Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Zu der in der Fragestunde der 110. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. Februar 1964 gestellten Frage des Abgeordneten Schmidt Nr. V/1 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Dahlgrün vom 5. Februar 1964 eingegangen. Sie lautet:
Bereits am 24. Januar 1963 hat die FDP-Fraktion einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Abschreibung der Baulandsteuer zum Gegenstand hat . Unter diesen Umständen brauchte sich die Bundesregierung über die Vorlage eines eigenen Gesetzentwurfs nicht mehr schlüssig zu werden.
Der Initiativantrag der FDP-Fraktion ist vom Bundestag am 13. März 1963 in erster Lesung dem Finanzausschuß als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung als mitberatendem Ausschuß überwiesen worden. Dem Vernehmen nach ist eine beschleunigte Beratung vorgesehen.
Ich rufe auf den einzigen Punkt der Tagesordnung:
Fragestunde .
Wir beginnen mit der Frage V/6 auf Drucksache IV/1884 — des Abgeordneten Glüsing —.
Wie hoch ist die Lastenausgleichssumme, die die deutsche Landwirtschaft jährlich zu zahlen hat?
Bitte, Herr Minister!
Die Frage des Herrn Abgeordneten Glüsing beantworte ich wie folgt. Das Aufkommen an Lastenausgleichsabgaben läßt nicht erkennen, wieviel davon auf die Landwirtschaft entfällt. Anschreibungen darüber bestehen nicht, so daß nur eine Schätzung möglich ist. Nach den hier vorhandenen Unterlagen kann das Aufkommen der Landwirtschaft mit etwa 180 Millionen DM jährlich angenommen werden. Von diesem Betrag entfallen 130 Millionen DM auf die Vermögensabgabe und 50 Millionen DM auf die Hypothekengewinnabgabe. In der Anlage I zum Grünen Plan 1963 ist das Aufkommen der Landwirtschaft an Lastenausgleichsabgaben von dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für das Wirtschaftsjahr 1962/63 auf 173 Millionen DM geschätzt worden.
Ich rufe auf die Frage V/7 — des Abgeordneten Glüsing —.
Teilt die Bundesregierung den Standpunkt, daß der Lastenausgleich, den die deutsche Landwirtschaft zu zahlen hat, im Vergleich mit den anderen Mitgliedsländern der EWG praktisch einer Sondersteuer gleichkommt und damit eine echte Wettbewerbsverzerrung darstellt?
Bitte, Herr Minister!
Aus der Tatsache, daß die in der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Lastenausgleichsabgaben in den EWG-Staaten keine Parallelen haben, kann allein nicht gefolgert werden, daß die Lastenausgleichsabgaben praktisch einer Sondersteuer gleichkommen und damit eine echte Wettbewerbsverzerrung darstellen. Da die in den jeweiligen Ländern bestehenden Steuersysteme in ihrer Struktur und in ihren Belastungswirkungen mehr oder weniger unterschiedlich sind, kann man beim internationalen Vergleich eigentlich nicht von Sondersteuern sprechen. Um ein zutreffendes Bild der Belastungsverhältnisse und der damit zusammenhängenden Wettbewerbsunterschiede zu erhalten, müßte untersucht werden, wie hoch die gesamte Steuerzahllast der in- und ausländischen Landwirtschaft unter Einbeziehung der aus den öffentlichen Haushalten gewährten Subventionen und der Preisstützungsmaßnahmen wirklich ist. Belastungsvergleiche dieser Art sind aber wegen des nicht ausreichenden statistischen Materials äußerst schwierig. Sie sind zudem unbefriedigend, weil es letztlich nicht auf die Zahllast, sondern auf die zu tragenden, also auf die nicht überwälzten Belastungen ankommt; diese aber lassen sich wegen der Undurchsichtigkeit der Überwälzungsvorgänge nicht berechnen.
Trotz dieser Schwierigkeiten bemüht sich zur Zeit die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit Hilfe von Sachverständigen der Mitgliedsländer um eine bessere Durchleuchtung der Steuerbelastungsverhältnisse für die Landwirtschaft innerhalb der EWG.
Ich rufe auf die Frage V/8 — des Abgeordneten Glüsing —.Ist die Bundesregierung bereit, im Zuge der Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EWG den Lastenausgleich der deutschen Landwirtschaft aus allgemeinen Etatsmitteln dem Lastenausgleichsfonds zuzuführen, damit dieser Fonds absolut nicht geschmälert wird?Bitte, Herr Minister!
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5126 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1964
Abgesehen von der offenen Frage, ob der Lastenausgleich eine Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EWG darstellt, würde die vollständige Befreiung der Landwirtschaft von den Lastenausgleichsabgaben dem Sinn und Zweck des Lastenausgleichs widersprechen und gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen: Außerdem müßte mit Berufungen anderer Wirtschaftszweige gerechnet werden. Die Bundesregierung kann sich daher zur Übernahme der Lastenausgleichsabgaben der Landwirtschaft auf den Bundeshaushalt nicht bereit erklären. Darüber hinaus wäre die entstehende Haushaltsbelastung nicht tragbar.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, wäre es nicht dennoch einer ernsthaften Überlegung wert, da doch gerade der vor einigen Tagen vorgelegte Grüne Bericht ausweist, daß der Abstand in den Verdiensten der in der Landwirtschaft arbeitenden und verdienenden Menschen zu den Verdiensten der in der übrigen Wirtschaft Tätigen noch etwa 30 Punkte ausmacht, den Lastenausgleich von der deutschen Landwirtschaft zu nehmen und die entsprechenden Beträge dem Lastenausgleichsfonds aus Etatmitteln zuzuführen?
Herr Kollege Glüsing, ich möchte mit den Etatmitteln, von denen Sie gesprochen haben, beginnen. Ich wüßte nicht, wie ich einen solchen Betrag im Etat decken sollte. Außerdem sind die Bedenken gegen die Anregung, den bäuerlichen Lastenausgleich auf den Etat zu übernehmen, schon häufiger sehr gründlich geprüft worden.
Ich hatte erwähnt, daß eine Übernahme auf den Haushalt, also eine Entlastung der Landwirtschaft, gegen das Gebot der gleichmäßigen Besteuerung verstoßen würde. Es gibt noch eine Reihe von anderen, sehr schwerwiegenden Gründen, die ebenfalls gegen eine solche Maßnahme sprechen. Alle nach dem Kriege und nach der Zerstörung erhalten gebliebenen Vermögen mußten durch den Lastenausgleich belastet werden. Das trifft natürlich auch für die Landwirtschaft zu.
Bezüglich der Ertragslage innerhalb der Landwirtschaft sind zwei Gründe zu erwähnen, die gleichfalls gegen die von Ihnen angeregte Maßnahme sprechen. Zunächst: Man hat ganz bewußt den Lastenausgleich von der Ertragsfrage unabhängig gemacht. Sie werden mir zugeben, Herr Kollege Glüsing, daß das auch gar nicht anders möglich war, sonst hätten wir jedes Jahr nachprüfen müssen, ob ein Unternehmen, ob ein belastetes Grundstück einen Ertrag abgeworfen hat oder nicht. Ich glaube, daß die Durchführung des Lastenausgleichs dann unmöglich geworden wäre. Außerdem müssen Sie berücksichtigen, wenn Sie einmal theoretisch annehmen, der Lastenausgleich würde auf alle Schultern, nämlich auf den Haushalt übernommen, daß dann die Entlastung innerhalb der Landwirtschaft sehr unterschiedlich sein würde. Großen Betrieben wird es, wie ich glaube, häufig leichter fallen, diese Abgabe zu leisten, als kleineren Betrieben. Das würde innerhalb der Landwirtschaft, wie ich glaube, befürchten zu müssen, schwere Auseinandersetzungen zur Folge haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl!
Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß der Lastenausgleich für die deutsche Landwirtschaft im Zuge der Harmonisierung des EWG-Agrarmarktes eine Wettbewerbsverzerrung darstellt?
Ich hatte Herrn Kollegen Glüsing auf diese Frage bereits eine Antwort gegeben. Die Beantwortung der Frage, ob es eine Wettbewerbsverzerrung ist, hängt davon ab, wie die einzelnen Steuersysteme untereinander vergleichbar gemacht werden können. Ich hatte soeben gesagt, wie schwierig das ist, und hatte weiterhin gesagt, daß die EWG-Kommission trotz dieser Schwierigkeiten darangegangen ist, mit Hilfe von Sachverständigen in den einzelnen Ländern einmal Vergleiche vorzunehmen. Erst wenn die Ergebnisse solcher Vergleiche vorliegen, könnte ich diese Frage beantworten. Dabei stehe ich, Herr Kollege Ertl, nicht an, schon heute zu sagen, daß der Lastenausgleich natürlich eine Belastung für die deutsche Landwirtschaft ist, die es in anderen Ländern in dem Umfang voraussichtlich nicht geben wird. Das liegt daran, daß bei uns diese Zerstörungen angerichtet worden sind. Als wir den Lastenausgleich in diesem Hohen Hause beschlossen haben, haben wir alle die Verpflichtung gespürt, daß hier wegen der Vertreibung und all der anderen Folgen des schrecklichen Krieges ein Ausgleich stattfinden müsse.
Ich darf mir die Bemerkung erlauben, daß Zusatzfragen nicht in der Wiederholung vorher gestellter Fragen bestehen sollten. Wir kommen dann rascher zum Ziel.
Ich rufe nunmehr auf die Frage V/9 — des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling —:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die vom Bundesfinanzminister geplanten Steuersenkungen die volle Anpassung des seit März 1959 stagnierenden Kindergeldes an die mehr als 50 betragende Erhöhung der Durchschnittsbruttowochenverdienste der Industriearbeiter und des Sozialprodukts nicht gefährden dürfen?
Ich nehme an, Herr Kollege Dr. Wuermeling, Sie möchten, daß die Fragen einzeln beantwortet werden.
Bitte, Herr Bundesfinanzminister!
Die Frage V/9 — des Herrn Abgeordneten Wuermeling — beantworte ich wie folgt:Mit den in der Anfrage erwähnten Steuersenkungen ist die Anpassung des Steuerrechts an die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse beabsichtigt. Die im Mittelpunkt der vorgesehenen geplanten Steuerrechtsänderungen stehende Senkung des Ein-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1964 5127
Bundesminister Dr. Dahlgrünkommensteuertarifs soll die Steuermehrbelastungen mildern, die seit der letzten Tarifreform des Jahres 1958 durch die sogenannten „heimlichen Steuererhöhungen" vor allem für die unteren und mittleren Einkommen eingetreten sind, sowie besondere Härten im Tarifverlauf beseitigen. Eine solche Maßnahme, auf deren Notwendigkeit auch der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung hingewiesen hat, die auch von den Länderfinanzministern im Grundsatz anerkannt wird, entlastet besser als alle sogenannten gezielten Maßnahmen die breite Schicht derjenigen Staatsbürger, deren Steuerleistung dem Staate erst die Erfüllung seiner Aufgaben ermöglicht. Die beabsichtigte Steuersenkung sollte daher, obwohl sie den Verzicht auf einen bedeutenden Teil der ab 1965 erwarteten Steuermehreinnahmen bedeutet, nicht mit der Frage von Ausgabenerhöhungen, die notfalls durch Einsparungen an einer anderen Stelle des Haushaltes gedeckt werden müßten, verbunden werden. Selbstverständlich soll das Bundeskindergeld — ebenso wie andere Sozialleistungen — in einem angemessenen Verhältnis zu der Entwicklung des Sozialprodukts und zu den Lebenshaltungskosten stehen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, muß ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung nicht der Meinung ist, daß eine eindeutige Anpassung der Kindergeldleistungen an die seit 1959 eingetretene wirtschaftliche Entwicklung unbedingt geboten ist, d. h. also daß nach Ihrer Auffassung die Steuersenkungen vor den wichtigsten gesellschaftspolitischen Aufgaben Vorrang haben?
Ich beantworte die Frage mit Nein und weise darauf hin, daß nach der letzten Einkommensteuersenkung von 1958, die mit einer Anhebung der Kinderfreibeträge verbunden war — also eine Steuersenkungsmaßnahme verbunden mit einer Anhebung der Kinderfreibeträge — im Jahre 1962 die Kinderfreibeträge um 300 DM erhöht worden sind. Der Steuerausfall betrug damals 340 Millionen DM. Somit wird durch die jetzt vorgesehene Tarifkorrektur für alle Steuerbelasteten das nachgeholt, was für die Familien mit Kindern bereits 1962 geschehen ist.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen wirklich nicht bewußt, daß gerade die jetzt von Ihnen erläuterten Steuersenkungen dazu führen müßten, daß der Anteil am Steueraufkommen, den die Familien mit Kindern aufbringen, größer wird als bisher, weil nämlich diese weitgehend linearen Steuersenkungen den Familien oder Haushalten ohne Kinder wesentlich stärker zugute kommen als den Familien und den Haushalten mit Kindern? Ich weiß, daß Haushaltungen, die keine Steuern mehr bezahlen, keine zusätzliche Senkung bekommen können. Aber, Herr Finanzminister, wenn den anderen bei der ohnehin so schlechten Familienausgleichslage
etwas gegeben wird, muß dann nicht erst recht sichergestellt werden, daß für die Familien mit Kindern beim Kindergeld ein entsprechender Ausgleich erfolgt?
Herr Kollege Wuermeling, wenn Sie nicht einsehen wollen, was ich gesagt habe, kann ich es auch nicht ändern.
Ich habe gesagt: 1958 Steuersenkung einschließlich Anhebung der Kinderfreibeträge, 1962 eine erhebliche Anhebung der Kinderfreibeträge, mit einem Steuerausfall von 340 Millionen DM. Jetzt, meine ich, muß diese allgemeine Steuerkorrektur, die seit 1958 überfällig geworden ist, nachgeholt werden. Ich darf aber einmal darauf hinweisen, daß ein Arbeitnehmer mit drei Kindern rund 9400 DM, ein Arbeitnehmer mit vier Kindern 11 200 DM und ein Arbeitnehmer mit fünf Kindern 13 000 DM jährlichen Arbeitslohn steuerfrei hat.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß Einkommensbezieher mit Kindern diese Ermäßigung gar nicht voll in Anspruch nehmen können, weil ihr Einkommen die von Ihnen soeben genannten Sätze meist nicht erreicht?
Das ist mir bekannt, liegt aber in der heutigen Steuersystematik. Daran ist nichts zu ändern.
Herr Abgeordneter Stecker, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ich darf doch als bekannt voraussetzen, daß ein echter Familienlastenausgleich nicht nur durch die Steuergesetzgebung möglich ist und daß die kinderreiche Familie durch die sehr stark in die Preise eingegangenen Steuern vorweg. mit Steuern höher belastet ist als die kinderarme Familie
und daß das nur durch eine angemessene Erhöhung ides Kindergeldes ausgeglichen werden kann?
Herr Abgeordneter, das war keine Fragestellung, das war ein Plädoyer. — Herr Minister, Sie sind nicht gefragt worden. — Herr Stecker, noch die letzte Zusatzfrage.
Herr Präsident, ich darf mir vielleicht die Bemerkung erlauben — —
Nein, Sie haben sich keine Bemerkung zu erlauben gegen eine Entscheidung .des Präsidenten.
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5128 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1964
Ich wollte nur begründen, daß ich das doch als Frage angesehen habe.
Sie haben polemisiert gegen die Steuerpolitik der Bundesregierung, aber Sie haben nicht gefragt.
Darf ich dann jetzt eine Frage stellen?
Bitte, aber fragen Sie!
Herr Bundesminister der Finanzen, ist Ihnen der von mir aufgezeigte Tatbestand bekannt und erkennen Sie ihn als richtig an?
Ja. Aber zwischen Ändernwollen und Ändernkönnen, Herr Kollege Stecker, gibt es auch noch kleine Unterschiede.
Ich rufe auf die Frage V/10 —des Abgeordneten Dr. Wuermeling—:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die geplanten Steuersenkungen die Finanzierung des vom Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 18. Oktober 1963 ausdrücklich als vordringlich proklamierten Ausbaus des Familienlastenausgleichs (über die Anpassung hinaus) nicht unmöglich machen dürfen?
Die Frage V/10 des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling beantworte ich wie folgt. Daß die Bundesregierung für den weiteren Ausbau des Familienlastenausgleichs eintritt, zeigt der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurfeines Bundeskindergeldgesetzes. Danach wird der Bundeshaushalt künftig das gesamte Kindergeld mit einem finanziellen Volumen von jährlich fast 2 Milliarden DM zu tragen haben. Diese vom Bund zu erbringenden beträchtlichen Leistungen werden selbstverständlich durch die geplanten Steuersenkungen nicht in Frage gestellt. Im übrigen wird die Bundesregierung den eingeschlagenen Weg zum weiteren Ausbau des Familienlastenausgleichs nach Kräften fortsetzen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen nicht bewußt, daß die jetzige Fassung der Regierungsvorlage zum Bundeskindergeldgesetz nicht einmal die Anpassung des Kindergeldes an die Entwicklung, die notwendig wäre — nämlich 50 % auch beim dritten Kind —, ermöglicht? Wie können Sie jetzt bei der Beantwortung der Frage 10, mit der ich nach dem vom Herrn Bundeskanzler versprochenen Ausbau — das heißt doch wohl: dem realen Ausbau — des Familienlastensausgleichs frage, auf dieses Gesetz hinweisen, das nicht einmal eine Anpassung, geschweige denn einen Ausbau verwirklicht?
Ich halte es für absolut berechtigt, auf dieses Gesetz hinzuweisen.
Noch eine Zusatzfrage?
— Sie haben noch eine. — Bitte!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß der jetzige Zustand des Familienlastenausgleichs — Sie weisen jetzt auf dieses Gesetz als angeblich ausreichend hin — von prominentesten Stellen als geradezu katastrophal bezeichnet wird? Kennen Sie die Erklärung, die Herr Kultusminister Osterloh in Kiel abgegeben hat, daß in den letzten vier Jahren eine rasante Verschlechterung des Familienlastenausgleichs stattgefunden habe, daß sich die Situation der Familie mit Kindern bei steigender Prosperität unglaublich verschlechtert habe und daß diese Beobachtung den Verdacht erwecke, die Familienpolitik der Regierung habe ihre Konzeption verlassen und sei in der Stagnation oder durch völlig unzureichende Maßnahmen zu einer bloßen Politik der Konzession entartet? Können Sie diese Formel, die ich mir zu eigen mache, bestätigen?
Es wäre sehr liebenswürdig, Herr Kollege Dr. Wuermeling, wenn Sie dafür sorgen wollten, daß Herr Osterloh sich erstens einmal mit seinem Finanzminister und zweitens mit dem Bundesminister der Finanzen unterhält und ihnen diese Ausführungen vorträgt. Ich habe das von Herrn Osterloh noch nie gehört.
Ich darf sie Ihnen zuleiten!
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, eine Zusatzfrage.
Glauben Sie, Herr Minister, daß Sie als Adressat für die Anfrage des Kollegen Wuermeling „richtig sind",
nachdem die Bundesregierung ein so schlechtes Kindergeldgesetz vorgelegt hat und die Koalition bisher das Kindergeldgesetz aus dem Ausschuß nicht hat herauskommen lassen?
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, Fragen eines Abgeordneten dieses Hohen Hauses sind hier oben immer am richtigen Platze.
Herr Abgeordneter Kurlbaum!
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1964 5129
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß das, was bisher von Ihnen gesagt worden ist, die Rangordnung des Kindergeldes nicht richtig berücksichtigt? Glauben Sie z. B. nicht, daß ein Verfahren, bei dem die Vermögensteuer nicht mehr abzugsfähig wäre, besser wäre als der jetzige Zustand bezüglich der Familien mit vielen Kindern?
Herr Kollege Kurlbaum, ich weiß, was Sie mit dieser Frage meinen, .bin aber davon überzeugt,. daß Sie den Bogen für eine Fragestunde etwas zu weit spannen. Denn die Frage, ob die Vermögensteuer abzugsfähig sein soll oder nicht, ist ja von ungeheuer vielschichtiger wirtschafts- und steuerpolitischer Problematik, und Sie, Herr Kurlbaum, kennen sie genau. Aber ich glaube, daß man das hier nicht koppeln kann, und man sollte es auch nicht koppeln. Um die Frage der Vermögensteuer wird sich im Laufe der nächsten Jahre niemand in diesem Hause herumdrücken können. Einmal müssen wir uns mit dieser Frage endgültig befassen. Ich wäre Ihnen, Herr Kollege Kurlbaum, sehr dankbar, wenn Sie Ihren Einfluß, z. B. im Finanzausschuß des Bundestages, einsetzen wollten, damit das Bewertungsgesetz, das ich dem Parlament vorgelegt habe, möglichst bald verabschiedet werden kann.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß ich eigentlich nur nach der Rangordnung gefragt habe, unabhängig von speziellen Schwierigkeiten und Problemen der Ausgestaltung? Es kam mir nur darauf an, die Rangordnung im Verhältnis zur Familienentlastung herzustellen.
Keine Plädoyers, keine Selbstrechtfertigung!
Herr Kollege Kurlbaum, ich habe die Rangordnung wohl schon gesehen; aber wenn man Sach- und Fachgebiete in eine Rangordnung bringen will, müssen die Voraussetzungen dafür da sein, und die sind in diesem Fall noch nicht gegeben.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, eine letzte Zusatzfrage!
Da Sie immer der richtige Adressat sind, Herr Minister, frage ich: Ist es Ihnen heute bewußt geworden, daß zwischen den Worten einer Regierungserklärung und der Wirklichkeit, wie sie der Herr Kollege Wuermeling aufgezeigt hat, ein sehr wesentlicher Unterschied besteht?
Das kann man sagen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen; aber jedes Mitglied dieses Hohen Hauses ist ja nur dem Recht und dem Gewissen unterworfen.
Ich rufe auf die Frage V/11 — des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling —.
Wie vereinbart sich die mir vom Herrn Bundesfinanzminister in der Fragestunde am 6. November 1963 gegebene Zusicherung, daß in den Dringlichkeitsvorstellungen der Bundesregierung „die Familie nicht an letzter Stelle stehen wird", mit der 14 Tage danach bekanntgegebenen Haushaltsplanung der Bundesregierung, derzufolge gerade die damals von mir erörterte Anpassung des Kindergeldes an die Lohn- und Preisentwicklung erst nach sämtlichen anderen Anpassungen, also doch „an letzter Stelle" in Kraft treten soll?
Ich beantworte die Frage des Herrn Kollegen Wuermeling wie folgt:
Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß mit der von ihr im Entwurf eines Bundeskindergeldgesetzes vorgeschlagenen Regelung und den hierfür im Haushaltsplan 1964 eingestellten Mitteln das Bundeskindergeld die letzte Stelle innerhalb der Sozialleistungen des Bundes einnimmt. Vielmehr zeigen gerade die von mir soeben angeführten Zahlen, .daß der Bund alle Anstrengungen macht, um im Rahmen der Möglichkeiten des Bundeshaushalts den Familienlastenausgleich zu fördern.
Zusatzfrage!
Herr Minister, erinnern Sie sich nicht, daß wir in der Fragestunde am 6. November, auf die ich Bezug genommen habe, genau die zeitliche Rangfolge des Inkrafttretens der Verbesserungen — a) Weihnachtsgeld für Beamte, b) Kriegsopfer und c) Kindergeld — erörtert haben und daß Sie mir in diesem Zusammenhang die ausdrückliche Zusicherung gegeben haben, daß die Familie — sprich: das Kindergeld — nicht an letzter Stelle stehen werde? Geht es hier nicht eindeutig um eine zeitliche Rangfolge, nach der ich gefragt hatte und die Sie bejaht hatten — nämlich die Familien nicht zuletzt —, und hat nicht die Bundesregierung 14 Tage später genau das Gegenteil bekanntgegeben, daß nämlich jetzt die Kindergeldgesetzgebung erst nach der Kriegsopferregelung in Kraft treten soll?
Herr Kollege Wuermeling, Sie machen es mit Ihren Zusatzfragen dem Bundesminister der Finanzen wirklich sehr schwer, Ihnen nicht mit der Schärfe zu antworten, die eigentlich notwendig wäre. Ich habe einen Haushaltsplan für das Jahr 1964 aufzustellen, und ich habe mich nicht zuletzt bei den Ausschüssen, in denen das Kindergeldgesetz liegt, erkundigt: Wann wird die Arbeit des Parlaments etwa so weit gediehen sein, daß das Kindergeldgesetz in Kraft treten kann? Da ist mir von allen Experten gesagt worden: Der 1. April 1964 ist ein reales Datum. — Ab. diesem Tage habe ich das Kindergeld berechnet .und eingestellt.Wenn ich Ihnen im November vor der endgültigen Festlegung des Haushaltsplans gesagt habe, daß ich die zeitliche Reihenfolge, die Sie mir vorgeschlagen oder die Sie sich gedacht haben, für richtig halte und auch berücksichtigen werde, so ändert das nichts daran, daß die Arbeit in den Ausschüssen des Par-
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5130 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1964
Bundesminister Dr. Dahlgrünlaments Verschiebungen und Verzögerungen erlitten hat, und dafür bin ich nicht verantwortlich.
Ihre letzte Zusatzfrage!
Herr Minister, wenn mich die Antwort nach dieser Richtung hin auch in keiner Weise befriedigen kann, so darf ich doch eine Zusatzfrage zu Ihrer anderen Bemerkung wegen der angeblichen Härte — oder wie Sie es nannten — meiner Fragen stellen, nämlich ob Sie sich damit von dem hier im Bundestag vertretenen Prinzip distanzieren, das Ihr Fraktionskollege Dr. Emde wie folgt formuliert hat:
Jede Partei in diesem Hause hat die Pflicht, — auch jeder Abgeordnete —
sich als Partner und damit als ein Gegenüber der Regierung zu empfinden, einer Regierung, die sie kontrolliert, gleichgültig, ob sich die Fraktion dabei im Rahmen der Regierungskoalition ... fühlt oder ob sie als oppositionelle Partei der Regierung gegenübersteht. Eine Regierungspartei ist mehr als die Hilfstruppe ihres Kabinetts. Es kann unter keinen Umständen ihre Aufgabe sein, im Sinne der klassischen Tragödie sich als Chor zu empfinden ...
Ich stimme meinem Kollegen Dr. Emde hundertprozentig zu. Die Bemerkung, die ich gemacht habe, richtete sich — ich bitte um Entschuldigung — gegen Sie persönlich.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Behrendt.
Herr Minister, zu Ihrer Bemerkung über das Inkrafttreten des Kindergeldgesetzes: Ist Ihnen bekannt, daß der federführende Ausschuß für Arbeit die Beratungen bereits am 8. Oktober 1963 abgeschlossen hat, das Kindergeldgesetz also bereits vor dem 1. April hätte in Kraft treten können? Und haben Sie auch Experten der Opposition befragt?
Jawohl. Gerade auf die letzte Bemerkung darf ich sagen: ich habe mich allgemein danach erkundigt, wann es soweit sein könnte, auch bei den Herren im Ausschuß.
Zusatzfrage, Abgeordneter Gerlach.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß ursprünglich das Gesetz im federführenden Ausschuß bereits im Juni 1963 zur Verabschiedung reif war und nach dem Antrag, der von der Mehrheit des Ausschusses abgelehnt wurde, am 1. 7. 1963 hätte in Kraft treten können?
Alle diese Termine haben bei meinen Unterhaltungen über die Frage, was ich in den Haushalt einzustellen hatte, eine Rolle gespielt.
Noch eine Zusatzfrage.
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß in der Regierungsvorlage des Bundeskindergeldgesetzes vorgesehen war, die bei einem Inkrafttreten am 1. '7. 1963 erforderlichen Beträge bereits in den Nachtragshaushalt mit einzustellen?
In der Regierungsvorlage stand der 1. 7. 1963; das kann jeder nachlesen. Ich habe mich bei der Aufstellung des Etats danach zu richten, wieweit die Arbeiten an einem Gesetz gediehen sind. Ich konnte mich nicht in die Situation bringen lassen, vor der ich im vorigen Jahr stand, als mir der Bundesrat alles herausgestrichen hat, was noch nicht gesetzlich fundiert war.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dürr.
Herr Bundesfinanzminister, glauben Sie, daß Herr Kollege Dr. Wuermeling eine zweckmäßige Maßnahme zur Verbesserung des Familienlastenausgleichs ergreift, wenn er gegen den Bundesfinanzminister eine Fragestundenoffensive im wiederholten Rückfall einleitet?
Herr Abgeordneter Dürr, ich erkläre die Frage für unzulässig. Die Regierung hat keine Voten über das Verhalten von Abgeordneten abzugeben.
Das hat der Präsident zu tun, und er wird es tun, wenn er glaubt, daß es nötig ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eichelbaum.
Herr Bundesfinanzminister, sind Sie der Meinung, daß die Bundesregierung für die Verabschiedung der Vorlagen verantwortlich ist, oder ist es der Bundestag?
Verantwortlich für die Verabschiedung der Vorlagen sind der Bundestag und der Bundesrat.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Ausschußberatung über das Kindergeldgesetz bereits am B. Oktober 1963 abgeschlos-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1964 5131
Dr. Schäfersen war, also vor dem Zeitpunkt, zu dem Sie den Nachtragshaushalt aufgestellt haben?
Es ist sicher so gewesen.
Zweite Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hatten Sie dann nach Ihren eigenen Worten nicht Anlaß, nach dem Stand des Gesetzgebungsverfahrens um eine rechtzeitige Bereitstellung der Mittel besorgt zu sein?
Ich habe mich darüber informiert, mit welchem Termin für die rechtzeitige Bereitstellung der Mittel zu rechnen sein würde, und bin auf den 1. April 1964 abgekommen. Soweit ich es übersehen kann, wird das ja wohl auch stimmen.
Keine Zusatzfrage mehr. Wir hatten eine ganz interessante Kindergelddebatte.
Ob sie ganz in den Rahmen einer Fragestunde paßt, darüber kann man freilich verschiedener Meinung sein.
Wir kommen zu der Frage V/12 — des Abgeordneten Dr. Poepke —:
Billigt der Herr Bundesfinanzminister die Grundgedanken des Artikels „Die direkten und indirekten öffentlichen Leistungen für Familien mit Kindern" des Finanzberichtes 1964, insbesondere die der Einleitung auf Seite 147?
Die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Poepke beantworte ich wie folgt.
Ich billige die Grundgedanken des von Herrn Kollegen Dr. Poepke in der Frage erwähnten Aufsatzes im Finanzbericht 1964, auch die der Einleitung. Damit glaube ich mich in Übereinstimmung mit den Auffassungen des Bundesministeriums für Familien- und Jugendfragen zu befinden. Ich billige dagegen nicht die Äußerungen jener, die glauben, in den Zahlenübersichten eine Tendenz feststellen zu können.
Eine Zusatzfage.
Herr Bundesminister, sind Sie also der Auffassung, daß Kosten von Eheberatungen bei Leuten, die eine Ehe eingehen wollen, den Familien mit Kindern zugerechnet werden können?
Ich habe, Herr Kollege Dr. Poepke, auch wenn Sie so fragen, Ihnen darauf nur zu sagen: Der Wunsch und der Wille des Finanzberichts sind es gewesen, eine allgemeine, weitgespannte Übersicht über das zu geben, was für Ausbildung, für Kinder und ... und ... und ... von der Bundesrepublik im Haushalt geleistet wird. Damit ist keinerlei Kritik oder Wertung der Ausgaben für Familien mit Kindern im engeren Sinne beabsichtigt gewesen.
Zusatzfrage Dr. Wuermeling. •
Herr Minister, wenn Sie, wie Sie soeben sagten, in den Grundgedanken dieses Finanzberichts sich in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesfamilienminister befinden, wie erklären Sie sich denn dann die Äußerung des Bundesfamilienministers, die nach Veröffentlichung dieses Berichts erfolgte, daß dem Bundesfinanzministerium eine böse Entgleisung passiert sei, daß in diesem Bericht groteskerweise auch die Haushaltsmittel für den Sport dem Familienausgleich zugezählt seien und daß diese Übersicht so unkorrekt auf eine hohe Gesamtleistung zurechtfrisiert sei, daß man es der Öffentlichkeit kaum übelnehmen könne, wenn sie die Frage stelle, wo das hinauswolle? Wie paßt dazu Ihre Bemerkung, daß die Grundgedanken sich im Einvernehmen mit dem Familienministerium befänden?
Es tut mir außerordentlich leid, Herr Kollege, daß ich Sie nicht umgekehrt befragen kann, wer eigentlich hinter dieser Äußerung steckt.
Ich habe Herrn Kollegen Dr. Heck, das darf ich, sein Einverständnis voraussetzend, hier erklären, einen langen Brief auf seine Kritik hin geschrieben, der bis zum heutigen Tage nicht beantwortet ist. Ich nehme an, daß Herr Kollege Dr. Heck, mit dem mich eine ausgezeichnete Zusammenarbeit verbindet, sehr sorgfältig prüfen wird, ob er nicht unter dem ersten Eindruck, der ihm vermittelt worden ist, vielleicht etwas nicht ganz Richtiges gesagt haben könnte.
Herr Minister, sind Sie nach der Unterstellung, die Sie mir gemacht haben, daß ich der Initiator der Äußerung des Herrn Dr. Heck sei, bereit, meine ehrenwörtliche Erklärung entgegenzunehmen, daß ich mit Herrn Dr. Heck vor dessen Äußerung über den Finanzbericht in keiner Weise Fühlung genommen habe, sondern daß wir beide spontan über den Unfug erbost waren, der hier passiert ist?
Ich weigere mich, auf diese Frage zu antworten.
Frage V/13 — des Abgeordneten Dr. Poepke —:Anerkennt der Herr Bundesfinanzminister die Höhe der im Finanzbericht 1964 bezeichneten öffentlichen Leistungen für Familien mit Kindern, deren Summe auf Seite 158 mit 24 380 Millionen DM beziffert wird?
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5132 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1964
Ich habe in meiner Antwort auf eine entsprechende Frage ides Herrn Kollegen Dr. Wuermeling am 23. Januar 1964 schon gesagt, daß es mir darum ging, im Sinne einer Bestandsaufnahme einen Gesamtüberblick über alle öffentlichen Leistungen zu geben, die zugunsten der Familien mit Kindern bis zu deren Eintritt in das Erwerbsleben getätigt werden. Der im Finanzbericht 1964 genannte Gesamtbetrag der öffentlichen Leistungen in Höhe von rd. 24 Milliarden DM ist der über die öffentliche Hand finanzierte Teil der sogenannten Kinderlast, die — unbeschadet der Tatsache, daß die Familien zur Finanzierung dieser Kosten über ihre Steuerleistung selber beitragen — von der Volkswirtschaft als Ganzem aufzubringen ist. Mit dieser Zahlenübersicht sollte keineswegs nachgewiesen werden, daß die öffentliche Hand bereits genug für die Familien mit Kindern getan hätte. Andererseits widerlegen aber die Tatsachen auch, um mit Herrn Ministerialdirektor Dr. Simon aus dem Familienministerium zu sprechen, die oft gehörte emotionale Behauptung, in der Bundesrepublik wäre praktisch noch nichts gegen die Deklassierung der Mehrkinderfamilien geschehen.
Ich bin der Auffassung, daß stets die Gesamtheit der Hilfsmaßnahmen betrachtet werden muß, wenn vom Familienlastenausgleich gesprochen wird. Um aber .weitere Mißverständnisse zu vermeiden, empfehle ich, künftig zwischen dem Familienlastenausgleich im engeren Sinne, dem man das Kindergeld und die Kinderzuschläge sowie die Steuerermäßigungen zurechnen könnte, und dem Familienlastenausgleich im weiteren Sinne zu unterscheiden, in den auch die Leistungen für die Erziehung und Ausbildung der jungen Generation, die Hilfen bei der Wohnraumbeschaffung, die Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und die angeführten allgemeinen Familienhilfen einzubeziehen wären.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie der Meinung sind, daß die Kosten, die für die Unterhaltung der Universitäten aufzubringen sind, den Aufwendungen für Familien mit Kindern zugerechnet werden müssen — dieses Haus muß für seine politische Haltung ja exakte Unter lagen haben —, wäre es dann nicht richtig und notwendig gewesen, alles das, was die Familien mit Kindern an direkten und vor allem an indirekten Steuern aufbringen, von dieser Summe abzuziehen?
Sie können das im Finanzbericht an anderer Stelle feststellen.
Letzte Zusatzfrage!
Darf ich annehmen, Herr Bundesfinanzminister, daß im kommenden Bericht die Situation so geklärt sein wird, daß wir uns darüber nicht mehr zu unterhalten brauchen?
Herr Kollege Dr. Poepke, ich halte die Situation für absolut klar. Ich habe nur den Eindruck, daß Sie sie nicht für klar halten. Die Übersicht über diese Belastungen ist in der Presse, in der Fachpresse wie in der allgemeinen Presse sehr begrüßt worden — wenn Sie wollen, schicke ich Ihnen die entsprechenden Presseäußerungen —, weil man endlich einmal gesehen hat, was wir alle als Steuerzahler für die Ausbildung der jungen Generation, also für den Familienlastenausgleich im weiteren Sinne, zu tun bereit sind.
Herr Abgeordneter Dr. Poepke, Sie haben schon zwei Zusatzfragen gehabt. Die Frage ist beantwortet.
Ich rufe die Frage V/14 — des Abgeordneten Bauer — auf:
Wie vielen Zollämtern im Bereich der Bundesrepublik droht für 1964 die Auflösung?
Herr Präsident, sind Sie einverstanden, wenn ich die Fragen 14 und 15 zusammen beantworte?
Ich bitte, beide Fragen zusammen zu beantworten. Frage V/15 — des Abgeordneten Bauer —:
Für wieviel Zollämter wird im Bereich der Oberfinanzdirektion Nürnberg eine Auflösung erwogen?
Es wird zur Zeit für etwa 20 Zollstellen im gesamten Bundesgebiet geprüft, ob ihr Fortbestehen noch vertretbar ist. Darunter befinden sich drei kleine Zollämter im Bereich der Oberfinanzdirektion Nürnberg.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, entspringt diese Tendenz zur Auflösung der Zollämter zollpolitischen Erwägungen, die im Rahmen der Situation in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geboten sind, oder reinen Einsparungsmaßnahmen?
Ich würde sagen: beide Gründe werden eine Rolle spielen. Es handelt sich — wenn ich das zusätzlich sagen darf — außer diesen Nürnberger Ämtern um kleinere Zollämter in den Bereichen Kiel, Hannover, Münster, Köln, Koblenz, Saarbrücken und München. Der Hauptgrund sind Rationalisierungsmaßnahmen.
Letzte Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, wird dabei auch berücksichtigt, daß die Bevölkerung im Verhältnis zu dem Betrag, der durch die Einspa-
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Bauer
rung von ein oder zwei Beamten gespart werden kann, erheblich höhere Beträge aufwenden muß, indem sie dann Anfahrten von einem halben oder einem ganzen Tag zu den gegebenen Zollämtern hat?
Herr Kollege, vor der Aufhebung eines Zollamtes wird den Landes- und Gemeindebehörden — das ist sehr wichtig —, den interessierten Wirtschaftskreisen und Fachverbänden und den zuständigen Industrie- und Handelskammern ausreichend Gelegenheit gegeben, zu den geplanten Maßnahmen Meinungsäußerungen abzugeben.
Das Bundesministerium der Finanzen als für die Aufhebung zuständige Stelle wägt in jedem einzelnen Falle die Interessen der Verwaltung und die. Interessen der Zollbeteiligten gegeneinander ab und prüft sorgfältig, ob für die Wirtschaft mit der Aufhebung eines Zollamtes nicht ungebührliche Erschwerungen verbunden sind oder einzelnen Zollbeteiligten künftig weitere Wege, höhere Kosten, längere Wartezeiten — also alles das, was Sie, Herr Kollege, mit der Frage meinten — zugemutet werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Memmel.
Herr Bundesfinanzminister, ist es richtig, daß die drei in Aussicht genommenen Zollämter der Oberfinanzdirektion Nürnberg — alle drei — ausgerechnet im Regierungsbezirk Unterfranken liegen und alle drei in dem Raum um Würzburg herum?
Das wird wahrscheinlich richtig sein. Es sind — ich bekomme gerade die Angaben — Ochsenfurt, Marktheidenfeld und Karlstadt. Herr Kollege Memmel, ich weiß, wie schwer so etwas in den kleinen Orten — mit Recht — genommen wird. Auf der anderen Seite denken Sie aber bitte auch einmal daran, daß von allen Seiten dem Staate vorgeworfen wird, er sei nicht sparsam, er handele nicht rationell. Wenn wir dann anfangen, Rationalisierungsmaßnahmen zu treffen, die unbedingt erforderlich sind, ist es natürlich eine schwierige Situation für die Betroffenen. Aber Sie können versichert sein: wir prüfen eine solche Entscheidung nach allen Seiten mit bestem Wissen und Gewissen.
Noch eine Frage.
Herr Bundesminister, ich kann natürlich nicht sagen: „Heiliger Sankt Florian, verschon' mein Haus, zünd andere an". Aber ich muß noch einmal fragen: warum sind alle drei im Bereich der Oberfinanzdirektion Nürnberg, alle drei ausgerechnet in einem Bezirk und ausgerechnet um eine Stadt herum?
Herr Kollege Memmel, es wäre vielleicht etwas billig, wenn ich sagte: dann hat man früher alle drei an einen falschen Platz gesetzt.
Herr Abgeordneter Memmel, Sie haben nicht mehr das Wort.
Eine weitere Zusatzfrage?
Herr Minister, nachdem Sie nun schon Namen genannt haben, darf ich Sie wohl bitten, mir zu sagen, welche Zollämter im Bereich der Oberfinanzdirektion Münster geschlossen werden sollen?
Ich bin bereit, Ihnen das auf Anfrage in den nächsten Tagen zu sagen. Ich habe die Angaben — die einzelnen Namen — aus den einzelnen beteiligten Oberfinanzdirektionen nicht mitgebracht.
Ich bin einverstanden, daß mir das schriftlich mitgeteilt wird.
Ich teile Ihnen das schriftlich mit, wobei ich nur sehr herzlich um folgendes bitte. Ich glaube, Sie sind alle damit einverstanden, daß wir rationalisieren und einsparen. Aber ich darf bei einer solchen Prüfung erst zu einem gewissen Zeitpunkt damit in die Öffentlichkeit gehen; sonst kommt die Maßnahme möglicherweise überhaupt nicht durch. Ich würde es Ihnen also vertraulich mitteilen.
Keine Zusatzfrage mehr, — bei so vielen Oberfinanzdirektionen . . .
Sicher werden die Landesregierungen und die sie tragenden Parteien froh sein, daß ihnen der Bund solche Entscheidungen abnimmt,
im Wege des negativen Subsidiaritätsprinzips.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, Frage VI/1 — des Abgeordneten Seibert —:
Trifft eine Meldung der „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 24. Dezember 1963 zu, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister kaum noch mit einer Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand rechne, sondern eher mit einer Verschärfung der Voraussetzungen für die Zulassung und den rechtsgültigen Bestand der Preisbindung?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf die Frage VI/1 des Herrn Abgeordneten Seibert wie folgt beantworten. Die Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" trifft mit der Einschränkung zu, daß Bundesminister Schmücker mit einer so fortigen Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand kaum noch rechnet. Diese Beurteilung der parlamentarischen Chancen des Regierungsvorschlags — im Kartellbericht der
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5134 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1964
Staatssekretär Dr. LangerBundesregierung niedergelegt —, hat sich inzwischen als realistisch erwiesen. Ich erlaube mir, auf den Stand der Beratungen im Wirtschaftsausschuß und im Mittelstandsausschuß zu verweisen.
Herr Staatssekretär, würde das bedeuten, daß die Bundesregierung ihren eigenen Standpunkt revidiert und sich dem Standpunkt der Ausschußmehrheit anschließt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wird nach Abschluß der Ausschußberatungen den Gesamtkomplex überprüfen und dann entscheiden, welchen Vorschlag sie unterbreiten wird. Aber selbstverständlich wird und muß die Bundesregierung dabei die Beratungsergebnisse mit in ihre Überlegungen einbeziehen.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die englische Regierung die Preisbindung der zweiten Hand als einen Verstoß gegen das öffentliche Interesse betrachtet und deshalb für die Aufhebung eintritt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir haben in unserem Kartellbericht einen Überblick über den Stand der Preisbindung in den Nachbarländern, auch in England und den Vereinigten Staaten, gegeben. Die Bundesregierung verfolgt gerade die jüngsten Beratungen, insbesondere in England, mit sehr großem Interesse.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Gewandt!
Herr Staatssekretär, ist es nicht eigentlich ,selbstverständlich, daß die Regierung die ,Mehrheitsbeschlüsse des Parlaments berücksichtigt und respektiert? Meinen Sie nicht auch, daß mit den Beschlüssen des Parlaments selbstverständlich eine Bindung der Regierung erfolgt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, hier liegt eine besondere Situation vor. Die Ausschüsse beraten einen Bericht und bilden sich eine Meinung über diesen Bericht und nicht 'über formulierte Vorschläge. Es ist in den Ausschußberatungen wohl ganz deutlich zum Ausdruck gebracht worden, daß die Bundesregierung die Meinungsäußerungen in den Ausschüssen, selbstverständlich insbesondere deren Mehrheitsentscheidung, berücksichtigen und in ihre Überlegungen einbeziehen muß. Aber es war bewußt auch nicht der Wunsch geäußert worden, daß hier schon abschließend über Formulierungen entschieden wird. Dementsprechend wird die Bundesregierung verfahren.
Ich rufe die ebenfalls von dem Abgeordneten Seibert gestellte Frage VI/2 auf:
Welche entscheidenden Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, neuerdings die in Frage VI/i geschilderte Haltung einzunehmen, nachdem sie im Kartellbericht vom 22. August 1962 eindeutig für die Beseitigung der Preisbindung eingetreten war und der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 18. Oktober 1963 ausdrücklich erklärte, die Bundesregierung sehe keine Veranlassung, in der Beurteilung der Preisbindung von dem Kartellbericht abzuweichen?
Dr. Langer', Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft; Es trifft zu, daß die Bundesregierung im Kartellbericht vom 22. August 1962 die Abschaffung der vertikalen Preisbindung vorgeschlagen hat. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 18. Oktober 1963 vor dem Hohen Haus erklärt, auch die neue Bundesregierung sehe keine Veranlassung, in 'der Beurteilung der Probleme der Preisbindung vom Kartellbericht abzuweichen. Die Bundesregierung steht auch heute hinter dem Kartellbericht. Herr Bundeswirtschaftsminister Schmücker hat das bei den Beratungen des Wirtschaftsausschusses in Berlin ausdrücklich erklärt.
Bei der Beratung des Kartellberichts im Wirtschaftsausschuß des Bundestages am 21. Februar 1963 und 'am 15. und 16. Januar 1964 wie auch im Ausschuß für Mittelstandsfragen am 23. Januar 1964 wurde jedoch deutlich, daß die sofortige Abschaffung des Preisbindungsprivilegs für Markenwaren vermutlich nicht 'die Zustimmung der parlamentarischen Mehrheit finden dürfte. Die vorerwähnten beiden Ausschüsse haben mit Bleichlautenden Beschlüssen — ich erlaube mir zu zitieren — „die Bundesregierung . . . beauftragt, bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung der Preisbindung der zweiten Hand Vorschläge zu unterbreiten, die es ermöglichen, aufgetretene Mißstände bei der Preisbindung auszuschließen".
Auch diese Frage
ist beantwortet.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Dr. Ramminger gestellte Frage VI/3 auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun gegen die stetig anwachsenden Einfuhren von Herrenwäsche und Strickbekleidung aus Hongkong, die zur Existenzbedrohung von Textilbetrieben und des Strickerhandwerks geworden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung steht mit der Regierung der Kronkolonie Hongkong in Verhandlungen, um die Einfuhr von gewissen Baumwolltextilien — Nachtwäsche und Frottierhandtücher — und gewirkter Oberbekleidung aus Wolle in geordnete Bahnen zu lenken. Es ist zu erwarten, daß die Verhandlungen, die am 17. Februar in Hongkong beginnen, noch in der zweiten Februarhälfte zu einem — hoffentlich befriedigenden — Abschluß geführt werden können.
Herr Staatssekretär, welche Gesichtspunkte waren dafür maßgebend, daß die Bundesrepublik bisher 83 % aller in die EWG aus Hongkong eingeführten Herrenhemden und 88 % aller in den Gemeinsamen Markt aus Hongkong eingeführten Nachtwäsche aufnimmt, während Frankreich und Italien z. B. als EWG-Partner so gut wie nichts übernehmen?
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, unsere hohen Einfuhrquoten kamen dadurch zustande, daß wir die Einfuhr gegenüber Hongkong liberalisiert hatten, während Frankreich ein anderes Verfahren — ich möchte seine GATT-Konformität nicht beurteilen — angewandt hat. Ich möchte aber darauf verweisen, daß sich die Bundesregierung sehr große Mühe gegeben hat — und zwar mit Erfolg —, im Rahmen des GATT zu dem Baumwoll-Textil-Abkommen zu gelangen. Wir haben auf Grund dieses Abkommens von der Ihnen bekannten Schutzklausel, zum Beispiel bei Herrenoberhemden aus Baumwolle, Gebrauch gemacht, die zu einer Besserung der Situation geführt hat.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gewandt.
Herr Staatssekretär, ist es im Grunde genommen nicht ein Widerspruch, wenn wir auf der einen Seite Wirtschaftshilfe leisten, damit Entwicklungsländer eigene Industrien entwickeln, und auf der anderen Seite immer dann, wenn diese Länder leistungsfähig sind, die Einfuhr reglementieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wenn es so wäre, dann wäre ich geneigt, es als einen Widerspruch zu bezeichnen. Ich glaube aber, daß die Hongkong-Textilimporte kein Problem der Entwicklungsländer im eigentlichen Wortsinn, sondern ein anderes Problem darstellen. Auch hier würde ich meinen, daß es bei der Gewährung von Entwicklungshilfe darauf ankommt, dort zu einer vernünftigen, ruhigen und sinnvollen wirtschaftlichen Entwicklung zu gelangen. Hongkong stellt jedoch, wie gesagt, ein Spezialproblem dar.
Zur letzten Zusatzfrage bitte.
Muß man nicht, Herr Staatssekretär, zu einer neuen, weltweiten Arbeitsteilung kommen, wenn man diese Probleme auf weite Sicht lösen will?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube, das wird das Hauptthema der Welthandelskonferenz sein, die am 23. Mai in Genf beginnt. Dort haben gerade die Entwicklungsländer die Mehrheit, die dieses Problem der weltweiten Abkommen sehr in den Vordergrund rücken werden. Die Bundesregierung wird sich im Rahmen dieser Verhandlungen dazu äußern.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Lautenschlager.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Besorgnis, die der Kollege Dr. Ramminger geäußert hat, auch auf die Erzeugnisse der Bandwebereien zutrifft, in deren Bereich es bereits zur Schließung von Betrieben gekommen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir kennen das Problem. Ich bin aber leider im Moment nicht in der Lage, darauf eingehend zu antworten. Ich will Ihnen darauf jedoch sehr gern eine schriftliche Auskunft erteilen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Zimmerman.
Herr Staatssekretär, wie Sie vorhin schon angedeutet haben, ist es gelungen, wegen der Baumwollwaren mit Hongkong eine Art freiwiliges Übereinkommen zu erreichen. Soll in den Verhandlungen, von denen Sie sagten, daß sie am 17. Februar beginnen, das gleiche auch für die Branche erreicht werden, die mit Pullovern, Strickwaren und Oberbekleidung handelt, wo es sich um handwerkliche und nicht so sehr — wie bei der Baumwolle — um industrielle Betriebe handelt und wo sich die Einfuhr nach meinen Informationen in den letzten zwei Jahren verfünffacht hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir wollen die Verhandlungen, die am 17. Februar beginnen, nicht auf Baumwollwaren beschränken; sondern umfassend führen.
Die Frage ist beantwortet. Die Frage VI/4 wird morgen vom Herrn Landwirtschaftsminister beantwortet.
Ich rufe die Frage VI/5 — des Abgeordneten Kurlbaum — auf:
Ist die Bundesregierung angesichts der durch die Margarineindustrie angekündigten Preiserhöhung immer nodi der Auffassung, daß eine Reform der Bestimmungen über marktbeherrschende Unternehmen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht vordringlich ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf die Frage wie folgt beantworten.Die Bundesregierung ist unabhängig von den durch die Margarineindustrie angekündigten Preiserhöhungen keineswegs der Auffassung, daß eine Reform der Bestimmung über marktbeherrschende Unternehmen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht vordringlich sei. Im Gegenteil, in ihrem Bericht über die Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 22. August 1962 hat sie eine ganze Reihe von Änderungen der einschlägigen §§ 22 bis 24 des GWB ausdrücklich als notwendig bezeichnet. Ohne mir irgendein Urteil über den Arbeitsgang des Hohen Hauses erlauben zu wollen und zu dürfen, darf ich doch darauf aufmerksam machen, daß diese Vorschläge des Kartellberichts vom August 1962 in den zuständigen Ausschüssen noch nicht abschließend beraten wurden. Ich verweise darauf, daß wir im Wirtschaftspoliti-
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5136 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1964
Staatssekretär Dr. Langerschen Ausschuß zwei Beratungen, eine im Februar 1963 und die zweite jetzt im Januar 1964, beide in Berlin, gehabt haben. Die Bundesregierung wird nach Abschluß dieser Beratungen sofort über die Notwendigkeit einer Novellierung entscheiden und wird dann nicht zögern, die notwendigen Bestimmungen unverzüglich zu unterbreiten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie nicht die Frage für berechtigt, ob hier nicht doch eine erhebliche Verzögerung auf seiten der Bundesregierung vorliegt, vor allem angesichts der Tatsache, daß der Kartellbericht, wie Sie selbst eben erwähnten, schon im August 1962 herausgegeben worden ist? Glauben Sie nicht, daß es besser wäre, wenn die Bundesregierung hier eine eigene Initiative entwickelte und nicht wartete, bis das Verfahren über die Verhandlungen im Ausschuß bis in alle Einzelheiten abgewickelt ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter, ich würde das nicht für sinnvoll halten. Ich darf darauf verweisen, daß das Hohe Haus am 29. Juni 1961 in einem einstimmig gefaßten Beschluß die Bundesregierung aufgefordert hat, den Kartellbericht vorzulegen. Ich persönlich würde meinen, daß es eine Nichtachtung des Parlaments wäre, wenn wir vor Abschluß der Ausschußberatungen eine eigene Initiative ergriffen, nachdem uns der Bundestag in diesem einstimmig gefaßten Beschluß um die Meinung der Regierung gebeten hat, um sie in den zuständigen Ausschüssen erörtern zu können.
Bedeutet das, Herr Staatssekretär, daß, wenn sich die Verhandlungen im Ausschuß weiter hinausziehen, die Bundesregierung keine eigenen Vorschläge machen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, darf ich, ohne daß mir der Wortlaut im Moment vorliegt, auf die Regierungserklärung von Herrn Bundeskanzler Erhard verweisen, der am 18. Oktober das Hohe Haus sehr gebeten hat, den Kartellbericht bald zu beraten und die Beratungen bald abzuschließen. Mir steht es sicherlich nicht zu, hier diese Bitte von mir aus zu wiederholen. Aber ich möchte insoweit auf die Regierungserklärung Bezug nehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gewandt.
Herr Staatssekretär, werden Sie in Ihre kartellrechtlichen Betrachtungen auch die Strompreiserhöhungen einbeziehen, die jetzt aktuell geworden sind? Hier handelt es sich ja auch um Unternehmen mit monopolartigem Charakter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat gerade die Vorgänge in diesem Bereich sehr genau verfolgt. Sie hat sich in einem internen Schriftwechsel gegenüber den jüngsten Preisänderungswünschen sehr eindeutig und sehr klar geäußert. Die Bundesregierung und insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium beziehen die Vorgänge in dem Sektor der Energiewirtschaft mit in ihre Überlegungen ein. Ich bin aber leider nicht in der Lage, Herr Abgeordneter, im Moment verbindlich zuzusagen, daß die Vorschläge über die Demarkationsverträge — um die handelt es sich ja wohl — schon so weit gediehen sein werden, daß sie in die Kartellnovelle einbezogen werden könnten. Aber wir sind energisch gerade an Überlegungen auf diesem Feld.
Keine Fragen mehr? — Frage VI/6 — des Herrn Abgeordneten Kurlbaum —:
Hält die Bundesregierung ihre im Bericht über Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 22. August 1962 gemachten geringfügigen Vorschläge zur Verbesserung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen nach wie vor für ausreichend?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß ihre Vorschläge zur Verbesserung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, wie Herr Abgeordneter Kurlbaum es sagt, geringfügig seien. Sie hat für § 22 GWB unter anderem eine Generalklausel vorgeschlagen, durch die sämtliche Mißbräuche einer marktbeherrschenden Stellung erfaßt würden. Diese Generalklausel würde auch Mißbräuche eines marktbeherrschenden Unternehmens auf solchen Märkten erfassen, auf denen seine marktbeherrschende Stellung zwar nicht besteht, aber sich auswirkt. Hinsichtlich der Geringfügigkeit unseres Vorschlags, Herr Abgeordneter Kurlbaum, erlaube ich mir im übrigen, auf die Drucksache 2293 aus der 3. Wahlperiode, Antrag der Fraktion der SPD vom 7. Dezember 1960, zu verweisen. Sie haben sich damals mit dem gleichen Problem auseinandergesetzt.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß das Problem bezüglich der MargarineUnion darin liegt, daß diese Margarine-Union zwar etwa zwei Drittel der gesamten Margarineproduktion in der Bundesrepublik hat und daß daneben nur etwa 30 kleinere und kleinste Firmen stehen, daß aber die derzeitige Fassung des Kartellgesetzes die Margarine-Union überhaupt nicht als marktbeherrschendes Unternehmen zu behandeln gestattet? Ist Ihnen nicht bekannt, daß in dem Bericht der Bundesregierung festgestellt worden ist, § 22, der sich mit den marktbeherrschenden Unternehmen befaßt, sei gekennzeichnet durch eine Häufung von unbestimmten Rechtsbegriffen, und daß daher durch Ihren Vorschlag der Einführung einer Generalklausel die Einbeziehung solcher Fälle wie den des Margarinemarktes überhaupt nicht möglich ist, daß also die Vorschläge der Bundesregierung sich gerade bei diesem Fall als unzureichend erwiesen haben?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1964
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf darauf wie folgt antworten. Die Bundesregierung ist gerade zu ihren Vorschlägen zu § 22 ff. nach einer sehr gründlichen Beobachtung der Märkte gelangt, wo marktbeherrschende Unternehmen wirken. Sie wissen, daß das in Deutschland nur einige wenige Märkte sind, daß aber der Margarinemarkt mit dem hohen Marktanteil der uns allen bekannten Firma doch ein typischer und unter diesem Gesichtspunkt interessanter Markt ist. Herr Abgeordneter, heute morgen wurde gerade im Mittelstandsausschuß lebhaft die Frage diskutiert, ob man mit der Einfügung einer Generalklausel in § 22 auskommen wird oder ob man neben der Generalklausel in § 22 noch weitere Tatbestände klar regeln sollte. Ich glaube, diese Anregung, die uns der Mittelstandsausschuß gegeben hat, sollte sehr gründlich überlegt werden. Es ist eine Frage, die beantwortet werden muß, bevor die Bundesregierung die Novelle vorlegt.
Kann ich daher feststellen, daß von seiten Ihres Ministeriums mindestens die Neigung besteht, auch noch weitere Änderungen des § 22 mit in Erwägung zu ziehen, die vor allen Dingen auch deshalb notwendig sind, weil schon in dem Kartellbericht erklärt wird, daß das Kartellamt und die Gerichte in ihrer bisherigen Rechtsprechung als marktbeherrschend bezeichnen konnten nur öffentliche Unternehmen wie die Bundespost, private Monopole auf Grund gesetzlicher Vorschriften, wie z. B. Molkereigenossenschaften, und örtliche Monopole, d. h. Energieversorgungsunternehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie kennen das große Dilemma bei der Feststellung der Marktbeherrschung von Unternehmen. Gerade deswegen haben wir auch den Vorschlag gemacht, hier mit klaren Kriterien zu arbeiten.
Nun zu dem ersten Teil Ihrer Frage, Herr Abgeordneter. Selbstverständlich werden wir das mit in die Erwägung einbeziehen, aber ich möchte mich im Moment nicht für das Bundeswirtschaftsministerium festlegen, weil wir uns noch nicht darüber im klaren sind, wieweit die uns vorschwebende Generalklausel, deren Formulierung wir in den Ausschußberatungen zu erkennen gegeben haben, tatsächlich alles abdeckt oder wieweit daneben noch eine Spezifizierung notwendig ist. Ich bekenne, daß ich selber noch keine eigene Antwort geben kann. Aber dieses Problem wird sehr gründlich geprüft werden.
Die Frage ist beantwortet.
Meine Damen und Herren, an und für sich ist die Fragestunde abgelaufen. Ich schlage Ihnen vor, daß wir noch die Fragen VI/7 und VI/8 behandeln; dann werden alle Fragen aus dem Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums erledigt sein.
Ich rufe auf Frage VI/7 — des Abgeordneten Porten —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Süddeutsche Rundfunk in der Jugendstunde des 1. Fernsehprogramms am 3. Januar 1964 um 17.00 Uhr einen sowjetzonalen Werbefilm für die „Volkspolizei" unter dem Titel „Christine und die Störche" gesendet hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf die Frage VI/7 wie folgt beantworten. Es ist der Bundesregierung bekannt, daß der Süddeutsche Rundfunk den DEFA-Kinderfilm „Christine und die Störche" gesendet hat. Vor der Fernsehsendung durch den Süddeutschen Rundfunk hat der Film einem Sachverständigengremium vorgelegen, das in Verbindung mit dem Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. Mai 1961 tätig ist. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die eingehende Beantwortung der Kleinen Anfrage der SPD vom 8. Oktober 1963, Bundestagsdrucksache IV/1575, verweisen. Das Sachverständigengremium kam zu dem Ergebnis, daß keine rechtliche Handhabe gegen das Verbringen des Films in das Bundesgebiet bestehe.
Ich rufe auf die Frage VI/8 — des Abgeordneten Porten —:
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, damit im Rahmen des sogenannten Kulturaustausches mit der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands keine propagandistischen Hetzfilme verbreitet werden können, die de, Agitation des Zonnenregimes nur Vorschub leisten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Durch das .erwähnte Gesetz vom 24. Mai 1961 sollen Filme, die als Propaganda gegen die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland oder als Mittel der Völkerverhetzung anzusehen sind, von der Verbreitung im Bundesgebiet ausgeschlossen wenden. Nach Auffassung der Bundesregierung genügt dieses Gesetz, um die in der Kleinen Anfrage angedeuteten Gefahren abzuwenden.
Keine Zusatzfrage mehr. — Dann ist .die Tagesordnung erledigt.
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf morgen, Freitag, 7; Februar, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.