Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zwei blumengeschmückte Pulte
erinnern uns daran, daß der Tod wieder in unsere Reihen gegriffen hat. Wir beklagen den Verlust zweier Mitglieder.
Am 16. Mai ist nach langer Krankheit unsere Kollegin Frau Lisa Albrecht und am 19. Mai unser Kollege Herr Wilhelm Mellies gestorben.
Frau Abgeordnete Albrecht wurde am 27. Mai 1896 in Hamburg geboren. Sie trat 1911 der Sozialistischen Arbeiterjugend bei. 1914 wurde sie Mitglied der SPD. Bis 1928 war sie als Turn- und Sportlehrerin tätig. Dann widmete sie sich ausschließlich der politischen Arbeit. 1933 wurde sie aus politischen Gründen verhaftet und verurteilt. 1946 wurde sie Landesvorsitzende und 1947 stellvertretende Landesvorsitzende in Bayern. Sie war Mitglied des Deutschen Rates der Europäischen Bewegung und hat dem Deutschen Bundestag seit 1949 angehört.
Frau Albrecht war seit 1949 Mitglied des Vorstandes des Bundestags. Sie war Mitglied im Ausschuß für Gesundheitswesen und stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Petitionen und im Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen. Darüber hinaus setzte sie sich stets mit besonderem Nachdruck für die Rechte der Frau ein.
Das Haus verliert mit unserer Kollegin Frau Albrecht eine hockgeschätzte Kollegin. Ihren Angehörigen und der Fraktion der SPD spreche ich die aufrichtige Anteilnahme des Deutschen Bundestages aus.
Unser Kollege Wilhelm Mellies wurde am 5. September 1899 in Pivitsheide in Lippe geboren. 1921 bis 1933 war er Lehrer. 1923 trat er der SPD bei. Er war von 1925 bis 1933 Mitglied und von 1929 bis 1933 Präsident des Lippischen Landtags. Nach 1933 verzichtete er auf seine Beamtenrechte und schlug sich als Lebensmittelhändler durch. Er mußte in dieser Zeit die „Schutzhaft" kennenlernen. 1945
wurde er Landrat des Kreises Detmold, 1948 Bezirksvorsitzender der SPD in Ost-Westfalen. Bis 1953 war er Präsident des Deutschen Gemeindetages. Seine parlamentarische Tätigkeit nach 1945 begann 1948 mit der Mitgliedschaft im Wirtschaftsrat für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet. Dem Bundestag hat er seit 1949 angehört. Von Oktober 1952 bis 1957 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Im Bundestag der dritten Wahlperiode war er Mitglied des Fraktionsvorstandes, ordentliches Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Ausschusses für Verteidigung. Seit 1952 hatte er das Amt des stellvertretenden Parteivorsitzenden inne.
Der Präsident hat den Angehörigen, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Fraktion der SPD des Deutschen Bundestages telegrafisch seine Anteilnahme an dem Tode dieses Mannes ausgesprochen, der wegen seiner gewissenhaften und politisch sauberen Art von allen geachtet wurde.
Wir werden, meine Damen und Herren, den beiden Verstorbenen ein ehrendes Andenken immerdar bewahren.
Sie haben sich zu ihren Ehren von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen. —
Für die verstorbene Abgeordnete Frau Albrecht ist mit Wirkung vom 19. Mai 1958 der Abgeordnete Folger und für den verstorbenen Abgeordneten Mellies mit Wirkung vom 27. Mai 1958 der Abgeordnete Striebeck in den Bundestag eingetreten.
Sind die neuen Mitglieder anwesend? — Dann darf ich Sie hier herzlich willkommen heißen. Ich begrüße Sie hier und wünsche Ihnen eine gute Mitarbeit mit uns.
Ich habe einiger Geburtstage zu gedenken. Am 12. Mai ist der Herr Bundesminister Schäffer 70 Jahre alt geworden,
am 18. Mai hat unsere Kollegin Frau Abgeordnete Niggemeyer das gleiche biblische Alter erreicht,
und am 6. Juni hat der Abgeordnete Kirchhoff das 73. Lebensjahr vollendet.
Ich spreche all den Genannten im Namen des Hauses unsere herzlichsten Glückwünsche aus. Der
1614 Deutschar Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Vizepräsident Dr. Becker
Psalmist sagt: Das Leben des Menschen währet 70 Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es 80 Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, ist es Mühe und Arbeit gewesen. Aber es ist nicht nur Mühe und Arbeit gewesen, sondern, vergessen wir das auch nicht, sehr viel Gnade von oben dabei. So wünsche ich den Genannten, daß sie ihren Geburtstag noch recht oft in Gesundheit, in Frische und Kraft im Kreise ihrer Lieben erleben mögen. Das walte Gott.
Herr Dr. Krone!
Meine Damen und Herren! Ich habe Anlaß, den amtierenden Herrn Präsidenten zu kritisieren. Er hat vergessen, ein Geburtstagskind zu erwähnen, das am 25. Mai 70 Jahre alt geworden ist. Ich hoffe aber, der Herr Vizepräsident wird es mir verzeihen, daß ich ihn kritisiert habe: es ist nämlich er selber, der 70 Jahre alt geworden ist.
Ihm im Namen des ganzen Hauses unsere besten Wünsche für sein weiteres Wirken auszusprechen, ist mir liebe Pflicht. Ich habe es hiermit getan.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke Herrn Dr. Krone, ich danke Ihnen allen, meine Damen und Herren.
Ich habe noch einiges bekanntzugeben. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um zwei Mündliche Berichte des Rechtsausschusses über Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht betreffend Volksbefragung. Ich schlage vor, die Beratung nach Punkt 3 vorzunehmen. Darf ich das Einverständnis annehmen? — Es handelt sich um die Drucksachen 437 und 438.
Ich habe ferner noch bekanntzugeben, daß die Fraktion der DP unter dem 3. Juni 1958 mitgeteilt hat, daß der Abgeordnete Eisenmann aus ihrer Fraktion ausgeschieden sei. Die Fraktion der FDP hat mitgeteilt, daß der Abgeordnete Eisenmann mit Wirkung vom 3. Juni 1958 in ihre Fraktion aufgenommen worden sei.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Bundesrat hat in seinen Sitzungen am 16. Mai bzw. 6. Juni den nachfolgenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz über den Vertrag vorn 15. Juni 1957
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik
Österreich zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Protokoll zur Verlängerung der Geltungsdauer der Konvention der Vereinten Nationen vom 6. April 1950 über die Todeserklärung Verschollener
Gesetz zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Südafrikanischen Union zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der Luftfahrt
Gesetz über die Anwendung der mit den Gesetzen über das Zweite bis Fünfte Berichtigungs- und Änderungsprotokoll zu cien Zollzugeständnislisten des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens veröffentlichten Listen XXXIII (Anwendungsgesetz)
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland
zu dem Zusatzübereinkommen vom 7. September 1956 über
die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und
sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken
Gesetz zu dem Vertrag vom 10. März 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung
Zweites Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversorgung für Berechtigte im Ausland
Bundesgesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen
Unrechts in der Kriegsopferversorgung
Gesetz zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes.
Ferner hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 16. Mai verlangt, zu dem Gesetz über die Preisstatistik den Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einzuberufen. Sein Schreiben ist als Drucksache 394 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 22. Mai 1958 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schneider , Horn, Jahn (Stuttgart) und Genossen betr. Suspendierung von Angestellten von der Arbeit während eines Streiks der Arbeiter (Drucksache 199) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 387 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 27. Mai 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Auswirkungen der Unfallversicherungsreform beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 411 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat unter dem 16. Mai die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rehs, Reitzner, Jaksch, Frau Korspeter, Wehner und Fraktion der SPD betr. Betreuung und schulische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen unter den Aussiedlern aus den Vertreibungsgebieten und den Flüchtlingen aus der SBZ beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 395 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Familien- und Jugendfragen hat unter dem 4. Juni 1958 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kraft, Ehren, Kuntscher und Genossen betr. Eingliederung und Betreuung von jugendlichen Flüchtlingen aus der sowjetischen Besatzungszone und Berlin (Drucksache 340) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 430 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 3. Juni die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kühlthau, Dr. Hellwig, Rösing, Dr. Toussaint und Genossen betr. Übernahme von Volks-, Betriebs- und Sozialwirten in den höheren Dienst beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 422 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Familien- und Jugendfragen hat unter dem 13. Mai 1958 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 181. Sitzung über berufliche und gesellschaftliche Eingliederung spätausgesiedelter und ehemals zwangsverschleppter deutscher Kinder und Jugendlicher berichtet Sein Schreiben ist als Drucksache 393 verteilt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 12. Mai 1958 gemäß Artikel 2 Satz 2 des Gesetzes zu den Verträgen zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft den Entwurf einer Verordnung über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nebst Anhang A his G und einer Aufzeichnung mit der Bitte uni Kenntnisnahme übersandt, der als Drucksache 382 verteilt ist.
Der Präsident des Bundesrechnungshofs als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dein 10. Mai 1958 ein Gutachten über den inneren Dienst beim Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen in Bonn und Berlin erstattet, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Der Präsident des Bundesrechnungshofs als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 18. April 1958 ein Gutachten über den inneren Dienst beim Bundesministerium der Justiz erstattet, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 27. März 1958 ein Gutachten über die Organisation und Wirtschaftlichkeit des Bundesministeriums des Innern erstattet, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 6. .Iuni 1958 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag betr. Berliner Filmfestspiele — Drucksache 271. zurückzieht.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 auf:
Fragestunde
Ich rufe auf Frage 1 — Abgeordneter Reitzner —; die Frage betrifft die angebliche Bereitstellung einer Lehrerstelle für den Studienrat Zind in Kairo:
Ist die Bundesregierung in der Lage mitzuteilen, ob die Pressemeldungen, eine deutsche Schule in Kairo habe Herrn Zind eine Lehrerstelle angeboten, richtig sind?
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1615
Vizepräsident Dr. Becker
Zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage des Herrn Kollegen Reitzner möchte ich folgendes antworten. Die Feststellungen der Botschaft der Bundesrepublik in Kairo haben ergeben, daß die Pressemeldungen, nach denen eine deutsche Schule in Kairo Herrn Zind eine Lehrerstelle angeboten habe, unzutreffend sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Zusatzfrage. Frage 1 ist erledigt.
Ich rufe Frage 2 — Abgeordneter Dr. Görgen — auf; sie betrifft die Kündigung der Belegschaft der Saarländischen Fernseh-Gesellschaft:
Ist dem Herrn Bundespostminister bekannt, daß Tele-Saar, die Saarländische Fernseh-Gesellschaft, auf Grund des Schreibens des Postministeriums vom 10. März 1958, das die Schließung der Fernsehanlagen anordnete, ihrer ganzen Belegschaft von 43 Mann gekündigt hat, wobei als erschwerender Umstand hinzutritt, daß es sich uns ein geschlossenes Produktions- und Arbeitsteam einer Fernsehstation handelte?
Ist das Bundespostministerium bereit, daran mitzuwirken, daß die Entlassenen in einer ihren Fähigkeiten und ihrem Beruf entsprechenden Weise wiederum verwendet werden können, damit soziale Härten, wie sie sich aus dieser staatlichen Maßnahme ergeben, möglichst ausgeschaltet werden ?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär Steinmetz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Görgen wie folgt:
Die Verlegung der Konferenz zur Revision des Europäischen Rundfunkabkommens von Stockholm im Jahre 1952 auf einen noch unbestimmten Zeitpunkt nach der Funkverwaltungskonferenz in Genf 1959 hat es möglich gemacht, die Einstellungsanordnung vom 10. März 1958 durch Schreiben vom 22. Mai 1958 in der Weise abzuändern, daß der Betrieb des Fernsehsenders Tele-Saar zum 1. Juli 1958 nur dann einzustellen ist, wenn die Störungen des Empfangs des französischen Fernsehsenders Metz-Luttange fortgesetzt werden. Da diese Störungen aber nach Auffassung der Saarländischen Fernseh-AG beseitigt worden sind, ist zu erwarten, daß der Betrieb des Senders Tele-Saar von der französischen Rundfunkverwaltung nicht mehr beanstandet wird. In diesem Falle kann der Sender über den 1. Juli 1958 hinaus bis voraussichtlich 1960 weiter betrieben werden, so daß etwaige Entlassungen nicht mit einer Anordnung zur Einstellung des Betriebes begründet werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, wenn eine rechtliche Änderung im Status von Tele-Saar eintreten und das Bundespostministerium Einfluß auf die neue Lage bekommen sollte, Ihren Einfluß geltend zu machen, damit das Produktions- und Arbeitsteam der Fernsehstation verbleiben kann?
Auf Ihre Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Görgen, kann ich, wie Sie verstehen werden, heute selbstverständlich keine verbindliche Erklärung abgeben. Ich kann nur soviel sagen: Sofern, wie Sie bemerkten, zu diesem Zeitpunkt hei Tele-Saar in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht eine Situation gegeben ist, die die Deutsche Bundespost berechtigt oder verpflichtet, dürfte von uns aus gesehen die Weiterbeschäftigung von 43 Personen keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten.
Danke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe auf die Frage 3 — des Abgeordneten Eschmann - betreffend Erlaß einer Verordnung zur Nachversicherung von in Unehren ausgeschiedenen Beamten:
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß die in Artikel 2 § 4 Abs. 2 Satz 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vorgesehene Regelung über die Nachversicherung in Härtefällen nicht angewandt werden kann, weil die hierfür im Gesetz vorgesehene Rechtsverordnung bisher noch aussteht ? Wann wird diese Rechtsverordnung erlassen werden ?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär des Bundesarbeitsministeriums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum besseren Verständnis dieser Frage darf ich folgendes vorausschicken.
Es ist Grundsatz in der sozialen Rentenversicherung, die Beamten und ihnen gleichstehende Personen in der Rentenversicherung nachzuversichern, wenn sie ohne Versorgung aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden. Von der Nachversicherung waren nach dem bisherigen Recht aber solche Beamte ausgeschlossen, die in Unehren aus dem Dienst ausgeschieden waren. Diese Regelung wirkte sich insbesondere nachteilig für die Hinterbliebenen dieser Versicherten aus.
Darum sehen die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze vor, daß auch in Unehren aus dem Beamtenverhältnis ausgeschiedene Beamte auf Kosten des Dienstherrn nachzuversichern sind. Das gilt auch für die in der Vergangenheit liegenden Fälle. Von diesen schließt das Gesetz jedoch diejenigen von der Nachversicherung aus, in denen sich der Beamte schwerere Verfehlungen hat zuschulden kommen lassen, wobei allerdings in besonderen Härtefällen wieder Ausnahmen möglich sind. Auf diese Fälle also, in denen trotz schwerer Verfehlungen wegen einer besonderen Härte die Nachversicherung gleichwohl durchzuführen ist, bezieht sich diese Anfrage.
Um Zahl und Art der in Betracht kommenden Fälle zu erfahren, haben in meinem Hause alsbald nach Erlaß der Neuregelungsgesetze Besprechungen mit den Vertretern der übrigen beteiligten Bundesressorts stattgefunden. Zu dem gleichen Zweck sind auch die Länder, denen die Personalhoheit über die Beamten ihres Bereichs zusteht, um Stellungnahme gebeten worden. Die Ermittlungen sind vor kurzem
1616 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Staatssekretär Dr. Claussen
abgeschlossen worden. Gegenwärtig wird der Entwurf formuliert, der, sobald er fertiggestellt und mit den beteiligten Stellen abgesprochen ist, dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet wird.
Herr Staatssekretär, bis wann wird die Rechtsverordnung schätzungsweise erlassen werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach meiner Schätzung, Herr Abgeordneter, wird das nicht mehr sehr lange dauern. Ich denke, daß sie nach den Ferien des Parlaments vorliegen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe Frage 4 — Abgeordneter Dr. Menzel — betreffend Geschwisterermäßigung bei Schülerfahrkarten auf:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, bei der Deutschen Bundesbahn anzuregen, auch für Schülerkarten eine Geschwisterermäßigung nach dem Vorbild der Schülermonatskarten einzuführen ?
Zur Beantwortung der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Bundesbahn und die dem Deutschen Personentarif angeschlossenen nichtbundeseigenen Eisenbahnen gewähren den Schülern, Studenten und allgemein den Jugendlichen weit mehr und erheblich weitergehende Ermäßigungen als die übrigen Eisenbahnen Europas. Ich darf hierzu erwähnen: Die Schülermonatskarten und die Schülerwochenkarten, beide für tägliche Fahrten zwischen Wohn- und Schulort, mit durchschnittlich 85 °/o Ermäßigung; sodann die Schülerfahrkarten für die Reisen am Semesterbeginn und -ende und zu Einzelbesuchen im Elternhaus mit 50 % Ermäßigung; ferner die Fahrkarten für den Schüler- und Studentenaustausch mit dem Auslande mit 50 % Ermäßigung; die Ermäßigung für Schulfahrten bis 75 % Ermäßigung; die Ermäßigung für kinderreiche Familien mit 50 % Ermäßigung für Jugendliche von 10 bis 25 Jahren; die Ermäßigung für erholungsbedürftige Kinder mit 75 bis 87,5 % Ermäßigung; die Ermäßigung für mittellose Zöglinge und Pfleglinge mit 50 % Ermäßigung. Das sind bereits acht Arten erheblicher Ermäßigungen.
Dazu treten die Vergünstigungen für Jugendpflegefahrten, für Lehrgangsbesucher, für Lehrlinge in der Berufsausbildung usw. Besonders erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang die sogenannte Geschwisterermäßigung bei den Schülerzeitkarten, also den Monats- und Wochenkarten. Die Ermäßigung reicht hier über 96 % hinaus. In diesem letzten Falle werden durch die Einnahmen nicht einmal die reinen Verwaltungskosten, d. h. die Aufwendungen für den Druck oder die Ausgaben der Fahrtausweise gedeckt.
Die von Herrn Kollegen Dr. Menzel aus diesem Strauß vielfältiger Ermäßigungen angesprochene Schülerfahrkarte soll die Reisen derjenigen Schüler und Studenten verbilligen, die während der Schulzeit oder Studienzeit nicht im Elternhaus wohnen und nur gelegentlich, vor allem bei Schulbeginn
und Schulende, zwischen Schulort und Wohnort der Eltern reisen. Die Deutsche Bundesbahn ist die einzige größere Staatsbahnverwaltung in Europa, die für diesen Zweck eine solche Ermäßigung überhaupt gewährt. Bisher ist weder von der Bundesbahn noch von dem Bundesminister für Verkehr gefordert worden, die heutige Ermäßigung von 50 % durch eine besondere Geschwisterermäßigung zu ergänzen.
Bei der gegenwärtigen Tariflage können auf nahezu allen Nebenbahnen und auch auf einzelnen Hauptstrecken der Bundesbahn die Kosten des Reisezugverkehrs nicht aus den Einnahmen gedeckt werden. Unter diesen Umständen bitte ich um Verständnis dafür, wenn der Bundesbahn weitere, nicht kostendeckende Ermäßigungen nicht zuzumuten sind, es sei denn, daß ihr die dadurch entstehenden Mindereinnahmen aus entsprechenden Haushaltsmitteln des Bundes oder der Länder erstattet werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 5 — des Abgeordneten Dr. Menzel — betreffend den Oberbundesanwalt von Rosen-von Hoewel auf:
War dem Herrn Bundesinnenminister bei der Einstellung des Dr. Harry v. Rosen-v. Hoewel und bei seinen späteren Beförderungen zum Senatspräsidenten heim Bundesverwaltungsgericht in Berlin und schließlich zum Oberbundesanwalt bei dein Oberverwaltungsgericht in Berlin bekannt, daß Herr v. Rosen-v. Hoewel
al sich im Jahre 1942 besonders aktiv für eine „Sonderbehandlung von Polen und Juden" eingesetzt hat, indem er mit dem Hinweis auf die „Sendung, die Deutschland im Osten zu erfüllen habe", ein rücksichtsloses Vorgehen und eine möglichst weitgehende Anwendung der Todesstrafe forderte,
b) in einem Lehrbuch fiber ,.Deutsche Verfassungsgeschichte" von 1942 auf den Seiten 160 ff. ausführt
„Der November-Verrat war von den überstaatlichen Mächten ins Werk gesetzt worden, um das Reich in ihre Gewalt zu bekommen
und
„Der wahre Beherrscher des Reiches war des internationale Juden- und Freimaurertum, . .
und in diesem Lehrbuch für Studenten weiter behauptet, daß der 30. Januar 1933 „das deutsche Volk aus Schande, und Unehre befreite" und „daß die Wiedergeburt von Volk und Staat mit dem Namen Adolf Hitlers unlöslich verbunden" sei ?
Beabsichtigt der Herr Bundesinnenminister, Herrn v. Rosen-v. Hoewel in seiner jetzigen Funktion als Oberbundesanwalt, d. h. als Vertreter der Interessen der Bundesregierung, zu belassen, und glaubt der Herr Bundesinnenminister, daß Herr V. Rosen-v. Hoewel der geeignete Hüter einer demokratischen Grundordnung sein kann ?
Herr Bundesminister!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet wie folgt. Der Oberbundesanwalt Dr. von Rosen befindet sich seit dem 4. dieses Monats im einstweiligen Ruhestand.
Der Inhalt der genannten Schriften, der im übrigen nicht in allen Punkten genau wiedergegeben worden ist, war bei der Einstellung und den Beförderungen Dr. von Rosens nicht bekannt.
Die Bundesregierung hielt ihn aber nach Bekanntwerden der Schriften als für sein derzeitiges Amt politisch nicht geeignet.
Herr Bundesinnenminister, warum hat man, da bekannt war, daß Herr von Rosen früher im Reichsministerium des Innern bei Herrn Dr. Frick gewesen ist, nicht nach seinen früheren Veröffentlichungen gefragt?
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1617
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Es war ein ganz Teil Veröffentlichungen bekannt; aber Veröffentlichungen sind nicht immer alle gleichlautend. Das eine war ein Aufsatz, und das andere war ein Grundriß, die eben nicht bekannt waren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 6 — des Abgeordneten Dr. Menzel - betreffend Asylrecht für ausländische Flüchtlinge auf:
Ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß ausländische Flüchtlinge, auch wenn sie formal nicht unter den § 5 der Asyl-Verordnung vorn 6. Januar 1953 fallen, aber die Voraussetzungen des Artikels 16 Abs. 2 Satz 2 GG erfüllen, in der Bundesrepublik Asylrecht genießen ?
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort auf diese Frage ist sehr kurz. Die Bundesregierung teilt die Auffassung, die der Frage zugrunde liegt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage 7 ist zurückgestellt. Ich rufe auf die Frage 8 — Abgeordneter Josten - betreffend Erhaltung und Verbesserung des Nürburgrings:
Ist die Bundesregierung bereit, in den kommenden Jahren zur Erhaltung und Verbesserung des Nürburgrings größere Zuschüsse zu zahlen, damit diese international bekannte Renestrecke an Bedeutung gewinnt und die landschaftlich schöne, aber urine Eitel von den in- und ausländischen Reisenden in größerem Maße als bisher besucht wird ?
Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist auch weiterhin bereit, in den kommenden Jahren zur Verbesserung des Nürburgrings jährlich einen Zuschuß in Höhe von 100 000 DM für die Nürburgring GmbH zur Unterhaltung des Rings in den Entwurf des Bundeshaushaltes einzustellen .
Seit dem Rechnungsjahr 1953/54 wird der Nürburgring GmbH jährlich ein Bundeszuschuß in Höhe von 100 000 DM gewährt. In den Jahren 1956 bis 1958 wurden daneben noch zusätzlich je 150 000 DM, insgesamt also 250 000 DM jährlich, bereitgestellt. Die Zahlung dieses erhöhten Bundeszuschusses beruht auf einer Vereinbarung des Bundes mit dem Land Rheinland-Pfalz, das an der Nürburgring GmbH beteiligt ist. Ein gleich hoher Betrag wurde vorn Land Rheinland-Pfalz zur Verfügung Bestellt. Mit diesen erhöhten Mitteln wurden in diesen Jahren auf dem Nürburgring Sonderbaumaßnahmen zum Schutze der Fahrer und der Zuschauer durchgeführt. Inwieweit in Zukunft noch weiterhin erhöhte Zuschüsse zu den jährlich bereitgestellten 100 000 DM beantragt werden müssen, ist von den jeweilig etwa notwendigen besonderen Baumaßnahmen auf dem Nürburgring abhängig. Die große Bedeutung des Nürburgrings als Erprobungsstrecke für die gesamte Kraftfahrzeugindustrie, für den Fremdenverkehr in der Eifel und für den Motorsport ist von der Bundesregierung stets anerkannt und berücksichtigt worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 9 — Abgeordneter Dröscher — betreffend die Anlage von Schußschneisen hei Bad Kreuznach auf:
Ist dem Herrn Bundesverteidigungsminister bekannt, daß seitens der US-Armee in unmittelbarer Nähe der Stadt Bad Kreuznach Schußschneisen angelegt und Erdarbeiten durchgeführt werden, die zur Herrichtung einer Feuerstellung für Atomkanonen geeignet sein könnten ?
Billigt der Herr Bundesverteidigungsminister, daß seitens der Alliierten alle Anfragen der zuständigen deutschen Stellen, die im Interesse einer Aufklärung der beunruhigten Bevölkerung erfolgten, nur ausweichend und völlig unbefriedigend beantwortet wurden ?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von den US-Streitkräften in Anspruch genommene bundeseigene Standortübungsplatz bei Bad Kreuznach wird zur Zeit teilweise zu einem Übungsgelände für amerikanische ArmeeEinheiten umgestaltet, wobei Erdarbeiten für Parkplätze sowie zum Aufstellen von ausschließlich beweglichen, nicht ortsfesten Geschützen notwendig werden. Dabei lassen sich einige Veränderungen des Waldbestandes nicht vermeiden. Die zuständige Landesforstverwaltung und das zuständige Bundesforstamt sowie die Bundesvermögens- und Bauabteilung der Oberfinanzdirektion Koblenz sind vorher gehört worden und haben keine Bedenken geäußert.
Die Frage, ob auf dem Standortübungsplatz Kreuznach Feuersteigungen für Atomkanonen geplant seien, ist von dem Hauptquartier des amerikanischen Heeres in Europa nachdrücklich verneint worden.
Die in dieser Angelegenheit von den zuständigen deutschen Stellen, d. h. der Landesregierung Rheinland-Pfalz und unserem Hause, bei den zuständigen amerikanischen Dienststellen erfolgten Anfragen sind beantwortet worden. Ich habe deshalb keinen Anlaß, Kritik an dem Verhalten der amerikanischen Stellen zu üben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 10
Abgeordneter Hauffe — betreffend die Neuabgrenzung der sogenannten Sanierungsgebiete auf
Beabsichtigt die Bundesregierung eine Neuabgrenzung der sogenannten Sanierungsgebiete, und welche Veränderungen sind gegebenenfalls im einzelnen vorgesehen ?
Wird die Neuabgrenzung zu einer räumlichen Erweiterung oder Verkleinerung der bisherigen Sanierungsgebiete führen, und aus welchen Gründen sieht sich die Bundesregierung veranlaßt, solche Veränderungen vorzunehmen ?
Zur Beantwortung hat das Wort Herr Staatssekretär im Bundesminsterium für Wirtschaft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es trifft zu, daß die Bundesregierung sich mit der Frage einer Neuabgrenzung der Sanierungsgebiete befaßt. Die Gründe hierfür sind folgende.
1618 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Staatssekretär Dr. Westrick
Die Sanierungsgebiete wurden letztmalig im Jahre 1953 abgegrenzt. Die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik und die in den Sanierungsgebieten durchgeführten Hilfsmaßnahmen haben bewirkt, daß sich inzwischen einige Sanierungsgebiete bereits fühlbar erholt haben. Andere Gebiete dagegen, die keine Sanierungsgebiete waren und denen daher bisher keine besonderen regionalen Förderungsmaßnahmen des Bundes zugute kamen, haben in der Entwicklung ihrer Wirtschaftskraft nicht die gleichen Fortschritte gemacht.
Für die Durchführung einer etwaigen Neuabgrenzung ist vom Institut für Raumforschung unter Verwendung der bundeseinheitlich verfügbaren statistischen Unterlagen ein System vorgeschlagen worden, das derzeit noch im Interministeriellen Ausschuß für Notstandsgebietsfragen zur Diskussion steht. Dieses System unterscheidet sich von dem bisher angewandten dadurch, daß nicht ein Notstandsmerkmal allein für die Abgrenzung auschlaggebend sein soll, sondern daß zur Beurteilung der wirtschaftlichen Situation eines Gebietes von der Mindestgröße eines Landkreises mehrere statistisch belegbare Kriterien herangezogen und bewertet werden sollen.
i: in eine möglichst weitgehende Übereinstimmung zwischen den Landesregierungen und der Bundesregierung über die Frage einer etwaigen Neuabgrenzung der Sanierungsgebiete zu erzielen, werden in der nächsten Zeit eingehende Gespräche zwischen Vertretern der Landesregierungen und der Bundesregierung geführt werden. Aus diesen Besprechungen werden sich möglicherweise Gesichtspunkte ergeben, die von großer Bedeutung sein können. Die Bundesregierung hat deshalb die entscheidenden Erörterungen zurückgestellt, bis die Ergebnisse der Besprechungen mit den Ländern vorliegen werden. Es läßt sich also im jetzigen Zeitpunkt noch nicht übersehen, zu welchen Ergebnissen man in der Frage der Neuabgrenzung kommen wird. Insbesondere lassen sich die Teilfragen, welchen Umfang die Sanierungsgebiete nach einer etwaigen Neuabgrenzung haben werden und welche Veränderungen gegebenenfalls im einzelnen vorgesehen sind, noch nicht beantworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe auf die Frage 11 — des Abgeordneten Schultz — betreffend Befreiung von Sportvereinen von der Steuerpflicht nach dem Güterkraftverkehrsgesetz:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die als jugendfördernd und gemeinnützig anerkannten Sportvereine von der Steuerpflicht nach dem Güterkraftverkehrsgesetz zu befreien, wenn sie die zu Ruder-, Kanu- und Segelregatten sowie zu Wettbewerben im Segelflug- und Ballonsport erforderlichen Boote, Segelflugzeuge und Ballonhüllen vom Standort zu den Wettkampfplätzen mit Sonderfahrzeugen oder auf Anhängern befördern, damit die Geräte in kürzester Frist zu den Wettkampfplätzen gebracht werden können und das Training mit den eigenen Geräten möglichst lange durchgeführt werden kann ?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf annehmen, daß sich Ihre Frage auf das Kraftfahrzeugsteuergesetz und das Beförderungsteuergesetz
bezieht; denn im Güterkraftverkehrsgesetz sind steuerliche Bestimmungen überhaupt nicht vorhanden. In den beiden von mir genannten Steuergesetzen gibt es keinerlei Befreiungen für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Einrichtungen. Unter diesen Umständen glaubt die Bundesregierung bei aller Würdigung der Zwecke der von Ihnen erwähnten Sportvereine nicht, eine solche Befreiung für die Sportvereine anregen zu sollen.
Ich darf auch noch bemerken, daß die Kraftfahrzeugsteuer zu 100 % den Ländern zufließt und daß die Länder wohl nicht bereit sein werden, einer solchen Regelung zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe auf die Frage 12 — des Abgeordneten Schultz — betreffend die Aussiedlung in der Flurbereinigung nach den Richtlinien vom 15. April 1958:
Ist dem Herrn Bundesernährungsminister bekannt, daß allein in Rheinland-Pfalz 57 Aussiedlungsverfahren außerhalb und 28 innerhalb der Flurbereinigung, die schon jahrelang laufen und endlich zu festen Vereinbarungen und Absprachen geführt hatten, neu verhandelt werden müssen, da durch die Verordnung vom 15. April 1958 neue Richtlinien zur Forderung von Aussiedlung und Aufstockung mit Mitteln des Grünen Plans erlassen worden sind, die die alten Bestimmungen ohne Übergangsregelung außer Kraft gesetzt haben ? Was ist gegebenenfalls geschehen, um diesem Übelstand abzuhelfen ?
Zur Beantwortung der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in Ihrer Frage angeführten Fälle sind mit dem Ministerium für Landwirtschaft und Weinbau in Mainz besprochen. Ohne daß neue Verhandlungen mit den Aussiedlern erforderlich sind, konnten sie auf die neuen Richtlinien vorn 15. April 1958 umgestellt werden. Wo es notwendig war, ist die Möglichkeit zur Durchführung der Verfahren auf Grund einer Ausnahmeregelung gegeben worden.
Entsprechende Verhandlungen mit anderen Ländern sind bereits durchgeführt oder stehen bevor.
Herr Minister, haben Sie die Absicht, einem Wunsch der Länder entsprechend in die Richtlinien auch die Genehmigung der Zinsverbilligung für Inventarbeschaffung, die durch die Aufstockung notwendig wird, aufzunehmen?
Darüber ist auf der letzten Agrarministerkonferenz gesprochen worden. Eine einheitliche Regelung für diesen Fall ist nicht gegeben. Es ist notwendig nur in dem Falle, wo eine Vergrößerung der Stelle auch die Beschaffung von neuem Inventar erforderlich macht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe auf die Frage 13 — des Abgeordneten Dr. Fritz — betreffend rechtzeitige Verausgabung der im Haushalt eingesetzten Mittel für den Straßenbau:
wie hach ist die Summe, die im Haushaltsjahr 1957/58 im Straßenhaushalt nicht verausgabt werden konnte, und welche Maßnahmen trifft die Bundesregierung, nm 7. B. mit Hilfe einer Intensivierung der Straßenplanung die im Haushalt eingesetzten Mittel für den Straßenbau künftig auch in voller Hobe ausgeben zu können ?
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1619
Vizepräsident Dr. Becker
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den im Bundesstraßenhaushalt vorgesehenen Mitteln konnten 1957/58 149 Millionen DM nicht abgerechnet werden. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß diejenigen Mittel als abgerechnet gelten, für die die geprüften Rechnungen nach Klärung aller Zweifelsfragen verbucht werden konnten. Da der Abschluß seit einigen Jahren erstmalig 1958 mit dem 31. März erfolgt, während in den früheren Jahren auch die im Laufe des Monats April einlaufenden geprüften Rechnungen noch auf das vorhergehende Haushaltsjahr verbucht werden konnten, hat sich der Überhang infolge dieser organisatorischen Maßnahme erhöht. Ich schätze diese Erhöhung auf etwa 25 Millionen DM. Es ist verständlich, daß die Rechnungen für eine ganze Reihe von Baumaßnahmen, die im zweiten Halbjahr durchgeführt worden sind, nicht bis zum 31. März geprüft und verbucht werden konnten. Ein Verlust für den Straßenbauhaushalt tritt jedoch nicht ein, da die Mittel übertragbar sind.
Die Höhe der nicht verausgabten Mittel ist u. a. auch darauf zurückzuführen, daß nicht unerhebliche Beträge des Straßenbauhaushalts, nämlich 32 Millionen DM, uns erst im Januar 1958 freigegeben worden sind und daß beträchtliche Ansätze des außerordentlichen Straßenbauhaushalts überhaupt nicht freigegeben wurden, so daß sich dadurch im zweiten Halbjahr in Ausschreibung und Vergabe der Arbeiten eine gewisse Unsicherheit nicht vermeiden ließ.
Ferner entfällt von dem genannten Ansatz ein Teilbetrag auf zugesagte Zuschüsse zu Baumaßnahmen, die nicht im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, sondern im kommunalen Sektor liegen. Hier erfolgen die Abrufe der Gemeinden oftmals verspätet, weil sich bei ihnen die Durchführung der Baumaßnahmen verzögert oder weil sie nicht rechtzeitig in der Lage sind, die Rechnungsunterlagen so vorzulegen, wie sie den Vorschriften entsprechen müssen. Aus diesen Darlegungen ergibt sich, daß von den überhängenden 149 Millionen DM nur rund 60 bis 70 Millionen DM als echter Überhang anzusehen sind. Das entspricht etwa 10 % der insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel. Ein Überhang von 10 % aber ist bei großen Bauvorhaben keineswegs ungewöhnlich. Um jedoch künftig derartige Überhänge möglichst zu vermeiden, die besonders bei der Umorganisation der Haushaltsrechnung anfallen könnten, sind folgende Maßnahmen vorgesehen:
1. Bekanntlich werden alle Straßenbauarbeiten des Bundes im Auftragswege durch die obersten Straßenbaubehörden der Länder ausgeführt. Hier ist eine Personalvermehrung ebenso erforderlich wie bei der Abteilung Straßenbau des Bundesverkehrsministeriums entsprechend den in den Jahren 1950 bis 1958 praktisch auf fast das Achtfache vermehrten Straßenbaumitteln. Die Arbeiten, die die Auftragsverwaltungen im Rahmen der Länder auszuführen haben, leiden darunter, daß die Zuständigkeiten bei einer Anzahl von Ländern aufgesplittert sind und zum Teil durch neue Verwaltungsmaßnahmen weiter aufgesplittert werden, wodurch die Schlagkraft der Auftragsverwaltungen in den Ländern nicht unerheblich gelitten hat. Für die glatte Abwicklung der Straßenbauvorhaben ist aber nicht nur erforderlich, daß die Planungen rechtzeitig haushaltsreif und baureif vorliegen. Hier kann durch vermehrte Einschaltung von privaten Ingenieur- und Vermessungsbüros Abhilfe geschaffen werden, falls sich der Bundesrechnungshof, wie wir es immer wieder vorgeschlagen haben, bereit erklärt, diesen Weg mitzugehen. Dagegen kann der zweite und wesentliche Teil der Vorbereitungsarbeiten, nämlich die Planfeststellung, der Grunderwerb und die Wohnraumbeschaffung für Räumungsbetroffene, nur dann schlagkräftig und rechtzeitig durchgeführt werden, wenn diese Aufgaben von den obersten Straßenbaubehörden zügiger durchgeführt werden.
Der Bundesminister für Verkehr hat deswegen wiederholt angeregt, daß der Kostenbeitrag, den der Bund für die Verwaltungskosten der Auftragsverwaltung leistet und der seit Jahren auf 3 % festgesetzt ist, auf 5 % erhöht werde, weil mit einem Beitrag von 3 % die notwendigen Personaleinstellungen bei den Ländern nicht erwartet werden können. Wenn jedoch die Planungsarbeiten und die Vorbereitungsarbeiten, also die Planfeststellung, der Grunderwerb und die Wohnraumbeschaffung für Räumungsbetroffene, nicht rechtzeitig eingeleitet werden, so daß der Baubeginn gleichzeitig mit der Mittelbereitstellung erfolgen kann, so nützt auch eine frühzeitige Mittelbereitstellung nichts, sondern dann treten Verzögerungen ein, die sich schließlich in den Überhängen niederschlagen müssen. Es ist also erforderlich, daß die Länder durch Erhöhung des Verwaltungskostenanteils, den der Bund zu übernehmen hat, verpflichtet werden, das erforderliche Personal für diese Maßnahmen einzusetzen und sich in vermehrtem Umfang der Ingenieur- und Vermessungsbüros zu bedienen.
2. Besondere Bedeutung hat die Zusammenfassung wichtiger Langstrecken- und SchwerpunktBaumaßnahmen zu. Vierjahresbauprogrammen, damit die Arbeiten von der Mittelausgabe eines Jahres möglichst nicht abhängen. Entsprechende Vorschläge sind vom Bundesministerium für Verkehr bereits gemacht worden.
3. Es ist besonders wichtig — und hier ist der tätigen Mitarbeit des Bundestags dankbar zu gedenken -, daß möglichst frühzeitig vor Beginn des Haushaltsjahrs Bindungsermächtigungen erteilt werden, damit seitens der Länder die Bauarbeiten rechtzeitig ausgeschrieben und vergeben werden und so die Bauarbeiten bei Beginn der guten Jahreszeit in vollem Umfang anlaufen können. Dieser Grundsatz muß auch in den nächsten Jahren unbedingt beibehalten werden, wobei darauf Rücksicht zu nehmen ist, daß bei einigermaßen guten Witterungsverhältnissen auch in den Wintermonaten die Bauarbeiten möglichst nicht unterbrochen werden.
1620 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
4. Ferner ist zur Vermeidung von Überhängen erforderlich eine vermehrte Ausschöpfung der Dekkungsfähigkeit der Haushaltstitel durch die Länderbauverwaltungen, wie dies seit dem vorigen Jahr haushaltsmäßig möglich ist. Eine elastischere Handhabung des Haushalts durch Aufspaltung der benötigten Mittel in Haushaltsmittel, die im laufenden Rechnungsjahr auch tatsächlich verausgabt werden können, und in Bindungsermächtigungen, die den Abschluß von Bauverträgen ermöglichen, welche über mehrere Jahre laufen, ist dringend erforderlich. Leider werden, wie das vergangene Jahr zeigt, diese Möglichkeiten infolge der Zersplitterung der Straßenbauverwaltungen der Länder nicht genügend ausgenützt.
5. Es bleibt nach wie vor der Wunsch des Bundesministers für Verkehr und aller Bauverwaltungen bestehen, das Rechnungsjahr dem Kalenderjahr anzugleichen, weil dann die umfangreichen Ausschreibungs- und Bauvorbereitungsarbeiten rechtzeitiger beginnen können als jetzt und damit eine bessere Ausnützung der eingesetzten Mittel erreicht werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage? -
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Frage 14 - des Abgeordneten Leicht — betreffend den Ausbau der Bundesstraße 10:
In welcher Zeitfolge beabsichtigt die Bundesregierung, den unter anderem auch für die Rückgliederung des Saargebietes wichtigen Ausbau der Bundesstraße 10 — insbesondere im Teilstück Landau/Karlsruhe — vorzunehmen ?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesstraße 10 ist mit dem Abschnitt von der Autobahn Mannheim-Saarbrücken nordwestlich Zweibrücken bis Karlsruhe—Durlach mit einer Länge von rund 90 km im Ausbauplan für die Bundesfernstraßen enthalten. Das Teilstück Landau—Karlsruhe liegt in diesem Abschnitt und hat eine Länge von rund 33 km.
Nach dem Ausbauplan sind für die Strecke Landau Rheinbrücke Maxau vorgesehen: der Bau der Umgehungsstraße Landau mit Ausschaltung einer höhengleichen Kreuzung, der Bau der Umgehungsstraße Impflingen, der Bau der Umgehungsstraße Rohrbach Steinweiler mit Ausschaltung von zwei höhengleichen Kreuzungen, der Bau der Umgehungsstraße Kandel mit Ausschaltung einer höhengleichen Kreuzung, der Bau einer Überführung östlich Wörth zur Beseitigung einer höhengleichen Kreuzung sowie der Ausbau der zwischen den Umgehungen liegenden Straßenstrecken.
Die Kosten dieser Baumaßnahmen werden auf rund 23 Millionen DM geschätzt. Im laufenden Rechnungsjahr soll eine Strecke von 3 km mit einem Kostenbetrag von 1 Million DM zwischen Kandel und Wörth ausgebaut werden. Es ist beabsichtigt, in den folgenden Rechnungsjahren entsprechend den jeweils zur Verfügung stehenden
Haushaltsmitteln 3 bis 5 Millionen DM jährlich für den Bau der Umgehungen und Straßenausbauten bereitzustellen, so daß die Strecke Landau Maxau in dem vorgesehenen Umfang voraussichtlich bis etwa 1963 ausgebaut sein wird.
Die Rheinbrücke Maxau genügt den zur Zeit zu stellenden Ansprüchen. Sie ist eine Dauer-Behelfsbrücke, die sich in gutem Zustand befindet. Ihr Neubau ist daher vorerst nicht vorgesehen.
Zwischen der Rheinbrücke und Karlsruhe ist die Bundesstraße 10 bereits neuzeitlich ausgebaut worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage 15 ist
vom Antragsteller zurückgestellt.
Ich rufe auf Frage 16 — des Abgeordneten Wienand — betreffend Hebung eines Schiffes mit Tabungasgranaten vor der Flensburger Förde:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß vor der Flensburger Förde in 33 in Tiefe ein Schiff mit Tabungasgranaten versenkt worden ist ?
Ist von ihr beabsichtigt, die Hebung dieses Schiffes bzw. der Gasgranaten vorzunehmen ?
Drohen bei einer eventuellen Explosion Gefahren, die sich nachteilig für die Menschen auswirken können ?
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet wie folgt.
Das Schiff befindet sich außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer. Es schweben aber Verhandlungen zwischen den Bundesressorts und dem Land Schleswig-Holstein wegen der Unschädlichmachung der Munition und darüber, wer die Kosten zu tragen hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf Frage 17 — des Abgeordneten Wienand — betreffend den Ausbau der Bundesbahnstrecke von Siegburg nach Betzdorf:
Wann ist mit dem zweigleisigen Ausbau der Bundesbahnstrecke von Siegburg nach Betzdorf zu rechnen ?
Sind der Deutschen Bundesbahn die schwierigen Verhältnisse im Hinblick auf den Berufsverkehr auf dieser Bahnstrecke bekannt
Ist beabsichtigt, mit dem zweigleisigen Ausbau dieser Bahnstrecke auch die Elektrifizierung dieser Strecke vorzunehmen ?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesbahnstrecke Siegburg-Betzdorf ist 58 km lang und enthält 25 kriegszerstörte Brücken. Davon sind mehrere Abschnitte, zusammen 23 km, noch immer eingleisig, weil die in diesen Abschnitten liegenden zahlreichen kriegszerstörten Siegbrücken noch nicht in endgültiger Form und damit zweigleisig wiederhergestellt werden konnten. Jedoch sind die in dem 8 km langen Streckenabschnitt WissenScheuerfeld liegenden Brücken zur Zeit in Arbeit. Sie werden bis Ende dieses Jahres fertig sein, und
Deutscher Bundestau — 3. Wahlperiode -- 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1621
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
auch das zweite Gleis dieses Abschnitts soll bis dahin wieder eingebaut werden. Ende 1958 werden also zwischen Siegburg und Betzdorf noch rund 15 km eingleisig sein. Der zweigleisige Ausbau dieser restlichen Abschnitte kostet immerhin 11 Millionen DM. Wann die Deutsche Bundesbahn weitere Mittel hierfür bereitstellen kann, hängt von ihrer Finanzlage ab. Zur Vorbereitung für den Einbau des zweiten Gleises in dem Abschnitt Au-Wissen ist jedoch der endgültige Wiederaufbau derSiegbrücke im Bahnhof Au bereits in Angriff genommen worden.
Die betrieblichen Schwierigkeiten wegen des fehlenden zweiten Gleises sind der Bundesbahn und mir selbstverständlich bekannt. Auch ich weiß seit Jahren, wie schwierig die Fahrplangestaltung für die eingleisigen Abschnitte der Siegstrecke, besonders des Abschnittes Au-Wissen, ist. Wegen der starken Bündelung der Berufszüge müssen sich die Verspätungen einzelner Züge auf ganze Zuggruppen übertragen. Um diese Schwierigkeiten zu mildern, sind die Bahnhöfe angewiesen worden, die Züge des Berufsverkehrs bevorzugt zu behandeln. Grundlegend lassen sich aber die Verhältnisse nur durch den Einbau des zweiten Gleises ändern.
Eine Elektrifizierung dieser Strecke ist im Zusammenhang mit dem zweigleisigen Ausbau nicht urgesehen. Die betriebliche Belastung erfordert an sich keine vordringliche Umstellung auf elektrischen Zugbetrieb. Die eingleisigen Streckenabschnitte sollen daher unabhängig von einer etwaigen späteren Elektrifizierung so bald wie möglich
3 wieder zweigleisig ausgebaut werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Danke schön.
Ich rufe Frage 18 — Fragesteller ist Abgeordneter Wienand — betreffend die Untersuchung von Flugzeugführer-Anwärtern der Luftwaffe durch Professor Dr. Ruff auf:
Ist der seinerzeit im Nürnberger Ärzteprozeß angeklagt gewesene Professor Dr. med. Siegfried Ruff mit der Einzeluntersuchung von Flugzeugführer-Anwärtern der Luftwaffe betraut worden ?
Wieviel derartige Untersuchungen hat Professor Dr. med. Ruff durchgeführt ?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verteidigung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Wienand wie folgt.
Die Flugzeugführer-Anwärter der Luftwaffe werden in cien Fliegerärztlichen Untersuchungsstellen der Luftwaffe Nord , Süd Fürstenfeldbruck) und West (Bonn) fliegerärztlich untersucht. Während der relativ langen Aufstellungsdauer der genannten militärischen Untersuchungsstellen müssen diese teilweise noch auf zivile Fachärzte bzw. anerkannte wissenschaftliche Institute für einzelne Untersuchungsgänge zurückgreifen, z. B. das Physiologische Institut der Universität München, das Röntgen-Institut der Universität Bonn und das Institut für Flugmedizin der Deutschen Versuchsanstalt für
Luftfahrt, Bad Godesberg. Das Endurteil liegt in allen diesen Fragen in der Hand des Leiters der militärischen Fliegerärztlichen Untersuchungsstelle, also eines aktiven Sanitätsoffiziers der Luftwaffe.
Der Leiter des Instituts für Flugmedizin der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt ist Professor Dr. Siegfried Ruff. Dieser wurde im Nürnberger Ärzteprozeß 1946/47 angeklagt und in allen ihm zur Last gelegten Punkten vom alliierten Militärgericht freigesprochen.
Das Institut für Flugmedizin der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt ist eines der 12 Institute dieser Versuchsanstalt. Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt ist eine Forschungsanstalt, die von Bund und Ländern unterhalten wird und seit dem Jahre 1912 besteht. Professor Dr. Ruff ist seit dem Jahre 1934 in dieser Forschungsanstalt auf luftmedizinischem Gebiet tätig. Er gilt auf diesem seinem Arbeitsgebiet als einer der national und international anerkannten führenden Wissenschaftler.
Im Institut für Flugmedizin wurden vom 1. November 1955 bis 31. Dezember 1956 1228, vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1957 981 und vom 1. Januar 1958 bis 30. April 1958 271, also insgesamt 2480 Teiluntersuchungen durchgeführt, größtenteils Untersuchungen auf Höhenfestigkeit in der Unterdruckkammer, die dieses Institut besitzt.
Die Zahl der Prüflinge, die Professor Ruff im Rahmen des in seinem Institut ablaufenden Untersuchungsganges persönlich untersucht hat, ist minimal und kann mit ungefähr 10 % angesetzt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Keine. Die Frage ist erledigt.
Ich rufe die Frage 19 auf. Fragesteller ist der Abgeordnete Ritzel. Sie betrifft die Verunreinigung des Rheins und Rettung der Fischbestände.
ich frage die Bundesregierung, was sie unternommen hat oder zu unternehmen gedenkt, um der alarmierenden Verunreinigung des Rheins und der damit verbundenen Minderung seiner Selbstreinigungskraft zu begegnen.
Welche Maßnahmen sind von Bundes- und Landesbehörden beabsichtigt, um die noch vorhandenen Fischbestände zu retten?
Was soll geschehen, uni in den abwasserverseuchten Strecken des Rheins das Gedeihen der für die Sauerstoffregulierung des Wassers notwendigen Flora zu ermöglichen t
Zur Beantwortung der Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verunreinigung des Rheins ist für die Bundesregierung seit vielen Jahren Gegenstand größter Sorgen. Die Bundesregierung bemüht sich bereits seit 1950 um eine Verbesserung der Zustände. Die für die Erfüllung der vom Herrn Kollegen Ritzel geforderten drei Punkte — nämlich die Erhaltung bzw. Verbesserung der Selbstreinigungskraft, die Rettung des Fischbestandes und die Sauerstoffregulierung im Rheinwasser — erforderlichen Maßnahmen bestehen in erster Linie in dem Bau und in dem ordnungsgemäßen Betrieb von geeigneten Abwasserkläranlagen. Dabei muß man unterscheiden zwischen Maßnahmen der Gemeinden und selbständigen Maßnahmen der abwasserliefernden Industrie.
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
Die Bundesregierung hat über den Bundesminister für Wirtschaft und im Einvernehmen mit den Ländern aus dem ERP-Sondervermögen in den Jahren 1949 bis 1957 insgesamt 135,5 Millionen DM in Form von Krediten für den Bau von Gemeindekläranlagen zur Verfügung gestellt. Für 1958 sind weitere rund 25 Millionen DM vorgesehen.
Für Industriekläranlagen sind auf dem gleichen Wege 13,8 Millionen DM gegeben worden, für 1958 sind weitere etwa 10 Millionen DM vorgesehen. Die Industrie hat darüber hinaus auf Grund des vom Bundestag im Juli 1955 beschlossenen zweiten Änderungsgesetzes zum Einkommensteuergesetz vom 11. August 1955 die Möglichkeit, steuerbegünstigte Abschreibungen in Höhe von 50 % der Investitionen für Industriekläranlagen vorzunehmen. Die Anwendung dieser Bestimmungen ist 1956 zunächst nur langsam angelaufen. In den Steuerjahren 1956 und 1957 sind aber im Gebiet des Rheins bereits Investitionen in Höhe von 40 Millionen DM auf diese Weise begünstigt worden.
Um den Umfang der Verunreinigungen genau zu kennen und danach systematisch Abhilfemaßnahmen bestimmen zu können, sind eingehende Untersuchungen angestellt worden. Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung, in der zusammen mit den Anliegerstaaten Schweiz, Frankreich, Luxemburg, Holland auch die Bundesrepublik mit zwei Delegationen und mehreren Sachverständigen vertreten ist, hat nach langen Verhandlungen erreicht, daß diese fünf Staaten nach einheitlichen Methoden Untersuchungen des Rheinwassers vornehmen und so Ergebnisse erzielen, die miteinander verglichen werden können. Auf diese Weise ist es u. a. möglich geworden, festzustellen, welche Verunreinigungen nicht aus dem Gebiet der Bundesrepublik, sondern aus den Gemeinden und Industrien der Nachbaranliegerstaaten stammen und von diesen behoben werden müssen. Deren Anteil ist, namentlich was den Salzgehalt betrifft, wegen der elsässischen Kaliwerke recht erheblich.
Der Bundesminister für Verkehr mit der Bundeswasserstraßenverwaltung, das Bundesministerium für Wirtschaft und die Länder haben sowohl umfassende Erhebungen als auch örtlich begrenzte Einzeluntersuchungen — zum Teil auch über die Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz — über die Verunreinigungsursachen angestellt. Die Abwasserstatistik des Bundeswirtschaftsministeriums hat dabei folgendes ergeben:
Im Niederschlagsgebiet des Rheins fallen täglich etwa 15 Millionen cbm Abwasser an, davon 4 Millionen häusliches und 11 Millionen industrielles Abwasser. Von diesen werden in 641 Gemeindekläranlagen und zahlreichen Industriekläranlagen rund 73 % behandelt. Allerdings ist diese Behandlung nicht immer einwandfrei, da die Anlagen zum Teil überaltert und oft sehr unzulänglich geworden sind. Die Wasseraufsichtsbehörden haben festgestellt, daß allein auf dem öffentlichen Sektor in 1062 Gemeinden mit mehr als je 2000 Einwohnern
neue Kläranlagen gebaut oder bestehende umgebaut oder erweitert werden müssen. Immerhin war hinsichtlich der Leistung der öffentlichen Abwasserkläranlagen im Jahre 1956 eine Verbesserung gegenüber dem Jahre 1953 um ca. 60 % zu verzeichnen.
Die beteiligten Behörden des Bundes und der Länder haben bereits für einzelne Teilgebiete Sanierungspläne aufgestellt und sind weiter mit der Bearbeitung solcher Pläne beschäftigt, um zu erreichen, daß alle Maßnahmen nach möglichst einheitlichen Gesichtspunkten ausgeführt und aufeinander abgestimmt werden. Bei diesen Untersuchungen sind aber neue Abwasserprobleme aufgetreten, namentlich hinsichtlich der Beschaffenheit des sehr verschiedenartigen Industrieabwassers und der Behandlungsmethoden. Mit deren Lösung sind Sachverständige und Institute beauftragt worden, die von der Bundesregierung mit Forschungsbeihilfen ausgestattet wurden.
Hinsichtlich der Durchführung aller Maßnahmen bestehen aber immerhin noch erhebliche grundsätzliche Schwierigkeiten. Die Verantwortung für die Reinhaltung der Bundeswasserstraßen, also auch des Rheins, liegt zwar nach Auffassung der Bundesregierung nach dem Grundgesetz beim Bund. Bekanntlich macht jedoch die Mehrheit der Länder dem Bunde diese Zuständigkeit streitig. Gerade auch die Länder, die zum Abflußgebiet des Rheins gehören, vertreten hier eine abweichende Auffassung. Das Problem der Reinhaltung von Wasserstraßen kann aber nur großzügig und großräumig gelöst werden.
Die Bundesregierung ist daher seit Jahren bemüht, eine Klärung dieser Zuständigkeitsfragen herbeizuführen. Diesem Zwecke dient das gegen das Land Hessen anhängig gemachte Normenkontrollverfahren wegen des vom Lande Hessen erlassenen Wasserrechtsänderungsgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht. In der Erwartung, daß das Bundesverfassungsgericht die wasserrechtlichen Zuständigkeiten des Bundes an den Bundeswasserstraßen bestätigen wird, hat die Bundesregierung zu Beginn dieser Legislaturperiode den schon im 2. Bundestag eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen erneut dem Bundestage vorgelegt. Der Entwurf liegt dem Bundestagsausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft zur Beratung vor. Nach Verabschiedung dieses Gesetzes kann der von der Bundesregierung erarbeitete Sanierungsplan für den Rhein sofort durchgeführt werden. Vorher ist dies leider nicht möglich.
Ungeachtet dieses Zuständigkeitsstreites hat die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes durch zahlreiche Verhandlungen erreicht, daß industrielle Unternehmen und Städte, die ihr Abwasser teils unmittelbar, teils mittelbar dem Rhein zuführen, neue Kläranlagen angelegt oder bestehende Anlagen ausgebaut haben. Es ist auf diese Weise gelungen, für manche Strecken des Rheins ein weiteres Ansteigen der Verschmutzung zu verhindern, obgleich der Wasserverbrauch von Industrie und
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1623
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
Bevölkerung und damit natürlich auch die Menge des anfallenden Abwassers ständig angestiegen sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Zusatzfrage!
Wir kommen zur Frage 20. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Dr. Bucher. Die Frage betrifft die Beschädigung der sogenannten Sieben Steinhäuser in der Lüneburger Heide durch Panzerübungen:
Ist der Herr Bundesverteidigungsminister bereit, dafür Sorge zu tragen, daß die sogenannten Sieben Steinhäuser in der Lüneburger Heide durch Panzerübungen nicht noch mehr beschädigt werden, als dies bereits geschehen ist ?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sieben Steinhäuser liegen im südlichen Teil des NATO-Panzer-Schießplatzes Bergen-Hohne. Dieser Platz wird seit dem 1. April dieses Jahres von einer integrierten deutschen Verwaltung nach Weisungen des Hauptquartiers der NATO-Gruppe Nord betrieben. Das vorgeschichtliche Kulturdenkmal der Sieben Steinhäuser liegt zwar außerhalb der Zielräume der Panzerfeuerstellungen auf dem Platz, jedoch innerhalb ihrer Sicherheitsgebiete, so daß bei den rasanten Flugbahnen der Panzergeschosse allerdings eine Gefährdung durch Abpraller besteht. Dementsprechend sind auch schon zu einer Zeit, als die Briten noch Platzherren waren, also vor der Übernahme des Platzes durch eine deutsche Verwaltung, Absplitterungen an einzelnen Steinplatten aufgetreten.
Der in der Bundesrepublik immer spürbarer werdende Mangel an Ausbildungsgelände zwingt zu intensivster Ausnutzung der vorhandenen Übungsanlagen. Der Schießbetrieb auf dem Platz hat daher gegenüber früher eine wesentliche Steigerung erfahren. In dem gleichen Maße wuchs auch die Gefährdung der Sieben Steinhäuser durch Abpraller.
Hierauf hat der deutsche Schießplatzkommandeur gelegentlich einer aus anderem Anlaß mit den zuständigen zivilen und militärischen Behörden abgehaltenen Besprechung von sich aus hingewiesen. Im Rahmen der Erörterungen, was zum Schutz der Sieben Steinhäuser unternommen werden könnte, wurden zunächst alle theoretisch in Frage kommenden Möglichkeiten zur Erörterung gestellt, um dann auf ihre Durchführbarkeit untersucht zu werden. Mit den in Frage kommenden zivilen. Stellen ist ebenfalls verhandelt worden. Nach der mir gegenüber abgegebenen Äußerung des Herrn Niedersächsischen Kultusministers als der obersten Naturschutzbehörde versprechen diese Verhandlungen des Landes Übereinstimmung aller beteiligten Stellen.
Es wird erwogen, die gesamte Gruppe der Hünengräber durch eine sich in die landschaftliche Umgebung der Sieben Steinhäuser einfügende Wallanlage zu schützen. Vorschläge hierzu werden zur Zeit ausgearbeitet, um vor ihrer Ausführung mit den zuständigen Naturschutzbehörden abgestimmt zu werden.
Ihre Antwort befriedigt mich an sich, Herr Staatssekretär, aber: ist es nicht möglich, die Zielräume so zu ändern, daß die Absplitterungsgefahr überhaupt vermieden wird? Die Sieben Steinhäuser liegen ohnehin außerhalb der Zielräume.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch das ist geprüft worden. Das ist nicht möglich. Die Sieben Steinhäuser liegen schon jetzt etwa 4 bis 6 km außerhalb der eigentlichen Schießbahn. Eine Verlegung der eigentlichen Schießbahn, durch die die Gefahr geringer würde, läßt sich nicht durchführen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 21. Hier hat der Herr Fragesteller um Zurückstellung gebeten.
Ich rufe auf Frage 22 — Fragesteller ist Herr Abgeordneter Lohmar — betreffend Verbot der künstlichen Befruchtung:
Wie stellt sich die Bundesregierung zu dem Wunsch des Sozialpolitischen Ausschusses des Bayerischen Landtages, ein gesetzliches Verbot der künstlichen Befruchtung zu erlassen?
Zur Beantwortung der Bundesminister der Justiz.
Der Wunsch des Sozialpolitischen Ausschusses des Bayerischen Landtages, ein gesetzliches Verbot der künstlichen Befruchtung zu erlassen, ist der Großen Strafrechtskommission auf ihrer Tagung vom 8. März 1958 vorgelegt und von ihr an diesem Tag auch mit besprochen worden. Die Kommission will einen endgültigen Beschluß über die Gesamtfrage an Hand des Gesamtmaterials im Herbst diese Jahres fassen. Dann wird es Sache der Bundesregierung sein, zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine bundesgesetzliche Regelung der künstlichen Samenübertragung erforderlich erscheint, ferner wieweit ein Verbot gesetzlich festgelegt und seine Befolgung durch eine strafgesetzliche Vorschrift gesichert werden sollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf Frage 23 — Fragesteller ist Herr Abgeordneter Pohle — betreffend Kanalkreuzungsbauwerk im Kreise Rendsburg:
Sind dem Herrn Bundesverkehrsminister die Sorgen der Gemeinde Westerrönfeld im Kreise Rendsburg bekannt, deren Nachteile aus dem Kanalkreuzungsbauwerk sehr viel größer sind als die eventuellen Vorteile, insbesondere dann, wenn der Nahverkehrstunnel östlich der Straßendrehbrücke gebaut werden soll ? Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die Einwände der Gemeinde und die vorgesehenen Planungen noch einmal ernsthaft zu überprüfen ?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für
Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sorgen der Gemeinde Westerrönfeld sind mir bekannt. Als Kreuzungsstelle für den Fußgängertunnel ist nach sorgfältigen Vorüberlegungen ein Platz 70 m ostwärts des jetzigen Übergangs, nämlich die Straßendrehbrücke vorgeschlagen worden. Dieser Umweg wird besonders die Westerrönfelder betref-
1624 Deutschar Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
fen, während für Osterrönfeld der Weg sich verkürzt. Die Gemeinde hat aber Gelegenheit, diese Einwände in dem in Aussicht stehenden Planauslegungsverfahren geltend zu machen. Die endgültige Entscheidung muß der zuständigen Planfeststellungsbehörde überlassen bleiben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf Frage 24 — Fragesteller ist Herr Abgeordneter Pohle — betreffend Unfälle bei der Bundeswehr:
Ich frage den Hem' Bundesverteidigungsminister, wie viele Unfälle sich seit Bestehen der Bundeswehr bis zum 31. Mai 1958 im Rahmen der Bundeswehr ereignet haben und wie viele Fälle davon tödlich verlaufen sind. Wie verteilt sich der Personenkreis auf Freiwillige und Wehrpflichtige ? Wie hoch ist die Zahl der Renten, die nach dem Bundesversorgungsgesetz geleistet werden müssen?
Zur Beantwortung der Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf die Frage wohl so verstehen, Herr Abgeordneter, daß nur clic Unfälle gemeint sind, die mit erheblichen Schäden am Menschen oder Material verbunden waren und die mir jeweils laufend als „Besondere Vorkommnisse" gemeldet wurden.
Seit Bestehen der Bundeswehr haben sich im Dienst insgesamt 450 Unfälle, davon 301 — etwa zwei Drittel -- Kraftfahrzeugunfälle, ereignet. Dabei sind beteiligt Freiwillige in 393 Fällen, Wehrpflichtige in 37 Fällen. Davon waren bei 47 Unfällen insgesamt 64 Tote zu beklagen, und zwar bei 36 Unfällen mit Freiwilligen 41 Tote, hei 8 Unfällen mit Wehrpflichtigen 23 Tote.
Die Beschädigtenversorgung nach dem Ausscheiden der Soldaten aus dem Wehrdienst wird nach § 88 des Soldatenversorgungsgesetzes von den zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden im Auftrag des Bundes durchgeführt. Zuständige oberste Bundesbehörde hierfür ist nicht der Bundesminister für Verteidigung, sondern der Bundesminister für Arbeit. Nach der Sondererhebung des Bundesministers für Arbeit vom 31. März 1958 ergeben sich folgende vorläufige Zahlen: Am 31. März 1958 waren Anträge auf Versorgung wegen Wehrdienstbeschädigung bewilligt für 2 Beschädigte, 3 Witwen, 6 Halbwaisen, i Elternteil. Noch nicht erledigt waren zu diesem Stichtag 61 Anträge von Beschädigten, 13 Anträge von Witwen, 12 Anträge von Halbwaisen, 4 Anträge von Elternpaaren und 3 Anträge von Elternteilen. Es ist anzunehmen, daß von den zum 31. März 1958 noch nicht erledigten Anträgen der größte Teil inzwischen entschieden worden ist.
Bezüglich der Todesfälle ist festzustellen, daß 9 der von mir genannten 64 Fälle erst nach dem 31. März 1958 eingetreten sind.
In den anderen Fällen, in denen keine Anträge gestellt wurden, dürften die Angehörigen von sich aus zu der Erkenntnis gekommen sein, daß die gesetzlichen Grundlagen für einen Versorgungsanspruch nicht gegeben sind.
Um in akuten Notfällen schnell helfen zu können, haben die Soldaten selbst das Soldatenhilfswerk ins Leben gerufen, das aus freiwilligen Spenden der Soldaten gespeist wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf Frage 25. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Pohle. Die Frage betrifft die Elternrentensache des Michael Biber in Mörslingen:
Ist der Bundesregierung die Elternrentensache des Michael Biber in Mörslingen bekannt, der vier vermißte bzw. gefallene Söhne zu beklagen hat und dessen noch lebende Tochter das elterliche Anwesen mit einem Einheitswert von 16 500 DM bewirtschaftet? Da Michael Biber auch die Elternbeihilfe verweigert worden ist, frage ich die Bundesregierung, ob sie diesen Härtefällen in einer Reform des Bundesversorgungsgesetzes Rechnung tragen will.
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, diese Frage ist dem Bundesarbeitsministerium schon seit dem .Jahre 1953 bekannt, weil damals im Benehmen mit dem Lande Bayern die Angelegenheit auf Antrag des Vorsitzenden des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen mit dem Ergebnis überprüft wurde, daß die Elternrente insbesondere wegen Fehlens der Bedürftigkeit des Antragstellers zu Recht abgelehnt worden ist. Der Bundesregierung ist aber nicht bekannt, daß auch ein Antrag des Herrn Biber auf
Elternbeihilfe abgelehnt wurde; es steht jedoch zu vermuten, daß ein solcher Antrag deshalb abgelehnt wurde, weil der Antragsteller eben nicht bedürftig ist.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage, ob Eltern auch dann, wenn sie nicht bedürftig sind, für den Verlust eines oder mehrerer Kinder eine Entschädigung erhalten sollen, darf ich folgendes ausführen: Bei den Beratungen des Bundesversorgungsgesetzes und seiner Novellen wurde diese Frage wiederholt erörtert. Das Ergebnis dieser Beratung ist aber immer gewesen, daß bei der Elternversorgung auf die Voraussetzung der Bedürftigkeit nicht verzichtet werden kann, weil das Bundesversorgungsgesetz keinen Ausgleich für einen ideellen Schaden kennt. Der Tod eines Kindes läßt sich nicht mit Geld ausgleichen. Es ist auch jetzt nicht beabsichtigt, solchen Eltern, die nicht bedürftig sind, Renten zuzubilligen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Dem Herrn Staatssekretär ist anscheinend nicht bekannt, daß die Ernährereigenschaft bei der Ablehnung der Elternbeihilfe verneint worden ist. Ich darf den Herrn Staatssekretär bitten, zu überprüfen, ob in diesem Fall das Versorgungsamt nicht falsch liegt; denn gerade der Antrag auf Elternbeihilfe ist doch hier im Bundestag angenommen worden, um in Zweifelsfällen die Ernährereigenschaft bejahen zu können.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, ,den 12. Juni 1958 1625
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da das, Herr Abgeordneter, ja keine Frage ist, sondern eine Weisung an uns, will ich sie sehr gerne aufnehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde nie Weisungen aussprechen, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage ist erledigt.
Ich rufe die Frage 26 auf. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Schmidt . Die Frage betrifft cien Einsatz von Soldaten zu Repräsentationszwecken:
Wie viele Soldaten der Bundeswehr sind als Ehrenkompanie, Musikzug, zum Spalierstehen und zu sonstigen Zwecken aus Anlaß des letzten Staatsbesuchs eines ausländischen Staatsoberhauptes eingesetzt worden ?
Stand die Verwendung der Soldaten zu diesen Repräsentationszwecken, insbesondere das Spalierstehen, in irgendeinem Zusammenhang mit ihrer Ausbildung ?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es entspricht internationalem Brauch und dem Gebot diplomatischer Höflichkeit, daß ausländischen Staatsoberhäuptern bei einem Gegenbesuch die gleichen Ehrungen erwiesen werden, die dem deutschen Staatsoberhaupt aus Anlaß seines Staatsbesuchs zuteil wurden. Das Ausmaß der militärischen Ehrungen bei dem Besuch des türkischen Staatspräsidenten ist von diesem Gesichtspunkt bestimmt worden. Dementsprechend wurden außer dem in erster Linie für diese Zwecke bereitstehenden Wachbataillon Rheinbach und dem Lehrmusikkorps der Bundeswehr 2500 Soldaten aus 5 Bataillonen zur Ehrung herangezogen.
An- und Abmarsch der zum Spalierstehenden herangezogene Bataillone wurden für die Ausbildung im Tag- und Nachtmarsch ausgenutzt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf die Frage 27 — Fragesteller ist Herr Abgeordneter Schmidt - betreffend Berechtigung zur Führung von Kleinstkraftwagen durch Inhaber des Führerscheins IV:
Entsprechen Meldungen der Dachpresse cien Tatsachen, wonach in den Jahren 1948 bis 1954 etwa 2 Millionen Kraftfahrer ohne Fahrschule und ohne Fahrprüfung den Führerschein IV erworben haben, dessen Gültigkeit ursprünglich auf Leichtkrafträder beschränkt war, später aber auch auf gewisse Kleinsteswagen ausgedehnt wurde?
Bestehen angesichts der heutigen Spitzengeschwindigkeiten dieser Keinstwagen bis zu 75 std km und angesichts ihres geringen Beschleunigungsvermögens keine Bedenken dagegen, daß aus dem Reservoir der vorgenannten 2 Millionen Inhaber des Führerscheins IV in ständig zunehmender Zahl Personen solche Kleinstwagen führen, ohne je eine Fahrprüfung abgelegt zu haben ?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Verordnung zur Änderung der StraßenverkehrsZulassungs-Ordnung vom 17. November 1954 wurde bekanntlich die Einteilung der Fahrerlaubnisse geändert. Bis dahin galt die Klasse IV für Kraftfahrzeuge mit einem Hubraum bis zu 250 ccm und für Kraftfahrzeuge mit nicht mehr als 20 km in der Stunde Höchstgeschwindigkeit. Seit dem 1. Dezember 1954 dagegen gehören zur Klasse IV nur noch Kraftfahrzeuge mit einem Hubraum bis zu 50 ccm, gegenüber 250 ccm zuvor, Krankenfahrstühle und ferner die Kraftfahrzeuge, die nicht schneller als 20 km in der Stunde fahren können.
Für die Fahrerlaubnisse aus der Zeit vor dem 1. Dezember 1954 gilt noch die Hubraumgrenze von 250 ccm. Diese Regelung ging von der Überlegung aus, daß es für die Führerscheininhaber, die bis zum Stichtage des 1. Dezember 1954 ein Kraftfahrzeug Hit einem Hubraum bis zu 250 ccm gelenkt hatten und lenken durften, eine erhebliche Härte gewesen wäre, wenn man trotz ihres einwandfreien Verhaltens im Straßenverkehr den Geltungsbereich der Fahrerlaubnis für sie beschränkt hätte.
Nach den statistischen Jahresberichten des Kraftfahrt-Bundesamtes sind in den Jahren 1948 bis 1954
Bundesgebiet und in West-Berlin 2 150 375 Führerscheine der Klasse IV ausgegeben worden. Bisher liegt noch kein Material dafür vor, daß es notwendig wäre, die Übergangsbestimmung für die älteren Fahrerlaubnisse zu ändern und von den Inhabern eine Zusatzprüfung zu fordern, wenn sie an Stelle von Krafträdern nunmehr Kleinwagen bis zu 250 ccm Hubraum führen wollen. Diese Frage wird jedoch in Zusammenhang mit unserer Absicht, die Einteilung der Führerscheinklassen der internationalen Regelung anzupassen, erneut geprüft werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage wird nicht gewünscht.
Dann kommen wir jetzt zur letzten, zur 28. Frage — Fragesteller ist Herr Abgeordneter Diekmann—, betreffend die einseitige Erweiterung der isländischen Hoheitsgewässer:
Weiß die Bundesregierung, daß etwa 8 v. H. der von der deutschen Hochseefischerei angelandeten Fische aus der Zone stammen, die von der isländischen Regierung durch einseitige Erklärung in che isländischen Hoheitsgewässer einbezogen wurden?
Was gedenkt die Bundesregierung gegen diese einseitige Maßnahmen zu unternehmen?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort auf diese Frage erfolgt im Einvernehmen mit dem Bundesaußenminister.
Die isländische Regierung hat am 1. Juni 1958 durch eine öffentliche Verlautbarung ihre Absicht bekanntgegeben, am 30. Juni 1958 neue Vorschriften über die Fischereigrenze vor der isländischen Küste zu erlassen. Diese Vorschriften sollen am 1. September 1958 in Kraft treten und von diesem Zeitpunkt an die Zone der Gewässer vor der is-
1626 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
ländischen Küste, in der ausländische Fischereifahrzeuge keinen Fischfang ausüben dürfen, auf einen Bereich von 12 Seemeilen von der Küste ab erweitern.
Nach den statistischen Unterlagen und Schätzungen der Bundesforschungsanstalt für Fischerei würden die von der isländischen Regierung beabsichtigten Maßnahmen einen Fangausfall von etwa 50 000 t im Jahr — das ist etwa 10 % der gesamten Anlandungen der deutschen Hochseefischerei — zur Folge haben. Außerdem würde die Versorgung mit Frischfisch besonders in der fangarmen zweiten Hälfte des Jahres empfindlich gestört werden.
Einseitige Maßnahmen, wie sie hier von der isländischen Regierung beabsichtigt sind, finden in den geltenden Regeln des Völkerrechts keine Stütze. Der deutsche Botschafter in Reykjavik hat deshalb der isländischen Regierung am 10. Juni 1958 eine Note überreicht, in der die Bundesregierung gegen die von der isländischen Regierung beabsichtigten einseitigen Maßnahmen Verwahrung einlegt.
Die Bundesregierung stellt hierzu fest, daß durch diese Maßnahmen das bisherige Recht der deutschen Hochseefischerei, in den betroffenen Teilen der hohen See den Fischfang auszuüben, nicht berührt wird. In der Note schlägt die Bundesregierung gleichzeitig die Aufnahme von Verhandlungen vor, deren Ziel es sein soll, unter Teilnahme aller am Fischfang vor der isländischen Küste interessierten Staaten eine Verständigung herbeizuführen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Bitte schön.
Herr Minister, Ihre Ausführungen haben erkennen Lassen, daß die einseitigen Maßnahmen der Regierung Islands doch eine ganz erhebliche Minderung unserer Fangergebnisse zeitigen werden. Darf ich fragen: Ist zu befürchten, daß die einseitigen Maßnahmen Islands von anderen Fischerei-Ländern nun als Schulbeispiel angesehen werden, und — mir ist nicht unbekannt, daß vor nicht langer Zeit eine internationale Besprechung über die Erweiterung der Grenzen der Hoheitsgewässer gewesen ist — welche Folgerungen ziehen Sie daraus?
Wenn diese Maßnahme Islands, die Fischereigrenze von drei auf zwölf Seemeilen zu erweitern, tatsächlich in Kraft treten sollte, wäre die Gefahr gegeben, daß andere Staaten — wie z. B. die von Dänemark abhängigen Färöer, Grönland, vielleicht sogar Norwegen — ebenfalls auf eine solche Erweiterung in ihren Küstengebieten ausgehen. Es wäre für die beteilig; ten Staaten — etwa Deutschland, England, auch Norwegen selbst—eine sehr erhebliche Schwächung ihrer Hochseefischerei zu befürchten. Wir haben aber die Hoffnung, daß auf gütlichem Wege noch eine Einigung erreicht wird, insbesondere seitdem sich der dänische Ministerpräsident Hansen für eine derartige Vereinbarung eingesetzt hat und auch dem dänischen Botschafter in Reykjavik entsprechende Anweisungen hat übermitteln lassen. Wir wollen hoffen, daß die Konferenz, die er angeregt hat — die auch von uns in der Note angeregt worden ist —, zustande kommt und daß es gelingen wird, eine Einigung auf etwa sechs Seemeilen zu erreichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage?— Bitte schön.
Herr Minister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einen eingehenden Bericht über die internationale Verhandlung gäben, die in Genf stattgefunden hat, damit wir dann noch einmal darüber beraten können.
Dem steht nichts entgegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit ist die Drucksache 420 und auch die Fragestunde erledigt.
Ich gebe bekannt: die nächste Fragestunde findet am Freitag, dem 27. Juni 1958, statt. Die Sperrfrist für eingehende Fragen ist Freitag, der 20. Juni, 12 Uhr.
Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt. Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:
a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Bundesunternehmen ;
b) Antrag der Fraktion der SPD betreffend Howaldtwerke Hamburg AG .
Es ist vorgesehen, diese beiden Punkte gemeinsam zu behandeln. Zunächst wird die Große Anfrage begründet. Ich habe dann an die Bundesregierung die Frage zu richten: Wünscht sie die Große Anfrage unmittelbar zu beantworten oder wünscht sie mit der Beantwortung der Großen Anfrage die Stellungnahme zu dem Antrag Drucksache 367 zu verbinden, so daß dann anschließend auch die Debatte über beide Punkte gemeinsam geführt werden könnte? Darf ich fragen, ob die Herren der Bundesregierung damit einverstanden sind? — Danke. Auch das Haus ist damit einverstanden. Dann ist so beschlossen.
Ich bitte, die Große Anfrage der Fraktion der SPD zu begründen. Wer wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Dr. Deist hat das Wort zur Begründung.
— Herr Kollege Deist wird den Antrag Drucksache 367 gleich mitbegründen, so daß wir dann die gemeinsame Antwort der Bundesregierung zu erwarten haben.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1627
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Herr Bundesschatzminister noch einfaches Mitglied dieses Hohen Hauses war, hat er sich im Jahre 1955 aus Anlaß der Haushaltsberatungen sehr eingehend mit der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung im Hinblick auf die Bundesunternehmungen befaßt. Er hat damals, wie er sagte, einige grundsätzliche Äußerungen gemacht und hat verlangt, daß der Einfluß des Parlaments auf die Verwaltung der Bundesbeteiligungen wesentlicht verstärkt werde. Die formalen Rechte, die bisher der Bundesregierung durch die Reichshaushaltsordnung und durch die Reichswirtschaftsbestimmungen gegeben seien, seien völlig unzulänglich, und das Parlament habe einen Anspruch darauf, weitergehend unterrichtet zu werden. Auf diese Intervention des Herrn Abgeordneten Lindrath hin ist damals eine umfangreiche Entschließung gefaßt worden, die eine entsprechende Reform des Haushaltsrechts verlangte und außerdem Forderungen auf eine gründlichere Unterrichtung des Parlaments stellte. Das war im Jahre 1955.
Seit der damalige Abgeordnete Lindrath Bundesschatzminister ist, hat das Parlament nicht eine einzige Unterrichtung in bezug auf das Bundesvermögen bekommen. Dagegen wissen wir sehr wohl, daß der Herr Bundesschatzminister sich in der Öffentlichkeit sehr ausführlich zu den Problemen des Bundesvermögens geäußert hat. Er hat vor der Presse, über den Rundfunk, in Vorträgen vor Industrie- und Handelskammern gesprochen und hat auch mit Banken verhandelt. Zur Unterrichtung des Bundestags fand er keine Möglichkeit.
Außerdem haben sich in der Zwischenzeit einige Dinge getan. Die Schichau-Werft AG ist veräußert worden, die Junkers-Flugzeug- und Motorenwerke sind veräußert worden, und die Reichswerke haben 30 % der Howaldtwerke Kiel erworben. Es schweben Verhandlungen, die auch in der Öffentlichkeit bekanntgeworden sind, über eine Privatisierung der Howaldtwerke in Hamburg, und es schweben Verhandlungen über eine Privatisierung oder Teilprivatisierung der Preußag. Der „Industrie-Kurier" hat dazu neckisch bemerkt, die Verkaufsverhandlungen fänden unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Er wußte genau, was er damit sagen wollte: daß nämlich die zu einer offiziellen Behandlung dieser Fragen zuständige Institution, nämlich das Parlament, von der Behandlung dieser Fragen ausgeschlossen wird, während die Interessenten in der Öffentlichkeit eingehend darüber unterrichtet werden.
Aber es tut sich auch sonst einiges im Bereich des Bundesvermögens. In dem Bestand des Bundesvermögens, insbesondere im Kapitalbestand, hat sich ebenfalls einiges verändert. Bei zahlreichen Tochtergesellschaften sind umfangreiche Kapitalerhöhungen vorgenommen worden, und zwar wiederum, ohne daß der Bundestag beteiligt worden ist.
Da erhebt sich doch die Frage, ob eine so fundierte Forderung, wie sie in der Entschließung vom Jahre 1955 aufgestellt wurde, nur gilt, solange ein Bundesfinanzminister vorhanden ist, der immerhin seine Aufgabe darin sieht, das Bundesvermögen
pfleglich zu behandeln und ernsthaft zu prüfen, inwieweit die Erhaltung von Bundesvermögen im öffentlichen Interesse liegt oder nicht. Und gilt diese Forderung nicht mehr, wenn ein Bundesschatzminister vorhanden ist, der selber behauptet, er habe nicht mehr zu entscheiden, ob privatisiert werde, sondern nur noch, wie privatisiert werde, der es also unterläßt, die wichtige Frage zu prüfen, ob das einzelne Bundesvermögen im öffentlichen Interesse erforderlich ist oder nicht.
Weil wir meinten, daß diese Fragen geklärt werden müßten, hatten wir uns erlaubt, im Januar dieses Jahres eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu richten. Wir haben sie dabei auf ihre früheren Verhandlungen, Erklärungen und Beschlüsse hingewiesen und haben in Ziffer 3 gefragt:
Beabsichtigt die Bundesregierung, den Bundestag über alle Fragen im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Vermögen des Bundes zu unterrichten und seine Stellungnahme einzuholen, auch wenn nach Auffassung der Bundesregierung eine gesetzliche Verpflichtung hierzu nicht besteht?
Die Antwort, die der Herr Bundesschatzminister bzw. die Bundesregierung darauf erteilt hat, ist so bezeichnend, daß ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wenigstens einige Sätze daraus vorlesen möchte. Darin erklärt die Bundesregierung, sie bedaure, über schwebende Verkaufsverhandlungen keine Angaben machen zu können, da die „Verhandlungen über die Veräußerung einzelner Bundesbeteiligungen der Natur der Sache nach vertraulich sind", — so vertraulich, daß die ganze Presse darüber berichten konnte!
Zur Frage 2 heißt es:
Die Bundesregierung wird den Bundestag in den im § 47 der Reichshaushaltsordnung vorgesehenen Fällen unterrichten und seine Zustimmung beantragen.
Dabei war in den Beratungen des Bundestags gerade klargestellt, daß die Verpflichtung der Bundesregierung über die formellen Bestimmungen des § 47 hinausgehen müsse.
Aber noch interessanter ist die Antwort zu Ziffer 3. Da steht folgendes:
Die Bundesregierung wird über die zu 2 abgegebene Erklärung
— also diese knappe und beschränkte Unterrichtung —
hinaus dem Bundestag ihre Auffassung über die mit der Verwaltung und der Verwendung des wirtschaftlichen Vermögens des Bundes zusammenhängenden Fragen zur Kenntnis bringen. Zu einer weiteren Unterrichtung des Bundestages sieht sich die Bundesregierung nicht in der Lage.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Verfahren, das einfach nicht mehr zu billigen ist. Es ist schon sehr merkwürdig von einem Bundesschatzminister, der früher im Hause sehr betont
1628 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Deist
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!" Ich meine, eine solche Antwort ist in der Sache ungehörig und stellt eine Mißachtung des Parlaments dar;
denn die Bundesregierung ist nach den Ausführungen des Herrn Bundesschatzministers selbst verpflichtet, in ausreichendem Maße Auskunft zu geben und dem Bundestag ihre Politik auf diesem Gebiet darzulegen. Weil wir dieser Auffassung waren, haben wir eine Große Anfrage eingebracht, um den Herrn Bundesschatzminister und die Bundesregierung zu der schuldigen Achtung vor dem Parlament zu veranlassen. Wir möchten wünschen, daß wir nunmehr auf die Fragen, die wir stellen, präzise Antworten bekommen, damit wir wissen, wie die Bundesregierung mit Vermögen umgeht, das letzten Endes dem ganzen Volke, der ganzen Gemeinschaft gehört.
Wir haben uns in unserer Großen Anfrage in dem Abschnitt A mit der Rechtslage, insbesondere mit der Regelung des Eigentums und mit der haushaltsmäßigen Behandlung befaßt. In den Art. 134 und 135 des Grundgesetzes ist niedergelegt, daß das Vermögen des Reichs und die Beteiligungen Preußens grundsätzlich auf den Bund übergehen; das Nähere regelt ein Bundesgesetz. Das war im Jahre 1949. Dann wurde im Jahre 1951 das sogenannte Vorschaltgesetz erlassen, in dem die Eigentumsfrage offengelassen, dagegen die vorläufige Verwaltung des Bundesvermögens geordnet wurde. Offenbar hatte die Mehrheit des Bundestags, insbesondere die Koalition, sehr bald den Eindruck gewonnen, daß hier endlich Ordnung geschaffen werden müsse. In der von mir bereits erwähnten Entschließung vom Jahre 1955 heißt es denn auch, die Eigentumsfrage solle nunmehr unverzüglich durch Bundesgesetz geregelt werden.
Inzwischen sind wieder drei Jahre vergangen, und es ist nichts geschehen, außer daß die Bundesregierung nunmehr über Bundesvermögen verfügt, das ihr nach den gesetzlichen Bestimmungen - bisher jedenfalls — nicht gehört .
Ich frage: Ist die Bundesregierung bereit, nunmehr unverzüglich, wie es schon im Jahre 1955 gefordert wurde, das erforderliche Bundesgesetz vorzulegen, um endlich die Eigentumsfrage einer Klärung zuzuführen?
Ein zweites Problem hängt mit diesen Fragen zusammen: Es handelt sich um das Recht der Ordheute sind die entsprechenden Bestimmungen auf verschiedene Gesetze, Verordnungen usw. verstreut; wichtige Teile finden sich insbesondere in der Reichshaushaltsordnung und in den Reichswirtschaftsbestimmungen des Jahres 1925. Auch hier hat die Mehrheit des Bundestags im Jahre 1955 beschlossen, daß eine Reform des Haushaltsrechts alsbald durchgeführt wird, die den Erfordernissen einer modernen öffentlichen Finanzwirtschaft einschließlich der öffentlichen Kapital- und Vermögenswirtschaft entspricht.
Wir haben uns im Januar 1957 erlaubt, darauf hinzuweisen, daß dieser Beschluß bis dahin nicht durchgeführt sei und daß es höchste Zeit werde, hier Ordnung zu schaffen. Wir hatten uns dabei einige Vorschläge erlaubt, die ich hier vorgetragen habe. Sie betrafen insbesondere die Verhinderung einer übermäßigen Reservenbildung. Sie betrafen die Forderung, daß die Bundesunternehmungen zu einer erhöhten Publizität verpflichtet werden müssen. Sie betrafen schließlich die Stellung der Aufsichtsratsmitglieder und die Verantwortlichkeit des Ministers für die Tätigkeit seiner Vertreter in den Aufsichtsräten von Bundesunternehmungen.
Wir haben in der vergangenen Wahlperiode gerade auf diesem Gebiet einen bezeichnenden Vorgang besprechen können. Das war das Verhalten des Volkswagenwerkes bei der Lieferung von Zulieferteilen. Damals hatte die CDU-Fraktion eine Große Anfrage eingebracht, die sich mit der Tatsache befaßte, daß das Volkswagenwerk den Großhandel, den Kraftfahrzeughandel und die Zulieferindustrien in unzulässiger Weise, nämlich im Wege der Marktbeschränkung, behinderte. Wir haben gehört, daß zwei hohe Beamte, die Herren Oeftering und Rust, die als Vertreter der zuständigen Minister im Aufsichtsrat des Volkswagenwerks saßen, sich vor dem Ausschuß dahin geäußert haben, sie seien als Mitglieder des Aufsichtsrates nicht an Weisungen des Ministers gebunden, sondern hätten die Interessen des Unternehmens zu vertreten. Meine Damen und Herren, die Antwort des Ministers auf eine solche Haltung von Ministerialdirektoren und Staatssekretären hätte ganz eindeutig sein müssen. Sie hätte nämlich dahin lauten müssen, daß die Vertreter von Ministerien in Bundesunternehmungen Vertreter des Bundes sind
und nicht Vertreter irgendwelcher privater Interessen. Sie hätte weiterhin dahin lauten müssen, daß eine wirtschaftliche Betätigung des Bundes in Unternehmungen nur deshalb erfolgt, weil hier öffentliche Interessen auf dem Spiele stehen, und daß gerade die Vertretung öffentlicher Interessen die Aufgabe der Repräsentanten des Bundes in diesen Unternehmungen ist. Er hätte weiter sagen müssen: Wenn diese Vertreter des Bundes in den Bundesunternehmungen sich nicht in der Lage sehen, die öffentlichen Interessen zu vertreten, haben sie mindestens ihr Amt in den Bundesunternehmungen niederzulegen, wenn nicht sogar zu prüfen ist, ob sie für ihr öffentliches Amt eine ausreichende Qualifikation besitzen.
Wir haben jetzt ein neues Beispiel zu verzeichnen, wie gering die Einflußnahme der Bundesregierung auf die Bundesunternehmungen ist. Die Bundesregierung hat die Bundesunternehmungen im Bergbau höflich gebeten, jedenfalls bis zur Wahl keine Feierschichten mehr einzulegen. Darauf hat die Hibernia mitgeteilt, die nächste Feierschicht werde am 16. Juni stattfinden.
Dr. Deist
Das scheinen mir alles Zeichen dafür zu sein, wie wenig die Bundesregierung ihre Möglichkeiten, über Bundesunternehmungen Wirtschaftspolitik zu betreiben, ausnutzt. Ich möchte annehmen, daß der Herr Abgeordnete Vogel mir aus diesen Gründen in der Sitzung im Januar 1957 zugestimmt hat, als er unterstrich, daß wir eine gesetzliche Neuordnung des Bundesvermögens brauchen.
Zu diesem Fragenkomplex hat der Bundesrechnungshof in drei aufschlußreichen Berichten einige Beiträge geliefert. Seine Feststellungen gehen bis ins Jahr 1956, sind also für Rechnungshofberichte nicht allzu alt. In diesen Berichten wird festgestellt, die Bestimmungen des § 48 der Reichshaushaltsordnung und die Reichswirtschaftsbestimmungen seien unzulänglich und nicht zweifelsfrei und müßten baldigst geklärt werden. Dann werden einige Vorschläge gemacht, die sehr deutlich zeigen, wie schlecht öffentliche Interessen zuweilen gewahrt werden, ja, daß nicht einmal die erforderliche Vorsorge dahin getroffen ist, daß öffentliche Interessen überhaupt wahrgenommen werden können. Da wird nämlich festgestellt, in viel zu geringem Maße werde die Vorschrift beachtet, daß Vorstandsbeschlüsse der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen. Der Aufsichtsrat ist nämlich das Organ, in dem die Bundesregierung wirtschaftspolitische Auffassungen durchsetzen kann. Da heißt es weiter — man höre —, daß in den Aufsichtsräten in viel zu großem Umfange Vertreter privatwirtschaftlicher Interessen sitzen, die sicherlich nicht in der Lage sind, die öffentlichen Interessen zu vertreten. Weiter wird da mitgeteilt, daß mehrere Gesellschaften, an denen der Bund beteiligt ist, sich geweigert haben, die aktienrechtlichen Abschlußberichte vorzulegen.
Das ist eine merkwürdige Bundesregierung, die nicht einmal durchsetzen kann, daß ihren Aufsichtsratsmitgliedern in den Unternehmungen die aktienrechtlichen Abschlußberichte vorgelegt werden, die sie der Bundesregierung zuzuleiten haben. Offenbar ist der Bundesrechnungshof selber der Meinung, daß das eine unzulässige Untätigkeit der Bundesregierung sei; denn er hat sich vorbehalten, in seinem nächsten Bericht diese Unternehmungen mit Namen zu nennen. Der Bundesrechnungshof weiß also, wie man ohne strenge „dirigistische" Maßnahmen erreichen kann, daß diese Unternehmungen das tun, was sich gehört, nämlich dem Bund, der beteiligt ist, wenigstens sagen, wie ihre Ertragslage wirklich ist.
Es wird dann festgestellt, daß nicht alle Aufsichtsräte von Unternehmungen, an denen der Bund beteiligt ist, vierteljährlich Sitzungen abhalten, wie das Aktienrecht es vorschreibt, daß auch die Niederschriften nicht zuverlässig sind und daß nicht immer zu ersehen ist, wie die Vertreter der Bundesregierung sich in den Aufsichtsräten verhalten haben.
Mir scheint, es ist höchste Zeit, daß diese Bestimmungen neu gefaßt werden, damit die notwendige rechtliche Grundlage für eine ordnungsgemäße Führung der Bundesunternehmungen unter der Verantwortung der Bundesregierung geschaffen wird.
Dann noch eine dritte Frage, meine Damen und Herren, und die geht nun den Herrn Bundesschatzminister an. In der Entschließung vom Jahre 1955 hieß der erste Absatz, die Ziffer 1, wie folgt — ich darf bitten, sie verlesen zu dürfen —:
Die Rechnungslegung soll durch Vorlage eines besonderen Wirtschaftsplanes erfolgen, der eine Anlage des Haushaltsplanes ist. Der Wirtschaftsplan soll Angaben über die Nennwerte, die Rechnungswerte, Ertrags- und Aufwandsrechnung und dgl. enthalten.
Und dann wird eine ganze Menge aufgeführt, was in diesem Rechenschaftsbericht, der ein Teil des Haushaltsplans zu sein habe, angegeben werden solle.
Meine Damen und Herren, das war im Jahre 1955. Dann hat der damalige Bundesfinanzminister sich offenbar diese vom damaligen Herrn Abgeordneten Lindrath vertretene Meinung zu Herzen genommen, und bis zum Jahre 1957 hat sich die Berichterstattung wesentlich verbessert. So war im Haushaltsplan 1957 ein Bericht von 78 Seiten Umfang enthalten.
Wenn wir uns aber jetzt den Haushaltsplan des Jahres 1958 ansehen, eingebracht von einer Regierung, der der Herr Abgeordnete Lindrath nunmehr als Bundesschatzminister angehört, stellen wir fest, daß darin ein Bericht so gut wie völlig fehlt; ganze kleine zwei Seiten Erläuterungen sind in diesem Hauhaltsplan enthalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundestag ist noch nie so unzulänglich über die Bundesunternehmungen unterrichtet worden wie in diesem Falle.
Ich möchte fragen, Herr Abgeordneter, gelten die Auffassungen und Anträge des Abgeordneten Lindrath, die vom Bundestag mit Mehrheit angenommen worden sind, so wenig, daß der Bundesschatzminister Lindrath sich daran nicht mehr zu halten braucht?
Im Blätterwald hat es in den letzten Wochen etwas gerauscht. Da hieß es, der Bundesschatzminister werde uns heute mit einem dicken Sonderdruck über diese Dinge überraschen. Offenbar ist auch daraus nichts geworden. Aber die Fraktionen haben eine merkwürdige Anfrage bekommen. Die Fraktionen haben nämlich eine Anfrage des Herrn Bundesschatzministers erhalten, wie viele Exemplare eines Sonderberichts, den er jetzt herausgeben werde, für Interessenten in den Fraktionen benötigt werden. Meine Damen und Herren, so geht das nicht. Eine Berichterstattung, die Teil des Haushaltsplans sein soll, kann man nicht so als Festtagsgabe den Fraktionen darbieten mit der Frage, in welchem Umfange sie davon Gebrauch machen wollen. Ich meine, Herr Bundesschatzminister, wenn Sie Ihre eigenen Darlegungen und Ihre Anträge ernst nehmen, dann sollten Sie einen Nach-
1630 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Deist
trag zum Bundeshaushaltsplan hier einreichen, der die erforderlichen Angaben enthält.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Teil B unserer Großen Anfrage befassen wir uns mit dem Problem, ob die Bundesunternehmungen im öffentlichen Interesse wirtschaftspolitische Aufgaben haben, und wir möchten vom Herrn Bundesschatzminister gern die heutige Meinung der Bundesregierung dazu hören. Eigentlich ist der Grundsatz bereits seit 30 Jahren in der Haushaltsordnung und in den Reichswirtschaftsbestimmungen festgelegt. Da steht nämlich, daß eine Beteiligung an wirtschaftlichen Unternehmungen nur zulässig ist, wenn ein wichtiges Interesse des Reichs, also heute des Bundes, vorliegt und sich das angestrebte Ziel nur durch eine solche Beteiligung erreichen läßt. Der Bundesrechnungshof hat hinzugefügt, das gelte nicht nur für die unmittelbaren Beteiligungen, sondern auch für die mittelbaren, und es gelte auch für die Frage, ob eine Beteiligung weiterhin geboten sei. Ich möchte für meinen Teil hinzufügen: Wir teilen die Auffassung, daß der Bund sich nur dann an wirtschaftlichen Unternehmungen beteiligen soll, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt. Aber das muß dann auch in jedem Einzelfall geprüft werden.
Meine Damen und Herren! Offenbar ist die Bundesregierung in der Vergangenheit durchaus der Meinung gewesen, daß es solche Fälle gebe. So hat z. B. Herr Staatssekretär Westrick vom Bundeswirtschaftsministerium im Mai 1955 vor dem Unterausschuß „Bundesbeteiligungen" die heute ganz interessante Meinung vertreten, Bundesunternehmungen seien keineswegs Fremdkörper im Rahmen der Marktwirtschaft, wenn bestimmte Voraussetzungen der Startgleichheit gegeben seien. Aber im Februar 1958 sagt der Herr Bundesschatzminister über den Südwestfunk: „Der Bund darf seinen Bürgern nicht durch eigene Unternehmungen Konkurrenz machen". Meine sehr verehrten Damen und Herren, was heißt hier „den Bürgern Konkurrenz machen"? Gilt das auch, wenn ein Unternehmungszweig von einigen wenigen monopolistischen Unternehmungen beherrscht wird und infolgedessen die Gefahr eines Machtmißbrauchs durch diese Unternehmungen besteht?
Ich würde dem Herrn Bundesschatzminister ebenso wie den Zwischenrufern empfehlen, einmal in den Annalen der Parlamente um 50 Jahre zurückzuschlagen. Im Jahre 1905 stand nämlich im Preußischen Landtag zur Debatte, ob der preußische Staat sich an der Hibernia als Bergwerksunternehmen beteiligen solle, und da sind einige sehr interessante, ja ich möchte sagen: moderne — jedenfalls gegenüber dem, was von der CDU heute vertreten wird, moderne — Auffassungen geäußert worden. In der Gesetzesbegründung heißt es nämlich, der leitende Gedanke sei, Einfluß namentlich in bezug auf die Preisbildung zu gewinnen. Wie modern bei der Kohle! Weiter heißt es, es seien bemerkenswerte Verschiebungen der Kräfteverhältnisse in der rheinisch-westfälischen Industrie eingetreten, und da
wird von dem Konzentrationsprozeß und von der Zusammenballung von Kohleunternehmungen, Stahlunternehmungen, Kohlegroßhandel und Reedereiunternehmungen gesprochen. Schließlich wird in dieser amtlichen Begründung einer königlich preußischen konservativen Regierung erklärt:
Dieser Entwicklung gegenüber den staatlichen Einfluß durch Ausdehnung des staatlichen Bergbaubetriebs zu verstärken, erschien eine unabweisbare Notwendigkeit.
Der damalige Handelsminister dieses konservativen Kabinetts, Herr Möller, sagte, er sei kein Syndikatsgegner, aber die Schwierigkeiten hätten angefangen, als es sich darum handelte, zur rechten Zeit die Preise zu senken.
Der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben sprach, auch wieder ganz modern, von der „Gefahr eines Mißbrauchs einer solchen Machtstellung", und er fuhr fort:
Wir wissen genau, wohin wir steuern wollen; denn wir wollen die Macht des Staates in diesen Organisationen stärken und dadurch verhüten, daß Ausschreitungen in dieser Machtstellung erfolgen, die für unsere ganze wirtschaftliche Entwicklung von den verderblichsten Folgen sein müßten.
Das sind doch Überlegungen, die auch der Herr Bundesschatzminister nicht einfach beiseite schieben sollte mit der Bemerkung, die Frage der Privatisierung sei entschieden; es handle sich nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie des Versilberns von Bundesvermögen.
Meine Damen und Herren! Wenn wir dann in einen Staat blicken, der ja wohl sehr freiheitlich und liberal ist, die Vereinigten Staaten, dann stellen wir dort auf dem Gebiet der Versorgungsunternehmungen und auf anderen Gebieten ebenfalls öffentliche Unternehmungen fest. Herr Professor Mann von der American University in Washington hat sich in der Zeitschrift „Die öffentliche Wirtschaft" eingehend damit befaßt und in diesem Zusammenhang von der Yardstik-Funktion dieser Unternehmungen gesprochen. Das läßt sich schwer übersetzen. Bei uns würde man vielleicht, frei übersetzt, von der Aufgabe sprechen, als Hecht im Karpfenteich zu wirken.
Verzeihen Sie, Herr Dr. Deist, daß ich unterbreche, aber ich glaube, es sollte gleich ein Mißverständnis geklärt werden. Vielleicht gestatten Sie deswegen eine Frage.
Bitte!
Sprachen Sie von „öffentlichen Unternehmen" in den Vereinigten Staaten, oder meinen Sie die public utilities-Unternehmungen?
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1631
Nein, ich denke z. B. an die Tennessee-Valley-Administration, die ein öffentliches Unternehmen ist.
Also Professor Mann hat ausgeführt: Diese Unternehmungen sollen die Preise auf ein angemessenes Niveau herabdrücken; sie sollen nicht Wettbewerber aufschlucken, sondern Preise und Gewinne regulieren. Und er sagt weiter, mit Sozialisierung habe das nichts gemein, sondern diese Tätigkeit öffentlicher Unternehmungen setze gerade voraus, daß freier Wettbewerb vorhanden sei; denn sie sollen gerade durch ihre Yardstick-Funktion für freien Wettbewerb sorgen.
Wir haben zahlreiche Industriezweige, in denen einige wenige marktbeherrschende Unternehmungen den Ton angeben, in denen also kein freier Wettbewerb besteht, wohl aber zwei Gefahren, nämlich in Zeiten der Hochkonjunktur die Gefahr des Mißbrauchs zu überhöhter Preisbildung und in der Zeit des Rückgangs der Konjunktur die Gefahr des ruinösen Wettbewerbs, wie wir ihn z. B. in der Automobilindustrie in Amerika heute beobachten können. In einem solchen Fall der Marktbeherrschung eines Industriezweiges durch einige wenige Unternehmungen bedeutet die Privatisierung öffentlicher Unternehmungen, daß dieser Unternehmungszweig völlig der Beherrschung durch einige Großunternehmungen ausgeliefert und den Bundesunternehmen ihre wichtige Funktion, für Wettbewerb zu sorgen, genommen wird.
Noch ein weiteres: Will der Herr Bundesschatzminister seine Behauptung und seine Forderung, der Bund habe in der Wirtschaft nichts zu suchen, auch dort aufrechterhalten, wo die Privatwirtschaft offensichtlich versagt? Ich darf darauf hinweisen, dal! die Bundesregierung sehr gut weiß, daß es solche Unternehmenszweige gibt, in denen wegen Versagens der privaten Wirtschaft öffentliche Unternehmungen tätig sein müssen.
— Ich komme gleich darauf, nur nicht so ängstlich!
Betrachten Sie z. B. einmal den Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 1958. Dort sind umfangreiche Kapitalerhöhungen für öffentliche Unternehmungen vorgesehen, die die Bundesregierung offenbar für erforderlich hält. Da erscheint die Lufthansa mit einer Kapitalaufstockung von 15 Millionen DM und mit einem Zuschuß zum Ausgleich von Verlusten von weiteren 15 Millionen DM und mit einem Kredit aus dem ERP-Vermögen von 10 Millionen DM. Dort finden sich umfangreiche Finanzierungsbeihilfen für die Flughafengesellschaft, für die Moselkanalgesellschaft und für die Rhein-MainDonau-Gesellschaft, und da wird eine Kapitalaufstockung für die Saarbergwerke im Gesamtbetrag von etwa 100 Millionen DM aufgeführt. Ferner gibt es Einlagen des Bundes bei der KernreaktorBau- und Betriebs-GmbH und bei der ReaktorFinanzierungs-GmbH. Das interessanteste Beispiel ist vielleicht die Euro-Chemie, jenes gemeinsame
europäische Unternehmen, das nach den Plänen der OEEC von sämtlichen europäischen Staaten gemeinsam errichtet werden sollte. Der deutsche Anteil sollte 14 Millionen DM sein. Es war daran gedacht, daß davon die Hälfte die Industrie aufbringt, nämlich die chemische Industrie und die Versorgungswirtschaft. Die chemische Industrie hat sich glatt und schlicht geweigert, diese Beteiligung und das damit verbundene Risiko zu übernehmen, so daß die Bundesregierung, wie der Presse zu entnehmen war, über diesen Affront recht unwillig gewesen ist. Meinen Sie nicht, meine Damen und Herren, daß der Bund in solchen Fällen die Aufgabe hat, als Pionier zu wirken, wenn sich privatwirtschaftliche Kräfte versagen? Oder sind Sie der Meinung, daß der Bund nur so lange eintreten soll, wie Kosten und Verluste entstehen, während es das Privileg der privaten Wirtschaft ist, dann einzusteigen, wenn die Unternehmungen Gewinne abwerfen?
Ist es nicht so, daß ein Teil der Unternehmungen auch nationalpolitische Aufgaben hat? Ich erwähnte soeben die Saarbergwerke. Haben diese an der Saar als öffentliche Unternehmen nicht eine große nationalpolitische Aufgabe? Haben die Reichswerke an der Zonengrenze nicht eine nationalpolitische Aufgabe?
— Ich habe von der Zonengrenze gesprochen. Wenn Sie hier keine nationalpolitische Aufgabe mehr erkennen könnten, täte es mir leid.
Meine Damen und Herren, Herr Lindrath weiß auch selber genau, daß die Bundesunternehmungen solche Aufgaben haben. Er hat nämlich damals, im Jahre 1955, bei der Behandlung der Bundeskonzerne folgendes ausgeführt:
Die Gesellschaften müßten, eben weil der Bund so bedeutsam beteiligt ist, auch politische Aufwendungen zur Erhaltung von gefährdeten Arbeitsplätzen oder zum Teil auch zur Förderung der durch das Vorhandensein dieser Betriebe besonders in Anspruch genommenen Gemeinden leisten. So sind z. B.
— bemerkt er zustimmend —50 Millionen DM aus den Erträgnissen genommen, um etwa 7000 Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten, die sonst nicht hätten aufrechterhalten werden können.
Meine Damen und Herren, ist es richtig, in der Form, wie es die Bundesregierung tut, in der Öffentlichkeit jede öffentliche Betätigung in der Wirtschaft zu diffamieren? Und ist es richtig, daß der Herr Bundesschatzminister sagt, er prüfe gar nicht mehr, ob, sondern nur, wie zweckmäßig die Versilberung erfolgen solle? Ich meine, wir haben einen Anspruch darauf, daß der Herr Bundesschatzminister sehr deutlich sagt, weiche Grundsätze die Bundesregierung bei der Behandlung des Bundesvermögens in der Zukunft anzuwenden gewillt ist
1632 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Deist
oder ob sie etwa nur den pragmatischen Grundsatz vertritt, daß dann, wenn sich ein privates Interesse an lukrativen Unternehmungen bemerkbar mache, eine Privatisierung Platz zu greifen habe.
Wir möchten dazu eine klare Antwort des Herrn Bundesschatzministers. Bisher hat die Bundesregierung es vermieden, darüber klare Ausführungen zu machen. Wenn aber, Herr Bundesschatzminister, die Bundesregierung doch wenigstens gewisse Grundsätze haben sollte, bei denen vielleicht auch das öffentliche Interesse eine Rolle spielen müßte, wäre es dann nicht richtig, bevor man anfängt, lukrative Unternehmungen an private und sonstige Interessenten abzugeben, zu untersuchen: was ist denn von diesem Torso, der aus dem Krieg übriggeblieben ist, im öffentlichen Interesse wirklich wichtig und was nicht? Wir wissen ja, daß ein Teil in der Ostzone abgespalten ist, daß eine Unmenge von Unternehmen im Kriege dazugekommen sind, die als Bundesunternehmungen wirklich uninteressant sind und wieder abgestoßen werden könnten.
Ich meine, es wäre die erste Aufgabe, eine Bestandsaufnahme zu machen und zu sichten und zu überprüfen, wo ein öffentliches Interesse vorliegt, und dann zu überprüfen, ob man diese Torsen sinnvoll organisieren kann, und dann das, was überflüssig und im öffentlichen Interesse nicht notwendig ist, abzustoßen.
Wir möchten diesen Überblick endlich einmal haben. Denn ich meine, wir und das ganze deutsche Volk haben ein Recht darauf, zu wissen, was uns auf diesem Wege eigentlich noch bevorsteht.
Meine Damen und Herren, wir haben in Abschnitt B eine zweite Frage gestellt. Sie betrifft die breite Eigentumsstreuung. Die Bundesregierung hat ja urbi et orbi verkündet, daß das der große Ansatzpunkt für eine breite Eigentumsstreuung ist. Es war — ich darf ganz kurz daran erinnern — auf dem Hamburger Parteitag der CDU vor den Wahlen von 1957, wo das große Wort von dem Volk von Eigentümern fiel. Die CDU sagte, daß sie nunmehr das Instrument der Volksaktie schaffen werde, um den Gedanken von dem Volk von Eigentümern zu verwirklichen. Der Abgeordnete Blank hat im Mai 1957 am Beispiel des Volkswagenwerks sehr deutlich gesagt, wie man sich innerhalb der CDU vorstelle, wirklich breite Schichten der Bevölkerung zu beteiligen, ohne daß der Aufkauf durch großindustrielle Gruppen stattfinde. Er hat dabei dargelegt: Das neue Instrument, das wir dafür schaffen, ist die Volksaktie; denn die normale Aktie haben wir schon sehr lange, über die hätten wir uns nicht sehr lange zu unterhalten brauchen.
Dieses neue Instrument hatte einige besondere Eigenheiten. Es sollte eine gebundene Namensaktie werden, und es sollte eine Begrenzung der Beteiligung für Einzelpersonen auf 1/20 000 für InvestmentGesellschaften auf 1/3 des Aktienkapitals stattfinden.
Das Stimmrecht der Banken sollte auf ein Drittel beschränkt werden, und Arbeitnehmer und wirtschaftlich schwache Schichten sollten einen Preisnachlaß bekommen. Das sind die besonderen Eigenheiten dieser Volksaktie, die dazu führen sollten, daß nunmehr gerade breite Schichten der Bevölkerung, die bisher nicht am Aktienkauf interessiert waren, zu Eigentum kämen.
Wir haben dargelegt, daß wir das alles für Illusionen, wenn nicht für Schlimmeres halten. Aber für Sie, meine Damen und Herren ,
ar doch die Volksaktie das Instrument, um den Volkskapitalismus und das Volk von Eigentümern zu schaffen.
In der Zwischenzeit hat sich nun so einiges Merkwürdige getan. Der Deutsche Industrie- und Handelstag und das private Bankgewerbe schießen nämlich quer und legen dar, das wären Aktien zweiter Klasse, und grundsätzlich müßten alle Beschränkungen fallen. Das ist schließlich verständlich. Aber dann hält der Herr Bundesschatzminister am 11. April vor der Industrie- und Handelskammer in Köln eine Rede und sagt, er lehne es ab, neben der Normalaktie eine besondere Aktie zu schaffen, er sei gegen vinkulierte Aktie; er sei Jauch gegen eine Erwerbsbeschränkung, er sei auch dagegen, daß minderbemittelte Schichten einen Rabatt bekämen. Auch hat er durchblicken lassen, daß er gegen eine Stimmrechtbeschränkung sei. Vielleicht könne man, so meinte er, vorübergehend eine Satzungsbestimmung schaffen, durch die das Stimmrecht beschränkt werde, eine Satzungsbestimmung, die man natürlich jederzeit wieder ändern könne.
Meine Damen und Herren, wo bleiben dann eigentlich noch die Besonderheiten der Volksaktie, die diese so attraktiv und bemerkenswert geeignet für breite Schichten der Bevölkerung machen sollten, die bisher keine Aktien zu kaufen pflegten?
Wir haben inzwischen gehört, daß der Herr Bundesschatzminister sich bemüht, nun wenigstens in der Koalition und in der Bundesregierung Klarheit zu schaffen. Wir haben gehört, daß er der Bundesregierung eine entsprechende Vorlage gemacht hat, damit einmal erkenntlich werde, ob noch etwas an der Volksaktie dran sei oder nicht. Ich möchte Sie, Herr Bundesschatzminister, sehr bitten, uns auch hierzu eine offene Antwort zu geben, damit wir wissen, ob Ihre Behauptung, die Volksaktie sei ein ganz hervorragendes und ganz besonderes Instrument zur Schaffung von Volkseigentum, eigentlich noch gilt oder ob sie heute nicht mehr gilt.
Im Abschnitt C haben wir eine weitere Frage gestellt. Wir haben uns hier wiederum an einige Ausführungen erinnert, die der jetzige Herr Bundesschatzminister im Jahre 1955 als Abgeordneter gemacht hat. Er hat damals nämlich gesagt:
Wir ersuchen deswegen die Bundesregierung, Vorsorge zu treffen, daß die Veräußerung von mittelbaren Bundesbeteiligungen ebenso wie von unmittelbaren die Zustimmung dieses Parlaments haben muß.
Dr. Deist
Wir haben uns auch entsonnen, daß haargenau dasselbe in der Entschließung steht, die damals mit Mehrheit angenommen worden ist.
Darum erlauben wir uns, danach zu fragen, was nun eigentlich seit dem Jahre 1949 veräußert worden ist, wo dabei eine breite Streuung des Eigentums zu bemerken ist und in welchen Fällen an einzelne Personen, an mächtige Unternehmungen oder vielleicht an mächtige Unternehmensgruppen verkauft worden ist.
Ich will Ihnen, Herr Bundesschatzminister, gern konzedieren, daß Sie vielleicht für 1949 50 eine breite Eigentumsstreuung noch nicht nachweisen können. Aber wenn das wirklich ein solches Herzensanliegen ist, dann hätte man doch in den letzten Jahren irgendwann wenigstens einmal einen Niederschlag davon bemerken müssen. Wir sind auf die Antwort des Herrn Bundesschatzministers und auf die Liste, die er dazu vorlegen wird, gespannt.
Im Abschnitt D unserer Großen Anfrage befassen wir uns mit der Preußischen Bergwerks- und Hütten AG. Merkwürdigerweise — man muß schon sagen: merkwürdigerweise — ist die Bundesregierung auf die Idee gekommen, dieses Unternehmen sei ein geeignetes Objekt für die Privatisierung. Ich finde, das ist ein Testfall. Hier kann man wirklich sehen, wie eigentlich die Absichten und die Handlungen der Bundesregierung auf dem Gebiete der Privatisierung des Bundesvermögens zu werten sind.
In der breiten Öffentlichkeit war zunächst bekanntgeworden, daß beabsichtigt sei, im Zusammenhang mit einer Kapitalaufstockung 75 % des Aktienkapitals zu privatisieren. Nun, die Proteste dagegen waren so unüberhörbar, daß sich der Herr Bundesschatzminister entschloß, diese Privatisierung von 75 % zunächst zurückzustellen und nur die beabsichtigte Kapitalerhöhung von 30 Millionen DM zur Privatisierung vorzusehen; das wären dann 28,5 % des Kapitals. Wir müssen daher davon ausgehen — der Bundesschatzminister hat nichts getan, um diese in der Öffentlichkeit geäußerte Annahme zu entkräften,
sie muß daher als richtig unterstellt werden —, daß das der erste Schritt ist und daß die Bundesregierung der Auffassung ist, es handele sich nicht um das Ob, sondern nur um das Wie, und daß sie sich für die Zukunft die Privatisierung größerer Teile der Preußag vorbehält.
Davon muß ich also ausgehen.
Ich darf folgendes hinzufügen. Ursprünglich wurde von einer Stimmrechtsbeschränkung für die freien Aktionäre geredet, damit nicht eine Sperrminorität entstehe. Soweit ich sehen kann, ist es um diese Stimmrechtsbeschränkung still geworden. Es würde interessieren, ob die Bundesregierung inzwischen auch diese Idee — das ist so
der letzte noch übriggebliebene Rest der „Volksaktie" — aufgegeben hat.
Meine Damen und Herren, sehen wir uns einmal die Preussag an! Denn das ist wirklich ein Fall, an dem man studieren kann, wie diese Bundesregierung mit dem Bundesvermögen umgeht. Die Umsätze der Preussag entfallen zu 45 % auf sogenannte Nichteisenmetallerze, nämlich in der Hauptsache auf Blei und Zink, zu 30 % auf Kohle und zu 20 % auf Erdöl. 5 bis 10 % entfallen auf andere Erzeugnisse; sie spielen also keine Rolle. All diese Unternehmungen können sich überhaupt nur halten, weil sie in großem Umfang durch Subventionen, durch Zölle, durch steuerliche Begünstigungen und andere öffentliche Stützungsmaßnahmen aufrechterhalten werden. Die Produktion von Blei- und Zinkerzen wird seit 25 Jahren immer wieder aus staatlichen Mitteln unterstützt. Im Jahre 1949 war es wieder so weit; nur die Koreahausse enthob den Staat der Notwendigkeit einzugreifen. Heute — das wissen Sie alle — liegen in den Ausschüssen wieder Anträge, wenn ich nicht irre, von der CDU/CSU-Fraktion vor, die steuerliche Hilfsmaßnahmen für den Blei- und Zinkbergbau fordern, da er sich durch das Sinken des Weltmarktpreises wieder einmal in einer schwierigen Lage befindet.
Bezüglich der Kohle brauche ich nicht viel zu sagen, nachdem der Herr Bundeswirtschaftsminister in der letzten Kohlendebatte dargelegt hat, wieviel Milliarden an öffentlichen Mitteln in den vergangenen Jahren in den Kohlenbergbau ' hineingepumpt werden mußten, um ihn leistungsfähig zu halten. Wir haben mit Erschütterung gelesen, daß die Hohe Behörde der Montanunion gerade in diesen Tagen wieder Statistiken veröffentlicht hat, aus denen ersichtlich ist, wie stark die Investitionstätigkeit im deutschen Kohlenbergbau ungeachtet dieser Unterstützung auch heute noch hinter der Investitionstätigkeit in den anderen europäischen Ländern zurücksteht. Auch der Bergbau ist also ein Industriezweig, der nur durch öffentliche Unterstützung aufrechtzuerhalten ist.
Und dann Erdöl! Meine Damen und Herren, ist Ihnen denn so ganz unbekannt geblieben, daß die Rohöleinfuhr einen Zollschutz von mehr als 100 % genießt? Ohne diesen Zollschutz gäbe es überhaupt keine deutsche Erdölförderung. Alle Sachverständigen sind sich darüber einig, daß, wenn etwa im Gemeinsamen Markt der Erdölschutzzoll wegfiele, andere öffentliche Stützungsmaßnahmen getroffen werden müßten, um die deutsche Erdölförderung aufrechtzuerhalten.
Die Rentabilität dieser drei Wirtschaftszweige, die den entscheidenden Bestandteil des Tätigkeitsbereichs der Preußag darstellen, kann nur durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen gesichert werden. Halten Sie es wirklich für richtig, meine Damen und Herren, daß in einem solchen Fall nun ausgerechnet an private Unternehmungen Subventionen gegeben werden, damit private Beteiligte Dividenden verdienen können? Halten Sie ein solches Papier wirklich für ein gutes Papier, das Sie breiten Schichten der Bevölkerung anbieten können?
1634 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Deist
Wissen Sie nicht, meine Damen und Herren, daß Kohle und Erdöl, die gesamte Energiewirtschaft für die wirtschaftliche Entwicklung und das Preisniveau eine solch entscheidende Rolle spielen, daß man auch aus diesem Grunde überlegen müßte, ob man gerade ein solches Unternehmen an private Kräfte abgeben soll? Wenn schon ein solcher Industriezweig subventioniert wird, dann sollte sich die öffentliche Hand wenigstens den genügenden Einfluß in diesen Unternehmungen sichern.
- Dann dürften Sie nicht so viele Beschlüsse mitfassen, in denen Subventionen verlangt werden, Herr Kollege.
Und dann: Was sind das für Märkte? Freier Wettbewerb soll da geschaffen werden. Auf dem Gebiet von Blei und Zink bestreitet die Preussag 40 % der Förderung, die Stollberger Zink AG, also Gesellschaft von Otto Wolff, 25 % und die Metallgesellschaft 20 %, macht zusammen 85 % auf 3 Großunternehmungen. Viel Wettbewerb ist da wohl nicht vorhanden, aber handfeste Marktpolitik marktbeherrschender Unternehmungen.
An der Erdölförderung sind auch nur einige wenige an der deutschen Erdölförderung beteiligt. Wintershall z. B. verfügt über Elwerath, an der sie mit 42 % beteiligt ist, allein über 40 bis 50 % der über 20 %, die ESSO über 10 % und der Bund über 20 %. Das heißt, diese Vier bestreiten praktisch die ganze deutsche Erdölförderung; sonst ist nicht mehr sehr viel da. Da ist ja wohl auch nicht viel von freiem Wettbewerb die Rede, sondern sehr stark von marktbeherrschender Position, die erst durch staatliche Unterstützung von privaten Unternehmungen geschaffen wird.
Über die Kohle brauche ich ja wohl nicht mehr viel zu sagen. Hier haben wir ein handfestes Kartell an der Ruhr, und wir sollten gerade aus den letzten Unterhaltungen über die Preisgestaltung im Kohlenbergbau wissen, wie wichtig es wäre, einen vernünftigen Einfluß des Bundes geltend zu machen.
Solche Märkte pflegt man als oligopolistische Märkte zu bezeichnen. Wenn man da Bundesunternehmungen abstößt, bedeutet das, daß man diesen Markt völlig der Beherrschung durch einige wenige private Großunternehmungen ausliefert.
Noch ein Wort zu der nationalpolitischen Aufgabe, die auch die Preußag hat. Der Metallerzbergbau im Harz liegt im Zonengrenzgebiet, in einem ausgesprochenen Notstandsgebiet. Die Preussag hat hier schon eine erhebliche nationalpolitische Aufgabe, und es ist sehr zweifelhaft, ob der Metallerzbergbau im Harz aufrechterhalten werden würde, wenn er sich in privater Hand befände. Jedenfalls ist er von staatlichen Subventionen abhängig.
Außerdem hat die Preussag in Mitteldeutschland und in den polnischen Gebieten umfangreiche Verloste erlitten. Dabei sind so interessante Stoffe wie Steinsalz und Kali verlorengegangen. Hier werden
große Aufwendungen erforderlich sein, um dieses Ganze wieder zusammenzufügen, wenn einmal der Tag der Wiedervereinigung kommt. Sind Sie wirklich der Auffassung, daß das durch private Beteiligung oder durch die Auslieferung dieses Unternehmens an private Kräfte gefördert würde, oder sind Sie nicht doch der Auffassung, daß jede private Beteiligung ein Hemmnis gerade für die Erfüllung dieser großen nationalpolitischen Aufgabe sein müßte, die jedenfalls der Preußag bevorsteht?
Damit komme ich zum letzten Punkt, nämlich zu dem Problem der Howaldtwerke. Die Ideen, diese Werke zu privatisieren, sind alt, nämlich genau so alt, wie deutlich ist, daß die Schiffswerften nach dem Kriege im Hinblick auf den großen Bedarf an Schiffsneubauten die Aussicht gaben, erhöhte Gewinne abzuwerfen. Seit damals gibt es daher Verhandlungen über die Veräußerung der Howaldtwerke. Seit 1951, meine Damen und Herren, seit 7 .Jahren läuft dieses Spiel.
Zunächst handelte es sich um die beiden Howaldtwerften in Hamburg und in Kiel. Für beide wurde ein Preis von 30 Millionen angeboten und verhandelt. Er war offensichtlich viel zu niedrig. Damals dachte man auch daran, daß beide Werke ihren Aufbau nur mit Hilfe großer Staatskredite durchführen konnten, und damit wurde dieses Projekt ad acta gelegt. Dann trat das Problem im Jahre 1954 neu vor uns. Nunmehr handelte es sich nur noch um die Hamburger Howaldtwerft. Interessenten waren die Dortmund-Hörder Hüttenunion und die Gutehoffnungshütte. Der Preis betrug damals für diese eine Werft 20 Millionen DM. Im Jahre 1956 wurde dann im Bundestag eine Vorlage eingebracht, und dabei erschien für dasselbe Unternehmen ein Preis von 26 Millionen DM. Im Jahre 1958 erscheint ein neuer Plan, diesmal mit einem Preis von 34 Millionen DM. Der Preis soll in Ratenzahlungen, die sich über mehrere Jahre verteilen, gezahlt werden. An diesem Unternehmen, den Howaldtwerken in Hamburg, sollen die Dortmund-Hörder Hüttenunion mit 48 %, die Deutsche Bank mit 26 % und die Siemens-Schuckert-Werke ebenfalls mit 26 % beteiligt werden. Es lohnt sich, sich dieses Projekt einmal etwas näher anzuschauen.
Meine Damen und Herren, hier wird von „Privatisierung" gesprochen. An der Dortmund-Hörder Hüttenunion, die 48 % der Howaldtwerft bekommen soll, ist die holländische Stahlfabrik Hoogovens mit 41 % beteiligt. Der Rest ist gestreut. Diese holländische Gesellschaft ist der Großaktionär der Hüttenunion, und sie befindet sich — horribile dictu — zu 30 %im Besitz des holländischen Staates und zu 10 % im Besitz der Stadt Amsterdam.
Die übrigen Aktien sind auch hier wieder gestreut. Wer sagt uns dann weiter, daß die Deutsche Bank diese 26 % behalten wird? Eine Verpflichtung dazu hat sie, soweit ich unterrichtet bin, nicht übernommen. Wer garantiert uns denn, daß nicht doch vielleicht auch diese 26 % - ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Dortmund-Hörder Hüttenunion — an die Dortmund-Hörder Hüttenunion abgegeben
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1635
Dr. Deist
werden? Meine Damen und Herren, da wird also ganz leicht unter der Marke ,.Privatisierung" aus deutschem Bundesbesitz auf einmal holländischer Staatsbesitz. Das ist eine merkwürdige Form von Privatisierung, Herr Bundesschatzminister, die Sie hier betreiben,
ganz abgesehen von der breiten Streuung des Eigentums, die dabei kaum zu bemerken ist.
Vielleicht denken Sie auch daran, Herr Bundesschatzminister, daß die Holländer als seefahrende Nation erhebliche Interessen an dem Wohlergehen holländischer Werften haben und ob da nicht Interessenkonflikte zwischen diesen holländischen Werftinteressen und den deutschen Werftinteressen entstehen können.
Meine Damen und Herren, es ist ein unwürdiges Spiel, das mit diesem Werk seit dem Jahre 1951 getrieben wird. Ich will Ihnen nur die Preise nennen: 1951 für beide Werke 30 Millionen DM, August 1954 nur für das Hamburger Werk 20 Millionen DM — danach findet die erste Bewertung durch eine Treuhandgesellschaft statt —, im Dezember 1954 ein Kaufangebot mit 25 Millionen DM, im Juni 1955 die Bundesratsvorlage mit 26,25 Millionen DM, dann angesichts der ablehnenden Haltung des Bundestags ein neues Angebot mit 27,25 Millionen DM. Das lehnte der Haushaltsausschuß des Bundestags ab, weil auch dieser Betrag zu niedrig erschien. Im Mai 1958 kommt eine neue Vorlage mit 34 Millionen DM. Offenbar ist auch das zu niedrig. Jedenfalls hat der Herr Bundesschatzminister, wenn nicht alle Meldungen trügen, inzwischen ein neues Gutachten angefordert. Ein solches Verfahren würde in der Privatwirtschaft als unkaufmännisch und geradezu unternehmensgefährdend bezeichnet werden.
Nun auch über die Ertragslage und den Wert des Unternehmens einiges! Leider gibt es darüber keine genaue Angaben, und es ist bei aller Intensität nicht möglich gewesen, Herr Bundesschatzminister, aus Ihrem Ministerium — im Hinblick auf entgegenstehende Weisungen des Ministers — darüber etwas Näheres zu erfahren. Ich kann also nur mit einigen Daten ein Bild von der Ertragslage und von dem Wert dieses Unternehmens zu geben versuchen.
Seit dem Jahre 1952 verteilt diese Werft Dividende, zuerst 5 °/o, in den letzten zwei Jahren 8 und 10 °/o. Im Jahresabschluß zum 31. August 1957 wird ein Gewinn von 800 000 DM ausgewiesen, nachdem vorher der Rücklage 1,2 Millionen DM zugewiesen worden sind. In der Handelsbilanz wird also bereits ein Gewinn von 2 Millionen DM ausgewiesen. Daß die echte, wirkliche Ertragsbilanz ein anderes Bild zeigt, kann man nach aller Erfahrung ohne weiteres annehmen.
Diese Annahme wird auch bestätigt durch die Tatsache, daß die Howaldtwerft im Jahre 1957 einen Umsatz von 190 Millionen DM hatte.
2 Millionen DM wären 1 % Gewinn. Es ist nicht recht denkbar, daß der Gewinn der Howaldtwerft nur 1 % des gesamten Umsatzes beträgt.
Diese Annahme läßt sich noch etwas untermauern. Seit dem Jahre 1948 war die Howaldtwerft nämlich in der Lage, 50 Millionen DM neu zu investieren, davon 30 Millionen über Abschreibungen und 11 Millionen über Fremdmittel, — von denen bis heute schon wieder rund 7 Millionen DM aus den Erträgen des Unternehmens getilgt werden konnten.
Dann brauche ich nur noch hinzuzunehmen, daß der Auftragsbestand bis zum Jahre 1962 reicht.
Der Schluß, der hieraus aber nun unweigerlich gezogen werden muß, ist der, daß der Verkehrswert des Unternehmens jedenfalls wesentlich näher an 50 bis 60 Millionen DM liegen muß als an 34 Millionen DM. Die Vorlage, die der Herr Bundesschatzminister uns gemacht hat, ist einfach unvertretbar.
Nun lassen Sie mich noch einiges zu dem Zahlungsmodus sagen. Nachdem das Werk zu diesen günstigen Bedingungen ausgeboten wird, hat der Anwärter noch die weitere Gunst, daß er den Preis innerhalb mehrerer Jahre in Raten zahlen darf. Da es schlecht möglich ist, die wirklichen Gewinne zu erfahren, möchte ich fragen: trifft es nach der Gewinnlage und der derzeitigen Situation zu, daß der Kaufpreis im wesentlichen aus den Gewinnen der nächsten Jahre bezahlt werden kann? Es wird angegeben — ob es stimmt, weiß ich nicht; ich muß leider fragen —, daß der steuerpflichtige Gewinn allein in den letzten fünf, sechs Jahren etwa 30 Millionen DM ausgemacht habe.
Auch das ist eine Auskunft, die in den Ausschüssen gegeben werden muß, damit wir endlich einmal sehen, was mit diesem Bundesvermögen von dieser Bundesregierung eigentlich gemacht wird.
Jedenfalls ist eines klar, Herr Bundesschatzminister - ich bitte Sie, das vielleicht doch zu vermerken —: die Stadt Hamburg wäre jederzeit bereit, die Howaldtwerft zu den gleichen günstigen Bedingungen zu erwerben wie die Dortmund-Hörder Hüttenunion.
Das, was hier gemacht wird, ist ein ungeheuerliches Verfahren, das man nur als den Versuch bezeichnen kann, wertvolles Bundesvermögen zu verschleudern.
— Bitte, bitte!
1636 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Ist das verbürgt - und wissen Sie das genau —, daß die Hamburgische Regierung bereit ist, die Howaldtwerke in toto zu erwerben?
Meinen Sie nicht, daß es die Aufgabe des Herrn Bundesschatzministers wäre, diese Frage offiziell an die Stadt Hamburg zu stellen?
— Lassen Sie mich meinen Satz zu Ende führen! — Dann würde er sehen, daß meine Behauptung durchaus zutrifft.
— Ich bleibe bei meiner Behauptung.
— Ich komme mit einem Satz noch darauf.
Mir scheint, daß von diesen Überlegungen vielleicht auch der Arbeits- und Sozialausschuß der CDU in Nordrhein-Westfalen ausgegangen ist, als er die Privatisierung der Howaldtwerke ablehnte.
Ich glaube, daß es unter diesen Umständen höchste Zeit wird, daß diese unwürdigen Verhandlungen um die Howaldtwerft eingestellt werden. Wenn die Bundesregierung schon verkaufen will und wenn sie bei diesem Unternehmen schon nicht an Eigentumsstreuung denkt, wenn sie schon an die öffentliche Hand — in Holland — verkaufen will, dann sollte sie das Werk der Stadt Hamburg anbieten, die ein erhebliches wirtschaftliches und arbeitsmarktpolitisches Interesse an diesem Unternehmen hat.
Jedenfalls — das ist der Sinn unseres Antrags — muß diesem unwürdigen Spiel unbedingt ein Ende gemacht werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich im Namen der Bundesregierung die Große Anfrage der SPD-Fraktion vom 16. April 1958 betreffend Bundesunternehmen — Drucksache 335 — beantworten, um dann einige Bemerkungen anzuschließen, die ich zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Deist zu machen habe.
Die Veräußerung von Beteiligungen des Bundes an wirtschaftlichen Unternehmen an die private Hand ist kein Selbstzweck, keine isolierte Maßnahme, sondern ein Anliegen der Regierungspolitik im ganzen. Die großen wirtschaftlichen Erfolge in den hinter uns liegenden beiden Legislaturperioden wurden auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft errungen. In der Marktwirtschaft, in der Entfaltung der privaten Initiative und im freien Wettbewerb erblickt die Bundesregierung auch weiterhin wesentliche Voraussetzungen für einen angemessenen Lebensstandard aller Bevölkerungsschichten.
Das Nebeneinander so grundverschiedener Wirtschaftssysteme in den beiden getrennten Teilen Deutschlands ermöglicht es wie kaum zuvor, von der Praxis her die Vorzüge der Marktwirtschaft zu würdigen. In der sowjetischen Besatzungszone sind wie hier deutsche Menschen mit den gleichen Begabungen und Fähigkeiten, mit dem gleichen Fleiß und der gleichen Ausdauer um den Wiederaufbau bemüht. Aber wirtschaftliche Planungs- und Zwangsmaßnahmen und politische Unfreiheit haben dort die schaffenden Menschen um die Früchte ihrer Arbeit gebracht. Keine Staatswirtschaft, kein kollektives Eigentum kann auf die Dauer jene Lebens- und Schaffenskräfte auslösen, die eine Volkswirtschaft auszulösen vermag, in der privates Eigentum von Generation zu Generation vererbt und vermehrt wird und in der selbständige Existenzen geschützt und gefördert werden.
War es im Jahre 1948 auch im Westen unseres Vaterlandes ein Wagnis, den Übergang von der Zwangswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft zu vollziehen, so gilt es heute, die soziale Marktwirtschaft zu sichern und auszubauen. Die Privatinitiative, der freie Wettbewerb müssen als entscheidende Eckpfeiler der Marktwirtschaft auch in der Zukunft wirksam bleiben.
Vom Standpunkt der sozialen Marktwirtschaft aus soll und kann es nicht Aufgabe des Staates sein, sich erwerbswirtschaftlich zu betätigen und mit der privaten Wirtschaft in Wettbewerb zu treten.
Die Argumente, nach denen der Bund mit Hilfe seiner Beteiligungen auf die Gestaltung des Preisniveaus Einfluß nehmen müsse, gehen fehl, denn sie verkennen erstens die Funktion des Wettbewerbs in der freien Wirtschaft und zum anderen die immer größer werdende Abhängigkeit des deutschen Preisniveaus vom Weltmarkt. Das wird ganz besonders deutlich in der Zeit der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Marktes. Erhöhungen des deutschen Preisniveaus als Folge ansteigender Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt lassen sich niemals durch die Unterhaltung bundeseigener Betriebe vermeiden, sofern man nicht Subventionen aus Bundesmitteln gewähren will. Gerade dies aber widerspricht der wirtschaftlichen Konzeption der Bundesregierung, da eine solche Wirtschaftspolitik in sich unwahr ist. Nach wie vor bleibt auf dem Gebiet der Zölle eine Einflußnahme — wenn bisweilen auch nur in beschränktem Umfang — möglich.
Es ist daher das immer wieder erklärte Ziel der Regierungsparteien, die wirtschaftlichen Unternehmen des Bundes, wo immer möglich, Schritt um Schritt in private Hände zu überführen. Mit diesem wirtschaftspolitischen Ziel verbindet sich das in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 zum
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1637
Dr. Lindrath
Ausdruck gebrachte Bestreben, allmählich zu einer breiteren Streuung des Eigentums an den Produktionsmitteln Nu gelangen. Diese gesellschaftspolitische Zielsetzung fußt auch auf den Erfahrungen in der Vergangenheit, in denen private Vermögensbildung, Streben nach eigenem Besitz, nach persönlichem Eigentum, Drang nach selbständigen Existenzen sich als die Haupttriebfedern für den Aufstieg der deutschen Volkswirtschaft erwiesen haben.
Zu diesem besonderen Anliegen der gesamten Wirtschaftspolitik, eine soziale Eigentumsbildung zu fördern, kann die Privatisierung des Bundesvermögens einen Beitrag leisten. Die praktische Durchführung der Privatisierung ist nicht von heute auf morgen, sondern nur über eine gewisse Zeit hin möglich. Es lassen sich auch nicht ein für allemal gültige Grundsätze für die Veräußerung der in Betracht kommenden Bundesbeteiligungen aufstellen. Die Richtlinien für die Privatisierung sollen nicht dogmatisch, sondern erst aus der Praxis nach sorgfältiger Prüfung des einzelnen Falles und der jeweils gegebenen Möglichkeiten entwickelt werden. Eine Verschleuderung von Werten soll und wird vermieden werden.
Die in der Großen Anfrage der SPD vom 16. April 1958 im einzelnen gestellten Fragen darf ich nun wie folgt beantworten.
Zu A Ziffer 1: Die von der Bundesregierung verwalteten Anteilsrechte an wirtschaftlichen Unternehmen des ehemaligen Deutschen Reichs und des früheren Landes Preußen sind bereits nach Art. 134 und 135 des Grundgesetzes in das Eigentum des Bundes übergegangen. Mit der Vorlage des Entwurfs eines Bundesgesetzes, in dem die Rechtsverhältnisse des ehemaligen Reichsvermögens und der ehemaligen preußischen Beteiligungen abschließend geregelt werden, ist in naher Zukunft zu rechnen.
Zu Ziffer 2: Die Bundesregierung ist bereit, die haushaltsrechtlichen Bestimmungen über die Beteiligung des Bundes an Unternehmungen mit eigener Rechtspersönlichkeit im Rahmen der Reform des Haushaltsrechts neu zu kodifizieren. Hierin soll auch die Mitwirkung des Parlaments bei dem Erwerb und der Veräußerung von Bundesbeteiligungen hinreichend sichergestellt werden. Es besteht jedoch nicht die Absicht, die privatrechtlichen Einflußmöglichkeiten der Bundesregierung auf die Geschäftsführung der privatrechtlich betriebenen Bundesunternehmen über die eines privaten Aktionärs auszuweiten.
Zu Ziffer 3: Um dem allgemeinen Wunsch nach weitgehender Publizität Rechnung zu tragen, ist seit langem geplant, im Rahmen der Allgemeinen Vorbemerkungen zum Bundeshaushaltsplan 1958 über den Stand und die Entwicklung der Bundesunternehmen zu berichten. Dieser Bericht wird dem Bundestag und dem Bundesrat in Kürze als Sonderdruck vorgelegt werden.
Zu B Ziffer 1: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bundeseigene Unternehmen nicht unverzichtbare Instrumente einer wirksamen Wirtschaftspolitik sind. Gleichwohl können solche Unternehmen in einem gewissen Grade die Verfolgung wirtschaftspolitischer Ziele unterstützen. Mit anerkennenswerter Bereitschaft der Unternehmensleitungen hat die Bundesregierung in einigen Fällen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Sie wird auch in Zukunft auf diese Möglichkeit nicht verzichten. Die Bundesregierung bekennt sich zur sozial gebundenen Wettbewerbswirtschaft, und die bundeseigenen Unternehmen dürfen in diesem Wirtschaftsgefüge weder zu einem Fremdkörper werden noch zu einem besonderen Unternehmenstyp, der unter anderen Wettbewerbsbedingungen arbeitet als die mit ihm konkurrierenden Privatunternehmungen. Eine Einflußnahme auf die Leitung der Unternehmen ist nur in den von den Gesetzen gezogenen Grenzen vertretbar und möglich. Die Bundesregierung wird sich bei bundeseigenen Gesellschaften bemühen, deren Organe von der Richtigkeit der wirtschaftspolitischen Forderungen zu überzeugen, und daran die berechtigte Erwartung knüpfen, daß sie sich den Wünschen der Bundesregierung gegenüber in besonderem Maße aufgeschlossen zeigen.
Schließlich ist zu bedenken, daß der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach dem Gesetz das Unternehmen unter eigener Verantwortung leitet. Wollte man die bestehenden rechtlichen Beschränkungen durch Schaffung neuer gesetzlicher Grundlagen beseitigen, so würden sich die bundeseigenen Unternehmen zu einem Typ entwickeln, der den in der sowjetischen Besatzungszone bekannten Unternehmungsformen ähnlich sein würde. Das aber würde mit dem verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz der Gleichbehandlung wesentlich gleicher Tatbestände auch im wirtschaftspolitischen Raum nicht vereinbar sein.
Eine gesetzliche Sonderregelung für die Unternehmen in der Hand des Bundes ist somit nicht vertretbar, zumal da sie die Unternehmen der Länder und Gemeinden einbeziehen und vielleicht sogar auf gemischtwirtschaftliche Unternehmen erstreckt werden müßte. Es erscheint andererseits kaum denkbar, daß in diesen zahlreichen Unternehmen für die Bundesregierung eine hinreichende Möglichkeit eröffnet werden könnte, im Sinne ihrer wirtschaftspolitischen Intentionen auf die unternehmerischen Entscheidungen einzuwirken. Die Problematik wird deutlich, wenn man bedenkt, daß die Bundesregierung in einer bestimmten konjunkturellen Situation etwa auch von den Unternehmen der Gemeinden Maßnahmen verlangen könnte, die eine Ertragsminderung und damit verbunden eine verminderte Gewinnausschüttung zur Folge haben müßten.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die bundeseigenen Unternehmen soweit wie möglich in Privatbesitz überführt werden sollten, weil sie grundsätzlich einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Staates mit großer Zurückhaltung gegenübersteht. Die Überführung der Unternehmen in Privatbesitz erscheint besonders wünschenswert, wenn zugleich damit die gesellschaftspolitischen
Dr. Lindrath
Ziele der breiten Eigentumsstreuung erreicht werden können.
- Ich komme auf die holländische Angelegenheit zu sprechen.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß eine grundsätzliche Neuordnung der im Eigentum des Bundes befindlichen Gesellschaften nicht erforderlich ist, da insbesondere die großen bundeseigenen Konzerne nach wirtschaftlichen und kaufmännischen Gesichtspunkten geordnet sind und geordnet bleiben sollen. Die Neuordnung der Aktiengesellschaft für Berg- und Hüttenbetriebe, vormals Reichswerke, in Salzgitter ist erst im Jahre 1953 erfolgt. Die Bundesregierung wird jedoch prüfen, ob in einzelnen Fällen noch besondere Neuordnungsmaßnahmen erforderlich sind.
Zu 3. Die Bundesregierung hält an dem Grundsatz fest, daß aus gesellschaftspolitischen Gründen bei der Überführung der bundeseigenen Unternehmen in Privatbesitz breit gestreutes privates Eigentum entstehen soll, soweit es die Natur des Objektes irgendwie gestattet.
Eine breite Aktienstreuung wird insbesondere bei dem Volkswagenwerk durchgeführt werden. Die Bundesregierung ist zur Zeit damit befaßt, die hierzu erforderlichen Vorbereitungen mit größtmöglicher Beschleunigung durchzuführen. Gleichzeitig ist beabsichtigt, Aktien bundeseigener Konzerne in breitester Streuung zu veräußern. Als erste Maßnahme dieser Art sollen im Zuge einer Kapitalerhöhung 30 Millionen DM Aktien der Preußischen Bergwerks- und Hüttenaktiengesellschaft verkauft werden. Bei Gestaltung der Verkaufsbedingungen wird die Bundesregierung verhindern, daß eine Konzentration der wirtschaftlichen Verfügungsgewalt eintritt.
Zu C, 1. Seit dem Jahre 1949 wurden folgende unmittelbare Beteiligungen des Bundes veräußert:
1. Reichskraftsprit GmbH, Berlin,
2. Weichsel-Dampfschiffahrt AG, Kiel,
3. Karlsruher Flughafengesellschaft mbH, Karlsruhe,
4. Reinickendorfer Industriebahn GmbH, Berlin,
5. Kieler Verkehrs-Aktiengesellschaft, Kiel,
6. Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft, Berlin,
7. F. Schichau AG, Bremerhaven.
Folgende mittelbaren Beteiligungen wurden veräußert:
a) aus dem Bereich der Bank der Deutschen Luftfahrt AG:
1. Rheinmetall Borsig AG, Berlin,
2. Continentale Metall AG, Bad Homburg v. d. H.,
3. Gerhard Fieseler Werke GmbH, Kassel,
4. Alumetall GmbH, Nürnberg,
5. Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG, Dessau,
6. Junkers Flugzeug- und Motorenwerke GmbH, Lohfelden/Kassel,
7. Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Nordhessen GmbH, Kassel,
b) aus dem Besitz der ehemaligen Deutsche Werke Kiel AG, Kiel:
1. M. Achgelis Söhne AG, Bremerhaven,
2. Holmag Holsteinische Maschinenbau AG, Kiel,
3. Tilly Strumpffabrik GmbH, Kiel,
c) aus dem Bereich der AG für Binnenschiffahrt:
1. Deutsche Tank-Reederei GmbH, Hamburg,
2. Norddeutsche Schiffahrts AG, Hamburg,
3. Transport AG , Hamburg,
4. Westfälische Transport AG, Dortmund,
d) aus dem ehemaligen reichseigenen Filmvermögen:
1. Bavaria Filmkunst AG, München,
2. Ufa-Anlagen Aktiengesellschaft , Berlin,
3. Ufa-Theater-Aktiengesellschaft, Düsseldorf,
4. Degeto-Film GmbH, Berlin,
5. Beboton-Verlag GmbH, Berlin-Hamburg,
e) ferner aus verschiedenen anderen Bereichen:
1. Emscher Lippe Bergbau AG, Datteln,
,
2. Baubedarfs GmbH, Neustadt a. d. Weinstraße,
3. Formholzpreßwerk Ronen GmbH, Amberg/ Opf.,
4. Brennstofftechnik GmbH, Essen,
5. Famo Vertriebs GmbH, München.
6. Kontinentale 01-Transport AG, Hamburg. Soviel zur Frage 1.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte!
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1639
Herr Minister, können Sie an Hand dieser langen Liste der bis jetzt veräußerten Unternehmen angeben, wieviel Prozent davon nach Ihrer Ansicht breit gestreut worden sind?
Das betrifft den nächsten Punkt der Großen Anfrage der SPD, die ich jetzt zu beantworten habe, zu 2 und 3 nämlich.
Bei diesen Beteiligungen handelt es sich zum größten Teil um Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder um kleinere Aktiengesellschaften. Eine Veräußerung durch Ausgabe von breit gestreuten Aktien wäre wegen der geringen Größe der veräußerten Beteiligungen aus wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Erwägungen nicht zu verantworten gewesen und hätte außerdem die von der Bundesregierung verfolgten gesellschaftspolitischen Ziele mit zu erheblichen Anfangsrisiken belastet.
Zu D 1. Es ist beabsichtigt, an der Preußischen Bergwerks- und Hütten-AG private Aktionäre in der Weise zu beteiligen, daß das Grundkapital dieser Gesellschaft von zur Zeit 75 Millionen DM um 30 Millionen DM durch Ausgabe kleingestückelter Aktien durch die Börse erhöht wird. Nach Durchführung dieser Kapitalerhöhung wird der private Anteil am Aktienkapital der Preußag 28,6 % betragen. Bei der Ausgabe der neuen Aktien wird eine breite Streuung sichergestellt werden.
2. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß das Eigentum an den in der Preußischen Bergwerks- und Hütten-AG zusammengefaßten Betrieben für die Führung der Wirtschaftspolitik nicht von Bedeutung sein kann.
3. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß durch eine private Beteiligung an der Preußischen Bergwerks- und Hütten-AG die Interessen der Zonenrandgebiete nicht beeinträchtigt werden, zumal dort auch bisher bereits große private Betriebe am Wiederaufbau entscheidend beteiligt gewesen sind. Förderungsmaßnahmen im Interesse der Zonenrandgebiete sind von den Eigentumsverhältnissen der einzelnen Unternehmen unabhängig.
Es ist nicht einzusehen, inwiefern durch eine private Beteiligung an der Preußag der Wiederaufbau ihrer in Mitteldeutschland gelegenen Werke behindert werden könnte.
Meine Damen und Herren, soweit die Regierungserklärung zu der von der SPD vorgelegten Großen Anfrage.
Ich darf nun einige Bemerkungen zu dem Antrag bezüglich der Howaldtwerke machen. Es ist richtig, wie Herr Kollege Dr. Deist ausgeführt hat, daß die Veräußerung der Howaldtwerke seit einer Reihe von Jahren schwebt. Es ist aber auch zu beachten, daß die Bundesregierung bisher diesem Bundestag noch keinen Antrag vorgelegt hat, einem Verkauf der Howaldtwerke zuzustimmen. Wenn Herr Kollege Dr. Deist davon gesprochen hat, daß hier ein unwürdiges Spiel getrieben werde, dann ist das darauf zurückzuführen, daß auch während der Verkaufsverhandlungen ständig nach dem Stand dieser Verhandlungen gefragt wird, über die entgegen den mir sonst gemachten Vorwürfen gerade von mir bereitwilligst Auskunft erteilt worden ist. Ich bin im Bundestagsausschuß gewesen, habe dort über den Stand der Verhandlungen berichtet und habe auch sonst, wenn ich gefragt worden bin, Auskünfte hierüber gegeben.
Herr Bundesschatzminister, halten Sie es wirklich für fair, nunmehr den Bundestag und seine Fragesteller dafür verantwortlich zu machen, daß die Verkaufsverhandlungen sieben Jahre hingezogen wurden und dieses Spiel mit den Preisen getrieben wurde? Ich glaube, das ist doch wohl nicht ganz fair.
Der Haushaltsausschuß des Bundestages hat eine Aufklärung über den Stand der Verhandlungen erbeten, und dieser Bitte bin ich nachgekommen. Dabei habe ich zum Aus-
1640 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Lindrath
druck gebracht, daß die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind.
— In Ordnung; das habe ich getan, weil der Sachverhalt beim Stand der Verhandlungen damals eben so war. Ich kann ja nichts anderes sagen als das, was in dem gegebenen Augenblick, wo ich gefragt werde, Tatsache ist. Aber ich muß auch hier hinzufügen, daß ich immer nur den Stand der Verhandlungen angeben kann, so wie er im Augenblick der Fragestellung ist. Ich halte es allerdings nicht für glücklich, solche Verhandlungen von Fall zu Fall zur Diskussion zu stellen, ehe sie abgeschlossen sind. Das ist eine Methode, die niemals dazu führen kann, ein Geschäft ordnungsgemäß abzuschließen.
Das bedeutet aber nicht, daß Sie hieraus ein Recht herleiten können, mir vorzuwerfen, ich mißachtete das Parlament. Ich werde Ihnen noch den Nachweis bringen, daß ich zu der Entscheidung, die wir im Jahre 1955 hier getroffen haben, heute noch hundertprozentig stehe, Herr Kollege Dr. Deist. Gerade ich bin derjenige, der sich bemüht, daß sie auch in die Tat umgesetzt wird.
Sie haben weiter die Frage vorgelegt, ob ich nicht die Howaldtwerke der Stadt Hamburg anbieten wolle, und Sie haben hinzugefügt, wenn ich an Dortmund-Hörder-Hütte verkaufte, dann würden 41% davon die holländischen Werke oder der holländische Staat und die Stadt Amsterdam übernehmen; ich solle die Werke dann schon lieber der Stadt Hamburg anbieten. Ich darf hier feststellen, daß ich nicht auf Anregung von Hamburg, sondern von mir aus nach Hamburg gefahren bin und dort dem Regierenden Bürgermeister gesagt habe: Wir stehen in Verhandlungen, die Howaldtwerke zu veräußern. Welche Wünsche haben Sie für den Fall, daß die Veräußerung zustande kommt und vom Bundestag gebilligt wird? Auf diese Frage hin haben wir die Wünsche Hamburgs erörtert, und die Stadt Hamburg hat daraufhin ein Interesse für eine Sperrminorität bekundet.
Diesen Wunsch der Stadt Hamburg habe ich aus drei Gründen respektiert. Zunächst bin ich der Meinung, daß die Stadt Hamburg ein arbeitsmarktrechtliches Interesse an den Howaldtwerken hat. Zweitens bin ich der Auffassung, daß die Stadt Hamburg ein hafenpolitisches Interesse an den Howaldtwerken hat. Drittens war für mich ausschlaggebend, daß die Stadt Hamburg Eigentümerin des Grund und Bodens ist, auf dem dieses Werk steht. Deswegen glaubte ich auch in diesem Falle, in dem wir ein Unternehmen aus der öffentlichen in die private Hand überführen wollen, dem Wunsch Hamburgs, eine Sperrminorität zu haben, Rechnung tragen zu sollen.
Ich habe mit dem interessierten Käuferkonsortium verhandelt, und das Käuferkonsortium hat dann diesem durch mich vermittelten Wunsch der Stadt Hamburg entsprochen.
Es hat sich in einer schriftlichen, juristisch verpflichtenden Option zu Händen des Bundesschatzministeriums bereit erklärt, 26 % der zu erwerbenden Anteile zu den gleichen Bedingungen, wie dieses Konsortium sie bekommt, an die Stadt Hamburg weiterzugeben.
Niemals hat aber Hamburg den Wunsch geäußert, das. Werk ganz zu erwerben. Das ist der Stand der Verhandlungen im Augenblick. Ich glaube, daß die Dinge doch absolut fair, öffentlich und ohne irgendwelche Hintergedanken gelaufen sind.
Nun haben Sie, Herr Dr. Deist, mir vorgeworfen, ich hätte das Parlament nicht genügend unterrichtet, ich hätte das Parlament mißachtet. Es sind bezüglich der seinerzeit gestellten Kleinen Anfrage und ihrer Beantwortung harte Worte gefallen.
Die Demokratie beruht auf der Gewaltenteilung. Nach dieser steht der Regierung die Exekutive zu. Im Rahmen der Gesetze muß sie diese Aufgabe wahrnehmen. Nach diesem Gesetz brauchte die Bundesregierung nur die Veräußerung sogenannter unmittelbarer Beteiligungen dem Hohen Hause vorzulegen. Ich habe damals den Standpunkt vertreten, daß das eine ungenügende Beteiligung des Parlaments ist. Diese Bestimmung könnte ohne weiteres umgangen werden, wenn von der Exekutive in einer Dachgesellschaft mehrere Unternehmen zusammengefaßt werden; dann wäre der Bund nur an der Dachgesellschaft unmittelbar beteiligt, und er könnte die nachgeordneten Gesellschaften einfach veräußern, ohne dem Hause hiervon etwas mitzuteilen. Dieser Rechtszustand gilt aber heute.
Auf der anderen Seite war der Wunsch dieses Hohen Hauses zu berücksichtigen, wie ich ihn selbst hier zum Ausdruck gebracht habe. Ich war nicht nur damals Abgeordneter, sondern bin es auch heute noch, Herr Dr. Deist. Sie wollten eine klare Antwort, deswegen sage ich es so prononciert. Ich bin auch heute noch der Auffassung, daß diese Dinge geändert werden sollten. Ich habe, solange sie nicht geändert sind, die Anweisung gegeben, daß die zuständigen Bundestagsausschüsse von den jeweils durchgeführten Veräußerungen informiert werden, wenn es sich um mittelbare Beteiligungen handelt und nach dem Gesetz das Hohe Haus nicht gefragt zu werden braucht. Das ist geschehen, indem wir den zuständigen Ausschuß davon unterrichtet haben.
Ich habe diesen Gedanken im übrigen auch in der Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht, die ich Ihnen soeben vorgetragen habe, daß also nach dieser Richtung hin etwas geschehen soll.
Weiterhin haben Sie davon gesprochen, daß der Bund auf die Gesellschaften weitgehend Einfluß nehmen möge und seine Aufgaben versäume, wenn er dies nicht nachhaltig genug tue. Sie haben gleich-
Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1641
Dr. Lindrath
zeitig — das war aus Ihrem Vortrag deutlich erkennbar — auch die rechtliche Seite berücksichtigt; diese kennen Sie. Die Dinge sind doch so, daß der Bund als Träger des Kapitals, als Aktionär seine Rechte nur über den Aufsichtsrat geltend machen kann. Auch das haben Sie erklärt. Der Bund kann den Aufsichtsrat bestimmen, nicht in jeder Weise, teilweise auch eingeengt durch gesetzliche Bestimmungen. Ich denke hier an das Mitbestimmungsrecht. Insoweit muß er den Aufsichtsrat nach dem Gesetz bestimmen. Aber auch das haben Sie anerkannt — es muß doch betont werden, welche Schwierigkeiten hier bestehen. Das Aufsichtsratsmitglied hat nach den Vorschriften des Aktienrechts das Wohl der Gesellschaft wahrzunehmen. Steht diese Wahrnehmung nicht im Einklang mit der Politik der Bundesregierung, dann kann diese das Aufsichtsratsmitglied abberufen und ein neues bestellen. Weiteren Einfluß geltend zu machen, ist nicht möglich. So ist die Rechtslage.
Herr Bundesschatzminister, kennen Sie nicht die Bestimmung des Aktienrechts, die sehr deutlich sagt, welche Aufgaben der Vorstand eines Unternehmens hat? Da steht nämlich folgendes drin, und zwar, da dieses Gesetz im Jahre 1937 ergangen ist, im nationalsozialistischen Jargon. Aber Sie wissen selbst wie ich, daß das nicht Ausfluß nationalsozialistischer Überlegungen, sondern der ganzen Überlegungen um die Aktienrechtsreform war, die bis 1929, 1930 zurückgehen.
Sie wollten eine Frage stellen!
Ich darf zur Begründung sagen, daß da auf „deutsch" übersetzt drinsteht, daß der Vorstand das Interesse des Unternehmens, das Wohl der Belegschaft und das allgemeine öffentliche Interesse zu beachten hat. Das steht selbst für private Gesellschaften als Aufgabe des Vorstandes doch wohl im Aktienrecht drin. Oder irre ich mich?
Sie haben sich nicht geirrt. Das steht drin, Herr Kollege Dr. Deist. Deswegen habe ich auch in der Regierungserklärung deutlich zum Ausdruck gebracht — Sie haben es sicher nicht überhört —, daß die Bundesregierung ihren Einfluß, den sie auf die Unternehmen hat, zur Geltung bringen will und daß die Unternehmensleitungen hier auch eine gute Bereitschaft haben erkennen lassen. Ich spreche hier von der rechtlichen Seite. Mit juristischen Mitteln, vor Gericht durchsetzbar, kommen wir hier nicht zum Zuge, das geht nicht. Ich glaube, darüber sind wir uns einig.
Nun zu der Berichterstattung und der brieflichen Anfrage, die nicht nur Sie, sondern alle Fraktionen dieses Hohen Hauses, die Parteien und andere Stellen, wie die Gewerkschaften und weitere Organisationen der Wirtschaft, bekommen haben. Meine Damen und Herren, die Berichterstattung über die Bundesunternehmen war bisher schon besser als ihr Ruf. Herr Kollege Dr. Deist hat in seinen Ausführungen auch durchaus anerkannt, daß hierzu in den Vorbemerkungen zum Haushaltsplan sehr viel gesagt worden ist. Nach unserer Auffassung ist aber die Form etwas unglücklich gewesen. Denn die Vorbemerkungen zum Haushaltsplan sind zwar den Abgeordneten zugänglich und werden von diesen, insbesondere von den Kollegen, die sich damit zu befassen haben, auch gelesen und studiert. Die breitere Öffentlichkeit draußen hat aber von diesen Vorbemerkungen nicht in dem Maße Kenntnis bekommen, wie es die Bedeutung der Bundesunternehmen an sich verlangt.
Wir glauben, daß wir einen folgerichtigen Weg zurückgelegt haben und daß wir uns mit der Forderung nach breiter Vermögensbildung weiter auf dem richtigen Weg befinden.
Es ist ganz klar, daß wir in der hinter uns liegenden Zeit unsere Aufmerksamkeit dem Aufbau, der Vollbeschäftigung, der relativen Krisenfestigkeit, der Rentenreform und anderen Aufgaben zu widmen hatten. Aber ebenso klar ist, daß nunmehr in der natürlichen Entwicklung dieser volkswirtschaftlichen Etappen, wie wir sie sehen, ganz organisch der Übergang zur Eigentumsbildung kommen muß. Ich hoffe, Ihnen auch an Hand einiger Zahlen belegen zu können, daß wir schon mitten darin sind; denn Wirtschaftspolitik und Gesellschaftspolitik — in diesem Falle Wirtschaftspolitik: bundeseigene Unternehmen zu veräußern, soweit sie der freien Marktwirtschaft gehören; in diesem Falle Gesellschaftspolitik: Schaffung von Vermögen in breiter Streuung — sind absolut wie Bruder und Schwester. Bei der Betrachtung des Eigentumsbegriffes und des Begriffes der sogenannten Freiheit des Eigentums muß man berücksichtigen, daß unsere Ökonomie in hohem Grade politisiert ist durch die Steuern, die Staatshaushalte, die Währungs-, Geld- und Kreditpolitik. Deshalb muß man anerkennen, daß das Eigentum von heute mit dem Eigentum etwa zur Zeit des Hochkapitalismus nicht mehr viel und in wesentlichen Punkten nichts mehr zu tun hat, eben wegen dieser absoluten staatlichen, sozialen Bindung, in der alle, die Eigentum haben, mit Recht stehen.
Trotzdem hängen wir nach wie vor dem alten bürgerlichen Recht an, daß Eigentum heißt innehaben: freies Veräußerungsrecht, freies Nutzungsrecht und freies Verfügungs- und Weisungsrecht, und daß es nur Sinn hat, Eigentum zu bilden, wenn der Staat eine Politik macht, die unerschütterlich von der Unantastbarkeit des Eigentumsbegriffes ausgeht. Zu dieser Unerschütterlichkeit des Eigentumsbegriffes gehört natürlich auch, wenn man ein Volk zur Eigentumsbildung aufruft, die tiefe innere Verpflichtung, der Währungsstabilität zu dienen und dafür einzutreten, daß für alle Vermögensformen gleiche Rechte und Pflichten gelten und dabei keine verschiedene Behandlung eintritt.
Bei der Kleinaktie, genannt Volksaktie, wird von Verschiedenheiten sozialer Art gesprochen. Eine Verschiedenheit sozialer Art bei der Ausgabe bejahen wir. Aber wir wünschen, wenn das Papier da ist, daß es ein Papier wie andere Papiere auch ist, weil es anders leicht zum Nachteil des Eigentümers ausschlagen könnte. Was hier an Rechtsvorschriften geschaffen werden muß, gehört in die allgemeine Aktienrechtsreform. Dort ist auch der Platz, sich über Stimmrechtsbegrenzungen und andere Fragen, hoffentlich mit Erfolg, den Kopf zu zerbrechen.
Ich sagte: Gesellschaftspolitik und Wirtschaftspolitik gehören zusammen, sie sind nicht voneinander
zu trennen. Es ist doch tatsächlich so, daß wir unsere notwendigen Investitionen — und wir haben in der deutschen Wirtschaft noch sehr viele zu machen — nur dann nicht über den Preis machen müssen und machen können, wenn der Kapitalmarkt in Ordnung ist, d. h. wenn genügend Sparkapital vorhanden und ausreichend angeboten ist. Hier begegnen sich diese zwei wichtigen Fragen; sie stehen in unlösbarem Zusammenhang.
In den Zeiten des Hochkapitalismus war es der Wille — zumindest das Ergebnis —, daß sich das Vermögen in Händen sehr weniger konzentrierte. Der marxistische Sozialismus will die Konzentration in der Staatshand. Beides wollen wir nicht. Wir wollen in der Staatshand nur Vermögen, soweit das unvermeidbar ist, und wir wollen in der Personenhand so viel, wie nur irgend möglich ist, wobei wir in dem Hohen Hause wahrscheinlich darin einig sind, daß die breiteste Streuung uns die liebste ist.
Wenn man nun versucht, einen Standort zu finden und festzustellen, wo wir denn jetzt in der Bundesrepublik mit der Vermögensbildung stehen, dann stößt man auf eine Merkwürdigkeit. Ich glaube, diese Merkwürdigkeit ist auch schon einmal von Kollegen der SPD gerügt worden. Es fehlt eine zuverlässige Ubersicht über die Vermögensstreuung. Man muß versuchen, und das ist mühevoll, sich über eine Frage Vorstellungen zu machen, die gesellschaftspolitisch von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist.
Ich möchte deshalb hier anregen, daß diesem Mangel beim Statistischen Bundesamt oder sonstwo nun endlich Abhilfe geschaffen wird; denn wie kann man über ein Grundproblem diskutieren — außer in der Theorie —, wenn man nicht einmal weiß, wo man in Wirklichkeit steht.
- Ja, das werden wir auch tun. Ich habe schon versucht, mir aus den Unterlagen einiges zusammenzustellen, und will Ihnen gleich einige Zahlen nennen.
Wir sind bezüglich der Vermögensbildung allerdings der Meinung, daß die Mitbürger, denen es bisher fern lag, an Aktienwertpapiere und Investmentpapiere zu denken, von uns behutsam, loyal und korrekt an diese Werte herangeführt werden sollten. Es geht aber nicht an, daß sie Aktien kaufen statt Geld zu sparen, sondern sie sollen neben den Ersparnissen in Geld auch Aktien haben. Es wäre nicht gut und klug, nunmehr vom Geldsparen, Bausparen, Lebensversicherungssparen usw. etwa mit dem Hinweis auf Volks- und Kleinaktien abzuhalten. Das wäre in jeder Beziehung falsch. Denn Volks- und Kleinaktien sind nur dann richtig placiert, wenn sie im Falle eines persönlichen Notstandes nicht sofort verkauft werden müssen. Deshalb muß mit der breiten Vermögensstreuung eine organische Gliederung der Privatvermögen, auch kleinerer Vermögen, und eine Verteilung der Risiken Hand in Hand gehen. Daß der Haus- und Wohnungsbesitz die klassische und dem Menschen sympathischste
1644 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Burgbacher
Eigentumsform ist, braucht nicht besonders erwähnt zu werden.
Nun einige wenige Zahlen. Es gibt eine Untersuchung von Ferdinand Grünig, der den Versuch einer volkswirtschaftlichen Vermögensrechnung gemacht hat. Alle Zahlen gebe ich unter Vorbehalt. Ich würde mich freuen, wenn sie in der Diskussion konkretisiert oder berichtigt würden.
Im großen gesehen ist es heute schon so, daß sich von etwa 500 Milliarden Nationalvermögen die gute Hälfte in Personenhand und die knappe Hälfte in öffentlicher Hand befinden. Wenn man sich überlegt, ob der Staat noch bundeseigene Unternehmen haben muß, um Wirtschaftspolitik zu machen, muß man sehen, daß dieser Staat auf dem Weg über die öffentlichen Einnahmen über 40 % des Sozialprodukts verfügt und fast 50 % des Nationalvermögens in seiner Hand hat. Wenn das so ist, wäre auch ohne unser marktwirtschaftliches Dogma bewiesen, daß bundeseigene Unternehmen nicht erforderlich sind.
Herr Abgeordneter Dr. Deist!
Herr Burgbacher, können Sie sagen — ich kenne die Aufstellung nicht genau, ich wäre für eine Ergänzung dankbar —, welche Bedeutung im Rahmen des gesamten Nationalvermögens, von dem also knapp 50 % in öffentlicher Hand sind, diese wirtschaftlichen Bundesvermögen ausmachen - 1/2 %, 1/4 % ?
Sie wissen ja, daß die Bewertung des Bundesvermögens, wie Sie selber dargelegt haben, äußerst umstritten ist.
— Jawohl, ich beantworte das sehr gern; das ist aber ein Bumerang für Sie. Ich glaube nicht, daß in den veräußerbaren Bundesvermögen 10 Milliarden darin sind.
— Ja, ich habe jetzt Ihre Verdoppelung vorgenommen;
sagen wir fünf! Das, was Sie wissen wollen, bestätige ich Ihnen gern: daß diese Bundesbeteiligungen im Verhältnis zum öffentlichen Vermögen so klein sind, daß sie wirtschaftspolitisch überhaupt unerheblich sind.
Ich habe nun versucht, Angaben über eine Vermögensstreuung zu errechnen. Nach einer unkompletten Statistik beim Bundesfinanzminister haben wir, wenn sie für die Bundesrepublik repräsentativ ist, rund 500 000 vermögensteuerpflichtige Haushalte mit einem vermögensteuerpflichtigen Vermögen von 30 Milliarden DM. Wenn man nun von den 250 Milliarden DM privates Vermögen in der Bunrepublik diese 30 Milliarden DM abzieht, bleiben 220 Milliarden DM. Da wir 14 Millionen Haushalte haben, würde das bedeuten, daß pro Haushalt im Durchschnitt ein Vermögen von etwa 16 000 DM da ist, worin allerdings das Hausratvermögen mit etwa 5000 DM pro Haushalt enthalten ist. Wenn diese Statistik auch unvollsändig ist, so beweist sie doch, daß sich unser Volk auf dem Wege der Vermögensbildung befindet.
Im übrigen: die gesellschaftspolitisch so sehr umstrittenen Produktionsmittel machen von dem gesamten Nationalvermögen etwa 20 bis 25 % aus, nicht mehr und nicht weniger. Die privaten Haushalte haben nach Grünig seit der Währungsreform in ihrem Hausratvermögen etwa 65 Milliarden DM, nennen Sie es: erspart, nennen Sie es: angelegt, die öffentlichen Haushalte etwa 80 bis 90 Milliarden DM, darunter aber 20 Milliarden DM in Sozialfonds und 25 Milliarden DM im sozialen Wohnungsbau. Diese Investitionen über das öffentliche Vermögen im sozialen Wohnungsbau kann man nicht ohne weiteres mit dem öffentlichen Vermögen gleichsetzen, um so mehr — erschrecken Sie bitte nicht — da wir auch vorhaben, dieses soziale Wohnungsvermögen, sobald die Zeit dazu gekommen ist, in privates Eigentum zu überführen.
Die Spareinlagen betragen zur Zeit rund 30 Milliarden DM. Dabei ist interessant, daß die Sparrate vom April 1957 auf April 1958 von 290 Millionen DM auf 460 Millionen DM gestiegen ist, so daß in den ersten vier Monaten 1957 1,8 Milliarden DM und in den ersten vier Monaten 1958 2,4 Milliarden DM mehr gespart wurden. Ich will mit diesen Zahlen belegen — ich wiederhole es —, daß unser Volk auf dem Wege zur Eigentumsbildung ist. Diese Entwicklung müssen wir nach Kräften fördern. Lebensversicherungen sind über 44 Milliarden DM abgeschlossen, und zwei Millionen deutscher Haushalte haben Bausparverträge über 30 Milliarden DM abgeschlossen.
Das alles sind erhebliche Zahlen. Wenn man nun versucht, eine Komposition zu machen, was bei echtem Privatvermögen — ohne die Unternehmen
— gebildet worden ist, so ergibt sich folgendes Bild. Wie sich das Unternehmensvermögen auf Personen verteilt, war nicht festzustellen; das ist einer der Mängel unserer statistischen Unterlagen. Aber das echte private Haushaltsvermögen hat
— ich wiederhole es — Zugänge im Hausrat von 45 Milliarden DM, im Spargeld von 25 Milliarden DM und im Bausparen von 10 Milliarden DM. Das sind immerhin seit der Währungsreform 80 Milliarden DM private Vermögensbildung, ohne die nicht erfaßbaren Anteile über Beteiligungen an Unternehmen. Die Sparquote betrug 1956 6 %, 1957 7 % und 1958 11 % der verfügbaren Einkommen.
Die Privatisierung der bundeseigenen Vermögen und des Volkswagenwerks, das dazu gehört, wird weitergehen. Sie wissen, daß die Verhandlungen über das Volkswagenwerk schon weiter wären,
wenn die Verhandlungen zwischen dem Bund und
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1645
Dr. Burgbacher
dem Lande Niedersachsen weiter gediehen wären. Die Möglichkeiten der privaten Vermögensbildung dürfen sich nicht in der Veräußerung der Bundesvermögen erschöpfen. Die Möglichkeit, Bundesvermögen zu veräußern, stellt nur einen Bruchteil der Möglichkeiten für private Vermögensbildung dar, um die es uns geht. Wir wünschen, daß die alten klassischen Formen weiter privilegiert werden. Deshalb wird dieses Hohe Haus demnächst das Gesetz über die Sparprämien verabschieden. Die Steuerreform, die wir zur Zeit beraten, liegt auf derselben Linie. Elf Millionen Deutsche werden absolut frei von direkten Steuern. Wir hoffen, daß diese Freisetzung und die Verabschiedung des Sparprämiengesetzes der Bildung von persönlichem Vermögen förderlich sind.
Daß wir die Kleinaktien neben und nicht an Stelle des Geldsparens wollen, darf ich noch einmal wiederholen. Und daß wir über eine Aktienrechtsreform die für alle gültigen Bestimmungen auch für die Volksaktie haben wollen, habe ich schon ausgeführt. Ob und wie die Unternehmen Belegschaftsaktien schaffen wollen, das soll der freien Entschließung derer vorbehalten bleiben, die nach dem Gesetz und der Satzung damit zu tun haben.
Ich möchte zum Schluß noch einmal darauf hinweisen, daß der Vorgang der Vermögensbildung, die Erhaltung der Preisstabilität, die Förderung der Produktivität und die Beseitigung der Investierung über den Preis eine organische Einheit darstellen. Wir können deshalb mit Befriedigung feststellen, daß der Wertpapierabsatz im April erstmals über eine Milliarde DM im Monat gewesen ist und daß damit der Anteil der Wertpapierfinanzierung an der Nettoinvestition, der im Jahre 1927 70 % ausgemacht hatte, der dann nach der Währungsreform auf Null heruntergefallen ist, und der 1957 wieder 18 % ausmachte, zur Zeit bereits bei 35 % liegt. Deshalb ist auch der Trend der Vermögensbildung so wichtig, nämlich daß im Jahre 1950 bis 1957 die Privathaushalte ihren Anteil von 20 auf 25 % gesteigert, die Unternehmen ihren Anteil von 50 auf 35 % reduziert haben, während ihn allerdings die öffentliche Hand noch von 30 auf 40 % gesteigert hat. Diese Zahlen mit dem Entwicklungstrend müssen wir bei der Weiterverfolgung unserer Politik in Betracht ziehen.
Meine Freunde und ich beantragen die Überweisung der Anfrage und des Antrags betreffend die Howaldtwerke an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß und bitten darum, daß die Regierung bezüglich der Howaldtwerke noch ein sozialökonomisches Gutachten einholt. Vor allem aber bitten wir, bei der endgültigen Regelung eine Lösung zu präsentieren, bei der der Erlös mittelbar oder unmittelbar, aber sicher dem Zweck der breiten Vermögensstreuung nutzbar gemacht wird.
— Wie das gemacht wird? Dafür sind die zuständig, die die Verhandlungen zu führen haben, und wenn man will, findet man den Weg.
— Ja, es wird auch von uns abhängen; wir wollen das so. Der Weg wird weiter gegangen; er wird ohne Hast gegangen. Verschleudert wird nichts. Es wird auch kein Dogma zu Tode geritten. Im Ausnahmefall kann ein Land auch eine Minderheitsbeteiligung erhalten. Vor allem kann der Bund Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen behalten. Es ist gar nicht gesagt, daß alles hundertprozentig privatisiert werden muß. Aber von dem Weg der privaten Vermögensbildung wird uns niemand mehr abbringen!
Herr Abgeordneter Dr. Burgbacher, es dürfte sich um einen Irrtum handeln. Große Anfragen werden den Ausschüssen nicht überwiesen; sie sind mit der Aussprache erledigt.
Mein Antrag auf Ausschußüberweisung bezieht sich nur auf den Antrag betreffend die Howaldtwerke.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Es gibt wohl keine Partei in diesem Hause, für die die Haltung zu der hier behandelten Anfrage so eindeutig und so klar ist wie für die FDP.
Wir kämpfen stets und ohne jede Einschränkung, nicht wie Sie nur teilweise, für die Durchführung der freien Marktwirtschaft als der einzigen Wirtschaftsform, die unser Volk in Wohlstand gebracht hat. Wir kämpfen für die private Initiative und für den freien Wettbewerb. Wir bestreiten — Herr Burgbacher, hören Sie bitte zu — im Gegensatz zu Ihnen dem Staat das Recht, sich erwerbswirtschaftlich zu betätigen und mit der privaten Wirtschaft in einen Wettbewerb zu treten
— nein, Sie haben wesentliche Einschränkungen gemacht —, der naturgemäß immer mehr oder weniger unlauter sein muß.
Wir sind allerdings mit den Anfragern der Meinung, daß, solange und soweit Betriebe in der öffentlichen Hand sind, die parlamentarische Kontrolle erweitert werden muß. Insoweit halten wir uns an den Beschluß, den wir im Jahre 1955 mehr oder weniger gemeinsam gefaßt haben, bei dessen Verwirklichung Sie, meine Herren von der CDU, uns leider nicht geholfen haben.
Herr Dr. Deist fordert, daß der Bund wirtschaftliche Unternehmungen betreibt, weil ein öffentliches Interesse auf dem Spiele stehe. Das — Herr Dr. Deist, nehmen Sie es mir nicht übel — ist die gleiche unklar gehaltene Formulierung, die wir aus Stuttgart gehört haben. Auch dort hat man unter der Überschrift „freiheitliche Wirtschaft" — man hat das Wort „freiheitliche" gebraucht — eine
1646 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Atzenroth
öffentliche Kontrolle gefordert, wenn das Privateigentum seine gesellschaftlichen Funktionen nicht erfüllt. Alles viel Nebel, keine klaren Begriffe! Überall hat man die klaren, eindeutigen Begriffe vermieden, die es erst erlauben, zu Ihren Forderungen sachlich Stellung zu nehmen. Hinter allem steht nach unserer Meinung nach wie vor das Streben zur Sozialisierung.
Herr Dr. Deist fordert in seiner Begründung zu Teil A der Großen Anfrage einmal Sonderrechte für Unternehmen der öffentlichen Hand. So haben Sie z. B. eine Weisungsbefugnis des Aufsichtsrates an den Vorstand gefordert. Dann aber beklagen Sie sich wieder, daß das Aktienrecht nicht befolgt werde. Sie selber geben damit einen neuen Beweis dafür, daß man eben in der Wirtschaft nicht zweierlei Unternehmenstypen aufrechterhalten kann. Man kann vielmehr nur eine Art von Unternehmen betreiben, und das sind Unternehmen in privater Hand. Sie haben von der Stellung der Aufsichtsratsmitglieder gesprochen und den Fall vorgetragen, der sich seinerzeit im Wirtschaftsausschuß abgespielt hat und an den ich mich ganz genau erinnere. Damals haben zwei Aufsichtsratsmitglieder, zwei höhere Beamte des Bundes, erklärt, daß sie in dieser Eigenschaft nicht an die Weisungen der Regierung gebunden seien, sondern das Interesse des Unternehmens wahrzunehmen hätten, — wie es im Aktiengesetz steht. Ja, Herr Dr. Deist, wie hätten Sie sich denn verhalten? Sie sind doch in der gleichen Lage wie damals Herr Oeftering. Sie sind doch auch, wenn ich recht unterrichtet bin, in einer großen und wichtigen Gesellschaft vom Bund als Anteilseigener benanntes Aufsichtsratsmitglied. Soviel ich weiß, stimmt das; Sie können es ja nachher widerlegen. Bei der Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerks-AG liegt das Eigentum voll und ganz beim Bunde. Als solcher Anteilseigner, also Besitzer des Vermögens, hat er 18 Aufsichtsratsmitglieder gewählt, darunter zwei Staatssekretäre, die nun allein vielleicht in der Lage wären, den Willen des Bundes zur Geltung zu bringen. Alle anderen Aufsichtsratsmitglieder sind nicht Beamte des Bundes. Sie, Herr Dr. Deist, Abgeordneter des Deutschen Bundestages, sind nicht auf Grund des Mitbestimmungsgesetzes dort hineingewählt, sondern vom Bund als Anteilseigner zum Aufsichtsratsmitglied bestellt worden. Werden Sie, wenn Sie dort tätig werden, sich an die Weisungen des Bundes gebunden fühlen oder werden Sie das nicht tun?
Die Antragsteller haben weiter die Befürchtung ausgesprochen, daß die veräußerten Betriebe in die Hand von marktbeherrschenden Unternehmen gelangen könnten. Eine solche Gefahr sehen auch wir. Auch wir fürchten das, und wir wollen dem mit allen Kräften entgegentreten. Aber wir wollen nicht den Teufel mit Beelzebub austreiben. Denn den Bund als marktbeherrschenden Großkapitalisten fürchten wir mindestens in demselben Maße. So stark wird kein privater Großbesitz sein können, wie es der Bund als marktbeherrschende Stelle ist.
— Betrachten Sie einmal die Gesamtheit des Bundesbesitzes und vergleichen Sie sie mit dem größten Konzern, den es jemals in Deutschland gegeben hat, dann werden Sie das Mißverhältnis sehr schnell erkennen können.
Im Gegensatz zu den von Dr. Deist aufgestellten Behauptungen ist eine Preissenkung noch niemals von den öffentlichen Unternehmungen ausgegangen. Diese sind im allgemeinen an der Spitze marschiert, wenn es sich um Preiserhöhungen handelte, und die öffentliche Hand hat sich auch immer da, wo Kartelle vorhanden waren, sehr kräftig und sehr tatkräftig an diesen Kartellen beteiligt. Wenn Sie also die Gefahr der Marktbeherrschung an die Wand malen, dann stehen wir auf Ihrer Seite; aber wir gehen nicht den Weg, nun deswegen den Bund, die öffentliche Hand dort hineinzubringen; dadurch würde die Gefahr noch größer werden. Wir sehen die Möglichkeit, der Gefahr der Marktbeherrschung entgegenzuwirken, nur in einer sehr schnellen und sehr radikalen Änderung des Aktienrechts, und wir können uns da, Herr Burgbacher, nicht auf eine lange Vertröstung einlassen, sondern müssen die Bundesregierung auffordern, mit dieser Änderung sehr schnell Ernst zu machen; denn mit einer Änderung des Aktienrechts könnte die Gefahr am allerersten gebannt werden.
Wir sind mit der SPD auch nicht einig, wenn sie fordert, daß der Bund auf dem wirtschaftlichen Gebiet als Pionier aufzutreten habe. Dazu fehlen den staatlichen Stellen alle Voraussetzungen. Bei den von Dr. Deist genannten Plänen neuer Bundesbeteiligungen — die unsere Billigung keineswegs finden — handelt es sich durchweg um politische Pläne, die wirtschaftlich gesehen zum Teil geradezu unvernünftig sind. Wie kann man die Weigerung der chemischen Industrie, sich an einem europäischen Unternehmen zu beteiligen, einen Affront nennen? Ein Unternehmer ist verpflichtet, zu untersuchen, ob eine Beteiligung wirtschaftlich vernünftig ist oder nicht, und auch der Staat sollte ihn nicht nötigen, an unvernünftigen wirtschaftlichen Dingen teilzunehmen.
Wir begrüßen es — im Gegensatz zu Ihnen —, daß die Preußag als Testfall für einen allerdings sehr zögernden Schritt zur Privatisierung gewählt worden ist. Wir sind allerdings in diesem Falle auch mit dem Zögern einverstanden, Herr Dr. Deist. Wenn dieses Unternehmen wirtschaftlich wirklich so schwach gestellt ist, wie Sie es dargestellt haben, dann wird dieser Test natürlich negativ ausgehen; denn dann wird niemand diese Aktien an der Börse kaufen. Wir glauben aber gar nicht daran; wir glauben, daß die Aktien sich sehr gut verkaufen lassen.
Andererseits stehen wir auf dem Standpunkt, daß unwirtschaftliche Unternehmungen auf die Dauer auch von der öffentlichen Hand nicht betrieben werden dürfen. Die Spuren — Sontra, Barsinghausen usw. — schrecken; sie sollten auch Sie erschrecken.
Über den Fall Howaldtwerke wird mein Kollege Rademacher als Hamburger besonders sprechen.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1647
Dr. Atzenroth
Meine Damen und Herren! Aus dieser eindeutigen Haltung heraus begrüßen wir die Erklärungen, die Herr Minister Lindrath für die Bundesregierung abgegeben hat. Die darin entwickelten Grundsätze decken sich mit den unseren. Wir unterstreichen besonders die Bemerkung, daß keine Staatswirtschaft auf die Dauer die Schaffenskräfte auslösen kann, die in einer Volkswirtschaft möglich sind, in der Privateigentum von Generation zu Generation vererbt und vermehrt wird, in der selbständige Existenzen geschützt und gefördert werden.
Wir sind darüber hinaus aber der Ansicht -
und ich glaube, etwas Ähnliches haben auch Sie vorgetragen, Herr Dr. Deist —, daß unter rechtsstaatlichen Gesichtpunkten eine gesetzliche Regelung dieser Materie erforderlich ist. Auch eine wirtschaftliche Betätigung darf nicht im freien Ermessen der Verwaltung stehen, sondern sie erfordert bestimmte gesetzliche Voraussetzungen. Die bisher auf diesem Gebiet bestehenden Vorschriften - zum Teil sind sie von Herrn Dr. Deist genannt worden; sie sind 30, 40 Jahre alt — sind Stückwerk geblieben. Zur Ausfüllung dieser Lücke werden wir in allernächster Zeit unsern Gesetzentwurf über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand wieder vorlegen, und zwar mit gewissen Änderungen, die sich aus den inzwischen gemachten Erfahrungen ergeben haben, die aber nur den Fall der Privatisierung betreffen, nicht die Frage der Aufstellung von Grundsätzen. In unserm Gesetzentwurf wird das grundsätzliche Verbot einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand wieder ausgesprochen werden. Die nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen möglichen Ausnahmen sollen — hier treffen wir uns wieder, Herr Dr. Deist! — der Genehmigung der Parlamente unterworfen werden. Nach unserm Entwurf sollen den dann noch verbleibenden öffentlichen Betrieben weitgehende Publikationsvorschriften auferlegt werden. Die Unternehmungen, die diesen Voraussetzungen nicht entsprechen, sollen privatisiert werden.
Ebenso wie Herr Minister Lindrath fordern auch wir, daß man hier nicht überhastet vorgeht. Wir wollen Sicherheiten gegen eine Verschleuderung des öffentlichen Vermögens einbauen. Wir unterstützen den Minister auch darin, daß man den einzuschlagenden Weg für jeden Fall besonders überprüfen müsse und nur allgemeine Richtlinien aufstellen könne.
Schließlich soll auch uns der Gedanke leiten, daß die Veräußerung von Bundesvermögen zu einer breiten Streuung von Eigentum führen muß. Aber, Herr Burgbacher, das darf uns nicht davon abhalten, einen ersten energischen Schritt zu tun, und die Unterhaltung darüber, wie wir dieses Ziel erreichen, von dem Sie sehr ausführlich gesprochen haben, darf uns nicht hindern, uns energisch zu einem ersten Schritt zu entschließen.
Wir hoffen, daß sich die CDU diesmal bereitfinden wird, unsern Gesetzentwurf sachlich zu beraten. Im 2. Bundestag, in dem wir diesen Gesetzentwurf schon einmal eingebracht haben, ist es niemals zu einer sachlichen Beratung gekommen. Herr Dr. Hellwig, Sie haben es mir übelgenommen, daß ich gelegentlich gesagt habe, unser Antrag ruhe in der Schublade des Auschußvorsitzenden. Das war nicht wörtlich zu nehmen; in der Praxis ist es jedoch nicht anders gewesen. Ob er bei Ihnen oder hei Ihrer Sekretärin geruht hat, kommt wohl auf dasselbe heraus.
Meine Damen und Herren, was ist denn bisher geschehen? Es sind sehr viele Versicherungen und
Erklärungen abgegeben worden, aber immer von den Ministern oder den Abgeordneten, von denen wir wissen, daß sie unsere Gedanken teilen. Die anderen schweigen sich aus oder sagen das Gegenteil, und das ist sehr bedenklich. Daß der frühere Bundesfinanzminister völlig andere Ansichten hatte als sein Ministerkollege Dr. Lindrath, ist uns bekannt. Um so wichtiger wäre es uns, offiziell zu hören, wie sein Nachfolger, der heutige Bundesfinanzminister, zu dieser Frage steht. Wir hoffen zuversichtlich, daß er die Haltung seiner Kollegen Lindrath und Erhard teilt. Aber kann er sich in seinem Ministerium durchsetzen? Dort haben sich bisher die Widerstände gegen eine praktische Arbeit konzentriert. Dort muß der Hebel angesetzt werden, und das kann nur von der CDU aus geschehen.
Wie steht es mit den Erklärungen des Kollegen Arnold und anderer prominenter CDU-Vertreter im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen, in dem immer wieder Behauptungen aufgestellt werden, die mit Erklärungen, welche heute hier abgegeben worden
sind, nicht vereinbar sind? Was sagt schließlich
Herr Minister Lindrath zu der Forderung seines
Kollegen Seebohm, daß der Bund auf jedem Strom mindestens eine Reederei besitzen müsse? Das sind doch Widersprüche, die aufgeklärt werden müssen. Auch den Herrn Verteidigungsminister möchte ich hei dieser Gelegenheit ansprechen. Ich werde den Grund dafür gleich vortragen.
Wir fragen also: wo sind bisher die Taten geblieben? Die Veräußerungen, Tiber die Herr Minister Lindrath hier berichtet hat, berühren das grundsätzliche Problem nicht. Sie betreffen nur kleinere Unternehmungen und sind aus bestimmten zeitlichen Gegebenheiten erfolgt. Die erste Tat war die Vorlage des Gesetzentwurfs über die Privatisierung des Volkswagenwerks im 2. Bundestag. Die Unterschriften Dr. Adenauer und Dr. Erhard hätten eigentlich verpflichtet, obwohl sie damals ganz offensichtlich Wahlzwecken gedient haben. Die erneute Einbringung dieses Antrages in diesem Bundestag scheint dagegen eine ernsthafte Wandlung in der Haltung Ihrer Partei zu bedeuten. Wir waren darüber erfreut, wenn wir auch gegen die Technik und gewisse Einzelheiten des Entwurfs selbst sehr viele Einwendungen zu erheben haben.
Aber was ist nun seit einem halben Jahr geschehen? Ich glaube, Sie waren es, Herr Burgbacher, der sagte: Der Gesetzentwurf kann nicht weiter beraten werden, weil die Beratungen der Bundesregierung mit dem Land Niedersachsen nicht vor-
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Dr. Atzenroth
wärtskommen. Das darf doch kein Hindernis sein, sich nun einer Sache energisch anzunehmen, für die wir uns gemeinsam einsetzen wollen und die die Unterschriften Herrn Dr. Adenauers und Herrn Erhards trägt! Ich kann nicht einsehen, warum schon ein halbes Jahr hat vergehen müssen, ohne daß wir uns, abgesehen von einer kurzen Beratung im Rechtsausschuß, hier im Parlament mit dieser Frage beschäftigt haben. Wir haben die Befürchtung, daß noch einige Differenzen in den Reihen Ihrer Partei bestehen und daß daran die Inangriffnahme dieses Themas scheitert. Wenn sich aber schon bei einem Entwurf, den wir nur als, ich will einmal sagen, Torso einer Privatisierung betrachten, derartige Schwierigkeiten ergeben, was soll dann erst geschehen, wenn wir zu einer echten Realisierung der von Herrn Minister Lindrath vorgetragenen Gedanken kommen?! Hier muß einmal von der CDU ohne Einschränkung völlige Klarheit darüber geschaffen werden, was wir zu erwarten haben.
— Wie ich darüber denke, habe ich unmißverständlich ausgeführt. Über meine Stellung und Haltung kann und konnte doch seit Jahren wirklich kein Mißverständnis bestehen. Also den Einwand können Sie nicht erheben.
Ich möchte die Gelegenheit benutzen, das Hohe Haus auf einen besonders dringlichen Fall aufmerksam zu machen, der sich in einem Halbdunkel abspielt und an das helle Licht der Öffentlichkeit gebracht werden sollte. Es handelt sich um die Industrieverwaltungsgesellschaft in Bad Godesberq — eine Freundin von mir, nicht wahr, Herr Dr. Hellwig?
Ja, den können wir darüber schreiben. — Dieses Unternehmen wird in der Form der GmbH betrieben, unterliegt also nicht den Publikationsvorschriften für eine Aktiengesellschaft. Es nutzt dieses Vorrecht weidlich aus. Sein Stammkapital beträgt 150 Millionen DM. Es wird auf Grund des sogenannten Vorschaltgesetzes als Vermögen des ehemaligen Reiches vom Bund verwaltet. Seit 1953 habe ich in vielen Kleinen Anfragen und auch durch direkte Befragung des Bundesfinanzministers Klarheit darüber zu erhalten versucht, welchen Zwecken dieses Unternehmen eigentlich dient, welche wirtschaftliche Entwicklung es genommen hat und wie hoch die Vermögenswerte sind, über die es verfügt.
— Ich fürchte auch. Die uns erteilten Antworten waren unbefriedigend, zum Teil nichtssagend. Wir sollten dem Beispiel von Herrn Dr. Deist folgen und das einmal zum Gegenstand einer Großen Anfrage machen, damit wir hier wirklich einmal in aller Ausführlichkeit darüber sprechen können. Aus den Antworten, die wir erhielten, ging aber deutlich hervor, daß man sich nicht in die Karten gucken lassen wollte. Leider beschränkt sich der Wissensdurst auf
meine Fraktion. Andernfalls hätte das höchste Organ des deutschen Volkes, der Bundestag, seinen Finanzminister wohl zwingen können, klar und ohne Vorbehalte Angaben zu machen, auf die wir doch ein Anrecht haben.
Zum Eigentum der genannten Gesellschaft gehört namhafter Industriegrundbesitz, von dem ein Teil in letzter Zeit veräußert worden ist. Zu welchen Zwekken und mit welchen Zielen ist unbekannt. Zur IVG gehört auch die Vereinigte Tanklager- und Transportmittel-GmbH. Warum eigentlich? Nach einer Auskunft, die wir im Dezember 1956 erhalten haben, hat die IVG keine Dividende an den Bund gezahlt. Die Gesellschaft hat aber große Erträge erzielt und vor allem Vermögen in beträchtlichem Umfang veräußert. Wo sind die Gegenwerte geblieben? Ich frage deshalb die Regierung, wann mit der Liquidierung dieser Gesellschaft zu rechnen ist. Kann die Bundesregierung die Versicherung abgeben — diese Frage ist sehr wichtig —, daß diese Gesellschaft nicht etwa die Grundlage zu einem Rüstungskonzern abgeben soll und daß die Schaffung eines solchen überhaupt nicht geplant ist? Das ist der Grund, weshalb ich vorhin auch den Herrn Bundesfinanzminister angesprochen habe. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir darauf eine eindeutige und klare Antwort erhalten könnten.
Ich sage noch einmal, Herr Arndgen, unsere Stellungnahme ist immer klar gewesen, wir stehen voll und ganz hinter den Erklärungen, die der Herr Bundesminister Lindrath für die Bundesregierung abgegeben hat. Wir wünschten nur, daß mit der Verwirklichung nun endlich Ernst gemacht wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesen grundsätzlichen Ausführungen meines Kollegen Atzenroth, der damit eine Haltung bestätigt hat, die wir in unserer Wirtschaftspolitik immer eingenommen haben, ist es meine Aufgabe, zu dem Verkauf der Howaldtwerke und zu dem dazu vorliegenden Antrag Stellung zu nehmen. Das wird mir hier und da die Möglichkeit geben, auf einige grundsätzliche wirtschaftspolitische Äußerungen sowohl der SPD als auch der CDU einzugehen.
Die grundsätzliche Bereitschaft zur Privatisierung ist bekannt. Ebenso sollte bekannt sein—ich möchte es hier mit aller Deutlichkeit wiederholen —, daß wir bei der Verwirklichung dieses Grundsatzes jede Verschleuderung von Bundesvermögen ablehnen werden. Darum geben wir ganz offen zu, daß es ein schlechtes optisches Bild gewesen ist, daß in diesen Verkaufsverhandlungen seit 1951 für beide Werke — Kiel und Hamburg — erst 30 Mill ionen DM, dann 20, dann 25, dann 26 und schließlich jetzt 34 Millionen DM für das eine angeboten worden sind. Wir bedauern diese Entwicklung. Herr Bundesminister
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Rademacher
Lindrath hat ja hier sehr deutlich gesagt, daß auf Grund einer Unterhaltung, die mit dem hamburgischen Senat stattgefunden hat, insbesondere mit dem Zweiten Bürgermeister, meinem Parteifreund Herrn Engelhard, nunmehr eine zweite Treuhandgesellschaft beauftragt wurde, noch einmal eine genaue Nachprüfung über den gerechten Preis, wie ich ihn nennen möchte, vorzunehmen. Wir begrüßen, daß die Bundesregierung und der Herr Bundesschatzminister dieser Anregung gefolgt sind.
Ein zweiter Punkt, der meines Erachtens mit Recht beanstandet wurde, sind die Zahlungsbedingungen. In dem vorläufigen Abkommen war vorgesehen, die 34 Millionen DM, wenn es bei diesem Betrag zum Abschluß gekommen wäre, in Halbjahresraten in etwa drei Jahren zu bezahlen. Es ist sicherlich durchaus marktgängig, daß die Rückstände mit 6 % verzinst werden. Aber, ich glaube, wir werden bei diesen Zahlungsbedingungen den schlechten optischen Eindruck nicht verhindern können, daß die Erwerber der Howaldtwerke die Raten halbjährlich oder ganzjährlich zunächst einmal aus dem Gewinn dieses Unternehmens zahlen wollen. Darum ist es gut, daß wir erneut auch über die Zahlungsbedingungen verhandeln.
— Verzeihen Sie, es geht doch jetzt darum, daß die Ratenzahlung über drei Jahre in sechs Raten an sich optisch schlecht ist.
Herr Professor Burgbacher hat im Auftrage der CDU zum Ausdruck gebracht: Wir wünschen eine breite Streuung und auch eine soziale und praktische Verwendung des Ergebnisses eines solchen Verkaufs. Dazu kann ich vom hamburgischen Standpunkt aus nur sagen: wir würden es sehr begrüßen, wenn die Erwerber, also die Dortmund-Hörder Hütte, Siemens-Schuckert und die Deutsche Bank, den Betrag, der zu vereinbaren ist, möglichst in einer Summe auf den Tisch legten, weil man damit wieder Sozial- oder Wirtschaftspolitik oder, wie wir es in Hamburg in unserer besonderen Situation erhoffen, gleichzeitig eine Verkehrspolitik für einen Hafen treiben könnte, von dem Sie wissen, daß er sich in einer besonders schwierigen Situation befindet.
Lassen Sie mich das beweisen und hierzu einschalten, daß ich zu meiner allergrößten Überraschung gestern in einer hamburgischen Tageszeitung gelesen habe, der Erste Vorsitzende des Landesverbandes der Deutschen Partei, Herr Dr. Seebohm, habe zum Ausdruck gebracht, er — der ja doch seit neun Jahren für die Verkehrspolitik verantwortlich ist! — sei mit den Leistungen des Bundes für Hamburger Verkehrsprojekte nicht zufrieden. Ich darf das bei dieser Gelegenheit hier einmal in Klammern erwähnen.
Breite Streuung des Eigentums!
— Ich habe die Herren von der CDU auch nicht
unterbrochen, Herr Pelster. Wenn Sie schon Zwischenrufe machen, dann bitte so deutlich und präg- nant, daß wir es alle verstehen!
Meine Damen und Herren, es ist eine Grundsatzforderung der FDP, soviel wie möglich zu privatisieren. Aber eine breite Streuung des Eigentums kann man immer nur an den dafür geeigneten Objekten vornehmen. Das ungeeignetste Objekt für eine breite Streuung des Eigentums ist nun einmal eine Schiffswerft. Eine Schiffswerft ist, wenn ich das abwandelnd so sagen darf, wirtschaftlich gesehen ein besonderer Saft. Ich glaube, für den Verkauf einer Werft — es mag ähnliche Objekte geben — ist eine breite Eigentumsstreuung nicht vertretbar. Hinzu kommt, daß sich diese Werft auf hamburgischem Staatsgelände befindet. Auch ist es, vor allen Dingen in einer Zeit, in der die Konjunktur nicht besonders stark ist, für die Erhaltung der Leistungsfähigkeit von Werften außergewöhnlich wichtig, daß sie mit der eisenschaffenden Industrie in einer Art Verbund stehen. Dieser Verbund ist von der Schelde über Ems, Weser und Elbe bis zur Trave tatsächlich gegeben. Ich darf hier nur an den erfreulichen und erfolgreichen Verbund der Deutschen Werft in Hamburg mit der Gutehoffnungshütte erinnern.
Meine Damen und Herren, ich sage das deswegen, um klarzumachen, daß es Objekte gibt, bei denen man eine breite Eigentumsstreuung durchführen kann, daß es aber auf der anderen Seite Objekte gibt, die für die breite Eigentumsstreuung absolut ungeeignet sind. Zu diesen gehören eben die Werften. Darum sollte man sich meines Erachtens auch nicht so sehr über die Tatsache aufregen, daß Dortmund-Hörder Hütte, Deutsche Bank und Siemens, also immerhin ein relativ geschlossenes Konsortium, bereit sind, die Howaldtwerke zu übernehmen. Auf die Frage dieser Beteiligung werde ich aber noch eingehen.
Ich bin dem Herrn Bundesschatzminister Lindrath natürlich sehr dankbar dafür, daß er hier eine Unrichtigkeit — verzeihen Sie, Herr Dr. Deist — klargestellt hat. Herr Dr. Deist, Sie haben gesagt -und ich habe an dieser Stelle eine Zwischenfrage gestellt —, Sie verbürgten sich dafür, daß die hamburgische Regierung bereit sei, die Howaldtwerke in toto zu erwerben. Meine Damen und Herren, das ist unrichtig. Das war für die alte Regierung unrichtig, und das ist auch für die neue Regierungskoalition absolut unrichtig. Ich lege, auch aus politischen Gründen, sehr viel Wert darauf, dies hier einmal klarzustellen. Der Hamburger Senat hat sich bereit erklärt, eine 26%ige Sperrminorität zu übernehmen. Aber ich sage Ihnen ganz offen: weder der Sozialdemokratie noch den Freien Demokraten in Hamburg ist bei dieser Sache hundertprozentig wohl. Wir werden uns diese Dinge noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Denn in einer Zeit der Konjunkturabflachung sind damit für einen Staat ungewöhnliche Risiken verbunden. Wenn es trotzdem vorgeschlagen ist, hatte es tatsächlich einen sehr starken politischen Hintergrund. Wir wollten nämlich auch der etwas nervös gewordenen
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Rademacher
Belegschaft der Howaldtwerke sagen: „Durch diese Sperrminorität können eure Bedenken ausgeräumt werden." Leider hat das nicht zu dem gewünschten Erfolge geführt. Denn der Streik ist von der zuständigen Gewerkschaft leider angesagt worden; er ist aber — hier kann ich nun wieder sagen, erfreulicherweise — von höchstens 50 % der Arbeiterschaft befolgt worden.
Wir haben durch die Ausführungen von Herrn Professor Burgbacher doch wohl den Eindruck gewinnen sollen, daß eine ziemliche Einigkeit oder überhaupt eine Einigkeit innerhalb der CDU über diese Frage der Privatisierung besteht. Ich gestatte mir, das auf Grund gewisser Ereignisse und Veröffentlichungen genau wie mein Freund Atzenroth bei dieser Gelegenheit noch einmal zu bezweifeln. Wir wissen, daß — entschuldigen Sie, das ist so ein landläufiger Ausdruck — der Erhard-Flügel diesen Dingen selbstverständlich positiv gegenübersteht und daß es hier keine Meinungsverschiedenheit zwischen der Auffassung der FDP und der Ansicht eben dieser Gruppe gibt. Aber wenn ich mich recht erinnere, hat vor einiger Zeit — es ist erst einige Wochen her — der Sozialausschuß der CDU sehr vorsichtig, ich möchte beinahe sagen, negativ zu diesen Dingen Stellung genommen. Das ist auch entsprechend durch die Tagespresse gegangen.
Herr Professor Burgbacher war auch so freundlich, die Empfehlung von Herrn Dr. Adenauer hier zu erwähnen; Verzeihung, ich würde unseren verehrten Bundeskanzler natürlich nicht einfach schlicht „Herr Dr. Adenauer" nennen. Es handelt sich um Herrn Dr. Adenauer junior, damit Sie unterrichtet sind. Er ist, glaube ich, der Vorsitzende des Arbeitskreises für Privatisierung, zumindest in Nordrhein-Westfalen; genau kenne ich mich da nicht aus. Dort hat er den Freunden der CDU-Fraktion des Bundestages empfohlen, dem Verkauf der Howaldtwerke AG Hamburg en bloc nicht zuzustimmen; en bloc, meine Damen und Herren! Heißt das nun, daß wegen der Streuung der Verkauf abgelehnt ist? Dann mußte sich dieser Arbeitskreis für Privatisierung allerdings auch ganz spezifisch mit der Situation der Howaldtwerke, der Howaldtwerft befassen. Sonst, meine verehrten Damen und Herren von der CDU, können wir uns des Gedankens nicht erwehren, daß es doch mehr eine grundsätzliche Abneigung ist als eine spezielle Abneigung gegen den Verkauf oder die Privatisierung der Howaldtwerke.
Sie werden es mir nicht übel nehmen, wenn ich auf diese Dinge ein bißchen ausführlich eingehe. Der neue Vorsitzende der CDU in Hamburg, Herr Blumenfeld, der jetzt sein politisches come back bei uns feiert, hat sich mit sehr großer Deutlichkeit gegen den Zweiten Bürgermeister von Hamburg, also meinen Parteifreund Engelhard, gewandt und gesagt: „Du willst nicht verkaufen, Ihr seid gegen die Privatisierung der Howaldtwerke." Er hat schreckliches Pech gehabt. Denn bald darauf kam die Äußerung des Sozialausschusses der CDU, und inzwischen wird wohl auch diese Stellungnahme des Arbeitskreises für Privatisierung bekanntgeworden sein. So kommen wir von den Freien
Demokraten leider nicht immer von dem Gedanken los: Die Rechte der CDU weiß nicht immer, was die Linke tut.
Lassen Sie mich auch ein wenig zu den Argumenten der SPD sagen. Ich muß Ihnen sagen, Herr Dr. Deist, es war wirklich sehr pikant für mich, zu hören, daß der Verkauf der Howaldtwerke an diese Gruppe Bedenken in Ihren Kreisen ausgelöst hat, weil 41 % der Dortmund-Hörder Hütte im Besitz Hollands sind, und Sie haben ergänzt, des holländischen Staates und der Stadt Amsterdam. Aber, meine Herren von der Sozialdemokratie, haben gerade Sie von der SPD so besondere Angst gegen eine holländische Staatsbeteiligung?
— Das ist doch eine sehr amüsante Feststellung, meine ich.
— So haben Sie es ausgeführt, so ist es gesagt worden, Herr Dr. Deist. Sie, Herr Dr. Deist, haben doch mit voller Begeisterung der Europäischen Wirtschaftsunion in diesem Hause zugestimmt. Dann kann ich, wenn Sie bei einer Auslandsbeteiligung — ich will einmal von der Staats- und Stadtbeteiligung absehen — solche Bedenken haben, mit dem letzten August von Sachsen nur sagen: Ihr seid mir schöne Europäer!
Herr Abgeordneter Rademacher, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Dr. Deist? -- Bitte!
Herr Abgeordneter Rademacher, war Ihnen nicht aufgefallen, daß ich über die Prinzipien der Regierung und der CDU gesprochen und gefragt habe, ob es eine Privatisierung sei, wenn man öffentliches Eigentum des Bundes in Besitz bringe, der letzten Endes beim holländischen Staat liege? Ich glaube, das dürfte Ihnen nicht entgangen sein, so daß ich Ihnen dankbar wäre, wenn Sie mir bestätigten, daß Ihr Angriff insofern an dem, was ich gesagt habe, vorbeiging.
Dann eine zweite Frage. Meinen Sie wirklich, Herr Abgeordneter Rademacher, daß die Frage, ob ein deutscher Stadtstaat oder ein ausländischer Staat beteiligt werden sollte, irgend etwas mit einer realistischen europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu tun hat, insbesondere, wenn dabei erhebliche wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte auf dem Spiele stehen, wie hier auch von der Bundesregierung bestätigt worden ist?
Herr Dr. Deist, Ihre erste Frage möchte ich wie folgt beantworten. Die CDU hat zu dieser Sache ja keine Stellung genommen und sich auch keine Gedanken darüber gemacht. Die Dinge sind von dem Bundesschatzminister verhandelt worden, und eine Gruppe hat sich angeboten, bei der nun zufälligerweise ich möchte es
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1651
Rademacher
wirklich mehr oder weniger als einen Zufall hinstellen — eine Beteiligung des holländischen Staates und Amsterdams vorhanden gewesen ist. Aber Sie haben ja selbst die Zahl von 41 % genannt; bei 41 % plus 26 % Deutsche Bank — bei der Sie allerdings einige Bedenken haben — plus 26 % Siemens und plus 26 % Sperrminorität, die ja offen ist, sind Ihr Bedenken doch wirklich gegenstandslos. Wenn man fürchtet, die arbeitspolitischen Gefahren seien so groß, kann ja der hamburgische Staat mit 26 % einsteigen; er hat diese Option. - Ich glaube, diese Dinge sind wirklich übertrieben und einseitig gesehen worden, Herr Dr. Deist.
— Ich wollte Ihnen nicht wehtun, als ich diesen Ausdruck von den „schönen Europäern" verwendete. Aber es wird nachher vice versa ähnliche Situationen geben, Herr Dr. Deist; das werden Sie mir zugeben. Es wird sicherlich — insbesondere da gerade Sie so hartnäckig an der staatlichen Beteiligung in großen Werken in Deutschland festhalten — umgekehrt zu deutschen Beteiligungen im Rahmen der EWU kommen, wo umgekehrt dieselbe Situation, diesmal aber vom Gefahren-Standpunkt der Franzosen oder Italiener usw. eintreten wird. Deshalb den Stab über Europa zu brechen, steht Ihnen bei Ihrer Einstellung in diesem Fall wohl nicht zu.
Ich will versuchen, daß ich mit meinen Ausführungen zu Ende komme. Aber ich kann mir doch auch nicht versagen, in diesem Zusammenhang einmal festzustellen, daß es sehr schwierig ist, die Ausführungen, die Herr Dr. Deist hier gemacht hat, im ganzen gesehen mit den Maximen des Stuttgarter Parteitags in eine Linie zu bringen. Ich will versuchen, das kurz mit einigen Beispielen zu beweisen.
Man hat z. B. in Stuttgart gesagt, daß man die Privatisierung öffentlicher Betriebe — Beispiel: Deutsche Bundesbahn; wir sind darüber anderer Meinung — ablehnt. Aber darf ich Sie fragen, meine Damen und Herren von der SPD: ist denn Howaldt ein öffentlicher Betrieb? Das werden Sie doch nach Ihrer Wirtschaftskonzeption nicht behaupten können. Ich glaube, Sie können nicht einmal behaupten, daß öffentliche Interessen im breitesten Sinne des Begriffes bei der Privatisierung oder dem Verkauf der Howaldtwerke zur Debatte stehen. Eine andere Frage: ist Howaldt nach Ihren Grundsätzen ein Betrieb der Energiewirtschaft, also enteignungsreifes Eigentum, das demnach im Staatsbesitz zu verbleiben hätte? Ich glaube, Herr Dr. Deist, all das können Sie und Ihre Freunde für die Howaldtwerke nicht behaupten. Demnach scheint es mir auch bei Ihnen so zu sein — wenn ich das noch einmal, um gerecht zu urteilen, wiederhole, daß manchmal die Linke nicht weiß, was die Rechte haben möchte; oder umgekehrt, das überlasse ich Ihrer Beurteilung.
Die Ausführungen meines Freundes Atzenroth und das, was ich Ihnen hier vorgetragen habe, sollten eigentlich der Öffentlichkeit zeigen, von welcher Bedeutung es ist, auch in der Wirtschaftspolitik in diesem Staate eine Partei, eine dritte Kraft zu haben, die einmal den Mut hat, diese sehr verschwommenen wirtschaftspolitischen Begriffe in den beiden großen Parteien anzugreifen und klarzustellen, damit die Leute draußen wenigstens begreifen, wer über diese Dinge klar denkt und wer nicht.
Die Privatisierung der Howaldtwerke ist von einer ganz besonderen Bedeutung. Sie ist der Gegenstand der Privatisierung, der zum erstenmal öffentlich diskutiert wird. Die Öffentlichkeit wird sich an diesem Vorfall orientieren und ausrichten, wenn ich dieses etwas häßliche Wort gebrauchen darf. Man wird sagen: Hier wird symbolisch endlich einmal praktisch gezeigt, wie eigentlich die einzelnen Parteien zu der ganzen Wirtschaftspolitik, zu der freien Marktwirtschaft und zur freien Wirtschaft überhaupt stehen. Ich glaube, das ist der besondere Wert der heutigen Debatte gewesen.
An sich wären wir bei unserer klaren Haltung geneigt, den Antrag der SPD von vornherein abzulehnen. Weil es aber darauf ankommt, rechtzeitig durch die Kontrolle des Parlaments über die weiteren Verhandlungen unterrichtet zu sein, werden wir der Überweisung an den entsprechenden Ausschuß zustimmen, die ich hiermit im Namen meiner Freunde beantrage.
Das Wort hat der Abgeordnete Katzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Deist hat geäußert, daß die CDU gar nicht die Absicht habe, eine Politik der breiten Eigentumsstreuung vorzunehmen, und aus den Äußerungen des Herrn Kollegen Rademacher, der vorhin gesprochen hat, waren Spekulationen über eine angebliche Spaltung in der CDU zu entnehmen. Er meinte, die Linke wisse nicht, was die Rechte tue. Nun, bei der FDP ist die Spannweite sicher nicht so groß wie bei der CDU, Herr Kollege Rademacher; aber ich habe den Eindruck, daß die Spannungen zwischen Düsseldorf, Hamburg und Baden-Württemberg beispielsweise keineswegs geringer sind.
— Eben!
Der Herr Bundesminister für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes hat auch auf die Frage des Herrn Kollegen Atzenroth, wie die Union eigentlich zur Frage der Privatisierung von Bundesvermögen stehe, eine Antwort gegeben. Er hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es dafür zwei Gründe gibt, und zwar einmal wirtschaftspolitische und zum anderen gesellschaftspolitische. Im Anschluß an die Debatte über den Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Volkswagenwerk GmbH war in vielen Zeitungen, insbesondere in Wirt-
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Katzer
schaftszeitungen, zu lesen, die lobenswerten Ansätze zur Privatisierung öffentlichen Erwerbsvermögens seien leider mit hochtrabenden gesellschaftspolitischen Zielen verquickt worden. Auch vorhin wurden ja angeblich einige sozialistische Akzente entdeckt. Deshalb bin ich dankbar, daß der Herr Schatzminister diese zweifache Wurzel genannt und deutlich gemacht hat, daß unsere gesellschaftspolitischen Überlegungen nicht am Rande der Wirtschafts- und der Sozialpolitik stehen, die eine dienende Funktion zu erfüllen haben.
Daß die Begründungen der wirtschaftlichen Meinungen zwischen SPD und CDU weit auseinandergehen, ist aus der bisherigen Diskussion deutlich geworden; ich möchte mich jetzt auf die gesellschaftspolitische Zielsetzung beschränken.
Dabei darf ich zunächst meiner Genugtuung Ausdruck geben, daß das jahrelange Drängen der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft nach einer breiten Streuung des Eigentums mehr und mehr von Erfolg gekrönt wird. Nachdem sich die Gesamtpartei und die CDU-Fraktion die Forderung „Eigentum für alle", die insbesondere der vorhin apostrophierte Kollege Arnold immer wieder erhoben hat, zu eigen gemacht haben, ist die Diskussion nicht mehr abgebrochen. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kollege Ollenhauer, hat in seiner Stellungnahme zu der Regierungserklärung den Mißbrauch der Volksaktie als Mittel zum Ausverkauf des Bundesvermögens zwar mit Entschiedenheit abgelehnt, aber er hat ausdrücklich betont, daß die SPD der Forderung nach der Volksaktie positiv gegenüberstehe. Daß wir uns gegen den Mißbrauch der Volksaktie wehren, braucht nicht betont zu werden. Es wäre immerhin erfreulich, wenn sich die SPD für das Mittel der Volksaktie nicht nur in der Theorie, sondern auch für den Gebrauch in der Praxis einsetzte.
Wie ernst die CDU/CSU das Anliegen einer breiten Eigentumsstreuung nimmt, geht aus der Beratung des vorliegenden Antrags der SPD Drucksache 367 betreffend Howaldtwerke deutlich hervor. Herr Kollege Burgbacher hat schon gesagt, daß das gesellschaftspolitische Anliegen in den vom Schatzministerium bisher geführten Verhandlungen noch zu wenig berücksichtigt worden ist. Dabei hat sich der Herr Schatzminister allerdings von dem berechtigten wirtschaftspolitischen Gesichtspunkt leiten lassen, daß bei der Schaffung von Volksaktien mit größter Behutsamkeit vorgegangen werden muß. Krisenempfindliche Werke sind nun einmal, nicht zuletzt auch aus gesellschaftspolitischen Erwägungen, für die Ausgabe von Volksaktien wenig geeignet. Aber das bedarf der Prüfung, Herr Kollege Rademacher; das kann nicht einfach, wie Sie es getan haben, unterstellt werden. Aus dieser Erkenntnis hat die CDU/CSU-Fraktion die Regierung gebeten, zu prüfen, ob andere Möglichkeiten bestehen — Einbringung der Verkaufssumme in eine Investmentgesellschaft, Ausgabe von kleinstgestückelten Aktien durch die Käufergruppe etc. —, dieses gesellschaftspolitische Ziel zu verwirklichen.
Bei der Belegschaft der Howaldtwerke besteht die Sorge, daß die Sicherheit der Arbeitsplätze gefährdet werden könne. In einer Erklärung des DGB dazu heißt es, die Belegschaft sei nicht bereit, auf die Früchte ihrer Arbeit zu verzichten. Nun, ich möchte sagen: ganz im Gegenteil! Wir wollen, daß sie mehr noch als bisher an den Früchten ihrer Arbeit teilnehmen kann. Dabei wird sich, wie ich am Rande bemerken darf, die Politik einer breiten Streuung des Eigentums — ich bedauere, daß Herr Kollege Atzenroth nicht da ist — nicht nur auf Privatisierungsmaßnahmen, nicht nur auf Wohnungsbau und Sparprämiengewährung beschränken dürfen. Die Frage der Beteiligung der Arbeitnehmerschaft auch an der Investitionsrate des Sozialprodukts gehört gerade vom Blickpunkt gesellschaftspolitischer Überlegungen mit in diesen Fragenkomplex hinein. Es gibt sicherlich noch weitere Möglichkeiten. Mit der Einholung eines sozialökonomischen Gutachtens durch die Bundesregierung ist jedenfalls den Wünschen auf stärkere Berücksichtigung unserer gesellschaftspolitischen Anliegen vorerst Rechnung getragen worden, und das begrüßen wir sehr.
Es ist selbstverständlich, daß bei diesen Überlegungen auch die berechtigten Anliegen der Arbeiter und Angestellten der Howaldtwerke berücksichtigt werden müssen. Ähnliche Vorschläge, wie die CDU/CSU sie in dem Gesetzentwurf über die Regelung der Verhältnisse beim Volkswagenwerk gemacht hat — Sozialrabatt von 10 oder 20 % für die Bezieher kleiner Einkommen beim Erwerb von Aktien —, sollten selbstverständlich auch bei der Privatisierung der Howaldtwerke verwirklicht werden. Dabei besteht kein Zweifel, daß die Wünsche zur Reform des Aktienrechts — stärkere Publizität, stärkere Stellung des kleinen Aktienbesitzers — mit der Privatisierung Hand in Hand zu gehen haben. Angesichts dieser neuen Vorschläge darf, so hoffe ich, erwartet werden, daß der Betriebsrat der Howaldtwerke, dessen Sorge über die künftige Entwicklung des Werkes unsere volle Aufmerksamkeit findet, zu einer der neuen Sachlage angepaßten Überprüfung seiner Beschlüsse kommt.
Daß die überwiegende Zahl der Arbeiter- und Angestelltenschaft der Eigentumspolitik der Union ihre Zustimmung gibt, haben im übrigen die letzten Bundestagswahlen in überzeugender Weise bewiesen.
Bei allem Respekt vor Meinungsumfragen sollten wir, meine ich, das Ergebnis der Wahlen zum Deutschen Bundestag nicht verfälschen lassen.
Wenn allerdings die SPD, der DGB und auch die IG Metall glauben — in diesen Chor hat nunmehr auch die FDP mit Herrn Rademacher eingestimmt —, ihre Hoffnung auf eine Zersplitterung der christlichdemokratischen Kräfte setzen zu können, dann darf ich ihnen versichern, daß sie bitter enttäuscht werden.
Deutsches Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1653
Katzer
Es ist weder ein Geheimnis noch eine Sorge der CDU, daß um die Frage der besten Verwirklichung der Eigentumspolitik in unseren Reihen heftig gerungen wird. Das ist nicht die Schwäche, sondern die Stärke der CDU.
Aber in dem Willen, zu einer breiten Streuung des Eigentums zu kommen, ist die Union einig, geschlossen und entschlossen.
Die Zeitung der IG Metall vom 11. Juni 1958 schreibt: „CDU-Sozialausschüsse gegen Privatisierung bei Howaldt". Diese Überschrift entspricht nicht der Wahrheit.
Wahr ist vielmehr, daß die Privatisierung in der beabsichtigten Form von den rheinischen Sozialausschüssen abgelehnt wurde, übrigens nicht nur von Herrn Dr. Konrad Adenauer jr., sondern auch vom rheinischen Wirtschaftsausschuß der CDU. Sie mögen also erkennen, daß hier eine viel größere Gemeinsamkeit besteht, als manchem vielleicht lieb sein mag.
In einem Kommentar der „Welt der Arbeit" vom 6. Juni heißt es:
Bei der Bundestagsdebatte über das Schicksal der Howaldtwerke werden wir ja erfahren, wie stark der sogenannte „linke" Flügel in der CDU/CSU ist.
Nun, die Berücksichtigung unserer gesellschaftspolitischen Auffassungen durch Regierung und CDU/ CSU-Fraktion gibt hier eine klare Antwort.
Es wäre allerdings an den Deutschen Gewerkschaftsbund und die Industriegewerkschaften die Frage zu richten, wieweit sie denn bereit sind, sich überhaupt mit den gesellschaftspolitischen Vorstellungen der christlichen Demokraten zu befassen. Ich sage nicht ohne Grund: „überhaupt zu befassen Der Ausgabe der „Welt" vom 10. Juni zufolge hat es auf dem Verbandstag der IG Bergbau eine leidenschaftliche Debatte über die Frage einer Zusammenarbeit zwischen der Industriegewerkschaft Bergbau und der SPD bei der Aufstellung von Neuordnungsplänen für den Bergbau gegeben. Der Vorsitzende der IG Bergbau erklärte, daß zu keiner Zeit Gespräche mit der SPD über den Neuordnungsplan der Gewerkschaft geführt worden seien; die 1G Bergbau sei eine selbständige Bewegung; diese Selbständigkeit werde sie gegenüber allen Parteien, auch gegenüber der SPD, erhalten.
Eine andere Vorstellung von der Selbständigkeit gegenüber politischen Parteien herrscht offenbar bei der Industriegewerkschaft Metall. In einem Artikel „Gemeineigentum und Wirtschaftslenkung aktueller denn je", den Otto Brenner in der Mai-Nummer 1958 der SPD-Betriebsgruppenzeitung „Arbeit und Freiheit" in seiner Eigenschaft als erster Vorsitzender der IG Metall und nicht als Sozialdemokrat geschrieben hat, heißt es unter anderem:
Ein Beispiel für die Vielfalt der Möglichkeiten
öffentlicher Kontrolle ist der Gesetzesentwurf
Dr. Deists und Genossen zur Überführung des Volkswagenwerks in eine Stiftung, der zusammen mit der IG Metall erarbeitet wurde.
Ich darf vielleicht der Hoffnung Ausdruck geben, daß der DGB und die angeschlossenen Industriegewerkschaften es sich künftig angelegen sein lassen, die gesellschaftspolitischen Vorstellungen der größten Partei und der stärksten Fraktion dieses Hauses wenigstens einer Überprüfung zu unterziehen.
Herr Abgeordneter Katzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Deist?
Bitte schön.
Herr Abgeordneter Dr. Deist!
Ist Ihnen nicht ein Irrtum unterlaufen? Vielleicht wäre es gut, ihn zu berichtigen. Die Richtigstellung der IG Bergbau und meine eigene betrafen die Bestrebungen der IG Bergbau auf Überführung des Kohlenbergbaus und der Energiewirtschaft in eine gemeinwirtschaftliche Ordnung. Insoweit trifft diese Berichtigung zu. Daneben und völlig unabhängig davon steht der Gesetzentwurf auf Überführung des Volkswagenwerks in eine Stiftung. Da haben wir niemals bestritten — es ist seit langem bekannt —, daß bei diesem Gesetzentwurf Gewerkschaftler von IG Metall und andere Sosialdemokraten zusammengearbeitet haben. Ich glaube, Sie können da keinen Widerspruch feststellen. Wir haben beide Feststellungen seit langer, langer Zeit getroffen.
Herr Abgeordneter Dr. Deist, selbst bei wohlwollendster Betrachtung war das keine Frage mehr.
Ich weiß nicht, was ich antworten soll; denn Sie haben keine Frage gestellt, Herr Dr. Deist. Ich möchte nur folgendes sagen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die angeschlossenen Industriegewerkschaften sind Einheitsgewerkschaften, in denen Kollegen aller politischen Parteien stehen. Ich meine, es ist sehr merkwürdig, daß mit einer politischen Partei Neuordnungsvorschläge ausgearbeitet werden, ohne daß die Kollegen anderer politischer Auffassungen dazu auch nur gehört werden. Das habe ich zum Ausdruck bringen wollen, nicht mehr und nicht weniger.
Ich habe gesagt, ich wolle der Hoffnung Ausdruck geben, daß man uns künftig wenigstens dazu hört, so wie das gottlob — das darf ich hier anerkennenderweise sagen — die Deutsche Angestelltengewerkschaft, der DHV und die CGD erfreulicherweise getan haben.
1654 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Katzer
Es kommt ja — das ist ein ernstes Anliegen — bei der Verwirklichung unserer Vorschläge nicht zuletzt auch auf eine Mitarbeit der Gewerkschaften an. Herr Kollege Arnold — ich darf ihn nochmals zitieren, weil er vorhin apostrophiert wurde — erklärte dieser Tage zu dem gesamten Fragenkomplex mit Recht:
Wir dürfen nicht übersehen, daß eine Gesellschaftsordnung, die auf dem richtigen Grundsatz des Privateigentums aufgebaut ist, nur von denen bejaht und verteidigt wird, die selbst die Chance und die Möglichkeit haben, Privateigentum zu erwerben. Die Alternative unserer Tage lautet: persönliches Eigentum in Arbeiterhand oder Staatskapitalismus nach östlichem Vorbild. Unsere Entscheidung ist in dieser Frage klar und eindeutig.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Diskussionsbeitrag wieder auf den Schwerpunkt, das Bundesvermögen, verlegen, das ja heute hier behandelt werden soll. Im Zusammenhang mit der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD hat der Herr Bundesschatzminister eine allgemeine Übersicht gegeben, er hat einige Grundsätze dargestellt. Er hat es aber vermieden, auf einige entscheidende Tatbestände einzugehen, die von meinem Freund Heinrich Deist vorgetragen worden sind. Uns liegt daran, daß wir die Frage der Bundesbeteiligung weiter klären. Ich möchte zu diesem Fragenkomplex — wegen der fortgeschrittenen Zeit in gedrängter Kürze — einige Ausführungen machen.
Der Herr Bundesschatzminister hat auf unsere Frage geantwortet, daß die definitive Regelung der Eigentumsverhältnisse der von Bund und Ländern vorläufig verwalteten Kapitalbeteiligungen des ehemaligen Deutschen Reiches und Preußens vorbereitet wird. Gleichzeitig, Herr Bundesschatzminister, haben Sie uns zugesichert, daß das bisher verstreute und veraltete Verwaltungsrecht für die Bundesunternehmen neu kodifiziert werden soll. Herr Bundesschatzminister, wir haben die Botschaft wohl gehört; aber wir wären etwas mehr beruhigt gewesen, wenn Sie uns auch einen Termin genannt hätten, bis zu dem eine solche Kodifizierung erfolgen soll. Wir haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht und befürchten, daß gute Grundsätze bald wieder in der Versenkung verschwinden könnten.
Das gilt auch hinsichtlich der Mitwirkung des Parlaments bei dem Erwerb und bei der Veräußerung von bundeseigenen Unternehmen. Wir legen besonderen Wert darauf, daß die parlamentarische Beteiligung sichergestellt wird, bevor das Rennen um die Veräußerung gelaufen ist. Wenn ein solcher Gesetzentwurf später vorgelegt wird, hat er keinen entscheidenden Wert mehr.
Ich darf noch einmal kurz auf die Entschließung zurückkommen, die der Bundestag im Juni 1955 verabschiedet hat. Der Initiator dieser Entschließung war — das hat mein Freund Deist hier schon festgestellt — der Herr Bundesschatzminister. Der Herr Bundesschatzminister hat damals in seiner Entschließung formuliert: „Im übrigen wird im Interesse der Förderung der Privatisierung zwar die Anwendung des Gundsatzes einer Substanzerhaltung anerkannt, nicht aber der Grundsatz des Bestandsschutzes zur Anwendung gebracht." Herr Bundesschatzminister, darüber läßt sich mit der SPD reden. Die SPD will nicht etwa eine Bestandserhaltung aller Beteiligungen, die sich heute im Bundesbesitz befinden. Wir sind der Meinung, daß es darauf ankommt, die wesentliche Substanz, die wirtschaftlich wichtigen Beteiligungen zu erhalten. Unter den 300 Gesellschaften, die heute zum Bundesbesitz gehören, befinden sich 68 Gesellschaften in Liquidation.
Hier, meine Damen und Herren, sind wir der Meinung, daß die Liquidation so schnell wie möglich vorangetrieben werden sollte und daß sie nicht zu einer Existenzsicherung bestimmter Verwaltungsstellen oder Liquidatoren werden dürfte. Der Bund sollte sich bemühen, die Liquidation dieser Gesellschaften so rasch wie möglich zum Abschluß zu bringen.
Im Bundesvermögen befinden sich etwa 80 Klein- und Mittelbetriebe. Auch bei ihnen sind wir der Meinung, daß sie nicht Gegenstand einer in Konzernen häufig sehr beliebten Hausmachtpolitik zu sein brauchen. Wir halten es z. B. nicht für notwendig, daß eine Bergwerksgesellschaft auch über ihre eigene Grubenholzbeschaffungs-AG verfügt.
Eine Vielzahl der Klein- und Mittelbetriebe bieten sich zweifellos für eine Privatisierung an.
Vielleicht sollte man sich auch überlegen, ob bei gleichgearteten Absatzinteressen der dem Bund gehörigen Bergbauunternehmen eine Vielzahl von Kohlenhandelsgesellschaften erforderlich ist, die sich teilweise gegenseitig heftige Konkurrenz machen.
In all den Fällen, meine Damen und Herren, können wir uns mit einer vernünftigen Privatisierung durchaus einverstanden erklären.
Geradezu grotesk scheint mir aber zu sein, daß sich im Bundesbesitz immer noch 50 bis 60 Zwergbetriebe befinden, Zwergunternehmungen mit einem Kapital von 5000, von 10 000, von 20 000, von 30 000 oder 50 000 Mark. Ich möchte Ihnen dafür einige Musterbeispiele nennen.
— Eben; das können aus angestaubte Ladenhüter sein. Dazu gehört u. a. die Deutsch-Indische Versicherungsstelle GmbH mit einem Kapital von 5000 Mark, oder aber die Eisenbahnbetriebsgesellschaft Tegel-Borsigwalde, Kapital 6400 Mark. Ich möchte Sie fragen, Herr Bundesschatzminister: was will der Bund mit einer Kapitalbeteiligung von 0,287 % an der Gemeinnützigen Siedlungsgemeinschaft „Rote Erde" GmbH?
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1655
Dr. Bleiß
Das sind nur einige Beispiele; man kann sie beliebig vermehren. Bei einer Durchsicht des Vermögensbestandes hat man manchmal den Eindruck, als ob hier eine Sammelleidenschaft für Zwergbetriebe eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat.
Meine Damen und Herren, warum klebt eigentlich der Bund an der Mitteldeutschen Spinnhütte GmbH in Celle? Ist die Erzeugung von Seidentüchern etwa die Aufgabe des Bundes? Eine solche Erzeugung kann man getrost der privaten Wirtschaft überlassen. Die konjunkturellen Auswirkungen einer solchen Erzeugung sind völlig nebensächlich. Ich vermag auch nicht einzusehen, warum der Bund ein so großes Maß und Kapital und von Energie in die Holzverzuckerung investiert. Auch hier könnte ich mir denken, daß man sich von derartigen Beteiligungen trennen könnte. In etwa 200 Fällen - das sind etwa zwei Drittel aller Gesellschaften — teilen wir also durchaus die Ansicht, daß es keinen Bestandsschutz zu geben braucht, daß es vielleicht einen solchen Bestandsschutz nicht geben darf. Es wäre eine vordringliche Aufgabe des Herrn Bundesschatzministers, da Ordnung zu schaffen.
Ich möchte Sie, Herr Bundesschatzminister, fragen: Warum hat die Bundesregierung bisher nichts getan, um sich von solchen Zwerg-, Klein- und Mittelbetrieben zu trennen? Mir scheint, daß das Bundesschatzministerium — genau im Gegensatz zu der Entschließung vom Juni 1955 — an solchen Zwergunternehmen oder an ähnlichen Gesellschaften klebt, weil die Interessengruppen diese kleinen Betriebe uninteressant finden, daß es sich aber um so stärker bemüht, sich von der wirtschaftlich wertvollen Substanz zu trennen, weil hier mächtige Gruppen ihre Interessen nachdrücklich angemeldet haben.
Ein paar Sätze zu den bundeseigenen Betrieben. Ich komme darauf, weil der Herr Bundesschatzminister Auffassungen vertreten hat, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Der Herr Bundesschatzminister hat im Bulletin vom 7. März einen Artikel veröffentlicht unter der Überschrift „Das Ziel der Privatisierung von Bundesvermögen" mit der Unterüberschrift „Soziale Sicherung durch breite Streuung von Eigentum an den Produktionsmitteln". In diesem Artikel heißt es u. a., die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung konzentriere sich auf eine Fortsetzung und Ausdehnung des Prinzips der Marktwirtschaft und bezwecke eine schrittweise Zurückdrängung des staatlichen Einflusses aus dem wirtschaftlichen Bereich. Als Gründe für diese These gibt der Herr Bundesschatzminister an, daß Unternehmungen aus der Obhut des Staates, also aus dem Windschatten des Wettbewerbs in die Hand privater Unternehmer übergeführt werden sollen. Er ist der Meinung, daß in Zukunft der Markt, der Wettbewerb, die eigene Leistung, die bessere Idee und die wirtschaftliche Initiative über den Erfolg der Unternehmungen entscheiden sollen und nicht mehr die Anordnung und der Schutz des Staates.
Herr Minister, wenn Sie mit dieser Argumentation die Klein- und Zwergbetriebe — die etwas angestaubten Ladenhüter — meinen, dann mögen Sie recht haben. Dann ist Ihr Artikel ziemlich witzlos. Wenn Sie dagegen — und so glaubte ich Ihren Artikel zu verstehen — die wirtschaftlich wichtigen Unternehmungen damit meinen, dann möchte ich fragen: welche großen Bundesunternehmungen mit Ausnahme der Bundesbahn gibt es denn, die im Windschatten des Wettbewerbs gestanden und die Protektion des Staates genossen haben? Ich bin der Meinung, Herr Bundesschatzminister — und ich habe einige Erfahrung darin —, daß es eine Reihe von Betrieben im Besitz des Bundes gibt, die in der Vergangenheit eine außerordentlich wichtige Arbeit geleistet haben. Ich bin der Auffassung, daß diese Arbeit nicht etwa unter der Protektion des Staates geleistet wurde und daß sich die Betriebe nicht im Windschatten des Wettbewerbs befunden haben, sondern daß diese Unternehmen in der vordersten Linie des Wettbewerbs standen und daß ihre Leistung sich aus dem Zusammenwirken der unternehmerischen Leistung und der Leistung der Belegschaften ergeben hat. Man kann die Entwicklung in diesen bundeseigenen Unternehmen nicht auf die Protektion des Staates zurückführen. Ich glaube, daß eine solche Feststellung, die Sie, Herr Minister, generell formuliert haben, objektiv unrichtig ist und diskriminierend wirkt.
Herr Kollege Atzenroth, ich verstehe auch nicht Ihren Hinweis, daß diese Unternehmungen immer in vorderster Linie gestanden hätten, wenn es sich um Preiserhöhungen gehandelt habe. Das ist zweifellos nicht richtig.
— Das sind Unternehmungen, die sich zum großen Teil in gemeinwirtschaftlichem, auch in gemischtwirtschaftlichem Besitz befinden. Wenn Sie sich diese Tarife ansehen und sie mit dem allgemeinen Preisindex vergleichen, werden Sie feststellen, daß diese Unternehmungen in Anspruch nehmen können, in ihrer Preisgestaltung zurückhaltend gewesen zu sein.
Sie behaupten weiter, Herr Minister, daß erst bei der Privatisierung die bessere Idee, die eigene Leistung und die Initiative entscheiden. Ich bin der Meinung, daß das objektiv unrichtig ist und daß diese positiven Eigenschaften nicht durch Aktienpaketverlagerungen mobilisiert werden, sondern von Anbeginn an in vielen bundeseigenen Betrieben vorhanden waren, daß aber in diesen Betrieben ein Weiteres hinzukam, nämlich das Vertrauensverhältnis zwischen der Geschäftsführung und der Arbeitnehmerschaft. Ich fürchte, daß durch Manipulationen mit den Aktienpaketen ein solches gegenseitiges Vertrauensverhältnis gestört werden und sich daraus Nachteile ergeben könnten.
Sie sagen in dem Artikel weiter, Herr Minister, daß wir Steuerzahler für den Mißerfolg eines im öffentlichen Besitz befindlichen Unternehmens verantwortlich sind. Das stimmt, aber ich frage Sie nun: Welche öffentliche Hand, Ihr Ministerium oder das Wirtschaftsministerium, hat denn negativen Einfluß
1656 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Bleiß
auf diese Unternehmungen genommen? Sie sagen doch damit, daß wahrscheinlich die Ertragslage dieser Unternehmungen besser gewesen wäre, wenn der Bund nicht Einfluß gehabt hätte. Ich habe den Eindruck, daß bei den im Bundesbesitz befindlichen Unternehmungen zu einem erheblichen Teil recht gut verdient worden ist. Deswegen scheinen mir die Darlegungen des Herrn Bundesschatzministers etwas konfus zu sein. Ich habe die Sorge, Herr Bundesschatzminister, daß wir die Gefahr von Fehlschlüssen zu befürchten haben, wenn sich solche Gedankengänge auf die Politik des Ministeriums übertragen. Aus der Arbeitsmethodik der bundeseigenen Betriebe ergibt sich jedenfalls nach meiner Auffassung keine Veranlassung zu einer Privatisierung.
Unabhängig davon gibt es aber eine Reihe von Tatsachen, die uns bestimmen, dafür einzutreten, daß die wirtschaftlich wertvollen Beteiligungen des Bundes nicht privatisiert werden. Ein wesentlicher Grund für unsere Auffassung ist der Einsatz des Bundesvermögens für eine aktive Wirtschaftspolitik. Über diese positiven Möglichkeiten haben Sie, Herr Bundesschatzminister, in Ihren Reden und Aufsätzen bisher sehr wenig gesagt. Sie haben heute in der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD nur darauf hingewiesen, daß eine Einflußnahme auf diese großen Betriebe zu Fehlschlüssen führen könnte. Sie unterscheiden sich darin, glaube ich, ganz erheblich von der Auffassung des Herrn Bundeswirtschaftsministers. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat es verschiedentlich für nützlich gehalten, auf die Bundesunternehmungen Einfluß zu nehmen, z. B. in jüngster Vergangenheit, und zwar aus einem hochpolitischen Grund. Mein Freund Deist hat ihn vorhin schon einmal kurz angedeutet. Ich möchte gerade diesen Tatbestand noch einmal in Ihre Erinnerung zurückrufen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat die bundeseigenen Betriebe angewiesen, jede verfügbare Lagermöglichkeit auszunutzen, um so viel Kohle wie irgend möglich einzulagern und bis zum 6. Juli Feierschichten an der Ruhr zu verhüten und damit einen leichten Schleier vor die Kohlewirtschaftspolitik der Bundesregierung zu ziehen.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Beispiel! Im Februar 1956 hat der Herr Bundeswirtschaftsminister in einem Leistungsbericht darauf hingewiesen, daß bundeseigene Unternehmungen eine Reihe von Preissenkungsmaßnahmen durchgeführt hätten. So weist er in seinem Bericht darauf hin, daß das Ferngas um 1 %, die Aluminiumfolien um 3 bis 11 %, die Braunkohle um 4 DM je Tonne Absatz und das Motorenbenzol um 11 % im Preis gesenkt worden seien und daß das Volkswagenwerk seine Preise je Einheit, also je Wagen, um 250 DM gesenkt habe.
Herr Kollege Atzenroth, Sie haben vorhin gesagt, daß die Bundesunternehmen bei den Preiserhöhungen in vorderster Linie stehen. Ich bin der Meinung, daß Ihnen der Wahrheitsbeweis für eine solche Behauptung außerordentlich schwerfallen wird.
Zu einer Zwischenfrage darf ich das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Atzenroth geben.
Herr Kollege, wollen Sie diese ganz kleine, minimale Preissenkung beim Volkswagen tatsächlich als eine echte Preissenkung bezeichnen, während gerade Sie, die Sozialdemokraten, immer erklärt haben, wieviel höher die eigentliche Senkung sein müßte, wenn es sich um ein Monopolunternehmen handelt?
Herr Atzenroth, ich bin durchaus der Meinung, daß man die Preise weiter senken könnte. Ich trete ja nur Ihrer Behauptung entgegen, daß die bundeseigenen Unternehmen bei der Preiserhöhung in vorderster Linie gestanden hätten. Ich habe Sie gerade darum gebeten, den Nachweis zu führen, wo das der Fall war. Ich bin der Meinung, daß man zweifellos durch den Einsatz der Bundesvermögen eine verbesserte Preispolitik treiben könnte.
Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß man auch durch eine Einflußnahme auf die Bundesbeteiligungen oder mit der Hilfe der Bundesbeteiligungen einer konjunkturellen Überhitzung entgegenwirken kann. Vielleicht ist Ihnen noch in Erinnerung, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister damals für sich in Anspruch genommen hat, durch einen Auftragsstopp bei den bundeseigenen Unternehmungen dämpfend auf die Konjunkturüberhitzung gewirkt zu haben. In beiden Fällen war es natürlich — darin, Herr Kollege Atzenroth, gebe ich Ihnen recht — ein sehr magerer, ein sehr bescheidener Erfolg. Wir sind aber der Meinung, Herr Kollege Atzenroth, daß man bei einer zielbewußten Preis- und Investitionspolitik einen sehr viel weitergehenden Einfluß auf die Preis- und Konjunkturpolitik ausüben kann, besonders wenn die Bundesregierung nicht davor zurückschrecken würde, durch eine verbesserte und erweiterte Publizität gegebenenfalls die Kosten- und Ertragslage in dem einen oder anderen Wirtschaftszweig offenzulegen — so z. B. auch in der Automobilproduktion —, um auf diese Weise einen wirksamen Verbraucherschutz sicherzustellen.
Dieser Möglichkeiten sollte und darf man sich nicht begeben. Durch den Einsatz von bundeseigenem Vermögen ergeben sich Wirkungen verschiedener Art, einmal, daß die bundeseigenen Unternehmungen selbst die Preise senken, zum anderen, daß sie auf eine weitere preissteigernde Entwicklung hemmend wirken.
In diesem Zusammenhang ist ein Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung interessant, in dem es u. a. heißt — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
Gerüchtweise verlautet . . ., zwischen den Hüttenwerken an der Ruhr und dem Hüttenwerk Salzgitter stehe eine Absprache folgenden Inhalts bevor: Die Ruhrhütten senken ihre Schiffsblechpreise auf das Niveau von Salzgitter; bei Grobblechen soll die heute bestehende Preis-
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1657
Dr. Bleiß
differenz dadurch ausgeglichen werden, daß die Ruhrhütten ihre Preise ermäßigen, wogegen das Hüttenwerk Salzgitter seine Preise erhöht, mit dem Ergebnis, daß ein einheitlicher Preis zustande kommt, .. .
Hier hat das Hüttenwerk Salzgitter zweifellos zweierlei erreicht, daß ein Teil der Preise gesenkt wird und daß in dem anderen Fall auch eine Preisreduzierung, zwar nicht in voller Höhe, aber doch in einem bestimmten Ausmaß, durchgesetzt werden kann. Ich bin der Meinung, daß diese positiven Einwirkungsmöglichkeiten wesentlich höher zu Buch schlagen als die Seelenmassagen, in denen sich der Herr Bundeswirtschaftsminister bisher ohne großen Erfolg versucht hat. Es wäre nach unserer Auffassung falsch und verhängnisvoll, auf das Bundesvermögen als Instrument einer aktiven Wirtschaftspolitik zu verzichten.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Howaldtwerke zurückkommen. Die Howaldtwerke waren heute schon wiederholt Gegenstand der Diskussionsbeiträge. Auch ich hatte mir vorgemerkt, bei Ihnen, Herr Bundesschatzminister, eine Rüge anzubringen. Ich bin der Meinung, daß es nicht gut ist, wenn in Ihrem Ministerium eine Anweisung gegeben wird, Unterlagen, Prüfungsberichte den Abgeordneten vorzuenthalten, eine Einsichtnahme nicht zu gestatten. Ich möchte Sie fragen: aus welchem Grunde haben Sie eine solche Einsichtnahme verweigert? Haben Sie der Öffentlichkeit etwas zu verschweigen? Oder sind vielleicht in dem Bericht Tatbestände enthalten, auf Grund deren man zu völlig anderen Veräußerungswerten kommen kann? Gerade mit Rücksicht auf die verschiedenen Wandlungen, die der Veräußerungspreis bei den Howaldtwerken bisher durchgemacht hat, wäre hier eine absolute Klarheit unbedingt notwendig. Ich möchte Sie nur daran erinnern, daß ursprünglich ein Preis von 20 Millionen DM genannt wurde und daß Sie dann über 25, 27 auf 34 Millionen gekommen sind. Ich darf Sie daran erinnern, daß man bereits drauf und dran war, die Howaldtwerke Hamburg für 26 Millionen DM zu veräußern. Wenn der Haushaltsausschuß des Bundestages den Antrag damals nicht angehalten hätte, wäre der Verkauf perfekt gewesen, und die Erwerber hätten in der Zwischenzeit schon mindestens 8 Millionen DM verdient. Ich glaube, eine solche Methodik kann keinen Anspruch auf Solidität erheben. Die Öffentlichkeit muß zwangsläufig den Eindruck gewinnen, daß hier, vielleicht, um gefällig zu sein, à tout prix verkauft oder, wie der Herr Bundesschatzminister sich zuweilen auszudrücken beliebt, versilbert werden soll.
Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß die Kapitalbeteiligung des Bundes einer gründlichen Prüfung und Neuordnung bedarf. Wir sind der Meinung, daß der Bund sich so bald wie möglich von dem Kleinbesitz, von den Ladenhütern befreien sollte. Wir wehren uns gegen eine Veräußerung oder gegen eine Versilberung des wirtschaftlich wertvollen Besitzes. Wir wehren uns gegen eine Veräußerung an Interessentengruppen. Denn wir sind der Meinung, daß heute schon bedeutende Industriegruppen durch den Erwerb von Bundesvermögen ihre Machtposition im Markt weiter ausbauen würden und daß dadurch die Marktwirtschaft nur weiter ausgehöhlt würde.
Wir halten im Interesse einer aktiven Wirtschaftspolitik eine Neuordnung des Bundesbesitzes für dringend erforderlich. Wir versprechen uns von einer marktwirtschaftlich wirksamen Anwendung des Instruments der bundeseigenen Unternehmen nicht nur einen verstärkten Wettbewerb, wir versprechen uns von einem vernünftig verwalteten und wirtschaftspolitisch eingesetzten Bundesvermögen auch einen verbesserten Verbraucherschutz und damit eine bessere Versorgung der Verbraucherschaft. Aus diesem Grunde befürworten wir ein bundeseigenes Vermögen in allen Fällen, in denen es sich um volkswirtschaftlich wichtige Bestandteile handelt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Steinmetz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich werde nur zur Sache sprechen, nicht über Parteien und Fraktionen, sondern nur zu dem Punkt ,,Bundesunternehmen". Dabei handelt es sich im wesentlichen um die Frage, ob Bundesunternehmen Mittel der Wirtschaftspolitik sein können oder nicht. Die Frage nach der wirtschaftspolitischen Bedeutung von öffentlichen Unternehmen ist unserer Ansicht nach wiederum unlösbar verbunden mit der Frage der Privatisierung.
Ich möchte hier gleich eines grundsätzlich feststellen. Wenn wir erkennen würden, daß ein Bundesunternehmen eine unbedingt notwendige wirtschaftspolitische Bedeutung hat, würden wir mit einer Zustimmung zu einer Privatisierung zumindest sehr vorsichtigt sein und nur mit Vorbehalt zustimmen können. Was wir auf jeden Fall ablehnen, ist ein Gebrauch der Bundesunternehmen für wirtschaftspolitische Ziele, die den Marktzusammenhang stören und die Bundesunternehmen aus ihre marktwirtschaftlichen Verbundenheit mit den privaten Unternehmen herausheben könnten.
Aber auch das sollte man nicht so sehr dogmatisch auffassen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß Bundesunternehmen zeitweise und in besonderen Fällen sogar als Mittel zur Preis- und Konjunkturpolitik herangezogen werden. Herr Minister, ich weiß, daß ich damit in einem starken Gegensatz zu dem stehe, was Sie hier heute im ersten Teil Ihrer Ausführungen gesagt haben. Sie scheinen mit Ihrer Stellung aber auch noch etwas zu hadern. Denn im zweiten Teil Ihrer Ausführungen habe ich verschiedene Sätze gehört, die das, was Sie zuerst gesagt haben, doch stark einschränken. Aber das wird man, wenn der Text vorliegt, ja feststellen können.
Wir wollen die Frage, ob solche Bundesunternehmen ohne Gefahr für die Marktwirtschaft als Mittel der Preis- und Konjunkturpolitik eingesetzt werden können, noch einmal kurz untersuchen.
1658 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Steinmetz
Dazu müssen wir die Unternehmen zunächst unterteilen in die mit einem bedeutenden Marktanteil, die durchweg im Oligopolmarkt stehen, und die anderen mit unbedeutendem Marktanteil, die eben im Wettbewerbsmarkt stehen. Denn für die preis- und konjunkturpolitische Bedeutung ist es immer entscheidend, wie die Marktstellung des Unternehmens ist. Das ist heute hier leider nicht genügend unterstrichen worden. Unternehmen ohne bedeutenden Marktanteil werden auf Preis- und Konjunkturpolitik kaum einen Einfluß haben. Aber wie ist es mit den anderen?
Betrachten wir einmal den Zustand eines Konjunkturaufschwungs. Dann könnten Bundesunternehmen eine sehr wohltuende Wirkung haben, ohne der freien Marktwirtschaft irgendwie weh zu tun. Sie könnten, weil sie marktbedeutend sind und einen großen Anteil am Markt haben, dadurch, daß sie keine Konjunkturgewinne erzielen, die privatwirtschaftlichen Unternehmen sehr gut zu derselben Politik veranlassen, und sie werden sie dazu veranlassen. Welche wohltuenden Wirkungen würde das nun haben? Den .Bundesunternehmen würde es nicht schaden; denn sie werden ihre Verbesserungsinvestitionen machen können, aber weniger Erweiterungsinvestitionen. Damit werden auch die sich anschließenden Privatunternehmen weniger Erweiterungsinvestitionen vornehmen. Das würde bedeuten, daß wir die konjunkturelle Überhitzung, die wir immer so sehr befürchten, eben hier nicht bekommen. Vor allen Dingen aber würden wir eines erreichen, was wir alle wollen: wir würden die Ausweitung des öffentlichen Erwerbsvermögens abbremsen.
Dieses Beispiel zeigt, wie man durch eine geschickte Preis- und Konjunkturpolitik mit Bundesunternehmen eine sehr wohltuende Wirkung für alle erzielen kann, ohne der Marktwirtschaft irgendwie Zwang anzutun.
Was ich sage, ist keine Theorie, sondern Praxis. Ich kann mir denken, daß der Appell, den der Herr Bundeswirtschaftsminister in der vorigen Legislaturperiode an die Verwaltung der Bundesvermögen richtete, als die Konjunkturüberhitzung eingetreten war, keinen anderen Zweck hatte, als so zu verfahren.
Wir haben also klar erkannt, daß die preis- und konjunkturpolitische Bedeutung der Unternehmen der öffentlichen Hand in jedem Fall von ihrer Marktstellung abhängt und nicht so sehr von der Unternehmungsform, wie immer wieder behauptet wird. Hier, glaube ich, müßten wir ansetzen, um auch in der Privatisierungsfrage einen Schritt voranzukommen.
Wir müßten über die Morphologie der Märkte, in denen die Bundesunternehmen stehen, besser unterrichtet werden, und ich würde es sehr begrüßen, Herr Minister, wenn Sie uns bei den in Aussicht gestellten Vorbemerkungen zum Haushaltsplan klare Angaben über die Marktstellung der Bundesunternehmen machen könnten. Dann könnten wir nämlich sehr leicht entscheiden, welche Unternehmen wir ohne Bedenken privatisieren können. Wir könnten dann aber auch mit sehr
großer Klarheit erkennen, welche Unternehmen wegen ihrer sehr bedeutenden Marktstellung nur mit Vorbehalt und nur bei hundertprozentiger Sicherheit, daß man keinen privaten Machtzusammenballungen in die Hände arbeitet, zur Privatisierung freigegeben werden könnten. Ich glaube, diese Marktanalyse und diese Marktmorphologie wären für uns von großer Wichtigkeit, um klar und sachlich entscheiden zu können, wo man privatisieren könnte und wo nicht.
Wir — das darf ich im Namen meiner Freunde sagen haben doch einige Bedenken, ob die hundertprozentige Sicherheit, daß wir durch Privatisierungen keine privaten Machtzusammenballungen bekommen, tatsächlich vorhanden ist. Wir wissen nicht, ob das vorgeschlagene Höchststimmrecht der Inhaberaktien eine unbedingte Sicherheit dafür ist. Vielleicht ist die vinkulierte Namensaktie, die bei dem Vorschlag der Privatisierung des Volkswagenwerks vorgesehen wurde, hier noch besser geeignet. Jedenfalls wäre es ein sehr großer Vorteil, wenn wir wirklich eine breite Streuung der Aktien bei der Privatisierung der Unternehmen erreichten, und zwar besonders der Unternehmen, die im Oligopolmarkt stehen. Vor allem bei diesen ist es in Anbetracht ihrer Marktbedeutung sehr wichtig, daß wir die Anteile sehr weit streuen können. Wenn wir es nämlich erreichen, daß diese sehr breite Streuung des Aktienbesitzes erfolgt, sind die Aktionärsinteressen der Kleinaktionäre wahrscheinlich nicht größer als die Verbraucherinteressen, die sie vermutlich im konkreten Fall wahrnehmen würden. Hier würden sich Aktionärsinteresse und Verbraucherinteresse aufheben können:
Bei einer sehr breiten Streuung des Aktienbesitzes würden wir also einer Privatisierung auch von bedeutenden Bundesunternehmen leichter zustimmen können. Wir wissen ja, daß damit zugleich die gesellschaftspolitische Zielsetzung verbunden ist. Wir wissen, daß damit auch die Gefahr ausgeräumt Wird — die ja bei einer Koexistenz von Privatwirtschaft und öffentlicher Wirtschaft immer besteht, daß die Grundlagen der Marktwirtschaft letzten Endes bedroht werden; denn die öffentlichen Unternehmen haben nun einmal zahlreiche Privilegien. Sie haben sie von Rechts wegen; und es sind ihnen allgemeine Zugeständnisse gemacht worden.
Diese Privilegien verstärken natürlich aus einer reinen Abwehrtaktik heraus leicht Konzentrationsbewegungen in der Privatwirtschaft, Konzentrationsbewegungen, die wir nicht haben wollen.
Ich will von diesen tatsächlichen und rechtlichen Vorteilen der Bundesunternehmen nur einige nennen. Die in der Form des Privatrechts geführten Bundesunternehmen zahlen keine Vermögensteuer. Wir wissen, daß verschiedene Bundesunternehmen Gewinn- und Verlustausgleich und eine gegenseitige Kredithilfe vorgenommen haben. Aber was noch wichtiger ist: Die Bundesunternehmen verfügen über größere Sicherheit. Wenn sie Verluste machen, tritt der Staat für sie ein. Im Außenhandel soll es vorgekommen sein — aber das kann ja vielleicht von dem Herrn Minister einmal nachgeprüft werden —,
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1659
Dr. Steinmetz
daß Staatsunternehmen die privaten Geschäftsbedingungen der Branche unterboten haben, und das doch sicher nicht aus konjunkturellen Gründen. Es soll auch so sein, daß das Risiko im Exportgeschäft, das ja bei der Privatwirtschaft wesentlich größer ist, von den Bundesunternehmen nicht so stark berücksichtigt werden muß, so daß sie selbst auf die Hermesversicherung in Einzelfällen verzichtet haben sollen. Vielleicht die stärkste Privilegierung ist aber die Dividendenpolitik der Bundesunternehmen. Durch sie ist eine starke Thesaurierung entstanden, und dadurch wird die der öffentlichen Wirtschaft innewohnende Tendenz zur Ausweitung noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht. Es gibt noch andere Vorteile der Bundesunternehmen, auf die ich nicht eingehen will.
Ich kann mir denken, daß man diese Vorteile beseitigen könnte. Aber ich glaube nicht, daß es in der Praxis gelingen würde; denn wir werden kaum die guten Beziehungen zwischen den Leitern der Bundesunternehmen abschaffen können. Wir werden auch kaum erreichen können, daß ein gewisses Kartell der Bundesunternehmen, auch wenn wir es aufgelöst haben, unter der Decke weiterbesteht. Alle diese Erkenntnisse sollten uns eigentlich dazu bringen, überall dort, wo es möglich erscheint, wirklich zu privatisieren.
Aber bevor wir es tun, sollten wir alle Unternehmungen, von denen ich gesprochen habe, insbesondere was ihre Marktbedeutung angeht, gewissenhaft und in aller Ruhe untersuchen. Wir sollten vor allen Dingen dafür sorgen, daß die Privatisierungen, wenn sie durchgeführt werden, nicht zu einer Zusammenballung privatwirtschaftlicher Macht führen. Ich kann damit kurz die Stellung meiner Freunde von der Deutschen Partei dahingehend festlegen: wir wollen die Privatisierung der Bundesunternehmen, wir wollen auch die Veräußerung der Bundesanteile, aber wir wollen unter keinen Umständen, daß diese Privatisierung dazu führt, daß die Unternehmen aus dem Regen staatswirtschaftlicher Machtkonzentration unter die Traufe privatwirtschaftlicher Machtkonzentrationen geraten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Bemerkungen möchte ich noch zu dem Kern der Großen Anfrage der SPD machen, nämlich zu der Problematik, die öffentliche Unternehmungen, in diesem Falle bundeseigene Unternehmungen und Beteiligungen, nicht nur hinsichtlich der Kontrolle dieser Vermögenskomplexe stellen, sondern auch natürlich hinsichtlich der Einflußnahme durch die Regierung bzw. das Parlament.
Ich kann mich verschiedenen Ausführungen, die von den Kollegen der SPD gemacht worden sind, insoweit anschließen, als das Mißbehagen über die Art der Berichterstattung und über die Behandlung der Vertretung des Bundes in diesen Unternehmungen und ihren Organen in diesem Hause ziemlich
allgemein ist. Ich glaube aber, das sollte nicht dem neuen Bundesminister für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes zur Last gelegt werden; denn wir alle wissen — und darauf haben ja auch die Kollegen der SPD hingewiesen —, daß gerade er im letzten Bundestag einer der Wortführer dieses Anliegens des Parlaments war. Es liegt, glaube ich, in der Kompliziertheit der Materie, daß innerhalb der relativ kurzen Zeit, in der dieses Ministerium aufgebaut worden ist, noch nicht fertige Vorlagen zur Neugestaltung der Rechtsfragen bei den bundeseigenen Unternehmungen vorgelegt werden konnten. Ich darf die Kollegen der SPD gerade daran erinnern, daß wir ja seit Jahren — ich persönlich beteilige mich trotz in mancher Hinsicht grundsätzlich verschiedener wirtschaftspolitischer Auffassungen immer wieder an diesen Diskussionen — in verschiedenen wissenschaftlichen und politischen Bereichen ohne Unterschied der parteipolitischen Stellung an dem Problem arbeiten, wie eine vernünftige Rechtsform für die Verwaltung solcher öffentlicher Unternehmungen entwickelt werden kann, für die eine Privatisierung nicht in Betracht kommt. Dabei muß sichergestellt werden, daß erstens diese Unternehmungen gegenüber anderen Unternehmungen des privaten Rechtsverkehrs nicht diskriminiert sind, zweitens die Einflußnahme zur Verwirklichung der öffentlichen politischen Zielsetzungen gewährleistet ist und drittens die ausreichende parlamentarische Kontrolle zu ihrem Recht kommt. Sie wissen, daß Entwürfe für die Rechtsform des öffentlichen Unternehmens zur Diskussion stehen. Sie wissen, daß die Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft erst vor kurzem eine Art kleiner Enquete darüber eingeleitet hat, wie insbesondere das Problem der parlamentarischen Kontrolle gegenüber derartigen Unternehmungen gelöst werden kann.
Man sollte also, wenn so viele Fachleute auf diesem Gebiet noch nicht zu befriedigenden Vorlagen gekommen sind, nicht dem jüngsten Ressort innerhalb der Bundesregierung einen Vorwurf machen, wenn es zunächst tastend nach allen Seiten diese Erfahrungen und Diskussionen beobachtet und erst später eigene Vorlagen bringt.
Ich darf hier aber einflechten, daß bestimmte Dinge in der Nachweisung über die Bundesunternehmungen der Erwähnung bedürfen. Dabei möchte ich zwar die verspätete Vorlage des entsprechenden Berichtes als Nachtrag zum Bundeshaushalt nicht besonders monieren — wir hätten sie natürlich gern früher gesehen —, sondern ich meine bestimmte allgemeine Gravamina. Ich erwähne zwei Tatsachen. Das eine sind die Gewinne, die von den großen bundeseigenen Komplexen an den Bund abgeführt werden. Sie stehen in einem Mißverhältnis zu den Investitionen aus eigenen Mitteln, wie es in dieser Größenordnung in der privaten Wirtschaft kaum vorhanden ist. Beispielsweise betragen bei der Viag, deren tatsächlicher Wert sich vielleicht auf 750 Millionen beläuft, die selbstfinanzierten Investitionen plus Gewinn allein in einem der zurückliegenden Jahre — 1955 — 262 Millionen, während in diesem Jahre sich der bilanzmäßig ausgewiesene Gewinn nur auf 11,8 Millionen stellte.
1660 Deutsches Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Hellwig
Ähnlich liegen die Dinge bei Preußen-Elektra, Preußag usw. Es ist ein Faktum, mit dem sich das Parlament nicht zufriedengeben kann, daß gegenüber Hunderten von Millionen selbstfinanzierter Investitionen in einem einzigen Geschäftsjahr nur 57 Millionen DM Einnahmen aus diesen Beteiligungen an den Bund abgeführt werden. Das ist der eine Punkt, der ja alle die Fragen nach sich zieht, die auch der Herr Vorredner angeschnitten hat, die Frage nämlich nach den gleichen Chancen im Wettbewerb, wenn sie nicht dem Dividendendruck, dem Verzinsungsdruck unterliegen wie private Unternehmungen.
Das zweite ist die Frage der Regelung der Vertretung des Bundes in diesen Unternehmungen, d. h. der Besetzung der Aufsichtsorgane. Es ist nach unserer Meinung schlechterdings unerwünscht, daß in der Hand einer relativ kleinen Zahl von aktiven Bundesbeamten eine große Zahl von Aufsichtsrats- und ähnlichen Mandaten in diesen Unternehmungen vereinigt liegt. Hier besteht in der Tat eine Machtposition, die einer kritischen Betrachtung bedarf. 69 aktive Bundesbeamte bekleideten nach dem Stand vom März 1956 185 Aufsichtsrats- und drei Vorstandssitze. 169 aktive Beamte der Länder und Gemeinden haben 476 Aufsichtsrats- und sieben Vorstandssitze. Man wird mir entgegenhalten: Die Häufung von Aufsichtsratsmandaten kommt auch in der privaten Wirtschaft vor. Durchaus richtig! Aber sie ist dort nicht kombiniert mit der Bekleidung öffentlich-rechtlicher Funktionen in den Ressorts auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene. Das ist das Problem, das einmal angepackt werden muß.
Welche Möglichkeiten hat nun das Parlament für seine Kontrolle? In der modernen komplizierten Wirtschafts- und politischen Verfassung ist die direkte Kontrollmöglichkeit des Parlaments gegenüber der Vielzahl kleinerer und größerer öffentlicher Unternehmungen relativ gering. Man würde einfach die parlamentarische Arbeit ersticken. Die wesentlichen Quellen der Information und der Kontrolle durch die Parlamente sind daher die durch Hilfsorgane entwickelten Formen der Berichterstattung: die Prüfungsberichte des Bundesrechnungshofs. Auf ihre Bedeutung, die auch wir dankbar anerkennen, hat Herr Dr. Deist vorhin schon hingewiesen. Es sind weiterhin die Berichte der verschiedenen Beiräte, Kontrollräte und andere halbparlamentarischer Gremien, wie sie für eine Reihe von öffentlichen Unternehmungen entwickelt worden sind.
Eine Frage ist aber dann, ob neben der Auskunftspflicht der Bundesregierung, die selbstverständlich hier zu nennen ist, auch noch eine Erweiterung der Mitteilungspflicht dieser Unternehmungen durch das Bundesverwaltungsrecht angestrebt werden soll. Ich glaube, eine solche Mitteilungspflicht muß überall dort bejaht werden, wo bereits bestehende Unternehmungen in bestimmtem wirtschaftspolitischen Sinne eingesetzt werden. Das betrifft also beispielsweise Unternehmungen, die einer ausgesprochen gemeinwirtschaftlichen Aufgabe dienen und deren Aufgabenstellung durch die Entscheidung des Gesetzgebers bestimmt ist. Ich erwähne die Bundesbahn, die Bundespost und ähnliche Unternehmungen mehr.
Wo das nicht der Fall ist und es sich um Unternehmungen handelt, die am Privatrechtsverkehr in der Form einer privatrechtlichen Gesellschaft teilnehmen, habe ich allerdings große Bedenken und Zweifel, diesen Unternehmungen eine Mitteilungspflicht über Geschäftsvorgänge aufzuerlegen, durch die sie innerhalb des Privatrechtsverkehrs benachteiligt sein würden.
Dann muß die Entscheidung an anderer Stelle getroffen werden, dann muß die Privatrechtsform für diese Unternehmungen beseitigt werden. Solange aber entschieden ist, daß derartige Unternehmungen in der Form der Aktiengesellschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, also in Formen des Privatrechtsverkehrs betrieben werden, können ihnen keine Sonderauflagen gemacht werden, die sie im Privatrechtsverkehr benachteiligen würden.
Dann muß man die Frage nach der Rechtsform als solche grundsätzlich aufgreifen.
Aus diesem Grunde würden wir es auch begrüßen, wenn im Rahmen der angekündigten Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen für alle diese Unternehmungen und ihre Organisation — die Reichshaushaltsordnung, die Wirtschaftsbestimmungen, das Vorschaltgesetz usw. sind schon genannt worden — gerade dieses Problem der Wahl der geeigneten Rechtsform noch einmal mit aufgegriffen würde.
Nun muß ich aber eine grundsätzliche Frage hier noch einmal anschneiden, weil sie nur im Zusammenhang mit der Privatisierung wie auch mit der parlamentarischen Kontrolle zu sehen ist. Der Herr Kollege Dr. Deist hat nicht nur hier, sondern auch außerhalb des Hauses sehr viel über die Probleme der öffentlichen Kontrolle gesprochen. Er hat auf dem Parteitag seiner Partei ein bemerkenswertes und mit Aufmerksamkeit zu studierendes Referat über diese Probleme gehalten. Er hat wiederholt die Formel herausgestellt, daß überall dort die öffentliche Kontrolle begründet werden sollte, wo es aus Gründen einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabenstellung oder zur Bekämpfung der Machtkonzentration notwendig sei.
Ich wage zu beweifeln, ob öffentliche Kontrolle, so wie sie dann in verschiedenen Entwürfen weiter dargelegt worden ist, diesem Problem wirklich gerecht wird. Öffentliche Kontrolle ist nämlich nicht gleichbedeutend mit Kontrolle durch die Öffentlichkeit; das muß einmal ganz klar herausgearbeitet werden.
Die Beauftragung von Beamten oder von parlamentarisch-politischen Mandatsträgern oder von Verbandsmandatsträgern aus dem Bereich von Wirtschaftsverbänden, gleichgültig ob aus der privaten, der halbprivaten oder der öffentlichen Wirtschaft
Dr. Hellwig
oder den Gewerkschaften, bedeutet noch nicht eine wirksame Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Der Unterschied ist insbesondere im Zusammenhang mit den gutachtlichen Arbeiten des Innenministeriums über die politischen Parteien herausgearbeitet worden. Man sollte, glaube ich, überall dort, wo von öffentlicher Kontrolle gesprochen wird, überprüfen, was geschehen muß, um an Stelle einer in den Händen eines kleinen Kreises öffentlicher Mandatsträger erstarrten oder erstarrenden sogenannten öffentlichen Kontrolle wieder die Kontrolle durch die Öffentlichkeit zu ihrem Recht kommen zu lassen.
Ich glaube, man sollte hier nun nicht Steine aufheben und auf den einen oder anderen werfen. Es ist ein Problem, vor dem wir alle stehen. Vor diesem Problem stehen die gemeinwirtschaftlichen oder Selbstverwaltungskörperschaften mehr oder weniger sozialistischer Konzeption ebenso wie die großen Aktiengesellschaften der Privatwirtschaft, wo eben Zehntausende von einzelnen zusammenkommen und die Gewalt, die von ihnen ausgehen soll, nur sehr schwierig praktiziert werden kann. Da entsteht das Problem, wie die Inhaber der Mandate, die Inhaber der tatsächlichen Gewalt noch wirksam kontrolliert werden können. Das ist ein Problem, das innerhalb der Gewerkschaften in ihrer Finanz- und Vermögensgebarung ebenso besteht wie in großen Aktiengesellschaften mit Tausenden und Zehntausenden von Aktionären. Ich wage zu behaupten — ich bitte das nicht polemisch, sondern nur als eine Aufforderung aufzufassen, über diese Dinge nachzudenken daß in zahlreichen großen modernen Aktiengesellschaften mit Zehntausenden und über hunderttausend Aktionären der einzelne Aktionär heute mehr Aufklärung Tiber die Wirtschafts- und Vermögenslage und über die Gewinne usw. von seiner Gesellschaft erhält als etwa das einfache Gewerkschaftsmitglied über die Finanz- und Vermögensgebarung und über die Wirtschaftsbetätigung seiner eigenen Gewerkschaft. Das gleiche gilt hinsichtlich zahlreicher Verbände und Großorganisationen.
Ich sage, es soll hier kein Vorwurf erhoben, sondern nur einmal dargestellt werden, daß für die Zukunft der parlamentarischen Demokratie die Aufgabe der Begründung einer wirksamen Kontrolle durch die Öffentlichkeit gegenüber den großen Wirtschaftsunternehmungen ebenso besteht wie gegenüber den großen Organisationen und Verbänden.
Von hier ab scheiden sich dann allerdings die Geister. Wir sind der Meinung, daß zur Erfüllung dieser Aufgabe einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit das uneingeschränkte, nicht nach Größenordnungen differenzierte Recht des privaten Eigentums als mitkontrollierender Faktor, zumindest als Träger einer Legitimation zur ständigen Kontrolle einfach nicht entbehrt werden kann und daß es aus diesem Grunde auch in der öffentlichen Wirtschaft, wo es irgend möglich ist, an die Stelle des öffentlichen Eigentums treten soll.
Das Wort hat der Abgeordnete Conrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleich zu Anfang meiner Ausführungen ein paar Bemerkungen zu dem, was Herr Dr. Hellwig hier vorgetragen hat. Er glaubte, das jüngste Ministerressort etwas in Schutz nehmen zu müssen. Er hat erklärt, daß dieser neue Minister zuerst sehr tastend an seine Aufgaben herangehen müsse. Ich habe bei den Ausführungen des Herrn Ministers heute nachmittag, als er hier die Marxistenschlächterei betrieb, gar nicht den Eindruck gehabt, daß er so tastend vorgeht. Es scheint mir vielmehr — ich habe einige Artikel von ihm in der gleichen Richtung gelesen —, so tastend ist er gar nicht, Herr Dr. Hellwig. Aber wenn Sie ihn in Schutz nehmen, haben wir von der Opposition es nicht nötig, das auch zu tun.
Wir haben dem Minister Vorwürfe gemacht, daß er dem Parlament keinen Bericht gegeben hat. Während der Haushalt für das ganze Jahr vorliegt, haben wir von ihm keinen Bericht. Ich frage das Hohe Haus: gab es denn vor diesem Minister keinen anderen, gab es da keine Beamten? Ist denn der Weg zwischen CDU-Finanzminister und CDU-Schatzminister so weit, daß man hier keine Berichte vorlegen kann?
Herr Abgeordneter Conrad, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Aber natürlich.
Herr Conrad, sind Sie von Ihren Fraktionsfreunden, da Sie dem alten Bundestag nicht angehört haben, nicht darüber unterrichtet worden, daß es ein ausdrücklicher Wunsch des Hauses in der früheren Legislaturperiode war, daß der Bericht über die wirtschaftlichen Beteiligungen des Bundes dem Hause in einer gesonderten Drucksache vorgelegt wird?
Conrad Ich weiß, Herr Dr. Hellwig, daß beim letzten Haushalt eine sehr ausführliche Darstellung vorgelegen hat. Ich habe sie noch einmal nachgelesen. Nach meiner Ansicht war sie trotz ihrer Ausführlichkeit durchaus nicht erschöpfend. Man könnte da noch einiges sagen, z. B. zu dem Thema der Kontrolle der Öffentlichkeit, das Sie zuletzt angeschnitten haben, damit die Öffentlichkeit erfährt, was eigentlich in diesem und jenem Unternehmen los ist, ob es sich um ein privates Unternehmen oder ein Unternehmen der öffentlichen Hand handelt.
Wir verstehen uns sehr gut, und ich teile Ihre Ansicht, wir sollten viel mehr Unterrichtung der Öffentlichkeit verlangen. Der Minister hat aber hier außer einigen kurzen Absätzen gar nichts vorgelegt. Er hat uns heute versprochen, sich zu bessern und uns einen Bericht vorzulegen. Ich befürchte, daß der Haushalt verabschiedet ist, ehe wir diesen Bericht in die Hände bekommen. Oder haben Sie die Absicht, Herr Minister, diesen Bericht über die Bundes-
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Conrad
unternehmen hier noch vor der Verabschiedung dieses Haushalts vorzulegen? — Es wird geschwiegen. Ich nehme an, ich habe recht; es wird später sein, wenn es nicht mehr viel Sinn hat, über diese Dinge zu reden. Natürlich wird diese Unterlage wertvoll für das sein, was wir zum Thema zu sagen haben.
Ich sagte vorhin schon einmal, Herr Dr. Hellwig, wir sollten die Öffentlichkeit mehr unterrichten. Sie kennen unsere entsprechenden Anträge auch für die Aktiengesellschaften. Ich bin hundertprozentig mit Ihnen darin einig, daß dies auf die öffentlichen Unternehmungen ausgedehnt werden sollte. Sie wissen, wir Sozialdemokraten sind der Ansicht, daß auch die Parteien offen ihre Bücher hinlegen sollten.
Dafür waren Sie bisher nicht.
— Darüber kann man auch reden, wenn man die entsprechenden Organisationen der Arbeitgeber, z. B. die antigewerkschaftlichen Kampfvereinigungen, ebenfalls zur Offenlegung zwingt.
Man kann da eine ganze Menge tun.
Ehe ich meine eigentlichen Ausführungen beginne, möchte ich noch ein paar Bemerkungen zu dem machen, was vorhin hier gesagt worden ist. Es wurde gesagt, mein Parteifreund Dr. Deist habe sich nicht ganz klar ausgedrückt, als er erklärt habe, daß ein Teil der Howaldtwerke in die öffentliche Hand eines Nachbarlandes übergehen solle. Es wurde ihm deshalb vorgeworfen, er sei antieuropäisch. Ich darf noch einmal feststellen: Dr. Deist hat diese Tatsache nur deshalb gerügt, weil es sich da nicht um eine Privatisierung handelt, sondern um die Hergabe eines Teiles des Bundesvermögens von der öffentlichen Hand Deutschlands in die öffentliche Hand eines Nachbarlandes. Nur das war die Grundlage für seine Bemerkung.
— Acht Prozent; aber immerhin können Sie da nicht mehr von Privatisierung reden.
Bezüglich der Unterrichtung des Parlaments möchte ich dann auch noch eine Frage an den Herrn Bundesminister stellen. Er sagte, Schichau ist verkauft worden — die Werft; ich nehme an, daß es sich um Schichau Bremerhaven handelt —; und in dem Verzeichnis stellen wir fest, daß diese Werft hundertprozentig dem Bund gehört. Kann mir der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sagen, wo diesem Hause eine Mitteilung über den Verkauf dieser Werft gegeben worden ist? In den Zeitungen haben wir zwar davon gelesen. Aber ich möchte gern einmal das Aktenstück für dieses Hohe Haus sehen. Denn Sie können doch nicht einfach Bundesvermögen verkaufen, ohne dem Hohen Hause eine Mitteilung zu machen.
Herr Kempfler, Sie haben hier die Sozialdemokraten apostrophiert, indem Sie sagten, wir sollten uns zu dem Volksaktiensystem doch etwas positiver stellen, und man könne doch das Projekt der Volksaktie nicht an krisenempfindlichen Werken praktizieren. Ich darf Sie bitten, möglichst bald einmal — wir sind zur Diskussion bereit — dieses Projekt „Volksaktie" dem Hohen Hause zu unterbreiten. Bisher habe ich darüber wenig Positives hören können. Das heißt, es wurde ein Versuch gemacht. Die CDU-Fraktion hat hier einen Vorschlag gemacht, das Volkswagenwerk zu privatisieren, und eine Form spezieller Aktien vorgeschlagen. Ich lese nun in der Presse, daß der Herr Bundesschatzminister sagt: Das, was die von der CDU gemacht haben, ist falsch; ich habe mich durchgesetzt, diese besondere Form der Aktien fällt, die wird nicht mehr durchgeführt werden. — Ich frage Sie, Herr Kempfler: Wo bleiben dann eigentlich, wenn der Minister recht hat, Ihre Vorstellungen von den besonderen Volksaktien?
— Schön, einverstanden; dann wandeln Sie sich bitte so sehr, Herr Dr. Fritz, daß Sie uns einmal Ihr Projekt hier hinlegen, damit wir diskutieren können.
Denn das alte Projekt scheint ja nach den Außerungen des Herrn Ministers tot zu sein.
— Da steht drin, wie die Teile des Volkswagenwerkes und in welcher Form sie übertragen werden sollen. Sie wissen genau, worauf ich anspiele.
Das Experiment soll also nach Ansicht unseres Kollegen Kempfler beim Volkswagenwerk gemacht werden, weil es bei einem Objekt gemacht werden soll, das nicht krisenempfindlich ist. Nun, ich glaube, so fest und hundertprozentig kann man nicht die Behauptung aufstellen, daß irgendein Werk krisenunempfindlich sei. Denken Sie doch einmal an die amerikanische Automobilindustrie, von der man vor einigen Jahren bestimmt behauptet hätte, sie sei krisenunempfindlich, und sehen Sie, wo sie heute steht; eine Industrie, die zwar in Privatbesitz ist, von der wir aber wissen, daß ein großer Teil solcher privater Kleinaktionäre ebenfalls Anteile an diesen amerikanischen Automobilwerken haben. Es gibt also nicht Betriebe von absoluter Krisenunempfindlichkeit; da werden auch Sie sie nicht vorfinden.
— Vielleicht dann, wenn wir zu einem anderen Wirtschaftssystem kommen.
Das Thema, das wir heute hier behandeln, ist eigentlich das Thema über ein Erbe, nämlich das Erbe, das die vorhergehenden Ministerkollegen unseres Bundesschatzministers angehäuft haben,
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1663
Conrad
das sie verwaltet haben — manchmal gut, manchmal schlecht verwaltet haben nach unserer Ansicht — und das nun verteilt werden soll. Wir haben hier durch unsere Sprecher schon feststellen lassen, daß wir bereit sind, über zwei Drittel dieser Unternehmungen gar keine Diskussion zu führen, mit Ausnahme der einzigen: Sorgen Sie bei dem Verkauf dieser Betriebe dafür, daß der Steuerzahler nicht noch draufzahlen muß, das heißt, sorgen Sie dafür, daß wir den gerechten Preis bekommen, daß wir, wenn wir Gold hineingesteckt haben, nicht Silber zurückbekommen. Wenn wir Gold hineingesteckt haben, wollen wir auch Gold wiederbekommen. Und sorgen Sie bei dem Verkauf dafür, daß die Arbeitsplätze der dort Beschäftigten erhalten bleiben! Das sind zwei Bedingungen. Dann brauchen wir über zwei Drittel dieser Unternehmen gar keine großen Reden zu führen.
Über die anderen aber bitte ich doch zusammen mit uns nachzudenken. Ich habe die Entschließung gelesen, die Sie, meine Damen und Herren von der CDU, 1955 in dieser Frage eingebracht haben, und ich habe die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Hartmann zu diesen Fragen gelesen. Hier darf nicht leichtfertig Politik gemacht werden. Wir wollen eine gründliche Politik machen. Deshalb fordern wir vom Bundesschatzminister, zunächst einmal den Bestand mitzuteilen und dem Parlament zu sagen, welches nach Ansicht der Regierung wichtige und welches nicht wichtige Unternehmen sind. Dann haben wir zu unterscheiden, welche Unternehmen nach den Ausführungen von Professor Burgbacher in öffentlicher Hand bleiben müssen und welche man in private Hände zurückgeben kann. Hierauf muß man die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, damit solche Maßnahmen überhaupt durchgeführt werden können.
Über eine gesetzliche Maßnahme wird, glaube ich, hier eine harte Diskussion entbrennen, nämlich wie Sie das Kunststück der breiten Eigentumsstreuung fertigbringen wollen; denn das ist ja der Kern unserer ganzen Diskussion.
— Von Ihnen nicht, aber von der CDU wurde es so dargestellt. Wenn der Zweck die breite Eigentumsstreuung ist, dann muß ich Ihnen sagen: was wir bisher erlebt haben — nicht bei diesem Minister, sondern bei seinem Vorgänger —, erweckte keine großen Hoffnungen. Ich habe einmal versucht, aus den Unterlagen festzustellen, wer Betriebe des Bundes gekauft hat. Da finde ich die Namen Flick und Stinnes, eine Aktiengesellschaft, ein Bankenkonsortium usw. In keinem einzigen bisherigen Fall — und deshalb meine Zwischenfrage heute nachmittag -- kann, so glaube ich, nachgewiesen werden, daß die Veräußerung von Bundesvermögen der breiten Eigentumsstreuung gedient habe. Machen Sie also eine Vorlage, aus der hervorgeht, wie das zustande kommen soll! Sie werden dann mit uns Sozialdemokraten über viele hier einschlägige Fragen reden können und können unserer Mitwirkung bei ihrer Lösung gewiß sein. Wo es allerdings darum geht, wichtige Interessen der Allgemeinheit aus der Hand zu geben, werden
wir uns nicht scheuen, Ihnen von dieser Stelle aus mit aller Deutlichkeit zu sagen, was Sie nach unserer Auffassung falsch machen. Diese Art der Versilberung, des So-darüber-Hinredens über das öffentliche Vermögen werden wir nicht zulassen. Vielmehr hoffen wir, daß in diesem Hause ganz ernsthaft an diese Probleme herangegangen wird. Wir erwarten Ihre Vorschläge, damit wir uns endlich einmal konkret und nicht nur zum Fenster hinaus über die wirklichen Tatbestände unterhalten können.
Herr Abgeordneter Deist hat als Antragsteller das Schlußwort zum Antrag Drucksache 367.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit zwei kurzen, beinahe persönlichen Bemerkungen beginnen, weil ich möchte, daß Dinge richtiggestellt werden, die falsch ausgelegt werden könnten.
Herr Abgeordneter Atz e n r o t h hat behauptet, ich sei Vertreter des Anteilseigners, des Bundes, im Aufsichtsrat der Veba. Ich möchte dazu wenigstens folgendes feststellen. Es ist bekannt, daß die Frage der Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes bei der Veba umstritten ist. Infolgedessen wird eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Gewerkschaften getroffen, wonach die Arbeitnehmervertreter auf Vorschlag der Gewerkschaften von der Hauptversammlung gewählt werden. Ich möchte also nur zur Klarstellung — ich behaupte nicht, daß Sie etwas Falsches gesagt haben — darauf hinweisen, daß ich in diesem Fall als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sitze. Mir schien diese Klarstellung, damit keine Irrtümer entstehen, notwendig zu sein.
Eine zweite Klarstellung. Der Herr Kollege Rademacher hat gesagt, ich hätte mich hier verbürgt — das war der Ausdruck —, daß der Staat Hamburg bereit sei, die Howaldtwerke zu erwerben. Herr Kollege Rademacher, Sie werden bemerkt haben, daß ich mich sehr vorsichtig ausgedrückt habe; denn hier kommt es auf Nuancen bei der Darstellung an. Über eines kann kein Zweifel bestehen, und ich möchte darüber auch gar keinen Zweifel aufkommen lassen: ich habe selbstverständlich weder ein Mandat noch bin ich sonst befugt, etwa für den Senat oder für die Bürgerschaft Hamburgs Erklärungen abzugeben.
— Würden Sie mich bitte zu Ende sprechen lassen. — Das habe ich auch nicht getan. Ich habe auch nicht die Absicht, das zu tun. Aber wenn man hellhörig ist und ein bißchen von dem versteht, was vor sich geht, dann weiß man einiges und ahnt man einiges. Ich habe hier deutlich sagen wollen, daß nach meiner festen Überzeugung der hamburgische Staat bereit wäre, die Howaldtwerft zu übernehmen. Zum Schluß habe ich gesagt: es bleibt dem Bundesschatzminister überlassen, durch ein Angebot
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Dr. Deist
oder eine Rückfrage in Hamburg diese Frage klarzustellen. Das möchte ich hier doch zur Vermeidung von Irrtümern gesagt haben.
Schließlich hat der Herr Kollege Hellwig das Problem der öffentlichen Kontrolle angeschnitten. Er weiß, daß es mir, da ich über das Thema des heutigen Tages, nämlich über die Aufgaben der öffentlichen Unternehmungen sprechen möchte, jetzt nicht möglich ist, auf das Problem öffentlicher Kontrolle einzugehen. Ich möchte ihm aber darin zustimmen, daß ein wesentliches Element einer freiheitlichen Ordnung der Wirtschaft die wirksame Kontrolle durch die Öffentlichkeit ist, die nicht identisch ist mit der öffentlichen Kontrolle durch Verwaltungsstellen. Wir wünschten sehr, daß die Vorlage der Bundesregierung über die Einführung der Brutto-Gewinn- und Verlustrechnung recht bald Gesetz wird, und wir wünschten sehr, daß Sie in bezug auf die Publizität der Aktiengesellschaften nicht allzu lange auf die in so weiter Ferne stehende allgemeine Aktienrechtsreform warten möchten, sondern mit uns gemeinsam nach Wegen suchen, um hier eine wirklich weitgehende Publizität und damit eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit herbeizuführen.
Nur ist es damit allein wiederum nicht getan, Herr Kollege Hellwig, sondern bei unserer komplizierten Wirtschaft gehören noch verschiedene Dinge dazu. Die öffentliche Kontrolle durch staatliche Kontrolleinrichtungen wie z. B. durch eine Kartellbehörde ist doch offenbar in allen freiheitlichen Staaten auch ein selbstverständlicher Bestandteil einer Politik, die eine gesunde Ordnung der Wirtschaft sicherstellt.
- Die Kontrolle durch die Öffentlichkeit steht auch nicht zur Debatte! — So ergänzen sich die öffentliche Kontrolle und die Kontrolle durch die Öffentlichkeit über eine weitgehende Publizität und die Hecht-im-Karpfenteich-Funktion der Bundesunternehmen in oligopolistisch verseuchten Märkten gegenseitig zu einem Instrumentarium, um möglichst viel für freie Bewegung in der Wirtschaft offenzuhalten. Ich wollte das nur kurz erwähnen. Es ist mir natürlich nicht möglich, jetzt das ganze Problem in extenso zu behandeln.
— Herr Kollege Atzenroth, Sie wissen, daß ich in meinem Schlußwort beschränkt bin. Ich bin sonst nicht der Mann, der auf Zwischenrufe nicht eingeht oder Zwischenfragen ablehnt. Aber gestatten Sie mir, in meinem Schlußwort zu versuchen, nun im Zusammenhang das zu sagen, was notwendig ist. Ich möchte nämlich nicht zu denen gehören, die die Debatte unzulässig ausdehnen, zumal wir eine Absprache über eine baldige Beendigung der Debatte getroffen haben, an die ich mich halten möchte.
Der Herr Bundesschatzmeister hat heute hier wieder darauf hingewiesen, daß, wer öffentliche Wirtschaft betreibe, eigentlich die Funktion des Wettbewerbs verkenne. Er hat weiterhin gesagt — nachher wurde das einmal ein bißchen eingeschränkt, vor allen Dingen durch Herrn Dr. Burgbacher, aber letzten Endes wurde doch so gesagt —, es sei nicht Aufgabe des Staates, sich erwerbswirtschaftlich zu betätigen. Nun läßt sich über diese Frage noch diskutieren. Aber schwierig wird es, wenn der Herr Bundesschatzminister diese Auffassung in der Öffentlichkeit in einer Form behandelt, die ganz andere Vorstellungen hervorrufen muß.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat dasselbe Thema im Bayerischen Rundfunk am 4. März abgewandelt und ausgeführt:
In Zukunft
— wenn nämlich keine Bundesunternehmen mehr dasein werden, sondern diese privatisiert sind —
werden der Markt, der Wettbewerb, die eigene Leistung, die bessere Idee, die Initiative der Unternehmer entscheiden.
Als wenn bei öffentlichen Unternehmungen das alles regelmäßig fehlt! Herr Bundesschatzminister, halten Sie es, solange Sie öffentliche Unternehmungen haben, wirklich für richtig, letzten Endes die Leiter dieser öffentlichen Unternehmungen so zu diffamieren? Sie sagen damit: „Hier hat nicht der Wettbewerb, hier hat nicht die eigene Leistung, hier haben nicht die besseren Ideen und hier hat nicht die Initiative der Unternehmer entschieden."
Meine Damen und Herren, ich möchte klarlegen, daß auch Bundesunternehmungen in der Vergangenheit hervorragende unternehmerische Initiative, hervorragende Leistungen und sehr gute Ideen aufzuweisen hatten.
Herr Bundesschatzminister, die Veba und die Viag haben über ihre Energieversorgungsunternehmungen dafür Sorge getragen, daß die großen, dünn besiedelten Gebiete von Schleswig-Holstein über Hannover bis herunter nach Hessen mit Strom versorgt wurden, wozu die private Versorgungswirtschaft nicht bereit war. War das keine Leistung? Weiter haben die norddeutschen Kraftwerke eine Pionierleistung vollbracht, indem sie in dem Moor- und Heidegebiet auf Torfgrundlage eine moderne Kraftanlage aufgebaut und daneben eine vorbildliche Besiedlungstätigkeit in diesem bisher kaum bewohnbaren Gebiet durchgeführt haben. Waren das nicht gute Ideen? War das nicht eine Leistung der öffentlichen Unternehmungen?
Herr Bundesschatzminister, entsprang z. B. der Aufbau der Reichswerke nach dem Kriege im Zonenrandgebiet nicht unternehmerischer Initiative? Sie sollten nicht so geringschätzig darüber denken und sprechen, Herr Atzenroth!
Da sind Leistungen hervorgebracht worden, und da sind Ideen gewesen!
Meine Damen und Herren, man kann über die Leitung des Volkswagenwerks sagen, was man
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1665
Dr, Deist
will. Aber daß sie keine Initiative entfaltet habe, kein Risiko eingegangen sei, keine Leistungen vollbracht habe, keine Ideen gehabt habe, das können Sie wirklich nicht behaupten.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, das sind Pionieraufgaben, die hier zu einem erheblichen Teil der Bund erfüllt hat. Und da wagt Herr Atzenroth zu sagen, für Pioniertätigkeit sei der Bund, seien öffentliche Unternehmungen einfach nicht geeignet.
— Herr Kollege Atzenroth, Herr Nordhoff ist der Leiter eines Unternehmens, das im öffentlichen Besitz steht und nicht im privaten Besitz; das werden Sie wohl nicht bestreiten können.
– Herr Kollege Atzenroth, bitte, wir wollen hier keine Splitter reißen. Daß das Volkswagenwerk ein öffentliches Unternehmen ist, an dem es keine privaten Eigentümer und kein privates Kapital gegeben hat, und trotzdem etwas geleistet hat, das können Sie nicht bestreiten.
Es wurde gesagt, zur Pioniertätigkeit sei der Bund nicht geeignet. Ich möchte, Herr Kollege Atzenroth, in einem kleinen Rückblick auf die Geschichte einige Fragen stellen. Meinen Sie nicht, daß der Staat im ersten Weltkrieg, als die Kupferversorgung nicht mehr ausreichte und es notwendig war, Aluminium in Deutschland zu erzeugen, und als sich die private Industrie dieser Aufgabe versagte, eine Pionieraufgabe übernommen hat, als er diese öffentlichen Aluminiumwerke errichtete?
— Ach, in Kriegszeiten darf der Bund Pioniertätigkeiten ausüben?
Für zivile Aufgaben ist sie ihm verboten? — Herr Kollege Atzenroth, Vorsicht mit solchen Zwischenrufen!
Ein zweiter Fall, der ebenso liegt! War es nicht eine Pioniertätigkeit der öffentlichen Wirtschaft, als im ersten Weltkrieg öffentliche Stickstoffunternehmen errichtet wurden, nachdem sich die private Wirtschaft hier ebenfalls versagt hatte? Und war es nicht öffentliche Pioniertätigkeit, als der Eisenbergbau Salzgitter erschlossen wurde, nachdem die Eisen- und Stahlindustrie an der Ruhr die Übernahme dieser Aufgabe verweigert hatten, obwohl sie ihr angeboten war?
— Ich spreche jetzt davon, ob Bundesunternehmen geeignet sind, wirtschaftliche Pionieraufgaben zu erfüllen.
Nun komme ich wieder auf eine Friedenstätigkeit. Herr Kollege Atzenroth hat gemeint, bei der Isotopentrennanlage habe die private Wirtschaft recht getan, als sie eine Beteiligung ablehnte; denn das Risiko sei zu groß, die Anlage sei unwirtschaftlich.
— Ja, Herr Kollege Atzenroth, ist das ein Unterschied, wenn ich dann die Schlußfolgerung ziehe, sie habe einen Affront begangen? Die Bundesregierung hat die Haltung der Chemie jedenfalls als Affront betrachtet.
Tatsache ist jedenfalls folgendes. Wenn hier der privaten Initiative in Deutschland freier Lauf gelassen würde und der Bund nicht einspränge, dann würde es keine deutsche Beteiligung an der Isotopentrennanlage und damit an dieser fortschrittlichen Entwicklung auf dem Gebiete der Atomkernenergie geben, an der wir ein erhebliches Interesse haben.
Es gibt schon Beispiele dafür, daß öffentliche Unternehmungen wirklich Pioniertätigkeit leisten können und diese Aufgabe auch übernehmen müssen, weil sich die Privatwirtschaft versagt.
In diesem Zusammenhang ein Wort zu der Preussag. Ich habe versucht darzulegen, daß sich die Preussag auf drei Gebieten betätigt, auf denen sie nur durch öffentliche Unterstützungen, öffentlichen Zollschutz und ähnliche Dinge rentabel sein kann. Dabei sagte ich, daß das ein merkwürdiger Wettbewerb sei, der sich so auf den Schultern des Staates vollziehe.
Ich habe weiter versucht darzulegen, daß es drei Markte sind, auf denen es keinen Wettbewerb gibt, sondern auf denen die in Frage kommenden Industriezweige praktisch völlig der Herrschaft privater Unternehmungen ausgeliefert würden. Ich habe auf die Bedeutung des mitteldeutschen Besitzes und auf die Bedeutung der Zonenrandgebiete hingewiesen.
Herr Bundesschatzminister, ist es wirklich eine ausreichende Antwort, wenn Sie in etwa drei oder vier Sätzen sagen: Die breite Streuung des Eigentums ist sichergestellt, für die Wirtschaftspolitik des Bundes ist die Preussag nicht von Bedeutung, und die Zonenrandgebiete werden nicht benachteiligt, da beteiligen sich mit Erfolg auch private Unternehmungen. Ich glaube nicht, daß das der Bedeutung der Argumente gerecht wird, die vorgebracht worden sind. Sie sollten sich einmal an der Zonengrenze, insbesondere im Harzgebiet, erkundigen, ob man dort der Meinung ist, daß eine wirtschaftliche Betätigung öffentlicher Unternehmungen hier wirtschaftspolitisch wirklich so gleichgültig ist, wie der Herr Bundesschatzminister das heute hier gesagt hat.
Aber, meine Damen und Herren, die Sache wird bei der Preussag noch interessanter, und ich muß dazu doch noch einiges Weitere sagen. Auf dem
1666 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Deist
Gebiete der Erdölwirtschaft — darauf habe ich bereits hingewiesen — beherrscht Wintershall etwa 40 bis 50 % der deutschen Erdölförderung, der Bund etwa 20 %. Das Interesse von Wintershall an diesem Erdölbesitz liegt wohl auf der Hand. Hinzu kommt, daß Wintershall über Elverath bereits an der Mineralölverarbeitung beteiligt ist, an die auch der Bund seine Erdölwirtschaft abgibt. Hier ist also bereits ein starker Interesseneinfluß auf das öffentliche Vermögen von seiten Wintershall zu verzeichnen.
Es kommt ein Weiteres hinzu. Auf dem Gebiete des Erdgases bestreitet Wintershall bei insgesamt etwa 400 Millionen cbm Erdgasförderung allein 300 Millionen. Das heißt, die Interessenlage auf diesem Gebiet ist sehr deutlich.
Das gleiche gilt für die Düngemittelerzeugung. Ich habe darauf hingewiesen, daß Wintershall 85 % der deutschen Kalierzeugung beherrscht. Diese Gruppe hat damals den Versuch gemacht — der am Bundestag gescheitert ist —, die Nordchemie als großes Düngemittelunternehmen in seinen Einflußbereich zu bringen. Die Preussag hat entscheidende Kalisalzvorkommen in Staßfurt-Leopoldshall durch die Zonentrennung verloren, auf die sie nach der Wiedervereinigung Anspruch hat.
Die Gerüchte wollen nicht verstummen, daß die Privatisierung der Preussag in engem Zusammenhang mit den Erdöl- und Kaliinteressen von Wintershall an dem Besitz der Preussag steht.
— Ja, das Kapital kommt in private Hand. Diese Annahmen entbehren — —
— Aber ich bitte Sie, Herr Dr. Hellwig! Natürlich fließt dem Unternehmen Privatkapital zu. Aber dieses private Kapital wird durch private Kräfte aufgebracht. Das heißt, dieses Aktienkapital kann von privaten Aktionären auch gesammelt werden. Bisher hat uns der Herr Bundesschatzminister nicht gesagt, wie er die Schaffung eines starken, beherrschenden Minderheitsaktionärs verhindern will und wie er es verhindern kann.
Ein Weiteres. Es ist dabei nicht uninteressant, daß bereits heute dem Aufsichtsrat der Hibernia der Vorsitzer der Kaliwerke Salzdetfurth angehört, die eng mit Wintershall zusammenarbeiten. Hier spielen auf zwei Gebieten handfeste Interessen eine Rolle, bei Erdöl und bei Kali, wo wir starke marktbeherrschende private Kräfte haben. Hier sollte sich der Bund hüten, diese Interessen dadurch stärker werden zu lassen, daß er mehr oder weniger — wieviel, wissen wir ja noch gar nicht — von dem Kapital der Preussag in private Hände gibt. Dadurch kann niemals der private Wettbewerb gesteigert werden. Aber es besteht die
große Gefahr, daß uns auch noch die letzte Bastion des Wettbewerbs in diesen oligopolen Märkten verlorengeht und sowohl die Erdölförderung wie auch die Kali- und Steinsalzerzeugung restlos in die Herrschaft einiger ganz weniger großer privater Unternehmungen gerät.
Lassen Sie mich noch einiges zu dem zweiten Fragenkomplex ausführen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat wiederum dargelegt, die Bundesregierung sei fest entschlossen, den Weg der breiten Vermögensstreuung auch weiterhin zu gehen. Ich habe mir erlaubt, den Weg aufzuzeigen, den man nach dem Volkswagengesetzentwurf mit der Volksaktie beschritt und ich habe dann dargelegt, was nun von diesem Versuch, ein Instrument für die breite Eigentumsstreuung zu schaffen, übriggeblieben ist. Heute hat der Herr Bundesschatzminister bestätigt, er wolle keine Sonderaktie; denn Sonderaktien bedeuteten ja entweder mehr oder weniger Rechte. Alles, was geregelt werden könnte, hat er auf die lange Bank geschoben, indem er sagte, das müsse ein Bestandteil der allgemeinen Aktienrechtsreform werden. Der Herr Abgeordnete Burgbacher hat das bestätigt. Das heißt, es wird praktisch an den Möglichkeiten der Aktienausgabe gar nichts geändert. Denn Kleinaktien waren auch bisher möglich und gibt es auch heute. Die Möglichkeit, Aktien zu erwerben, beschränkt sich auf genau denselben Kreis, der auch bisher in der Lage war, Aktien zu erwerben.
Der Herr Bundesschatzminister hat das im Bayerischen Rundfunk am 4. März 1958 auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Da hat er in etwas verschlungenen Worten gemeint, Bausparen, Lebensversicherung und Sparkonto seien ja nicht so unwichtig, aber doch für die breite Eigentumsstreuung nicht so übermäßig bedeutend. Er hat sich auch mit seinem Fraktionskollegen Dresbach auseinandergesetzt, der sagte, Sparkassenguthaben und ähnliches Eigentum seien besser für den kleinen Mann als spekulatives Eigentum; denn hier sei das Eigentum auch noch anschaulich. Der Herr Bundesschatzminister war nicht dieser Auffassung. Er meinte, Hauseigentum und all diese Dinge kämen doch nur für einen begrenzten Bereich in Frage.
— Sie dürfen nachlesen, was der Herr Bundesschatzminister am 4. März 1958 über den Bayerischen Rundfunk gesagt hat. — Er hat dann weiter ausgeführt, Forderungsrechte seien kein Eigentum; vor jedem Gewinn stehe das wirtschaftliche Wagnis. Er schloß mit der Bemerkung, es sei jetzt möglich, die traditionellen Wertpapiersparerschichten anzusprechen.
Sehen Sie, Herr Bundesschatzminister, das ist genau das, was wir gesagt haben. Mit diesen Methoden schaffen Sie keine breite Streuung von Eigentum, sondern damit geben Sie nur den traditionellen, nämlich den bereits jetzt kaufkräftigen Wertpapiersparerschichten die Möglichkeit, nunmehr etwas leichter zusätzliche Wertpapiere und Aktien zu erwerben. Sie wissen das auch ganz genau, Herr
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Dr. Deist
Bundesschatzminister, denn Sie haben in der gleichen Rundfunkrede dargelegt, daß sich ein beträchtlicher Teil der deutschen Bevölkerung heute noch mit dem Existenzminimum begnügen müsse. Sie kennen auch die Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, wonach selbst bei den Selbständigen im Jahr 1956 noch 50 % ein Bruttoeinkommen von 450 bis 600 DM monatlich gehabt haben. Das wird sich etwas erhöht haben. Aber jedenfalls sind das ja alles keine Schichten, die für das Aktiensparen in Frage kommen. Jedenfalls werden auch die Aktien an Bundesunternehmungen, die privatisiert werden, nur jene erwerben, die schon in der Lage sind, Aktien zu kaufen.
Wenn Sie schon so großen Wert darauf legen, meine Damen und Herren, diese kleine Aktion als Bestandteil des großen Problems „breite Eigentumsstreuung" in den Vordergrund zu rücken, wie es der Herr Bundesschatzminister tat, dann muß man diese Dinge doch einmal in einen größeren Zusammenhang stellen. Worauf kommt es denn an? Doch darauf, daß das Zwangssparen über die Selbstfinanzierung zu Lasten der Verbraucher durch ein privates Sparen des privaten kleinen Mannes abgelöst wird. Das heißt, wir müssen Möglichkeiten schaffen, die Einkommenslage breiter Schichten so zu stärken, daß sie sparen können, und wir müssen dann die Maßnahmen treffen, die einen gewissen Anreiz und eine gewisse Sicherheit geben, daß dann auch wirklich gespart wird.
Die Lohn- und Gehaltspolitik sollte die Grundlage für größeres Einkommen schaffen, damit Sparen in größerem Ausmaß ermöglicht wird. Nun ist die Bundesregierung — das ist sehr deutlich — ein Gegner jeder fortschrittlichen Lohn- und Gehaltspolitik. Jetzt haben Sie wieder eine Maßnahme, die gerade den breiten Schichten zugute gekommen wäre und ihnen die Eigentumsbildung ermöglicht hätte, nämlich den Freibetrag für Lohnempfänger in Höhe von 600 DM, abgelehnt, und das Prämienspargesetz, das auch eine Möglichkeit zum vermehrten Sparen und zur Vermögensbildung in breiten Schichten geboten hätte, haben Sie vorerst einmal auf die lange Bank geschoben.
Den § 10 des Einkommensteuergesetzes haben Sie einstweilen beseitigt, obwohl durch ihn das traditionelle Sparen gerade der kleinen Leute begünstigt wurde.
Wenn dann der Herr Bundesschatzminister ausgerechnet die Privatisierung von Bundesvermögen mit der Förderung der mittelständischen Existenzen in Verbindung bringt, dann muß ich sagen, daß hier zwei Dinge zusammengebracht werden, die sich eigentlich ausschließen. Wenn ich die mittelständischen Schichten stärken will, kommt es doch darauf an, ihre Stellung gegenüber den großen Konzernen zu stärken und die Macht der Großunternehmungen zu begrenzen.
Auf der letzten Tagung der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer hat deren Vorsitzender, Herr Diplomingenieur Flender, eine scharfe Attacke gegen den beherrschenden Einfluß der Großindustrie in Staat und Wirtschaft geritten. Er hat dabei festgestellt, daß Bundesregierung und Parlament an dieser Entwicklung mitschuldig sind, weil sie eine Wirtschaftspolitik dès geringsten Widerstandes treiben, die sich zugunsten der Großindustrie ausgewirkt habe. Er fährt fort, die sogenannte Mittelstandspolitik sei nur ein Pflaster für die Schäden, die die Wirtschaftspolitik zugunsten der Großen hervorgerufen hätte.
Es ist doch etwas merkwürdig, wenn Sie wirklich meinen, diese Privatisierung von Bundesunternehmen in einem Zusammenhang mit der Förderung selbständiger Existenzen bringen zu können. Dann müßten Sie ganz andere Dinge tun; dann müßten Sie die Umsatzsteuerreform durchführen, eine andere Kreditpolitik und eine andere Kartellpolitik machen.
Wenn man das alles zusammenstellt, dann bleibt letzten Endes von allen Ihren Behauptungen, hier werde eine große Aktion zur breiten Streuung von Eigentum gestartet und sollten Grundlagen für eine breite Eigentumsbildung geschaffen werden, tatsächlich nicht mehr viel übrig.
Herr Abgeordneter Dr. Hellwig!
Gestatten Sie, Herr Dr. Deist: Sind Sie wirklich der Meinung, daß zu einem Schlußwort zu Ihrer Großen Anfrage die Ausweitung auf Probleme der Umsatzsteuerreform gehört, oder wird uns hier eine Wahlrede vorgeführt?
Herr Kollege Hellwig, ich bin gerne bereit, mit Ihnen in eine Diskussion einzutreten, wer hier heute Wahlreden gehalten hat. Ich würde da — ich will vorsichtig sein — einige Passagen des Herrn Bundesschatzministers von dieser Kennzeichnung keineswegs ausnehmen.
Aber, Herr Kollege Hellwig, wenn der Herr Bundesschatzminister und einige andere Redner der Fraktion die Frage der Privatisierung öffentlicher Vermögen in engen Zusammenhang mit der Förderung mittelständischer Existenzen bringen, dann müssen Sie mir gestatten, daß ich wenigstens einige Anmerkungen dazu mache. Ich habe weder über die Umsatzsteuerreform noch über andere Dinge ausführlich gesprochen, und ich habe auch nicht die Absicht, das zu tun.
Aber ich möchte hierzu feststellen, was ein Mann der neoliberalen Lehre, nämlich Herr Dr. Anton Reitinger, über das Ergebnis dieser Politik der Bundesregierung in einer Schrift gesagt hat, die da lautet „Soziale Marktwirtschaft auf dem Prüfstand".
1668 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Deist
Sie werden wissen, daß der Herr Reitinger jedenfalls nicht etwa sozialistischer Anschauung verdächtig ist. Er hat folgendes gesagt:
Ein Teil des relativen deutschen Wirtschaftswunders ist rein optisch dadurch bedingt, daß die Bundesrepublik den neuen Reichtum in das öffentliche Schaufenster gestellt hat —Juliusturm und Vocketurm - und die unzureichende Vermögensbildung der Bevölkerung im Dunkeln läßt, während die anderen Länder die Vermögensbildung in ihrer Bevölkerung kräftig unterstützen und in das Schaufenster die öffentlichen Schulden stellen.
Eine Folge dieser Politik ist die Stationierungskostenpolitik.
Dann fährt er fort:
Dadurch kommt das kuriose Ergebnis zustande, daß eine christlich-demokratische Regierung, die ununterbrochen das Bekenntnis zu Privateigentum und Sozialstaat im Munde führt, in Wirklichkeit den Reichtum in der öffentlichen Hand und bei den großen Kapitalgesellschaften konzentriert und damit in die Nähe administrativ gelenkter totalitärer Staaten gerät.
Meine Damen und Herren, Sie sollten Sorge tragen, daß Ihre Politik nicht zu dem Gegenteil einer sozialen Marktwirtschaft führt, weil nämlich die Herrschaft in wichtigen Industriebereichen -- und das ist ein großer Bereich der Wirtschaft — mit Hilfe der Privatisierung von Bundesunternehmungen einigen wenigen Großunternehmen überantwortet wird.
Das war das Schlußwort des Abgeordneten Dr. Deist für die Antragsteller.
— Es ist von mir ausdrücklich das Wort als Schlußwort erteilt worden.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwischen den Fraktionen war eine Verständigung über die Reihenfolge der Redner und auch über eine Schlußzeit für diese Debatte erzielt worden. Diese Verständigung ist — ich will jetzt nicht etwas Anklagendes sagen — nicht an der CDU gescheitert, sondern von einer anderen Fraktion sind diese Verabredungen nicht honoriert worden. Ich bitte infolgedessen um die Zustimmung gerade auch der Opposition, daß wir nunmehr diese Debatte fortsetzen.
Meine Damen und Herren, die geschäftsordnungsmäßige Lage ist jetzt dadurch wieder klar geworden, daß der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes sich zu Wort gemeldet hat.
Ich erteile ihm hiermit das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet, um noch einige Dinge richtigzustellen, die soeben von dieser Tribüne aus gesagt worden sind. Herr Dr. Deist schloß mit den Worten, wir möchten uns doch vorsehen, daß unsere Politik nicht zum Gegenteil der sozialen Marktwirtschaft werde. Herr Kollege Dr. Deist, die soziale Marktwirtschaft ist seinerzeit, als sie eingeführt wurde, ein Wagnis gewesen. Dieses Wagnis hat damals der Bundeswirtschaftsminister Professor Dr. Ludwig Erhard übernommen, getragen und zum Erfolg geführt. Es ist überflüssig, dagegen irgendwelche Warnrufe Ihrerseits zu erheben. Wir, die wir die soziale Martwirtschaft herausgestellt haben, werden auch wissen, wie wir sie sichern und ausbauen.
Sie haben heute durch Herrn Kollegen Dr. Bleiß zum Ausdruck bringen lassen, daß etwa 300 Betriebe vorhanden seien, von denen 200 Klein- und Mittelbetriebe seien, an deren Privatisierung auch Sie durchaus interessiert seien. Es sind nicht 300, es sind 400 Betriebe, außer den Liquidationsbetrieben. Ich freue mich, feststellen zu können, daß auch Sie die Privatisierung der Klein- und Mittelbetriebe nicht erschweren möchten.
Aber dann wird gesagt: Wir wollen wissen, welche Betriebe wertvoll sind und welche nicht wertvoll sind; die wertvollen Betriebe dürfen nicht privatisiert werden, nur die nicht wertvollen. Das ist ein Unterscheidungsmerkmal, mit dem wir in der Praxis gar nichts anfangen können. Das gleiche gilt für eine Unterscheidung, die der Kollege Conrad hier gemacht hat. Er sagte: Wir wollen wissen, was wichtige und was unwichtige Betriebe sind — er führte dies als Unterscheidungsmerkmal an —, um festzustellen, bei welchen Betrieben wir zustimmen können. Die Begriffe „wichtig" und „unwichtig" sind
natürlich auf die sonstige Haltung zur Wirtschaft überhaupt bezogen. Ein Betrieb, der von Ihrem Gesichtspunkt aus für eine Gemeinwirtschaft wichtig erscheint, braucht unter dem Gesichtspunkt der sozialen Marktwirtschaft nicht wichtig zu sein. Das sind doch Begriffe, mit denen wir in Wirklichkeit gar nichts anfangen können; sie schillern.
Man hat hier gesagt, ich hätte mich für „Versilberung" ausgesprochen. Das können Sie mir nicht nachweisen, Herr Kollege Conrad; ich habe an keiner Stelle von Versilberung von Betrieben gesprochen. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, daß wir gerechte und richtige Preise bekommen.
Nun zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Deist! Herr Dr. Deist, wenn Sie unterstellen und Vermutungen und Verdächtigungen aussprechen, daß bei der Teilprivatisierung der Preussag irgend-
Bundesminister Dr. Lindrath
welche Erdöl- oder Kaliinteressen mitspielen oder mitgespielt haben oder überhaupt im Spiele sind, so können Sie dafür aber auch nicht den leisesten Beweis antreten. Niemand hat daran gedacht, und gerade Sie bei Ihrer Kenntnis der Wirtschaft müßten doch ganz genau wissen, daß eine Veräußerung von 28,6 % niemanden veranlassen könnte, insbesondere wenn diese Aktien breit gestreut werden, eine Sperrminorität aufzukaufen. Hierzu wäre es notwendig, daß bis auf 3,5 % dieses Zusatzkapitals das gesamte Kapital in einer Hand vereinigt würde. Das ist doch praktisch unmöglich, wenn man es breit gestreut hat.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Vielleicht am Schluß. Ich möchte jetzt erst zu Ende sprechen, um zum Schluß die Dinge noch einmal konzentrierter zusammenzufassen.
Weiterhin ist gesagt worden, in einigen Dingen dürften Sie mich, wenn von Wahlreden gesprochen werde, nicht ausnehmen; Mittelstandspolitik und breite Eigentumsstreuung hätten doch nichts damit zu tun. Wo habe ich heute ein Wort von Mittelstandspolitik und breiter Streuung im gleichen Zusammenhang gesagt? Mittelstandspolitik habe ich nicht erwähnt; schauen Sie bitte im Protokoll nach. Sie haben vielleicht auf irgendeine meiner früheren Reden Bezug genommen. Sie können doch nicht behaupten, ich hätte hier eine Wahlrede zu halten versucht. Das liegt mir gar nicht. Ich bin in der Regel als viel zu sachlich bekannt, als daß ich etwa in diesem Zusammenhang eine Wahlrede hielte. Über Mittelstandspolitik und breite Eigentumsstreuung habe ich hier kein Wort verlauten lassen; das beruht auf einem Irrtum. Das muß ich zurückweisen.
Wenn wir unser Anliegen der Privatisierung und unser Anliegen der breiten Eigentumsstreuung verwirklichen, wollen wir von Fall zu Fall absolut vernünftig vorangehen. Wir wissen, daß der Privatisierungsgedanke und der Gedanke der Politik einer breiten Eigentumsstreuung sowohl eine wirtschaftspolitische als auch eine gesellschaftspolitische Wurzel hat, wie auch schon von anderen Damen und Herren meiner Fraktion gesagt worden ist. Aus diesen beiden Ursachen wird in dem einzelnen Fall, insbesondere bei dem von Herrn Dr. Deist angesprochenen kleinen und mittleren Betrieb, eine Veräußerung wahrscheinlich sehr häufig nur aus wirtschaftspolitischen Gründen durchgeführt 'werden können, während eine gesellschaftspolitische Begründung nur dann gefunden werden kann, wenn wirklich Volksaktien ausgegeben werden können.
Herr Dr. Deist, Sie haben mich noch wegen der Volksaktie angesprochen und haben gesagt, dann wäre die Aktie überhaupt keine Volksaktie mehr. Daß eine Aktie, die als vinkulierte Namensaktie außerordentlich schweren Handelsbeschränkungen unterworfen ist, einer normalen Aktie gegenüber
minderwertig ist oder geringeren Wert hat, werden Sie nicht bestreiten können. Wir haben die Absicht, breiten Schichten unserer Bevölkerung Aktien anzubieten, die mindestens so viel Wert haben wie die normalen Aktien. Es kommt uns nicht auf den Inhalt der Aktie an, sondern es kommt uns darauf an, daß neben dem Recht auf Dividende, das mit der Aktie verbunden ist, auch ein Mitspracherecht für die Kleinaktionäre, für die Volksaktionäre, geschaffen wird. Das sind unsere Absichten, die wir hierbei verwirklichen wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fritz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Altere Angehörige des Bundestags haben mir schon mehrmals bestätigt, daß im vergangenen halben Jahr des 3. Deutschen Bundestags weniger gesetzgeberische Arbeit geleistet worden ist als in den vergleichbaren Perioden des 1. und des 2. Bundestags. Es wurde auch gesagt, dies sei deshalb der Fall, weil die eigentliche praktische Arbeit durch große Anfragen und ähnliche parlamentarische Aktionen ständig verzögert würde.
Es ist wohl sicherlich nicht anzuzweifeln, daß die SPD in der Produktion von Anträgen hier im Hause die fruchtbarste Arbeit geleistet hat und noch leistet.
- Ich habe hier eine Aufstellung, Herr Dr. Deist,
aus der hervorgeht, daß bisher von der Fraktion
der CDU/CSU eine Große Anfrage, von der SPD
acht und von der FDP vier eingebracht worden sind.
Herr Abgeordneter Fritz, ich wollte Sie eben auch bitten, möglichst auf die Sache einzugehen.
Herr Präsident, ich fühle mich doch verpflichtet, zu dem Schlußwort von Herrn Dr. Deist, das wir nach dieser Absprache nicht erwartet haben, Stellung zu nehmen. Das gehört hier einmal gesagt. Ausgangspunkt dieser Debatte war das Problem der Bundesunternehmen. Das muß ich betonen, weil wir uns durch das Schlußwort von Herrn Dr. Deist von diesem Ausgangspunkt wieder etwas entfernt hatten.
In der großen Anfrage standen zwei Fragen von großer Bedeutung zur Diskussion. Es heißt hier:
Erkennt die Bundesregierung an, daß Bundesunternehmen wichtige Mittel der Wirtschaftspolitik sein können? In welchem Umfange hält die Bundesregierung hiernach den Besitz von Bundesunternehmen für erforderlich oder zweckmäßig?
1670 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Fritz
Die Bundesregierung und unsere Sprecher haben auf diese Frage bereits eine eindeutige Antwort gegeben. Das Bundesvermögen kann und darf nicht Mittel für Lenkungsexperimente sein. Wir wissen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Opposition, daß wir Ihnen sehr wehe getan haben,
als auf dem Bundesparteitag der CDU in Hamburg am 14. Mai 1957 Karl Arnold unter dem Stichwort „Eigentum für jeden" ein wirtschaftspolitisches und sozialpolitisches Programm entworfen hat,
das von tödlicher Wirkung für die Reste antiquierter Sozialisierungsvorstellungen in der Bundesrepublik sein mußte.
— Herr Schmidt, Sie kommen auch noch dran.
Ich bitte um etwas mehr Ruhe.
Karl Arnold hat sich damals bewußt für eine breite Streuung des Eigentums aller Art in der Bevölkerung ausgesprochen, weil allein dieses Programm unseren freiheitlichen Standpunkt in der westlichen Welt in der Wirtschaftspolitik sinnnbildlich demonstrieren kann.
Herr Abgeordneter Fritz, ich darf einen Augenblick um Gehör bitten.
Ich bitte um etwas mehr Ruhe auf allen Seiten des Hauses.
Dieses Programm ist das Ergebnis unserer Erfahrungen mit dem wirtschaftspolitischen Dirigismus nationaler Diktatoren in der Vergangenheit und mit dem wirtschaftspolitischen Dirigismus sowjetischer Diktatoren, der gegenwärtig — leider auch bei unseren Brüdern und Schwestern in Mitteldeutschland — jenseits des Eisernen Vorhangs herrscht.
Dieses Bekenntnis zum Eigentum ist die einzige Alternative, die sich für uns heute im Westen ergibt,
ein Bekenntnis, das in wirtschaftspolitischer Hinsicht tatsächlich auch von magnetischer Kraft für unsere Brüder drüben sein muß.
Leider spielt auch die SPD
nach wie vor, so ungern sie dies auch hört, mit mehr oder weniger verschwommenen Vorstellungen und Lieblingsgedanken direkter und indirekter Sozialisierung.
Dabei ist sie in ihrer Meinungsbildung durchaus Schwankungen unterworfen.
Einmal ist es für den Funktionär, wie er jetzt hier so schön klatscht,
Pflicht, das schöne und traditionsreiche Wort „Sozialisierung" auszusprechen und der Bevölkerung propagandistisch einzuhämmern, und ein andermal wieder darf er reformerisch das Wort „Sozialisierung" nicht mehr in den Mund nehmen. Dasselbe gilt für andere Vokabeln wie Gemeineigentum, Staatskontrolle usw.
Das Wort „Staatskontrolle der wirtschaftlichen
Großmacht" stammt, glaube ich, von Herrn Deist.
Oder es wird von „öffentlicher Kontrolle" geredet,
die, wie vorhin Herr Hellwig richtig sagte, keine Kontrolle durch die Öffentlichkeit bedeutet, sondern lediglich eine Funktionärskontrolle gewisser der Verantwortung enthobener Pfründenträger darstellt.
Die SPD ist deswegen unruhig — —
Herr Abgeordneter Fritz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erler?
Haben Sie, Herr Kollege, mit der letzten Bemerkung über die der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit usw. entzogenen Funktionäre die Beamten des Bundeskartellamts gemeint?
Nein, die habe ich nicht damit gemeint.
— Hören Sie ruhig mal zu! Wir haben Sie vorhin auch sprechen lassen.
Meine Damen und Herren, das Wort hat im Augenblick der Abgeordnete Fritz.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1671
Wir haben Sie ja auch aussprechen lassen, und Herr Deist hat in seinem Schlußwort zu einer Sache gesprochen, die tatsächlich auch nur mittelbar im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Großen Anfrage stand. Und wenn Sie unser Privatisierungsprogramm in breitester Form angreifen, müssen Sie uns auch gestatten, daß wir auf Ihre Vorstellungen von der Gestaltung der Produktion hinweisen, die auf Ihrem Parteitag in Stuttgart zum Ausdruck gekommen sind, wo Sie sich über das Grundsatzprogramm selber nicht einigen konnten.
Ich glaube, die Angriffe, die Sie hier gegen unsere Wirtschaftspolitik, vor allem gegen unser Anliegen der breiten Streuung des Eigentums richten,
sind sehr billig. Es ist sehr billig, von Ihrer Seite aus solche Angriffe zu erheben, da Sie ja selber über diesen Punkt keine genauen Vorstellungen besitzen
und da Sie bisher auch nicht in der Lage waren, sich zu einem Grundsatzprogramm durchzuringen. Dessen Verabschiedung haben Sie wieder bis zum Jahre 1960 hinausgeschoben.
Meine Damen und Herren, ehe ich weiter das Wort an den Abgeordneten Hellwig gebe, möchte ich schon jetzt bekanntgeben, daß eine interfraktionelle Vereinbarung erfolgt ist, nach der für morgen früh 9 Uhr eine neue Sitzung des Bundestages einberufen werden soll. Als Punkt 1 soll der jetzige Punkt 3, die zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Volksbefragung wegen einer atomaren Ausrüstung der Bundeswehr auf der Tagesordnung stehen. Gleichwohl wollen wir versuchen, die übrige Tagesordnung heute bis 9 Uhr soweit wie möglich zu fördern.
Ich muß weiterhin auf Bitten des Vorstandes der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft bekanntgeben, daß der Vortrag von Herrn Dr. Max Beer, zu dem eingeladen war, auf 9 Uhr verlegt worden ist, so daß die Abgeordneten bis 9 Uhr der Sitzung folgen können.
Zu der vorhin erwähnten Vereinbarung gehört ferner noch, daß morgen früh als zweiter Punkt die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts behandelt werden soll.
Ich darf nunmehr dem Herrn Abgeordneten Hellwig das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! lch hätte nicht nochmals das
Wort ergriffen — obgleich die über ein Schlußwort zur Sache hinausgehenden Ausführungen des Kollegen Dr. Deist dazu genügend Veranlassung gegeben hätten —, wenn es nicht erforderlich wäre, auch in diesem Hause einmal an den guten parlamentarischen Brauch zu erinnern, wenn neue Kollegen ihre erste Rede halten, ihnen mit Aufmerksamkeit zuzuhören, zumindest aber sie nicht laufend zu stören. Das ist soeben geschehen.
Das Haus hat bisher in solchen Fällen durchaus einen gewissen parlamentarischen Stil gewahrt. Ich bedaure, daß das heute nicht geschehen ist.
Ich habe hier noch eine Bemerkung anzufügen, um noch einmal die Problematik klarzumachen, die in den Ausführungen von Herrn Dr. Deist wie ein roter Faden hindurchging. Man versichert, daß man unter bestimmten Voraussetzungen zum privaten Eigentum und auch zur Privatisierung stehe. Aber im konkreten Fall geht man um die Entscheidung herum. Es war durchaus berechtigt, daß mein Fraktionskollege Dr. Fritz auf die verschwommenen Vorstellungen vom Stuttgarter Parteitag der SPD und die Ausführungen von Dr. Deist selbst verwiesen hat, nämlich auf die große Problematik, wo die Anerkennung des privaten Eigentums beginnt und aufhört. Auf dem Stuttgarter Parteitag hat der Kollege Dr. Deist das private Eigentum an kleinen und mittleren Unternehmungen bejaht; es wurde des Schutzes auch der SPD und ihres Programms versichert. Er hat hier vorhin in seinem Schlußwort auch einige Bemerkungen über Mittelschichtenförderung gemacht. Herr Kollege Dr. Deist: Wo liegt nach Ihrer Meinung die Grenze zwischen schutzbedürftigem und schutzwürdigem kleinem und mittlerem Eigentum und einem offenbar einem Verruf unterliegenden Großeigentum? Soll diese Grenze je nach politischer oder wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit variiert, durch Parlamentsbeschlüsse festgesetzt oder verschoben werden? Herr Dr. Deist, das private Eigentum ist ein unteilbares Grundrecht.
Es kann generell aus sozialen und anderen Gründen eingeschränkt werden; aber es an bestimmten
Stellen und Teilen aufzuheben, ist nur unter ganz
bestimmten Voraussetzungen möglich. Diese Voraussetzung jedoch ist — vom Grundgesetzgeber aus
— nicht die Größe oder die mittlere oder kleinere
Substanz. Wenn die Grenze je nach Zweckmäßigkeit
manipuliert werden soll, dann allerdings kommt
alles, was von Ihrer Seite über den Schutz privaten
mittleren und kleinen Eigentums gesagt wird, in ein
sehr merkwürdiges Zwielicht. Dieses Zwielicht kann
ich hier nicht anders illustrieren als mit Ausführungen, die schon vor Jahren einmal Herr Professor
Gleitze bei einer Schilderung der Vorgänge in
der sowjetischen Besatzungszone gegeben hat. Er
wies darauf hin, daß es keiner allgemeinen gesetzlichen Abschaffung des privaten Eigentums an Produktionsmitteln in der sowjetischen Besatzungszone
1672 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Hellwig
bedurft habe, sondern daß das private Eigentum durch Lenkungs- und Planungsmaßnahmen, durch die Mitbestimmung der SED und der Gewerkschaft und last not least durch Steuern und sonstige Lasten ausgehöhlt worden ist.
Das ist die Antwort, die wir von Ihnen vermissen. Dieser Versuch, zu trennen zwischen privatem Eigentum, welches für kleine und mittlere Unternehmungen gelten solle, und großem Eigentum, das man abschaffen oder unter Sonderrecht, das heißt unter Ausnahmerecht stellen will — das ist es, was uns immer wieder mit Verdacht erfüllt. Daher sind auch alle Ihre Ausführungen über eine wirkliche Mittelschichtenpolitik — Sie haben sie vorhin eingeflochten — nicht glaubhaft. Wie wollen Sie mittlere und kleinere Unternehmungen fördern, wenn Sie gleichzeitig die Ausdehnung öffentlicher Unternehmungen und die Ausdehnung der frei-gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen verlangen? Auf diese Dinge ist eine Antwort notwendig.
Und nun zur Frage der Privatisierung. Herr Dr. Deist, Sie haben selber innerhalb ihrer Stuttgarter Ausführungen davor gewarnt, Kataloge über die Sozialisierung aufzustellen. Kataloge seien kein brauchbares Mittel, sie beruhigten sehr leicht die Gewissen; und was schlimmer sei, je umfangreicher sie seien, um so unverbindlicher seien sie letzten Endes. Genau das ist die Überlegung, die wir hinsichtlich der Privatisierung anstellen. Wir haben es abgelehnt, in einen generellen Katalog über diese Dinge einzutreten, und haben gesagt: Es muß an
I) einem hierfür geeigneten Objekt zunächst ein Versuch, ein Modell entwickelt werden, um zu einer tragfähigen Lösung — auch unter Wahrung des Prinzips, Machtkonzentrationen nicht zu vermehren, sondern abzubauen zu kommen.
Hiermit komme ich zu dem anderen roten Faden der Ausführungen von Dr. Deist. Das ist das Problem der Machtkonzentration. Er spricht immer, hier und draußen, von der Gefahr der Machtkonzentration, insbesondere der Vermachtung der Märkte, in privaten Unternehmungen. Nun, meine Damen und Herren: wir sehen das Problem; es ist ein Problem der modernen Industriegesellschaft. Aber wir halten es für völlig verfehlt, es dadurch lösen zu wollen, daß diese wirtschaftliche Macht aus privater Hand nun auch noch an die Träger von politischer und Verbandsmacht weiterhin verlagert und angereichert wird.
Das Prinzip der Machtverteilung kann des privaten Eigentums einfach nicht entbehren.
Und nun: Wo ist die Grenze bei diesen großen Unternehmungen hinsichtlich des privaten Eigentums? Ich glaube, Sie denken immer noch im Grunde genommen im Sinne der Marxschen Vorstellung von der Vermögenskumulation. Dabei ist das Problem gar nicht mehr die Konzentration des Eigentums, sondern die Konzentration von Verfügungsgewalt unabhängig von dem Eigentum.
Daher, glaube ich, kann unsere Aufgabe nicht sein — jedenfalls wir sehen es so —, das private Eigentum als Quelle einer legitimen Kontrollfunktion in diesen Unternehmungen überhaupt auszuschalten und auch diese Funktion noch auf die Inhaber der öffentlichen Gewalt zu übertragen, sondern unsere Aufgabe muß es sein, das private Eigentum als Quelle dieser Kontrollfunktion zu stärken.
Nun muß ich Ihnen noch folgendes sagen. Die Vereinigung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht und politischer Macht, gleichgültig ob in Behörden, Verbänden usw., ist in unserer freiheitlichen Ordnung nur als Ausnahme zu ertragen. Sie ist immer Gegenstand größter Wachsamkeit. Das ist auch eine Erkenntnis, der wir folgen. Aber sie zum Prinzip unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung zu erheben, wie es in Vorschlägen von Ihrer Seite in den letzten Wochen wiederholt geschehen ist, das ist die stärkste Gefährdung des machtverteilenden Prinzips, auf dem unsere Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung gegründet sein soll.
Herr Dr. Deist, ich kann nur bedauern, daß durch Ihr Schlußwort eine Ausweitung herbeigeführt worden ist. Ich möchte aber hoffen, gezeigt zu haben jedenfalls habe ich mich bemüht, es zu
tun - , daß das zentrale Anliegen so wichtig ist, daß es aus der parteipolitischen Polemik herausgehalten werden müßte, wenn wir zu wirklichen Lösungen kommen wollen. Ich kann nur bedauern, daß bei der Erörterung dieses Themas von Ihrer Seite immer nur Wert darauf gelegt wird, den Unterschied zu uns, den Unterschied zur Marktwirtschaft, den Unterschied zur Privatwirtschaftsordnung des Westens herauszuarbeiten, während man mit gleicher Deutlichkeit den Unterschied zu den Organisationsformen der totalen Staats- oder Verbandswirtschaft im östlichen Bereich bisher nicht herausgearbeitet hat. Das läßt uns an der Aufrichtigkeit Ihrer Argumentation zweifeln.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie verstehen, daß ich zu den Äußerungen verschiedener Redner — wenn ich mich auch zu beschränken beabsichtige — noch einiges sagen muß.
Der Herr Bundesschatzminister hat davon gesprochen, ich hätte Vermutungen und Verdächtigungen bezüglich der Auslieferung von Bundesunternehmungen an die Erdölindustrie und dergleichen mehr ausgesprochen. Meine Damen und Herren, daß so selten unterschieden wird, ob von bestimmten Tendenzen, von bestimmten Interessenlagen, aus denen sich Konsequenzen ergeben, oder von finsteren Absichten gesprochen wird! Hier ist gar nicht etwa von
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1673
Dr. Deist
bösartigen Menschen die Rede, sondern von zwangsläufigen Folgen des Konzentrationsprozesses, insbesondere in solchen Industriezweigen, die oligopolistisch verseucht sind. Darum sprechen Sie bitte nicht von Verdächtigungen oder Unterstellungen. Ich habe vielmehr Tendenzen, die sich in diesen Industriezweigen zeigen, gekennzeichnet. Daraus ergibt sich zwangsläufig das Interesse gerade der Gruppe von Wintershall an der Preußag.
Im übrigen, Herr Bundesschatzminister, hätten Sie die Debatte wesentlich erleichtern können, wenn Sie die verbindliche Erklärung abgegeben hätten: 1. Wir werden durch eine gesetzliche Regelung das Entstehen einer Sperrminorität verhindern. 2. Wir werden eine Beteiligung von privaten Interessenten an der Preußag über diese 28,6 % hinaus nicht herbeiführen. Wenn Sie diese Erklärung ohne jeden Vorbehalt abgeben könnten, sähen wir viel klarer.
Dann wurde im Zusammenhang mit dem Volksaktienmodell beim Volkswagenwerk von Herrn Hellwig gesagt, man wolle keine großen Theorien und keine großen Rezepte
— keine Kataloge -, sondern ein bestimmtes praktisches Beispiel. Warum müssen Sie immer gleich plagiieren? Lassen Sie mir das doch!
— Schön. Ich möchte nur folgendes feststellen. Der Witz Ihrer Voìksaktie, dieses ersten Modells, war, daß sie so ausgestattet und damit zu einem ganz speziellen Instrument werde, um breite Schichten, die bisher zum Aktiensparen nicht geneigt oder in der Lage waren, anzusprechen. Alle diese Besonderheiten, die das Wesen der Volksaktie ausmachten, haben Sie so allmählich beseitigt; jetzt gibt es nur noch die normale Aktie. Herr Bundesschatzminister, uns interessiert dabei Ihre Begründung nicht. Sie haben wahrscheinlich recht. Wir haben immer gesagt, daß all die Sonderregelungen, die Sie für die Volksaktie vorsahen, fauler Zauber sind.
Aber was aus Ihren Darlegungen deutlich wurde, war, daß Sie — aus welchen Gründen immer -
diese besondere Volksaktie inzwischen in den Schrank gestellt haben, so daß dieses besondere Mittel zur Aktienstreuung ausfällt. Mehr wollten wir nicht sagen. Aber das festzustellen erschien mir nötig.
Sie haben, Herr Bundesschatzminister, das letzten Endes auch am 4. März über den Bayerischen Rundfunk bestätigt. Da haben Sie nämlich gesagt: Ich habe mich mit Erfolg dafür eingesetzt, den Grundsatz einheitlichen Rechts höherzustellen und wichtiger zu nehmen — also keine Sonder-Volksaktie zu schaffen — als den Vorwurf, die heute noch einkommensschwachen Schichten seien durch normale Aktien nicht zu Eigentümern zu machen. Darin liegt doch wohl das Eingeständnis, daß diese Aktie eben keine Möglichkeit mehr ist, Angehörige der breitesten Schichten zu Aktionären zu machen und damit, wie Sie so nett sagen, Herr Bundesschatzminister, „Eigentum an Produktionsmitteln zu schaffen".
Dabei sollten Sie mit solchen Formulierungen vorsichtig sein, Herr Bundesschatzminister, denn es könnte sonst die Frage auftauchen, ob Sie nicht bereits marxistisch verseucht sind.
Ich möchte noch mit einigen kurzen Worten auf die Ausführungen von Herrn Hellwig eingehen. Hier handelt es sich um zwei verschiedene Dinge. Zunächst einmal sagte er: Ihr Sozialisten gebt immer ein globales Bekenntnis zum Privateigentum ab, und wenn es sich in der Praxis darum handelt, Privateigentum zu schützen, dann seid ihr auf einmal nicht mehr da; dann heißt es „öffentliches Interesse", und dann zeigt sich, daß ihr es mit dem Bekenntnis zum Privateigentum gar nicht ernst meint. Herr Hellwig hat ein großes Wort gesprochen, das er einmal überprüfen sollte, nämlich das Wort: Das Privateigentum ist ein unteilbares Recht. Meine Damen und Herren, wer ein wenig die soziologische und die Rechtsliteratur studiert und wer dabei auch an der Enzyklika Quadragesimo anno nicht ganz vorbeigeht, wird feststellen müssen, daß zwischen Eigentum und Eigentum ein Unterschied ist und daß die Form und der Inhalt des Eigentums in der Geschichte durchaus wandelbar sind. In der Enzyklika steht ferner -- ich kann jetzt nicht wörtlich zitieren —, daß es heute in der Wirtschaft wider jedes natürliche Recht angemaßte Herrschaftsmacht gebe, die zu öffentlichen Gegenmaßnahmen zwingt. Wenn ich nicht sehr irre, wird dann ausgeführt, daß berechtigte Bestrebungen und Forderungen dieser Art nichts an sich hätten, was mit christlicher Auffassung in Widerspruch stehe. Dann gibt es eine weitere Stelle in der Enzyklika, in der es heißt: Unter diesen Umständen sei es durchaus angemessen, daß wichtige Grundstoffe und anderes in öffentliches Eigentum übergeführt würden.
Herr Kollege Hellwig, da soll man nicht solche Redensarten von dem „unteilbaren Eigentum" bringen.
— Jetzt spreche ich über Ihr „unteilbares Eigentum", Herr Kollege Hellwig, und das müssen Sie mir schon gestatten.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns doch darüber klar sein, daß es völlig falsch ist, so zu tun, als ob das, was wir alle und was auch jeder draußen unter Privateigentum versteht, dasselbe wäre wie das sogenannte Eigentum an Aktien. Wenn wir von Eigentum sprechen, versteht der normale Mensch darunter ein Haus oder andere Gegenstände, die er besitzen kann und bei denen ihm, wie Herr Kollege Dr. Dresbach sagt, das Eigentum anschaulich ist. Herr Flender von der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer hat über den modernen Großbetrieb so nett gesagt — das brauche ich nicht zu sagen, ich hätte es gar nicht so schön sagen können —:
1674 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode – 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Deist
Der moderne Großbetrieb in Form der Publikums-AG ist ein Unternehmen an sich. Seine Aktionäre sind dinglich gesicherte Obligationäre, die mit Aktien wie mit Altpapier handeln und keineswegs mehr mit dem Unternehmen identisch sind.
Meine Damen und Herren, Sie sollten doch sehen, welcher Unterschied zwischen den Besitzern der Aktie und dem wirklich zu unterstützenden und zu befürwortenden privaten Eigentum besteht, das die Grundlage für größere wirtschaftliche Selbständigkeit und Freiheit sein kann.
Was Sie hier machen, ist gerade unter den Gesichtspunkten einer wirklich freiheitlichen und sozialen Marktwirtschaft denkbar gefährlich. Denn Sie täuschen darüber hinweg, daß Eigentum an Großunternehmungen mit Herrschaftsmacht seinen Charakter völlig geändert hat und eine große Gefahr für eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsgestaltung ist.
In der Debatte ist gesagt worden: Das kommt eben darauf an, wo das öffentliche Interesse beginnt. Jawohl, darauf kommt es an, darauf kommt es sehr an.
Herr Kollege Hellwig, wir haben den Herrn Bundesschatzminister aufgefordert, an Hand von praktischen Beispielen der Bundesunternehmen — nicht theoretisch; darüber können wir uns weiter streiten, und darin liegt so viel Möglichkeit zu propagandistischen und sonstigen Effekten — darzulegen: Die und die Unternehmungen sind im Bundesbesitz, bei den und den Unternehmen halten wir öffentliches Interesse nicht für gegeben, und bei den und den Unternehmen halten wir Bundesbesitz im öffentlichen Interesse für geboten. Dann soll er sich mit uns unterhalten, auch über solche Dinge, wie wir sie im Hinblick auf die Oligopolsituation auf dem Kraftfahrzeugmarkt beim Volkswagenwerk und hinsichtlich des Erdölmarkts und Kalimarkts angeführt haben. Dann soll er sich mit uns darüber auseinandersetzen. Wir wünschen eine solche Auseinandersetzung an Hand eines praktischen Plans über die zukünftige Behandlung des Bundesvermögens. Dann werden Sie sehen, daß wir einen sehr, sehr weiten Raum für private Unternehmungen innerhalb der Wirtschaft nicht nur für zulässig, sondern für gesund halten. Aber dort, wo ernsthafte öffentliche Interessen vorliegen, muß, wie in allen freiheitlichen Ländern der Welt, die öffentliche Gewalt, die Staatshand ihre Aufgabe erfüllen und dafür sorgen, daß Freiheit in Wirtschaft und Gesellschaft erhalten bleibt und nicht durch die mächtigen Großunternehmungen untergraben wird.
Meine Damen und Herren, nun liegen mir zu Punkt 2 keine Wortmeldungen mehr vor. Die Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Bundesunternehmen — Drucksache 335 — und des Antrags der
Fraktion der SPD betreffend Howaldtwerke Hamburg AG - Drucksache 367 — ist damit geschlossen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Howaldtwerke Hamburg AG an den Haushaltsausschuß — federführend — und an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Besteht damit Übereinstimmung?
Ich höre keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen.
Da die Punkte 3, 3 a und 3 b als Punkte 1, 1 a und 1 b auf die Tagesordnung der morgigen, der 31. Sitzung gesetzt worden sind, fahren wir nunmehr mit Punkt 4 fort. Ich rufe also auf:
Antrag der Fraktion der FDP betr. Zunahme von Mißgeburten .
Dazu liegt eine schriftliche Begründung der Fraktion der FDP vor. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, auf eine mündliche Begründung und auf eine Debatte zu verzichten. Ebenso soll auf eine überweisung an die Ausschüsse verzichtet werden. Der Auftrag an die Bundesregierung ist klar.
Ich bitte diejenigen, die dem Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 386 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, eine Gegenstimme. Enthaltungen? — Gegen eine Stimme angenommen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung der Sammelübersicht 6 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache 414).
Auch hier schlägt Ihnen der Ältestenrat sofortige Beschlußfassung vor. Ich bitte diejenigen, die der Sammelübersicht 6 zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Zustimmung fest.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
betr. Änderung und Durchführung des Lastenausgleichsgesetzes ;
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1675
Vizepräsident Dr. Preusker
— Herr Abgeordneter Hoogen ist bereit, auf Erstattung eines Mündlichen Berichts zu verzichten, obwohl noch kein Schriftlicher Bericht vorliegt. —Das Haus verzichtet auf Mündlichen Bericht.
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen:
In dieser Streitsache wird der Deutsche Bundestag gemäß § 65 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf seiten des Antraggegners beitreten.
Der Bundestagsabgeordnete Hoogen wird ermächtigt, den Bundestag in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zu vertreten.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich gesehen habe, ist der Antrag gegen zwei Stimmen angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 17 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Antrag der Landesregierungen von Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen wegen Prüfung, ob das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung vom 25. Juli 1957 (BGBl. I S. 841) mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und daher nichtig ist (Drucksache 410).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hoogen Ich nehme an, daß kein weiterer Bericht erforderlich ist, weil aus dem Antrag des Ausschusses alles klar hervorgeht. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann darf ich diejenigen Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen bitten. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Punkt 18 in der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers
für wirtschaftlichen Besitz des Bundes
betr. Zustimmung zur Veräußerung der ehem. fliegertechnischen Vorschule in Bremen-Hemelingen, Saarburger Straße 50-56, an die Stadtgemeinde Bremen .
Der Ältestenrat hat Ihnen vorgeschlagen, auf Begründung und Aussprache zu verzichten und den Antrag an den Haushaltsausschuß zu überweisen. —
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich danke; der Antrag ist damit überwiesen.
Ich rufe Punkt 19 auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
betr. Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1956 .
Hier liegt die gleiche Empfehlung des Ältestenrates — Überweisung an den Haushaltsausschuß — vor. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich bitte diejenigen, die mit der Überweisung an den Haushaltsausschuß einverstanden sind, um das Handzeichen. — Die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe Punkt 20 auf:
Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Wer dem interfraktionellen Antrag auf Umdruck 53 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Die Überweisung ist beschlossen.
Punkt 21:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wahl der Bundesversammlung und des Bundespräsidenten .
Die Bundesregierung hat auf Begründung verzichtet. Der Ältestenrat schlägt vor, auf die Aussprache zu verzichten und den Entwurf an den Ausschuß für Inneres zu überweisen. — Ich sehe keine Wortmeldungen. Ich bitte diejenigen, die mit der Überweisung an den Ausschuß für Inneres einverstanden sind, um das Handzeichen. — Ich danke; es ist so beschlossen.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1679
Vizepräsident Dr. Preusker
Ich rufe Punkt 22 auf:
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren, wir sind bei einem Thema, das sehr ernst ist und in unserem Volk immer wieder sehr ernste Gefühle erweckt. Ich bitte trotzdem jeden der Damen und Herren, dabei die gebotene Ruhe und den Ernst zu bewahren. Ich glaube nicht, daß der Ausdruck, der dem Abgeordneten Dr. Arndt soeben entschlüpft ist, ihm bei einem anderen Gegenstand entfahren wäre.
Herr Abgeordneter Bucher!
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1683
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sollten diese Auseinandersetzung nicht mit Schärfen belasten. Erfeulicherweise hat auch niemand im Hause behauptet, er sei mehr oder weniger für das Wiederentstehen der NSDAP. Es geht doch eigentlich nur um psychologische und optische Momente, wie gesagt wurde. Vom rechtlichen Standpunkt aus ist die Sache klar. Das ist in dem Bericht der Frau Kollegin Dr. Schwarzhaupt sehr überzeugend dargelegt. Auch die geschichtliche Entwicklung, wie sie uns der Herr Staatssekretär geschildert hat, gibt die Rechtslage klar wieder, aber ich darf das vielleicht noch etwas ergänzen. Das Gesetz Nr. 5 enthält zweierlei, erstens einen Verwaltungsakt, der die NSDAP aufgelöst hat. Durch ihn ist sie aufgelöst und bleibt aufgelöst. Der Verwaltungsakt ist damit konsumiert und kann also nicht wiederaufgehoben 'oder perpetuiert werden. Er ist erledigt. Zweitens enthält das Gesetz das Verbot, die NSDAP wieder zu begründen. Daß wir dieses Verbot in einem Besatzungsgesetz nicht mehr brauchen, ist, wie gesagt, von den Vorrednern sehr deutlich gemacht worden.
Wir sollten hier gar nicht so sehr gesetzesperfektionistisch denken. Ich gebe dem, was der Kollege Wittrock gesagt hat, in der Grundtendenz recht. Aber meiner Ansicht nach hätte es sogar nicht einmal des Gesetzes Nr. 5 bedurft; denn so deutlich hat sich vor der Geschichte doch noch nie eine politische Partei aufgelöst, wie sich die NSDAP selbst aufgelöst hat. Wenn wir glaubten mit Gesetzen allein den Befürchtungen Rechnung tragen zu können, die der Kollege Wittrock vorgetragen hat, wären wir auch auf dem Holzwege. Außerdem haben wir die Gesetze. Das ist hier im Bericht ausführlich zum Ausdruck gebracht.
Wir sehen deshalb keine Notwendigkeit, entsprechend dem Antrag der SPD den Abschnitt B hier aus dem Anhang 1 auszuklammern.
Wird das Wort weiter gewünscht? Ich sehe, daß das nicht der Fall ist. Dann bitte ich diejenigen, die dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 54 zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann rufe ich zur Abstimmung über § i in der Fassung der Beschlüsse des 12. Ausschusses auf. Wer dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — § 1 ist in dieser Fassung angenommen.
Ich rufe § 2 in der Fassung der Beschlüsse des 12. Ausschuss auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, gegen ganz wenige Stimmen angenommen.
§ 3 entfällt.
Ich rufe auf § 4 in der ursprünglichen Fassung des Regierungsentwurfs, der der 12. Ausschuß zugestimmt hat. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Offensichtlich bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 5 in der Fassung der Beschlüsse des 12. Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Offensichtlich bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 6 in der Fassung des Rechtsausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Offensichtlich einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 7 in der Fassung der Beschlüsse des Rechtsausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 7 a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
§ 8 entfällt.
Ich rufe auf § 8 a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
§ 9. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Damit ist die zweite Beratung geschlossen. Ich rufe auf die
dritte Beratung
des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts. Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Dann bitte ich diejenigen Damen und Herren des Hauses, die diesem Gesetzentwurf zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist mit großer Mehrheit bei wenigen Gegenstimmen und mehreren Enthaltungen angenommen.
Damit sind wir am Schluß der heutigen Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die 31. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 13. Juni 1958, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.