Protokoll:
4097

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 4

  • date_rangeSitzungsnummer: 97

  • date_rangeDatum: 15. November 1963

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:03 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:34 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 97. Sitzung Bonn, den 15. November 1963 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 4453 A Fragestunde (Drucksachen IV/1614 [neu], IV/1618, IV/1632) Frage des Abg. Fritsch: Sondermarken bei den Postämtern des Zonenrandgebietes 4453 C Fragen des Abg. Dr. Müller-Emmert: Einbeziehung der Gemeinde Studernheim in das Verkehrsnetz Bornemann, Staatssekretär . . . . 4453 D, 4454 A, B, C Dr. Müller-Emmert (SPD) 4454 B Frage des Abg. Felder: Fernsprech- und Fernschreibanschlüsse in Boxdorf Bornemann, Staatssekretär . . . . 4454 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Überwachung von Fernsprechanschlüssen und Kontrolle der Briefpost Bornemann, Staatssekretär . . . . 4455 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Asylrecht für Dr. Burger Höcherl, Bundesminister . . 4455 B, C, D Dr. Kohut (FDP) 4455 B, C Ertl (FDP) 4455 C, D Fragen der Abg. Frau Meermann: Erholungslandschaft „Bodanrück und Übungsgelände der französischen Garnison Konstanz" Grund, Staatssekretär . 4455 D, 4456 A, B, C Frau Meermann (SPD) 4456 A Biechele (CDU/CSU) 4456 B Fragen des Abg. Hauffe: Flugplatz Bindlach 4456 C Fragen der Abg. Frau Schanzenbach: Freizügigkeit der Grenzgänger im deutsch-französischen Grenzgebiet Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4457 A, C, D, 4458 A Frau Schanzenbach (SPD) 4457 C Dr. Mommer (SPD) 4457 D Dr. Hauser (CDU/CSU) . . . . 4458 A Frage des Abg. Fritsch: Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen 4458 B Frage des Abg. Peiter: Bahnhof in Bad Ems Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4458 C Frage des Abg. Josten: Bahnhof in Remagen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4458 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 Frage des Abg. Welslau: Auswertung der Straßenverkehrsunfälle Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . . 4458 D, 4459 A Welslau (SPD) . . . . . . . . 4458 D Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) : Straßensperrungen im Regierungsbebezirk Schwaben während der Frostperiode Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4459 B Fragen des Abg. Dr. Dörinkel: Stahlhochstraßen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 4460 A, B Dr. Kohut (FDP) . . . . . . 4460 B Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Speisekarten in Autobahnraststätten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4460 D Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Hinweisschilder im deutsch-französischen Grenzgebiet Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4460 D Frage des Abg. Felder: Bauarbeiten im Kanalabschnitt Bamberg-Nürnberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . . 4461 A, B, C, D Felder (SPD) 4461 B Seidel (Fürth) (SPD) 4461 B, C Ramms (FDP) . . . . . . . . 4461 D Frage des Abg. Felder: Ausbau der Bundeswasserstraßen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . . 4461 D, 4462 A Felder (SPD) 4462 A Fragen des Abg. Iven (Düren) : Mannheimer Rheinschiffahrtsakte Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4462 B Fragen des Abg. Reichmann: Investitionskredit für Griechenland Dr. Vialon, Staatssekretär . . . 4463 A, D Reichmann (SPD) . . . . . . . 4463 D Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses über den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Gewichte und Abmessungen der zum Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten zugelassenen Nutzkraftfahrzeuge (Drucksachen IV/1001, IV/1619) 4463 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes (Drucksache IV/1488) — Erste Beratung — 4464 A Antrag betr. Konservierungsmittel für Fischwaren (Abg. Struve, Glüsing [Dithmarschen], Tobaben, Kuntscher, Hermsdorf, Dr. Schmidt [Gellersen], Dr. Tamblé, Peters [Poppenbüll], Dr. Miessner u. Gen.) (Drucksache IV/1622) 4464 B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen über seine Tätigkeit; in Verbindung mit der Sammelübersicht 21 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen und systematische Übersicht über die vom 17. Oktober 1961 bis 30. September 1963 eingegangenen Petitionen (Drucksache IV/1605) Böhme (Hildesheim) (CDU/CSU) . . 4464 C Vizepräsident Dr. Schmid . 4467 A, 4468 C Dr. Mommer (SPD) 4467 B Frau Wessel (SPD) 4467 C Dürr (FDP) 4468 A Rasner (CDU/CSU) 4468 B Antrag betr. Sachverständigenkommission für die Krankenversicherungsreform (SPD) (Drucksache IV/1565) Dr. Schellenberg (SPD) . 4468 D, 4477 B, 4480 C, D Blank, Bundesminister 4472 A Ruf (CDU/CSU) 4473 A Dr. Stammberger (FDP) . 4476 A, 4480 A Antrag betr. Untersuchung über die Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film (Abg. Dr. Martin, Neumann [Allensbach], Blumenfeld, Holkenbrink, Frau Dr. Maxsein u. Gen.) (Drucksache IV/1400) Dr. Martin (CDU/CSU) 4482 B Sänger (SPD) 4486 C, 4494 A Zoglmann (FDP) . . . . . . . 4488 D Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . 4490 C Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 4494 C Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 III Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses über den Antrag der Abg. Sander, Peters (Poppenbüll), Dr. Effertz, Logemann, Walter, Ertl, Dr. Frey (Bonn), Struve u. Gen. betr. Zuckerrübenpreis 1963/64 (Drucksachen IV/1416, IV/1534) Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 4494 D Ertl (FDP) 4494 D, 4495 A Nächste Sitzung 4495 C Anlage 4497 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4453 97. Sitzung Bonn, den 15. November 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner 15 11. Arendt (Wattenscheid) * 15. 11. Dr. Arndt (Berlin) 31. 12. Arndgen 15. 11. Dr. Arnold 15. 11. Dr. Aschoff 15. 11. Dr. Atzenroth 15. 11. Bading 15. 11. Bäuerle 15. 11. Bauknecht 15. 11. Dr. Bechert 15. 11. Berberich 15. 11. Berlin 20. 11. Dr. Besold 15. 11. Dr. Birrenbach 15. 11. Fürst von Bismarck 15. 11. Frau Blohm 15. 11. Börner 15. 11. Braun 15. 11. Dr. von Brentano 15. 11. Brese 16. 11. Burckardt 15. 11. Burgemeister 16. 11. Cramer 15. 11. Dr. Deist * 15. 11. Dr. Dichgans * 15. 11. Dopatka 18. 11. Dr. Dörinkel 15. 11. Drachsler 15. 11. Ehren 15. 11. Eisenmann 15. 11. Frau Dr. Elsner * 15. 11. Etzel 15. 11. Dr. Frede 15. 11. Dr. Frey (Bonn) 15. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 15. 11. Fritsch 30. 11. Frau Funcke (Hagen) 15. 11. Goldhagen 16. 11. Freiherr zu Guttenberg 15. 12. Haage (München) 15. 11. Haase (Kassel) 15. 11. Hahn (Bielefeld) 15. 11. Hammersen 15. 11. Hauffe 15. 11. Heiland 15. 11. Holkenbrink 15. 11. Hörmann (Freiburg) 15. 11. Dr. Hoven 30. 11. Kahn-Ackermann 15. 11. Kalbitzer 15. 11. Kemmer 15. 11. Frau Dr. Kiep-Altenloh 15. 11. Frau Kipp-Kaule 15. 11. Klinker * 15. 11. Knobloch 15. 11. Kreitmeyer 16. 11. Kriedemann * 16. 11. Dr. Kübler 15. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Freiherr von Kühlmann-Stumm 29. 11. Kühn (Hildesheim) 15. 11. Leber 15. 11. Lemmer 15. 11. Lenz (Brühl) * 15. 11, Dr. Löbe 15. 11. Dr. Löhr 15. 11. Lücker (München) * 15. 11. Dr. Mälzig 15. 11. Mauk * 15. 11. Merten 16. 11. Metzger 21. 11. Michels 15. 11. Freiherr von Mühlen 24. 11. Müller (Aachen-Land) 16. 11. Müller (Remscheid) 15. 11. Dr. Müller-Hermann 15. 12. Dr. Nissen 15. 11. Neumann (Allensbach) 15. 11. 011enhauer 31. 12. Pöhler 15. 11. Porten 15. 11. Porzner. 15. 11. Frau Dr. Probst * 15. 11. Rademacher * 15. 11. Frau Dr. Rehling 15. 11. Frau Renger 15. 11. Richarts * 15. 11. Rollmann 15. 11. Schmidt (Kempten) 15. 11. Dr. Schmidt (Offenbach) 15. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 11. Schoettle 31. 12. Dr. Seffrin 16. 11. Seibert 15. 11. Seidl (München) 15. 11. Seifriz 15. 12. Dr. Siemer 15. 11. Soetebier 15. 11. Dr. Stoltenberg 15. 11. Stooß 15. 11. Storch * 15. 11. Strauß 15. 11. Frau Strobel * 15. 11. Strohmayr 15. 11. Struve 15. 11. Dr. Supf Dr. Freiherr 15. 11. von Vittinghoff-Schell 15. 12. Weber (Georgenau) 15. 11. Weinkamm 15. 11. Wellmann 16. 11. Wendelborn 15. 11. Dr. Wilhelmi 16. 11. Dr. Winter 15. 11. Wischnewski * 15. 11. Frau Zimmermann (Brackwede) 15. 11. * Für die Teilnahme an Sitzungen ,des Europäischen Parlaments
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409700000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich bekannt,
daß die heutige Tagesordnung nach einer interfraktionellen Vereinbarung erweitert werden soll um die
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) über den Vorschlag der
Kommission für eine Richtlinie des Rates über

(Drucksachen IV/1001, IV/1619)

Wendelborn —
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes (Drucksache IV/1488)

Beratung des Antrags der Abgeordneten Struve, Glüsing (Dithmarschen), Tobaben, Kuntscher, Hermsdorf, Dr. Schmidt (Gellersen), Dr. Tamblé, Peters (Poppenbüll), Dr. Miessner und Genossen betr. Konservierungsmittel für Fischwaren (Drucksache IV/1622).
Ist das Haus einverstanden? — Dann ist so beschlossen.
Zu den in der Fragestunde der 94. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. November 1963 gestellten Fragen des Abgeordneten Faller Nrn. IX/1 und IX/2 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Schwarz vom 8. November 1963 eingegangen. Sie lautet:
Zu Frage 1:
Die Resolution des badischen Bäckerhandwerks vom 22. September 1963 auf dem 81. Verbandstag des Bäcker-Innungsverbandes Baden wurde dem BML nicht vorgelegt. Der Zentralverband des Bäckerhandwerks hat allerdings die Verhältnisse an der deutschschweizerischen Grenze hinsichtlich des Broteinkaufs der Grenzbevölkerung in der Schweiz vor der Resolution am 22. September 1963 dargelegt und gebeten zu prüfen, ob der Broteinkauf für die Grenzbevölkerung auf 250 g täglich beschränkt werden kann.
Aufgrund dieses Schreibens wurde die Oberfinanzdirektion über das Bundesfinanzministerium sowie die Landesregierung Württemberg-Baden gebeten, an der deutsch-schweizerischen Grenze den kleinen Grenzverkehr in bezug auf die Broteinfuhr zu überwachen und das Ergebnis dieser Feststellungen meinem Hause mitzuteilen.
Zu Frage 2:
Diese Frage möchte ich erst beantworten, wenn die obenerbetenen Stellungnahmen vorliegen. Ich erlaube mir, auf diese Sache zur gegebenen Zeit unaufgefordert zurückzukommen.
Wir beginnen mit Punkt 1 der Tagesordnung:

(Drucksachen IV/1614 Herr Abgeordneter Dr. Kohut hat eine dringliche Anfrage gestellt. Mir wird mitgeteilt, daß der für die Beantwortung zuständige Minister noch nicht da, aber auf dem Wege ist. Sobald er anwesend ist, werde ich die Frage aufrufen. Ich rufe dann auf von der Drucksache IV/1614 die Fragen unter II Geschäftsbereich des Bundesministers für das Postund Fernmeldewesen. Zunächst die Frage II/1 — des Herrn Abgeordneten Fritsch —: Treffen die Feststellungen der Briefmarkensammler des Landkreises Kronach zu, wonach bei den Postämtern des Zonenrandgebietes Sondermarken der Deutschen Bundespost meist schon am Tage nach der Ausgabe nicht mehr zu haben sind? Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt. Frage II/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert —: Kennt der Herr Bundespostminister die Gründe, die die Oberpostdirektion Neustadt Bitte, Herr Staatssekretär. Wie der Herr Bundespostminister dem Herrn Abgeordneten Dr. Gerhard Fritz auf seine schriftliche Anfrage vom 4. Oktober 1963 bereits mitgeteilt hat, sind ihm die Gründe, die die Oberpostdirektion Neustadt veranlaßt haben, dem Vorhaben der Bundesbahndirektion Mainz auf Einbeziehung der Gemeinde Studernheim in den Bahnbuslinienverkehr zu widersprechen, bekannt. Sie sind sowohl grundsätzlicher als auch wirtschaftlicher Natur. Über ihre Berechtigung vermag der Herr Bundespostminister zur Zeit noch nichts zu sagen, da der Streitfall nach den Bestimmungen des Abkommens über die Zusammenarbeit der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost auf dem Gebiete ihrer Kraftomnibusverkehre — Bahn/PostAbkommen — dem Bahnbus-Kraftpost-Ausschuß zur Klärung übergeben worden ist. . Vizepräsident Dr. Schmid: Dann Frage II/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert —: Ist dem Herrn Bundespostminister bekannt, weshalb die OPD Neustadt die Gründe für ihre Haltung in der Frage des Busverkehrs mit der Gemeinde Studernheim der Öffentlichkeit trotz massiver Angriffe im Frankenthaler Stadtrat und in der Presse nicht dargelegt hat? Bitte, Herr Staatssekretär. Die Deutsche Bundespost und die Deutsche Bundesbahn sind nach Art. I des Bahn/Post-Abkommens gehalten, Meinungsverschiedenheiten nicht vor Dritten auszutragen. Die Oberpostdirektion Neustadt hat daher auch im vorliegenden Streitfall mit der Bundesbahndirektion Mainz den Bahnbus-Kraftpost-Ausschuß einberufen und es abgelehnt, in der Öffentlichkeit zu dem Streitfall Stellung zu nehmen. Frage II/4 — des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert —: Ist der Herr Bundespostminister bereit, die Oberpostdirektion Neustadt zu einer verständnisvolleren Haltung in der unter II/2,3 bezeichneten Angelegenheit zu veranlassen? Bitte, Herr Staatssekretär. Der Herr Bundespostminister ist sehr daran interessiert, daß Streitfälle zwischen den beiden Bundesverwaltungen gütlich bereinigt werden und sich nicht zu Lasten der Verkehrsnutzer auswirken. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen sind wir davon überzeugt, daß der Bahnbus-Kraftpost-Ausschuß auch im vorliegenden Fall eine Regelung finden wird, die den berechtigten Wünschen der Verkehrsnutzer Rechnung trägt. Zusatzfrage? Eine Zusatzfrage! Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß eine Lösung gefunden werden muß, die den Verkehrsbedürfnissen der Bevölkerung von Studernheim am meisten entspricht, und daß dies wohl nach Sachlage nur diejenige Lösung sein kann, daß man der Bundesbahn gestattet, in Studernheim zu halten. Da die Bundesbahn einen Einstundenverkehr durchführt, würde dann also jeweils in einer Stunde einmal ein Zug in Studernheim halten, während die Bundespost nur zweimal am Tage, neuerdings viermal am Tage in Studernheim hält. Die Einzelheiten werden von dem genannten Bahnbus-Kraftpost-Ausschuß eingehend untersucht werden, und ich bin überzeugt, daß der Ausschuß die Lösung finden wird, die zu einem allgemeinen Ausgleich der Interessen führen muß. Eine weitere Zusatzfrage! Herr Staatssekretär, würden Sie Veranlassung nehmen, dafür Sorge zu tragen, daß die Oberpostdirektion in Neustadt sich ebenfalls mit einer vernünftigen Regelung einverstanden erklärt? Das Bundespostministerium beobachtet die Angelegenheit genau und wird selbstverständlich dafür sorgen, daß auch die nachgeordneten Stellen dem allgemeinen Interesse angemessen Rechnung tragen. Ich rufe auf die Frage II/5 — des Abgeordneten Felder —: Ist der Herr Bundespostminister bereit, dem Antrag der Gemeinde Boxdorf In dieser Angelegenheit liegt dem Bundespostministerium bereits eine schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dollinger vor, die demnächst beantwortet werden wird. Zur Schaltung der beantragten Fernmeldeeinrichtungen muß zunächst das Kabelnetz in dem neuerschlossenen Gebiet erweitert werden, weil das neue Industriegelände in einem fernmeldemäßig noch nicht erschlossenen Gebiet des Ortsnetzes Nürnberg-Fürth liegt. Der Bebauungsplan der Gemeinde ist von der Landesregierung noch nicht genehmigt und liegt bei der Oberpostdirektion Nürnberg zur Zeit nur als Skizze vor. Eine endgültige Planung des Ortsnetz-Ausbaus ist daher zur Zeit noch nicht möglich. Trotzdem sind Vorbereitungen getroffen worden, um eine frühere Fernmeldeversorgung zu ermöglichen. So ist ein Teil der notwendigen Ortsverbindungskabel für die Ortsnetzerweiterung bereits verlegt. Der Rest der Arbeiten kann wegen fehlender Mittel erst im Rechnungsjahr 1964 durchgeführt werden. Die beantragten Fernschreibanschlüsse können dann eingerichtet werden. Für die Fernsprechanschlüsse bestehen bis zur Inbetriebnahme der neuen Vermittlungsstelle Fürth-Espan — voraussichtlich im Jahre 1965 — insofern Schwierigkeiten, als die Vermittlungsstelle Fürth, die zur Zeit hierfür nur in Frage kommt, voll beschaltet ist. Rufnummern für Neuanschlüsse sind bis dahin nicht verfügbar; lediglich Verlegungen können schon vorher ausgeführt werden, wenn durch Kündigung und anderweitige Verlegungen Rufnummern im Bereich der Vermittlungsstelle Fürth frei werden. Endgültig soll das Industriegelände Schmalau an die künftige Vermittlungsstelle Stadeln angeschlossen werden. Der Bau dieser Vermittlungsstelle ist für 1966 vorgesehen, vorausgesetzt, daß die Mittel für den Hochbau bereitgestellt werden können. Nunmehr eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut, die ursprüngVizepräsident Dr. Schmid lich unter VI — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — aufgeführt worden ist: Ist die Bundesregierung bereit sicherzustellen, daß bei zukünftigen Ersuchen der Alliierten auf Überwachen von Fernsprechanschlüssen und Briefzensur auf Grund der Bestimmungen des Truppenvertrages in jedem einzelnen Fall auf einen schriftlichen Antrag bestanden wird, die Fälle registriert und einer Kommission des Bundestages zugängig gemacht werden? Die Frage soll aber vom Postministerium beantwortet werden. Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Innern beantworte ich die Frage wie folgt: Das Recht der Drei Mächte, Fernsprechanschlüsse zu überwachen und Briefpost zu kontrollieren, ist nicht im Truppenvertrag, sondern in Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages festgelegt. Die entsprechenden Ersuchen wurden schon bisher und werden in jedem einzelnen Fall schriftlich gestellt. Die weitere Behandlung der ausschließlich an die Oberpostdirektionen gerichteten Anträge entspricht selbstverständlich den internen Dienstvorschriften, insbesondere der Verschlußsachenanweisung. Die Frage, ob die Bundesregierung bereit ist, einer Kommission des Bundestages eine Liste der überwachten Fernsprechanschlüsse und der Personen, deren Post auf Grund des Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages überwacht wird, auszuhändigen, ist mit Rücksicht auf das Staatsinteresse und die Wahrung der Vorbehaltsrechte der Drei Mächte zu verneinen. Damit ist diese Frage beantwortet. Ich ziehe nun die dringliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut — Drucksache IV/1632 — vor: Ist die Bundesregierung bereit, ohne Verzug dafür zu sorgen, daß dem Innsbrucker Universitätsassistenten Dr. Norbert Burger, der in Anwendung der Richtlinien der Ausländerpolizeiverordnung an Osterreich oder Italien ausgeliefert werden soll, auf Grund des Artikels 15 Abs. 2 des Grundgesetzes Asylrecht gewährt wird? Herr Kollege Kohut, der Bund hat keine unmittelbare Zuständigkeit. Leider ist gegen Dr. Burger eine Entscheidung der Stadt München und eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts München ergangen, und die Anfechtung der Berufung ist nicht zugelassen worden. Wenn der Bund darüber zu entscheiden hätte, würde er, wenn es die Rechtslage zuließe, in Ihrem Sinne entscheiden. Eine Zusatzfrage! Da ich kein Jurist bin, Herr Minister, möchte ich mir doch die Frage erlauben, ob es nicht trotz dieser föderalistischen Zuständigkeit Möglichkeiten gibt, das Asylrecht, das im Grundgesetz vorgesehen ist, durch den Bund zu erwirken. Das Grundgesetz sieht vor, daß die Gesetze durch die Länder ausgeführt werden. Ich werde alles versuchen, was im Sinne Ihrer Anfrage liegt. Eine weitere Zusatzfrage! Befürchten Sie nicht, Herr Minister, daß nach dem Fall des ungarischen Fremdenlegionärs, der inzwischen gut erledigt ist, und nach dem Fall des Oberst Argoud, diese Angelegenheit unter den Südtirolern, denen es ja nicht so gut geht, sehr viel Staub aufwirbeln wird, wenn hier nicht etwas Besonderes geschieht? Herr Kollege, Sie werden nicht übersehen, daß in dem Fall Gyöfri der Bund alle Möglichkeiten ausgeschöpft und die Einreise bewilligt hat, obwohl noch ein Abschiebeerlaß vorlag. Auch in diesem Falle wird alles versucht werden, was möglich ist. Eine weitere Zusatzfrage! Herr Bundesminister, sind Sie bereit, den Fall dahin gehend prüfen zu lassen, ob bei einer etwaigen Auslieferung nicht eine Verletzung des Grundgesetzes erfolgt? Das hat das Gericht bereits getan. Das Verfahren ist deswegen noch anhängig, weil gegen die Versagung der Berufung eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof möglich ist. Herr Bundesminister, liegt im Fall Burger eine Intervention oder gar ein Auslieferungsantrag einer ausländischen Regierung vor? Das kann ich im Augenblick nicht sagen. Die Frage ist sehr kurzfristig eingereicht worden. Aber ich glaube nicht. — Ich höre soeben von meinem Nebenmann, daß die Frage verneint werden kann. Keine Frage mehr. Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Frage XII/4 — der Frau Abgeordneten Meermann — auf: Ist die Bundesregierung bereit, bei den französischen Stationierungsstreitkräften darauf hinzuwirken, das reich bewaldete „Bodanrück" Herr Präsident, vielleicht darf ich die Fragen 4 und 5, die sachlich zusammenhängen, zusammen beantworten. Bitte schön. Frage XII/5 — der Frau Abgeordneten Meermann —: Sieht die Bundesregierung eine andere Möglichkeit, das Übungsgelände der französischen Garnison Konstanz im Hinblick auf die Konstanzer Universitätsneugründung zu verlegen? Der Standortübungsplatz der französischen Übungsgarnison Konstanz wird für die Truppenausbildung benötigt. Eine Verlegung im Interesse der Universitätsgründung ist nur gegen einen entsprechenden Ersatz möglich. Gespräche darüber sind bereits im Gange, aber noch nicht zu einem Ergebnis gekommen. Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, Ersatzvorschläge des Landes Baden-Württemberg dem Oberkommando der französischen Streitkräfte in Deutschland zu unterbreiten und zu unterstützen. Sie ist ferner bereit, hierbei darauf hin zu wirken, daß die französischen Streitkräfte bei ihren Ersatzforderungen auf das sogenannte „Bodanrück" verzichten, damit dieses waldreiche Gebiet der Bevölkerung zur Erholung erhalten bleibt. Eine Zusatzfrage. Herr Staatssekretär, da in der Bevölkerung eine gewisse Unruhe deswegen entstanden ist, weil Scharfschießübungen manchmal kurzfristig anberaumt werden und es für die beteiligten Behörden nicht immer leicht ist, die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze der Menschen, die in Feld und Wald arbeiten, und auch zum Schutze der Ausflügler zu treffen, möchte ich Sie fragen, ob Sie sich um diese Angelegenheit noch kümmern. Sehr gern! Ich sagte schon: Gespräche sind im Gange. Wir beobachten sie. Ich erwarte in nächster Zeit einen Bericht der zuständigen Oberfinanzdirektion, der Anlaß geben wird, Ihrem Wunsche zu entsprechen. Eine Zusatzfrage. Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei einem Lokaltermin am 5. April 1963 zur Prüfung auch dieser Frage unter dem Vorsitz des Ministerialdirigenten Dr. Thoma vom Finanzministerium Baden-Württemberg — u. a, waren dabei vertreten vom Bundesverteidigungsministerium Ministerialrat Möller, die Bundesvermögensstelle Konstanz durch ihren Leiter — sich ergeben hat, daß eine Verlegung des Übungsplatzes aus Platzgründen nicht in Frage kommt? Das ist mir nicht bekannt, aber ich will der Frage gern nachgehen. Eine weitere Zusatzfrage. Ist die Bundesregierung bereit, eine umfassendere und wohl allein befriedigende Lösung zu erwägen — gerade im Hinblick auf die Gründung einer Universität in Konstanz und die damit verbundenen Entwicklungstendenzen —, durch die eine Verlegung der französischen Garnison ins Auge gefaßt wird, und ist die Bundesregierung bereit, im Hinblick auf dieses Ziel Verhandlungen mit allen dafür in Frage kommenden Stellen aufzunehmen? Beide Fragen möchte ich eindeutig bejahen. Keine Zusatzfrage mehr. Ich rufe auf die Fragen XIII/1, XIII/2 und XIII/3 — des Abgeordneten Hauffe —: Ist es zutreffend, daß der Bund und der Freistaat Bayern am 9. Dezember 1958 der Stadt Bayreuth fest zusicherten, sich dafür zu verwenden, daß Bayreuth das Flugplatzgelände Bindlach auch tatsächlich werde nutzen können? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Stadt Bayreuth ihr 56 Hektar großes Flugplatzgelände Laineck der Bundeswehr auf Grund der in Frage XIII/1 genannten Zusicherungen zur Verfügung gestellt hat? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um die zwischen der Stadt Bayreuth, dem Freistaat Bayern und dem Bund aufgetretenen Differenzen um das Fluggelände Bindlacher Berg beizulegen? Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers von Hassel vom 14. November 1963 lautet: Zu Frage 1: Es ist zutreffend, daß am 9. 12. 1958 in Bayreuth eine Sitzung stattgefunden hat, in der die Inanspruchnahme des früheren Zivilflughafens Laineck zum Ban einer Bundeswehrund Bundesgrenzschutz-Kaserne besprochen wurde. Dem auch von der Stadt Bayreuth anerkannten Sitzungsprotokoll ist nicht zu entnehmen, daß der Bund fest zugesichert haben soll, sich dafür zu verwenden, daß das bundeseigene Flugplatzgelände Bindlach, welches von den US-Streitkräften seit mehr als 10 Jahren in Anspruch genommen ist, der Stadt Bayreuth zur Verfügung gestellt wird. Das Protokoll über die Besprechung am 9. 12. 1958 sagt darüber hinaus, daß „die Bayerische Staatskanzlei zu gegebener Zeit mit den US-Streitkräften über eine Teilfreimachung des Flugplatzgeländes bei Bindlach verhandeln wird." Zu Frage 2: : Es trifft nicht zu, daß die Stadt Bayreuth das Flugplatzgelände Laineck der Bundeswehr aufgrund der Zusicherung, der Bund werde sich dafür verwenden, daß Bayreuth das Flugplatzgelände Bindlach nutzen könne, zur Verfügung gestellt hat. Vielmehr hat der Bund als Gegenleistung für die Abgabe des Geländes Laineck — welches ohnehin nicht mehr den Anforderungen an einen Flughafen entspricht — auf die militärische Wiederinanspruchnahme von 3 ehemaligen Kasernenanlagen in Bayreuth verzichtet. Ebenfalls auf Wunsch der Stadt hat die Bundeswehr auf die Wiederverwendung des ehemaligen Standortübungsplatzes Oberkonnersreuth verzichtet, obwohl das Gelände als Übungsplatz geeignet war. Zu Frage 3: Der Bund steht derzeit in schwierigen Erwerbsverhandlungen über ein militärisches Übungsgelände am Ochsenberg, welches 65 Privateigentümern, einer Stiftung und 6 Gemeinden gehört und nicht die Vorzüge des ursprünglichen Übungsgeländes aufweist. Zur Zeit sind 180 ha angekauft, eine Vergrößerung bis zu 210 ha wird angestrebt. Demgegenüber beträgt die Übungsplatzgebühr für die Bundeswehrund Bundesgrenzschutz-Einheiten 375 ha. Eine eventuelle Mitbenutzung des ohnehin knappen Übungsgeländes durch die in Bindlach stationierten US-Streitkräfte würde die Übungsmöglichkeiten noch weiter einschränken. Ich werde aber trotzdem die Frage der Mitbenutzung dieses Platzes durch die US-Streitkräfte, die derzeit die Kontrolle über das bundeseigene Flugplatzgelände Bindlach ausüben, prüfen. Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Frage XIV/1 — der Frau Abgeordneten Schanzenbach —: Ist der Bundesregierung bekannt, daß 600 bis 700 französische Staatsangehörige aus dem Elsaß nicht mehr zu ihren Arbeitsplätzen in Baden und in der Pfalz kommen können, weil deutschen Omnibusunternehmen die Genehmigung zum Abholen französischer Arbeitskräfte kurzfristig versagt wurde? Ich bitte darum, Herr Präsident, daß ich die beiden Fragen der Frau Abgeordneten Schanzenbach gemeinsam beantworten kann. Ich darf auch die Frau Abgeordnete bitten, damit einverstanden zu sein. Ich rufe auch Frage XIV/2 — der Frau Abgeordneten Schanzenbach — auf : Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, bei der Regierung der französischen Republik darauf hinzuwirken, daß die Freizügigkeit der Grenzgänger im deutsch-französischen Grenzgebiet wiederhergestellt wird, namentlich im Hinblick auf den Geist des deutsch-französischen Vertrags? Der Bundesregierung sind Fälle der von Ihnen, Frau Kollegin, geschilderten Art bekanntgeworden. Von den örtlich ,zuständigen Arbeitsverwaltungen sind sogleich Verhandlungen zur Behebung der Schwierigkeiten aufgenommen worden, da die Gründe der Schwierigkeiten nicht sosehr auf .dem Verkehrsals auf dem Arbeitsmarktgebiet in Auswirkung der Vollbeschäftigung auf beiden Seiten ,der Grenze zu ,suchen sind. Dem Bundesminister für Verkehr ist durch das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg und den Deutschen Industrieund Handelstag schon Anfang dieses Jahres mitgeteilt worden, daß bei der Beförderung von Arbeitern französischer Staatsangehörigkeit mit deutschen Kraftfahrzeugen zu Arbeitsplätzen, vor allem im badischen Raum, Schwierigkeiten aufgetreten sind. Ich habe idaraufhin bei einer Besprechung an der Monatswende Januar—Februar mit Vertretern des französischen Verkehrsministerium auch diese Frage angeschnitten. Die französischen Herren erklärten, daß der Berufsverkehr mit Kraftfahrzeugen in Frankreich seit jeher einer Genehmigung unterliege. Die Angelegenheit sollte dem französischen Verkehrsministerium zur weiteren Aufklärung schriftlich mitgeteilt werden. Dies ist von uns Anfang März dieses Jahres geschehen. Leider hat das französische Verkehrsministerium bisher trotz Erinnerung eine Antwort noch nicht erteilt. Hier ist inzwischen aber bekanntgeworden, daß das französische Verkehrsministerium einen Erlaß 'herausgegeben hat, der u. a. folgendes bestimmt: Grundsätzlich dürfen Beförderungen von Reisenden auf französischem Gebiet ausschließlich nur von französischen Transportunternehmen vorgenommen werden. Von diesem Grundsatz kann nur abgewichen werden, wenn es im Interesse der französischen Wirtschaft liegt. Insbesondere darf das Vorgehen ausländischer Unternehmen, die Nutznießer solcher Ausnahmen sind, keine fühlbare Störung des schon bestehenden Linienverkehrs — sei es auf 'Schiene oder Straße — herbeiführen. .. . Weiter heißt es in dem Erlaß des französischen Verkehrsministeriums: Doch empfiehlt es sich grundsätzlich, solchen Erneuerungsanträgen stattzugeben, die von Unternehmen vorgelegt werden, die eigene Fahrzeuge benutzen, wenn es zu keinen Beanstanstandungen im Gebrauch der diesen Unternehmen bereits erteilten Genehmigungen gekommen ist. Wir werden die Angelegenheit selbstverständlich nachdrücklich weiterverfolgen. Sie wird auch durch die zuständigen Landesbehörden mit den zuständigen französischen Behörden im Elsaß laufend behandelt, um die aufgetretenen Schwierigkeiten zu beheben. Zusatzfrage! Herr Minister, kann man damit rechnen, daß die Bundesregierung von sich aus alles tun wird, um den elsässischen Arbeitern die Arbeitsaufnahme im badischen Gebiet zu ermöglichen? Ja, Frau Kollegin, das werden wir sehr gern tun, weil wir ein großes Interesse an diesen Arbeitskräften haben. Andererseits scheint es, daß die Beschäftigung auch im Elsaß gerade in diesem Raum zugenommen hat durch die Errichtung neuer Raffinerien und die Schaffung anderer Möglichkeiten, den Leuten Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, die näher an ihren Wohnorten liegen. Wir können es natürlich nicht verhindern, daß die Arbeitskräfte sich dann diesen Arbeitsplätzen zuwenden. Zusatzfrage, Dr. Mommer! Herr Minister, halten Sie die französische Praxis, die hier zum Ausdruck kommt, für vereinbar mit dem Buchstaben und vor allem mit dem Geist der EWG? Was soll da werden, wenn sogar im Grenzverkehr nach nationalen Gesichtspunkten entschieden wird, ob jemand Arbeiter zum Arbeitsplatz befördern darf? Herr Kollege Mommer, diese Fragen sind vorläufig noch im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Gespräch, und die entsprechenden Abmachungen, die dafür für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft notwendig sind, sind noch nicht festgelegt, so daß zur Zeit noch bilaterale Maßnahmen durchaus möglich sind und jedenfalls nichts anderes als moralische Hinweise in Betracht kommen. Weitere Zusatzfrage! Die Kommission in Brüssel und der Ministerrat sind für Buchstaben und Geist des EWG-Vertrages zuständig. Wäre es möglich, unter Berufung darauf zu versuchen, auch über Brüssel eine Lösung der Frage zu erreichen? Das glaube ich nicht, Herr Kollege. Der Ministerrat darf, wie Sie wissen, nicht aktiv werden, sondern nur die Kommission kann aktiv werden. Wir können es bei der Kommission anregen. Sie wird uns sagen, daß diese Angelegenheit zur Zeit wie alle Personenverkehre im grenzüberschreitenden Verkehr auch innerhalb der EWG noch bilateral gelöst sind und erst zu einem späteren Zeitpunkt multilaterale Lösungen angestrebt werden. Die Kommission beschäftigt sich zur Zeit noch ausschließlich mit der multilateralen Lösung von Fragen des grenzüberschreitenden Güterverkehrs, aber noch nicht des Personenverkehrs. Noch eine Zusatzfrage, Dr. Hauser! Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der Regierungspräsident von Freiburg schon seit Wochen auf Veranlassung badischer Abgeordneten in dieser Frage mit der Präfektur in Straßburg in Verhandlungen steht? Ja, Herr Kollege, das ist mir bekannt. Der Herr Regierungspräsident Dichtel hat mich noch vor zwei Tagen darauf angesprochen und mir mitgeteilt, daß er hofft, in seinen Verhandlungen mit den Präfekturen in Kolmar wie in Straßburg diese Angelegenheit sozusagen auf dem kleinen Dienstweg förderlich regeln zu können. Ich rufe auf die Frage XIV/3 — des Abgeordneten Fritsch —: Ist mit einer Erhöhung der zur Zeit gültigen Mindestgeschwindigkeit von 40 km/st auf Autobahnen in absehbarer Zeit zu rechnen? Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 13. November 1963 lautet: • Eine Vorschrift, daß auf den Autobahnen alle Fahrzeuge eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit einhalten müssen, besteht nicht. Es ist auch nicht beabsichtigt, eine solche einzuführen. Es besteht dazu in § 8, Abs. 7, Satz 1, folgende Vorschrift: „Die Bundesautobahnen dürfen nur von Kraftfahrzeugen mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 40 Kilometern je Stunde benutzt werden; auch beim Mitführen von Anhängern muß diese Geschwindigkeit eingehalten werden können." Diese bauartbedingten 40 Kilometer je Stunde müssen auf ebener Strecke erreicht werden können. Zahlreiche schwere Einzelfahrzeuge und Züge sind — weder heute noch in Zukunft — nicht in der Lage, auf den Steigungsstrecken der Autobahnen eine angemessene Geschwindigkeit einzuhalten, obwohl die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in § 35 eine Mindestmotorleistung von 6 PS/t vorschreibt, die jedoch im europäischen Rahmen erst noch durchgesetzt werden muß. In Brüssel sind niedrigere Werte vorgeschlagen. Aber selbst bei 6 PS/t erreicht ein Lastzug der heute üblichen Abmessungen und Gewichte bei Steigungen von 5 % nicht mehr als 18-20 km/h. Unsere alten Autobahnen weisen aber Steigungen bis 7 % auf. Diese Lastzüge können schon deshalb nicht von den Autobahnen verwiesen werden, weil sie den Verkehr auf den übrigen Straßen unzumutbar behindern und in den Ortsdurchfahrten die Verkehrsgefahren, besonders gegenüber Kindern und älteren Menschen, wesentlich erhöhen würden. Ich versuche, mit bautechnischen Mitteln Abhilfe zu schaffen, nämlich durch die sog. Kriechstreifen auf den Steigungsstrecken der Autobahnen und dadurch, daß auf den Neubaustrecken der Autobahnen seit 1955 die Höchststeigung auf 4 % beschränkt wird. Frage XIV/4 — des Abgeordneten Peiter —: Wann ist damit zu rechnen, daß der Bahnhof der Kurstadt Bad Ems so renoviert wird, wie man es bei einem Kurort von dieser Bedeutung erwarten kann? Herr Kollege, die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn teilt mir zu Ihrer Frage folgendes mit. Die Bundesbahndirektion Mainz hat bereits am 8. August dieses Jahres den Bauauftrag gegeben, das Empfangsgebäude in Bad Ems instand zu setzen. Im Jahre 1963 ist eine Bausumme von 45 000 DM hierfür zur Verfügung gestellt worden, die auch verbaut werden wird. Die restlichen 60 000 DM werden Anfang 1964 zur Verfügung stehen. Damit soll erreicht werden, daß mit Beginn der Kurzeit, im April 1964, die Arbeiten abgeschlossen sind. Ich hoffe, daß der Bahnhof dann den Anforderungen der Kurstadt entsprechen wird. Frage XIV/5 — des Abgeordneten Josten —: Wann soll der alte Bahnhof in Remagen umgestaltet werden, damit er den heutigen Verkehrsverhältnissen, den Anforderungen des Personals und der Reisenden Rechnung trägt? Zu Ihrer Frage, Herr Kollege, teilt mir die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn folgendes mit. Die Untersuchungen der Bundesbahndirektion Mainz haben ergeben, daß eine Wiederherstellung des jetzigen Empfangsgebäudes in Remagen nicht zweckmäßig ist, weil das Gebäude mit einem Alter von hundert Jahren den heutigen Verhältnissen nicht mehr entspricht. Es ist daher vorgesehen, das Gebäude abzubrechen und an seine Stelle einen modernen Zweckbau zu setzen. Verhandlungen darüber mit der Stadt sind eingeleitet. Nach den Mitteilungen der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn ist beabsichtigt, die Pläne im nächsten Jahr aufzustellen und möglichst den Bau im Jahre 1965 durchzuführen. Ich rufe auf die Frage XIV/6 — des Herrn Abgeordneten Welslau —: In welcher Weise werden Straßenverkehrsunfälle in der Bundesrepublik ausgewertet? Herr Kollege, nach dem Gesetz zur Durchführung einer Straßenverkehrsunfallstatistik vom 18. Mai 1961 wird eine einschlägige Statistik geführt über Unfälle, bei denen infolge des Fahrverkehrs auf öffentlichen Wegen und Plätzen Personen getötet oder verletzt oder Sachschäden verursacht worden sind. Diese Statistik wird vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden in Zusammenarbeit mit den Statistischen Landesämtern aufbereitet. Die Ergebniss dieser Aufbereitung dienen als Unterlage für Maßnahmen des Straßenverkehrsrechts, für Maßnahmen des Straßenbaues, für Maßnahmen zur Aufklärung und Erziehung der Verkehrsteilnehmer und für Forschungsaufträge. Eine Zusatzfrage! Herr Minister, werden leicht zu beseitigende verkehrsgefährdende Gegenstände sofort beseitigt, oder muß in jedem Fall zunächst eine Welslau Verkehrsschau stattgefunden haben? Ich denke dabei an Bäume auf Landstraßen in gefährlichen Kurven, die doch sehr leicht beseitigt werden könnten. Das ist zunächst eine Angelegenheit der Landesverkehrsbehörden und der Polizei, die sich darum zu kümmern haben, daß irgendein verkehrsgefährdender Zustand, wenn er eintritt, sofort beseitigt wird. Keine weiteren Zusatzfragen. Wir kommen zu den Fragen 7 bis 9 — des Herrn Abgeordneten Schmidt Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß sie die im gleichen Umfange wie im Vorjahr im Regierungsbezirk Schwaben geplanten Straßensperrungen und Einschränkungen während der Frostperiode nur unter völliger Außerachtlassung der dadurch sich erneut ergebenden schweren Belastungen für den Allgäuer Wirtschaftsraum durchführen kann? Ist die Bundesregierung bereit, wegen der unter XIV/7 genannten Schwierigkeiten in eine echte Prüfung der Belastungsmöglichkeiten der einzelnen Bundesstraßen in der Frostperiode unter Berücksichtigung der seit Jahren hierzu gemachten Vorschläge im Hinblick auf Geschwindigkeitsbeschränkungen und Herabsetzung des Reifendruckes umgehend einzutreten? Sieht die Bundesregierung ein, daß unter allen Umständen eine direkte Verbindung des Allgäuer Wirtschaftsraumes zur Autobahn München—Stuttgart im kommenden Winter weitgehend sperrungsfrei bleiben muß, nachdem die erst seit neuerer Zeit laufenden Nachholmaßnahmen im Straßenbau in Schwaben noch keinen winterfesten Vollanschluß erreichen konnten und dem Allgäuer Wirtschaftsraum die ails der langen Verzögerung sich ergebende Belastung in der Frostperiode nicht länger auferlegt werden kann? Der Fragesteller ist nicht anwesend. — Übernehmen Sie die Fragen? Ich darf die drei Fragen des Herrn Kollegen Schmidt gemeinsam beantworten. Die Bearbeitung der von den Straßenbaubehörden der Länder tim Zusammenwirken mit den Straßenverkehrsbehörden und den Verkehrsverbänden aufzustellenden Vorschläge für voraussichtliche Verkehrsbeschränkungen auf den Durchgangsstraßen während des Frostaufgangs, also während der Tauperiode im nächsten Frühjahr, ist noch nicht abgeschlossen. Sie wird bei der Obersten Baubehörde in München voraussichtlich Mitte Dezember vorliegen. Doch läßt sich schon jetzt sagen, daß gegenüber den Verkehrsbeschränkungen der letzten Tauperiode Erleichterungen für ,den Güterverkehr vorgesehen werden können, die sich für das Allgäu günstig auswirken werden. Ich habe dazu erstmals für den Bereich der Bundesstraßen angeordnet, daß das zulässige Gesamtgewicht eines Fahrzeuges der in der Hauptsache vorkommenden Beschränkungsstufe von 6 t mit Rücksicht auf die gebräuchlichsten Größen der Fahrzeuge des Güterfernverkehrs auf 7 t erhöht wird. Zu dieser allgemeinen Lockerung werden mit Rücksicht auf die Erfordernisse der Wirtschaft weitere örtliche Verbesserungen treten. Sie werden nicht von mir, sondern von den obersten Landesbehörden festgesetzt. Der Vorschlag, das zulässige Fahrzeuggewicht gegenüber der angeordneten Lastbeschränkung in einem gewissen Umfang zu erhöhen, wenn gleichzeitig der Reifendruck entsprechend vermindert wird, ist bereits vor Jahren geprüft worden. Da die für die Tragfähigkeit der Straße entscheidende kritische Zone im allgemeinen unmittelbar unter der Fahrbahnbefestigung im Untergrund des Straßenkörpers liegt, kommt es nicht sosehr auf den spezifischen Flächendruck des Reifens an als auf die Größe der Radlast selbst. Hierzu treten noch eine Reihe weiterer Umstände, die mich veranlaßt haben, an dem 'bisher bewährten Verfahren festzuhalten. Dem Allgäu konnte in der Tauperiode 1963 mit der als sogenannte Positivstraße von Beschränkungen freigehaltenen Bundesstraße 312 von Steinheim bis Biberach und — daran anschließend — der Bundesstraße 30 von Biberach bis Ulm eine tragbare Umleitung des Verkehrs mit Fahrzeugen über 9 t Gesamtgewicht von und zur Autobahn zur Verfügung gestellt werden. Nachdem nunmehr die Bundesstraße 19 als Direktverbindung zur Autobahn bei Ulm in ihrem Südabschnitt, nämlich zwischen Oberstdorf und Steinheim, schon bisher Positivstraße war, konnte sie jetzt zwischen Steinheim und Ulm in diesem Baujahr weiter verbessert werden. Unter dem Eindruck der guten Erfahrungen, die durch derartige Zwischenausbauten allenthalben gemacht wurden, habe ich gelegentlich meiner diesjährigen Straßenbereisung die Oberste Baubehörde veranlaßt zu prüfen, inwieweit die Verkehrsbeschränkungen im Allgäu — und zwar insbesondere bezüglich der Bundesstraße 19 zwischen Steinheim und Ulm — weiter abgebaut oder ganz aufgehoben werden können. Das Ergebnis der von den zuständigen Landesbehörden durchzuführenden Prüfung dürfte in Kürze vorliegen. Es wird hoffentlich Veranlassung für weitere Erleichterungen sein. Ich darf in diesem Zusammenhang, Herr Kollege, darauf hinweisen, daß der Bund für die Beseitigung der Frostschäden allein in diesem Jahre 380 Millionen DM hat aufwenden müssen. Die Lastund Geschwindigkeitsbeschränkungen während der an sich kurzfristigen Tauperiode — das sind als mehrere Tage, höchstens eine Woche oder zwei Wochen — dienen dem Schutz und der Erhaltung der Straße, insbesondere ihrer Zurverfügungstellung in der nachfolgenden Zeit in gutem Zustand. Ihre Zerstörung durch Befahren mit zu schweren Fahrzeugen in der kurzen Tauperiode führt zu volkswirtschaftlich höheren Verlusten als vorübergehende Sperrungen oder Beschränkungen, so unangenehm sie auch sind. Wir werden selbstverständlich weiter wie in den letzten Jahren in gerechter Abwägung alles Vertretbare tun, um die damit verbundenen vorübergehenden Beeinträchtigungen des Wirtschaftsverkehrs möglichst gering zu halten. Unser Ziel bleibt natürlich, den Ausbau der frostgefährdeten Straßen so zügig zu fördern, daß Benutzungsbeschränkungen in Zukunft nicht mehr notwendig sind, 4460 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. ,Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 Die Fragen sind beantwortet. Frage XIV/10 — des Herrn Abgeordneten Dr. Dörinkel —: Erwartet die Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Schwierigkeiten im Straßenverkehr durch die Konstruktion von Stahlhochstraßen? Die Frage wird übernommen von dem Abgeordneten Dr. Kohut. Seit dem Bau des Unkelstein-Viadukts im Zuge der B 9 im Jahre 1955 hat die Anwendung von Hochstraßen im Zuge von Bundesfernstraßen und auch im Straßennetz der Städte immer mehr Anwendung gefunden. Es sind heute schon viele Kilometer Hochstraßen im Verkehr, und die Entwicklung in dieser Hinsicht ist noch nicht abzusehen. Bisher sind die Hochstraßen fast ausschließlich in Spannbeton gebaut, obgleich bei Ausschreibungen in der Regel Wahlvorschläge selbstverständlich auch in Stahlbauweise zugelassen werden. Die Angebote in Stahlbauweise waren jedoch für Dauerausführungen weniger geeignet, zumal der Spannbeton wegen seiner leichteren Anpassungsfähigkeit an die örtlichen Gegebenheiten und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit vor allem bei der Unterhaltung hier oft besondere Vorteile bietet. Ich erinnere Sie dazu an die Hochstraßen in Mannheim, Ludwigshafen, Köln, Berlin und an anderen Orten. Das hat sich auch im Ausland vielfach erwiesen. Ich erinnere z. B. an Brüssel und Los Angeles. Zur Zeit werden von uns neue Vorschläge zum Einsatz von Stahlhochstraßen überprüft, die wir grundsätzlich vor mehreren Monaten von verschiedenen Firmen angefordert haben. Die erbetenen Vorschläge sind bisher nur zum Teil eingegangen, die ersten Anfang November. Durch die in der Zwischenzeit geführten Verhandlungen war es möglich, zahlreiche Mängel früherer Konstruktionsvorschläge auszuschließen. Die Prüfung wird erst in einiger Zeit ein abschließendes Urteil erlauben. Zusatzfrage! Herr Minister, ist die Stahlkonstruktion vielleicht geeignet, das leidige Problem der beschrankten Bahnübergänge in Städten zu lösen? Nein, das glaube ich nicht. Die Bundesbahn hat zur Lösung des Problems an schienengleichen Bahnübergängen eine Konstruktion aus Fertigbetonteilen entwickelt, die sich als wesentlich günstiger erwiesen hat als der Einsatz von Stahlkonstruktionen. Frage XIV/11, die ebenfalls von dem Abgeordneten Dr. Dörinkel gestellt ist: Gilt das unter XIV/10 Gesagte — gegebenenfalls — nur für die Überbrückung von Autobahnstrecken, z. B. von Baustellen, oder auch für den innerstädtischen Verkehr? Baureife Entwürfe von leicht beweglichen Stahlhochbrücken, deren Einsatz bei kurzfristig abzuwickelnden Baustellen Erfolg versprechen, liegen uns zur Zeit noch nicht vor. Das hat seinen Grund darin, daß die Kreuzungen mit Autobahnüberführungen und die durch die Auffahrtsrampen in Gefällstrecken noch hinzukommenden Steigungen verkehrliche und bauliche Schwierigkeiten bieten, die erst ausgeräumt werden müssen. Die Anwendung von transportablen Stahlhochstraßen bei Reparaturstrecken hat aber nur Sinn, wenn sie möglichst ohne Einschränkung anwendbar ist und Antransport, Montage und Demontage so organisiert werden können, daß die Verkehrsbehinderungen unter Verwendung von Stahlhochbrücken erheblich geringer werden als bisher. Die bisherigen Konstruktionen bieten diese Möglichkeit noch nicht. Deshalb haben wir die Stahlbauund die Straßenbaufirmen schon im Frühjahr dieses Jahres um Vorschläge gebeten. Sie sind bisher noch nicht eingegangen. Wir hoffen aber, daß baureife Entwürfe aus diesen Arbeiten entstehen werden. Für den innerstädtischen Verkehr dagegen kommen als Dauerlösungen — wie gesagt — in erster Linie Spannbetonbrücken und nur bei Provisorien Brücken in Stahlbauweise in Frage wie z. B. in Birmingham. Ihr Einsatz wird aber von den Städten selbst entscheidend zu bestimmen sein. Keine Zusatzfrage? — Dann die Frage XIV/12 — des Abg. Dr. Rinderspacher —: Hat die Bundesregierung die Möglichkeit, bei den Autobahnraststätten darauf hinzuwirken, daß die Hauptspeisekarten mehrsprachig, wenigstens französisch und englisch, abgefaßt werden, wie das bei der Deutschen Schlafund Speisewagengesellschaft bereits der Fall ist? Die Frage ist zu bejahen. Der Bundesminister für Verkehr wird die Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen ersuchen, darauf hinzuwirken, daß die Hauptspeisekarten in den Autobahnraststätten von den Pächtern mehrsprachig, d. h. auch in Englisch und Französisch, abgefaßt werden. Der bekannte Prospekt „Tanken und Rasten an den Bundesautobahnen", der auch an den Grenzen verteilt wird, enthält bereits einen mehrsprachigen Text. Frage XIV/13 —des Abgeordneten Dr. Rinderspacher —: Hält die Bundesregierung es für erforderlich, Hinweisschilder auf Rheinbrücken und Rheinfähren im deutsch-französischen Grenzgebiet zweisprachig zu beschriften, wie das in Frankreich zum Teil bereits getan wird? Nach Ansicht des Innenministeriums Baden-Württemberg ist bei diesen Grenzübergängen ein allgemeines Bedürfnis für zweisprachige Hinweise noch nicht aufgetreten, weil die beiden Sprachen zu beiden Seiten gleichmäßig bekannt sind. Wo es jedoch in einzelnen Fällen notwendig ist, werden wir die Hinweise zweisprachig geben; das ist bei den Hauptübergängen der Fall. Ich habe gebeten, daß die örtlich zuständigen Behörden dieser Frage ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Wir kommen zur Frage XIV/14 — des Abgeordneten Felder —: Hält der Herr Bundesverkehrsminister die Feststellung des Deutschen Kanalund Schiffahrtsvereins Rhein-Main-Donau für richtig, daß eine ordnungsgemäße Weiterführung der Bauarbeiten im Kanalabschnitt Bamberg-Nürnberg mit dem im Haushaltsansatz 1964 vorgesehenen Betrag von nur 9 Millionen DM Bundesmitteln zur Folge hätte, daß Nürnberg erst Mitte 1970 erreicht würde? Der Bundesminister für Verkehr, die Bayerische Staatsregierung und die Rhein-Main-Donau AG bemühen sich, den für 1970 in Aussicht gestellten Termin für die Vollendung des Abschnitts Bamberg—Nürnberg der Rhein-Main-Donau-Großschiffahrtsstraße zu halten. Ein genauer Termin läßt sich bei so umfangreichen und schwierigen Wasserbauarbeiten natürlich nicht angeben. Es spielt dabei allerdings die Finanzierung auch eine entscheidende Rolle. Sie wird durch die schwierige Haushaltslage des Bundes begrenzt. Die Verteilung der Mittel unterliegt den Beschlüssen des Hohen Hauses. Der Bundesminister für Verkehr würde es außerordentlich bedauern, wenn die Haushaltslage eine Erhöhung der Bauzuweisungen des Bundes nicht in dem Ausmaß zuläßt, um den Abschnitt Bamberg—Nürnberg bis 1970 fertigzustellen. Bekanntlich hat der Haushalt 1963 die Anforderung des Bundesministers für Verkehr, 20 Millionen DM hierfür bereitzustellen, nicht erfüllt. Auch für 1964 ist die Anmeldung zum Haushalt gemäß dem zweiten Vierjahresplan für die Bundeswasserstraßen in der gleichen Höhe, also mit nur 20 Millionen DM, erfolgt. Die Rhein-Main-Donau AG selbst kann die erforderlichen Baumittel nur zu etwa 2/3 aus eigenen Mitteln decken und ist daher auf die Darlehen des Bundes und des Landes unbedingt angewiesen. Zusatzfrage! Herr Minister, Sie sind also auch der Meinung, daß die verhältnismäßig geringe Differenz in der entsprechenden Etatposition im Hinblick auf die Vordringlichkeit des Projektes zur Entwicklung des europäischen Raumes es erforderlich mache, sich mit allem Nachdruck für die Bewilligung der Mittel einzusetzen? Ich kann nicht mehr tun, als mich für die Bewilligung der Mittel in meinem Rahmen einsetzen. Letzten Endes erfolgt die entscheidende Bewilligung ja durch den Bundestag, Herr Kollege. Zusatzfrage! Herr Minister, darf man die Feststellung treffen, daß der zweite Vierjahresplan für die Bundeswasserstraßen nach dem Ziel und der Finanzierung dann lediglich ein Arbeitsplan des Verkehrsministeriums ist, daß es sich dabei aber nicht um eine verbindliche Kabinettsvorlage handelt? Dies ist eine verbindliche Kabinettsvorlage gewesen, die auch vom Kabinett verabschiedet worden ist, allerdings, da hier ja keine Steuereinnahmen mit Zweckbindung wie beim Straßenbauhaushalt vorliegen, mit dem selbstverständlichen Vermerk, daß die Ausführung sich nach den Verhältnissen des Haushalts zu richten hat wie bei allen derartigen Vorhaben. Der Haushalt wird dem Hohen Hause vorgelegt, und das Hohe Haus hat ja auch den zweiten Vierjahresplan für die Bundeswasserstraßen vorliegen. Eine weitere Zusatzfrage! Herr Minister, was können Sie tun, damit die Irreführung der Öffentlichkeit einmal ein Ende nimmt? Was können Sie tun, daß man wirklich zwischen einem Arbeitsplan des Ministeriums und der möglichen Kabinettsvorlage unterscheidet? Ich habe nie daran einen Zweifel gelassen — auch in der Öffentlichkeit nicht —, daß der Plan zum Ausbau der Wasserstraßen nicht gesichert ist, weil wir dafür an die Haushaltsmittel gebunden sind. Ich habe das wiederholt öffentlich erklärt. Zusatzfrage! Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß die Ansätze für den Ausbau der Wasserstraßen generell zu niedrig sind und der Bedeutung der Wasserstraßen nicht entsprechen? Sie betragen nur 3 % der Haushaltsmittel des Verkehrsetats. Wenn mir die Mittel bewilligt würden, die ich sowohl vom Bundesfinanzminister wie von diesem Hohen Hause angefordert habe, würde ich glauben, daß wir damit für die Aufrechterhaltung des Verkehrs und den Ausbau der Wasserstraßen auskommen würden, nicht allerdings für die zusätzliche Aufstellung von neuen Großanlagen. Keine Zusatzfrage mehr. Frage XIV/15 — des Abgeordneten Felder —: Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, sich im Kabinett mit allem Nachdruck dafür einzusetzen, daß die im zweiten Vierjahresplan für den Ausbau der Bundeswasserstraßen vorgesehenen Jahresraten in Höhe von 20 Millionen DM auch wirklich im Haushalt angesetzt werden? In das zweite Vierjahresprogramm sind für die Bundeswasserstraßen und damit auch für die RheinMain-Donau-Großschiffahrtsstraße die erforderlichen Beträge eingesetzt. Dieses Programm wurde vom Kabinett — wie eben schon in der Zusatzfrage erklärt — mit der Maßgabe gebilligt, daß die Finanzierung nur im Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm vorgenommen werden soll. Der Bundesminister für Verkehr hat sich mit allem Nachdruck dafür eingesetzt, daß die in diesem Rahmen gegebenen Möglichkeiten auch zugunsten der Rhein-Main-DonauGroßschiffahrtsstraße genutzt werden. Der Bundestag hat bisher zu dem zweiten Vierjahresplan Bundeswasserstraßen weder in den Ausschüssen noch im Plenum abschließend Stellung genommen. Wären Sie also bereit, Herr Ministern, sich bei Ihrem Kollegen im Finanzministerium noch einmal mit allem Nachdruck für die Bewilligung der Differenz einzusetzen? Das habe ich getan. Diese Möglichkeiten sind in den Chefbesprechungen, die in den letzten Wochen geführt worden sind, ausgeschöpft worden. Nunmehr liegt der vom Bundesfinanzminister einzubringende Haushaltsplan dem Kabinett zur Verabschiedung vor. Er wird dann hierher kommen, und Sie werden in den Ausschüssen, sowohl im Verkehrsausschuß als auch im Haushaltsausschuß, Gelegenheit haben, dieser Position noch einmal Ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ich würde das begrüßen. Die Frage ist beantwortet. Nunmehr fahren wir fort auf Drucksache IV/1618. Fragen 1, 2 und 3 — des Herrn Abgeordneten Iven —: Treffen Zeitungsmeldungen zu, wonach durch eine „Kleine Revision" der Mannheimer Rheinschilfahrtsakte ein weiterer Staat Unterzeichnerstaat werden soll? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine Gleichbehandlung aller Verkehrsträger sowohl im nationalen als auch im internationalen Bereich eine Revision der Mannheimer Akte erforderlich macht? Werden die Aussichten auf eine Revision im Sinne der Fragen 1 und 2 nicht verschlechtert, wenn Staaten, die nicht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft angehören, den offiziellen Status eines Unterzeichnerstaates erhalten? Zeitungsmeldungen, wonach ein weiterer Staat durch die kleine Revision Unterzeichnerstaat der Mannheimer Rheinschiffahrtsakte von 1868 werden soll, treffen nicht zu. Die revidierte Rheinschifffahrtsakte von 1868, kurz Mannheimer Akte genannt, der bekanntlich die Mainzer Akte und davor die Wiener Kongreßakte vorausgegangen sind, bildet nämlich nicht allein die Rechtsgrundlage des geltenden und von der Bundesregierung 1950 ausdrücklich anerkannten Regimes auf dem Rhein. Diese Grundlage wird gebildet durch die Mannheimer Akte und verschiedene spätere Vertragsbestimmungen und Vereinbarungen, darunter auch die sehr wesentlichen Bestimmungen des Versailler Vertrages von 1919. Das Übereinkommen zur Revision einiger Bestimmungen der revidierten Rheinschifffahrtsakte von 1868 und ihrer späteren Änderungen, das am 4. Oktober dieses Jahres in Straßburg von Vertretern der Bundesrepublik Deutschland, Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens, der Niederlande und der Schweiz paraphiert worden ist und das auf eine deutsche Initiative im Jahre 1957 zurückgeht, strebt insbesondere die Neufassung einiger noch auf die Jahre 1919 bis 1923 zurückgehender überholter Bestimmungen an. Die Schweiz ist zusammen mit Belgien und Großbritannien, die auch diesen Zusatzvertrag unterzeichnet haben, durch den Versailler Vertrag von 1919 in die Zentralkommission, für die Rheinschifffahrt aufgenommen worden. Diese Länder sind seit jener Zeit von allen Vertragspartnern, also den Signatarmächten der Mannheimer Akte, nicht nur als Mitglieder der Zentralkommission, sondern als gleichberechtigte Partner auch bei der Ausarbeitung neuer Vereinbarungen auf Grund und im Zusammenhang mit der Mannheimer Akte betrachtet worden. Diese Entwicklung läßt es nicht zu, einem dieser Staaten heute das Recht der Unterzeichnung und Mitwirkung zu bestreiten. Auch das vorliegende Übereinkommen ändert insofern im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten untereinander nichts. Sein Rahmen ist dadurch begrenzt, daß die wesentlichen anstehenden Probleme jener Verständigung vorbehalten bleiben müssen, die zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Brüssel und der Straßburger Zentralkommission angestrebt werden muß. Die Bundesregierung hat stets die Auffassung vertreten, daß die Rheinschiffahrt im nationalen und im internationalen Bereich in die Verkehrspolitik der Uferstaaten und künftig in die sich entwickelnde gemeinsame Verkehrspolitik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einzubeziehen ist. Über die Vorschläge der Kommission zur Gestaltung der Verkehrspolitik wird in Brüssel beraten. Dabei wird es sich als notwendig erweisen, daß die von der Kommission aufgestellte Prämisse einer auch materiellen Gleichbehandlung der Verkehrsträger beachtet wird. Es ist dabei zu hoffen, daß die allmähliche Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik es erlauben wird, die technisch integrierte und wirtschaftlich bereits sehr eng verflochtene Rheinschiffahrt als ein Ganzes zu sehen und zu behandeln. Ob dieses Ziel nur auf dem Wege einer großen Revision der Mannheimer Akte und ihrer späteren Änderungen oder auch durch Abschluß eines Vertrages zwischen der Rheinschiffahrtskommission und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erreicht werden kann, wird erst durch das Ergebnis der Beratungen in Brüssel und etwaiger notwendiger Verhandlungen zwischen der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dritten interessierten Staaten bestimmt werden können. Die Frage ist beantwortet. XV. Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Frage 1 — Abgeordneter Reichmann —: Ist es zutreffend, daß ein Investitionskredit der Bundesregierung 1958 in Griechenland entgegen der Zusicherung nicht zu Investitionszwecken verwendet wurde? Oder wünschen Sie alle drei Fragen zusammen zu beantworten? Vizepräsident Dr. Schmid Dann rufe ich auch die Fragen XV/2 und XV/3 — des Herrn Abgeordneten Reichmann — auf: Ist es zutreffend, daß von dem Investitionskredit in Griechenland 50 Millionen DM statt für den Straßenbau zur Schuldenabzahlung an die USA verwendet wurden? Ist es zutreffend, daß von dem Investitionskredit in Griechenland 50 Millionen DM auf Privatkonten in der Schweiz überwiesen wurden? Die drei Fragen betreffen Behauptungen, die im kürzlich abgeschlossenen griechischen Wahlkampf aufgestellt worden sind. Sie besagen im einzelnen, daß das Darlehen von 200 Millionen DM, das die Bundesrepublik an Griechenland im Jahre 1958 gewährte, nicht zu Investitionszwecken verwendet worden sei, insbesondere daß 50 Millionen DM statt für den Straßenbau zur Schuldenabzahlung an die USA verwendet und weitere 50 Millionen DM auf Privatkonten in die Schweiz überwiesen worden seien. Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt nehme ich zu den Fragen wie folgt Stellung. Die von der Bundesregierung in der Bundesrepublik und von der deutschen Botschaft in Athen angestellten Ermittlungen haben keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Behauptungen ergeben. Im einzelnen darf ich folgendes feststellen. Auf Grund eines Regierungsabkommens vom 27. September 1958 ist der Regierung des Königsreichs Griechenland durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit Vertrag vom 18. September 1959 ein Darlehen in Höhe von 200 Millionen DM aus Mitteln des ERP-Sondervermögens gewährt worden. Dabei handelte es sich nicht um ein projektgebundenes Darlehen im Rahmen der Entwicklungshilfe, sondern um eine Finanzhilfe an Griechenland, die insbesondere auch als ein Beitrag zur Wiedergutmachung der von Griechenland während des zweiten Weltkrieges erlittenen Unbill gesehen werden muß. Die Hilfe wurde mit der allgemeinen Auflage verbunden, sie für Infrastrukturvorhaben im Rahmen des wirtschaftlichen Entwicklungsprogramms Griechenlands zu verwenden. Griechenland hat in der Folgezeit vorgeschlagen, das Darlehen für den Straßenbau und zu einem geringen Teil für Meliorationsvorhaben zu verwenden. Die Bundesregierung hat sich damit einverstanden erklärt. Die Darlehensvaluta ist in vier Teilbeträgen von zweimal 53,3 und zweimal 46,7 Millionen DM von der Bank von Griechenland in den Jahren 1959 bis 1961 abgerufen und auf deren Konto bei der Deutschen Bundesbank von der Kreditanstalt überwiesen worden. Die mit diesen Mitteln finanzierten Vorhaben erforderten überwiegend die Aufbringung von Landeswährung. Demgemäß verblieben die Devisengegenwerte insoweit der Bank von Griechenland ganz naturgemäß zur Befriedigung ihres allgemeinen Devisenbedarfs. Eine besondere Kontrolle der Verwendung der der Bank von Griechenland zur Verfügung gestellten Mittel im einzelnen ist bei der Natur dieses Darlehens im Gegensatz zu den heutigen Krediten im Rahmen der Entwicklungshilfe und dem dabei verbindlichen Verfahren nicht vereinbart worden. Die Bank von Griechenland hat jedoch erklärt, daß der Gesamtbetrag des Darlehens ordnungsgemäß bei ihr eingegangen sei und daß sie die Gegenwerte dem Investitionsbudget zur Durchführung von Entwicklungsprojekten zur Verfügung gestellt habe. Wenn etwa zur gleichen Zeit ein kleinerer Betrag aus dem Budget zur Abdeckung fälliger Zinsen an die USA entnommen worden sei, stehe dies in keinerlei Zusammenhang mit der deutschen Anleihe. Eine Nachprüfung der Verwendung der Darlehensbeträge im einzelnen auf dem Konto der Bank von Griechenland bei der Deutschen Bundesbank ist der, Bundesregierung aus Gründen des Bankgeheimnisses nicht möglich; ganz abgesehen davon, daß, wie ich vorhin erwähnt habe, mit dem Darlehen fast ausschließlich Landeswährungskosten finanziert wurden. Ich darf dabei auf § 32 des Bundesbankgesetzes Bezug nehmen. Die Deutsche Bundesbank hat indessen auf Rückfrage betont, daß die pflichtmäßige Berufung auf das Bankgeheimnis nicht zum Ausdruck bringen solle, daß sie Mißtrauen wegen der Verwendung der der Bank von Griechenland gutgeschriebenen Beträge hege. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Mittel unkorrekt verwendet worden seien. Auch die deutsche Botschaft in Athen hat auf Grund sorgfältig eingeholter Informationen erklärt, daß die während des Wahlkampfes aufgestellten I Behauptungen über die Verwendung der deutschen Finanzhilfe an Griechenland unzutreffen seien und ohne weiteres zu widerlegen seien. Eine Zusatzfrage. Herr Staatssekretär, darf ich fragen: ist angesichts der Kritik an der Entwicklungshilfe auch in der Öffentlichkeit jetzt und in der Zukunft die Gewähr dafür gegeben, daß eine mißbräuchliche Verwendung der Entwicklungshilfe in den Empfangsländern verhindert werden kann? Ich glaube diese Frage mit aller Sicherheit bejahen zu können. Damit sind die Fragen sämtlich beantwortet. Die Fragestunde ist beendet. Ich schlage Ihnen vor, daß wir nun zunächst die drei Punkte behandeln, die wir heute morgen auf die Tagesordnung gesetzt haben. Ich glaube, daß sie ohne Debatte erledigt werden können, während zu allen anderen Punkten debattiert wird. Zunächst rufe ich auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Postund Fernmeldewesen Vizepräsident Dr. Schmid über die Gewichte und Abmessungen der zum Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten zugelassenen Nutzkraftfahrzeuge Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wendelborn. Wünscht er das Wort? Unter Ziffer 1 beantragt der Ausschuß, den Vorschlag der EWG-Kommission zur Kenntnis zu nehmen. Ist das Haus einverstanden? — Kein Widerspruch. Unter Ziffer 2 beantragt der Ausschuß, daß der Bundestag einem Entschließungsantrag zustimmt. Ich brauche ihn wohl nicht zu verlesen; Sie haben ihn vor sich. Erhebt sich gegen den Antrag Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist auch das beschlossen. Als nächsten Punkt rufe ich auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes Zur Einbringung und Begründung wird das Wort nicht gewünscht. Auch sonst liegen keine Wortmeldungen vor. Die Fraktionen scheinen sich verständigt zu haben, ,den Entwurf dem Finanzausschuß zu überweisen. — Kein Widerspruch; dann ist die Überweisung ,an den Finanzausschuß beschlossen. Weiter rufe ich auf: Beratung ides Antrags der Abgeordneten Struve, Glüsing Keine Wortmeldungen. Vorgeschlagen ist Überweisung 'an den Ausschuß für Gesundheitswesen —federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung. — Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen. Nunmehr kehren wir zur ursprünglichen Tagesordnung zurück, Punkt 2: a)

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Rede ID: ID0409700100



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Rede ID: ID0409700200
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409700300
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0409700400
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409700500
Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
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Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Hermann Höcherl (CSU):
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Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
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Hermann Höcherl (CSU):
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Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
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Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0409702300
Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Josef Ertl (FDP):
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Hermann Höcherl (CSU):
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Josef Ertl (FDP):
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Hermann Höcherl (CSU):
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Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Hedwig Meermann (SPD):
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Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Hermann Biechele (CDU):
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Dr. Carlo Schmid (SPD):
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Hermann Biechele (CDU):
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0409704100
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409704200



Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409704300
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409704400
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409704500

(Abg. Dr. Mummer: Es lebe die EWG!)

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409704600
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409704700
Marta Schanzenbach (SPD):
Rede ID: ID0409704800
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409704900
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409705000
Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0409705100
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409705200
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409705300



Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0409705400
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409705500
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409705600
Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0409705700
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409705800
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409705900
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409706000
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409706100
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409706200
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409706300
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409706400
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409706500



Heinrich Welslau (SPD):
Rede ID: ID0409706600
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409706700

(Abg. Ertl: Ja!)

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409706800
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409706900
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409707000
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409707100
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409707200
Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
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Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409707400
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409707500
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409707600
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409707700
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409707800
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409707900



Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409708000
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409708100
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409708200
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409708300
Josef Felder (SPD):
Rede ID: ID0409708400
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409708500
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409708600
Max Seidel (SPD):
Rede ID: ID0409708700
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409708800
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409708900
Max Seidel (SPD):
Rede ID: ID0409709000
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409709100
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409709200
Egon Wilhelm Theodor Ramms (FDP):
Rede ID: ID0409709300
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409709400
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409709500



Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409709600
Josef Felder (SPD):
Rede ID: ID0409709700
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409709800
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409709900
Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0409710000

(Staatssekretär Dr. Vialon: Gern, Herr Präsident!)




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409710100
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0409710200
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409710300
Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0409710400
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0409710500




(Abg. Wendelborn: Ich verzichte!) — Sie verzichten. — Keine Wortmeldungen.

b) Beratung der Sammelübersicht 21 des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 30. September 1963 eingegangenen Petitionen (Drucksache IV/1605).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Böhme (Hildesheim). Ich erteile ihm das Wort.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409710600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Tätigkeitsbericht des Ausschusses für Petitionen, den ich gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung dem Hohen Hause zu erstatten die Ehre habe, umfaßt die Zeit vom 1. Juni bis zum 30. September 1963, also im wesentlichen die der Parlamentsferien, und schließt sich en den vom Herrn Kollegen Dr. Kübler in der 81. Sitzung vom 26. Juni 1963 vorgetragenen Bericht an.
In diesem Zeitraum sind 2052 neue Eingaben registriert worden, so daß sich die Gesamtzahl der in dieser Wahlperiode eingegangenen Petitionen auf 13 189 erhöht hat. Hinzu kommen 8108 sogenannte Masseneingaben, also Einzelpetitionen mit gleichem Anliegen und meist demselben Wortlaut, zur Verkehrsslicherheit, zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel, zur Krankenversicherungsreform, zur Notstandsgesetzgebung und seit vergangener Woche eine noch steigende Zahl von bis jetzt etwa 300 000 Zuschriften, in denen eine Beschleunigung der Urheberrechtsreform gewünscht wird.
Durchschnittlich gingen in den Berichtsmonaten je 513 Petitionen ein. In derselben Zeit wurden 2510 Eingaben abschließend behandelt, wodurch sich die Zahl der erledigten Petitionen in dieser Wahlperiode auf insgesamt 11 683 erhöht hat. In der Berichtszeit konnten demnach 458 Petitionen mehr erledigt werden, als im gleichen Zeitraum neu hinzugekommen sind. Es besteht damit ein Überhang von 1506 noch nicht endgültig abgeschlossenen Eingaben, bei denen es sich um Fälle handelt, die zur Entscheidung noch nicht reif waren. Das Büro für Petitionen hat in den Berichtsmonaten durchschnittlich 1400 Schreiben an Petenten, Abgeordnete und Ministerien versandt.
Diese wenigen Zahlen lassen erkennen, daß es eine parlamentarische Sommerpause weder für den Ausschuß noch für das Büro für Petitionen gegeben hat.
Für die weiteren statistischen Angaben erlaube ich mir Ihre Aufmerksamkeit auf die Ihnen vorliegende systematische Übersicht am Ende der Drucksache IV/1605 zu lenken.
Der Schwerpunkt der Eingaben liegt nach wie vor bei fünf großen Bereichen, die 53 % der Gesamteingaben ausmachen. Die restlichen 47 % verteilen sich auf 17 weitere Sachgebiete. Über 15 % der Anliegen betreffen Probleme der Sozialpolitik, 11 % befassen sich mit Angelegenheiten des Lastenausgleichs und fast 7 % mit solchen der allgemeinen inneren Verwaltung und des öffentlichen Dienstrechts. Nahezu alle Petitionen enthalten Begehren, die in ihrem Kern vernünftig sind und sich für eine Behandlung im Bundestag eignen. Nur etwa 5 0/o der Zuschriften ließen ein Anliegen nicht erkennen, waren anonym, beleidigend, ohne ausreichende Anschrift oder aus anderen formellen Gründen unbehandelbar.
Wenn Sie die Art der Erledigung der Petitionen betrachten — ich verweise hier auf Abschnitt C der Ihnen vorliegenden systematischen Übersicht auf Seite 17 der Drucksache IV/1605 —, gelangen Sie zu der vermutlich auch Sie verblüffenden Feststellung, daß der Deutsche Bundestag nahezu 48 % aus verfassungsrechtlichen Gründen nur formell behandeln



Böhme (Hildesheim)

durfte und die Eingaben entweder zuständigkeitshalber an die Volksvertretungen abgeben oder den Einsendern mitteilen mußte, daß gerichtliche Verfahren oder das Nichtbetreten des Instanzenzuges innerhalb der Verwaltung eine Behandlung der Sache selbst nicht zuließen.
Ich glaube daraus die Folgerung ziehen zu müssen, daß sehr viele Staatsbürger nicht wissen, ob der Bund oder die Länder zur Ausführung der Gesetze zuständig sind. Allein in 13 % der Fälle war das gewaltenteilende Prinzip des Grundgesetzes nicht bekannt oder es wurde völlig verkannt. Viele Petenten halten den Bundestag für eine oberste Rechtsmittelinstanz und glauben, er könne Gerichtsurteile abändern oder aufheben. Diese Zahlen sollten uns nachdenklich stimmen. Hier scheint uns rund 15 Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes noch eine echte Aufgabe und eine gute Möglichkeit zur staatsbürgerlichen Bildungsarbeit gegeben zu sein.
Schließlich möchte ich aus der Statistik erwähnen, daß der prozentual höchste Anteil von Eingaben, fast 30 °/o, aus Nordrhein-Westfalen kommt. Bezogen auf die Bevölkerungszahlen sind jedoch die Länder Berlin und Schleswig-Holstein mit 350 bzw. 315 Eingaben auf 1 Million Einwohner die petitionsfreudigsten.
385 Petitionen oder 3,3 % fanden bisher in dieser Wahlperiode eine positive Erledigung. Das sind rund 9,3 %, bezogen auf die Zahl der auf Abhilfe persönlicher Beschwerden gerichteten Eingaben. Diese Zahlen deuten darauf hin, daß die Verwaltungsbehörden in der Bundesrepublik einen hohen Grad von gründlichen und fehlerfreien Entscheidungen treffen und daß die Fehlerquellen in dem sehr engen und stärker kaum einengbaren Rahmen menschlichen Versagens liegen.
23 % der Eingaben mußten auf Grund der Stellungnahmen der Regierung für erledigt erklärt werden. Die Prüfung des Ausschusses und Bundestages ergab in diesen Fällen, daß die Verwaltung die Gesetze richtig angewandt, daß sie richtig gehandelt hatte und die Anliegen damit unbegründet waren.
Etwa 8 % der Eingaben ließen nach Auffassung des Ausschusses und des Plenums Lücken oder Härten bestehender gesetzlicher Vorschriften erkennen, deren Abhilfe angezeigt erschien. Sie wurden den zuständigen Fachausschüssen oder der Regierung als Material für künftige Gesetzentwürfe überwiesen.
Insbesondere diese Zahlen und die der positiven Erledigungen sind ein deutliches Zeichen dafür, wie notwendig es war, das Grundrecht des Art. 17 im Grundgesetz zu verankern. Hier wurde trotz gut funktionierender Verwaltung und nahezu vollkommenen Rechtsschutzes ein notwendiges Regulativ geschaffen. Für den Gesetzgeber selbst ist es von hohem Nutzen, durch die aus der Mitte des Volkes eingereichten Petitionen zu erfahren, wie seine Arbeit im Volke aufgenommen wird und wo sich Lükken oder Härten in den von ihm beschlossenen Gesetzen befinden. Weder die Verwaltung noch die Justiz kann diese Funktion ausfüllen.
Im zweiten Teil meines Berichts möchte ich Ihnen einige Anliegen vornehmlich aus den sozialen Bereichen aufzeigen.
Zahlreiche Petenten erstreben die Berechtigung zur freiwilligen Weiterversicherung in den gesetzlichen Rentenversicherungen nach Überschreiten der Einkommensgrenze. Dabei handelt es sich meistens um angestellte Akademiker, die bereits vor Ablauf von 60 Beitragsmonaten in der Rentenversicherung in ihrem Einkommen über die Versicherungsgrenze hinauskommen und dadurch keine Möglichkeit zur Weiterversicherung mehr haben.
Manche Einsender wünschen eine günstigere Regelung für die Anrechnung von Kriegs- und Wehrdienstzeiten als Ersatzzeiten in der Rentenversicherung. Ehemalige Hausangestellte und Krankenpflegerinnen führen immer wieder Klage über die ihnen gezahlten niedrigen Renten, wobei das Problem der Bewertung der freien Kost und Wohnung angeschnitten wird. Die Regierung hat zugesagt, bei einer Überprüfung der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze eine Höherbewertung der Sachbezüge zu erwägen.
Groß ist auch die Zahl der Eingaben, die eine Mindestrente, eine Herabsetzung des Rentenalters oder eine Weihnachtszuwendung für Rentner erstreben und die vor allem eine stärkere Anhebung der kleinen Renten zum Ziele haben. Die Zahl derartiger Eingaben ist zur Zeit vermutlich deshalb besonders hoch, weil seit Wochen Presse, Rundfunk und Fernsehen den Entwurf eines Sechsten Rentenanpassungsgesetzes behandeln, den die Bundesregierung inzwischen den gesetzgebenden Körperschaften zur Beschlußfassung zugeleitet hat. Daneben sind es vor allem das Krankenversicherungs-
Neuregelungsgesetz und das Zweite Neuordnungsgesetz zur Kriegsopferversorgung, zu dem zahlreiche Eingaben eingehen. Sie wurden an die zuständigen Ausschüsse, in denen die Gesetzentwürfe zur Zeit beraten werden, überwiesen.
Ein Problem, das sich wie ein roter Faden durch verschiedene Sachgebiete zieht, ist die Festlegung von Stichtagen in zahlreichen Gesetzen. Immer wieder weisen Petenten darauf hin, es bedeute für sie eine besondere Härte, wenn sie eine gesetzlich mögliche Leistung oder Vergünstigung nur deshalb nicht erhielten, weil sie nicht bis zu einem bestimmten Tag ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes genommen hätten. Hierzu darf ich einige Beispiele anführen.
Bei der Umwandlung von Reichsmark-Guthaben bzw. bestimmten Ansprüchen gegen die Berliner Altbanken aus der Reichsmarkzeit nach dem Umstellungsergänzungs- bzw. Berliner Altbankengesetz ist als Stichtag der 31. Dezember 1952 festgelegt. Eine Ausnahme hierfür gibt es nur für anerkannte Flüchtlinge nach § 3 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes. Inzwischen wird in diesem Hause ein Gesetzentwurf beraten, durch den natürliche Personen, die nach dem Stichtag in den Westen kommen, den Berechtigten gleichgestellt werden. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Entwurf eines Dritten Umstellungsergänzungsgesetzes, Ihnen vorliegend als Drucksache IV/1457.



Böhme (Hildesheim)

Die in dem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen aus Lebens- und Rentenversicherungen vom 5. August 1955 enthaltene Stichtagsregelung wird ebenfalls bemängelt. Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen aus Lebens- und Rentenversicherungen sieht nunmehr vor, daß ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Wohnsitzbegründung im Geltungsbereich des Grundgesetzes Ansprüche aus der Reichsmark-Versicherung gegen den Versicherungsträger geltend gemacht werden können.
Diese beiden Gesetze brechen die erste Lücke in die zahlreichen Kriegsfolgengesetze, die als Anspruchsvoraussetzung eine Stichtagsregelung beinhalten. Dadurch wird sicherlich in zahlreichen Einzelfällen eine befriedigende Lösung und echte Hilfe erzielt werden.
Im Gegensatz zu den Gesetzen, in denen die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen und Vergünstigungen von einem Anwesenheitsstichtag abhängig gemacht ist und eine Ausnahme hiervon für anerkannte Flüchtlinge nach § 3 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes vorgesehen ist, fehlt eine derartige Ausnahmeregelung bisher im Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz. Dies führte zu Härten und zu mehreren Eingaben. Der Entwurf eines Dritten Änderungsgesetzes zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz sieht nunmehr vor, daß eine entsprechende Ausnahmebestimmung in das Gesetz aufgenommen wird. Bei der Stichtagsregelung selbst soll es dagegen verbleiben.
In der 78. Sitzung vom 19. Juni 1963 hat der Bundestag beschlossen, der Bundesregierung eine Petition als Material für eine Novellierung des Häftlingshilfegesetzes zu überweisen. Der dieser Eingabe zugrunde liegende Sachverhalt war Ihnen von unserer verehrten Frau Kollegin Klee in ihrem mündlichen Bericht vom 27. März 1963 geschildert worden und entspricht dem einer gleichartigen Eingabe, in der die Petentin verzweifelt um Gewährung einer Unterhaltsbeihilfe und die Wiederzusammenführung mit ihrem Ehemann bittet, der in einer Haftanstalt der SBZ festgehalten wird. Wegen sogenannter Staatsverleumdung im Jahre 1960 zu einer Zuchthausstrafe verurteilt, unternahm er nach der Strafverbüßung im Jahre 1962, also nach Errichtung der Berliner Mauer, einen Fluchtversuch, trat dabei auf eine Mine und fiel schwerverletzt in die Hände der Volkspolizei. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde er erneut inhaftiert. Seit der ersten Entlassung aus dem sowjetzonalen Zuchthaus erhält die Petentin keine Unterstützung mehr nach dem Häftlingshilfegesetz. Dieser Fall beweist einmal mehr, wie dringlich eine gesetzliche Neuregelung des Gewahrsamsbegriffs in § 1 Abs. 3 des Häftlingshilfegesetzes ist, zumal offenbar nicht alle mit der Durchführung des Gesetzes befaßten Behörden von der Möglichkeit Gebrauch machen, Härteausgleich nach § 12 des Häftlingshilfegesetzes zu gewähren, wenn der ehemalige Häftling zwar nicht mehr gefangengehalten wird, aber am Übertritt in die Bundesrepublik oder nach Westberlin gehindert ist.
Immer wieder führen uns zahlreiche Eingaben vor Augen, daß der Krieg und seine Folgen 18 Jahre nach Einstellung der Kampfhandlungen noch nicht bewältigt sind und daß die vollkommensten Gesetze nicht ausreichen, um der vielen oft wahrhaft tragischen Schicksale Herr zu werden.
Ich darf Ihnen auch hier noch einmal einige Einzelfälle anführen. Eine aus Ostpreußen im Jahre 1945 geflüchtete Petentin ließ im Jahre 1952 ihren seit 1944 vermißten Ehemann für tot erklären, um in den Besitz einer kleinen Spareinlage ihres Mannes zu gelangen, die sie zur Bestreitung ihres notwendigsten Lebensunterhalts benötigte. Als Todestag wurde in dem Gerichtsbeschluß nach § 9 des Verschollenheitsgesetzes der 31. Juli 1949 bestimmt. Anfang 1963 erfuhr die Einsenderin über den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes von einem ehemaligen Kriegskameraden ihres Mannes, daß er bereits im Herbst 1944 in Odessa in der Sowjetunion verstorben sei. Die Gewährung von Leistungen an unmittelbar Geschädigte nach dem Lastenausgleichsgesetz setzt jedoch voraus, •daß der Erbfall vor der Vertreibung stattgefunden hat. Auf Grund der Todeserklärung vom 31. Juli 1949 lehnte das Ausgleichsamt daher die Anträge der Petentin ab.
Als sie nach mehr als zehn Jahren nach der Todeserklärung erfuhr, daß ihr Mann schon 1944 gestorben war, konnte sie aber nicht mehr innerhalb der in § 33 a Abs. 2 des Verschollenheitsgesetzes vorgesehenen Fünfjahresfrist den Antrag auf Änderung des Todeszeitpunktes stellen. Der Bundesminister der Justiz wies nun einen Weg, durch den, ohne daß es einer Änderung der Ausschlußfrist in § 33 a des Verschollenheitsgesetzes bedarf, die Petentin doch noch als unmittelbar Geschädigte nach dem Lastenausgleichsgesetz anerkannt werden und in den Genuß von Lastenausgleichsleistungen kommen kann.
An Hand eines Einzelfalles wurde die grundsätzliche Frage geklärt, ob ein Kriegsbeschädigter arbeitsunfähig im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherungsbestimmung en ist und gegebenenfalls Anspruch auf Einkommensausgleich nach § 17 des Bundesversorgungsgesetzes hat oder ob der entgangene Arbeitsverdienst nach § 24 des Bundesversorgungsgesetzes zu ersetzen ist, wenn ihm seine Prothese wegen der Vornahme notwendiger Änderungen längere Zeit nicht zur Verfügung steht und er seinen Beruf deshalb nicht ausüben kann.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat im Sinne der Petition entschieden und seine Auffassung den Arbeitsministern und Senatoren der Länder in einem im Bundesversorgungsblatt veröffentlichten Rundschreiben vom 2. April 1963 mitgeteilt, daß keine Bedenken beständen, § 24 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes auch auf den Tatbestand der Änderung oder Ausbesserung von Hilfsmitteln anzuwenden. Dies bedeutet, daß dem Betroffenen während der durch die Ersatzbeschaffung bedingten Arbeitsunfähigkeit in angemessenem Umfang Ersatz für den entgangenen Arbeitsverdienst geleistet wird.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Ihnen einen Überblick über die Tätigkeit des Petitionsausschus-



Böhme (Hildesheim)

ses gegeben zu haben, der Sie in der Auffassung bestärken möge, daß der Petitionsausschuß eine notwendige Ergänzung unserer staatlichen Organe darstellt, daß er dazu beiträgt, zu helfen, wo Verwaltung und Rechtsprechung nicht mehr helfen können.
Abschließend möchte ich Sie bitten, der Ihnen als Drucksache IV/1605 vorliegenden Sammelübersicht Nr. 21 des Ausschusses für Petitionen Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0409710700
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für diesen ausgezeichneten Bericht und meine, daß war uns nicht damit begnügen sollten, ihn angehört zu haben, sondern daß wir aus diesen Feststellungen und Lehren gesetzgeberische Konsequenzen ziehen sollten. Vielleicht darf ich mir die Anregung erlauben, daß man den Ausschüssen des Hauses die in ihre Arbeitsbereiche fallenden Feststellungen, die wir soeben gehört haben, mit der Bitte zuleitet, daraus bestimmte Folgerungen zu ziehen. Es hätte ja wenig Sinn, den Bericht anzuhören, wenn wir nichts damit anfangen würden. Dafür war die Mühe zu groß, die sich die Damen und Herren des Ausschusses gemacht haben. Vielleicht, Frau Abgeordnete Wessel, können Sie veranlassen, daß die Fachausschüsse entsprechend unterrichtet werden. Es wäre auch nicht schlecht, wann man in den Fraktionen den Versuch machte, sich zu überlegen, ob nicht einige Anträge im. Bundestag eingebracht werden könnten.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Mommer!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409710800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ergreife die Gelegenheit, einmal unseren Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuß für die Arbeit zu danken, die sie dort leisten.

(Beifall.)

Es ist ohne Zweifel nicht immer eine Arbeit, die Ruhm bringt und deren Erfolge man greifen kann; aber wir wissen, welche Bedeutung dem Petitionsrecht in ieiner Demokratie zukommt, und wir schulden unseren Kollegen Anerkennung für ihre Leistung.
Dann ein Vorschlag in Ergänzung zu dem, was der Herr Präsident soeben schon gesagt hat. Im Petitionsausschuß lernt man, wo im deutschen Volke der Schuh drückt; da kommt man auf die Lücken in der Gesetzgebung, die Mängel, die Widersprüche, die Unvollkommenheiten. Aus dieser Arbeit des Petitionsausschusses könnte eine sehr positive und konstruktive Gesetzgebungsarbeit hervorgehen. Wie wäre es denn, wenn wir unsere Kollegen im Petitionsausschuß bäten, die Fälle, die sie bearbeiten, klassifizieren und registrieren, jetzt auch noch eine Stufe weiter auszuwerten und aus den Erkenntnissen über Lücken, Mängel, Widersprüche Novellen zur Gesetzgebung zu machen? Das wäre eine zusätzliche große und sehr oft schwierige Arbeit, aber das wäre erst das eigentliche Resultat, das sich aus der Arbeit ides Ausschusses ergeben könnte.

(Abg. Ruf: Das sollen die Fraktionen und die Regierung machen!)

— Eben das wollte ich sagen. Es wird kaum möglich sein, daß unsere Kollegen vorn Petitionsausschuß selber Novellen machen und im Namen der Mitglieder des Ausschusses einbringen. Das dürfte zumindest nicht lin allen Fällen möglich sein. Aber vielleicht ist es doch möglich, Anträge zu stellen — wie wir es ja gelegentlich auch aus dem Hause, aus den Fraktionen heraus tun —, die Bundesregierung möge Gesetzentwürfe vorlegen, die der Lösung von Problemen, die bei der Bearbeitung der Petitionen klargeworden sind, dienen. Vielleicht wäre das ein Weg, die Arbeit im Petitionsausschuß noch fruchtbarer zu gestalten zum Wohle aller derjenigen, die der Schuh drückt und die sich dann vertrauensvoll an den Deutschen Bundestag und seinen Petitionsausschuß wenden.

(Beifall.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0409710900
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Petitionsausschusses.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409711000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte als Vorsitzende des Petitionsausschusses sehr für die Worte danken, die der Herr Präsident unserer Arbeit gewidmet hat, und auch für die Anerkennung, die unser Kollege Herr Dr. Mommer hier ausgesprochen hat.
Die Anliegen, die in dem Bericht des Kollegen Böhme dargelegt worden sind, drücken uns schon seit Jahren. In einer Beratung über den Personalbedarf des Petitionsbüros habe ich, wie Sie sich vielleicht erinnern, gerade darauf hingewiesen, daß die Aufgabe des Petitionsausschusses nicht allein in der Behandlung der Petitionen besteht, sondern daß die Erkenntnisse, die wir "bei der Bearbeitung der Petitionen hinsichtlich von Lücken und Mängeln in der Gesetzgebung gewinnen, ausgewertet werden sollten und wir bemüht sind, sie zu beseitigen. Dazu bedürfen wir aber, lassen Sie mich das noch einmal aussprechen, auch eines entsprechenden Personalbestandes im Petitionsbüro. Ich möchte schon heute die Mitglieder des Haushaltsausschusses bitten, sich bei den nächsten Haushaltsberatungen, wenn wir auf diese Frage zurückkommen, an diese Debatte, die wir erfreulicherweise gehabt haben, zu erinnern und die Wünsche, die wir aus den dargelegten Gründen in bezug auf eine Verbesserung unseres Personalbestandes vorbringen müssen, wohlwollend zu unterstützen.
Das war vor allem das Anliegen, das ich noch einmal aussprechen wollte. Denn es kommt uns wirklich darauf an, die Arbeit des Petitionsausschusses ' für den Bundestag so fruchtbar zu machen, wie es möglich ist, aus den Erkenntnissen heraus, die wir haben. Ich glaube nach der Debatte, die geführt worden ist, sagen zu dürfen, daß der Petitionsausschuß als Bindeglied zwischen Bürger und Bundes-



Frau Wessel
tag eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat und daß. er durch eine gute Arbeit in der Lage ist, das Vertrauen zur Demokratie und zu unserem Staat zu stärken.

(Allseitiger Beifall.)


Helene Wessel (SPD):
Rede ID: ID0409711100
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409711200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Ergänzung dessen, was Herr Kollege Dr. Mommer vorgeschlagen hat, möchte ich aus der Erfahrung als früheres Petitionsausschußmitglied noch etwas sagen.
Der Petitionsausschuß ist ein Ausschuß, der weit mehr als die anderen Ausschüsse des Hauses seine Mitglieder mit Hausaufgaben belastet. Sie können sich vorstellen, was es bedeutet, im Laufe der Legislaturperiode nahezu tausend nicht nur kleine Akten als Berichterstatter oder Mitberichterstatter durcharbeiten zu müssen. Dem Petitionsausschuß fällt es deshalb wegen seiner ungeheuren Arbeitsbelastung schwer, seinerseits aus dem, was er bei der Bearbeitung der Petitionen feststellt, Folgerungen in der Form zu ziehen, daß aus dem Petitionsausschuß heraus Novellen von Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen. eingebracht werden.
Ich glaube, daß aus der Kombination dessen, was der Herr Präsident gesagt hat, und dessen, was Herr Kollege Dr. Mommer erwähnt hat, sich eine brauchbare Lösung finden ließe. Wenn der Petitionsausschuß an Hand von einzelnen Akten über wesentliche Sachen berichtet und wenn der Fachausschuß zur Beratung dieses Punktes Berichterstatter und Mitberichterstatter des Petitionsausschusses lädt, dann kann, glaube ich, zwischen dem Petitionsausschuß und 'den Fachausschüssen eine gute Zusammenarbeit erfolgen, die für die Mitglieder des Petitionsausschusses eine erhebliche Arbeitsentlastung und damit eine Erleichterung ihrer Tätigkeit bedeuten würde. Denn, meine Damen und Herren, über eins müssen wir uns klar sein: die Mitglieder des Petitionsausschusses sind dies parlamentarisch sozusagen nur im Nebenberuf. Sie sind gleichzeitig Mitglieder aller möglichen Fachausschüsse und sind deshalb mit Ausschußarbeit besonders belastet. Aus diesem Grunde scheint mir neben einer zweckmäßigen Personalbesetzung, von der die Frau Vorsitzende gesprochen hat, eine 'solche Form der Zusammenarbeit zwischen Fachausschüssen und Petitionsausschuß zweckmäßig zu sein.

(Beifall.)


Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0409711300
Das Wort hat dei Abgeordnete Rasner.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409711400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch unsere Fraktion weiß, daß die Arbeit der Mitglieder des Petitionsausschusses oft in der Gefahr steht, verkannt zu werden. Es liegt auch uns sehr daran, den Damen und Herren, die sich dieser mühseligen Arbeit unterziehen, mit der mancher verdiente und begabte Politiker angefangen hat, den besonderen Dank auszusprechen.

(Beifall.)

Ich habe soeben mit dem Kollegen Mommer ein kurzes Gespräch geführt, damit wir in einer Sache Klarheit haben: Das Initiativrecht für Gesetzesvorlagen liegt bei den Abgeordneten oder bei den Fraktionen; das Initiativrecht für Gesetzesvorlagen liegt nicht bei den Ausschüssen. In dieser Frage müssen wir ganz klar sehen. Vorschläge, wie sie der Kollege Dürr soeben gemacht hat, sind realisierbar, aber nicht etwa in der Form, daß der Petitionsausschuß seine Erfahrungen an Fachausschüsse weitergibt und sie dort in Gesetzesinitiativen umgesetzt werden. Noch einmal: Initiativen bei den Abgeordneten oder bei den Fraktionen, aber nicht bei den Ausschüssen. Soviel zur Klarstellung in Übereinstimmung mit dem Kollegen Mommer, dem an dieser Klarstellung auch gelegen ist.

(Zurufe.)


Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0409711500
Meine Damen und Herren, nach der Geschäftsordnung besteht wohl kein Zweifel darüber, daß die Ausschüsse kein Initiativrecht haben. Sie können 'als Ausschüsse keine Anträge stellen, es sei denn, sie seien vom Plenum beauftragt worden, eine Vorlage zu beraten und dem Plenum einen Entscheidungsvorschlag zu machen. Aber natürlich können die Mitglieder des Ausschusses als einzelne jeden Antrag stellen, der geschäftsordnungsmäßig zulässig ist. So war das wohl auch vom Herrn Abgeordneten Dr. Mommer gemeint. Ich selber habe keinen Zweifel daran, daß nichts im Wege steht, wenn der Petitionsausschuß Anregungen, Sachdarstellungen an die Fachausschüsse weitergibt, zur Kenntnisnahme und weiteren Veranlassung. Jeder von uns kann jedem anderen von uns Briefe schreiben. Wir können solche auch einem Ausschuß schreiben. Auch ein Ausschußvorsitzender kann an seine Kollegen Briefe schreiben. Die Empfänger werden dann pflichtgemäß handeln. Was daraufhin geschieht, — nun, das wird man sehen.
Wenn das Wort nicht weiter gewünscht wird, können wir über den Antrag des Ausschusses abstimmen. Der Ausschuß beantragt -- Drucksache IV/1605 —, die in der nachfolgenden Sammelübersicht enthaltenen Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen anzunehmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Sachverständigenkommission für die Krankenversicherungsreform (Drucksache IV/ 1592) .
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409711600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung unter anderem davon gesprochen, daß die Reform der Krankenversicherung schwierige Probleme aufwerfe. Eigentlich wurde damit nur bestätigt, was jedermann, von wenigen Ausnahmen abgesehen, erkannt hat. Die



Dr. Schellenberg
in diesen Tagen und Wochen geführten sozialpolitischen Verhandlungen auf höchster Koalitions- und Regierungsebene haben die Schwierigkeiten der Materie für die Öffentlichkeit noch unterstrichen. Die grundlegenden Probleme einer Krankenversicherungsreform hätten unbedingt vor Einbringung der Regierungsvorlage geklärt werden müssen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Eine gesetzliche Regelung, die von großer Tragweite für die Gesundheit der versicherten Bevölkerung ist, erfordert — das sollte doch eigentlich selbstverständlich sein — fundierte Vorarbeit
Daran hat es bisher gefehlt, und das ist der wahre Grund, weshalb die Beratungen der Krankenversicherungsreform, mit denen der Bundestag seit nunmehr vier Jahren beschäftigt wird, immer wieder in eine Sackgasse geraten sind. Leider wurde es auch versäumt, aus dem Scheitern dieser Reform in der letzten Legislaturperiode die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und den Rat unabhängiger Sachverständiger einzuholen. Wie dem auch sei, dem Hin und Her muß Einhalt geboten werden.

(Beifall bei der SPD.)

Es geht um mehr, meine Damen und Herren von der Koalition, als darum, wie diese oder jene strittige Einzelfrage geregelt wird. Natürlich ist auch das wichtig, aber zuerst müssen die vielfältigen sozialen und gesundheitlichen Zusammenhänge, die die Grundlage einer Krankenversicherungsreform bilden, ) geklärt werden. Hierzu soll der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Bestellung einer Sachverständigenkommission beitragen und damit die Voraussetzungen für eine moderne Krankenversicherung schaffen.
Unser Antrag wendet sich an den Herrn Bundeskanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt und dafür die Verantwortung trägt. Bei der Vorbereitung der Tagesordnung haben deshalb die sozialdemokratischen Mitglieder im Ältestenrat zum Ausdruck gebracht, daß wir auf die Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers bei der Beratung unseres Antrages besonderen Wert legen, dies auch deshalb, weil nach diesem Antrag der Herr Bundeskanzler die Sachverständigen zu bestellen und das Bundeskanzleramt die Voraussetzung für die Arbeit der Kommission sicherzustellen hat. Die Sozialdemokraten haben im Ältestenrat bekundet, daß sie bereit sind, diesen Punkt gestern oder heute zu jeder dem Herrn Bundeskanzler genehmen Stunde auf die Tagesordnung setzen zu lassen. Es gab darüber ein Hin und Her. Schließlich wurde uns vom Büro des Herrn Präsidenten wörtlich mitgeteilt: Der Herr Bundeskanzler wird nicht da sein.
Da wir aus politischen Gründen auf die Teilnahme des Herrn Bundeskanzlers an der Beratung unseres Antrages besonderen Wert legen, hat sich der stellvertrende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kollege Erler, schriftlich an den Herrn Bundeskanzler gewandt, um ihn um Überprüfung seiner Entscheidung, der Sitzung fernzubleiben, zu bitten. In dem Schreiben von Herrn Kollegen Erler heißt es u. a.:
Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, haben in den vergangenen Wochen mehrfach mit den Vertretern der Koalitionsparteien eingehende Gespräche über die aktuelle sozialpolitische Situation geführt. Wir würden es als einen ernsten politischen Vorgang werten müssen, wenn Sie in der Zeit von Donnerstag, dem 14., früh, bis Freitag, dem 15., mittags, keine Gelegenheit fänden, dem Parlament im ganzen für die Behandlung dieser grundlegenden Fragen, welche Ihre persönliche Entscheidung, die Autorität Ihres Amtes als Bundeskanzler und eine Tätigkeit des Bundeskanzleramtes erfordern, zur Verfügung zu stehen. Ihr Fernbleiben bei dieser Beratung würde Ihrer Regierungserklärung widersprechen,

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

in der Sie den Wunsch nach guter Zusammenarbeit von Regierung und Parlament zum Ausdruck gebracht haben.

(Beifall bei der SPD.)

So weit der Brief des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD.
Der Herr Bundeskanzler antwortete, daß er zwar den Wunsch nach guter Zusammenarbeit nochmals unterstreichen möchte, daß ihn aber unabdingbare Verpflichtungen davon abhalten, unserer Bitte, bei der Beratung der Drucksache IV/1565 im Plenum anwesend zu sein, zu entsprechen. Das ist ein bedeutsamer Vorgang. Wir Sozialdemokraten stellen fest: Mit dem sozialdemokratischen Antrag wird ein Kernstück unserer Sozialpolitik, die Gestaltung unserer Krankenversicherung, angesprochen. Heute wird der Bundeskanzler zum erstenmal seit der Regierungserplärung mit der Frage konfrontiert, welches Gewicht seine Worte über die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik für den sozialen Bereich haben sollen.

(Beifall bei der SPD.)

Der Herr Bundeskanzler bringt durch sein Fernbleiben von diesen Beratungen zum Ausdruck, daß er diesem Bereich seiner Regierungserklärung offenbar keine wesentliche Bedeutung zumißt.

(Sehr wahr! und Hört! Hört! bei der SPD.)

Im übrigen erklärt der Herr Bundeskanzler in seinem Schreiben an meinen Fraktionsfreund Erler, die Bundesregierung lege Wert darauf, daß der Regierungsentwurf beschleunigt beraten werde.

(Zuruf von der SPD: Seit vier Jahren!)

Hier scheint uns ein Widerspruch zur Regierungserklärung vorzuliegen, in der von den Schwierigkeiten bei der Krankenversicherungsreform gesprochen wird.
Nun zum Inhalt unseres Antrages. Der Herr Bundeskanzler soll elf Persönlichkeiten der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, der medizinischen Wissenschaften und der Sozialpartner mit dem Auftrag berufen, für die gesetzgebenden Körperschaften ein Gutachten über die Grundsätze der Krankenversicherungsreform zu erstatten. Das Gutachten soll u. a. folgendes behandeln:



Dr. Schellenberg
Zu 1. Den Ausbau der gesundheitlichen Vorsorge und die Gewährleistung ärztlicher Behandlung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Daß ein Ausbau der Vorsorgehilfe ein dringendes Erfordernist ist, wird heute allgemein anerkannt. Aber noch fehlen ausreichende fachliche Grundlagen dafür, wie eine solche Vorsorge im Rahmen der Krankenversicherung gestaltet werden kann. Der Krankheitsbegriff im Sinne der über 50 Jahre alten Reichsversicherungsordnung genügt nicht mehr dem gewandelten Krankheitsbild und den medizinischen Erkenntnissen in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts.

(Beifall bei der SPD.)

Eine zeitgemäße Krankenversicherung muß ärztliche Hilfe gewähren, die in jeder Hinsicht den medizinischen und wissenschaftlichen Erfahrungen entspricht. Dabei sollte auch die Reglementierung der ärztlichen Leistung, die in dem Begriff der sogenannten Unwirtschaftlichkeit liegt, überwunden werden.
Zur Lösung dieser vielfältigen Probleme ist der Rat von Sachverständigen unentbehrlich.
Zu 2. Die Kranken und ihre Familien müssen auch bei langfristiger Krankheit ausreichend gesichert werden. Nach unserer Meinung sollten sich Sachverständige dazu äußern, wie zeitlich unbegrenzte Leistungen an Krankengeld und bei Krankenhauspflege ohne Aussteuerung geboten werden können, wie ein sinnvoller Übergang vom Krankengeld zur Rente geschaffen werden kann und wie gewährleistet werden kann, daß die Wiederherstellung der Gesundheit und der Erwerbsfähigkeit den unbedingten Vorrang vor der Rentenzahlung als einer Dauerleistung erhält. Hier geht es um ein zentrales Problem einer neuzeitlichen Krankenversicherung.
Selbstverständlich müssen bei Krankheit ausreichende Geldleistungen gewährt werden. Durch die Gestaltung der Leistungen muß aber erreicht werden, daß die Krankenversicherung wirksamer als bisher in das. System der Rehabilitation, in die Wiedergewinnung der Gesundheit und der beruflichen Leistungsfähigkeit eingebaut wird. In dieser Hinsicht ist es bei uns noch schlecht bestellt. Wir erwarten deshalb, daß uns Sachverständige und Wissenschaftler helfen, hier zu besseren Lösungen zu kommen.
Zu 3. Die Krankenhäuser können ihre bedeutsamen Aufgaben für den erkrankten Menschen nur erfüllen, wenn die Beziehungen zwischen der Krankenversicherung und den Krankenhäusern zweckentsprechend gesetzlich geregelt werden. Die Reform der Krankenversicherung bietet für den Bundesgesetzgeber einen Ansatzpunkt, um zur Minderung der Sorgen der Krankenhäuser und zur Lösung der Krankenhausfrage beizutragen. Hierbei geht es nicht nur um die wichtige Frage der Höhe des Pflegesatzes, sondern auch darum, wo eine sinnvolle Grenze zwischen der ambulanten ärztlichen Behandlung und der Behandlung im Krankenhaus liegt. Das sind Probleme von fundamentaler Bedeutung für die Ärzte, für die Krankenhäuser und für die Patienten.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Ruf: Aber keine neuen Probleme!)

— Ja, Herr Kollege Ruf, diese Probleme müssen gründlich nach allen Seiten durchdacht und zur sinnvollen Regelung gebracht werden. Wer wollte bestreiten, daß für die gesetzgebenden Körperschaften auch in dieser Hinsicht das Urteil von Sachverständigen unentbehrlich ist?

(Sehr gut! bei der SPD.)

Zu 4. Die Regierungsvorlagen der vergangenen Wahlperiode und auch dieser Legislaturperiode wurden wesentlich durch die Annahme beeinflußt, der Krankenstand sei stark überhöht. Inzwischen hat sich der Krankenstand gesenkt. Aber niemand kennt genau die Gründe hierfür. Auch fehlen uns Kenntnisse darüber, weshalb der Krankenstand in Betrieben von gleicher Struktur höchst unterschiedlich ist. Jedenfalls liegen den gesetzgebenden Körperschaften bisher keine wissenschaftlich fundierten Untersuchungen über die Ursachen des Krankenstandes vor.
Das ist im Hinblick auf die finanzielle Bedeutung des Krankenstandes eine Unmöglichkeit. Es müssen deshalb nach unserer Auffassung über Einzeluntersuchungen hinaus umfassende Erkenntnisse über die Tatbestände gewonnen werden, die den Krankenstand in der industriellen Gesellschaft beeinflussen. Zudem ist die Konstruktion des vertrauensärztlichen Dienstes nach den bisherigen Entwürfen ausschließlich vom Mißtrauen gegenüber den Patienten und gegenüber den behandelnden Ärzten getragen. Das wird den gesundheitlichen Anliegen, um die es geht, nicht gerecht. Der vertrauensärztliche Dienst hat mehr zu sein als eine -Kontrollinstitution zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit.

(Abg. Ruf: Das ist auch unsere Meinung!)

— Ja, Herr Kollege Ruf, dafür müssen wir aber Voraussetzungen schaffen. Wenn es nämlich mit Unterstützung von Sachverständigen gelingt, den vertrauensärztlichen Dienst zu einem sozialärztlichen Dienst umzugestalten, wird das unerquickliche Nebeneinander von unterschiedlichen Begutachtungen beseitigt.

(Beifall bei der SPD.)

Zudem kann ein solcher sozialärztlicher Dienst durch verbesserte diagnostische Beratungen nicht nur zur Gesundschreibung, sondern vor allem zur Gesundung der Versicherten beitragen.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Darauf kommt es für die Volkswirtschaft und für den Menschen entscheidend an.
Zu 5. Der Gedanke der Selbstverwaltung wird als wichtige Grundlage unserer Sozialversicherung auf allen Seiten des Hauses bejaht. Der Regierungsentwurf sieht jedoch vor, die soziale Selbstverwaltung einzuengen, anstatt sie zu stärken. Deshalb soll nach unserer Auffassung das Gutachten der Sachverständigen Vorschläge für eine Synthese von Selbstverwaltung und Staatsaufsicht enthalten, durch die die Entfaltung der konstruktiven Kräfte gefördert wird.
Zu 6. Der Aufwand der sozialen Krankenversicherung beläuft sich auf rund 10 Milliarden DM



Dr. Schellenberg
jährlich. Das macht es selbstverständlich erforderlich, im Rahmen einer Krankenversicherungsreform auch die finanziellen Zusammenhänge sorgfältig zu prüfen.
Aber noch etwas anderes, meine Damen und Herren! Die Verwaltungskosten für alle sozialen Leistungen betragen gegenwärtig insgesamt 2,5 Milliarden DM jährlich.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

— Gesamtverwaltungskosten für den sozialen Bereich ! Bei dieser Sachlage läßt es sich nicht verantworten, durch gesetzliche Regelungen den Verwaltungsaufwand nicht nur für die Träger der Krankenversicherung, sondern auch für die Betriebe, die Ärzte, die Krankenhäuser und dergleichen noch weiter zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD.)

Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung, mit Unterstützung von Sachverständigen alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Verwaltung auch der sozialen Krankenversicherung zu vereinfachen und sie nicht ins Unerträgliche zu komplizieren.
Zu 7. Selbstverständlich ist auch etwaigen Mißständen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu begegnen. Diese Zusammenhänge müssen vorurteilsfrei geprüft und erörtert werden. Wir sind zur Mitarbeit auch in dieser Hinsicht bereit. Denn niemand, der Verantwortung trägt, will Mißstände bestehen lassen. Deshalb soll das Gutachten der Sachverständigen sich auch zu etwaigen Mißständen äußern und nach Möglichkeit Vorschläge zu ihrer Beseitigung machen.
Es steht den Sachverständigen nach unserem Antrag frei, sich auch zu weiteren grundsätzlichen Fragen — nicht technischen Angelegenheiten — der Krankenversicherungsreform gutachtlich zu äußern.
Die Sachverständigenkommission kann ihre verantwortungsvolle Aufgabe nur meistern, wenn ihr jede mögliche Hilfe zur Verfügung gestellt wird. Deshalb soll die Kommission nach ihrem Ermessen weitere Sachverständige an der Ausarbeitung des Gutachtens beteiligen. Wir sehen deshalb in unserem Antrag vor, daß alle Dienststellen, insbesondere die Träger der Krankenversicherung, die kassenärztlichen und -zahnärztlichen Vereinigungen, verpflichtet werden, der Kommission die erforderliche Unterstützung zu gewähren.
Wenn das Gutachten — und das ist ein entscheidender Punkt, meine Damen und Herren — Grundlagen für eine Neugestaltung unserer Krankenversicherung schaffen soll, dann muß die Unabhängigkeit der Sachverständigenkommission gewährleistet werden. Das schlechte Beispiel des Beirats für die soziale Neuordnung, der seinerzeit beim Bundesarbeitsministerium gebildet wurde und der seit 1958 vom Arbeitsminister nicht mehr zusammengerufen wurde, darf sich nicht wiederholen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Deshalb beantragen wir, daß die Mitglieder der
Kommission vom Herrn Bundeskanzler berufen werden und daß das Bundeskanzleramt die Voraussetzungen für .die Arbeit der Kommission zu schaffen hat.
Wir .sind uns natürlich darüber klar, daß die Sachverständigen durch ihr Gutachten den gesetzgebenden Körperschaften die Verantwortung für die Gestaltung der Krankenversicherung nicht abnehmen können. Die Sachverständigen können aber dazu beitragen, die politischen Entscheidungen, die getroffen werden müssen, zu erleichtern. Darauf kommt es an.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Es erhebt sich die Frage — ich will ihr nicht ausweichen; denn wir wollen heute mit voller Klarheit sprechen —, oh nicht mit der Berufung einer Sachverständigenkommission die Reform ,der Krankenversicherung für diese Legislaturperiode zum Scheitern verurteilt wird. Meine Damen und Herren, niemand kann einer solchen Kommission von vornherein Termine setzen. Aber es wäre durchaus möglich, daß das Gutachten noch vor der nächsten Sommerpause vorliegt. Gestützt hierauf könnten dann die Ausschuüsse die Beratung der Regierungsvorlage zu einem sinnvollen Abschluß bringen. Auf diese Weise wäre der Sache, um die es geht, ein guter Dienst erwiesen. Allein darauf sollte es ankommen.

(Beifall bei der SPD.)

Ich komme zum Schluß. Der Herr Bundeskanzler hat sich in seiner Regierungserklärung zu einer Sozialpolitik aus einem Guß bekannt und eine Sozialenquete in Aussicht gestellt. Über das, was in dieser Hinsicht von der Mehrheit bisher versäumt wurde, will ich jetzt nicht sprechen. Allein entscheidend ist für uns, daß endlich ein Anfang gemacht wird. Es ist notwendig, bessere Grundlagen für eine Krankenversicherungsreform zu schaffen, zumal die Regierungserklärung zugibt, daß sich im Bereich der Krankenversicherungsreform besondere Schwierigkeiten ergeben haben. Die grundlegenden Probleme müssen vor Beschlußfassung über ein Reformgesetz geklärt werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es wäre höchst sinnwidrig, den Rat von Sachverständigen erst zum Zwecke der Behebung von Fehlern in der Gesetzgebung, die jetzt noch vermieden werden können, einzuholen. Nach den vielfältigen Enttäuschungen, die es mit den Regierungsentwürfen zur Neuregelung der Krankenversicherung gegeben hat, müssen endlich die Voraussetzungen für eine Reform — darauf kommt es uns an — geschaffen werden, die den Erfordernissen des Industriezeitalters entspricht.
Mit unserem Antrag auf Berufung der Sachverständigenkommission für die Krankenversicherungsreform machen wir ein politisch und fachlich ,fundiertes Angebot, um die Schwierigkeiten zu überwinden, von denen in der Regierungserklärung gesprochen wird. Wir haben die Hoffnung, meine Damen und Herren, daß das ganze Haus unserem Antrag zustimmt, weil damit den Grundsätzen der Regierungserklärung entsprochen würde. Denn wir können und wollen nicht glauben, daß in



Dr. Schellenberg
dieser Hinsicht die Regierungserklärung nur für die Bedürfnisse des Tages und nicht als Richtlinie für die Politik formuliert wurde.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409711700
Das Wort hat der Bundesarbeitsminister.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409711800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht in eine Diskussion über die Krankenversicherungs-Neuregelung eintreten; die haben wir am 23. Januar dieses Jahres hier geführt. Seitdem befindet sich die Gesetzesvorlage in dem zuständigen Ausschuß, und es ist Sache des Ausschusses, diese Vorlage zu beraten und sie eines Tages zur zweiten und dritten Lesung dem Parlament wieder zuzuleiten.

(Abg. Frau Kalinke: Auch Sache des Vorsitzenden!)

Die Bundesregierung hat schon bei ihrer Gesetzesvorlage, die sie zum gleichen Thema in der vergangenen Legislaturperiode gemacht hatte, ebenso wie bei der Gesetzesvorlage, die sie in dieser Legislaturperiode eingebracht hat, sich bei der Vorbereitung der Entwürfe die Arbeitsergebnisse zweier Kommissionen zunutze gemacht. Es handelt sich um die bekannten Gutachten über die Grundsätze einer Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, einmal das sogenannte Vier-Professoren-Gutachten der Professoren Achinger, Höffner, Muthesius und Neundörfer und zum andern das Gutachten des Ausschusses für Krankheitsbekämpfung; dieser Ausschuß war, wie Sie wissen, ein Unterausschuß des Beirats für die Neuordnung der Sozialleistungen, der in der Zeit von 1955 bis 1958 — achten Sie bitte auf das Datum, denn es wurde eben gesagt, er sei seit 1958 nicht einberufen worden — ein umfassendes Gutachten zur Reform der Krankenversicherung erarbeitet hat.
Wir haben uns also bei der Abfassung unserer Entwürfe Gutachten in genügender Zahl, abgefaßt, was den Sachverstand anbetrifft, von hervorragenden Herren, zunutze gemacht. Es scheint mir daher wenig sinnvoll — ich spreche es ganz offen aus —, nunmehr, wo wir mitten in der Beratung des Entwurfs stehen,

(Abg. Killat: Seit vier Jahren!) ein drittes Gutachten einzuholen.


(Sehr richtig! in der Mitte.)

Es ist nämlich gar nicht zu erwarten — weil das, was in der Krankenversicherung nottut, nicht erst seit gestern und nicht erst seit heute jedermann, nicht nur Sachverständigen, bekannt ist —, daß die Ergebnisse eines dritten Gutachtens zu völlig neuen Erkenntnissen führen würden. Außerdem — und da stimme ich mit der SPD einfach nicht überein — käme darin eine abwertende Kritik an der Arbeit dieser beiden Kommissionen zum Ausdruck, die nicht nur ungerechtfertigt wäre, sondern auch die Tätigkeit einer dritten Kommission von vornherein belasten müßte. Denn so zahlreich sind nun die
Sachverständigen in Deutschland für dieses Spitzengremium auch wieder nicht; es würden vielleicht vielfach die gleichen Leute sein.
Nun räume ich gern ein, und jeder Kenner der Materie wird mir sicherlich beistimmen, daß das gesamte Gebiet der sozialen Krankenversicherung ein reichhaltiges, vielfach auch schwer überschaubares Gebilde ist und daß völlig unabhängig von dem Ihnen jetzt vorliegenden Reformgesetzentwurf auch nach Verabschiedung dieses Entwurfs immer wieder Probleme auftauchen werden, die der kritischen Untersuchung, der Auswertung, der Beobachtung bedürfen. Es erschiene mir daher sinnvoll, diesen Ausschuß, dessen Erkenntnisse wir uns schon einmal bedient haben, im Hinblick darauf, daß auch nach Abschluß des genannten Gesetzgebungswerkes die Probleme immer wieder auftauchen, wieder zu aktivieren, ihn mit solchen Aufgaben zu betrauen. Sowohl Regierung als auch Parlament würden wohl gleichermaßen gern bereit sein, sich diese Erkenntnisse immer dienstbar zu machen. Daher bedarf es meiner Ansicht nach keiner neuen Kommission mit neuer Aufgabenstellung, sondern es bedarf nur, wenn wir unser Werk abgeschlossen haben, der neuen Aktivierung dieser Arbeit.
Zu den vorliegenden Entwürfen sagte Herr Schellenberg, es müsse endlich ein Anfang gemacht werden. Nun, meine Damen und Herren, wir haben einen Anfang gemacht.

(Sehr richtig; bei der CDU/CSU.)

Wir haben über die Dinge hier grundsätzlich in erster Lesung gesprochen. Wir sind in der Beratung im Ausschuß. Herr Schellenberg, wenn Sie sich von diesen Beratungen absentiert haben, dann steht es Ihnen wohl nicht gut an, nunmehr als Aushängeschild dafür zu sagen, man brauche noch einmal ein neues Gutachten. Das hätte Ihnen schon bei der ersten Lesung einfallen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Überdies haben sich eine große Anzahl — ich kann sie gar nicht mehr alle aufzählen — von Sachverständigen und auch von Interessenten — auch die müssen zu Wort kommen; wer will ihnen das verwehren — zum Gesetzentwurf der Bundesregierung geäußert. Meine Damen und Herren, ich trete doch niemandem von Ihnen in diesem Hohen Hause zu nahe, wenn ich sage: Sie haben doch geradezu Mühe, das vorliegende schriftliche Material in seinem ganzen Umfang überhaupt noch zu lesen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie also glauben, durch dessen Vermehrung dem Hohen Hause dienen zu können, irren Sie.
Es wäre reizvoll für mich, auf die einzelnen Punkte Ihrer Rede einzugehen. Ich will mir das aber versagen, weil ich nicht eine unzeitgemäße Diskussion über die Krankenversicherungsreform, eine sogenannte nachholende zweite erste Lesung hier mit Ihnen veranstalten möchte. Wir sind jetzt in der Ausschußberatung. Es steht allen Fraktionen frei, sich der Ergebnisse dieser gutachtlichen Äußerungen zu bedienen.



Bundesminister Blank
Auf eines aber möchte ich hinweisen, und ich hoffe, daß das ganze Hohe Haus mit mir darin übereinstimmt — ich darf wohl dessen sicher sein —: kein Gutachter und kein Gutachten einer irgendwie gearteten und zusammengesetzten Kommission kann Ihnen, die Sie allein das Recht zur Legislative haben, die politische Entscheidung abnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, worum geht es hier? Es geht um eine politische Entscheidung in einem bedeutsamen Bereich der sozialen Sicherung. Meine Damen und Herren, die erbitte ich mir von Ihnen. Da kann mir im Augenblick kein Gutachten helfen. Ich bitte daher das Hohe Haus, dem Antrag der SPD nicht stattzugeben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Theodor Blank (CDU):
Rede ID: ID0409711900
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0409712000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der CDU/CSU-Fraktion bitte ich, den Antrag, den soeben Herr Kollege Schellenberg begründet hat, abzulehnen. Dieser Antrag hat nur den einen Zweck, das Sozialpaket aufzuschnüren und die Reform der sozialen Krankenversicherung auch in dieser Legislaturperiode zu beerdigen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Da ist gar kein Zweifel. Nach Auffassung der CDU/ CSU-Fraktion muß das Sozialpaket als Ganzes verabschiedet werden. Wir halten nach wie vor an dem Junktim der drei Gesetzentwürfe fest. Insbesondere kann auf die gleichzeitige Verabschiedung der Reform der Krankenversicherung auf keinen Fall verzichtet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ein erneutes Scheitern der Krankenversicherungsreform — seien wir uns darüber im klaren — wäre ein Armutszeugnis für uns alle, für das ganze Haus, für das ganze Parlament.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Krankenversicherungsreform ist ja schon einmal gescheitert. Ein Korrespondent einer angesehenen Zeitung, den viele von Ihnen sehr gut kennen, hat in einem Buch — einem sehr lesenswerten Buch — „Weil alle besser leben wollen" geschrieben, das Scheitern der Krankenversicherungsreform in der dritten Legislaturperiode sei ein Lehrstück über Macht und Ohnmacht vernünftiger Ideen in einer Massendemokratie. Meine Damen und Herren, das sollten wir uns nicht noch ein zweites Mal sagen lassen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Wehner.)

Das Parlament — und das Parlament ist hier angesprochen und nicht mehr die Regierung und nicht mehr der Herr Bundeskanzler —,

(Zuruf des Abg. Wehner) das Parlament, Herr Kollege Wehner, darf sich nicht auf eine Linie des Rückzugs vor den Verbänden begeben.


(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das Parlament, meine Damen und Herren, hat endlich zu beweisen, daß es in der Lage ist, notwendige Reformen auch gegen Widerstände, auch gegen ein Trommelfeuer der Interessenten durchzusetzen.

(Abg. Wehner: Ist ,der Herr Storch ein Interessent gewesen oder der Herr Arndgen oder der Herr Scheppmann?)

— Daß die SPD die Krankenversicherungsreform, Herr Kollege Wehner, mit diesem Antrag ein zweites Mal wiederum begraben will, das wundert uns keineswegs. Herr Kollege Schellenberg hat ja schon bei der ersten Lesung angekündigt, daß die SPD dieses Mal der Reform der Krankenversicherung einen noch schärferen Kampf ansagen wolle, als es das letzte Mal der Fall war.

(Zurufe von der SPD.)

Wir wundern uns auch schon deswegen gar nicht, Herr Kollege Wehner, weil das bei einer hundertjährigen Partei ja gar nicht anders sein kann. Sie kommen aus ihren alten, eingefahrenen Gleisen, besonders auf dem Gebiet der Sozialpolitik, nicht heraus.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und Zurufe von der SPD.)

Wir wissen doch — dafür haben wir Verständnis, meine Damen und Herren von der Opposition —, daß Sie immer eine geraume Zeit brauchen,

(Abg. Wehner: Sie sind schlechter als Ihr Ruf!)

bis Sie zu den notwendigen Erkenntnissen kommen.

(Lachen und Zurufe von der SPD.)

Der Herr Kollege Erler hat in seiner ausgezeichneten Rede zur Regierungserklärung seinerzeit gesagt, Sozialpolitik von heute sei nicht mehr Notstandspolitik, sondern sei Wohlstandspolitik. Das ist ein sehr gutes Wort, das habe ich mir sehr gut gemerkt, das hat mir sehr gut gefallen.

(Zuruf von der SPD: Aber Sie beherzigen es nicht!)

Das ist auch unsere Auffassung. Aber, meine Damen und Herren, dann muß man auch die richtigen Konsequenzen ziehen.

(Zuruf von der SPD.)

Dann muß man auch sehen, daß wir Sozialpolitiker uns heute im 20. Jahrhundert in dieser Wohlstandsgesellschaft alle Mühe geben müssen, um mit den Problemen und Sorgen, die aus dieser Wohlstandsentwicklung, aus der Vollbeschäftigung, aus der Überbeschäftigung usw. entstehen, fertig zu werden, und bestrebt sein, die sozialen Einrichtungen, die Einrichtungen der sozialen Sicherung von heute den Gegebenheiten von heute anzupassen. Man kann eben eine Krankenversicherung, die im wesentlichen noch auf gewissen Gegebenheiten des 19. Jahrhunderts, auf der Notstandspolitik des



Ruf
19. Jahrhunderts beruht, nicht mehr so weiterführen, als ob sich in der Zwischenzeit nichts geändert hätte.
Nun sagt unsere gute SPD, dazu bedürfe man eines neuen Gutachtens einer Sachverständigenkommission. Eine Sachverständigenkommission soll erneut über die Reform der Krankenversicherung beraten. Wie wenn wir nicht schon genügend Gutachten hätten! Wir haben Gutachten und Stellungnahmen in einer solchen Zahl, daß man damit allmählich ganze Bibliotheken füllen kann. Meine Damen und Herren, die Literatur zur Krankenversicherung ist ja kaum mehr zu übersehen.
Wir haben einen Beirat zur Neuordnung der sozialen Leistungen. Der Herr Kollege Blank hat vorhin die Protokolle der Sitzungen dieses Beirates erwähnt. Ich würde Ihnen empfehlen, sie nachzulesen. Manches davon ist sehr Lesens- und beherzigenswert. Diese Protokolle füllen bereits ganze Aktenschränke. Dieser Beirat und sein Unterausschuß — er hat einen Unterausschuß für Fragen der Krankheitsbekämpfung inklusive Krankenversicherung geschaffen — haben in sehr, sehr ausführlichen Gutachten bereits vor langer Zeit die Arbeitsergebnisse vorgelegt. In diesem Beirat und seinen Arbeitsausschüssen waren Männer der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Persönlichkeiten der medizinischen Wissenschaft, der Sozialpartner, der Sozialversicherungsträger usw. so, wie es die SPD verlangt, ja bereits vertreten. Diese Persönlichkeiten haben — das muß man doch anerkennen — seinerzeit eine gründliche Arbeit geleistet. Aber — und darin liegt die Schwierigkeit — in wesentlichen Fragen sind die Herren — es war gar nicht anders zu erwarten — eben nicht zu einheitlichen Vorschlägen gekommen. Die anstehenden Fragen waren nämlich, wie es in einem der Berichte heißt, nicht ausschließlich nach fachlichen, sondern, wie es in der Natur der Sache liegt, nach politischen Gesichtspunkten zu entscheiden. Ich persönlich habe trotz mancher Erfahrungen immer noch eine hohe Meinung von Sachverständigen, insbesondere, wenn sie aus den Reihen der Wissenschaft kommen. Aber kein Sachverständiger — da hat Herr Kollege Blank recht — kann uns die Last — und es ist eine Last — der politischen Entscheidung abnehmen. Der Mut zur Entscheidung und der Wille, das was wir als richtig und als notwendig erkennen, auch durchzusetzen, wird von uns gefordert; dazu sind wir da.
Wir wissen doch auch alle, daß man unterscheiden muß zwischen Sachverständigen und Sachverständigen. In solchen Gremien sitzen nicht nur unabhängige Experten, sondern mitunter sehr, sehr abhängige Vertreter von bestimmten Gruppen und weisungsgebundene Funktionäre, die gar nicht in der Lage sind, eine andere Meinung als die ihres Verbandes, der sie delegiert hat, zu vertreten. Darüber müssen wir uns doch auch im klaren sein.
Was soll uns eine solche Sachverständigenkommission überhaupt noch Neues auf diesem Gebiet sagen? Die Krankenversicherungsreform ist doch schon seit Jahren auf nationaler und auch auf internationaler Ebene nach allen Seiten hin durchleuchtet und durchdiskutiert worden, so daß man einfach nichts Neues mehr vorschlagen und dazu sagen kann. Der Asgard-Verlag hat sieben dicke Bände mit Dokumenten und Stellungnahmen zur Sozialreform zusammengestellt. Das ist ein Verdienst von Dr. Richter, der das gemacht hat; das erleichtert uns die Arbeit. Lassen Sie mich einmal aus dem Inhaltsverzeichnis dieser Dokumentensammlung einiges vorlesen, damit Sie sehen, was in der Vergangenheit auf diesem Gebiet schon begutachtet worden ist. Ich kann natürlich von diesen 17 Seiten Inhaltsverzeichnis nur einige Positionen herausgreifen.
Da gibt es z. B. sehr lesenswerte „Grundgedanken zur Gesamtreform der sozialen Leistungen" aus dem Jahre 1955 von dem damaligen Bundesarbeitsminister, dem Kollegen Storch. Dann die Ergebnisse der Arbeitstagung des Beirats für die Neuordnung der sozialen Leistungen, insbesondere die „Beschlüsse des Arbeitsausschusses für Fragen der Krankheitsbekämpfung (einschließlich Krankenversicherung)" und einen langen ausführlichen schriftlichen Bericht des Vorsitzenden dieses Ausschusses. Es gibt Stellungnahmen des Bundesrates und ausdrückliche Stellungnahmen, die in einzelnen Länderministerien erarbeitet worden sind; so hat z. B. das Ministerium für Arbeit in Baden-Württemberg ein sehr ausführliches Gutachten mit Gedanken zur Neuordnung des sozialen Rechts vorgelegt. Auch die Parteien haben sehr viel zu dieser Dokumentensammlung geliefert, auch die SPD. Ich erinnere an den Sozialplan der SPD und nenne weiter: „Unser Weg zur Sozialreform", „Gesundheitssicherung in unserer Zeit" usw. usw. Auch die gesellschaftlichen Verbände haben einen ganzen Katalog von Stellungnahmen und Gutachten zur Krankenversicherung vorgelegt; so hat z. B. der DGB zur Sozialreform eine Denkschrift vom Juni 1956 vorgelegt. Ich erwähne weiter die „DGB-Forderungen zur Neugestaltung der Gesundheitssicherung", die „Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der sozialen Krankenversicherung" usw. Dann erwähne ich die Stellungnahme der IG-Metall zur Gesundheitssicherung und zur Krankenversicherung, die Stellungnahme der DAG zur Reform der sozialen Krankenversicherung. Weiter nenne ich die Äußerungen der Sozialausschüsse der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Bundes Katholischer Unternehmer, alles sehr lesenwerte Gutachten. Unabsehbar ist die Zahl der Stellungnahmen der Verbände der freien Berufe, insbesondere der Ärzte. Ich brauche das im einzelnen gar nicht aufzuzählen. Selbstverständlich haben sich auch alle Krankenkassenarten in ihren Gremien in der Vergangenheit sehr intensiv mit den Fragen der Reform beschäftigt. Diese Diskussionen haben sich in ausführlichen Gutachten und Stellungnahmen niedergeschlagen, so z. B. des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen, der Verbände der Ersatzkassen, in gemeinsamen Vorschlägen der Bundesspitzenverbände der Krankenversicherung usw. Die Verbände der Privatversicherung haben dazu Stellung genommen, ebenso der Bundesverband der Vertrauensärzte mit seinem Gutachten: „Die Sozialreform und die künftige Stellung des Vertrauensarztes". Dann, Herr



Ruf
Kollege Schellenberg, hat auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft Stellung genommen: „Ein Wort der Krankenhäuser an die Öffentlichkeit" und „Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes". Ferner haben private wissenschaftliche Vereinigungen Stellung genommen. Die Gesellschaft für sozialen Fortschritt e. V. hat, mit Bundesmitteln unterstützt, eine Kommission eingesetzt, die ein sehr ausführliches und wirklich gutes Gutachten zu Fragen der Krankenversicherung vorgelegt hat. Die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung, der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge haben Stellung genommen. Außerdem gibt es das erwähnte Vier-Professoren-Gutachten und dazu ein Gegengutachten von drei anderen Professoren. Dann haben die Richter von gewissen Sozialgerichten Stellung genommen, des weiteren viele, viele Einzelpersonen; ich denke an das umfassende Gutachten von Herrn Professor Bogs oder auch an die Dinge, die uns von Herrn Professor Preller und von Herrn Staatssekretär Auerbach vorgelegt worden sind. Auch die sehr bekannte und sehr lesenswerte Rede unseres Herrn Vizepräsidenten Professor Carlo Schmid „Krankenversicherung in Selbstverantwortung" ist dankenswerterweise in dieser Dokumentensammlung enthalten.
Meine Damen und Herren, wer diese vielfältigen Erörterungen und Stellungnahmen durchgearbeitet hat, muß feststellen, daß in der Tat auf diesem Gebiet in der Vergangenheit das Äußerste bereits geschehen ist und daß man wirklich nichts Neues mehr sagen kann.
Man muß auch sagen, daß sich mancher guter Vorschlag, der in der Vergangenheit gemacht worden ist, im Regierungsentwurf niedergeschlagen hat. Selbstverständlich konnte der Regierungsentwurf nicht alle Vorschläge und nicht alle Gesichtspunkte aufnehmen; dann wäre der Entwurf ja ein furchtbarer Wechselbalg geworden. Daran ist nicht zu denken. Die Regierung hatte bei der Abfassung des Entwurfs die Aufgabe, abzuwägen, auszugleichen und dafür zu sorgen, daß man noch von einer einheitlichen Konzeption des Entwurfs sprechen kann. Ich möchte sagen, das ist der Regierung gelungen. Bei dem vorliegenden Entwurf kann man von einer einheitlichen Konzeption ohne jeden Zweifel sprechen.
Niemand kann erwarten, daß er in einem Reformentwurf nur seinen Standpunkt und nur sein Interesse oder das Interesse seines Verbandes berücksichtigt findet. Irgendeinem Egoismus oder Gruppenegoismus — das gilt für alle Fälle — müssen wir als Politiker bei jeder Reform auf die Füße treten. Das bringt Unannehmlichkeiten mit sich. Aber diese Unannehmlichkeiten kann man eben nicht auf Sachverständige abladen; wir müssen schon selber sehen, wie wir damit fertig werden.
Dann noch eines. Sozialpolitik wird ja heute — übrigens wie in früheren Jahren und Jahrzehnten — nicht bloß unter rein fachlichen und sachlichen Gesichtspunkten betrieben. Das mag man bedauern; aber an der Tatsache kommen wir nicht vorbei, daß Sozialpolitik eben auch ein Machtkampf ist, ein
Kampf um Sonderinteressen und Sondervorteile. Damit haben wir uns als Sozialpolitiker auseinanderzusetzen, da stehen wir im Kreuzfeuer dieser Kämpfe. Wir haben auszugleichen und dafür zu sorgen, daß das allgemeine Wohl nicht zu kurz kommt. Auch diese Aufgabe können wir nicht auf eine Sachverständigenkommission abschieben.
Herr Kollege Erler hat in der Aussprache zur Regierungserklärung gemeint, durch eine Sachverständigenkommission könnten die Debatten um die Krankenversicherungsreform entschärft und entideologisiert und auf einwandfreier Grundlage sachliche Lösungen erarbeitet werden. Da kann ich nur sagen: welche Illusionen! Es gibt doch wenige Materien in diesem Hause, die mit so viel politischem Sprengstoff geladen sind wie gerade die Dinge der Sozialpolitik. Das ist doch nun einmal unser Kummer und unser Schicksal. Auch das können wir nicht auf eine Kommission von Sachverständigen abwälzen, damit müssen wir selber fertig werden.
Der Herr Bundeskanzler hat einmal — ich weiß nicht, wann — in einer seiner Reden gesagt, er wolle alles tun, um die Schallmauer der kollektiven Meinungsbildung zu durchbrechen. Meine Damen und Herren, das ist auch beim Sozialpaket notwendig. Das gilt insbesondere für die Lohnfortzahlung und für die Reform der sozialen Krankenversicherung. Hier sollten wir an das denken, was vor kurzem der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelstages, Dr. Düren, auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer in Bad Brückenau gesagt hat. Er sagte in seiner Rede:
Gerade hier sollte man hoffen, daß es gelingen wird, diese Schallmauer zu durchbrechen, sehen wir doch um uns herum in einem erschreckenden Ausmaß eine kollektive Meinungsbildung, bei der die Verantwortung des einzelnen immer mehr zurücktritt, oft genug nur von Funktionären formulierte Meinungen, die mit großer Kraft und mit Rücksichtslosigkeit ohnegleichen nach außen getragen werden.
Ein sehr wahres Wort, das auf unser Sozialpaket und die Auseinandersetzungen um die Schwierigkeiten, die wir haben, sehr zutrifft. Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, diese Mauer der kollektiven Meinungsbildung endlich durchbrechen und lassen Sie uns das Sozialpaket verabschieden!
Der Sozialpolitische Ausschuß wird übrigens in einer der nächsten Sitzungen die erste Lesung der Krankenversicherungsreform beenden. Lassen Sie uns diese Arbeiten beschleunigen und sorgen wir dafür, daß wir mit dem Gesetz so schnell wie möglich ins Plenum kommen. Wir dürfen notwendigen Entscheidungen nicht ausweichen, indem wir neue Kommissionen einsetzen. Es ist lange genug geredet worden. Es ist an der Zeit, daß endlich entschieden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Thomas Ruf (CDU):
Rede ID: ID0409712100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409712200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich war die Rede des Herrn Kollegen Professor Schellenberg doch sehr erfreulich, denn sie zeigt das ernsthafte Bemühen der Opposition, an der Verwirklichung der Regierungserklärung mitzuarbeiten. Mit gutem Recht, Herr Kollege Schellenberg, haben Sie sich darauf berufen, daß bereits in der Regierungserklärung vom 18. Oktober dieses Jahres durch den Herrn Bundeskanzler eine Sozialenquete angekündigt worden ist. Der Sprecher unserer Fraktion, Herr von Kühlmann-Stumm, hat gerade diesem Punkt der Erklärung zugestimmt. Ich darf daran erinnern, daß die Freie Demokratische Partei bereits in ihrem Wahlaufruf im Jahre 1961 die gleiche Forderung gestellt hat, die jetzt in der Regierungserklärung enthalten ist. Aber, meine Damen und Herren, unsere Vorstellungen von einer Sozialenquete sind umfassender. Wir sind der Meinung, man muß das sozialpolitische Problem aus einer gewissen Gesamtschau heraus sehen. Wir meinen, daß es unter Umständen nicht zweckmäßig sein könnte, einen Teilbereich der Sozialpolitik, etwa die Krankenversicherung, herauszunehmen und einer gesonderten Betrachtung zu unterziehen,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

weil hierbei nämlich die Gefahr besteht, daß die Dinge zu sehr isoliert gesehen werden.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Es könnte sein, daß das Gutachten, das Sie wünschen, zu den in Punkt 3 Ihres Antrags angeschnittenen Fragen zu Schlußfolgerungen führt, die innerhalb der Sozialenquete ganz anders aussehen würden.
Aber, meine Damen und Herren, warum wollen wir es eigentlich der Opposition verübeln, oder warum wollen wir sie davon abhalten, zumindest Teilbereiche zunächst einmal zu klären? Gewundert habe ich mich, Herr Kollege Schellenberg — und ich habe Ihnen das ja schon gestern bei einem persönlichen Gespräch gesagt —, über die Punkte 1 und 2 Ihres Antrages, mit denen Sie die Einsetzung einer Sachverständigenkommission verlangen. Sowohl Herr Minister Blank wie auch Herr Kollege Ruf haben Ihnen gesagt, daß. ein solcher Ausschuß bereits besteht, und zwar auf Grund Ihrer Initiative. Am 21. Februar 1952 hat in diesem Hohen Hause eine ganz ähnliche Debatte stattgefunden auf Grund eines Antrags von Ihnen, mit dem Sie die Einsetzung einer sozialen Studienkommission gefordert haben. Dieser Antrag wurde damals abgelehnt; angenommen aber wurde ein Gegenantrag der damaligen Regierungskoalition, die im wesentlichen auch die heutige ist, auf Grund dessen der Beirat für die Neuordnung der Sozialleistungen beim Bundesarbeitsministerium eingerichtet wurde. Und jetzt, Herr Kollege Schellenberg, muß ich Ihnen einen Vorwurf machen. Sie hätten Ihren heutigen Antrag vier Wochen eher stellen sollen; dann wäre die heutige Debatte vielleicht schon um den 13. Oktober herum gewesen, und wir hätten sie mit dem fünften Jahrestag des letztmaligen Zusammentretens dieses Beirats verknüpfen können.

(Abg. Erler: Hört! Hört!)

Das wäre doch bestimmt sehr feierlich gewesen.

(Lachen bei der SPD.)

Aber nachdem der Herr Bundesarbeitsminister soeben vor dem Hohen Hause die Erklärung .abgegeben hat, daß er baldmöglichst, hoffentlich nicht erst nach idem Ende der Beratungen des KVNG, diesen Ausschuß — der bereits besteht und der fünf Jahre Zeit zur 'Erholung gehabt hat, um neuen Taten entgegenzuschreiten — wieder aktivieren will, kann man Ihren Antrag in den Punkten 1, 2 und 4 durch eine entsprechende Erklärung der Bundesregierung als erledigt erklären. Wir stimmen ihm nicht zu, wir lehnen ihn nicht ab, sondern wir betrachten ihn als erledigt durch 'die Erklärung des Bundesarbeitsministers, die er vielleicht in der gewünschten Form noch etwas präzisieren könnte. Wir wollen damit nicht warten, bis das KVNG zu Ende beraten ist.
Nun zu den Punkten 3 und 5 Ihres Antrags. Da stimmen wir Freien Demokraten der Überweisung an den Ausschuß zu. Es wäre zweckmäßig, dort die Punkte, die geklärt werden sollen und die Herr Kollege Schellenberg sehr ausführlich erörtert hat, einmal zu prüfen, vielleicht zu ergänzen oder zu ändern. Wir sollten sie dem Beirat bei seinen demnächst wieder beginnenden Sitzungen als Material überweisen.
Daß das KVNG augenblicklich im Ausschuß beraten wird — Herr Kollege Ruf, bevor Sie den Kopf schütteln, hören Sie mich bitte erst zu Ende an —, sollte 'kein 'Hinderungsgrund sein. Ich will Ihre Hoffnung, daß das KVNG noch In dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, 'durchaus nicht trüben, sondern nur eines sagen: wenn nichts käme, Herr Kollege, würde ich das durchaus nicht ohne weiteres' gleich als Armutszeugnis für den Bundestag betrachten.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

Ich bin der Meinung, lieber gar nichts als etwas Schlechtes

(erneuter Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Ruf)

— warten Sie bitte mit Ihrem Beifall —, womit ich nichts über den Regierungsentwurf gesagt haben will.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Aber wie auch immer die Behandlung des Sozialpaketes aussieht, eine Ideallösung ist es nicht und kann es auch gar nicht sein, vor allem keine Idealläsung für längere Zeit. Die kann es gar nicht geben. In der Sozialpolitik ist alles immer im. Wandel 'begriffen. Jede Sozialpolitik ist abhängig und bedingt von den wirtschaftlichen Verhältnissen, von der gesellschaftspolitischen Entwicklung und im vorliegenden Fall der sozialen Krankenversicherung auch noch von gesundheitspolitischen Erfordernis-



Dr. Stammberger
sen, von den Erkenntnissen der Wissenschaft und dergleichen mehr, beispielsweise von psychologischen Faktoren. Alle diese Dinge sind in einem ständigen Wandel und Fortschritt begriffen, .und die Arbeit an den sozialen Problemen, insbesondere auch und gerade an der sozialen Krankenversicherung, muß sich kontinuierlich weiter entwickeln können. Sie kann und darf nicht stehenbleiben. Ich bin der festen Überzeugung — auch da stimme ich mit dem Herrn Minister Blank völlig überein —, daß die weitere Arbeit des Beirats, völlig unabhängig von den Beratungen des Sozialpolitischen Ausschusses, Unis wertvolle Erkenntnisase für die Zukunft bringen wird. So habe ich auch den Wunsch des Herrn Bundeskanzlers nach einer Sozialenquete in der Erklärung der Bundesregierung aufgefaßt, daß eben hier an die Zukunft gedacht wird. Es wäre gut, wenn Sie alle noch einmal das täten, was ich gestern getan halbe: ich habe diese Punkte der Regierungserklärung nachgelesen.
Herr Kollege Ruf, wenn wir die Punkte 3 und 5 des Antrags an den Sozialpolitischen Ausschuß überweisen, so hat die ganze Sache noch einen anderen heilsamen Effekt. Sie wissen ja, daß sich die antragstellende Fraktion an den Ausschußarbeiten, soweit sie die soziale Krankenversicherung betreffen, nicht mehr beteiligt. Wenn nun der Antrag, zumindest die Punkte 3 und 5, dort, wie unsere Fraktion das gern möchte, zur Behandlung ansteht, wird die antragstellende Fraktion natürlich wiederkommen müssen, um ihren Antrag zu begründen und entsprechend durchzusetzen.

(Zuruf der Abg. Frau Kalinke.)

— Frau Kalinke, ich bin fest davon überzeugt, daß Sie auch dann noch Zeit genug haben werden, dort im Ausschuß wie die Sprecher der SPD Ihre eigenen Gedanken und Ihre eigene Meinung vorzutragen.
Der Ausschuß wird dann wieder mit allen politischen Richtungen vertreten sein, und das kann für die kontinuierliche Weiterarbeit an diesem Problem nur gut sein.
Auch aus diesem Grunde schlagen wir vor, die Punkte 3 und 5 an den Ausschuß zu überweisen. Im Namen der Ausschußmitglieder meiner Fraktion möchte ich Ihnen von der SPD-Fraktion ein fröhliches Wiedersehen im Sozialpolitischen Ausschuß zurufen.

(Heiterkeit und Beifall rechts.)


Dr. Wolfgang Stammberger (SPD):
Rede ID: ID0409712300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409712400
Meine Damen und Herren! Wir verwenden hier viel weniger Zeit für dieses Thema, als Sie für Ihre internen Koalitionsberatungen benötigen. Deshalb darf ich wohl noch wenige Bemerkungen zu dem machen, was der Herr Bundesarbeitsminister und die Herren Kollegen Ruf und Stammberger gesagt haben.
Erstens. Der Herr Bundesarbeitsminister hat das Gutachten der vier Sachverständigen zur Neuordnung der sozialen Leistungen erwähnt. Ich habe es mir beschafft. Dieses Gutachten wurde seinerzeit auf Anregung des Herrn Bundeskanzlers erstattet und sollte — das ist der entscheidende Punkt —, wie auch die Überschrift lautet, zur Neuordnung der sozialen Leistungen Stellung nehmen. Es behandelt also die gesamte soziale Sicherung, und deshalb wird darin zur Krankenversicherung nur kurz Stellung genommen, jedenfalls nicht zu den Grundproblemen, die nach unserer Auffassung unbedingt geklärt werden müssen. Entscheidend ist aber, daß die Bundesregierung aus diesem Gutachten der Sachverständigen, die der Herr Bundeskanzler seinerzeit mit der Erstellung betraute, nicht die Konsequenz gezogen hat, eine Gesamtkonzeption der sozialen Leistungen zu entwickeln.

(Zustimmung bei der SPD.)

An einer Gesamtkonzeption fehlt es heute immer noch!
Im übrigen, meine Damen und Herren, möchte ich aus diesem Gutachten, auf das der Herr Bundesarbeitsminister und auch Sie, Herr Kollege Ruf, plötzlich so großen Wert legen, einige Sätze vorlesen:
Für die erfolgreiche Neuordnung der sozialen Hilfe ist es erforderlich, daß die sozialen Tatbestände bekannt sind. Auch heute fehlt daran noch vieles.
So sagen diese Sachverständigen. Dann heißt es weiter:
Die vorliegende Denkschrift
— das ist die Denkschrift, auf die sich der Bundesarbeitsminister und Sie, Herr Kollege Ruf, beziehen —
ist in allen Teilen bemüht gewesen, von den sozialen Tatbeständen auszugehen, so gut sie erfaßt werden konnten. Sie mußte sich aber bei vielen Fragen mit dem Mangel ausreichender sozialer Evidenz abfinden.

(Abg. Wehner: Hört! Hört! — Zuruf des Abg. Ruf)

Deshalb bestätigt 'das Gutachten, auf das Sie sich berufen, geradezu die Notwendigkeit der von uns beantragten Sachverständigenkommission, die nämlich die Tatbestände zusammentragen soll, deren Kenntnis für eine Neuordnung der Krankenversicherung notwendig ist.
Zweitens: Der Herr Bundesarbeitsminister will den Beirat zur Neuordnung der sozialen Leistungen wiederbeleben. — Nun, meine Damen und Herren,' das ist eine interessante Nuance der sozialpolitischen Diskussion.
Was war das entscheidende Kennzeichen dieses Beirates? Diesem Beirat zur Neuordnung der sozialen Leistungen fehlte — und das war der wesentliche Mangel — die Unabhängigkeit. Der Beirat bestand 'aus über 40 Mitgliedern und stand unter der politischen Verantwortung des Bundesarbeitsministers. Dieser Beirat mußte — Herr Kollege Stammberger hat darauf hingewiesen — vor 5 Jahren seine Tätigkeit einstellen, weil der Bundesarbeitsminister ihn nicht mehr einberufen hat. Daß der Beirat keine



Dr. Schellenberg
Möglichkeit hatte, selbst das in das öffentliche Bewußtsein zu bringen, bestätigt nur seine Abhängigkeit und seine — man muß es leider sagen — relative Bedeutungslosigkeit. Der Herr Bundesarbeitsminister will heute — und das ist politisch wichtig — das Kind, das er vor fünf Jahren hat sterben lasen, wieder zum Leben erwecken.
Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, daß nach den Erfahrungen, nach den traurigen Erfahrungen, die mit diesem Beirat gewonnen wurden, seine Wiederbelebung nicht zu sinnvollen Ergebnissen führen kann.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409712500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage der Frau Abgeordneten Kalinke?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409712600
Ja, bitte schön!

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409712700
Sind Sie, Herr Professor Schellenberg, der Auffassung — und ich frage das als Mitglied dieses Beirats —, daß auch die Ihrer Partei angehörenden Professoren, die dort wesentliche Auffassungen Ihrer Partei zur Sozialpolitik zur Geltung bringen konnten, in ihrer Stellungnahme als Sachverständige etwa nicht ein genügend unabhängiges Urteil gehabt haben?

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0409712800
Sehr verehrte Frau Kollegin Kalinke, ich muß feststellen, daß Sie sich als Mitglied dieses 'Beirats, den der Herr Bundesarbeitsminister hat sterben lassen, fünf Jahre lang nicht gerührt haben, um diesen Beirat wieder zum Leben zu erwecken.

(Beifall bei der SPD.)

Deshalb ist es für uns keine sinnvolle Regelung,

(Unruhe)

diesen Beirat, dessen Vorsitz der Bundesarbeitsminister innehatte, wieder zum Leben zu erwecken.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409712900
Herr Abgeordneter Schellenberg, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Kalinke?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409713000
Bitte sehr!

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409713100
Darf ich Sie bitten, da Sie meine erste Frage nicht beantwortet haben,

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0409713200
Ich bin noch bei der Beantwortung.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409713300
— — sie jetzt zu beantworten und gleichzeitig auch folgende .Frage zu beantworten:

(Unruhe bei der SPD)

Glauben Sie ernsthaft, Herr Professor, daß es in der Krankenversicherungsreform noch irgendein nationales oder internationales Problem gibt, das nicht nach allen Seiten hin von Sachverständigen aller Richtungen und von Interessenten aller Richtungen
auf das gründlichste untersucht worden ist, und haben Sie nicht auch durch eigene Erfahrungen Ihrer Partei, in der Sie die Meinung der Ärzte über die Vorsorge gehört haben, einiges hinzugelernt? — Vielleicht sind Sie so liebenswürdig und nehmen dazu Stellung.

(Beifall in der Mitte und Zurufe von der SPD.)


Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0409713400
Meine Damen Und Herren und Frau Kollegin Kalinke im besonderen: Ich glaube, Sie haben nicht aufmerksam zugehört

(Lachen und Zurufe bei den Regierungsparteien)

bei dem, was ich vorhin gesagt habe; denn daß wir über die Ursachen des Krankenstandes — um nur ein Beispiel zu erwähnen — viel zuwenig wissen, kann doch niemand in diesem Hause bestreiten.

(Beifall bei der SPD.)

Der Krankenstand aber war gewissermaßen der Angelpunkt für die Konzeption des Regierungsentwurfs. Wir wissen leider über das Krankheitsgeschehen in der industriellen Arbeitswelt noch viel zuwenig, und deshalb muß mehr getan werden, um durch wissenschaftliche Forschung dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu geben, sinnvolle Entschlüsse zu fassen.

(Beifall bei der SPD.)

Und nun, Frau Kollegin Kalinke, möchte ich Ihre erste Frage weiter beantworten. Selbstverständlich ist jede einzelne dieser 42 Persönlichkeiten zu einem unabhängigen Urteil fähig. Aber es kommt doch, wenn es um den Beirat geht, darauf an, ob dieses Gremium seine Aufgaben erfüllen konnte und kann. Das Gremium ist seit fünf Jahren nicht mehr aktiv geworden und konnte sich nicht betätigen, weil der Bundesarbeitsminister den Beirat nicht einberufen hat.
Drittens. Der Bundesarbeitsminister und Herr Kollege Ruf haben von Beschlüssen eines Arbeitsausschusses dieses Beirats gesprochen. Sie wurden am 13. Oktober 1958 gefaßt und ohne vorherige Beratung im Beirat veröffentlicht. Der Beirat hatte also noch nicht einmal die Möglichkeit, die Ergebnisse seines Unterausschusses zu besprechen.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Ruf: Da sehen Sie die Schwierigkeiten, die ein Beirat hat!)

Die Beschlüsse dieser Unterkommission wurden seinerzeit veröffentlicht, um die Diskussion zu beleben. Aber, meine Damen und Herren, der Bundesregierung lag an dieser öffentlichen Diskussion über die Stellungnahme des Unterausschusses überhaupt nichts. Das Sozialkabinett hat nämlich wenige Tage später, am 24. Oktober 1958, Grundsätze zur Neuordnung der sozialen Krankenversicherung beschlossen und sich damit politisch festgelegt,

(Abg. Ruf: Ja, natürlich!)




Dr. Schellenberg
ohne überhaupt eine öffentliche Erörterung über diese Meinungsäußerung des Unterausschusses abzuwarten.

(Hart! Hört! bei der SPD. — Abg. Ruf: Sie würden ja heute noch diskutieren, Herr Kollege Schellenberg!)

Viertens. Herr Kollege Ruf, Sie haben davon gesprochen, daß eine ganze Reihe von Stellungnahmen zu Problemen der Krankenversicherung vorliegen. Selbstverständlich, wir kennen sie genauso wie Sie. Aber was fehlt, leider auch heute noch weithin fehlt, sind fundierte wissenschaftliche Untersuchungen über eine Reihe wichtiger Fragen, die in unserem Antrag aufgegriffen sind. Daß das alles fehlt, ist doch ein Grund, weshalb Sie auch in Ihren internen Beratungen nicht weitergekommen sind und weshalb wir seit vier Jahren das Durcheinander um die Reform der Krankenversicherung erleben.

(Abg. Ruf: Das hat andere Gründe!)

— Herr Kollege Ruf, ich weiß nicht genau, welche internen Gründe es für Ihre Schwierigkeiten gibt. Aber wir wissen und müssen feststellen, daß wichtige Tatbestände, über die bei der Reform politisch zu entscheiden ist, noch nicht — leider noch nicht — wissenschaftlich geklärt sind. Es ist ein erhebliches Verschulden auch des Bundesarbeitsministers, daß er die Möglichkeiten dieses Beirats, nach dieser Richtung zur Klärung beizutragen, nicht genutzt hat.

(Beifall bei der SPD.)

Fünftens. Meine Damen und Herren, es ist sachlich und menschlich verständlich, daß sich der Herr Bundesarbeitsminister gegen die Einsetzung einer Sachverständigenkommission wehrt. Deshalb richtet sich unser Antrag an den Herrn Bundeskanzler. Leider
— ich muß es noch einmal betonen — ist er heute nicht anwesend. Der Bundesarbeitsminister muß sich gegen die Sachverständigenkommission wenden, auch deshalb, weil es unmöglich wäre, elf Sachverständige
— wie wir es beantragen — der Wirtschafts- und der Sozialwissenschaften, der medizinischen Wissenschaften und der Sozialpartner zu finden, die sich zu seinem Entwurf, zum Regierungsentwurf, bekennen würden; sie gibt es nicht in der Bundesrepublik.

(Lachen und Zurufe bei den Regierungsparteien.)

— Meine Damen und Herren, wir wollen doch hier ein freimütiges Wort sagen. In vielen Gesprächen auch mit Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, bestätigt sich immer wieder, daß auch Sie große Bedenken haben, ob es zu einer sinnvollen Reform kommt. Das Hin und Her in der Krankenversicherungsreform wird von vielen in Ihrem Lager als bedauerlich empfunden. Wir wollen deshalb die Möglichkeit schaffen, aus den Schwierigkeiten herauszukommen. Darum geht es uns!

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409713500
Herr Abgeordneter Schellenberg, gestatten Sie eine Frage der Frau Abgeordneten Kalinke?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409713600
Bitte schön.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409713700
Herr Professor, glauben Sie wirklich, daß es sachverständige Persönlichkeiten in der Bundesrepublik, die die Geschichte und die Situation unserer Wohlstandsgesellschaft, unserer Industriegesellschaft kennen, geben könnte, die die Grundsätze, die der Gesetzentwurf der Regierung beinhaltet, nämlich die Stärkung der Selbstverwaltung, die Stärkung der Beziehungen zwischen Versicherten und Ärzten, die Veränderung der Situation, die sich aus all den Problemen ergibt, die Sie hier genannt haben, nicht übersehen sollten und etwa nur einer parteipolitischen Auffassung huldigen würden?

(Abg. Wehner: Geben Sie doch der Dame mal die Flasche! — Große Heiterkeit.)


Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0409713800
Frau Kollegin Kalinke, sicherlich können Sie von den Sachverständigen nichts mehr lernen. Aber meine politischen Freunde und ich, wir könnten aus einem Gutachten der Sachverständigen großen Nutzen ziehen.

(Beifall bei der SPD.)

Sechstens. Manchmal hatte ich den Eindruck, Herr Kollege Ruf, daß mancher die Situation der Krankenversicherungsreform weniger nach den sachlichen Notwendigkeiten, sondern vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt des politischen Prestiges beurteilt. Ich bitte Sie wirklich herzlich, Gesichtspunkte des Prestiges zurückzustellen. Wir stellen sie auch zurück. Denn wir selbst geben dadurch, daß wir ein Sachverständigengutachten erbitten, zu, daß sich auch für uns neue Erkenntnisse und Lehren ergeben können. Bitte, betrachten Sie die Dinge nicht unter dem Blickfeld des Prestiges. Dazu ist die Angelegenheit, um die es geht, zu wichtig. Schließlich machen wir nicht in jeder Legislaturperiode und nicht für einen kurzen Zeitraum eine Reform der sozialen Krankenversicherung.

(Zuruf von der Mitte: Gott sei Dank!)

Damit auch Sie die Möglichkeit haben, sich das alles auf Grund der heutigen Aussprache und insbesondere der Anregungen des Herrn Kollegen Dr. Stammberger noch einmal zu überlegen, bitte ich Sie, damit einverstanden zu sein, daß unser Antrag den Ausschüssen überwiesen wird. Dann können wir darüber sprechen. Wie lange wir darüber sprechen wollen, liegt selbstverständlich in der Hand der Mehrheit. Die Vorlage sollte, und ich beantrage das hiermit, dem Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und dem Gesundheitsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden, schon deshalb, Herr Kollege Stammberger, damit dieser Vorlage, wenn Sie nur für die Ziffern 3 und 5 stimmen wollen, eine entsprechende Form gegeben werden kann; denn die Annahme nur der Ziffern 3 und 5 halte ich nicht für sinnvoll.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409713900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409714000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schellenberg, wir sollten nicht so viel in die Vergangenheit schauen, ob nun der Beirat etwas getan hat, was er noch hätte tun können usw. Wir sollten lieber in die Zukunft blicken. Da sollten wir uns heute doch freuen, daß der Herr Bundesarbeitsminister vorhin hier die Erklärung abgegeben hat — wie das früher war, sei dahingestellt —, jetzt wird er an die Arbeit gehen. Wir würden die Sache nur noch verzögern, wenn wir die Punkte 1, 2 und 4, um noch einmal darauf zurückzukommen, im Ausschuß erneut besprechen würden, obwohl die Kommission bereits da ist. Ich sehe nun wirklich nicht ein, warum aus mehr oder weniger denselben Leuten wieder eine andere Kommission gebildet werden soll. Man kann die Dinge doch auch übertreiben. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß wir die Punkte 1, 2 und 4 als durch die vom Herrn Bundesarbeitsminister für die Bundesregierung abgegebene Erklärung erledigt betrachten sollten.
Ich will sogar noch einen weiteren Vorschlag machen, um die Arbeit dieses Beirates zu beschleunigen. Ich habe vorhin gesagt, daß wir Punkt 3, der der wesentliche und sachliche Inhalt Ihres Antrages ist, dem Sozialpolitischen Ausschuß überweisen sollten, bevor wir ihn als Material an die Regierung zur Behandlung im Sozialbeirat bzw. in seinem Unterausschuß Krankenversicherung geben.
Ich bin der Meinung, daß wir den Beschluß hier schon heute treffen können. Wir sollten heute schon beschließen: Wir geben die Fragen, die hier zu klären sind, an die Bundesregierung, damit sie veranlaßt, daß im zuständigen Unterausschuß des Sozialbeirats entsprechend verfahren wird.

Dr. Wolfgang Stammberger (SPD):
Rede ID: ID0409714100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hubert?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409714200
Selbstverständlich.

Dr. Wolfgang Stammberger (SPD):
Rede ID: ID0409714300
Herr Kollege Stammberger, ich weiß nicht, ob ich den Arbeitsminister falsch verstanden habe. Sie sagten, er habe gesagt, er wolle den Beirat jetzt wieder beleben. Ich habe verstanden, wenn das Gesetz verabschiedet ist, dann wolle er es tun.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0409714400
Frau Kollegin, Sie haben vorhin nicht zugehört. Ich hatte den Bundesarbeitsminister auch so verstanden. Ich habe aber gesagt, ich wäre dankbar, wenn er sich dahin erklären würde, daß er ihn sofort zusammenruft, und zwar — im Gegensatz zu Ihnen — völlig unabhängig von dem weiteren Fortgang der Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß über die Krankenversicherungsreform. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich habe vorhin auch genau erklärt, warum das eine mit dem andern nichts zu tun hat, auch nicht nach dem Sinn der Sozialenquete, die der Herr Bundeskanzler im Oktober angekündigt hat. Wir sind da völlig einer Meinung — ob Sie auch zustimmen, weiß ich nicht —, aber der Herr
Bundesarbeitsminister und wir; ich nehme es jedenfalls an. — Er nickt.
Ich bin nicht einmal der Meinung, daß dieser Beirat nun nur ein Gutachten erstellen sollte. Ich bin vielmehr der Meinung, daß der Sinn einer Sozialenquete und der Sinn eines solchen Beitrags ist, diese Fragen laufend zu überwachen und geeignete Vorschläge aus einer möglichst politisch unabhängigen Sachverständigensituation an die zuständige Stelle der Gesetzgebung, d. h. an die Bundesregierung und an das Parlament, zu geben. Ich bin der Meinung, wir können das Problem heute schon, letzten Endes auch in dem Sinne, wie die Antragsteller es wollen, erledigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Wolfgang Stammberger (SPD):
Rede ID: ID0409714500
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409714600
Herr Kollege Stammberger, ich bin in jeder Hinsicht bereit, nach Wegen zu suchen, die eine sinnvolle Regelung sicherstellen. Aber ich kann nicht verstehen, worüber hier eigentlich abgestimmt werden soll. Es liegt vor der Antrag meiner Fraktion mit der Überschrift „Sachverständigenkommission für die Krankenversicherungsreform". Eine solche Sachverständigenkommission existiert bisher nicht.

(Abg. Dr. Stammberger: Der Beirat!)

Wenn man Ihrer Anregung folgt, würde es heißen: „Der Bundestag wolle beschließen: Das Gutachten soll u. a. behandeln ...". Jetzt geht es um Fragen der Formulierung von Anträgen usw. Das kann man doch nicht im Plenum erledigen. Wir bitten Sie deshalb, damit einverstanden zu sein, daß der Gesamtantrag dem Ausschuß überwiesen wird. Dann kann man sehr schnell, vielleicht in einer einzigen Sitzung, eine Formulierung finden, die der Sache dient und die auch Ihrem Anliegen entspricht.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409714700
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Abgeordnete Schellenberg hat beantragt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 1V/1565 an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und an den Ausschuß für Gesundheitswesen — mitberatend — zu überweisen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; die Ausschußüberweisung ist abgelehnt.
Damit komme ich zur Abstimmung über den Antrag Drucksache IV/1565 selbst.

(Abg. Dr. Schellenberg: Zur Abstimmung!)

— Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409714800
Herr Präsident, ich beantrage namentliche Abstimmung.




Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0409714900
Wird der Antrag auf namentliche Abstimmung hinreichend unterstützt? — Das ist der Fall. Wir stimmen also über den Antrag Drucksache IV/1565 namentlich ab.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der SPD auf Drucksache IV/1565 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 148 stimmberechtigte und 11 Berliner Abgeordnete, mit Nein 175 stimmberechtigte und 6 Berliner Abgeordnete. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen sind nicht zu verzeichnen. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis:
Ja: 147 und 10 Berliner Abgeordnete Nein: 175 und 6 Berliner Abgeordnete
Ja
SPD
Frau Albertz
Anders Auge
Bading Bäumer Bals
Bauer (Würzburg) Bazille
Behrendt Bergmann
Beuster
Frau Beyer (Frankfurt) Biegler
Biermann
Birkelbach
Blachstein
Dr. h. c. Brauer Brünen
Bruse
Büttner Busch
Diekmann
Frau Döhring Dröscher
Frau Eilers
Dr. Eppler
Erler
Eschmann
Felder Figgen Flämig Folger Franke Frehsee
Frau Freyh (Frankfurt) Geiger
Gerlach Gscheidle
Haase (Kellinghusen) Hamacher
Hansing
Dr. Harm (Hamburg) Heide
Heiland
Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock
Frau Herklotz Hermsdorf
Herold
Höhmann (Hessisch Lichtenau)

Höhne Hörauf
Frau Dr. Hubert Hufnagel
Hussong
Iven (Duren)

Jacobi (Köln)

Jacobs
Jahn
Jürgensen Junghans Junker
Kaffka
Kahn-Ackermann
Frau Kettig Killat
Dr. Koch
Könen (Düsseldorf) Koenen (Lippstadt) Kohlberger
Frau Korspeter
Kraus
Dr. Kreyssig
Kulawig Kurlbaum Lange (Essen)

Langebeck Lautenschlager
Leber
Lemper
Lenz (Bremerhaven)

Dr. Lohmar
Lücke (Osnabrück) Maibaum Marquardt
Marx
Matthöfer Matzner
Frau Meermann
Merten
Metter
Dr. Meyer (Frankfurt)

Meyer (Wanne-Eickel)

Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. Mommer
Dr. Morgenstern
Müller (Erbendorf)

Müller (Nordenham) Müller (Ravensburg) Müller (Worms)
Dr. Müller-Emmert
Nellen
Paul
Peiter
Peters (Norden)

Dr. Pohlenz Priebe
Ravens
Regling
Rehs
Dr. Reischl Reitz
Riegel (Göppingen)

Ritzel
Dr. Roech Rohde
Frau Rudoll
Sänger
Saxowski Dr. Schäfer
Frau Schanzenbach Scheuren
Dr. Schmid (Frankfurt) Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen Schröder (Osterode) Schwabe
Seidel (Fürth)

Seither
Frau Seppi Seuffert Steinhoff Stephan Striebeck Dr. Tamblé Theis
Wegener Wehner Welke
Welslau
Weltner (Rinteln)

Frau Wessel
Wienand Wilhelm Zühlke
Berliner Abgeordnete
Bartsch
Frau Berger-Heise Frau Krappe
Liehr (Berlin)

Frau Lösche
Neumann (Berlin) Dr. Schellenberg Dr. Seume
Urban
Wellmann
Nein
CDU/CSU
Dr. Adenauer Adorno
Dr. Althammer Arndgen
Dr. Artzinger Baier (Mosbach) Baldauf
Dr.-Ing. Balke Balkenhol
Dr. Barzel Bausch
Becker
Bewerunge Biechele
Dr. Bieringer Blank
Blöcker
Blumenfeld
Dr. Böhm (Frankfurt) Böhme (Hildesheim) Brand
Dr. Brenck Brück
Bühler
Dr. Burgbacher
Dr. Conring Dr. Czaja van Delden Deringer
Diebäcker Dr. Dittrich Draeger
Ehnes
Eichelbaum
Dr. Elbrächter
Dr. Even (Düsseldorf)

Even (Köln)

Falke
Dr. Franz Franzen
Dr. Fritz (Ludwigshafen)

Dr. Furler
Gaßmann Gedat
Gehring
Frau Geisendörfer
Dr. Gerlich
Gewandt Gibbert Giencke Dr. Gleissner
Glüsing (Dithmarschen)

Dr. Gossel
Gottesleben
Dr. h. c. Güde
Günther Frau Haas
Härzschel
Dr. von Haniel-Niethammer Dr. Hauser
Heix
Dr. Hesberg
Hesemann
Höcherl
Hörnemann (Gescher)

Hösl
Holkenbrink
Hoogen Illerhaus Frau Jacobi (Marl)

Dr. Jaeger
Josten
Frau Kalinke
Dr. Kanka
Frau Klee
Dr. Kliesing (Honnef)

Dr. Kopf Krug
Frau Dr. Kuchtner Kuntscher
Lang (München)

Lenze (Attendorn)

Leonhard Dr. Luda Maier (Mannheim)

Majonica Dr. Martin
Meis
Memmel Mengelkamp
Menke
Dr. von Merkatz
Mick
Müller (Aachen-Land)

Dr. Dr. Oberländer
Oetzel
Frau Dr. Pannhoff
Dr.-Ing. Philipp
Frau Pitz-Savelsberg
Dr. Poepke
Dr. Ramminger
Rasner Rauhaus Dr. Reinhard
Riedel (Frankfurt) Rommerskirchen
Ruf
Ruland Scheppmann
Schlick
Dr. Schmidt (Wuppertal) Schneider (Hamburg) Schulhoff
Dr. Schwörer
Dr. Seffrin



Dr. Serres Dr. Sinn
Spies
Stauch
Dr. Stecker Dr. Steinmetz Storm
Dr. Süsterhenn
Teriete
Tobaben
Dr. Toussaint Unertl
Varelmann Vogt
Wagner
Dr. Wahl
Dr. Weber (Koblenz) Wehking
Weinzierl
Frau. Welter (Aachen) Werner
Wieninger Dr. Willeke Windelen Winkelheide
Wittmer-Eigenbrodt
Dr. Wuermeling Wullenhaupt Ziegler
Dr. Zimmer

(München Berliner Abgeordnete Benda Dr. Gradl Hübner Frau Dr. Maxsein Müller Stingl FDP Busse Dr. Danz Dr. Dehler Deneke Dorn Dürr Dr. Effertz Dr. Emde Ertl Dr. Hellige Frau Dr. Heuser Dr. Imle Dr. Krümmer Logemann Dr. h. c. Menne Mischnick Murr Ollesch Peters Ramms Dr. Rieger Schultz Spitzmüller Dr. Stammberger Wächter Walter Weber Dieser Tagesordnungspunkt ist erledigt. Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martin, Neumann Wird der Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Dr. Martin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache IV/1400 haben 30 Mitglieder des Bundestages einen Antrag eingereicht, der in seiner Substanz eine wichtige Anregung umschreibt und, wie ich glaube, einem dringenden Bedürfnis entspricht. Im Mittelpunkt dieses Antrages stehen die in unserer Gesellschaft und Staatsordnung wirksamsten publizistischen Mittel Zeitung, Funk und Film. Der Antrag geht auf Stimmen zurück, die seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit immer vernehmlicher geworden sind. Wir haben diese Stimmen sorgfältig registriert und festgehalten. Insgesamt begründen sie für uns den Verdacht, daß im Verhältnis der drei Medien zueinander Fehlentwicklungen im Gange sind. Unter dem Stichwort „Wettbewerbsverzerrungen" hat man versucht, den Sachverhalt auf einen begrifflichen Nenner zu bringen. Zwischen der Presse und dem Fernsehen besteht, so scheint es, ein Interessenkonflikt, und dieser Interessenkonflikt ist in der Tat der Anstoß für unseren Antrag. Dabei ist die Frage, ob die Kennzeichnung des Sachstandes als Wettbewerbsverzerrung zutrifft oder ob eine motivierte Fehlleistung im Interessenkonflikt vorliegt, von sekundärer Bedeutung. Vordergründig geht es um wirtschaftliche Fragen, um die materielle Basis der Meinungsund Pressefreiheit oder, wenn Sie so wollen, um die Infrastruktur der Massenmedien. Man muß sich aber klar darüber sein, daß es sich im selben Augenblick um rechtliche, politische und kulturelle Fragen handelt. Der Art. 5 des Grundgesetzes garantiert, wie wir aus einer Reihe von höchstrichterlichen Entscheidungen wissen, nicht nur die Freiheit der Meinung, sondern er garantiert auch die Presse als Institution und schreibt ihr eine öffentliche Aufgabe zu. Für die Presse aber ist charakteristisch, daß sie öffentliche Aufgaben auf privatwirtschaftlicher Basis durchführt. Sie finanziert sich aus Verkaufserlös und Werbung. Eine freie Presse ist aber nur dann denkbar, wenn sie wirtschaftlich gesichert und damit unabhängig ist. Wenn diese Unabhängigkeit der Presse auch nur in Gefahr scheint, muß der Bundestag als Hüter der Verfassung dafür sorgen, daß die Gleichberechtigung der Medien, wie sie in Art. 5 gegeben ist, jedem Medium zukommt. Der Bundestag muß sich Gewißheit darüber verschaffen, daß die Freiheit nicht nur formal garantiert ist, sondern auch in Wirklichkeit existiert. Wo Interessen diskutiert werden, ist selbstverständlich Vorsicht am Platze. Bekanntlich entstehen bei der Geburt eines Kindes Spannungen in der Geschwisterreihe; das ist nur natürlich und auch hier so. Als vor vierzig Jahren der Rundfunk entstand, befürchtete die Presse, daß ihr die Aktualität gestohlen würde. Es hat sich aber erwiesen, daß die Auflagen der Zeitungen dennoch gestiegen sind. Die kurzgefaßte Nachricht des Rundfunks hat geradezu das Bedürfnis nach näherer Information gesteigert. Ebenso verhielt es sich bei der Schallplattenindustrie, die befürchtete, daß niemand mehr Schallplatten kaufen würde, wenn die Musik gratis ins Haus geliefert würde. Sie hat aber dabei den Wunsch nach eigener Programmgestaltung und den Hang nach Besitz übersehen. Die Schallplattenindustrie erlebte durch den Funk einen neuen und großen Aufschwung. Nun ist interessant, daß die darauf folgende Auseinandersetzung zwischen Fernsehen und Film sich völlig anders entwickelt hat. Die Zunahme der Fernsehteilnehmer ist ständig begleitet von einer entsprechenden Abnahme der Besucher der Filmtheater. Das liegt in der Natur der Sache. Aber das Interesse beginnt da, wo wir beobachten, in welcher Weise sich das Fernsehen mit der Krise auseinandergesetzt hat. Die Auseinandersetzung Film-Fernsehen ist nämlich auf der ganzen Linie ungünstig verlaufen. Das Fernsehen war bislang nicht zu irgendeiner Vereinbarung über die Zahl der ausgestrahlten Filme oder über den Zeitpunkt der Sendung bereit, wie das in Frankreich und Italien selbstverständlich ist. Das Fernsehen hat vielmehr gewisse Privilegien einfach in Anspruch genommen. Es zahlt für Filme weder Vergnügungssteuer noch Umsatzsteuer, auch keinen Zoll bei der Einfuhr ausländischer Filme. Im Gegenteil, es ist eine beDr. Martin kannte Praktik der Fernsehanstalten, ihre eigenen Kosten zu Lasten der Filmwirtschaft zu ermäßigen, indem sie eine immer größere Zahl von Filmen in ihre Programme aufnehmen. Die seit Jahren bestehende Filmkrise mit all ihren Aspekten hat ihre wesentliche Wurzel in der Wettbewerbsungleichheit Film — Fernsehen, und es ist sicher, daß die Filmkrise nicht behoben werden kann, wenn nicht entsprechende Vereinbarungen stattfinden oder gesetzliche Regelungen Platz greifen. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind, wie ich glaube, an der derzeitigen Situation der Filmwirtschaft mit verantwortlich. Sie nehmen die Produktion für ihr Unterhaltungsprogramm in eigene Regie, anstatt hier der privaten Filmwirtschaft eine Chance zu geben, wie es bei der BBC in England völlig selbstverständlich gewesen ist. Es ist eine sehr bemerkenswerte Tatsache und es paßt keineswegs in die politische Landschaft, daß beispielsweise die Münchener Bavaria-Studios knapp drei Jahre nach ihrer Reprivatisierung aus dem ,ehemaligen Reichsfilmvermögen bereits wieder in der Hand öffentlich-rechtlicher Körperschaften sind. Die ARD besitzt 51 % der Anteile an dieser Ateliergesellschaft. Noch schlimmer liegt es bei den Hamburger Studios, die zu 80 % der ARD gehören. Daneben wollen die Anstalten Neubauten von Ateliers, Synchronisationsstudios und Kopieranstalten errichten. Diese Erweiterung bzw. Neuerrichtung technischer Betriebsstätten, die man übrigens auch beim Zweiten Deutschen Fernsehen erwägt, sind volkswirtschaftlich nicht vertretbar. Die Kapazitäten der vorhandenen technischen Betriebe der Privatwirtschaft reichen völlig aust sie sind trotz der hohen Inanspruchnahme für Fernsehaufträge nicht ausgenutzt. In den Atelierbetrieben könnten gegenwärtig bequem noch zusätzlich 80 Spielfilme hergestellt werden. Das trifft auch für die anderen Einrichtungen zu. Innerhalb unserer Vorstellungen von Wirtschaft wäre es selbstverständlich gewesen, daß sich das Fernsehen für seinen Unterhaltungsteil von der privaten Filmindustrie beliefern ließe, wie das in England der Fall ist. Die ARD hat jahrelang behauptet, außer ihr sei niemand überhaupt imstande, Fernsehunterhaltung zu produzieren. Die Mainzer Anstalt hat bislang gezeigt, daß sich Fernsehunterhaltung ohne weiteres privatwirtschaftlich produzieren läßt. Bei diesem ungünstigen Verlauf der Auseinandersetzung Fernsehen—Film darf es nicht verwundern, wenn die Presse bei den ersten Gefahrenzeichen bereits Alarm schlägt. Die Gravamina der Presse lassen sich kurz so zusammenfassen: Die öffentlich-rechtlichen Anstalten genießen eine Reihe von Privilegien, die von vornherein den Wettbewerb verfälschen. Dazu gehören — wie die Presse sagt — erstens die Erhebung einer Gebühr, die praktisch Zwangscharakter hat, zweitens die Freiheit von der Umsatzsteuer bis zur Körperschaftsteuer. Drittens kommt hinzu, daß die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht nur die Gebühren erheben, sondern auch in den privaten Bereich eindringen, indem sie sich in steigendem Maße durch Werbung finanzieren und damit, gestützt auf ihre öffentliche Macht und zusätzlich armiert mit den Möglichkeiten der privaten Wirtschaft, den Zeitungen den Boden entziehen. Es ist hier wichtig, sich einmal die Vorgeschichte des Problems zu vergegenwärtigen. Das Fernsehen begann neu im Jahre 1950 und wurde durch Gebühren finanziert, genau wie der Hörfunk. Als etwa 1955 in der Öffentlichkeit immer dringender der Wunsch laut wurde, ein zweites, und zwar konkurrierendes Fernsehprogramm zu den Sendungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten ins Leben zu rufen, lehnten diese Anstalten es ab, zur Frage eines Zweiten Programms Stellung zu nehmen. Aus diesem Grunde wurde vorgeschlagen, eine zweite Fernsehorganisation zu schaffen, die sich aus Werbeeinnahmen finanzieren sollte. Als Gegenzug haben die öffentlich-rechtlichen Anstalten darauf selber Werbung in das Programm aufgenommen, damit kein zweiter Kristallisationspunkt gebildet werden könne. Die erste Werbung ging, wie Sie wissen, im November 1956 in Bayern über die Schirme. Alle anderen Anstalten zogen in den Regionalprogrammen nach. Zeitlich lag die Werbung vor 20 Uhr. Es wurde versichert, daß sie nur an Werktagen stattfinden und sechs Minuten werktäglich nicht überschreiten solle. Das erte Versprechen ist eingehalten worden, das zweite Versprechen wurde durch eine ständige Erweiterung der Werbezeiten gebrochen. Diese Erweiterung ist bis zu 24 Minuten gediehen und führt zu folgenden Erscheinungen. Die I Anstalten erhalten jetzt zuzätzliche Einnahmen aus Zeitverkauf bzw. Werbung. Die Berechnungen von fast allen Fachleuten stimmen darin überein, daß im kommenden Jahr die Einnahmen der Rundfunkanstalten aus Zeitverkauf bzw. Werbung die Einnahmen an Gebühren nicht nur erreichen, sondern übersteigen werden, nämlich aus Hörfunkund Fernsehwerbung. Die Anstalten betonen zwar, daß ausreichende Sicherungen geschaffen seien, um einen Einfluß von Zeitkäufern auf das Programm zu verhindern. Es hat sich aber schon jetzt gezeigt, daß gleichzeitig mit dem Einzug der Werbung in die Fernsehprogramme ein ausgesprochen kaufmännisches Denken in die öffentlich-rechtlichen Anstalten eingedrungen ist und daß eine Beeinflussung in der Programmgestaltung insofern eintritt, als über ganze Zeitkomplexe nicht mehr frei disponiert werden konnte. Als Beispiel sei nur erwähnt, daß die Zeiten zwischen 19.30 Uhr und 20 Uhr, wie es in der Fachsprache heißt, unbeweglich geworden sind, weil sie durch feste Werbeblocks zementiert werden. Das Programm gerät immer mehr in den Sog der Werbung, und auch die Unterhaltung läuft Gefahr, als „package" betrachtet zu werden. Meine Damen und Herren, gerade in diesen Tagen haben wir durch den Werbeprospekt eines deutschen Senders das kräftigste Beispiel dafür. In diesem Werbeprospekt wird ganz schlicht gesagt, daß das ganze Programm eines Hörfunks mit „spots" durchsetzt werden soll. In dem Prospekt wird gesagt, daß die Musik eingesetzt werden soll, um die Werbung attraktiver zu machen. Einer der Dr. Martin deutschen Intendanten hat in einem Brief an diesen Sender, den ich aus bestimmten Gründen hier nicht vorlesen will, selbst zum Ausdruck gebracht, daß damit die Kommerzialisierung des Hörfunks erreicht sei und daß es von da an wohl unglaubwürdig sei, wenn man sich auf die öffentlich-rechtliche Position zurückziehe. Ich nehme dieses Beispiel, um zu zeigen, daß wir hier an einem ganz bestimmten Punkt angekommen sind, der eine Untersuchung und wahrscheinlich Maßnahmen rechtfertigt. Nach diesem Exkurs, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal zur Situation der Presse zurückkehren. Dem Ministerpräsidenten eines großen Bundeslandes liegt ein Brief vor, in dem der Zustand der Presse geschildert wird. Darin wird ausgeführt, daß der Anteil der Anzeigen in Tageszeitungen an den Werbeumsätzen im Jahre 1957 noch 60 v. H. betrug. Dieser Anteil sei bis zum Jahre 1962 auf 48 v. H. abgesunken und befinde sich nach den Ergebnissen des ersten Halbjahres 1963 weiter im Sinken. Die Errechnung des Fehlbetrages bei den Tageszeitungen ergebe einen Betrag von rund 357 Millionen DM, die mit ca. 280 Millionen als Einnahme aus Fernsehwerbung bei den gemeinnützigen Rundfunkanstalten wieder in Erscheinung treten. Ich zitiere den Brief wegen der Folgerungen, die der Verfasser selber zieht. Er sagt, eine Reihe von Zeitungen habe dazu übergehen müssen, ihren Umfang zu reduzieren, und sie seien damit bereits daran gehindert, ihren grundgesetzlichen Auftrag zu erfüllen; bei den mittleren und kleineren Zeitungen herrsche bereits Unsicherheit über die Zukunft und die Möglichkeit, die notwendigen technischen Anschaffungen zu machen, die im Zuge der Rationalisierung und der sich stark entwickelnden Drucktechnik unbedingt erforderlich seien. Dieser Passus in dem Schreiben an den Herrn Ministerpräsidenten ist deshalb so interessant, weil er ein bezeichnendes Licht auf die Gliederung der deutschen Presse wirft. Gestatten Sie mir, dazu einige Bemerkungen zu machen und mich dabei auf Arbeiten von Schütz und Kieslich zu stützen, die in der Zeitschrift „Publizistik" erschienen sind. Bei beiden handelt es sich um junge Gelehrte, die keinem Verband angehören und die Dinge völlig unabhängig wissenschaftlich darstellen. Aus dieser Analyse, die beide unabhängig voneinander vorlegen, ergibt sich, daß wir in der Bundesrepublik 1418 Ausgaben von Zeitungen haben. Das war die Feststellung vom Juni 1963. Es gibt aber nur 14 Ausgaben — und das sind 0,9 % —, die eine Verbreitung über die ganze Bundesrepublik, also eine überregionale Verbreitung haben oder anstreben, während 99,1 % der deutschen Presse zum Typus der Regionalpresse oder der Heimatpresse gehören. Das ist in diesem Zusammenhang sehr interessant, weil uns der Schreiber des Briefes sagt, daß hier das Gewicht, daß hier die Gefährdung liegt. Es ist aber noch folgendes zu bemerken. Die sehr große Zahl von 1418 Ausgaben ist täuschend. Wenn man die Analyse dieser Zahl weitertreibt, so sieht man, daß sie sich reduzieren läßt auf etwa 189 publizistische Einheiten, und zwar deshalb, weil durchschnittlich 7 Ausgaben die gleiche Titelseite haben. Ich erwähne das, weil diese Konzentrationsbewegung der Ausdruck dafür ist, daß sich die Presse bereits unter einem sehr hohen Kostendruck befindet. Die Kosten für die Erstellung einer Zeitung, die Lohnkosten, die Materialkosten, die Investitionskosten und die Werbungskosten, sind in den letzten 10 Jahren so gestiegen, daß eine Vereinheitlichung in diesem Sinne bereits stattgefunden hat. Deshalb geht die Befürchtung der Verleger dahin, daß dann, wenn zu diesem Kostendruck, der schon besteht, noch der Entzug einer großen Menge von Werbung durch das Fernsehen hinzukommt, eine effektive Gefährdung gegeben ist. Man muß sich auch klarmachen, daß heute schon in der Werbung der Zeitungen 35 % des Bestandes auf Stellenangebote entfallen, und das heißt: die Zeitungen leben und fruktifizieren gegenwärtig noch von der Hochkonjunktur, von der Vollbeschäftigung, von dem Mangel an Arbeitern und Angestellten und dergleichen mehr. Mit anderen Worten: die Gefährdung liegt primär bei den kleinen Zeitungen, bei der Regionalzeitung, bei der Heimatzeitung, und das ist der Typus von Zeitungen, der für die Bildung des demokratischen Bewußtseins und für den Aufbau der demokratischen Gesellschaft am wichtigsten ist, weil hier die Verbindung der Menschen untereinander hergestellt wird über den Bereich dessen, was dem Menschen erlebbar, was konkret für ihn ist, was für ihn überschaubar ist. Es ist notwendig, hier noch auf einen anderen Punkt einzugehen: die Frage des Dritten Programms. Abgesehen von der ungeklärten Finanzlage der Mainzer Anstalt und der Frage, ob es in Deutschland genug journalistische, sprich: geistige Kapazität für ein Drittes Programm überhaupt schon gibt, erscheint es ungut, diese Frage zu entscheiden, ehe nicht Klarheit geschaffen worden ist über das Problem der Wettbewerbsverzerrungen, wie das in unserem Antrag vorgeschlagen wird. Das Dritte Programm würde publizistisch und wirtschaftlich die Konkurrenzlage zwischen Presse und Fernsehen, aber auch zwischen Film und Fernsehen außerordentlich verschärfen, weil das Dritte Programm, sich ebenfalls auf das Lokale stützend und nunmehr auch für den mittleren und kleineren Inserenten interessant werdend, eine definitive Bedrohung der regionalen Zeitungen wie der Filmtheater darstellen würde. Mir scheint es undenkbar, ohne eine vorangehende verläßliche Vereinbarung oder Regelung zwischen der regionalen Presse und dem Fernsehen das Dritte Programm überhaupt in Gang zu setzen. Da es sich bei diesen Überlegungen auch um Aspekte der Mittelstandspolitik handelt — ich weise darauf hin, daß der Arbeitskreis „Mittelstand" der CDU/CSU diese Frage schon im Jahre 1958 hier in diesem Hause unter der Wortführung des jetzigen Ministers Schmücker behandelt hat —, darf ich noch einmal darauf zurückkommen und das an einem Dr. Martin Beispiel, das mir, wie Sie wissen, naheliegt, exemplifizieren. Die über 6000 Filmtheater des Bundesgebietes einschließlich West-Berlins sind in ihrem überwiegenden Teil mittelständische Unternehmungen. Die fortgesetzte Ausstrahlung von Kinofilmen im Fernsehen ist für die Filmwirtschaft, insbesondere für die Filmtheaterunternehmungen, eine schwere Belastung. Im Jahre 1962 wurden 167 abendfüllende Kinofilme von den Fernsehanstalten ausgestrahlt. Im ersten Halbjahr 1963 waren es bereits 93 Spielfilme; das sind 27 % mehr als im ersten Halbjahr 1962. Hier liegt ein offensichtlicher Einbruch in den Aufgabenbereich der Filmtheater vor. Die Vorführung von Spielfilmen ist außerdem mit großen Kostenvorteilen des Fernsehens verbunden. Während ein Fernsehspiel von etwa 80 Minuten einen Aufwand von 160 000 bis 560 000 DM erfordert, pro 'Minute also 2000 bis 7000 DM, macht ein gleich langer Kinospielfilm lediglich einen Aufwand von 30 000 bis 50 000 DM notwendig, pro Minute also nur 350 bis 650 DM. Meine 'Damen und Herren, ich will wegen der vorgerückten Zeit diese Seite der Sache nicht vertiefen und möchte versuchen, jetzt zum Schluß zu kommen. Wenn Sie das, was ich Ihnen vorgetragen habe, mit angehört haben, dann haben Sie vielleicht den irrtümlichen Eindruck bekommen, bei mir oder in unseren Reihen sei so etwas wie eine Bilderstürmerei im Gange oder wir stünden dem Medium Fernsehen kritisch gegenüber. Lassen Sie sich einmal ganz deutlich sagen, 'daß das nicht der Fall ist. Wir sind aber von der Tatsache beeindruckt, daß das Aufkommen des Fernsehens einen tiefen Einschnitt in die Entwicklung der Publizistik und in die Gestaltung der Gesellschaft und der Wirtschaft darstellt. Die Folgen sind im einzelnen überhaupt noch nicht abzusehen. Sie beschäftigen heute Soziologen, Psychologen, Wirtschaftler und Politiker 'in gleichem Maße. Aber eine so starke Erscheinung bedarf der Einordnung und der behutsamen Behandlung. Der Start des Fernsehens war in Deutschland mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Man kann, was das Programm angeht, sagen, daß Gutes in der Programmgestaltung geleistet worden ist; aber im ganzen wird man sagen müssen, daß die Einordnung des Fernsehens verfassungsmäßig, rechtlich, politisch bisher nicht in ,befriedigendem Maße gelungen ist. Die Mainzer Anstalt ist unterfinanziert, die Bayerische Anstalt hat geklagt, das Dritte Programm ist kontrovers, innerhalb der ARD gibt es die 'heftigsten Auseinandersetzungen und zum Teil unmögliche Konstruktionen. Der Ausgleich der Gebühren innerhalb der Anstalten ist unbefriedigend, nicht nur, was die Gebührenverteilung zwischen Mainz und ARD anlangt, sondern auch, was die Verteilung zwischen den großen, kleineren und mittleren Anstalten 'betrifft. Die Deutsche Welle und der Deutschlandfunk sind in ihrer Finanzierung noch nicht einmal endgültig geregelt. Meine Damen und Herren, dieser Zustand ist deshalb bedenklich, weil Funk, Fernsehen und Presse nicht nur eine nach innen gewendete Aufgabe haben, sondern auch für das Bild verantwortlich sind, das ,die Bundesrepublik Deutschland der Welt darbietet. Diese Medien haben eine wichtige Aufgabe gegenüber der sowjetisch-besetzten Zone. Man wird mit aller Deutlichkeit sagen müssen, daß die Medien nicht in der Lage sind, diese Aufgabe zu erfüllen, wenn sie in sich selbst völlig zerstritten und damit beschäftigt sind, ihre eigenen Dinge zu ordnen, anstatt nach außen machtvoll und kraftvoll dm Sinne der deutschen Politik zu wirken. Auch aus diesem Grunde ist es notwendig, sich damit zu beschäftigen. Der Vorsitzende (der ARD, Herr von Bismarck, 'hat in einem Rundfunkvortrag gesagt, die jetzige Struktur in der Entwicklung der Fernsehanstalten sei das Ergebnis des Willens der Besatzungsmächte. Ich würde so weit nicht gehen, meine Damen und Herren. Sicher ist aber, daß wir uns nach all den Vorgängen, die wir jetzt beobachten, in Schwierigkeiten befinden und daß, wenn nicht alles trügt, die Wettbewersverzerrung nur eins der Symptome dafür ist, daß wir die endgültige Form der Ordnung der Massenmedien untereinander und ihrer selbst zu Staat und Gesellschaft noch nicht gefunden haben. Das ist selbstverständlich von großer Bedeutung, denn Presse, Funk, Fernsehen und Film sind der instrumentale Kern dessen, was die Soziologen die Sozialtechniken nennen. Diese Medien haben die Aufgabe, ,die Menschen in der Gesellschaft, im Staat zu unterrichten, zu unterhalten, zusammenzuführen, sie untereinander kommunizieren zu lassen, wie 'denn das Wort es ja auch sagt. In 'dieser Sache gibt es eine Idee und es gibt eine Realität. Es lohnt sich, in dieser Diskussion auch an die Idee zu erinnern. Karl Jaspers hat darüber 1932 folgende Sätze geschrieben, die ich für wert halte, hier zu Gehör zu bringen. Er schreibt: Die Zeitung ist das geistige Dasein unseres Zeitalters, wie es in den Massen sich verwirklicht ... Sie schafft ein Lebenswissen in allgemein zugänglicher Bestimmtheit, im Unterschied vom Fachwissen, das seine nur für den Kenner erfaßbare Deutlichkeit in einer den anderen unzugänglichen Terminologie hat. Und er schreibt dann weiter: Die Entstehung eines Standes mit eigenem Ethos, der faktisch die geistige Weltherrschaft ausübt, ist das Kennzeichen unseres Zeitalters. Ohne Presse kann diese Welt nicht leben... . — Ich komme gleich darauf, Herr Kollege. Er hat insofern etwas zum Fernsehen gesagt, als er hier den Publizisten anspricht, und dieses Wort gilt für den Fernsehredakteur, den Filmregisseur genauso wie für den Zeitungsredakteur. Der Unterschied ist nur, daß er mit einem anderen Medium arbeitet; aber der ethische Anspruch ist bei allen derselbe. Gerade darum geht es auch in dieser Diskussion, diesen ethischen Anspruch — wenn nur irgend möglich — Dr. Martin von seiner Voraussetzung her wirklich werden zu lassen. (Zuruf von der FDP: Der Anspruch ist doch da!)

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409715000







(Sehr richtig! in der Mitte.)





(Zuruf von 'der 'SPD: Was hat er zum Fernsehen gesagt?)




— Der Anspruch ist da; ich rede von seiner Verwirklichung und möchte das meine dazu beitragen.
Meine Damen und Herren, es besteht heute Klarheit darüber, daß die Freiheit der Presse nicht vom Staat her bedroht ist. Darüber besteht völlige Klarheit, und dazu braucht man nur den Art. 5 des Grundgesetzes zu lesen. Aber es gibt andere Bedrohungen der Pressefreiheit. Die können entstehen, wenn die wirtschaftliche Basis nicht in Ordnung ist — wie das vielleicht der Fall ist — oder wenn gewisse Presseerzeugnisse sich unter wirtschaftlichem Druck dazu verleiten lassen, um des lieben Geldes willen an alles andere im Menschen, nur nicht an das Geistige und Humane in ihm, zu appellieren. Auch dazu ein Satz von dem eben zitierten Autor:
Es ist die Frage, ob die Masseneigenschaften restlos alles ruinieren, was dem Menschen hier, möglich wäre.
Damit bin ich am Ende meiner Begründung. Ich möchte zusammenfassend sagen: Der Bundestag hat die Aufgabe, ohne Voreingenommenheit zu prüfen, ob die Garantien des Art. 5 des Grundgesetzes für alle Kommunikationsmittel gewährleistet sind. Er muß sich die Möglichkeit verschaffen, oberhalb des Interessenkonflikts die Erfordernisse, die durch das Gemeinwohl gegeben sind, durchzusetzen. Dabei entstehen rechtliche Fragen ebenso wie Probleme wirtschaftlicher Natur, und da es sich bei den Massenmedien um einen Bereich handelt, der tief in die kulturelle Entwicklung einschneidet, ist es geboten, in einer umfassenden Untersuchung die Verhältnisse klarzulegen und, wenn möglich oder nötig, zu gesetzgeberischen Maßnahmen zu kommen, die sicherstellen, daß es eine durch nichts eingeschränkte Freiheit der Meinungsbildung, der Meinungsäußerung und der Nachrichtengebung gibt. Da es sich bei allem um die Kommunikationsmittel handelt, ohne die eine moderne Gesellschaft und ein moderner Staat nicht bestehen können, sollte der Bundestag über die reine Tatsachenforschung hinaus den politischen Charakter des Problems ernst nehmen, uni Gefahren, die aus einer Verzerrung der Wettbewerbsverhältnisse und aus einer Ungleichheit der Nachrichtengebungsmittel entstehen können, zu beseitigen.
Meine Damen und Herren, ich bitte darum, daß dieser Antrag gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß als federführenden Ausschuß und an den Kulturpolitischen Ausschuß zur Mitberatung überwiesen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0409715100
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Antrags — Drucksache IV/1612 — gehört. Wir treten in die Aussprache ein.
Bevor ich das Wort erteile, möchte ich die Redner zu diesem und zum nächsten Punkt darum bitten, bei ihren Ausführungen gelegentlich auf die Uhr zu blicken und auch zu beachten, daß die meisten Plätze im Hohen Hause wie auf der Pressetribüne unbesetzt sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Sänger.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409715200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Wunsch des Herrn Präsidenten möchte ich gern nachkommen. Ich fühle mich Ihnen gegenüber verpflichtet, mich so kurz wie möglich zu fassen, aber auch der Sache gegenüber. Ich darf versichern, es wird der abendländischen Kultur dadurch kein unwiederbringlicher Beitrag verlorengehen.
Heute handelt es sich ohnehin nur darum, daß wir die Behandlung eines sehr wichtigen Problems, das lange ansteht, vorbereiten. Denn wenn wir uns entschließen — und wir sind ja gemeinsam dieser Auffassung —, eine Kommission von sachverständigen Persönlichkeiten berufen zu lassen, die erst einmal die Tatsachen des Verhältnisses zwischen Presse, Funk und Film untersuchen und feststellen soll — unter „Funk" ist immer Hör- und Fernsehfunk zu verstehen —, dann sollten wir auch das Ergebnis der Beratungen und der Feststellungen dieser Kommission abwarten.
Ich möchte in diesem Zusammenhang, damit sich nicht abermals eine Debatte entfaltet, wie wir sie vorhin bei den Sozialpolitikern erlebt haben, gleich sagen, daß diese Kommission natürlich keine politischen Entscheidungen zu treffen hat, sondern Tatsachenfeststellungen vornehmen soll. Die politischen Entscheidungen behalten wir uns in den Ausschüssen und hier im Plenum vor.

(Abg. Wehner: In diesem Fall ist aber keine Gefahr, weil die CDU den Antrag gestellt hat! — Lachen bei der SPD.)

Ich bin überzeugt, daß Sie es deshalb auch verstehen werden, wenn ich es mir verkneife, schon jetzt Zahlen und eine große Anzahl von Tatsachen zu erwähnen oder gar zu untersuchen. Herr Dr. Martin hat es eben getan, und ich will es ihm nicht nachmachen. Denn ich bin überzeugt davon, daß diese Zahlen zwar von der einen oder von der anderen Seite mit bestem Willen zur Objektivität erarbeitet worden sind, aber doch wohl noch einer sehr sachverständigen Untersuchung unterworfen werden müssen, ehe wir sagen können: Ja, so ist es, wie diese Zahlen es ausdrücken.
Wenn wir uns heute bemühen, das Verhältnis von Presse, Rundfunk — also Hörfunk und Fernsehfunk — und Film zu untersuchen, so sollten wir feststellen, daß diese Publikationsmittel oder, wie wir so gelehrt zu sagen pflegen, diese Medien heute tatsächlich die Zeitungen sind. Wir haben es uns durch Jahrhunderte angewöhnt, mit dem Wort „Zeitung" den Druck — ich meine jetzt den Buchdruck — zu verbinden. Eine Zeitlang mußten wir uns auch angewöhnen, einen anderen Druck mit dem Begriff „Zeitung" zu verbinden. Es war schon sehr nett, daß der frühere Bundeskanzler kürzlich einmal in einer Veranstaltung beanstandete, daß



Sänger
das Wort „Presse" gebraucht wird; man möge die Presse nicht pressen, meinte er damit sicherlich.

(Abg. Wehner: Er meinte es ganz anders; das haben Sie gründlich mißverstanden! Die Presse war sehr gnädig, Ihnen das abzunehmen!)

— Ich habe schon während dieser Veranstaltung
eine Belehrung darüber gehört, wie das gemeint
war.
Das, was heute der Rundfunk im Hörfunk und im Fernsehen macht, das, was uns der Film bietet, und das, was die Zeitung gedruckt darbietet, das alles ist eine Darstellung unserer Zeit, und das alles sollten wir gemeinsam unter dem Begriff „Zeitungen" zusammenfassen. Das ist nicht nur eine, wenn Sie so wollen, philosophierende oder allgemeine Bemerkung, sondern eine sehr wichtige. Denn ich kann es umdrehen und sagen: Wo steht geschrieben, daß der, der eine Zeitung, der eine Mitteilung über die Zeit, der eine Information, der eine Meinung herausgibt, diese Meinung, ,diese Information, diese Mitteilung drucken lassen muß? Das war zu jener Zeit die zweckmäßige Art der Herstellung einer Zeitung. Zu unserer Zeit ist dazu eine andere technische Möglichkeit der Herstellung einer Zeitung gekommen.
Daher entsteht von ganz allein die Frage, ob nicht die, die sich Herausgeber von Zeitungen nennen, sich von vornherein — nicht nur aus Gründen der Anciennität freilich — doch auch fühlen können als die Herausgeber jener Zeitungen. Informationen, Mitteilungen, Meinungen, die wir heute über den Funk und über das Bild im Fernsehen vermitteln.
Auf jeden Fall, sie alle erfüllen eine öffentliche Aufgabe. Auf jeden Fall ist bisher die Untersuchung
darüber unterblieben, welche organische Verbindung zwischen diesen verschiedenen Mitteln der Publikation besteht. Und auf jeden Fall ist von allen Seiten eine staatliche, eine obrigkeitliche Führung dieser Publikationsmittel abgelehnt worden. Dabei soll es seine Bewandtnis haben, meine ich.
Die Frage ist also heute für uns nur: wer bietet den größeren Schutz dafür, daß alle diese Publikationsmittel ihre Unabhängigkeit und ihre Leistungsfähigkeit bewahren können? Da richtet sich unser Blick ganz von selbst auf die beiden schwächsten Teile dieses Gesamtinstruments, auf Zeitung und auf Film; es sind die wirtschaftlich Schwächsten; was nicht heißen soll, daß sie an sich und allesamt und jeder einzelne Betrieb wirtschaftlich schwach sind. Aber insgesamt sind wir doch aus der Zeit heraus, in der die gedruckte Zeitung Publikationsmittel ohne Konkurrenz war. Die Konkurrenz anderer Publikationsmittel macht es Film und Zeitung zunehmend schwerer, den Wettbewerb auszuhalten.
Wenn es also so ist, daß ein Ringen um die Existenz des einen oder des anderen Publikationsmittels entstanden ist oder zu entstehen droht, dann haben wir die wirtschaftliche Grundlage der Herausgabe von Zeitungen, Film, auch Funk und Fernsehen zu untersuchen und einmal festzustellen: welche Chancen .gibt es, daß sie beide oder alle vier in eine vernünftige Ordnung zueinander gebracht werden können? Natürlich, die Presse meldet ihre kommerziellen Interessen an; das ist ihre Pflicht. 1 Sie hat eine kulturpolitische Aufgabe, sie hat eine staatspolitische Aufgabe zu erfüllen. Der verantwortliche Beitrag der Presse zum demokratischen Gespräch in unserem Land kann nur wirkungsvoll sein, wenn er ohne Furcht vor Folgen, auch ohne Furcht vor materiellen Folgen gegeben werden kann.
Wenn nun beide Teile, Rundfunk und Presse — das nur allgemein gesagt —, ihre Aufgabe erfüllen sollen, müssen sie auch wirtschaftlich unabhängig sein. Keiner von beiden darf an dem anderen leiden. Keiner von beiden darf an dem anderen krank werden oder gar sterben. Sonst leidet die allgemeine Aufgabe, und letzten Endes leidet die Informierung der Öffentlichkeit, leidet also die demokratische Wirklichkeit in unserem Land.
Wir wollen also feststellen: welche Tatsachen gibt es, um sie frei und unabhängig arbeiten zu lassen? Da gibt es verschiedene Ausgangspositionen. Ich will mich nicht — ich versprach es Ihnen — auf die Einzelheiten dieser Unterschiedlichkeiten einlassen. Ich will aber sagen, daß z. B. schon der von Herrn Dr. Martin erwähnte Tatbestand wichtig ist und ein Schlaglicht auf die Situation wirft, daß die Mittelschichten in unserem Land ein, wie ich meine, legitimes Interesse haben, an unserer Diskussion teilzunehmen. Sie werden von der Werbung der Großen fühlbar betroffen, und die Erfahrung läßt sie ernsthaft fragen, ob es volkswirtschaftlich und ob es strukturell vertretbar ist, eine Konzentration in der Wirtschaft durch diese ungewöhnliche und intensive wirkungsvolle Werbung noch zu verstärken, wie sie im Fernsehen zweifellos gegeben ist. Sie fragen auch — und sie fragen nach meiner Auffassung legitim —, ob es zu verantworten ist, daß ein Übergewicht eines Teiles der Wirtschaft über andere Teile durch Anstalten öffentlichen Rechts herbeigeführt oder unterstützt .werden kann. Dies ist mit ein Bestandteil der Untersuchung. Ich wollte es nur erwähnen, um zu zeigen, wie wichtig es ist, eine solche Untersuchung jetzt vorzunehmen und die öffentliche Diskussion, die stark in die Polemik ausgeglitten ist, nunmehr, wenn möglich, abzustellen.
Ohne ausreichendes Wissen über die Bedingungen und Möglichkeiten der Arbeit hier und dort gibt es keine gesicherte und gesunde Lösung in der Zukunft. Bestenfalls wird es eine Konstruktion werden.
Was ist zu untersuchen? Ich glaube, wir sollten untersuchen lassen, welchen Anteil die Werbeeinnahmen bei Funk, bei Presse, bei Film ausmachen und welche Nebenbetriebe jenseits der eigentlichen Zweck- und Hauptbetriebe wirklich tätig sind.
Hierzu übrigens gleich eine Tatsachenfeststellung, die sich einfach nicht aus der Welt schaffen läßt, die aber wichtig ist, weil immer das Gegenteil behauptet wird und dadurch die öffentliche Diskussion vergiftet wurde. Die Werbegesellschaften der Funkgesellschaften zahlen Steuern, Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer, und sind nicht steuerfrei, wie oft behauptet wird.



Sänger
Wir haben weiter zu untersuchen, ob und welchen Einfluß die Einnahmen bei Funk, Fernsehen, Film und auch Presse auf die Unternehmungen, auf die Programme, auf die Zeitungen nehmen. In dem Vorwurf von der einen wie in dem Vorwurf von der anderen Seite wird behauptet, daß solche Einflüsse vorhanden seien. Wir sollten darüber Auskünfte bekommen, ob und welchen Einfluß die Tatsache der Körperschaft des öffentlichen Rechts auf das Programm im Rundfunk und welchen Einfluß zahlungskräftige Inserenten möglicherweise auf die Presse ausüben. Wir sollten prüfen, ob eine der beiden Seiten Sondervorteile genießt und welche.
Meine Damen und Herren, dabei darf es nicht zu einer Diffamierung eines der Publikationsmittel kommen, und wir sollten auch keinen Versuch einer heimtückischen Schmälerung der Chancen eines der beiden Publikationsmittel zulassen. Die Unabhängigkeit und die Freiheit der Arbeit bei Rundfunk, Film und Presse sollte unteilbar sein. Alle bedürfen sie des staatlichen Schutzes für ihre Freiheit und Unabhängigkeit, und alle bedürfen sie der Möglichkeit zu freier Arbeit.
Ich halte es nicht für einen förderlichen Beitrag, wenn im Verlaufe der Debatte, die wir hinter uns haben — nicht hier im Hause, sondern in der Öffentlichkeit —, an einer Stelle geschrieben worden ist: Es ist heute schon für viele Politiker interessanter, in einflußreichen Rundfunkräten zu sitzen als im Parlament. Ich glaube, das ist nicht die Art, wie wir zu einer vernünftigen Zusammenarbeit kommen können. Da ich selbst viele Jahre einem Rundfunkrat angehört habe und noch angehöre und eben hier im Parlament zu sprechen die Ehre habe, darf ich wohl sagen, daß es besser wäre, eine andere Möglichkeit zum Zusammenkommen zu finden.
Wir sprechen über die Sache hier im Hause nicht zum erstenmal. Der jetzige Herr Bundeskanzler und damalige Wirtschaftsminister Erhard hat schon 1961 festgestellt, hier sei nach seiner Auffassung eine Länderfrage angeschnitten. Wie wichtig diese Länderfrage von den Ländern genommen wird, meine Damen und Herren, sehen Sie an der Besetzung der Bundesratsbank.

(Sehr richtig! und Heiterkeit in der Mitte.)

Am 24. April 1963 hat Staatssekretär Westrick auf eine Frage aus dem Hause geantwortet, daß es eine gesetzliche Sonderbehandlung des Fernsehwerbens kaum geben könne, es sei jedenfalls sehr schwer, sich eine solche Behandlung auszudenken. Wir haben im Juni dieses Jahres noch einmal gehört, und zwar vom Herrn Bundesminister Höcherl, daß es sinnvoll sei, eine Sachverständigenkommission einzurichten. Damit sind wir an einer Zusage für eine solche Kommission angelangt.
Ich darf mich nun noch in aller Kürze unmittelbar Ihrem Antrag, Herr Dr. Martin, zuwenden und empfehle, für die Beratungen doch folgendes zu beachten. Ich glaube, daß man die wirtschaftliche Seite der dort tätigen Medien — um dieses Wort auch einmal zu gebrauchen — gründlich untersuchen sollte. Wir sollten die rechtliche Begründung der zweigleisigen Finanzierung — ich verstehe nicht ganz, was damit gemeint ist, aber lassen wir das einmal untersuchen — feststellen lassen. Wir sollten auch die Auswirkungen der verschiedenen staatlichen Privilegien — so vorhanden — untersuchen lassen.
Aber ich halte es für schwierig, in diesem Zusammenhang dann auch die Frage der Persönlichkeitsbildung mit in die Diskussion zu ziehen. Es ist unbestreitbar, daß jede Publikation, sofern sie gelesen, gehört oder angesehen wird, die Persönlichkeit beeinflußt. Aber nun in diesem Zusammenhang eine Untersuchung anzustellen, wie stark oder wie wenig die eine oder die andere Seite die Bildung der Persönlichkeit beeinflußt, geht weit über das hinaus, was wir mit dieser Sachverständigenkommission eigentlich vorhaben.
Ich würde empfehlen, daß wir feststellen lassen, was wirklich ist — das soll die Kommission machen —, und daß wir dann versuchen, in den Ausschüssen und im Plenum die politischen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Meine Freunde und ich sind im Gegensatz zu Ihnen, Herr Dr. Martin, der Auffassung, daß es besser ist, die Federführung demjenigen Ausschuß zuzuweisen, der Kulturpolitik und Publizistik nach seinem Namen und seiner Aufgabe zu bearbeiten hat, und die Mitberatung dem Wirtschaftsausschuß. Das hätte übrigens den Vorteil, daß durch die Mitberatung des Wirtschaftsausschusses zunächst die wirtschaftlichen Tatsachen festgestellt werden. Das Ergebnis dieser Tatsachenfeststellung würde dann dem Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik mitgeteilt werden, der daraus die publizistisch notwendigen Folgerungen ziehen könnte.
Erlauben Sie mir zum Schluß noch eine Berner-kung. Ich hätte es lieber gesehen, wenn sich Presse, Film und Funk selber an einen Tisch gesetzt hätten, ohne daß der Staat bzw. das Parlament angerufen worden wäre. Es hätte den Exponenten einer freiheitlichen Wirklichkeit in Deutschland zum Nutzen gereicht, wenn bei dem Versuch einer vernünftigen Ordnung der Publikationsmittel der Staat ganz draußen geblieben wäre. Ich habe die Hoffnung, das Ergebnis der Untersuchungen und dann auch der Arbeit der Ausschüsse und des Parlaments wird es zu dieser Situation kommen lassen, daß wir vom Staat her die Publikationsmittel in unserem Land so unberührt sein lassen, wie sie es sein müssen, damit sie ihre Arbeit frei und unabhängig fortsetzen können.

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.)


Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0409715300
Wir fahren in der Rednerliste fort. Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409715400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe Sie noch viel kürzer in Anspruch zu nehmen als der Kollege Sänger. Ich bin mir ja bewußt, daß jeder, der in diesem Hause am Freitag nach 12 Uhr spricht, sich den Unwillen des Hauses zuzieht.
Diese Diskussion beweist, daß der Antrag der CDU einem tatsächlichen Bedürfnis entspringt. Denn



Zoglmann
was hier vorhin von Herrn Dr. Martin über das Problem, das zu untersuchen ist, gesagt wurde, beweist, lieber Kollege Martin, daß in diesem Hause viel Unwissen über diese Dinge vorhanden ist und daß es daher notwendig ist, einmal von kompetenter Stelle Tatsachen vorgetragen zu bekommen.
Wenn ich höre, ein Ministerpräsident eines Landes habe einen Brief geschrieben und erklärt: 1957 60 %, 1962 48 % der Werbung in Zeitungen, dann kommt mir das so vor, wie es etwa die Sowjetrussen machen, die grundsätzlich nur mit Prozentzahlen arbeiten, aber im Effekt mit der Angabe dieser Prozentzahlen nur bewirken wollen, daß die Tatsachen verschleiert werden. Denn, meine Kollegen, die Sache sieht ganz anders aus, wenn man nicht die Prozentzahlen, sondern die nackten Zahlen, die effektiven Zahlen betrachtet.

(Abg. Dr. Martin: Herr Zoglmann, ich habe das im Konjunktiv gesagt!)

— Lieber Kollege Martin, lassen Sie mich etwas über die echten Zahlen sagen; diese Minute schenken Sie mir bitte noch. Es ist übrigens besonders makaber, daß das Jahr 1957 als Ausgangspunkt gewählt wurde; denn 1957 hat das Fernsehen fast noch gar nicht bestanden, so daß jede prozentuale Steigerung natürlich eine Steigerung ins Unendliche ist. Bleiben wir also lieber bei 1958. Da ergibt sich überhaupt erst eine Relation. 1958 sieht die Sache so aus: rund 1000 Millionen DM Anzeigenaufkommen der Zeitungen — wie Sie sehen, eine ganz beachtliche Zahl —, rund 550 Millionen DM Anzeigenaufkommen bei Zeitschriften, also konkret bei den Illustrierten, rund 42 Millionen DM bei der Rundfunkwerbung und rund 12 Millionen DM beim Werbefernsehen. Das war damals ganz am Anfang. Und nun die Zahlen für 1962: 1408 Millionen DM Anzeigenaufkommen bei Zeitungen, also eine Steigerung um mehr als 400 Millionen DM, 1097 Millionen DM, also rund 1100 Millionen DM, also eine Steigerung um 100 %, um 550 Millionen DM, bei den Zeitschriften, also konkret bei den Illustrierten. Und hören Sie die Zahl beim Fernsehen: eine Steigerung auf 281 Millionen DM.
Damit ist das Fernsehen aber auch schon am Ende. Eine weitere Steigerung ist nämlich nicht mehr möglich, da die Anstalten beschlossen haben, daß die Werbezeiten nicht ausgedehnt werden dürfen. Der Bericht wird nur zu bestätigen haben, daß die Anstalten bei rund 300 Millionen DM am Ende angekommen sind und die Verschiebungen, wenn Sie wollen, sich im wesentlichen im Raum der Zeitungen und Zeitschriften ergeben haben, ein Problem, das Sie gar nicht angeschnitten haben.
Unser Anliegen, die kleinen und mittleren regionalen Tageszeitungen in einen gewissen Schutz zu nehmen, soweit das im Rahmen der heutigen Situation überhaupt möglich ist, ist unbestritten. Aber vergessen Sie doch nicht, daß sich auch im Raum der Zeitungen selber ein Prozeß vollzieht, vor dem wir die Augen nicht verschließen können. Denken Sie daran, daß von den überregionalen Tageszeitungen mit einer Auflage von 4,8 Millionen im ganzen Bundesgebiet 4,2 Millionen Stück in einem einzigen Verlag erscheinen. Da haben Sie die Konzentration.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)

Wenn das keine Konzentration ist, meine Kollegen, dann frage ich: Was ist noch Konzentration?! Wir können doch an diesen Dingen nicht vorbeigehen. Und schließlich: betrachten Sie die Situation bei den Illustrierten!
Es wird immer der Anschein erweckt, beim Fernsehen könne der kleine und mittlere Unternehmer nicht werben, weil er die Preise nicht bezahlen könne. Zu den Preisen muß daher auch etwas gesagt werden, denn wir wollen doch hier nicht Nebel abblasen, meine Kollegen. Bei den Preisen sieht es konkret so aus: Eine Seite in der „Bild-Zeitung" kostet 116 000 DM, eine Seite Buntdruck in „Hör zu" kostet 74 000 DM, eine Seite im „Stern" ohne Buntdruck 24 000 DM, mit Buntdruck wahrscheinlich 36 000 DM. Und nun die Situation im Fernsehen! Man muß doch die Dinge wirklich objektiv sehen. Hier spricht ein Werbefachmann. Ich betreibe eine Werbeagentur. Ich muß mit allen Medien arbeiten. Ich muß also objektiv sein.

(Heiterkeit.)

Ich kann Ihnen sagen: eine Seite in einer Zeitung entspricht etwa einem 30-Sekunden-Spot im Fernsehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Zoglmann, was kostet das wohl im „Spiegel"?)

Ein 30-Sekunden-Spot im Westdeutschen Rundfunk kostet 12 000 DM, und ein 30-Sekunden-Spot im Berliner Rundfunk kostet 2150 DM. Das also zur Objektivierung. Lassen Sie sich doch nicht von irgendwelchen Leuten irgendwelche Zahlen auf den Tisch legen, damit Sie sie hier völlig unkontrolliert weitergeben.
Wenn Untersuchungen über die Konzentration und die Verschiebung angestellt werden sollen, dann muß auch der Bereich der Konzentration innerhalb der Presse selbst einer sehr aufmerksamen Prüfung unterzogen. werden. Das Abwandern von den objektiven, seriösen regionalen Tageszeitungen zur illustrierten Presse — ein Komplex für sich — ist allein schon der Untersuchung wert. Selbstverständlich muß auch die Situation in den Anstalten einbezogen werden.
Lieber Kollege Martin, ich bin immer ein Praktiker in meinem Leben gewesen. Mir reicht es nicht zu sagen, das gehe gegen die roten Funkhäuser, daher müsse man etwas machen.

(Heiterkeit.)

Ich bin auch gegen die roten Funkhäuser, — damit kein Irrtum entsteht. Meine Kollegen von der SPD, ich bin ganz energisch gegen die roten Funkhäuser. Aber wir können nicht das falsche Pferd aufzäumen; wir müssen da ansetzen, wo ein Ansatz wirklich möglich ist.
Und nun kommen wir zu einem sehr interessanten Problem. Mit Ihrer Hilfe, mit Hilfe der CDU, ist hier vor wenigen Jahren ein Rundfunkgesetz



Zoglmann
verabschiedet worden. Hinterher hat sich dann der Herr Bundeskanzler, wie Sie wissen, mit der Deutschland-Fernsehen-GmbH eingeschaltet, ganz im Gegensatz zu dem, was meine Freunde und ich vorgetragen haben. Das wäre eine Möglichkeit gewesen, die Dinge richtig 21.1 regeln: ähnlich wie in England, wo die BBC ohne Werbung nur mit Gebühren finanziert wird und wo daneben ein zweites Fernsehen, kontrolliert, besteht — die ITA —, das sich allein aus Werbung finanziert. Wer die Werbung nicht haben will, .dreht das andere Programm an. Das wäre eine Möglichkeit gewesen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dazu war es zu spat!)

— Was heißt „zu spät" ? Wir sind noch alle hier, wir können noch springen, wenn wir wollen, wir können das organisieren, und wir werden sehen, wohin wir dabei kommen. Diese Dinge mußte ich Ihnen, glaube ich, zur Verdeutlichung und zum Abblasen dieses Nebels sagen.
Lieber Kollege Zimmermann, Sie haben vorhin eingewendet, die Anstalten zahlten keine Steuern. Dazu ist zu sagen — ich habe hier eine Unterlage einer einzigen Anstalt, und zwar des Südwestdeutschen Rundfunks —, ,daß der Südwestdeutsche Rundfunk allein im Jahre 1962 für seine Werbefernsehen-GmbH etwas über vier Millionen DM an Steuern bezahlt hat, — wie jeder andere Betrieb auch. Es hat doch keinen Sinn, über diese Dinge hinwegzugehen. Hier stehen Sie vor Fakten, die eben nicht, jedenfalls ,auf die Dauer nicht, mit Erfolg in ein anderes Licht gebracht werden können.

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0409715500
Herr Abgeordneter Zoglmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Zimmermann?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409715600
Selbstverständlich!

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0409715700
Herr Kollege Zoglmann, sind Ihnen die Verhältnisse beim Werbefernsehen der anderen Stationen auch bekannt?

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0409715800
Also, lieber Kollege Zimmermann, ich will doch hoffen — —

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0409715900
Ist Ihnen nicht bekannt, daß die bayerische Werbefernsehen-GmbH z. B. keine der von Ihnen geschilderten Steuern zahlt, weil sie einen ganz bestimmten Status hat? Das gilt auch noch für andere.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0409716000
Ich wollte eben so argumentieren: ich hoffe doch, daß sich nicht etwa im Interesse der Berücksichtigung der bayerischen Belange die baberische Situation von der in Baden-Württemberg unterscheidet.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es ist aber so!)

Aus Ihrer Aussage ist aber zu entnehmen, daß sie
sich von ihr unterscheidet. Wenn ich richtig informiert bin, hat in Bayern die CSU allein die absolute
Majorität im Landtag. Verabschieden Sie also bitte ein Gesetz und beseitigen Sie diese Zustände in der bayerischen Fernsehanstalt!

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

Abschließend zur Zuständigkeitsfrage! Lieber Kollege Sänger, ich bin wie Sie als langjähriger Publizist der Meinung: an sich gehört das in den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik als federführenden Ausschuß. Sie haben vorhin gesagt: Die Bundesratsbank ist leer, und das zeigt das „Interesse" der Länder. Glauben Sie mir, wenn wir das dem Kulturpolitischen Ausschuß überweisen, werden die alle sehr schnell wieder wach! Und um zu verhindern, daß wir am Ende Zuständigkeitseinsprüche seitens der Länder bekommen, möchte ich vorschlagen: Lassen wir die Federführung beim Wirtschaftsausschuß! Wir werden uns dann im Kulturpolitischen Ausschuß mitberatend in die Sache einschalten, und ich hoffe, daß wir zu einem vernünftigen Ergebnis kommen.

(Beifall.)


Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0409716100
Das Wort hat der Abgeordnete Blumenfeld.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409716200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich bin mir der vorgerückten Stunde bewußt und werde mich ebenso wie meine Herren Vorredner bemühen, es kurz zu machen. Aber ich möchte doch etwas deutlicher in die Wettbewerbsverzerrungen einsteigen, die wir hier vor uns sehen. Herr Kollege Sänger hat davon gesprochen, daß die Gefahren der Existenzbedrohung, die sich zeigen könnten, für alle Massenmedien untersucht und geprüft werden sollten. Ich kann mir, sehr verehrter Kollege Sänger, nicht vorstellen, daß es eine Gefährdung für eine Anstalt öffentlichen Rechts gibt, die Gebühren einzieht oder eingezogen bekommt — und zwar in ständig steigendem Maße — und die keine Steuern abzuführen braucht. Jedenfalls ist die Situation gegenüber den privatwirtschaftlich betriebenen Zeitungsverlagen doch eine ganz andere.
Ich möchte nur in wenigen Punkten auf die Wettbewerbsnachteile, die ganz evident sind, zwischen den Anstalten und den deutschen Zeitungsverlagen hinweisen. Auch ich bin, wie es mein Kollege Martin ausgesprochen hat, keineswegs — und das ist, glaube ich, keiner in diesem Hause — ein Bildschirmstürmer. Aber wir sind auch keine — insofern hat der Kollege Sänger recht — Naturschutzparkverwalter. Es ist die Aufgabe der deutschen Presse selber, sich in ihrem Wettbewerbs- und Konkurrenzkampf zu helfen. Die deutsche Presse und die deutschen Verlage können aber erwarten, daß der Staat, daß wir ihnen die Möglichkeiten zur Selbsthilfe geben.
Die Tatsache, daß, wie der Kollege Martin es ausgeführt hat, es eine Vielzahl von Tageszeitungen gibt, hat außer den erfreulichen politischen Aspekten, die erwähnt worden sind, auch harte wirtschaftliche Konsequenzen; auch 'der Kollege Zoglmann hat soeben darauf verwiesen. Aber die Verleger



Blumenfeld
müssen sich dem Wettbewerbskampf stellen und sich wappnen.
Wie ist nun die Angelegenheit bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten des Fernsehens und des Rundfunks? Da gibt es doch überhaupt keinen Wettbewerb um Inserenten, um Abonnenten wie bei den Zeitungen. Wenn es einen Wettbewerb gibt, dann intern um die bessere Leistung, um das Bemühen, ein besseres Programm und eine größere Aktualität zu erreichen. Aber wie immer dieser Kampf innerhalb der Anstalten entschieden werden wird, er ändert an der Existenz dieser Anstalten überhaupt nicht das geringste. Dagegen möchte ich den Verleger sehen, der eine schlechte Zeitung weiterproduziert und dabei noch am Leben bleibt. Wir haben genügend Beispiele dafür in den vergangenen Jahren erlebt.
Die den öffentlich-rechtlichen Anstalten vom Staat eingeräumte Monopolstellung erlaubt es ihnen, sich nicht nur von jedem echten Leistungswettbewerb und Wirtschaftswettbewerb fernzuhalten, sondern auch noch in den natürlichen Wettbewerbskampf der Zeitungen und Zeitschriften und anderer verschärfend einzugreifen. Wir brauchen uns doch nur einmal den ungleichen Wettbewerbsaufwand zu betrachten, den die Presse einerseits und Rundfunk und Fernsehen andererseits zu treiben angehalten sind. Wir haben soeben vom Kollegen Zoglmann die Preise für die Anzeigen gehört. Ich möchte eine andere Zahl nennen, die wir im Ausschuß noch genauer untersuchen sollten. 50 Millionen DM muß die Tagespresse im Jahresdurchschnitt aufwenden, um der Fluktuation der Leserschaft zu begegnen. Einen Wettbewerbsnachteil dieser Größenordnung brauchen die Rundfunkanstalten überhaupt nicht hinzunehmen. Im Gegenteil, man kann sagen, daß sie einen Vorteil in dieser Größenordnung genießen; er ergibt sich aus dem — das soll nun nicht polemisch interpretiert werden — Zwangscharakter der Rundfunk- und Fernsehgebühren. Ich glaube auch nicht, daß irgendwelche Kosten für Werbung von Hörern und Zuschauern die Aufwandseite der Rundfunkanstalten belasten.
In diesem gesamten Gebiet sind die Anstalten des öffentlichen Rechts in einer sehr viel glücklicheren, glückhafteren Position. Man könnte hier einen Vergleich mit den Positionen im Wettbewerb zwischen Kohle und Öl ziehen. Das eine ist eben das Modernere, das sich weiter entwickelt hat, und das andere ist das Traditionelle.

(Abg. Blachstein: Beim 01 ziehen Sie aber andere Konsequenzen!)

— Ich werde das gleich noch erläutern, Herr Kollege Blachstein. Ich will nämlich ganz klar herausarbeiten, daß eine privatwirtschaftliche unternehmerische Tätigkeit, abgestützt durch die öffentlichrechtliche Situation, in der man sich nicht bemühen muß, um die finanzielle Existenz zu kämpfen, und in der man im übrigen Steuervorteile jeder Art genießt, nach unserer Auffassung unvereinbar ist hinsichtlich der Werbetätigkeit und der zusätzlichen Einnahmenseite.
Wir alle wissen, daß hier die Presse in einer sehr viel schwierigeren Ausgangsposition ist. Ich möchte das gar nicht als ein Faktum für unsere Untersuchungen in den Raum stellen; wir müssen aber objektiv sehen, daß die Ausgangspositionen von vornherein verschieden sind.
Aber nun komme ich hinsichtlich dieser ;,Sonntagskind-Position", in der sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten — per se, möchte ich sagen — befinden, auf die beiden wichtigsten Punkte, nämlich einmal die ungleiche Steuerbelastung und zum zweiten die Werbedurchführung seitens der Anstalten.
Zur Steuerbelastung! Sie alle wissen, daß die Zeitungen jeder Steuerart unterworfen sind — Umsatz-, Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer — und daß demgegenüber die Rundfunkanstalten völlige Freiheit von diesen Abgaben genießen.

(Abg. Zoglmann: Aber doch nicht die Werbegesellschaften!)

— Ich komme noch auf die Werbegesellschaften. — Allein diese Tatsache bedeutet eine ganz ungleiche Position in der Belastung.
Wenn wir jetzt die besondere Verschärfung betrachten, meine Damen und Herren, müssen wir doch die Praktiken und den Aufschwung des Werbefernsehens einmal ganz kurz betrachten. Auch hier will ich den Punkt durch einige Zahlen untermauern.
Wir haben vorhin schon gehört, daß früher das Verhältnis von Vertriebserlös zu Anzeigenerlös etwa 65 : 35 gewesen ist, heute aber die Vertriebserlöse nur noch 30 bis 40 % ausmachen; den Rest müssen die Anzeigen erbringen. Nun ist es doch so, daß heute einen wesentlichen Anteil des Anzeigengeschäftes — Kollege Martin hat es ausgeführt — die saisonal und konjunkturell abhängigen Stellenanzeigen ausmachen. Der Teil des .Anzeigengeschäfts aber, wo nunmehr das Werbefernsehen einbricht, ist der Teil des Anzeigengeschäfts der Presse, auf den sie wirklich angewiesen ist, nämlich insonderheit die Werbung für Markenartikel. Es läßt sich, Herr Kollege Sänger — wir werden es im Ausschuß nachprüfen —, statistisch sehr genau belegen, daß die Werbetätigkeit der Rundfunk- und Fernsehanstalten überwiegend auf Kosten der Zeitungsanzeige gegangen ist. An dem gesamten Werbeetat für Markenartikel und überregionale Dienstleistungen hatten die Tageszeitungen 1956 einen Anteil von 38,8 %, .das Werbefernsehen einen solchen von null. Im Jahre 1962 hatte sich die Relation bereits ganz erheblich verschoben; der Anteil der Tageszeitungen betrug nur noch 29,6 %, war also um beinahe 10 % zurückgegangen, der Anteil des Werbefernsehens war hingegen auf beinahe 16 % geschnellt. Dieselbe Entwicklung haben wir in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien zu verzeichnen. Dort gibt es Werbefernsehen, allerdings völlig getrennt, auf privatwirtschaftlicher Basis; aber es ist interessant, sich für unsere Untersuchungen das Beispiel Großbritannien ins Gedächtnis zurückzurufen; dort betrug im Jahre 1955 der Anteil des Werbefernsehens



Blumenfeld
3,2 %, im Jahre 1960 war er schon auf beinahe 46 % gestiegen.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0409716300
Herr Abgeordneter Blumenfeld, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dürr?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409716400
Herr Kollege Blumenfeld, würden Sie die Freundlichkeit haben, nach den Prozentzahlen, die Sie uns angegeben haben, auch die absoluten Zahlen zu nennen? Es kann doch sein, daß Einnahmen prozentual zurückgegangen sind, absolut aber höher geworden sind.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0409716500
Ich glaube, unsere Prüfungen im Ausschuß werden sogar beweisen, daß dem so ist.

(Abg. Dr. Martin: Das ist tatsächlich so! — Abg. Zoglmann: Höher als im Fernsehen!)

Aber der Punkt, auf den ich hinweise, ist, daß der ganze Bereich der Markenartikelwerbung in immer stärkerem Maße einen wirtschaftlichen Einbruch bei den Zeitungen zur Folge hat.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0409716600
Wer wünscht eine Zwischenfrage zu stellen? — Herr Abgeordneter Zoglmann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409716700
Herr Kollege Blumenfeld, halten Sie es für möglich, daß ein Teil des Zuwachses des Anzeigenaufkommens insgesamt auch daraus resultiert, daß ein neues Werbemedium auf dem Markt erschienen ist und daher dieses neue Medium einen originären Zuwachs aufweist?

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0409716800
Herr Kollege Zoglmann, ich bezweifle das; denn die Statistiken bzw. die Nachforschungen eines in dieser Frage so objektiven Instituts, wie es der Deutsche Industrie- und Handelstag ist, haben erwiesen, daß verschiedene Gruppen von Markenartikelfirmen seit der Verstärkung der von den Firmen betriebenen Fernsehwerbung die Anzeigenaufträge bei den Zeitungen beträchtlich vermindert haben. Es ist selbstverständlich, daß dieser Anzeigenrückgang in der Hauptsache — mein Kollege Martin hat schon darauf hingewiesen — die mittlere regionale und die Heimatpresse trifft; denn daß die großen Zeitungen mit hohen Auflagen erst zu allerletzt von dieser existenzbedrohenden Entwicklung erfaßt werden, versteht sich von ganz allein.
Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, so wird die Presse sehr bald an einer absoluten Stagnationsmarke der Zuwachsrate, von der Sie, Herr Kollege Zoglmann, eben sprachen, angelangt sein. Aus dem Aufschwung des Werbefernsehens seit 1956/57 ergibt sich nach meiner Auffassung, daß die Zeitungsverleger, ob sie nun unabhängig sind oder parteipolitisch irgendwie gebunden sind, allen Grund haben, zu befürchten, daß dieser Tag nicht mehr allzu fern ist. Die gewaltigen Zuwachsraten, mit denen das Werbefernsehen hier aufzuwarten hat, sind nicht zu verkennen, und ich meine, daß dieser Entwicklung von unserer Seite, also von staatlicher Seite, gesteuert werden muß. Der Werberadius der öffentlich-rechtlichen Anstalten muß entweder entscheidend eingeengt oder die Werbung muß ganz untersagt werden; denn sonst wird der Werbeanteil und damit die wirtschaftliche Prosperität des Fernsehens Ausmaße erreichen, wie sie in den Vereinigten Staaten oder in Großbritannien bereits an der Tagesordnung sind.
Im übrigen brauchen wir nur darauf hinzuweisen, daß auch in den Nachbarländern das Werbefernsehen durchaus unbekannt ist, d. h. dort nicht praktiziert wird. Aber bei uns in der Bundesrepublik hat sich gleichsam über Nacht eine Zwischenlösung durchgesetzt, und die Einnahmen aus diesem Werbefernsehen machen einen ganz- beträchtlichen Prozentsatz der Gesamteinnahmen aus. Ich habe das einmal nach allen statistischen und sonstigen Unterlagen, die mir zur Verfügung stehen, durchgerechnet. Es sind mindestens 40 %, die jetzt schon aus den Nettoerlösen des Werbefernsehens in den Etats der ARD figurieren. Diese Entwicklung ist äußerst unbefriedigend. Sie verhilft den Rundfunk- und Fernsehanstalten dazu, ihre Situation, die eigentlich eine Monopolsituation ist, immer stärker auszubauen und die wirtschaftliche Lage der Tagespresse immer weiter zu erschweren.
Niemand wird behaupten können — ich sage das mit allem Nachdruck —, daß die Erlöse aus dem Werbefernsehen für die Anstalten existenznotwendig seien.

(Abg. Blachstein: Wollen Sie die Gebühren erhöhen?)

— Die Anstalten brauchen nur vernünftig, ordentlich und sorgsam mit den recht hohen, jedes Jahr weiter steigenden Gebühreneinnahmen zu wirtschaften, und diese brauchen nicht in einem derartigen Ausmaß zu überwuchern. Verehrter Herr Kollege Blachstein, Sie sitzen ja im Verwaltungsrat einer ganz bestimmten bekannten Anstalt. Sie könnten ein gutes Werk tun, wenn Sie auch darauf Ihr Augenmerk lenkten. Sollte aber dieses Argument einmal aufkommen, daß die Anstalten auf stärkere Einnahmen, - und zwar aus anderen Quellen, angewiesen sind, so möchte ich, Herr Kollege Blachstein, darauf hinweisen, daß die BBC in London mit der Hälfte der Gebühren Tag für Tag ein Programm ausstrahlt, das dem des NDR oder auch des WDR zumindest gleichwertig ist. Ich glaube, Sie werden mit mir darin übereinstimmen.
Eine ganz andere Bedeutung haben natürlich die Werbeeinnahmen für die Tagespresse und ihren Bestand. Eine Sinken der Anzeigenerlöse wird unmittelbar und sofort die Existenz eines Zeitungsverlages gefährden. Wenn wir davon ausgehen, daß im Laufe des nächsten Jahres noch einmal mit einer Erhöhung der Zahl der Fernsehzuschauer in der Größenordnung bis zu etwa 1 1/2 Millionen gerechnet werden muß, so ist es ganz klar, daß von dieser Seite allein genügend finanzielle Unterstützung kommt und daß auf der anderen Seite die Zeitungen es sich nicht leisten können — und nicht leisten werden —, die Gebühren für ihre Erzeug-



Blumenfeld
nisse zu erhöhen. Selbstverständlich werden die Erlöse, die die Zeitungen erzielen, immer wieder für umfangreiche Investitionen verwandt werden müssen, um der ganzen Entwicklung, die ich aufgezeigt habe, zu steuern.
Leider ist festzustellen, daß das Werbefernsehen sich erst nach einem Urteil des Oberlandesgerichts München im November 1957 entwickelt hat. Ich will die Begründung hier nicht verlesen. Das Gericht hat die Klage des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger gegen den Bayerischen Rundfunk wegen der Einführung des Werbefernsehens zurückgewiesen. Im nachfolgenden Ablauf der Jahre hat sich gezeigt, daß das Gericht sich absolut geirrt hat; denn die sechs Minuten, von denen damals gesprochen wurde, sind heute ganz allgemein — im Durchschnitt aller Anstalten in der Bundesrepublik — zu 20 Minuten reiner Werbezeit ausgeweitet worden. Daß sich hier selbst ein so hohes und würdiges Gericht wie das beyerische Oberlandesgericht geirrt hat, ist für uns kein Trost, sondern eher eine Ermahnung dahin, daß wir uns mit diesen Fragen beschäftigen müssen.
Noch ein Wort zu den Werbefernsehen-Gesellschaften. Herr Kollege Sänger hat gesagt, daß diese Werbe-GmbHs ja Steuern zahlten wie jede normale GmbH auch. Das ist von Herrn Kollegen Zoglmann unterstrichen worden. Aber Herr Kollege Zimmermann hat dem schon unter Anführung eines Beispiels — es gibt mehrere dafür — widersprochen.
Aber wir wollen diesen Streit jetzt nicht austragen. Das Ziel unserer Untersuchung ist, festzustellen: Wie geht es denn dort, wie laufen die Dinge da? — Ich muß Ihnen idazu sagen, daß die Gründung der Werbegesellschaften, die quasi Privatgesellschaften sind, so vollzogen wird, daß sich die Anteile in der Mehrheit zumindest immer in der Hand der öffentlich-rechtlichen oder der betreffende Anstalten befinden. Diese Werbe-GmbHs erledigen nunmehr alle mit den Werbesendungen verbundenen Geschäfte und haben sich ihrerseits teils direkt, teils indirekt über die Mutteranstalt — ich glaube, Herr Martin erwähnte das — sogar Filmstudios zugelegt. Die erworbenen Anteile sind im allgemeinen hochgenug, um ihren Eignern zu ermöglichen, die Geschäftsrichtlinien zu bestimmen. Daß neben den wirtschaftlichen Verzahnungen erhebliche personelle Verflechtungen ibeistehen, ist selbstverständlich. Ich könnte eine ganze Reihe von Beispielen aus dem Bereich des NDRausbreiten, will das 'aber hier nicht tun, sondern dm Ausschuß.
Meine Damen rund Herren, warum erzähle ich das alles? Um Ihnen zusagen — und das gilt, Herr Kollege Sänger, insbesondere für die Untersuchung, die wir anzustellen halben —: der von diesen Werbegesellschaften erwirtschaftete Gewinn fließt, so behaupte ich, in verdeckter oder in offener Form den Muttergesellschaften zu einem solchen Anteil zu, daß am Schlusse nur noch ein kleiner steuerpflichtiger Gewinn übrig bleibt. Ich könnte dafür Beispiele aus dein Bereiche der Nordwestdeutschen Fernseh-GmbH bringen. Es sind Beträge in der Größenordnung von vielen, vielen Millionen, die
der Muttergesellschaft entweder durch Gewinnübertragung oder durch Kostenerstattungen oder andere Manipulationen zugeflossen sind, deren eine ganz sicherlich — ich spreche das hier heute nur als Vermutung aus — im normalen Geschäftsleben den Tatbestand einer verdeckten Gewinnausschüttung gleichkommen würde. Nach dem deutschen Steuerrecht ist eine solche verdeckte Gewinnausschüttung steuerpflichtig; hier wird das aber nicht erfaßt.
Nun einen letzten Punkt, meine Damen und Herren! Die Zeitung hat natürlich — und das ist in der Debatte vorhin nicht erwähnt worden — nicht nur diese Wettbewerbsnachteile, sondern auch Aktualitätsverluste hinzunehmen. Dais werden wir nicht ändern können; aber es muß darauf hingewiesen werden. Die Zeitung meldet im allgemeinen doch das, was das Fernsehen am Abend vorher gebracht hat. Ich meine, daß wir auch diesen Punkt im Ausschuß prüfen sollten im Hinblick auf sogenannte Standortvorteile, die sich da 'ergeben könnten.
Meine Damen und Herren, ich habe versucht, in einigen Punkten herauszustellen und zusammenzufassen, wo sich die Lage ungleichen Wettbewerbs zwischen Tagespresse und Rundfunk sund Fernsehanstalten ergibt. Es waren die ungleiche Konkurrenzsituation an 'sich, der ungleiche Werbeaufwand, die ungleiche Steuerbelastung, der ungleiche Werbeertrag und die ungleiche Aktualität, von der ich soeben zum Schluß noch kurz gesprochen habe. Gewiß ist die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Punkte unterschiedlich. Die Hauptprobleme bilden — das wird die Ausschußarbeit ergeben — Werbefernsehen und Aktualitätsnachteil.
Die Zeitungen wären überfordert, wollte man sie in ihrem Existenzkampf allein lassen; davon sind wir überzeugt. Es wird unsere Aufgabe in den Ausschüssen sein, darüber nachzudenken, wie wir einer Wettbewerbsverzerrung entgegenwirken können. Ich meine, das Zweite Deutsche Fernsehen hat sich bisher als eine unglückliche Konstruktion erwiesen. Wenn Presse und Film überleben wollen, müssen sie nach meiner Auffassung auch am Fernsehgeschäft beteiligt werden. Man gebe ihnen die Chance, ein eigenes Programm herauszubringen, und mache ihnen die Auflage, es allein aus Werbetätigkeit zu finanzieren.

(Abg. Zoglmann: Eine Frage!) — Herr Kollege, bitte.


Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0409716900
Herr Kollege Blumenfeld, sind Sie nicht der Auffassung, man müßte bei der Erörterung der Möglichkeit, der Presse eine Beteiligung an einer oder zwei oder drei Fernsehschienen einzuräumen, auch darauf bedacht sein, daß nicht am Ende die Mehrheitsverhältnisse so liegen, daß eine einzige solche durch die Presse gesteuerte Gesellschaft über 80 % der Anteile verfügt und die restlichen 20 % bei anderen Verlagen liegen?

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0409717000
Herr Kollege Zoglmann, ich verstehe die berechtigte Sorge, die aus Ihrer Frage klingt; aber in der Praxis wird sie sich gar



Blumenfeld
nicht ergeben. Sie brauchen ja nur die genossenschaftliche Form anzuwenden. Es gibt eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten, um eine solche zweifelsohne unerwünschte Konzentration bei der Verwirklichung meines Vorschlages zu vermeiden. Wenn wir das aber feststellen, muß natürlich andererseits der ARD jede Werbetätigkeit im Fernsehen untersagt werden. Aber ich glaube, es würde auch den Anstalten der ARD nicht schlecht bekommen, wenn sie auf den ursprünglich gedachten Zweck, die Idee ihrer Aufgabe, zurückgeführt würden. Es war einmal so gedacht, daß man ihnen das feuergefährliche Spielzeug der unternehmerischen Betätigung in der Werbewirtschaft wieder aus den Händen nehmen wollte.
Ich bin mit meinen Kollegen der Auffassung, daß hier dem Bundestag und seinen Ausschüssen eine eminent wichtige politische Aufgabe obliegt, und ich hoffe — da die Angelegenheit sehr dringlich ist —, daß Parlament wie Bundesregierung bis Mitte nächsten Jahres eine Lösungsmöglichkeit vorschlagen, die sich dann vielleicht zu gesetzgeberischen Beschlüssen verdichten könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0409717100
Das Wort hat der Abgeordnete Sänger.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409717200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben aus dem Munde des Herrn Zoglmann sehr viele Zahlen gehört, die die Situation vom Standort des Fernsehen und Hörfunks aus beleuchteten. Wir haben aus dem Munde des Herrn Blumenfeld Zahlen gehört, die die Situation vom Standpunkt der Presse aus beleuchteten. Finden Sie nicht, daß es zweckmäßig wäre, den Vergleich dieser Zahlen nicht hier im Plenum vorzunehmen, diese Diskussion also nicht fortzusetzen?

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

Wir wären übrigens dazu durchaus in der Lage; denn die Zahlen waren uns samt und sonders nicht ganz unbekannt. Wahrscheinlich haben wir aus den gleichen Quellen geschöpft. Die Diskussion darüber sollte jedoch nun in den Ausschüssen erfolgen, nachdem Sachverständige geprüft haben, was an den Zahlen richtig und was falsch ist. Deshalb bitte ich darum, so zu verfahren.

(Beifall bei der SPD.)


Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0409717300
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Es geht um die Ausschußüberweisung. Ich glaube, es besteht Einmütigkeit darüber, daß sowohl der Wirtschaftsausschuß als auch der Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik befaßt werden.

(Zuruf.)

— Außerdem ein weiterer Ausschuß? —

(Lebhafte Zurufe: Nein!)

Dann ist nur noch die Frage, welcher Ausschuß federführend sein soll. Es ist beantragt, daß der Wirtschaftsausschuß federführend sein soll. Wird ein anderer Antrag gestellt? Sie (zur SPD) haben den Kulturausschuß vorgeschlagen.
Hierzu der Herr Abgeordnete Rasner.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409717400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde doch sehr dafür plädieren, daß wir bei der Absprache, die wir im Ältestenrat aus sehr guten Gründen getroffen haben, bleiben. Erstens ist die Untersuchung über die Wettbewerbsfähigkeit schon vom Thema her wirtschaftspolitischer Natur. Zum zweiten haben wir über die Frage des Verhältnisses Rundfunk-Bund Karlsruhe gehört. Der Rundfunk reicht hier hinein. Wir sollten dabei nach meiner Meinung sehr, sehr sorgfältig sein.
Im übrigen kommt der mitberatende Ausschuß zuerst dran. Der mitberatende Ausschuß, dessen Votum dem federführenden Ausschuß vorliegen muß, ist der Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik. Wir sollten wirklich dabei verbleiben.

(Zuruf von der SPD: Einverstanden!)


Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0409717500
Der Antrag wird also zurückgezogen? —

(Zustimmung bei der SPD.)

— Es besteht dann Einmütigkeit darüber, daß der Wirtschaftsausschuß federführend sein soll. Ich danke Ihnen, daß Sie dem Haus eine Auszählung der Stimmen zu dieser Tageszeit ersparen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Sander, Peters (Poppenbüll), Dr. Effertz, Logemann, .Walter, Ertl, Dr. Frey (Bonn), Struve und Genossen betr. Zuckerrübenpreis 1963/64 (Drucksachen IV/1416, IV/1534).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Marquardt, für seinen Schriftlichen Bericht und erteile das Wort dem Abgeordneten Rasner.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409717600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dieser Materie liegt der Ausschußantrag vor und ist ein Kabinettsbeschluß vorhanden. Beides sollte nach unserer Auffassung noch einmal im Ausschuß diskutiert werden. Ich beantrage deshalb, diese Vorlage an die Ausschüsse zurückzuüberweisen.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0409717700
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409717800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Freunde teile ich Ihnen mit, daß wir gegen die Rückverweisung stimmen wer-



Ertl
den. Wir sehen keine neuen Gesichtspunkte für eine Behandlung im Ausschuß. Daher würde ich mich den Ausführungen von Herrn Professor Schellenberg von vorhin anschließen und fast gewillt sein, ebenfalls namentliche Abstimmungen zu beantragen, weil, wie mir scheint, auch diese Sache nicht von geringfügiger Bedeutung ist. Aber auf Grund Ihrer Stimmung — —

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0409717900
Herr Abgeordneter, bei Anträgen zur Geschäftsordnung können Sie keine namentliche Abstimmung beantragen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409718000
Ich bedanke mich für die Aufklärung, Herr Präsident. Ich habe ja auch gesagt: ich würde es gern tun.

(Heiterkeit in der Mitte und links.)

Aber ich bin mir der Schwierigkeit der Situation bewußt. Ich will Sie auch nicht mehr lange belästigen.
Es tut uns furchtbar leid. Wir hätten gern diese Sache baldigst behandelt. Es erscheint uns unwahrscheinlich, daß zwei Ausschüsse die Sache sehr klar diskutiert und ausführlich behandelt haben und zu einem klaren Votum gekommen sind, und weil nun Spannungen mit der Regierung aufgekommen sind, sollte im Parlament diese Frage nicht einmal behandelt werden. Wir sind der Meinung, diese Frage hätte im Parlament entschieden werden sollen, um auch ein echtes Spannungsverhältnis zwischen Parlament und Regierung für die Zukunft aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei der FDP. — Oho-Rufe von der SPD.)


Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0409718100
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Besprechung.
Wer dem Antrag des Abgeordneten Rasner auf Rücküberweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; die Rücküberweisung ist beschlossen.
Wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich darf nur noch bemerken, daß der Verteidigungsausschuß um 14.00 Uhr zu seiner Sitzung zusammentritt.
Die nächste Sitzung des Plenums berufe ich auf Mittwoch, den 4. Dezember, 9.00 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0409718200