Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich die Glückwünsche des Hauses aus der Frau Abgeordneten Jeanette Wolff zum 70. Geburtstag am 22. Juni,
dem Herrn Abgeordneten Eichelbaum zum 65. Geburtstag am 23. Juni,
dem Herrn Abgeordneten Holla zum 70. Geburtstag am 24. Juni.
Und nun, meine Damen und Herren, möchte ich einige Worte des Glückwunsches an die Seniorin unseres Hauses, an die Frau Kollegin Marie-Elisabeth Lüders, richten.
Meine verehrte Frau Kollegin! Im Namen des Hauses spreche ich Ihnen die herzlichsten Glückwünsche des Deutschen Bundestages zu Ihrem heutigen 80. Geburtstag aus.
Sie gehören zu den ganz wenigen in unserem Volk. denen es vergönnt ist, in biblischem Alter und in voller Kraft das ernste und strenge Amt des Parlamentariers wahrzunehmen, das Ihnen das Vertrauen Ihrer Wähler schon vor vielen Jahren zum erstenmal übertragen hat.
Sie standen an der Wiege der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Sie waren Mitglied der Weimarer Nationalversammlung, und Sie gehörten den Reichstagen der Weimarer Republik an. In Ihrer politischen und parlamentarischen Arbeit haben sich Erfahrung und Gesinnung, bedachtsames Wissen und starkes Wollen zu einer Lebensleistung verbunden, die vielen Frauen — und nicht nur Frauen — in unserem Volk zum Vorbild und zu einem ermutigenden Beispiel geworden ist.
Unbeirrt — und auch das ist etwas Ungewöhnliches — gingen Sie Ihren Weg auch in den Jahren von 1933 bis 1945. Weder Berufsverbot noch Haft haben Sie gebeugt.
Als Stadtverordnete der schwergeprüften Reichshauptstadt nahmen Sie 1945 Ihre politisch-parlamentarische Tätigkeit wieder auf, und als Stadträtin für das Sozialwesen, das Ihnen allezeit am Herzen lag, haben Sie dieser Stadt in Ehren gedient. Als Abgeordnete Berlins zogen Sie 1953 in den Bundestag ein, und als Alterspräsidentin haben Sie die konstituierenden Sitzungen des Bundestages sowohl der zweiten wie der dritten Wahlperiode eröffnet und geleitet.
In vier Epochen der deutschen Geschichte haben Sie, eine tapfere Frau, gekämpft und gedient.
Wir wünschen Ihnen, Frau Kollegin, von Herzen, daß Ihnen weiterhin Gesundheit und Kraft für Ihre erfolgreiche politische und parlamentarische Arbeit beschieden sein möchten. Und ich wünsche Ihnen, daß Ihnen der Glanz eines freudig gelassenen Lebensabends beschert sei.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben soeben aus dem Munde unseres verehrten Herrn Präsidenten so freundliche und anerkennende Worte über mich gehört, daß ich — gewiß nicht mit Unrecht — annehme, daß der eine oder andere unter meinen Kollegen mich kaum in diesem Bilde wiedererkennen wird,
da mein Ruf nicht in alle Wege dem entspricht, was der Herr Präsident so freundlich geschildert hat. Aber schließlich, wie dem auch sei, Herr Präsident, nicht ich habe Anerkennung und Dank verdient. Ich hatte nur das große, unverdiente Glück, in eine Zeitspanne hineingeboren zu sein, in der es einfach unmöglich war, geruhsam und schweigend zuzusehen gegenüber dem millionenfachen Leid und den millionenfachen Lebensschwierigkeiten ven Menschen, die den besten Willen hatten, sich aber aus ihrer Lage nicht selbst befreien konnten. Ich war in eine Zeitspanne hineingeboren, in der man verpflichtet war, nicht nur denen zu helfen, die auf der Schattenseite des Lebens standen, ich fühlte mich verpflichtet, auch denen zu helfen, die Sie, meine lieben Kollegen, immer - ich weiß nicht, ob mit Recht — als die bessere Hälfte unter der Menschheit bezeichnen.
Ich fühlte mich nämlich verpflichtet, die Frauenaus einer Lage herauszuführen, in der sie bislangrechtlos und einflußlos abseits stehen mußten und,
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1860 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Frau Dr. Dr. h. c. Lüderswie ich meinte, dort standen zum Schaden des Volkes.Und ich hatte ein zweites unverdientes Glück, nämlich das, Epigone zu sein. Die schwersten Blökke haben andere vor mir auf dem Wege fortgeräumt, den eben der Herr Präsident geschildert hat. Sie waren furchtlos und unbeirrt in der Verfolgung ihres Weges, und sie waren es allen Widerständen zum Trotz. Wir damals Jüngeren — ich war ja auch mal jung —
hatten weiter nichts zu tun, als zu erkennen, was sie wollten und ihnen zu folgen. Das habe ich zu tun versucht und mehr nicht.Das, was ich zu tun versuchte, ist auch bis heute noch Stückwerk geblieben. Die Jüngeren bitte ich, das, was meine Vorgänger und wir zu tun versucht haben, fortzusetzen. Anstatt selber Dank zu verdienen, möchte ich Sie bitten, mir das Wort Ulrich von Huttens zugute zu halten: Mög ich auch nit gewinnen, man soll doch spüren Treu.
Frau Kollegin, das Haus dankt Ihnen.Wir fahren fort. Die Fraktion der Deutschen Parlei teilt mir unter dem 20. Juni 1958 mit, daß der Herr Abgeordnete Dr. Elbrächter aus der Fraktion der Deutschen Partei ausgetreten sei. Die Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, daß der Abgeordnete Dr. Elbrächter mit Wirkung vorn 24. Juni in die CDU/CSU-Fraktion aufgenommen wurde.
Meine Damen und Herren, eine andere Mitteilung. Der Vorsitzende ,des Finanzausschusses hat mir am 23. Juni mitgeteilt, daß bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf .dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts mindestens eine Ungenauigkeit bei der Redaktion zustande gekommen ist. Meine juristischen Berater sind der Meinung, daß man das nicht einfach durch eine Aufnahme in die Amtlichen Mitteilungen des Hauses richtigstellen könne, sondern daß man dazu das Einvernehmen des Hauses brauche. Ich trage Ihnen deshalb folgendes vor.In dieses Gesetz ist durch Annahme des Änderungsantrags auf Umdruck 75 ein Artikel 7 b — jetzt Artikel 10 — eingefügt worden, dessen Absatz 1 wie folgt zu ergänzen ist:
In § 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (Bundesgesetzbl. I S. 441), des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (Bundesgesetzbl. I S. 467) und des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" vom 4. Juli 1955 (Bundesgesetzbl. I S. 384) werden
a) in Absatz 2 hinter den Worten „um 20 vom Hundert" die Worte „und um 3,2 vom Hundert der in ,dem Einkommen enthaltenen Einkünfte aus Berlin im Sinn des § 2" undb) in Absatz 3 Satz 1 hinter den Worten „um 20 vom Hundert" die Worte „ , die veranlagte Körperschaftsteuer außerdem um 3,2 vom Hundert dieser in dem Einkommen enthaltenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus Berlin im Sinn des § 2 Nr. 2"eingefügt.Ich bin der Meinung, ,daß es sich um eine redaktionelle Anpassung handelt und nicht um eine materielle Abweichung von ,den Beschlüssen Ides Bundestages in zweiter Beratung. Aber ich möchte doch, daß das dem Hause ausdrücklich zur Kenntnis gebracht wird. Erhebt sich Widerspruch gegen diese, wie ich meine, redaktionelle Änderung? Auch der Vorsitzende ,des Finanzausschusses ist .der Meinung, daß es sich um eine redaktionelle Klarstellung handelt. Ist ,das Haus damit einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Tagesordnung. Wir verfahren so, daß die Abstimmungen von 10 bis 13 und von 14 bis 16 Uhr stattfinden. Eine Mittagspause ist in dieser Woche nicht vorgesehen; denn wir wollen heute um 18 Uhr schließen, morgen um 19 Uhr und am Freitag bis spätestens 17 Uhr tagen, in der Hoffnung, daß wir am Freitag früher fertig sind.Ich rufe auf Punkt I der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Antrag der Bundesregierung auf verfassungsrechtliche Prüfung des bremischen Gesetzes betreffend die Volksbefragung über Atomwaffen vom 20. 5. 1958 (Drucksache 474).Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht. — Das ist nicht ,der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird ,das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag ,des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag des Ausschusses angenommen.Punkt II der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der am 23. März 19:8 gefaßten Beschlüsse des Deutschen Bundestages über die Beschränkung der Redezeit— Klage der Bundestagsabgeordneten Dr. Adolf Arndt und Dr. Ewald Bucher gegen den Bundestag— Klage der Bundestagsabgeordneten Holger Börner und Dr. Dr. Gustav Heinemann sowie weiterer Mitglieder des Bundestages gegen den Bundestag .Wünscht der Herr Berichterstatter, Abgeordneter Dr. Weber , das Wort? Das ist nicht der Fall.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1861
Präsident D. Dr. GerstenmaierIch eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.Wir kommen zu Punkt III der Tagesordnung:Wahl eines Mitgliedes des Verwaltungsrates der Lastenausgleichsbank
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag Drucksache 477 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Nun kommen wir zu Punkt IV und damit zum Haushalt, zunächst zum Nachtragshaushaltsgesetz 1957. Ich rufe auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1957 (Drucksache 299)Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Herr Berichterstatter Dr. Conring hat das Wort.D;. Conring , Berichterstatter: HerrPräsident! Meine Damen und Herren! Wenn von vornherein festgestanden hätte, daß der Nachtragshaushaltsplan 1957 in zweiter und dritter Lesung zugleich mit dem Haushaltsplan 1958 heute hier behandelt werden würde, dann wäre der Nachtragshaushaltsplan wahrscheinlich gar nicht vorgelegt worden. Aber das konnte man bei der Einbringung noch nicht übersehen. Wir müssen uns deshalb heute mit dem Nachtragshaushalt beschäftigen, weil seine Zahlen in den Haushalt 1958 übergegangen sind.In dem Nachtragshaushaltsplan werden die haushaltsrechtlichen Konsequenzen aus der Regierungsumbildung gezogen. In ihm sind neun Einzelhaushalte behandelt.Im Haushalt des Bundespräsidenten wird die Stelle eines Ministerialdirektors neu begehrt. Sie ist für den Geschäftsführer des Wissenschaftsrats gedacht. Die Stelle wird im Haushalt des Herrn Bundespräsidenten ausgebracht. Der in Aussicht genommene Stelleninhaber wird beurlaubt; er geht zum Wissenschaftsrat, seine Besoldung wird je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern getragen. Gegen diese Stelle hat der Haushaltsausschuß keine Bedenken gehabt; er hat ihr zugestimmt.Im Einzelplan 04 — Bundespresse- und Informationsamt — ist eine neue Staatssekretärsteile vorgesehen; sie war bisher eine Ministerialdirektorstelle. Mit Rücksicht auf die Position des Pressechefs glaubte der Haushaltsausschuß auch dieser Stellenveränderung seine Zustimmung geben zu sollen.Im Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt — sindzwei Stellen für Unterstaatssekretäre, eine Stelle für einen Ministerialdirektor und eine Stelle für einen Ministerialdirigenten vorgesehen. Die Erscheinung von Unterstaatssekretärstellen im Haushaltsplan 05 hat ja in der Öffentlichkeit schon zu einer Diskussion geführt. Ich darf mir erlauben, einige wenige Bemerkungen zu diesen Positionen zu machen.Nach der Besoldungsordnung, die wir im vorigen Jahr hier verabschiedet haben, ist es möglich, Unterstaatssekretärstellen zu schaffen. Damals dachte man an Stellen im Verteidigungsministerium, die in Korrespondenz zu den militärischen Stellen stehen sollten. Man glaubte, man müsse eine Stellenkategorie haben, die zwar unter dem Staatssekretär, aber oberhalb des Ministerialdirektors rangiert. Mat hat leider übersehen, das in der neuen Besoldungsordnung auch zum Ausdruck zu bringen. In ihr sind nun aber generell Unterstaatssekretärstellen vorgesehen, ohne daß diese auf das Verteidigungsministerium beschränkt sind. Merkwürdigerweise hat aber in diesem Nachtragshaushalt 1957 und in dem Haushaltsplan 1958 gerade das Verteidigungsministerium keine Unterstaatssek retärstellen angefordert. Wohl aber finden sich zwei Unterstaatssekretärstellen im Entwurf des Haushaltsplans für das Auswärtige Amt und eine Unterstaatssekretärstelle in dem Haushaltsplanentwurf für das Bundeskanzleramt.Der haushaltsausschuß hat sich sehr sorgfältig überlegt, ob es gut ist, Unterstaatssekretärstellen in den Haushaltsplan einzufügen. Er erinnerte sich daran, daß in der Vorweltkriegszeit in der alten preußischen Verwaltung und in der alten Reichsverwaltung zwar Unterstaatssekretärstellen vorhanden gewesen sind, aber in einem ganz anderen Zusammenhang. In der preußischen Verwaltung war es so, daß der Minister an der Spitze stand und ihm unmittelbar ein Unterstaatssekretär — kein Staatssekretär — unterstand. In der alten Reichsverwaltung wurden die — an Stelle von Reichsministerien vorhandenen — Reichsämter von Staatssekretären geleitet, denen Unterstaatssekretäre nachgeordnet waren. Aber weder in der Vorweltkriegszeit noch in der Nachweltkriegszeit finden Sie in der preußischen oder in der Reichsverwaltung eine Dreistaffelung: Minister, Staatssekretär, Unterstaatssekretär. Das hat es zu keinem Zeitpunkt, weder in Preußen noch im Deutschen Reich, gegeben. Wir standen im Haushaltsausschuß vor der Frage, ob wir eine solche Ordnung neu und damit erstmalig einführen sollten. Wir waren uns darüber klar, geschieht das beim Auswärtigen Amt und beim Bundeskanzleramt, dann ist die Zeit absehbar, in der wir in allen Bundeszentralhehörden und wahrscheinlich auch in Landeszentralbehörden die Stellen der Unterstaatssekretäre haben werden. Das bedeutet eine finanzielle Mehrbelastung, bedeutet aber auch, was wichtiger ist, eine Erschwerung der straffen Führung eines Ministeriums. Das waren die Gründe, die den Haushaltsausschuß bewogen haben, zu sagen: Wir wollen lieber mit den Stellen der Unterstaatssekretäre in den Zentralbehörden des Bundes und damit vielleicht auch der
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1862 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Dr. ConringLänder gar nicht erst beginnen, sondern wir wollen diese Stellen als Ministerialdirektoren-Stellen ausbringen, wenn es nötig ist, mit einer Zulage, aber nur dort, wo die Ministerialdirektoren die ständigen Vertreter des Staatssekretärs sein müssen und eigene Abteilungen nicht mehr haben.So ist es beim Auswärtigen Amt geschehen. Niemand im Haushaltsausschuß verschloß sich der Tatsache, daß die Spitze des Auswärtigen Amtes überlastet ist. Das ist in den Haushaltsberatungen der Vorjahre hier schon wiederholt hervorgehoben worden. Es hätte vielleicht nahegelegen, daß das Auswärtige Amt von sich aus einen zweiten Staatssekretär angefordert hätte, wie das schon in den zwei anderen Bundeszentralbehörden Rechtens ist. Wir haben zwei Staatssekretäre im Bundesministerium des Innern und werden nach diesem Nachtragshaushalt zwei Staatssekretäre im Wirtschaftsministerium haben. Das Auswärtige Amt hielt es aber für besser, wenn es nicht einen zweiten Staatssekretär, sondern zwei Unterstaatssekretäre oder, wie der Haushaltsausschuß sagt, zwei Ministerialdirektoren mit Zulage erhielte. Demgemäß hat der Haushaltsausschuß Ihnen vorgeschlagen, Unterstaatssekretärsstellen nicht einzuführen, sondern es bei den Ministerialdirektorenstellen zu belassen.Dann ist im Auswärtigen Amt eine neue Ministerialdirektorstelle für den Leiter der Ost-Abteilung vorgesehen. Der Haushaltsausschuß hat dem zugestimmt. Weiter ist eine neue Stelle eines Ministerialdirigenten beim Einzelplan 05 vorgesehen. Der Haushaltsausschuß hat diese abgelehnt.Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ein kurzes Wort über die Ministerialdirigenten sagen, weil sich diese Stellen wiederholt auch im Haushaltsplan 1958 mit einem kw.-Vermerk finden werden. Es hat in der preußischen und in der Reichsverwaltung immer „Unterabteilungen" von Abteilungen gegeben, die von Ministerialdirektoren geführt waren. Das hängt von der Größe der Abteilung ab, die ein Ministerialdirektor führt, ob sie noch übersehbar und straff geführt werden kann oder ob es einer Unterabteilung bedarf. Der Haushaltsausschuß wendet sich nicht grundsätzlich gegen Ministerialdirigenten, er möchte nur einen Mißbrauch beseitigen, der sich in der Nachkriegszeit eingeschlichen hat. Bei der bisherigen Besoldungsordnung schien es nämlich den Zentralbehörden vielfach zweckmäßig, um Kräfte für die Zentralbehörden zu gewinnen, im Lande Umschau zu halten und den Bewerbern die Stelle eines Ministerialdirigenten anzubieten, die mehr Ansehen und mehr Gehalt versprach. Dann wurden hier und dort ad hoc Unterabteilungen in den Zentralbehörden geschaffen. Wir haben jetzt in den Bundeszentralbehörden eine ganze Reihe von Unterabteilungen, die eigentlich gar nicht recht diesen Namen verdienen. Wir haben in den Bundeszentralbehörden eine Reihe von „Ober-Ministerialräten", wenn ich so sagen darf, die den Titel Ministerialdirigent führen. Wir glaubten im Haushaltsausschuß, daß, nachdem eine neue Besoldungsordnung im Vorjahr von uns beschlossen worden ist, dieser Abusus der Nachkriegszeit auf das richtige Maß zurückgeführt werden muß. Wir haben deshalb geglaubt, auch imAuswärtigen Amt eine Ministerialdirigentenstellefür einen Unterabteilungsleiter ablehnen zu sollen.Ich komme zum Haushalt für Wirtschaft. Bei den Aufgaben, die dem Wirtschaftsministerium nach der Regierungsumbildung übertragen worden sind, wünscht das Wirtschaftsministerium und mit ihm die Bundesregierung einen weiteren Staatssekretär. Der Haushaltsausschuß hat dagegen keine Bedenken erhoben.Dasselbe finden wir im Familienministerium, dem ja der Bundesjugendplan hinzugewachsen ist: dort ist eine Staatssekretärstelle vorgesehen. Der Haushaltsausschuß hat mit Mehrheit beschlossen, dieser Staatssekretärstelle seine Zustimmung zu geben.Dann bleibt noch das Bundesratsministerium wenn ich es kurz so nennen darf es heißt ja nunmehr: „Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder". In diesem Ministerium war im Jahre 1954 eine Staatssekretärstelle mit einem k. w.-Vermerk eingerichtet. Der derzeitige Stelleninhaber hat ein Bundestagsmandat angenommen und ist, wie üblich, aus seiner Stelle beurlaubt worden. Es war das Verlangen der Bundesregierung, daß der Haushaltsausschuß nunmehr den k. w.-Vermerk streicht. Der Haushaltsausschuß hat sich nicht bereit gefunden, das zu tun, weil er glaubte, daß sich der Zustand, der vor 1954 in diesem Hause bestanden hat, durchaus bewährt hat, daß die Hauptlast dieses Amtes immer auf der Persönlichkeit des Herrn Ministers beruht und daß seine Mitarbeiter und besonders sein engster Mitarbeiter im Range eines Ministerialdirektors ihn durchaus so unterstützen können, wie er das im Interesse der Sache erwarten muß. Wir glaubten im Haushaltsausschuß nicht, daß der k. w.-Vermerk beseitigt werden müsse, um einen neuen Staatssekretär in dieses Amt einziehen zu lassen. Wir schlagen vor, auch in diesem Amt statt dessen eine Ministerialdirektorenstelle einzurichten.Dann ist noch das Wohnungsbauministerium mit dem Wunsch hervorgetreten, eine Dirigentenstelle für eine neue Abteilung zu erhalten. Der Haushaltsausschuß hat dem Wunsch zugestimmt, aber für den Haushaltsplan 1958, was ja, da wir die Lesungen miteinander verbinden, keine Änderung in der Planung der Bundesregierung bedeutet.Ferner sind im Nachtragshaushalt noch zwei Einzelpläne enthalten, die hier mit Personalangelegenheiten nichts zu tun haben. Der eine betrifft die Übertragung der 1 198 600 000 DM aus dem Verteidigungshaushalt, Einzelplan 14, in den Haushalt für Verteidigungshilfe, Einzelplan 35. Diese Übertragung steht im Zusammenhang mit der Übernahme der Stationierungslasten, die ja in diesem Hohen Hause schon behandelt worden sind. Der dafür benötigte Betrag muß aus dem Einzelplan 14 in den Einzelplan 35 überführt werden, weil er dort hingehört und mit dem Aufenthalt der ausländischen Streitkräfte auf deutschem Boden zusammenhängt. Die Mehrheit des Haushaltsausschusses hat dieser Umdisposition zugestimmt.Schließlich ist im Nachtragshaushalt noch eine Reihe von Stellen enthalten, die dem Bundeskartell-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1863
Dr. Conringamt, der neugeschaffenen Einrichtung in Berlin, zufallen sollen. Der Haushaltsausschuß ist in dieser Beziehung noch über die Regierungsvorlage einausgegangen. Die Regierungsvorlage hatte 38 Beamtenstellen angefordert, der Haushaltsausschuß hat 50 für richtig gehalten; die Bundesregierung hat 37 Angestelltenstellen angefordert, der Haushaltsausschuß ist auf 40 gegangen. Sie werden im Haushaltsplan 1958 eine weitere Steigerung linden: die Zahl der Beamten wird auf 79 und die der Angestellten auf 86 erhöht werden, so daß dann im Bundeskartellamt Berlin mit den Arbeitskräften zusammen 178 Stellen eingerichtet sein werden.Wenn ich zu diesem letzten Punkt eine Empfehlung aussprechen darf, so wäre es diese, daß wir die Fragen des Bundeskartellamtes gemeinsam bei Einzelplan 09 erörtern; denn wir werden sie sonst doppelt erörtern: einmal beim jetzigen Nachtragshaushalt 1957 und alsdann noch einmal beim Haushaltsplan 1958, beim Einzelplan 09, dem Bundeswirtschaftsministerium.Meine Damen und Herren, der Haushaltsausschuß empfiehlt Ihnen, den Nachtragshaushalt mit den Änderungen anzunehmen, die sich aus der Drucksache 407, die wir Ihnen vorgelegt haben, ergeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.Meine Damen und Herren, wir treten in die zweite Beratung ein.Ich rufe an Hand der Drucksache 407 Ziffer 1 zunächst den Einzelplan 01 auf; das bezieht sich auf Drucksache 299, Seite 9. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 01 in zweiter Beratung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! — Enthaltungen? Der Einzelplan 01 ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf den Einzelplan 14. Das ist auf Drucksache 299 Seite 31. Wird dazu das Wort gewünscht?Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 14 im Nachtragshaushalt zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 14 ist angenommen.Einzelplan 29 auf Seite 41 der Drucksache 299! Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Einzelplan 29 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 29 — Nachtragshaushalt - ist ebenfalls angenommen.Einzelplan 35 auf Seite 43 der Drucksache 299! Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 35 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 35 ist angenommen.Damit, meine Damen und Herren, wäre die Ziffer 1 des Antrags des Ausschusses auf Drucksache407 erledigt. Wir kommen zu Ziffer 2. Hier muß über die Pläne 04, 05 und 09 abgestimmt werden.Ich rufe zunächst den Einzelplan 04 - Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — auf Seite 11 der Drucksache 299 auf. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Einzelplan 04 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 04 ist angenommen.Einzelplan 05 in der Ausschußfassung Seite 13! Wird dazu das Wort gewünscht? Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Einzelplan 05 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. -- Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.Einzelplan 09 auf Seite 15 der Drucksache 299! Wer hier der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! —Enthaltungen? — Sie ist einstimmig angenommen.Damit ist die Ziffer 2 der Drucksache 407 erledigt. Ich komme zu der Ziffer 3. Es handelt sich hier um die Einzelpläne 25 und 28. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Ausschußantrag zu Einzelplan 25 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! — Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.Einzelplan 28! Wer den Ausschußantrag zu Einzelplan 28 annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Ausschußantrag ist einstimmig angenommen.
Die Entwürfe der Nachträge zu den Einzelplänen 25 und 28 sind gemäß dem Antrag des Ausschusses — Ziffer 3 der Drucksache 407 — abgelehnt. Ich hoffe, daß nicht nur die Haushaltsexperten den Sinn dieser Abstimmung verstanden haben. Die Annahme des Ausschußantrags bedeutet Ablehnung.
Darin ist also das ganze Hans einig.Ziffer 4 des Ausschußantrags! Grundlage ist auch hier die Drucksache 299. Ich glaube, ich kann die §§ 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift zusammen aufrufen. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1957 in zweiter Beratung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe ! — Enthaltungen? - Bei einer Anzahl von Gegenstimmen angenommen.Damit ist die zweite Beratung erledigt. Wir kommen zurdritten Beratung.Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines
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1864 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Präsident D. Dr. GerstenmaierNachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1957 — Drucksachen 299, 407 — zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Gesetzentwurf ist angenommen.Damit ist der Nachtragshaushalt erledigt. Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung:Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Drucksache 300).Berichte des Haushaltsausschusses Ich rufe zunächst auf:Einzelplan 12 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr .Als Berichterstatter hat das Wort Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen des Haushaltsausschusses habe ich Ihnen den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 463 zur Annahme zu empfehlen:Der Bundestag wolle beschließen,1. den Entwurf des Einzelplans 12 mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen . . . anzunehmen;2. den Antrag der Fraktion der SPD betr. Erhöhung der Tarife im Berufsverkehr und der Sozialtarife — Drucksache 141 — abzulehnen.Der Beschluß des Haushaltsausschusses zu dem Antrag Drucksache 141 ist ein Mehrheitsbeschluß. Die Drucksache dürfte Ihnen vorliegen. Es wird darin verlangt, zur teilweisen Abgeltung -der gemeinwirtschaftlichen Aufwendungen der Deutschen Bundesbahn im Einzelplan 12 für das Rechnungsjahr 1958 einen Betrag in Höhe von 136 Millionen DM einzustellen.Infolge der wirklich unvorstellbaren Zeitnot, in die die Mitglieder des Haushaltsausschusses, aber auch die Regierung durch die um 4 Monate verspätete Vorlegung des Haushaltsplans seitens der Regierung geraten sind, ist es diesmal nicht möglich gewesen, rechtzeitig die Abschlußziffern zu erhalten und rechtzeitig einen Mündlichen Bericht zum Druck zu geben. Eine Etatberatung wäre aber ohne einen einführenden Bericht eine Sinnlosigkeit. Um deswillen sind viele Mitglieder des Haushaltsausschusses gezwungen, in dieser Etatberatung das, was sie sonst schriftlich zum Druck gegeben hätten, in gedrängtester Kürze mündlich vorzutragen.Der Einzelplan 12 des Bundeshaushalts für das Rechnungsjahr 1958 umfaßt im Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr den ordentlichen Haushalt und den außerordentlichen Haushalt ohne die Deutsche Bundesbahn und ohne die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr. Das Bundesministerium für Verkehr gliedert sich in neun Ministerialabteilungen. Gegenüber der Bildung von Unterabteilungen nimmt der Haushaltsausschuß des Bundestages — das konnten Sie vorhin aus den Darlegungen desHerrn Berichterstatters zum Nachtragshaushalt ebenfalls entnehmen — eher eine ablehnende Stellung ein. An nachgeordneten Behörden gehören zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr 9 Oberbehörden, 13 Mittelbehörden und 75 Unterbehörden.Die Bundesstraßen des Fernverkehrs werden im Auftrag des Bundesministers für Verkehr durch die Länder oder die nach Länderrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften verwaltet. Diese Regelung stützt sich auf Art. 90 GG.Die Etatberatungen des Haushaltsausschusses brachten im Endergebnis des Einzelplans 12 folgende Änderungen der Einnahmen und der Ausgaben. Fortdauernde Einnahmen — ich lese zuerst immer die Zahl für 1958 — 176 117 900 DM, im Vorjahr 128 964 500 DM. Einmalige Einnahmen in diesem Jahre 611 000 DM, 1957 1 227 200 DM. Mithin Gesamteinnahmen in diesem Jahre 176 728 900 DM gegenüber 1957 130 191 700 DM.Die Personalausgaben im Einzelplan 12 weisen in diesem Jahr 109 931 700 DM gegenüber 1957 93 434 300 DM auf.Die Sachausgaben zeigen eine Entwicklung auf 15 480 500 DM gegenüber 15 152 100 DM im Jahre 1957.Die Allgemeinen Ausgaben umfassen in diesem Jahre 1 117 466 500 DM gegenüber 1 238 530 100 DM.Die Einmaligen Ausgaben betragen in diesem Jahre 772 501 600 DM gegenüber 690 323 100 DM im Vorjahr.Mithin betragen die ordentlichen Ausgaben in diesem Jahre 2 015 380 300 DM, im Vorjahr 2 037 439 600 DM.Dazu kommen die außerordentlichen Ausgaben mit 492 400 000 DM in diesem Jahr gegenüber 415 985 000 DM im Etat des Vorjahres.Mithin umfaßt der Verkehrshaushalt in diesem Jahre, in dem erstmals die 2 1/2-Milliarden-Grenze überschritten wird, 2 507 780 300 DM gegenüber 2 453 424 600 DM im Vorjahr, ein Mehr also gegenüber 1957 von nur 54 355 700 DM.In der letzten Beratung des Haushaltsausschusses, die den Abschluß brachte, ergab sich die Notwendigkeit einer Verschiebung von Ausgaben des ordentlichen Haushalts in den außerordentlichen Haushalt und eine sechsprozentige Kürzung, wobei jedoch im Haushaltsausschuß der Wunsch zum Ausdruck kam, die Straßenausgaben nicht dieser sechsprozentigen Kürzung der entsprechenden Titel zu unterwerfen.Der Einzelplan 12 unterlag wie alle anderen Einzelpläne in seinen Personaltiteln und in den sachlichen Titeln dem generellen Beschluß des Haushaltsausschusses, der dahin ging, die Personaltitel möglichst auf dem Stand des Haushaltsplanes 1957 zu halten. Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, um Ihnen den grundsätzlichen Standpunkt bei dieser ersten Beratung eines großen Haushalts mitzuteilen. Er geht dahin: Stellenvermehrungen und Stellenhebungen wurden nur dann ohne weitere Debatte zugelassen, wenn sie durch
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1865
RitzelRechtsvorschriften oder gerichtliche Urteile begründet waren. Stellenvermehrungen und Stellenhebungen unterblieben auch dann, wenn ein Stelleninhaber im Haushaltsjahr 1958 ein Lebensalter erreicht, das die spätere Berufung in das Beamtenverhältnis oder eine Beförderung ausschließen würde. Der Ausschuß kam zu dieser Entscheidung, nachdem das Bundesfinanzministerium erklärt hatte, es werde in Fällen einer durch diese Maßnahme des Haushaltsausschusses ausgelösten späteren Anstellung oder Beförderung im Rahmen seiner Zuständigkeit entsprechende Ausnahmen zulassen.Auch den Sachausgaben wurden generell die Ansätze des Haushaltsplans 1957 zugrunde gelegt und nur dann die Ansätze des Haushaltsplans 1958, wenn diese unter den Ansätzen von 1957 lagen.Diese grundsätzliche Regelung konnte nicht ausschließen, daß im Einzelfall das Überrollungsprinzip aus besonders begründetem Anlaß verlassen werden mußte. Im großen und ganzen aber wurde dieses Prinzip gewahrt. Das Ziel dieser Bemühungen des Haushaltsausschusses war die Vermeidung wesentlich neuer Personalausgaben und die Niedrighaltung der Sachausgaben. Das Ergebnis dieser Bemühungen ersehen Sie aus den verminderten Abschlußzahlen.Unter den allgemeinen Bewilligungen im Kap. 12 02 ist eine erhebliche Steigerung der Einnahmen aus Tilgungsbeträgen anläßlich der Gewährung von Bundesdarlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen festzustellen. Diese Einnahmesteigerung hängt mit der vom Haushaltsausschuß nach wiederholten Beratungen gebilligten Bundeshilfe in Form eines Darlehens zum Erwerb und Ausbau eines Fahrgastschiffes — „Bremen", früher „Pasteur" - zusammen. Diese Finanzhilfe des Bundes aus Haushaltsmitteln wurde beschlossen, nachdem sich der Norddeutsche Lloyd bereit erklärt hat, von seinen künftigen Verpflichtungen aus Wiederaufbaudarlehen je 4 Millionen DM in den Rechnungsjahren 1958 und 1959 vorzeitig zurückzuzahlen. Die von der Bundesregierung nachgesuchte Bewilligung einer Bundeshilfe zugunsten des Umbaus der früheren „Pasteur" in ein Passagierschiff „Bremen" gab zu wiederholten kritischen Äußerungen im Haushaltsausschuß Veranlassung.Der Tit. 714 — Bau- und Finanzierungskosten einer Staustufe bei Geesthacht/Elbe —, der einen dritten Teilbetrag von 600 000 DM vorsieht, gab anläßlich der von der Sowjetzonenregierung angeordneten Erhebung einer Schiffsgebühr zu besonderen Auseinandersetzungen im Haushaltsausschuß Veranlassung.Der Haushaltsplan 1958 enthält erhebliche Bewilligungen für die Deutsche Bundesbahn. Die Entwicklung der Bundesbahn brachte im Jahre 1957 weitere Verschlechterungen. Es ergab sich ein Verlust von über 700 Millionen DM gegenüber einem Verlust von 515 400 000 DM im .Jahre 1956. Die Hoffnung auf eine befriedigende Wirkung der ab 1. Februar 1958 erhöhten Bundesbahntarife traf bis jetzt nur beim Personenverkehr, nicht aber beim Güterverkehr zu.Die Regierung berichtete, daß der Wirtschaftsplan 1958, der im November 1957 aufgestellt worden war, unter Berücksichtigung einer Mehreinnahme aus der Tariferhöhung von 750 Millionen DM entsprechend dem Antrag der Bundesbahn und unter Berücksichtigung einer weiteren Verkehrssteigerung mit Einnahmen von 7 350 Millionen DM rechnete. Die Ausgaben der laufenden Rechnung wurden nach Abzug der auf Beschluß der Bundesregierung vom 30. Januar 1957 aus dem Bundeshaushalt zu erstattenden betriebsfremden Lasten in Höhe von 305 Millionen DM mit 7 670 Millionen DM veranschlagt.Zur teilweisen Deckung des danach verbleibenden Fehlbetrages von 320 Millionen DM sowie für Investitionen zur Beseitigung von Kriegsfolgen, die im Investitionsplan der Deutschen Bundesbahn mit jährlich 780 Millionen DM beziffert wurden, schlägt der Haushaltsausschuß in Kap. 12 02 Tit. 510 wiederum die Bewilligung eines Darlehens von 145 Millionen DM zur Finanzierung von Anlagen und zur Beschaffung von rollendem Material der Deutschen Bundesbahn nach Maßgabe des Abschnitts V des Verkehrsfinanzgesetzes vom 6. 4. 1958 vor.Für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen sind zum gleichen Zweck unter Kap. 12 02 Tit. 533 wiederum 10 Millionen DM als Darlehen veranschlagt.Als echter Zuschuß sollen nach Tit. 531 der Deutschen Bundesbahn 125 Millionen DM in Form einer Liquiditätshilfe bewilligt werden. Die Mittel werden nur beim Nachweis des Bedürfnisses und des Verwendungszweckes freigegeben.Im außerordentlichen Haushalt ist ein Darlehen an die Deutsche Bundesbahn für Investitionen gemäß § 4 Abs. 2 des Bundesbahngesetzes unter Tit. 536 in Höhe von 250 Millionen DM vorgesehen; bisher wurden seit 1952 für den gleichen Zweck 600 Millionen DM bewilligt.Der schon erwähnte Ausgleich von betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn erscheint in Kap. 12 02 Tit. 630 mit 305 Millionen DM. Weitere 34 Millionen DM enthält der Einzelplan 12 bei Kap. 12 02 Tit. 532 als Ausgleich an die Deutsche Bundesbahn zur Deckung von Verpflichtungen gegenüber der Deutschen Bundesbahn im Zusammenhang mit der ihr obliegenden Verzinsung von Ausgleichsforderungen, so daß der Haushaltsplan 1958 im ganzen zugunsten der Bundesbahn eine Gesamtleistung von 859 Millionen DM gegenüber 1300 Millionen DM im Vorjahr enthält.In diesem Zusammenhang ist zu unterstreichen, daß die Beförderungsteuer im Bundesbahnverkehr, die in den vergangenen Jahren der Bundesbahn belassen wurde, im Jahre 1958 als Deckungsmittel des Bundeshaushalts in Einnahme erwartet wird und somit der Bundesbahn nicht mehr zur Verfügung steht.Steigende Aufmerksamkeit erfordern die Bundesaufwendungen zugunsten der Luftfahrt und zugunsten der Flughafengesellschaften. Für die Deutsche Lufthansa werden erneut als Betriebszuschuß und für Investitionen erhebliche Mittel bereitgestellt, insgesamt 40 Millionen DM. Die Verkehrsflieger-
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Ritzelschule in Bremen soll nach Kap. 12 02 Tit. 632 einen Zuschuß von 3 467 000 DM erhalten, und zugunsten der Flughafengesellschaften, an denen der Bund beteiligt ist, werden bei Kap. 12 02 Tit. 570 2 125 000 DM als Darlehen, 2 608 600 als Investitionszuschüsse und 560 700 DM als Betriebszuschüsse, insgesamt also 5 294 300 DM und damit rund 1 647 300 DM mehr bewilligt. Die Ansätze zeigen eine Steigerung der Investitionszuschüsse und eine Abnahme der Betriebszuschüsse. Der Haushaltsausschuß nahm von der durch die Regierung begründeten Notwendigkeit zum Ausbau eines zweiten Verkehrsflughafens und von den besonderen Schwierigkeiten zur Aufnahme des Düsenluftverkehrs im Rahmen dieser Bewilligungen Kenntnis.Die bisher notleidende Luftfahrtforschung soll im Haushaltsjahr 1958 auf eine neue Grundlage gestellt werden. Auf die Ansätze im Kap. 12 02 Tit. 617 und 303 darf verwiesen werden. Im Bereich der Flugsicherung ist im Haushaltsplan der Bundesanstalt für Flugsicherung eine Ausgabensteigerung vom Haushaltsausschuß als unvermeidlich anerkannt werden. Einzelheiten bitte ich aus dem Kap. 12 15 zu ersehen.Auch im Bereich des Wasserbaues - Kap. 12 03 und A 12 03 - erschien dem Ausschuß eine Steigerung der Ausgaben unvermeidlich, wobei jedoch ausdrücklich auf Rückerstattungen aus dem Verteidigungshaushalt hingewiesen sei. Die Stellenanforderungen beruhen in der Hauptsache auf gesetzlichen Bestimmungen Übernahme der Beamten des Saarlandes, Personal für die Moselkanalisierung — und auf dem zusätzlichen Personalbedarf für die Marinebauaufgaben im Küstengebiet zu Lasten des Bundesverteidigungsministeriums. Sie beziehen sich ferner auf die Notwendigkeit der Inbetriebnahme neuer Schleusen, neu indienstgestellter Schiffe und Fähren und die mit den vorgesehenen Kanalstrecken verbundenen Ausgaben. Im einzelnen darf auf die den Ansätzen beigegebene Begründung verwiesen werden.Das überaus wichtige Kapitel Straßenbau veranlaßt zu folgenden Feststellungen.Im Kap. 12 10 des ordentlichen Haushalts und im Kap. A 1210 finden Sie die Ausgaben für den Straßenbau. Eine Zusammenstellung zeigt folgende Ergebnisse der Haushaltsberatung im Haushaltsausschuß:Ordentlicher Haushalt 850 Millionen DMzuzüglich des noch für das Rechnungsjahr 1957 erwarteten Steuermehraufkommens aus dem Verkehrsfinanzgesetz 1957 25 Millionen DMAußerordentlicher Haushalt 225 Millionen DMvom Bund bereitzustellendeMittel 1100 Millionen DMÖffakredite für den Autobahnbau 150 Millionen DMverfügbar werdende Geldmittel 1250 Millionen DMBindungsermächtigungen 250 Millionen DMzusammen: 1500 Millionen DMDie Mittel des ordentlichen Haushalts sind entsprechend der Anregung des Bundestages zum Haushalt 1956 bereits um die Jahreswende vorwegbewilligt und inzwischen gemäß Art. 111 GG in voller Höhe freigegeben worden. Im außerordentlichen Haushalt sind zunächst 175 Millionen DM bereitgestellt worden, die restlichen 50 Millionen DM demnach noch nicht verfügbar.Bei einem Vergleich der Straßenbauhaushaltsmittel für 1957 und 1958 ergibt sich zwar nur eine Zunahme der reinen Ansätze um 45 Millionen DM, doch ist zu beachten, daß der außerordentliche Haushalt im vorigen Jahr in Höhe von 185 Millionen DM nicht bedient wurde. Beide Zahlen zusammen ergeben eine beträchtliche Steigerung um 230 Millionen DM. Ferner muß bei dem Vergleich berücksichtigt werden, daß 1958 zum ersten Male die Bindungsermächtigungen hinzukommen, die eine Aufnahme der Baumaßnahmen auf breiterer Grundlage ermöglichen und ihren kontinuierlichen Fortgang sichern.Zum besseren Verständnis und zur Begründung dieser Zahlen muß auf die Zunahme des Verkehrs und auf die Unfallziffern hingewiesen werden. Ich bin sicher, daß es das Hohe Haus interessieren wird, einmal einige Zahlen in bezug auf die Verkehrszunahme und in bezug auf die Entwicklung der Unfallziffern zu hören.Der Kraftfahrzeugbestand hat sich vom Stande vom 1. Juli 1949 von 1,4 Millionen erhöht auf 6,2 Millionen am 1. Januar 1958. In den einzelnen Jahren hat der Bestand zugenommen um 536 000, 535 000, 790 000, 779 000, 646 000, 485 000, 489 000 und im letzten Jahr um 464 000. In acht Jahren hat sich mithin der Kraftfahrzeugbestand um 4 724 000 Fahrzeuge, im Durchschnitt also jährlich um 590 000 Fahrzeuge erhöht. Durch die steigende Inanspruchnahme, die intensiver werdende Benutzung der Fahrzeuge wuchs der Verkehr im übrigen noch stärker als die Zahl der Kraftfahrzeuge.Und nun eine kurze Betrachtung zu den Unfallzahlen, die für uns alle von Wichtigkeit sind. Gesamtunfälle im Jahre 1957: 633 299; davon nur Sachschäden 352 215; unfallbetroffene Personen 365 449; Getötete 12 386; Verletzte 352 063. Gesamtunfälle vom 1. Januar bis 30. April 1958: 192 100; davon nur Sachschäden 127 301; unfallbetroffene Personen 82 839; Getötete 2694; Verletzte 80 145.Die besondere Aufmerksamkeit des Bundestages muß bei diesem Einzelplan den tiefbedauerlichen Unfällen an höhengleichen Bahnübergängen gelten. Im Haushaltsjahr 1956 waren 15 Millionen DM, im Jahre 1957 16,6 Millionen DM für die Beseitigung höhengleicher Bahnübergänge vorgesehen, wovon etwa die Hälfte das Invorlagetreten für die Deutsche Bundesbahn betrifft. Im Jahre 1956 wurde nichts und im ganzen sind bis jetzt 5 Millionen DM ausgegeben. Von 23 Vorhaben sind zur Zeit jedoch 19 im Bau oder in Auftrag gegeben. Auch für die im Haushalt 1958 vorgesehenen weiteren 15 Mil-
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Ritzellionen DM werden noch Aufträge vergeben werden, so daß der Rückstand bis zum nächsten Haushalt größtenteils aufgeholt und neue Objekte begonnen sein werden.Im Vergleich zu den sachlichen Ausgaben und zur Durchführung des Ausbauplanes sind naturgemäß die Personalfragen von besonderem Interesse. Der Haushaltsausschuß hat bei Kap. 12 01 Tit. 101 einer geringen Erhöhung der notwendigen Stellen zugunsten des Straßenbaues zugestimmt. In den letzten Jahren haben die Länder als Auftragsverwaltungen des Bundes für die Bundesfernstraßen nicht genügend Projekte baureif und planfestgestellt ausarbeiten können. Neben der rein technischen Ausarbeitung nimmt erfahrungsgemäß die rechtliche Ordnung der Vorhaben — Planfeststellung, Grunderwerb, Verhandlungen mit den Unternehmen der Versorgungsleitungen, Kostenbeteiligung Dritter usw. — oft eine erhebliche Zeit in Anspruch. Das notwendige Vorausplanen für künftige Jahre ist daher bei den meisten Ländern kaum erfolgt. Um dies aufzuholen, sind verschiedentlich Ingenieurbüros mit der Aufstellung von Plänen beauftragt worden. Im Haushalt 1958 enthalten Tit. 300 und 301 zum ersten Male Mittel für verkehrswirtschaftliche Untersuchungen in Höhe von 5 Millionen DM, die derartigen Zwecken dienen.Noch für zwei weitere Probleme aus dem Bereich des Einzelplans 12 möchte ich die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses erbitten: einmal für die Ansätze zugunsten des Bundeswetterdienstes — Deutsches Wetteramt in Offenbach am Main —, zum anderen für die Entwicklung im Bereich des Kraftfahrtbundesamtes in Flensburg-Mürwik.Vor kurzem konnte der Neubau des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach in Betrieb genommen werden. Hierdurch konnte eine Einsparung an Mieten von rund 200 000 DM erzielt werden. Die personellen Mehranforderungen des Bundeswetterdienstes beruhen auf dem starken Ansteigen der Arbeiten, insbesondere für die Überwachung der Radioaktivität, sowie auf der Notwendigkeit, für den Flugwetterdienst und zur Vorbereitung des Düsenluftverkehrs besondere Anstrengungen zu machen. Der Bundeswetterdienst hat in seinem Haushalt erstmals die Ermietung einer elektronischen Rechenanlage mit einem Mietbetrag von 254 000 DM vorgesehen.Beim Kraftfahrtbundesamt, wo die berühmt-berüchtigte „Verkehrssünderkartei" geführt wird, sind in diesem Jahre Aufwendungen von im ganzen einer Million DM vorgesehen. Hier ist ein Mehrbedarf von 88 Stellen zu verzeichnen.Es ist im Rahmen dieses Berichts nicht möglich, auf weitere Einzelheiten dieses 2,5-MilliardenHaushalts einzugehen. Ich darf mich auf diese Ausführungen beschränken.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten damit in die zweite Beratung des Einzelplanes 12 ein. Hier liegt zunächst ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP zu Kap. 12 02 auf Umdruck 99 vor. Ich frage den Herrn Abgeordneten Rademacher, ob er das Wort zur Begründung wünscht.
— Eine allgemeine Debatte gibt es in der zweiten Beratung nicht. Wollen Sie Ihren Änderungsantrag begründen? Sonst wird über ihn abgestimmt.
— Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der Ihnen vorliegt, ist die Wiederholung eines gleichen Antrages zum vorjährigen Haushalt. Die Ereignisse um den Kauf der „Pasteur" — zukünftig „Bremen" — haben unseres Erachtens bewiesen, daß es sehr gut gewesen wäre, wenn das Haus im vorigen Jahr diesen Antrag, der nur die Schaffung des Leertitels vorsah, angenommen hätte. Dann hätten wir eine klare parlamentarische Grundlage für den Wiederaufbau unserer Fahrgastschiffahrt gehabt. Ich darf mir erlauben, auf die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Kauf der „Pasteur" in meiner Stellungnahme zum Einzelplan 12 noch einmal einzugehen.
Mit dem Antrag soll eine Ausweitung des Wiederaufbaudarlehensgesetzes erreicht werden, nach dem bisher so erfolgreich am Wiederaufbau unserer Frachtschiffahrt und auch an dem notwendigen Wiederaufbau unserer Fahrgastschiffahrt hat gearbeitet werden können. Hätte man diesen Leertitel gehabt, dann wäre es möglich gewesen, anläßlich des Kaufs der „Pasteur" — hier hat der Bund ein Darlehen von 34 Millionen DM gegeben — über den Haushaltsausschuß zur gegebenen Zeit eine entsprechende Einplanung vorzunehmen.
Sicherlich stellt der Kauf der „Pasteur" nur einen Teil des Aufbaues der Fahrgastschiffahrt dar. Entsprechende Anträge anderer Reedereien können uns im Laufe ides kommenden Jahres veranlassen, uns erneut mit dieser Frage zu befassen. Daher empfehle ich, diesen Antrag anzunehmen.
Sie haben die Begründung dieses Änderungsantrages gehört. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß gestehen, Kollege Rademacher, daß ich etwas erstaunt war, als ich heute morgen Ihren Antrag vorfand. Ich hatte — ganz im Gegensatz zu Ihren kurzen Darlegungen — angenommen, daß gerade das Beispiel der „Bremen" Veranlassung hätte geben sollen, einen gegenteiligen Standpunkt einzunehmen.
Ich möchte noch hinzufügen, etwas verblüfft mich dabei. Sie haben den gleichen Antrag vor einem Jahr eingebracht, und die Mehrheit dieses Hohen Hauses hat sich damals eindeutig gegen diesen Antrag ausgesprochen. Trotz dieser Ablehnung ist es
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Dr. Vogeldann nachher zu diesen Engagements gekommen, deren Hintergründe zu klären sich ein Unterausschuß zur besonderen Aufgabe gemacht hat. Ich möchte dieses Thema hier nicht allzusehr vertiefen, aber eines steht fest: daß die Vorgänge und die Hintergründe dieser Sache nicht gerade zu den erfreulichsten Angelegenheiten gehören, die wir im Parlament zu behandeln hatten und während der Ausschußberatung behandeln mußten.
Ich möchte im Namen meiner Freunde sagen: die Vorgänge um das Zustandekommen der „Bremen"-Verträge haben uns veranlaßt, im Haushaltsausschuß mit allem Nachdruck zu erklären, daß wir in Zukunft nicht mehr bereit sind, das Hohe Haus vor vollendete Tatsachen stellen zu lassen,
und daß wir künftig selbst auf die Gefahr hin, daßFirmen, die sich hier voreilig engagieren, Verlusteerleiden, derartige Zumutungen ablehnen werden.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Rademacher.
Meine Damen und Herren! Herr Dr. Vogel, ich glaube, selten hat sich jemand so widersprochen wie Sie soeben in Ihrer Begründung. Hätten Sie nämlich diesen Titel gehabt, dann hätten Sie eine parlamentarische Grundlage für den Aufbau der Fahrgastschiffahrt gehabt.
— Sie wollen nicht, das heißt also, Sie wollen nicht den Wiederaufbau der deutschen Fahrgastschiffahrt; ich stelle das fest.
Weitere Wortmeldungen? — Bitte, Herr Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß noch etwas dazu sagen. Dieses Hohe Haus muß wissen, daß die Abwicklung des Vertrages, wie er dann nach den Beschlüssen des Unterausschusses vom Haushaltsausschuß beschlossen worden ist, eine jährliche Zinssubvention von 1,2 Millionen DM bei der Hergabe eines Darlehens von 34 Millionen DM zu 4 % an eine einzelne Firma bedeutet. Ich glaube nicht, daß das Hohe Haus ähnlich entgegenkommend bei allen Anträgen aus der Wirtschaft verfahren würde, für die ähnliche Subventionen beansprucht werden. Ich möchte mit allem Nachdruck sagen: Das, was hier vorgetragen worden ist, ist, wenn ich mich nicht täusche, der Wunsch eines ganz begrenzten Kreises von Reedern. Die große Zahl der Reeder ist an diesen Dingen nicht interessiert.
Dazu Herr Kollege Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 99 kommt meiner Fraktion wie wohl dem ganzen Hause etwas überraschend. Die Ausbringung eines Leertitels enthält immerhin eine beachtliche Verpflichtung und Festlegung für die Zukunft. Wir konnten uns in der Fraktion über diese Sache noch nicht besprechen. Die Erfahrungen, die Herr Dr. Vogel in bezug auf das Fahrgastschiff „Pasteur"-„Bremen" zitierte, geben uns auch Veranlassung zu der Erklärung, daß wir uns weder für noch gegen diesen Antrag aussprechen. Wir enthalten uns der Stimme, damit wir eine Möglichkeit haben, künftig in einer Fraktionssitzung zu der Sache Stellung zu nehmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über Umdruck 99, Änderungsantrag der Fraktion der FDP. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 92. Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, mir zu gestatten, im Zusammenhang mit der Begründung des Antrags auf Umdruck 92 einige allgemeine Ausführungen zum Einzelplan 12 zu machen.Meine Damen und Herren! Der Verkehrshaushalt, der von der Bundesregierung für das Jahr 1958 vorgelegt wird, gleicht im Gesamtabschluß dem Haushalt des Vorjahres. Für den Straßenbau und für die Binnenschiffahrt ist der Ansatz, verglichen mit den Vorjahreszahlen, um 55 Millionen DM höher; für den Schienenverkehr ist er um 85 Millionen DM niedriger. Die Gewichte verschieben sich weiterhin dadurch, daß dem Bundesverkehrsministerium einerseits für den Straßenbau Bindungsermächtigungen in Höhe von 250 Millionen DM erteilt worden sind, andererseits aber die bisher der Bundesbahn gestundete Beförderungsteuer von etwa 330 Millionen DM für 1958 eingezogen werden soll. Insgesamt also hat sich wenig geändert, und wir halten auch in diesem Jahr die Haushaltsansätze für zu niedrig. Sie reichen nach unserer Meinung nicht aus, um das Straßennetz dem Tempo der wachsenden Motorisierung anzupassen; sie reichen auch nicht aus, um die Bundesbahn mit einer vernünftigen Kapitalausstattung zu versehen.Der vorliegende Einzelplan 12 läßt nach unserer Auffassung auch nicht erkennen, daß die Bundesregierung den ernstlichen Willen hat, den Ländern und besonders den finanzschwachen Gemeinden eine wirksame Hilfe für den Ausbau der in ihrer Obhut befindlichen Straßen zu leisten.
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Dr. BleißMeine Damen und Herren, wir haben uns mit dieser Materie wiederholt hier im Hohen Hause beschäftigt, und wir haben ihm im letzten Jahr auch konkrete Vorschläge für die notwendige Straßenbaufinanzierung vorgelegt. Leider haben wir aber feststellen müssen, daß der von uns vorgelegte Gesetzentwurf im Verkehrsausschuß nicht mit der Gründlichkeit behandelt wurde, die im Interesse der Sache geboten gewesen wäre, sondern daß im Verkehrsausschuß verfassungsrechtliche Bedenken vorgeschoben wurden in der Absicht, den Entwurf auf Eis zu legen und ihn später in der Versenkung verschwinden zu lassen. Wir werden den Entwurf eines Gesetzes zur Straßenbaufinanzierung unter Zweckbindung des spezifischen Verkehrsteueraufkommens im 3. Bundestag wieder einbringen, nicht nur, weil wir den Gedanken für richtig halten, sondern auch weil die Länder und Gemeinden finanziell nicht in der Lage sind, den von der Bundesregierung aufgestellten Zehnjahresplan zu erfüllen.Nun haben wir in den vergangenen Monaten mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen müssen, daß das Bundesverkehrsministerium von seinem eigenen Zehnjahresplan immer weiter abrückt. Wenn ich die neue Linie richtig erkenne, Herr Bundesverkehrsminister, dann ist der Zehnjahresplan vom Bund her in drei Vierjahrespläne aufgeweicht worden, von denen der bekanntgewordene erste Vierjahresplan nur ein verkümmertes Drittel der gesamten Bausumme darstellt. Wir wären Ihnen dankbar, Herr Bundesverkehrsminister, wenn Sie uns Ihre neuesten Vorstellungen über den notwendigen Straßenbau und seine Finanzierung mitteilten. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß eine Hinausschiebung des Straßenbaues nicht vertretbar ist und das Wachstum der Motorisierung uns in Kürze vor die Alternative stellen wird, entweder die gesamte Motorisierung zu drosseln, mit allen gefährlichen Konsequenzen, die sich daraus für unsere deutsche Wirtschaft ergeben, oder aber das Straßennetz in einem viel kürzeren Zeitraum auszubauen. Die kilometerlangen Autoschlangen, die wir immer häufiger auf der Autobahn antreffen, scheinen mir ein deutliches Zeichen dafür zu sein, wohin der Weg geht. Ich hoffe, daß die Bundesregierung diese Warnzeichen — für jedermann deutlich sichtbar — nicht immer wieder übersieht.Wir haben zum Straßenbau auf Umdruck 92 einen Antrag eingereicht; es ist der einzige Antrag, den wir in ,diesem Zusammenhang in der zweiten Lesung vorlegen. Er befaßt sich mit den schienengleichen Übergängen. Wir bitten Sie in diesem Antrag darum, einen Tit. 716 einzufügen und zur Beseitigung schienengleicher Übergänge 30 Millionen DM bereitzustellen. Der Titel soll folgende Erläuterung erhalten:Aus den Mitteln [dieses Titels soll der nach dem Wegkreuzungsgesetz ,auf die öffentlichen Eisenbahnen entfallende anteilige Aufwand bestritten wenden.Wir halten eine solche Erläuterung deswegen für geboten, weil die Bundesbahn nicht in der Lage ist, die auf sie entfallenden Anteile zu finanzieren.Die Beseitigung der schienengleichen Übergänge ist eines [der Anliegen, die wir immer wieder vorbringen. In jedem Jahr weisen wir erneut auf die entsetzlichen Gefahrenquellen, auf die Schwere der Verluste und ,der Opfer hin, die gerade an diesen schienengleichen Übergängen zu beklagen sind. Sie haben in den vergangenen Jahren diese Anträge unverständlicherweise abgelehnt. Ich hoffe, daß wir in ,diesem Jahr bei Ihnen mehr Verständnis für unsere Anträge zur Beseitigung dieser furchtbaren Gefahr finden.
— Ich werde mir ,erlauben, auf die Deckung zu sprechen zu kommen.Ein zweites Zentralproblem unserer Verkehrswirtschaft bleibt ,die Bundesbahn. Im Haushalt des Verkehrministeriums ist der Wirtschaftsplan der Bundesbahn für das Jahr 1958 veröffentlicht. Er schließt nach dem im November 1957 aufgestellten Voranschlag für 1958 mit einem Betriebsüberschuß von 60 Millionen DM ab. Das war eine schöne Theorie. Die Praxis sieht etwas anders aus. Nach dem gegenwärtigen Stand [der Dinge wird die Bundesbahn trotz ,der Tariferhöhung für 1958 wahrscheinlich einen neuerlichen Verlust von etwa 500 Millionen DM ausweisen müssen.Die Ursache ,des Verlustes liegt in einem Rückgang der Einnahmen aus dem Güterverkehr. Der Herr Berichterstatter hat das kurz angedeutet. Der Rückgang bewegt sich ungefähr in der gleichen Höhe wie der Verlust; er beträgt etwa 500 Millionen DM. Das Präsidium ,der Bundesbahn meint nun, ,daß der Rückgang der Einnahmen mit der prekären Situation auf dem Kohlenmarkt zusammenhänge. Das ist nach unserer Auffassung teilweise richtig; denn die deutsche Kohle, die größtenteils über den Schienenweg transportiert wird, geht zu erheblichen Teilen auf Halde. Die amerikanische Kohle dagegen wird überwiegend von den Nordseehäfen über die Binnenwasserstraßen zu den Abnehmern transportiert. Es ist also richtig, daß sich aus der Kohlewirtschaftspolitik der Bundesregierung im Verkehrsvolumen eine Verlagerung von der Schiene zur Binnenschiffahrt ergeben hat. Ein aufmerksamer Beobachter wird feststellen müssen, daß der Anteil der ausländischen Flaggen am Kohletransport ständig im Wachsen begriffen ist.Diese Tatsache allein reicht aber zur Aufklärung der Verluste noch nicht ganz aus. Ein weiterer Grund für die Verluste ist nach meiner Meinung darin zu suchen, daß durch die starke Heraufsetzung der Gütertarife für Nebenklassen und für mittlere Entfernungen neuerdings eine Verlagerung von der Schiene zum Werkfernverkehr einsetzt. Das wäre eine Entwicklung, die unseren verkehrspolitischen Vorstellungen nicht entspricht. Wir haben aber eine solche Entwicklung befürchtet und auf die wahrscheinlich negativen Folgen und Konsequenzen für die Bundesbahn in der Tarifdebatte im Februar dieses Jahres hingewiesen. Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, waren damals anderer Meinung. Die Entwicklung hatte uns bisher leider Recht gegeben.
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1870 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Dr. BleißMeine Damen und Herren! Mit der Verlustwirtschaft der Bundesbahn koppeln sich die finanziellen Probleme. Durch den Rückgang der Einnahmen weist der Wirtschaftsplan der Bundesbahn eine Finanzierungslücke von 750 Millionen DM auf. Die Verkehrspolitiker aller Fraktionen waren sich im Verkehrsausschuß darüber klar, daß diese Lücke geschlossen werden muß, wenn die Annullierung von Aufträgen, die schon an die Wirtschaft gegeben sind, vermieden werden soll. Die Bundesbahn hat hierzu erklärt, daß sie 350 Millionen DM auf dem Kapitalmarkt decken könne, während sie hinsichtlich des Restes von 400 Millionen DM auf die Hilfe des Bundes angewiesen sei. Man hat uns kürzlich gesagt, daß darüber Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium im Gange seien. Das ist jetzt drei Wochen her. Darf ich heute von Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, erfahren, was der Bund tun will, um das Loch zu stopfen? Wenn ich den Herrn Berichterstatter richtig verstanden habe, ist mit einer Kürzung der Ansätze für die Bundesbahn im Verkehrshaushalt uni 6 % zu rechnen. Das würde bedeuten, daß sich die Finanzlücke auf 800 Millionen DM ausweitet, daß der Bund also für eine Überbrükkung in Höhe von 450 Millionen DM Sorge tragen müßte. Herr Bundesfinanzminister, wir erwarten Ihre Stellungnahme dazu, wie Sie sich eine solche Überbrückung denken.Das negative Betriebsergebnis und die finanzielle Situation machen die Sanierung der Bundesbahn immer dringender. Wir haben von dieser Stelle aus häufig genug darauf hingewiesen, daß die Bundesbahn wie jeder andere Betrieb auf die Dauer ohne eine ausreichende Kapitalausstattung nicht auskommen kann. Die Kriegsschäden werden seit 13 Jahren durchgeschleppt und werden, wenn sie nicht radikal beseitigt werden, eine ständige Quelle von Verlusten sein.Sie vertrauen im Zusammenhang mit der Bundesbahn auf den Bericht der sogenannten Unabhängigen Kommission. Auch wir sehen diesem Bericht mit Interesse entgegen. Wir verstehen aber nur eins nicht: Der Bundestag hat Anfang Februar den Beschluß gefaßt, einen solchen Bericht erstellen zu lassen. Heute haben wir Ende Juni. Es sind viereinhalb Monate vergangen. Wenn ich recht unterrichtet bin, hat die Kommission auch heute ihre Tätigkeit noch nicht aufgenommen, weil man sich nicht darüber einigen konnte, wer der Leiter dieser Kommission weiden sollte. Nunmehr scheint die Situation geklärt zu sein. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Verkehr der CDU, Präsident Brand, ist Sieger in dem Wettlauf um diese wichtige Position geblieben.Wir sind auf den Bericht sehr gespannt. Wir hoffen, daß er auf allen Gebieten die Karten aufdeckt und nicht nur Organisations- und Finanzierungsvorschläge bringt, sondern uns auch über a 11 e Verlustquellen unterrichtet, denn es gibt ja mitunter merkwürdige Geschäfte, Herr Bundesverkehrsminister, merkwürdig besonders dann, wenn sie vielleicht unter Auflage oder unter Anweisung des Bundeswirtschaftsministeriums durchgeführt werden. Ich denke dabei an das Geschäft mit 200 000 t Kohle. Zunächst wurde die Bundesbahn veranlaßt, einen Teil ihres Kohlebedarfs im Ausland zu decken. Das Werkselbstverbrauchsrecht, das man allen Konzernbetrieben im in- und ausländischen Besitz zubilligt, wurde bekanntlich der Bundesbahn verweigert. Die Bundesbahn mußte einen Teil ihres Bedarfs im Ausland decken. 200 000 t dieser abgeschlossenen Menge werden jetzt fällig. Da hat nun das Bundeswirtschaftsministerium verlangt, daß diese Menge nicht abgenommen wird, sondern daß dafür deutsche Kohle eingelagert wird. Das bedeutet für die Bundesbahn, daß sie dem Reeder die Frachtdifferenz vergüten muß. Abgeschlossen wurden die Kohleverträge zu einem Frachtsatz von 60 Schilling, der heutige Frachtsatz liegt bei 24 Schilling; die Differenz beträgt also 36 Schilling oder 21 DM je Tonne. Multipliziert man das mit der Gesamtmenge von 200 000 t, ergibt sich allein aus diesem „Geschäft" für die Bundesbahn ein Frachtverlust von 4,2 Millionen DM.Merkwürdig ist auch folgendes. Der Frachtverlust wird von der Bundesbahn nicht sofort getragen, sondern ihr erst später angelastet. Zwischendurch wird er von den Kohle-Importeuren finanziert, und diese lassen sich für die Zwischenfinanzierung von der Bundesbahn zusätzlich 3,50 DM je Tonne, d. h. 700 000 DM zahlen.Ich wäre dem Herrn Bundesverkehrsminister sehr dankbar, wenn er diesen „Geschäften" seine Aufmerksamkeit widmete. Ich wäre auch dankbar, wenn uns der Herr Bundesverkehrsminister sagen könnte, wie groß die gesamte Menge ist, die auf weitere Zeiträume verschoben wird und die dadurch erhebliche zusätzliche Verluste für die Bundesbahn mit sich bringt. Meine Damen und Herren, wenn die Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, richtig sind — ich habe gute Unterlagen dafür, daß sie richtig sind —, würde doch wieder einmal, wie wir das hier wiederholt feststellen mußten, Politik auf dem Rücken der Bundesbahn getrieben, eine Politik, die in Widerspruch zu § 4 des Bundesbahngesetzes steht.Gestatten Sie mir im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung noch ein paar Sätze zur Hochseeschiffahrt. Durch die Depression auf weiten Gebieten des Weltmarktes liegt der internationale Frachtenmarkt relativ ungünstig. Über 7 Millionen t Schiffsraum sind unbeschäftigt. Bei dem starken Wettbewerb wird die Konkurrenz der sogenannten „billigen Flaggen" immer fühlbarer. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die deutschen Reeder möglicherweise die Bundesregierung in absehbarer Zeit um Hilfsmaßnahmen bitten werden. Solche Hilfsmaßnahmen bedeuten zusätzliche Belastungen für das laufende Haushaltsjahr. Darf ich Sie, Herr Bundesverkehrsminister, bitten, uns darüber zu informieren, ob im Zusammenhang mit der Konkurrenz der „billigen Flaggen" Hilfsmaßnahmen erwogen worden sind, ob nur die Tramp- oder auch die Linienschiffahrt in etwa geplante Hilfsmaßnahmen einbezogen würde und, wenn ja, ob Verhandlungen mit deutschen Reedern schon gepflogen worden sind, und schließlich, in welchem Umfang und mit welcher finanziellen Auswirkung derartige Hilfsmaßnahmen geplant sind.
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Dr. BleißNoch ein letztes Kapitel! Ein wesentlicher Schritt auf dem Wege zur Gesundung des Verkehrs ist die Regelung des Wettbewerbs zwischen der Schiene, der Straße und der Binnenschiffahrt. Auf Antrag der sozialdemokratischen Fraktion hat der Bundestag die Erstellung einer vergleichenden Ubersicht über die Selbstkosten der drei Verkehrsträger beschlossen. Der für die Kostenerfassung erforderliche Gesetzentwurf sollte, soweit ich gehört habe, noch vor den Parlamentsferien im Bundestag eingebracht werden. Ich habe bisher einen solchen Entwurf nicht gesehen. In etwa 10 Tagen geht der Bundestag in die Sommerferien. Ich befürchte, daß eine weitere Verzögerung der Einbringung die ohnehin schon unhaltbar gewordene Situation noch mehr komplizieren wird. Deswegen, meine Damen und Herren, die besondere Bitte — insbesondere auch an Sie, Herr Bundesverkehrsminister —, den Entwurf nunmehr unverzüglich dem Parlament zuzuleiten.Ein paar Sätze noch zur Frage der Maße und Gewichte, einer Problematik, die uns allen ja nicht unbekannt ist. Fest steht auch hier, daß sich die Situation immer unhaltbarer zeigt. Die Verordnung von 1955 wird von der Wirtschaft einfach ignoriert. Der 14-Meter-Zug ist im Gewerbe nicht existent. Es ist bedauerlich, daß beide Seiten, das Bundesverkehrsministerium und die Automobilindustrie, eine so intolerante, fast doktrinäre Haltung einnehmen und daß von beiden Seiten nicht einmal der Versuch unternommen wird, zu einer wirtschaftlich brauchbaren Kompromißlösung zu kommen. Leidtragender dieser unverständlichen Nachgiebigkeit auf beiden Seiten ist der Güterkraftverkehr, der seine Ersatzbeschaffungen nicht durchführen kann und mit verkehrsgefährdenden veralteten Fahrzeugen fahren muß. Im Interesse der Verkehrssicherheit halten wir eine umgehende definitive Regelung der Maße und Gewichte für dringend erforderlich.Das sind im Rahmen der Haushaltsdebatte einige besondere aktuelle Probleme der Verkehrswirtschaft, die schnellste Lösung erfordern. Eine Reihe weiterer Fragen und Probleme wird mein Freund Ritzel zur Sprache bringen. Aber bei dieser zusammenfassenden Darstellung darf ich zum Schluß feststellen, daß wir Sozialdemokraten die Ansätze im Verkehrshaushalt, soweit sie den Straßenbau und den Schienenverkehr betreffen, für völlig unzureichend halten. Die Haushaltsansätze bieten keine Gewähr für eine Wiederherstellung der Verkehrssicherheit. Sie bieten keine Gewähr für die so vordringliche Ordnung im Schienenverkehr. Sie lassen befürchten, daß die Spannungen in der Verkehrswirtschaft weiter wachsen werden. Mit der Kritik am Haushaltsplan verbinden wir unsere Kritik an der gesamten Verkehrspolitik der Bundesregierung. Sie zwingt uns, den vorgelegten Haushaltsplan abzulehnen.
Herr Abgeordneter Brück!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ganz kurz mit dem Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 92 befassen. Eingangs darf ich sagen, wir können leider diesemAntrag aus allgemeinen Etatgründen nicht zustimmen.Nun aber zur Situation. Herr Kollege Dr. Bleiß sprach davon, daß die schienengleichen Übergänge eine besondere Gefahrenquelle darstellen, und er sprach auch von der Schwere der Verluste. Nun darf ich einmal folgendes sagen. Insgesamt gibt es rund 40 000 schienengleiche Übergänge. 47 % der Übergänge sind mit Schranken und 3 % mit Blinklichtanlagen versehen. Die restlichen rund 20 000 Übergänge sind nicht beschrankt. Wenn Herr Kollege Dr. Bleiß davon sprach, daß die Verluste dort besonders schwer seien und es sich hier um eine besondere Gefahrenquelle handele, dann muß man, glaube ich, diese Verluste, die dort entstehen, einmal in der Gesamtübersicht der Verluste im Straßenverkehr sehen. Herr Kollege Ritzel hat bereits im Mündlichen Bericht darauf hingewiesen, daß die Zahl der Verkehrstoten im Straßenverkehr immerhin noch außerordentlich groß ist. Insgesamt sind in den letzten sechs Jahren, von 1952 bis einschließlich 1957, im Straßenverkehr 3 140 932 Verkehrsunfälle eingetreten. Durch diese Verkehrsunfälle sind 67 738 Menschen getötet worden, und 1 912 416 Verletzte sind zu verzeichnen. Von diesen insgesamt eingetretenen Unfällen ereigneten sich an Bahnübergängen 4541 oder, im Durchschnitt gerechnet, 0,15 %. 822 Tote — gleich 1,23 % — und 2782 Verletzte — gleich 0,15 % — gab es an Bahnübergängen. Man kann deshalb wohl nicht sagen, diese Gefahrenquelle sei besonders groß. Natürlich sind die Zahlen sehr bedauerlich. Aber zur Beseitigung aller schienengleichen Übergänge, sei es durch Unter- oder Überführung, müßten wir einen Betrag zwischen 7 und 10 Milliarden DM aufwenden. Wenn man nur die 1000 wichtigsten Übergänge durch Unter- oder Überführung beseitigen wollte, müßte man immerhin den Betrag von 1 Milliarde DM ausgeben.Natürlich ist in den letzten Jahren auf diesem Gebiete etwas geschehen; es sind von der Deutschen Bundesbahn dafür immerhin über 50 Millionen DM aufgewendet worden, sei es, daß Blinklichtanlagen, sei es, daß Anrufschranken geschaffen worden sind. Die Dinge sind nicht ganz einfach. Aber ich darf Ihnen einmal folgenden Vorschlag machen. Wir sollten einmal alle Baulastträger — die Gemeinden, die Länder und den Bund - bitten, grundsätzlich an jedem schienengleichen Übergang zum mindesten eine Geschwindigkeitsbeschränkungstafel aufzustellen und die Straßen, auf denen der Verkehr lebhaft ist, sogar zu Stoppstraßen zu machen. Man wird sicherlich vieles dagegen einwenden können. Aber man hätte damit den Wegebenutzer zumindest noch in anderer Form auf die Unfallgefahr aufmerksam gemacht, als es jetzt geschieht.Ein Drittes in diesem Zusammenhang. Wir sollten bei allen Baulastträgern darauf hinwirken, daß es bei neu zu bauenden Straßen keine schienengleichen Übergänge mehr gibt, daß also bei jedem Neubau eine Unterführung oder Überführung vorgesehen wird; ich glaube, daß die Unterführung
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1872 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Brückgegenüber der Überführung bei weitem von Vorteil wäre.Wir können dem Antrag aus allgemeinen Haushaltsgründen nicht zustimmen. Aber lassen Sie mich, da der Herr Kollege Ritzel in seinem Bericht auch die Zahl der Verkehrstoten und der Unfallverletzten angesprochen hat, folgendes sagen. 3 140 932 Unfälle, 67 738 Tote und 1 912 416 Verletzte in sechs Jahren, diese Zahlen sprechen doch für uns eine deutliche Sprache. Sollten wir nicht quer durch alle Fraktionen dieses Hauses einmal überlegen, ob wir nicht zu neuen Maßnahmen greifen müssen, damit die Zahl der Unfälle weiter gesenkt wird? Das scheint mir ein echtes Anliegen zu sein. Wir alle müssen uns darum bemühen, Leben und Gesundheit unserer Menschen in Zukunft stärker zu schützen als bisher. Darum bitte ich Sie, diese Frage in der Zukunft noch einmal recht ernsthaft zu überlegen.
Ich habe noch zwei Wortmeldungen. Beziehen sie sich auf diesen Änderungsantrag, Umdruck 92? — Herr Abgeordneter Rademacher, Sie wollten nicht dazu sprechen? — Herr Abgeordneter Ritzel zu dem Änderungsantrag Umdruck 92!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Brück, der soeben für die CDU-Fraktion hier Stellung zu unserem Antrag bezogen hat, konsequent gewesen wäre, hätte er angesichts der von ihm errechneten Größenordnung eines echten Bedarfs für die Überwindung der schienengleichen Übergänge von — wenn ich richtig gehört habe — 7 bis 10 Milliarden DM laut und deutlich ,ankündigen müssen, ,daß seine Fraktion diesem Antrag Umdruck 92 zustimmt. Das habe ich aber nicht gehört. Als ich aber an den Bund dachte, also an uns hier und unser Bewilligungsrecht, und an die Bundesbahn, die noch nicht einmal die im Vorjahr verfügbaren Mittel verwendet hat, da fiel mir ein Satz von Heinrich Heine ein: „Und da keiner wollte leiden, daß der andere für ihn zahle, zahlte keiner von den beiden." -
Die Situation ist so. Im Odenwald — um nur zwei Beispiele zu schildern — sind vor 10 Tagen 5 Menschen urns Leben gekommen. Ein Familienvater stieß an einem Bahnübergang, der bis dahin beschrankt war und nun infolge der Rationalisierungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn keine Schranken mehr hat, mit einer Lokomotive zusammen. Ich weiß nicht, ob das Blinklicht versagt hat oder ob er das Blinklicht nicht gesehen hat. Das steht noch nicht fest, sondern muß erst noch durch die polizeilichen oder gerichtlichen Feststellungen ermittelt werden.
— Immerhin! Der Amerikaner aber — das zweite Beispiel —, der vorgestern bei Hersfeld über einen
nicht geschützten schienengleichen Bahnübergang fuhr, ist sicherlich ein älterer Fahrer Igewesen, und auch er ist elend ums Leben gekommen.
Die Zahl 'der Toten und Verunglückten, auf die Herr Kollege Brück hinwies, ist im übrigen doch so gewaltig, 'daß wir an 'diesen Dingen nicht achtlos vorübergehen dürfen. Um deswillen bitte ich Sie, dem Antrag Drucksache 92 zuzustimmen. Ich würde es nicht für möglich erachten, daß wir uns mit der armseligen Bewilligung angesichts der merkwürdigen Haltung der Deutschen Bundesbahn abfinden, sondern nach unserer Auffassung ist der Bundestag verpflichtet, Dampf dahinter zu machen und unsere Bevölkerung besser zu schützen, als es bisher geschehen ist.
Dazu hat Herr Abgeordneter Rademacher Idas Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Augenblick zur Sache selber nicht Stellung nehmen, sondern nur feststellen, daß auch dieser Antrag für uns so überraschend gekommen ist wie unser Antrag für Sie. Infolgedessen stelle ich Ihnen anheim, den Antrag zur dritten Lesung erneut zu stellen. Wir werden wahrscheinlich dasselbe machen und unseren Antrag in der dritten Lesung wieder einbringen. Dann haben beide Fraktionen Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, und wir werden auch zu diesem Antrag sprechen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 92 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. Der Änderungsantrag Umdruck 92 ist bei einigen Enthaltungen abgelehnt.
Ferner liegt vor der Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 141 . Dazu liegt der Antrag des Ausschusses vor, den Antrag Drucksache 141 (neu) abzulehnen. Ich ziehe es aber vor, über den Antrag Drucksache 141 (neu) selber abstimmen zu lassen, der die 136 Millionen DM betrifft.
Wer dem Antrag der SPD-Fraktion Drucksache 141 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt steht der Einzelplan 12 im ganzen zur Diskussion. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Rademacher!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Januar dieses Jahres hat sich der Herr Bundesverkehrsminister über seine Kritiker beschwert. Er hat etwa gesagt, das Schlachtgeschrei der Opposition konzentriere sich stets nur auf Einzelheiten; insbesondere sei das Thema „Schiene — Straße" durch ständige Wiederholung heute nur noch ein abgedroschenes Schlagwort; er
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1873
Rademachervermisse den Blick auf das Ganze; die Kritik übersehe die Fortschritte bei den Verkehrsträgern Luftschiffahrt, Binnenschiffahrt und Seeschiffahrt.Wenn Sie die Protokolle über die Verkehrsdebatten seit 1950 einer Durchsicht unterziehen, werden Sie feststellen, daß das Thema „Schiene - Straße" zweifelsohne aus der Natur der Sache heraus im Vordergrund gestanden hat, daß es aber immer auch Verkehrspolitiker aller Parteien in diesem Hause gegeben hat, die nicht nur das Ganze gesehen haben, sondern auch dem Herrn Bundesverkehrsminister auf einer Reihe von Gebieten Anerkennung gezollt haben, so z. B. dem Wiederaufbau der deutschen Seeschiffahrt und später dem Wiederaufbau der deutschen Luftfahrt. Letzten Endes ist es das Ergebnis einer Verkehrspolitik, das die Kritik hervorruft. Heute morgen ist schon zum Ausdruck gekommen, daß eben bei der Bundesbahn und beim Straßenbau noch lange nicht alles in Ordnung ist, ja, daß man ständig auf diesen beiden Verkehrsgebieten von einem Notstand sprechen kann. Ich meine, die von den Verkehrspolitikern in der Öffentlichkeit und auch in diesem Hause geübte Kritik sollte eigentlich umgekehrt den Herrn Bundesverkehrsminister veranlaßt haben, dafür ein wenig dankbar zu sein; denn wir können doch feststellen, daß gegenüber dem Jahre 1950 und 1951 die Resonanz für einen geschlossenen, leistungsfähigen Verkehr als eine notwendige Ergänzung der deutschen Wirtschaft sowohl hier im Hause wie in der Öffentlichkeit immer größer geworden ist. Meines Erachtens ist dadurch die Stellung des Bundesverkehrsministers im Kabinett und insbesondere gegenüber dem Bundesfinanzminister in mancher Beziehung wesentlich gestärkt worden.Wir haben immer darauf hingewiesen, daß die Investitionen in der deutschen Wirtschaft in gleichem Maße auch dem Verkehr zugute kommen müssen. Nirgendwo in der Wirtschaft muß leider mit solcher Kraft auf die Gefahr eines „zu spät" hingewiesen werden wie bei den Verkehrsinvestitionen, sei es im Straßenbau, sei es bei der Schiene, sei es darüber hinaus bei der Binnenschiffahrt und der Seeschiffahrt.Ich möchte nicht wie der Kollege Bleiß mit dem Problem des Straßenbaus beginnen — ich komme darauf noch eingehend zu sprechen —, sondern zunächst etwas über die Deutsche Bundesbahn sagen, deren Verwaltungsrat ich angehöre. Wir haben seit einiger Zeit einen neuen ersten Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, Herrn Professor Dr. Oeftering, der aus dem Bundesfinanzministerium kommt. Er ist mit Energie an seine neue Aufgabe herangegangen. Aber mir war nicht ganz wohl, als er sich bei der Übernahme seines Amtes relativ optimistisch über den Zustand des größten Verkehrsträgers zu Lande äußerte. Leider hat ja nun auch die Entwicklung gezeigt — Herr Dr. Bleiß hat das heute morgen in Zahlen dargelegt —, in welcher unverändert schwierigen Situation wir bei der Deutschen Bundesbahn, also dem größten Vermögen des Bundes, heute wieder stehen. Worauf istdas zurückzuführen? Es gibt dafür einfach nur zwei Antworten.Zuerst auf das unklare Bundesbahngesetz, im Jahre 1951 in diesem Hause verabschiedet. Man muß die Kämpfe hinter den Kulissen kennen, wie ich sie damals ja insbesondere in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verkehrsausschusses kennengelernt habe, um hier noch einmal zu bedauern, daß es nicht möglich war, in Übereinstimmung mit der im ersten Durchgang vom Bundesrat zum Ausdruck gebrachten Auffassung der Länder eine Fassung des Bundesbahngesetzes durchzusetzen, die klare Verpflichtungen des Bundes gegenüber der Bundesbahn für Kriegsschäden, für den Nachholbedarf aussprach, die auf der anderen Seite ein Statut vorsah, das nach dem Präsidialprinzip einen Mann in die Hauptverantwortung stellte und wonach sich der Vorstand aus den Abteilungsleitern der Hauptverwaltung zusammensetzte, die ja letzten Endes das Geschäft betreiben.Ich bin gespannt, welche Antwort Herr Dr. Bleiß auf seine klare Frage auf Grund des Beschlusses des Verkehrsausschusses bekommen wird, daß ja nun gar nichts anderes übrig bleibt, als auf irgendeine Weise die 400 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, die sich in der Auftragsfinanzierung als Lücke ergeben haben.Ich glaube aber, es geht nicht so — ich möchte das hier auch einmal offen aussprechen —, daß man nun meint, man könne die Beförderungsteuer streichen oder stunden. Man soll das fein säuberlich scheiden. Die Beförderungsteuer ist eine Angelegenheit, die alle Verkehrsträger trifft und die in diesem Jahr zum erstenmal — der Herr Bundesfinanzminister hat das in seiner Etatrede deutlich zum Ausdruck gebracht — auf die Einnahmeseite des Bundesetats gesetzt worden ist. Das schließt aber nicht aus, daß auf der anderen Seite die Verpflichtung des Bundes eintreten muß. Wir werden ja hören, was der Herr Bundesfinanzminister zu dem Antrag zu sagen hat.Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man mehr oder weniger am Ende der Weisheit ist, wird wieder einmal ein neuer Ausschuß eingesetzt. Ich bin damals bei der Verabschiedung dieses Ausschusses nicht in Bonn gewesen. Ich sage Ihnen ganz offen, ich hätte gegen diese Angelegenheit Stellung genommen. Ich will Ihnen sagen, warum. Bei der Einsetzung eines solchen Ausschusses handelt es sich nämlich um ein ausgesprochenes Mißtrauensvotum gegen alle Organe der Deutschen Bundesbahn, und das ist der Herr Bundesverkehrsminister, ist der Vorstand und ist auch der Verwaltungsrat. Denn an sich sind ja die Organe vorhanden, und es gibt doch noch ein Hauptprüfungsamt, das die Dinge durchaus übersieht. Wenn der Bund seine Pflichten gegenüber dem größten Verkehrsträger nicht erfüllt, wenn der § 4 ein derartiger Gummiparagraph geworden ist, dann werden Sie, meine Damen und Herren, das auch nicht mit einem Ausschuß ändern können.
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1874 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Eine Zwischenfrage! Haben Sie, der Sie ja selbst dem Verwaltungsrat der Bundesbahn angehören, die Vorstellung, daß der Verwaltungsrat der Bundesbahn Klarheit darüber hat, wie er die Bundesbahn gesund machen will?
Herr Müller-Hermann, das ist eine sehr billige Frage.
— Ja, das ist eine sehr billige Frage; denn auch von Ihnen, meine Herren von der CDU, sitzen ja Kollegen im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn, allerdings nicht in dieser Funktion. Ich wiederhole: Die Stellung des Verwaltungsrates ist nach dem Statut überhaupt zu schwach. Das ist aber die Schuld der Gestaltung des Bundesbahngesetzes. Wenn Sie etwas anderes erreichen wollen, müssen Sie die Ursachen untersuchen. Die Ursachen liegen auf zwei Gebieten — und da hat vielleicht die Mehrheit des Verwaltungsrates versagt, ich gebe das hier ausdrücklich zu —, nämlich darin, daß die Tarifreform, die Anpassung der Tarife, gegen den Widerstand der Mehrheit des Verwaltungsrates zu spät, viel zu spät gekommen ist, weil man geglaubt hat, man könnte durch bestimmte dirigistische Maßnahmen einen Zustand im deutschen Verkehr herbeiführen, der eigene Maßnahmen nicht mehr erfordert, sondern automatisch dem einen Verkehrsträger mehr Verkehr bringt zu Lasten des anderen. Das ist die verkehrte Politik gewesen. Diese Tariffrage ist eben das schleichende Übel in der ganzen Entwicklung des deutschen Verkehrs. Wie kann man sich einbilden, meine Damen und Herren, die Verkehrsträger könnten im Jahre 1958 noch zu Tarifen aus den Jahren 1951/52 fahren? Sie brauchen nicht Verkehrsfachmann zu sein und Sie brauchen nicht einmal Betriebswirtschaftler zu sein, um sich die Antwort in dieser Sache selber geben zu können.
Damit habe ich schon das Wesentliche über den Zustand bei der Deutschen Bundesbahn gesagt.Was die Zusammenarbeit der Verkehrsträger untereinander betrifft, so kennen Sie ja meine alte Auffassung, die im Widerspruch zu der des Herrn Bundesverkehrsministers steht. Der Herr Bundesverkehrsminister hat geglaubt, er könne durch den großen Verkehrsträgerausschuß, er könne auch durch den Beyer-Ausschuß die Koordinierung und Harmonisierung der Verkehrsträger, insbesondere von Schiene und Straße, herbeiführen. Meine Damen und Herren, wir von den Freien Demokraten sind der Auffassung, daß es auf etwas ganz anderes ankommt. Wir haben das in unseren Denkschriften in all den Jahren genügend zum Ausdruck gebracht. 1954 habe ich eine Denkschrift mit der bitteren Überschrift „Von der Konfusion zur Konzeption?" herausgebracht. Wir haben auch im Wahlkampf und wir haben hauptsächlich hier in diesem Hause bei den Etatdebatten zu diesen Dingen noch einmal deutlich Stellung genommen. Es kommt darauf an, daß sich die beiden Verkehrsträger Schiene und Straße freiwillig auf den verschiedensten Gebieten einigen. Ich sage Ihnen noch einmal als Praktiker: Das ist möglich! Ein sehr tatkräftiger Unternehmer im Gebiet von Hameln hat durch seine Initiativen, die Gott sei Dank auch von der Deutschen Bundesbahn unterstützt werden, sehr interessante neue Wege beschritten, die dahin gehen: Rationalisierung der Deutschen Bundesbahn durch einen entsprechenden Verkehr per Lastwagen auf den Knotenpunktverkehr. Und da ich das Wort „Knotenpunktverkehr" ausspreche, darf ich einen Bundesbahnpräsidenten aus der Bundesrepublik zitieren, der einmal gesagt hat: „Die Hauptaufgabe der Deutschen Bundesbahn ist es, zu fahren, zu fahren und noch einmal zu fahren und die Nebenbetätigungen eben den privatwirtschaftlichen Betrieben zu überlassen, die hierfür geeignet sind."Das wirft natürlich sofort auch die Frage auf: Wie ist es denn überhaupt mit den Beteiligungen? Sie kennen ja die grundsätzliche Auffassung der Freien Demokraten: so viele Betriebe wie möglich unter breiter Streuung — im Gegensatz zur Howaldtswerft in Hamburg — in den Privatbesitz bringen! Da gibt es bei der Deutschen Bundesbahn eine ganze Reihe geeigneter Objekte — ich will das einmal ganz offen aussprechen —, angefangen bei dem größten Kollegenbetrieb, der zu meinem Berufsverband gehört, nämlich der Firma Schenker & Co. Sie wäre meines Erachtens ein ausgezeichnetes Objekt für die Privatisierung. Bekanntlich ist die Firma Schenker zu 100 % im Besitz der Deutschen Bundesbahn und damit des Bundes.Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein kurzes Wort zum Thema „Privatisierung". Wir wissen natürlich ganz genau, und ich möchte das noch einmal klarstellen, daß es ausgeschlossen ist, ein Vermögen wie das der Deutschen Bundesbahn, ein Vermögen von 33 Milliarden DM, ganz oder auch nur teilweise in Privatbesitz zu überführen. Aber was wir immer wieder fordern und was, wie ich glaube, auch das trifft, was Kollege Müller-Hermann durch seinen Zuruf soeben zum Ausdruck bringen wollte, ist dies: Meine Damen und Herren, machen Sie bei der Reform in einer Novelle zum Bundesbahngesetz die Bundesbahn zu einer Kapitalgesellschaft in der bekannten klassischen Form, zu einer Aktiengesellschaft. Dann haben Sie einen echten Aufsichtsrat. Sie werden nämlich staunen, wenn ich Ihnen sage: die Bundesbahn hat eigentlich nur eine Person als Aufsichtsrat, und das ist nach dem Statut der Herr Bundesverkehrsminister. Das ist von seiten der Bundesbahn selbst einmal in dieser Form sehr deutlich gesagt worden. Ich glaube also, wir sollten die Bundesbahn unter Wahrung der Rechte der Beamten, Angestellten und Arbeiter —das betone ich immer wieder — in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Das scheint mir die Form zu sein, die wir brauchen, wenn wir erreichen wollen, daß die Bundesbahn wirklich nach kaufmännischen Gesichtspunkten arbeiten kann, wie es im Bundesbahngesetz von 1951 vorgesehen ist.Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. .Juni 1958 1875RademacherZum Straßenbau wäre in Kürze folgendes zu bemerken. Herr Bleiß hat schon mit Recht darauf hingewiesen, daß wir ursprünglich einen Zehnjahresplan hatten. Er ist im Jahre 1957 der Öffentlichkeit vorgelegt worden. Aus diesem Zehnjahresplan sind jetzt drei Pläne zu je vier Jahren geworden. Der finanzielle Auf wand für diese Pläne hat sich natürlich ermäßigt, weil es selten möglich ist, ursprüngliche Planansätze zu realisieren.Wir von der Freien Demokratischen Partei sind sehr froh darüber, daß es in diesem Jahr möglich gewesen ist, 11/4 Milliarden DM für den Bau der Bundesstraßen und Bundesautobahnen einzusetzen, und daß die Möglichkeit besteht, 300 Millionen DM im Vorgriff zu verwenden. Aber was nützt das alles, meine Damen und Herren, wenn wir nicht die Garantie haben, daß im Bund und in den Ländern die erforderlichen Baupläne zur Verfügung stehen? Darüber haben wir uns im Verkehrsausschuß sehr eingehend unterhalten, und wir haben dabei leider allerlei Mißstände festgestellt. Wir haben auch festgestellt, daß die Personalabteilung im Bundesverkehrsministerium zu gering besetzt ist, um diese Aufgabe bewältigen zu können. Wir sind dem Haushaltsausschuß sehr dankbar dafür, daß er der Anregung gefolgt ist, hier eine Änderung vorzusehen. Auch diese Änderung ist nur eine Notlösung für 1958, die den Bedürfnissen für die Planung des Jahres 1959 noch nicht entspricht. Aber auch das nützt alles nichts, wenn nicht die einzelnen Länder für die Auftragsverwaltung ebenfalls einen derartigen Planungsapparat auf die Beine stellen, der sie in die Lage versetzt, die Pläne für die Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel rechtzeitig bereitzustellen.Wir wissen, wie schwierig die Fragen der Enteignung, der Planung usw. sind. Darum haben wir auch im Verkehrsausschuß die Frage debattiert: Wie ist es denn eigentlich, wenn für eine bestimmte Straße der Plan nicht fertig ist? Kann man dann nicht sofort auf ein anderes Projekt ausweichen? Daß es aus föderalistischen Gründen möglichst in dem gleichen Lande liegen muß, wird man verstehen. Wir haben zu unserer Überraschung gehört, daß es erst im Jahre 1958 möglich war, eine derartige Vereinbarung mit den Länderverkehrsbehörden herbeizuführen. Daher ist es erst jetzt möglich geworden, dann, wenn ein bestimmter Plan nicht fertig ist, auf einen anderen auszuweichen.Bei der Besichtigung in Lahr, auf die ich noch kommen werde, habe ich mir erlaubt, den Herren der Verwaltung und der Bauindustrie eine deutliche Frage zu stellen. Es geht doch immer um diese große Frage: Wird genügend von dem verbaut, was zur Verfügung gestellt wird? Ich habe die Frage gestellt: Ist die deutsche Bauindustrie maschinell und hinsichtlich der erforderlichen Arbeitskräfte in der Lage, das zu verbauen, was geplant ist, und ist sie darüber hinaus in der Lage, noch einige hundert Millionen DM mehr zu verbauen? Von der Bauindustrie und — was vielleicht viel wichtiger ist — auch von den Herren der Verwaltung wurde ausdrücklich erklärt: Jawohl, es ist durchaus möglich, noch einige hundert Millionen DM im Jahr mehr zu verbauen.Damit komme ich zu der Frage: Ist der Ansatz für den Straßenbau im Etat hoch genug? Wir bestreiten das. Wir sind aber auch keine Dogmatiker, was die Zweckbindung anlangt. Wir haben immer zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei der Zweckbindung eines Teiles der Steuern um eine sehr grundsätzliche Frage handelt. Eines steht jedoch fest: Wir befinden uns hinsichtlich des Straßennetzes in einem Notstand, und diesen Notstand können wir in den nächsten Jahren nur beseitigen — sonst wird nämlich eines Tages Schluß mit dem gesamten Straßenverkehr sein —, wenn all das, was abgegeben wird: Mineralölsteuer, der entsprechende Anteil der Beförderungsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und meines Erachtens auch ein Teil des Importzolles — aber darüber kann man sich unterhalten —, auch tatsächlich verbaut wird.Darum lehnen wir die Grundsatzauffassung des Herrn Bundesfinanzministers ab, der gesagt hat: 600 Millionen müssen erst als Sockel abgezweigt werden, und das übrige bin ich dann bereit, voll für den Straßenbau herzugeben, allerdings unter der Voraussetzung, daß ein zweites Verkehrsfinanzgesetz kommen und dieses dann hundertprozentig der Zweckbindung entsprechen soll.Wir glauben, so geht es nicht, Herr Bundesfinanzminister, und wir von der FDP erklären daher mit aller Deutlichkeit: Solange nicht alle Mittel, die vom Straßenverkehr aller Art abgegeben werden, verbaut werden, so lange werden wir konsequent ein zweites Verkehrsfinanzgesetz ablehnen. Man kann sich nämlich noch auf den Standpunkt stellen, daß sogar über die jährlichen Abgaben von heute hinaus eine Wiedergutmachungspflicht des Bundes besteht, weil in den vergangenen Jahren vielleicht 6 bis 7 Milliarden DM zweckentfremdet, d. h. für andere Zwecke verbraucht worden sind und dadurch diese schwierige Situation herbeigeführt worden ist.Ich darf hier einmal den Herrn Bundesverkehrsminister im positiven Sinne zitieren, der auf dem Deutschen Straßentag in München gesagt hat, daß der Kraftverkehr als wesentlicher Faktor für die Erhaltung des bundesdeutschen Lebensstandards und für die Aufrechterhaltung einer guten wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr wegzudenken sei. Dieser Entwicklung trügen die an sich beachtlichen Fortschritte im Straßenbau in den letzten Jahren noch nicht genügend Rechnung.Als ich mit meinen Ausführungen begann und den Herrn Bundesverkehrsminister wegen der Ablehnung der Kritik zitierte, habe ich leider vergessen zu sagen — ich hole das jetzt nach—, daß er in derselben Rede alle diese Punkte als unabdingbare Forderungen aufstellte, die wir für den ,gesamten Verkehr schon seit Jahren, seit 1949, 1950 usw. vertreten haben. Auf derselben Tagung in München sagte der bayerische Ministerpräsident, Herr Dr. Seidel, der Weg zu einem einheitlichen Europa und insbesondere die Funktionen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft setzten einen einheitlichen Verkehr unter allen Umständen voraus. Das betreffe nicht nur den Bau der großen europäischen Verbin-
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1876 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Rademacherdungsstraßen, nicht nur die Straßenkennzeichnung, sondern auch die Gewichte und Maße der Fahrzeuge usw.Damit bin ich bei einem Thema angelangt, das Herr Dr. Bleiß eben schon gestreift hat. Allerdings vermisse ich eine klare Aussage seitens der SPD. Wenn ich Herrn Dr. Bleiß richtig verstanden habe — vielleicht will er's korrigieren —, hat er von einem erneuten Kompromiß zwischen der bekannten Verfügung vom März 1956 und dem, was in der Vergangenheit gewesen ist, gesprochen. Die Genfer Konvention — 18 m, 32 t — ist bereits ein Kompromiß gegenüber dem Zustand in der Bundesrepublik vor dieser Verordnung. Denn da waren es 20 m, und die Gewichte gingen leider — ich sage das ausdrücklich — bis auf 40 t.
— Die Technik geht weiter. Ich darf hier aber noch einmal für }die FDP erklären: Wir stehen zur Genfer Konvention plus der 10-t-Antriebsachse. Wir haben ja diese Untersuchungen durch den Verkehrsausschuß in Lahr gemacht. Ich habe dort, am Schluß der Besichtigung, auch zwei Fragen gestellt. Die erste lautete: Angenommen, der Deutsche Bundestag würde sich für eine 8-t-Antriebsachse entscheiden, könnten dann wesentliche Kosten für leichtere Straßen eingespart werden? Diese Frage ist von den Fachleuten dort klar und deutlich verneint worden. Die zweite Frage lautete: Gibt es Beweise dafür, daß durch die Verwendung der 10-t-Antriebsachse in der Vergangenheit die Schäden in irgendeiner Weise größer gewesen sind? Es wurde klar und deutlich geantwortet, auch dafür gebe es keine Beweise.Vorgestern saß ich noch in der Internationalen Handelskammer in Paris und hatte den Vorsitz in einem Verkehrsausschuß. Erneut wurde mir die peinliche Frage gestellt, wie jedesmal, wenn ich dort mit Vertretern von 12 oder 15 Nationen verhandle: „Strebt eigentlich die deutsche Bundesregierung auf dem Gebiete des Verkehrs zu einem gemeinsamen Europa? Können Sie uns das nicht endlich einmal sagen, Herr Rademacher?" Ich mußte Ihnen sagen: Leider sind wir noch nicht so weit. Aber wir hoffen, daß wir in Übereinstimmung mit allen Fraktionen dieses Hauses zu einer europäischen Verkehrskonzeption kommen, zu der nun einmal auch die Maße und Gewichte des Lastwagens im Sinne der Genfer Konvention gehören, mit dem bekannten europäischen Zusatzabkommen.Ich könnte Ihnen jetzt viele Zahlen nennen, wie die Dinge in andern Ländern sind; ich will es nicht tun. In der Mehrheit der anderen Länder liegen die Maße und Gewichte noch höher als in dieser Genfer Konvention. Aber alle Länder sind mehr oder weniger bereit, sich der Genfer Konvention anzuschließen, vorausgesetzt, daß endlich auch die deutsche Bundesregierung und der Herr Bundesverkehrsminister zustimmen. Ich kann verstehen, man verliert nicht gern Gesicht. Aber dann muß man eben einmal die Meinung des Hauses gegen sich gelten lassen. Ich kann wie gesagt nur hoffen, daß sich dieses Haus zu einem gemeinsamen Europaauch auf dem Gebiet des Straßenverkehrs zusammenfindet.In der Frage der Sicherheit möchte ich dem Kollegen Brück eines erwidern. Herr Brück, ich glaube, man kann Tote, ganz gleich, worauf ihr Tod zurückzuführen ist, nicht prozentual vergleichen. Tot ist tot, und schwerverletzt ist schwerverletzt. Da nützt keine Statistik etwas. Darum bin ich der Meinung, wir sollten uns sehr ernst überlegen, ob wir den Antrag der SPD nicht doch noch in der dritten Lesung verabschieden. Über die Deckungsfrage werden Sie uns dann ja wohl hoffentlich geeignete Vorschläge machen. Das Thema ist so ernst, daß man in diesem Hause wirklich gemeinsam — daran wurde auch appelliert — vorgehen sollte.Ich möchte andererseits aus Gründen der Gerechtigkeit darauf aufmerksam machen, daß die Deutsche Bundesbahn für die Bahnübergänge jährlich erhebliche Leistungen zu erbringen hat. Bei 38 500 Bahnübergängen sind — ohne Berücksichtigung der vorhandenen Über- und Unterführungen — für Unterhaltung usw. jährlich 170 Millionen DM aufzubringen. Es kann also niemand sagen, seitens der Deutschen Bundesbahn geschähe auf diesem Gebiete nichts oder wenig. Ich bin der Meinung, man sollte das einmal sagen, weil gewisse Polemiken in der Öffentlichkeit — ich möchte sie nicht im einzelnen zitieren — zweifelsohne über das Maß des Erträglichen und des Geschmacks hinausgegangen sind. Ich habe das vor zwei Jahren schon einmal im Zusammenhang mit einer anderen Kampagne gesagt; diese Auffassung werde ich immer wieder vertreten.In Fragen der Sicherheit liegt letzten Endes alles bei der Disziplin der Menschen. Das ist doch mit das Entscheidende, und die Mentalität der Erwachsenen umzustellen scheint in Deutschland etwas schwierig zu sein. Einer meiner Freunde hat mich gebeten, in dieser Debatte nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, der Verkehrserziehung in unseren Schulen von Anfang an die notwendige Aufmerksamkeit zuzuwenden und Mittel dafür bereitzustellen. Ich denke an die schönen Berliner Verkehrshöfe, wie man sie nennt, wo die Jugend mit dem Verkehr — praktisch jedoch außerhalb des wirklichen Verkehrs — bekanntgemacht wird. Jedenfalls glaube ich nicht, daß wir die Sicherheit herstellen, wenn wir eine solche Bürokratie wie in Flensburg 'aufziehen. Ich weiß nicht, ob Sie das einmal gesehen haben. Was sich dort entwickelt, ist grauenhaft. Wir fürchten leider, daß der Aufwand, der dort getrieben wird, in keinem Verhältnis zu ,dem Erfolg steht.Ich möchte bei ,dieser Gelegenheit für meine Fraktion noch etwas richtigstellen. In einer bewegten Auseinandersetzung ist einmal die Behauptung aufgestellt worden, die Freie Demokratische Partei sei gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung in den geschlossenen Ortschaften gewesen. Das ist unwahr. Ich kann nachweisen, daß wir von Anfang an diese Auffassung vertreten haben. Wir wären 1952 beinahe schon einmal so weit gewesen; leider hat uns der Rechtsausschuß einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir wissen ganz genau, daß gerade
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1877
Rademacherin ,den geschlossenen Ortschaften die Gefahren am größten und die Unfälle am häufigsten sind und daß hier unbedingt etwas geschehen muß. Ich selber habe damals im Verkehrsausschuß, als man sich mit dem Bundesverkehrsministerium und den Ländern einigermaßen einig war, gesagt: „Nun aber schnell! Rechte des Parlaments hin und her, seien wir doch endlich dafür, daß ,das durch eine Bundesratsverordnung eingeführt wird, damit ,die Begrenzung so schnell wie möglich eintritt!"Aber man kann sich über ,die Begrenzung im einzelnen unterhalten. Ich hätte z. B. 60 km für wesentlich besser gehalten als 50 km, und zwar auch im Interesse des Schutzes kleinerer Wagen und im Interesse der Kontrolle. Sie werden vielleicht überrascht sein, wenn ,ich hier namens meiner Fraktion noch einmal ausdrücklich folgendes feststelle. Ich halte heute auch die Festsetzung der Geschwindigkeitsbegrenzung für Lastwagen für verkehrt. Sie müßte meines Erachtens insbesondere auf den Autobahnen noch weiter eingeengt werden, damit sich der Überholvorgang zügiger und flüssiger abspielen kann. Ebenso müßte ,das auf den Bundesstraßen sein. Ich glaube auch, daß wir in der Öffentlichkeit, insbesondere bei dem betroffenen Gewerbe, damit nicht nur keinem Widerstand begegnen würden, sondern daß wir im Gegenteil von diesem Gewerbe darin unterstützt würden, weil man einsieht, daß es viel entscheidender ist, die Gefahren durch die Zeitdifferenz zu verringern als durch eine Beschränkung der Wagenlängen, sagen wir einmal, auf 18, 16 oder 14 m.Zur Frage der Binnenschiffahrt! Natürlich ist inzwischen der Deutschen Bundesbahn ein neuer — ich möchte beinahe sagen: viel stärkerer — Konkurrent als der Straßenverkehr gegenübergetreten: die Binnenschiffahrt, die leider durch den starken Konjunkturabfall in ihren Frachten noch beweglicher als in der Vergangenheit geworden ist.
— Bitte!
Darf ich den verehrten Kollegen Rademacher fragen, ob er sich bewußt ist, daß wir für die Beratung aller Haushalte nur knapp drei Tage Zeit zur Verfügung haben?
Ja, meine Damen und Herren, ich kann das verstehen. Ich werde mich bemühen, meine Ausführungen ein wenig zu kürzen. Aber seien Sie mir bitte nicht böse. Ich stehe hier bestimmt nicht, weil es mir Spaß macht, lange zu reden. Wer mich in den neun Jahren kennengelernt hat, der weiß, daß ich mich sehr konzentrieren kann. Ich bin allerdings der Meinung, daß die Situation im deutschen Verkehr so ernst geworden ist, daß wir einmal ausführlich über diese Dinge sprechen müssen.
Man könnte über die Binnenschiffahrt, über die
Seeschiffahrt, man könnte noch etwas über die Luftfahrt sprechen. Ich sehe den Unwillen des Hauses. Wir werden also von Zeit zu Zeit auf die einzelnen Themen erneut eingehen müssen.
Ich darf aber abschließend noch folgendes sagen. Wenn wir nicht bei den Verkehrsträgern zu einer Tarifgestaltung kommen, die den wirklichen Kosten entspricht, werden alle Maßnahmen umsonst sein. Ich habe das schon mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht. Wir haben im großen und ganzen im deutschen Verkehr das System der Festtarife. Wir haben die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, der diese Tarife überwacht. Sie müssen mir gestatten, zum Ausdruck zu bringen, daß die Arbeit dieser Bundesanstalt, die in den vergangenen Jahren wertvoll gewesen ist, jetzt droht am Ende anzukommen und zwecklos zu werden — das hat der Präsident dieser Anstalt, Eickhoff, zum Ausdruck gebracht —, wenn es nicht gelingt, daß auch die übrigen Verkehrsträger die vorgesehenen und vorgeschriebenen Tarife einhalten.
Ich bin nicht davon überzeugt, daß Festtarife eine Angelegenheit von Dauer sind, sondern bin vielmehr der Ansicht, daß wir besonders in dem sich entwickelnden Europa, im Gemeinsamen Markt auch zu einer größeren Flexibilität der ganzen Tarifgestaltung und des Verkehrs kommen müssen. Wir werden einen Kompromiß zwischen einem übertriebenen Dirigismus und dem Liberalismus erleben. Deswegen — ich darf in diesem Falle noch einmal mit einer positiven Wendung schließen — sind wir froh darüber, daß es der Bundesregierung und dem Bundesverkehrsminister gelungen ist, in den Art. 74 bis 83 des Vertrages über den Gemeinsamen Markt zunächst die Fragen des Verkehrs vollkommen offenzulassen, damit die Nationen untereinander einen Weg finden, der allen Teilen gerecht wird, der nicht zuletzt aber auch der besonders schwierigen politischen Lage unseres geteilten Landes Rechnung trägt, in dem die Verhältnisse, je weiter wir nach Osten kommen — ich meine die Häfen Hamburg und Lübeck —, um so schwieriger werden.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Zeitnot erlaubt es leider nicht, auf die interessante Bemerkung des Herrn Kollegen Rademacher näher einzugehen, die die Umwandlung der Rechtsstruktur der Deutschen Bundesbahn betraf. Er will eine Aktiengesellschaft machen. Vielleicht benutzt Herr Kollege Rademacher die Pause der nächsten Monate, um einmal das Ei des Kolumbus auf diesem Gebiet zu legen, das darin besteht, die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Bundesbahn mit der Rechtsstruktur einer privatisierten Bundesbahn in Einklang zu bringen. Dazu nur so viel.Ich habe beim Studium früherer Protokolle eine Bemerkung gefunden, die ein Kollege dieses Hauses dem heutigen Bundesbahnpräsidenten, Herrn Professor Dr. Oeftering, in den Mund gelegt hat.
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1878 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
RitzelIch glaube, daß es der Herr Kollege Müller-Hermann ist, der sich das Verdienst zuschreiben darf. Diese Bemerkung ist um so interessanter, als jetzt derjenige, der sie gebraucht haben soll, damals als Ministerialdirektor des Bundesfinanzministeriums gesprochen hat. Laut Protokoll des Deutschen Bundestages habe Herr Oeftering gesagt: „Die Bundesbahn besitzt die Geschicklichkeit, sich ärmer zu schätzen, dabei aber reicher zu werden."Ich glaube, daß wir im großen und ganzen — ich darf dabei auf die Darlegungen meines Freundes Bleiß Bezug nehmen — die wirkliche Situation der Bundesbahn kennen. Aber in einer Hinsicht gibt die Bemerkung, die hier zitiert wird, doch zu denken. Wenn ich beispielsweise die ausgezeichnete und sehr begrüßenswerte Ausstattung der F-Züge vergleiche mit der — wenn ich einmal so sagen darf — Zurückhaltung, der sich die Deutsche Bundesbahn auf dem Gebiet der Ausstattung und Modernisierung beispielsweise der Arbeiterzüge und Vorortzüge befleißigt, dann ist die Bundesbahn hier wirklich arm, während sie auf der anderen Seite sehr, sehr reich ist. Sie dient in dieser Form dem großen Verkehr und damit praktisch auch dem großen Portemonnaie, aber nicht im gleichen Umfang und im gleichen Maße dem kleinen Portemonnaie und dem kleinen Verkehr, dem Zwischenverkehr, dem Vorortverkehr, dem Verkehr zum Arbeitsplatz und zurück. Hier sind wirklich betrübliche Zustände anzutreffen. Ich bitte den Herrn Bundesverkehrsminister, auf diese Dinge sein ganz besonderes Augenmerk zu lenken.Ich widerstehe auch der Versuchung, noch einmal auf die Frage der schienengleichen Bahnübergänge zurückzukommen, und möchte wenige Ausführungen zu anderen Problemen aus dem Bereich des Bundeshaushalts für Verkehr machen. Herr Bundesverkehrsminister, wir haben im Haushaltsausschuß mindestens zweimal über das Problem Geesthacht und die Forderung der Sowjetzonenregierung auf Entrichtung einer Schiffsgebühr gesprochen. In der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses haben Sie, Herr Bundesverkehrsminister, eine Erklärung abgegeben, über die ich mir noch nachträglich Gedanken gemacht habe. In Widerspruch zu der Haltung, die im Haushaltsausschuß mit ausdrücklicher Billigung der Bundesregierung in der Frage der Auswirkung des Baues der Staustufe Geesthacht von dem Bundesverkehrsminister — oder wem sonst; aber ich nehme an, vom Bundesverkehrsministerium — eingenommen worden ist, ist eine angesichts der Entwicklung im Haushaltsausschuß überaus merkwürdige, ja peinlich berührende Erklärung veröffentlicht worden, und zwar 24 oder 36 Stunden nach den Erörterungen des Haushaltsausschusses. Ich möchte Sie, Herr Bundesverkehrsminister, heute ausdrücklich fragen: wer ist der verantwortliche Redakteur? Sind Sie das — in Kenntnis der Aussprache im Haushaltsausschuß —, oder ist es die Bundesregierung? Ich möchte, noch ehe ich Ihre Antwort höre, sagen: angesichts der Verhandlungen im Haushaltsausschuß ist dieses Vorgehen der Bundesregierung — zunächst lies: des Bundesverkehrsministers - ein Skandal, ein Schlag ins Gesicht hinsichtlich der Beratungen des Haushaltsausschussesselbst. Ich darf Sie im einzelnen auf das Protokoll der 31. Sitzung des Haushaltsausschusses, Seite 27 ff., verweisen.Einige Bemerkungen zum Straßenwesen! Mich hat mächtig interessiert, daß der Herr Kollege Rademacher vorhin sagen konnte, von Beamten des Bundesverkehrsministeriums sei ihm mitgeteilt worden, es sei möglich, noch einige 100 Millionen DM mehr zu verbauen. Ich habe mich als Berichterstatter — ich habe vorhin in dieser Eigenschaft auf die Dinge hingewiesen — sehr bemüht, mir einen Überblick darüber zu verschaffen, ob es möglich ist, mit der heutigen Besetzung und angesichts der Struktur der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern einige 100 Millionen DM — wenn wir sie hätten — mehr zu verbauen. Bis jetzt bin ich nur zu dem Ergebnis gekommen — wie ich heute morgen vortrug —: es besteht eine Ausweichmöglichkeit durch die Inanspruchnahme von Ingenieurbüros, aber etwas anderes besteht nicht. Ich glaube, wir werden Veranlassung haben, uns in der nächsten Zeit mit dem Problem der Verlagerung verfügbarer Bundesmittel auf eine andere Ebene grundsätzlich und gründlich auseinanderzusetzen.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja!
Herr Ritzel, ich habe nicht von den Planungsschwierigkeiten gesprochen —
darin stimme ich mit Ihnen vollkommen überein —, ich habe nur festgestellt: wenn die Planungen in Bund und Ländern in Ordnung wären, wäre die Bauindustrie imstande, einige 100 Millionen DM mehr zu verbauen.
Ah, Sie sprachen von der Potenz der Bauindustrie; da stimme ich Ihnen zu: sie ist noch lange nicht ausgeschöpft.Noch einige Bemerkungen zum Straßenwesen! Angeblich will der Bundesverkehrsminister bis 1961 7 Milliarden DM für Bundesfernstraßen ausgeben können, — bei einem Gesamtaufwand von 22,4 Milliarden DM. Wenn ich mir alles in allem das Ergebnis der Haushaltsberatungen 1958 ansehe und mir überlege, wie denn die verehrte Bundesregierung angesichts der jetzt schon festgelegten Ausgaben, die planmäßig in den kommenden Rechnungsjahren finanziert werden sollen, bei dieser Einnahmeentwicklung des Haushalts ohne neue Steuern die Aufgaben lösen will, die Sie selber in diesem Hohen Hause vorgetragen und die die Billigung des Hauses gefunden haben, muß ich Sie fragen, Herr Bundesverkehrsminister, ob Sie bei dieser Haushaltslage und bei dieser künftig drohenden Haushaltsgestaltung im Ernst an einen Erfolg Ihrer Bemühungen glauben. Glauben Sie im Ernst an eine Sicherung der Finanzierung dessen, was Ihr Zehn- oder Zwölfjahresplan verheißt? Welche Absichten hat denn die Bundesregierung in bezug auf das neue Finanzierungsgesetz zur Sicherung des Ausbauplanes für die Bundesfernstraßen? Das würde in diesem Zusammenhang sehr interessieren. Welche Absichten hat die Bundesregierung, das Bundesverkehrsmini-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1879
Ritzelsterium in bezug auf die Sicherung von notwendigen Ausgabenansätzen — über den diesjährigen Haushalt hinaus — für die Herrichtung von Moped-Wegen, von Radwegen? Das ist eine Sache, die auf dem Gebiete der Unfallverhütung eine entscheidende Bedeutung hat. So ganz nebenbei wäre ich dankbar, wenn der Herr Bundesverkehrsminister auch seine heutige Ansicht in bezug auf die Schaffung von Fremdenverkehrsstraßen bekanntgäbe.Unser Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 die sehr vertrauenerweckende und ermutigende Erklärung abgegeben — ich zitiere wörtlich —: „Die Bundesregierung kennt die Verkehrsnot der Städte und Gemeinden und wird daher die Straßenbaumittel einsetzen, daß ein in allen Teilen leistungsfähiges Gesamtnetz entsteht." Nun, im Zehnjahresplan waren als Leistung außer der Bundesbaulast 3 Milliarden in Ansatz gebracht worden. Davon hat sich erst ein kleiner Teil verwirklichen lassen. Aber vielleicht ist die Bundesregierung in der Lage, zu einigen Dingen eine befriedigende Auskunft zu geben. Die Tatsachen sind wie folgt. Etwa drei Viertel bis vier Fünftel aller Unfälle ereignen sich in geschlossenen Ortschaften. Die Verkehrszusammenballungen und Verkehrsbehinderungen treten fast nur in Gemeinden auf. Da diese Kreislaufstörungen immer schädlicher werden — nicht nur nach Auffassung meiner Fraktion —, müßte den Gemeinden viel mehr geholfen werden.In diesem Haushaltsplan sind folgende Maßnahmen im Gemeindeinteresse vorgesehen: Bau von Ortsdurchfahrten, für die der Bund Baulastträger ist, im ordentlichen Haushalt mit 7,5 Millionen, im außerordentlichen Haushalt mit 3,6 Millionen, macht 11,1 Millionen DM; Bau von Ortsumgehungen für Bundesstraßen im ordentlichen Etat 81 Millionen, im außerordentlichen Etat 35,3 Millionen, macht 116,3 Millionen DM — also zusammen für Maßnahmen in der Bundesbaulast 127,4 Millionen DM. An Zuschüssen für Brückenbauten sind 9,3 Millionen vorgesehen, an Zuschüssen für Ortsdurchfahrten in Gemeinden mit mehr als 9000 Einwohnern im ordentlichen Haushalt 7 Millionen, im außerordentlichen 34,3 Millionen, macht 41,3 Millionen DM, an Zuschüssen für Autobahnzubringer 9,9 Millionen, für eine Teilortsumgehung Hannover 1 Million, so daß Leistungen außer der Bundesbaulast von 61,5 Millionen, alles zusammen von 188,9 Millionen DM entstehen. Glaubt die Bundesregierung, auf die Dauer mit derart geringen Ansätzen auskommen zu können? Wenn nein, was beabsichtigt sie dem Hohen Hause vorzuschlagen?Wir haben in den Ausschußberatungen wiederholt auch über das Problem der Reste auf dem Gebiet des Straßenwesens gesprochen. Dazu nur eine Feststellung zur Vermeidung von Irrtümern in der Öffentlichkeit. Diese Reste sind entscheidend dadurch entstanden, daß nach meinen Informationen die Landesstraßenbauverwaltungen nicht in der Lage waren, die verfügbaren Mittel richtig zu verbrauchen.Nun eine Bemerkung zu einem Titel, der seinerzeit auf meine Anregung im Haushaltsausschuß in den Haushalt — auch dieses Jahres — eingeführt wurde. Es ist der Rückverrechnungstitel 222. Wenn in einem Bundesministerium Leistungen von Wert und Rang zugunsten des Verteidigungsministeriums und seines Haushalts verrichtet werden, wird unter diesem Titel 222 eine Belastung ides Verteidigungshaushalts im Einzelplan 14 vorgenommen. Das ist gut und geht in Ordnung. Ist idem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß der Herr Bundesverteidigungsminister alles daransetzt, mit seiner wirklich gewichtigen Persönlichkeit durchzusetzen, daß im Jahre 1959 im Haushalt dieser Titel 222 zur Schonung der Mittel des Verteidigungshaushalts nicht mehr erscheinen soll, also, wenn ich es einmal so nennen darf: eine sehr erhebliche und sehr schwerwiegende, versteckte Subventionierung des Verteidigungshaushalts zu Lasten anderer Einzelpläne erfolgen soll? Ich glaube, gerade die Tatsachen, die im übrigen in bezug auf die Inanspruchnahme und die Mitleistung des Verteidigungshaushalts bei der normalen und anomalen Benutzung von Bundesfernstraßen und darüber hinaus auch anderen Straßen zu verzeichnen sind, geben Veranlassung, diesem Problem schon jetzt und heute ganz besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
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Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Ritzel, ist Ihnen bei diesen Darlegungen entgangen, daß auf der anderen Seite aus idem Verteidigungshaushalt Verkehrsprojekte von großer Bedeutung, die auch für den Zivilverkehr und die zivile Wirtschaft von Wichtigkeit sind, finanziert werden, z. B. der Titel, ,der den Schiffahrtsweg nach Wilhelmshaven betrifft?
Das ist mir nicht entgangen, Herr Kollege. Aber ich glaube, Sie werden mit mir einig sein: wenn das nicht zwingend im Interesse der Verteidigung läge, wären diese Mittel nicht im Einzelplan 14. Das Entscheidende, das Primäre ist das Interesse ,des Verteidigungshaushalts. Daraus läßt sich nicht rechtfertigen, was der Herr Bundesverteidigungsminister anstrebt, nämlich sich auf Schleichwegen, auf Umwegen weitere Mittel für seinen Verteidigungshaushalt zu Lasten anderer Bundeshaushalte zu verschaffen.
Für ,die normale Benutzung der Bundesfernstraßen leisten Bundeswehr und Stationierungstruppen keine besondere Vergütung. Straßenschäden, die durch eine übernormale Benutzung entstehen, insbesondere durch überschwere und durch Kettenfahrzeuge, müssen dem Straßenhaushalt künftig ersetzt werden. Die Stationierungstruppen sind allerdings nach den zur Zeit noch geltenden Bestimmungen des Finanzvertrages von dieser Ersatzpflicht befreit, soweit der Schaden den Bund — für die Bundesstraßen — trifft. Der Bundesfinanzminister gewährt dafür dem Bundesstraßenhaushalt einen Ausgleich aus dem Verteidigungsfolgekosten-
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1880 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Ritzelhaushalt, Einzelplan 35, wobei jedoch Schäden unter 5000 DM als Bagatellschäden von dem Ausgleich ausgenommen werden. Die sich aus diesen sogenannten Bagatellschäden ergebende Belastung des Bundesstraßenhaushalts läßt sich zweifellos nicht genau ermitteln. Sie kann aber auf einige Millionen im Jahr geschätzt werden.Meine Damen und Herren, die Erörterungen auf diesem Gebiet lassen sich noch sehr weit ausspinnen. Ich will es mir mit Rücksicht auf die beschränkte Zeit versagen, weitere Bemerkungen dazu zu machen. Aber folgendes möchte ich noch kurz ansprechen. Schon als Berichterstatter habe ich auf eine drohende Gefahr hingewiesen. Ich bitte dringendst darum, die Straßenbaumittel unter keinen Umständen unter der 6 % igen Kürzung zum Ausgleich des Gesamthaushalts, die das Haushaltsgesetz vorsieht, leiden zu lassen. Es wäre ein unverantwortliches Beginnen, diese Kürzung, so wie es bisher geschehen ist, auch auf den Straßenhaushalt anzuwenden.Noch eines, meine Damen und Herren. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, daß noch mehr Mittel, die im ordentlichen Haushalt vorgesehen sind, aus dem Einzelplan 12 in den außerordentlichen Haushalt verwiesen werden. Hier möchte ich an den Herrn Bundesverkehrsminister die Frage richten — die wahrscheinlich nicht er, sondern nur der Herr Bundesfinanzminister beantworten kann -: Werden Sie in der Lage sein — angesichts des Kapitalmarktes müßte die Frage bejaht werden können —, das, was in den außerordentlichen Haushalt verwiesen wird, im Rechnungsjahr 1958 nun auch wirklich zu bedienen? Das ganze Straßenwesen hängt von einer befriedigenden Antwort auf diese Frage ab. Es wäre unverständlich, wenn wir durch die Verweisung gewichtiger Posten in den außerordentlichen Haushalt Hoffnungen erwecken, die nachher nicht erfüllt werden könnten, wenn der außerordentliche Haushalt nicht ausreichend bedient würde.Ich darf mich auf diese Ausführungen beschränken.
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Das Wort hat der Abgeordnete Drachsler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Opposition, der Regierung auf die Finger zu sehen, namentlich bei Haushaltslesungen, dort, wo es um die Steuergelder geht.
Haushaltslesungen sollten aber nicht nur zu einer Tribüne von Forderungen werden. Sie sollten auch eine Gelegenheit dazu sein, anzuerkennen, was geleistet worden ist.Wenn man die Debatten anläßlich des Verkehrshaushalts in den letzten Jahren durchliest und heute die Stellungnahme der Opposition hört — sie war zum Teil maßvoll —, so gewinnt man den Eindruck, man möchte von Deutschland ein Bild zeichnen, als herrschte hier ein Verkehrsnotstand, ein Chaos, als ginge alles drunter und drüber. Wenn man dann aber sieht, welche Mittel von Jahr zu Jahr für Verkehrszwecke ausgegeben wurden und werden, so erkennt man, mit welcher Verantwortung den Verkehrsproblemen zu Leibe gerückt wird. In vier Jahren hat die Bundesregierung die Ausgaben z. B. für den Straßenverkehr vervierfacht. Gerade auf dem Gebiet des Straßenverkehrs wurde Außerordentliches geleistet. Das müßte auch hier einmal anerkannt werden.
Zu keiner Zeit wurde von einer Nation so viel gebaut wie vom deutschen Volk in den Nachkriegsjahren, sei es im Wohnungsbau, sei es im Straßenbau.
Es darf daher auch von dieser Stelle gesagt werden, daß die Allgemeinheit der deutschen Steuerzahler die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, daß wir das leisten konnten. Man sollte von dieser Stelle aus auch all den vielen Arbeitern, Beamten und Angestellten danken, die durch ihre Arbeit die Bundesmittel, die dieses Haus genehmigt hat, ihrem Zwecke zugeführt haben.Der Herr Finanzminister und der Herr Verkehrsminister haben gerade für das Problem des Straßenbaues großes Verständnis gezeigt, indem sie immer wieder zu erkennen geben, daß sie bereit sind, alle nur möglichen Finanzierungsquellen auszuschöpfen, um den Straßenbau weiter zu aktivieren. Dabei wird der Herr Bundesfinanzminister — das hoffen wir wenigstens — unter allen Umständen vermeiden, daß den Verkehrsteilnehmern — namentlich der Allgemeinheit der Verkehrsteilnehmer, den kleineren Verkehrsteilnehmern -- neue Belastungen aufgebürdet werden. Es ist ihm zu danken, daß er sich trotz der Widerstände im Haushaltsausschuß zunächst mit einer sehr weitgehenden Zweckbindung des Verkehrsaufkommens — über 600 Millionen DM — für den Straßenbau einverstanden erklärt hat. Damit erfüllt er einen alten Wunsch der Verkehrsteuerzahler. Wenn dieser Wunsch auch noch nicht ganz erfüllt wird, so kommen wir doch der Sache schon sehr viel näher.Die Empfehlung, die unsere Fraktion anläßlich der dritten Lesung des Haushalts an die Regierung richten wird, ersucht um die Erstellung eines VierJahres-Finanzierungsplans für die Bundesstraßen in einer Höhe bis zu 7 Milliarden DM. Die Regierung wird ersucht, baldmöglichst einen Finanzierungsplan vorzulegen. Während der Diskussionen über diesen Plan eines Vierjahresprogramms traten in der Öffentlichkeit Befürchtungen auf, man wolle die eben einsetzenden Preissenkungen auf dem Gebiet der Treibstoffe fiskalisch wieder auffangen. Ich glaube, daß es auf Grund des zu erwartenden höheren Mineralölsteueraufkommens auch ohne Belastungen der Verkehrsallgemeinheit möglich ist, die Mittel für den größten Teil dieses Finanzierungsprogramms aufzubringen. Auf alle Fälle müßten aber, bevor man dem kleinen Verkehrsträger neue Lasten aufbürdet, in erster Linie jene Verkehrsteilnehmer um einen Straßenobolus angegangen wer-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1881
Drachslerden, die das größte wirtschaftliche Interesse an guten Straßen haben, die auf der Straße und von der Straße leben. Die Treibstoffgesellschaften z. B. müßten doch, wenn man mit ihnen ernsthaft redet, in ihrer Kalkulation eine Möglichkeit haben, einen oder mehrere Straßenbaupfennige abzuliefern. Ich könnte mir auch vorstellen, daß die Verkehrswirtschaft Bereitwilligkeit für weitere Opfer aufbringen würde, wenn man ihr bald in der Frage der Maße und Gewichte entgegenkommen könnte, wenigstens Gewißheit verschaffen könnte.Eines steht fest: Die Lasten im Verkehr müssen anteilmäßig auf die Nutznießer der Verkehrseinrichtungen verteilt werden und dürfen nicht jedem Verkehrsteilnehmer ohne Unterschied aufgelastet werden. Eine allgemeine Kostenerhöhung für Treibstoffe würde den kleinen Moped- oder Goggomobilfahrer in den Verkehrsprovinzen des Bundesgebiets genauso hart treffen wie den Großwagen-Besitzer auf der schönen Autobahn.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Drachsler, haben Sie uns eben mit der Nachricht überrascht, daß Sie beabsichtigen, neue Steuererhöhungen einzuführen, um den Straßenbau zu finanzieren? Würden Sie uns sagen, an welche Höhe Sie bei diesen Steuererhöhungen denken?
Ich habe gerade das Gegenteil gesagt. Ich bitte die Regierung, unter allen Umständen jede andere Finanzierungsmöglichkeit auszuschöpfen, bevor man der Allgemeinheit der Verkehrsteuerzahler zumutet, tiefer in die Taschen zu greifen, um den Straßenbau zu finanzieren. Unser Programm sieht eine Summe bis zu 7 Milliarden DM vor. Vorsichtige Schätzungen besagen bereits — vielleicht sind es allerdings Schätzungen von einseitig interessierter Seite —, daß es möglich wäre, in diesem Zeitraum von vier Jahren aus der Mineralölsteuer ein Aufkommen von 7017 Millionen DM zu erzielen. Dann wären wir — in die Zukunft kann niemand sehen — aus den Schwierigkeiten größtenteils heraus.
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Herr Kollege Drachsler, denken Sie an Anleihen, die von den betreffenden Industriezweigen aufzunehmen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Man könnte jetzt auch im Unterschied zu früheren Debatten in diesem Hause an den Kapitalmarkt denken, weil die Situation auf dem Kapitalmarkt wesentlich günstiger ist als zuzeiten der Debatten im Jahre 1956 oder 1957. Das bleibt eben der Phantasie der Regierung überlassen. Ich jedenfalls würde eine Steuererhöhung als einfallslos und ideenlos bezeichnen, weil sie der leichteste Weg ist.
Der Ausbau der Bundesstraßen sollte möglichst gleichrangig sein. Es sollte nicht vorkommen, daß in
Gebieten unserer Bundesrepublik der Eindruck entsteht, es gebe Bundesstraßen 1., 2. und 3. Ordnung. In der Tat ist es leider so. Wir haben noch Bundesstraßen ohne Teerdecke. Sie sind nicht entstaubt. Die Benutzer dieser Straßen müssen aber die gleichen Straßenverkehrslasten tragen wie die anderen. Ich darf Sie z. B. an die Bundesstraße 299 erinnern oder an die Bundesstraße 15, die heute noch museale Kennzeichen trägt, die nicht entstaubt und ohne jede Teerdecke ist. Hier müßte man also dem Prinzip der Gleichmäßigkeit nachkommen, um zunächst wenigstens diese kleinen Verkehrsadern den großen Strängen und Ästen des Bundesverkehrs anzugleichen.
An sich haben wir — das muß hier festgestellt werden — in Deutschland ein zufriedenstellendes, durchgehendes Autobahn- und Fernstraßennetz. Wer das nicht anerkennen will, der frage bitte die vielen Touristen, die vom Ausland nach Deutschland kommen und uns um dieses Straßennetz beneiden.
Nicht so sehr der flüssige Ablauf bei der Entfernungsüberwindung ist das Problem; die Probleme des Verkehrs liegen mehr dort, wo der Verkehrsstrom in die Städte und die Gemeinden einmündet. Hier heißt es die Probleme lösen, hier heißt es den Gemeinden und Städten helfen, vor allem jenen Gemeinden und Städten, die in industriearmen Gebieten liegen, wo das schlechte Steueraufkommen keine Finanzierungsmöglichkeiten bietet. Ich denke hier vor allem an das Grenzland- und Sanierungsgebiet. Man müßte darauf bedacht sein, dort die Straßen auszubauen, damit jene Grenzlandmittel, die für den Fremdenverkehr gegeben werden, auch zu ihrer Wirkung kommen, damit die Touristen auch in diese Gebiete hinfahren können, die der Bund fördern will. An die Länder- und Bundesbehörden ist zu appellieren, die ihnen zur Verfügung gestellten Mittel auch rechtzeitig zu verplanen, damit es nicht wie in diesem Jahr vorkommt, daß ein Teil der Haushaltsmittel nicht verbraucht werden kann. Ich glaube, es ist eine gute Sache, wenn man diesem Behördenapparat dadurch zu Hilfe kommt, daß man freie Ingenieurbüros und freiberufliche Kräfte in die Straßenbauplanung einbezieht. Auch diesem Bestreben ist haushaltsmäßig Rechnung getragen worden.
Zusammenfassend möchte ich sagen, daß im großen und ganzen im Straßenbau in den letzten Jahren Anerkennenswertes geleistet worden ist. Man muß den zunehmenden Verkehr Zug um Zug bewältigen und auch diesen Teil unserer staatlichen Aufgaben mit Maß und Ziel ohne übermäßige Belastung des Steuerzahlers lösen.
In dieser Anerkennung des Geleisteten liegt zugleich die Vorstellung von ,dem, was noch getan werden muß; nicht nur das Wissen, daß noch vieles zu tun ist, sondern auch der Wille, es zu tun.
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Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
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1882 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst sagen, daß mir der heutige Tag und die zeitlichen .Beschränkungen, unter denen das Hohe Haus steht, nicht geeignet erscheinen, auf alle die Probleme einzugehen, die hier mit Recht angeschnitten worden sind. Ich möchte aber doch zunächst den Dank meiner Mitarbeiter und meinen eigenen Dank an die Herren Berichterstatter aussprechen, insbesondere an den bewährten Berichterstatter unseres Haushalts, Herrn Kollegen Ritzel, der gemeinsam mit Herrn Kollegen Conring auch in diesem Jahr wieder die sehr schwierige Problematik unseres Haushalts mit uns durchleuchtet und, wie ich sagen darf, hier in sehr klarer und guter Weise vorgetragen hat. Es tut uns richtig gut, hier auch einmal zu spüren, daß unsere Arbeit natürlich nicht immer in vollem Maße gebilligt werden kann, aber doch in ihrem Streben Anerkennung durch gemeinsame Regelungen und auch durch wertvolle Vorschläge findet.Ich möchte nur zu einigen Fragen, die hier aufgeworfen worden sind und die der Beantwortung bedürfen, Stellung nehmen.Ich darf an folgendes erinnern: Im Jahre 1957 hat die Bundesrepublik mit ihren Gesamtausgaben für den Straßenbau unter allen Ländern der Welt an dritter Stelle hinter den Vereinigten Staaten und Kanada gestanden, also vor allen übrigen Ländern Europas. Das ist doch eine Sache, deren wir — und auch das Hohe Haus — uns auch einmal rühmen dürfen; denn es zeigt, daß die wachsenden Mittel, die zur Verfügung gestellt worden sind, auch im Vergleich mit anderen und größeren Ländern durchaus angemessen erscheinen.Die Schwierigkeiten, die wir haben, liegen nicht nur in der Planung. Hier können wir uns mit Ingenieurbüros helfen und haben uns auch geholfen. Die Schwierigkeiten liegen — darauf habe ich auch schon früher hingewiesen — in der Bauvorbereitung, d. h. in den Arbeiten, die zwischen Planung und Baubeginn liegen, insbesondere dem Grundstückserwerb, der Planfeststellung und all den Schwierigkeiten, die dabei in einem Rechtsstaat zu überwinden sind und die sich besonders dort ergeben, wo Umgehungsstraßen oder Stadt- und ortsnahe Arbeiten auszuführen sind. Ich bitte, doch Verständnis dafür zu haben, daß die Rechtlichkeit und Gerechtigkeit, die hier auch den Betroffenen gegenüber angewendet werden muß, natürlich zu einer gewissen Verzögerung in manchen Arbeiten führt. Dabei möchte ich keineswegs sagen, daß sich die Länder, die diese Aufgaben durchführen, ihnen nicht mit großem Interesse und großem Fleiß widmen. Ich würde allerdings wünschen, man könnte ihnen für diese Bearbeitungen mehr Mittel aus dem Straßenbauhaushalt zur Verfügung stellen.Wenn der Straßenbauplan, der 1956 verkündet worden ist, von mir nicht als Zehnjahresplan, sondern von Anfang an als ein Plan zu Abschnitten von vier Jahren gekennzeichnet wurde, so hängt das eben damit zusammen, daß wir für die Bauvorbereitungen immer mindestens ein Jahr rechnen müssen und daß wir im großen Sinne ein Jahr für Kunstbauten, ein Jahr für Erdarbeiten und ein Jahrfür Decke und Restarbeiten aufwenden müssen, um ein größeres Straßenbauvorhaben durchzuführen.Ich darf dem Herrn Kollegen Ritzel noch sagen, daß dieser Straßenbauplan Moped- und Radwege in einem sehr erheblichen Umfange vorsieht, so daß, wenn er durchgeführt sein wird, diese Wege auch überall dort, wo sie notwendig sind, angelegt sein werden. Wenn Sie auf Ihren Fahrten einmal freundlicherweise darauf achten, dann werden Sie sehen. daß wir uns bemühen, gerade dort, wo der Ausflugsverkehr stärker ist, oder in der Nähe der Städte diese Art Wege einzubauen. Ebenso sind die Fremdenverkehrsstraßen im Straßenbauplan enthalten. und ich hoffe, daß sie sich im Rahmen dieses Bauplanes im Interesse der Fremdenverkehrsbetriebe und der Fremdenverkehrsindustrie gerade auch abgelegener Gegenden werden durchführen lassen.Dann ist hier sehr eingehend auch von der Bundesbahn und von der Lücke in der sogenannten Auftragsfinanzierung gesprochen worden. Die Bundesbahn hat in diesem Jahr mit 1,7 Milliarden DM das höchste Auftragsvolumen ausgelegt, das sie seit dem Jahre 1949 hatte. Dieses Auftragsvolumen ist achtmal so groß wie das, das wir im Jahre 1950 hatten. Wir hoffen, daß wir dieses Auftragsvolumen werden erfüllen können. Die Deckung ist bis auf die von Herrn Kollegen Ritzel und auch Herrn Kollegen Dr. Bleiß bereits dargelegte Lücke erfolgt. Ich hoffe, daß wir im Laufe dieses Jahres, wie auch in früheren Jahren, die Möglichkeit finden werden, auch den Rest zu decken. Es ist natürlich sehr schwer, ein so großes Bauvolumen wirklich durchzuziehen, besonders wenn es in einer Zeit kommt, wo gewisse Mindereinnahmen durch Verhältnisse eintreten, die außerhalb der Bundesbahn liegen und von ihr vorher nicht berücksichtigt werden konnten.Die Bundesbahn ist verpflichtet, den Verkehr aufrechtzuerhalten, und mußte sich deswegen, als ihr Zuteilungen aus dem deutschen Kohlenaufkommen nicht in genügendem Maße zur Verfügung gestellt werden konnten, nach den früheren Planungen Mittel verschaffen, um den Kohlenbedarf aus dem Ausland zu decken. Das ist geschehen. Sie hat aber Maßnahmen getroffen, um diesen Kohlenbedarf nach Möglichkeit auf später zu verschieben. Sie ist in bezug auf die Kohlenvorratshaltung sehr weit gegangen; sie hat jetzt ungefähr 900 000 t in Vorrat — gegenüber normal 200 000 t —, und damit sind ihre Möglichkeiten in dieser Hinsicht erschöpft.Herr Kollege Dr. Bleiß hat dann nach den Hilfsmaßnahmen für die Seeschiffahrt gefragt. Ich darf ihn darauf hinweisen, daß das Hohe Haus in der vorigen Woche im Rahmen der Verabschiedung der Steuergesetze solche Hilfsmaßnahmen beschlossen hat und daß wir zunächst einmal abwarten wollen, in welcher Weise sich das auswirkt. Man kann natürlich auch nicht wissen, ob die weitere Entwicklung der Ratenlage, die ja von den internationalen Verhältnissen abhängt, noch weitere Maßnahmen erforderlich machen wird. Zur Zeit hoffen wir, daß wir mit den beschlossenen Maßnahmen auskommen werden.Es ist weiter nach dem Gesetzentwurf über den Kostenvergleich bei den Verkehrsträgern gefragt
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1883
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohmworden. Ich darf Ihnen mitteilen, daß dieser Gesetzentwurf fertig und kabinettsreif ist, daß es aber vorher gewisse Schwierigkeiten gemacht hat, ihn wirklich so abzustimmen, wie wir es gern wollten.Der Herr Abgeordnete Ritzel hat dann nach einer Veröffentlichung gefragt, die sich auf die Angelegenheit Geesthacht bezieht. Ich darf ihm dazu folgendes sagen. Nachdem diese Frage im Haushaltsausschuß behandelt worden war, hat zwei Tage später eine Kabinettsitzung stattgefunden. In dieser Kabinettsitzung ist die Frage noch einmal, und zwar mit Rücksicht auf die Situation Berlins und auf die Situation der betroffenen Schiffahrtskreise, behandelt worden, und es ist dort ein Beschluß gefaßt worden, der die Stellungnahme der Bundesregierung, wie sie vorher im Haushaltsausschuß vorgetragen wurde, geändert hat. Darüber ist dann durch das Presse- und Informationsamt eine Mitteilung an die Presse ergangen.Ich glaube, ich kann mich auf diese Antworten auf die Fragen beschränken. Ich darf nur noch das eine bemerken. Man sollte, wenn man von der Genfer Konvention spricht, bezüglich der Abmessung der Lastkraftwagen nicht vergessen, daß diese Genfer Konvention sich zur 84-Achse und nicht zur 10-t-Achse bekennt und daß das sogenannte Europäische Zusatzabkommen im Jahre 1952 sanft entschlafen ist, weil es nicht die nötige Zahl von Unterzeichnern gefunden hat. Wir sind in all diesen Fragen sehr bemüht, uns mit den entsprechenden Stellen im In- und Ausland zu unterhalten. Man muß hier aber auch feststellen, daß unsere beiden Nachbarländer Schweiz und Österreich nicht bereit sind, sich auf diese sogenannten „Genfer Maße" einzustellen, so daß also keineswegs eine allgemeine Übereinstimmung besteht.Und noch eines darf ich sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir haben vor vier Jahren eine Enquete über die Notwendigkeiten der Reparaturen an unseren Autobahnen gemacht, und zwar an jenen Autobahnstrecken, die vor dem Kriege gebaut worden sind. Damals belief sich der Reparaturbedarf auf etwa 300 Millionen DM. Wir haben in der Zwischenzeit weit über 100 Millionen DM in diese Reparaturen gesteckt. Sie kennen ja die Schwierigkeiten, die durch die Ausführung solcher Reparaturen entstehen. Eine neue Enquete hat uns jetzt gezeigt, daß der Reparaturbedarf trotz unserer Bemühungen in den letzten Jahren auf 600 Millionen DM hinaufgeschnellt ist, und wenn ich es auf eine längere Zeit erstrecke, sogar auf 1300 Millionen DM in etwa 6-8 Jahren. Wie wir dieses Problem meistern können, insbesondere ohne dem Verkehr nennenswerte Störungen durch große Streckensperrungen zuzumuten, ist eine Angelegenheit, die uns sehr ernste Sorge macht. Aber eines kann ich dabei jedenfalls sagen: die Zerstörungen an den Autobahnen sind nicht durch die Personenkraftwagen oder durch die Motorräder erfolgt.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen. Die Änderungsanträge sind bereits erledigt. Von dem Antrag des Ausschusses ist die Ziffer 2 erledigt. Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 1 des Antrages des Ausschusses, Drucksache 463,
den Entwurf des Einzelplans 12 mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt V Ziffer 2 der Tagesordnung:
Einzelplan 01 - Bundespräsident und Bundespräsidialamt .
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Rösch.
— Die Berichterstatterin verzichtet auf den Bericht. Ich danke ihr namens des Hauses.
Ich eröffne die Debatte. Anträge liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Der Antrag geht dahin, den Entwurf des Einzelplans 01 mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen. Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt V Ziffer 3:
Einzelplan 02 — Deutscher Bundestag .
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Rösch.
— Die Berichterstatterin verzichtet. Änderungsanträge liegen auf den Umdrucken 94, 93 und 108 vor.
Ich rufe zunächst den Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 94 auf. Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schlagen Ihnen hier eine Kürzung des Ansatzes, den der Etat ausweist, um 55 000 DM vor. Aus dem Bundeshaushalt werden so zahlreiche Konferenzen finanziert, daß wir Veranlassung sehen, etwas zu bremsen. Hier wird ebenfalls wieder für eine neue, private Angelegenheit — NATOParlamentarier-Konferenz — der Bundeshaushalt beansprucht. Aus der Gesamtsumme von 1 Million DM in Kap. 02 01 Tit. 309 sollen hierfür 55 000 DM bewilligt werden. Wenn diese 55 000 DM eingespart werden — wozu jede Veranlassung vorliegt —, können wir den Titel mit 945 000 DM verabschieden.Ich möchte Sie herzlichst bitten, hier einmal zu demonstrieren, daß das Hohe Haus gewillt ist, der
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1884 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
RitzelSeuche der vielen, viel zu vielen Konferenzen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, ein Paroli zu bieten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr rufe ich den Änderungsantrag auf Umdruck 93 auf. Es ist ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen, nach dem in Kap. 02 01 ein neuer Tit. 311 eingefügt werden soll. Wird dieser Antrag begründet? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur wenige Worte zur Erläuterung für diejenigen, die nicht Mitglieder der Parlamentarischen Gesellschaft sind. Erfreulicherweise hat sich die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft so gut entwickelt, daß sich die Benutzung ihres Hauses auf das Dreifache gesteigert hat. Infolgedessen traten gewisse Erschwernisse in der Bewirtschaftung des Hauses ein. In der Zwischenzeit sind von dpa, der Mitmieterin des Hauses — das Haus befindet sich in Bundeseigentum — Versuche gemacht worden, einige Räume zu bekommen, um die notwendige technische Erweiterung durchzuführen. Diese Verhandlungen sind leider nicht so aussichtsreich, daß wir mit einem guten Abschluß rechnen können. Infolgedessen hat sich die Notwendigkeit eines kleineren Erweiterungsbaues ergeben.
Ich glaube, die Mitglieder der Parlamentarischen Gesellschaft dürfen guten Gewissens für sich dasselbe verlangen, was wir für jeden Kantinenbau eines Ressorts oder für ähnliche Dinge anderen ebenfalls bewilligen. Ich bitte um Annahme dieses Antrages.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich den Herrn Antragsteller fragen, ob sich die Abschlußsumme dadurch ändert?
Danke schön! — Wird das Wort hierzu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 93. Wer diesem soeben von Herrn Kollegen Dr. Vogel begründeten Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Änderungsantrag Umdruck 108, gestellt von sämtlichen Fraktionen, in Kap. 02 01 den Tit. 874 anders zu fassen. Wird dieser Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein paar Worte zu diesem interfraktionellen Antrag, den ich im Namen aller Fraktionen des Bundestages begründe. Im Jahre 1954 hatte der Bundestag auf meinen Antrag Mittel bereitgestellt, um den Volksbüchereien und Volkshochschulen vor allem in Mittel- und Kleinstädten das amtliche Handbuch des Deutschen Bundestages zur Verfügung zu stellen. Diese Mittel sind damals aus dem Dispositionsfonds Tit. 300 des Presse- und Informationsamts genommen worden. Wir sind nun der Meinung, daß es für die dritte Wahlperiode sinnvoll ist, in der Sache das gleiche zu tun, aber die Mittel im Einzelplan 02 auszuwerfen.
Bei der Beratung im Haushaltsausschuß habe ich mangels richtiger Unterlagen einen zu niedrigen Ansatz beantragt. Die Ermittlungen beim Deutschen Büchereiverband, beim Verband der Volkshochschulen und bei den in Frage kommenden Verbänden haben jetzt ergeben, daß die Summe zu klein ist. Wir schlagen deswegen vor, 18 000 Exemplare des Handbuchs für Volkshochschulen und Volksbüchereien nach einem besonderen Abkommen mit dem Verlag für 185 400 DM und 3000 Exemplare des Kürschnerschen Volkshandbuchs Deutscher Bundestag, das für Leiter von Jugendgruppen beim Besuch des Bundestags ausgegeben werden soll, für 9600 DM zu beschaffen, so daß sich der Ansatz im Tit. 874 um 95 000 DM erhöht. Er gilt für die ganze dritte Wahlperiode, steht deshalb unter „Einmalige Ausgaben". Ich bitte im Namen aller Fraktionen, dem Antrag zuzustimmen.
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Sie haben die Begründung gehört. Wird das Wort noch weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Debatte hierzu. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 108, dessen Begründung soeben erfolgt ist, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit sind die Änderungsanträge zu diesem Einzelplan erledigt. Ich frage, ob in dem Rahmen, der durch die Geschäftslage gegeben ist, das Wort zu allgemeinen Ausführungen gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Generaldebatte.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt vor der Antrag des Ausschusses auf Drucksache 447, den Entwurf des Einzelplans 02 in der anliegenden Fassung anzunehmen. Der Antrag muß jetzt lauten: den Entwurf des Einzelplans in der anliegenden Fassung einschließlich der eben beschlossenen Änderungen anzunehmen. Wer diesem so formulierten Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 03 — Bundesrat .
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Schild; ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der ersten Beratung des Haushaltsplans im 3. Deutschen Bundestag habe ich darauf hinzuweisen, daß ein ungeschriebenes Gesetz, eine traditionelle Gepflogenheit, in dem Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesrat und
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1885
Dr. Schildumgekehrt besteht, die vorgelegten Haushaltspläne gegenseitig anzuerkennen. Das ist in diesem Haushaltsplan überwiegend geschehen. Der Haushaltsausschuß hat sich auch in diesem Jahr grundsätzlich auf den in den früheren Jahren vertretenen Standpunkt gestellt, d. h. der Etat des Bundesrats ist durch den Haushaltsausschuß im Mündlichen Bericht Drucksache 460 im wesentlichen so vorgeschlagen, wie ihn der Bundesrat gewünscht hat. Eine einzige Ausnahme ergibt sich aus dem Generalprinzip der Haushaltsberatungen im Jahre 1958'59, aus dem Überrollungsprinzip, daß nämlich auch für den Bundesrat die Stellenhebungen wie bei allen Einzelplänen der Ministerien vom Haushaltsausschuß nicht bewilligt worden sind. Ich muß dabei erwähnen, daß in der Abstimmung eine erhebliche Minderheit bereit war, mit Rücksicht auf das Form-und das Stilprinzip, das wir bislang in diesem Hohen Hause gegenüber dem Bundesrat eingenommen haben, diese Stellenhebungen zu bewilligen. Ich habe aber als Berichterstatter dieses Haushaltsplans den Antrag des Haushaltsausschusses zu vertreten und Sie zu bitten, die Regierungsvorlage mit den Änderungen nach Drucksache 460 anzunehmen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 03: Antrag des Ausschusses, den Entwurf des Einzelplans 03 mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsumme, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen. Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.—
Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt V Ziffer 7:
Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie schon im 2. Deutschen Bundestag teilt sich die Berichterstattung über den Einzelplan 06, Bundesinnenministerium, entsprechend der Aufteilung im Ministerium selbst in einen Bericht für den Geschäftsbereich Staatssekretär I und in einen Bericht für den Geschäftsbereich Staatssekretär II. Ich habe Ihnen den Bericht für den Geschäftsbereich Staatssekretär I vorzutragen; Herr Kollege Brand wird dann den weiteren Bericht erstatten. — Bevor ich auf die einzelnen Kapitel des Geschäftsbereichs I eingehe, erscheint es mir notwendig, einen kurzen Überblick über die Ausgabenentwicklung dieses immerhin großen Ministeriums zu geben.Der Regierungsentwurf sah einen Ausgabebedarf von 731 095 900 DM vor; gegenüber 1957 ein Mehrbetrag von 31 257 400 DM. Dabei ist aber besonders darauf hinzuweisen, daß der bis zum Rechnungsjahr 1957 beim Einzelplan 06 ausgebrachte Bundesjugendplan mit 62 300 000 DM vom Rechnungsjahr 1958 an im Einzelplan 29, im Familienministerium, veranschlagt ist und daß das Bundesinnenministerium den bisher bei Einzelplan 27 ausgebrachten Ansatz zur Förderung gesamtdeutscher Aufgaben der deutschen Hochschulen in Höhe von ursprünglich 2 Millionen DM vom Rechnungsjahr 1958 an in seinen Einzelplan übernimmt. Der tatsächliche Mehrbedarf gegenüber dem Rechnungsjahre 1957 beträgt demnach 91 557 400 DM. Dieser Mehrbetrag entfällt im großen und ganzen hauptsächlich auf die allgemeinen Bewilligungen, auf den zivilen Bevölkerungsschutz und auf den Bundesgrenzschutz. Nach den vom Haushaltsausschuß vorgeschlagenen Veränderungen ergibt sich eine Ausgabenminderung von 2 879 900 DM.Nach diesem Gesamtüberblick nun kurz die einzelnen Kapitel. Zunächst das Kap. 06 01, das Bundesinnenministerium selbst.Die wichtigste Veränderung in diesem Kapitel liegt im Personaltitel. Durch Übertragung von Planstellen für die Durchführung des Bundesjugendplans auf ,den Einzelplan 29 und einige geringfügige Veränderungen bei anderen Kapiteln haben wir einen Abgang von 24 Beamten und 23 Angestellten. Des weiteren fallen 32 Beamtenplanstellen und die Ansätze für 4 Angestellte und 7 Arbeiter nach den Vorschlägen des Bundesinnenministeriums auf Grund eines neuen Gutachtens des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung weg. Der Haushaltsausschuß hat sich dem soeben erwähnten Gutachten des Bundesbeauftragten im wesentlichen angeschlossen. Nur für die verantwortliche Leitung des zivilen Bevölkerungsschutzes im Ministerium glaubte er, in Anbetracht der außergewöhnlichen Schwierigkeit und ,der großen Bedeutung dieser Aufgabe im Gegensatz zur Ansicht des Bundesbeauftragten auf eine Ministerialdirektorstelle nicht verzichten zu können.Den genannten Abgängen an Personal steht ein Zugang von 29 Beamten, 10 Angestellten und 1 Arbeiter gegenüber, und zwar auf Grund der Übertragung ,dieser Stellen aus dem Bundesfinanzministerium für idie Unterabteilung „Öffentliches Dienstrecht". Das Gesamtpersonalsoll im Einzelplan 06 Kap. 01 verringert sich somit um insgesamt 50 Stellen.Kap. 06 09, Bundesamt für Verfassungsschutz! Nach längerer vertraulich geführter Aussprache entschloß sich der Haushaltsausschuß, die Stellenvermehrungen nach der Regierungsvorlage anzuerkennen. Es handelt sich um 58 neue Beamtenstellen und um 12 neue Stellen für Arbeiter. Darüber hinausgehende Stellenhebungen wurden entsprechend dem grundsätzlichen Überrollungsbeschluß des Haushaltsausschusses abgelehnt. Alle anderen Titel wurden nach ,dem tatsächlichen Bedarf mit den Ansätzen für das Rechnungsjahr 1958 gebilligt.Kap. 06 10, Bundeskriminalamt! Nach dem Personalstand Ides Jahres 1957 hat das Bundeskriminalamt 370 Beamte, 186 Angestellte und 35 Arbeiter. Auf Grund dieses beachtlichen Personalstandes ging der Berichterstatter wie der Haushaltsausschuß zunächst davon aus, daß dieses Kapitel entsprechend dem berühmten Überrollungsbeschluß schnell be-
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1886 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Niederalthandelt werden könnte. Leider ließ sich 'das nicht durchführen. Die Bundesregierung berichtete nämlich dem Haushaltsausschuß sehr eingehend über die ständige Zunahme der Anzahl der bekanntgewordenen Straftaten. Danach ist — um nur einige Beispiele zu nennen — die Häufigkeitsziffer aller erfaßten Straftaten, id. h. der Anfall van Straftaten je 100 000 Einwohner, von 1953 bis 1957 um 7,9 % gestiegen. Allein die Steigerung bei schwerem und einfachem Diebstahl beträgt von 1953 bis 1957 25,2 %. Ganz besonders hebt sich die Steigerung der Häufigkeitsziffer im Fahrzeugdiebstahl heraus; sie beträgt von 1953 bis 1957 272,4 % und allein von 1956 auf 1957 80,3 %. Die Aufklärungsziffer ist dieser Steigerung der Straftaten leider nicht gefolgt. So sind allein in den letzten fünf Jahren, von 1953 bis 1957, insgesamt 2 262 452 Straftaten unaufgeklärt geblieben. Bei der Unterteilung der Täter nach Altersklassen entfallen 1957 auf Jugendliche von 14 bis 21 Jahren 23,6 % gegenüber 17,8 % im Jahre 1954. Unter dem Eindruck dieser Zahlen hat ,der Haushaltsausschuß die Stellenmehrforderungen von 15 Beamten, 11 Angestellten und 6 Arbeitern mit Ausnahme ,der nicht tariflich bedingten Stellenhebungen der Regierungsvorlage entsprechend gebilligt, zumal da die Personalmehrforderungen noch unter den vom Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung seinerzeit festgelegten Schlüsselzahlen liegen.Kap. 06 19, Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz. Der Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz liegt dem Hohen Hause vor. Damit die einheitliche Bearbeitung der dem Bundesamt zufallenden Aufgaben schon jetzt möglich ist, hat der Bundesminister des Innern durch Erlaß die Bundesdienststelle für zivilen Bevölkerungsschutz errichtet. In ihr sind zusammengefaßt die Bundesanstalt für technisches Hilfswerk, bisher Kap. 06 19, Luftschutzwarndienst, bisher Kap. 06 21, und die Bundesanstalt für zivilen Luftschutz, bisher Kap. 06 22.Nachdem der Haushaltsausschuß festgestellt hat, daß alle Personalforderungen und der Stellen- und der Organisationsplan des künftigen Bundesamtes mit dem Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung abgestimmt und die tatsächlich neuen Stellen vorerst gesperrt sind, wurden die Personaltitel mit den Ansätzen für 1958 gebilligt. Es handelt sich insgesamt um folgende Zugänge: 33 Beamtenstellen, 107 Angestelltenstellen und 21 Arbeiterstellen. Die übrigen Titel wurden durchweg mit den Ansätzen des Jahres 1958 genehmigt, zumal da diese bei den einmaligen Ausgaben niedriger sind als im Vorjahre.Kap. 06 20. Allgemeine Bewilligungen für den zivilen Bevölkerungsschutz. Der Mehrbedarf gegenüber dem Rechnungsjahr 1957 von 18 840 000 DM dient der Durchführung von Maßnahmen, die auf dem Ersten Gesetz über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung vorn 9. Oktober 1957 und auf dem Luftschutzprogramm der Bundesregierung beruhen. Ich brauche die Einzelheiten nicht aufzuführen und kann auf die Vorlage verweisen. Die Ansätze in Kap. 06 20 wurden nach eingehender Beratung der Regierungsvorlage entsprechend vom Haushaltsausschuß gebilligt. Bei Würdigung der Höhe der Ansätze wurde besonders berücksichtigt — darauf mache ich ausdrücklich aufmerksam —, daß bei allen Ansätzen noch erhebliche Reste aus den Vorjahren, und zwar insgesamt rund 100 Millionen DM, zur Verfügung stehen.Kap. 06 24 kann ich übergehen und komme damit gleich zu Kap. 06 25, Bundesgrenzschutz. Der Mehrbedarf des Bundesgrenzschutzes im Rechnungsjahr 1958 ist außer durch zwangsläufige Erhöhungen wie im Vorjahre durch die geplante Wiederauffüllung auf 20 000 Mann bedingt. Das Personalsoll hat sich nicht erhöht, jedoch sind bei den Polizeivollzugsbeamten und bei den Sanitätsoffizieren aus der Angleichung an die durch das Bundesbesoldungsgesetz geschaffenen Stellenbewertungen Änderungen erforderlich geworden. Durch weiteren Zugang von Unterkünften haben sich die Sachausgaben teilweise erhöht, ebenso war eine Erhöhung der Allgemeinen Ausgaben hei den Übungskosten, hei der Berufsförderung der jetzt ausscheidenden Beamten und für Nachwuchswerbung unvermeidbar. Erstmals erscheinen Titel zur Gewährung von Darlehen bzw. Zuschüssen als Finanzhilfe zu Aufschließungsmaßnahmen und Folgeeinrichtungen besonderen Umfangs bei Bauvorhaben sowie zum Ausbau öffentlicher Verkehrseinrichtungen im Interesse des Bundesgrenzschutzes. Die hierfür veranschlagten Mittel belaufen sich auf 6,7 Millionen DM und fließen, soweit es sich um Darlehen handelt, später wieder den Einnahmen zu. Der Mehrbedarf bei den Einmaligen Ausgaben ist vornehmlich für die Herrichtung vorhandener Unterkünfte, den Grunderwerb und die Neubauten sowie für die erstmalige Anschaffung von Waffen und Gerät als Ersatz für das, welches seinerzeit an die Bundeswehr abgegeben wurde, bestimmt.Der Haushaltsausschuß hat nach eingehender Erörterung mit kleinen Änderungen die Ansätze der Regierungsvorlage für 1958 gebilligt. Die bei einzelnen Titeln der Allgemeinen und Einmaligen Ausgaben vorgesehenen Bindungsermächtigungen wurden allerdings vom Haushaltsausschuß unter Hinweis auf § 45 b Abs. 1 der Reichhaushaltsordnung gestrichen.Bei Kap. 06 26 lag ein Gutachten des Bundesbeauftragten vor, dem sich der Haushaltsausschuß anschloß.Kap. 06 33 enthält mit Ausnahme einer formellen Übertragung von zwei Beamtenstellen keine wesentliche Änderung.Damit komme ich zu dem letzten Kapitel im Geschäftsbereich des Staatssekretärs I, nämlich zur Bundeszentrale für Heimatdienst, Kap. 06 35. Die Personalmehranforderungen — eine Angestelltenstelle — und die beantragte Erhöhung der Sachausgaben wurden bis auf zwangsläufige Ausgaben im Hinblick auf den generellen Überrollungsbeschluß vom Haushaltsausschuß abgelehnt. Der beantragten Erhöhung in Tit. 300 für die Sacharbeit der Bundeszentrale für Heimatdienst um 300 000 DM wurde dagegen entsprochen. Bei den einmaligen Ausgaben wurde in Tit. 700 ein qualifizierter
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1887
NiederaltSperrvermerk beschlossen, und Tit. 872 wurde um 70 000 DM gekürzt.Damit bin ich am Ende meines Berichts. Ich darf nun den Herrn Präsidenten bitten, zur Berichterstattung für den zweiten Teil des Einzelplans 06 dem Herrn Kollegen Brand das Wort zu erteilen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Brand als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Teil des Einzelplans 06, über den ich zu berichten habe, umfaßt die allgemeinen Bewilligungen, zu denen als bedeutendste Titel die der Förderung der Wissenschaften und des wissenschaftlichen Nachwuchses, Unterstützung der Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen sowie die Bezuschussung musischer Vorhaben gehören. Die weiteren Kapitel beziehen sich u. a. auf das Bundesverwaltungsgericht und den Bundesdisziplinarhof, das Statistische Bundesamt und das Bundesgesundheitsamt, die Institute für Raumforschung und angewandte Geodäsie, die archäologischen und historischen Institute, das Bundesarchiv und die Bundesstelle für Verwaltungsangelegenheiten mit dem Bundesamt für Auswanderung.Die Behandlung der einzelnen Titel mußte in diesem Jahre im Haushaltsausschuß summarischer vorgenommen werden, als es sonst üblich ist. Ich möchte mich als Berichterstatter deshalb darauf beschränken, nur diejenigen Positionen anzusprechen, bei denen der Haushaltsausschuß in seinen Beschlüssen von der Regierungsvorlage wesentlich abgewichen ist, oder solche, bei denen mir gelegentlich der nächsten Haushaltsberatung eine sorgfältige Prüfung notwendig zu sein scheint.In Kap. 06 02 ist unter Tit. 300 der Ansatz für die Kosten der Bundestagswahl auf einen Betrag von 100 000 DM ermäßigt worden, der zur Abdekkung eines Haushaltsvorgriffs aus dem Rechnungsjahr 1957 und zur Bestreitung kleinerer Kosten dient.Unter Tit. 601 war für die Berliner Wehrmachtauskunftsstelle infolge erhöhter Dienstbezüge und Personalvermehrung gegenüber 1957 ein Mehransatz von 1 102 900 DM vorgesehen, den der Ausschuß um 200 000 DM gekürzt hat.Der Zuschuß für den Bundesverband Deutscher Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien — Tit. 611wurde gestrichen, da es sich hier nach Auffassung des Ausschusses nicht um eine echte Bundesaufgabe handelt.Bei Tit. 614 — Förderung der Wissenschaft — ist der Ausschuß bei allen Untertiteln der Regierungsvorlage gefolgt, die mit rund 108 Millionen DM um 11 Millionen DM über dem Vorjahresansatz liegt. Darüber hinaus wurden der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie dem Wissenschaftsrat Bindungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 55,5 Millionen DM eingeräumt, um diesen Institutionen langfristige Planungen zu ermöglichen.Der Bund hat die Länder im Rechnungsjahr 1957 auf Grund eines Abkommens bei ihren Verpflichtungen aus dem sogenannten Königsteiner Abkommen um 22 Millionen DM entlastet. Das Königsteiner Abkommen dient der Finanzierung von Forschungsinstituten mit überregionaler Bedeutung. Die Länder haben sich ihrerseits verpflichtet, den ersparten Betrag voll für die Förderung des technischen Nachwuchses, insbesondere für den Bau von Ingenieurschulen, zu verwenden.Zu dem 1958 unter dem entsprechenden Tit. 615 ausgebrachten und vom Haushaltsausschuß bewilligten Ansatz von 17 Millionen DM erwartet der Bundesinnenminister einen Zuschuß der Deutschen Bundespost in Höhe von etwa 5 Millionen DM, für den bei den Einnahmen ein Leertitel geschaffen wurde. Dieser Leertitel trägt einen Vermerk der Zweckbestimmung, daß die Einrichtung zur Verstärkung des Tit. 615 diene. Mit Rücksicht auf das besondere Interesse der Deutschen Bundespost an der Förderung des technischen Nachwuchses erscheint dem Haushaltsausschuß diese Veranschlagung gerechtfertigt.Der Zuschuß an die Kommission für eine Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien war unter Tit. 621 mit 95 000 DM um 3000 DM höher angesetzt worden als 1957. Der Haushaltsausschuß beschloß nach eingehender Beratung, diesen Ansatz einmalig für das Rechnungsjahr 1958 um weitere 30 000 DM mit kw-Vermerk zu verstärken.Der Ansatz zur Förderung von gesamtdeutschen Aufgaben der deutschen Hochschulen, der im Rechnungsjahre 1957 mit 2 Millionen DM im Einzelplan des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen ausgebracht war, ist vom Rechnungsjahre 1958 an in den Einzelplan 06 02 unter Tit. 626 aufgenommen worden. Der Haushaltsausschuß hat im Hinblick auf die besondere politische Bedeutung dieses Kapitels eine Erhöhung um 1 Million DM beschlossen.Die mit 450 000 DM angesetzten Mittel zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von Kulturbauten mit besonderer nationaler Bedeutung sind um 50 000 DM auf 500 000 DM erhöht worden, da aus dem Ausschuß der Wunsch geäußert wurde, auch den Wiederaufbau des Emdener Rathauses und andere Vorhaben in die Förderung einzubeziehen.Unter den allgemeinen Ausgaben des Tit. 662 zu b) sah die Regierungsvorlage für die Finanzierung von Turn- und Sportstätten 1 Million DM vor. Der Antrag eines Ausschußmitgliedes, diesen Ansatz noch einmal auf die Höhe des Vorjahres, d. h. auf 5 Millionen DM zu bringen, diesen Betrag aber unter den einmaligen Ausgaben auszuweisen, fand eine Mehrheit im Ausschuß.Den Antrag zu Tit. 961 betreffend den Umbau des Deutschen Gesundheitsmuseums in Köln hat der Ausschuß mit Rücksicht auf noch vorhandene Ausgabenreste aus den Vorjahren in Höhe von rund 500 000 DM gestrichen.
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1888 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
BrandBei der Beratung des Kap. 06 03 handelte es sich darum, ob beim Bundesverwaltungsgericht zur Aufarbeitung der rund 4000 unerledigten Restsachen ein achter Senat entsprechend der Regierungsvorlage bewilligt werden sollte. Die Mehrheit des Ausschusses konnte sich nicht entschließen, die hierfür notwendigen elf Richter und Beamten und acht Angestellten und Arbeiter zu genehmigen.Über das Kap. 06 08 — Statistisches Bundesamt — ist zu berichten, daß auf Veranlassung des Haushaltsausschusses unter Tit. 306 ein Betrag von 150 000 DM für eine Sachverständigenkommission zur laufenden Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage eingefügt und mit Sperrvermerk versehen wurde.Bei der Beurteilung der Stellenanforderungen des Bundesgesundheitsamtes hat sich der Ausschuß weitgehend den Vorschlägen des Gutachtens angeschlossen, das der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung vorgelegt hatte. Darüber hinaus hat er noch einige Verbesserungen vorgenommen, die den Empfehlungen des Gesundheitsausschusses dieses Hohen Hauses entsprechen, wenn er diesen auch nicht in vollem Umfange folgen konnte. Ohne hier im einzelnen auf die Fragen eingehen zu können, die sich aus dem weiteren Ausbau dieser wichtigen Behörde ergeben, möchte ich doch darauf hinweisen, daß bei den kommenden Beratungen sehr sorgfältig zu prüfen sein wird, wie eine wirtschaftliche Führung des Amtes im Rahmen der Aufgabenstellung und in Ansehung der Bedeutung dieses Amtes mit den Erfordernissen der ) naturwissenschaftlichen Entwicklung und der Gesetzgebung in Einklang zu bringen ist.Von dem Behandlungsgrundsatz dieses Jahres, wo eben möglich die Ansätze 1957 zu belassen, mußte bei der Bundesstelle für Verwaltungsangelegenheiten — Kap. 0615 — insofern abgewichen werden, als man nach eingehender Würdigung der Gründe für einen erhöhten Arbeitsanfall bei der Durchführung der Zweiten Novelle zum Gesetz nach Art. 131 und durch Verlagerung weiterer Aufgaben aus dem Bundesinnenministerium 4 Beamte und 38 Angestellte neu bewilligte, wovon 3 Beamten-und 9 Angestelltenstellen ,aus dem Kap. 06 01 übertragen wurden.Zu den Positionen, die bei den nächsten Haushaltsberatungen besonders zu überprüfen sein werden, gehören die Kulturmittel des Innenministeriums und des Auswärtigen Amtes, bei denen es in der Vergangenheit zu Abgrenzungsschwierigkeiten oder Kompetenzkonflikten gekommen ist. Auf Grund eines Beschlusses des Haushaltsausschusses vom 22. Februar 1956 hat der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit ein Gutachten über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Kompetenzbereichen beider Ministerien vorgelegt. Wir erwarten, daß die Auswertung dieses Gutachtens unverzüglich erfolgt, damit uns das Ergebnis bei den Beratungen des Etats 1959 vorgelegt werden kann. Eine baldige klare Entscheidung ist hier schon deshalb notwendig, weil nach unseren Informationen z. B. bei den ausländischen Zweigstellen des Archäologischen Instituts in den kommenden Jahren bedeutende In-vestitionsanforderungen für die Inbetriebnahme von Einrichtungen und den Ausbau der Baulichkeiten auf uns zukommen werden. Die Frage der Zuständigkeit muß dann a priori klargestellt werden.Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort zu den Forschungstiteln sagen. Nach den Ausführungen, die der Herr Bundesfinanzminister in seiner Etatrede vom 16. April dieses Jahres und der Herr Bundesinnenminister zwei Tage später vor dem Hohen Hause gemacht haben, werden in der Bundesrepublik von Bund, Ländern und gewerblicher Wirtschaft heute insgesamt über 2 Milliarden DM pro Jahr für Forschungszwecke aufgebracht. Das mag manchem im Vergleich zu den amerikanischen Zahlen noch zu wenig zu sein. Ich glaube aber doch feststellen zu dürfen, daß wir auch auf diesem heute als lebensnotwendig zu bezeichnenden Gebiet ein gutes Stück weitergekommen sind. Ganz gleich, wie man die absolute Höhe der Mittel bewertet, in jedem Falle sollten wir bemüht sein, sowohl unser finanzielles als auch unser geistiges Potential so wirkungssicher wie möglich anzusetzen. Bei aller Würdigung des Wertes einer konkurrierenden Forschung scheint es mir notwendig zu sein, dafür zu sorgen, daß nutzlose Doppelarbeiten vermieden werden und daß eine planmäßige Zusammenarbeit unter den bundeseigenen Forschungsinstituten und mit artverwandten fremden Instituten sichergestellt wird. Hierzu gehört eine laufende gegenseitige Orientierung über Forschungsplanung, Forschungsstand und Forschungsergebnisse.In dem Gutachten des Bundesbeauftragten über die Organisation und die Wirtschaftlichkeit des Bundesgesundheitsamtes hat der Verfasser im allgemeinen Teil grundlegende Ausführungen hierüber im Rahmen einer Betrachtung über das Verhältnis der wissenschaftlichen Forschung zum Staat und zur öffentlichen Verwaltung gemacht. Es will mir scheinen, daß hier ein beachtenswerter Versuch unternommen wurde, Klarheit in die Dinge zu bringen. In den kommenden Jahren werden wir eine Reihe von Entscheidungen über den weiteren Ausbau bundeseigener Institute und damit über Umfang und Begrenzung der dort zu leistenden Forschungsarbeit zu treffen haben. Es würde der Sache dienen, wenn man vorher gewisse grundsätzliche Fragen, wie sie in dem erwähnten Gutachten angesprochen werden, abklären und hierdurch zu einer gesicherten Ausgangsposition für unsere weiteren Beratungen kommen könnte.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir kommen nun zur Erledigung des Einzelplans. Dazu liegen 16 Änderungsanträge vor, und zwar auf den Umdrucken 96, 107, 83, 82, 57 und 80 (neu). Ich schlage Ihnen vor, hier genauso wie beim Einzelplan des Verkehrsministeriums zu verfahren, daß also zunächst die Änderungsanträge begründet werden, daß wir sie dann einzeln erledigen und daß im Anschluß daran die Generalaussprache in der Konzentration erfolgt, die sich aus der Geschäftslage ergibt. Ich darf annehmen, daß Sie damit einverstanden sind.Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 96 Ziffer 1. Ich darf noch hinzufügen, daß ich die Ände-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1889
Vizepräsident Dr. Beckerrungsanträge in der Reihenfolge der Kapitel und innerhalb der Kapitel in der Reihenfolge der Titel aufrufen werde.Zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 96 Ziffer 1 hat der Herr Abgeordnete Schmitt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat bei früheren Gelegenheiten immer wieder auf die Notwendigkeit wissenschaftlicher Ostforschung hingewiesen. Aus der Tatsache, daß wir uns in der heutigen Beratung nur mit einem der vier Institute beschäftigen, die im Bundeshaushalt — Ministerium des Innern — bezuschußt werden, ersehen Sie, daß wir hier nicht allgemein Kritik üben, sondern daß wir nur die Spreu vom Weizen sondern. Wir wollen nicht jene zweifelhaften Gestalten unterstützen, die in Wirklichkeit nur braune Antibolschewisten sind und denen jetzt die Konjunktur erhalten geblieben ist. Die deutsche Ostforschung hat eine zu lange und zu ehrwürdige Tradition, als daß sie durch solche Leute wie Herrn Koch belastet werden sollte. Ich will auch nicht in die Vergangenheit von Herrn Professor Dr. Koch im „Tausendjährigen Reich" zurückgehen und mich mit ihm beschäftigen. Er soll ja wohl mit Hilfe des Herrn Bundeskanzlers oder seiner Umgebung sehr schnell wieder in Amt und Würden gekommen sein. Ich meine aber, solche Leute ließen sich zur Not noch in den Propagandakompanien des Bundespresseamts oder des Bundeskanzleramts unterbringen; aber für eine wissenschaftliche Betätigung sind sie zweifellos ungeeignet.
Worauf gründet sich nun unsere Meinung? Wir haben mehrere Empfehlungen des Leiters des Osteuropa-Instituts, Professor Koch, durchgesehen und festgestellt, daß er Empfehlungen gibt, die mehr als zweifelhaft sind. Ich beziehe mich dabei vor allem auf seine Empfehlung des Buches von Helmut Steinberg „Marxismus, Leninismus, Stalinismus". Die angesehene Wochenzeitschrift „Die Zeit" hat sich sehr eingehend damit beschäftigt. Was Herr Professor Koch dort — wie er so schön sagt — als „für den Anfang nützlich" als Standardwerk in einem Aufsatz „Sowjetkunde als Aufgabe" empfohlen hat, ist nur ein schlecht aufgemöbeltes Stück aus Rosenbergschen Zeiten.
Man sollte deshalb mit aller Deutlichkeit sagen, daß ein Mann, der solche Bücher als empfehlenswert ansieht, die kaum verhüllt die Vergangenheit erkennen lassen, für ein solches Institut völlig ungeeignet ist.
Es gibt noch eine andere Sache. Herr Koch hat mit seinen Mitarbeitern für das Deutsche Industrie-Institut ein Sowjetbuch — Herr Dr. Hellwig ist leider nicht da; es würde ihn sicher sehr interessieren — herausgebracht. Dieses Buch hat eine große Bibliographie, und aus einer Fehlleistung in dieser Bibliographie kann man sehr deutlich sehen, wes Geistes Kind hier am Werke ist. In der Bibliographie ist ein Buch von Salomon Schwarz „The Jews
in the Soviet-Union" genannt. Dort heißt es: „Quellenstudien über Sowjetprogramme zur Lösung der Judenfrage". Lösung der Judenfrage! Meine Damen und Herren, wem das so über die Lippen geht: „Lösung der Judenfrage", der ist nicht dafür geeignet, über solche Fragen zu schreiben und heute ein Osteuropa-Institut zu leiten.
Der Herr Minister sollte sich von solchen Herren trennen im Interesse der guten und langjährigen Tradition guter deutscher Ostforschung.
Um zum Ausdruck zu bringen, daß wir das Wirken eines solchen Mannes nicht wünschen, beantragen wir daher die Streichung des im Einzelplan 06 02 Tit. 620 vorgesehnen Ansatzes und bitten um Annahme unseres Antrags.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Minister des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, den gerade gestellten und begründeten Antrag abzulehnen.
Dem Vorfall — und zwar handelt es sich um eine Angelegenheit, die im Ausschuß für Inneres bereits ausführlich behandelt worden ist — liegt folgendes zugrunde.
— Ich werde dazu Stellung nehmen.Herr Professor Koch hat in den Jahrbüchern für Geschichte Osteuropas, Neue Folge, 1957, Band 5, Heft 1 und 2, einen Artikel unter dem Titel „Sowjetkunde als Aufgabe" veröffentlicht. Angefügt ist diesem im übrigen, wenn ich recht weiß, von Ihnen gar nicht beanstandeten Artikel eine von dem Bibliothekar des Ostinstituts, Dr. Alexander Adamczyk, zusammengestellte Bibliographie,
die als „für ,den Anfänger nützlich" bezeichnet worden ist. Diese Bibliographie enthält auch den Titel einer Schrift von Helmut Steinberg: „MarxismusLeninismus-Stalinismus". Es handelt sich um eine Broschüre von ca. 100 Seiten, die im Jahre 1955 in Hamburg im Holsten-Verlag erschienen ist.An die Aufnahme dieser Broschüre in das Literatur-Verzeichnis sind nun die gegen Professor Koch erhobenen Angriffe geknüpft worden. Sie sind, soweit ich unterrichtet bin, zum ersten Male in der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit" vom 20. März 1958 — wie das gerade erwähnt worden ist — lautgeworden. In diesem Artikel der „Zeit" wird darauf hingewiesen, daß der Name Steinberg
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1890 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Bundesminister Dr. Schröderein Pseudonym ist, daß der Autor in Wirklichkeit Heinrich Härtle heißt und ,daß er die 1955 erschienene Broschüre bereits im Jahre 1944 unter dem Titel „Die ideologischen Grundlagen des Bolschewismus" veröffentlicht hat. Er wird ferner behauptet, die 1955 erschienene Broschüre unterscheide sich von ihrem Vorgänger nur dadurch, daß die antisemitischen Stellen fortgelassen worden seien.Ich habe inzwischen festgestellt, daß die im Jahre 1944 erschienene Schrift in der Tat üble antisemitische Verunglimpfungen enthält. Ich habe ferner festgestellt, daß Steinberg und Härtle dentisch sind und daß die Broschüre aus dem Jahre 1955 zu einem großen Teil aus dem im Jahre 1944 erschienenen Buch abgeschrieben ist. Antisemitische Äußerungen enthält ,die Schrift „Marxismus-Leninismus-Stalinismus" nicht. Um das ganz klarzumachen: diese Schrift von 1955 ist, wenn ich darüber richtig unterrichtet bin, nicht zu beanstanden, und nur auf diese Schrift ist hingewiesen worden. Es ist also in einem Schrifttumsnachweis auf eine Schrift hingewiesen worden, die sich sonst mit dieser Sache gar nicht beschäftigt.Inzwischen hat sich auch der Haushaltsausschuß des Bundestages mit diesem Vorgang befaßt. Der Vertreter meines Hauses hat dort die Erklärung abgegeben, daß die Bundesregierung ,den Vorfall zwar sicher bedauere, daß sie es jedoch nicht als gerechtfertigt ansehe, einem so verdienten Gelehrten wie Herrn Professor Dr. Koch und dem von ihm geleiteten Institut daraufhin die Bundeszuschüsse zu sperren. Der Haushaltsausschuß hat sich dieser Auffasung mit großer Mehrheit angeschlossen und den Antrag auf Sperrung des Bundeszuschusses, der hier gerade neu gestellt worden ist, abgelehnt.Sie sehen bereits ,aus meinem Vortrag, daß dieses Buch von Steinberg nicht in 'die Bibliographie hätte aufgenommen werden dürfen, wenn bekannt gewesen wäre, welchen Vorgänger es hat, was nicht so ohne weiteres feststellbar war, wie Sie zugeben werden. Professor Dr. Koch und auch Herr Dr. Adamczyk, der ja für die Bibliographie verantwortlich ist, haben jedoch erklärt, daß sie das Buch von Härtle nicht gekannt haben.Ich glaube, man sollte damit diese Angelegenheit als erledigt ansehen. Jedenfalls sieht die Bundesregierung sie als erledigt an.Nun ist bei der Behandlung dieser Angelegenheit im Haushaltsausschuß ein weiterer Vorwurf gegen Professor Koch erhoben worden im Zusammenhang mit Verhandlungen, die das Münchener Osteuropa-Institut mit der Bundeszentrale für Heimatdienst geführt hat. Ich habe inzwischen die Bundeszentrale zum Bericht aufgefordert. Sollte dieser Bericht die Vorwürfe bestätigen, so werde ich das Hohe Haus unterrichten.Ich möchte abschließend darauf hinweisen, daß Ministerialrat Hagelberg, der im Innenministerium zuständige Referent, Herrn Ministerialrat von Elmenau — das ist der im bayerischen Kultusministerium zuständige Herr — wenige Tage nach der Sitzung des Bundestagsausschusses für Inneres von den Vorwürfen gegen Professor Koch unterrichtethat. Eine offizielle Unterrichtung des bayerischen Staatsministeriums vor der abschließenden Beratung im Haushaltsausschuß erschien untunlich.Meine Damen und Herren! Ich bitte, aus dieser Darstellung zu ersehen, daß es nicht ganz richtig ist, wenn man an Professor Koch selbst und dem von ihm geleiteten Institut diese etwas unglückselige Geschichte mit der Bibliographie aufhängt. Ich bitte daher das Hohe Haus, den Sperrungsantrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort noch gewünscht? — Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte zu dem Antrag Umdruck 96 Ziffer 1 ist damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Streichungsantrag zu Kap. 06 02 Tit. 620 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 96 Ziffer 2. Er bezieht sich auf Kap. 06 02 Tit. 621.
Wird der Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien gehören etwa 22 oder 24 Professoren an, die vom Herrn Bundesminister des Innern berufen sind und die sowohl eigene Forschungen betreiben wie Aufgaben an wissenschaftliche Nachwuchskräfte vergeben. Die Kommission ist kein Institut, sie hat einen kleinen Apparat mit geringen Personalkosten. Die Mittel werden überwiegend für Forschungen und Drucklegungen ausgegeben. Es liegt ja bereits eine ganze Reihe von Werken vor, die diese Kommission herausgegeben hat.Die Kommission war bisher mit 90 000 DM dotiert. Sie braucht für dieses Jahr über den vorn Haushaltsausschuß bewilligten Ansatz hinaus mehr Mittel, und zwar für folgende Arbeiten. Der Kommission liegen vor die Protokolle des Hauptausschusses des Deutschen Reichtags, die Protokolle der Budgetkommission, also des Haushaltsausschusses, und die Protokolle der Sozialdemokratischen Partei, welche im Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam über das „Dritte Reich" hinübergerettet worden sind. Für die wissenschaftliche Bearbeitung dieser für die Geschichte des Parlamentarismus sehr wichtigen Dokumente sind jetzt zwei junge, tüchtige Historiker angesetzt, und die Kommission braucht in diesem Jahre wenigstens 140 000 DM. Deswegen beantragen wir, ihr 15 000 DM mehr zu geben.
Ich habe mich mit Herrn Kollegen Vogel darüber unterhalten und habe ihn zu bewegen versucht, dies zu unterstützen. Herr Kollege Vogel sagte mir, daß er aus prinzipiellen Erwägungen — Sie gestatten, daß ich das gleich sage, Herr Kollege Vogel — nicht
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1891
Dr. GülichDinge, die im Haushaltsausschuß abgelehnt worden seien, hier noch einmal erörtert sehen möchte.
- Die Größenordnung von 15 000 DM ist so außerordentlich belanglos, für die Kommission aber belangvoll,
— daß man sie hier erörtern sollte, wenn sie im Haushaltsausschuß abgelehnt worden ist. Denn der Kollege, der im Haushaltsausschuß dagegen sprach, hat zehn Minuten später, ohne rot zu werden, für Sportstättenbau 4 Millionen DM mehr beantragt; wogegen ich mich ausgesprochen habe, nicht weil ich etwas gegen den Sport hätte, sondern weil die Sportwettorganisationen seit der Währungsreform rund 500 Millionen DM für Sportstättenbau ausgegeben haben. Da handelt es sich um ganz andere Größenordnungen. Bei solchen Mitteln für wissenschaftliche Editionen, die politisch so bedeutsam sind, sollte man wirklich das Plenum an sich nicht zu bemühen brauchen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Brand.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin als Berichterstatter schon Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweisen, daß der Ansatz von Titel 621 bereits in der Regierungsvorlage gegenüber dem Ansatz im Vorjahr um 3000 DM erhöht worden war. Zusätzlich hat dann der Haushaltsausschuß noch beschlossen, den Ansatz um weitere 30 000 DM von 95 000 DM auf 125 000 DM zu erhöhen. Nach unseren Informationen ist dieser Betrag auskömmlich. Wir können uns deshalb nicht dazu verstehen, ihn jetzt, nachdem der weitere Erhöhungsantrag im Haushaltsausschuß keine Mehrheit gefunden hat, im Plenum um weitere 15 000 DM zu erhöhen. Wir bitten deshalb, den Antrag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Dann bitte ich um Begründung des Antrags Umdruck 96 Ziffer 3. Das Wort hat der Abgeordnete Lohmar.
— Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll zwischen 13 und 15 Uhr nicht abgestimmt werden. Ich werde also zunächst die Änderungsanträge begründen und darüber abstimmen lassen, dann folgt die allgemeine Aussprache.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in der Kulturdebatte am 18. April dieses Jahres über eine mögliche Ausweitung der Studienförderung auf den Kreis der Studierenden unterhalten, die nicht an wissenschaftlichen Hochschulen studieren. Nun hat am16. Juni in Bonn eine Konferenz unter dem Vorsitz von Professor Hallermann stattgefunden. An ihr waren beteiligt Vertreter des Arbeitskreises Pädagogischer Hochschulen und der berufspädagogischen Institute, Direktoren deutscher Ingenieurschulen und Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Direktoren der staatlichen Musikhochschulen. Damit gemeinsam tagten die Vertreter der im Deutschen Bundesstudentenring zusammengeschlossenen Studentenverbände. Beteiligt an der Aussprache waren auch Vertreter des Herrn Bundesinnenministers.Ergebnis dieser Tagung war ein Vorschlag zur Durchführung des sogenannten Rhöndorfer Modells, also zur Verwirklichung der Studentenförderung für die Studierenden der nichtwissenschaftlichen Hochschulen. Ich darf Ihnen zu Ihrer Information kurz sagen, daß es sich dabei um einen Personenkreis von 35 000 Ingenieurstudenten, 14 000 Studierenden an pädagogischen Bildungsstätten, 1900 Studierenden an berufspädagogischen Instituten und 7000 Studierenden an Kunstschulen, Musikhochschulen und Werkkunstschulen handelt.Die Konferenz, auf die ich eben Bezug nahm, hat errechnet, daß für die Studienförderung für diesen Kreis ein Gesamtbedarf von 11,6 Millionen DM entstehen würde, wovon durch die entsprechenden Summen im Haushalt des Atomministeriums — 1,5 Millionen DM — und durch die zu erwartenden Beiträge der Länder in Höhe von rund 5,26 Millionen DM ein wesentlicher Teil gedeckt wäre. Es blieben vom Bund und gerechnet 4,85 Millionen DM zu übernehmen.Meine Damen und Herren, ich schicke dies der Begründung unseres Antrages zu Tit. 622 voraus, weil sich daraus unser Wunsch erklärt, das Honnefer Modell und das jetzt konzipierte Rhöndorfer Modell in diesem Tit. 622 zusammenzufassen. Uns leiten hierbei einige grundsätzliche und einige praktische Erwägungen.Grundsätzlich sollte man, meinen wir, allen begabten Studierenden die gleiche Form und das gleiche Ausmaß der Studienförderung zuteil werden lassen. Hier hat sich bei der Beratung einiger anderer Einzelpläne, insbesondere bei der Beratung des Haushalts des Bundesministeriums für Verteidigung, ein Problem ergeben. Im Haushalt des Verteidigungsministeriums ist in diesem Haushaltsjahr ein Betrag von 138 000 DM für die Förderung von Ingenieurstudenten vorgesehen. Das Verteidigungsministerium hat diese Anforderung mit dem Hinweis begründet, man könne nur durch Stipendien eine hinreichend große Zahl von Nachwuchskräften dafür interessieren, in die Bundeswehrverwaltung einzutreten. Diejenigen, die aus diesen Mitteln unterstützt werden, müssen sich verpflichten, fünf Jahre im Dienste des Bundesministeriums für Verteidigung und seiner Behörden zu bleiben. Ich meine, daß dies eine unzulässige und unerwünschte Einschränkung der Freizügigkeit darstellt.
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1892 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Lohmar— Ja, aber dadurch wird's nicht richtiger.Die Frage, die wir überlegen müssen und die, soweit ich weiß, der Haushaltsausschuß bereits überlegt hat, ist die: Wie können wir zu einem allmählichen Abbau der einzelnen Studienförderungen bei vielen Ministerien und zu einer Konzentration der Studienförderung bei Tit. 622 im Etat des Bundesinnenministeriums kommen?Unser Antrag auf Erweiterung der Erläuterungen zu Tit. 622 hat das Ziel, durch einen ersten Schritt deutlich zu machen, in welcher Richtung bei den Beratungen des nächsten Haushalts diskutiert werden sollte.Lassen Sie mich bitte noch zu der Ziffer 3 unseres Änderungsantrags ein paar Bemerkungen im einzelnen machen. Wir schlagen die Anfügung eines neuen Punktes d in den Erläuterungen zu Tit. 622 vor, wonach 4 Millionen DM für die Förderung von Ingenieurstudenten bereitgestellt werden sollen. Diese Summe deckt sich in etwa mit dem, was auf der eingangs erwähnten Konferenz - Rhöndorfer Modell - errechnet worden ist.Zu Punkt c der Erläuterungen schlagen wir vor, die bisher gegebene Begrenzung auf wissenschaftliche Hochschulen wegfallen zu lassen. Auf diese Weise soll die Möglichkeit geschaffen werden, aus diesem Titel auch die Studierenden der pädagogischen Bildungsstätten zu fördern. So kommt man am einfachsten zu einer Lösung dieses Problems.Im ganzen würde die Annahme der von uns vor) geschlagenen Änderungen in Punkt c sowie die Annahme unseres Antrages auf Einfügung des neuen Punktes d bedeuten, daß wir schon in diesem Jahr weitgehend die Forderungen des Rhöndorfer Modells in die Tat umsetzen könnten und damit — was die Studienförderung anlangt — zu einer gleichen Behandlung der verschiedenen Gruppen der Studierenden gelangen würden. Ich darf noch darauf hinweisen, daß die angeforderten Mittel, die wir unter Buchstabe c eingesetzt haben, nicht unbeträchtlich hinter dem zurückbleiben, was der Verband Deutscher Studentenschaften seinerseits an Bedarf für das Honnefer Modell, also für die Studierenden der wissenschaftlichen Hochschulen, ausgerechnet hat. Der VDS hat allein für die Studierenden der wissenschaftlichen Hochschulen 48 Millionen Bedarf errechnet, während nach unserem Vorschlag in dieser Summe auch die für die Studierenden an den pädagogischen Bildungsstätten benötigten Mittel enthalten sind.Ein Schriftwechsel zwischen dem Bundesinnenministerium und der Schulbehörde der Hansestadt Hamburg in der vergangenen Woche hat gezeigt, wie dringlich es ist, hier in der Bereitstellung der Mittel großzügig zu verfahren. In Hamburg fehlen auch jetzt noch, nachdem das Bundesinnenministerium eine Restsumme von etwas über 2 Millionen zur Verfügung gestellt hat, etwa 500 000 DM zur Durchführung des Honnefer Modells.Dieser Betrag kann nach Lage der Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern nur bereitgestellt werden, wenn die Gesamtsumme für die Förderungder wissenschaftlichen Hochschulen mindestens auf 48 Millionen erhöht wird.Man sollte vielleicht in diesem Zusammenhang ein Wort darüber sagen, daß insbesondere die Hamburger Universität und die Berliner Hochschulen alles darangesetzt haben, das Honnefer Modell sachgerecht zu verwirklichen. Das läßt sich leider nicht mit dem gleichen Nachdruck und mit der gleichen Eindeutigkeit von allen Universitäten behaupten. Manche Universitäten legen eine schwer verständliche Zurückhaltung gegenüber den Leitgedanken des Honnefer und auch des Rhöndorfer Modells an den Tag.Im ganzen meinen wir, daß einzelne Mängel sowohl in der Konzeption des Honnefer wie der des Rhöndorfer Modells bestehen geblieben sind. Darüber haben wir uns in der letzten Kulturdebatte mehr im Grundsätzlichen unterhalten. Trotz dieser Vorbehalte etwa gegenüber dem Kriterium der Bedürftigkeit oder gegenüber der Methode des Darlehens wäre es nützlich, wenn wir uns zu einer gleichmäßigen Studienförderung sowohl der wissenschaftlichen als auch der sogenannten nichtwissenschaftlichen Hochschulen und ihrer Studierenden entschlössen. Wir sollten dafür einen Weg wählen, der durch die Zusammenfassung beider Gruppen von Studierenden bei Tit. 622 im Einzelplan des Bundesinnenministeriums auch eine verhältnismäßig einfache organisatorische Lösung bietet.Eine andere Frage ist die, welche Auswirkungen soziologischer und pädagogischer Art die Durchführung des Honnefer und des Rhöndorfer Modells zeigen wird. Darüber wird in einem halben oder in einem Jahr mit Sinn zu sprechen sein. Aber ich meine, wir sollten uns heute gemeinsam dazu entschließen, den Startschuß für die Studienförderung auch an den noch ausstehenden Bildungsstätten zu geben.
Wird das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Materie, die Herr Kollege Lohmar mit diesem Antrag für uns zur Diskussion gestellt hat, hat uns bereits in der Großen Anfrage der SPD sehr eingehend beschäftigt. Sie ist, glaube ich, in der Regierungserklärung und in den verschiedenen ausführlichen Beiträgen der Fraktionen so sorgfältig diskutiert worden, daß ich mich hier auf einige sehr allgemeine Ausführungen beschränken kann, die allerdings den jüngsten Stand der Entwicklung und der Verhandlungen mit berühren.Wir haben im Haushaltsansatz der Regierung und in den Empfehlungen des Haushaltsausschusses bezüglich der Mittel für das Honnefer Modell eine Ausweitung auf 38,4 Millionen DM gegenüber dem Vorjahresansatz von 33 Millionen. Diese Ausweitung ermöglicht es, daß die verbesserten Richtlinien gegenüber denen des Vorjahres zum Tragen kom-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1893
Dr. Stoltenbergmen und damit der Kreis der Empfangsberechtigten vergrößert wird. Wir glauben — ich darf mich hier auf die Ausführungen in der Debatte im April beziehen —, daß damit auf diesem Sektor das in diesem Jahr Vertretbare, Richtige und Mögliche geschehen kann. Wir haben in jener Debatte festgestellt — das möchte ich mit Nachdruck wiederholen —, daß der Engpaß heute auf dem Sektor des Honnefer Modells der wissenschaftlichen Hochschulen nicht so sehr durch die fehlenden Bundesmittel verursacht wird, sondern dadurch, daß die Länder bisher nicht im nötigen Maße Planstellen für jene wissenschaftlichen Nachwuchskräfte bewilligt haben, die für eine sinnvolle, vertretbare und produktive Anwendung dieser Mittel in der individuellen Entscheidung bei der Universität Sorge tragen.
Hier müssen die Verantwortlichkeiten klar herausgestellt werden.Der Antrag, Herr Kollege Lohmar, den Sie hier eingebracht haben, erinnert mich an die Debatte des vorigen Jahres, die ich nur aus der Presse verfolgen konnte. Damals ist von Ihrer Seite für die Studienförderung ein Betrag von 120 Millionen DM genannt worden. Ich glaube, Sie sind hei einer sorgfältigeren Betrachtung des Problems doch vorsichtiger und realistischer geworden. Aber diese Differenz zwischen dem damaligen Betrag von 120 Millionen DM und dem heutigen, wie mir scheint immer noch gegriffenen Betrag von 48 Millionen DM zeigt doch, daß man in dieser Frage nicht sorgfältig genug den wirklichen Gegebenheiten und Möglichkeiten folgen kann, wenn man nicht den Gedanken der Studienförderung jedenfalls finanzpolitisch diskreditieren will.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Stoltenberg, haben Sie Grund zu der Annahme, daß der Bedarfsplan, der meinem Antrag zugrunde lag und der vom Verband Deutscher Studentenschaften mit 48 Millionen DM beziffert worden ist, auf unrichtigen oder fehlerhaften Berechnungen beruht?
Ich will Ihnen gern sehr deutlich Antwort geben. Ich glaube, daß eine Ermittlung des Verbandes deutscher Studentenschatten, die von den Verantwortlichen sicher nach bestem Wissen und Gewissen angestellt worden ist, für eine Entscheidung der staatlichen Instanzen nicht das letzte Wort sein kann, sondern nur ein sehr wertvoller Diskussionsbeitrag.
Ich darf nun einige Ausführungen zum Thema des Rhöndorfer Modells machen. Wenn Sie einen Antrag stellen, der Bund möge durch die Bewilligung der von Ihnen geforderten Summe gleichsam die Initialzündung geben, dann gehen Sie auch hier etwas an der Wirklichkeit vorbei. Die Wirklichkeitist doch so, daß erfreulicherweise Vorgespräche stattgefunden haben, die Länder aber, bei denen die verfassungsmäßige Zuständigkeit und Verantwortung liegt, his zum heutigen Tag bei der Bundesregierung keinen Antrag auf Übernahme dieser Mittel oder auf Übernahme eines Teiles dieser Mittel, wie sie in dem Modell zugrunde gelegt sind, gestellt haben. Deshalb ist es völlig ausgeschlossen, daß wir als Parlament einen solchen vielleicht nach bestem Wissen und Gewissen geschätzten Betrag bewilligen, wenn die Länder, bei denen die Verantwortung liegt und die sonst doch in der Stellung von Forderungen an den Bund nicht immer kleinlich sind, bis zum heutigen Tage noch nicht einmal eine entsprechende Forderung an den Bund gerichtet haben.Meine politische Beurteilung ist die, daß ich eine Lösung — gleich Ihnen — begrüßen würde, die durch ein Verwaltungsabkommen zwischen den Ländern — aber das liegt außerhalb unserer Zuständigkeit — eine weitgehende Angleichung der Förderungsmittel für die in Frage kommenden Studenten bringt, eine Verbesserung auch unter dem Gesichtspunkt des Honnefer Modells. Aber auch hier muß mit aller Klarheit ausgesprochen werden, daß nach den verfassungsmäßigen Gegebenheiten eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlungen zwischen Bund und Ländern überhaupt nicht möglich ist. Aus diesem Grunde sehen wir uns leider auch nicht in der Lage, diesem Antrag zuzustimmen.Nun darf ich noch etwas zu Ihren allgemeinen Ausführungen zur Studienförderung sagen. Es ist richtig, daß der Haushaltsausschuß — ich darf hinzufügen: auf meinen Antrag die Bundesregierung gebeten hat, für eine bessere Koordinierung, auch eine bessere haushaltsmäßige Zusammenfassung der Mittel für die Studienförderung nach Kräften zu sorgen. Auch wir haben gewisse Bedenken— wir können allerdings jetzt die Materie aus Zeitgründen nicht durchdiskutieren —, die Mittel für die Studienförderung auf eine Fülle von Einzelplänen zu verzetteln. Es handelt sich nicht nur um den einen, den Sie genannt haben, sondern wir haben eine Reihe von Einzelplänen, wo Spezialtitel ausgewiesen sind. Wir würden es begrüßen, wenn im Haushaltsvoranschlag des kommenden Jahres eine bessere Zusammenfassung erfolgte. Dann würden wir sehr gern die Diskussion über die Forderung an den wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Hochschulen auf Grund der mittlerweile gemachten Erfahrungen fortsetzen.Ich darf für diesen Augenblick folgendes feststeilen. Die Ansätze, die sowohl im Einzelplan 06 Kap. 02 wie auch in den anderen Einzelplänen, vor allem im Einzelplan 31 — Atomministerium - für den Bereich der Ingenieurschulen, zur Diskussion stehen, ermöglichen in diesem Jahr eine spürbare, verstärkte und verbesserte Förderung, und zwar unter den Gesichtspunkten der Leistung und der Bedürftigkeit, die wir gemeinsam als grundlegend ansehen. Wir glauben, daß wir damit in diesem Jahre vom Bund her doch einen wesentlichen Schritt vorankommen. Es liegt nun an den anderen Beteiligten - nicht zuletzt auch an den Ländern —,
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1894 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Dr. Stoltenbergdaß wir dann über eine Ausweitung diskutieren können, wenn die organisatorischen Voraussetzungen vorhanden sind. In diesem Jahre sehen wir uns nicht in der Lage, weitergehenden Anträgen zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich rufe den Antrag Umdruck 96 Ziffer 4 auf. Wer begründet ihn? — Er wird ohne Begründung nach der allgemeinen Aussprache zur Diskussion gestellt.
Antrag Umdruck 96 Ziffer 5! Das Wort hat der Abgeordnete Hansing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Tit. 632 — Förderung zentraler Maßnahmen und Einrichtungen ,der Erwachsenenbildung — sind 340 000 DM eingesetzt. In der Erläuterung lesen wir unter Ziffer 2, daß für Volksbüchereien und eine Arbeitsstelle für das Büchereiwesen 25 000 DM eingesetzt werden. Wir begrüßen diese Neueinrichtung, glauben aber, daß es keine gute Sache ist, wenn man die Mittel dafür von den nicht gerade sehr hohen Ansätzen für die Erwachsenenbildung wegnimmt. Wir lesen in der Erläuterung, daß innerhalb des großen Bereichs der staatsbürgerlichen Bildung besonderer Nachdruck auf die Erwachsenenbildung gelegt werden soll. Dann finden wir es aber nicht richtig, diese Summe durch Neueinrichtungen noch zu verkleinern.
Wir beantragen daher, die 340 000 DM um 25 000 DM auf 365 000 DM zu erhöhen.
Herr Abgeordneter Brand!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich kann man auch für die Erwachsenenbildung mehr Geld gebrauchen und ausgeben als bisher. Ich stehe in meiner Heimatstadt seit zwölf Jahren an der Spitze von zwei Kulturorganisationen. Zu ,den Hauptaufgaben dieser Organisationen gehört die Erwachsenenbildung. Ich würde es natürlich auch begrüßen, wenn diese Organisationen vom Land oder vom Bund etwas in die Kasse bekämen. Aber wir sollten uns doch auch hier eine gewisse Beschränkung ,auferlegen.
— Ich sprach absichtlich nicht von weiser Beschränkung, um nicht von Ihnen einen Zwischenruf zu bekommen, Herr Heiland!
Der Grund, warum wir dieser Erhöhung nicht zustimmen können, ist folgender. Wir kommen doch immer mehr dazu, Aufgaben zu finanzieren, die zu
den ureigensten Gebieten der Länder und auch der Kommunen gehören. Es geschieht ja schließlich etwas. Es werden 340 000 DM für diesen Zweck gegeben. Wir können uns aber nicht dazu verstehen, diese Beträge immer weiter aufzustocken.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Brand hat einen Vergleich gebracht, der sehr hinkt. Wir reden ja hier nicht darüber, ob Remscheid, Wuppertal, Hagen, Tübingen oder Reutlingen etwas für Einrichtungen der Erwachsenenbildung in die Kasse bekommen soll. Niemand von uns denkt daran, lokale Interessenten durch diesen Titel zu bedienen. Es geht hier um eine Sache auf Bundesebene. Wir dürfen nicht vergessen, daß sich der Volkshochschulverband natürlich im vergangenen Jahre mit den damals zur Verfügung gestellten Mitteln eingerichtet hat. Wenn jetzt eine neue Zentralstelle geschaffen wird, die zweifellos eine Vereinfachung und Verbesserung des Volksbüchereiwesens darstellt, und wenn dies mit 25 000 DM erreicht werden kann, dann sollten Sie nicht versuchen, durch allgemeine Betrachtungen über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern diesen Antrag abzuwürgen. Ich bitte noch einmal um Ihre Zustimmung.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann gehen wir zum nächsten Antrag über. Es ist der Änderungsantrag Umdruck 107 zu Einzelplan 06.
— Ich gehe nach den einzelnen Titeln vor. Das war zu Tit. 636. Es liegen Anträge vor zu Tit. 637, 646, 658, 660, 662. Dann gibt es noch Umdruck 96 Ziffer 6 zu Tit. 959.
Also Umdruck 107. — Keine Begründung. — Dann kommen wir zu Umdruck 83 Ziffer 1. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Stammberger. Umdruck 83 Ziffern 1 und 2 werden zusammen begründet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag zu Tit. 646 bezweckt die Erhöhung der Mittel zur Förderung der volksgesundheitlichen Bestrebungen und der Bekämpfung menschlicher Krankheiten um 1 150 000 DM auf 2 000 000 DM. Es sind insbesondere drei Gründe, die uns bewogen haben, diesen Antrag zu stellen. Wir wollen zunächst die Durchführung der Schutzimpfung gegen die Kinderlähmung in den Ländern unterstützen. Hierfür ist lediglich ein Zuschuß von 200 000 DM vorgesehen, der uns zu gering erscheint, nachdem die Länder in ihren Haushaltsplänen nach meiner Kenntnis insgesamt 12 Millionen DM zur Verfügung gestellt haben. Hier darf ich gleich Herrn Kollegen Brand für den Fall, daß er vielleicht wieder auf die Kompetenz eingehen sollte, etwas entgegenhalten. Nach Art. 74 Ziffer 19
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1895
Dr. Stammbergerdes Grundgesetzes ist für die Bekämpfung von gemeingefährlichen und übertragbaren Krankheiten der Bund zuständig. Es ist sehr bedauerlich, daß wir nicht schon längst ein Seuchengesetz haben, durch das diese Dinge auch in bezug auf die Zuständigkeit und Durchführung einwandfrei geklärt sind. Die Schutzimpfung gegen die Kinderlähmung ist im Einzelfall so kostspielig, daß insbesondere kinderreiche und sozial schwache Familien nicht in der Lage sind, diese Kosten aufzubringen, so daß wir im Interesse der Volksgesundheit hier helfend eingreifen müssen. Es ist daher erforderlich, den Ansatz entsprechend zu erhöhen.Ferner ist beabsichtigt, dem Deutschen Krankenhausinstitut in Düsseldorf erstmals einen Zuschuß in Höhe von 100 000 DM zu gewähren. Wie notwendig und wie bedeutsam dieses Institut für das deutsche Krankenhauswesen ist, hat sich aus den Beratungen des Ersten Deutschen Krankenhaustages vor wenigen Tagen ergeben. Der Herr Bundeskanzler und andere offizielle Stellen haben hier ihre Hilfe zugesagt. Wir wollen, daß den Worten auch die Taten folgen.In Ziffer 2 beantragen wir, daß im Tit. 658 die Mittel von 50 000 DM auf 100 000 DM erhöht werden, weil sich herausgestellt hat, daß insbesondere die Stipendien, die ausländischen, in Deutschland tätigen Ärzten gewährt werden, zu gering sind, wenn diese Ärzte die Erkenntnisse der deutschen medizinischen Wissenschaft kennenlernen und in ihre Länder hinaustragen sollen. Wir sind der Meinung, daß wir diese Ärzte und sonstigen Wissenschaftler mit den Stipendien so stellen sollten, daß sie die notwendigen Lebensbedürfnisse während ihres Aufenthalts in Deutschland befriedigen können. Ich glaube, eine solche Maßnahme sind wir diesen Menschen schuldig, wenn wir das Ansehen unserer ärztlichen Wissenschaft in aller Welt wiederherstellen wollen.Wir bitten Sie, beiden Anträgen zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Stammberger, wir sind gar nicht in der Lage, hier im Augenblick in eine Erörterung dieser Dinge einzutreten, weil Ihre Freunde es nicht für notwendig gehalten haben, im Haushaltsausschuß einen solchen Antrag überhaupt zu stellen. Es ist eine gute Übung, den Haushaltsausschuß als eine Vorklärstelle für solche Anträge zu nutzen. Ich sage Ihnen, daß wir diesem Antrag aus prinzipiellen Erwägungen — wie wir das bei anderen Fällen auch tun — nicht zustimmen werden, um nicht die Übung einreißen zu lassen, daß in der zweiten Lesung plötzlich Anträge mit finanziellen Wirkungen in dieser Größenordnung hier vor das Haus gebracht werden, ohne daß sie vorher im Haushaltsausschuß irgendwie begründet und dort einmal vorabgeklärt worden sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Vogel, ich muß Ihnen nachdrücklich widersprechen. Wir haben uns im Ausschuß für Gesundheitswesen des Bundestages mit dieser Frage befaßt und haben einstimmig — seitens aller Fraktionen — eine solche Empfehlung an den Haushaltsausschuß gegeben. Bei diesen Beratungen ist der Herr Kollege Brand von Ihrer Fraktion dabeigewesen, den wir interfraktionell gebeten haben, diese unsere Gedankengänge dort vorzutragen. Außerdem habe ich als Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheitswesen an den Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses diese Empfehlung übersandt und dabei eingehend begründet.
Wenn sie dort nicht behandelt worden ist, können weder ich noch meine politischen Freunde etwas dafür.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Ritzel hat das Wort.
Nur eine kurze Bemerkung zur allgemeinen Aufklärung! Herr Kollege Dr. Stammberger, ein Ausschuß kann bei der Etatberatung im Haushaltsausschuß keine Anträge stellen. Wenn eine Empfehlung eines Ausschusses nicht von einem Mitglied des Haushaltsausschusses oder von einer Fraktion zu einem Antrag gemacht wird, existiert die Geschichte nicht. Kenntnis genommen haben wir davon. Ich wollte das lediglich sagen, um dazu beizutragen, daß die Begriffsverwirrung nicht noch weitergetragen wird. Zur Sache selbst sage Ichnichts.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann gehen wir zum nächsten Antrag über: Umdruck 82. Wer begründet den Antrag? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Werber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Kap. 06 02 Tit. 660 b ist in der Regierungsvorlage wie im letzten Jahr ein Betrag von 1 000 000 DM für das Familien-Ferienheim und für die Familien-Ferienaktion eingesetzt. Meine Freunde, die Fraktionen der Koalition, sind der Auffassung, daß dieser Betrag den gestiegenen Anforderungen nicht mehr entspricht. Die gestiegenen Anforderungen sind darauf zurückzuführen, daß mit Recht ein großes Bedürfnis in den Kreisen der kinderreichen Familien besteht. Es muß ihnen die Möglichkeit gegeben werden, eine Erholung zu suchen, die sie sonst nicht finden können.
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1896 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Dr. WerberViele Kreise aus den verschiedensten Konfessionen und auch konfessionsfreie Kreise haben sich dieser Frage angenommen. Es besteht ein Ausschuß, der diese Mittel paritätisch verteilt. Die Heime, die jetzt im Bau begriffen sind, sind noch nicht regional gestreut. Vieles muß gemietet werden. Die Bedürfnisse können nicht befriedigt werden. Es ist kein Zweifel, das wissen wir, daß auch mit der von uns beantragten Erhöhung um 500 000 DM nur ein Tropfen auf den heißen Stein gegeben wird. Aber damit ist verstärkt zum Bewußtsein gebracht worden, daß die kinderreiche Familie ebenfalls ein Recht auf Erholung hat.Meine verehrten Damen und Herren! Das ist eine soziale Frage. Es gibt viele europäische Länder, die auf dem Gebiete der Familienerholung viel weiter sind als wir in der Bundesrepublik, obwohl sie nicht reicher sind als wir. Ich erinnere an Frankreich, das eine ganz hervorragende Organisation dieser Familienheime besitzt, die von allen Kreisen besucht werden und die sehr großen Nutzen und Segen stiften.Ich möchte Sie herzlich bitten, diesem Antrag stattzugeben. Es handelt sich hier nicht um eine Frage der Parteien, sondern es geht um das gemeinsame Anliegen, unseren kinderreichen Familien, wo sie auch herkommen mögen, die Möglichkeit zu geben, mit der Zeit in einem solchen Heim Erholung zu finden, um neue Kräfte gegenüber den Sorgen des Alltags zu sammeln. Ich bitte Sie, dem Antrag auf Umdruck 82 stattzugeben.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann gehen wir zum nächsten Antrag über, Umdruck 57 . Wer begründet ihn? — Das Wort hat der Abgeordnete Huth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat für den Sport ein besonderes Sprachrohr, das ist der Kreis der Freunde des Sportes im Deutschen Bundestag.
Namens dieses Kreises der Freunde des Sports im Deutschen Bundestag möchte ich zuvor dem Haushaltsausschuß meinen Dank abstatten, daß er den Tit. 662 in der alten Höhe wieder eingesetzt hat. Wir haben etwas mehr Verständnis dafür, als der Kollege Gülich es soeben zum Ausdruck gebracht hat. Die 5 Millionen DM, die im vergangenen Jahr dort eingesetzt worden sind, sind durch die Zuschüsse von Ländern und Gemeinden auf insgesamt 67 Millionen DM angewachsen. Ich glaube, daß wir damit zur Leibesertüchtigung unserer deutschen Jugend einen wertvollen Beitrag geleistet haben.
Nun darf ich Ihnen den Antrag auf Umdruck 57 begründen. Er beinhaltet, daß für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiete des Sports und der Leibesübungen der Ansatz von 1 Million DM um 800 000 DM auf 1 800 000 DM erhöht werden soll. Sie alle, meine Damen und Herren, haben in diesen Tagen erlebt, welche Wellen der Sport zu schlagen
vermag. Wenn wir Ihnen nun vorschlagen, hier eine Erhöhung um 800 000 DM vorzunehmen, dann aus dem einfachen Grunde, weil wir für die Olympischen Spiele im Jahre 1960 planen und Vorbereitungen treffen müssen. Ich weiß nicht, ob Sie alle die Berichte und Nachrichten aus der sowjetisch besetzten Zone kennen, die zu uns gelangt sind und nach denen man dort ungeheure Beträge für den Leistungssport einsetzt, um bei den Olympischen Spielen gut abzuschneiden. Zu unserem Bedauern sind ja alle Bemühungen, zu einer gesamtdeutschen Mannschaft zu gelangen, fehlgeschlagen, nicht durch unser Verschulden, sondern weil man drüben nur irgendwelche Propagandazusammenkünfte, aber keine wirklichen Leistungstreffen wünscht. Um nun mit denen drüben mindestens gleichziehen zu können, ist nach einer Aussprache seitens des Kreises der Freunde des Sports mit den Führern des deutschen Sports, die ihrerseits wieder mit den Ministerien für Inneres und für Auswärtiges verhandelt haben, die Anregung gekommen, hier eine Erhöhung der Mittel von 1 Million auf 1 800 000 DM zu beantragen. Ich darf Sie daher bitten, diesem Antrag zuzustimmen und die Erhöhung zu bewilligen.
Ich möchte aber vorsichtshalber, weil mir von einigen Seiten gesagt worden ist, es sei nicht möglich, diesen Betrag einzusetzen, einen Alternativantrag stellen. Falls sich das Hohe Haus nicht damit einverstanden erklären sollte, den Ansatz bei Tit. 662 a um 800 000 DM zu erhöhen, soll der Ansatz bei Tit. 973 um 800 000 DM auf 4 200 000 DM gekürzt und dann der Ansatz bei Tit. 662 a um diese 800 000 DM auf 1 800 000 DM erhöht werden. Ich bitte Sie aber nochmals, den Antrag Umdruck 57, wie er von uns gestellt ist, anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten unterstützen - das zeigen ja schon die auf diesem interfraktionell gestellten Antrag vorhandenen Unterschriften — das Ansinnen, dem der Herr Kollege Huth soeben das Wort geredet hat. Ich möchte nur zur Vermeidung von Irrtümern eines klarstellen. Bei dar Abstimmung über die Erhöhung des Ansatzes von 1 Million auf 4 Millionen DM im Haushaltsausschuß ging die Freundschaft und die Gegnerschaft nicht um den Sport, sondern um die Erhöhung des Ansatzes auf den Vorjahresbetrag von 5 Millionen DM quer durch alle Fraktionen.
Es war also nicht nur der Herr Professor Gülich, mein Freund und Nachbar, der sich im Gegensatz zu mir und ,anderen meiner Freunde dagegen ausgesprochen hat, sondern es waren auch Ihre Freunde, und das Abstimmungsverhältnis war meiner Erinnerung nach 13 zu 12 für den Antrag. Damit ist eine gute Sache gemacht worden. Ich möchte nur hoffen, daß Sie Ihre Mehrheit im Hause davon überzeugen konnten, daß es nützlich ist, für diesen wie für den ersten Antrag zu stimmen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1897
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre natürlich eine völlig hoffnungslose Angelegenheit, sich im Zeitpunkt der Weltmeisterschaft hier gegen einen solchen Antrag auszusprechen. Sie alle wissen, welche Wellen diese Spiele schlagen.
Aber lassen Sie mich doch eine Bemerkung dazu machen; wir werden das zu einem Entschließungsantrag zur dritten Lesung verdichten. Man kann nicht ohne Sorge — und das möchte ich einmal generell sagen — von seiten des Bundes die Entwicklung des Lotto- und Totospiels in den Ländern betrachten. Wenn man sich schon dazu entschlossen hat, an die Spielleidenschaft einen so starken Appell zu richten und dieser Appell eine so verblüffende finanzielle Wirkung hatte, daß heute über 1 Milliarde DM in der Bundesrepublik für Lotto und Toto umgesetzt werden, und wenn — falls ich mich recht informiert habe; es stand neulich über diese Dinge ein sehr instruktiver Artikel im „Volkswirt" — aus diesen Riesenumsätzen doch immerhin sehr beachtliche Prozentsätze den Ländern als den Lizenzvergebern zufließen, dann darf man wohl auch die Erwartung aussprechen, daß aus diesen gewaltigen Umsätzen und infolgedessen auch den gewaltigen Anteilen der Länder in einem anderen Maße als bis jetzt auch dem Sport Mittel zugeführt werden. Im Grunde genommen sollten wir gar nicht in die Verlegenheit versetzt werden, uns hier mit derartigen Ansätzen zu beschäftigen, wenn das richtig funktionierte. Ich beabsichtige, einen Appell über die Bundesregierung an die Länder zu richten, damit bei den kommenden Verhandlungen und Verträgen diesem Gesichtspunkt stärker Rechnung getragen wird, als das bis jetzt beklagenswerterweise ,der Fall gewesen ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Renger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben in diesem Hohen Hause oftmals Summen für Dinge bewilligt, die nicht so gut waren wie die Sache, die wir heute beschließen wollen. Man kann doch nur mit großer Freude sagen, daß quer durch alle Parteien, durch alle Fraktionen des Bundestages hindurch anerkannt worden ist, daß der Sport nicht nur ein Vergnügen ist, was er ja auch sein soll, sondern auch eine ungeheure Bedeutung für die Volksgesundheit hat. Auch diejenigen Vertreter aus unserem Kreise der Freunde des Sports, die damals bei einer Besprechung anwesend gewesen sind, z. B. der Herr Staatssekretär und auch der Herr Minister Lemmer, haben die Ansicht vertreten, daß wir hier für den Sport alles tun sollten, was in unseren Kräften steht. Ich brauche nicht zu wiederholen, was Herr Kollege Huth gesagt hat, und ich will nicht von dem Konkurrenzkampf gegenüber Mitteldeutschland sprechen. Lassen wir hier aber keine lange Debatte und keine großen Bedenken aufkommen.
Ich glaube, diesen Betrag von 1,8 Millionen DM können wir verkraften. Die Dinge, die hier über das Lotto angesprochen worden sind, können wir an anderer Stelle erörtern. Sie haben mit dieser Bewilligung nichts zu tun.
Ich bitte Sie herzlich, für unser Volk und für unsere Jugend hier Ihr Herz und Ihren Geldbeutel weit aufzumachen und die 1,8 Millionen DM zu bewilligen.
— Doch! Herr Abgeordneter Eisenmann, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte nicht gedacht, daß man hierüber überhaupt noch sprechen müßte; denn der Antrag spricht für sich. Ich habe im Namen der Freien Demokraten dem Haushaltsausschuß dafür zu danken, daß der alte Ansatz vom Vorjahr wiederhergestellt worden ist. Ich habe mir einmal überlegt, ob es für das Bundeskabinett nur im Wahljahr interessant gewesen ist, die 5 Millionen DM einzusetzen. Es war für mich als aktiven Turnführer sehr überraschend, daß der Ansatz im Kabinett von 5 Millionen DM im Vorjahr auf 1 Million DM zusammengestrichen worden ist. Das hat uns alle als Freunde des Sports außerordentlich überrascht. Um so mehr waren wir dann alle, Herr Kollege Ritzel, die wir mit Sport und mit Leibesübungen als Aktive oder als Anteilnehmende verbunden sind, erfreut, daß der Haushaltsausschuß, wenn auch mit knapper Mehrheit, aber doch mit einer Mehrheit, den alten Ansatz wiederhergestellt hat, weil wir um die volksgesundheitliche Bedeutung und um die staatspolitisch-erziehliche Bedeutung des Sports wissen.Herr Kollege Dr. Vogel, man muß doch wohl zwischen dem trennen, was der Bund von sich aus aus Steuermitteln tut, urn einen bescheidenen Beitrag zur Anerkennung der volksgesundheitlichen und staatspolitisch bildenden Arbeit und Tätigkeit der freiwillig in den Verbänden für den Staat und für die Gemeinschaft Tätigen zu leisten. Ich glaube, das ist an sich eine bescheidene Anerkennung. Wenn wir heute gemeinsam den Antrag gestellt haben, einen Ansatz von 1,8 Millionen DM zu schaffen, dann nicht allein etwa deshalb, weil im Jahre 1960 die nächste Olympiade ist, sondern weil — wie Sie wissen — vom 20. bis 28. Juli in München das Deutsche Turnfest durchgeführt wird. Das ist eine dankbare Aufgabe, und wir begrüßen es, daß sich der Herr Innenminister bereit erklärt hat, zur Durchführung dieser Maßnahmen einen bestimmten Förderungsbeitrag zur Verfügung zu stellen. Denn es ist ohne Zweifel, daß dieses große Deutsche Turnfest Turner und Sportler aus aller Welt zusammenführt und daß dieses Turnfest wie in den vergangenen Jahren zu einem großen Be-
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1898 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Eisenmannkenntnis für das Deutschtum und für das Volkstum wird. Sie wissen, daß das Deutsche Turnfest nur alle fünf Jahre stattfindet, und es ist eine echte Begegnung nicht nur deutscher Turner, sondern eine große internationale Begegnung von Turnern und Sportlern.Aus diesen und anderen Gründen würde ich es sehr begrüßen, wenn nicht so verfahren würde, wie in dem Eventualantrag des Herrn Kollegen Huth gesagt ist, nämlich den Ansatz von 5 Millionen DM zu kürzen, sondern wenn die 5 Millionen DM beschlossen würden und darüber hinaus der Ansatz von 1,8 Millionen DM in voller Höhe bewilligt würde. Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung.
Keine weiteren Wortmeldungen! Dann ist dieser Punkt vorläufig erledigt.
Wir kommen dann zum Änderungsantrag auf Umdruck 96 unter Ziffer 6. Dazu hat Frau Abgeordnete Nadig das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Müttergenesungswerk ist uns allen in den letzten Jahren ein fest umrissener Begriff geworden und hat einen erheblichen Beitrag für die Gesundheit unserer Mütter geleistet. Wir haben für dieses Müttergenesungswerk im vorigen Jahr 2 Millionen DM zur Verfügung gestellt, um den Ausbau und die Erstellung von Heimen vorzunehmen. Das hat sicherlich wesentlich mitgeholfen.
Da aber der Anfall der Aufgaben und Arbeiten ein sehr viel größerer geworden ist und nicht zuletzt die Arbeit des Müttergenesungswerks infolge der Berufstätigkeit der Mütter ausgedehnt werden muß, stellen wir den Antrag, den Betrag von 2 Millionen DM auf 3 Millionen DM zu erhöhen. Das Geld macht sich um ein Vielfaches bezahlt. Ich glaube, wir alle haben ein Interesse daran, die Volksgesundheit zu heben, und wir tun das, wenn wir dem Müttergenesungswerk die Möglichkeit verschaffen, mehr Frauen, die im Begriff sind, ihre Gesundheit zu verlieren, zur Erholung zu verschicken. Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen und den Betrag auf 3 Millionen DM zu erhöhen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Sie wissen, daß das Müttergenesungswerk eng mit dem Namen Frau Elly Heuss-Knapp verbunden ist. Ich glaube, kein Werk hat in der Vergangenheit schon so viel Gutes geleistet wie gerade dieses Müttergenesungswerk. Wenn man einmal die Lichtbilder derjenigen Frauen gesehen hat, die dort in den Heimen untergebracht worden sind, wenn man einmal etwas über ihre persönlichen Schicksale erfahren hat, wenn man weiß, welche große Erleichterung es für diese kinderreichen Mütter ist, wenigstens einmal ausspannen zu können, dann muß man sagen: dieses Müttergenesungswerk muß mit allen
nur möglichen Mitteln unterstützt werden. Es ist einfach unmöglich, alles nur rein aus Spenden zu finanzieren, wie das doch hier in weitestgehendem Umfang nach wie vor geschieht. Ich glaube, hier besteht eine Verpflichtung des Bundes und des Bundestags, nicht nur die 2 Millionen DM zu geben. sondern im Interesse der Frauen diesen Betrag auf 3 Millionen DM zu erhöhen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen dann zu dem Antrag Umdruck 96 Ziffer 7 und dem Antrag Umdruck 96 Ziffer 8. — Herr Abgeordneter Dr. Frede!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion beantragt in Umdruck 96 Ziffer 7, erneut einen besonderen Titel für Mittel zur Beseitigung 'der durch Krieg und Kriegsfolgen verursachten Schulraumnot in Ländern und Gemeinden 'auszubringen. Zugleich beantragen wir, daß diese Mittel gesperrt werden, und zwar aus einem sehr einfachen Grund.Infolge der vorgeschrittenen Zeit und der etwas späten Verabschiedung 'des 'diesjährigen Haushalts wird es, selbst wenn 'diese Mittel bewilligt werden sollten, nicht möglich sein, sie auszugeben. Es fehlen die Planungen, es fehlt insbesondere auch der Abschluß 'der Verhandlungen mit den Ländern. Wie sie wissen, ist auf Grund eines früheren Antrages der CDU/CSU — Umdruck 47 —, dem wir uns angeschlossen haben, zur Zeit eine Diskussion zwischen der Bundesregierung, insbesondere dem Herrn Innenminister, und den Ländervertretern über die Kompetenzen im Gange, nämlich über das, was der Bund allein zu tragen und zu lösen hat, was den Ländern zufällt und was sie beide ,gemeinsam lösen sollen. Zu dieser gemeinsamen Aufgabe — Idas scheint sich bereits heute herauszukristallisieren — gehört ohne Zweifel auch die Beseitigung der Schulraumnot. Ich darf darauf hinweisen, daß die Herren Kultusminister der Länder in der vergangenen Woche bei ihrer Plenarsitzung dieses Thema angeschnitten haben. In der Presse war bereits zu lesen, daß sie nicht abgeneigt wären, wenn ihnen eine auf einige Jahre befristete Bundeshilfe in Höhe von etwa 500 Millionen DM gegeben würde. Diese Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, und es ist natürlich notwendig, wenn ein solcher Titel realisiert werden soll, daß mit den Ländern ein entsprechendes Abkommen geschlossen wird, ähnlich dem Abkommen über den Wissenschaftsrat und dem Abkommen über die Förderung des technischen Nachwuchses.Über die Notwendigkeit einer Bundeshilfe brauche ich mich im einzelnen nicht zu äußern. In der vorjährigen Debatte ist sehr eingehend und sehr nachdrücklich darauf hingewiesen worden, daß der Schichtunterricht, die Schulraumnot und alles, was damit zusammenhängt, in erheblichem Maße unsere Jugend belastet, und nicht nur unsere Jugend, sondern ebenso Familie, Elternhaus und Lehrerschaft, und daß es trotz aller Bemühungen der Länder und der Gemeinden bisher nicht gelungen
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1899
Dr. Fredeist, diese durch den Krieg und ,die Kriegsfolgen hervorgerufene Schulraumnot zu beseitigen. Der Herr Bundesinnenminister hat in der Kulturdebatte am 18. April selbst auf den Zusammenhang zwischen den Notständen im Schulwesen und der Heranbildung eines qualifizierten Nachwuchses in einer modernen, hochtechnisierten und weitgehend schon automatisierten Welt hingewiesen. Auch er hat anerkannt, was bereits von den Gemeinden und den Ländern für den Schulhausbau getan worden ist, hat aber auch aufgezeigt, was noch zu tun übrigbleibt.Damals wurde auf die Ausführungen hingewiesen, die Professor Heckel gemacht hat. Ich darf auf die „Frankfurter Hefte" verweisen; in der Aprilnummer ist sehr detailliert aufgezeigt, wie viele Klassenräume noch notwendig sind, damit wir einen normalen Unterricht durchführen können, und wie viele noch notwendig werden, damit unser gesamtes Schul- und Bildungswesen den Anforderungen entspricht, die heute an das Schul- und Bildungswesen gestellt werden müssen. Dabei ist unstreitig, daß zur Beseitigung der gegenwärtigen Not mindestens 22 000 Klassenräume erstellt werden müssen. Daß dieser zusätzliche Bedarf an Klassenräumen aber nicht ,allein von den Ländern und den Gemeinden gedeckt werden kann, hat die Vergangenheit gezeigt und zeigen auch die Etatansätze dieses Jahres. Wenn man darüber hinaus noch die ,anderen Forderungen nimmt, die auf Grund der veränderten Weltlage und der gesamten pädagogischen Situation in die Betrachtung mit einbezogen werden müssen, so kommt man auf über 60 000 Klassenräume. Ich möchte hiervon aber bewußt absehen, damit nicht wieder der Vorwurf erhoben wird, wir kämen mit astronomischen Zahlen. Ich beschränke mich ,also bewußt auf jene 22 000 Räume, die infolge des Krieges heute noch fehlen, jenen Bedarf, der dadurch entstanden ist, daß einmal viele Schulen zerstört worden sind und daß zum anderen Millionen an Vertriebenen und Flüchtlingen in die Bundesrepublik gekommen sind und die Jugend dieser Vertriebenen und Flüchtlingen zusätzlich in den Schulen untergebracht werden mußte.In der Kulturdebatte ist ferner gesagt worden, man könne darüber streiten oder könne die Frage stellen, wie hoch etwa damit der finanzielle Aufwand wäre. Es ist wohl ziemlich sicher — das zeigen die Erfahrungen und die Berechnungen —, daß, wenn man alles hinzunimmt, was für einen Schulhausbau erforderlich ist, pro Klasse etwa 100 000 DM Kosten entstehen. Das bedeutet bei den von mir genannten 22 000 Räumen, also dem dringendsten und notwendigsten Bedarf, daß etwa 2,2 Milliarden DM aufgebracht werden müssen, damit wir im Schulwesen zu normalen Verhältnissen kommen.Ich wies vorhin bereits darauf hin, daß die Länder und auch die Gemeinden trotz aller Bemühungen nicht in der Lage sind, in absehbarer Zeit hier die Lücke auszufüllen. Denn immer neue Aufgaben kommen auf sie zu, und das schleppt sich von Jahr zu Jahr als eine unangenehme Hypothek und Belastung in ihren Etats mit. Es wäre erwünscht, daßetwa zu dem Zeitpunkt, sagen wir, wenn die Bundeswehr aufgebaut ist, d. h. in drei bis vier Jahren, auch unser Schulwesen wieder normalisiert wäre.
— Genau in diesem Zeitpunkt, d. h. nicht nachher, sondern zugleich, damit ein Gleichgewicht hergestellt wird zwischen den kulturellen Belangen und den Verteidigungsbelangen, die in gleicher Weise wichtig sind.
Natürlich! Wenn wir von der Kulturhoheit der Länder ausgehen, ist es die Sache der Länder, und Sie können — das ist gar keine Frage — über einen vertikalen Finanzausgleich den Ländern die entsprechenden Mittel zu Verfügung stellen. Das wäre die gegebene Lösung. Aber es ist sehr fraglich, wann ein solcher Finanzausgleich zustande kommt; und zweitens ist es sicher auch von Bundesseite sehr zweckmäßig, wenn er zweckgebundene Mittel für einige Jahre gibt, d. h. so lange — drei bis vier Jahre —, bis durch diese Zuschüsse eine gleiche oder höhere Summe seitens der Länder und Gemeinden flüssig gemacht wird und der Normalstand erreicht ist. Bitte, meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht: selbst die Bundesregierung der Vereinigten Staaten in Washington hat ein ähnliches Programm, obwohl der Kulturföderalismus in den USA noch größer ist als bei uns und obwohl die verfassungsrechtlichen Bedenken dort sicher genauso sein werden wie hier.Ich weiß, welche Bedenken geltend gemacht werden. Man sagt: der Bund ist dazu nicht verpflichtet. Zwar seien es Kriegsfolgelasten, aber durch die entsprechenden Gesetze — Überleitungsgesetze — und Verordnungen seien nun einmal — wie Herr Staatssekretär Globke im Auftrage des Herrn Bundeskanzlers selber erst vor kurzem, am 24. März dieses Jahres, dem Vorsitzenden des Arbeitsausschusses „Schule in Not" mitgeteilt hat — solche Beträge und Aufgaben nicht berücksichtigt worden, und es sei infolgedessen — sagt man — ausschließlich Sache der Länder, die Schulraumnot zu beseitigen und entsprechenden Schulraum zu erstellen. Meine Damen und Herren, gar keine Frage, daß wir eine rechtliche Verpflichtung des Bundes aus dem Grundgesetz, nachdem einmal diese Überleitungsgesetze geschaffen sind, nicht ableiten können. Aber es ist genausowenig eine Frage, daß der Bund, wenn er helfen will, hier helfen kann. Er hilft ja auch in einem kulturellen Sonderprogramm, nämlich dem Zonengrenzlandprogramm. Auch da sind für kulturelle Zwecke, und zwar nicht nur für die Förderung der Forschung und der Wissenschaft, Mittel ausgebracht und werden auch in diesem Haushalt wieder ausgebracht. Es dürfte also keine Frage sein: wenn der Wille vorhanden ist, läßt sich auch ein Weg finden.Deshalb geht unser Antrag dahin, hier einen Titel zu schaffen, damit der Herr Bundesinnenmini-
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1900 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Dr. Fredester auf eine Haushaltsposition zurückgreifen kann, die zwar in diesem Jahr nicht realisiert werden kann, so daß es infolgedessen auch gar nicht erforderlich ist, sich um die Deckungsvorschläge in diesem Haushalt Gedanken zu machen, denn wir haben ja ausdrücklich den Sperrvermerk ausgebracht.Wir gehen noch weiter. Wenn Sie, meine Damen und Herren, glauben, diesen Antrag nicht annehmen zu können, würden wir es begrüßen, wenn Sie wenigstens der Ziffer 8 unseres Umdrucks zustimmen würden, einen solchen Titel als Leertitel auszubringen, damit der Herr Bundesinnenminister bei den Etatvorbereitungen für das nächste Haushaltsjahr auf diesen Titel zurückgreifen kann. Es mag dann den Verhandlungen mit den Ländern vorbehalten bleiben, in welcher Weise, in welcher Form und in welcher Höhe im nächsten Haushalt Mittel ausgebracht werden, die dann verplant und realisiert werden können.Ich darf darauf hinweisen, daß gerade Sie von der CDU im Wahlkampf wiederholt und mit allem Nachdruck gesagt haben:Die Politiker der CDU— ich verlese wörtlich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —werden die Schulraumnot beseitigen. Sie werden den Schichtunterricht abschaffen. Sie werden...usw. Bitte, hier haben Sie eine Gelegenheit, zu zeigen, daß das nicht nur leere Worte sind; hier haben Sie eine Gelegenheit - wenn Sie zustimmen —, das zu verwirklichen, was der Herr Bundesinnenminister in der Kulturdebatte gesagt hat — ich darf wörtlich zitieren —:Bildung kostet Geld. Da sie kein Luxus, sondern eine Lebensnotwendigkeit ist, können die Bildungseinrichtungen nicht von dem leben, was an anderer Stelle erübrigt wird. Das Geld, das für sie benötigt wird, muß mit der gleichen Dringlichkeit gefordert und bereitgestellt werden wie die Mittel für andere vordringliche Aufgaben.Helfen Sie mit, meine Damen und Herren, daß dieser Wunsch und diese Forderung des Herrn Bundesinnenministers verwirklicht wird!
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer wie ich von 1946 an zunächst fünf Jahre im Gemeinderat einer so stark zerstörten Stadt wie Stuttgart tätig gewesen ist und nachher sieben Jahre im Landtag und dort im Kulturpolitischen Ausschuß und im Finanzausschuß mitgearbeitet hat, der kennt natürlich zur Genüge die Not, die gerade auf dem Gebiete unseres Schulwesens besteht. Das Problem besteht vor allem darin: Wie bekommen wir die ausreichende Zahl von Klassenräumen, wann kommen wir endlich einmal von dem Schichtunterricht weg? In denStädten ist er besonders noch vorhanden. In dieser Hinsicht ist zwar viel geleistet worden. Die Gemeinden haben hier außerordentlich viel getan. Wir wissen aber, daß alle bisherigen Anstrengungen nicht ausgereicht haben, der Schulraumnot Herr zu werden.Der Herr Kollege von der SPD hat die Zahl der fehlenden Schulräume mit 22 000 angegeben. Herr Kollege, in dieser Schätzung sind Sie, glaube ich, sehr bescheiden gewesen. Soviel ich weiß, fehlen immer noch 30 000 Schulräume.
— Ja, ja, auch ich berücksichtige bei meiner Zahl noch nicht das neunte Schuljahr. Ganz genau kann man es, glaube ich, nie schätzen. Auf alle Fälle — das war bereits im vorigen Jahr offensichtlich — haben die Mittel, die hier den Gemeinden und den Ländern zur Verfügung gestanden haben, nicht ausgereicht. Schon vor einem Jahr waren ,die Gemeinden am stärksten verschuldet. Sie sind es auch heute noch. Darüber hinaus sind aber auch die Länder verschuldet. Damals gab es beim Bund noch den „Juliusturm". Hier hat sich doch ganz klar gezeigt, daß das gesamte Steueraufkommen nicht so verteilt worden ist, wie es dem Grundgesetz entsprochen hätte. Nach der Konzeption ,des Grundgesetzes stehen die Gemeinden, die Länder und der Bund finanziell selbständig nebeneinander. Hier liegt die eigentliche Ursache für die heutige Misere und dafür, daß die Zustände heute noch nicht so sind, wie sie sein sollten.In den Diskussionen des Wahljahres wurde es dann ganz offenkundig, daß der technische Nachwuchs einfach nicht mehr ausreicht. Man erkannte, wie es mit unserer Forschung stand, und es kam auf einmal zu diesen zwei Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern. Ich höre jetzt, daß wegen der Frage der Beseitigung der Schulraumnot erneut über ein Verwaltungsabkommen verhandelt wird. Meine Damen und Herren, selbstverständlich bin ich dafür, daß die Schulraumnot beseitigt wird. Aber glauben Sie, daß wir hier auf dem richtigen Weg sind, wenn wir immer neue Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern schließen? Ich bin der Auffassung, daß es sich hier um eine Frage des vertikalen Finanzausgleichs handelt. Wenn darüber bestimmt wird, was dem Bunde zusteht und was in den Ländern verbleiben soll, muß auf die Verpflichtungen Rücksicht genommen werden, die die Länder und Gemeinden zu erfüllen haben. Mir kommt es darauf an, daß mit den Steuermitteln, die ja nur einmal zur Verfügung stehen, der größtmögliche Effekt erzielt wird, daß die Verwaltungskosten also so gering wie möglich gehalten werden. Wenn diese Dinge aber ausschließlich in Verwaltungsabkommen geregelt werden, laufen die Mittel zuerst von den Gemeinden bzw. den Ländern zum Bund und werden dann wieder nach unten zurückverteilt. Damit ist ein großer Verwaltungsaufwand verbunden. Einfacher wäre es, einen vertikalen Finanzausgleich zu schaffen, der den Ländern und Gemeinden die notwendigen Mittel beläßt. Der Frage der Gemeindefinanzen werden wir
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1901
Frau Dr. Diemer-Nicolausuns nach meiner Auffassung sobald wie möglich eingehend widmen müssen, und zwar nicht nur wegen der Schulraumnot. Ich brauche in diesem Zusammenhang nur an die fehlenden Krankenhausbetten und an die Forderungen zu erinnern, die der Krankenhaustag in Köln erhoben hat. Die Verhältnisse müssen genau durchleuchtet und Mittel und Wege gefunden werden, um den Ländern und Gemeinden für diese Aufgaben, so wie es das Grundgesetz vorsieht, die notwendigen Mittel zu lassen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Dann bitte ich um die Begründung des Antrags auf Umdruck 80 . Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber (Koblenz).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Einzelplan 06 in Kap. 06 03 wird das Bundesverwaltungsgericht in Berlin behandelt. Der Voranschlag der Bundesregierung sah vor, daß in diesem Haushaltsplan ein weiterer, ein achter Senat eingerichtet werden sollte. Fast jedes Jahr — alle Jahre wieder, kann man fast sagen —, seitdem das Bundesverwaltungsgericht besteht, müssen wir uns mit solchen Anträgen befassen. Mehrere Male sind sie abgelehnt worden. Aber wir haben uns immerhin schon veranlaßt sehen müssen, nach und nach drei weitere Senate zu bewilligen, ohne daß es uns — und das ist auch vom Herrn Berichterstatter anerkannt worden — gelungen ist, die Rechtsnot zu beseitigen, die darin besteht, daß noch über 4000 anhängige Sachen beim Bundesverwaltungsgericht unerledigt liegen und daß es zwei, drei Jahre dauert, ehe diese Sachen zur Entscheidung kommen können.Das Bundesverwaltungsgericht hat von vornherein mit erheblichen Rückständen beginnen müssen. Es hat eine unglückliche Anlaufzeit gehabt. Es mußte ein Gericht neu aufbauen und fand schon große Bestände vor, als es mit seiner Arbeit beginnen konnte. Das Bundesverwaltungsgericht mußte eine Rechtssprechung im großen und ganzen neu aufbauen. Es wurden ihm große Rechtsgebiete zugewiesen, auf denen noch keine Vorgänge, noch keine Präjudizien bestanden. So ist ja auch heute festzustellen — das ergibt sich aus Übersichten, die im Ausschuß für Inneres und im Ausschuß für Rechtswesen vorgelegt worden sind —, daß sich die überwiegende Zahl der Senate speziell mit Kriegsnachfolgerecht befassen muß und befaßt. Die Übersicht ergibt, daß im letzten Jahre beim Bundesverwaltungsgericht Sachen aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht etwa zu 23 % anhängig waren, Kriegsnachfolgesachen zu 76 % Wir sehen also, daß besondere Umstände zu einer großen Arbeitslast bei diesem Gericht geführt haben.So blieben schon im ersten Jahr, 1953, 1180 unerledigte Sachen anhängig. Diese Zahl erhöhte sich 1954 um 641, 1955 um 610. Im Jahre 1956 war sogar ein Anstieg von 915 zu verzeichnen. Im Jahre 1957, nach der Erhöhung der Zahl der Senate, trat zum erstenmal ein gewisser Rückgang ein, es blieb aber immerhin noch ein Überhang von 473 Sachen, so daß Ende 1957 3819 Sachen anhängig waren. In denersten fünf Monaten des Jahres 1958 ist leider wieder ein erheblicher Anstieg zu bemerken. Nach der Statistik sind his zum 31. Mai noch weitere 312 Sachen anhängig geblieben, so daß sich die Zahl der anhängigen Sachen nunmehr am 1. Juni auf 4131 beläuft, die Zahl, die auch der Herr Berichterstatter genannt hat. Der Haushaltsausschuß hat die Zahlen gesehen. Vielleicht hat man Verständnis dafür, daß er sagte: So geht es nicht weiter, daß man dieser Dinge dadurch Herr zu werden sucht, indem man die Zahl der Senate immer und immer wieder vermehrt; jetzt der 8. Senat, im nächsten Jahr der 9. und 10.; den sehen wir schon kommen. Das sollen Erwägungen gewesen sein, die, wie ich mir habe sagen lassen, im Haushaltsausschuß angestellt worden sind. Wir stimmen durchaus damit überein, daß es nicht angängig ist, obere Bundesgerichte ins Ungemessene zu vergrößern, wodurch sogar das hervorstechendste Ziel und der Zweck eines obersten Bundesgerichts verfehlt würde, nämlich für eine Einheitlichkeit der Rechtssprechung zu sorgen. Ein Gericht wird unübersichtlich, wenn zu viele Senate da sind; damit wird dieses Ziel leicht verfehlt. Auch die Bundesregierung hat das gesehen und diesen 8. Senat nur für eine gewisse Übergangszeit beantragt. Sie hat vorgesehen, daß ab 1. April 1961 die für diesen Senat in Aussicht genommenen Stellen wieder wegfallen können. Ob bis dahin die Rechtsnot beseitigt sein wird, steht noch dahin. Jedenfalls soll im Augenblick nicht mehr beantragt werden. Im Jahre 1961 kann man dann die Sachlage erneut überprüfen.Ich habe mir weiter sagen lassen, man habe Erwägungen in der Richtung angestellt, bei der jetzigen Besetzung könnten durch Anspannung aller Kräfte wohl mehr Sachen erledigt werden. In dieser Hinsicht ist zu bemerken, daß die Zahl der pro Monat bewältigten Sachen erheblich gestiegen ist. Während es im Jahre 1953, als die ersten grundsätzlichen Entscheidungen heranstanden, die natürlich sehr gründlich überlegt werden mußten, im Monat 16 waren, waren es 1954 schon 25 Streitsachen, 1955 30, 1956 33, 1957 43 Streitsachen pro Monat, und vom April bis zum 31. Mai 1958 haben wir ein weiteres erfreuliches Steigen auf 45 erledigte Streitsachen im Monat. Aber die Eingänge überwiegen nach wie vor. Deshalb muß etwas getan werden.Die Erwägung, die der Haushaltsausschuß weiter angestellt hat, es müsse etwas getan werden, um die Flut der Rechtsmittel einzudämmen, ist richtig. Dazu darf ich darauf hinweisen, daß entsprechende Gesetzentwürfe bereits beraten werden; im Innenausschuß sind sie schon zum größten Teil beraten, den Rechtsausschuß werden sie demnächst wieder beschäftigen. Im Entwurf einer Bundesverwaltungsgerichtsordnung sind entsprechende Maßnahmen vorgesehen. Ja, man hat im Zusammenhang damit ein besonderes Gesetz zur Beschränkung der Rechtsmittel eingebracht. Diesem Anliegen wird man sich nicht verschließen können, wenn wir auch — wie gleich hier gesagt sei — wohl kaum dazu kommen werden, ein Institut jetzt schon zu beseitigen, das dem Bundesverwaltungsgericht besondere Arbeit macht, nämlich die sogenannte Zulassungsbe-
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1902 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Dr. Weber
schwerde. Diese belastet das Bundesverwaltungsgericht in erheblichem Maße. Von den insgesamt 3176 im Jahre 1957 eingegangenen Sachen sind nicht weniger als 1612 Zulassungsbeschwerden gewesen; das sind 44 %, und die bringen eine erhebliche Arbeitslast mit sich. In dieser Richtung wird man sicherlich eine gewisse Entlastung bringen können und müssen. Wir werden den Weg gehen können, offensichtlich unbegründete Anträge in der gleichen Art und Weise abzulehnen, wie wir das bei der Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht getan haben. Diese Dinge bedürfen einer sehr, sehr eingehenden Überlegung. Wenn man nämlich berücksichtigt, daß in 16 % aller Fälle auf die Beschwerde hin die Revision zugelassen und von diesen 16 % in 45 % aller Fälle durchschnittlich die Entscheidung der Vorinstanz geändert wurde, dann beweist das eindeutig, daß dieses Institut noch notwendig ist, bis einmal eine Klärung der Rechtsprechung, eine gefestigte Rechtsprechung auch beim Bundesverwaltungsgericht eingetreten ist. Wir dürfen ja auch die Hoffnung haben, daß die Kriegsfolgesachen im Laufe der Jahre nach und nach zurückgehen werden, je weiter wir uns von dem Kriegsende entfernen. Deshalb ist zu erwarten, daß, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht wieder mehr der Ausübung seiner eigentlichen Aufgabe widmen kann, nämlich der Rechtsprechung in Verwaltungssachen, noch weitere Senate in Zukunft werden abgebaut werden können. So weit sind wir aber noch nicht. Im Augenblick haben wir uns mit der Lage zu befassen, wie sie sich jetzt darbietet.Es ist also nicht dadurch zu helfen, daß die Kräfte des Bundesverwaltungsgerichts, die bereits da sind, stärker angespannt werden. Es ist auch nicht auf dem Wege zu helfen, mindestens in den kommenden drei Jahren nicht, daß wir die Rechtsmittel weiter beschränken. Dieser Überhang bleibt. Wenn wir das Recht nicht geradezu verweigern wollen, müssen wir etwas tun. Deshalb haben sich Abgeordnete aus allen Fraktionen — die Abgeordneten des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und des Rechtsausschusses vollständig — zu diesem Antrag, den Sie aus Umdruck 80 ersehen wollen, entschlossen. Er enthält letzten Endes die Möglichkeit der Begründung eines neuen, des achten Senats am Bundesverwaltungsgericht, der zunächst aber nur für eine begrenzte Zeit eingerichtet werden soll.Meine Damen und Herren, ich glaube, der Ihnen gegebene Überblick beweist eindeutig, daß hier etwas geschehen muß. Deshalb bitte ich Sie, zur Beseitigung dieser offensichtlich bestehenden Rechtsnot dem Antrag Umdruck 80 zustimmen zu wollen.
Bitte, Herr Abgeordneter Niederalt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat schon versucht, die Gründe anzudeuten, die den Haushaltsausschuß zu einem anderen Votum kommen ließen. Ich will das ergänzen und kurz erklären, warum wir im Haushaltsausschuß die Ablehnung dieses weiteren Senats beschlossen haben.
Wir haben, Herr Kollege Weber, uns alle Jahre wieder in diesem Hohen Hause, sowohl im Haushaltsausschuß wie hier im Plenum, mit der Ausweitung der obersten Bundesgerichte, nicht bloß des Bundesverwaltungsgerichts, sondern auch anderer oberster Bundesgerichte, zu befassen. Das Problem der Rückstände, das Sie, Herr Kollege Weber, vorgetragen haben, haben wir im Haushaltsausschuß auch sehr ernst genommen. Es ist nicht so, daß wir da Bilderstürmer wären und über ernste Einwände einfach hinweggingen. Aber wir sahen eben aus der alljährlich wiederkehrenden Problematik, daß der bisher beschrittene Weg einfach nicht richtig sein kann. Wir wollten mit unserer Entscheidung einen heilsamen Zwang sowohl auf die Exekutive wie auf die Legislative ausüben, damit diese endlich einmal darangehen, die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Ordnung zu bringen, d. h. also ein neues Gesetz zu schaffen, wonach Bagatellsachen nicht bis an die oberste Instanz getrieben werden können. Nur wenn wir diesen Weg gehen, so muß ich leider Gottes aus der bisherigen Erfahrung sagen, werden wir hier zu einem guten Ergebnis kommen. Wir können nicht dauernd nur an Symptomen herumkurieren, wir müssen wirklich auf die Ursache des Übels zurückgehen.
Ich hatte Ihnen das Votum des Haushaltsausschusses und die Begründung dafür vorzutragen. Ich persönlich bin nach wie vor der Auffassung, daß wir dem Votum des Haushaltsausschusses folgen sollten.
Keine weiteren Wortmeldungen aus dem Hause. Dann erteile ich das Wort dem Herrn Bundesinnenminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in der glücklichen Lage, hier ein paar Worte sagen zu dürfen, weil es sich um die Wiederherstellung der Regierungsvorlage handelt. Ich möchte das, was Herr Kollege Dr. Weber ausgeführt hat und was, soviel ich weiß, die einhellige Meinung des Rechtsausschusses war, wärmstens unterstützen. Ich habe auch für die Gesichtspunkte, wie sie Herr Kollege Niederalt vorgetragen hat, volles Verständnis. Ich bin Anhänger nicht sehr großer Gerichte, sondern kleiner Gerichte, und nicht nur mit guten Richtern, sondern mit sehr guten Richtern. Aber, bis wir dieses englische Ideal in unserem Vaterland erreicht haben, werden vielleicht noch 50 oder 100 Jahre hingehen. Deshalb dürfen wir die vorliegende Frage nur im Interesse des rechtsuchenden Publikums betrachten. Das ist der einzige Maßstab, den wir anlegen dürfen.Der Kollege Niederalt hat gesagt, und das hört sich natürlich — „schneidig" ist ein Ausdruck, der nicht sehr beliebt ist — sehr „nachdrücklich" an: ein heilsamer Zwang für Exekutive und Legislative. Schließlich ist ja die Legislative dieses Hohe
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1903
Bundesminister Dr. SchröderHaus. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Verwaltungsgerichtsordnung bald zustande käme, und zwar auch in einer Weise, die tatsächlich einen Abbau dieser Rückstände ermöglichte. Leider wachsen aber die Rückstände.
— Herr Kollege! Ich nehme nicht an, daß Sie die Absicht haben, die Rechtsstaatlichkeit zu demontieren.
— Es ist nur ein kleines Zwiegespräch zwischen mir und dem Herrn Kollegen Schmitt. Wir verstehen uns in diesem Punkte sicherlich völlig.Wenn Sie eine Faustregel nehmen, um in ganz groben Zahlen zu sprechen: Es besteht zur Zeit ein Überhang von rund 4000 Sachen. Auch ein fleißiger Senat kann im Durchschnitt im Jahr nicht mehr als 500 Sachen erledigen. Wenn wir diesen Rückstand nun auf einen Senat wegschieben, bleibt es eine Arbeit von acht Jahren, immer unter der Voraussetzung, daß nicht aus Gründen neuer gesetzlicher Maßnahmen sich die Zahl der Rückstände ungebührlich erhöht. Ich selbst glaube, daß wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung sich im Laufe der Zeit etwas gefestigt hat, der Andrang zurückgeht. Sobald man weiß, wie bestimmte Fragen beurteilt werden, wird man sich nicht in den Aufwand eines Prozesses stürzen, von dem man weiß, was er in persönlicher und sachlicher Beziehung bedeutet. Diese Stellen, die hier erbeten worden sind und die sich in der Regierungsvorlage befinden, sollen alle mit einem kw-Vermerk versehen werden. Es ist also alles getan, um auch das Gericht — wenn ich mich so ausdrücken darf — so schnell wie möglich „schrumpeln" zu lassen, wenn die Beanspruchung wieder wegfällt. Ich glaube, damit ist die Garantie gegeben, daß wir nicht in die Breite wuchern, sondern daß wir die Konzentration der Kräfte im richtigen Augenblick vornehmen werden. So unangenehm es sich anhört, im Augenblick einen neuen Senat zu begründen — ich gebe zu, daß mir diese Tatsache keineswegs angenehm ist —, so notwendig ist es im .Interesse des rechtsuchenden Publikums.Der Haushaltsausschuß hat dann noch den Rat gegeben, daß wir bessere Gesetze und weniger Gesetze machen sollten und daß die Richter mehr arbeiten sollten.
— Es ist der Rat gegeben worden, daß die Richter mehr arbeiten sollten. Jeder von uns sollte sich immer bemühen, mehr zu arbeiten, wenn dazu seine Kräfte ausreichen. Ich möchte aber davon ausgehen, daß die Herren, die an so hohe Gerichte berufen werden, die berufen werden in Zusammenwirken von Richterwahlausschuß, Bundesregierung, Bundespräsident, von Hause aus geneigt sind, ihre volle Arbeitskraft zu investieren. Wenn sie trotzdemRückstände in dieser Höhe haben, müssen wir den Ausweg suchen, der hier vorgeschlagen wird. Dementsprechend bitte ich das Hohe Haus, der Regierungsvorlage zur Gründung dieses achten Senats zuzustimmen!
Keine weiteren Wortmeldungen.
Dann der Änderungsantrag Umdruck 96 Ziffer 9. Wer begründet? — Herr Schmitt hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion war sehr froh, als sie bei ihren Vorbereitungen darauf verzichten konnte, hier eine große Debatte über den Verfassungsschutz vorzusehen. Wir fühlen uns aber verpflichtet, auch in diesem Jahr wieder den Antrag zu stellen, eine Kontrolle des entsprechenden Verfügungsfonds beim Bundesministerium des Innern zu beantragen.Sie wissen alle, daß die Geheimfonds, die der Kontrolle des Parlaments entzogen sind, von Jahr zu Jahr zunehmen. Wir stellen mit großer Besorgnis fest, daß die Verwendung dieser Fonds zweifellos oft nicht in einem Sinne erfolgt — ich denke insbesondere an das Bundespresse- und Informationsamt —, den das Parlament billigen könnte. Wir bedauern es, wenn die Mittel der Institution des Verfassungsschutzes, der ja von der Gesamtheit dieses Hauses beschlossen worden ist, der Nachprüfung durch das Parlament völlig entzogen werden.Wir wissen alle — und auch die sozialdemokratische Fraktion bezweifelt es nicht -, daß man die Nachprüfung dieses Fonds natürlich nicht in aller Öffentlichkeit vornehmen kann. Wir haben deshalb schon in den vergangenen Jahren mehrere Vorschläge für eine Kontrolle unterbreitet, und wir unterbreiten ihnen auch jetzt wieder einen Vorschlag. Wir beantragen, die Prüfung der Jahresrechnung durch eine Drei - Männer - Kommission neben dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes vornehmen zu lassen. Auf diese Weise ist auch die Kontrolle der Opposition bei der Verwendung dieser Mittel gesichert.Im Hinblick auf die vielfältigen Kontrollinstitutionen, die dieses Haus bei den verschiedensten Ministerien mit Erfolg eingesetzt hat, sollte sich doch endlich auch der Herr Minister des Innern dazu bereitfinden, eine palamentarische Kontrolle zu ermöglichen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur daran erinnern, daß auch das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen eine solche Kontrollinstitution hat, die sich gut bewährt hat, und daß der Herr Bundeskanzler eine Kontrollinstitution für den Bundesnachrichtendienst geschaffen hat. Was in den verschiedensten anderen Ressorts möglich ist, sollte auch bei dem Herrn Bundesminister des Innern möglich sein. Wir bitten Sie daher nochmals um Annahme unseres Antrags.
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1904 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Das Wort hat der Bundesinnenminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der gerade begründet worden ist, ist ja ein lieber alter Bekannter aus den vergangenen Jahren, und Sie werden mir entgegenhalten, daß auch meine Ausführungen dazu eine liebe alte bekannte Rede darstellen.
— Herr Kollege Gülich, was Sie angeht, glaube ich, daß Sie sie als eine liebe alte bekannte Rede bezeichnen würden. Ob das für alle Ihre Freunde gilt, weiß ich nicht recht. Aber ich will mir Mühe geben, die Rede so originell wie möglich zu machen.
— Ich kann leider nicht für den Antrag sein, und ich will Ihnen gleich sagen, warum. Die Vergleichsbeispiele aus den anderen Bundesressorts, die der Herr Kollege Schmitt gebracht hat, passen alle nicht. Sie passen nicht, weil es sich hier um einen völlig anders gearteten Verwendungszweck handelt. Bitte, ersparen Sie mir, das im einzelnen darzulegen. Ich darf Ihnen nur einmal vorlesen, wie dasselbe Thema in den Ländern behandelt wird, in denen für diese Aufgabe gerade Ihre Freunde
— wenn ich den Durchschnitt sehe: überwiegend — zuständig sind.
Fangen wir einmal an mit Baden-Württemberg: Über die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung trifft das Innenministerium mit dem Präsidenten des Rechnungshofes eine besondere Vereinbarung.
Württemberg-Hohenzollern existiert nicht mehr; da war es früher genauso.
— Nein, nein, Herr Kollege Schmitt, wir arbeiten sehr sorgfältig, und das ist bis zu den neuesten Datendurchgeführt.
— Warten Sie ab! Ich will Ihnen die Liste weiter vorlesen.
Bayern ist ein Land, in dem der sehr geschätzte Kollege Hoegner sehr lange nicht nur Ministerpräsident, sondern auch Innenminister war. In Bayern unterliegen die Ausgaben dieses Ansatzes der alleinigen Prüfung durch den Präsidenten des Bayerischen Obersten Rechnungshofes.
In Berlin ist die Sache etwas differenziert; Berlin spielt hier keine große Rolle. Ich suche nur das Land, das Sie besonders interessiert, jedenfalls den Kollegen Schmitt .
Hessen: Die Ausgaben unterliegen nur der Prüfung durch den Präsidenten des Rechnungshofes des Landes Hessen persönlich, dem gegenüber auch Rechnung zu legen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
ich bin der Überzeugung, daß ohne Rücksicht darauf, ob Politik aus sozialistischer oder aus nichtsozialistischer Perspektive gemacht wird, die Aufgaben, um die es sich hier handelt, ihrem Wesen nach erfordern, daß sie nicht vor einem größeren Personenkreis ausgebreitet werden. Das ist nach dem Wesen — —
— Das ist im Sinne dieser Betrachtung ein größerer Personenkreis — auch wenn Sie darüber lachen, Herr Kollege Gülich —, weil es ein vielfältig zusammengesetzter Personenkreis ist, demgegenüber es nicht immer leicht sein wird, die genügende Bewegungsfreiheit zu behalten.
Dies ist etwas, was auf der Basis von Vertrauen gegenüber einer Regierung beruht. Es handelt sich um, wie Sie wissen, relativ geringe Beträge. Dasselbe Vertrauen, das den sozialistisch geführten Landesregierungen geschenkt wird, sollte auch der nicht sozialistisch geführten Bundesregierung geschenkt werden können, scheint mir jedenfalls. Ich würde auch dann, wenn ich einmal als Abgeordneter der Opposition zu einem solchen Punkt gegenüber einer sozialistisch geführten Bundesregierung zu sprechen hätte, denselben Maßstab anwenden. Sie dürfen mich darauf ruhig festlegen, wenn Sie wollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr.
Herr Minister, die Forderung nach der Kontrolle durch ein Drei-MännerKollegium beschränkt sich ja lediglich auf den Teil des Fonds, der in Ihrem Hause verwaltet wird. Ist nun bei den Ländern, die Sie aufzählten, oder generell bei den Landesämtern der Titel dieses Fonds so geteilt, daß ein Teil dem sogenannten konstruktiven Verfassungsschutz zukommt und der andere Teil dem Amt für seine V-Männer usw.? Für die Verwendung der Gelder im Verfassungsschutzamt wollten wir keine Kontrolle, sondern diese Kontrolle wollten wir beschränkt wissen für die Mittel, die für den konstruktiven Verfassungsschutz ausgegeben werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie erweitern die Frage etwas, Herr Kollege Maier. Die Frage nach der Regelung der Länder im einzelnen kann ich so aus dem Stegreif nicht beantworten.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1905
Bundesminister Dr. SchröderIch möchte Ihnen nur meine Meinung dazu sagen. Meine Meinung ist die, daß diese Mittel einheitlich betrachtet werden müssen, gleichgültig, ob hier ein bescheidener Bruchteil davon durch das Innenministerium unmittelbar eingesetzt wird. Der Charakter dieser Arbeit erfordert, daß diese Mittel einheitlich und nach denselben Gundsätzen verwendet werden. Wollte man nämlich Einblick in den kleineren Teil gewähren, würde das zwangsläufig wegen der Verbindung mit dem Ganzen Einblick in das Gesamte bedeuten. Ich glaube, das würde keinem guten Zweck dienen. Die Aufgaben, für die diese Mittel bestimmt sind, sind klar und fest definiert. Mir ist jedenfalls nicht von irgendeiner Stelle her ein begründeter Vorwurf zu Gehör gekommen, daß über diese Mittel nicht in befriedigender Weise verfügt wurde. Sie sind im Grunde sogar, wie ich glaube, nur sehr bescheiden in Anspruch genommen worden, obwohl das, was der Gegner hier investiert, das Mehrfache von dem ist, was wir als Gegenwirkung dazu zu investieren in der Lage sind. Deshalb möchte ich noch einmal bitten, denselben Maßstab wie in den Ländern auch an uns anzulegen und dasselbe Verfahren zu verfolgen, das in den Vorjahren angewandt worden ist.
Herr Abgeordneter Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat wohl mit Absicht die Aufzählung der deutschen Länder nicht zu Ende geführt; er hat nämlich etwa in der Mitte abgebrochen. In Berlin ist es z. B. so, daß die Ausgaben für die Nachrichtenbeschaffung nicht der Prüfung des Rechnungshofes, sondern der des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses unterliegen, der laufend unterrichtet wird. Herr Kollege Maier hat bereits durch seine Zwischenfrage zum Ausdruck gebracht, worauf es uns ankommt. Es kommt uns darauf an, daß der Teil der Mittel, der vom Innenministerium verwaltet wird — und das ist kein unbilliges Verlangen —, hier einem Drei-Männer-Kollegium zur Nachprüfung freigegeben wird. Ich will auch keine große Verfassungsschutzdebatte führen. Herr Minister, Sie haben eine geradezu übergroße Angstlichkeit, überhaupt den Ausschuß zu unterrichten. Wir haben allen Grund, den Verfassungsschutz als unser gemeinsames Anliegen anzusehen, und weil er unser gemeinsames Anliegen ist, deshalb ist es auch .das gute Recht des gesamten Hauses, den Einblick zu nehmen, den das Haus braucht, um sich ein Bild machen zu können.
— Das ist ja Ihre Sache, das dort als Mehrheitsfraktion zu beantragen. Das verstehe ich gar nicht. Seit neun Monaten ist die Regierung Seidel schon im Amt. Bitten Sie doch mal Herrn Kollegen Niederalt und die anderen Herren der CSU, schleunigst nach München zu schreiben, damit dort ein entsprechender Antrag bei den Haushaltsberatungen gestellt 'wird! Das ist doch gar kein Problem.
Wir bitten Sie also darum, zu zeigen, daß Sie bereit sind, entsprechend der Übung bei anderen Ressorts — ein Vergleich mit all diesen Mitteln, bei denen es auf die Kontrolle ankommt, ist durchaus möglich —, der Opposition den notwendigen Einblick zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht vor, die Ausführungen des Herrn Ministers noch durch Vergleiche mit irgendwelchen anderen Organen der Länder zu ergänzen. Aber ich möchte an Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die Sie diesen Antrag gestellt haben, die ernste Frage richten: Glauben Sie wirklich, daß der von Ihnen vorgeschlagene Weg der Bildung eines Dreimännerkollegiums eine gute Lösung für dieses Problem ist? Ich glaube es nicht.
Meine Damen und Herren von der Opposition, erinnern Sie sich ganz genau an die Haushaltsberatungen! Erinnern Sie sich daran, daß wir bei anderen Einrichtungen diese Lösung schon haben und alles andere als recht zufrieden mit ihr sind! Wer trägt denn dann die Verantwortung? Tragen dann die drei oder die fünf Männer die Verantwortung?
Ich halte dafür, daß auch Ihr Vorschlag — ich will nur einen sachlichen Beitrag geben, über den man vielleicht einmal nachdenken sollte — keine gute Lösung ist, und komme nach reiflicher Überlegung zu der Ansicht, daß wir den Weg gehen sollten, den uns die Verfassung zeigt, nämlich das Verfassungsorgan einzuschalten, das .für diese Dinge zuständig ist, den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, der hier auch tatsächlich eingeschaltet wird. Es sollte nicht übersehen werden — und bei der Debatte über diese Dinge wird das häufig übersehen —, daß der Präsident des Bundesrechnungshofs die volle Kontrolle hat.
— Jawohl, Herr Kollege Heiland, der Präsident des Bundesrechnungshofs hat einen durchaus wichtigen Platz in unserem Verfassungsleben. Er ist dazu berufen, und wir sollten es auch dabei belassen. Denn die von Ihnen aufgezeigte Lösung — das werden Sie, wenn Sie in stiller Stunde darüber nachdenken, zugeben — ist auch keine ideale Lösung. Nur darauf wollte ich noch hinweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme nur wegen der Ausführungen von Herrn Niederalt noch einmal auf dieses Thema zurück. Zugegeben, Herr Niederalt, daß auch dieses Kollegium, das wir bei einer Reihe von Ministerien haben, keine ideale Lösung ist. Aber ebenso müssen Sie zugeben, daß es noch weniger ideal ist, diesen Fonds völlig außerhalb des Parlaments zu haben. Ob Sie ein Dreimännerkollegium
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1906 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Hermsdorfnehmen oder ein Fünfmännerkollegium, Sie haben immer die Möglichkeit, ein oder zwei Verantwortliche in Ihrer Fraktion zu haben und der Fraktion berichten zu lassen, was dort vorgeht. Die Gutachten, die der Bundesrechnungshof über die Geheimtitel erstattet, sind überhaupt keinem Abgeordneten des Hauses zugänglich. Nach Ihrem Vorschlag hätten wir als Parlament also nicht die Möglichkeit, uns über diese Dinge zu informieren. Viel besser wäre es, die Dinge offen darzulegen. Da Sie das nicht wollen, haben wir dieses Kompromiß vorgeschlagen. Das wäre ein kleiner Schritt, den auch Sie zur Kontrolle und zur Verantwortung des Parlaments gehen sollten
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte nur Herrn Kollegen Niederalt mit wenigen Sätzen antworten. Wie kann denn der Präsident des Bundesrechnungshofs eine Verantwortung für ein solches Amt tragen? Wir haben bei früheren Gelegenheiten ja schon darauf hingewiesen — z. B. bei der Behandlung der Geheimtitel, die der Präsident des Bundesrechnungshofs ebenfalls überprüft —, daß der Präsident des Bundesrechnungshofs ja nicht die sachliche Verantwortung dafür tragen, sondern im wesentlichen nur die rechnerische Richtigkeit nachprüfen kann. Das ist doch der ganze Sinn der Sache. Man kann sich keinen Präsidenten des Bundesrechnungshofs vorstellen, welcher sagen würde: Herr Bundeskanzler, diese und diese Ausgaben aus Ihrem Titel 300 im Kap. 04 03 oder dies und das im Verfassungsschutzamt beanstande ich! Der Hinweis auf den Präsidenten des Bundesrechnungshofs ist nichts anderes als ein Ausweichen: Wenn es sich um Dinge handelt, bei denen nicht das ganze Parlament informiert werden soll, sollte wirklich der kleine Ausschuß informiert werden.
Mir ist bei allen diesen Dingen nicht wohl. Ich habe das neulich bei der Beratung des Bundesnachrichtendienstes sehr deutlich zum. Ausdruck gebracht. Es wird überhaupt in der Bundesrepublik von viel zu vielen Stellen nachgeschnüffelt, und zwar Gesinnungen nachgeschnüffelt! Man sollte Untaten bestrafen, aber doch nicht soviel in Gesinnungsschnüffelei machen.
Und wenn schon ein solches Amt da ist, sollte wenigstens eine parlamentarische Kontrolle vorhanden sein, in der auch ein Vertreter der jeweiligen Opposition sitzt. Das ist gar keine leichte Aufgabe für diesen Vertreter der Opposition, und dieses Amt möchte ich weiß Gott nicht haben. Aber dann ist doch zumindest eine gewisse Mitwirkung und eine gewisse Einsichtnahme durch die Opposition gewährleistet, womit den parlamentarischen Grundsätzen Rechnung getragen wird.
Das Wort hat der Bundesinnenminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst an den Herrn Kollegen Schmitt wenden, der vielleicht den Eindruck hervorgerufen hat, ich hätte diese Liste ausgespart.
— Gut, Herr Heiland, ich weiß, daß Sie einen zunehmenden Respekt vor den Juristen bekommen, und das ist etwas, was ich für diese Fakultät im Laufe der Zeit hier erreicht habe.
— Ich glaube nur, das liegt den Herren besonders. Ich darf deswegen definitiv sagen: Berlin hat eine etwas abweichende Regelung, alle anderen Länder haben die Regelung, die ich vorgetragen habe. Nachdem ich Bayern und Hessen hervorgehoben habe, möchte ich nun auch noch Nordrhein-Westfalen besonders hervorheben. Dort, wo der Innenminister bekanntlich Sozialdemokrat ist, unterliegt die Verwendung der Mittel noch nicht einmal einer Prüfung durch den Rechnungshof. Das sehe ich jetzt erst; darauf bin ich gar nicht hingewiesen worden. Das ist geradezu eine Ideallösung von diesem Standpunkt aus.
— Nun, Sie werden den Scherz verstehen, der indieser Replik liegt. In dem Moment, in dem Herr Biernat dort wenigstens auf den Rechnungshof zurückgeht, ist der Bund noch sehr weit hinter dem zurück, was in Nordrhein-Westfalen derzeit gilt.Aber Scherz beiseite! Ich wollte nur die Tatsachen aufklären. Es ist überall so, mit einer kleinen Abweichung hinsichtlich Berlins, wo das Verfahren etwas differenziert, aber für unsere Verhältnisse nicht geeignet ist.Herr Kollege Gülich hat etwas gesagt, was ich bedauere; er hat es vielleicht nicht so gemeint. Er hat gesagt, es werde schon zuviel der Gesinnung nachgeschnüffelt.
— Herr Kollege Gülich, das wollen Sie hoffentlich nicht ausgerechnet dem Bundesamt für Verfassungsschutz anhängen. Sie wissen, daß sich die Mehrzahl der auf diesem Gebiet tätigen Ämter tatsächlich in breiter Fülle auf die deutschen Länder verteilt und daß das Bundesamt nicht einmal eine lose Dachorganisation darstellt. Ich glaube, es wäre schlecht, wenn beim Publikum der Eindruck aufkäme, als ob hier Gelder benötigt würden, um der Gesinnung nachzuschnüffeln. Sie werden nicht benötigt, um der Gesinnung nachzuschnüffeln, sondern um dem Staatsfeind, wo immer er sich findet, ohne Rücksicht auf seinen Standort — links oder rechts — entgegenzutreten.
Das ist der Sinn dieser Mittel, und ich kann nur sagen: die Mittel für diesen Zweck sind außerordentlich gering.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1907
Bundesminister Dr. SchröderDaß diese Ämter — das gilt nicht nur für das Bundesamt für Verfassungsschutz, sondern auch für die Landesämter — es sehr schwer haben, ist ganz sicher. Wir sollten es ihnen also nicht dadurch noch schwerer machen, daß wir ihrer Tätigkeit mehr oder weniger sozusagen ein Stigma dieser Art anhängen. Ich glaube, daß wir es angesichts der relativen Geringfügigkeit der Beträge, um die es sich hier handelt, und angesichts der Tatsache, daß Sie ja gegen die unmittelbare Verwendung durch das Amt nicht die allergeringsten Bedenken erheben, wie der Kollege Maier ausgeführt hat, bei der Regelung belassen sollten, die in allen deutschen Ländern — eine kleine Ausnahme bildet Berlin —, auch in allen sozialistisch geführten Innenministerien gilt und bisher gegolten hat. Diese Regelung hat sich nach meiner Überzeugung bewährt.Es wird gesagt, der Präsident des Bundesrechnungshofs sei gar nicht in der Lage, in diesen Dingen irgendeine Art von Verantwortung zu übernehmen. Ich muß sagen: dann kennen Sie eine normale Ministerialbürokratie schlecht. Eine normale Ministerialbürokratie — ich sage das, ohne irgend jemandem zu nahe treten zu wollen ist außerordentlich vorsichtig, außerordentlich zurückhaltend. Allein die Möglichkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofs, in Rechnungen hineinzugreifen, genügt schon für alle beteiligten Beamten, ein Maß von Zurückhaltung und Vorsicht zu üben, das mich manchmal beinahe in Erstaunen versetzt.
— Nein, sie genügt tatsächlich. Ich kann Ihnen die Beispiele dafür liefern, soweit sie sich überhaupt für eine öffentliche Erörterung eignen. Deshalb glaube ich: hier ist in der Vergangenheit richtig verfahren worden, und wir sollten dieses Verfahren beibehalten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ritzel?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr.
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß, wenn vor ein paar Jahren schon eine solche kleine Kommission des Hohen Hauses bestanden hätte, damals unter Umständen verhütet worden wäre, daß Ihr eigener Präsident des Verfassungsschutzamtes fortlief?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will auf die Frage so scherzhaft antworten, wie sie offenbar von Ihnen, Herr Kollege Ritzel, gemeint gewesen ist. Die Einsicht in die Rechnungsbelege kann nicht verhindern, daß die eine oder andere Person unzulänglich ist, unzulänglich wird oder ins Unglück stürzt. Es ist ein weites, weites Feld zwischen den Rechnungsbelegen und ihrer Prüfung und dem persönlichen Verhalten im Einzelfall. Um Ihre Frage konkret zu beantworten: die Frage des persönlichen Schicksals des ersten Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den ich bekanntlich nicht berufen habe, ist völlig unabhängig
davon, wie das Geld für den Vertassungsschutz aus gegeben worden ist.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Als letzter Antrag zu diesem Einzelplan liegt Umdruck 96 Ziffer 10 vor. Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf unseren Antrag Umdruck 96 Ziffer 10 begründen. Sie wissen, daß nach dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz vom 16. März 1951 Bundesgrenzschutzbehörden eingerichtet wurden. Der Umfang der Exekutive, der diesen Behörden zur Verfügung gestellt wird, wurde im Gesetz nicht geregelt, sondern einem besonderen Beschluß des Bundestages vorbehalten. Zunächst wurde beschlossen, daß der Bundesgrenzschutz 10 000 Mann umfassen soll. Später, am 19. Juni 1953, wurde durch Beschluß dieses Hohen Hauses der Umfang auf 20 000 Mann festgelegt. Heute umfaßt der Bundesgrenzschutz 11 600 Mann, nachdem er zum Aufbau der Bundeswehr herangezogen, aber als Institution aufrechterhalten worden ist. Monatlich scheiden 80 bis 100 Beamte aus; neu eingestellt werden zur Zeit monatlich 350 bis 400. Die Beamten, die heim Aufbau des Bundesgrenzschutzes im Jahre 1951 beteiligt waren, haben heute ihre sieben Jahre um und scheiden aus.Wir, das ganze Haus, haben Grund, zu prüfen, ob die Verhältnisse, die 1951 und 1953 dazu geführt haben, den Bundesgrenzschutz mit 10 000 bzw. 20 000 Mann aufzustellen, heute noch vorliegen. Auf Grund der New Yorker Beschlüsse der westlichen Außenminister vom Herbst 1950 wurde bestimmt, daß — man darf das sagen — als erster Sicherheitsbeitrag der Bundesrepublik 30 000 Mann kasernierte deutsche Polizeieinheiten geschaffen werden sollten. Zunächst versuchte der Bund, durch Verwaltungsabkommen mit den Ländern Bereitschaftspolizeien aufzustellen. Das ist nur in dem beschränkten Umfange von 10 000 Mann gelungen. Daraufhin hat der Bund damals die Aufstellung des Bundesgrenzschutzes in die Wege geleitet. Auf die Begründung, die der damalige Innenminister Dr. Lehr gegeben hat und die heute nachzulesen sehr interessant ist, darf ich Bezug nehmen.Zu keiner Zeit hat der Bundesgrenzschutz faktisch mehr als 10 000 Beamte gehabt, die einsatzfähig waren. Wenn er heute nun 11 000 Beamte hat, dann ist die Frage begründet, warum er wieder auf 20 000 erhöht werden soll. Der Herr Bundesinnenminister wird hier doch wohl nicht darlegen wollen, daß der Bundesgrenzschutz in den letzten Jahren seine Aufgabe nicht habe wahrnehmen können! Darüber ist uns nichts bekannt geworden, und ich habe in meiner früheren Tätigkeit viele Beziehungen auch zum Bundesgrenzschutz gehabt.Beim Aufbau des Bundesgrenzschutzes ging man zweifellos davon aus, Kader für die später aufzustellende Bundeswehr zu schaffen. Man hat später ein anderes System für ,den Aufbau der Bundeswehr gewählt, indem man von oben nach unten
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1908 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Dr. Schäferaufgebaut hat. Aber man hat den Bundesgrenzschutz damals auch en bloc in die Bundeswehr übergeführt und nur denjenigen Beamten, die nicht wollten, die Möglichkeit gelassen, in den Rest ,des Bundesgrenzschutzes sozusagen wieder zurückzutreten.Von der Aufgabe her besteht kein Anlaß, den Bundesgrenzschutz wieder auf 20 000 Mann zu erhöhen. Man fragt sich, warum es dann geschehen soll. Hier scheinen irgendwelche Überlegungen vorhanden zu sein. Diese haben uns veranlaßt, diesen Antrag zu stellen, damit das Bundesinnenministerium hier vor ,dem Hause darlegen muß, was es eigentlich mit dem voll verstärkten Bundesgrenzschutz unternehmen will, nachdem ein voller Bundesgrenzschutz von 20 000 Mann für den Grenzschutz selbst überhaupt nicht notwendig ist. Man hört, daß überlegt wird, den Bundesgrenzschutz nicht bei 20 000 zu belassen, sondern auf 50 000 zu erhöhen, 20 000 im Grenzschutz und 30 000 als Kader für den zivilen Bevölkerungsschutz. Es sickert auch so durch, daß man sogar schon den Namen in „trenz- und zivilen Bevölkerungsschutz" ändern will. Man meint, dabei den Bundestag überhaupt nicht zu brauchen, sondern sich auf Art. 73 Ziffer 5 in Verbindung mit Art. 87 bzw. Art. 73 Ziffer 1 in Verbindung mit Art. 87 b des Grundgesetzes stützen zu können.
Wir sind 'der Ansicht, daß ,die Bundesregierung nichtberechtigt ist, ohne ein neues Gesetz die Aufgabedes Bundesgrenzschutzes zu ändern. Wenn man dann liest, daß man allen Ernstes die Lage prüft, in die im Konfliktsfalle der Bundesgrenzschutz kommen könnte, .da man davon ausgeht, daß der Bundesgrenzschutz „Kombattant" im Sinne des Völkerrechts wäre, dann verstehen Sie, daß unsere Befürchtungen wirklich begründet sind. Wir sind nämlich der Ansicht, daß die Sicherung einer Grenze, die keine Grenze werden darf, nicht eine Angelegenheit von halbmilitärischen oder militärischen, sondern nur von rein polizeilichen Organisationen sein darf. Es darf nicht der Zustand eintreten, daß der Grenzschutz gegenüber der Sowjetzone unter das Kommando der NATO gestellt werden kann. Er ist eine innerdeutsche Angelegenheit.Deshalb meinen wir, daß eine Verstärkung von der Sache her nicht notwendig ist. Das hat sich die letzten Jahre gezeigt. Denn der Bundesgrenzschutz war nie stärker. Wir meinen deshalb, daß der Bundesminister des Innern erst eine Planung hier vorlegen muß, ehe er die volle Wiederauffüllung des Bundesgrenzschutzes durchführen kann.Mit der Anbringung des Sperrvermerks, den wir beantragen, kann gar nichts passieren. Der Bundesgrenzschutz wind in seiner Aktionsfähigkeit nicht gehemmt. Sobald die Regierung vor diesem Hohen Hause oder vor den Ausschüssen den Nachweis erbringt, kann der Sperrvermerk aufgehoben werden. Es werden aber mit dem Sperrvermerk — das bitte ich sehr wohl zu beachten — 100 Millionen DM imJahr eingespart, und für die Zukunft — es wird nämlich dem Bundesinnenminister nicht gelingen, den Nachweis zu erbringen, daß er die 20 000 Mann braucht — werden wir jedes Jahr 100 Millionen DM einsparen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der jetzt zur Debatte steht, läuft praktisch darauf hinaus, daß diese Stärke des Bundesgrenzschutzes auf rund 10 000 Mann festgesetzt wird. Sie haben ja selber, Herr Kollege Schäfer, mit Ihren letzten Sätzen dieses eigentliche Petitum klar und deutlich zum Ausdruck gebracht.
Ich glaube nicht, daß es meine Aufgabe ist, darzutun, warum der Bundesgrenzschutz in einer Stärke von 20 000 Mann auch heute noch notwendig ist, warum er zweckmäßig ist usw.; das wird, nehme ich an, der Herr Bundesinnenminister als Ressortchef noch genügend darlegen. Ich möchte nur etwas sagen, was mehr formelle Bedenken zum Inhalt hat. Ich bin der Auffassung, daß wir, wenn wir Ihrem Antrag, dem Antrag der SPD, nachgäben, praktisch ungesetzlich handeln würden, und zwar aus folgendem Grunde. Es steht doch unbestreitbar fest, daß dieses Hohe Haus durch einen qualifizierten Beschluß — also nicht durch einen normalen, einfachen Mehrheitsbeschluß — die Stärke des Bundesgrenzschutzes auf 20 000 Mann festgesetzt hat. Es handelt sich nicht etwa um eine Ermächtigung, etwa in der Form: „Der Bundesinnenminister kann einen Bundesgrenzschutz aufbauen bis zu 20 000 Mann". Der qualifizierte Beschluß des Bundestages sagt: Die Stärke des Bundesgrenzschutzes wird auf 20 000 Mann festgesetzt.
Ich bin der Auffassung, daß das nicht eine Ermächtigung ist, sondern ein Befehl dieses Hohen Hauses. Vielleicht haben Sie eine andere Auffassung; dann mögen Sie das dartun. Aber Sie werden doch nicht sagen können, daß meine Auffassung so ohne weiteres von der Hand zu weisen ist. Aus dem von mir dargelegten Grunde wären wir, glaube ich, im Rahmen der Haushaltsberatungen gar nicht in der Lage, einem solchen Antrag, der die Änderung eines qualifizierten Bundestagsbeschlusses zum Inhalt hat, stattzugeben.
Das Wort hat der Bundesinnenminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Niederalt hat schon dargelegt und, wie ich glaube, überzeugend dargelegt —, daß eine Annahme dieses Antrages gegen eine definitive gesetzliche Regelung verstoßen würde.Herr Kollege Schäfer, der den Antrag begründet hat, geht in mehrfacher Beziehung von falschen
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1909
Bundesminister Dr. SchröderVoraussetzungen aus. Er geht von ganz falschen Voraussetzungen aus, wenn er hier so kurzerhand feststellt, der Bundesgrenzschutz sei als Kader für die Bundeswehr aufgebaut worden.
— Das ist offensichtlich nicht zutreffend, kann ich nur sagen.Wenn er allerdings glaubt, daß die Sicherheitslage heute günstiger sei als 1951, dann bewundere ich die Zuversicht, die er zu unserer Sicherheitslage hat. Ich bin der Meinung, daß wir den Bundesgrenzschutz in dieser Stärke bitter nötig brauchen. Wir geben uns, wie Sie wissen, die allergrößte Mühe, durch eine sehr verstärkte Werbung endlich wieder die Zahl von 20 000 Mann zu erreichen, nachdem wir ein beträchtliches Opfer zugunsten eines schnelleren Aufbaues der Bundeswehr gebracht haben. Grundlage hierfür war das von diesem Hohen Haus verabschiedete Gesetz, das eine solche Hilfestellung beim beschleunigten Aufbau der Bundeswehr vorsah.Der Kollege Schäfer spricht von allerlei verdächtigen Überlegungen. Ich weiß nicht, wo er von diesen verdächtigten Überlegungen gehört hat und woher er sie kennt. Ich kann nur sagen, mir ist von solchen verdächtigen Überlegungen nichts bekannt. Ich wäre ihm nur dankbar, wenn er mich — vielleicht verfügt er über bessere Beziehungen zu anderen Ressorts als ich darüber aufklären könnte, welche verdächtigen Überlegungen — ich nehme an, im Rahmen der Bundesregierung — es hinsichtlich des Bundesgrenzschutzes gibt.Wir sind der Meinung, daß wir diese 20 000 Mann sehr nötig brauchen. Wir geben uns die größte Mühe, diese Zahl so schnell wie möglich zu erreichen. Wir haben eine intensive Werbungskampagne betrieben und sind mit den Ergebnissen der Werbung einigermaßen zufrieden, auch hinsichtlich der Qualität der Bewerber, die in den Bundesgrenzschutz wollen. Es wäre doch wohl im Interesse der Zukunft dieser neuen Bewerber etwas sehr, sehr Mißliches, wollte man hier in dieser Debatte die Zukunft des Bundesgrenzschutzes in Frage stellen.Deswegen bitte ich Sie, diesen Antrag abzulehnen. Alles, was die Opposition über die Zukunft des Bundesgrenzschutzes hören wollte, habe ich hiermit ganz eindeutig gesagt. Die Bundesregierung hat die Absicht, den Bundesgrenzschutz so schnell wie möglich bis zu der gesetzlich vorgesehenen Stärke von 20 000 Mann wiederaufzubauen, und gibt sich alle Mühe, das durch eine verstärkte Werbung zu erreichen und gute Leute für den Bundesgrenzschutz zu bekommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat dem Kollegen Dr. Schäfer soeben geantwortet, es sei nicht richtig, daß der Bundesgrenzschutz gewissermaßen Kader für die Bundeswehr gewesen sei. Meine Damen und Herren, die meisten Kollegen im Hause erinnern sich doch noch daran, wie die Dinge waren. Wir haben damals im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung mit Ihnen, Herr Minister, diskutiert, und Sie erinnern sich doch, wie dieses Haus dann den Grenzschutz in die Bundeswehr überführt hat. Man hat die Männer des Bundesgrenzschutzes kraft Gesetzes überführt. Sie konnten diese Übernahme allerdings verweigern. Man kann aber doch heute nicht davon sprechen, der Bundesgrenzschutz sei nicht Kader für die Bundeswehr gewesen. Er war es eben, und Sie haben doch nun deshalb heute einen so geringen Bestand an Bundesgrenzschutzbeamten, weil Sie einen großen Teil des Bundesgrenzschutzes für den Aufbau der Bundeswehr zur Verfügung stellen mußten.
Herr Minister, wenn wir heute Bedenken haben, daß in einer neuen Situation plötzlich wieder andere Kräfte im Kabinett die Mehrheit gegenüber Ihrer Meinung gewinnen, dann ist das nicht so ganz von der Hand zu weisen. Sie wissen, Herr Minister, daß Herren, die mit dem Aufbau der Territorialverteidigung beschäftigt sind, durchaus Gedankengänge geäußert haben, die die Sorge, es könne ein neues Grenzschutzgesetz ähnlich dem damals vom Bundestag beschlossenen Gesetz kommen, berechtigt erscheinen lassen.
Wir haben schon mehrfach — auch im Ausschuß — zum Ausdruck gebracht: Uns genügt es nicht, daß man sagt, man werde den Grenzschutz nicht überführen. Wir wissen, daß es dann später heißen wird: Wir haben jetzt eine neue Situation, und in der neuen Situation muß man eben andere Beschlüsse fassen. Deshalb haben wir die Befürchtung und die Sorge, daß wir hier im Hause eines Tages wieder vor der gleichen Lage wie damals stehen werden.
Im übrigen machen wir uns hier nicht, wie Sie, Herr Kollege Niederalt, meinen, einer Gesetzesverletzung schuldig, wenn wir einen solchen Beschluß fassen. Wenn das so wäre, hätte sich ja auch die Bundesregierung schon in den vergangenen Jahren einer Gesetzesverletzung schuldig gemacht, indem sie die gesetzlich festgelegte Stärke des Bundesgrenzschutzes herabgemindert und die Bundesgrenzschutzangehörigen in die Bundeswehr überführt hat. Wenn sie das nicht getan hätte, hätte der Bundesgrenzschutz noch heute seine gesetzliche Stärke. Mit diesen Argumenten sollten Sie unseren Antrag nicht ablehnen.
Noch etwas, Herr Minister, zur Sicherheitslage 1951. Herr Kollege Schäfer hat durchaus recht, wenn er sagt: Die Sicherheitslage des Jahres 1951, die nicht von dem Bestand einer Bundeswehr ausgeht, ist, wenn man den Bundesgrenzschutz betrachtet, nicht mehr mit der im Jahre 1958 zu vergleichen.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
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1910 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, die Opposition richtig zu verstehen. Sie haben eine Sorge um die Zukunft des Bundesgrenzschutzes ausgedrückt und diese, wenn ich es richtig auffasse, zum Gegenstand Ihres Antrags gemacht. Die Sorge habe ich Ihnen, wie ich hoffe, durch meine Ausführungen genommen. Schon deswegen sollte Ihr Antrag gegenstandslos sein.
Die Vorgänge, die Herr Kollege Niederalt in Erinnerung gerufen hat, sind in der Tat so, wie er sie geschildert hat. Die Wiederauffüllung des Bundesgrenzschutzes ist durch dasselbe Gesetz beschlossen worden, das einen gewissen, und zwar freiwilligen, wohlgemerkt: freiwilligen Abgang zur Bundeswehr erleichtert hat.
Das ändert nichts daran, daß es ein freiwilliger Abgang war, und Sie wissen, daß die Sache so freiwillig war, daß das Ergebnis etwa halbe-halbe war. Wenn das nicht freiwillig ist, dann weiß ich nicht, was man freiwillig nennen kann.
— Herr Kollege Schmitt, das ist eine reine Frage der Technik. Sie können eine Regelung so oder so aufziehen. Das Beweiskräftige ist wohl mir das Ergebnis. Das Ergebnis ist — ich habe die Zahlen nicht ganz genau in der Erinnerung — im groben jedenfalls halbe-halbe gewesen. Das ist ein Beweis dafür, daß es sich um einen freiwilligen Vorgang handelt.
Nun aber ein anderer Punkt. Sie meinen, es könnten unter Umständen die Mehrheitsverhältnisse im Kabinett in dieser Frage unsicher sein. So ähnlich haben Sie sich, glaube ich, ausgedrückt. Ich kann Ihnen versichern, daß das, was ich hier vortrage, mit der Auffassung des Herrn Bundeskanzlers übereinstimmt, der ja wohl — und ein Blick in das Grundgesetz wird das bestätigen — für die Richtlinien der Politik maßgeblich ist. Und daß dies eine Richtlinie der Politik ist, wird niemand bezweifeln wollen.
Das dritte, was ich sagen möchte, ist dies: wenn man die relativ richtige Stärke des Bundesgrenzschutzes ins Auge fassen will, kann man es doch wohl oder sollte man es nur so tun, daß man die Kräfte auf der Gegenseite, und zwar die ähnlich ausgestatteten und die ähnlich beabsichtigten Kräfte auf der Gegenseite berücksichtigt.
Und da kann ich nur sagen, daß wir dann weit hinter dem bleiben, was gemessen an dem sowjetzonalen Aufwand auf diesem Gebiet erforderlich ist. Das ist die eine Betrachtung.
Die zweite Betrachtung ist aber die: ich bin der Überzeugung, daß wir bei einer realistischen Einschätzung der inneren Entwicklung in Deutschland in den nächsten Jahren, insgesamt gesehen, auf dem polizeilichen Gebiet — und der Bundesgrenzschutz ist bekanntlich eine Sonderpolizeitruppe — eher zu schwach als zu stark bestückt sind. Der Bundesgrenzschutz ist nicht zuletzt auch durch die Abkommen mit den Ländern ein gewisser Rückhalt für die Aufgaben, die die Länder ihrerseits zu erfüllen haben. Im Lichte dieser Betrachtung ist sein derzeitiger Stand außerordentlich bescheiden, bestimmt nicht zureichend. Das ist der Grund für die hier von mir deutlich erklärte Politik der Bundesregierung, ihn ganz beschleunigt, so schnell wie möglich, wenigstens auf diese 20 000 Mann wieder aufzufüllen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich habe im Jahre 1951 mein damaliges Land bei den Besprechungen vertreten, die Ihr Amtsvorgänger geführt hat und die der Ausführung der New Yorker Beschlüsse gedient haben. Es wäre nicht recht, wenn ich in aller Öffentlichkeit die Einzelheiten darlegte, die damals Gegenstand der Überlegung aller Stellen waren. Sicher ist auf jeden Fall — und Sie bestätigen es soeben in Ihrem zweitletzten Punkt, indem Sie ähnliche Kräfte wie auf der Gegenseite für angemessen halten —, daß man eigentlich gar keine polizeiliche Konzeption will, sondern eine volkspolizeiähnliche Stärke und Ausrüstung.
Herr Bundesminister, meine Damen und Herren, im Entwurf des Haushaltsplans sind 200 gepanzerte Fahrzeuge vorgesehen. Die hat man nachher herausgenommen, weil angeblich die Fertigung nicht anlaufen kann, Aber gerade dieser Posten von 16 Millionen DM für 200 gepanzerte Sonderfahrzeuge für diese Polizeitruppe hat uns recht lebendig werden lassen, und einige Auskünfte aus den anderen Ressorts bestätigen das, was wir von früher her wissen und was man gar nicht zu bestreiten braucht, nämlich daß man ursprünglich die Bundeswehr von unten nach oben aufbauen und den Grenzschutz dazu verwenden wollte. Nachher hat man umgekehrt mit den Generalen angefangen und die Leute dazu gesucht; dabei kam man auch wieder zum Bundesgrenzschutz und hat ihn en bloc übernommen.Nur noch ein Wort zum Aufbau. Immerhin ist es interessant, daß der Personalgutachterausschuß, der sich mit einigen höheren Offizieren des Bundesgrenzschutzes beschäftigen mußte, nicht so ganz mit der Wahl, die das Innenministerium getroffen hatte, einverstanden war. Es ist tatsächlich so, Herr Bundesinnenminister, Sie haben mindestens zwei Jahre lang nie 10 000 Mann gehabt. Drei Jahre lang haben Sie Ihre Aufgaben erfüllen können. Wo gibt es denn das, daß dieses Hohe Haus 100 Millionen DM ausgibt für eine Sache, bei der man drei Jahre lang gezeigt hat, daß man sie mit der Hälfte machen kann? Ich frage, ob Sie sonst irgendwo so bewilli-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1911
Dr. Schäfergungsfreudig sind, daß Sie 100 Millionen DM dafür zur Verfügung stellen! Nur in diesem Fall! Zwangsläufig drängt sich die Frage auf — und dazu kommen Informationen, die man nebenher noch von anderen Häusern bekommt —: Sind die Befürchtungen begründet, denen ich vorhin Ausdruck gab? Sie, Herr Bundesinnenminister, haben sie vorhin gemehrt, indem Sie davon sprachen, daß die Stärke des Bundesgrenzschutzes sich nach ähnlichen Kräften, die auf der Gegenseite sind, richten müsse. Gerade das begründet ja unsere Befürchtung, und deshalb wollen wir die Regierung veranlassen, klar vor diesem Hause auszusprechen: Was sollen die zweiten 10 000 Mann tun, nachdem die ersten 10 000 ausreichen?Noch ein Wort zum Bundespaßkontrolldienst. Er muß nicht von Angehörigen des Bundesgrenzschutzes ausgeübt werden. Seine Tätigkeit ist notwendig. Aber ich bitte, zu überlegen — ich sage es nur als Anregung —, ob man nicht dem Bundeskrininalamt einen guten und nützlichen Unterbau schaffen würde, wenn man ihm diese zweite Sparte, eine echte Exekutive nämlich, unterstellte.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer hat eine Rede gehalten, die mir im wesentlichen nicht gefallen hat. Aber seinen Schlußvorschlag finde ich ausgezeichnet. Wenn Sie uns dabei helfen wollen, einen Unterbau für das Bundeskriminalamt zu schaffen —
— Ich wende mich zunächst an die Opposition.
— Herr Kollege Schäfer, ich muß mir meine Stimmen suchen, wo ich sie finde.
Wenn Sie mich darin unterstützen wollen, den Paßkontrolldienst als eine Art Unterbau für das Bundeskriminalamt zu verwenden, dann ist das wirklich eine großartige Idee. Sie sehen offenbar Widerstände; hoffentlich nicht bei meinen eigenen Freunden. Wenn Sie mich tatkräftig unterstützen, werde ich mit Ihnen zusammen auch meine Freunde überzeugen können. Ich kann nur sagen, der Gedanke selbst ist ausgezeichnet.
— Herr Kollege Heiland, ich kann nur sagen, hier wird nach Köpfen entschieden, und wenn ich eine Mehrheit für eine Sache zusammenbringe, dann wird die schon in Ordnung kommen.
— Es geht gerade um Ihre Köpfe, und ich bescheinige in diesem Punkt Ihren Köpfen, daß Sie mitdiesem Vorschlag ganz hervorragend richtig liegen. Wir wollen sehen, ob wir ihn nicht gemeinsam durchführen können.Für wie richtig ich dies halte, für um so weniger richtig halte ich Ihre anderen Ausführungen. Ich bin im Jahre 1951 an den Besprechungen, an denen Sie damals offenbar in amtlicher Eigenschaft teilgenommen haben, nicht beteiligt gewesen, und deswegen kann ich aus eigenem Wissen darüber nichts sagen. Aber diese Sache -hat doch eine Entwicklungsgeschichte von sieben Jahren. Inzwischen sind wir im Jahre 1958, und wir haben das Zweite Bundesgrenzschutzgesetz. Was die derzeitige Politik der Bundesregierung ist, habe ich mit aller Klarheit dargelegt.Meinen Hinweis auf vergleichbare Kräfte drüben haben Sie offensichtlich mißverstanden. Es gibt drüben außer der Volkspolizei und außer der Armee, die jetzt wohl als Nationalarmee deklariert wird, mindestens 30 000 Mann Grenzpolizei. Ichglaube, allein der Zahlenvergleich zeigt schon, daß wir dahinter weit zurückbleiben. Aber bitte, .legen Sie noch einen stärkeren oder, ich will sagen, einen mindestens so starken Akzent auf das andere, was ich gesagt habe, daß der Bundesgrenzschutz auch dank der Abkommen mit den Ländern eine gewisse Sicherheitsreserve für die Länder in der Bewältigung ihrer eigenen Aufgaben darstellt.Ich muß dann mit Rücksicht auf die Personalauswahl im Bundesgrenzschutz folgendes sagen. Sehen Sie, diejenigen — und ich gehöre gar nicht dazu, ich bin später in das Innenministerium gekommen—, die damals unter großem Zeitdruck die Aufbauaufgabe im Anfang zu bewältigen hatten, haben nach meiner Meinung Hervorragendes geleistet. Das muß man mit allem Nachdruck feststellen.
— Sie werden gleich sehen, was für eine Schlußfolgerung ich daraus ziehe. So weit bin ich noch nicht. — Es ist dabei Hervorragendes geleistet worden. Die Arbeit war sehr schwer.Ich habe gerade in diesen Tagen wieder eine Unterhaltung mit einem der Männer gehabt, die damals jedenfalls praktisch in allererster Linie für diese Arbeit zuständig waren. Es mag schon sein, daß es bei der Durchsicht von Hunderten und Tausenden von Bewerbungen, auch höherer Rangstufen, passiert, daß man dann und wann vielleicht nicht die allerbefriedigendste Entscheidung getroffen hat. Aber wenn der Personalgutachterausschuß — wenn ich es richtig in Erinnerung habe —, nicht mehr als zwei Beanstandungen erhoben hat, bei denen ich offenlasse, ob sie zu Recht erhoben worden sind, dann ist das doch wohl für ein Verfahren, das sich vor vielen Jahren unter großen Schwierigkeiten mit geringer Menschenzahl auf der prüfenden Seite abgespielt hat, ein erstklassiges Zeugnis.Das Hohe Haus — ich spreche das hier in voller Deutlichkeit aus — hat, glaube ich, jeden Anlaß, der Arbeit, die im Bundesgrenzschutz in diesen vergan-
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1912 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Bundesminister Dr. Schrödergenen sieben Jahren geleistet worden ist, hohe Anerkennung nicht zu versagen.
Ich möchte mich jedenfalls mit allem Nachdruck zu dieser Aufbauarbeit für den Bundesgrenzschutz bekennen. Ich sage Ihnen noch einmal: es ist die Politik der Bundesregierung, den Bundesgrenzschutz so schnell wie möglich auf mindestens 20 000 Mann wieder aufzufüllen.
Meine Damen und Herren, zu den einzelnen Anträgen liegen jetzt keine Wortmeldungen mehr vor, wohl aber zu einer allgemeinen Aussprache. Im Hinblick auf die Arbeitslage und die Vereinbarung, daß ab 16 Uhr nicht mehr abgestimmt werden darf, schlage ich Ihnen vor, daß wir nunmehr über die soeben begründeten und diskutierten Einzelanträge abstimmen und daraufhin die allgemeine Aussprache durchführen. Die Gesamtabstimmung über den Einzelplan findet natürlich am Ende der allgemeinen Aussprachestatt, praktisch also erst morgen. —Darüber besteht Einverständnis.Ich komme zu dem zu Tit. 621 gestellten Antrag Umdruck 96 Ziffer 2. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Zu Tit. 622 ist der Antrag Umdruck 96 Ziffer 3 gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Zu Tit. 624 ist der Antrag Umdruck 96 Ziffer 4 gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Zu Tit. 632 ist der Antrag Umdruck 96 Ziffer 5 gestellt. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Zu Tit. 637 ist der Antrag Umdruck 107 gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Zu Tit. 646 ist der Antrag Umdruck 83 Ziffer 1 gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Zu Tit. 658 ist der Antrag Umdruck 83 Ziffer 2 gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Zu Tit. 660 b) ist der Antrag Umdruck 82 gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um dasHandzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen.
— Eine Gegenstimme. Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme angenommen.Zu Tit. 662 ist der Antrag Umdruck 57 gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.Zu Tit. 959 ist der Antrag Umdruck 96 Ziffer 6 gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Zu Tit. 974 ist der Antrag Umdruck 96 Ziffer 7 gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Zu Tit. 974 liegt als Eventualantrag noch der Antrag Umdruck 96 Ziffer 8 vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Dann kommen wir zu Kap. 06 03 und zu dem Antrag Umdruck 80 . Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um. die Gegenprobe. — Das gibt kein klares Bild. Ich bitte diejenigen, die zuzustimmen wünschen, sich vom Platz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Sitzungsvorstand kommt nicht zu einer Einigung. Ich muß also auszählen lassen und bitte Sie, sich aus dem Saale zu entfernen.Ich bitte, den Saal beschleunigt zu räumen. Ich bitte die Schriftführer, sich an die Türen zu begeben. —Soweit ich sehe, sind jetzt nur noch Berliner Abgeordnete im Saal. Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich bitte, die Türen zu öffnen. Die Abstimmung ist eröffnet. Wer dem Antrag auf Umdruck 80 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, durch die Ja-Tür zu gehen. Wer dagegen ist, den bitte ich, durch die Nein-Tür zu gehen. Befinden sich alle Damen und Herren im Saal? — Ich bitte die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist geschlossen.Meine Damen und Herren! Das Ergebnis der Auszählung ist wesentlich klarer, als das Ergebnis vorher war. Mit Ja haben 237 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 105; der Stimme enthalten hat sich einer. Damit ist der Antrag angenommen.Zu Kap. 06 09 Tit. 300 liegt der Änderungsantrag Umdruck 96 Ziffer 9 vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Zu Kap. 06 25 Tit. 101 liegt der Änderungsantrag Umdruck 96 Ziffer 10 vor. Wer ihm zuzu-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1913
Vizepräsident Dr. Jaegerstimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Damit sind die Abstimmungen über die Einzelanträge beendet.Meine Damen und Herren! Es sind Zweifel geäußert worden, ob jetzt in der zweiten Lesung, nachdem die Einzelanträge ausführlich diskutiert worden sind, überhaupt noch eine allgemeine Aussprache stattfinden soll.
Wenn das Hohe Haus der Meinung ist, gemäß den üblichen Regeln unserer Geschäftsordnung eine allgemeine Aussprache erst in der dritten Lesung stattfinden zu lassen, dann entfallen die abgegebenen Wortmeldungen. Sie können zur dritten Lesung erneut eingebracht werden.
— Ich stelle fest, daß das Haus damit einverstanden ist.Wir kommen dann zur Gesamtabstimmung über den Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen auf der Rechten mit Mehrheit angenommen.Ich rufe nunmehr auf denEinzelplan 08 - Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen .Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch den Organisationserlaß des Herrn Bundeskanzlers vom 30. Oktober 1957 sind eine Reihe von einschneidenden Änderungen im Bundesfinanzministerium nötig geworden, über die ich kurz berichten möchte, zudem sie Stellenauswirkungen haben.Das Bundesfinanzministerium hat die Arbeiten auf dem Gebiete des Rechts des öffentlichen Dienstes abgegeben. Zuständig ist jetzt das Bundesinnenministerium. Die Stellen sind mit den Stelleninhabern auf das Bundesinnenministerium übergegangen. An das Ministerium für Bundesbesitz sind abgegeben die Bundesbeteiligungen, die Bundesliegenschaften und die Bundesbauangelegenheiten, sowohl stellenplanmäßig wie mit den Inhabern der Stellen. Insgesamt sind aus dem Ministerium selbst— also Kap. 08 01 — 133 Beamte, 78 Angestellte und 4 Arbeiter an die genannten Ministerien abgegeben worden, wozu aus dem Kap. 08 04, also der Bundesfinanzverwaltung, noch 3 Beamte und ein Angestellter kommen. Das macht zusammen 219 Bedienstete.Durch die weitgehende Lockerung des Devisenrechts sind weitere Aufgaben weggefallen, so daß in diesem Dienstzweig der Bundesfinanzverwaltung 9 Planstellen für Beamte und 97 Planstellen fürAngestellte freigeworden sind. Die Oberfinanzdirektionen brauchen zwar noch Devisenreferate, aber die wenigen Personen, die auf diesem Gebiet noch arbeiten, sind in die Zollabteilungen der Oberfinanzdirektionen eingegliedert worden.Im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister hat das Bundesverteidigungsministerium vom Rechnungsjahre 1958 an am Sitz der Wehrbereichsverwaltungen, also in Kiel, Hannover, Düsseldorf, Stuttgart und München, Standortkassen eingerichtet. Diese und die bereits vorhandene Standortkasse am Sitz der Wehrbereichsverwaltung in Wiesbaden übernehmen als Oberkassen gleichzeitig die bisher von den Oberfinanzkassen in Kiel und in den anderen genannten Orten wahrgenommenen Aufgaben im jeweiligen territorialen Wehrbereich gemäß § 3 Abs. 3 der Reichskassenordnung. Die bisher für die Wahrnehmung der Kassengeschäfte der Bundesverteidigungsverwaltung bewilligten 27 Planstellen für Beamte und 15 Stellen für Angestellte sind im Kap. 08 04 somit entbehrlich geworden.Durch die Übertragung der Gebäudereinigung sind in Kap. 08 04, Bundesfinanzverwaltung, 31 Arbeiterstellen eingespart worden.Im Rechnungsjahr 1957 ist das Bundesausgleichsamt — Kap. 08 05 — durch den Bundesrechnungshof geprüft worden. Ein Teil der Aufgaben des Bundesausgleichsamtes hat bekanntlich nur für eine Übergangszeit Bedeutung. Diesem Umstand hat der Bundesrechnungshof in seinem Gutachten vom 14. Januar 1958 Rechnung getragen, und der Stellenplan ist für das Jahr 1958 entsprechend ermäßigt worden: Abgang 15 Planstellen für Beamte, 12 für Angestellte, 3 für Arbeiter, insgesamt 30 Bedienstete.Das Amt für Wertpapierbereinigung - Kap. 08 07— hat seinen Aufgaben entsprechend nur zeitlich bedingte Bedeutung. Auf Grund der Pariser Verträge mußte als Bundesoberbehörde das Bundesamt für äußere Restitutionen für die nach dem Überleitungsvertrag zu erfüllenden Aufgaben errichtet werden. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist jetzt dem Amt für Wertpapierbereinigung in Personalunion übertragen worden. Trotzdem können durch die auslaufenden Aufgaben des Amtes für Wertpapierbereinigung im Jahre 1958 weitere 5 Stellen für Angestellte — im Vorjahr waren es 11 Stellen — weniger veranschlagt werden.Bei der Bundeshauptkasse in Bonn — Kap. 08 08— ist — bedingt durch die Zentralisierung der Gehaltszahlungen im Raume Bonn — ebenfalls eine Reihe von Personaleinsparungen erzielt worden.Insgesamt sind in allen Kapiteln des Einzelplans 08 184 Planstellen für Beamte, 210 Stellen für Angestellte und 38 Stellen für Arbeiter, zusammen also 432 Bedienstete weniger als im vorigen Jahr veranschlagt. Ich hoffe, daß ich die Zahl 432 richtig errechnet habe. Bei der Fülle und bei dem Durcheinandergehen dieser Dinge ist es möglich, daß ich mich um wenige Stellen verrechnet habe.Nun sind im Bereich des Bundesfinanzministeriums eine Reihe neuer Aufgaben hinzugekommen. Für das eigentliche Ministerium waren 72 Beamtenstellen neu beantragt worden. Der Haushaltsaus-
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1914 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Dr. Gülichschuß hat davon 40 Stellen bewilligt, und zwar vorzugsweise für die neu hinzukommenden europäischen Aufgaben, für die Beratung des Wehrhaushalts und andere Aufgaben. Der Haushaltsausschuß hat sich hierbei von dem Bestreben leiten lassen, daß durch Einrichtung gewisser Stellen im Ministerium Einparungen in anderen Ministerien erzielt werden könnten. Die 40 Stellen verteilen sich auf 15 Beamte für den höheren Dienst, 19 für den gehobenen und 6 für den mittleren Dienst. Abgelehnt worden sind — entsprechend der Übung des Überrollungshaushalts — alle Stellenhebungen.In Kap. 08 03 — Bundesfinanzhof — ist zum Zwecke der Teilung des übergroßen Fünften Senats die Stelle für einen Senatspräsidenten durch Hebung einer B-5-Stelle zu einer B-7-Stelle geschaffen worden.In Kap. 08 04 — Bundesfinanzverwaltung — sind 25 Planstellen für Beamte für den Ausbau der zentralen Betriebsprüfung und die sonstige Prüfungstätigkeit bewilligt worden. Wir haben seit etwa vier Jahren im Haushaltsausschuß von Jahr zu Jahr den Betriebsprüfungsdienst ausgeweitet, und er wird auch in Zukunft weiter ausgeweitet werden müssen. Die Ausweitung findet natürlich ihre Grenzen in den Menschen, die für diese Aufgaben geeignet sind; denn diese Menschen müssen dafür in jahrelanger Arbeit herangebildet werden.In der Bundeszollverwaltung ist die Zahl der Beamtensteller um 45 und die Zahl der Angestelltenstellen um 96 zurückgegangen. Stellenhebungen sind hier nur in dem Ausmaß erfolgt, wie es durch das neue Besoldungsgesetz infolge der Schaffung von zwei neuen Stufen, nämlich der Hauptsekretär-und der Hauptwachtmeisterstufe, notwendig erschien. Hier haben nicht alle Wünsche der Bundeszollverwaltung Berücksichtigung finden können. Die Anforderungen schienen dem Haushaltsausschuß nicht überhöht. Wir haben uns jedoch auch hier weitgehend von dem Überrollungsprinzip leiten lassen.In der Vermögens- und Bauverwaltung war eine Vermehrung der Beamten und Angestellten unumgänglich. Sie dient der Durchführung des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes und des Bundesrückerstattungsgesetzes. Ferner kommen die Unterbringungsmaßnahmen der Bundeswehr und der Stationierungsstreitkräfte in Betracht. Da es sich bei zahlreichen dieser Stellen um Stellen mit vorübergehenden Aufgaben handelt, hat der Haushaltsausschuß in diesem Jahre von kw- und auch ku-Vermerken besonders reichen Gebrauch gemacht.In Kap. 08 08 — Bundeshauptkasse — sind infolge der Vermehrung der Aufgaben 3 Beamten- und 2 Angestelltenstellen bewilligt worden.Ich möchte über die einzelnen Stellen keine Angaben machen, sondern habe mich auf das beschränkt, was hinsichtlich der Umorganisation und der dadurch unbedingt notwendigen Personalverminderung und Personalvermehrung gesagt werden mußte.Über die Sachausgaben möchte ich ebenfalls nichts berichten. Sie finden näheres darüber in der Drucksache.Von Bedeutung ist Kap. 08 04 Tit. 955 — Ablösung von Verpflichtungen nach dem Weimarer Abkommen vom 30. August 1919 — über 15 Millionen DM. Der Haushaltsausschuß begrüßt, daß der Bundesfinanzminister an die Lösung dieser alten Aufgabe herangegangen ist. Er hat es jedoch für richtig gehalten, diese Ausgabe mit einem qualifizierten Sperrvermerk zu versehen. Ich darf Sie also im Namen des Haushaltsausschusses bitten, den Einzelplan 08 mit den sich aus der Drucksache 462 ergebenden Änderungen anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich stelle fest, daß Änderungsanträge zum Einzelplan 08 nicht gestellt sind.
— Nach dem, was das Hohe Haus vorhin beschlossen hat, kann jetzt, nachdem keine Änderungsanträge vorliegen, eine Aussprache gar nicht stattfinden.
— Das ist doch die richtig interpretierte Meinung des Hohen Hauses? — Zur Geschäftsordnung Herr Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn auch keine Änderungsanträge gestellt worden sind, so muß es doch durchaus möglich sein, jetzt in der zweiten Beratung zu speziellen Kapiteln und Titeln zu sprechen. Es würde den Rahmen der dritten Beratung sprengen, wenn das in der dritten Beratung geschähe. Man muß den Beschluß des Ältestenrats doch so interpretieren, daß in der zweiten Beratung, auch wenn keine Änderungsanträge gestellt worden sind, eine Aussprache möglich ist.
Das Hohe Haus ist souverän und kann entscheiden, wie es will. Ich habe den Eindruck, es wünscht, den Vorschlägen des Abgeordneten Dr. Gülich zu entsprechen.
— Das wollte ich gerade vorschlagen.
Das Haus ist also mit dem Verfahren einverstanden, wie es der Herr Abgeordnete Dr. Gülich vorgeschlagen hat. Dann rufe ich jetzt kapitelweise auf. Zunächst Kap. 08 01! — Herr Abgeordneter Dr. Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war vor einigen Monaten nicht wenig erstaunt, als ich im „Holsteinischen Courier" in Neumünster einen nicht gezeichneten Artikel unter der Überschrift „Etzels Warnruf" las. Ich möchte Ihnen einiges aus diesem „Etzelschen Warnruf" vortragen:Mit einem erleichterten „Uff" legte am Freitag Bundesfinanzminister Etzel den dicken Bundeshaushalt vor der Presse auf den Tisch; die Erläuterungen, die er dazu gab, stimmten nachdenklich. Danach bewegen
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1915
Dr. Gülichwir uns in einer steil ansteigenden Kurve der öffentlichen Ausgaben. Das ist beim Bund nicht anders als bei den Ländern und Gemeinden: Überall steigende Anforderungen . . . . und freuen uns, daß der Bundesfinanzminister endlich einmal den Finger auf die Wunde gelegt hat. ... er hat ... die gefährlichen Symptome klar genug gekennzeichnet.Nun möchte ich Ihnen wieder einige Sätze ungekürzt vorlesen:Man faßt sich an den Kopf, wenn man hört, daß die „reiche" Bundesrepublik, die doch auf dem Gold- und Devisenpolster sitzen soll, im Ausland eine Anleihe aufnehmen möchte, um ihre laufenden Verpflichtungen erfüllen zu können. Da stimmt doch etwas nicht. Auf der einen Seite häuft die exportierende Wirtschaft Gold-und Devisenreserven an, während auf der anderen der Bund kaum noch ein und aus weiß. Wäre es da nicht allerhöchste Zeit zur Umkehr? Es kann doch nicht das Ziel unserer Wirtschaftspolitik sein, zwar eine florierende Wirtschaft zu schaffen, den Staat aber in Schulden zu stürzen! Darum wird es höchste Zeit, daß auch der Bundestag lernt, den Pfennig dreimal umzudrehen, bevor er ihn bewilligt.Bisher überboten sich die Parteien in großzügigen Ausgabenbewilligungen, ohne viel danach zu fragen, woher das Geld kommen soll. Wenn nun heute das Schreckgespenst von Steuererhöhungen an die Wand gemalt wird, so sollte man auch in den Bonner Fraktionszimmern erkennen, was das heißt. So jedenfalls wie bisher geht es nicht weiter. Es dürfen keine neuen Beamtenstellen mehr geschaften werden, dagegen sollte man sehr ernsthaft überprüfen, ob nicht die Beamtenkörper vieler Bundesbehörden schon jetzt erheblich übersetzt sind. Wir sind nun einmal kein reiches Land, das aus dem Vollen wirtschaften kann und nicht an mögliche Krisen zu denken braucht.Es beginnt sich jetzt zu rächen, daß man sich — auch gerade in Bonn — zu sehr von dem Wahn hat treiben lassen, die hektische Wirtschaftsentwicklung gehe immer so weiter. Wir beneiden Herrn Etzel gewiß nicht um seine Sisyphusarbeit, 519 traditionell bewilligungsfreudige Bundestagsabgeordnete zur Sparsamkeit zu erziehen, aber wenn ihm das nicht gelingt, sehen wir schwarz für den Steuerzahler!Meine Damen und Herren! Der Verfasser dieses Artikels „Etzels Warnruf" ist sicher nicht der Herr Bundesfinanzminister selber. Ich halte es sogar für möglich, daß er gar nichts davon weiß. Aber — und das ist der Zweck meiner Ausführungen — er sollte dann einmal in seinem Hause nach dem Rechten sehen.
— Ich sage es Ihnen gleich genauer. Das ist in sämtlichen Provinz- und Heimatblättern verbreitet worden, es wird über die ganze Bundesrepublik gestreut.Ein anderer interessanter Artikel vom 8. April heißt: „Heilsame Lehre" — „Was unsere Parlamentarier in Bonn eigentlich schon längst hätten wissen müssen" usw. Da geht es also auch wieder gegen die Parlamentarier. Und am 19. Februar sagte Herr Etzel sogar in über die ganze Bundesrepublik verbreiteten Artikeln: „Etzel, bleibe hart!"Das ganze wird nun aus dem Tit. 301 finanziert, der allerdings, wie mir soeben bewußt wird, nicht im Kap. 08 01 steht, über das wir im Augenblick sprechen, sondern in Kap. 08 02. Meine Ausführungen betreffen aber die Politik des Bundesfinanzministers, und in Kap. 08 02 stehen die allgemeinen Bewilligungen. Ich darf also um die Freundlichkeit bitten, Herr Präsident, mir zu gestatten, daß ich es hier vorbringe. Dieser ganze Titel heißt nämlich: „Aufklärung der Bevölkerung über Sinn und Zweck steuerlicher Maßnahmen", und in den Erläuterungen ist gesagt, daß diese Haushaltsmittel u. a. für die Herausgabe von Broschüren über steuerrechtliche und steuerpolitische Fragen, volkstümliche Aufklärungsschriften zur Abgabe der verschiedenen Steuererklärungen usw. vorgesehen sind. Wir haben uns vor wenigen Jahren mit diesem Titel beschäftigt und sind sehr dafür gewesen, daß solche Aufklärung in der Bevölkerung getrieben wird. Interessanterweise betrug der Ansatz dieses Titels im letzten Jahr 28 800 DM; das Ist-Ergebnis hingegen beträgt 95 519 DM. Die Differenz von fast 70 000 DM hat der Herr Bundesfinanzminister überplanmäßig bereitgestellt, was er ja nach der Reichshaushaltsordnung nur tun darf, wenn diese Ausgaben unvorhersehbar und unabweislich waren. Er hat davon allein im März 29 000 DM für derartige Propaganda bewilligt.Überhaupt, was die Märzveilchen anbetrifft — wir wissen ja, wie so manche Behörden im März und im Februar mit Gewalt noch die Ausgaben machen —, will ich noch auf einen Titel im Kap. 08 01 hinweisen. Die Bücherei hatte 95 000 DM. Davon hat sie 28 300, also volle 30 Prozent, im Monat März ausgegeben. Man stelle sich vor: in einem Ministerium — und zwar ausgerechnet im Finanzministerium, das doch darauf achten soll, daß die Beträge sachlich richtig und so gleichmäßig wie möglich ausgegeben werden — werden 30 Prozent des Ansatzes eines Titels allein im letzten Monat des Haushaltsjahres ausgegeben. Und wenn man sich die Geschichte weiter besieht, stellt man fest, daß etwa 40 Prozent dieser Ausgaben unmittelbar für den Konsum verwendet werden. Von den periodischen Druckschriften verbleibt nur ein Teil — für 5200 DM — der Bücherei, über 21 000 DM werden zum Konsum an den Arbeitsplätzen ausgegeben; und allein für 17 417 DM hat das Bundesfinanzministerium — wohlgemerkt: nur das Ministerium; es handelt sich nicht um den ganzen Einzelplan — im letzten Jahr Zeitungen abonniert. Ich bin von Jahr zu .Jahr für die Erhöhung solcher Titel eingetreten, weil die Ministerien, soweit ich das beurteilen konnte, in dieser Hinsicht zu schlecht dotiert waren. Wenn aber die Entwicklung eines solchen Titels so läuft, daß 40 Prozent zum Konsum verwendet und 30 Prozent der Gesamtausgaben im
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1916 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Dr. Gülichletzten Monat gemacht werden, dann ist da etwas nicht in Ordnung. Und wenn das am grünen Holze des Finanzministers geschieht, der doch unser Vorbild sein soll - was soll dann am dürren Holze, sagen wir, des Familienministers werden?
Meine Damen und Herren, wenn jedes Ministerium für sich Propaganda macht und in jedem Ministerium so ein eigenes kleines „Promi" eingerichtet wird — wo bleibt dann die sachliche Arbeit! Im Bundesfinanzministerium wollen wir gern diese Aufgabe sehen, daß die Bevölkerung aufgeklärt wird. Wir wollen aber nicht, daß das Bundesfinanzministerium für den Bundesfinanzminister und gegen das Parlament — und wiederholt gegen das Parlament — eine solche Publizistik betreibt.Verehrter Herr Bundesfinanzminister, ich glaube — ich bin sogar überzeugt davon —, daß Sie nichts davon wissen. Nehmen Sie Ihre Männer ans Band und sorgen Sie dafür, daß sie in ihren Propagandagelüsten etwas gezügelt werden!Ich habe einmal vor einigen Jahren, als ,der Herr Bundesfinanzminister Schäffer mit Herrn Hartmann, Herrn Oeftering, Herrn Fischer-Menshausen und Herrn Mersmann im Finanz- und Steuerausschuß saß, laut gesagt: Was doch der Bundesfinanzminister für eine Garde hervorragender Fachkenner um sich versammelt hat! Meine Damen und Herren, ich meine, es sollte so bleiben. Der Bundesfinanzminister Schäffer hat zwar auch Sinn für Publizistik gehabt; aber wir sollten vom Finanzministerium besonders sorgfältige Arbeit verlangen. Wir wollen Vertrauen, wenn auch nicht immer in Ihre Politik, so aber doch in die Sachlichkeit Ihrer Arbeit haben können.Dazu noch ein weiteres Wort. Man darf auch die Beamten nicht überfordern. Ich war am 13. Mai anläßlich des Streits um die Parteifinanzierung als Bevollmächtigter meiner Fraktion beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Ich muß Ihnen sagen, Herr Minister Etzel, Ihre Herren haben mir leid getan. Sie mußten da eine schlechte Sache vertreten, von deren Richtigkeit - davon bin ich überzeugt; ich habe mit keinem gesprochen keiner überzeugt sein konnte. Wenn ich daran denke, was für einen formalen Standpunkt das Bundesfinanzministerium zu dieser Frage der Gleichheit vor dem Gesetz eingenommen hat! Ich habe in der vorigen Woche bei der Begründung eines Antrages auf Streichung der Worte „staatspolitische Zwecke" in § 10 b des Einkommensteuergesetzes hier darüber gesprochen. Das Bundesfinanzministerium sollte den absoluten Willen zur Gerechtigkeit und zur Sachlichkeit haben und sich in solche Propagandaaffären nicht einmischen. Wenn .die große Regierungspartei einen Mißbrauch ,des Einkommensteuergesetzes für parteipolitische Zwecke damals für richtig gehalten hat, so muß sie es auch verantworten. Durch das gestrige Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist sie jetzt eines Richtigeren belehrt worden. Der Bundesfinanzminister jedenfalls sollte uns allen als Hüter der finanziellen Ordnung zu hoch stehen, als daß er sich auf solche Manipulationen einläßt.
— Nein, lieber Dresbach, in der Regierungsvorlage war der Paragraph nicht, sondern er ist in den Beratungen im Finanz- und Steuerausschuß erst in der vorletzten Sitzung etwas verschämt — ich hab's schon gesagt vom Kollegen Neuburger vorgebracht worden, der, wie er damals sagte, ein Anliegen des Kollegen Scharnberg zur Sprache brachte.
Der Regierung war damals nichts zur Last zu legen, und der Minister Schäffer war damals, wie ich weiß, gegen diese Art von Parteifinanzierung. Das muß noch zu seiner Ehre gesagt werden.
- Auch noch einige CDU-Abgeordnete wie die Herren Dresbach, Pelster, Krammig, und ich habe noch einige in der Erinnerung. Es ehrt Sie, meine Herren, daß Sie damals dagegen gestimmt haben.Soviel heute zur Haltung des Bundesfinanzministers als eine Mahnung und als eine Kritik aus oppositionellem Munde, aber von einem Manne kommend, der das Bedürfnis zur Sachlichkeit hat und das Bedürfnis zu einer freundlichen und, wenn Sie wollen, freundschaftlichen Zusammenarbeit immer bewiesen hat.Zu einem Titel, den ich als letzten Punkt meines Berichts erwähnt habe, noch ein Wort, nämlich zu der Bereinigung des Weimarer Abkommens. Ich bin der Meinung, man sollte jetzt nicht nur das Weimarer Abkommen vom 30. August 1919 bereinigen, sondern man sollte jetzt den energischen Versuch machen, die gesamten ungelösten finanziellen Fragen zwischen Bund und Ländern zu klären. Wie lange wollen wir eigentlich noch warten,
his das geschieht? Das hat mich auch veranlaßt, im Haushaltsausschuß die Sache aufzugreifen und den qualifizierten Sperrvermerk zu beantragen, um sicherzustellen — jedenfalls um das unsere dazu zu tun —, daß der Bundesfinanzminister hier nicht isoliert 15 Millionen DM an die Länder ausschüttet, sondern daß er alle diese zum Teil schrecklich verworrenen Sachen auf einmal zu lösen versucht. Wir haben noch immer nicht den Auftrag aus dem Art. 134 des Grundgesetzes erfüllt. Auch das sollte sich der neue Bundesfinanzminister zu seinen Aufgaben für das nächste Jahr nehmen.So viel für heute zum Kap. 08 01. Was zum Einzelplan 60, nämlich zur Finanzpolitik des Herrn Bundesfinanzministers von der Opposition zu sagen sein wird, darüber werden wir nächste Woche sprechen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1917
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Professor Gülich soeben gesagt hat, daß seine Kritik eine freundschaftliche sein soll, getragen vom Gefühl der Gerechtigkeit und einer sachlichen Einstellung gegenüber der Arbeit unseres Ministeriums, dann akzeptiere ich das durchaus und bin ihm für diese Gesinnung dankbar. Ich habe, verehrter Herr Kollege Gülich, zunächst gar nicht gewußt, warum Sie diesen Artikel „Wiesen Etzels Finger auf die Wunde?" vorgelesen haben. Diesen schönen Artikel habe ich soeben erst kennengelernt; er ist also nicht von mir. Ich habe also von ihm auch nichts gewußt.
— Nein, ganz sicher nicht. Ich bin sicherlich der Meinung, daß der Titel, der hier in Frage kommt, nicht dazu benutzt werden soll, einen Gegensatz Finanzminister - Hohes Haus zu konstruieren.Insofern bin ich durchaus der Ansicht, daß dieser Artikel nicht geschickt ist.
— Die anderen auch nicht. Ich bin aber der Meinung — und ich bin darin, glaube ich, einig mit Ihnen, Herr Professor Gülich —, daß der Titel als solcher notwendig ist. Denn Aufklärung der Bevölkerung über steuerliche Maßnahmen ist eine wesentliche Aufgabe. Ein einziger Gedanke: Wenn es gelingt, der Bevölkerung noch mehr klarzumachen als heute, daß der Finanzminister keine Mark für die Erfüllung von Wünschen geben kann, die er nicht auf anderem Wege der Allgemeinheit wieder abnimmt, dann wird auch der Druck großer Bevölkerungskreise auf die Abgeordneten, etwas für ihr Interesse zu tun, gemindert werden. Ich glaube, das ist ein sehr legitimes, ein sehr gutes Interesse, und ein Finanzminister sollte im Interesse der Regierung und überhaupt der Verwaltung dafür sorgen, daß die allgemeinen und grundsätzlichen Gedanken seiner Steuer- und Finanzpolitik im Volke Resonanz haben und klar sind. Das kann das Verhältnis der Bevölkerung zu seiner Regierung im weitesten Sinne des Wortes nur verbessern.
— Das bestreiten Sie nicht. So habe ich das auch verstanden. In diesem Sinne soll dieser Titel auch nur geführt weiden. Wenn Sie meinen, daß in meinem Hause eine Panne passiert sei, will ich mich gern dieser Frage einmal annehmen und forschen, was dort passiert ist. Dann dürfte der Zweck erreicht sein.Außerdem, Herr Professor Gülich, haben Sie Stellung genommen zu dem, was Sie „Konsum" nannten. Ich habe lange überlegt, was damit gemeint sei. Ich habe gedacht, dieser Titel würde vielleicht verfressen, entschuldigen Sie den Ausdruck. Aber so ist es nicht. Vielmehr scheinen Sie unter Konsumden zu großen Anteil von Tageszeitungen gegenüber Büchern, also einer ständigen Substanz, zu verstehen. Der Prozentsatz 60 : 40 ist vielleicht zu hoch, und mir wurde während Ihrer Worte von meinen Herren zugeflüstert, daß auf Grund der Diskussion über diesen Titel im Haushaltsausschuß bereits eine gewisse Umstellung vorgenommen worden sei. Ich verstehe Ihr persönliches Anliegen natürlich ganz besonders, das ja auf den Aufbau einer sehr arbeits- und leistungsfähigen Bibliothek abzielt; so habe ich Sie jedenfalls verstanden.Ein dritter Gedanke, auf den ich kurz eingehen möchte, ist der, daß man seine Beamten nicht überfordern solle. Dann haben Sie Bezug genommen auf die Verhandlung in Karlsruhe, der Sie, wenn ich recht verstehe, als Vertreter Ihrer Partei beigewohnt haben. Meine Damen und Herren, es ging hei diesem Prozeß um eine Normenklage gegen den Bundesfinanzminister. Wer, um Himmels willen, soll den Bundesfinanzminister denn dort anders vertreten als seine eigenen Beamten? Das scheint mir ein sehr natürlicher Tatbestand zu sein. Ich kann Ihnen mit der gleichen Freundschaft, Herr Gülich, die Sie mir entgegenbringen, versichern, dal mir keiner dieser Beamten gesagt hat, er sei rechtlich in Gewissensnot. Im Gegenteil, die Gedanken, die dort vertreten wurden, sind von den Herren ohne Einflußnahme selbständig entwickelt worden Daß das Bundesverfassungsgericht dem Bundesfinanzminister unrecht gegeben hat, ist eine Angelegenheit für sich; sie scheint mir nicht besonders außergewöhnlich zu sein. Eine Scherzfrage lautet: Was ist ein Jurist? Als Antwort sagt man: Er ist verschiedener Meinung.
Wenn 000 schon e i n .Jurist verschiedener Meinung ist, wie sehr muß dann ein Kollegium von Juristen verschiedener Meinung sein!
Man bringt deswegen, weil man eine andere Meinung vertritt - das ist das Wesen aller Juristerei —, praktisch noch nicht in Gewissenskonflikte; und darum geht es.Herr Professor Gülich, Sie sagen, das Kollegium war einer Meinung.
— Ja, natürlich! So ist dann hinterher, legitimiert durch die Stellung des Gerichtes, eine Meinung herausgekommen. Das muß ja so sein. Dagegen sage ich auch nichts. Ich wende mich nur dagegen, daß Sie gemeint haben, ich hätte meine Beamten in Gewissenskonflikte gebracht. Der Inhalt des Urteils ist von mir nicht zu diskutieren. Ich habe ihm Respekt zu erweisen. Es ist das höchste deutsche Gericht auf diesem Gebiet. Aber bei der Möglichkeit, daß e i n Mensch schon verschiedener Meinung sein kann, können Sie nicht erwarten und nicht verlangen, Herr Kollege, daß man vorher wissen kann, was für eine Meinung das Gericht hat. Das war es, was ich sagen wollte.
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1918 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Bundesfinanzminister EtzelAls letztes der Vergleich mit dem Familienmini-ster, der ein dürres Holz darstellt. Danach bin ichalso ein grünes Holz. Ich glaube, diesen Vergleichmit mir kann er der Figur nach durchaus vertragen.
Wir sind noch bei Kap. 01. Wortmeldungen hierzu liegen nicht mehr vor.
Ich rufe auf Kap. 02. — Keine Wortmeldungen. Kap. 04! — Herr Abgeordneter Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Kap. 04 dieses Einzelplans sind die Mittel für die Bundesfinanzverwaltung veranschlagt. Der Personalkörper der Bundesfinanzverwaltung ist der zweitgrößte der Bundesverwaltung überhaupt. Ich möchte aber weniger zu Personalfragen Stellung nehmen als vielmehr zu Fragen, die mit der Steigerung der Ein-und Ausfuhr zusammenhängen.In den letzten Jahren ist über die Zollabfertigungsstellen und über die Zollämter im Innern wesentlich mehr an Waren ein- und ausgeführt worden, als das vordem der Fall war. Die Personalvermehrung hat damit nicht Schritt gehalten. Trotzdem ist es durch Rationalisierungsmaßnahmen innerhalb der Verwaltung, die dankend anerkannt werden sollen, gelungen, die Warenströme in einer für die Wirtschaft erträglichen Form beschleunigt in den freien Verkehr zu überführen. Es hat sich jedoch gezeigt, daß es sich bei allem guten Willen und trotz der bisher durchgeführten Rationalisierungsmaßnahmen nicht vermeiden läßt, daß an gewissen Brennpunkten der Grenzübergänge Stockungen in der Warenabfertigung eintreten, die erhebliche Verzögerungen in der Bedienung der Kundschaft zur Folge haben. Ich denke da insbesondere an Notstände, die sich in Aachen im grenzüberschreitenden Verkehr gezeigt haben, und an Zustände, wie sie beim Postzollamt in München angetroffen werden.Ich habe mich beim Postzollamt in München vor einiger Zeit selbst einmal darüber informiert, wie die Dinge dort liegen. Ich greife dieses Beispiel heraus, weil es mir symptomatisch dafür erscheint, daß die Zollverwaltung allein der Schwierigkeiten nicht Herr werden kann, weil sie in den Räumen des Bundespostministeriums untergebracht ist. In München hat man eine zentrale Abfertigungsstelle geschaffen, die fast das gesamte Einzugsgebiet der Oberpostdirektion München umfaßt. Dort werden alle Zollsendungen im Auftrage des Empfängers durch die Post beim Zollamt vorgeführt. Die vorhandenen Räume sind völlig unzureichend, so daß die Empfänger der Sendungen bis zu Wochen — meine Damen und Herren, nicht eine Woche, sondern mehrere Wochen! — warten müssen, bis ihnen die Sendungen zugeführt werden können.Da gäbe es die Möglichkeit, daß man die Postämter, an deren Dienstort sich Zollstellen befinden, mit einschaltet, damit man diesen breiten Strom an Waren und Postgütern, der in München zusammenläuft, in viele Kanäle aufteilt, um zu einer raschen Abfertigung zu kommen. Es gäbe die zweite Möglichkeit, daß die Post ausreichendere Räume zur Verfügung stellt, damit die Zollverwaltung ihrerseits mehr Beamten einsetzen kann, um für eine beschleunigte Abfertigung Sorge zu tragen.Diese Gedanken sind auf dem Verwaltungswege, Herr Bundesfinanzminister, schon häufiger vorgetragen worden. Aber es ist bis jetzt noch nicht gelungen, im Einvernehmen von Oberpostdirektion und Oberfinanzdirektion Abhilfe zu schaffen. Ich möchte Ihnen die Lösung dieses Problems besonders ans Herz legen, weil mir München ein hervorstechendes Beispiel dafür zu sein scheint, daß es an Zusammenarbeit fehlt und so eine Beschleunigung der Abfertigung nicht erreicht werden kann.Ich habe auch hinsichtlich der Abfertigungsbefugnisse einige Sorgen. In der allgemeinen Zollordnung ist generell vorgeschrieben, daß in der Regel zwei Abfertigungsbeamte eine Zollabfertigung durchführen sollen. In der Praxis ist es die Regel geworden, daß ein Beamter die Abfertigung durchführt und der zweite die rechnerische Richtigkeit bescheinigt, also an der Beschau der Waren überhaupt nicht mehr teilnimmt. Wenn diese Praxis weiter aufrechterhalten bleiben soll, was aus verschiedenen Gründen, die ich hier nicht anführen will, nicht gut sein dürfte, müßte zumindest eine Gesetzesänderung herbeigeführt werden, damit ,die Beamten gedeckt sind.In diesem Zusammenhang darf ich mir eine Anregung erlauben. Wir haben im Grenzaufsichtsdienst jetzt noch 10 439 Beamte. So war es wenigstens im Voranschlag des Einzelplans 08 Kap. 04 vermerkt. Das sind 200 Beamte weniger als im Rechnungsjahr 1957. Diese 200 Beamten sind zu den Abfertigungsbeamten in der übrigen Zollverwaltung hinzugetreten. Aber das genügt nach meinem Dafürhalten nicht. Man könnte, ohne daß der Personalkörper insgesamt vermehrt wird, gut und gerne etwa 1000 bis 1200 Grenzaufsichtsbeamte abziehen, weil es Gott sei Dank heute verhältnismäßig uninteressant geworden ist zu schmuggeln, und diese Beamten zu den Innendienststellen bzw. Zollabfertigungsstellen abordnen, um dort den Personalstand zu erhöhen und damit zu erreichen, ,daß eine beschleunigte Abfertigung durchgeführt werden kann. Wenn sich dann wieder einmal die Notwendigkeit herausstellen sollte, daß die Grenze stärker mit Zollbeamten besetzt wird, muß entweder eine Rückversetzung erfolgen, oder der Haushaltsausschuß muß sich mit dieser Frage beschäftigen, um gegebenenfalls neue Planstellen zu schaffen.Auch scheint mir erforderlich zu sein, daß die Organisation der Zollverwaltung etwas modernisiert wird. In vielen Dienststellen, in denen umfangreiche Rechenarbeiten durchgeführt werden, finden Sie heute noch nicht einmal die einfachste Rechenmaschine. Die Beamten sind im Umgang mit diesen Dingen nicht genügend geschult. Man sollte hier von modernen Organisationsformen und von modernen Hilfsmitteln mehr Gebrauch machen als bisher. Dadurch erleichtert man den Beamten nicht nur die Arbeit, sondern man erleichtert auch den Abfertigungsverkehr mit der Wirtschaft.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1358 1919
KrammigEin .besonderes Anliegen erwähne ich zum Schluß. Mir scheint, daß der Steueraufsichtsdienst, wie er heute in der Überwachung der verbrauchsteuerpflichtigen Betriebe geübt wird, antiquiert ist. Wir haben immer noch die steueramtlichen Überwachungsbücher. Diese Bücher stellen nichts anderes dar als ein Spiegelbild der kaufmännischen Buchführung. Die Aufgabe des Beamten besteht in der Regel darin, das, was in den kaufmännischen Büchern vermerkt ist, an Hand des steueramtlichen Überwachungsbuches zu prüfen, um festzustellen, ob Übereinstimmung besteht. Wenn man davon ausginge, daß in einem ordnungsgemäß geleiteten kaufmännischen Betrieb am Zustandekommen der Buchführung mehrere Angestellte des Betriebes mitwirken, könnte man auf die steueramtlichen Überwachungsbücher gut und gerne verzichten. Dafür müßte man um so stärker die Zollbetriebsprüfung einführen, um eben Verstöße gegen die Verbrauchsteuergesetze zu ermitteln. Das würde für die Betriebe bedeuten, daß nicht regelmäßig alle vier Wochen ein Beamter zur Prüfung der Bücher erscheint, sondern alle zwei oder drei Jahre eine ordentliche Betriebsprüfung durchgeführt wird, die unter Umständen acht bis vierzehn Tage dauert. Die Betriebe wären entlastet, hätten nicht monatlich mit Besuchen der Beamten zu rechnen, und der Effekt, den die Verwaltung aus der Betriebsprüfung herausholt, wäre der gleiche wie heute bei der laufenden Prüfung. Dabei bin ich der Meinung, daß eine Prüfung der kaufmännischen Bücher sinnvoller ist als eine Prüfung der steueramtlichen Bücher, die nichts anderes darstellen als das Spiegelbild der kaufmännischen Buchführung. Ich glaube, daß die Zollverwaltung, die auf eine jahrhundertelange Tradition zurückblickt — ich erinnere daran, daß Apostel Matthäus aus dem Neuen Testament der erste Zöllner war, den wir kennen —, nicht so traditionsgebunden sein sollte, daß sie sich neuen Erkenntnissen in der Prüfung der Betriebe verschließt. Wir hoffen, daß wir in unserem neuen Herrn im Hause jemand gefunden haben, der auch an diese Probleme herangeht, zum Nutzen der Verwaltung, aber insbesondere zum Nutzen unserer gesamten Volkswirtschaft.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Kollegen Krammig für diesen Diskussionsbeitrag besonders dankbar. Fr hat in der Tat ein Problem angeschnitten, das in diesem Haus wie in der Öffentlichkeit zuwenig behandelt wird, ein Problem, dessen man sich annehmen sollte und dessen ich mich auch bereits angenommen habe. Herr Kollege Krammig hat darüber geklagt, daß in der Zollabfertigung vielfach nicht genügend Personal und vielfach auch nicht die genügenden Einrichtungen vorhanden seien. Das ist sicherlich weitgehend richtig. Ich glaube, Herr Kollege Krammig, es ist nur zum Teil richtig, daß nicht überall Rechenmaschinen vorhanden seien. Wir sind stolz darauf, daß eine ganze Reihe von Registrierkassen, Addiermaschinen vorhanden ist, an den kleinen Grenzstellen vielleicht noch nicht. Es wird aber eine ganze Menge hierfür getan, wenn auch vielleicht noch nicht genug.Das Problem, für das ich hier auf die Tribüne gekommen bin, das mir besondere Sorge macht, weswegen ich sehr gern Ihren Diskussionsbeitrag aufnehme, ist die Frage der hinreichenden Personalbesetzung. Sie waren zwar eben der Meinung, daß man Beamte von Grenzstellen abziehen und beispielsweise nach München versetzen könnte, um dadurch eine Korrektur zu erreichen. Ich glaube, daß das nicht richtig gesehen ist. Ich habe mich verschiedentlich, auch bei der großen Zolltagung in Fulda, von folgendem Tatbestand überzeugt. Wenn wir das Jahr 1951 als Orientierungspunkt nehmen, dann haben wir seit 1951 auf diesem wichtigen Gebiet bei einem Personalbestand von fast 40 000 Beamten und Angestellten eine Personalvermehrung von noch nicht 1 %, also praktisch einen personellen Stillstand. Wir haben, was die Zahl der Grenzgänger angeht, eine Verdreifachung. Wir haben, was die Zahl und Menge der Verzollungen angeht, eine Vervierfachung, und wir haben eine Versiebenfachung des Kraftwagenverkehrs. Es erscheint mir nicht normal, daß die Zollverwaltung monatlich 300 000 Überstunden macht. Das ist nicht normal, und hier zeigt sich, daß irgend etwas falsch ist. Ich werde — das ist auch im Haushaltsausschuß nach Beratung der Zollverwaltung besprochen worden —, wenn wir Ruhe haben, für den Haushalt 1959 dieses Problem dem Haushaltsausschuß wie einen breiten Fächer vorlegen und es dort in Ruhe besprechen.Wir selbst sind entschlossen, das Äußerste zu tun, was die Produktivität anlangt. Die Produktivität der Zollverwaltung soll erhöht werden, wo es nur möglich ist.
Es sind die Stellenverbesserungen darin, die im Stellenaufbau, im Kegel für die Zollsekretäre entstehen. Das ist aber keine Mengenverbesserung. Das muß man auch einmal sehen: der Zollaufbau ist sehr konservativ, und die Möglichkeit des Rufrückens ist in diesem Sektor bisher geradezu miserabel gewesen. Nehmen wir als Vergleich einen Oberfeldwebel der Bundeswehr. Er hat heute, wenn er von der Bundeswehr zu uns kommt, Anspruch darauf, Oberinspektor zu werden. Meine Damen und Herren, wie soll das gehen? Das weiß ich bis jetzt noch nicht! Über solche Probleme müssen wir uns einmal gründlich unterhalten. Da sind Unebenheiten passiert, die so nicht bestehenbleiben können.Ich meine, wir müssen die Verwaltung modernisieren, auf einen besseren Stand bringen. Wir müssen hinsichtlich der personellen Bereitschaft ein Zusätzliches tun. Ich möchte aber hier gerade vor der Öffentlichkeit des Bundestages den Zöllnern für ihre sehr große Hingabe an ihren Dienst, für ihre große Opferbereitschaft noch einmal danken. Wenn
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1920 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Bundesfinanzminister Etzelwir überlegen, daß ein großer Teil der Männer an Plätzen eingesetzt ist, wo sie einsam sind, wo sie keine Ablenkung haben, wo sie ihre Kinder nicht richtig ausbilden lassen können, dann müssen wir erkennen, daß hier eine Verwaltung besteht, die in stillem, sauberem Dienst sehr viel für den Bund tut. Das sollte man dankbar zum Ausdruck bringen. Und wenn Sie mir bei den Vorstellungen, die ich für die nächste Haushaltsberatung habe, helfen könnten, dann wäre ich Ihnen besonders dankbar.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister der Finanzen hat einige Bemerkungen über die Vertretung der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem Normenkontrollverfahren gemacht. Diese Bemerkungen erscheinen mir unrichtig. Ich glaube, im gemeinsamen Interesse sowohl des Bundestages und des Bundesverfassungsgerichts als auch der Bundesregierung zu handeln, wenn ich darauf kurz erwidere.Das Verfahren, von dem die Rede war — wir müssen aber noch von anderen Verfahren sprechen —, war ein Verfahren der abstrakten Normenkontrolle auf Antrag einer Landesregierung. Infolgedessen richtet sich das Verfahren in keiner Weise gegen das Bundesministerium der Finanzen, und es kann nicht sinngemäß oder sogar ausdrücklich das Bundesministerium der Finanzen als das beklagte Ministerium bezeichnet werden. Die Vertretung vor dem Bundesverfassungsgericht ist vielmehr Sache der gesamten Bundesregierung und nicht eines Ressorts. Ich darf noch hinzufügen: es hat sich in Karlsruhe in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht als wenig glücklich erwiesen, daß die Bundesregierung sich so durch Ressortminister vertreten läßt, wie bei ihrer inneren Geschäftsverteilung ein Sachgebiet berührt ist. Denn in allen diesen Verfahren der abstrakten Normenkontrolle oder auch der Verfassungsbeschwerde oder der konkreten Normenkontrolle geht es ja um verfassungsrechtliche Fragen und nicht um Ressortfragen, und nicht etwa hier urn Spezialfragen des Steuerrechts. Es würde also in erster Linie immer die verfassungsrechtliche oder öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesministeriums der Justiz zu beteiligen sein, und es wäre im allgemeinen Interesse wünschenswert — jetzt spreche ich einmal für die Bundesregierung —, daß die Bundesregierung eine koordinierende Stelle für solche Prozeßvertretungen einrichtet.Es könnte dann auch nicht zu solchen Mißhelligkeiten kommen wie in einem anderen verfassungsrechtlichen Verfahren, das ebenfalls eine steuerliche Vorschrift zum Gegenstand hatte, nämlich in jenem Verfahren — es war ein konkretes Normenkontrollverfahren —, durch das die Verfassungsmäßigkeit der Zusatzsteuer bei der Umsatzsteuer mit Erfolg angefochten worden ist. Dabei stellte sich heraus, daß der Ministerialdirektor, der für das Bundesfinanzministerium kam, vor Gericht sich nicht als hinreichend bevollmächtigt ausweisen konnte, wie in den Urteilsgründen hervorgehoben worden ist, deshalb nämlich, weil man — und ich glaube: nicht ganz ohne Absicht — das Bundesministerium für Wirtschaft in der Erwartung nicht beteiligt hatte, das Bundesministerium für Wirtschaft und der damalige Vorsitzende des Wirtschaftskabinetts könnten in dieser Frage der Zusatzsteuer bei der Umsatzsteuer etwa anderer Meinung sein als das Bundesministerium der Finanzen.Es ist schlecht für die Bundesregierung, wenn solche Unstimmigkeiten zwischen den Ressorts dann in dieser Form vor dem Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck kommen. Die Bundesregierung ist nicht gut beraten, wenn sie glaubt, sie könne sich in verfassungsrechtlichen Verfahren durch die jeweilige Rechtsabteilung der einzelnen Ministerien vertreten lassen.Es trifft also nicht zu, daß hier das Bundesministerium der Finanzen irgendwie materiell Partei oder die beklagte Stelle gewesen sei, sondern es ist ein objektives Verfahren auf Normenkontrolle, an welchem die Bundesregierung als solche beteiligt gewesen ist.Aber da nun schon einmal davon gesprochen wird, darf ich auch noch einige andere kritische Bemerkungen hinzufügen. Ich glaube, es entspricht nicht dem Ansehen des Bundesverfassungsgerichts als eines Verfassungsorgans, wenn sich dann die Bundesregierung in einem Termin, auch wenn es nur ein Termin zur Verkündung ist, durch einen Oberregierungsrat vertreten läßt.Schließlich entspricht es nicht dem Ansehen des Gerichts und auch der Rechtsstaatlichkeit und Öffentlichkeit des Verfahrens, wenn die Bundesregierung oder ein Bundesministerium, wie in diesem Falle das Bundesministerium der Finanzen, nach der mündlichen Verhandlung ohne Kenntnis der antragstellenden Landesregierung versucht, das höchste Gericht mit Eingaben, ich möchte nicht gerade sagen: zu bearbeiten, aber doch auf es einzuwirken. Es steht selbstverständlich einem Prozeßbeteiligten frei, noch nach einer mündlichen Verhandlung unter Anführung gewichtiger Gründe den Antrag zu stellen, erneut in eine weitere mündliche Verhandlung einzutreten. Das hat man dann in aller Öffentlichkeit zu tun und hat vor allen Dingen auch sofort dem Antraggegner, der ja genauso an dem Verfahren beteiligt ist, davon Kenntnis zu geben. Das ist hier nicht geschehen. Nachdem am 13. Mai in dem Verfahren, wovon vorhin die Rede war, die mündliche Verhandlung stattgefunden hatte und die Bundesregierung durch einen Ministerialdirektor des Bundesministeriums der Finanzen, einen Ministerialdirigenten des Bundesministeriums des Innern und einen ordentlichen Professor der Rechtswissenschaft als ihrem besonderen Bevollmächtigten vertreten war, hat das Bundesministerium der Finanzen plötzlich am 4. Juni den doch etwas befremdlichen Antrag gestellt, das Gericht solle noch weitere Sachverständige hören. Abgesehen von Einwirkungsversuchen der CDU-Partei und der Deutschen Partei, die besonders unverständlich sind, hat
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1953 1921
Dr. Arndtdann, nachdem das Gericht klipp und klar schriftlich erklärt hatte, es sehe keinen Anlaß dazu, noch einmal mündlich zu verhandeln, nicht nur der Herr Bundesminister der Finanzen einen erneuten Antrag gestellt, wenn ich mich nicht irre, sondern hat der Herr Bundeskanzler selber am Tage der Entscheidungsverkündung durch ein Fernschreiben eine neue mündliche Verhandlung, ich muß schon sagen, gefordert
mit der Behauptung, das Bundesverfassungsgericht sei überhaupt gar nicht richtig informiert; woher der Herr Bundeskanzler das eigentlich wissen will, weiß ich nicht.Ich möchte hier nur betonen, daß derartige Verfahrensweisen der Würde des Gerichts und dem Ansehen des Bundestages und der Bundesregierung nicht angemessen sind.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Meine Damen und meine Herren, ich bedaure, daß, nachdem dieses Kapitel an sich beendet ist, Herr Kollege Arndt noch einmal ,auf das vorige Kapitel zurückgegangen ist, um hier ein Thema zu behandeln, das für mein Gefühl abgeschlossen war. Aber ich will, damit kein falscher Eindruck entsteht, doch ein paar Bemerkungen 'dazu machen.Was die formale Seite angeht, Herr Kollege Arndt, so haben Sie recht. Im Normenkontrollverfahren gibt es keine Partei. Das ist richtig. Insofern war 'die Bundesregierung also auch nicht Partei. Aber sie war betroffen. Als Betroffene, so möchte ich es mal bezeichnen, ist sie in das Verfahren einbezogen worden, und so ist auch der Schriftsatzwechsel geführt worden. Dabei ist, da es sich um eine steuerrechtliche Vorschrift handelt, das Problem bei meinem Ministerium gelandet. Es schwebte dort übrigens bereits in einer Zeit, in der ich es noch nicht übernommen hatte. Ich gebe Ihnen zu — das hat mich gerade dieser Fall gelehrt —, daß es gut sein wird, das, was Sie hier eine Koordinationsstelle nennen, zu haben, also eine Stelle von einigen Beamten bzw. Juristen, die in der Prozeßführung geübt sind und die solche Prozesse dann auch mit einer forensischen Kunst führen, über die der Beamte natürlich nicht verfügen kann; darin soll gar kein Vorwurf liegen. Das sollten wir ändern. Das habe ich heute morgen, bevor Sie das sagten, bereits geklärt. Insofern also ist die Sache klar.Den Vorwurf, wir hätten uns bei einem Verkündungstermin durch einen Oberregierungsrat vertreten lassen, muß ich zurückweisen. Ich persönlich habe zwar nie beim Bundesverfassungsgericht verhandelt. Aber ich bin Anwalt von Beruf wie Sie, und ich weiß, daß man sich bei einer Terminverkündung gar nicht vertreten zu lassen braucht.
Dieser Oberregierungsrat, der dort war, hatte gar keine andere Aufgabe, als ein Urteil, das gefaßt wurde, hinterher schnell an uns weiterzuleiten, damit wir den Inhalt schnell kennenlernten. Das war die einzige Aufgabe, die er hatte. Er hatte nicht die Aufgabe, den Bund zu vertreten. Sonst hätte ich allerdings keinen Oberregierungsrat hingeschickt.
— Verzeihung, wenn er nur ein Urteil abholen soll, braucht er nicht zu repräsentieren. Es war ja keine mündliche Verhandlung mehr.Das war die eine Geschichte. Das Zweite ist der Vorwurf, daß nach der mündlichen Verhandlung noch Anträge gestellt worden seien, ohne daß der das Verfahren betreibenden Landesregierung Hessen eine Nachricht gegeben worden sei. Ich kann Ihnen dazu folgendes in aller Offenheit sagen. Als sich nach der Verhandlung ergab — was ich nicht vorausgesehen hatte —, daß sich das Gericht durch die Vernehmung von Professor Eschenburg in der Tatsacheninstanz bewegt hatte, schien es allerdings notwendig zu sein, diesen Gesichtpunkt noch einmal zu berücksichtigen. Er war nicht vorhergesehen gewesen. Wir hatten geglaubt, daß sich das Gericht in dieser Frage wie es dann schließlich in der Urteilsbegründung auch zum Ausdruck gekommen ist — ausschließlich mit Rechtsfragen beschäftigen würde. Das war in diesem Augenblick der Verhandlung nicht zu übersehen. Man hat einen Sachverständigen über Tatsachenfragen vernommen, und über diese Problematik sind dann Verhandlungen entstanden. Die Beamten, die dort waren, konnten natürlicherweise über die tatsächliche Seite nichts wissen und nichts vortragen. Herr Ministerialdirektor Dr. Korff hat dann gleich einen Beweisantrag gestellt, und dieser Beweisantrag ist dann noch einmal verdichtet worden.Herr Kollege Arndt, es ist aber unrichtig, was Sie gesagt haben, daß ich als Finanzminister, nachdem das Gericht einen Beschluß verkündet hatte, es sehe keinen Grund, noch einmal in die Tatsachen einzutreten, noch einmal geschrieben hätte. Das habe ich nicht getan. Das haben Sie aber soeben gesagt.
— Nein, ich persönlich habe nichts mehr gesagt,sondern habe mich mit dem Ergebnis zufrieden gegeben, weil ich glaubte, entweder werde weiter Beweis erhoben — immer wenn es auf Tatsachen ankommt — oder — wenn es sich nur um Rechtsfragen handelt — nicht mehr. Das schien mir die Situation zu sein. Das ist das, was ich klarstellen zu müssen glaube. Es geht also um nichts anderes als um die Frage: Was wurde tatsächlich berücksichtigt und was nicht?Von Ihnen ist, glaube ich, in der Presse bereits kritisiert worden, daß wir dem Lande Hessen keine Abschrift des Antrags gegeben haben. Ich muß dazu meiner persönlichen Meinung Ausdruck geben, daß wir es vor dem Bundesverfassungsgericht nicht mit einem Parteiverfahren zu tun haben, sondern mit einem Offizialverfahren, und ich weiß aus meiner praktischen Tätigkeit nur, daß die Gerichte im
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1922 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Bundesfinanzminister EtzelOffizialverfahren die Schriftsätze selber weiterleiten, also nicht wie im Zivilprozeß, wo es die Anwälte tun müssen. Sie haben hier zivilprozessuale Gesichtspunkte auf dieses Verfahren übertragen. Ich bin der Auffassung, daß die Meinung, die Sie vertreten, nicht richtig ist, sondern es scheint mir der richtige und legitime Weg zu sein, daß das Gericht den Antrag — wie es das offenbar getan hat — weitergegeben hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich dem Herrn Bundesminister der Finanzen doch noch widersprechen muß. Ich will es ganz kurz machen. Ich will Ihnen ja nur helfen, in Zukunft Ihre Rechtsstreitigkeiten erfolgreicher zu führen.
Sie können das Bundesverfassungsgericht nicht mit einem Instanzengericht vergleichen und sagen, es sei nicht üblich, daß bei bloßen Verkündungsterminen die Prozeßbevollmächtigten oder die Prozeßparteien nicht erscheinen. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht nur Gericht, sondern auch Verfassungsorgan, und zwar ein repräsentatives Verfassungsorgan. Man legt ja neuerdings auf die repräsentative Demokratie ein so erhebliches Gewicht.
Es ist mir nicht unbekannt, daß das Gericht selber den Wunsch hegt, daß in Verfahren, an denen der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung beteiligt sind, auch bei Verkündungsterminen eine angemessene Repräsentation der anderen Verfassungsorgane stattfindet. Ich glaube auch, daß sich seither der Bundestag in derartigen Verfahren auch in Verkündungsterminen durch ein Mitglied des Hauses oder sogar durch einen Vizepräsidenten hat vertreten lassen. Ich bitte Sie deshalb ganz ausdrücklich, diese Frage im Schoße der Bundesregierung noch einmal zu prüfen; denn wir alle sind gemeinsam daran interessiert, daß bei Verfassungsorganen gewisse Formen gewahrt werden.
Im übrigen habe ich gesagt, ich wüßte nicht genau, ob Sie selber noch einmal eine Eingabe gemacht hätten. Das kann durchaus sein.
Ich habe auch nicht Zivilprozeß mit Verfassungsprozeß verwechselt. Ich glaube ziemlich genau zu wissen, wie es bei Verfassungsprozessen zugeht. Das Gericht hat die Eingaben nicht der Antragstellerin mitgeteilt. Das ist ein Irrtum bei Ihnen. Diese Fragen sind überhaupt gesetzlich nicht so geregelt. Aber auch da ist es ein Gebot der Höflichkeit und der Rücksichtnahme, ein Gebot der berühmten Bundesfreundlichkeit, die ja beiderseits gilt, daß die Bundesregierung in einem solchen Verfahren die Landesregierung unverzüglich von ihren Maßnahmen und Schritten zu verständigen hat.
Ein letztes. Auch Sie haben es nicht unternommen, das Telegramm des Herrn Bundeskanzlers zu verteidigen. Aber Sie sind insofern einem Irrtum
unterlegen, als Sie gesagt haben, es sei unvorhersehbar gewesen und unvorhergesehen, daß das Gericht einen wissenschaftlichen Gutachter über gewisse Fragen, zwar nicht tatsächlicher Art, aber, sagen wir einmal, realer Art oder soziologischer Art hören wollte. Das ist der Bundesregierung rechtzeitig vom Gericht mitgeteilt worden. Die Bundesregierung wußte, daß ein solcher Sachverständiger im Termin anwesend sein würde, und wahrscheinlich hat sie nicht zuletzt deshalb ihrerseits einen ordentlichen Professor der Rechtswissenschaft beauftragt, der als Sachverständiger in den gleichen Fragen bekannt ist. Es trat also nichts Unvorhergesehenes oder Unvorhersehbares ein.
Das Wort hat der Abg. Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte nur in ganz wenigen Sätzen Herrn Kollegen Krammig sagen, wie sehr ich seine Ausführungen begrüßt habe. Ich bin sicher, daß Ihre Anliegen von der sozialdemokratischen Fraktion voll unterstützt werden, und möchte auch an den Herrn Bundesfinanzminister die Bitte richten, sich die Vorschläge des Herrn Kollegen Krammig genau zu überlegen.Herr Kollege Krammig sagte, 1000 bis 1200 Beamten könnte man aus dem Grenzaufsichtsdienst in den inneren Dienst versetzen. Über die Zahl kann ich mir nicht ohne weiteres ein Urteil erlauben. Das kann aber Herr Kollege Krammig sehr viel besser, und wenn er die Zahl nennt, kann man unterstellen, daß diese Zahlen richtig sind.Wenn man dem Vorschlag folgte, würde jedenfalls die gesamte Zollabfertigung schon wesentlich verbessert werden. Den Bundespaßkontrolldienst will ich in diesem Zusammenhang gar nicht nennen, weil das die Domäne meines Freundes Ritzel ist. Das ist ja auch Ressort des Bundesinnenministers, aber der Herr Bundesfinanzminister könnte sich durchaus einmal die Mühe machen, um die Beseitigung des Bundespaßkontrolldienstes besorgt zu sein und vielleicht die dort völlig überflüssigen Beamten in die Zollverwaltung zu übernehmen.Der zweite Vorschlag des Herrn Kollegen Krammig ging dahin, das altertümliche Verfahren der Verbrauchsteuerüberwachungsbücher durch ein modernes Verfahren zu ersetzen. Das scheint mir ebenfalls wichtig zu sein. Es ist hier nicht der Ort, die Frage anzuschneiden, ob man nicht gewisse Bagatell-Verbrauchsteuern überhaupt abschaffen sollte. Zumindest sollte man das Verfahren wesentlich modernisieren, was gleichzeitig auch eine geringere Molestierung der davon Betroffenen bedeutet.Die Frage der Zollbeamten, ihrer Besoldung und ihrer stellenmäßigen Einordnung ist bei den Haushaltsberatungen dieses Jahres leider nicht so behandelt worden, wie das der Sache nach hätte geschehen müssen. Die Anforderungen der Regierungsvorlage waren nach meinem Dafürhalten —ich habe mich damit sehr intensiv während der
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1923
Dr. GülichVorbereitungen der Haushaltsberatung im Ausschuß befaßt — durchaus maßvoll. Auch die Stellenhebungen, die man nach den Änderungen des Besoldungsgesetzes vornehmen wollte, waren meiner Meinung nach erforderlich. Sie sind aber dem Überrollungsprinzip zum Opfer gefallen. Ich glaube allerdings, daß wir gut daran tun, uns rechtzeitig mit dem Anliegen der Zollverwaltung zu befassen und zu überlegen, was man für den Bundeshaushalt 1959 tun kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Ausführungen des Herrn Kollegen Gülich korrigieren. Der einzige Plan, bei dem im Haushaltsausschuß bezüglich des Stellenplans nicht „überrollt" wurde, ist derjenige der Zollverwaltung.
Wir haben bei der Zollverwaltung sehr eingehende Überlegungen angestellt und sind zu der Feststellung gekommen, daß die Zollverwaltung mit den Polizeidiensten vergleichbar ist. Wir haben deshalb den Vollzugsdienst aus dem allgemeinen Überrollungsprinzip herausgenommen. Wir haben — der einzige Fall in der ganzen Beratung — die Vorlage der Regierung nicht übernommen und nicht genehmigt, sondern haben den Stellenkegel neu geregelt, und zwar ziemlich genau in einer Form, wie ihn, soweit ich mich erinnern kann, die Beamtenbünde und die Gewerkschaften beantragt hatten. Während früher das Verhältnis 40 : 40 : 20 war, wurde er jetzt so geändert — ich kann mich auf die Zahlen nicht mehr genau festlegen —, daß die untere Gruppe wesentlich herabgemindert wurde, ich glaube, auf 25 % statt 40 %, und die obere Gruppe auf 25 % statt 15 % heraufgesetzt wurde, so daß wir zu einem Stellenkegel kamen, der echte Aufstiegsmöglichkeiten enthält. Es war — das darf ich ganz objektiv sagen — nicht die Sache einer Partei; wir haben quer durch die Fraktionen hier die Ausnahme für sachlich notwendig gehalten und deshalb diesen Vorschlag abweichend von der Regierungsvorlage gemacht.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit in unseren ernsten Beratungen auch die heitere Note nicht zu kurz kommt, möchte ich feststellen, in welch erschütternd erfreulichem Ausmaß sich der Zoll auf dem Wege nach Europa befindet.
Ich habe das vor kurzem feststellen können. Wenn man einen der modernen Züge unseres verehrten Herrn Bundesverkehrsministers, einen F-Zug, sagen wir: den Helvetia-Expreß, benutzt, dauert die Zollkontrolle am Badischen Bahnhof in Basel eine Minute; wenn man einen langsam fahrenden Schnellzug benutzt, dauert sie 22 bis 26 Minuten an der gleichen Stelle. Immerhin eine Besserung! Wir sind für die besser begüterten Klassen unseres Volkes und anderer Völker auf dem Wege nach Europa; mit den anderen dauert es noch etwas länger.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich vorhin zum Worte gemeldet, als Kollege Schäfer sprach. Ich wollte eigentlich mit Fritz Reuter beginnen und sagen: „In der Fixigkeit ist er mir über, aber in der Richtigkeit bin ich ihm über." Aber ich habe gerade mit ihm gesprochen, und nun bin ich etwas verwirrt.
Sehen Sie sich diese kolossale Ausschußdrucksache 189 an, wo sämtliche Personalveränderungen nach der Veranlassung dargestellt sind. Ich habe im Ausschuß für die Regierungsvorlage gekämpft und bin dann ehrenvoll unterlegen. Da sind z. B. die 1116 Stellen von A 7 nach A 8, die 60 Stellen von A 3 nach A 4, und diese Stellen wurden im Ausschuß abgelehnt. Nun sagte mir Kollege Schäfer soeben, ich sei da herausgerufen worden, und sie hätten sie nachher doch noch bewilligt. Sollte das der Fall sein, so will ich mich darüber freuen. Sollte Herr Kollege Schäfer recht haben, dann ist das leider ein Beitrag dafür, in welch schrecklicher Bedrängnis wir diese Haushaltsberatungen gemacht haben, von morgens früh bis abends spät.
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den Expertenstreit möchte ich mich nicht einmischen, da ich dem Haushaltsausschuß nicht mehr angehöre. Ich möchte aber etwas zu dem sagen, was Herr Kollege Ritzel sagte. Herr Kollege Ritzel, es ist ein Unterschied, ob die Abfertigung im fahrenden Zug oder an der Grenzstation selbst vorgenommen wird. Die Züge, die Sie im Auge hatten, die ,an der Grenzstation 22 Minuten Aufenthalt haben, haben dort nicht nur Maschinenwechsel, sondern auch Personalwechsel, und die Zollabfertigung erfolgt an Ort und Stelle. In den TEE-Zügen, ,die Sie auch erwähnt haben, erfolgt die Abfertigung aber auch im fahrenden Zug; die Beamten steigen vorher zu, fahren bis zur Grenzstation mit und begleiten den Zug auch von der Grenzstation bis zum nächsten Haltepunkt. Das ist eine uralte Einrichtung der Zollverwaltung. Schon als ich 1923 an der Grenze in Aachen war, hatten wir drei Expreßzüge, ,die während ,der Fahrt abgefertigt wurden; alles andere wurde an Ort und Stelle abgefertigt. Es ist also nicht so, daß die Begüterten schneller abgefertigt werden als die weniger Begüterten. Ich darf Ihnen sagen: meine Kol-
1924 Deutscher Bundestag — 3, Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Krammig
legen achten auf die Begüterten mehr als auf die anderen.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Ich rufe auf:
Kap. 05. Wortmeldungen liegen nicht vor. Kap. 06 entfällt.
Kap. 07. Wortmeldungen liegen nicht vor. Abstimmen können wir erst morgen.
Ich rufe auf Punkt V Ziffer 9:
Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft
Das Wort hat ,der Herr Berichterstatter, der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium für Wirtschaft weist gegenüber dem Haushalt 1957 merkliche Veränderungen auf. Bereits im Nachtragshaushalt 1957 wurden dem Ministerium die Stelle eines zweiten Staatssekretärs und die Einrichtung des Bundeskartellamtes in Berlin mit insgesamt 50 Beamten-, 40 Angestellten- und 13 Arbeiterstellen bewilligt.Seit der Neubildung der Bundesregierung nach der Wahl von 1957 übt der Bundeswirtschaftsminister die Funktion des stellvertretenden Bundeskanzlers aus, zugleich wurde ihm die Leitung des Kabinettsausschusses für Wirtschaft übertragen, mit der Folge, daß die Leitung seines Ministeriums einer Verstärkung bedurfte. Der Haushaltsausschuß trug diesem Erfordernis dadurch Rechnung, daß dem Ministerium 4 Beamten- und 3 Angestelltenstellen bewilligt wurden.An der Auflösung des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit — des sogenannten ERP-Ministeriums — ist das Bundeswirtschaftsministerium insoweit beteiligt, daß ihm die Bearbeitung der OEEC-Angelegenheiten übertragen und damit aus dem vorjährigen Einzelplan 24 8 Beamte und 39 Angestellte übernommen wurden.Ein weiteres Wachstum an Aufgaben und Personal erbrachte dem Ministerium die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Zur Bearbeitung der Angelegenheiten auf diesem neuen Gebiet richtete das Ministerium eine eigene, die „Europa-Abteilung" ein, die der Leitung des neuernannten Staatssekretärs unterstellt ist. Der Haushaltsausschuß hatte gegen die Bildung dieser neuen Abteilung keine Einwendungen und bewilligte dafür 12 Beamten- und 8 Angestelltenstellen.Zwei Stellen für Oberamtsgehilfen wurden erforderlich und genehmigt für die von der Bundesbaudirektion freigegebenen und mittlerweile vorn Ministerium bezogenen zwei Stockwerke im Hause IV der Gallwitz-Kasernen-Anlage.Durch Vermittlung der Schwerbeschädigtenfürsorge war es möglich, 3 schwerbeschädigte Angestellte des Ministeriums an Förderungskursen teilnehmen zu lassen. Zwei davon haben die Prüfung für den gehobenen Dienst bestanden, und der dritte steht vor der Prüfung. Für diese 3 Schwerbeschädigten mit bestandener Prüfung gab der Ausschuß sein Einverständnis zur Stellenumwandlung.Außer den aus Einzelplan 24 übertragenen Stellen weist somit das Ministerium gegen den Haushalt 1957 in Kap. 09 01 einen Zugang von 29 Stellen in Tit. 101 und 11 Stellen in Tit. 104 auf. In Tit. 103 genehmigte der Ausschuß zur Heranbildung geeigneter Nachwuchskräfte zusätzlich 5 Stellen. Die Gruppe Arbeiter hat einen Zugang von 13 Stellen.Den weitergehenden Anforderungen des Ministeriums an neuen Stellen und Stellenhebungen konnte der Ausschuß nicht zustimmen, die besoldungs- und tarifrechtlichen Verpflichtungen natürlich ausgenommen.
Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat die Absicht, im Herbst dieses Jahres das Bundeswirtschaftsministerium einer Prüfung in bezug auf Organisation und Personalbedarf zu unterziehen. Der Bundesbeauftragte kommt damit einem Wunsche des Haushaltsausschusses entgegen.Abweichend von der sonst üblichen Formulierung bei der Berichterstattung möchte ich zum Abschluß der Personaltitel des Kap. 01 im Jahre der Fußballweltmeisterschaft sagen: Der Haushaltsausschuß und die Vertreter des Ministeriums führten um jede Personalstelle einen harten, aber fairen Kampf. Von den gegenüber dem Haushalt 1957 im Entwurf neu angeforderten 64 Beamtenstellen wurden 8 aus Einzelplan 24 übernommen, 29 wurden bewilligt, und 27 Stellen fielen dem in letzter Zeit öfters zitierten Rotstift des Haushaltsausschusses zum Opfer. Die Beratungen im Sinne einer notwendigen, aber noch vertretbaren Sparsamkeit wurden begünstigt durch die wärmende Sonne des Bundesfinanzministeriums und des Bundesrechnungshofes.Zu den Sach- und Allgemeinen Ausgaben — Tit. 200 bis 699 — ist zu bemerken, daß nur in besonders begründeten, vielfach unabweisbaren Fällen die Ansätze von 1957 überschritten wurden. Bei Tit. 711 wurde ein qualifizierter Sperrvermerk angebracht, weil der Ausschuß von der Dringlichkeit der vorgesehenen Maßnahme nicht überzeugt war. Tit. 952 wurde mit Ansatz gestrichen, weil die Kosten in diesem Rechnungsjahr nicht mehr anfallen.Bei der Beratung des Kap. 09 02 Tit. 601 gaben die hohen Ausgabenreste von 5,5 Millionen DM Anlaß zu einer regen Aussprache. Vom Ministerium wurde aufklärend berichtet, daß die vorhandenen Ausgabenreste weitgehend verplant seien. Aus der Tatsache, daß 1956 2,3 Millionen und 1957 fast 6 Millionen DM für Maßnahmen zur Förderung des Handwerks bewilligt wurden; ergebe sich, daß das Bewilligungsverfahren sich beschleunigt habe und die Mittel wesentlich schneller abgeflossen seien.Die Förderung der Mittel- und Kleinindustrie auf dem Gebiet der technisch-wirtschaftlichen Forschung
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1925
Müller
ist in Tit. 605 verbessert worden. Abgesehen von der Erhöhung des Ansatzes von 3,5 auf 6 Millionen DM verfügt der Minister über eine Bindungsermächtigung von 2 Millionen DM.Daß der Tit. 953 auf Vorschlag des Ausschusses entfällt, ist darauf zurückzuführen, daß der Ausschuß dieser Bibliothek eine große Bedeutung beimißt und die Auffassung vertritt, daß mit einem einmaligen Zuschuß der Zweck nicht erfüllt sei. Es wird vorgeschlagen, in den Erläuterungen zu Tit. 305 des Kap. 02 eine Zahlung in Höhe von 50 000 DM an die Bibliothek des Kieler Instituts vorzusehen. Der Ansatz des Titels soll nicht erhöht werden.Einer ausgiebigen Beratung wurde der Tit. 958 unterzogen. Es handelt sich um die Errichtung von fünf Windkanälen für Forschungszwecke der deutschen Luftfahrtindustrie mit einer Finanzierungshilfe des Bundes von 25 Millionen DM innerhalb von vier Jahren. Die Mittel sollen zunächst als Darlehen gegeben werden. Träger dieser Forschungseinrichtungen sind eingetragene Vereine, deren Mitglieder meist Industriefirmen sind. Im Ausschuß bestand Einmütigkeit darüber, daß die Schaffung dieser Windkanäle erforderlich sei.Für die in Kap. 09 03 ausgebrachte Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig und Berlin ist vom 2. Bundestag ein mehrjähriges Ausbauprogramm festgelegt worden. Die Erweiterung ist so weit gediehen, daß in diesem Jahr die Abteilung VI, also die Abteilung, die sich mit Messungen im Bereich der Kernphysik befaßt, eingerichtet werden kann. Für die personelle Ausstattung der Anstalt liegt ein Gutachten des Bundesrechnungshofes vor, das sich auf einen Zeitraum von drei Jahren bezieht. Die Vorschläge dieses Gutachtens lagen der Beratung der Titel 101 und 104 zugrunde. Der Ausschuß war der Auffassung, daß auch dieser Anstalt nur das allerdringlichste Personal bewilligt werden sollte. Für den weiteren Ausbau der Anstalt wurden in Tit. 710 als erster Teilbetrag 760 000 DM zur Verfügung gestellt. Durch Um- und Erweiterungsbauten soll die Möglichkeit geschaffen werden, Meßwandler bis zu 600 Kilovolt zu prüfen.Dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs-und Bausparwesen — Kap. 09 04 — wurde in Tit. 101 die Stelle eines Inspektors bewilligt. Im übrigen ist zu diesem Kapitel wie auch zu dem Kap. 09 05, Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt am Main, und dem Kap. 09 06, Bundesstelle für Außenhandelsinformationen in Köln, abgesehen von den Änderungen einiger Ansätze, die Sie in der Drucksache 408 finden, nichts zu bemerken.Der Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin — Kap. 09 07 — wurden in Tit. 101 zwei Stellen neu bewilligt. Der Bundesrechnungshof hielt dieselben für erforderlich. Die Kosten werden aus dem Verteidigungshaushalt erstattet. Abgesehen von der Änderung von Ansätzen ist zu diesem Kapitel nichts zu bemerken.Das vom 2. Bundestag verabschiedete und am 1. Januar 1958 in Kraft getretene Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bedingt die Errichtungdes Kartellamts in Berlin. Die Aufgaben dieses neuen Amtes sind aus der Vorbemerkung des Kap. 09 08 zu ersehen. Nach Auffassung des Bundeswirtschaftsministers ist das Kartellamt in hohem Maße ein Instrument der Wirtschaftspolitik und hat Aufgaben zu erfüllen, die als Grundsatzentscheidungen von allgemeiner Bedeutung an sich einer obersten Bundesbehörde obliegen würden. Das Amt konnte gegen Ende des abgelaufenen Rechnungsjahres seine Tätigkeit aufnehmen und erhielt seine personelle Ersterstattung im Nachtragshaushalt 1957 mit insgesamt 103 Beamten, Angestellten und Arbeitern. Der zur Beratung anstehende Haushalt 1958 baut auf dem Nachtragshaushalt auf und bringt das Kartellamt auf den Stand, der bereits in der Drucksache 20 vom 23. November 1957 vorgesehen war.Mit dem Stellenplan von 79 Beamten, 86 Angestellten und 13 Arbeitern können die für das Amt vorgesehenen vier Beschlußabteilungen, zwei Einspruchsabteilungen und die Abteilung Wirtschaftsbeobachtung eingerichtet werden. Die Stellen für die zweite Einspruchsabteilung bleiben einstweilen gesperrt, weil noch nicht abzusehen ist, mit welcher Zahl von Einsprüchen zu rechnen ist. Eine klare Übersicht über den Arbeitsanfall für das Amt ist erst möglich, wenn die im Gesetz vorgesehene Ausschlußfrist in den nächsten Tagen mit dem 30. Juni verstrichen ist. Unerwartet stark wird das Karten amt bis jetzt mit Auskunftersuchen aller Art in Anspruch genommen.Neu errichtet werden soll die Bundesanstalt für Bodenforschung in Hannover. In den Vorbemerkungen zu Kap. 09 09 werden die Aufgaben dieser Bundesanstalt ausdrücklich bezeichnet mit der Durchführung und Auswertung von Untersuchungen auf dem Gebiet der Bodenforschung im Ausland, soweit solche Aufgaben auf Grund zwischenstaatlicher Beziehungen anfallen, dann der Beratung der Bundesministerien in Fragen der Bodenforschung und in wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Bodenforschung.Bisher war es möglich, die beschränkten Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der geologischen Forschung vom Niedersächsischen Amt für Bodenforschung betreiben zu lassen. Im Haushalt 1957 wurde dafür ein Zuschuß von 400 000 DM an dieses Amt bewilligt. Mittlerweile erweist es sich als notwendig, eine Forschungsanstalt einzurichten, bei der die zentrale Durchführung der den gesamten. Bund interessierenden Aufgaben gesichert und eine einheitliche Lenkung und Vertretung gegenüber dem Ausland gegeben ist. Übereinstimmung besteht mit den Länderministerien und den geologischen Landesämtern, daß die Durchführung der Bundesaufgaben durch eine Landesanstalt keine Lösung darstellt. Einer Landesanstalt ist es auch nicht möglich, die notwendige Zahl von Auslandsgeologen heranzuziehen und auszubilden. Nach eingehender Beratung stimmte der Ausschuß der beantragten Errichtung der Bundesanstalt im Umfang des vorliegenden Haushaltsplans zu. Die personelle Erstausstattung sieht einen Stellenplan für 31 Beamte, 49 Angestellte und 10 Arbeiter vor. Ein erheblicher Teil des angeforderten Personals wird vorn Niedersächsischen Landesamt in die Dienste des Bundes
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1926 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1953
Müller
übernommen. Der Haushaltsausschuß empfiehlt dem Hohen Haus die Annahme des Kap. 09 09 sowie die Zustimmung zum Einzelplan 09 mit den Änderungsvorschlägen der Drucksache 408.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir kommen zunächst zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 97. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat in Umdruck 97 den Antrag gestellt, eine Ministerialdirektorenstelle bei Kap 0901 Tit. 101 zu streichen. Es handelt sich um ,die Anforderung in dem Regierungsentwurf, eine B 8-Stelle neu zu bewilligen mit der Begründung „infolge Errichtung ,der Europaabteilung". Es ist zuzugestehen, daß durch ,die Errichtung einer neuen Abteilung, Idie sich den europäischen Problemen im Bereich des Wirtschaftsministeriums widmen soll, eine zusätzliche Arbeit entsteht, mindestens entstehen kann. Die Mehrheit des Haushaltsausschusses hat diesem Vorschlag auch zugestimmt. Die Minder eit hat ihm widerstrebt, und zwar aus zwei Erwägungen. Erstens: Das Mnisterium ist personell so ausreichend dotiert, daß mindestens der Versuch gemacht werden müßte, ohne eine neu zu bewilligende Ministerialdirektorenstelle auszukommen. Zweitens — und ,das ist wohl Idas Hauptargument, das gegen die fetzige Bewilligung spricht —hat der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung in derselben Sitzung erklären lassen, Idaß im Herbst dieses Jahres, ,also in wenigen Monaten, eine Überprüfung der Gesamtorganisation des Bundeswirtschaftsministeriums stattfinden wird. Wir sind durch gewisse Beispiele — ich denke hier an ein unverständliches Vorgehen im Bereich des Herrn Bundesministers ,des Innern — gewarnt, und wir sollten der Bewilligung neuer Stellen nicht Vorschub leisten, bevor eine Prüfung durch den Bundesbeauftragten für ,die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung erfolgt ist. Das Hohe Haus ist nach meiner Auffassung verpflichtet, die Gesichtspunkte der Sparsamkeit auch im Kleinen zu beachten. Aus diesem Grunde kann Idas Prinzip, das — wie oft? — bei den Entschlüssen ,des Haushaltsausschusses zum Haushalt 1958 Pate gestanden hat: „Es handelt sich ja nur noch um wenige Monate", hier mit gleichem Recht angewandt weder. Sollte die Stelle nach den Auffassungen des Bundesbeauftragten notwendig sein, wird kein Unglück passieren, wenn sie erst im Haushalt 1959 bewilligt wird. Aber erst wollen wir dieses Gutachten kennen, ehe wir zu dieser weiteren Stellenanforderung ja sagen.
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus sehr, es bei der B 8-Stelle
für die Europaabteilung zu belassen. Wir treten in eine ganz neue Phase der europäischen Wirtschaft und damit auch indirekt der deutschen Wirtschaftspolitik ein. Die Europaabteilung hat eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, die, glaube ich, von dem Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung nicht bemessen werden kann; denn die Verantwortung für die europäische Wirtschaftspolitik liegt in meinen Händen bzw. in den Händen der Bundesregierung.
Die Aufgabe der Abteilung E ist außerordentlich bedeutsam; denn in ihr müssen alle Erkenntnisse und alles Material aus sämtlichen Quellen des Hauses zusammenfließen und für die europäische Wirtschaftspolitik verarbeitet werden. Umgekehrt müssen alle neuen Gestaltungen in der europäischen Wirtschaftspolitik wieder in dieses Haus zurückgetragen werden. Die Aufgabe ist, wie ich sage, so bedeutsam, daß sich eine B 8-Stelle für dieses Amt unter allen Umständen rechtfertigt. Ich darf hinzufügen, ich habe keine Sorge vor der Prüfung durch den Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung; denn ich bin überzeugt, daß sich bis dahin die Abteilung E noch mehr ausweiten wird und die Aufgaben, die an diese Abteilung herankommen, immer mannigfacher werden. Denn neben der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, neben der OEEC, neben der Europäischen Zahlungsunion und der Freihandelszone, die alle im Werden begriffen sind und wo ein wesentlicher Umbau und eine weitere Ausgestaltung der europäischen Politik schlechthin erforderlich sein werden, erscheint es, glaube ich, auch gerechtfertigt, diese bedeutsame Europaabteilung im Wirtschaftsministerium mit dem notwendigen Personal auszustatten.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Abstimmung kommt morgen.
Umdruck 90, Änderungsantrag der Fraktion der SPD! Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Keilhack!
Meine Herren und Damen! Ich begründe den Antrag Umdruck 90, mit dem wir eine kleine Erhöhung des Ansatzes in Tit. 608 von 50 000 DM um 100 000 DM auf 150 000 DM und des Ansatzes in Tit. 615 von 250 000 DM um 250 000 DM auf 500 000 DM wünschen. Die eingehende Begründung dieser Anträge auf eine relativ kleine Erhöhung darf ich mir ersparen, da dieser Umdruck ausführliche Erläuterungen enthält. Sie sagen das meiste über den Zweck dieses Titels aus.Ich darf Ihnen noch einige kleine Hinweise geben. Die öffentliche Förderung von Einrichtungen und die Herausgabe von Aufklärungs- und Unterrichtsmaterial für die Beratung der Verbraucher auf dem Gebiet der gewerblichen Erzeugnisse für den Haushalts- und Familienbedarf in der Bundesrepublik ist bisher nur sehr sporadisch geschehen, obgleich auch der Herr Bundeswirtschaftsminister bei verschiedenen Anlässen diese Aufgabe als eine besonders wichtige öffentliche Aufgabe dargestellt
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1927
Frau Keilhackund zugestanden hat, daß sie eine notwendige Ergänzung seiner Vorstellungen von sozialer Marktwirtschaft sein müsse. Wenn man diese Arbeit nicht mit öffentlichen Mitteln finanzieren wollte, müßte man sie in die Hand der Wirtschaft geben, von der eine objektive Aufklärung und Beratung naturgemäß nicht erwartet werden kann.Meine Herren und Damen, ich darf Ihnen zum Vergleich mit unseren Anträgen sagen, daß die Wirtschaft nach den neuesten Schätzungen etwa 4 Milliarden DM jährlich aufwendet, um durch Werbung mit allen Mitteln und Methoden den Kaufanreiz beim Verbraucher zu bewirken. Dieser Werbung kann er sich nur sehr schwer erwehren und schon kaum durch sie hindurchfinden, jedenfalls nicht soweit, um selbst Qualität, Preis und Gebrauchsfähigkeit einer Ware richtig beurteilen zu können. Der Verbraucher benötigt Stützen, um durch das Marktgeschehen hindurchzufinden, um es zu übersehen, damit er so gut wie möglich einkaufen kann. Er muß auf diese Weise in die Lage versetzt werden, seine Kaufkraft, d. h. sein Einkommen so effektiv wie möglich zu verwenden. Diese Aufklärung soll über Verbraucher- und Hausfrauenberatungsstellen erfolgen, aber auch durch objektiv geschriebene Broschüren, durch Filme, durch Hinweise in Presse und Rundfunk, damit man den Verbraucher bei der Deckung seines Kaufbedarfs anleiten und unterstützen kann.Bei der Aufklärung über Qualität, Preise und Nahrungswert für agrarische Produkte, d. h. für Lebensmittel — ich möchte das hier ausdrücklich herausstellen— leistet das Ernährungsministerium schon eine relativ ordentliche Hilfe. Für gewerbliche Erzeugnisse, für hauswirtschaftliche Bedarfsgegenstände, für Textilien usw. ist dagegen bisher so gut wie nichts geschehen. Das liegt beim Etat des Bundeswirtschaftsministeriums. Andere Länder geben uns hierbei sehr gute Beispiele — Sie haben sicherlich schon etwas davon gehört —, z. B. Schweden, Dänemark, Holland, England und auch die Schweiz.Die von uns beantragte Erhöhung kann, wie Sie aus den Beträgen ersehen werden, natürlich nur zur Fundierung dieser notwendigen Arbeit dienen, deren Ausbau auf Grund der zu sammelnden Erfahrungen nach und nach vorgenommen werden muß und dann wahrscheinlich erst eine Erhöhung benötigt. Unser Antrag hält sich aus diesem Grunde in bescheidenen Grenzen.Wir verknüpfen mit diesem Antrag eine Bitte an den Herrn Bundeswirtschaftsminister und den Herrn Bundesernährungsminister. Wir möchten, daß beide Ministerien in besserer Zusammenarbeit als bisher bereits vorhandene Arbeitsergebnisse von Forschungseinrichtungen auswerten. Sie gehören zum großen Teil zum Bundesernährungsministerium, z. B. die Institute für Hauswirtschaft, Lebensmittelchemie, Lebensmittelkonservierung. Sie sollten auch im Bundesinnenministerium zugleich mit den Arbeitsergebnissen des neu einzurichtenden Instituts für Qualitätsprüfungen verwendet werden, damit sie so effektiv wie möglich ausgewertet werden und die Arbeitsergebnisse nicht ungenutzt bleiben.Zusammenfassend darf ich noch einmal sagen, daß unser Antrag die Stärkung der Position des Verbrauchers auf dem Markt gegenüber der alles überragenden Marktmacht der Wirtschaft bewirken soll. Wenn wir das wollen, darf es keine Phrase bleiben. Dann müssen wir diese Aufgabe durch eine entsprechende Dotierung im Haushalt realisieren. Sie kann nämlich nur durch die öffentliche Hand gelöst werden. Ich bitte Sie deshalb um Annahme unseres Antrags auf Umdruck 90.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus darauf aufmerksam machen, daß für dies Gebiet der Verbraucheraufklärung in der letzten Zeit laufend mehr Mittel vom Bund zur Verfügung gestellt worden sind. Es handelt sich ja nicht nur um die Titel, die im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums stehen, sondern eine noch größere Summe steht im Haushalt des Ernährungsministeriums. Ich habe mir einmal überlegt, wie die Entwicklung in den letzten drei, vier Jahren gewesen ist. Die Mittel im Etat des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesernährungsministeriums dienen im großen gesehen demselben Zweck, nämlich der Verbraucheraufklärung, einmal auf dem Gebiet der Nahrungsmittel, zum anderen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft. Zusammen betragen sie im Etat 1958 bereits über 1 Million DM. Im Vorjahr betrug diese Summe 800 000 DM; sie ist also jetzt erheblich heraufgesetzt worden. 1956 betrug sie 550 000 DM und vorher 400 000 DM. Es ist eine stark aufsteigende Linie: 400 000 DM, 550 000 DM, 800 000 DM, 1 Million DM. Ich hoffe, richtig gerechnet zu haben, denn es ist nicht ganz einfach, in der Eile die Zahlen zusammenzustellen. Ich hoffe aber, daß sich kein Fehler eingeschlichen hat.Wenn man von diesen Zahlen ausgeht, zeigt sich, daß in dieser Beziehung schon einiges getan wird, und ich glaube nicht, daß die Frau Kollegin, die eben gesprochen hat, recht hat, wenn sie für die gewerbliche Wirtschaft zusätzlich insgesamt 350 000 DM und für die Ernährungswirtschaft zusätzlich 750 000 DM, d. h. insgesamt 1,1 Millionen DM über die schon bewilligte Summe von 1 Million DM hinaus beantragt. Wir haben in den beiden Haushalten deutlich bewiesen, daß wir an der Verbraucheraufklärung genauso interessiert sind wie die Antragstellerin. Wir haben aber auch die Erfahrung gemacht, und zwar anläßlich der vorjährigen Erhöhung, die nicht gerade unbedeutend war — erstmals wurden im Titel 615 150 000 DM eingesetzt —, daß es gar nicht leicht gewesen ist, die Mittel für die Verbraucheraufklärung sachgemäß unterzubringen. Das Gros der Aufklärung geht über Film, Zeitung und Funk, und ein kleinerer Teil geht über Broschüren. Es ist nicht ganz einfach, auch noch zusätzlich eine Summe von 1,1 Millionen DM, um die Sie die zur Verfügung stehende Summe von
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1928 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Dr. Conring1 Million DM erhöhen wollen, wirtschaft1ich vernunftig unterzubringen. Da wir mit Steuermitteln arbeiten, müssen wir darauf achten, daß dies geschieht.Wir werden unsererseits zu diesem Haushaltsplan einen Antrag vorlegen, den Tit. 615 um einen Betrag von 100 000 DM zu erhöhen, über die Erhöhung hinaus, die bereits in dem Haushaltsplan 1958 vorgesehen ist. Ich bitte Sie daher, den Antrag der SPD abzulehnen und unserem Antrag auf Erhöhung um 100 000 DM zuzustimmen.
Frau Abgeordnete Keilhack!
Herr Kollege, Sie sind offenbar nicht ganz im Bilde gewesen. Sie haben Dinge zusammengezählt, die Sie nicht zusammenzählen können, weil sie gar nicht zusammengehören. Das, was im Ernährungsministerium dotiert ist, hat einen ganz anderen Sinn, als das, was im Wirtschaftsministerium dotiert werden soll, wo bisher überhaupt noch nichts gemacht ist bzw. so uneffektiv, daß man mit den paar tausend Mark, die man hatte, praktisch gar nichts in dem Sinne einrichten konnte, wie ich es in der Begründung darzulegen versuchte. Eine stichhaltige Begründung für eine Erhöhung des Mittel im Ernährungsministerium werde ich bei Besprechung des Umdrucks 98 vorbringen. Aber Ihre Zusammenzählung, Herr Kollege, war in diesem Falle gar nicht möglich. Ich bitte Sie also, meine Begründung zum Umdruck 90 noch einmal zu überdenken bzw. die Erläuterung noch einmal durchzulesen. Daraus werden sie den Verwendungszweck nochmals ersehen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Meine Damen und Herren, dann verstehe ich diese Sache so — — Herr Abgeordneter Kurlbaum?
— Lassen Sie mich bitte erst einmal diesen Änderungsantrag klarstellen, damit wir uns morgen nicht noch einmal darüber zu unterhalten brauchen. Morgen wird bei diesem Umdruck 90 zunächst über die Ziffer 1 abgestimmt; das ist der SPD-Antrag. Dazu liegt ein Änderungsantrag nicht vor.
Herr Abgeordneter Conring, habe ich Sie recht verstanden, daß Ihr Antrag ein Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD ist?
Sie wollen die in Ziffer 2 b dieses Antrags genannte Zahl von 250 000 DM um 100 000 DM auf 350 000 DM erhöht haben.
— Das ist die Frage. Das wollen wir in aller Ruhe klarstellen. Herr Abgeordneter Conring, wollen Sie die Zweckbestimmung in Ziffer 2 c bestehenlassen?
— Dann soll Ziffer 2 c abgelehnt werden? — Dann muß Ihr Änderungsantrag entsprechend erweitert werden. Damit ist die Situation für die Abstimmung klar. Wir werden morgen sehen, was dabei herauskommt.
Nun hat zum Einzelplan 09 der Herr Abgeordnete Kurlbaum das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte zum Abschluß der Debatte nur eine kurze Erklärung abgeben.
Meine Fraktion wird allgemeine Darlegungen zur Wirtschaftspolitik und zum Bundeswirtschaftsministerium in der dritten Lesung und nicht in der zweiten Lesung machen. Sie wird also ihre Stellungnahme zum Etat des Bundeswirtschaftsministeriums auch erst in der dritten Lesung im einzelnen begründen.
Wird zum Einzelplan 09 weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Debatte in der zweiten Beratung geschlossen. Die Abstimmungen finden morgen statt.
Ich rufe auf
Einzelplan 10 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten .
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort zu nehmen?
— Der Herr Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht und verzichtet auf das Wort.
Wir treten in die Aussprache ein. Auf Umdruck 81 liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Rehs, Kinat und Genossen vor. Wird zur Begründung dieses Antrags das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Rehs!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur wenige Worte zu diesem Antrag. Der Inhalt des Antrags, nämlich die Wiederherstellung des früheren Ansatzes für die Trakehner Warmblutzucht auf 98 000 DM, hat uns bereits bei den Haushaltsberatungen im vergangenen Jahre beschäftigt. Die Mehrheit des Bundestages hat damals der Wiederherstellung des alten Ansatzes zugestimmt. Eigentlich nur durch ein Versehen im Haushaltsausschuß ist es nicht dazu gekommen, diese Vorlage bereits im Haushaltsausschuß in der gleichen Weise wiederherzustellen. Der erkrankte Vorsitzende des Haushaltsausschusses hatte selbst die Absicht, diese Regelung im
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1953 1929
RehsSinne des Antrages noch dem Haushaltsausschuß vorzutragen. Infolge seiner Erkrankung und des Tempos, in dem diese Beratungen dann vor sich gegangen sind, ist es nicht dazu gekommen. Ich möchte darauf verzichten, auf den weiteren materiellen Inhalt des Antrages einzugehen. Ich darf auf die sachlichen Ausführungen Bezug nehmen, die ich einem Teil der Herren Abgeordneten habe zugehen lassen, und bitten, durch die Zustimmung zu diesem Antrag das sachliche, das materielle, aber auch das heimatpolitische Anliegen, das mit dem Antrag verbunden ist, auch Ihrerseits anzuerkennen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Gülich!
Lieber Herr amtierender Vorsitzender des Haushaltsausschusses: es muß natürlich nicht sein. Sie haben sich aber in keiner Weise dazu geäußert. Es ist tatsächlich so: im Haushaltsausschuß haben wir alle einfach vergessen, die Sache vorzutragen und die kleine Reduzierung zu ändern. Im Vorjahr haben wir ja dieselbe Sache durchgestanden. Ich wollte Ihnen sagen, da wir es im Haushaltsausschuß nicht getan haben, sollte ,die Fraktion der CDU das jetzt mitmachen. Es ist wirklich keine Angelegenheit, über die man sprechen könnte. Ich habe, weil ich selbst skeptisch war, im vorigen Jahr die ganze Angelegenheit der Vereinigung der Trakehner Pferde sehr genau überprüft. Selbstverständlich braucht sie nicht für alle Zeiten einen Bundeszuschuß, aber im Augenblick braucht sie ihn noch. Man kann durchaus später darüber reden, wie man ihn einmal auslaufen lassen soll.
— Ich denke, Herr Conring, daß es in der Regierungsvorlage geändert wird.
Ich bekam vorhin vom Kollegen Dresbach einen Brief. Er schreibt: „Lieber Gülich! Pferde sind doch etwas für vornehme Leute. Habt Ihr alle bei der Kavallerie gedient? Ihr August Dresbach." Es dreht sich nicht um eine Bevorzugung der Kavallerie, und es ist nun auch nicht so, als ob alle SPD-Abgeordneten bei der Kavallerie gedient hätten. Es ist überhaupt keine parteipolitische Angelegenheit. Es ist gar keine Sache, über die wir reden sollten. Wir sollten morgen zustimmen, ,die Zucht der Trakehner Pferde zu fördern.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Abstimmung ist morgen.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 98. Wird zur Begründung ,das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Bading hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag meiner Fraktion auf Erhöhung der Mittel für die Flurbereinigung von 60 Millionen auf 120 Millionen DM zu begründen. Wenn es der Herr Präsident gestattet, so möchte ich auch gleich unseren zweiten Antrag auf Erhöhung der Mittel für den Wegebau begründen.Über die Notwendigkeit der Flurbereinigung für die deutsche Landwirtschaft hier viele Worte zu verlieren halte ich für überflüssig. Alle Kreise, seien es die wissenschaftlichen Kreise der Agrarökonomik, seien es die wirtschaftspolitischen Vertretungen der Landwirtschaft, die Bauernverbände, alle halten die Flurbereinigung für eine der wichtigsten Aufgaben der Agrarpolitik. Nur werden nachher bei der Bewilligung der Mittel von seiten der Regierungsmehrheit leider die Kosten, die auf eine direkte Einkommenssteigerung der Landwirtschaft gerichtet sind, oft den Posten, die der Agrarstrukturverbesserung dienen, vorgezogen.Von den 14 Millionen ha landwirtschaftlicher Nutzflächen in Westdeutschland müßte noch ungefähr die Hälfte, etwa 7 Millionen ha Nutzfläche, zu größeren Flächen zusammengelegt werden. Herr Hundhammer, der bayerische Landwirtschattsminister, hat vor einigen Tagen im Haushaltsausschuß seines Landtages erklärt, daß er, wenn es in diesem Tempo weitergehe, noch 40 Jahre brauche, um die letzte Flurbereinigung in Bayern vorzunehmen. Ähnlich verhält es sich auch in anderen Ländern, nicht nur in Bayern.Nun ist Flurbereinigung gewiß nicht eine ganz einfache Angelegenheit. Es ist eine Menge Behördenarbeit damit verbunden, und die Behörden können natürlich immer nur ein bestimmtes Maß von Arbeit erledigen. Die Flurbereinigungsbehörden sind jetzt aber in der Lage, etwa 350 000 ha Fläche im Jahr umzulegen. Diese Zahl wird bisher jedoch keineswegs erreicht. Auch ein anderer Widerstand, der innere Widerstand bei den Bauern, scheint in letzter Zeit so ziemlich überwunden zu sein. Es gilt also, in dieser Situation, in der sich die deutsche Landwirtschaft zur Zeit befindet, nämlich in der Situation, daß in absehbarer Zeit der Gemeinsame Markt auf sie zukommt und damit ein starker Konkurrenzkampf innerhalb der Landwirtschaft der europäischen Länder entbrennt, gerade die Betriebe, die noch unter einer starken Flurzersplitterung leiden, so auszubauen, daß die konkurrenzfähig sind. Dazu gehört natürlich neben der Flurbereinigung auch noch eine vernünftige, im Rahmen des Möglichen vorzunehmende Aussiedlung, eine Aufstokkung und noch verschiedene andere Maßnahmen.Der Deutsche Bundestag hat zum europäischen Markt ja gesagt. Er muß jetzt infolgedessen auch die Konsequenzen daraus ziehen und die deutsche Landwirtschaft, soweit sie nicht konkurrenzfähig ist, in ihrer Agrarstruktur verbessern. Deswegen ist es notwendig, alle Möglichkeiten, die Flurbereinigung so rasch wie möglich durchzuführen, auszunutzen. Wir haben uns ausgerechnet, daß es mil einer Verdoppelung der Mittel für die Flurbereinigung, nämlich von 60 Millionen auf 120 Millionen DM, möglich ist, dieses wichtige Werk in so kur-
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1930 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Badingzer Zeit wie möglich durchzuführen. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.Ich habe mich in meinem Lande, in dem sich mein Wahlkreis befindet, in Hessen, einmal umgehört, wieviel Wirtschaftswege der Landwirtschaft dort ausgebaut werden müßten. Allein dort handelt es sich um 22 000 km. Mit den bisher bereitgestellten Mitteln ist es im Jahre 1956 aber lediglich möglich gewesen, 354 km auszubauen, und im Jahre 1957 sind es auch nicht viel mehr, nämlich 368 km. Wir würden also 60 Jahre brauchen, wenn wir bei einem gleichbleibenden jährlichen Bauumfang die Wege weiter ausbauen. So kann es also auf keinen Fall bleiben. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, die eine erhebliche Steigerung des bisherigen Leistungseffekts gestatten. Hierzu ist nicht nur Geld notwendig, sondern wahrscheinlich sind auch technische Verbesserungen notwendig, um die spezifischen Wegebaukosten zu vermindern. Aber es ist auch mehr Geld notwendig.Jetzt könnten Sie mich fragen, warum wir ausgerechnet auf eine Erhöhung um 25 Millionen DM gekommen sind. Das liegt daran, daß die Baubehörden, die die Planung, die Mittelverwaltung und die Bauleitung stellen müssen, den Umfang des Wegebaues nicht unbegrenzt vergrößern können. Schon jetzt sind diese Behörden stark überlastet. Durch eine Einschaltung von freien Ingenieuren kann aber eine Vergrößerung des Bauvolumens erreicht werden. Infolgedessen ist es möglich, jetzt mit zusätzlichen 25 Millionen DM das Optimum an landwirtschaftlichem Wegebau zu erreichen, und ich möchte Sie bitten, auch diesem unserem Antrag zuzustimmen.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie sich das Dokument Umdruck 98 einmal näher ansehen, den Bleistift zur Hand nehmen und zusammenrechnen, was als Schlußergebnis dieses Antrages herauskommt, kommen Sie auf die schöne runde Summe von 150 Millionen DM. Ich muß schon sagen, daß das nach den vorangegangenen langen Beratungen über den Grünen Bericht doch immerhin ein zweiter Grüner Bericht ist. Ich kann das eigentlich schlecht in Übereinstimmung mit dem Politikum bringen, das von Ihrer Seite, meine Damen und Herren von der SPD, draußen gerade in Industriegegenden verbreitet wurde. Sie nahmen nämlich sehr heftig gegen einer derartige Ausweitung des Grünen Berichts Stellung, und hier wird nun plötzlich auf der anderen Seite ein neuer Antrag mit einem Umfang von 150 Millionen DM gestellt. Sie müssen uns schon nachsehen, wenn wir da ganz offen aussprechen, daß das verdammt stark nach Propaganda riecht und daß wir nicht bereit sind, diese ganzen Anträge in dieser Größenordnung ohne weiteres als ernsthaft gemeint anzusehen. Denn Sie wissen genau wie wir, daß für diese Dinge in irgendeiner Form eine Deckung bereitgestellt werden muß; ich sehe hier aber keinerlei Deckung. Wenn Sie glauben, daß der Grüne Bericht in sich nicht richtig sei, hätten Sie hier in Ihrem Antrag sagen müssen, auf Kosten welcher anderen Ausgaben Sie diese Änderungen innerhalb des Grünen Berichts vornehmen wollen. Das hätte man dann für einen ernsthaften Antrag gehalten; aber das, was Sie uns vorgelegt haben, entbehrt tatsächlich der Ernsthaftigkeit, und wir können uns über diese Größenordnung jetzt nicht ad hoc unterhalten. Auch der Ernährungsausschuß hat dem Haushaltsund Finanzausschuß kein ähnliches Dokument mit ähnlichen Anträgen vorgelegt, sondern seine Anregungen halten sich in wesentlich bescheideneren und, ich glaube, realisierbaren Grenzen. Wir hätten zumindest erwarten müssen, daß uns solche Anträge nach einer Vorprüfung durch den Ernährungsausschuß vorgelegt worden wären. Jetzt, in dieser Minute, in dieser kurzen Zeit, uns mit Größenordnungen von 150 Millionen DM auseinanderzusetzen und im Plenum über eine solche Summe zu beschließen, übersteigt völlig jede Realität.
Ich kann mir dabei die Bemerkung nicht verkneifen, daß nach einer vorläufigen Zusammenzählung, die wir einmal vorgenommen haben, nach den uns bis jetzt vorliegenden Drucksachen die Gesamthöhe der von Ihrer Seite gestellten Anträge bereits 1,4 Milliarden DM überschreitet.
Das wirft natürlich von unserer Seite aus die Frage auf — —
— Das ist manchmal gar nicht schlecht, wenn man sich die Dinge einmal von oben ansieht; es ist jedenfalls wesentlich besser als die Froschperspektive.
Wir haben uns hier Gedanken darüber zu machen, wie dem Grundgesetz Genüge geschehen kann und wie man diesen Haushalt der Verfassung gemäß abgleichen kann. Bis jetzt haben wir noch keinen Antrag gesehen, der uns eine sinnvolle Abgleichung innerhalb des Haushalts ermöglicht hätte. Aus diesem Grunde bitte ich, den gestellten Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat allen Mitgliedern des Ernährungsausschusses sehr leid getan, daß sie diesmal bei den Haushaltsberatungen so sehr zu kurz gekommen sind, und zwar aus Gründen, die ich hier eigentlich geheimhalten müßte, weil sie zu der Geschäftsordnung des Hauses in Widerspruch stehen. Es lag daran — ich muß das dann schon leider sagen —, daß der Haushaltsausschuß den Einzelplan 10 schon beraten hatte, als er dem Hause noch gar nicht überwiesen worden war.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1931
Kriedemann— Meinetwegen „vorbereitend". Deswegen ist der Ernährungsausschuß, und zwar die Mehrheit wie auch die Minderheit, nicht in der Lage gewesen, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Wir haben dann sehr höflich darum gebeten, man möge doch in der Nachberatung - wenn Sie dieses Wort akzeptieren — dazu noch einmal Gelegenheit geben. Auch das ist abschlägig entschieden worden, und ich bin der Überzeugung, daß das alle Mitglieder des Ernährungsausschusses sehr bedauern.Nun zur Frage der Deckung, Herr Kollege Vogel. Wir haben hier schon bei der Besprechung des Grünen Plans deutlich gemacht, daß es uns keineswegs darum geht, den Betrag, den wir für die Landwirtschaft aufwenden, zu kritisieren. Wir üben allerdings sehr erhebliche Kritik an der Verwendung dieser Mittel. Es handelt sich also nicht um einen zweiten Grünen Plan, sondern höchstens, wenn Sie so wollen, um einen anderen Grünen Plan.Sie werden nicht bestreiten können, daß wir uns in der Kritik an der Verwendung der Mittel im Grünen Plan in guter Gesellschaft befinden, nämlich in der Gesellschaft des Herrn Bundesfinanzministers, der hier darauf hingewiesen hat, wie problematisch es sei, nun schon 1 Milliarde DM für die Düngersubvention ausgegeben zu haben, ohne recht zu wissen, wie sich das wohl auswirken werde. Das haben wir immer kritisiert. Wenn wir also alle aus diesem Zweifel jetzt noch rechtzeitig die Konsequenz ziehen, haben wir Deckungen für unsere Anträge in jeder Menge.Sie werden uns auch nicht bestreiten können, daß das, was hier von uns für die Landwirtschaft beantragt wird, gerade für die gefährdeten Teile vordringlicher ist als sehr vieles andere. Sagen Sie also bitte nicht: Noch mehr Geld für die Landwirtschaft!
- Es ist doch nicht üblich, daß wir hier .bei den Haushaltsberatungen mit Deckungsvorschlägen kommen!
- Im Haushaltsausschuß wäre dann dazu ja auch noch Gelegenheit gewesen. Also sagen Sie nicht: Noch mehr Geld für die Landwirtschaft! — Das würde Ihnen dann auch nicht schlecht bekommen. Sagen Sie nicht: Auch noch einen zweiten Grünen Plan! Herr Bauknecht sitzt hinter Ihnen; was meinen Sie, was der mit Ihnen macht! Sie können höchstens sagen: Einen anderen und — wie wir meinen einen vernünftigeren Grünen Plan.
Herr Abgeordneter Seither!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu Tit. 580. Die sozialdemokratische Fraktion betrachtet ihren Antrag Umdruck 98 Ziffer 3 als erledigt, weil es sich in dem Änderungsantrag Umdruck 111 um dasselbe Anliegen handelt. Wir Sozialdemokraten werden diesem Antrag, in Tit. 629 die Erläuterungen dahin zu ergänzen, daß für Tabaktrockenschuppen 1 Million DM zur Verfügung gestellt werden, zustimmen.
Das heißt also, Herr Abgeordneter, daß die Ziffer 3 des Umdrucks 98 gestrichen wird?
- Das Wort zur weiteren Begründung hat Frau Abgeordnete Keilhack.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Punkt 4 unseres Antrages Umdruck 98 begründen. Es handelt sich um eine Erhöhung der Zuschüsse zur Förderung von Naturparken und Landschaftsschutzmaßnahmen von 1 Million DM auf 2 Millionen DM. Der Haushaltsausschuß hat zwar den Betrag des Vorjahres von 250 000 DM auf 1 Million DM erhöht; aber das reicht nur aus, die jetzt bestehenden oder in Einrichtung befindlichen Naturparke zu erhalten oder zu finanzieren. Das sind die Parke im Pfälzer Wald, am Vogelsberg und in der Südheide.Ich möchte Sie daran erinnern, meine Damen und Herren, daß vor zwei Jahren der Verein Naturschutzpark, um das Verständnis für seine Bestrebungen im Bundesparlament zu fördern, einmal sehr viele Abgeordnete, vor allen Dingen auch Mitglieder des Haushaltsausschusses, zu einem Gespräch eingeladen hat, um darzulegen, worum es diesem Verein geht. Der Verein Naturschutzpark hatte aus diesem Gespräch die wahrscheinlich berechtigte Hoffnung geschöpft, daß der Bundestag für diesen großartigen Zweck einen wirklichen Schritt nach vorn gehen und ihm Mittel etwa in der Höhe von 10 Millionen DM, die er für nötig hielt, um seine Vorstellungen zu realisieren, bewilligen würde. Man ist verständlicherweise sehr enttäuscht, daß das nun so langsam und in solch kleinen Schritten geschehen soll und jetzt wieder nur eine Million bewilligt wird, die zu wenig hilft. Wir möchten deshalb beantragen, daß der Bundestag dem Verein Naturschutzpark und seinen Bestrebungen dadurch seine Zustimmung ausdrückt, daß er die eine Million auf zwei Millionen erhöht.Wir können das vor allem deshalb verantworten, weil wir dann die Möglichkeit schaffen, Ankäufe für neue Naturschutzparke vorzunehmen. Wenn man mit solchen Ankäufen zu lange wartet, wird es schwer werden, da sowohl der Bedarf des Verkehrs und Militärs, als auch die Ausbreitung der Wochenendsiedlungen große Einbrüche in unsere Landschaftsgebiete vornehmen. Dann wird es nicht mehr möglich sein, die Vorstellung geschlossener Erholungsgebiete zu realisieren, Erholungsgebiete, die wir alle sicherlich als sehr notwendig ansehen. Andere Länder haben es uns beispielhaft vorgeführt, und wir machen auch als Deutsche Gebrauch davon. Ich will nur Osterreich, die Schweiz undweit entfernt — die USA nennen.
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1932 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Frau KeilhackIch möchte Sie deshalb bitten, unseren Antrag auf Erhöhung des Zuschusses auf 2 Millionen DM als Dokument unseres guten Willens anzunehmen. Hunderttausende Erholungsuchende und naturliebende Menschen werden es uns danken.
— Die eine Million mehr, Herr Abgeordneter Conring, ist, glaube ich, in Anbetracht der Höhe des Gesamthaushalts und der vielen weniger guten Verwendungszwecke darin, bei denen sicherlich Abstriche möglich sind, ohne weiteres tragbar.
— Dazu will ich jetzt sprechen. Darf ich, Herr Präsident, um der Einfachheit willen auch den Punkt 6 unseres Antrages gleich begründen. Ich komme da auch auf die Einwände von Herrn Kollegen Conring zurück.Im Haushalt des Ernährungsministeriums stehen 750 000 DM für Verbraucheraufklärung auf dem Gebiet der Lebensmittelversorgung, ,die nicht hur eine einseitige Sache ,der Konsumentenaufklärung ist, sondern auch eine Sache der Förderung ,des Verbrauchs von Nahrungsgütern, zur rechten Zeit und mit rechten Mitteln, die die Landwirtschaft produziert und absetzen will. Es handelt sich darum, nicht nur den Nahrungs- und den Gesundheitswert von Lebensmitteln in der Öffentlichkeit bekanntzumachen, sondern auch die gesetzlichen Bestimmungen 1 z. B. der Handelsklassen u. a. zu verdeutlichen, von denen natürlich kein Mensch etwas weiß, wenn wir nicht etwas zur Publizierung tun.
— Herr Abgeordneter Conring, wir haben bisher für diesen Zweck 750 000 DM gehabt. Herr Dr. Vogel wie auch ich sitzen im Kuratorium des Bundesausschusses für volkswirtschaftliche Aufklärung. Er wird bestätigen können, wenn ich Ihnen sage, das Geld reicht praktisch nicht. Das Ernährungsministerium kann nicht so viele Broschüren und Schriften ausgeben, wie angefordert werden. Es ist Material, das nicht irgendwo in den Papierkorb wandert, wie es mit vielen anderen Broschüren geschieht, sondern das z. B. ,die Schulen bekommen, das für Unterrichtszwecke gebraucht wird, den Frauenorganisationen für Vorträge hilft und für ähnliche Dinge verwendet wird. Wenn wir also 11/2 Millionen DM bewilligen, tun wir nicht nur den Schulen, die auf diesem Gebiet völlig arm sind, einen Gefallen, sondern wir müssen es auch noch aus einem anderen Grunde tun. Wenn wir nach den Sommerferien ,das Lebensmittelgesetz verabschieden — und das ist absolut sicher —, werden die neuen scharfen Bestimmungen nur dann bekanntwerden, wenn wir den Verbrauchern sagen, was darinsteht, damit die Skandale um die Verfälschung von Lebensmittelndann endlich einmal aufhören. Der Verbraucher muß wissen, was das Bundesparlament eigentlich für ihn getan hat. Er wird es nichterfahren, wenn wir es lediglich bei der Annahme des Gesetzes lassen. In der üblichen Gesetzessprache abgefaßt wird es von dem normalen Leser ohne Erläuterungen mutmaßlich schwer oder gar nicht verstanden werden können.Dafür möchten wir diesen Posten um 750 000 DM erhöht haben. Herr Dr. Conring, ich glaube nicht, daß Sie sagen können, das sei für die Aufgabe der Verbraucheraufklärung — die bei uns in all den Jahren vernachlässigt worden ist — zu viel verlangt.
— Sicher, Herr Dr. Conring. Aber wir sind auch derart im Rückstand, daß wir nun einmal etwas mehr tun müssen als normalerweise.Ich bitte Sie noch einmal, uns zu glauben, daß das keine Geldverschwendung ist, sondern wirklich eine der wenigen sehr sinnvollen Verwendungen von Broschüren und ähnlichen Dingen. Dazu gehören ja auch Diapositivreihen, Veröffentlichungen für Funk-und Filmaufklärung und -berichte u. a. Sie werden anerkennen, daß das eine wirklich notwendige Aufgabe ist, die in anderen Ländern viel besser und vorbildlicher aufgenommen ist und die bei uns doppelt dringlich angefaßt werden muß weil unsere Wirtschaftspolitik noch unübersichtlicher ist als in anderen Ländern.Ich bitte Sie also, unsere beiden Anträge anzunehmen.
Dazu Herr Abgeordneter Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Bonn ist ein großer, ein riesengroßer Topf. Darin sind furchtbar viele Milliarden. Es gibt nur einige wenige böse Leute, die völlig unverständlicherweise den Griff zu diesen Milliarden immer verhindern wollen. Das sind der Finanzminister und einige böse Haushaltsleute. Aus völlig unverständlichen Gründen verwehren uns diese bösen Menschen den Griff in diesen großen Topf. — So ungefähr, meine Damen und Herren, kommt es mir vor, wenn ich mir die Anträge, die meine verehrte Frau Vorrednerin begründet hat, durchlese.Unter Ziffer 4 beantragen Sie Erhöhung des Ansatzes von Tit. 604 — Zuschüsse zur Förderung von Naturparken und Landschaftsschutzmaßnahmen —von 1 Million DM auf 2 Millionen DM. Wie ist die Vorgeschichte dieses Titels, meine Damen und Herren? Im Jahre 1956 haben wir in diesem Titel 100 000 DM gehabt.
Im Jahre 1957 haben wir diesen Titel von 100 000 DM auf 250 000 DM erhöht.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958 1933
NiederaltIm Jahre 1958 ist der Titel von 250 000 DM auf 1 Million DM erhöht worden. Dabei sind wir uns ganz klar darüber, meine Damen und Herren, daß das ein Titel ist, der vornehmlich die Länder angeht,
der vornehmlich von den Ländern getragen werden sollte und auch getragen wird. Wir haben uns schon im Haushaltsausschuß gefragt, ob wir es verantworten können, diesen Titel von 250 000 DM mit einem Male auf 1 Million DM zu erhöhen; wir mußten uns fragen, ob die Länder mit dieser Erhöhung auch noch gleichziehen können. Denn es ist nun einmal eine Länderaufgabe.Meine Damen und Herren, man sollte sich die Antragstellung doch nicht so leicht machen — ich muß schon sagen: nicht so leichtfertig machen.
— Wir haben uns das Ablehnen nicht leicht gemacht, Herr Kollege Kriedemann.
— Sie sehen doch, daß wir im Jahre 1958 den Ansatz vervierfacht haben.
Wir haben ihn deshalb vervierfacht, weil wir die Berechtigung des Anliegens anerkennen und weil wir auch auf dem Standpunkt stehen, daß bei einer so wichtigen Aufgabe der Bund ruhig mithelfen soll. Aber wir können die Länder nicht aus ihrer Verantwortung für diese Aufgabe entlassen. Ich muß schon bitten, es bei dem Ansatz der Regierungsvorlage zu belassen, der das Vierfache von dem vorsieht, was im Jahre 1957 angesetzt war.
Herr Abgeordneter Frehsee!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige wenige Worte zur Begründung des Antrags auf Umdruck 98 Ziffer 7. Ich glaube, Herr Kollege Vogel, daß dieser Antrag sich auch aus der Vogelperspektive nicht so furchtbar unbescheiden ausnehmen kann. Schon das Landwirtschaftsgesetz bestimmt in seinem § 2 Abs. 1, daß die Bundesregierung in ihrem jährlich vorzulegenden Bericht über die Ertragslage der Landwirtschaft die Buchführungsunterlagen von 6000 bis 8000 Betrieben, gegliedert nach Gebieten, Größenklassen und Bodennutzungssystem, jeweils für das abgelaufene Wirtschaftsjahr zusammenstellt und auswertet.
— Bitte, Herr Kollege Conring!
Conring ; Herr Kollege Frehsee, ist Ihnen nicht bekannt, daß der Antrag der CDU/ CSU-Fraktion Ihren Antrag enthält und deckt? Ich glaube, Sie können sich infolgedessen weitere Ausführungen zu diesem Punkt schenken. Sie wollen ja uns überzeugen und uns dazu veranlassen, Ihre Auffassung zu vertreten.
Schönen Dank, Herr Kollege Conring! Ich will mich auch ganz kurz fassen. Aber außer der CDU und der SPD sind noch zwei andere Parteien in diesem Hause vertreten. Ich mache es wirklich ganz kurz.
Wir haben für den Grünen Bericht 1958 die Aufzeichnungen von 8000 landwirtschaftlichen Betrieben gehabt. Davon sind 5500 nicht-buchführungspflichtige Betriebe. Das sind also kleinere landwirtschaftliche Betriebe, Bauernbetriebe, für die die Aufzeichnung eine neue Belastung bedeutet. Für diese Aufzeichnung bekommen die kleineren Landwirte eine Entschädigung von wöchentlich 1 DM. Unser Antrag läuft darauf hinaus, ihnen 2 DM je Woche als Entschädigung für diese mühevollen Aufzeichnungen zu bewilligen. Ich freue mich, daß die CDU den gleichen Antrag gestellt hat. Im Ernährungsausschuß bestand in dieser Frage Einstimmigkeit. Der Haushaltsausschuß hat sich auch mit diesem Antrag nicht mehr befassen können. Ich darf Sie bitten, dem Antrag zuzustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht?
Ich darf noch auf einen Druckfehler in dem Antrag auf Umdruck 98 Ziffer 6 hinweisen. Es muß dort zweimal „750 000 DM" heißen. Sonst gibt es niemals 1,5 Millionen DM.
Das Wort hat der Abgeordnete Bading.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe hier die Aufgabe, unsere Anträge zu begründen, nach denen die Zuschüsse zur Förderung der Milchwirtschaft erhöht werden sollen. Das betrifft zwei verschiedene Angelegenheiten.Ich darf zunächst auf die Situation der Milchwirtschaft eingehen. In den Monaten Januar bis April 1958 lag die Milchproduktion zwischen 7 und 11 % über der Milchproduktion in den Vergleichsmonaten des Vorjahres. Diese Erhöhung der Milchproduktion ging parallel mit der Erhöhung des Durchschnittsmilchertrages, der ebenfalls 11 % höher lag als im Vorjahr. Wir haben also eine echte Leistungssteigerung der Landwirtschaft zu verzeichnen. Die Milchanlieferung an die Molkereien lag in denselben Monaten zwischen 13 und 18 % über derjenigen der entsprechenden Monate des Vorjahres. Die Milchanlieferung ist also mehr gestiegen als die Milchproduktion, und entsprechend sank der Anteil des Milchverbrauchs und der Milchverfütte-
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1934 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1958
Badingrung der Landwirtschaft selbst, also im eigenen Haushalt des Milcherzeugers. Zurückzuführen ist die Diskrepanz zwischen der Steigerung der Milchproduktion und der Milchanlieferung zweifellos auf die Milchsubventionen von 400 Millionen DM.Wir stehen also damit vor einem Milchabsatzproblem. Denn in der gleichen Zeit, in der die Milchproduktion und die Milchanlieferung stiegen, ist der Milchverbrauch leider Gottes rückläufig gewesen. Noch im Jahre 1954 war der Pro-Kopf-Verbrauch 124 1 im Jahre. Jetzt beträgt er nur noch 117 1, d. h. 7 1 weniger. Es gibt nun eine ganze Reihe von Möglichkeiten, den Milchverbrauch zu heben. Auf die meisten will ich hier nicht eingehen; sie stehen in keinem direkten Zusammenhang zu den Fragen des Etats, wie z. B. Verbesserung des Geschmacks, der Haltbarkeit, was aber natürlich in engem Zusammenhang mit der ganzen Milchmarktregelung steht. Ich sage mit Absicht „Milchmarktregelung" und nicht „Milchmarktordnung", weil das nämlich keine Ordnung ist. Auf zwei Möglichkeiten, den Milchkonsum zu erhöhen, möchte ich aber eingehen; denn diese beiden Möglichkeiten stehen im Zusammenhang mit unseren Anträgen.Einmal ist es die Frage: Wie kann ich den Milchverbrauch erhöhen? Jeder Produzent, der merkt, daß sein Absatz zurückgeht, wird verstärkte Werbung einsetzen. Was geschieht aber eigentlich für die Werbung für die Milch? Wir haben zwar einen Verein zur Förderung des Milchverbrauchs in Frankfurt. Dieser Verein hat bisher einen Etat von etwa 3 Millionen DM im Jahre gehabt. Seit dem 1. April dieses Jahres ist er auf etwa 6 Millionen DM erhöht worden, indem die Milchumlage für Werbungszwecke erhöht worden ist. Mit diesen 6 Millionen DM muß also dieser Verein arbeiten. Er muß Inserate in die Zeitungen bringen, er muß Plakate anschaffen, er muß Aufklärungsschriften verfassen, Filme anfertigen lassen usw. Ich will hier gar nicht darüber reden, ob die Werbung für die Milch, wie sie jetzt gemacht wird, gut oder schlecht ist. Aber das eine steht völlig fest, daß diese Mittel, diese 6 Millionen, gänzlich unzureichend sind. Im Nahrungsmittelgewerbe ist es üblich, zwischen 2 und 8 % des Umsatzes für Werbungszwecke auszugeben. Die Milchproduktion hat einen Wert beim Erzeuger von 5 Milliarden DM. Nur 2 % davon gerechnet, wären 100 Millionen DM. Tatsächlich werden aber nur 6 Millionen ausgegeben.Vergleicht man die Werbungskosten für Milch in Deutschland mit denen in anderen Ländern, so kommt man zu erschreckenden Erkenntnissen. In der Schweiz gibt man je Kopf der Bevölkerung 40 Centimes aus, 40 Pf also, in England 23 Pf, in Holland 25 Pf, in Schweden 29 Pf, in der Bundesrepublik nach Adam Riese — 6 Millionen DM durch 52 Millionen Einwohner — 11 Pf. Und wir sehen auch in diesen unterschiedlichen Ausgaben für die Werbung eine der Ursachen für den unterschiedlichen Milchverbrauch in den verschiedenen Ländern. Bei uns liegt er am niedrigsten.
Frage nun: Wer soll das bezahlen? Milch ist nicht nur eine ökonomische Angelegenheit, sondern sie ist auch eines der wichtigsten Getränke für die Erhaltung der Volksgesundheit. Das hier näher auszuführen möchte ich mir in Anbetracht der vorgerückten Zeit ersparen. Deswegen stellen wir den Antrag, 20 Millionen DM für die Milchwerbung in den Etat einzusetzen.
Vom landwirtschaftlichen Standpunkt aus ist der Einsatz dieser 20 Millionen DM ebensoviel wert wie 200 Millionen DM für die Düngemittelsubvention.
— Das wollen wir morgen machen. Dann bin ich gern bereit, für heute zu schließen.
Ich bin Ihnen besonders dankbar, Herr Abgeordneter. — Jetzt ist mit der Debatte zu Einzelplan 10 einstweilen Schluß. Wir fahren morgen fort; denn wir können heute doch nicht mehr alle Änderungsanträge besprechen.
Bevor wir schließen, gebe ich das Wort zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung dem Abgeordneten Görgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verwahre mich ganz entschieden dagegen, von einer Partei dieses Hohen Hauses als Gegner der Wiedervereinigung bezeichnet zu werden. Ich stehe selbstverständlich auf dem Boden der Politik der CDU/CSU und betrachte die Politik der Wiedervereinigung als vordringlich und jeden Deutschen sittlich verpflichtend.
Meine Damen und Herren, morgen vormittag um 9 Uhr beginnen wir mit einem Bericht des Senators Dr. Klein zu Punkt VI unserer Tagesordnung, der vorgezogen wird. Dann geht es weiter. Ich nehme an, daß wir erst den Einzelplan 10 zu Ende beraten und dann den Bundeskanzleretat vorziehen, so wie es an sich verabredet ist.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir für heute am Schluß der Sitzung. Die Sitzung ist geschlossen.