Rede von
Dr.
Heinrich
Deist
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nein, ich denke z. B. an die Tennessee-Valley-Administration, die ein öffentliches Unternehmen ist.
Also Professor Mann hat ausgeführt: Diese Unternehmungen sollen die Preise auf ein angemessenes Niveau herabdrücken; sie sollen nicht Wettbewerber aufschlucken, sondern Preise und Gewinne regulieren. Und er sagt weiter, mit Sozialisierung habe das nichts gemein, sondern diese Tätigkeit öffentlicher Unternehmungen setze gerade voraus, daß freier Wettbewerb vorhanden sei; denn sie sollen gerade durch ihre Yardstick-Funktion für freien Wettbewerb sorgen.
Wir haben zahlreiche Industriezweige, in denen einige wenige marktbeherrschende Unternehmungen den Ton angeben, in denen also kein freier Wettbewerb besteht, wohl aber zwei Gefahren, nämlich in Zeiten der Hochkonjunktur die Gefahr des Mißbrauchs zu überhöhter Preisbildung und in der Zeit des Rückgangs der Konjunktur die Gefahr des ruinösen Wettbewerbs, wie wir ihn z. B. in der Automobilindustrie in Amerika heute beobachten können. In einem solchen Fall der Marktbeherrschung eines Industriezweiges durch einige wenige Unternehmungen bedeutet die Privatisierung öffentlicher Unternehmungen, daß dieser Unternehmungszweig völlig der Beherrschung durch einige Großunternehmungen ausgeliefert und den Bundesunternehmen ihre wichtige Funktion, für Wettbewerb zu sorgen, genommen wird.
Noch ein weiteres: Will der Herr Bundesschatzminister seine Behauptung und seine Forderung, der Bund habe in der Wirtschaft nichts zu suchen, auch dort aufrechterhalten, wo die Privatwirtschaft offensichtlich versagt? Ich darf darauf hinweisen, dal! die Bundesregierung sehr gut weiß, daß es solche Unternehmenszweige gibt, in denen wegen Versagens der privaten Wirtschaft öffentliche Unternehmungen tätig sein müssen.
— Ich komme gleich darauf, nur nicht so ängstlich!
Betrachten Sie z. B. einmal den Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 1958. Dort sind umfangreiche Kapitalerhöhungen für öffentliche Unternehmungen vorgesehen, die die Bundesregierung offenbar für erforderlich hält. Da erscheint die Lufthansa mit einer Kapitalaufstockung von 15 Millionen DM und mit einem Zuschuß zum Ausgleich von Verlusten von weiteren 15 Millionen DM und mit einem Kredit aus dem ERP-Vermögen von 10 Millionen DM. Dort finden sich umfangreiche Finanzierungsbeihilfen für die Flughafengesellschaft, für die Moselkanalgesellschaft und für die Rhein-MainDonau-Gesellschaft, und da wird eine Kapitalaufstockung für die Saarbergwerke im Gesamtbetrag von etwa 100 Millionen DM aufgeführt. Ferner gibt es Einlagen des Bundes bei der KernreaktorBau- und Betriebs-GmbH und bei der ReaktorFinanzierungs-GmbH. Das interessanteste Beispiel ist vielleicht die Euro-Chemie, jenes gemeinsame
europäische Unternehmen, das nach den Plänen der OEEC von sämtlichen europäischen Staaten gemeinsam errichtet werden sollte. Der deutsche Anteil sollte 14 Millionen DM sein. Es war daran gedacht, daß davon die Hälfte die Industrie aufbringt, nämlich die chemische Industrie und die Versorgungswirtschaft. Die chemische Industrie hat sich glatt und schlicht geweigert, diese Beteiligung und das damit verbundene Risiko zu übernehmen, so daß die Bundesregierung, wie der Presse zu entnehmen war, über diesen Affront recht unwillig gewesen ist. Meinen Sie nicht, meine Damen und Herren, daß der Bund in solchen Fällen die Aufgabe hat, als Pionier zu wirken, wenn sich privatwirtschaftliche Kräfte versagen? Oder sind Sie der Meinung, daß der Bund nur so lange eintreten soll, wie Kosten und Verluste entstehen, während es das Privileg der privaten Wirtschaft ist, dann einzusteigen, wenn die Unternehmungen Gewinne abwerfen?
Ist es nicht so, daß ein Teil der Unternehmungen auch nationalpolitische Aufgaben hat? Ich erwähnte soeben die Saarbergwerke. Haben diese an der Saar als öffentliche Unternehmen nicht eine große nationalpolitische Aufgabe? Haben die Reichswerke an der Zonengrenze nicht eine nationalpolitische Aufgabe?
— Ich habe von der Zonengrenze gesprochen. Wenn Sie hier keine nationalpolitische Aufgabe mehr erkennen könnten, täte es mir leid.
Meine Damen und Herren, Herr Lindrath weiß auch selber genau, daß die Bundesunternehmungen solche Aufgaben haben. Er hat nämlich damals, im Jahre 1955, bei der Behandlung der Bundeskonzerne folgendes ausgeführt:
Die Gesellschaften müßten, eben weil der Bund so bedeutsam beteiligt ist, auch politische Aufwendungen zur Erhaltung von gefährdeten Arbeitsplätzen oder zum Teil auch zur Förderung der durch das Vorhandensein dieser Betriebe besonders in Anspruch genommenen Gemeinden leisten. So sind z. B.
— bemerkt er zustimmend —50 Millionen DM aus den Erträgnissen genommen, um etwa 7000 Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten, die sonst nicht hätten aufrechterhalten werden können.
Meine Damen und Herren, ist es richtig, in der Form, wie es die Bundesregierung tut, in der Öffentlichkeit jede öffentliche Betätigung in der Wirtschaft zu diffamieren? Und ist es richtig, daß der Herr Bundesschatzminister sagt, er prüfe gar nicht mehr, ob, sondern nur, wie zweckmäßig die Versilberung erfolgen solle? Ich meine, wir haben einen Anspruch darauf, daß der Herr Bundesschatzminister sehr deutlich sagt, weiche Grundsätze die Bundesregierung bei der Behandlung des Bundesvermögens in der Zukunft anzuwenden gewillt ist
1632 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Deist
oder ob sie etwa nur den pragmatischen Grundsatz vertritt, daß dann, wenn sich ein privates Interesse an lukrativen Unternehmungen bemerkbar mache, eine Privatisierung Platz zu greifen habe.
Wir möchten dazu eine klare Antwort des Herrn Bundesschatzministers. Bisher hat die Bundesregierung es vermieden, darüber klare Ausführungen zu machen. Wenn aber, Herr Bundesschatzminister, die Bundesregierung doch wenigstens gewisse Grundsätze haben sollte, bei denen vielleicht auch das öffentliche Interesse eine Rolle spielen müßte, wäre es dann nicht richtig, bevor man anfängt, lukrative Unternehmungen an private und sonstige Interessenten abzugeben, zu untersuchen: was ist denn von diesem Torso, der aus dem Krieg übriggeblieben ist, im öffentlichen Interesse wirklich wichtig und was nicht? Wir wissen ja, daß ein Teil in der Ostzone abgespalten ist, daß eine Unmenge von Unternehmen im Kriege dazugekommen sind, die als Bundesunternehmungen wirklich uninteressant sind und wieder abgestoßen werden könnten.
Ich meine, es wäre die erste Aufgabe, eine Bestandsaufnahme zu machen und zu sichten und zu überprüfen, wo ein öffentliches Interesse vorliegt, und dann zu überprüfen, ob man diese Torsen sinnvoll organisieren kann, und dann das, was überflüssig und im öffentlichen Interesse nicht notwendig ist, abzustoßen.
Wir möchten diesen Überblick endlich einmal haben. Denn ich meine, wir und das ganze deutsche Volk haben ein Recht darauf, zu wissen, was uns auf diesem Wege eigentlich noch bevorsteht.
Meine Damen und Herren, wir haben in Abschnitt B eine zweite Frage gestellt. Sie betrifft die breite Eigentumsstreuung. Die Bundesregierung hat ja urbi et orbi verkündet, daß das der große Ansatzpunkt für eine breite Eigentumsstreuung ist. Es war — ich darf ganz kurz daran erinnern — auf dem Hamburger Parteitag der CDU vor den Wahlen von 1957, wo das große Wort von dem Volk von Eigentümern fiel. Die CDU sagte, daß sie nunmehr das Instrument der Volksaktie schaffen werde, um den Gedanken von dem Volk von Eigentümern zu verwirklichen. Der Abgeordnete Blank hat im Mai 1957 am Beispiel des Volkswagenwerks sehr deutlich gesagt, wie man sich innerhalb der CDU vorstelle, wirklich breite Schichten der Bevölkerung zu beteiligen, ohne daß der Aufkauf durch großindustrielle Gruppen stattfinde. Er hat dabei dargelegt: Das neue Instrument, das wir dafür schaffen, ist die Volksaktie; denn die normale Aktie haben wir schon sehr lange, über die hätten wir uns nicht sehr lange zu unterhalten brauchen.
Dieses neue Instrument hatte einige besondere Eigenheiten. Es sollte eine gebundene Namensaktie werden, und es sollte eine Begrenzung der Beteiligung für Einzelpersonen auf 1/20 000 für InvestmentGesellschaften auf 1/3 des Aktienkapitals stattfinden.
Das Stimmrecht der Banken sollte auf ein Drittel beschränkt werden, und Arbeitnehmer und wirtschaftlich schwache Schichten sollten einen Preisnachlaß bekommen. Das sind die besonderen Eigenheiten dieser Volksaktie, die dazu führen sollten, daß nunmehr gerade breite Schichten der Bevölkerung, die bisher nicht am Aktienkauf interessiert waren, zu Eigentum kämen.
Wir haben dargelegt, daß wir das alles für Illusionen, wenn nicht für Schlimmeres halten. Aber für Sie, meine Damen und Herren ,
ar doch die Volksaktie das Instrument, um den Volkskapitalismus und das Volk von Eigentümern zu schaffen.
In der Zwischenzeit hat sich nun so einiges Merkwürdige getan. Der Deutsche Industrie- und Handelstag und das private Bankgewerbe schießen nämlich quer und legen dar, das wären Aktien zweiter Klasse, und grundsätzlich müßten alle Beschränkungen fallen. Das ist schließlich verständlich. Aber dann hält der Herr Bundesschatzminister am 11. April vor der Industrie- und Handelskammer in Köln eine Rede und sagt, er lehne es ab, neben der Normalaktie eine besondere Aktie zu schaffen, er sei gegen vinkulierte Aktie; er sei Jauch gegen eine Erwerbsbeschränkung, er sei auch dagegen, daß minderbemittelte Schichten einen Rabatt bekämen. Auch hat er durchblicken lassen, daß er gegen eine Stimmrechtbeschränkung sei. Vielleicht könne man, so meinte er, vorübergehend eine Satzungsbestimmung schaffen, durch die das Stimmrecht beschränkt werde, eine Satzungsbestimmung, die man natürlich jederzeit wieder ändern könne.
Meine Damen und Herren, wo bleiben dann eigentlich noch die Besonderheiten der Volksaktie, die diese so attraktiv und bemerkenswert geeignet für breite Schichten der Bevölkerung machen sollten, die bisher keine Aktien zu kaufen pflegten?
Wir haben inzwischen gehört, daß der Herr Bundesschatzminister sich bemüht, nun wenigstens in der Koalition und in der Bundesregierung Klarheit zu schaffen. Wir haben gehört, daß er der Bundesregierung eine entsprechende Vorlage gemacht hat, damit einmal erkenntlich werde, ob noch etwas an der Volksaktie dran sei oder nicht. Ich möchte Sie, Herr Bundesschatzminister, sehr bitten, uns auch hierzu eine offene Antwort zu geben, damit wir wissen, ob Ihre Behauptung, die Volksaktie sei ein ganz hervorragendes und ganz besonderes Instrument zur Schaffung von Volkseigentum, eigentlich noch gilt oder ob sie heute nicht mehr gilt.
Im Abschnitt C haben wir eine weitere Frage gestellt. Wir haben uns hier wiederum an einige Ausführungen erinnert, die der jetzige Herr Bundesschatzminister im Jahre 1955 als Abgeordneter gemacht hat. Er hat damals nämlich gesagt:
Wir ersuchen deswegen die Bundesregierung, Vorsorge zu treffen, daß die Veräußerung von mittelbaren Bundesbeteiligungen ebenso wie von unmittelbaren die Zustimmung dieses Parlaments haben muß.
Dr. Deist
Wir haben uns auch entsonnen, daß haargenau dasselbe in der Entschließung steht, die damals mit Mehrheit angenommen worden ist.
Darum erlauben wir uns, danach zu fragen, was nun eigentlich seit dem Jahre 1949 veräußert worden ist, wo dabei eine breite Streuung des Eigentums zu bemerken ist und in welchen Fällen an einzelne Personen, an mächtige Unternehmungen oder vielleicht an mächtige Unternehmensgruppen verkauft worden ist.
Ich will Ihnen, Herr Bundesschatzminister, gern konzedieren, daß Sie vielleicht für 1949 50 eine breite Eigentumsstreuung noch nicht nachweisen können. Aber wenn das wirklich ein solches Herzensanliegen ist, dann hätte man doch in den letzten Jahren irgendwann wenigstens einmal einen Niederschlag davon bemerken müssen. Wir sind auf die Antwort des Herrn Bundesschatzministers und auf die Liste, die er dazu vorlegen wird, gespannt.
Im Abschnitt D unserer Großen Anfrage befassen wir uns mit der Preußischen Bergwerks- und Hütten AG. Merkwürdigerweise — man muß schon sagen: merkwürdigerweise — ist die Bundesregierung auf die Idee gekommen, dieses Unternehmen sei ein geeignetes Objekt für die Privatisierung. Ich finde, das ist ein Testfall. Hier kann man wirklich sehen, wie eigentlich die Absichten und die Handlungen der Bundesregierung auf dem Gebiete der Privatisierung des Bundesvermögens zu werten sind.
In der breiten Öffentlichkeit war zunächst bekanntgeworden, daß beabsichtigt sei, im Zusammenhang mit einer Kapitalaufstockung 75 % des Aktienkapitals zu privatisieren. Nun, die Proteste dagegen waren so unüberhörbar, daß sich der Herr Bundesschatzminister entschloß, diese Privatisierung von 75 % zunächst zurückzustellen und nur die beabsichtigte Kapitalerhöhung von 30 Millionen DM zur Privatisierung vorzusehen; das wären dann 28,5 % des Kapitals. Wir müssen daher davon ausgehen — der Bundesschatzminister hat nichts getan, um diese in der Öffentlichkeit geäußerte Annahme zu entkräften,
sie muß daher als richtig unterstellt werden —, daß das der erste Schritt ist und daß die Bundesregierung der Auffassung ist, es handele sich nicht um das Ob, sondern nur um das Wie, und daß sie sich für die Zukunft die Privatisierung größerer Teile der Preußag vorbehält.
Davon muß ich also ausgehen.
Ich darf folgendes hinzufügen. Ursprünglich wurde von einer Stimmrechtsbeschränkung für die freien Aktionäre geredet, damit nicht eine Sperrminorität entstehe. Soweit ich sehen kann, ist es um diese Stimmrechtsbeschränkung still geworden. Es würde interessieren, ob die Bundesregierung inzwischen auch diese Idee — das ist so
der letzte noch übriggebliebene Rest der „Volksaktie" — aufgegeben hat.
Meine Damen und Herren, sehen wir uns einmal die Preussag an! Denn das ist wirklich ein Fall, an dem man studieren kann, wie diese Bundesregierung mit dem Bundesvermögen umgeht. Die Umsätze der Preussag entfallen zu 45 % auf sogenannte Nichteisenmetallerze, nämlich in der Hauptsache auf Blei und Zink, zu 30 % auf Kohle und zu 20 % auf Erdöl. 5 bis 10 % entfallen auf andere Erzeugnisse; sie spielen also keine Rolle. All diese Unternehmungen können sich überhaupt nur halten, weil sie in großem Umfang durch Subventionen, durch Zölle, durch steuerliche Begünstigungen und andere öffentliche Stützungsmaßnahmen aufrechterhalten werden. Die Produktion von Blei- und Zinkerzen wird seit 25 Jahren immer wieder aus staatlichen Mitteln unterstützt. Im Jahre 1949 war es wieder so weit; nur die Koreahausse enthob den Staat der Notwendigkeit einzugreifen. Heute — das wissen Sie alle — liegen in den Ausschüssen wieder Anträge, wenn ich nicht irre, von der CDU/CSU-Fraktion vor, die steuerliche Hilfsmaßnahmen für den Blei- und Zinkbergbau fordern, da er sich durch das Sinken des Weltmarktpreises wieder einmal in einer schwierigen Lage befindet.
Bezüglich der Kohle brauche ich nicht viel zu sagen, nachdem der Herr Bundeswirtschaftsminister in der letzten Kohlendebatte dargelegt hat, wieviel Milliarden an öffentlichen Mitteln in den vergangenen Jahren in den Kohlenbergbau ' hineingepumpt werden mußten, um ihn leistungsfähig zu halten. Wir haben mit Erschütterung gelesen, daß die Hohe Behörde der Montanunion gerade in diesen Tagen wieder Statistiken veröffentlicht hat, aus denen ersichtlich ist, wie stark die Investitionstätigkeit im deutschen Kohlenbergbau ungeachtet dieser Unterstützung auch heute noch hinter der Investitionstätigkeit in den anderen europäischen Ländern zurücksteht. Auch der Bergbau ist also ein Industriezweig, der nur durch öffentliche Unterstützung aufrechtzuerhalten ist.
Und dann Erdöl! Meine Damen und Herren, ist Ihnen denn so ganz unbekannt geblieben, daß die Rohöleinfuhr einen Zollschutz von mehr als 100 % genießt? Ohne diesen Zollschutz gäbe es überhaupt keine deutsche Erdölförderung. Alle Sachverständigen sind sich darüber einig, daß, wenn etwa im Gemeinsamen Markt der Erdölschutzzoll wegfiele, andere öffentliche Stützungsmaßnahmen getroffen werden müßten, um die deutsche Erdölförderung aufrechtzuerhalten.
Die Rentabilität dieser drei Wirtschaftszweige, die den entscheidenden Bestandteil des Tätigkeitsbereichs der Preußag darstellen, kann nur durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen gesichert werden. Halten Sie es wirklich für richtig, meine Damen und Herren, daß in einem solchen Fall nun ausgerechnet an private Unternehmungen Subventionen gegeben werden, damit private Beteiligte Dividenden verdienen können? Halten Sie ein solches Papier wirklich für ein gutes Papier, das Sie breiten Schichten der Bevölkerung anbieten können?
1634 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958
Dr. Deist
Wissen Sie nicht, meine Damen und Herren, daß Kohle und Erdöl, die gesamte Energiewirtschaft für die wirtschaftliche Entwicklung und das Preisniveau eine solch entscheidende Rolle spielen, daß man auch aus diesem Grunde überlegen müßte, ob man gerade ein solches Unternehmen an private Kräfte abgeben soll? Wenn schon ein solcher Industriezweig subventioniert wird, dann sollte sich die öffentliche Hand wenigstens den genügenden Einfluß in diesen Unternehmungen sichern.
- Dann dürften Sie nicht so viele Beschlüsse mitfassen, in denen Subventionen verlangt werden, Herr Kollege.
Und dann: Was sind das für Märkte? Freier Wettbewerb soll da geschaffen werden. Auf dem Gebiet von Blei und Zink bestreitet die Preussag 40 % der Förderung, die Stollberger Zink AG, also Gesellschaft von Otto Wolff, 25 % und die Metallgesellschaft 20 %, macht zusammen 85 % auf 3 Großunternehmungen. Viel Wettbewerb ist da wohl nicht vorhanden, aber handfeste Marktpolitik marktbeherrschender Unternehmungen.
An der Erdölförderung sind auch nur einige wenige an der deutschen Erdölförderung beteiligt. Wintershall z. B. verfügt über Elwerath, an der sie mit 42 % beteiligt ist, allein über 40 bis 50 % der über 20 %, die ESSO über 10 % und der Bund über 20 %. Das heißt, diese Vier bestreiten praktisch die ganze deutsche Erdölförderung; sonst ist nicht mehr sehr viel da. Da ist ja wohl auch nicht viel von freiem Wettbewerb die Rede, sondern sehr stark von marktbeherrschender Position, die erst durch staatliche Unterstützung von privaten Unternehmungen geschaffen wird.
Über die Kohle brauche ich ja wohl nicht mehr viel zu sagen. Hier haben wir ein handfestes Kartell an der Ruhr, und wir sollten gerade aus den letzten Unterhaltungen über die Preisgestaltung im Kohlenbergbau wissen, wie wichtig es wäre, einen vernünftigen Einfluß des Bundes geltend zu machen.
Solche Märkte pflegt man als oligopolistische Märkte zu bezeichnen. Wenn man da Bundesunternehmungen abstößt, bedeutet das, daß man diesen Markt völlig der Beherrschung durch einige wenige private Großunternehmungen ausliefert.
Noch ein Wort zu der nationalpolitischen Aufgabe, die auch die Preußag hat. Der Metallerzbergbau im Harz liegt im Zonengrenzgebiet, in einem ausgesprochenen Notstandsgebiet. Die Preussag hat hier schon eine erhebliche nationalpolitische Aufgabe, und es ist sehr zweifelhaft, ob der Metallerzbergbau im Harz aufrechterhalten werden würde, wenn er sich in privater Hand befände. Jedenfalls ist er von staatlichen Subventionen abhängig.
Außerdem hat die Preussag in Mitteldeutschland und in den polnischen Gebieten umfangreiche Verloste erlitten. Dabei sind so interessante Stoffe wie Steinsalz und Kali verlorengegangen. Hier werden
große Aufwendungen erforderlich sein, um dieses Ganze wieder zusammenzufügen, wenn einmal der Tag der Wiedervereinigung kommt. Sind Sie wirklich der Auffassung, daß das durch private Beteiligung oder durch die Auslieferung dieses Unternehmens an private Kräfte gefördert würde, oder sind Sie nicht doch der Auffassung, daß jede private Beteiligung ein Hemmnis gerade für die Erfüllung dieser großen nationalpolitischen Aufgabe sein müßte, die jedenfalls der Preußag bevorsteht?
Damit komme ich zum letzten Punkt, nämlich zu dem Problem der Howaldtwerke. Die Ideen, diese Werke zu privatisieren, sind alt, nämlich genau so alt, wie deutlich ist, daß die Schiffswerften nach dem Kriege im Hinblick auf den großen Bedarf an Schiffsneubauten die Aussicht gaben, erhöhte Gewinne abzuwerfen. Seit damals gibt es daher Verhandlungen über die Veräußerung der Howaldtwerke. Seit 1951, meine Damen und Herren, seit 7 .Jahren läuft dieses Spiel.
Zunächst handelte es sich um die beiden Howaldtwerften in Hamburg und in Kiel. Für beide wurde ein Preis von 30 Millionen angeboten und verhandelt. Er war offensichtlich viel zu niedrig. Damals dachte man auch daran, daß beide Werke ihren Aufbau nur mit Hilfe großer Staatskredite durchführen konnten, und damit wurde dieses Projekt ad acta gelegt. Dann trat das Problem im Jahre 1954 neu vor uns. Nunmehr handelte es sich nur noch um die Hamburger Howaldtwerft. Interessenten waren die Dortmund-Hörder Hüttenunion und die Gutehoffnungshütte. Der Preis betrug damals für diese eine Werft 20 Millionen DM. Im Jahre 1956 wurde dann im Bundestag eine Vorlage eingebracht, und dabei erschien für dasselbe Unternehmen ein Preis von 26 Millionen DM. Im Jahre 1958 erscheint ein neuer Plan, diesmal mit einem Preis von 34 Millionen DM. Der Preis soll in Ratenzahlungen, die sich über mehrere Jahre verteilen, gezahlt werden. An diesem Unternehmen, den Howaldtwerken in Hamburg, sollen die Dortmund-Hörder Hüttenunion mit 48 %, die Deutsche Bank mit 26 % und die Siemens-Schuckert-Werke ebenfalls mit 26 % beteiligt werden. Es lohnt sich, sich dieses Projekt einmal etwas näher anzuschauen.
Meine Damen und Herren, hier wird von „Privatisierung" gesprochen. An der Dortmund-Hörder Hüttenunion, die 48 % der Howaldtwerft bekommen soll, ist die holländische Stahlfabrik Hoogovens mit 41 % beteiligt. Der Rest ist gestreut. Diese holländische Gesellschaft ist der Großaktionär der Hüttenunion, und sie befindet sich — horribile dictu — zu 30 %im Besitz des holländischen Staates und zu 10 % im Besitz der Stadt Amsterdam.
Die übrigen Aktien sind auch hier wieder gestreut. Wer sagt uns dann weiter, daß die Deutsche Bank diese 26 % behalten wird? Eine Verpflichtung dazu hat sie, soweit ich unterrichtet bin, nicht übernommen. Wer garantiert uns denn, daß nicht doch vielleicht auch diese 26 % - ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Dortmund-Hörder Hüttenunion — an die Dortmund-Hörder Hüttenunion abgegeben
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958 1635
Dr. Deist
werden? Meine Damen und Herren, da wird also ganz leicht unter der Marke ,.Privatisierung" aus deutschem Bundesbesitz auf einmal holländischer Staatsbesitz. Das ist eine merkwürdige Form von Privatisierung, Herr Bundesschatzminister, die Sie hier betreiben,
ganz abgesehen von der breiten Streuung des Eigentums, die dabei kaum zu bemerken ist.
Vielleicht denken Sie auch daran, Herr Bundesschatzminister, daß die Holländer als seefahrende Nation erhebliche Interessen an dem Wohlergehen holländischer Werften haben und ob da nicht Interessenkonflikte zwischen diesen holländischen Werftinteressen und den deutschen Werftinteressen entstehen können.
Meine Damen und Herren, es ist ein unwürdiges Spiel, das mit diesem Werk seit dem Jahre 1951 getrieben wird. Ich will Ihnen nur die Preise nennen: 1951 für beide Werke 30 Millionen DM, August 1954 nur für das Hamburger Werk 20 Millionen DM — danach findet die erste Bewertung durch eine Treuhandgesellschaft statt —, im Dezember 1954 ein Kaufangebot mit 25 Millionen DM, im Juni 1955 die Bundesratsvorlage mit 26,25 Millionen DM, dann angesichts der ablehnenden Haltung des Bundestags ein neues Angebot mit 27,25 Millionen DM. Das lehnte der Haushaltsausschuß des Bundestags ab, weil auch dieser Betrag zu niedrig erschien. Im Mai 1958 kommt eine neue Vorlage mit 34 Millionen DM. Offenbar ist auch das zu niedrig. Jedenfalls hat der Herr Bundesschatzminister, wenn nicht alle Meldungen trügen, inzwischen ein neues Gutachten angefordert. Ein solches Verfahren würde in der Privatwirtschaft als unkaufmännisch und geradezu unternehmensgefährdend bezeichnet werden.
Nun auch über die Ertragslage und den Wert des Unternehmens einiges! Leider gibt es darüber keine genaue Angaben, und es ist bei aller Intensität nicht möglich gewesen, Herr Bundesschatzminister, aus Ihrem Ministerium — im Hinblick auf entgegenstehende Weisungen des Ministers — darüber etwas Näheres zu erfahren. Ich kann also nur mit einigen Daten ein Bild von der Ertragslage und von dem Wert dieses Unternehmens zu geben versuchen.
Seit dem Jahre 1952 verteilt diese Werft Dividende, zuerst 5 °/o, in den letzten zwei Jahren 8 und 10 °/o. Im Jahresabschluß zum 31. August 1957 wird ein Gewinn von 800 000 DM ausgewiesen, nachdem vorher der Rücklage 1,2 Millionen DM zugewiesen worden sind. In der Handelsbilanz wird also bereits ein Gewinn von 2 Millionen DM ausgewiesen. Daß die echte, wirkliche Ertragsbilanz ein anderes Bild zeigt, kann man nach aller Erfahrung ohne weiteres annehmen.
Diese Annahme wird auch bestätigt durch die Tatsache, daß die Howaldtwerft im Jahre 1957 einen Umsatz von 190 Millionen DM hatte.
2 Millionen DM wären 1 % Gewinn. Es ist nicht recht denkbar, daß der Gewinn der Howaldtwerft nur 1 % des gesamten Umsatzes beträgt.
Diese Annahme läßt sich noch etwas untermauern. Seit dem Jahre 1948 war die Howaldtwerft nämlich in der Lage, 50 Millionen DM neu zu investieren, davon 30 Millionen über Abschreibungen und 11 Millionen über Fremdmittel, — von denen bis heute schon wieder rund 7 Millionen DM aus den Erträgen des Unternehmens getilgt werden konnten.
Dann brauche ich nur noch hinzuzunehmen, daß der Auftragsbestand bis zum Jahre 1962 reicht.
Der Schluß, der hieraus aber nun unweigerlich gezogen werden muß, ist der, daß der Verkehrswert des Unternehmens jedenfalls wesentlich näher an 50 bis 60 Millionen DM liegen muß als an 34 Millionen DM. Die Vorlage, die der Herr Bundesschatzminister uns gemacht hat, ist einfach unvertretbar.
Nun lassen Sie mich noch einiges zu dem Zahlungsmodus sagen. Nachdem das Werk zu diesen günstigen Bedingungen ausgeboten wird, hat der Anwärter noch die weitere Gunst, daß er den Preis innerhalb mehrerer Jahre in Raten zahlen darf. Da es schlecht möglich ist, die wirklichen Gewinne zu erfahren, möchte ich fragen: trifft es nach der Gewinnlage und der derzeitigen Situation zu, daß der Kaufpreis im wesentlichen aus den Gewinnen der nächsten Jahre bezahlt werden kann? Es wird angegeben — ob es stimmt, weiß ich nicht; ich muß leider fragen —, daß der steuerpflichtige Gewinn allein in den letzten fünf, sechs Jahren etwa 30 Millionen DM ausgemacht habe.
Auch das ist eine Auskunft, die in den Ausschüssen gegeben werden muß, damit wir endlich einmal sehen, was mit diesem Bundesvermögen von dieser Bundesregierung eigentlich gemacht wird.
Jedenfalls ist eines klar, Herr Bundesschatzminister - ich bitte Sie, das vielleicht doch zu vermerken —: die Stadt Hamburg wäre jederzeit bereit, die Howaldtwerft zu den gleichen günstigen Bedingungen zu erwerben wie die Dortmund-Hörder Hüttenunion.
Das, was hier gemacht wird, ist ein ungeheuerliches Verfahren, das man nur als den Versuch bezeichnen kann, wertvolles Bundesvermögen zu verschleudern.
— Bitte, bitte!
1636 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 30. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 12. Juni 1958