdrückenkönnen, als es hier vom Verfassungsschutz aus geschehen ist.
Meine Damen und Herren! Es wird auch eine Unterscheidung gemacht zwischen solchen Interessen, die gemeinsame deutsche und alliierte Interessen waren, wo also in bestimmten Fällen alliierte Interessen mitberührt waren, und solchen Fällen, wo es sich ausschließlich um deutsche Interessen gehandelt habe, und bezüglich der letzten vertritt der Ausschuß die Auffassung, daß, sofern es sich um ausschließlich deutsche Interessen gehandelt habe, eine Inanspruchnahme der Überwachungsmöglichkeiten mit Hilfe der Allierten unzulässig gewesen sei. Es ist auch gesagt, daß sich Verdachtsmomente ergeben haben, daß die Frage der Mitbeteiligung alliierter Interessen etwas extensiv ausgelegt und nicht immer genügend berücksichtigt worden ist. Auch hier aber, meine Damen und Herren, muß man von der sachlichen Schwierigkeit ausgehen. Wir sind schließlich Mitglieder des Bündnissystems der NATO und er WEU, und die deutschen und die alliierten Truppen, die auf dem Boden der Bundesrepublik stehen, unterstehen einem integrierten Oberkommando. Jede Störung der verfassungsmäßigen inneren Ordnung wird sich daher zwangsläufig irgendwie politisch und unter Umständen auch militärisch auf dieses Bündnissystem zum mindesten auswirken können, so daß die Entscheidung in der Frage der Grenzziehung weitgehend eine Angelegenheit des Ermessens, wenn nicht sogar der subjektiven Wertung ist.Bei einer Würdigung des Ermittlungsergebnisses des Untersuchungsausschusses drängt sich einem die Feststellung auf, daß der kreißende Berg von Vorwürfen, Unterstellungen, Verdächtigungen, Verdrehungen und Falschbehauptungen tatsächlich nur ein winziges Mäuslein geboren hat.
Aber wenn es um die Wahrung der Grund- und Menschenrechte geht, wenn es sich um Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre des Bürgers handelt, verdient auch ein Mäuschen ernste Beachtung, selbst wenn es sich, wie im vorliegenden Falle, nur um ein bürokratisches Mäuslein handeln sollte.
Aus diesem Grunde haben auch meine politischen Freunde und ich sich der Forderung des Untersuchungsausschusses angeschlossen, daß die organisatorischen Mängel, soweit sie inzwischen noch nicht behoben sind, behoben werden sollen. Die Bundesregierung mag darüber ihre Überlegungen anstellen. Wir sind auch der Meinung, daß es zweckmäßig ist — der Herr Bundesinnenminister hat das übrigens schon einmal angeboten —, daß das Parlament in Form eines Beirats wie bei anderen Institutionen so auch bei der Institution des Verfassungsschutzes mit vertreten ist.Ich möchte zum Schluß kommen und folgendes sagen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 6003
Dr. Süsterhenn— Es war wirklich nur ein Mäuschen,
und es wird auch Ihnen nicht gelingen, es zu einem Elefanten aufzublasen.
— Sie können mich „Abhörmäuschen Süsterhenn" mit genau derselben Berechtigung nennen, wie Herr Wehner den Innenminister „Mithörminister" genannt hat, der ebenso wenig mitgehört hat, wie ich abgehört habe.Meine Damen und Herren! Der Verfassungsschutz ist immer eine heikle Angelegenheit. Individuelle Interessen und die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit und des Gemeinwohls, die für den Rechtsstaat typischen Forderungen des strengen Formenzwanges, des gesetzlich geordneten Verfahrens sowie die Notwendigkeit der Flexibilität zur wirksamen Beobachtung und Abwehr staatsfeindlicher Kräfte stehen stets in einem unvermeidlichen Spannungsverhältnis. Wir sind alle daran interessiert, dieses Spannungsverhältnis in einer möglichst rechtsstaatlichen Weise zu lösen. Ich glaube, daß den Weg dazu der amerikanische Justizminister Bob Kennedy gewiesen hat, wenn er gegenüber dem Repräsentantenhaus und dem Senat erklärte:Ich vertrete mit Nachdruck den Standpunkt, daß jeder Bürger der Vereinigten Staaten ein Recht darauf hat, daß niemand seine Telefongespräche mithört.— Einschließlich Liebesgeflüster, Herr Wehner!
Dieses Recht ist jedoch, wie die meisten persönlichen Rechte innerhalb der Gesellschaft, nicht absolut frei von Einschränkungen. Die Gesellschaft hat auch ein Recht, wirksame exekutive Mittel einzusetzen, um sich gegen Spionage und staatsfeindliche Umtriebe, gegen Mord und Entführung sowie gegen das organisierte Verbrecher- und Schiebertum zu schützen.Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Als dieses Hohe Haus sich das letzte Mal mit Problemen des Verfassungsrechts, des Rechtsstaates befaßte, herrschte eine erfreuliche Übereinstimmung. Damals besprachen wir den Fall Argoud. Quer durch die Fraktionen hindurch, ohne Unterschied der Parteien, wurde klargestellt, daß sowohl im Hinblick auf die Vergangenheit unseres Volkes wie auch auf unsere gegenwärtige Situation, unabhängig von parteipolitischer Zugehörigkeit auf nichts dringender geachtet werden müsse als darauf, daß die Verfassung, die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland gewahrt würden. Wir haben damals aus dieser Grundeinstellung Forderungen dem Ausland, unseren Freunden, den Franzosen, gegenüber abgeleitet, und wir können mit Freude feststellen, daß die Regierung diesem gemeinsamen Appell dieses Hohen Hauses damals gefolgt ist.Meine Damen und Herren, ich glaube, wir würden unglaubwürdig werden, wenn wir diese Forderung auf strenge Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit nur nach außen richteten, wenn wir nicht ebenso strenge Maßstabe für unser eigenes Verhalten im Innern anlegten.Wir haben es daher begrüßt, daß, als die Problematik um die Abhörpraxis des Verfassungsschutzamtes auftauchte, das Hohe Haus sich entschloß, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der die Dinge klären sollte. Es fiel bei den Beratungen des Ausschusses einmal das Wort, daß es sich um einen Ausschuß der SPD gehandelt habe. Ich bin dem damals schon entgegengetreten. Zwar ist der Ausschuß von der SPD beantragt worden, beschlossen worden ist er vom ganzen Hause. Die Untersuchung ist von den Vertretern des ganzen Hauses geführt worden, und ich darf als erfreulich feststellen, daß die Untersuchung in diesem Ausschuß in dem Sinne geführt worden ist, wie wir es einzig für möglich gehalten haben. Die einstimmige Feststellung eines Sachverhalts, die einstimmige Feststellung gewisser Konsequenzen, die sich aus diesem Sachverhalt ergaben, sind doch Anzeichen dafür, daß sie aus einem gemeinsamen Geiste heraus erarbeitet worden sind.Diese Tatsache scheint mir in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Erstens zeigt die Reaktion der Öffentlichkeit, daß das bis dahin nicht immer sehr hoch angesehene Institut der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse durch die Arbeit dieses Ausschusses doch in ein recht gutes Licht gerückt worden ist; die Öffentlichkeit hat positiv auf das reagiert, was dieser Ausschuß geleistet hat.
Eine zweite Konsequenz möchte ich aber ebenso klar ziehen. Auch das ist klar ad absurdum geführt, was — ich will es einmal so sagen — an Querschüssen gekommen ist; sei es die erste Warnung vor Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschusses, man möge sich ja nicht gegen Strafgesetze vergehen, sei es die zweite Warnung, daß man doch die Geheimhaltungsbestimmungen den Alliierten gegenüber beachten müsse. Wir waren damals überrascht, daß diese Dinge zunächst nicht dem Ausschuß gegenüber geäußert, sondern in die deutsche Öffentlichkeit gebracht wurden. Erst dann war Gelegenheit gegeben, daß der Ausschuß selber dazu Stellung nahm. Er hat sich gleichfalls in einmütiger Weise dahin ausgesprochen, daß alle diese Angriffe unberechtigt seien. Ich glaube, wir sollten das auch hier zur Klarstellung der Verhältnisse eindeutig aussprechen.Leider bin ich nicht in der Lage, von allen, die darüber hinaus an der Arbeit des Ausschusses beteiligt waren, gleich Gutes hier zu sagen. Ich könnte manches Beispiel anführen. Ich will mich auf ein
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6004 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Bussemeines Erachtens recht eklatantes Beispiel beschränken, das auch für die weitere Beurteilung des Falles von Bedeutung sein dürfte.Nachdem zunächst laufend erklärt worden war, es lägen nur mündliche Anweisungen über die Behandlung von Telefoninitiativen von deutscher Seite vor, stellte sich eines Tages heraus, daß doch ein Protokoll über eine Sitzung vorlag, in der mit den Dezernenten diese Frage besprochen worden war. Dieses Protokoll hatte nicht etwa zum Inhalt, daß, wie und unter welchen Umständen man deutsche Initiativen ergreifen könnte, sondern es besagte, daß — nach vorhergegangenen Erörterungen — Aufträge von deutschen Stellen an die Alliierten zum Abhören von Telefongesprächen nicht zulässig seien. Die Herren vom Verfassungsschutzamt erklärten dazu: Selbstverständlich sind wir nicht in der Lage, Aufträge zu erteilen; die Alliierten nehmen doch von uns keine Aufträge im engeren Sinne des Wortes entgegen; wir können sie höchstens bitten, wir können höchstens Initiativen in die Wege leiten. — Ich fragte damals, ob denn Anlaß dazu vorgelegen habe, klarzustellen, daß deutsche Stellen keine Aufträge in diesem engeren Sinne des Wortes erteilen dürften. Man erklärte: nein, ein solcher Anlaß habe nicht vorgelegen. Der Ausschuß ist dann aber in mühevoller Arbeit den Anlässen nachgegangen und hat festgestellt — es hat lange gedauert, bis wir diese Dinge einigermaßen klar hatten —, daß vorher darüber gesprochen worden war, wo denn die Grenzen der verschiedenen Sicherheitsdienste in rechtlicher Hinsicht lägen. Das Ergebnis dieser Untersuchungen war dann die Besprechung bei den Dezernenten. Unter diesem Aspekt gesehen, glaube ich, ist die Ausdrucksweise: das Verfassungsschutzamt war nicht berechtigt, Aufträge an die Alliierten zu erteilen, eindeutig klar.
Ich kann wohl, ohne einen Fehlschluß zu ziehen, daraus folgern, daß mindestens die Problematik, die sich ergab, im Verfassungsschutzamt eindeutig erkannt worden war. Denn daß eine Problematik vorliegt, darüber sind wir, glaube ich, alle einig.Ich will hier nicht den Streit der Juristen über die rechtlichen Möglichkeiten vertiefen; aber ich meine, hier doch folgendes ganz klar sagen zu sollen. Art.10 des Grundgesetzes und die Vorbehaltsrechte der Alliierten stehen in einem gewissen Widerspruch zueinander.
Eine deutsche Stelle — und darauf kommt es mir an — kann aber nur im Rahmen des Grundgesetzes praktizieren.
Wenn das aus tatsächlichen Gründen, aus staatlichen Notwendigkeiten nicht möglich ist, so zeigt das Grundgesetz den Weg, der von der Regierung gegangen werden muß.
Wir sind zur Zeit in Deutschland in einer relativ glücklichen Lage. Unser Parlament verfügt über eine Opposition, die manchmal wegen ihres Mangels anOpposition getadelt wird. Eines kann man ihr nicht nachsagen: daß sie in diesem Parlament eine Obstruktion betreibt. Jeder in diesem Hause — davon bin ich zutiefst überzeugt — ist bereit, der Regierung, die aus diesem Hause gebildet ist, die Möglichkeiten zu geben, die notwendig sind, um verfassungsmäßige Ordnung, Recht und Sicherheit im deutschen Volke und in der Bundesrepublik zu gewährleisten.
Wenn das aber die allgemeine Auffassung dieses Hauses ist, dann kann jede Regierung mit gutem Gewissen vor dieses Haus hintreten und das, was in der nächsten Zeit geschehen muß, tun. Sie kann ein Gesetz vorlegen, das klar die Befugnisse regelt, die die Regierung, die die deutschen Behörden dann haben. Und wenn ein solches Gesetz da ist, sind alle Zwielichtigkeiten aus der Welt geschafft. Was heute möglich ist, war auch seit 1956 möglich. Daß es nicht geschehen ist, hat mit dazu beigetragen, daß wir in diese zwielichtige Situation hineingeraten sind.Ein Weiteres zu den internen Verhältnissen im Amte. Da ist gesagt worden — und die Herren vom Verfassungsschutzamt haben uns das auch vorgetragen —: Die Besonderheit unseres Amtes verbietet es, Dienstanweisungen zu erlassen, Vorschriften zu machen, wie man nun dies oder jenes machen solle. Meine Damen und Herren, heute liegen diese Dienstanweisungen, diese Vorschriften vor. Heute ist es möglich, und ich frage mich: Warum ist es heute erst möglich, diese Dinge zu regeln?
Warum hat man es nicht längst so gemacht?
Geht man von diesem Gesichtspunkt aus, so muß ich in der Tat sagen, daß bei der Schwierigkeit der Frage, die hier zur Entscheidung stand, die leitenden Herren des Verfassungsschutzamtes — ich will mich hier ganz neutral ausdrücken —, ihrer Pflicht nicht genügend nachgekommen sind. Das mindeste, was in einer solchen Situation hätte geschehen müssen, wäre gewesen, daß man diese Angelegenheit mit der für verfassungsrechtliche Fragen zuständigen Stelle im Innenministerium besprochen hätte. Auf Grund meiner kurzen Erfahrungen in diesem Hause und mit den Herren des Innenministeriums, die diese Stelle betreuen, habe ich den festen Glauben und die Überzeugung, daß die Dinge dann anders gelaufen wären, als sie damals tatsächlich gelaufen sind.
Insofern ist es, glaube ich, doch wohl berechtigt, daß der Ausschuß vorschlägt, daß diese Dinge sehr sorgfältig überprüft werden sollen — auch dies ist ein gemeinsamer Vorschlag des Ausschusses und daß darüber berichtet werden soll, welche Konsequenzen sich aus diesen Tatsachen ergeben.Diese Notwendigkeiten ergeben sich aber auch aus einem anderen Grunde. Von den zahlreichen Fällen, die hier insbesondere von Herrn Kollegen Schmitt-Vockenhausen heute erörtert worden sind,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 6005
Bussemöchte ich nur noch einmal den aufgreifen, der sich hier im Parlament abgespielt hat — ich brauche ihn nicht zu wiederholen —, als auf die Frage des Kollegen Schäfer das klare Ja des Herrn Innenministers erfolgte. Ich gehe dabei davon aus — es hat sich für mich bisher kein Anhaltspunkt für etwas anderes ergeben —, daß der Herr Minister diese Antwort gutgläubig erteilt hat. Um zu einer anderen Schlußfolgerung kommen zu können, müßte ich erst sehr konkrete Unterlagen haben. Hat er die Antwort aber gutgläubig erteilt, so war er mangelhaft informiert worden. Bevor eine solche Antwort gegeben werden konnte, mußte er sich bei den in seinem Ministerium dafür zuständigen Beamten informieren. Diese konnten ihm erst die Möglichkeit zu einer solchen Antwort geben, nachdem sie die entsprechenden Rückfragen gestellt hatten.
Daß das unterblieben ist und daß dadurch hier beim Parlament tatsächlich Eindrücke hervorgerufen worden sind, die mit der Wirklichkeit nicht in Einklang stehen, meine Damen und Herren, ich glaube, das wird man schlecht billigen können. Und wir meinen auch, daß sich daraus Konsequenzen ergeben sollten, Konsequenzen, die wir nicht heute hier zu ziehen haben, sondern über die wir bis zum 1. Oktober den Bericht des Herrn Innenministers erwarten.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluß meiner Ausführungen, da ich nicht die Absicht habe, über das eigentliche Thema hinauszugehen, das uns im Untersuchungsausschuß gestellt war, und mehr zu sagen, als im Rahmen der Erfüllung dieses Auftrages hier heute gesagt werden muß. Nur eines möchte ich noch mit wenigen Worten streifen, da ich eine Klarstellung dieses Punktes, wenn er auch in unserem Bericht und in den Anträgen des Ausschusses bisher nicht erwähnt ist, einfach für notwendig halte.Es ist immer wieder die Frage aufgetaucht, ob und wieweit das Innenministerium über die tatsächlich geübte Praxis informiert gewesen ist. Hier sind wir, glaube ich, bei der Untersuchung im Ausschuß nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen. Aus den Unterlagen ergibt sich, daß schon im Jahre 1956 Fragen aufgeworfen wurden — und zwar von dem heutigen Staatssekretär Bargatzky —, die mit dem Problem, das uns hier beschäftigt, in engstem Zusammenhang stehen, Fragen aus dem Ministerium heraus an das Verfassungsschutzamt. Wir wissen weiter, daß im Innenministerium laufend an der Frage eines Ausführungsgesetzes zu Art. 10 des Grundgesetzes gearbeitet worden ist, wenn auch nicht mit dem nötigen Elan, der erst aufgetreten ist, als diese ganzen Untersuchungen liefen.Wir wissen endlich, daß der Verbindungsoffizier der Engländer dem Präsidenten des Verfassungsschutzamts erklärt hat, er habe, bevor das Formular, das für die schriftlichen Anträge später benutzt worden sei, festgelegt worden sei, diese Angelegenheit im Innenministerium besprochen. Derselbe Verbindungsoffizier hat zwar in einer Unterredung mit Herrn Staatssekretär Dr. Schäfer diese Erklärungnicht aufrechterhalten. Er hat sie aber im Gegensatz zu anderen Dingen auch dem Präsidenten des Verfassungsschutzamts gegenüber nicht widerrufen.Was mich unbefriedigt läßt, ist die Unklarheit, die hierin wieder mal steckt.
Es ist die Zwielichtigkeit, die sich in allzu vielen Dingen findet. Diese Zwielichtigkeit halten wir mit der Klarheit, die das Grundgesetz von uns verlangt — nur so können wir es praktizieren, nicht mit Zwielichtigkeiten —, für nicht vereinbar.Wir haben uns weder heute hier noch im Untersuchungsausschuß mit den Fragen auseinanderzusetzen gehabt, die in der Presse und sonst in der Öffentlichkeit lang und breit diskutiert worden sind. Die Feststellungen, die wir einstimmig getroffen haben, sind in manchem Punkt nicht völlig erschöpfend, wie ich dargelegt habe. Sie zeigen aber eindeutig, daß nicht alles so gewesen ist, wie es hätte sein sollen. Daß die Konsequenzen, die der Ausschuß daraus gezogen hat, wiederum einstimmig gezogen worden sind, zeigt trotz allen Ausführungen, die auch heute von diesem Platz gemacht worden sind, daß im Grunde genommen jeder anerkennen muß, daß diese Konsequenzen einfach gezogen werden müssen.
Die Regierung — ich spreche das nun als Mitglied einer Fraktion aus, die die Regierung mit stellt — wäre meines Erachtens schlecht beraten, wenn sie lediglich sagte: Es war alles gut, aber künftig wollen wir es noch besser machen. Es soll ruhig anerkannt werden, daß nicht alles gut war. Dann haben die Presse, die diese Dinge angerührt hat, die Kleine Kommission, die sie zunächst aufgegriffen hat, und der Untersuchungsausschuß, der dann die Untersuchungen durchgeführt hat, deren Resultat jetzt vorliegt, wirklich ihre Aufgabe erfüllt. Denn das sind die Gründe gewesen, warum heute jedenfalls schon eine wesentlich bessere Organisation — Dienstanweisungen, Dienstaufsicht — im Verfassungsschutzamt vorhanden ist und warum wir auch in absehbarer Zeit — wir haben heute unter den Drucksachen die Unterlagen gefunden — das Ausführungsgesetz zu Art. 10 des Grundgesetzes bekommen werden. Diese Resultate sind mir viel wesentlicher als alles andere, was sonst hier heute gesagt worden ist. Sie zeigen, daß, wenn Mißstände klar angesprochen werden und der gute Wille vorhanden ist, sie zu beseitigen, allen Beteiligten das entsprechende Lob gespendet werden muß.Nun zu Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der SPD. Wir haben einstimmig im Ausschuß gewisse Anträge formuliert. Ich hoffe, daß sie nach den Darlegungen, die heute hier gemacht wurden, von der Regierungsseite richtig verstanden werden. Es sollten uns bis zum 1. Oktober nicht nur die materiellen Unterlagen, die Gesetze und ähnliches hier vorliegen, sondern wir wollen auch erfahren, welche weiteren Konsequenzen von der Regierung daraus gezogen sind.
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6006 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
BusseWir haben keinen Auftrag gehabt — und ich lehne es auch ab, heute dazu irgendeine Erklärung abzugeben, bevor nicht auch diese Dinge im einzelnen substantiiert untersucht worden sind —, das Verhalten des Herrn Ministers zu untersuchen. Das steht in keiner Ihrer Fragen, die Sie formuliert haben, die von Ihnen ausgingen, und ehe wir da nicht in ganz substantiierte Untersuchungen eintreten können — dazu ist das Parlament heute in diesen Stunden einfach nicht in der Lage —, solange werden wir diesen weiteren Anträgen, die Sie gestellt haben, unsere Zustimmung nicht geben, dagegen im übrigen dem Antrage des Ausschusses zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Kollegen Busse sehr dankbar, daß er zu der sachlichen Atmosphäre, die uns im Untersuchungsausschuß während aller Sitzungen beherrscht hat, wieder zurückgeführt hat. Wir dürfen wohl feststellen, daß Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen durchaus im Rahmen der Arbeit des Untersuchungsausschusses fortfahrend seine Darlegungen hier gemacht hat. Herr Kollege Süsterhenn hat eine neue Methode eingeführt, indem er einen Artikel, der im „Rheinischen Merkur" am 1. Mai veröffentlicht wird — ich habe ihn schon hier liegen: „Es knackt in der Leitung" ; Sie kennen ja Ihren eigenen Artikel, Herr Kollege Süsterhenn —,
mit kleinen Änderungen und Kommentaren hier verlesen hat. Es ist dem Herrn Präsidenten sicher entgangen; denn es würde der Gepflogenheit des Hauses nicht entsprechen, eigene Zeitungsartikel hier vorzulesen und zu kommentieren.
— Ich habe das streckenweise wörtlich verfolgt unter Assistenz einiger Kollegen; man kann das ja nachher im Protokoll vergleichen, Herr Kollege.
— Das möchte ich Ihnen allerdings nicht bestreiten, daß ,das Ihr geistiges Eigentum ist.
Nun, Sie haben so Atmosphäre machen wollen. Das zeugt nicht immer gerade von Überzeugung, daß man in der Sache recht hat. Sie haben die Panorama-Angelegenheit angeführt. Das gibt mir einen willkommenen Anlaß, den Brief des Präsidenten dieses Hohen Hauses in das Protokoll des Bundestages zu bringen. Ich darf die ersten zwei Absätze vorlesen;
Der Präsident Bonn, den 10. Oktober 1963
des Deutschen Bundestages
An
Herrn Bundestagsabgeordneten Dr. Friedrich Schäfer
im Hause
Sehr geehrter Herr Kollege!
Im Anschluß an die letzte Sitzung des Ältestenrates bestätige ich Ihnen, daß ich mich davon überzeugt habe, daß Ihnen seitens des Präsidenten des Deutschen Bundestages kein Vorwurf über Ihr Verhalten in der Panorama-Angelegenheit gemacht werden kann.
— Ich bin noch nicht fertig; ich zitiere:
Es ist zwar erwiesen und von Ihnen in und außerhalb der Sitzung des Ältestenrates mehrfach bestätigt worden, daß Sie bei Ihrer Äußerung gegenüber den Panorama-Mitarbeitern eine objektiv falsche Aussage gemacht haben,
aber es ist inzwischen ebenfalls erwiesen, daß Sie dabei tatsächlich selber das Opfer eines Irrtums waren.
Ich darf Ihr Erinnerungsvermögen auffrischen, Herr Kollege Süsterhenn, indem ich aus dem Protokoll vom 9. November 1962
— ich zitiere; ich kann mich hier von Ihnen nicht stören lassen; Sie können nachher fragen —, indem ich aus dem Protokoll vom 9. November 1962 zitiere. Ich hatte den Herrn Innenminister gefragt. Der Herr Innenminister hat in Vertretung des Ministers für das Post- und Fernmeldewesen geantwortet. Ich habe gefragt:
Ich frage die Bundesregierung, ob auf Grund der durchgeführten Dienstaufsicht Vorsorge dafür getroffen ist, daß das Grundrecht ides Art. 10 des Grundgesetzes, wonach das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich sind, in vollem Umfang, soweit die deutsche Zuständigkeit dafür gegeben ist, gewahrt ist.
Ich kann die Frage mit Ja beantworten.
Dann meldete sich der Herr Bundeskanzler zu Wort
und führte folgendes aus — Seite 2085, unter C; ich
will es Ihnen erleichtern, das wiederzufinden —:
Seit einiger Zeit wage ich nicht mehr, vertrauliche Sachen — geheime Sachen kommen nicht in Frage
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Dr. Schäferüber meinen Fernsprecher von Rhöndorf nach Bonn zu sprechen,
weil offenbar ständig andere damit verbunden sind.
Ich habe den Herrn Postminister — —
— Ja eben.
Ich habe den Herrn Postminister gebeten, doch gerade diesen Fall auch genau zu untersuchen. Er hat mir gestern hier im Saale erklärt, daß er einen besonderen Untersuchungstrupp aus München kommen lasse, der diese Verhältnisse des Mithörens untersuchen werde.
Das gab unserem Kollegen Schmidt als Vorsitzendem der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft Anlaß, sich mit Schreiben vom 14. Januar 1963 an den Herrn Bundeskanzler zu wenden, die Frage des Mithörens von Telefongesprächen anzuschneiden und um Auskunft zu bitten, welche Firmen solche Instrumente herstellen und wie der Stand der Technik ist und wie man sich dagegen schützen soll. Der Bundeskanzler übersandte mit Schreiben vom 26. Mai 1963 eine Stellungnahme an die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft, über die die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft mit Drucksache 306 am 28. Juni 1963 berichtete. Herr Kollege Süsterhenn, das ist der Vorgang. Ich wundere mich, daß Sie hier Dinge vorgetragen haben, die mit dieser unmittelbaren Arbeit nichts zu tun haben.
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Süsterhenn!
Herr Kollege, wollen Sie mit der Zitierung dieser Ausführungen etwa zum Ausdruck bringen, daß alle diese Dinge auf das Wirken des deutschen Verfassungsschutzes oder sogar auf das Fehlen irgendwelcher Organisationsanordnungen im Verfassungsschutz zurückzuführen seien?
Herr Kollege Süsterhenn, ich will damit zum Ausdruck bringen, daß der erste Teil Ihrer Ausführungen ungewöhnlich war im Zusammenhang mit dem, was hier zur Debatte steht.
In diesem Hause besteht Einigkeit darüber — und es sollte von niemandem in Zweifel gezogenwerden —, daß Verfassungsschutz notwendig ist, Verfassungsschutz zum Schutz unseres Staates, zum Schutz der Grundfreiheiten. Ich habe mir die sehr beachtliche Arbeit des Privatdozenten Evers „Privatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz" einmal vorgenommen. Ich möchte den Herrn Bundesminister bitten, dieses sehr beachtliche Werk bei der Weiterschulung und Unterrichtung der Beamten des Verfassungsschutzes zum Unterrichtsmaterial zu machen. Wenn man das früher getan hätte und wenn man das beherzigt hätte, was dort gesagt ist, wäre sicher manches von vornherein verhindert worden. Ich darf Herrn Evers zitieren. Er sagt in der Einleitung:Das Grundgesetz gewährleistet Freiheit nur in einer bestimmten Herrschaftsform, nämlich der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Darunter ist, der Begriffsbestimmung des Bundesverfassungsgerichts folgend, eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung zu verstehen, die auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes, der Freiheit und Gleichheit beruht und jegliche Gewalt- und . Willkürherrschaft ausschließt.Er fährt dann fort, daß mit den im Verfassungsschutz erforderlichen Maßnahmen der Staat gerade in den Freiheitsbereich des einzelnen eingreife, der durch das Grundgesetz in weiterem Umfang als herkömmlich gesichert werden solle. Wir haben uns vor einigen Jahren dagegen gewandt, als Versuche unternommen wurden, den Verfassungsschutz zum Staatssicherheitsdienst — nicht nur dem Namen nach, sondern auch aus einer falsch verstandenen Einstellung — umzuwandeln. Damals haben wir ausgeführt — und das gilt für uns heute noch —, daß der Verfassungschutz nicht den Staat als solchen allein zu schützen hat, sondern daß er zu schützen hat alle diejenigen Organisationen, die diesen Staat mit Leben füllen: die Parteien, die Kirchen, die Gewerkschaften, die Wirtschaftsverbände, all die vielen Organisationen, die Verfassungsleben darstellen und die in unserem zweigeteilten Vaterland der besonderen Aufmerksamkeit empfohlen werden müssen.In einem Rechtsstaat ist es notwendig, daß gerade solche Fragen, die im Schnitt des Interesses des einzelnen und des Interesses der Gesamtheit stehen, geregelt werden und daß diese Grundzüge, diese Rechtsbestimmungen gewissenhaft befolgt werden. Evers formuliert hierzu:Der Verfassungsschutz darf daher nicht die wesentlichen Grundzüge eines demokratischen Staatssystems aufheben oder verfälschen, und er darf sich nicht Mittel totalitärer Herrschaftsformen, auch nicht aus der Abwehr heraus, aufdrängen lassen.Gerade auf das letzte möchte ich besonderen Wert legen.Vor diesen Feststellungen war die Arbeit des Untersuchungsausschusses durchzuführen. Es war also zu untersuchen, ob der Verfassungsschutz seine Aufgaben, insbesondere in der Zusammenarbeit mit den Alliierten, rechtsstaatlich durchführe oder ob
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Dr. Schäferer hier die Bestimmungen verletze. Es war zu prüfen, ob das Bundesministerium des Innern seine Aufsichts- und politische Leitungspflicht hier korrekt wahrgenommen habe oder ob das nicht der Fall sei.Da es sich um die Zusammenarbeit mit den alliierten Stellen handelt, kommt außer dem Gesetz vom 27. September 1950 der Generalvertrag vom 5. Mai 1955 in Frage. Wir hatten zunächst, zwischen 1950 und 1955, den Zustand, daß die Alliierten auf Grund des Besatzungsstatuts vom 12. Mai 1949 auch die Verantwortung für Grundgesetz und Länderverfassungen trugen und damit auch die Verantwortung für den Verfassungsschutz. Der Generalvertrag hat aber gerade in diesem Punkt die entscheidende Änderung gebracht, und hier ist der Punkt, bei dem wir prüfen müssen, ob Bundesverfassungsschutzamt und Bundesinnenministerium ihre politische Aufgabe wahrgenommen haben.Ich darf auch auf Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages, Art. 4 des Truppenvertrages und — seit 1. Juli 1963 — Art. 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut verweisen. Sie finden den Wortlaut auf Seite 3 der Drucksache IV/2170.Bei der Durchführung der Zusammenarbeit mit den Alliierten darf kein deutscher Beamter Handlungen ausführen, die im Gegensatz zu den Bestimmungen des Grundgesetzes stehen. In Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages wird darauf Bezug genommen, daß die von den Drei Mächten bisher innegehabten oder ausgeübten Rechte nur nach Konsultation und nur dann ausgeübt werden dürfen, wenn die Bundesregierung in den Konsultationen zustimmt. Daraus entstanden für das Ministerium und für die Leitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz besondere Pflichten. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dieser Fragestellung wiederholt befaßt. Ich darf insbesondere auf die in Band 3, Seite 368, und in Band 14, Seite 1, abgedruckten Urteile hinweisen. Danach ist folgendes festzuhalten.Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages hätte vom Bundesamt für Verfassungsschutz seiner weiteren Arbeit nicht zugrunde gelegt werden dürfen, solange nicht dem Bundesamt mitgeteilt worden war, in welchem Umfange Einverständnis im Wege der Konsultation über die weitere Ausübung der früher von den Alliierten innegehabten Rechte erzielt worden ist.Das Innenministerium hat sich seinerseits nicht veranlaßt gesehen, das Bundesamt für Verfassungsschütz darüber zu informieren — eine ernstlich zu rügende Unterlassung. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat seinerseits keinen Anlaß genommen, die Rechtsgrundlage seiner Arbeit zu überprüfen und nach Kenntnisnahme von Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrags beim Innenministerium rückzufragen, wie denn nun die Rechtslage sei, ob Konsultationen stattgefunden hätten und ob und in welchem Umfange die Bundesregierung ihre Zustimmung zu weiteren Maßnahmen der Alliierten gegeben habe. Beide Stellen haben das nicht getan. Damit muß man feststellen, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz, ohne sich um die Verfassungsrechtslage zu kümmern, an die Alliierten, an die Verbündeten mit sogenannten Anregungen herangetreten ist und daß das Bundesinnenministerium sich zu keinem Zeitpunkt die Mühe gemacht hat, nachzuprüfen, inwieweit das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Arbeit rechtmäßig durchführt.Entscheidend ist aber noch folgender Gesichtspunkt, mit dem sich gerade das Bundesverfassungsgericht noch befaßt hat. Das Bundesverfassungsgericht stellt bei anderer Gelegenheit fest, daß die Regierung und alle Stellen die Aufgabe haben, den dem Grundgesetz konformen Zustand herzustellen. Das heißt: Soweit aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Rechte in Kraft sind, die die Bestimmungen des Grundgesetzes einschränken, hat die Regierung alles zu tun, um die Ablösung dieser Rechte zu erreichen. Sie hat das durch entsprechende Gesetzesvorlagen zu tun und sie hat sich ihrerseits darum zu bemühen.Die Bundesregierung hat sich um eine Notstandsgesetzgebung bemüht. Die Notstandsgesetzgebung, die 1960 vorgelegt wurde, wurde in diesem Hause von allen Fraktionen gemeinsam nicht weiter behandelt. Es muß hier aber gesagt werden, daß die Notstandsgesetzgebung — im Gegensatz zu dem, was Herr Innenminister Höcherl wohl infolge eines Irrtums auf eine Frage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen antwortete — nicht die Grundlage dafür gewesen wäre, die alliierten Rechte bezüglich der Telefon- und Postkontrolle abzulösen, weil sie davon — das ist unbestritten — unabhängig sind.Es ist ein— ich möchte sagen — erfreuliches und wichtiges Ergebnis der Arbeit des Ausschusses, daß 'dieser Gesetzentwurf heute wenigstens in die Gesetzgebungsarbeit einbezogen worden ist, so daß wir damit rechnen können, daß die Frage des Art. 10 einer befriedigenden Regelung zugeführt wird. Die Bundesregierung hat die politische Aufgabe, die — ich darf es noch einmal sagen — darin besteht, die Bestimmungen des Grundgesetzes — die noch nicht voll in Kraft sein können, weil noch alliierte Rechte bestehen — in Kraft zu setzen, vollkommen vernachlässigt. Es besteht doch kein Zweifel daran, daß sich die Verhältnisse seit 1955, seit man im Generalvertrag diese Regelung getroffen hatte, wesentlich weiterentwickelt haben und daß es in Verhandlungen mit den Alliierten auch durchaus -erreichbar gewesen wäre, zu einem Übereinkommen in der Richtung zu kommen, diese Ablösung durch Vereinbarungen zu erreichen. Diese kritische Feststellung des Nichthandelns und der Nichtwahrnehmung der Möglichkeiten zur vollen Inkraftsetzung des Grundgesetzes muß hier getroffen werden.Man muß dann aber des weiteren prüfen, inwieweit das Bundesamt für Verfassungsschutz seiner Tätigkeit eine Rechtsauslegung zugrunde gelegt hat, die wir nicht teilen können. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat, nachdem die Dinge untersucht wurden, den Standpunkt vertreten, daß alle Fragen der Spionage, Spionageabwehr und des Linksradikalismus auch den Schutz und die Sicherheit der alliierten Truppen in Deutschland berührten. Das ist eine Rechtskonstruktion — ich sage ausdrücklich
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Dr. SchäferKonstruktion —, die wohl niemand ernsthaft aufrechterhalten kann. Denn die Alliierten haben ja selbst gezeigt, daß sie es so nicht verstanden. Sie haben es damit gezeigt, daß sie das Material, das dort auf Anregung der deutschen Stellen entstanden ist, ohne eigene Prüfung und ohne eigene Auswertung unmittelbar an die deutschen Stellen mit dem Anheimstellen weitergeleitet haben, damit zu verfahren, wie sie es für richtig hielten. Die Alliierten haben also damit eine Hilfestellung in den unteren Bereichen — nicht in den Bereichen des PolitischVerantwortlichen — gegeben, daß sie als verlängerter Arm des Bundesamtes für Verfassungsschutz gewirkt haben. Evers stellt dazu fest:Ein schwerer Verstoß gegen das Recht wäre es, wenn deutsche Stellen auf diesem der demokratischen Kontrolle entzogenen Umwege Grundrechtsbestimmungen umgehen würden, um sich Nachrichten mit Mitteln zu verschaffen, die ihnen nach deutschem Recht ausdrücklich versagt sind.Der Untersuchungsausschuß kam zu der Feststellung und mußte dazu kommen, daß sich das Bundesamt für Verfassungsschutz tatsächlich auf diese Weise entgegen den Bestimmungen des Art. 10 und damit unter Mißachtung des Grundgesetzes Material verschafft hat.Man muß des weiteren prüfen, wie es möglich war, daß eine solche Praxis nahezu sieben Jahre lang durchgeführt wurde, ohne daß das Innenministerium etwas tat. Aus den Zeugenaussagen ergab sich, daß man es im Innenministerium nicht für notwendig hielt, eine Kontrolle durchzuführen. Der zuständige Referent sagte auf die Frage, was denn im Wege der Dienstaufsicht überhaupt gemacht worden sei:Wir haben zunächst dafür gesorgt, daß das Amt effektiv arbeitet. Das schien uns das allerwichtigste zu sein, einen erfolgreichen Nachrichtendienst zu haben und sicherzustellen, daß die Ergebnisse des Amts so schnell wie möglich an die Ministerien und insbesondere an uns herankommen.Und dann sagte er:Wir hatten in Präsident Schrubbers einen ausgezeichneten Juristen. Da Herr Schrubbers immer wieder versicherte, daß er stets darum bemüht bleibe und daß bei dem in seiner Verantwortung Liegenden nach rechtsstaatlichen Prinzipien gearbeitet werde, glaubte ich, mich darauf verlassen zu können, daß das auch geschehe.Eine wirklich interessante Begründung! So übt man Fachaufsicht nicht aus, daß man sagt: Der Betreffende, der der Fachaufsicht unterliegt, erklärt ja, daß alles in Ordnung ist; also haben wir keinen Anlaß zu Überprüfungen.Der gleiche Zeuge sagte kurz darauf:Die Rechtsauffassung hätten wir uns zweifellosdurch den Kopf gehen lassen. Aber bei Zweifeln, die Herr Schrubbers darüber gehabt hätte,hätten wir das zu einem früheren Zeitpunkt getan, als es nun geschehen ist. Wir hätten uns dann ein Rechtsgutachten der Verfassungsabteilung besorgt.Mit anderen Worten, man hat seit dem Abschluß des John-Untersuchungsausschusses — so wurde es nahezu auch dargestellt — im Innenministerium nichts mehr getan, was mit einer echten Fachaufsicht zusammenhängt. Als 1960 der neue Staatssekretär kam, bemühte er sich offensichtlich auch nicht sehr darum, bei einer ersten Einarbeitung auch diese Fragen zu prüfen, sondern man hat die Dinge so schleifen lassen, wie sie waren.Der Untersuchungsausschuß muß daher im Endergebnis zu der Feststellung kommen — das ist unsere Schlußfolgerung —: die Bundesregierung, insbesondere der verantwortliche Bundesinnenminister, hat die politische Aufgabe, den Rechtszustand des Grundgesetzes herzustellen, nicht erfüllt. Er und — dafür ist er verantwortlich — seine Beamten haben die ihm obliegende Fachaufsicht nicht ausreichend durchgeführt. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat sich nicht entsprechend den Bestimmungen des Generalvertrages um die verfassungsrechtliche Begründung bemüht, sondern hat aus rein operativen Gründen geglaubt, sich über rein rechtliche Bestimmungen hinwegsetzen zu können. Wir halten es für unbedingt erforderlich, daß der Bundestag in seiner Gesamtheit nicht nur den ersten drei Punkten der Empfehlung des Untersuchungsausschusses, sondern auch den beiden anderen Punkten zustimmt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Güde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann den Herrn Kollegen Dr. Schäfer beruhigen. Ich habe keinen Aufsatz geschrieben. Er braucht also nicht fünf Minuten auf meine Belehrung zu verschwenden. Nur eines sage ich ihm gleich. Er hat gemeint, der Herr Kollege Dr. Süsterhenn habe die Atmosphäre verdorben, indem er die Mitwirkung des Herrn Kollegen Dr. Schäfer an der Panorama-Affäre erwähnt habe. Erstens ist unbestreitbar: diese Panorama-Affäre stand mitten im ersten Wirbel dieser ganzen Abhörgeschichte. Zweitens frage ich: Warum haben Sie sie mit all den Zitaten zugedeckt? Es gäbe viel interessantere Dinge von Ihrer Seite darauf zu sagen, als Briefe und ich weiß nicht was zu zitieren. Aber das nur vorweg auf Sie, Herr Kollege Dr. Schäfer.Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat einige Vorbemerkungen gemacht. Ich will auch ein paar Worte Vorbemerkungen sagen. Er hat zu Recht die einmütige Äußerung des Ausschusses zitiert, daß er, der Vorsitzende, den Ausschuß korrekt geführt habe. In peinlicher Korrektheit! Jawohl, das bestätige ich ihm. Nur eines muß ich sagen, nicht um ihn jetzt anzugreifen, sondern weil das eine gewisse Interessantheit auch für dieses Parlament als Parlament hat. Mich hat unentwegt schockiert, daß der Herr Vorsitzende zwar peinlich korrekt den Vorsitz
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Dr. h. c. Güdegeführt hat, aber daß er dann zu den Schlagzeilen in den Pausen zwischen den Ausschußsitzungen sehr lebhaft beigetragen hat,
zu jenen Schlagzeilen, die er vorhin so beklagt hat. Ich habe die meisten Schlagzeilen im Zusammenhang mit Äußerungen meines sehr geehrten Herrn Ausschußvorsitzenden gelesen. — Bitte, Herr Kollege Mommer!
Herr Kollege Güde, wollen Sie sagen, daß ein Ausschußvorsitzender aufhören soll, ein politischer Mensch zu sein,
und daß er etwas von seiner Freiheit verliert, wenn er den Vorsitz in einem Ausschuß übernimmt?
Nein, Herr Kollege Mommer, ich sage es ohne alle Aggressivität. Ich war zum erstenmal Mitglied eines Untersuchungsausschusses in diesem Hause. Mich hat natürlich die Frage beschäftigt, die draußen in der Publizistik durchweg erörtert wird: Wo liegen die etwaigen Unzuträglichkeiten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse? Wenn der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen Vorsitzender eines Gerichts gewesen wäre, wäre er bei der zweiten Sitzung wegen Befangenheit abgelehnt worden.
— Nein, Herr Kollege Dr. Mommer, Sie dürfen sich die Frage sparen. Das ist kein Gericht. Nur eines ist sicher. Wenn die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse wirksamer sein sollen, brauchten sie einen unparteiischen Vorsitzenden.
— Gar nicht, sondern dann könnte man herzhaft
unter einem unparteiischen Vorsitzenden streiten. —
Bitte, Herr Dr. Mommer!
Herr Kollege Dr. Güde, was haben Sie denn zu einem früheren Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses gesagt, der Ihrer Fraktion angehörte?
Ich sage Ihnen, das war meine erste eigene Erfahrung; und ich bin so frei, Ihnen meine erste eigene Erfahrung mitzuteilen. Da Sie sich aber so wundern, lese ich Ihnen ganz geschwind Eschenburg vor, wo es heißt:
Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in ihrer jetzigen Gestalt haben sich als eine Fehlkonstruktion erwiesen. Abgeordnete miteinander rivalisierender Parteien sind nicht geeignet, die Aufhellung eines Sachverhalts herbeizuführen; denn sie sind nicht an der Aufhellung an sich interessiert, sondern nur an einem bestimmten Ergebnis der Untersuchung. Sie belasten und entlasten je nach Parteiinteresse.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer? — Bitte!
Herr Kollege Dr. Güde, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es diesem Untersuchungsausschuß dank allseitiger korrekter Mitarbeit gelungen ist, Aufklärung zu schaffen?
Ich habe mir für mein Teil vorgenommen, Tatsachen festzustellen, so wie ich sehe und nur so, gleichgültig, ob das dem Herrn Innenminister oder Ihnen paßt, und ich konzediere jedem anderen Ausschußmitglied dasselbe.Aber da Sie mich schon ansprechen, eine zweite allgemeine Bemerkung. Was mich noch bitterer stört: Es kam während des ganzen Verfahrens dieses Untersuchungsausschusses laufend zu Indiskretionen. Sie, Herr Schmitt-Vockenhausen, haben vorhin bedauernd gesagt, daß der Silberstein-Bericht teilweise an die Öffentlichkeit gekommen sei. Ja, ich habe wörtliche Zitate aus ihm gelesen und kann nur unentwegt sagen: Von mir stammen sie nicht, von meinen Freunden stammen sie nicht.
— Ich sage nur: Von meinen Freunden stammen sie so wenig wie von mir; denn sie sind durchweg in einem Zusammenhang gebraucht worden, der gegen uns gerichtet war. Das nur, weil eine solche Tatsache an dem Ansehen des Untersuchungsausschusses und des ganzen Parlaments nagen muß.
Wenn wir nicht in der Lage sind, einen Untersuchungsausschuß mit der Diskretion zu führen, die dazu gehört, dann nagt das an unserem Ansehen.Ich habe schon in der Zeitung gelesen und von Herrn Schmitt-Vockenhausen heute auch wieder bestätigt gehört, daß wir ein erfolgreicher Untersuchungsausschuß waren. Ich freue mich natürlich dieser Ehre, wenn ich schon in einem Untersuchungsausschuß bin, in einem erfolgreichen Untersuchungsausschuß gewesen zu sein. Ich habe mich natürlich, wie ich es zum erstenmal gelesen habe, gefragt: Worin besteht denn der Erfolg?
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Dr. h. c. Güde— Sie haben recht. Wissen Sie, ich bin ein alter Staatsanwalt, und Staatsanwälte meinen manchmal, sie hätten bloß dann ein Ergebnis, wenn sie ihre Beschuldigten auch überführen können. Ich habe meinen Herren, meinen Staatsanwälten durch lange Jahre gepredigt: Eine anständige Einstellung, die den Sachverhalt aufklärt, weil sie die Unschuld des Angeklagten erweist, ist ein sehr schönes Ergebnis.
In diesem Sinne akzeptiere ich: ein erfolgreicher Untersuchungsausschuß,
der zwar einige Unebenheiten und, wenn Sie wollen und wenn Sie mit mir um Worte streiten, auch Mißstände festgestellt hat, der aber die große Wolke von Beschuldigungen und Verdächtigungen, die im Raum stand, weggeweht hat, insofern durchaus erfolgreich, meine Damen und Herren. Der Herr Kollege Dr. Süsterhenn hat Ihnen vorhin plakatiert, was am Anfang dieser Untersuchung im öffentlichen Raum stand. Was ist davon übrig?
— Ja, Herr Schmitt-Vockenhausen, bitte sehr!
Herr Kollege Güde, leider hat auch der Herr Kollege Süsterhenn vorhin eine Wolke in Gang gebracht. Er hat nur vergessen, zu zitieren, wo ernsthafte Zeitungen so etwas geschrieben haben. Ich frage Sie: Können Sie Zitate ernsthafter Zeitungen bringen, die diese behauptete Wolke dargestellt haben?
Ich muß ja schließlich nicht mit Zitaten belegen, was Herr Süsterhenn schreibt.
— Bitte sehr.
Ich frage Sie, Herr Kollege Güde: Ist Ihnen nicht vielleicht aufgefallen, daß Herr Kollege Süsterhenn überhaupt keine Belege für seine Behauptungen gebracht hat?
Herr Schmitt-Vokkenhausen, ich habe nur wenig Papier mit heraufgebracht und muß jetzt auf gut Glück das nächste greifen. Da steht in der „Zeit" ganz dick: „Der Verfassungsschutz bricht seit Jahren das Postgeheimnis, läßt Telefongespräche zahlreicher Bundesbürger abhören und Briefe öffnen." — „Eklatante Grundrechtsverletzung" usw. Nun, hat sich das bewahrheitet, was hier in der Überschrift oder im Text steht? Ich sage nein.
Im übrigen, Herr Kollege Dr. Mommer, Sie haben mich vorhin daran erinnert, daß wir hier im politischen Raum stehen. Sie brauchten mich nicht daran zu erinnern. Das hätten Sie vorhin Herrn Dr. Schäfer sagen müssen, als er eine Vorlesung über Verfassungsschutzrecht gehalten hat. Nein, daran brauchen Sie mich nicht zu erinnern. Mir schien die poli-. tische Grundfrage, das politisch Wesentliche geklärt und entschieden zu sein, als die kleine Kommission der drei Fraktionen — wenn ich mich nicht täusche, am 10. Oktober — festgestellt hat, daß sich aus den vorgelegten Unterlagen „kein Anhalt für die Annahme eines Mißbrauchs in der innenpolitischen Auseinandersetzung" ergeben hat. Diese prägnante Feststellung stand schon am 10. Oktober da, und sie ist im Grunde sowohl durch den Silberstein-Bericht wie durch das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses nur bestätigt worden: „kein Anhalt für die Annahme eines Mißbrauchs in der innenpolitischen Auseinandersetzung!"
Ich will durchaus anerkennen, daß der Ansatz zu dieser Formulierung Ihrem Vertreter in der kleinen Kommission, dem Herrn Kollegen Erler, zu verdanken ist. Ich habe damals schon — und tue es rückblickend auch noch in der Erinnerung — den nüchternen Realismus und das Veranwortungsbewußtsein des Kollegen Erler sehr achtungsvoll zur Kenntnis genommen. Aber offenbar leben zwei Seelen in Ihrer Brust, meine Herren von der Opposition, wenn auch nicht in derselben Person. Denn ich frage mich: Weshalb mußte dann der Untersuchungsausschuß noch in Gang gesetzt werden? Herr Schmitt-Vockenhausen hat diese Frage auch aufgeworfen, und er hat — ich muß schon sagen, naiverweise — auf den wirklichen Anlaß hingewiesen, nämlich auf den oder die Artikel im „Stern". Ich erinnere mich, daß mir damals von Ihrer Seite gesagt wurde, den Untersuchungsausschuß hätten wir nicht gebraucht, wenn der Innenminister schnell genug dementiert und widerlegt hätte. Ich könnte noch sagen, wer mir das gesagt hat. Aber ich habe mir im Gegensatz zu anderen Leuten auferlegt, persönliche Gespräche nicht mit Namensnennung zu zitieren. Andere Leute haben andere Sitten. Aber Sie haben es ja vorhin mit anderen Worten ebenfalls gesagt. Dazu muß ich allerdings etwas Grundsätzliches sagen.
Natürlich haben Sie den Innenminister doch geradezu von Tag zu Tag zu Erklärungen gehetzt.
— Herr Kollege Wehner, einmal sollten Sie sich doch wohl etwas Neues einfallen lassen als dieses Zitat des Herrn Innenministers.
Das ist ein Salz, das nicht mehr salzt.
— Bitte sehr!
Würden Sie es nicht als Akt der Versöhnlichkeit auffassen, daß ich nur mit „ollen
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WehnerKamellen" auf den Herrn Innenminister in diesem Falle losgehe und nicht mit neuen?
Herr Kollege Wehner, wenn Sie neue hätten — so wie ich Sie respektvoll einschätze, würden Sie die bestimmt nicht in der Hosentasche verbergen.
Der Herr Kollege Dr. Schäfer konzediert sich in seiner „Panorama"-Affäre selbstverständlich, daß er sich geirrt haben kann. Einen Minister hält er offenbar für ein gottähnliches Wesen, das sich nie irren darf.
Und im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist da eine grundsätzliche Frage: ob wir nämlich — und ich sage jetzt: wir alle — einen Minister oder überhaupt einen Politiker als in Anklagezustand versetzt ansehen wollen, weil er irgendwo auf gedrucktem Papier, also in der Presse, und ohne jede Unterscheidung, was das für eine Presse ist, verdächtigt wird, und ihm die Last der Widerlegung und des Entlastungsbeweises aufbürden wollen. Wollen wir das wirklich? Dann ist es schlecht um uns alle bestellt.
Ich weiß nicht, wer von Ihnen — ich glaube, es war Herr Schmitt-Vockenhausen — den Lord-Denning-Bericht so lobend zitiert hat. Ein paar Sätze — mit Erlaubnis — aus dem Denning-Bericht in ähnlichem Zusammenhang:
... Es scheint mir sehr unkorrekt dem Herrn Minister gegenüber zu sein; denn es bedeutet, daß er, sobald er ,das Ziel von Gerüchten ist, die Pflicht auferlegt bekommt, seine Unschuld zu beweisen. Das wäre für jedermann sehr schwer. Es ist schon schlimm genug, jemanden aufzufordern, einer auf Gerüchten aufgebauten Anklage zu entgegnen, d. h. einer Anklage, die keinen Ankläger hat, über die man keine Einzelheiten kennt, in der sehr oft die Zeugen nur vom Hörensagen berichten und auch nicht ins Kreuzverhör genommen werden können. Aber es wäre noch schlimmer, wenn der Betreffende auch noch beweisen müßte, daß das Gerücht falsch ist, wenn überhaupt keine Beweise gegen ihn vorliegen.
Das steht bei Lord Denninig. Ja, ein sehr einleuchtendes Prinzip.
Und da ich schon im Lord-Denning-Bericht lese, noch drei Sätze aus dem Schluß. Da heißt es — Sie haben vorhin offenbar nicht zugehört, als Herr Schäfer vorgelesen hat, sonst hätten Sie das Herrn Schäfer sagen müssen — — nein, das ist so interessant, daß Sie ganz bestimmt auch gern zuhören —:
Skandalgeschichten über prominente Persönlichkeiten sind heute ein Verkaufsartikel geworden. Wahr oder erlogen, tatsächlich oder erfunden — sie können verkauft werden. Je größer der Skandal, um so höher der Marktpreis. Wenn dazu noch Briefe oder Fotografien die Geschichte stützen, um so besser, ob sie nun echt oder falsch sind. Sehr oft gestehen die Verkäufer, 'daß sie bei den Mißständen, die sie ausbeuten wollen, selbst die Hand im Spiel haben.
Das nur zur allgemeinen Kenntnis aus dem LordDenning-Bericht, und zwar deswegen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, weil Sie vorhin unterschiedslos alle gelobt haben, die zu dieser Affäre geschrieben haben, unterschiedslos, ob das ernst und verantwortungsbewußt oder auf dem Markt, auf dem eben beschriebenen Markt, endstanden ist.
Bitte, Herr Schmitt-Vockenhausen!
Sie irren sich offensichtlich. Ich könnte Ihnen aus meiner Rede ausführlich die Stelle zitieren, in der ich dazu Stellung genommen habe.
Erstens: Es hat mich betrübt, daß Sie das Manuskript vorgelesen haben, was den Grundsätzen dieses Hohen Hauses widerspricht; und zweitens: dem Sinne nach haben Sie ein sehr breites Lob auf alle diejenigen herunterströmen lassen, die diese „segensreiche" Affäre in Gang gebracht haben. Das sage ich nicht nur für diesen Fall. Man muß unterscheiden, wo, aus welchen Motiven und zu welchem Zweck geschrieben worden ist. Das schöne Wort von Souterrain der öffentlichen Meinung stammt nicht von mir, sondern von dem sehr geehrten Kollegen Dr. Adolf Arndt. Er sprach von dem Souterrain der Illustrierten und Magazine. Nichts gegen sie, aber dagegen, daß sie so ernst genommen werden wie eine ernste und veranwortungsbewußte Presse.
Bitte!
Herr Kollege Dr. Güde, wollen Sie denn wirklich diese Skandalgeschichten, die Lord Denning zu dieser Aussage veranlaßt haben, in einen Vergleich setzen zu der ernsten Besorgnis, die in allen Parteien dieses Hauses vorhanden ist gegenüber dem, was das Verfassungsschutzamt gemacht hat?
Ich teile jede ernste Besorgnis mit jedem ernst Besorgten in diesem Hause.
— Doch, sehr geehrter Herr Kollege. Ich wende mich nur dagegen, daß Dinge, die auf dem Markt zum Marktwert verkauft worden sind, hier ernst genommen werden, als ob sie aus Verantwortungsbewußtsein geschrieben seien.
Wenn Sie mich schon darauf ansprechen: Eberhard Stammler, Mitglied der freiwilligen Selbstkon-
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Dr. h. c. Güdetrolle der Illustrierten, hat vor anderthalb Jahren einmal ein Gespräch wiedergegeben, das er mit einem der Matadore der deutschen Illustrierten hatte; ich weiß nicht, wer es war.
— Es ist mir an sich gleich, ob es Bucerius oder sonst jemand ist; ich glaube nicht, daß Stammler Bucerius als einen der Matadore der deutschen Illustrierten bezeichnet. Der Mann hatte ihm zur Antwort gegeben — ich zitiere jetzt aus dem Gedächtnis, aber wenn es Sie ganz arg interessiert, kann ich es auch irgendwo suchen und vorlesen —: „Verantwortung? — Ich habe keine Verantwortung zu tragen. Ich produziere eine Ware, die der Markt verlangt. Meine Aufgabe ist es, die Bedürfnisse zu befriedigen mit einer reellen Ware, die ich zu erwecken verstanden habe." Das ist der Markt.Ich sehe in diesen Affären und in allen anderen die Versuchung für die Opposition und für alle, die vielleicht halb mit opponieren möchten, groß im Aufwind einer solchen Marktbewegung zu segeln.
— Natürlich ist es allerhand, Herr Wehner. Ich sage es ja deswegen, weil es allerhand ist. Ich sage: die Versuchung ist groß, im Aufwind einer solchen Marktbewegung zu segeln. Warum ist eine solche Ware marktgängig? Weil es attraktiv ist, gegen den Staat zu argumentieren.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sänger? — Bitte!
Herr Kollege Güde, da Sie von der Marktgängigkeit von Äußerungen sprechen, darf ich Sie fragen: Wenn ein amtierender Bundesminister sagt, die Beamten des Verfassungsschutzamtes könnten nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen, finden Sie nicht, daß das eine marktgängige Äußerung ist, die die Presse geradezu provoziert?
Es ist eine aus der bayerischen Sprache, aus dem bayerischen Sprachgebrauch,
leicht zu verstehende saloppe Äußerung, die zweifellos nicht geeignet und nicht bestimmt war, publiziert zu werden.
— Herr Kollege Wehner, ich würde doch die Grenzen einhalten, die einzuhalten diesem Hause ansteht.
— Nein, meine Damen und Herren! Ich bringe den Gedanken 2u Ende, ob er Sie ärgert oder nicht. Natürlich ärgert er Sie. Die Versuchung ist groß, wenn eine Hexenjagd gegen einen bestimmten Mann, gegen einen Minister von gewissen Trägern der öffentlichen Meinung, vom „Souterrain" der Illustrierten und Magazine — vom „Souterrain" sage ich mit Adolf Arndt — entfesselt wird, in ihrem Aufwind zu segeln. Ob das Ihnen bekommt, meine Damen und Herren von der Opposition, das müssen Sie sich angesichts des letzten Sonntags selber überlegen.
— Ich habe mich auch redlich gemüht, zum Erfolg meiner Partei im Wahlkampf Baden-Württemberg zu reden.
— Tief unten?
— Wenn Sie mit „unten" den Süden bezeichnen wollen, ist das wahr: ich bin bis an die Schweizer Grenze gekommen. Wenn es „unten" im anderen Sinne war, dann lag da unten ganz reichlich die Frucht dessen, was Sie an solcher Propaganda ausgesät haben.
Überlegen Sie es sich bitte selber! Ich sage gar nichts weiter. Da Sie ja vermutlich die Wahl vom letzten Sonntag sorgfältig analysieren, werden Sie sich das auch überlegen.Jedenfalls, das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses sollte man ganz sachlich und loyal zusammenzufassen versuchen: Es bleibt kein ernstlicher Vorwurf gegen den Innenminister.
— Ich habe den Ausschußbericht sachlich mitberaten und ihm zugestimmt und sage auf Grund dieses Ausschußberichts: Es bleibt kein ernstlicher Vorwurf gegen den Innenminister, gegen diesen Innenminister ganz bestimmt nicht. Alle strukturellen Unebenheiten, die sich im Laufe der ,dreiflachen Untersuchung—Kleine Kommission, Untersuchungsausschuß, Silberstein-Bericht — vorgefunden haben, sind auch von dem Minister, von diesem Minister, so vorgefunden 'worden. Er hat sie in keiner Weise geschaffen. Er hat gewisse Dinge nicht geändert, weil er sie nicht kannte.
— Ich meine weder noch, sondern ich stelle nur fest, weil das psychologisch — —
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6014 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Dr. h. c. Güde— Welche Methode?
— Ich mache ruhig weiter, Herr Kollege Schoettle. Gern mache ich ruhig weiter. Wenn Sie es ärgert, kann ich nichts dafür.
— Was bin ich geworden?
— Wissen Sie, Herr Kollege Schoettle, ich bin ungefähr 20 Jahre meines Lebens Staatsanwalt gewesen.
Warum gönnen Sie mir nicht auch mal den Genuß, gegen die Staatsanwälte zu plädieren, die Sie in diesem Fall sein wollen? Sie müssen das doch verstehen. Sie wollen anklagen, und ich verteidige einstweilen.
— Nein!
kann sich das Ministerium — nicht bloß dieser Minister, sondern das Ministerium — seit Jahren auf den Bericht des John-Ausschusses und den Beschluß dieses Parlaments berufen, die nur eine Kontrolle und nicht leitende Aufsicht empfohlen haben.
— Gewiß. Ich sage auch nicht, daß ich den Zustand für sehr glücklich halte, bei dem sich ergeben hat, daß etwas, was ich für wohl wichtig gehalten habe, nämlich diese Beziehung zu den Alliierten, dem Ministerium und dem Minister unbekannt blieb. Wenn das einem am wenigsten vorzuwerfen ist, dann dem Minister. Wenn man erklären will, warum zu Beginn einige widersprüchliche Erklärungen, nicht ganz konforme Erklärungen herausgekommen sind, dann muß man sich zunächst einmal klarmachen, daß dieser Minister da überhaupt erst ins Bewußtsein bekam, was da existierte, und das ist keineswegs besonders zu begrüßen. Aber Sie können das ja weiter ausschlachten. Mir kommt es darauf noch nicht einmal so sehr an.Worauf es mir ankommt, ist, daß die Behauptung, hier sei die Verfassung gebrochen worden, ganz entschieden beweislos geblieben ist. Nein, sie ist nicht wahr. Die Verfassung ist weder subjektiv noch objektiv gebrochen worden, meine Damen und Herren.
— Ach was, Herr Kollege Dr. Schäfer.
— Nein, weil ich offengestanden gar nicht kapiert habe, was Sie mit der Entscheidung aus dem dritten Band genau zum Thema Verfassungsbruch des Verfassungsschutzes sagen wollten. Das habe ich leider nicht begriffen. Ich stelle bloß fest: Wenn in dieser Materie ein Verfassungsbruch läge, dann hätten nicht nur der Bund, das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Verfassungsschutz, dann hätten auch die Länder und die Landesämter für Verfassungsschutz und Ihre Herren samt mir in den Beschlüssen der Kleinen Kommission die Verfassung gebrochen, selbst wir im Untersuchungsausschuß. Denn wir haben doch alle eingesehen — und daran soll man nicht mäkeln, das soll man in Gottes Namen im Raum stehen lassen —, daß das Abhörrecht der Alliierten in einem extrakonstitutionellen Raum steht. Es ist begründet außerhalb der Verfassung und hat Geltung unabhängig von der Verfassung. Niemand beklagt diesen Zustand mehr als wir und ich, niemand beklagt mehr diese Diskrepanz zwischen zwei Rechtsgrundlagen. In dieser Diskrepanz ist diese Praxis des Abhörens entstanden. Ich erinnere Sie an sehr einleuchtende Ausführungen des Silberstein-Berichts, der sagt: Wenn diese Praxis von den Deutschen etwa verweigert worden wäre, dann wäre die Folge, daß die Alliierten wie in den ersten Jahren sehr viel breitere, eigene Sicherheitsbehörden halten müßten.
— Ich zeige es Ihnen nachher, Herr Schäfer.
— Entschuldigen Sie, ich würde gern zuhören, Herr Wehner. Aber da muß ich vorher still sein, damit ich Sie verstehen kann.
Ich habe zu Herrn Schmitt-Vockenhausen gesprochen, der ihn kennt, und habe ein Argument verwendet, das jedem einleuchten muß: daß hier eine Lücke so oder so ausgefüllt werden muß.
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und die Spionageabwehr — —
Zu den Aufgaben dieses Verfassungsschutzamtes gehört in der Tat die Spionageabwehr. Es besteht kein Zweifel daran, daß in der Abwehr in gewissen Beziehungen eine Abhängigkeit von der Art des Angreifens besteht. Das liegt in der Natur der Sache. Ich sage noch einmal: ich glaube nicht, daß die Spione nach Dienstvorschriften handeln. Ich erinnere mich zwar jenes Buchtitels von C. S. Lewis: „Dienstanweisung für einen Unterteufel", aber ich glaube nicht, daß die gegnerischen Nachrichtendienste Dienstanweisungen für Unterteufel erfunden haben. In einem gewissen Spielraum des Operativen und Taktischen reicht man mit Dienstvorschriften nicht bis ins letzte, wobei ich Ihnen zugebe — auch wenn Sie mich danach jetzt gerade fragen wollen; nein, Sie tun es nicht —: Registratur, Aktenbehandlung, das gehört also auch bei einem Verfassungsschutz so sorgfältig geregelt, wie es möglich ist. Da war nicht alles so, wie es sein sollte, akzeptiert, was Herr Kollege Busse sagte, und wir versuchen, es besser zu machen.
Der Innenminister war jederzeit, in der Kleinen Kommission schon, bereit, alles auf den Tisch des Hauses zu legen und jeder vernünftigen Anregung nachzugeben. Aber das sind sozusagen bürokratische Dinge, um die sich der Politiker, auf den allein Sie schauen, Herr Kollege Mommer, gar nicht so sehr kümmern sollte. Man kann umgekehrt sagen: Dieses Amt ist nun dreimal durchleuchtet worden, einmal von der Kleinen Kommission, einmal von Silberstein und einmal vom Untersuchungsausschuß. Dafür hat es bei Gott gar nicht schlecht bestanden.
Das muß man einmal ganz sachlich sehen und hinnehmen.
Es wäre gut, meine Damen und Herren, wenn wir tatsächlich unter diese ganze Affäre nun den Strich der Gelassenheit tun würden, der Gelassenheit, wobei ich durchaus einig bin mit den drei Anträgen, die anzunehmen der Ausschuß dem Hause vorschlägt, auch mit dem auf parlamentarische Kontrolle für den ganzen Bereich des Nachrichtendienstes. Das kann lediglich zur Entlastung, zur politischen Entlastung, wie Figura zeigt, auch des Ministers dienen und liegt durchaus im Sinne einer parlamentarischen Demokratie.
Nein, meine Damen und Herren, seien wir gelassen und ehrlich. Das, was Sie sicher ehrlich befürchtet haben, was auch mancher von uns befürchtet hat, war gar nicht wahr, nämlich daß das im extrakonstitutionellen Raum entstandene Abhörrecht der Alliierten von deutschen Dienststellen mißbraucht worden sei. Es ist nicht mißbraucht worden. Der Verfassungsbruch, der so plakatiert worden ist, lag nicht vor, und damit sollte sich die politische Seite der Angelegenheit in der Tat erledigt haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Wagner,
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 26. März dieses Jahres gab die Bundesanwaltschaft die Aushebung eines kommunistischen Agentenringes bekannt. Er sollte über politische Agitation und über Spionage hinaus im Falle eines drohenden Krieges auch durch Sabotageakte ein Chaos in der Zivilbevölkerung hervorrufen. Zwei Tage zuvor hat der der SPD angehörende Hamburger Innensenator Schmidt vor der Presse berichtet, die verbotene KPD unterhalte in 300 Betrieben Betriebsgruppen oder Stützpunkte, von denen fast 100 zu Unternehmen gehörten, die geheimhaltungsbedürftige Aufträge für die Landesverteidigung ausführen.Am 6. März 1964 warnte der niedersächsische Innenminister die Öffentlichkeit vor einer verstärkten Tätigkeit von Ostagenten, die er auf über 10 000 schätzte. Sie können nun sagen: „Das gehört nicht zum Thema dieses Untersuchungsausschusses", und Sie haben recht damit, denn seit Wochen sitzen ja nicht die Agenten und Spione auf der Anklagebank, sondern seit Wochen saßen die Männer des Verfassungschutzes auf der Anklagebank, die sich eben der Abwehr dieser kommunistischen Unterhöhlung und Zersetzung verschrieben hatten.
Aber zugehört haben .ihnen die Agenten, und ich bin der Meinung, sie haben dies nicht ohne Freude getan.
Ich will mich an dieser Stelle gar nicht sehr breit mit dem Sprecher des SPD-Vorstandes beschäftigen, der es damals ,am Beginn dieser Auseinandersetzungen unerhört fand, daß der deutsche Verfassungsschutz die Allierten auch bei der Bekämpfung linksradikaler Elemente eingeschaltet habe, der sich damals darüber mokierte, daß 400 000 amerikanische Soldaten mit Panzern und Atomwaffen sich — wie es hieß — vor kommunistischen Flugblattverteilern fürchten sollten. Ich glaube und ich weiß, daß die SPD in diesem Punkt in der Zwischenzeit ihre Meinung gründlich geändert hat. Ich möchte aber die
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6016 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
WagnerFrage hier wiederholen, ob es notwendig war, diesesSchauspiel der deutschen Öffentlichkeit zu zeigen.
Ich sagte soeben „Schauspiel", und ich bleibe dabei. Nicht daß die Mitglieder des Untersuchungsausschusses sich nicht redlich um eine sachliche Klärung der Vorwürfe bemüht hätten; sie haben das nach besten Kräften und korrekt getan. Aber eine bestimmte Sensationspresse hat doch immer und immer wieder den Versuch gemacht, diesen Untersuchungsausschuß zur Bühne eines Reißers — so möchte ich es einmal nennen — zu erniedrigen. Erinnern Sie sich an die Schlagzeilen, die damals erschienen sind mit der Vernehmung des Zeugen Pätsch: „Jeder Beliebige kann abhören", oder, Herr Kollege Dr. Schäfer, erinnern Sie isich an die Schlagzeilen, die im Zusammenhang mit Ihrer Mitteilung im „Panorama" entstanden sind, hier in diesem Hause habe eine Abhöranlage bestanden.
— Herr Kollege Schäfer — —(Abg. Dr. Schäfer: Ich bin erstaunt, daß Sienicht korrekt die Wahrheit sagen!)— Herr Kollege Schäfer, Sie haben, das weiß ich, in einer ganzen Reihe von Versammlungen den Brief, den der Herr Bundestagspräsident an Sie geschrieben hat, zitiert und erwähnt.
Aber ich bin bis heute nicht darauf gekommen, wie Sie eigentlich folgende zwei Fragen beantworten wollen: auf Grund welcher Informationen Sie seinerzeit zu dieser Aussage gegenüber „Panorama" kamen,
und vor allem warum Sie die Mitteilung in dieser Form weitergaben und nicht in erster Linie dieses Haus oder den Präsidenten dieses Hauses informiert haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte!
Herr Abgeordneter Wagner, halten Sie es für korrekt und mit Ihrem Gewissen vereinbar,
hier Dinge wiederzugeben, die Sie aus der Sitzung des Ältestenrates ganz genau wissen? Sie wissen, daß ich den stellvertretenden Direktor des Bundestages darüber informiert habe und wie ich diese Information bekommen habe.
— Das habe ich dem Ältestenrat alles dargelegt, und
ich habe genauso im Ältestenrat dargelegt, daß ich
nichts weitergegeben habe, sondern gefragt worden bin.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Her Kollege Dr. Schäfer, ich habe Ihnen keine Vorschrift zu machen, wie Sie eine solche Kenntnis oder vermeintliche Kenntnis verwerten. Aber ich bin persönlich der Auffassung: es wäre zweckmäßiger gewesen, die Stichhaltigkeit einer solchen Behauptung hier im Hause untersuchen zu lassen und das Ergebnis abzuwarten, ehe eine Mitteilung an die Öffentlichkeit gegeben wurde.
Zurück zum Thema.Wo in aller Welt werden denn so heikle Themen wie Spionage, umstürzlerische Bestrebungen, Spionagebekämpfung so wie hier in aller Öffentlichkeit behandelt? Als im Oktober 1963, zur gleichen Zeit also, da hier in der Bundesrepublik die Auseinandersetzung über dieses Thema begann, im kanadischen Unterhaus die Frage gestellt wurde, ob irgendeine Behörde der Regierung Einrichtungen habe, die zum Abhören von Telefongesprächen benutzt würden, sagte der liberale Minister Pickergill: „Es war die Politik dieser Regierung und der früheren Regierung, die Beantwortung von Fragen dieser Art abzulehnen, da sie dem öffentlichen Interesse entgegenstehen."
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion hat aus dem gleichen Grunde vor der Bildung eines Untersuchungsausschusses gewarnt — nicht weil wir etwas verschleiern wollten oder weil wir an einer Aufklärung nicht interessiert gewesen wären, sondern weil wir der Meinung waren, daß die Vorwürfe ebensogut in der Kleinen Kommission 'und durch die Untersuchung einer unabhängigen Persönlichkeit hätten geklärt werden können, ohne daß so viel Porzellan zerschlagen worden wäre.
Das hätte mit weniger Aufwand, mit weniger Spektakel, mit weniger Schaden für den Verfassungsschutz und mit weniger Schaden für die Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten geschehen können.Darüber hinaus bin ich der Meinung, daß wir wahrscheinlich auch eher zu gemeinsamen Überlegungen gekommen wären, wie noch bestehende Rechtsunklarheiten oder Lücken in unserer Gesetzgebung — ich erinnere beispielsweise an das Ausführungsgesetz zu Art. 10 des Grundgesetzes — beseitigt werden könnten, wenn die Kleine Kommission ihre Arbeit fortgesetzt hätte. In ihr saßen die Vorsitzenden der Fraktionen dieses Hauses.An dieser Stelle bin ich versucht, vom eigentlichen Thema abzuweichen und zu fragen: Haben sich die Untersuchungsausschüsse in der Praxis bisher wirklich bewährt? .Ist nicht vielmehr durch zu häufige Strapazierung eine im Prinzip gute Einrichtung zum parteipolitischen Kampfinstrument geworden?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 6017
WagnerWird nicht bei solchen Untersuchungen dem demokratischen Gedanken in unserem Volk eigentlich geschadet? Ich meine, wir alle sollten uns einmal diese Fragen ernsthaft stellen und nach einer Antwort darauf suchen. Bei dieser Diskussion sollten auch diejenigen mitwirken, die es schon einmal miterlebt haben, wie eine Demokratie in Deutschland Schaden nahm durch den Kampf mit sogenannten Affairen.
Ich wiederhole: das positive Ergebnis des Untersuchungsausschusses hätte auch ohne diese Einrichtung erzielt werden können. Dazu noch ein paar Bemerkungen. Lange bevor der Bericht des Untersuchungsausschusses vorlag, hatte Bundesinnenminister Höcherl für klare Anweisungen im Verfassungsschutzamt gesorgt. Bevor überhaupt jemand die Frage einer verstärkten parlamentarischen Kontrolle aussprach, war er es, der vor der Kleinen Kommission genau diese zusätzliche Sicherung vorschlug. Während dieses Hohe Haus noch darüber berät, ob und welche personellen Konsequenzen aus dem Ergebnis der Untersuchung gezogen werden sollen, hat der Bundesinnenminister schon ohm großes Aufheben gewisse notwendige Veränderungen vorgenommen oder vorbereitet. Schließlich hätte es genausowenig eines Untersuchungsausschusses bedurft, um ein Gesetz zur Einschränkung des Post- und Fernmeldegeheimnisses vorzulegen, das in seinem demokratischen Charakter seinesgleichen sucht.Aber nehmen wir einmal an, der Untersuchungsausschuß hätte das nun alles durch sein Verfahren und durch seine Arbeit beschleunigt. Ist es diese Beschleunigung wert, daß so viel Porzellan zerschlagen wurde? Ich meine, es ist mehr Porzellan zerschlagen worden, als unserem demokratischen Staat guttut. Auch hier wäre ich versucht zu fragen, ob es einer Demokratie frommt, wenn man versucht, den guten Ruf eines Ministers, wenn schon nicht bösartig, so doch zumindest leichtfertig, zu ruinieren.
Ich denke dabei insbesondere beispielsweise an einen Chefredakteur, der in einer klaren Verfälschung der Wahrheit den Bundesinnenminister einen Lügner nannte, ihn mit Fouché auf eine Stufe stellte, ja sogar das unselige Gespenst Himmlers beschwor, um ihn in den Augen seiner Leser abzuwerten.
Ich glaube nicht, daß unser demokratischer Staatschon so fest gefügt ist, daß wir uns in reichemMaße einen solchen politischen Stil leisten können.
Ich meine, es wäre auch eindrucksvoll gewesen, wenn gewisse Kollegen in diesem Hause, die bei anderer Gelegenheit immer wieder die politische Fairneß und den guten politischen Stil beschwören, auch einmal einen politischen Gegner vor solch infamen Beschimpfungen in Schutz genommen hätten.
— Herr Kollege Schäfer, die Debatte hat viel länger gedauert, und ich kann mich daran erinnern, daß manchmal Organe Ihrer Partei diese Dinge zwar nicht völlig übernommen, sie aber doch zitiert haben.Aber ich meine mit dem „Zerbrechen von Porzellan" vor allem jenes Porzellan, das im Verfassungsschutz selbst zerschlagen worden ist. Niemand, möchte ich sagen, wollte das bewußt in diesem Hause; davon bin ich fest überzeugt. Aber die Welle, die mit dieser Untersuchung über die deutsche Öffentlichkeit hinwegging, hat, wennschon nicht den Verfassungsschutz zerschlagen, so doch seine Arbeit auf bestimmte Zeit ernsthaft gelähmt.
Denken Sie einmal an das Bild, das zwar einzelne, aber einflußreiche Publikationsorgane von unserem Verfassungsschutz gemalt haben. Es war doch das Zerrbild des Schnüfflers, des gesetzlosen Gesellen, der scheinbar aus persönlicher Neugier, vielleicht auch unter Mißbrauch seiner Befugnisse, zum Kampf gegen mißliebige politische Gegner mit verwerflichen Methoden in die Privatsphäre harmloser Bürger mit einbrach. Es war zumindest — wie es einmal ein Kollege im Hause ausdrückte; ich glaube, es war Kollege Schmitt-Vockenhausen — ein „frischfröhlicher Betrieb", der da im Verfassungsschutz geherrscht haben soll. Oder nehmen Sie nur einmal die Kommentare, die zum Ausschußbericht selbst gegeben worden sind. Wie viele ziehen aus der Formulierung, daß ein Mißbrauch nicht festgestellt wurde, daß ein Mißbrauch aber nicht ausgeschlossen werden kann, die Folgerung: Also konnte Mißbrauch stattfinden und hat Mißbrauch stattgefunden.
Und wieviel hämische Kommentare sind doch an die Feststellung geknüpft worden, Unterlagen im Verfassungsschutzamt seien gelegentlich auch ohne die übliche Vernichtungsverhandlung vernichtet worden.
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6018 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
WagnerDa behauptet beispielsweise die Gewerkschaftszeitung „Metall", im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nach Einleitung der parlamentarischen Untersuchung schnell noch Akten beseitigt worden, eine Behauptung, die verständlicherweise von Nachrichtenagenturen der Sowjetzone gern übernommen wurde.Ein Mißbrauch, meine Damen und Herren, ist niemals ausgeschlossen, bei keiner Behörde, durch keine Dienstvorschrift und auch nicht durch strengste Aufsicht. Aber wer aus der genannten Formulierung automatisch das Schlimmste ableitet, der unterstellt doch, daß unsere Verfassungsschützer — ich möchte einmal sagen — halbe Ganoven sind, und nicht Männer, die für eine gute Sache kämpfen, und zwar mit großem Eifer. Wie kann man erwarten, daß diese Männer mit vollem Herzen diese Aufgabe fortführen, wenn sie sich groteskerweise plötzlich auf der Anklagebank sehen müssen!Meine Damen und Herren, wie soll denn unser Verfassungsschutz eigentlich erfolgreich arbeiten können, wenn man das Vertrauen zu ihm in der deutschen Bevölkerung zerstört! Er ist doch auf die Mitarbeit und Mithilfe des Bürgers angewiesen, um die Feinde des Staates, die Feinde der Verfassung erfolgreich abwehren zu können. Denken Sie einmal an die Popularität, an das Ansehen, das beispielsweise FBI in den Vereinigten Staaten oder Secret Service in England genießt.Der einfache Mann verfolgt das Ergebnis solcher Untersuchungen nicht in allen Einzelheiten. Bei ihm bleibt das Bild haften, das in einer grotesken Verzerrung über den Verfassungsschutz entworfen wurde,
und ich meine, auch mit durch Ihre Schuld, meine Kollegen von der Opposition.
Sicher, der deutsche Bundesbürger muß davor geschützt werden, daß irgend jemand ohne Not in seine Freiheitssphäre eindringt; auch der Verfassungsschutz darf es nicht. Dafür müssen Sicherungen vorhanden sein. Solche Sicherungen wurden eingebaut. Aber die Freiheit des einzelnen ist, glaube ich, z. B. doch noch mehr durch jenes kommunistische System bedroht, das ich am Anfang skizziert habe, das sich den Umsturz in der Bundesrepublik, die Vernichtung der Demokratie und damit auch die Zerstörung der Grundfreiheiten zum Ziele gesetzt hat. Ich meine, ein Staat, der in Überspitzung der Freiheitssphäre des einzelnen auf einen Kampf gegen die eigentlichen Feinde der Freiheit verzichten wollte, muß zugrunde gehen.Ich glaube, die heutige Debatte wäre umsonst, wenn wir nicht auch auf diese Tatsache hinwiesen; sie wäre verfehlt, wenn wir nicht an dieser Stelle dem deutschen Verfassungsschutz Dank für seine aufopferungsvolle Arbeit sagen würden,
für einen energischen Kampf gegen ein Heer von,Agenten und Staatsfeinden, die sich ganz andererMethoden bedienen als derjenigen, die „Superdemokraten" bei uns dem Verfassungsschutz zum Vorwurf machen.Meine Damen und Herren, wir sollten nicht nur überlegen, welche Sicherungen eingebaut werden müssen, damit der Verfassungsschutz seine Grenzen nicht überschreitet. Wir sollten uns im eigenen Interesse erst recht den Kopf darüber zerbrechen, wie wir diesem Verfassungsschutz helfen können, uns und diesen Staat zu schützen.
Noch eine abschließende Bemerkung zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der zu dem. Antrag des 2. Untersuchungsausschusses gestellt ist. Ich gestehe, ich bin etwas sonderbar davon berührt, daß Sie, meine Damen und Herren, diesen Änderungsantrag hier bei der Aussprache im Plenum vorlegen und daß Sie diese Formulierungen nicht bereits anläßlich der Schlußberatung im Untersuchungsausschuß zum Antrag erhoben haben. Ich kenne Ihre Gründe nicht; aber es drängt sich die Vermutung auf, daß Sie gar nicht wollten, daß man sich mit Ihren Argumenten in allen Einzelheiten auseinandersetzt.Zu der Nr. 4 eine Bemerkung: Haben Sie einmal den John-Ausschuß-Bericht damit verglichen? Dort ist von diesem Parlament weitgehend ein Hinweis gerade auf diese Art der Arbeitsführung gegeben worden.Zu dem zweiten Punkt, dem Vorwurf gegen den Bundesinnenminister, hat mein Kollege Dr. Güde bereits ausführlich Stellung genommen. Ich brauche dazu nichts mehr weiter zu sagen. Wir haben Vertrauen zu diesem Bundesinnenminister.
Meine Damen und Herren, wir werden den Änderungsantrag der Fraktion der SPD ablehnen. Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Antrag des Ausschusses die Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kohut.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst danke ich Ihnen, meine lieben Kollegen von der CDU/CSU, für den Beifall, mit dem Sie mich empfangen haben.
Ich muß weiter sagen, daß ich nicht im Auftrage meiner Fraktion spreche, sondern aus eigenem Entschluß.
Ich kann leider nicht, wie Herr Dr. Güde empfohlen hat, einen Strich der Gelassenheiit unter eine Affäre ziehen, die mich aufs tiefste erschüttert hat.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 6019
Dr. KohutIch bin 1945 politisch tätig geworden, weil ich glaubte, nach dem Zusammenbruch des Reiches mithelfen zu können, eine Demokratie aufzubauen, die einen Rechtsstaat darstellt, in der die Fehler der Vergangenheit nach Möglichkeit vermieden werden, eine Demokratie, in der sich jeder Staatsbürger wohlfühlt.Wenn ich mich jetzt umschaue, sind wir auf dem besten Wege, restaurative Bestrebungen zu entwickeln.
Ich hörte hier mehrfach das Hohelied des Verfassungsschutzes. Ich kann nur feststellen, daß erst nach Zusammentritt des Untersuchungsausschusses die SS-Leute aus dem Verfassungsschutz entfernt wurden, die offenbar als bewährte Fachleute die ersten Aufgaben zu lösen hatten. Das ist für einen Mann mit demokratischem Empfinden, der die Nazis haßte, tatsächlich die richtige Mannschaft im Verfassungsschutz. Das muß man hören. Sie sind in der Mehrzahl an .das Oberverwaltungsgericht nach Kölngekommen, wo ja im wesentlichen Wiedergutmachungssachen betrieben werden. Hoffentlich ist man — nachdem man nicht taktvoll genug war und sie in den Verfassungsschutz holte — so taktvoll, sie wenigstens nicht mit Wiedergutmachungssachen zu beschäftigen. Das ist das eine, ,was ich wenigstens von diesem Innenminister zu erhofften wage, wenn er noch bleibt.
Meine Damen und Herren, wie bedeutend diese Debatte ist, geht schon daraus hervor, daß sich weder der Herr Bundeskanzler noch der Herr Vizekanzler hier sehen lassen.
Offenbar sind Fragen, die die bürgerlichen Freiheiten betreffen, nicht so interessant wie andere Dinge, für die man da ist.Ich bin auch der Meinung, nachdem der Untersuchungsausschuß so hervorragend zusammengearbeitet haben soll, daß die CDU/CSU alles versucht, diese Affäre zu verniedlichen. „Es kreißte ein Berg und geboren wurde eine Maus". Ich glaube, das ist doch nur der Versuch, etwas, was hier geschehen ist, zu bagatellisieren. Es ist einfach nicht zu bagatellisieren. Denn wenn jetzt die deutschen Stellen zur Räson gebracht werden, wenn sie dazu bewogen werden, in dem Abhörspiel vorsichtiger zu treten, so bleiben immer noch die Alliierten übrig. Gerade diese Tatsache, daß die alliierten Vorbehalte bestehen, beweist uns, daß wir kein souveräner, autonomer Staat sind. Wir sind das Produkt unserer Besatzungsmächte. Wir sind abhängig, und die sogenannte Bundesrepublik ist genauso abhängig von diesen Besatzungsmächten wie die sogenannte Deutsche Demokratische Republik.
— Sie können brüllen, soviel Sie wollen. Ich wollte Ihnen das nur einmal sagen, damit Sie die Abhängigkeitsmaße erkennen. Hier war der Beweis geliefert, und das muß man einmal sagen.
— Ich habe Ihnen nur gesagt, daß die Bundesrepublik nicht so absolut souverän ist
und daß wir uns nicht lauf das hohe Pferd setzen sollten, wenn wir gewisse Fragen behandeln, die die Einheit Deutschlands betreffen, wozu wir laut Grundgesetz verpflichtet sind und wozu gerade Ihre CDU/CSU nicht das geringste tut.
Sie gehen alle über Umwege, lassen Sie sich das gesagt sein. Ich werde demnächst die Gelegenheit wahrnehmen — heute würde das zu weit gehen —, das noch einmal in aller Deutlichkeit auch von dieser Stelle aus Ihnen unter die Nase zu reiben.
Meine Herren Kollegen, ich habe vorhin bei Herrn Süsterhenn den Zwischenruf gemacht: In England würde ein Minister zurücktreten, in dessen Ressort so etwas passierte, selbst wenn er vollkommen unschuldig an der Sache wäre. Bei uns sind offenbar die Ministersessel mit Klebstoff versehen. Sie werden nicht zurücktreten, sondern sie werden gefeiert, wie mein Vorredner sagte: Volles Vertrauen zu diesem Minister!
Ich würde mich schämen, wenn mir das passierte. Und wenn mir hier von dem Vorsitzenden des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, ich glaube, beinahe ein dutzendmal attestiert würde, 'daß ich zumindest nicht die Wahrheit gesagt habe, dann würde ich die Dinge aufklären. Entweder würde ich als Minister gehen, oder ich würde meine Ministerialbürokratie an die Luft setzen, wenn sie mich belogen hat. Aber dies alles mit dem Schleier der konfessionslosen Verschwiegenheit zu versehen, geht mir über die Hutschnur. Das wollte ich Ihnen nur gesagt haben als inoffizieller Redner, nicht als Redner meiner Partei, weil ich mich dazu verpflichtet fühle.
Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Kohut
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6020 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Dornhat von dem Abgeordnetenrecht eines jeden Mitglieds dieses Hauses Gebrauch gemacht
und seine Meinung hier vorgetragen und geäußert. Er hat dabei Äußerungen getan, die in ihrem sachlichen Inhalt von der Fraktion der FDP nicht geteilt werden können, vor allen Dingen soweit es sich um die Frage der staatlichen Anerkennung und der staatlichen Ordnung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland als Staat handelt.
Lassen Sie mich nun zu dem hier anstehenden Punkt der Tagesordnung noch einiges sagen. Ich hatte zu Beginn der Behandlung dieses Punktes die Aufgabe, als Berichterstatter Ihnen etwas vorzutragen, was die einstimmige Billigung im Ausschuß gefunden hat. Um so erstaunter, meine Damen und Herren — das muß ich allerdings in aller Offenheit hier vortragen —, bin ich über die diversen Auslegungen unseres Beschlusses und unserer einstimmigen Auffassungen im Ausschuß hier im Verlaufe der Diskussion geworden.Herr Kollege Süsterhenn hat sich so geäußert — wenigstens habe ich diesen Eindruck —, als ob man das mit einer bagatellisierenden Handbewegung erläutern könnte und man nur zugestimmt hätte, weil es sich hier um Fragen des Verfahrens, der bürokratischen Ordnungsliebe handelt. Herr Kollege Süsterhenn, so haben wir die Dinge nicht aufgefaßt, als wir dem Ausschußbericht unsere Zustimmung gaben.
Herr Kollege Wagner hat in seinen Schlußausführungen gesagt: Es bedurfte dieses Untersuchungsausschusses nicht, und er hat weiter gesagt, es sei viel Porzellan zerschlagen worden. Herr Kollege Wagner, ich vermag der Schlußfolgerung noch der Begründung zu folgen. Auch Herr Kollege Güde hat diese Auffassung begründet, daß der Untersuchungsausschuß eigentlich gar nicht nötig war, weil in der Kleinen Kommission doch schon alles geregelt und in Ordnung befunden wurde. Meine Damen und Herren, nach Vorlage des Untersuchungsberichts, nach den Beratungen im Untersuchungsausschuß und nach dem, was uns in der Kleinen Kommission und vorher im Innenausschuß vom Innenminister, von den zuständigen leitenden Herren des Verfassungsschutzamtes und des Innenministeriums vorgetragen worden ist, verhält es sich doch nicht so, wie Sie es hier vortragen. Ich werde Ihnen nachher noch im einzelnen darlegen müssen — ich bedaure sehr, daß das jetzt noch erfolgen muß —, daß die Vorlagen für die Kleine Kommission, daß die Vorlagen für die Beratung im Innenausschuß leider in \\vielen Fällen nicht mit den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses übereinstimmen. Deswegen war es zwingend notwendig, die Beratungen des Untersuchungsausschusses durchzuführen, um Klarheit und Wahrheit wieder an den Tag zu bringen.
Herr Kollege Wagner hat erklärt, es sei ein Vorwurf erhoben worden, als seien die Verfassungsschützer sozusagen halbe Ganoven. Herr Kollege Wagner, niemand von uns im Untersuchungsausschuß — —
— Da bin ich eben mit ihnen nicht einer Meinung; deswegen komme ich jetzt darauf zu sprechen. — Niemand von uns im Untersuchungsausschuß hat jemals diese Auffassung vertreten;
aber daß diese Auffassung aufkommen konnte, Herr Kollege Wagner ist in erster Linie die Schuld des Herrn Innenministers persönlich,
der am zweiten Tage der Auseinandersetzung um dieses Problem nicht nur die Äußerung „mit dem Grundgesetz unter dem Arm" machte, sondern auch wörtlich erklärte: „Es handelt sich hier zum Teil um Leute, mit denen man nicht zu Abend essen kann."
— Bitte sehr!
Halten Sie es wirklich für fair, obwohl Sie die Umstände kennen, unter denen dieses Gespräch geführt worden ist, obwohl Sie wissen, daß es nicht publiziert ist, so zu verfahren, nachdem Ihre Fraktion und Ihr Minister Bucher sich dagegen verwahrt haben, daß vertrauliche oder telefonische Gespräche mit Journalisten in dieser Form gebraucht werden?
Herr Kollege Stoltenberg, Sie verwechseln hier Ursache und Wirkung.
Es kommt hier darauf an, klarzustellen, was sich abgespielt hat; und daß dieser Eindruck draußen entstanden ist, ist nun einmal diesem Wort Ihres Ministers mit zu verdanken. Ob es beabsichtigt war, daß das in die Presse kam, oder nicht, ist eine Frage, für deren Beantwortung ich nicht zuständig bin. Aber leider ist es nun einmal so in der Presse erschienen.Wenn Herr Kollege Güde gesagt hat, der Ausschuß habe die Dunstwolke der Verdächtigungen zerrissen, so folge ich ihm. Natürlich ist vieles von dem, was an Kombinationen veröffentlicht wurde, was an Gesprächen geführt wurde, nunmehr wieder auf den realen Grund der Wirklichkeit zurückgeführt worden. Dafür, meine ich, sollten wir auch dankbar sein. Das ging aber nur durch den Untersuchungsausschuß; denn mit dem Silberstein-Bericht, der geheim ist, konnte man das ja nicht erledigen.
Ich folge Ihnen, Herr Kollege Güde, allerdings nicht, wenn Sie sagen, die Versuchung sei groß, im Aufwind solcher Marktgängigkeiten zu segeln, und ich. folge auch Ihrer Zitierung von Herrn Professor
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DornEschenburg nicht. Herr Eschenburg ist eigentlich durch das einstimmige Untersuchungsergebnis ad absurdum geführt.
Ich meine, auch das ist eine Bestätigung unserer parlamentarischen Aufgabe, die wir, sämtliche Kollegen aller Fraktionen, sehr ernst genommen und vorgetragen haben.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, noch wenige Worte zu den Ausführungen des Kollegen Süsterhenn sagen. Sie haben zu Recht, Herr Kollege Süsterhenn, die Frage der parlamentarischen Kontrolle, ihrer Wirkungsmöglichkeit und die Frage der Kontrolle und der Dienstaufsicht des Innenministeriums angeschnitten. Ich meine aber, die Fragen der Kontrolle, die seinerzeit im John-Ausschuß besprochen worden sind, sind für uns doch gleichzusetzen mit der Dienstaufsicht des Innenministeriums gegenüber dem Amt, und ich glaube, auch aus den Worten des Kollegen Süsterhenn entnommen zu haben, daß ein Ministerium oder die Abteilung eines Ministeriums, das die Dienstaufsicht über ein solches Amt hat und das nach achtjähriger Dienstaufsicht — ohne Wechsel der Personen — nicht gemerkt hat, was hier los war, und erst aus der Presse erfahren hat, welche Dinge sich in dem Amt und den Außenstellen abspielten, seine Dienstaufsicht nicht so ausgeübt haben kann, wie es notwendig gewesen wäre.
Die konspirativen Auseinandersetzungen mit dem Gegner und ihre Notwendigkeit werden von uns nicht bestritten, Herr Kollege Süsterhenn, aber ich würde Sie herzlich bitten, auch einmal das zu lesen, was Herr Silberstein über die Konspiration innerhalb des Amtes, der Abteilungen und der Personen untereinander, geschrieben hat.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun etwas dazu sagen, warum dieser Untersuchungsausschuß doch notwendig war. Ich kann leider nicht darauf verzichten, jetzt einige Zitate zu bringen. Ich beginne mit der 58. Sitzung des Innenausschusses vom 26. September des vergangenen Jahres. Der Herr Innenminister erklärte dort wörtlich:Es kann dokumentarisch nachgewiesen werden, daß in jedem Fall .der Gesichtspunkt der alliierten oder derjenige der gemeinsamen Sicherheit beachtet worden ist.Ich stelle dazu fest, 'daß das Innenministerium im Rahmen der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuß durch seine Vertreter erklärt hat, daß Dokumente in dem Sinne nicht vorhanden sind, daß die Fälle aus dem Gedächtnis der Abteilungsleiter rekonstruiert worden sind, und daß auf Seite 4 zu Ziffer 2 des Untersuchungsberichtes, der einstimmig gefaßt worden ist, diese Ausführungen des Innenministers eindeutig widerlegt sind.
Der Herr Innenminister hat in derselben Sitzung erklärt:Der zuständige Abteilungsleiter muß im Falle der Inanspruchnahme von Sonderrechten Unterlagen dafür haben, daß alliierte oder gemeinsame Sicherheitsinteressen berührt werden.Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß das nicht zutraf.
In derselben Sitzung erklärte der Innenminister:Wenn ein Abteilungsleiter keine Unterlagen hat, handelt er nicht rechtmäßig.Nun, meine Damen und Herren, wir sind der gleichen Auffassung und hoffen, daß das Innenministerium daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehen wird.
Wir begrüßen es, daß das Innenministerium in einem Falle, bei dem Abteilungsleiter IV, wo es ja wohl auch am dringendsten war, die Konsequenzen bereits gezogen hat. Ob es allerdings sehr sinnvoll ist, daß dieser Abteilungsleiter nun im Ruhestand darangeht, für Illustrierte Artikel über seine Arbeit im Verfassungsschutz und die Möglichkeiten und die Arbeitsmethoden des Verfassungsschutzes zu veröffentlichen, ist eine Frage, über die ich mich hier nicht weiter äußern möchte.
Der Herr Innenminister hat weiter wörtlich erklärt:Was den Personenkreis angeht, über den durch Einschränkung des Telefongeheimnisses erlangte Nachrichten an deutsche Behörden gelangt sind, so handelt es sich nur um Personen, die die Sicherheit der Alliierten bedroht haben, und dieser Personenkreis ist einfach abgrenzbar.Der Herr Innenminister hat in der nächsten Sitzung dann erklärt, daß in 60 */o aller Fälle eine Entlastung der Betroffenen stattgefunden hat. Damit ist also das Gegenteil dieser Behauptung erwiesen.Er hat dann erklärt:Der Artikel in der „Zeit" ist voller Widersprüche und falscher Angaben. Ich habe über den Journalisten Dr. Strobel eine ganze Reihe von Richtigstellungen veranlaßt.Herr Dr. Strobel hat mir erklärt, das stimme nicht, und es seien auch keine Berichtigungen erfolgt.
Der Herr Innenminister hat in derselben Sitzung zugesichert, daß eine genaue Prüfung stattfinden werde, sofern aus einer solchen Formulierung nicht abgeleitet werde, daß die Praxis vorher etwas großzügig und locker gewesen wäre. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß die Voraussetzungen für die Einleitung der Überwachung sehr weit ausgelegt wurden. — Das steht alles im Bericht drin.Lassen Sie mich dann noch zu einigen anderen Dingen etwas sagen. Er hat in der 57. Sitzung des
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DornInnenausschusses eine Reihe von Behauptungenaufgestellt, insgesamt vier an der Zahl, die eindeutig nicht mit der Wahrheit in Übereinstimmung sind.
Meine Damen und Herren, da diese Sitzung für den Teil, den ich anführen müßte, für geheim erklärt worden ist, kann ich mich in der Formulierung jetzt dazu nicht äußern; ich bin aber gern bereit, allen Fraktionen dieses Hauses diese Vorgänge schriftlich zu übergeben.
— Herr Kollege Stoltenberg, es ist leider so, daß das geheim ist, und ich halte mich daran.Es ist dann weiter vom Herrn Innenminister am 11. September in der Kabinettssitzung erklärt worden:In keinem Falle hat der Verfassungsschutz die Alliierten um die Telefonüberwachung oder Zensur gebeten.Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat schon das angeführt, was zwei Tage später im Bulletin ganz normal veröffentlicht worden ist. Genau das Gegenteil von dem, was der Herr Innenminister dem Kabinett erzählt hat, trifft zu.Ich will nicht die anderen Dinge über die Sendung „Report" wiederholen. Ich will auch nichts darüber sagen, was in der zweiten Sitzung der Kleinen Kommission vom Herrn Innenminister zu diesen Dingen vorgetragen worden ist. Der Herr Innenminister, das Innenministerium hat in seiner Stellungnahme noch eine Reihe von Erklärungen abgegeben, die ebenfalls nicht mit den Tatsachen übereinstimmen. Er hat u. a. erklärt: Im Bundesamt haben die Abteilungsleiter die Meldungen der Alliierten entgegengenommen. Auch das trifft nicht zu. Er hat darüber hinaus erklärt: Ausgewertetes Material ist unter Aufnahme einer Vernichtungsverhandlung vernichtet worden. Die Beweisaufnahme hat das Gegenteil festgestellt.
Er hat erklärt: Die Zusammenarbeit mit den Alliierten trug dazu bei, daß in den letzten Jahren zahlreiche rechtsradikale Organisationen verboten werden konnten. Auch das ist mit „zahlreich" nicht zu vergleichen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Dorn, ich frage Sie, wie Sie bei diesen Behauptungen dem Ausschußbericht zustimmen konnten; das verstehe ich nicht.
Das habe ich in der Einleitung schon erklärt; ich will es aber gern für Sie nachher wiederholen.
Der Herr Innenminister hat weiter erklärt: Nach Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages werden die Rechte der drei Mächte grundsätzlich nur nach Konsultationen mit der Bundesregierung ausgeübt. Die Beweisaufnahme ergab, daß seit 1958 keine Konsultationen mehr stattfanden.
Ich habe noch sechs Seiten mit Behauptungen und Äußerungen. Ich will mir ersparen, jetzt noch weiter auf die Einzelheiten einzugehen.
— Herr Kollege Stoltenberg, der Vorwurf der Lüge ist im sachlichen Zusammenhang von Ihnen hier angesprochen. Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen erklärt, daß der Herr Innenminister eine Vielzahl von Erklärungen abgegeben hat, die mit den Tatsachen nicht in Übereinstimmung stehen.
Deswegen, Herr Kollege, ist es für uns von entscheidender Bedeutung, daß wir nicht mit der Kleinen Kommission aufgehört haben; denn dann hätten wir das alles nicht feststellen können, was wir nunmehr einmütig im Untersuchungsausschuß festgestellt haben. Darum ging es uns nämlich, daß hier Klarheit geschaffen wird und daß wir uns nicht mehr in dem Dschungel der halben Indiskretionen und halben Informationen weiter bewegen wollen.
Das wollte ich an dieser Stelle nur noch sagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gedat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als einer der Abgeordneten aus dem süddeutschen Raum, die sich insonderheit mit der Panorama-Affäre und dem Wirbel, den Herrn Dr. Schäfer dadurch hergerufen hat,
auseinandersetzen mußten, fühle ich mich zu einer ganz einfachen Feststellung gezwungen. Wenn Herr Dr. Schäfer Wert darauf legt, daß ausgerechnet der Brief, den der Herr Bundestagspräsident ihm geschrieben hat, hier im Protokoll festgehalten wird, dann lege ich Wert darauf, daß festgehalten wird, daß Herr Dr. Schäfer diesen Brief nicht zur Klärung der Sache benutzt hat, ,sondern daß die Verwirrung nur noch größer gemacht wurde.
Ich glaube es ist nötig, daß das festgehalten und auch der Öffentlichkeit gesagt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen,
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Nach diesem Ausflug des Kollegen Gedat, der in der Hoffnung gesprochen hat, im nächstjährigen Wahlkampf damit spazieren gehen zu können, können wir uns wieder der Sache zuwenden.
Der Herr Kollege Güde war so liebenswürdig, von dem Souterrain der Journalistik zu sprechen.
— Sie haben Herrn Arndt zitiert, haben es sich aber zu eigen gemacht.
— Auch das ist bei Ihnen zweifelhaft; es ist bei Ihnen ja immer am Schluß alles zweifelhaft.
Ich darf Ihnen mal eines sagen, Herr Kollege Güde: ganz sicher gibt es auch ein Souterrain der Politik,
und ganz sicher sind Sie heute in einzelnen Passagen Ihrer Rede da reingestiegen. Lassen Sie mich ganz klar sagen. Ich bin eigentlich traurig, nach der Art, wie Sie im Ausschuß mit uns zusammengearbeitet haben, daß Sie hier heute so eine klägliche Absatzbewegung von der deutschen Öffentlichkeit durchgeführt haben.
Das war kein Ruhmesblatt für Sie.
Meine Damen und Herren, hier ist viel vorgetragen worden, um die Sache zu bagatellisieren. Um auf den Bucerius-Bericht zurückzukommen, Herr Kollege Güde: Sie wissen genau, wie der Bericht zustande gekommen ist, mit welchen Mehrheiten. Sie haben doch sicher die Protokolle nachgelesen. Ich kann hier nur dem zustimmen, was der Kollege Dorn gesagt hat: Das ist kein Freibrief, daß man fast zehn Jahre nichts davon gemerkt hat, was eigentlich in diesem Amt passiert ist.Ich bin auch überrascht, Herr Kollege, daß Sie von Schlagzeilen sprechen, die der Vorsitzende gemacht habe. Entschuldigen Sie, die Schlagzeilen hat der Minister immer gemacht. Der Vorsitzende hat natürlich geantwortet. Ich bitte dafür um Nachsicht. Glauben Sie, daß ich ruhig bin, wenn ich angegriffen werde? Das kann doch nicht der Fall sein.
— Suchen Sie mir etwas raus!Herr Kollege Güde, Sie haben hier dann den Versuch gemacht, so mit der großen Geste von der Versuchung der Opposition zu sprechen. Herr Kollege Güde, es gibt auch die Pflicht der Opposition, Fragen aufzuklären, vor allem dann, wenn sie so im Dunkel und im Halbdunkel sind,
— Ja, meine Damen und Herren, ich kann doch nichts dafür, daß Sie alles, was ein Minister sagt, für wahr halten. Das müssen Sie doch vor sich selbst verantworten.
Ich kann mich hier nur der Ansicht des Kollegen Dorn anschließen. Was heißt hier „Porzellan zerschlagen" ? Ich weiß nicht, womit mehr Porzellan zerschlagen wird, mit leichtfertigen Äußerungen der Regierung, die in der Sache nicht stimmen, oder mit einer sachgemäßen Prüfung, mit der wir hier gemeinsam vor das Parlament und die deutsche Öffentlichkeit treten, um das gemeinsam vor ihr zu verantworten.
Herr Kollege Güde, Sie haben gemeint, wir hätten die Absicht, den Ruf eines Ministers zu ruinieren. Es gibt Minister, denen gelingt es selbst viel besser, ihren Ruf zu ruinieren, als es eine Opposition jemals kann.
Ich kann Ihnen auch sagen: wir haben nie ein Zerrbild der Sache geben wollen.
Im Gegenteil, ich muß Ihnen sagen: Wie kann uns daran liegen, hier ein Zerrbild zu geben? Sie wissen genau, wieviel uns am Verfassungsschutz liegt. Sie wissen ja selbst, in welcher Weise wir gerade auch durch die positive Arbeit dieses Ausschusses uns bemüht haben, dem Verfassungsschutz, der uns genauso wie Ihnen am Herzen liegt, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten bzw. wiederzugeben.Der Herr Kollege Wagner sagt, der Untersuchungsausschuß habe das Verfassungsschutzamt auf die Anklagebank gebracht. Entschuldigen Sie, ich bin der Meinung, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß ist keine Anklagebank. Ich hätte Sie mal hören mögen: der Herr Kollege Strauß hat doch auch nicht auf der Anklagebank gesessen vor dem Untersuchungsausschuß. Sonst hätte der Kollege Hoogen ihm nie ein so wohlwollendes Attest geben können.
— Ich halte mich hier an den Kollegen Hoogen, Herr Kollege Strauß.Der Herr Kollege Wagner sagt hier: Das war ein Schauspiel. Meine Damen und Herren, die Arbeiten des Untersuchungsausschusses waren kein Schauspiel. Aber ein Schauspiel waren die ministe-
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Schmitt-Vockenhausenriellen Erklärungen vom 5. September bis zum Ende dieser Geschichte.
— Ach, meine Damen und Herren, ich will Ihnen was sagen: ich habe natürlich Verständnis dafür, wenn Sie die Geschichte hier jetzt verniedlichen und verharmlosen wollen und gewissermaßen ein Mäuschen daraus machen wollen. Herr Kollege Süsterhenn, es waren natürlich Mäuse, die hier im Gebäude der rechtsstaatlichen Ordnung genagt haben. Und wir haben sie gefangen! Das ist doch die Hauptsache! Das sollten wir nicht vergessen.
Ich muß es Ihnen überlassen, ob und wie Sie hier Ihren angeschlagenen Minister verteidigen, meine Damen und Herren. Sie haben ja noch mehr angeschlagene Minister. Einer ist Blank, und ein anderer — — na, ja, meine Damen und Herren, tun Sie, was Sie für recht halten. Wir haben jedenfalls unsere Haltung in den Punkten 4 und 5 unseres Änderungsantrags zum Ausdruck gebracht, und ich darf Sie noch einmal bitten, unseren Antrag anzunehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Da ich annehme, daß Sie als letzter sprechen möchten, habe ich das Haus gefragt, ob noch jemand sprechen möchte.
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf eine Bemerkung vorweg machen: ich möchte nicht in eine polemische Debatte eintreten. Das Thema ist für mich zu bedeutungsvoll, und der Anlaß berührt uns gemeinsam und ist Gegenstand unserer gemeinsamen Sorge.
Es ist gerade im letzten Teil der Debatte sehr viel Polemik getrieben worden. Ich werde einige Anmerkungen tatsächlicher Art machen und überlasse es Ihnen, daraus Schlüsse zu ziehen und sich ein Urteil zu bilden.Ich darf eine zweite Bemerkung machen: ich bin außerordentlich dankbar, daß durch alle möglichen Beiträge, worunter der von Oberlandesgerichtpräsident Silberstein vom Sachlichen und von der Gründlichkeit her naturgemäß den ersten Rang einnimmt, so viele Verbesserungsvorschläge für eine bessere Organisation dieses sehr schwierigen Amtes, das in allen Ländern der Welt Probleme besonderer Art aufwirft, gemacht worden sind. Ein Teil ist uns auch selbst eingefallen. Wir haben die Dinge sehr rasch verbessert, soweit das in der kurzen Zeit möglich war. Wir sind auch heute und morgen dankbar für jeden ehrlich gemeinten und sachlichen Beitrag für eine Verbesserung der Organisation, der Arbeitsweise und vor allem der Gesetzmäßigkeit. Das ist mein Standpunkt. Dafür gilt Dank jedem, der in ehrlicher und anständiger Absicht dazu beigetragen hat, diese Dinge zu verbessern und in Ordnung zu bringen.Es ist nicht das erste Mal, daß der Verfassungsschutz in diesem Hause zur Debatte steht, es ist das dritte Mal. Man muß eigentlich die Väter unserer Verfassung wegen ihres Weitblicks bewundern. Sie haben schon in der Verfassung selbst in Art. 87 Abs. 1 von solchen Einrichtungen gesprochen, Einrichtungen nachrichtendienstlicher Art auf der Ebene des Bundes und der Ebene der Länder, die beide zu einer gewissen Kooperation gehalten sind. Daß damals in einer Zeit, in der noch sehr frische Wunden aus der Vergangenheit in diesem Bereich vorhanden waren und Schmerz verursachten, sich die Verfassungsväter und das Hohe Haus trotzdem sehr rasch im Gesetz vom 27. September 1950 zur Ausführung dieser Absichten entschlossen haben, ehrt die Mitwirkenden von damals. Sie haben sich in notwendiger Erkenntnis der unerhörten Gefahren, die kein anderes Land in diesem Ausmaß berühren, würdig gezeigt und Vorsorge getroffen.Ich habe ausdrücklich erwähnt, daß auch die Verfassungsschutzämter der Länder schon damals zur Debatte standen und auch in der Verfassungsbestimmung genannt waren. In der ganzen Aussprache, die wir hier führen, ist von den Verfassungsschutzämtern der Länder sehr wenig die Rede gewesen. Sehr viele, die hier aufklärend beigetragen haben und auch in der Debatte gesprochen haben, kennen aus dem Bereich der Länder — das weiß ich ganz genau — sehr viele Einzelheiten über diese gute Zusammenarbeit, über gemeinsame Rechtsauffassungen und die gemeinsame Praxis. Es hätte der Wahrheit außerordentlich gedient, wenn das gemeinsam vorgetragen vorden wäre. Man hätte aus diesen Quellen wahrscheinlich sehr vieles schöpfen können. Man hat auch daraus geschöpft, aber dieses Wissen unterdrückt. In Wirklichkeit waren diese Dinge anderen mehr bekannt. Sie waren auch denjenigen, die sich in eine anklagende Rolle begeben haben, mehr bekannt, als sie mir nach dieser kurzen Tätigkeit bekannt waren und bekannt sein konnten. Das Gesetz vom 27. September 1950 zur Einrichtung dieser Ämter hat schon eine ganz wesentliche rechtsstaatliche Vorsorge getroffen. Es hat nämlich diese Ämter rein auf die Nachrichtensammlung beschränkt und sie ganz entschieden von der Verwertung und von der Exekutive abgesetzt. Es war das entscheidende rechtsstaatliche Element und die entscheidende rechtsstaatliche Garantie überhaupt, daß diese beiden großen Aufgaben, die in der inkriminierten Vergangenheit jener zwölf Jahre zusammengeschlossen waren, getrennt wurden und daß ferner alle politischen Instanzen von dieser Einrichtung abgesetzt wurden, die aus diesen Erkenntnissen entsprechende Folgerungen zu ziehen hatten.Innerhalb des Amtes selbst und in seiner ersten Organisation gab es ein weiteres Moment der Sicherung, indem man Beschaffung und Auswertung
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Bundesminister Höcherlgetrennt und sich gegenseitig unter Kontrolle gehalten hat.Das sind Elemente, meine Damen und Herren, die eine hohe rechtsstaatliche Funktion und eine hohe rechtsstaatliche Bedeutung haben.Damals mußte man, da wir nicht Herr im eigenen Hause waren, sondern die alliierten Sicherheitsdirektoren die absolute Verfügungsgewalt über diesen ganzen Bereich hatten und sie sehr energisch und sehr intensiv in Anspruch genommen hatten, in einem pragmatischen Verfahren sehen, wie überhaupt im Rahmen dieses Amtes eigene Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden konnten. Das war ein sehr schwieriger Prozeß.Vor allem aber war etwas entscheidend, was auch in den heutigen Zusammenhang hineingehört. Alles das, was heute zur Debatte steht, ist nämlich in der Presse durch zwei Behauptungen hochgebracht worden. Es wurde einmal behauptet, in diesem Amt sei eine ganz große Zahl von alten Nazis, Gestapo- und SD-Angehörigen, und außerdem hätten diese Leute die Möglichkeit, ohne Rücksicht auf alles, allein über den Weg des Augenzwinkerns, unter grober Verletzung aller Bestimmungen des Art. 10 des Grundgesetzes jeden nur mißliebigen Bürger abzuhören. So kräftig, so stark waren einmal die Behauptungen, die das ganze Verfahren ausgelöst haben.Nun darf ich Sie doch auf folgendes aufmerksam machen. Die erste Vorsorge über die organisatorischen Bestimmungen hinaus, die man in der Richtung der Rechtsstaatlichkeit treffen konnte, lag im personellen Bereich. An die Spitze des Amtes wurde damals, wie Sie wissen, Herr John gesetzt, der durch den Ausschuß gegangen ist, der zur Beurteilung über die Einstellung und den Aufbau des Auswärtigen Amtes eingesetzt war; er hat auch sehr viele Gutpunkte von allen möglichen Seiten bekommen. Als Vizepräsident wurde der heute noch amtierende Vizepräsident Radtke eingesetzt, ein Mann der Abwehr, ein Generalstabsoffizier und ein Mann, der im Zusammenhang mit dem 20. Juli mehrere Monate in Haft verbracht hat. Das war der Mann, der damals von der Bundesregierung als Vizepräsident in diesem Amt mit der technischen Leitung betraut worden ist. Herr Heinemann wird vielleicht mehr darüber sagen können, weil er die ersten Anfänge miterlebt hat. Ich weiß es nicht. Das zur personellen Sicherstellung.Das Vorrecht der Alliierten im personellen Bereich wurde so ausgeübt, daß kaum eine Putzfrau — ich darf es in dieser etwas vulgären Form vortragen — ohne Billigung der Alliierten eingestellt werden konnte. Denken Sie jetzt einmal daran, wie Anfang September 1963 die ersten Behauptungen hochkamen, in diesem Amt seien SD-, Gestapo-Beamte in maßgebenden Positionen mit diesen und jenen Möglichkeiten. Ich darf dem Hohen Hause hier in aller Form folgendes mitteilen. Es wurde damals auch ein Vertrauensmann der Opposition in eine sehr wichtige Position in diesem Amt eingebaut. Es war der Leitende Regierungsdirektor Merz, der die bedeutsame Abteilung der Auswertung leitete undder im personellen Bereich in engster Zusammenarbeit mit dem Vorstand der Opposition stand und auch bei Einstellungen, die in der letzten Zeit sehr heftig angegriffen worden sind, schon 1954, also vor 10 Jahren, sein Votum abgegeben hat. Man war übereingekommen, diese Einstellungen zu billigen, wie überhaupt festgehalten werden muß, daß wir in der Ausführung des Art. 131 des Grundgesetzes die Rechtslage haben, daß das Element der persönlichen Schuld und nicht einer formellen Belastung in Betracht kommt. Das hat den Herrn Kollegen Wehner nicht gehindert, im Rahmen dieses ersten Wirbels Äußerungen von sich zu geben, daß es der Innenminister nicht fertigbringe, diese Leute aus diesem Amt herauszubringen, die in der Zwischenzeit — 10 Jahre — in ein Angestellten-, zum Teil ins Beamtenverhältnis gekommen waren.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Bundesminister, darf ich Sie fragen, ob Sie sich hier nicht vielleicht irren? Bezog sich meine Bemerkung nicht darauf, daß aus Ihrem Hause die Behauptung kam, die Leute seien wegen ihrer „Sachkenntnisse", wegen ihrer „Spezialkenntnisse" nicht zu entbehren? Und erinnern Sie sich nicht, daß ich sagte: Was auch sonst immer über die Menschen zu sagen ist — wir jedenfalls wollen keine neue Entnatifizierung —, aber das ist der schlechteste Dienst, der ihnen und dem Amt geleistet wird!? — Erinnern Sie sich daran, wenn Sie schon zitieren?
Ja, Herr Wehner, ich erinnere mich auch an folgendes. In der Äußerung, auf die Sie Bezug nehmen, ist erklärt worden, wie die Rechtslage nach Art. 131 des Grundgesetzes ist, wie sie sich gefestigt hat, daß Ihre Partei genau über die Einstellung informiert war und sie damals gebilligt hat.Ich bin der Meinung, rechtlich war gar nichts zu machen, rechtlich waren die Dinge gefestigt, — Sie wußten es und hatten es gebilligt. Aber ich meine, es ist eine Frage des politischen Taktes, ob man den einen da oder dort verwendet. Ich habe die Verwendung geändert. Ich habe sie nicht in der Form geändert, wie es der Herr Kohut hier zu behaupten beliebte, daß diese Beamten vielleicht in die Wiedergutmachungsabteilung des Kölner Verwaltungsamtes gekommen seien, sondern ich habe die Verwendung in einer korrekten und anständigen Form geändert — 14 Jahre nach ,der Einstellung —, so geändert, daß diese Leute einen angemessenen Arbeitsplatz und nicht einen solchen Arbeitsbereich hatten. Das habe ich gegenüber Herrn Kohut klarzustellen, wie es kürzlich auch in der Presse klargestellt worden ist. Aber Herr Kohut hält sich an solche Berichtigungen nicht, weil er sonst kein Material für ungerechtfertigte Angriffe hätte.
Nun war die große Frage, in welcher Form die ersten Organisationsverfügungen zu erlassen waren.
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Bundesminister HöcherlDie damalige Leitung des Amtes hat sich an einem Beispiel orientiert, das uns in vielen Bereichen und in vielen Fällen als musterhaft vor Augen steht. Wir sind zur Mutter der Demokratie, nach England gegangen und haben uns nach den dortigen Organisationsverhältnissen im Geheimdienst orientiert. Dort herrschen interessante Praktiken, die vielleicht aus rechtlichen Gründen in unseren Bereich nicht ganz übertragen werden können, aber die immerhin lesenswert sind. Ich zitiere aus einem Bericht von Sir Findlater Stewart aus dem Jahre 1945:... mit Rücksicht auf die Natur dieser Arbeit kann die Notwendigkeit für eine Anleitung, ausgenommen allgemeinste Gesichtspunkte, oberhalb der Ebene des Generaldirektors niemals entstehen. Dessen Ernennung ist von großer Verantwortlichkeit, die ungewöhnliche Erfahrung und eine solche Verbindung von Eigenschaften erfordert; ...Genau diesen Weg, meine Damen und Herren, ist dieses Amt gegangen. Es hat den Versuch — den leider nicht geglückten Versuch — mit Herrn John unternommen und hat als Vizepräsident einen im Widerstand verhafteten Mann mit Abwehrerfahrungen aus dem Militärbereich eingesetzt und versucht, eine ganz neue Institution einzurichten, die sich vor allem noch dadurch von allen vergleichbaren Einrichtungen unterscheidet, daß sie unter einer ganz harten und starken Besatzungsaufsicht stand und erst in einem schwierigen und langwierigen Prozeß ein Eigenleben entwickeln mußte.Ich glaube, daß niemand ein Recht hat, hinsichtlich dieser Entwicklungsgeschichte — und deswegen wird sie von mir hier zitiert — Angriffe wegen mangelhafter Organisation, die in einem Neulandbegonnen werden mußte, zu führen. Viele von Ihnen sind noch mit den Einzelheiten aus dieser Zeit aus eigenem Erleben und aus der großen Debatte vom Juli und vom September 1954 genauestens vertraut. Andere wissen aus dem John-Untersuchungsausschuß ebenfalls sehr genau Bescheid.Ich darf hier in aller Form klarstellen: wer auf die Entstehungsgeschichte zurückblickt und wer sich das Vermögen erhalten hat, an Hand von Tatsachen gerecht zu urteilen, der wird zugeben müssen, daß in der Spitzenbesetzung bei den ersten tastenden Versuchen den damaligen bescheidenen Möglichkeiten Rechnung getragen worden ist. So und nicht anders waren die Dinge. Das muß hier festgestellt wenden, um die historischen Tatsachen ins rechte Licht zu rücken und keine Legende aufkommen zu lassen.Lassen Sie mich auf die eigentliche Problematik eines solchen Amtes eingehen. Ich habe schon die bewundernswerte Weitsicht der Väter unserer Verfassung wie auch der Mitglieder des 1. Deutschen Bundestages hervorgehoben, die, offenbar beeindruckt durch die damalige Berlin-Blockade, sich genötigt sahen, diese Gedanken so rasch wie möglich in die Tat umzusetzen. Es ist ein uraltes Thema, das damit angesprochen wird, ein Thema, das gar nicht auf den Verfassungsschutz beschränkt ist, sondern sich auf Polizei und alle derartigen Einrichtungen erstreckt: auf der einen Seite die Wirksamkeit und Arbeitsfähigkeit, auf der anderen Seite die Rechtsstaatlichkeit und Gesetzmäßigkeit. In diese Polarität ist jede Einrichtung hineingezwungen, die sich mit solchen Aufgaben zu befassen hat. Das gilt ganz besonders für die Einrichtung eines Verfassungsschutzamtes.In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen doch noch einige weitere ausländische Stimmen aus dem englischen Bereich vortragen, die die dortige Denkweise illustrieren und uns auch einiges zeigen, was durchaus nachahmenswert erscheint. Im Rahmen der Vorgänge um Burgess und McLean sagte z. B. der damalige englische Außenminister Macmillan:Am Können und an .der Ausdauer und an der Loyalität des Sicherheitsdienstes kann kein Zweifel bestehen. Es ist wirklich erstaunlich,. daß wir immer noch Männer mit so festem Charakter mild solchen Fähigkeiten bekommen. Die Entlohnung ist nicht sehr hoch, die Verantwortung dagegen ist sehr groß. Die meisten Menschen finden ihre Befriedigung darin . . .So könnte ich weiter zitieren. Aber nun ein Wort von Herbert Morrison in einer gleichen Debatte, und zwar in einer Debatte, die unmittelbar zum Gegenstand unserer Verhandlungen führt. Damals wurde in England ebenfalls untersucht, aber in einer ganz anderen Richtung, nämlich wegen mangelhafter Wirkung. Herbert Morrison, ein Mann, der Ihnen viel nähersteht, erklärte:Es ist äußerst schwierig, eine Untersuchung des Sicherheitsdienstes vorzunehmen. Es ist klar, daß es keine öffentliche Untersuchung sein kann. Das wäre einfach lächerlich. Es darf auch keine Untersuchung mit einem öffentlichen Bericht sein. Das steht meines Erachtens außer Frage. Wir 'können die Arbeitsmethoden des Geheimdienstes nicht öffentlich preisgeben, weder unsere eigenen Methoden noch die anderer Staaten. Wir können nicht riskieren, daß Geheimnisse der Spionage und der Spionageabwehr enthüllt werden. In diesem Fall sollte eine Untersuchung durch einen Richter oder einen Richter außer Dienst vorgenommen werden, und es sollte für den Ministerpräsidenten ein persönlicher Bericht erstellt wenden.Genau diesen Weg, meine Damen und Herren, bin auch ich gegangen, obwohl ich gar nicht zu denen gehöre, die sich über den Untersuchungsausschuß in der Form beklagen, wie Sie das hier vorgetragen haben. Ich werde noch auf die Rolle des Untersuchungsausschusses zu sprechen kommen, auf seine Funktion, auf das, was sich während der Arbeit dieses Ausschusses alles ereignet hat, und auf seine Ergebnisse. Ich bin der allerletzte, der in die Kontrollfunktion des Parlaments auch nur den geringsten Zweifel setzen wollte. Ich möchte nur folgendes sagen: wenn wir Untersuchungsausschüsse nicht immer in dieser etwas spektakulären Form einsetzen wollten, sondern vielleicht viel häufiger in Form von Hearings als Kontrollinstrument arbeiten lassen wollten, dann würde das nicht immer als Sanktion, als großes politisches Ereignis, als Straf-
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Bundesminister Höcherlgericht und weiß Gott was alles in der Öffentlichkeit erscheinen. Es kommt doch auf den öffentlichen Eindruck an, der mit dieser Art erweckt wird, und ein solcher Eindruck ist in diesem Fall zweifellos erweckt, wenn nicht beabsichtigt worden.Meine Damen und Herren, es kann keinen Zweifel darüber geben, daß Einrichtungen dieser Art aus dieser Polarität, aus dieser harten dialektischen Spannung zwischen Wirksamkeit auf der einen und Rechtmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit auf der anderen Seite entstanden sind, wobei wir überall — das darf ich mit ganz besonderem Nachdruck hier betonen — der Gesetzmäßigkeit, der Rechtmäßigkeit und der Verfassungsmäßigkeit den absoluten Vorrang einräumen. Daran darf es keinen Zweifel geben, auch wenn dies auf Kosten der Wirksamkeit geht. Das sind Dinge, die ich aus einem Vortrag zitieren könnte, den der derzeitige Präsident des Amtes im Jahre 1959 in Köln gehalten hat. Dann würden Sie die Denkweise des Präsidenten kennenlernen und die Art, wie er an seine nicht leichte Aufgabe herangegangen ist.Im Juli 1954 kam es hier im Hause zu der ersten großen Debatte über dieses Thema. Es war im Anschluß an die „Vulkan-Affäre", wie Sie wissen. In einer sehr tiefgründigen und weit ausholenden, rechtlich, sachlich und politisch unerhört fundierten Debatte wurden dazu von dem zur Zeit amtierenden Herrn Präsidenten von der Abgeordnetenbank aus wesentliche Beiträge geliefert, auch von Herrn Kiesinger, von Herrn von Merkatz und vielen an- deren wurden dazu bedeutsame Ausführungen gemacht.
— Ja; Reinhold Maier hat sich aber erst bei der zweiten Debatte im September geäußert.
— Ich habe es nachgelesen; ich habe die Debatte selbst erlebt, aber ich habe es noch einmal nachgelesen, und ich muß sagen: das, was damals gesagt worden ist, ist heute noch gültig, wird von mir anerkannt und von mir praktiziert, Herr Schoettle.Dann kam der Fall „John", und damit kam für das neue und junge Bundesamt für Verfassungsschutz eine ganz schwere Prüfung. Es ist interessant, meine Damen und Herren, wenn man heute nachliest, was damals über diese Dinge gesagt worden ist. Damals hat mein Herr Amtsvorgänger die These vertreten, es sei vielleicht doch nicht eine Flucht gewesen, vielleicht doch eine Entführung oder etwas Ähnliches. Wenn ich jetzt an die neueste Prozeßlage denke, dann weiß ich nicht, ob er so ganz unrecht gehabt hat; aber das werden die Gerichte zu klären haben. Wenn ich an die Leidenschaften denke, die damals hier in Szene gesetzt worden sind, dann, muß ich sagen, ist die heutige Aussprache in der rechtlichen und politischen Fundierung der damaligen nicht angemessen. Damals wurde sehr hart gesprochen. Aber ich glaube, daß damals in einigen Punkten etwas mehr Fairneß geübt wurde, als leider da oder dort gelegentlich, in einemZwischenruf vor allem und dann in einigen Ausführungen zum Ausdruck gekommen ist.
Nun war für das Bundesamt für Verfassungsschutz eine ganz neue Lage geschaffen. Es mußte vorübergehend eine stellvertretende Besetzung erfolgen, und es mußte ein neuer Mann gefunden werden. Das war eine Vertrauenskrise, die weit über den Bereich dieses Amtes hinausgegangen ist, eine Vertrauenskrise, die eine ganz andere Ursache hatte und die einen ganz anderen Auslösungspunkt hatte. Aber immerhin, es war doch außerordentlich schwierig und außerordentlich kompliziert, jemanden zu finden, der an die Spitze eines solchen Amtes treten wollte. Ich glaube, die Bundesregierung war gut beraten — und das Haus hat das ja auch bestätigt —, daß sich nach über einjähriger Suche ein Mann aus der Justiz, der hohe Positionen und einen hohen Rang in der Justiz als Generalstaatsanwalt und als Bundesanwalt eingenommen hat, bereit fand, an die Spitze dieses Amts zu treten und einen neuen Abschnitt in der Geschichte dieses Amts zu schreiben. Das war ein Einschnitt, den wir uns bei der Betrachtung auch heute immer wieder vor Augen halten sollten, um rückblickend aus der Geschichte in die Wahrheit der Zusammenhänge einzudringen.Meine Damen und Herren, Herr Präsident Schrubbers hat sich nur mit äußerster Zurückhaltung — er mußte von vielen Seiten bewogen werden — bereit erklärt, diese schwierige Aufgabe des moralisch und innerlich, kann man fast sagen, aufgelösten Amtes zu übernehmen und einen neuen Abschnitt zu schreiben.Dann, meine Damen und Herren, gab es einen Untersuchungsausschuß John, einen Untersuchungsausschuß, der zwei große Aufträge hatte. Der eine Auftrag war, zu prüfen, wie die Dienstaufsicht des Bundesinnenministeriums über das Verfassungsamt geführt wurde. Der zweite Auftrag war der, zu prüfen, ob, wenn ich es mit einem Wort bezeichnen darf, ein innenpolitischer Mißbrauch vorgekommen sei. Bei der damaligen Untersuchung über die Art und Weise und die Methode, eine solche Dienstaufsicht zu führen — man hatte sich an dem Beispiel des englischen Amtes orientiert, das, wie es überhaupt der englischen Verwaltungspraxis entspricht, eine sehr lockere und distanzierte und der besonderen Art und Arbeitsweise des Amtes angepaßte, zurückhaltende Aufsicht führt —, ist man einen neuen Weg gegangen. Der Untersuchungsausschuß, dem Herr Bucerius vorstand und der im Juli 1957 seinen Bericht ablieferte — Herr Bucerius ist im Rahmen der heutigen Ereignisse und mit seinen Verlagserzeugnissen genannt worden —, hat zu der Frage der Dienstaufsicht in einer Ziffer des Berichts folgende Erkenntnis niedergelegt:Das Bundesministerium des Innern hat über das Bundesamt eine sehr straffe Aufsicht ausgeübt, fast als ob es sich um eine Abteilung des Bundesinnenministeriums handeln würde. Im Ausschuß ist diskutiert worden, ob die Aufsichtsbehörde die eigene Aufgabe und die Aufgabe des Amtes hierbei richtig gesehen habe und ob
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6028 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Bundesminister Höcherlvielleicht die eingetretene Entwicklung vermieden worden wäre, wenn John ein größeres Maß an Selbständigkeit und damit das Bewußtsein besonderer eigener Verantwortung gehabt hätte. Der Ausschuß hat aber von einer abschließenden Meinungsbildung in dieser Frage Abstand genommen. Jedoch sollte für die Zukunft stets eine Persönlichkeit ausgewählt werden, der gegenüber nur eine Kontrolle, nicht eine leitende Aufsicht nötig ist.Meine Damen und Herren, das ist ein Absatz aus einer Drucksache des Bundestages, der ganz unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen war, mit denen der eine oder andere Punkt des Ausschußberichts angenommen wurde; aber in diesem Punkt war man offenbar ganz einer Meinung. Man wollte haben, daß die bisherige Art der Aufsicht geändert wurde. Ich könnte Ihnen hier aus den Akten jener Zeit Berichte von Herrn von Lex usw. vorlegen und Ihnen vortragen, wie sehr man darauf aus war, diesem jungen, neuen Gebilde, das seiner Natur nach immer einem demokratischen und parlamentarischen Soupçon ausgesetzt ist, eine adäquate, angemessene Kontrolle zuteil werden lassen könnte. Aber hier war der Beschluß, war die Willensbekundung des Parlaments im Jahre 1957, eine distanzierte Aufsicht zu führen, weil man die bisherige Art in einen Kausalzusammenhang mit den Ereignissen von 1954 brachte.Ich darf vielleicht noch eine Aussage des damals zuständigen Abteilungsleiters, des Ministerialdirektors Egidi, vortragen. Danach ist keine Bundesverwaltung so intensiv beaufsichtigt worden wie das Bundesamt für Verfassungsschutz, so intensiv, daß bisweilen dieses Verfahren von der anderen Seite als kleinlich und als reglementierend empfunden worden sei. Staatssekretär Ritter von Lex hat vor dem Ausschuß erklärt, das Bundesministerium des Innern habe das Bundesamt als ein junges Amt in einer ungemein schwierigen und neuralgischen Sphäre als dem Ministerium sehr attackiert betrachtet und eine strengere Aufsicht ausgeübt, als das sonst gegenüber einer oberen Bundesbehörde der Fall gewesen sei.Da war der frühere Abschnitt: 1957 die Willenskundgebung des Parlaments. Und, meine Damen und Herren, jetzt möchte ich denjenigen sehen, der angesichts einer solchen Entwicklung den ersten Stein werfen will, weil nun in Ausführung eines solchen Beschlusses die Aufsicht etwas distanzierter gehandhabt worden ist, weil zwischen das Amt und das Ministerium ein hoher Justizbeamter gesetzt wurde, bei dem jeder auf Grund der Persönlichkeit und früherer Amtsführung das Vertrauen haben konnte, daß er in einem besonderen Maße auf Gerechtigkeit und auf Gesetzmäßigkeit sehen würde.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sänger?
Bitte sehr.
Herr Minister, stimmen wir darin überein, daß distanzierte Aufsicht ein relativer Begriff ist und daß es die Aufgabe des zur politischen Verantwortung Berufenen ist, diese Distanz jeweils richtig auszuloten?
Ja, Herr Sänger, ich komme noch darauf. Ich möchte mich zwar Ihrer Relation nicht anpassen, aber ich bin der Meinung, daß es ein relativer Begriff ist.Ich möchte denjenigen sehen — ich darf es wiederholen —, der angesichts einer solchen Entwicklung für ein Amt mit dieser Vertrauenskrise bei all den Ereignissen mit Fug und Recht hier aufstehen und sagen kann: Es ist das eine oder das andere in der Organisation aus wesentlichen Schuldgründen versäumt worden.Wir sollten uns eigentlich dafür bedanken, daß schon 1954 bis 1957 die gründliche Untersuchung des Personals erfolgt ist, bei der auch ein Ausschuß aus vier Landesministern aller Couleurs tätig war. Das Personal ist ja heute noch da. Die ersten Veränderungen wurden überhaupt von mir vorgenommen. Da war Ihr Herr Ehlers, Bremen, dabei, Herr Wehner, er hat Gelegenheit gehabt, alles zu sehen, und hat 1954 und 1955 nichts beanstandet. Zehn Jahre später ist es auf einmal zu einem neuen „Verbrechen" des neuen Innenministers gemacht worden, der einige Monate im Amt war. Meine Damen und Herren, Sie müssen mich von der Ehrlichkeit eines solchen Vorwurfes immer noch überzeugen.Welches sind die klassischen Vorwürfe, die einem solchen Amte begegnen können? Der klassische Vorwurf betrifft den politischen Mißbrauch: Dossiers fallen ,an, die in innerpolitischen Auseinandersetzungen mißbraucht werden. Das war doch auch der innere Kern des Vorwurfs. Und es ist doch nicht das geringste vorgekommen oder auch nur der Schatten eines solchen Beweises gefunden worden. Das ist ein Ergebnis, das zumindest sehr beachtlich ist, und dankbar von uns zur Kenntnis genommen werden sollte.
Der zweite Vorwurf, mit dem sich sehr viele andere Länder auseinanderzusetzen haben, ist der, daß hier nicht ordentlich gearbeitet werde und daß nicht die nötige Effektivität gegeben sei. Auch in dieser Richtung hat es gegenüber diesem Amte bisher keinen Vorwurf gegeben. Ich meine, ein Land, das geradezu von solchen Gefahren subversiver Betätigung, der Spionage, der Sabotage umflutet ist, müßte außerordentlich dankbar sein, daß sich die klassischen Vorwürfe nicht bestätigt haben.
Nun ist ein neuer Vorwurf im Zusammenhang mit der deutsch-alliierten Zusammenarbeit erhoben worden. Ich habe Ihnen die Entstehungsgeschichte der deutsch-alliierten Zusammenarbeit mit wenigen Worten dargestellt. Die Verträge sind zitiert, sind schon wiederholt angesprochen worden. Sie sind — die letzte Fassung ist vom Bundestag einstimmig genehmigt worden — innerdeutsches Recht. Angesichts der Ratifikation hat niemand das Recht, so zu reden, wie es geschehen ist. Die erste Ratifikation war etwas anderes. Die zweite Fassung war aber
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Bundesminister Höcherldann doch so, daß Sie sich etwas anderes hätten überlegen müssen, wenn Sie einen solchen Vorwurf erheben. Jetzt komme ich auf einen ganz entscheidenden Punkt: Wer hier behauptet, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz durch ganz gleich welche Organe über die Alliierten den Art. 10 verletzt hat, der behauptet in Wirklichkeit, daß sich die Alliierten bewußt durch deutsche Stellen hätten mißbrauchen lassen, deutsche Verfassungsbestimmungen zu brechen. Einen solchen Vorwurf weise ich in aller Form, mit allem Nachdruck energisch zurück.
Hier wird in einer sehr merkwürdigen Weise verfahren. Das impliziert doch diesen Vorwurf. Der erste Zeitungsartikel — Sie sagen, das sei vielleicht eine Konstruktion —, der die Dinge hochgebracht hat, lautete, daß untergeordnete Funktionäre des Amtes auf Grund des engen Einvernehmens mit den Alliierten mit Augenzwinkern eine Telefon- und eine Postzensur in Gang setzten. So ist es behauptet worden, auch wenn es nicht wörtlich war, bis vor wenigen Tagen die Haltlosigkeit für alle greifbar und sichtbar geworden ist. So hat man die Propaganda, die Demagogie, die Hetze und die Kampagne betrieben; das wird doch niemand von Ihnen bestreiten wollen.Hier ist über die alliierten Vorbehaltsrechte in einer sehr lockeren Form gesprochen worden. Abgesehen von der Rechtslage finde ich es merkwürdig — das muß ich schon sagen —, daß man in einem Land, das in seiner Sicherheit in Berlin und in der Bundesrepublik davon abhängt, daß die Alliierten körperlich und physisch anwesend sind,
diesen unseren heutigen Verbündeten das Recht bestreiten will, die Sicherungsmaßnahmen zu treffen, die sie für notwendig halten. Darauf geht doch alles hinaus.Herr Dorn, was Sie mit der Konsultation als einem Lieblingskind von Ihnen immer ansprechen, geht weit in den außenpolitischen Bereich hinein.
— Herr Dorn, Ihnen muß ich es auch sagen, auch dem Herrn Schäfer muß ich es sagen. Herr Schäfer hat nämlich große Ausführungen darüber gemacht: Warum haben keine Konsultationen stattgefunden? Wie war die Rechtslage? Das war nicht eine juristisch zu lösende Frage, meine Damen und Herren, das war eine politische Frage allerersten Ranges. Wenn wir auf Grund irgendwelcher Ereignisse und Bündnisverpflichtungen verpflichtet wären, z. B. deutsche Truppen in irgendein Land zu geben, dann würde ich dringend daran interessiert sein, daß das Höchstmaß an Sicherungsmöglichkeiten für unsere Truppen ausgenützt wird. Genauso ist das hier.
Das heißt keineswegs, meine Damen und Herren, daß man sich nicht um die vorgesehene Ablösungder alliierten Vorbehaltsrechte bemühen sollte. Aber man sollte sich mit politischem Takt und zur richtigen Zeit darum bemühen, und man sollte nicht bei untergeordneten, sondern bei ganz großen Dingen anfangen. Und bei ganz großen Dingen habe ich mit der Notstandsverfassung angefangen, die ich Ihnen vorgelegt habe, weil hiermit der unerhörte Bereich des alliierten Vorbehalts, der über das ganze Grundgesetz weit hinausreicht, angesprochen wird. Seit eineinhalb Jahren, meine Damen und Herren, haben Sie Gelegenheit, 'diesen Ablösungsprozeß in Form einer deutschen Gesetzgebung zu vollziehen und damit den größten Teil des Vorbehalts wegzubringen.
Die Mitwirkung und die rasche Verabschiedung eines solchen Komplexes ist der richtige Maßstab dafür, auch hier hineinzuleuchten. Dies ist zweifellos auch eine wichtige Angelegenheit, aber im Vergleich zu dem anderen Komplex doch nur von relativer Bedeutung.Nun steht in dem Bericht die Bemerkung, daß von 1955 bis 1958 Konsultationen stattgefunden haben — das ist richtig — und daß sie 1958 nicht mehr stattgefunden haben. Es steht mir mit Rücksicht auf die alliierte und die deutsche Geheimhaltung nicht zu, alle Einzelheiten in diesem Zusammenhang hier auszubreiten. Aber die Tatsache einer solchen Konsultation ist in dem Bericht mit Recht erwähnt. Warum, glauben Sie, haben im Jahre 1958 auf einmal die Konsultationen aufgehört? Ist Ihnen das Jahr 1958 mit der Drohung Chruschtschows und all diesen Dingen nicht mehr in Erinnerung? Glauben Sie, daß es passend gewesen wäre, 1958 bei besonderer Beanspruchung zu sagen: All diese Sicherungen und all diese Vorbehaltsrechte müssen vom Tisch, aber ihr müßt eure Truppen verstärken und ihr müßt euch noch mehr engagieren? Meine Damen und Herren, so sind doch die Dinge. Es ist ein hochpolitischer Bereich, dem man mit solchen Betrachtungen, wie Sie sie angestellt haben, Herr Dorn, gar nicht gerecht wird,
obwohl ich Ihnen gar nicht absprechen möchte — und das ist ein gemeinsames Bemühen —, daß wir einen politisch günstigen Zeitpunkt erspähen müssen, damit wir die volle Souveränität auch in diesem Bereich bekommen, weil wir das, was wir rechtlich zurückbekommen, durch Bündnistreue ausgleichen und damit den Zustand faktisch herstellen können, der vorher durch eine rechtliche Bindung begründet war.Diese Vorwürfe, die ich bereits dargestellt habe, die hier wiederholt formuliert worden sind, wurden in der Öffentlichkeit erhoben und aufgenommen. Jetzt 'will ich Ihnen einmal sagen, wie — Herr Kollege Wagner hat es schon vorgetragen — in einem anderen Parlament, im kanadischen Parlament, das uns doch recht vorbildlich erscheint, der kanadische Innenminister, ein Liberaler, und wie sein Vorgänger, ein Konservativer, auf eine solche, im selben zeitlichen Zusammenhang gestellte Anfrage geantwortet hat. Die Anfrage im kanadischen Parlament lautete:
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6030 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Bundesminister HöcherlHat irgendeine Behörde der Regierung Einrichtungen, die zum Abhören von Telefonleitungen benutzt werden, und wenn ja, welche Behörde, für welchen Zweck und auf welcher Rechtsgrundlage?Die Antwort des liberalen Ministers lautete:Es war die Politik dieser Regierung und der früheren Regierungen, die Beantwortung von Fragen dieser Art abzulehnen, da sie dem öffentlichen Interesse entgegenstehen. Es besteht nicht die Absicht, diese Politik zu ändern.Auf eine ähnliche Anfrage des Abgeordneten Howard im ,Jahre 1962 gab der konservative Minister Brown wörtlich die gleiche Erklärung. In Holland hat sich vor wenigen Monaten dasselbe vollzogen.Meine Damen und Herren, ich möchte nicht wissen, was geschehen wäre, wenn ich es gewagt hätte, hier eine solche Antwort zu geben. Ich glaube, das ganze Haus von links his rechts wäre explodiert.
— Meine Herren, Sie sind doch schon explodiert, obwohl ich alles auf den Tisch gelegt habe, und Sie versuchen jetzt noch, eine Explosion zu spielen, obwohl der ganze Sprengstoff längst beseitigt ist.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen ins Gedächtnis zurückrufen, was ichgemacht habe. Ich habe von diesen Dingen gerade so wie Sie in der Presse gelesen. Ich habe darauf unverzüglich, schon am nächsten Tag, mit dem Staatssekretär, dem Präsidenten des Amtes und dem Sachbearbeiter unserer Abteilung eine Untersuchung begonnen. Das war der erste Schritt. Dann habe ich Idas getan, was in allen heiklen, hochpolitischen Fragen in diesem Hause üblich ist: ich habe den Fraktionsvorsitzenden angeboten, in einer Dreier-Kommission alle diese Dinge auf den Tisch zu legen. Wenige Tage darauf ist diese Dreier-Kommission — leider nicht in der prominenten Besetzung, wie ich es mir gewünscht hätte — zusammengetreten. Dort sind —das kann niemand bestreiten — Dinge auf den Tisch gelegt worden, wie sie in der ganzen westlichen Welt in einem ähnlichen Fall nicht auf den Tisch gelegt werden. Das war der „Vertuschungsversuch" des Innenministers, von dem hier in dieser leichtfertigen Weise gesprochen wird.
Meine Damen und Herren, es ist ein Volkssport geworden, daß man sagt: Parlamentarismus besteht vielleicht darin, daß man recht großzügig und recht ungeprüft, vor allem wenn es sich um einen Ressortchef handelt, Behauptungen, zum Teil mit ehrenrührigem Charakter, in die Welt setzt. Ich habe eine andere Meinung. Ich bin der Meinung, unser Grundgesetz hat einen ganz entscheidenden Artikel, das ist der Artikel 1 über die Menschenwürde, und dieser Artikel muß hier auch in der Praxis gehandhabt werden.
Wenn man allein die Höflichkeit, die man im Straßenbahnwagen zeigt, hier anwenden würde, hätten wir für unsere gemeinsame politische Arbeit schon viel gewonnen. Aber das bringt man nicht fertig, sondern es werden Behauptungen aufgestellt, die einfach objektiv unrichtig sind, und zum Teil in einer Form aufgestellt, daß man vermuten muß, daß subjektiv eine unlautere Absicht dahintersteckt — um mich ganz vorsichtig und zurückhaltend auszudrücken.Dieses Dreier-Gremium wurde dann durch den Innenausschuß verstärkt; ich habe dann den Innenausschuß ebenfalls mit allem bedient, was ich überhaupt zur Verfügung hatte. Ich darf hier vielleicht noch etwas erwähnen. Ich war erst wenige Monate im Amt, als ich am 16. März 1962 eine sehr scharfe Dienstanweisung herausgegeben und die Berichtspflicht außerordentlich verschärft habe. Das darf ich vielleicht in diesem Zeitpunkt mitteilen, damit Sie nicht meinen, es wäre mir vollkommen gleichgültig gewesen. Die Dinge interessieren mich von der Vertrauensbasis her, die für eine solche Einrichtung unerläßlich ist. Wir können unsere ganze politische Arbeit ohne laufende Abstimmung und Einpendelung mit den Grundzügen, den ethischen Grundzügen der öffentlichen Meinung nicht vollziehen, und ein solches Amt kann nicht existieren, wenn es nicht von dem Vertrauen aller getragen ist.
Darum habe ich ja doch, Herr Schäfer, vom ersten Augenblick an alles an Untersuchungen aufgeboten, was mir überhaupt zur Verfügung stand, habe dann Herrn Dr. Silberstein gewonnen. Ich stehe nicht an, meine Damen und Herren, hier zu sagen, obwohl Freunde sich anders ausgedrückt und erklärt haben: „Ja, der Untersuchungsausschuß war dann überflüssig!" : Für mich ist überhaupt nichts überflüssig, was dazu beitragen kann, hier zu besseren Verhältnissen zu führen. Das ist und bleibt meine Einstellung.Aber ich lasse den Vorwurf nicht auf mir sitzen, ich hätte bewußt falsche Aussagen und falsche Angaben gemacht. Ich gebe zu, meine Damen und Herren, daß ich jeweils von Stadium zu Stadium Angaben gemacht habe. Dieser ganze Vorgang hat sich in einer hektischen, von vielen angeheizten, von vielen merkwürdigen Elementen angeheizten Atmosphäre vollzogen. Man war von Stunde zu Stunde zu Äußerungen gezwungen, wenn man sich nicht dem Verdacht aussetzen wollte, daß das Schweigen ein Eingeständnis der Schuld sei. So waren doch diese Dinge. Was konnte ich mitteilen? Ich konnte das mitteilen, was mir im Rahmen der Untersuchung an Erkenntnissen zugewachsen ist, und ich habe. jeweils den Stand — immer mit der Einschränkung: ,,,soweit ich das weiß" — bekanntgegeben.Jetzt werden Sie sagen: „Na ja, da sind Sie falsch informiert worden." Ich .will Ihnen einmal etwas sagen, meine Damen und Herren, wie der Herr Präsident Schrubbers, dessen Amtsübernahme, dessen Aufbauleistung, dessen Herkunft und dessen Einstellung zu Recht und Gesetz ich Ihnen schon darstellen konnte, seine Aufgabe angesehen hat. Es
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Bundesminister Höcherlhat einige Zeit gedauert, bis ein Mann aus der Justiz, der eine ganz andere Arbeitsweise gewöhnt ist und in ein solches Amt an die Spitze gesetzt wird, Boden unter den Füßen gewonnen und neue Formen gefunden hat, Formen, die ihm auch vorgeschrieben waren durch den Ausschuß im Rahmen der John-Untersuchung. Es war Schrubbers, der keine Gelegenheit vorübergehen ließ, im Amt und außerhalb des Amtes die Rechtsstaatlichkeit bis hinunter zur Beschaffung klarzulegen. Ich könnte hier zitieren — auch im Ausschuß ist die Aussage gemacht worden, die Beteiligten wissen das genau —, daß er peinlich darauf gesehen hat, daß den Alliierten gegenüber nicht unmittelbare Aufträge für namentlich genannte Personen erteilt wurden. Und er hat bewußt formaljuristisch formuliert und definiert. Das lag ihm, und das lag auch im Bereich und im Rahmen seiner Aufgabe, und deswegen hat er das vielleicht überspitzt gemacht, und ich habe es überspitzt übernommen. Aber ich stelle -mich vor diesen Mann! Ich kenne seine Rechtlichkeit und sein sauberes Eintreten, seine Aufbauarbeit, und ich weiß, daß er mich nicht hereinlegen wollte. Wir haben vielleicht, in dem Bemühen, jedes Wort ganz genau zu ziselieren, einen Sinn hineingebracht, den ich heute nicht mehr schreiben würde. Das ist zuzugeben. Das sind Dinge, die aus der Entwicklung verständlich sind. Aber ich nehme die Ehre für mich in Anspruch und lasse sie mir auch durch so oberflächliche Verdächtigungen nicht nehmen, dadurch, daß sich jemand hinstellt und sagt, das sei vielleicht ein Vertuschungsversuch. Wer solche Untersuchungsinstanzen und Instrumente einschaltet, meine Damen und Herren, und unverzüglich, sofort, noch bevor weitere Klärungen in Betracht kommen, eine ganze Reihe von entscheidenden Organisationsverbesserungen trifft, dem dürfen und können Sie — das liegt nicht im Interesse der Sache und der Zusammenarbeit — nicht vorwerfen, daß etwas habe vertuscht werden sollen.
Daß da oder dort, meine Damen und Herren, etwas geändert werden muß, bestreite auch ich nicht; das ist bereits geschehen und wird noch mehr geschehen. Ich bin gerade dabei, eine einheitliche Dienstanweisung zu erlassen. Diese Dinge haben allerdings zwei Seiten. Je mehr Sie die Dinge verbürokratisieren, um so mehr gefährden Sie die Wirksamkeit. Aber ich gebe dieser Formalisierung den Vorzug, weil sie ein weiteres rechtsstaatliches und gesetzmäßiges Element für die Praxis ist; und das ist für das Vertrauensverhältnis im Rahmen einer allergischen und jungen Demokratie notwendig. Vielleicht kommen wir noch in eine Gewöhnung und in eine Art der Betrachtung hinein, wie sie glücklichere Völker in England und in Amerika seit eh und je in diesem Bereich haben. Aber das dauert auch seine Zeit, und diesen „pädagogischen" Teil müssen wir einfach, wenn auch auf Kosten der Effektivität, durchstehen; das ist gar nicht anders zu denken.Herr Dorn hat bei den vielen Punkten, in denen ich objektiv nicht die Wahrheit gesagt haben soll, auch vorgetragen, ich hätte einmal erklärt, es gebeein Dokument dafür, daß es bei diesen Anregungsfällen immer um alliierte oder gemeinsame Sicherheitsinteressen gegangen wäre. Ich kann keine Einzeldokumente vorlegen. Aber ich kann ein anderes Dokument vorlegen, das bereits einmal verlesen worden ist. Wir haben mit den Alliierten ein Protokoll aufgesetzt. Dieses Protokoll handelt von der Arbeitsweise. Es ist der Öffentlichkeit durch eine Pressemitteilung bekanntgeworden. Deswegen darf ich es hier in dem entscheidenden Teil wiederholen. Es lautet:Im Gefolge von Informationen, die von deutschen Behörden stammen oder von ihnen eingeholt werden, ergeben sich Fälle, bei denen aus gemeinsamem Sicherheitsbedürfnis Verbindungslinien von den Alliierten in Übereinstimmung mit ihren Rechten überwacht werden. Jede derartige Überwachung, die von den Alliierten vorgenommen wird, geschieht auf ihre eigene Initiative und in Übereinstimmung mit den Erfordernissen des Schutzes ihrer Streitkräfte.Das ist das entscheidende Dokument derjenigen Kräfte — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?
Herr Minister, würden Sie uns bitte Überschrift, Datum und Unterschrift, von wem diese Erklärung ist, hier mitteilen.
Ja, wir haben schon im Innenausschuß darüber gesprochen. Ich werde Ihnen das persönlich mitteilen.
Jetzt hier, wenn Sie zitieren, Herr Minister! Von wem stammt es, wer hat es unterschrieben, welcher Kopf ist oben?
Herr Schäfer, ich sage Ihnen jetzt: das ist eine Erklärung, die mit den Alliierten im September 1963 formuliert worden ist.
— Herr Schäfer, das gebe ich Ihnen zu.
Ich habe aber erklärt, daß es vorher in der Presse stand und daß ich es deswegen bekanntgebe. Sie sollten sich an- dem sachlichen Sinn orientieren und nicht an Formalitäten; wir wollen gemeinsam die Dinge bewältigen.
Ein weiterer Vorwurf: daß jeder untergeordnete Funktionär und Referent usw. eine solche Anregung hätte auslösen können. Sie haben zwei klassische Zeugen, auf die Sie nicht stolz sein können; aber das weiß man nie bei Zeugen. Was Pätsch und Bethke ausgesagt haben, war interessant. Die beiden, die den Beweis bringen sollten, daß die Dinge
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6032 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Bundesminister Höcherlnicht rechtlich und gesetzlich vollzogen werden, haben gesagt: Ich nicht und der andere auch nicht; ich weiß keinen Fall, ich hätte es physich gekonnt. — Ich kann mich auch auf den Marktplatz hinstellen und physisch etwas vorlesen, was nicht verlesen werden darf. So waren die Dinge. — Bitte, Herr Wehner.
Herr Minister, würden Sie nicht annehmen, daß der Begriff Zeuge hier für die Öffentlichkeit eigentlich etwas irreführend ist? Ist es nicht so, daß es die Aufgabe des Parlaments ist, im Falle so gravierender und in einer Weise, wie das jeder miterlebt hat, vorgetragener Vorwürfe, Behauptungen und Feststellungen, den Dingen auf den Grund zu gehen? Verwischen Sie damit, daß Sie von Zeugen sprechen — für die man nicht immer könne —, nicht die eigentliche Funktion des Parlaments und seines Untersuchungsausschusses?
Herr Kollege Wehner, ich habe in meinen Ausführungen erklärt, daß ich mich nicht gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses und nicht gegen das Ergebnis wende, sondern daß ich die Kontrollaufgabe des Parlaments bejahe, daß ich mir aber einige Formen, die ich selbstverständlich bejahe, anders vorstellen könnte und daß jeder Anschein vermieden werden muß, daß hier Sanktionen stattfinden und daß — darauf kommt es an — die äußerste Zurückhaltung bewiesen werden muß.
— Ja, ja! Aber wenn Sie so weitermachen wie in Baden-Württemberg, müssen Sie sich mit einem aus unseren Reihen noch lange zufriedengeben.
Herr Wehner, ich darf Ihre Frage beantworten. Ich bin Ihrer Meinung, daß Zeugen gehört werden müssen. Andere Auskunftsmittel gibt es nicht. Ich darf hier auf folgendes hinweisen — und das war das, was ich zum Ausdruck bringen wollte —: der Herr Bethke war in einer gehobenen Position, in der er viel mehr Möglichkeiten physischer Art hatte als andere, die unmittelbar in den Rahmen des Amtes eingebaut waren. Selbst er hat zugegeben und mußte zugeben, daß er nichts gegen die vom Präsidenten verfügte Ordnung in diesem Bereich gemacht hat. Das ist eine wertvolle Feststellung.Nun ist vorhin etwas über die Zahl der Fälle gesagt worden. Meine Damen und Herren, dazu darf ich Ihnen jetzt einmal in aller Offenheit folgendes sagen. Was sagen Sie denn zu der Tatsache, daß z. B. in der Abteilung IV, in der Spionage- und Sabotagefälle zu behandeln sind, im Jahr Tausende von Fällen über den Tisch gehen, daß aber selbst in dem peinlich genauen Bericht des Herrn Silberstein, der Unterlagen der Alliierten für seine Feststellungen hatte, im Jahr nur 15 bis 20 Fälle festgestellt worden sind? Ich kann dazu leider keine weiteren Einzelheiten vortragen. Aber für jeden,der hören kann, für jeden, der über ein inneres Verständnis für solche Zusammenhänge verfügt, bedeutet dieses Zahlenverhältnis eine größere Entlastung als alles andere, was hier vorgelegt worden ist.
Daraus ergibt sich, daß hier nicht der blinde Eifer am Werke war, die Verfassung zu brechen, sie zu umgehen und mit Hilfe der Alliierten, denen hier Mißbrauch oder Beihilfe und Begünstigung vorgeworfen wird, etwas Rechtswidriges zu unternehmen, sondern daß man äußerst zurückhaltend war, schon deswegen, weil die Dienste ja nun auch einen gewissen eigenen Ehrgeiz entwickeln und weil hier viele andere Dinge mitspielen, die nur in vertrautestem Kreise besprochen werden können.Meine Damen und Herren, so. ist die Lage. Wir müssen heute, wenn wir uns ein Urteil zu bilden haben, die Beschuldigungen und das Untersuchungsergebnis einander gegenüberstellen. Wenn es heißt: Es ist kein Mißbrauch festgestellt worden, dann heißt das, kein rechtlicher und kein tatsächlicher Mißbrauch. So war es gemeint, und eine bessere Lösung im Interesse des Amtes ist gar nicht denkbar. Da geht es gar nicht um die Person. Ich könnte mich leicht herausreden und könnte vielleicht sagen: Der oder jener meiner Vorgänger ... Das tue ich nicht, meine Damen und Herren. Hier wirkt eine Kontinuität, eine gemeinsame politische Verantwortung, die Sie im übrigen angesichts Ihres Kontrollrechtes und Ihrer Kontrollpflicht genauso treffen würde wie mich — damit wir die Dinge völlig klarstellen. Nein, nicht Schuldfragen stehen hier zur Debatte, sondern das Ergebnis, und eine befriedigendere Feststellung als die, daß weder rechtlich noch tatsächlich Schuld in der schwersten Form der Verletzung des Art. 10 des Grundgesetzes vorliegt, kann ich mir nicht vorstellen. Das ist ein befriedigendes Ergebnis. Ebenso befriedigend war es, daß in den 14 Jahren ein Mißbrauch politischer Art mit Dossiers nicht nachgewiesen werden konnte.
Das sind Dinge, meine Damen und Herren, die diesem Amt alle Ehre machen, die diesem Amt ein Ansehen verleihen und die von uns allen — wir haben es ja zu tragen — Respekt gegenüber diesem Amt verlangen.Heute sind einige sehr anerkennende Worte für dieses Amt gefunden worden. Es wäre recht gut gewesen, wenn solche Äußerungen gleich im September und Oktober zu hören gewesen wären.
Dann hätten wir uns alle viel leichter getan. Es gibt Leute — ich meine sicher nicht Sie, Herr Güde; es gibt andere —, die betrachten, soweit sie früher Staatsanwalt waren, ihre politische Tätigkeit als Fortsetzung der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit mit anderen, mit politischen Mitteln.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 6033
Bundesminister Höcherl — Wer? Na ja, es muß ja nicht immer alles so genau ausgesprochen werden. Die Andeutung ist ja viel interssanter als das Unmittelbare.
— Nein, Herr Schoettle, Sie werden mir nicht vorwerfen können, daß in einem einzigen Satz dessen, was ich jetzt gesagt habe, etwas enthalten war, was Sie mehr belastet, als Sie selbst verschuldet haben.
Es genügt nicht, angesichts einer solchen Debatte und angesichts einer solchen Entscheidung wie der, die wir zu fällen haben, einfach zu sagen: Jawohl, wir erkennen das Amt an und die Pflichttreue usw. Wir müssen auch noch sehen, welche Aufgaben bewältigt worden sind. Im militärischen Bereich, im Bereich der zivilen Verteidigung, im Bereich der Wirtschaft, meine Damen und Herren, könnte 'ich Ihnen Namen über Namen von Personen nennen, die von diesen Männern in unerhörter Pflichterfüllung zur Strecke gebracht worden sind. Unsere Sicherheit ist vermehrt worden. Bis hinnein in den Bundestag reichen diese Dinge. Keine einzige Partei ist von Unterwanderung verschont geblieben. Und in welcher taktvollen, diskreten, vornehmen und staatspolitischen Form hat das Bundesamt die Mitteilung an die Parteien vollzogen! Das muß jeder, der von diesen Dingen etwas weiß — und es sitzen einige hier im Saal —, bestätigen. Das ist ohne Dienstvorschriften in einer vorzüglichen Weise gemacht worden, vielleicht besser, als wenn auch noch für diesen Fall für Schriftgelehrte eine Dienstvorschrift ausgearbeitet worden wäre. Es gibt so viel individuellen Fälle, die sich oft gar nicht in eine Dienstvorschrift fassen lassen. Im übrigen gab es auch ein Gesetz. Die Verwaltung ist gesetzmäßig zu führen. Das scheint mir im wesentlichen doch der Fall gewesen zu sein.Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, wie der Rechtsradikalismus in Schach gehalten worden ist und wie sehr wir der Beobachtung der internationalen Öffentlichkeit gerade in diesem Bereich ausgesetzt sind. Immer wieder kommen internationale Verbände in meine Diensträume und erkundigen sich, wie die Dinge gerade in diesem Bereich sind. Im ganzen kommunistischen Bereich gibt es heute viel, viel mehr davon. Ich bin sehr erstaunt, Herr Kollege Schäfer, daß Sie wiederum Ihre alte These vertreten, daß die Abwehr der kommunistischen Subversion nicht eine gemeinsame deutsch-alliierte Sache sei. Das gehört mehr als alles andere in diesen Bereich.
— Ich habe das sehr wohl begriffen; Sie haben das schon zwei- oder dreimal gesagt.
— Herr Schmitt, das ist nicht die Art, wie wir diskutieren sollten. Das ist die Art, wie man sich aufder Straße etwas zuruft, aber nicht die Art, wie wiruns hier in diesem verantwortlichen Gremium auseinanderzusetzen haben.
Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, mit welchem materiellen Einsatz die andere Seite arbeitet, von der Methode und vom personellen Einsatz gar nicht zu reden. Es sind Beispiele zitiert worden, die das Maß der Aufgabe und das Maß der Schwierigkeiten besser umschreiben als alles andere, was dazu gesagt worden ist.Ich darf noch einmal betonen, was ich eingangs gesagt habe. Das Entscheidende, zu dem sich die Bundesregierung und alle Parteien — daran besteht gar kein Zweifel — bekennen, ist folgendes. In der Spannung zwischen dieser unerhörten Aufgabe und der Rechtssicherheit der Gesetzmäßigkeit hat die Gesetzmäßigkeit den Vorrang, auch wenn sie Nachteile für unsere Sicherheit bringt. Das Ganze ist ja in erster Linie ein Sicherheitsproblem. Aber weil wir gemeinsam die Verantwortung für die Rechtssicherheit genauso wie für das andere tragen, müssen Sie, wenn Sie dieser Verantwortung gerecht werden wollen, den Sicherheitsbereich genauso abstützen und genauso unterstützen. Dann wird es eine Ausgewogenheit geben und ein Einpendeln in der öffentlichen Meinung. Das muß in einem ständigen Prozeß errungen werden, und das wird vielleicht noch vielen Prüfungen ausgesetzt sein.Ich würde es für richtig halten, wenn wir unter diese ganzen Vorgänge, die sehr viel Unangenehmes und sehr Peinliches und Ehrenrühriges und alles mögliche enthalten, einen Strich ziehen könnten, damit wir uns in dieser bedeutsamen Frage der nationalen Sicherheit in Zukunft auf einer gemeinsamen Front bewegen können.Meine Damen und Herren, ich darf schließen mit einem Wort von Kennedy, der sich auch zu diesem Bereich geäußert hat: Die Erfolge dieser Männer, vor die ich mich stelle und deren Pflichterfüllung unsere gemeinsame Anerkennung verdient, bleiben unbesungen. Ihre Fehlschläge werden ausposaunt. Ich bin davon überzeugt, daß Sie wissen, wie wichtig und wie wesentlich für das Ganze ihre Arbeit ist. In diesem Geiste und in diesem Sinne sollten wir auf dem Weg nach vorn gemeinsam den Streit begraben und die Einrichtung in ihrer Sicherheitsbedeutung für das Volk beachten und stützen. Auch diejenigen, die keine Gelegenheit versäumen, uns anzugreifen, leben von dieser Sicherheit.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat jetzt eine Stunde gebraucht, um an dem eigentlichen Kern der Probleme vorbeizureden.
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6034 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Schmitt-VockenhausenEr hat nämlich die ganze Stunde dazu gebraucht, um hier, wenn auch nur bruchstückweise, sich endlich zu den Behauptungen zu stellen, die objektiv unrichtig waren und die der Herr Berichterstatter noch einmal, nach dem ich heute mittag schon darauf zurückgekommen war, vorgetragen hat; der Minister hat bekannt, daß seine damaligen Äußerungen falsch waren. Er hat es begründet. Gut, wir werden in seinem Bericht sicher Näheres hören, wie es dazu kam, daß er die Öffentlichkeit damals falsch unterrichtet hat. Meine Damen und Herren, die Frage bleibt weiter gestellt, und ich bin dankbar, wenn in dem Bericht der Bundesregierung dann im einzelnen dazu Stellung genommen wird, warum damals die deutsche Öffentlichkeit in einer Reihe von Punkten falsch unterrichtet worden ist.Ich will nun nicht — das würde in der vorhandenen Zeit gar nicht mehr möglich sein — auf all das eingehen, was Sie, Herr Minister, gesagt haben. Lassen Sie mich eines erklären. Sie haben gesagt: Den Kampf müssen wir gemeinsam mit den Verbündeten führen. Natürlich führen wir ihn gemeinsam. Helfen Sie auch dabei beispielsweise Ihrem Außenminister, statt mit dem Dolch im Gewande in der Gegend herumzuschleichen, wie das gerade in den Kreisen der CSU geschieht.
Noch einige kleine Bemerkungen zu der person-nellen Frage. Herr Minister, Sie wissen genau, um was es damals gegangen ist. Nachdem Herr Globke in der Sache Felfe eine unglückliche 1-%-Rechnung aufgemacht hatte, hatte Ihr Haus eine 2-%-Rechnung aufgemacht, ohne sich dabei klarzusein, welches Sicherheitsrisiko in einer solchen Situation steckt. Und darum ging es damals. Und sagen Sie doch nicht, die Viererkommission habe die Personalien dieser Leute geprüft. Sie wissen doch, Herr Minister, daß die Leute, um die es hier geht, zu diesem Zeitpunkt nicht eingestellt waren, sondern sehr viel später eingestellt worden sind. Das haben wir doch alles schon im kleineren Kreise besprochen. Warum müssen wir uns über diese Dinge nun wieder auseinandersetzen?Lassen Sie mich noch folgendes sagen, Herr Minister. Wenn die Öffentlichkeit das Gefühl hatte, hier sei eine Clique, — war das falsch? Soll ich mich auf einen prominenten Untersuchungsführer als Zeugen berufen, der sich in Ihrem Amt umgesehen hat? Ist es denn nicht so, daß man dort selbst das Gefühl hatte, daß ein bißchen viel der Leute auf einem Fleck waren?
Und sagen Sie doch nicht, Herr Minister, die Opposition hätte das gebilligt! Sie wissen ganz genau, daß die Einstellung einzelner Leute der Opposition niemals in diesem Sinne vorgetragen worden ist. Das alles geht doch an den Tatsachen vorbei.Erstatten Sie zum 1. 10. den fälligen Bericht! Die deutsche Öffentlichkeit wartet gespannt, wie Sie im einzelnen zu den Fragen Stellung nehmen, wie es kam, daß wir von Ihnen falsch unterrichtet wurden.Ich bitte nochmals um Annahme unseres Antrages.
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade zu diesem Antrag, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, wollte ich noch ein paar Worte sagen. Aber zunächst bin ich der Auffassung — und mit mir meine Freunde —, daß Herr Kollege Dorn keine leichtfertigen Behauptungen aufgestellt hat. Ich glaube vielmehr, daß die beiderseitigen Temperamente meines Kollegen und des Herrn Ministers sie nicht immer so zusammenkommen ließen, wie das wünschenswert gewesen wäre.
Der Herr Innenminister hat sich, so glaube ich das jedenfalls betrachten zu können, von Anfang dieser Ereignisse an vor die Beamten und Angestellten des Verfassungsschutzes und seines Hauses gestellt. Daraus sind manche Äußerungen zu erklären, die der Herr Minister getan hat und die meiner bescheidenen Meinung nach besser unterblieben wären. Ob alle, vor die er sich gestellt hat; ihm das gelohnt haben, wage ich auch zu bezweifeln. Ich meine nämlich, daß der Minister falsch informiert worden ist und sich daher zwangsläufig im Untersuchungsausschuß korrigieren lassen mußte. Herr Kollege Dorn mußte aber auf Grund der Debatte, die hier geführt worden ist, an zitierten Beispielen dartun, daß eben der Untersuchungsausschuß doch notwendig gewesen war. Wäre in der vorangegangenen Debatte diese Notwendigkeit nicht in dieser Form bestritten worden, dann, glaube, ich, hätten wir uns die Auseinandersetzungen sparen können und die Debatte wesentlich verkürzt. Wir von der Freien Demokratischen Partei haben aber keine Veranlassung, einem Antrag der SPD zuzustimmen,
der, meine sehr verehrten Kollegen, wenn überhaupt, dann im Ausschuß hätte gestellt werden müssen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache; wir kommen zur Abstimmung.Ich schlage Ihnen vor, daß wir den einfachsten Weg nehmen: Abstimmung zuerst über die Ziffern 1 bis 3, die den Antrag des Ausschusses enthalten, dann über die Ziffern 4 und 5, die den Änderungsoder Ergänzungsantrag der SPD darstellen. Sind Sie mit dieser Methode einverstanden? — Das ist der Fall.Ich lasse also abstimmen über den Antrag des Ausschusses, Ziffern 1, 2 und 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen.
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Vizepräsident Dr. JaegerEnthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.Dann lasse ich abstimmen über den Antrag der SPD Umdruck 453, dem Antrag des Ausschusses noch die Ziffern 4 und 5 anzufügen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt und damit die Beratung zu diesem Punkt der Tagesordnung abgeschlossen.Gemäß der interfraktionellen Vereinbarung rufe ich nun auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften . Zweiter Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen IV/2195 und zu IV/2195),b) Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 556 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/2201) .Berichterstatter ist für beide Entwürfe der Abgeordnete Dr. Hauser, der jeweils einen Schriftlichen Bericht erstattet hat. Ich danke ihm dafür.In der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs unter a) rufe ich auf Art. I Nr. 1. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.Ich rufe auf Nr. 2 und dazu den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 445, Buchstabe a.Das Wort hat der Herr Abgeordneter Jacobi.
— Ich bitte um Ruhe, damit wir die Verhandlungen zügig fortführen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu dem Antrag Umdruck 445, Buchstabe a. Nach der in den Ausschußberatungen unverändert gebliebenen Regierungsvorlage soll der § 538 neu gefaßt werden. Der billigenswerte Grund hierfür ist die Behebung von Zweifeln, die durch die bisherige Fassung hinsichtlich des Rechtes der Mietminderung nach § 537 und der eventuellen Geltendmachung auch eines Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung aufgetreten sind. Die Neufassung entscheidet dahin, daß der Mieter .auch im Falle der Mietminderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann.
In Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bundesrats sind die Antragsteller der Auffassung, daß die Rechte des Mieters wie in § 537 auch in § 538 unabdingbar sein sollten. Es ist nicht einzusehen, warum diese Unabdingbarkeit bei Mängeln der Mietsache nur hinsichtlich der Mietminderung gelten soll. Sie ist auch hinsichtlich einer eventuellen Schadensersatzforderung geboten, um zu verhindern, daß ein solcher Schadensersatzanspruch durch Formularmietverträge ausgeschlossen wird.
Im Ausschußbericht wird die gegenüber der Anregung des Bundesrats ablehnende Stellungnahme der Mehrheit des Rechtsausschusses geradezu haarspalterisch begründet. Die Gleichsetzung der Mietrechte aus 4 538 mit denen aus § 537 wird mit folgenden Hinweisen abgelehnt:
Erstens regele § 537 nur die Mietminderung, § 538 dagegen weitergehende Ansprüche.
Zweitens stellten diese weitergehenden Ansprüche nur einen Teil möglicher Schadensersatzansprüche dar. So seien die im Falle dies Verzugs entstehenden Ansprüche unabdingbar.
Drittens würden bei einer Unabdingbarkeit der Ansprüche aus § 538 besonders Fälle einer Schadensersatzpflicht ohne Verschulden betroffen. Das belaste den Vermieter besonders stark, zumal er sich um eine zusätzliche Versicherungs-Deckungsvorsorge bekümmern müsse.
Alle diese Argumente ,erscheinen wenig überzeugend. Sie lassen deutlich erkennen, daß die Mehrheit des Rechtsausschusses davon ausgeht, daß die formularvertragliche Ausschließung des Schadensersatzanspruchs die Regel sein sollte. Damit wird aber die ganze Neufassung des § 538 Abs. 1 praktisch zu einer bloßen Deklamation. Wenn das nicht beabsichtigt, wenn eine Effektivität dieser Bestimmung gewollt ist, dann bedarf es der Einfügung der beantragten Unabdingbarkeitsklausel.
Ich bitte demgemäß um Zustimmung zu dem Antrag Umdruck 445 Buchstabe a.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag Umdruck 445 auf Einfügung eines Abs. 3 in § 538 zwecks Einführung einer Unabdingbarkeitsklausel abzulehnen.Wohl hat der Bundesrat empfohlen, auch die Rechte des Mieters nach § 538 für unabdingbar zu erklären, weil er meint, es sei nicht einzusehen, daß zwar die Befugnisse eines Mieters auf Mietminderung vertraglich abbedungen werden könnten, die Rechte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aber im Mietvertrag ausschließbar sein sollen.Nun handelt es sich hier aber doch um einen sehr erheblichen quantitativen Unterschied. Während bei § 537 nur der Mietzins in Frage steht, den der Vermieter eventuell nicht hereinbekommt, macht eine Schadensersatzforderung aus § 538 BGB weit mehr aus als nur den Mietzins.Hinzu kommt, daß in § 538 eine Schadensersatzpflicht des Vermieters auch ohne dessen Verschulden, ja ohne Kenntnis des Mangels und der Erkennbarkeit des Mangels statuiert ist, und zwar aus dem Gedanken heraus, daß die Haftung auf der stillschweigenden Garantie des Vermieters beruht,
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6036 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Dr. Hauserdie Mietsache im vertragsgemäßen Zustand zu übergeben und zu erhalten.Drittens regelt § 538 Abs. 1 BGB auch nicht alle in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche. Ist nämlich ein Verzugsschaden gegeben, so greifen ganz allgemein die schuldrechtlichen Bestimmungen der §§ 286 und 326 ein, die auch sonst abbedungen werden können.Viertens schließlich ist gegen die Erwägung der Opposition zu sagen, daß sehr wohl versicherungswirtschaftliche Überlegungen auch für uns im Rechtsausschuß maßgebend waren, .die dem Antrag der Opposition hier entgegengesetzt werden müssen. Der Vermieter könnte sich nämlich genötigt sehen, bislang nicht übliche Versicherungen zu seinem Schutz und zum Schutz des Mieters abzuschließen, soweit solche Schäden überhaupt durch eine Versicherung abdeckbar sind. Die Kosten derartiger zusätzlicher Versicherungen würden dann aber meist so hoch, daß sie zwangsläufig einer Erhöhung des Mietpreises zur Folge hätten.
— Aber sicher! — Wenn dann gar der Mieter seinerseits, etwa durch eine Hausratsversicherung gegen Wasserschäden oder gegen Gesundheitsschäden durch eine Kranken- oder Unfallversicherung, geschützt ist, müßte er im Grunde eigentlich zweimal zahlen. Gerade aus dieser letzten Erwägung wird sich eine Vorschrift, wie sie die Opposition aufzunehmen beantragt, nicht zugunsten des Mieters auswirken.
Schließlich erstreben wir nun auch einen vernünftigen Interessenausgleich zwischen Mieter und Vermieter, der nach unserer Überzeugung gerade hier ohne Ausschlußklausel weit eher erreicht ist als durch eine entsprechende gesetzliche Festlegung, wie Sie sie mit Ihrem Antrag aufgenommen haben.
— Nein, der Absatz 3 steht nicht in der Regierungsvorlage, Herr Kollege Jacobi.
Ich bitte deshalb im Auftrag meiner Freunde um Ablehnung dieses Änderungsantrags.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Busse.
Her Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Auch ich bitte, den Antrag der SPD abzulehnen. Das Leben ist nun einmal vielgestaltig, Herr Jacobi, und es gibt alle möglichen Fälle, wo zu Beginn des Mietverhältnisses Mängel vorhanden sind. In Kenntnis dieser Mängel mietet der Mieter. Unter den Parteien wird eine Regelung getroffen, die die Verhältnisse berücksichtigt. Im Laufe der Zeit entstehen Dinge, die
man untereinander vernünftig regelt. Wollen Sie — wir kommen auf die Frage im Laufe unserer Diskussion heute häufiger zu sprechen — alles das durch die Weisheit des hiesigen Gesetzgebers ersetzen? Ich bin der Überzeugung, daß viele vernünftige Leute das besser können.
Weitere Wortmeldungen hierzu liegen nicht mehr vor.
Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 445 Buchstabe a abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über Art. I Nr. 2 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Wir kommen zu Nr. 3 und damit zu dem Antrag unter b auf Umdruck 445. Wird das Wort gewünscht?
Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es beim § 541 a Abs. 2 mit einer sehr interessanten Frage zu tun. Sie ist in zweierlei Hinsicht interessant, der Sache nach und auch der Form nach. Es handelt sich um eine Frage, auf die wir heute noch öfters zurückkommen werden, nämlich auf den merkwürdigen Umstand, daß die Opposition sich genötigt sieht, das Haus darum zu bitten, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Ich habe mehrfach Gelegenheit gehabt, in diesem Hause einiges über unsere grundsätzlichen Einwendungen und Vorbehalte gegenüber dieser und den früheren Mietrechtsvorlagen vorzubringen.Immerhin muß eingeräumt werden, daß die Regierungsvorlage gegenüber dem, was in den Ausschüssen und insbesondere im Rechtsausschuß beschlossen worden ist, immer noch das geringere Übel darstellt. Ich wäre dem Herrn Bundesminister Lücke außerordentlich dankbar, wenn er nun endlich das täte, wozu er gelegentlich schon aufgefordert werden mußte, hier seine eigene, die Regierungsvorlage zu vertreten und sie gegenüber den Verschlechterungsabsichten und Beschlüssen seiner eigenen Fraktion und der Koalitionsfraktion zu verteidigen.Worum geht es bei § 541 a Abs. 2? Es geht um die Frage, welche Regelung gilt, wenn der Vermieter den Wunsch hat oder in ,der Notwendigkeit ist, in seinem Hause die Räume, die gemietet worden sind, durch bauliche Maßnahmen zu verbessern oder in sonstiger Weise zu verändern.Die Regierungsvorlage hat dazu völlig eindeutig, klar und, wie ich meine, im wesentlichen auch befriedigend gesagt:
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JahnWerden durch diese Maßnahmen Aufwendungen des Mieters erforderlich, so hat sie ihm der Vermieter zu ersetzen; auf Verlangen hat der Vermieter Vorschuß zu leisten.Das ist eine eindeutige Regelung. Wenn hier vom Vermieter in die Rechtsposition des Mieters eingegriffen wird und der Mieter Aufwendungen machen, Nachteile in Kauf nehmen muß, dann muß derjenige, zu dessen Gunsten er sie in Kauf nimmt, dafür einstehen; das ist der Vermieter. Was macht die Mehrheit des Ausschusses daraus? Sie sagt:Aufwendungen, die der Mieter infolge dieser Maßnahmen machen mußte, hat der Vermieter ihm in einem den Umständen nach angemessenen Umfange zu ersetzen . . .Das heißt, es wird — und darauf wird sich in Zukunft jeder Kommentator einfach berufen müssen — eindeutig erklärt: der Mieter hat nicht den Anspruch darauf, das ersetzt zu bekommen, was er hat aufwenden müssen, sondern er hat nur Anspruch darauf, Ersatz in einem den Umständen nach angemessenen Umfange zu erhalten. Er bekommt also auf jeden Fall nicht mit Sicherheit das, was er hat aufwenden müssen. Ganz abgesehen davon bringt eine derartige Regelung ein ganz erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit mit sich. Der Mieter, der sich vor Benachteiligungen schützen will, kommt gar nicht umhin, einen Rechtsstreit mit dem Vermieter darüber zu beginnen, was denn nun eigentlich der den Umständen nach angemessene Umfang seiner Aufwendungen ist.Wenn Sie eine klare und den Mieter nicht nur „hinreichend" schützende Regelung wollen, meine Damen und Herren, müssen Sie unserem Antrag zustimmen, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Ich hoffe, der Herr Bundesminister Lücke hat den Mut, das hier zu bestätigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Huser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, dem Antrag des Herrn Kollegen Jahn nicht zu entsprechen und es bei der vom Rechtsausschuß beschlossenen Fassung zu belassen.
Ich darf zunächst einmal feststellen, daß im Ausschuß — im übrigen einstimmig — beschlossen wurde, die hier zu beachtenden Umstände wirklich so zu berücksichtigen, wie das in § 541 a vorgesehen ist. Wir haben in Abs. 1 den Begriff „Einwirkungen" gebraucht, um damit klar zu umreißen, daß alle Möglichkeiten, wie sie die Lebensverhältnisse bieten„ erfaßt werden können. Wir haben bei Abs. 2 die Frage, die Herr Kollege Jahn angesprochen hat, sehr eingehend überlegt und sind zu dem Ergebnis gekommen, es müsse hinsichtlich der Verpflichtung des Vermieters zum Ersatz von Aufwendungen, die einem Mieter bei zu duldenden Maßnahmen entstehen, klargestellt werden, daß die Aufwendungen eben nur in einem den Umständen nach angemessenen Umfange ersetzt werden müssen. Das ist eine
Regelung, die im übrigen etwa der Bestimmung des § 670 BGB entspricht.
Ich darf noch hinzufügen, daß damit für das in der Regierungsvorlage ursprünglich vorgesehene Wort „erforderlich" vom Rechtsausschuß eindeutig die Grenzen umrissen worden sind. Ich bitte, auch deswegen dem Antrag des Rechtsausschusses zu entsprechen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe aus dem Änderungsantrag Umdruck 445 der SPD ersehen, daß in einigen Fällen die Regierungsvorlage wiederhergestellt werden soll. Ich muß sagen, ich habe das nicht etwa mit Bestürzung ersehen, sondern mit Befriedigung; denn ich kann daraus schließen, daß die Regierungsvorlage doch in einigen Punkten den Beifall der SPD gefunden hat, wenn Sie, Herr Jahn, es auch gleich mit dem „geringeren Übel" abgeschwächt haben. Andererseits stehen wir nicht an, zuzugeben — Herr Kollege Lüdke hat mir das Stichwort gegeben —, daß selbst Regierungsvorlagen verbesserungsfähig sind..
Ich bin im Einvernehmen mit Herrn Kollegen Lücke der Meinung, daß tatsächlich die Formulierung, die der Rechtsausschuß gefunden hat, besser ist. Auch wenn wir es so stehen ließen, wie es in der Regierungsvorlage stand, wo es hieß „Werden durch diese Maßnahmen Aufwendungen des Mieters erforderlich", so würde auch diese Formulierung sicherlich nicht gegen Prozesse schützen. Im Einzelfall würde der Vermieter sagen: Es war nicht erforderlich, etwa ganz neue Geräte bei Umstellung der Einrichtung von Elektrizität auf Gas anzuschaffen. Das führt im Einzelfall sicher auch zu Prozessen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Ja.
Darf ich der Tatsache, Herr Minister, daß sich die Bundesregierung nunmehr von ihrer eigenen Vorlage zu distanzieren beginnt, entnehmen, daß damit auch eine Distanzierung vom Begriff des sogenannten sozialen Mietrechts erfolgt?
Herr Kollege Jahn, was wir hier tun, ist keine Distanzierung. Es ist ja nicht etwas völlig anderes, was hier vorliegt, sondern eine Formulierung, die ich als Verbesserung bezeichne. Damit distanziere ich mich nicht von der Vorlage.
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6038 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich brauche nach den vorhergehenden Ausführungen nur wenig zu sagen. Aber es scheint mir doch notwendig zu sein, darauf hinzuweisen, daß hier nur der Tatbestand geregelt wird, daß in beiderseitigem Interesse Maßnahmen zur Verbesserung der gemieteten Räume oder der sonstigen Teile des Gebäudes getroffen werden, soweit dies dem Mieter zugemutet werden kann. Ich meine, der Gesichtspunkt, daß hier nur dieser Tatbestand geregelt wird, dürfte für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sein.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 445 unter Buchstabe b abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse über Nr. 3 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich rufe Nr. 4 auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Nr. 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen.
Ich rufe auf Nr. 5 und dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 445 unter Buchstabe c. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Reischl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst eine Berichtigung zu unserem Antrag zu Protokoll geben. Auf Umdruck 445 unter Buchstabe c heißt es:
in Nr. 5 die Fassung der Regierungsvorlage wieder hergestellt,
Es muß noch ergänzt werden:
mit der Maßgabe, daß Abs. 3 Satz 3 folgende Fassung erhält:
Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.
Die Fassung muß geändert werden, weil der Rechtsausschuß allgemein beschlossen hat, den sogenannten mißbilligten Klauseln die Fassung, die ausdrücklich von Unwirksamkeit spricht, zu geben. Deswegen muß auch unser Antrag diesen allgemeinen Beschlüssen angepaßt werden.
Gleichzeitig darf ich in diesem Zusammenhang mit Genehmigung des Herrn Präsidenten auch unseren Antrag zu Buchstabe d mit begründen; denn die Streichung des § 547 a ergibt sich logischerweise aus der Wiederherstellung der Regierungsvorlage
zu § 547 Abs. 3. Zur Begründung darf ich kurz folgendes anführen: Die Fassung des § 547 a Abs. 3 in der Ausschußvorlage bedeutet gegenüber § 547 Abs. 3 Satz 3 der Regierungsvorlage eine erhebliche Einschränkung. Nach der Regierungsvorlage sollen nämlich Vereinbarungen, die zum Nachteil des Mieters von den Vorschriften über sein Wegnahmerecht abweichen, schlechthin unwirksam sein, jedenfalls in der Fassung, wie sie nach den Beschlüssen des Rechtsausschusses gegeben werden mußte. Nach dem Beschluß des Rechtsausschusses dagegen soll eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelten, wenn in der Vereinbarung ein angemessener Ausgleich vorgesehen ist. Ich muß namens meiner Fraktion erklären, daß wir diese Vorschrift für nicht praktikabel halten. Ich darf auf folgendes hinweisen: Bei diesem letzten Satz geht es in der Regel gar nicht um Einzelvereinbarungen; den dafür gilt ja der Satz 2 des Abs. 3 des § 547 oder der § 547 a Abs. 2, wenn nämlich die Wegnahme bevorsteht und der Vermieter sie durch eine angemessene Entschädigung abwenden will.
Dagegen müßte er in erster Linie Anwendung finden für die Vereinbarungen im Mietvertrag selbst. Was soll denn nun im Mietvertrag über einen angemessenen Ausgleich stehen? Beim Abschluß des Mietvertrages weiß man ja noch gar nicht, mit welchen Einrichtungen der Mieter im Laufe des längere Zeit dauernden Mietverhältnisses die Wohnung versehen wird. Genau genommen könnte also wiederum nur der Wortlaut des Gesetzes in den Mietvertrag aufgenommen werden. Dann stehen wir vor dem Ergebnis, daß es jedesmal einen endlosen Streit um die Höhe des angemessenen Ausgleichs gibt und daß diese sogenannte mißbilligte Klausel zum Gegenteil dessen führt, was man damit erreichen will; denn dann wird eben eine abweichende Vereinbarung getroffen, deren Inhalt in Wirklichkeit auch nicht feststeht. Eine solche Unklarheit kann praktisch nur zu neuen Streitigkeiten führen.
Ich muß sagen, daß auch hier die Regierungsvorlage wesentlich klarer und wesentlich besser war. Ich darf die für die Regierungsvorlage veranwortlichen Minister der Bundesregierung dringend bitten, sich mit uns für ihre Vorlage, die erheblich besser als die Ausschußvorlage ist, einzusetzen. Denn der Ausschußbeschluß kann nach dem, was ich dargelegt habe, nur zu Unklarheiten und zu erneuten Streitigkeiten führen.
Ich darf Sie also bitten, unseren Anträgen zu Buchstabe c und Buchstabe d des Umdrucks 445 Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Abgeordneter Dr. Reischl, ich bitte Sie, mir die von Ihnen verlesene Ergänzung zu übergeben.
Herr Abgeordneter Dr. Hauser!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rechtsausschuß hat es, mindestens mehrheitlich, für richtig gehalten, die Frage des Wegnahmerechts, die dann in § 547 a geklärt worden ist, gesondert in einer eigenen Be-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 6039
Dr. Hauserstimmung zu fassen und nicht als Abs. 3 anzuhängen.Wir sahen uns zu dieser Modifizierung des Abs. 3, der Unabdingbarkeitsklausel, auch aus folgenden Erwägungen veranlaßt: Ich denke hier an die Überlegung, die vor allem Herr Kollege Busse im Ausschuß in die Debatte warf. Es gibt doch die Möglichkeit, daß meinetwegen bei Beginn eines Mietvertrages Vermieter und Mieter schon miteinander vereinbaren, daß der Mieter eine bestimmte Einrichtung anbringt, ihm dafür ein niedrigerer Mietzins oder eine längere Mietdauer zugestanden wird, und das etwa als Ausgleich dafür gewertet werden muß. Der Ausgleich braucht also gar nicht am Ende, bei Lösung des Mietverhältnisses vorgenommen zu werden, sondern kann zweifellos schon bei Beginn des Mietverhältnisses vorgesehen sein. Um allen Lebensumständen gerecht zu werden, schlägt Ihnen der Rechtsausschuß diese Fassung des Abs. 3 vor.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stimmen in vollem Umfang den Ausführungen, die Herr Kollege Hauser soeben gemacht hat, zu, und ich will sie nicht wiederholen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß wir gerade über dieses Recht, eine Sache wegzunehmen, sehr eingehend beraten haben. Das sage ich vor allem für die anderen Kollegen und Kolleginnen, damit sie nicht glauben, weil wir die Dinge heute abend nur noch kurz begründen, wir hätten die ganze Problematik nicht sehr eingehend erörtert.
Ich möchte noch ergänzend auf folgendes hinweisen. Sie haben gesagt, Herr Kollege Reischl, „angemessener Ausgleich" würde nachher Anlaß zu Streitereien geben. Vielleicht haben Sie dabei übersehen, daß auch in der Regierungsvorlage in dem Abs. 3, den Sie ja wiederherstellen wollen, von „angemessenen Entschädigung" die Rede ist. Ob ein Ausgleich oder eine Entschädigung angemessen ist, kann natürlich immer streitig werden, davor ist niemand sicher; aber Herr Kollege Hauser hat mit Recht die ganz speziellen Fälle angeführt, die zeigen, daß es eben nicht mit einer „angemessenen Entschädigung" getan sein kann, sondern ein echter „angemessener Ausgleich" stattfinden muß.
Ich kann im Augenblick noch nicht abstimmen lassen, weil mir diese neue Änderung des Abgeordneten Dr. Reischl noch nicht vorliegt. Wir müssen daher die Angelegenheit vorerst zurückstellen.
Ich rufe auf Ziffer 6. Dazu der Umdruck 445 Buchst. d. Wird dazu das Wort gewünscht? —
— Ja! Ziffer 7, — Ziffer 8. — Keine Wortmeldungen!
Dann rufe ich auf Ziffer 9 mit dem Umdruck 445 Buchst. e. Wer wird hierzu sprechen? — Herr Abg. Jahn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier gilt im Prinzip das gleiche wie das, was ich zur Einleitung des zuerst von mir begründeten Antrages gesagt habe. Im § 552 a der Regierungsvorlage ist vorgesehen, daß der Mieter von Wohnraum entgegen einer vertraglichen Bestimmung gegen eine Mietzinsforderung mit einer Forderung aus dem Mietverhältnis aufrechnen kann, also ganz gleich, worauf diese Forderung aus dem Mietverhältnis zurückgeht, und ganz gleich, welche Rechtsgrundlage sie hat. Der Mieter soll auf jeden Fall die Möglichkeit haben, wenn er seinerseits Forderungen gegen den Vermieter hat, sich gegen eine Forderung des Vermieters dadurch zu wehren, daß er — als ein Gleichberechtigter in diesem Mietverhältnis — seinerseits aufrechnen kann.
Diese im Grunde richtige Vorstellung, die in der Regierungsvorlage enthalten war, ist im Rechtsausschuß dahin gehend eingeschränkt und verschlechtert worden, daß der Mieter in Zukunft nur noch mit den Mängelforderungen auf Grund des § 538 aufrechnen kann. Das ist ganz eindeutig eine Einschränkung und damit eine Verschlechterung des ursprünglichen Gedankens zum Nachteil des Mieters.
Nachdem es mir soeben nicht gelungen ist, den Herrn Bundeswohnungsbauminister zu veranlassen, hier ein Wort zur Verteidigung des sozialen Mietrechts zu sagen, sieht er sich jetzt vielleicht dazu in der Lage, um deutlich zu machen, daß es hier in der Tat um nichts anderes als um eine Verschlechterung seiner eigenen Vorlage geht, die wir verhindern möchten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage des Rechtsausschusses folgt lediglich der Fassung, die bis jetzt § 28 des Mieterschutzgesetzes hat, und ich glaube, diese Lösung hat sich doch in den 40 Jahren, in denen sie Geltung hat, als ganz gut erwiesen.
— Ja, 'als ganz gut erwiesen, denn der § 538 umfaßt doch den weitaus größten Komplex der Schadensersatzforderungen, die es hier überhaupt gibt. Was darüber hinaus noch möglich ist, soll auf dem Klagewege klargestellt werden.Denken Sie doch auch an die kleinen Hausbesitzer, die dabei in eine schwierige Situation kommen können. Nach einer Statistik aus dem Jahre 1962 sind 15,9 % aller Hausbesitzer in der Bundesrepublik Arbeiter und 7,2 % Pensionäre und Rentner, und auf Beamte und Angestellte entfallen immerhin 18,1 %. Sie stellen es immer so dar, als ob die Hausbesitzer Krösusse wären. Dabei muß man andererseits auch den gerechten sozialen Ausgleich zwischen Hausbesitzer und Mieter in Rücksicht stellen.
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6040 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Herr Abgeordneter Hauser, ,gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Bitte!
Herr Kollege Hauser, aus welcher Stelle meiner Ausführungen heute oder bei anderer Gelegenheit entnehmen Sie eigentlich, daß ich von der von Ihnen mir unterstellten Auffassung ausgehe, alle Hausbesitzer seien Krösusse?
Ja, weil Sie immer und immer wieder nur betonen, es sei kein soziales Mietrecht, das wir schaffen, immer wieder betonen, hier werde nur verschlechtert, statt auch einmal gerechterweise anzuerkennen, daß hier ein Ausgleich der Interessen gesucht wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die letzten Ausführungen ides Herrn Kollegen Hauser sehr nachdrücklich unterstreichen. Gerade eine Vielzahl von Leuten, die jetzt gebaut haben, die angespart haben, die laufend unter Verpflichtungen stehen, die pünktlich erfüllt werden müssen, seien es Steuern, seien es Zinsen, seien es Amortisationsquoten und ähnliche Dinge, müsse die Gewähr haben, daß sie pünktlich übler die Miete verfügen können.
— Dafür ist § 538 da, Herr Kollege; da steht es ausdrücklich drin.
— Natürlich gibt es noch andere.
— Nein.
Ich wollte Ihnen noch etwas ,anderes sagen, Herr Kollege. Es ist doch nicht ,etwa so, daß diese Ansprüche abgeschnitten werden sollen.
Nun darf ich Ihnen noch etwas anderes sagen: wiesich überhaupt diese Aufrechnungsausschließungsvereinbarungen in anderen Fällen, wo sie ja möglich sind, entwickelt haben und wie sie dort praktiziert werden. Sie haben sich entwickelt, weil häufig gegenüber Ansprüchen unberechtigte Forderungen geltend gemacht wurden, lediglich um Zeit zu gewinnen und um fällig gewordene Verpflichtungen hinauszuschieben. Das haben wir in einer Fülle von Fällen in unserer praktischen Arbeit im Rechtsleben ,erfahren. Darum haben wir geraten: Schließt die Aufrechnungsmöglichkeit aus, verweist ihn auf
den ordentlichen Weg, seine Ansprüche geltend zu machen.
Nun, wie werden diese Klauseln praktiziert? Derjenige, der sieht, daß ein begründeter Gegenanspruch seines Schuldners vorliegt, wäre ein Tor, wenn er sich lediglich auf die Nichtaufrechenbarkeit beriefe, um dann einen aussichtlosen Prozeß zu führen. Da wird er vernünftig sein und mit seinem Schuldner oder Gläubiger ein Arrangement treffen. So geschieht es praktisch. Nur da, wo evident von einer Aufrechnungsmöglichkeit unzulässiger Gebrauch gemacht wird, nur da wird diese Vereinbarung in der Praxis aktuell; und diese Möglichkeit sollten wir nicht ausschließen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich kann zu diesem Punkt die Aussprache schließen.Ich komme jetzt zunächst zurück zu Nr. 5 und dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 445 Buchstabe c). Ich darf diesen Änderungsantrag nochmals verlesen, damit keine Zweifel bestehen:c) in Nr. 5 wird die Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt, mit der Maßgabe, daß § 547 Abs. 3 Satz 3 BGB folgende Fassung erhält:Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; abgelehnt.Ich komme zu Nr. 5 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit derselben Mehrheit angenommen.Ich rufe Nr. 6 auf. Herr Abgeordneter Dr. Reischl, ich nehme an, daß Ihr Änderungsantrag Buchstabe d) nunmehr obsolet geworden ist, erledigt ist.
Ich lasse also über Nr. 6 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.Ich lasse abstimmen über Nr. 7 und Nr. 8. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.Ich komme nun zu Nr. 9 und dem bereits begründeten und diskutierten Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 445 Buchstabe e). Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.Ich lasse abstimmen über Nr. 9 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
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Vizepräsident Dr. JaegerWir kommen zu den Nummern 10, 11, 12 und 13. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Nummern zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zu Nr. 14. Hierzu liegen die Änderungsanträge auf Umdruck 446 — der Fraktion der SPD — und auf Umdruck 452 Ziffer 1 — der Fraktion der CDU/CSU — vor. Wer wird den Antrag der Fraktion der SPD begründen? — Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir legen dem Hause mit unserem Antrag auf Umdruck 446 noch einmal die Bitte vor, die — wie wir von Anfang an betont haben — schlechte Regelung des § 556 a geltender Fassung zu überwinden. Ich will mich nach den sehr eingehenden Debatten, die wir bei der Beratung des ersten und des zweiten Mietrechtsänderungsgesetzes hier geführt haben, kurzfassen.Die Regelung, die jetzt im Gesetz vorgesehen ist, ist unbefriedigend. Sie ist nicht nur unbefriedigend, sie ist gefährlich, weil sie nicht ausreicht, um einen wirksamen Schutz für den Mieter zu gewährleisten. Wir wissen inzwischen aus ,der Rechtsprechung, daß sich gewisse Interpretationen durchzusetzen beginnen, die ganz eindeutig diese vielleicht guten Glaubens von ihren Erfindern gedachte Schutzvorschrift zu einer ausgesprochenen und nur ausnahmsweise anzuwendenden Sondervorschrift machen. Das ist neben vielen anderen Bedenken, die ich hier im einzelnen nicht mehr vortragen will, einer der Gründe dafür, daß wir sagen: auf dieser Grundlage des § 556 a ist es einfach unmöglich, auf die Dauer einen befriedigenden, einen ausreichenden Schutz des Mieters zu gewährleisten.Wir haben unsere Fassung für einen § 556 a vorgelegt, wobei wir allerdings — das ist einzuräumen, und da gibt es eine entscheidende Schwierigkeit zwischen Ihnen und uns — von einer anderen Grundvorstellung ausgehen. Wir gehen nämlich von der Grundvorstellung aus, daß das Mietverhältnis nicht schlechthin und völlig frei verfügbar ist und sein kann, weil es ein Rechtsverhältnis besonderer Art ist und deswegen auch eine besondere Wertung und eine besondere Behandlung notwendig macht.In dem Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses wird zu dieser Frage gesagt, ,so etwas sei verfassungsrechtlich nicht möglich. Bei dem Hinweis auf die Eigentumsgarantie wird aber geflissentlich verschwiegen, daß nach dem Grundgesetz dazu auch die Sozialbindung des Eigentums gehört.
Aus diesem Gedanken heraus ist unser Antrag erwachsen. Wir meinen, daß das nicht nur gerechtfertigt ist, sondern ,das es, um auf einem so wichtigen Lebensgebiet für Millionen Bürger dieses Landes eine hinreichende Sicherheit zu schaffen, notwendig ist, die Rechte des Mieters in einem angemessenen, in einem ausreichenden Maße zu sichern. Dem dient unser Antrag, dem dienen aber auch dievon uns eingebrachten Hilfsanträge, auf Grund deren erfreulicherweise eine erste beginnende Selbstkritik in den Reihen der Verfasser des ursprünglichen § 556 a zu erkennen ist. — Herr Kollege Weber, Sie schauen so erstaunt; das ist doch die einfachste Wertung, die man vornehmen kann. Wenn hier in Übereinstimmung mit uns auch seitens der Christlich-Demokratischen Union nunmehr beantragt wird, in § 556 a Abs. 4 wenigstens die Ziffer 3 zu streichen und damit grundsätzlich die Möglichkeit zu schaffen, die Ausübung des Widerspruchsrechts ,durch den Mieter wiederholen zu lassen. dann ist das ein erfreuliches — das gebe ich gern zu —,aber doch ein erstes Eingeständnis dafür, daß hier eine der Fehlkonstruktionen des fatalen § 556 a sichtbar wird. Wir werden uns also mindestens in dieser Frage einigen können.Wir meinen darüber hinaus, daß weitere Punkte — wenn Sie schon glauben, unserem Antrag nicht zustimmen zu können— in der geltenden Fassung des ,§ 556 a mindestens einer Klärung und Berichtigung bedürfen.Das gilt insbesondere für unseren unter den Eventualanträgen auf Umdruck 446 enthaltenen Antrag zu § 564 a. Ich darf ihn, da er sachlich in diesen Zusammenhang gehört, gleich mitbegründen. Es geht dabei um die für uns außerordentlich wichtige, ja, grundlegende Forderung für ein modernes Mietrecht überhaupt, daß die Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum schriftlich erfolgt und daß die Kündigungsgründe angegeben werden. Denn, meine Damen und Herren, das ist ja nun eigentlich das Mindeste, was Sie dem Mieter zugestehen müssen, wenn Sie ihn schon dieser schlechten Regelung des § 556 a überlassen wollen, daß er in den Stand versetzt wird, sich zu wehren, und weiß, wogegen er sich wehren soll. Dazu muß er die Kündigungsgründe kennen. Das wollen Sie ihm verweigern.Nun kommt nachher gewiß der Einwand: Wir haben aber doch im Rechtsausschuß eine kostenrechtliche Regelung getroffen — d. h. Sie haben sie dort getroffen —, die dem Vermieter Kostenfolgen für den Fall androht, daß er eine Kündigung ausspricht und durch die Nichtangabe der Gründe eine Verzögerung herbeiführt und damit das Verfahren belastet.Abgesehen davon, daß ich sehr ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit dieser Bestimmung habe, halte ich es für ein schlechtes Gesetzgebungsverfahren, über die Kostenvorschriften der Prozeßordnung einen Ausweg aus der Notwendigkeit zu suchen, dem Mieter volles Recht widerfahren zu lassen. Im Grunde räumen Sie doch auch mit der Änderung dieser Kostenvorschrift ein, daß die von Ihnen befürwortete und nun durch drei Gesetzentwürfe beharrlich beibehaltene Lösung des § 556 a mit der Verweigerung der Kündigungsgründe für den Mieter eine schlechte Lösung ist.
Nun, wenn Sie diesen halben Schritt machen, danntun Sie doch den ganzen und geben Sie zu, daßdiese ganze Konstruktion an sich eine falsche, feh-
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Jahnlerhafte, schädliche und für den Mieter nachteilige Konstruktion ist.
— Ja, Sie wollen es nicht gern zugeben. Dafür habe ich ein gewisses Maß an Verständnis. Aber Sie können es ja vielleicht so machen, daß Sie gar nicht mehr dazu reden, sondern unseren Anträgen zustimmen.
Vielleicht wäre das ein Kompromißvorschlag, Herr Kollege Hauser, auf den Sie eingehen können.
Das Wort zur Begründung des Antrags auf Umdruck 452 Ziffer 1 hat der Abgeordnete Hauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war zu erwarten, daß die Opposition ihren Antrag auf Änderung des § 556 a im Plenum nochmals stellen würde. Man kann es verstehen, da sie sicherlich glaubt, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Aber ich muß ehrlich sagen: es ist schon ein Kuckucksei, das sie damit dem Hohen Haus beschert. Denn mit diesem Antrag zeigen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, eigentlich nur, daß — um mit Frickhöffer von der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft zu sprechen — bei Ihnen gerade in der Wohnungsbaupolitik noch recht erhebliche ägyptische Finsternis herrscht
und das Godesberger Programm noch keinerlei Wunder bei Ihnen bewirkt oder eine Revision rückständiger wohnungsbaupolitischer Konzeption gebracht hat.
— Bitte, ich zitiere bloß. Denn in der Tat: auf diesem Gebiet hinken Sie noch auf den Krücken eines staatlichen Dirigismus, und die Vorstellung, daß Wohnungsversorgung in jedem Falle eine staatliche Aufgabe sei, wird wohl nach den Überlegungen, die Sie auch jetzt wieder bieten, bei Ihnen noch lange dominieren, etwa so wie auch Ihr „Doppelspülbecken-Gesetz", wie in der FAZ Ihr Änderungsgesetz zum Dritten Wohnungsbaugesetz genannt worden ist.
Ich will nicht noch einmal all die Erwägungen, die unseres Erachtens gegen Ihren Antrag sprechen, vortragen. Wir bleiben bei unserem grundsätzlichen Bedenken, daß durch die von Ihnen vorgeschlagenen Formulierungen die Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes wahrhaftig nicht gewahrt ist und daß Sie damit dem Mieter eine Dauerposition einräumen wollen, wie sie vielleicht der Wohnungseigentümer hat, ohne aber dem Mieter auch die Pflichten und Risiken aufzuerlegen, die das Eigentum nun einmal mit sich bringt. Der Schutz, der dem Mieter zukommen muß, ist mit dem Erfordernis der
Schriftlichkeit der Kündigung zweifellos gewahrt. Um es zu unterstreichen, Herr Jahn: wir wollen mit diesem Gesetz eine echte Partnerschaft zwischen Mieter und Vermieter begründen. Deswegen wollen wir über die Kostenvorschriften die Parteien dazu bringen, sich vor einer prozessualen Auseinandersetzung erst einmal zusammenzusetzen, um die Risiken gegeneinander abzuklären. Erst wenn man nicht zu einer Einigung kommt, muß man vor das Gericht gehen und den Richter entscheiden lassen.
Wir haben mit unserem Antrag, den ich gleich mitbegründen möchte, Herr Präsident, dem Anliegen des Bundesrates entsprochen, ,der eine Wiederholung der Sozialklausel in § 556 a dringend empfohlen hat. Wir sehen auch ein, daß es Fälle geben kann, die das erforderlich machen. Aus diesem Grnude sind wir, meine Freunde und ich, zu dem Vorschlag gekommen, ,der Ihnen auf dem Umdruck 452 unter den Ziffern 1 und 2 vorliegt. Wir haben nur eine gesonderte Vorschrift zu dieser Frage vorgesehen und kommen damit eigentlich, Herr Kollege Jahn, zu Ihrer dritten Alternative, die Sie auf Umdruck 446 zur Debatte stellen. Ich darf, nachdem Sie so eventualiter mit Ihrem Antrag Schritt für Schritt zurückgehen und langsam auch auf Konzeptionen der sozialen Marktwirtschaft im Wohnungswesen kommen, hoffen, daß Sie vielleicht doch dem guten Wort Ihres Herrn Senators Schiller folgen und der sozialen Marktwirtschaft auf den Fersen bleiben wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Ich will nicht die Debatte, die wir bereits hier im Plenum haben, über die Frage, wieweit die von Ihnen gewünschte Änderung, Herr Kollege Jahn, des geltenden Rechts überhaupt grundgesetzlich vertretbar ist, wiederholen. Ich will nicht wiederholen, warum wir bisher den Standpunkt vertreten haben, daß das grundsätzlich freie Kündigungsrecht des Vermieters entscheidend wichtig ist.Ich möchte aber an dieser Stelle Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ganz dringlich bitten, Ihren Antrag nicht durchzusetzen. Warum? Wir behandeln hier bürgerliches Recht, ein Gesetz, das kein Übergangsrecht mehr sein soll, sondern das eines Tages gelten soll, wenn wirklich die volle freie Marktwirtschaft herrscht. Die Konzeption, die bereits früher mit § 556 a von der Regierung vertreten und von der Mehrheit dieses Hauses angenommen worden ist, entsprach nicht etwa den Vorstellungen, die die FDP von einer Sozialen Marktwirtschaft hat. Das möchte ich hier noch einmal ganz klar hervorheben. Wir haben damals gegen diese Bestimmung gestimmt, weil bereits sie die Rechte des Vermieters zu weit einschränkte und uns in den Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft nicht zu passen schien.Wenn wir heute davon abgesehen haben, unsererseits in dieser Richtung Änderungsanträge zu stel-
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Busselen, so haben wir es ganz einfach getan aus Achtung vor dem Gesetz. Ich bitte, diesen Gesichtspunkt nicht zu gering zu bewerten. Hier ist vor allerkürzester Zeit nach reiflicher Überlegung, wie ich wohl unterstellen kann, im Bewußtsein der Bedeutung dessen, was man nicht nur für eine kurze Übergangszeit, sondern für eine lange Frist schaffte, eine gesetzliche Regelung getroffen worden, die man nicht ohne zwingenden Grund nach kurzer Zeit bereits wieder ändern sollte.Welches ist der zwingende Grund? In den Ausschußberatungen ist eindeutig klargestellt worden, daß bisher keine Erfahrungen gemacht worden sind, wie sich § 556 a nachher praktisch auswirken wird. Es sind insbesondere keine Tatbestände festgestellt, die eine Notwendigkeit oder nur — ich will gar nicht einmal von einer Notwendigkeit reden — den Wunsch aufkommen lassen müßten, hier heute bereits wieder eine Änderung vorzunehmen. Ich bitte ernstlich, dieses Anliegen sorgsam zu prüfen und nicht ein Gesetz von heute auf morgen wieder zu ändern, insbesondere nicht ein Gesetz, das unseres Erachtens für lange Zeit gelten soll.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zuerst abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 446, und zwar zunächst über den Hauptantrag unter Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt.
Wir stimmen ab über den Eventualantrag unter Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt.
Ich rufe auf den Eventualantrag unter Ziffer 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt.
Eventualantrag unter Ziffer 4! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt.
Damit ist der gesamte Antrag abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 452 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Damit ist die Neufassung von Nr. 14 beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 452 Ziffer 2 auf Einfügung einer neuen Nr. 14 a. Der Antrag ist schon begründet. — Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wer dem aufgerufenen Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe auf die Nummern 15, — 16, — 17 und 18. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe Nr. 19 auf. Dazu liegt vor ,der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 447 sowie der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 452 Ziffer 3.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir unseren Antrag vorlegten, war uns noch nicht bekannt, daß auch von der CDU/ CSU zu diesem Petitum ein Änderungsantrag vorgelegt würde. Wir haben uns jedoch bei unserem Antrag an die Vorschläge gehalten, die der mitbeteiligte Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hierzu dem Rechtsausschuß unterbreitet hat.Über den § 565 b, der Mietverhältnisse über Wohnräume behandelt, die mit Rücksicht auf das Bestehen eines Dienstverhältnisses vermietet sind, hat es sowohl im Rechtsausschuß, als auch im Ausschuß für Wohnungswesen lange Erörterungen gegeben. Der Schriftliche Bericht läßt dies erkennen und ebenso die Tatsache, daß es in einigen wesentlichen Punkten zwischen beiden Ausschüssen nicht zu einer Übereinstimmung der Auffassungen gekommen ist.Im Kern handelt es sich dabei um eine unterschiedliche Beurteilung der Mietverhältnisse und ihrer Schutzbedürftigkeit je nach der Funktionsgebundenheit der Wohnung. Während der Wohnungsbauausschuß zwischen funktionsgebundenen und nicht funktionsgebundenen Wohnungen unterscheiden wollte, hat der federführende Rechtsausschuß diese unterschiedliche Behandlung abgelehnt; er will eine gleichmäßige Behandlung aller Werkswohnungen.Ich sagte schon, daß unser Antrag auf Umdruck 447 die Empfehlung des Wohnungsbauausschusses zu § 565 b übernimmt. Ich darf darauf hinweisen, daß mit der Empfehlung des Wohnungsbauausschusses eine knappe Begründung verbunden war, die dem Rechtsausschuß vorgelegt wurde. Mit Genehmigung des Präsidenten möchte ich sie verlesen, um klarzumachen, um was es geht. Es heißt dort:Der Ausschuß hält es wohnungspolitisch nicht für gerechtfertigt, für Mietverhältnisse über Werkswohnungen jeder Art besondere Vorschriften vorzusehen, durch die zum Nachteil des Mieters der Schutz der im § 565 BGB bestimmten langen Kündigungsfristen und der Schutz der sogenannten Sozialklausel — §§ 556 a, 556 b BGB — eingeschränkt wird. Er ist der Auffassung, daß die Einschränkung dieses Schutzes nur in den Fällen erforderlich und daher zu rechtfertigen ist, in denen die Überlassung der Werkswohnungen besonders engmit dem Dienstverhältnis gekoppelt ist. Für diese Fälle der sogenannten funktionsgebundenen Werkswohnungen schlägt der Ausschuß vor, daß das Mietverhältnis unter Einhaltung
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Jacobi
einer Kündigungsfrist von annähernd einem Monat gekündigt werden kann und die Sozialklausel nicht anzuwenden ist . Für die übrigen Werkswohnungsmietverhältnisse soll § 565 b Abs. 1 klarstellen, daß bei Anwendung der Sozialklausel auch die Belange des Dienstberechtigten zu berücksichtigen sind. Das scheint für die Fälle, in denen der Dienstberechtigte nicht der Vermieter ist, erforderlich.So weit die 'Begründung des Wohnungsbauausschusses.Gegenüber der von diesem mitbeteiligten Ausschuß vorgeschlagenen Regelung scheint uns der dieselbe Materie behandelnde Änderungsantrag der CDU einengend zu sein. Wir bitten Sie daher, sich doch dem Vorschlag des Wohnungsbauausschusses, den wir mit unserem Antrag übernommen haben, anzuschließen und den vorgetragenen Erwägungen durch Ihre Zustimmung zu unserem Antrag Rechnung zu tragen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Problem der Werkswohnung war dem BGB fremd. Das BGB hatte an sich so kurze Kündigungsfristen, daß es dieses Problem nicht besonders zu behandeln brauchte. Nachdem durch die Einführung des sozialen Mietrechts die Kündigungsfristen erheblich . verlängert worden sind, scheint uns nunmehr eine spezielle Regelung für die Werkswohnung geboten, wie sie ja auch zu der Zeit geboten war, als der Mieterschutz ganz allgemein eingeführt wurde und man die Werkswohnungen vom Mieterschutz ausnahm. Es kann nicht geleugnet werden — und daran krankt der Antrag des Wohnungsbauausschusses —, daß hier eine Verknüpfung zwischen Dienstverhältnis und Wohnverhältnis besteht, die auch nicht gelöst werden kann. Die Überlassung der Wohnung erfolgt mit Rücksicht auf den Eingang des Dienstverhältnisses. Infolgedessen kann man meines Erachtens diese Verknüpfung später nicht lösen, und diesem Grundgedanken trägt der Antrag des Rechtsausschusses Rechnung. Wir haben Taber geglaubt, einige Anregungen, die sich aus dem Antrag des Wohnungsbauausschusses ergeben, in den nunmehr modifizierten Antrag, den ich namens meiner Fraktion stelle, übernehmen zu sollen. Wir haben eingesehen, daß die von dem Wohnungsbauausschuß für die funktionsgebundenen Wohnungen vorgeschlagene Regelung besser ist und den Interessen der beteiligten Kreise besser Rechnung trägt. Zum anderen sind wir aber auch der Meinung, daß für die übrigen Werkswohnungen eine kürzere Kündigungsfrist geschaffen werden muß.
Wir wollen nunmehr abweichend vom Rechtsausschuß auf die Verkürzung der Kündigungsfristen verzichten, wenn die Überlassung der Wohnung zehn Jahre gedauert hat. Wir übernehmen damit einen aus der Arbeitsrechtsprechung kommenden Gedanken. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte geht dahin, daß, wenn ein Arbeitsverhältnis länger als zehn Jahre besteht, dieses Arbeitsverhältnis nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden kann, also keine Willkürkündigung möglich ist. Diesen Gedanken greifen wir mitunserem Antrag auf. Wir meinen, daß unter diesen Umständen, wenn das Wohnverhältnis einmal zehn Jahre gedauert hat, auch die ordentliche Kündigungsfrist in Kauf genommen werden kann und darin keine Unbilligkeit zu sehen ist.
Wir bitten deshalb, unseren Anträgen Umdruck 452 Ziffer 3 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Es ist heute manchmal wirklich etwas komisch: Bei der Beratung dieses Gesetzes kämpft die SPD für die Regierungsvorlage, und ich bin jetzt in der angenehmen Lage, mich zur Begründung dessen, was ich auszuführen habe, auf die Ausführungen in Ihrem Bericht, sehr verehrter Herr Kollege Hauser, zu berufen. Das ist so klar, so einleuchtend, was Sie da geschrieben haben. Es ist das Ergebnis sehr langer und gründlicher Beratungen im Rechtsausschuß, wo all das, was hier heute an Einzelproblemen angeklungen ist, eingehend durchgesprochen worden ist.
Ich glaube, daß die Regelung den berechtigten Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt. Darüber hinaus hat sie vor allen anderen Regelungen, die hier jetzt wieder angeregt werden, den Vorteil, daß sie klar ist. Diese Klarheit ist auch ein wesentlicher Gesichtspunkt, der uns bei der Abfassung von Gesetzen mit bestimmen sollte.
Wir sind der Überzeugung, daß das, was damals im Rechtsausschuß mit überwiegender Mehrheit, auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, vertreten worden ist, tatsächlich besser ist als das, was jetzt hinterher in einsamen Fraktionssitzungen von Ihnen beraten und beschlossen worden ist.
Wir werden daher sowohl den Änderungsantrag der SPD als auch den Antrag der CDU auf Änderung der Ausschußvorlage ablehnen.
Das Wort wird nicht mehr begehrt.Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 447. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Ich lasse nunmehr abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 452 Ziffer 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehr-
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Vizepräsident Dr. Jaegerheit; bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Damit ist ,die Nr. 19 neu gefaßt worden.Ich rufe nunmehr Nr. 20 auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Nr. 20 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich rufe Nr. 21 auf, dazu den Antrag Umdruck 445 der Fraktion der SPD Buchstabe f) und den Antrag Umdruck 452 der Fraktion der CDU/CSU Ziffer 4.Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es gibt niemanden im Saale, der nicht die Schutzbedürftigkeit der Haushaltsangehörigen des Mieters für dann am stärksten gegeben hält, wenn der Haushaltsvorstand gestorben ist. Wir glauben, daß hier das größte Schutzbedürfnis besteht. Deshalb hat der Wohnungsbauausschuß — ich glaube, einstimmig — eine etwas andere Fassung als der Rechtsausschuß gewählt. Wir waren außerordentlich dankbar, daß der Rechtsausschuß bereits von sich aus den § 556 a als für diesen Fall für anwendbar erklärt hat. So steht es jedenfalls in der Vorlage des Rechtsausschusses.
Dagegen scheint bezüglich der Kündigungsfristen für den Todesfall ein Mißverständnis entstanden zu sein, und zwar insofern, als bei länger bestehenden Mietverhältnissen, also bei Mietverhältnissen, die beispielsweise über zehn Jahre bestehen, im Vorschlag des Rechtsausschusses nicht mehr die Kündigungsfrist von einem Jahr — wie in § 565 Abs. 2 —, sondern eine verkürzte Kündigungsfrist, die dort als „gesetzliche" bezeichnet wurde — und darin bestand wohl das Mißverständnis —, gewählt worden ist, nämlich eine dreimonatige Kündigungsfrist.
Wir glauben — und das haben wir auch mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus dem Rechtsausausschuß eingehend in der Fraktion besprochen —, daß das nicht vertretbar ist und daß dieses Mißverständnis ausgeräumt werden müsse. Es ergibt sich dabei aber folgende Schwierigkeit. Es kann natürlich bei den im Haushalt verbliebenen Angehörigen des Verstorbenen auf Grund der ganzen Verhältnisse und der Personen der Fall eintreten, daß in ihrer Person ein „wichtiger Grund" liegen kann, der den Vermieter veranlaßt, insbesondere bei Mietverhältnissen auf bestimmte Zeit, vorzeitig zu kündigen. Wir müssen daher für diesen Fall dem Vermieter einer verkürzte Kündigungsfrist zugestehen, wenn ein „wichtiger Grund" in der Person liegt, den ich nicht besonders erörtern muß.
Wir haben daher den Änderungsantrag auf Umdruck 452 eingebracht. Wir bitten auch die SPD — weil sie unseren Antrag vielleicht nicht kannte —, ihren Antrag zurückzustellen; denn wir glauben, daß unser Antrag die Verhältnisse noch etwas besser regelt. Er ermöglicht auch in solchen Fällen die Anwendung der Sozialklausel, was der Regierungsentwurf ja nicht vorsah, und er ermöglicht damit dem Richter, in Zusammenhang mit § 308 der Zivilprozeßordnung unter Umständen auch bei einem
solchen wichtigen Grund umgestaltend auf das Mietverhältnis einzuwirken.
Ich glaube, niemand im Saal wird die Berechtigung des Anliegens, das nur infolge von Mißverständnissen anders gefaßt worden ist, verneinen. Ich bitte daher um Annahme unseres Antrages.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für unseren Antrag gilt dasselbe, was ich vorhin in Verbindung mit dem inzwischen von der CDU/CSU eingebrachten Antrag gesagt habe, der ebenfalls § 569 a Abs. 5 betrifft. Nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Czaja und nach Prüfung des Vorschlages ziehen wir unseren Antrag zurück.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Czaja, ich muß Sie enttäuschen. Sie haben gemeint, niemand könne Ihren Ausführungen widerstehen. Wir Freien Demokraten tun es, und zwar aus folgendem Grund. Ich habe mir die Formulierungen sehr sorgfältig angesehen und möchte doch noch auf den Grundgedanken des § 569 a hinweisen. Es ist nicht nur zugunsten dés Ehegatten, sondern aller Familienangehörigen, einerlei welchen Verwandtschaftsgrades, die in einem gemeinsamen Hausstand leben, vorgesehen, daß das Mietverhältnis kraft Gesetzes übergeht. Das geht außerordentlich weit. Bezüglich des Ehegatten ist das ohne weiteres berechtigt. Aber, Herr Kollege Czaja, Sie sind in Wohnungssachen selber viel zu erfahren, als daß Sie nicht wüßten, daß der Übergang auf Kinder, Kindeskinder, Neffen, Nichten usw. eine sehr umstrittene Sache ist und für den Vermieter manchmal außerordentlich große Härten mit sich bringt.Wenn Sie jetzt von der Ausschußvorlage abweichen, schaffen Sie wieder neue Schwierigkeiten für die Handhabung des Gesetzes. Sie wissen aus den Erfahrungen mit den Bestimmungen des Mieterschutzgesetzes, daß die Fassung „wenn ein wichtiger Grund vorliegt" natürlich sehr allgemein ist und — das ist menschlich und kann gar nicht anders sein — eine sehr subjektive Auslegung durch den Richter Platz greift. Wir sind ,der Auffassung, daß mancher Prozeß vermieden wird, wenn es bezüglich des Abs. 5 bei der jetzigen Formulierung .des Rechtsausschusses bleibt, wenn auf die gesetzlichen Fristen abgestellt wird. Die vom Rechtsausschuß noch vorgesehene Einfügung der Sozialklausel ist außerdem auch ein ganz, ganz großes Entgegenkommen gegenüber den Familienangehörigen. Wir sollten hier nicht noch die Einschränkung hineinbringen, daß bei den Familienangehörigen ein wichtiger Grund vorliegen müsse, damit die Kündigung erfolgen könne. Deswegen werden wir Freien Demokraten
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6046 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964
Frau Dr. Diemer-Nicolausfür .die nach unserer Auffassung klarere Formulierung des Rechtsausschusses, der auch noch die Sozialklausel eingefügt hat, stimmen; wir halten die Fassung des Rechtsausschusses für eine Verbesserung.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich stelle zunächst fest, daß der Umdruck 445 — Änderungsantrag der Fraktion der SPD —. bezüglich des Buchstabens f zurückgezogen ist. Ich habe nur noch über den Umdruck 452 — Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU — zu Ziff. 4 abstimmen zu lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei Gegenstimmen rechts angenommen.
Ich lasse über Nr. 21 — Ausschußfassung — mit der soeben beschlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
— Wenn Sie wünschen: Enthaltungen? — Bei Enthaltungen rechts und links.
Ich lasse nunmehr über Art. I mit den verschiedenen Änderungen, die wir vorhin beschlossen haben, abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich komme nunmehr zu Art. II Ziff. 01. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich komme zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 444. Sollen die Buchstaben a, b, c, d und e gemeinsam begründet werden? — Herr Dr. Reischl.
— Gut.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde der Anregung des Herrn Präsidenten folgen und die Änderungen unter a, b und c betreffend die Nrn. 1, 2 und 4 der Vorlage zusammen begründen.Zunächst zu Buchstaben a: Die Regierungsvorlage ging von der richtigen Erkenntnis aus, daß eine Klage auf zukünftige Räumung bei Mietverträgen über Wohnräume unerträglich ist. Sie hat deshalb die Wohnräume aus § 257 ZPO mit der Folge herausgenommen, daß für diese nur der § 259 ZPO gelten sollte. Hiernach wäre eine Klage auf zukünftige Räumung von Wohnraum nur dann zulässig, wenn die Besorgnis gerechtfertigt wäre, daß sich der Mieter der rechtzeitigen Räumung entziehen werde. Das Vorliegen dieser Voraussetzung müßte der Vermieter als Kläger beweisen. Das war eine in sich geschlossene Konzeption, der ich, um mich ganz vorsichtig auszudrücken, immerhin das Zeugnis ausstellen möchte, daß sie von einem Hauch sozialen Mietrechts umweht war.Die Mehrheit des Rechtsausschusses, und zwar die aus den Regierungsparteien bestehende Mehrheit, hat hier die gute Vorlage ihrer Regierung sehr zum Nachteil des Mieters verschlechtert. Die Klage auf zukünftige Räumung, die jetzt also auch für Wohnräume zugelassen sein soll, kann nämlich die Sozialklausel des § 556 a BGB, das ohnehin recht dünne Recht des Mieters, praktisch illusorisch machen.Ich will ein Beispiel geben. Ich gehe von einem zehnjährigen Mietverhältnis, also einer einjährigen Kündigungsfrist aus. Die Kündigung kann bekanntlich ohne Begründung erfolgen. Der Mieter will sich nunmehr überlegen, ob er Widerspruch einlegen soll. Ob er es tut, hängt zu einem erheblichen Teil auch davon ab, ob er Aussicht hat, innerhalb der Kündigungsfrist, die also in dem Falle ein Jahr beträgt, eine andere Wohnung zu finden. Er macht sich also zunächst auf den Weg, um diese zu suchen. Er kann sich dies auch lange überlegen; denn nach § 556 a braucht er ja den Widerspruch erst drei Monate vor dem Ablauf der Kündigungsfrist einzulegen. Nun klagt der Vermieter vorher, weil er das nicht abwarten will. Ein Widerspruch ist nicht gekommen. Er will Klarheit schaffen. Er will also den Schwebezustand abkürzen. Dann muß der Mieter, wenn er nicht überhaupt von vornherein verurteilt werden will, vorzeitig Widerspruch einlegen, obwohl er, weil er noch gar nicht klären konnte, ob es für ihn eine unzumutbare Härte bedeutet, auszuziehen, seinen Widerspruch nicht richtig begründen kann. Er muß es aber jetzt tun. Er muß im Prozeß erwidern, um nicht von vornherein verurteilt zu werden. Ist er dann verurteilt, dann kann er keinen Widerspruch mehr einlegen; denn es steht dann bereits im voraus fest, daß er räumen muß. Der Kläger hat einen Titel, und der Mieter kann nun nur noch die ihm sonst gebotenen Möglichkeiten der Einräumung einer Räumungsfrist, die ja ausdrücklich vorgesehen ist, und später vielleicht den Vollstrekkungsschutz in Anspruch nehmen.Hier muß ich also sagen, daß durch die Beschlüsse des Rechtsausschusses eine an sich richtige Konzeption, und zwar ein entscheidender Teil der Konzeption der Regierungsvorlage zerschlagen worden ist. Ich sollte eigentlich annehmen, daß einer der beiden Herren Minister — ich denke dabei in erster Linie an den Bundeswohnungsbauminister, von dem immerhin bekannt ist, daß er vehement und mit Energie für seine Vorlagen eintritt — auf unsere Seite tritt und uns hilft, die Regierungsvorlage mit ihrer guten Konzeption wiederherzustellen. Viel Hoffnung, muß ich allerdings gestehen, habe ich nach den Erfahrungen vom heutigen Abend nicht. Es bleibt mir nur, Ihnen die Annahme unseres Antrages unter Buchstabe a auf Umdruck 444 zu empfehlen.Zu den Anträgen unter den Buchstaben b und c kann ich die Begründung zusammen und wesentlich kürzer geben. Hier dreht es sich nur darum, die
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Dr. ReischlFassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Also wiederum trete ich auf die Seite der Bundesregierung, um ihre Vorlage gegen die eigenen Parteien zu verteidigen.Hier geht es also darum, dem Gericht zu ermöglichen, auch ohne Antrag von Amts wegen die Räumungsfristen zu gewähren. Wer die Abwicklung von Prozessen bei Amtsgerichten von Großstädten, die schwer überlastet sind, kennt, der weiß, daß es da manchmal verhältnismäßig schnell gehen muß; und so kann es auch einmal vorkommen, daß eine dahin gehende Belehrung oder eine Erörterung dieser Frage vergessen wird. Es ist ja so, daß vor dem Amtsgericht die Parteien nicht durch Rechtsanwälte vertreten zu sein brauchen. Der oft unbeholfene Beklagte wird dann nicht darauf kommen, und in dem Eifer des Gefechts, wo ja in erster Linie ein Ausgleich versucht wird und wo versucht werden soll, zu einer Einigung, vielleicht zu einem Vergleich zu kommen, kann es unterbleiben, daß er auf diese Möglichkeit hingewiesen wird. Dann hat das Gericht wenigstens die Möglichkeit, ihm von Amts wegen diese Frist zu gewähren. Wenn Sie es aber bei dem Beschluß des Rechtsausschusses belassen, meine Damen und Herren, dann kann das Gericht das nicht mehr korrigieren. Es müßte dann die Verhandlung deswegen noch einmal aufnehmen.Ich bitte Sie also auch hier, die wesentlich bessere Regierungsvorlage wiederherzustellen und unseren Anträgen Umdruck 444 Buchstaben b und c zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion bitte ich Sie, die Änderungsanträge abzulehnen. Wir sehen keinen durchschlagenden Grund, von einer Regelung, die die Zivilprozeßordnung seit dem Jahre 1897 hat, abzuweichen. Wir sind der Meinung, daß gerade die nunmehr durch das soziale Mietrecht eingeführten langen Kündigungsfristen mit dem Widerspruchsrecht es erforderlich machen können, daß die Klärung der Rechtsverhältnisse alsbald erfolgt und daß deshalb die Klage auf künftige Räumung grundsätzlich zugelassen wird. Es ist ja nicht so, daß der Mieter davon überfallen würde, sondern in jedem Falle geht die Kündigung voraus, und der Mieter hat dann das Recht, seinerseits Widerspruch zu erheben. In diesem Widerspruchsverfahren wird sich durchweg schon eine Klärung des Verhältnisses ergeben. Infolgedessen besteht kein Grund, dann, wenn der Widerspruch etwa zurückgewiesen worden ist und der Mieter seinerseits keine Erklärung abgibt, eine Klage auf künftige Räumung nicht mehr zuzulassen.
Überdies ist, wie auch Herr Kollege Reischl schon hervorgehoben hat, durch die Hinzufügung des Abs. 1 a zu dem § 721 Vorsorge getroffen, daß der Mieter keinen Nachteil erleidet, sondern daß er diesen Antrag auch dann, wenn über eine Räumungsfrist nicht entschieden ist, noch zwei Wochen
vor dem Tage, an dem nach dem Urteil zu räumen ist, stellen kann.
Wir sind deshalb der Meinung, daß diese Bestimmungen auch im Rahmen des sozialen Mietrechts durchaus ihre Berechtigung haben und daß zu einer Änderung keine Veranlassung besteht, zumal durch die Einfügung der Kostenvorschrift des § 93 b, der wir soeben zugestimmt haben, auch hier wiederum Vorsorge getroffen ist, daß unnötige Klagen vermieden werden. Der Vermieter, der unnötigerweise klagt, bekommt nämlich eine echte Kostenstrafe, und die hat er dann auch verdient. Ebensowenig. sind wir der Meinung, daß man in dem § 308 von einem Grundsatz des Zivilprozesses, daß nämlich der Richter nicht über die Anträge der Parteien hinausgehen darf, abweichen sollte.
Im übrigen besteht gar kein erheblicher Unterschied zwischen der Regierungsvorlage und den Beschlüssen des Ausschusses. Auch in der Regierungsvorlage steht zwar, daß der Richter ohne Antrag berechtigt ist, auszusprechen, für welche Dauer und unter welchen Änderungen der Vertrag über das Mietverhältnis fortgesetzt wird, aber es heißt dann weiter: Vor dem Ausspruch sind die Parteien zu hören. Das ist eine zwingende Vorschrift. Der Ausschuß schlägt ihnen vor, daß auf Antrag 'die Folge auszusprechen ist, für welche Dauer oder unter welchen Änderungen das Mietverhältnis fortgesetzt wird. Der § 139 der Zivilprozeßordnung zwingt den Richter nunmehr, in diesem Falle seinerseits, genau wie er nach der Regierungsvorlage die Parteien hören muß, sie darauf hinzuweisen und darauf hinzuwirken, daß sie einen entsprechenden Antrag stellen. Er muß also diesen Antrag mit ihnen erörtern. Das steht jetzt schon in der Zivilprozeßordnung. Infolgedessen sollten wir nicht ohne Not von einer schon seit 1879 bestehenden Fassung der Zivilprozeßordnung abweichen.
Wir bitten deshalb, die Anträge der SPD abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung kann sich natürlich dem ständigen Liebeswerben der Opposition, Stellung zu nehmen, nicht entziehen. Ich muß auch sagen, daß ich in diesen drei Punkten die Regierungsvorlage nach wie vor verteidige. Denn wenn wir vorhin festgestellt haben, daß eine Regierungsvorlage durchaus verbesserungsfähig ist und dann nicht in ihrer alten Fassung verteidigt wenden muß, so ist es andererseits auch nicht so, daß eine Regierungsvorlage dadurch schlechter würde, daß sich die Opposition später zu ihr bekennt.
— Einigen wir uns auf „abfinden".Ich brauche also dem, was Herr Kollege Reischl zu § 257 gesagt hat, nicht mehr viel hinzuzufügen.
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Bundesminister Dr. BucherNur noch ein Gesichtspunkt: Wenn der Mieter, veranlaßt durch die Klage auf künftige Räumung, langeZeit vor dem Termin der Beendigung des Mietverhältnisses dessen Fortsetzung verlangt, so könnteder Richter, der über die Räumungsklage zu entscheiden hat, nur vorausschauend prüfen, ob imZeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses dieVoraussetzungen für eine ,Fortsetzung nach § 556 agegeben sein werden. Läßt sich aber der Mieternicht durch die Klage auf künftige Räumung verschon alsbald ,die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen, so würde zunächst Urteilauf künftige Räumung ergehen. Endgültige Klarheithätte der Vermieter damit aber nicht; denn demMieter bleibt es ja unbenommen, bis drei Monatevor Beendigung des Mietverhältnisses die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen unddaraufhin durch eine Vollstreckungsgegenklage dieWirkung des Räumungsurteils zu beseitigen. Manmuß also damit rechnen, daß dann zwei Prozesseaufeinanderfolgen, und das erscheint unerwünscht.Demgegenüber glauben wir tatsächlich, daß die im § 259 geltenden Rechts enthaltene Vorschrift genügt, daß Klage auf künftige Räumung dann möglich ist, wenn die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß der Mieter nicht rechtzeitig räumen werde.Zu den anderen beiden Anträgen brauche ich nicht mehr viel zu sagen. Ich glaube tatsächlich auch, daß es oft schwierig sein wird, einem Rechtsunkundigen klarzumachen, daß er hier Anträge zu stellen hat. In dem Falle des § 308 a und insbesondere des § 721 stellt man immer wieder fest, daß bei Parteien, die nicht von Anwälten vertreten sind, der Eindruck besteht, daß man, wenn man einen Hilfsantrag auf Räumungsfrist stelle, damit selber zugebe, daß man seinen Hauptantrag nicht für .begründet halte. Diese Auffassung ist weit verbreitet. Ich glaube deshalb, daß es kein Schaden wäre, wenn man es bei der Regierungsvorlage beließe, nach der auch ohne Antrag diese Räumungsfrist usw. auszusprechen ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich wollte für die Wiederherstellung der Regierungsvorlage plädieren. Da der Herr Justizminister das in so hervorragender Form getan hat, kann ich auf weitere Begründungen verzichten. Meine Meinung ist, daß man hier nicht durch irgendwelche Manipulationen auch nur den Anschein erwecken sollte, als wenn das soziale Mietrecht überspielt werden könnte. Ich bitte also auch darum, die Regierungsvorlage in den genannten Punkten wiederherzustellen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren Kollegen! Ich will Ihnen offen gestehen: die Ausführungen, die Herr Minister Bucher vorhin zu § 257 gemacht hat, haben mich und, ich glaube, auch meine politischen Freunde überzeugt.
— Nein, Herr Kollege: „überzeugt", habe ich gesagt. Diese Ausführungen waren nämlich bisher noch nicht gemacht worden. Das, was bisher zu diesem § 257 gesagt worden ist, hätte ich nicht als ausreichend angesehen.
Wir werden also insoweit dem Antrag der SPD zustimmen und uns für die Wiederherstellung der Regierungsvorlage aussprechen.
Dagegen glauben wir gleiches nicht tun zu können bezüglich des § 308 a.
Wenn § 257 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt wird, wäre natürlich die Folge, daß wir in § 721 den im Rechtsausschuß eingefügten Absatz nicht mehr nötig hätten, so daß wir dann auch in diesem Punkte Ihrem Antrag würden zustimmen können.
Ich darf zusammenfassen. Wir stimmen dem Antrag zu, Nr. 1 die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wir lehnen den Antrag ab, in Nr. 2 die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wir stimmen dem Antrag zu, in Nr. 4 die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 444 Buchstabe a), in Nr. 1 in § 257 die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 444 Buchstabe b), in Nr. 2 in § 308 a) Abs. 1 die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Begründung und Aussprache sind schon erfolgt. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.Zu Nr. 3 liegt kein Änderungsantrag vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.Zu Nr. 4 liegen Änderungsanträge unter Buchstabe c) und Buchstabe d) des Umdrucks 444 vor. Der Antrag unter Buchstabe c) ist bereits begründet. Wird der Antrag unter Buchstabe d) noch begründet? —
Sie wollen zunächst über Buchstabe c) abstimmen lassen. — Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 444 Buchstabe c) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
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Vizepräsident Dr. JaegerIst zu Buchstabe d) noch etwas zu bemerken? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 444 Buchstabe d), in Nr. 4 in § 721 Abs. 3 Satz 1 das Wort „darf" durch „soll" zu ersetzen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt.Wir stimmen ab über Nr. 4 in der Ausschußfassung mit der beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.Nr. 5! Hierzu liegt der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 444 Buchstabe e) vor, in § 794 a Abs. 3 Satz 1 das Wort „darf" durch „soll" zu ersetzen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ichbitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; abgelehnt.Ich lasse über Nr. 5 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.Ich lasse nunmehr abstimmen über den gesamten Artikel II in der Ausschußfassung mit den beschlossenen Änderungen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 30. April, 9 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.